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German Pages 206 [214] Year 2011
Eilers/Bühring Sanierungssteuerrecht
SanierungsSteuerrecht Beratungsschwerpunkte und Checklisten von
Prof. Dr. Stephan Eilers LL.M. (Tax) Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Lehrbeauftragter an der Universität zu Köln, Köln und
Dr. Franziska Bühring Rechtsanwältin, Steuerberaterin, Köln bei
2012
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Vorwort Sanierungstransaktionen sind Transaktionen, mit denen Unternehmen gerettet werden. Die Unternehmensrettung steht im Mittelpunkt, nicht deren steuerliche Optimierung. Die Praxis hat in den letzten vier Jahren eine Vielzahl dieser Transaktionen gesehen. Das Steuerrecht hat viele dieser Transaktionen erschwert, nicht erleichtert. Woran liegt das? Zwei Überlegungen stehen unseres Erachtens im Mittelpunkt. Die verfassungs- und europarechtlichen Grenzen unseres Steuerrechts verbieten es zum Einen, Unternehmen in Krisen anders als „normale Steuerpflichtige“ zu behandeln. Die Krisenunternehmen bleiben steuerpflichtig. Für sie gibt es kein besonderes Steuerrecht, das die geringere Leistungsfähigkeit dieser Unternehmen im Grundsatz berücksichtigt. Neben den genannten Grenzen, ein spezielles Krisensteuerrecht zuzulassen, bestehen auch Befürchtungen auf Seiten der Finanzverwaltung, dass Erleichterungen für Krisenunternehmen leicht auch von „Nicht-Krisenunternehmen“ genutzt werden können. Zum anderen greifen die steuerrechtlichen Kriseninstrumente zu spät in Unternehmenskrisen. Sie sind – aus den zuvor genannten Gründen – zu eng an die lebensbedrohliche Krisensituation des betroffenen Unternehmens gebunden; erst in der Nähe zur Insolvenz sind steuerrechtliche Sanierungsinstrumente erreichbar. Die Finanzmarktkrise hat demgegenüber gezeigt, dass Unternehmen in Krisensituationen besonderen Handlungszwängen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten unterliegen, die eben mit der wirtschaftlichen Realität von anderen Unternehmen nicht vergleichbar sind. Deshalb haben das Steuerrecht und der Steuergesetzgeber während und nach der Finanzmarktkrise auch in besonderen, genau definierten Einzelsituationen versucht, dem besonderen Charakter von Krisenunternehmen im Steuerrecht gerecht zu werden. Dieses Spannungsfeld zwischen der Anwendbarkeit des allgemeinen Steuerrechts und der spezifischen Krisenausnahmen hat die tägliche Praxis in den Sanierungsfällen geprägt. Es ist Gegenstand dieses Buches. Es ist für die Praxis geschrieben worden und beruht auf der Vielzahl von Sanierungssituationen, die wir im Steuerrecht bei Freshfields Bruckhaus Deringer gesehen haben. Frau Prof. Dr. Johanna Hey, die unser dogmatisches Interesse für dieses Rechtsgebiet geweckt hat, sei dafür besonders gedankt. Köln, im November 2011
Stephan Eilers
Franziska Bühring
V
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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIII
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XVII
Kapitel 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . .
1
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht A. I. II. III.
Allgemeine Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirtschaftliche Ausgangssituation/Grundfall . . . . . . . . . . . Anforderungen an ein wirksames Sanierungssteuerrecht . . . . Verhältnis zwischen Sanierungssteuerrecht und Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überschneidungen zwischen Sanierungssteuerrecht und Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichten des Geschäftsführers in der Krise . . . . . . . . . . . 3. Insolvenzrechtliche Einordnung von Steuerforderungen . . . 4. Gesetzesentwurf zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts I. Fehlende Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Sanierungserlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unternehmensbezogene Sanierung . . . . . . . . . . . . . 3. Sanierungsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sanierungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sanierungsabsicht der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zeitliche Anwendbarkeit des Sanierungserlasses . . . . . 7. Kosten der Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Rechtsfolgen der Anwendbarkeit des Sanierungserlasses a) Ermittlung des Sanierungsgewinns und abweichende Steuerfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stundung der Steuer auf den Sanierungsgewinn und Erlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Rechtmäßigkeit des Sanierungserlasses . . . . . . . . . . . III. Sanierungsausnahme bei Verlustvorträgen (§ 8c Abs. 1a KStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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1. Regelungskonzept des § 8c KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen von der Verlustabzugsbeschränkung . . . . . . . a) Ausnahmen für Wagniskapitalgesellschaften . . . . . . . . b) Ausnahmen zur Stabilisierung des Finanzmarktsektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Allgemeine Sanierungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Sanierungsausnahme im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz: Beteiligungserwerb zum Zweck der Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhinderung oder Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erhalt der wesentlichen Betriebsstrukturen . . . . . . . . d) Untergang des Verlustvortrags bei nicht sanierungsbedürftigen Tochtergesellschaften? . . . . . . . . . . . . . e) Verhältnis zwischen § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG a.F. und § 8c Abs. 1a KStG n.F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 8c Abs. 1a KStG – eine verbotene Beihilfe? . . . . . . . . . . a) § 8c Abs. 1a KStG als Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mögliche Folgen einer endgültigen negativen Entscheidung über die beihilferechtliche Zulässigkeit . . . . . . . IV. Allgemeine steuerrechtliche Vorschriften mit Relevanz in Sanierungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mindestbesteuerung (§ 10d EStG/§ 10a GewStG) . . . . . . . 2. § 8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG; § 17 EStG bei Finanzierungsmaßnahmen von Gesellschaftern . . . . . . . . a) § 8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 17 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Zinsschranke bei Sanierungssituationen . . . . . . . . . a) Grundregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Freigrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konzernklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Escape-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rückausnahme für Kapitalgesellschaften . . . . . . . c) Zinsvortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) EBITDA-Vortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beispielsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Konzernausnahme in § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG . . . . . . . . . 5. § 8c Abs. 1 Satz 6–8 KStG: Verschonung inländischer stiller Reserven bei Akquisitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zeitlicher Anwendungsbereich bei laufenden Verlusten . . . V. Branchenspezifische Sondervorschriften des Sanierungs(steuer)rechts/Insolvenzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (FMStFG) . . . . . . a) Überblick über die Stabilisierungsmaßnahmen des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes (FMStFG) . . . VIII
25 26 27 27 28 29 29 30 30 31 32 33 33 35 36 36 37 37 38 40 40 41 41 41 42 42 43 43 44 45 46 47 48 48 48
Inhaltsverzeichnis
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b) Steuerliche Aspekte bei der Inanspruchnahme von Rettungsmaßnahmen des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Restrukturierungsgesetz (RStruktG) . . . . . . . . . . . . . . . VI. Gesetzesentwurf zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Sanierungsmaßnahmen im Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . I. Verbindliche Auskünfte in Sanierungsfällen . . . . . . . . . . . II. Die Gebührenpflicht verbindlicher Auskünfte in Sanierungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Späte Einführung der Gebührenpflicht . . . . . . . . . . . . 2. Gebührenhöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesetzgeberische Rechtfertigung der Gebührenpflicht . . . . III. Die fehlende Bindungswirkung der Auskünfte für die Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Abzugsfähigkeit der Gebühr als Betriebsausgabe . . . . . . . . V. Zusammenfassende Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht A. I. II. III. IV.
Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgangsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zivilrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzicht durch Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Steuerliche Konsequenzen auf Ebene der Gesellschaft . . 2. Zinsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Sanierungserlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Steuerliche Konsequenzen auf Ebene des Gesellschafters V. Verzicht durch Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Verzicht gegen Besserungsschein . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zivilrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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59 59 59 59 60 60 62 62 63 67 69 69 70
B. I. II. III.
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C. Schuldbeitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76 76
Schuldübernahme . . . . . . . . . Ausgangsfall . . . . . . . . . . . . Zivilrechtliche Beurteilung . . . Ertragsteuerliche Konsequenzen 1. Ebene der Gesellschaft . . . . 2. Ebene des Gesellschafters . .
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IX
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II. Zivilrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ertragsteuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . 1. Behandlung beim Originärschuldner (Gesellschaft) . 2. Behandlung beim Zusatzschuldner (Gesellschafter)
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D. I. II. III.
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E. Gruppeninterne Sanierungen durch Barmittel . . . . . . . I. Abgrenzung Eigenkapital- und Fremdkapitalinstrumente II. Bareinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff der Einlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ertragsteuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . III. Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zivilrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ertragsteuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . a) Ebene des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . b) Ebene der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Stille Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zivilrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ertragsteuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . a) Ebene der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ebene des stillen Gesellschafters . . . . . . . . . . . V. Hybride Finanzierungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ertragsteuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . .
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F. I. II. III.
Rangrücktrittserklärungen . Grundlagen . . . . . . . . . . . Zivilrechtliche Beurteilung . Steuerliche Konsequenzen . . 1. Ebene der Gesellschaft . . 2. Ebene des Gesellschafters
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Zuschüsse . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . Ertragsteuerliche Konsequenzen . . 1. Ebene des Zuschussempfängers . 2. Ebene des Leistenden . . . . . . . IV. Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . G. I. II. III. IV. X
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Rückkauf eigener Darlehen und NPL-Transaktionen . . Ausgangsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zivilrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . Umqualifizierung des erworbenen Finanzinstruments .
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Inhaltsverzeichnis
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V. Ertragsteuerliche Konsequenzen . . . . . . 1. Erwerb der Darlehensforderungen . . . a) Erwerb durch den Kreditnehmer . . b) Erwerb durch Gruppengesellschaft 2. Verzicht auf die Darlehensforderung . . 3. Zinsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Umsatzsteuerliche Konsequenzen . . . . .
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H. Veräußerung von „Tafelsilber“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Asset Deal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zivilrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ertragsteuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grunderwerb- und Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . 4. Haftungsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Share Deal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zivilrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftungsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Veräußerung aus der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zivilrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftungsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Eintritt der finanzierenden Banken („Schlüsselübernahme“)
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I. I. II. III. IV.
Debt-Equity-Swap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgangsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zivilrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . Ertragsteuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . 1. Bilanzielle Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen auf Ebene der Gesellschaft . . . . a) Sanierungsgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verlustabzugsbeschränkung nach § 8c KStG c) Zinsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen auf Ebene des Gesellschafters . . V. Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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J. Loan-to-own-Transaktionen . . . I. Allgemeine Erläuterungen . . . . 1. Debt-Equity-Swap . . . . . . . 2. Debt-Mezzanine-Swap . . . . 3. Debt/Asset-Swap . . . . . . . 4. Reverse Debt-Equity-Swap . 5. Share Pledge Enforcement . . II. Ertragsteuerliche Konsequenzen
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XI
Inhaltsverzeichnis
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1. 2. 3. 4. 5.
Debt-Equity-Swap . . . . . . Debt-Mezzanine-Swap . . . Debt/Asset-Deal . . . . . . . Reverse Debt-Equity-Swap Share Pledge Enforcement .
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Kapitel 4 Zusammenfassung der Ergebnisse
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Anhang Checkliste für GmbH-Geschäftsführer, Musterantrag einer verbindlichen Auskunft und ausgewählte Verwaltungsanweisungen . I. Checkliste zu den Pflichten des Geschäftsführers in der Insolvenz/Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Musterantrag für eine verbindliche Auskunft der Finanzbehörde zur Beurteilung einer Schuldübernahme . . . . . . . . . III. Ausgewählte Verwaltungsanweisungen zur Sanierung . . . . . . 1. Sog. „Sanierungserlass“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ergänzung des sog. „Sanierungserlasses“ . . . . . . . . . . . . 3. Erlass Schleswig-Holstein zu Sanierungsgewinnen bei Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergänzende OFD-Verfügung zum sog. „Sanierungserlass“, insb. im Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. BMF zur verbindlichen Auskunft; Gebührenpflicht . . . . . Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XII
145 145 153 161 161 165 167 168 171 183
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. ABl. EG Abs. a.F. AG AGB AktG Alt. Anh. Anm. AO AO-StB Aufl.
anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz alter Fassung Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Allgemeine Geschäftsbedingungen Aktiengesetz Alternative Anhang Anmerkung Abgabenordnung Der AO-Steuer-Berater (Zeitschrift) Auflage
BAG BB BC
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Bundesarbeitsgericht Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bilanzierung, Rechnungswesen, Crontrolling (Zeitschrift) Brandenburg Beschluss Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesfinanzhof Sammlung der nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH Entscheidungen des BFH für die Praxis der Steuerberatung (Zeitschrift) Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesfinanzministerium Bundesrechtsanwaltsordnung Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Baden-Württemberg
DB DStR
Der Betrieb (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)
EBITDA
earnings before interest, taxes, depreciation and amortization Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift)
Bdb. Beschl. BGB BGBl. BGH BGHZ BFH BFH/NV BFH/PR
EFG
XIII
Abkürzungsverzeichnis
EG Entsch. EStB EStH EStG EWiR
Europäische Gemeinschaften Entscheidung Der Ertrag-Steuer-Berater (Zeitschrift) Amtliches Einkommensteuer Handbuch Einkommensteuergesetz Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)
f., ff. folgende, fortfolgende FB Der Finanz-Betrieb (Zeitschrift) FG Finanzgericht FGO Finanzgerichtsordnung FrankfurterKommFrankfurter Kommentar FMStG Finanzmarktstabilisierungsgesetz Fn. Fußnote FR Finanz-Rundschau (Zeitschrift) FS Festschrift gem. GG Ggfs. GKG GmbHG GmbHR GmbH-StB GrEStG GrS GVG GWR
gemäß Grundgesetz gegebenenfalls Gerichtskostengesetz Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Der GmbH-Steuer-Berater (Zeitschrift) Grunderwerbsteuergesetz Großer Senat Gerichtsverfassungsgesetz Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)
Hess. HGB h.M. Hrsg.
Hessen Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber
IAS IFRS INF InsO i.E. i.S.d. IStR i.V.m.
International Accounting Standards International Financial Reporting Standards Information über Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Insolvenzordnung im Ergebnis im Sinne des Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) in Verbindung mit
Kap. KG KO
Kapitel Kommanditgesellschaft; Kammergericht Konkursordnung
XIV
Abkürzungsverzeichnis
KStG KStR
Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinien
LAG LG
Landesarbeitsgericht Landgericht
MDR MittBayNot
Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Mitteilungen der Bayerischen Notarkammer (Zeitschrift) Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen Mecklenburg-Vorpommern
MoMiG MünchKomm m.w.N. MV Nds. n.F. NJW NJW-RR NV NW NWB NZA NZG NZI
Niedersachsen; Niedersächsisches neue Fassung Neue Juristische Wochenzeitschrift Neue Juristische Wochenzeitschrift – Rechtsprechungs-Report Nicht veröffentlicht Nordrhein-Westfalen Neue Wirtschafts-Briefe (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenz und Sanierung
OFD OLG
Oberfinanzdirektion Oberlandesgericht
RGZ Rh.-Pf. Rz.
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinland-Pfalz Randziffer
s. Sa.-Anh. Saarl. Sachs. Schl.-Holst. SGB Slg. SoFFin Stbg StBW SteuK StW StuB
siehe Sachsen-Anhalt Saarland Sachsen Schleswig-Holstein Sozialgesetzbuch Sammlung Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung Die Steuerberatung (Zeitschrift) Steuerberater Woche (Zeitschrift) Steuerrecht kurzgefasst (Zeitschrift) Steuer-Warte (Zeitschrift) Unternehmensteuern und Bilanzen (Zeitschrift) XV
Abkürzungsverzeichnis
StuW
Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift)
Thür.
Thüringen
Ubg Urt. UmwStG UStG
Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) Urteil Umwandlungssteuergesetz Umsatzsteuergesetz
v. VG VGH VO VR VwVG VZ
vom Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Verordnung Verwaltungsrundschau (Zeitschrift) Verwaltungsvollstreckungsgesetz Veranlagungszeitraum
WM Wpg.
Zeitschrift für Wirtschaft- und Bankrecht Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)
z.B. ZFSH SGB ZInsO ZIP ZPO
zum Beispiel Zeitschrift für die sozialgerichtliche Praxis Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung
XVI
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XX
Kapitel 1 Einführung Die Realwirtschaft scheint die Finanzkrise zu bewältigen.1 Dem deutschen Steuerrecht steht diese Aufgabe noch bevor – die Betriebsprüfungspraxis wird erst in den nächsten Jahren eine Vielzahl von Sanierungstransaktionen steuerlich zu bewerten und zu würdigen haben.
1.1
Diese Zeitverzögerung prägt regelmäßig die Steuerpraxis. Die besondere Herausforderung in den Sanierungsfällen liegt darin, dass Sanierungstransaktionen mit einem fragmentarischen und unvollkommenen Instrumentarium bewältigt worden sind, zudem immer unter hohem wirtschaftlichen und faktischen Zeitdruck. Betriebsprüfungen werden in den kommenden Jahren nicht auf sorgfältig erdachte und geplante Sanierungsgestaltungen treffen, sondern sich mit wirtschaftlich von Gesellschaftern, Gläubigern/Banken und Kunden durchgesetzten und erzwungenen Rettungstransaktionen auseinandersetzen müssen.
1.2
Ziel dieses Buches ist es, erstmalig zusammenfassend die steuerlichen Sanierungsvorschriften darzustellen und ihre Wirkungen anhand von konkreten Sanierungsmaßnahmen zu zeigen. Der Überblick über die steuerrechtlichen Sanierungsvorschriften erfolgt im folgenden zweiten Kapitel; dabei wird sich zeigen, dass wir im deutschen Steuerrecht gerade nicht über ein kohärentes, abgestimmtes Sanierungssteuerrecht verfügen. Wir haben es mit einem Flickenteppich von Vorschriften, Zuständigkeiten und einer divergierenden Verwaltungspraxis zu tun. Auch der rückwirkende Eingriff der EU-Kommission in dieses fragile Normensystem hat die Spielregeln im Sanierungssteuerrecht noch einmal verändert.2
1.3
In einem dritten Kapitel konzentriert sich das Buch auf die Darstellung und steuerrechtliche Würdigung von Sanierungstransaktionen. Diese werden aus der Sicht der Gesellschafter, der Kreditgeber und der neuen Investoren beleuchtet.
1.4
Einen Schwerpunkt im zweiten Kapitel stellt die Vorschrift des § 8c KStG dar. Die hart kritisierte Neufassung des § 8c KStG3 im Rahmen der
1.5
1 In 2010 ist die deutsche Wirtschaft nach den Zahlen des Statistischen Bundesamts um 3,6 % gewachsen, vgl. http://www.presseportal.de/pm/32102/1766138/brutto inlandsprodukt-im-4-quartal-2010-moderat-gestiegen. Die Dynamik des Wirtschaftswachstums hat sich aber in 2011 deutlich abgeschwächt, vgl. http://www. destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/ VolkswirtschaftlicheGesamtrechnungen/Inlandsprodukt/Aktuell,templateId= renderPrint.psml. Zur Situation auf dem Höhepunkt der Finanzkrise vgl. Eilers/ Bühring, StuW 2009, 246, Fn. 1; Steinbrück, Unterm Strich, 2011, 169 ff. 2 Beschluss der Kommission v. 25.1.2011, 32011D0527, ABl. L 235 v. 10.9.2011, S. 26 ff.; vgl. auch die Pressemitteilung IP/11/65 v. 26.1.2011. 3 Vgl. Vorlagebeschluss FG Hamburg zur Verfassungswidrigkeit von § 8c KStG, FG Hamburg v. 4.4.2011 – 2 K 33/10, EFG 2011, 1460 = DStR 2011, 1172 =
1
Kapitel 1
Unternehmensteuerreform 20081 führt dazu, dass beim Anteilseignerwechsel Verlustvorträge (und Zinsvorträge) entfallen. Der Anteilseignerwechsel bei Sanierungstransaktionen ist aber gleichbedeutend mit dem Zutritt neuer Investoren. Die Praxis hat gezeigt, dass neue Investoren nötig sind. Hausbanken und Gesellschafter haben sich in der Finanzmarktkrise als zu schwach erwiesen, um den Belastungen der Krise stand zu halten. Dies zeigte sich sowohl international bei der Sanierung der amerikanischen Investmentbank Bear Stearns und der AIG als auch national (etwa bei Karstadt, Rodenstock, Bavaria etc.), in Fällen, in denen die Sanierungstransaktionen maßgeblich durch den Zutritt neuer Investoren ermöglicht wurden.
1.6
Weiterer Schwerpunkt ist in diesem Kapitel die Darstellung des Sanierungserlasses, seiner Voraussetzungen und seiner Wirkungsweisen. Dabei liegt der Schwerpunkt der Darstellung auf Maßnahmen, die vor der Durchführung eines Insolvenzverfahrens ergriffen werden. Daneben werden auch Sanierungstransaktionen nach dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz für den Finanzmarktsektor untersucht.
1.7
Sanierungstransaktionen fordern auch das steuerliche Verfahrensrecht heraus. Hier hat sich in der Praxis die föderal gegliederte Finanzverwaltung mit ihren zum Teil langwierigen Auskunftsverfahren in den zeitkritischen Sanierungstransaktionen zu bewähren; insbesondere hat sich hier die fehlende Bindungswirkung der steuerrechtlichen Würdigung des Sanierungserlasses für den Bereich der Gewerbesteuer als deutliches Hindernis in Sanierungsfällen erwiesen.2
1.8
Zusammenfassend werden wir nach der Darstellung von Sanierungstransaktionen und ihren verfahrensrechtlichen Konsequenzen Reformvorschläge darstellen, die steuerpolitisch zu einem wirkungsvolleren und effizienteren Sanierungssteuerrecht führen können. Dabei ist im Bereich des Sanierungserlasses zwar aufgrund der Entscheidung des BFH vom 14.7.20103 die Diskussion um weitere steuergesetzgeberische Maßnahmen zu einem gewissen Stillstand gekommen, da der BFH in diesem Urteil die grundsätzliche Rechtmäßigkeit des Sanierungserlasses anerkennt, unseres Erachtens ist allerdings weiterhin gesetzgeberischer Handlungsbedarf gegeben.
GmbHR 2011, 711. Zur Kritik an § 8c KStG vgl. auch Thiel in FS Schaumburg, hrsg. von Spindler/Tipke/Rödder, Köln 2009, 515 (535); Ernst, Neuordnung der Verlustnutzung nach Anteilseignerwechsel, 515 (535); IFSt, Schrift Nr. 470, [2011]. 1 UntStRefG 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 630. 2 Eilers in FS Streck, hrsg. von Binnewies/Spatscheck, Köln 2011, 305. 3 BFH v. 14.7.2010 – X R 34/08, BStBl. II 2010, 916 = FR 2010, 1099 = DB 2010, 2033.
2
Einführung
Neben diesen rechtspolitischen Ansätzen soll dieses Buch aber insbesondere auch Grundlage für eine praxisgerechte Bewältigung von Sanierungsfällen sein. Am Ende dieser Darstellung (Anhänge) stehen daher folgende praktische Hinweise: – eine Checkliste für die Verantwortung des Geschäftsführers in Sanierungsfällen oder in anderen wirtschaftlichen Krisensituationen, – ein Muster einer verbindlichen Auskunft in einem Sanierungsfall, – der Sanierungserlass v. 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240 sowie weitere relevante Verwaltungsanweisungen.
3
1.9
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht A. Allgemeine Grundlagen I. Wirtschaftliche Ausgangssituation/Grundfall Die mittelständische Krisen GmbH ist im Bereich der Automobilzulieferer tätig. Die Anteile an ihr werden zu 80 % von einem Hauptgesellschafter (natürliche Person) gehalten. Die Gesellschaft wird finanziert über Gesellschafterdarlehen des Hauptgesellschafters und über Bankdarlehen. Sie verfügt über steuerliche Verlustvorträge. Die Gesellschaft hat einen kurzfristigen Finanzierungsbedarf für fällige Forderungen (Lohnzahlungen) und Teilbezahlung der Bankfinanzierung (innerhalb von 3 Monaten). Mit Beginn des Kalenderjahres 2009 sind die Aufträge der Krisen GmbH massiv zusammen gebrochen. Sie verfügt nicht mehr über ausreichende Liquidität, um die kurzfristig fälligen Forderungen zu befriedigen. Die Bilanz dieser Krisen GmbH sieht wie folgt aus:
2.1
KRISEN GmbH AV
500
EK
100
Grundstück
300
FK
900
Maschinen
200
Bank (10 % p.a.)
700 (350)
Gesellschafter (5 % p.a.)
200 (100)
UV
500
Waren
230
L+L
260
Cash
10 1 000
1 000
Betrachtet man diese Krisensituation, so muss man sich zunächst über die verschiedenen Interessen der Beteiligten klar werden. Die Gesellschafterseite/Investorenseite wird auch in der Krise darauf bedacht sein, die Kontrolle der Geschäftsführung und ihr investiertes Kapital zu be- bzw. erhalten. Diesen Interessen ist zum Teil auch die Geschäftsführung verpflichtet, wobei sie zwischen dem Fortführungsinteresse und den gesellschaftsrechtlichen/insolvenzrechtlichen Vorgaben für ihre Tätigkeit abzuwägen hat (näher zu den Pflichten des Geschäftsführers in der Krise vgl. Rz. 2.18 ff.). Die Kreditgeber sind daran interessiert, in der Krisensituation möglichst ihr geliehenes Geld zurück zu erhalten bzw. eine effiziente Verwertung der Sicherheiten zu erreichen (soweit vorhanden). Ggf. besteht sogar Interesse, dem Unternehmen durch einen Überbrückungsbzw. Sanierungskredit zu einem Weiterleben zu verhelfen. Lieferanten 5
2.2
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
und Kunden haben ähnliche Zielsetzungen: Zum einen geht es um die Begleichung von Forderungen der Lieferanten, zum anderen (gerade auch in der Automobilzulieferindustrie) haben Kunden oftmals auch ein signifikantes Interesse an der Unternehmensfortführung. Auch die Interessen des Fiskus sind ambivalent: einerseits ist der Fiskus sicherlich an einer Unternehmensfortführung interessiert, damit aufgrund der gestiegenen bzw. wieder vorhandenen Leistungsfähigkeit Steuern durch das Unternehmen gezahlt werden und auch die Arbeitnehmer des Unternehmens dem Fiskus weiter als Steuerzahler erhalten bleiben. Andererseits gibt es sicherlich auch ein fiskalisches Interesse, ein nicht-leistungsfähiges Unternehmen nicht mehr länger am Markt und dann ggf. auch zu Lasten von wirtschaftlich gesünderer Konkurrenz arbeiten zu lassen.
2.3
Die Handlungsalternativen in einer solchen Unternehmenskrise können in drei große Kategorien unterteilt werden: erstens den Unternehmensverkauf vor einer Insolvenz, zweitens die Insolvenz des Unternehmens und drittens Sanierungsmaßnahmen, die vor der Insolvenz eingreifen und (möglichst) zu einer Bewältigung der Krise führen („turn around“). Diese letztgenannten Maßnahmen sind der Hauptgegenstand dieses Buches.
2.4
Beim Exit, d.h. dem durch die Krise erzwungenen Unternehmensverkauf wird man meist unter Druck nur einen Verlust realisieren können. Ein potentieller Käufer wird sicherlich vor Erwerb die Auffüllung des Stammkapitals und einen Verkauf von Gesellschafterdarlehen unter Nennwert verlangen, so auch bei der geschilderten Situation der Krisen GmbH. Auch wird der neue Investor sich ein Bild darüber machen müssen, ob er das Unternehmen in dieser Form langfristig vor einer Insolvenz bewahren kann.
2.5
In der Insolvenz besteht die Möglichkeit, in der Kombination aus Eigenverwaltung und Insolvenzplan1 die Gesellschaft das Unternehmen erfolgreich zu sanieren und dadurch aus der Insolvenz heraus zu führen. Zu den geplanten Erleichterungen der Unternehmenssanierung durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) s. Rz. 2.109 ff. Dies kann auch aktiv durch die Geschäftsführung der Gesellschaft geschehen. Allerdings hat die Durchführung eines Insolvenzverfahrens häufig erhebliche Auswirkungen auf die Unternehmenskontinuität, weshalb zunächst andere unternehmenserhaltende Maßnahmen betrachtet werden sollen. Dazu gehören die Maßnahmen zur Krisenbewältigung.
2.6
Diese (sind im Überblick): a) Liquiditätszufuhr durch Darlehen von Gesellschaftern, von Banken (z.B. Überbrückungskredit) oder von Dritten b) Liquiditätszufuhr durch private Zuschüsse c) Beteiligung neuer Gesellschafter (Sonderfall: debt equity swap) d) Forderungsverzicht (durch Gesellschafter oder durch Dritte) 1 Vgl. auch Blöse, GmbHR 6/2011 R 81; Klöker, StBW 2011, 284 ff.
6
A. Allgemeine Grundlagen
e) Schuldübernahme f) Bürgschaft. Die wichtigsten Maßnahmen sind dabei die bilanzielle Entlastung der Krisengesellschaft durch Verzichte ihrer Gesellschafter oder Gläubiger. Die zweite wichtige Maßnahme, die mit dem ersten Maßnahmenkomplex häufig kombiniert wird, ist der Neuzutritt von Investoren, die der Krisengesellschaft „frisches“ Kapital zur Verfügung stellen. Um diese beiden Transaktionstypen kreisen auch die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts.1
2.7
II. Anforderungen an ein wirksames Sanierungssteuerrecht Ein maßgeblicher Einflussfaktor für den Erfolg oder Misserfolg von Krisenbewältigungsmaßnahmen sind die steuerlichen Konsequenzen, die sich aus solchen Maßnahmen ergeben. Es lassen sich vor dem wirtschaftlichen Hintergrund der Krisensituation verschiedene Anforderungen an ein Sanierungssteuerrecht formulieren.
2.8
In erster Linie darf das Steuerrecht eine wirtschaftliche „Schieflage“ eines Unternehmens nicht dadurch beschleunigen, dass die tatsächliche, in Krisenzeiten geringe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens bei der Besteuerung nicht berücksichtigt wird. Hierbei handelt es sich aber lediglich um eine Mindestanforderung, bestehende Krisen nicht durch eine nicht der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Krisenunternehmens entsprechende Besteuerung weiter zu verschärfen. Ein Unternehmensteuerrecht, das sich als Krisensteuerrecht versteht, sollte hierüber aber deutlich hinausgehen. Unternehmerisch sinnvolle und wirtschaftlich notwendige Maßnahmen sollten gefördert, jedenfalls aber nicht behindert werden. Der Anreiz, Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, darf nicht dadurch verringert werden, dass diese unmittelbar zu einer höheren Steuerbelastung führen und somit zum Teil „verpuffen“. Es ist zu vermeiden, dass wirtschaftliche Sanierungsentscheidungen durch steuerliche Erwägungen verzerrt werden. Finden sich etwa Investoren, die ein Krisenunternehmen restrukturieren und zurück zum wirtschaftlichen Erfolg führen wollen, so darf ihr Einstieg in das Unternehmen nicht durch Steuernachteile erschwert werden. Auch der (bisherige) Unternehmensinhaber sollte durch die steuerlichen Rahmenbedingungen nicht entmutigt werden, in Krisenzeiten zur Rettung seines Unternehmens wirtschaftliche Risiken auf sich zu nehmen.
2.9
Nicht zuletzt ergeben sich Anforderungen auch im Hinblick auf das Besteuerungsverfahren im Zusammenhang mit Maßnahmen der Krisenbewältigung. Sanierungsmaßnahmen sollten im Besteuerungsverfahren zü-
2.10
1 Vgl. zur Systematisierung von Transaktionstypen instruktiv Heinz, FR 2010, 1134, Schema auf Seite 1135.
7
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
gig und verlässlich durchgeführt werden können. Dies ist von besonderer Bedeutung, da Sanierungen häufig unter hohem Zeitdruck durchgeführt werden müssen. Es sollten deshalb im Idealfall die entsprechenden Maßnahmen auf einer (gesetzlichen) Grundlage basieren, die keine Regelungsunsicherheit enthält und dadurch schnell handhabbar ist. In Fällen, in denen zusätzlich Abstimmungsbedarf mit der Finanzverwaltung besteht, sollte die Sanierung hierdurch nicht unnötig verzögert werden. Es gilt Zuständigkeitsunsicherheiten oder Mehrfachzuständigkeiten, d.h. die Zuständigkeit mehrerer Stellen für denselben Sanierungssachverhalt, zu vermeiden.1 Zudem sollten, um dem Zweck der Sanierung nicht entgegenzulaufen, durch das Verfahren keine zusätzlichen finanziellen Lasten entstehen.
III. Verhältnis zwischen Sanierungssteuerrecht und Insolvenzrecht 1. Überschneidungen zwischen Sanierungssteuerrecht und Insolvenzrecht
2.11
Das Insolvenzrecht und das Sanierungssteuerrecht sind nicht auf einander abgestimmt.2 Während sich durch die Einführung des MoMiG3 die insolvenzrechtlichen Rahmenbedingungen für Sanierungsmaßnahmen verbessert haben,4 gestalten sich Sanierungstransaktionen im Hinblick auf das Steuerrecht weiterhin schwierig.
2.12
Ein Insolvenzverfahren ist zu beantragen, wenn ein Eröffnungsgrund vorliegt. Eröffnungsgründe für ein Insolvenzverfahren sind die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) und die Überschuldung (§ 19 InsO). Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Unternehmen seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 InsO). Dies ist nach der Rechtsprechung der Fall, wenn innerhalb von 21 Tagen fällige Zahlungen nicht beglichen werden können.5
2.13
Von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit ist hingegen auszugehen, wenn die Gesellschaft voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO). Im Rahmen einer hierfür zutreffenden Prognoseentscheidung sind sämtliche zukünftigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu berücksichtigen.6
2.14
Der Insolvenzeröffnungsgrund der Überschuldung wurde durch das MoMiG grundlegend verändert. Nach § 19 Abs. 2 InsO liegt eine Überschul1 Vgl. aktuell Fest, NZI 2011, 345, der im Zusammenhang mit dem ESUG eine zentrale Zuständigkeit des Bundeszentralamts für Steuern für den Erlass der Gewerbesteuer vorschlägt. 2 Vgl. Herzig/Liekenbrock, Ubg 2011, 313 (314). 3 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. 4 Westphal/Januah, ZIP 2008, Beilage zu Heft 3, 1 (14); Eilers, GWR 2009, 276692. 5 BGH v. 12.10.2006 – IX R 228/03, DB 2006, 2683. 6 Vgl. Leithaus in Andres/Leithaus, Insolvenzordnung, § 18, Rz. 4.
8
A. Allgemeine Grundlagen
dung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach dem Umständen überwiegend wahrscheinlich. Damit liegt trotz möglicher rechnerischer Überschuldung keine insolvenzrechtliche Überschuldung und damit kein Insolvenzgrund vor, wenn das betreffende Unternehmen über eine positive Fortführungsprognose verfügt.1 Demnach kann eine positive Fortführungsprognose für sich allein genommen eine insolvenzrechtliche Überschuldung ausschließen.2 Dies stellt eine weitreichende Veränderung zu der Situation vor der Finanzkrise dar, wonach Unternehmen bereits bei rechnerischer Überschuldung ein Insolvenzverfahren durchlaufen mussten, obwohl ggf. eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass sie weiterhin erfolgreich am Markt operieren könnten.3 Die Neuregelung bedeutet demnach, dass zugunsten des Erhalts der Unternehmen das Insolvenzausfallrisiko der Gläubiger erhöht wird.4 Die InsO trifft jedoch keine Aussage darüber, wann von einer positiven Fortführungsprognose ausgegangen werden kann. Auch nach Einführung des FMStG5 sollten die Anforderungen an eine positive Fortführungsprognose weiterhin gleich geblieben sein.6 Nach dem Gesetzeswortlaut muss die Fortführung des Unternehmens zunächst wahrscheinlicher sein, als dessen Stilllegung.7 Bewertungsmaßstab hierfür ist, ob ein ordentlicher Geschäftsleiter sich auf der Grundlage einer gewissenhaften, sachkundigen Prüfung aller am Stichtag erkennbaren wesentlichen Umstände für eine Unternehmensfortführung entscheiden würde.8 Dies setzt nach dem BGH grds. eine aus dem Unternehmenskonzept abgeleitete Überlebensfähigkeit des Unternehmens voraus.9 Die positive Fortführungsprognose hängt damit von der antizipierten Zahlungsfähigkeit des Unternehmens ab.10 Sie ist eine Zahlungsfähigkeitsprognose.11 Zur Ermittlung der zu1 Büttner, ZinsO 2009, 841 (844); Otto, MDR 2008, 1369 (1370); Böcker/Poertzgen, GmbHR 2008, 1289 (1290); Holzer, ZIP 2008, 2108 (2111). Zur Entwicklung des Überschuldungsbegriffs vgl. Schmidt, DB 2008, 2467. 2 Aleth/Harlfinger, NZI 2011, 166. 3 Vgl. Begr. RegE-FMStG, BT-Drucks. 16/10600, 21. 4 Bäuml, StuB 2009, 637 (642). 5 Finanzmarktstabilisierungsgesetz v. 17.10.2008, BGBl. I 2008, 1982. 6 Aleth/Harlfinger, NZI 2011, 166 (168); Büttner, ZinsO 2009, 841 (844). 7 Sikora, NWB 2009, 232 (235); Otto, MDR 2008, 1369 (1370); Groß/Amen, DB 2005, 1861 (1862). 8 Otto, MDR 2008, 1369 (1370); Dahl, NZI 2008, 719 (720). 9 BGH v. 9.10.2006 – II ZR 3§ 3/05, NZI 2007, 44 = GmbH-StB 2007, 7. 10 Hirte/Knof/Mock, ZinsO 2008, 1217 (1222); Groß/Amen, DB 2005, 1861 (1864). 11 BGH v. 13.7.1992 – II ZR 269/91, BGHZ 119, 201 = NJW 1992, 2891; IDW PS 800, Rz. 50, Wpg Supplement 2/2009; Groß/Amen, DB 2005, 1861 (1862); Drukarczyk/Schüler in MünchKomm/InsO, § 19, Rz. 6. Darüber hinaus wird zum Teil noch gefordert, dass auch die Wiederherstellung der nachhaltigen Ertragskraft des Unternehmens zu berücksichtigen ist. Vgl. insoweit OLG Schleswig v. 19.10.2000 – 5 U 138/99, NZG 2001, 273 (274); Uhlenbruck/Schmidt, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rz. 5.123; Weller, DStR 2010, 1046. Kritisch hierzu Aleth/Harlfinger, NZI 2011, 166 (168).
9
2.15
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
künftigen Zahlungsfähigkeit sind die bestehenden Verbindlichkeiten und die zukünftigen Erträge miteinzubeziehen.1 Die Zahlungsfähigkeitsprognose muss alle verfügbaren Mittel der Innenfinanzierung und der Außenfinanzierung berücksichtigen.2 Der Prognosezeitraum sollte sich auf mindestens 12 Monate erstrecken.3
2.16
Der Sanierungserlass und damit die steuerliche Privilegierung von Sanierungsmaßnahmen findet Anwendung, wenn ein Unternehmen sanierungsbedürftig ist. Dieses Kriterium ist grds. dann erfüllt, wenn es zahlungsunfähig ist, und damit objektiv von der Insolvenz bedroht ist4 (wegen der Einzelheiten der Sanierungsbedürftigkeit vgl. Rz. 2.34 und 2.35). Dies ist insofern problematisch, als bei einem tatsächlichen Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit unverzüglich ein Insolvenzantrag zu stellen wäre (§§ 15, 15a InsO) und mögliche Sanierungsmaßnahmen in diesem Fall zu spät kämen. Der Anwendungsbereich des Sanierungserlasses wäre demnach sehr eingeschränkt. Daher wird auch die fehlende Liquidität eines Unternehmens als ausreichend angesehen, um die erforderliche Sanierungsbedürftigkeit nachzuweisen (Rz. 2.35). Hier ist deutlicher gesetzgeberischer Abstimmungsbedarf gegeben.
2.17
Problematisch ist weiterhin, dass die Anwendung des Sanierungserlasses eine Sanierungsfähigkeit des Unternehmens voraussetzt (Rz. 2.36, 2.37). Dieses Kriterium beinhaltet eine positive Fortführungsprognose für das Unternehmen. Der Tatbestand der Überschuldung setzt nach § 19 Abs. 2 InsO jedoch gerade eine negative Fortführungsprognose voraus. Die positive Fortführungsprognose, die eine insolvenzrechtliche Überschuldung ausschließt, würde gerade zur Nichtanwendung des Sanierungserlasses führen, weil dieser an die insolvenzrechtliche Überschuldung anknüpft. Im Ergebnis würde dies zu einer erheblichen Einschränkung der Anwendbarkeit des Sanierungserlasses führen (Rz.2.41). 2. Pflichten des Geschäftsführers in der Krise
2.18
In der Krise kommen auf den Geschäftsführer neben den allgemeinen Pflichten (§ 43 Abs. 1 GmbHG) noch besondere Krisenpflichten zu. Die Krisenpflichten sind dabei durch die Einführung des MoMiG noch verschärft worden5 und anders als bei der AG gibt es bei der GmbH vielfach auch natürliche Personen, die Schadensersatzansprüche geltend machen können.6 Darüber hinaus droht dem Geschäftsführer im schlimmsten Fall 1 Hirte/Knof/Mock, ZinsO 2008, 1217 (1222). Für weitere Einzelheiten vgl. Aleth/ Harlfinger, NZI 2011, 166 (168). 2 Drukarczyk/Schüler in MünchKomm/InsO, § 19, Rz. 53. Zu den einzelnen Sanierungsmaßnahmen darf auf die Ausführungen in Kapitel 3 verwiesen werden. 3 Hirte/Knof/Mock, ZinsO 2008, 1217 (1223); Schmidt, DB 2008, 2467 (2470); Groß/Amen, DB 2005, 1861 (1863); Uhlenbruck, InsO, § 19, Rz. 48. 4 BFH v. 27.1.1998 – VIII R 64/96, BStBl. II 1998, 537 = FR 1998, 784. 5 Schmidt, GmbHR 2008, 449 ff. 6 Schneider, GmbHR 2010, 57; Bäuml, StuB 2009, 637 (641).
10
A. Allgemeine Grundlagen
eine Verurteilung wegen Untreue,1 Bankrott2 oder eine Geldbuße nach § 130 OWiG. Der Geschäftsführer einer GmbH muss die Gesellschafter über alle wesentlichen Angelegenheiten, insbesondere den Eintritt einer Unternehmenskrise, informieren (§ 49 Abs. 3 GmbHG). Nach § 49 Abs. 2 GmbHG ist eine Gesellschafterversammlung insbesondere dann einzuberufen, wenn sich aus der Bilanz ergibt, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren ist. Die Einberufung hat unverzüglich zu erfolgen. Sie ist zwingend vorzunehmen und steht nicht im Ermessen des Geschäftsführers.3 Ein solcher Verlust liegt dann vor, wenn das Nettoaktivvermögen4 der GmbH nicht mehr die Hälfte des satzungsmäßigen Stammkapitals abdeckt.5 Eine Einberufungspflicht besteht bereits dann, wenn der Geschäftsführer bei pflichtgemäßem Ermessen einen solchen Verlust annehmen muss.6 Eine schuldhafte Verletzung der Einberufungspflicht führt nach § 43 Abs. 2 GmbHG führt zu einer persönlichen Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers und ist zudem nach § 84 Abs. 1 GmbHG strafbewehrt.7
2.19
Daneben haftet der Geschäftsführer der Gesellschaft nach § 64 GmbHG für Zahlungen, die er nach Eintritt der Überschuldung bzw. der Zahlungsunfähigkeit leistet, es sei denn dass die Zahlungen mit der Sorgfältigkeit eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind.
2.20
Neben der Pflicht, die Gesellschafter über die Krisensituation zu informieren, hat der Geschäftsführer auch alles zu versuchen, um die Krise zu beseitigen und eine Insolvenz abzuwenden. Hierfür muss er ggf. Sofortmaßnahmen einleiten, um die Liquidität des Unternehmens zu verbessern. Als Sofortmaßnahmen werden vor allem Maßnahmen durch die Gesellschafter wie ein Forderungsverzicht (Rz. 3.1 ff.) oder ein Gesellschafterdarlehen (Rz. 3.88 ff.) in Betracht kommen, da die Gesellschafter an der Rettung der Gesellschaft interessiert sein werden und diese Maßnahmen sehr schnell und formlos durchgeführt werden können. Zu beachten bleibt in diesem Stadium jedoch, dass ein Forderungsverzicht zu einem steuerpflichtigen Gewinn führen kann, der auch nicht in den Anwendungsbereich des Sanierungserlasses fällt, sofern keine Sanierungsbedürftigkeit (Rz. 2.34) vorliegt. Der Sanierungseffekt würde sich daher nur eingeschränkt auswirken. In diesem Stadium sollte daher versucht werden, Gesellschafterdarlehen zu erlangen, da diese nicht zu einem Gewinn auf Seiten des Krisenunternehmens führt.
2.21
1 Vgl. zuletzt BGH v. 13.8.2009 – 3 StR 576/08, WM 2009, 1930. 2 Exemplarisch hierzu BGH v. 10.2.2009 – 3 StR 372/08, GmbHR 2009, 871 m. Anm. Radtke = GmbH-StB 2009, 871. 3 Steffan in Oppenländer/Tröllitzsch, GmbH-Geschäftsführung, § 37, Rz. 120. 4 Zur Ermittlung des Nettoaktivvermögens vgl. Steffan in Oppenländer/Tröllitzsch, GmbH-Geschäftsführung, § 37, Rz. 117. 5 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 49, Rz. 15. 6 Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 49, Rz. 16. 7 Steffan in Oppenländer/Tröllitzsch, GmbH-Geschäftsführung, § 37, Rz. 122.
11
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
2.22
Konnte der Liquiditätsengpass durch solche Maßnahmen zumindest vorübergehend überwunden werden, kann der Geschäftsführer weitergehende Sanierungsmaßnahmen in Betracht ziehen, die die Kapitalstruktur der Gesellschaft langfristig sichern. In diesem Zusammenhang ist vor allem an Debt Equity Swaps (Rz. 3.200 ff.) oder die Aufnahmen eines stillen Beteiligten (Rz. 3.98 ff.) zu denken.
2.23
Haben die Sanierungsmaßnahmen nicht gegriffen und ist Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingetreten, muss der Geschäftsführer nach §§ 15, 15a InsO ohne schuldhaftes Zögern, aber spätestens 3 Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Verstößt der Geschäftsführer hiergegen, macht er sich bei Kenntnis des Insolvenzgrundes wegen Insolvenzverschleppung strafbar und haftet nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 Satz 2 InsO.1 Die Beweislast, dass keine positive Kenntnis bestand, liegt beim Geschäftsführer. Bloßes „Kennen müssen“ eines Insolvenzgrundes reicht hingegen zur Begründung einer Haftung nicht aus.2
2.24
Beruft sich der Geschäftsführer auf eine positive Fortführungsprognose, hat er alle Umstände darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, aus denen sich diese positive Fortführungsprognose ergibt.3 Daher sind alle der Fortführungsprognose zugrunde gelegten Dokumente, Gespräche, Korrespondenz, Besprechungen und sonstige Tatsache sowie die daraus gezogenen Schlussfolgerungen zu dokumentieren.4 Da ein Geschäftsführer zudem grds. verpflichtet ist, sein Unternehmen einer beständigen Selbstkontrolle zu unterziehen, um eine Krise rechtzeitig zu erkennen und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen einzuleiten5 und er andernfalls fahrlässig handelt6, sollte eine Beratung von fachkundigen Berufsträgern in Anspruch genommen werden7.
2.25
Der Geschäftsführer haftet den Altgläubigern auf Ersatz des sog. Quotenverschlechterungsschadens. Dies ist die Differenz zwischen der Quote, die der Gläubiger tatsächlich erhält und der Quote, die er bei rechtzeitiger Antragstellung erhalten hätte. Den Neugläubigern gegenüber haftet er hingegen auf den gesamten Vertrauensschaden, den sie erlitten haben, weil sie mit der Gesellschaft einen Vertrag abgeschlossen haben.8 1 Schneider, GmbHR 2010, 57 (60). 2 Vgl. Gehrlein, BB 2008, 846 (848); zu den strafrechtlichen Aspekten vgl. MüllerGugenberger, GmbHR 2009, 578. 3 BGH v. 18.10.2010 – II ZR 151/09, GmbH-StB 2011, 8 = StBW 2011, 89 = NZG 2010, 1393; v. 9.10.2006 – II ZR 303/05, NZI 2007, 44 = GmbHR 2006, 1334 = GmbH-StB 2007, 7; v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, MDR 1994, 781; Otto, MDR 2008, 1369 (1371). 4 Otto, MDR 2008, 1369 (1371); Uhlenbruck, InsO, § 19, Rz. 131; Aleth/Harlfinger, NZI 2011, 166 (172). 5 Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64, Rz. 61. 6 Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64, Rz. 84. 7 Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64, Rz. 61. 8 Vgl. hierzu ausführlich Schneider, GmbHR 2010, 57 (61).
12
A. Allgemeine Grundlagen
Übersicht zum Verhältnis zwischen Steuerrecht und Insolvenzrecht: Forderungsverzicht Schuldübernahme Schuldbeitritt
Gesellschafterdarlehen Steuerliche Möglichkeiten
Zeit
Einberufungspflicht nach § 49 Abs. 2 GmbHG
Liquiditätsengpass
Kreditunwürdigkeit
sind begünstigt
Sanierungsmaßnahmen
sind nicht begünstigt
Sanierungsmaßnahmen
Verlust d. Hälfte d. Stammkapitals Pflichten d. Geschäftsführers
Verkauf aus der Insolvenz
Beginn Insolvenztatbestand
Sofortmaßnahmen
Insolvenzverfahren
Antragspflicht nach §§ 15, 15a InsO
3. Insolvenzrechtliche Einordnung von Steuerforderungen Ein weiterer wichtiger Aspekt im Verhältnis zwischen Steuerrecht und Insolvenzrecht ist die insolvenzrechtliche Einordnung von Steuerforderungen.1 Steuerforderungen, die durch Handlungen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters verursacht werden, begründen regelmäßig sonstige Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Als solche sind sie vorrangig vor den Insolvenzforderungen aus der Insolvenzmasse zu bedienen.2 Dies gilt laut BFH auch für Steuerforderungen, die auf einer Realisierung stiller Reserven beruhen, unabhängig davon, ob diese stillen Reserven vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind.3 Dies wird als eine dem Gebot der Gläubigergleichbehandlung4 widersprechende Bevorzugung des Fiskus zu Recht kritisiert.5 Denn soweit die stillen Reserven bereits vorinsolvenzlich entstanden sind, liegt ein für die Entstehung der Steuer maßgeblicher Akt, ohne den die Steuer nicht entstehen könnte, bereits vor der Insolvenzeröffnung.6 Die entsprechenden Steuerforderung wären deshalb nach der Systematik der InsO nicht als Masseforderung, sondern als Insolvenzforderung zu behandeln.
1 Ausführlich zur Zuordnung von Steuerforderungen zu den Insolvenzforderungen, Masseverbindlichkeiten oder Forderungen gegen das insolvenzfreie Vermögen Jan Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 4.169 ff. 2 Vgl. Hefermehl in MüKo InsO, § 53, Rz. 12; Sinz in Uhlenbruck, InsO, § 53, Rz. 3. 3 BFH v. 29.3.1984 – IV R 271/83, BStBl. II 1984, 602; v. 11.11.1993 – XI R 73/92, BFH/NV 1994, 477; v. 18.5.2010 – X R 60/08, BFH/NV 2010, 1685 = StBW 2010, 737. 4 Dazu Andres/Leithaus, InsO, § 1, Rz. 7; Ganter in MüKo InsO, § 1, Rz. 51 f. 5 Herzig/Liekenbrock, Ubg 2011, 313 (323): „eine Art Fiskusprivileg“; Jan Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 4.16. 6 Vgl. Jan Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 4.17.
13
2.26
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
2.27
Besonders bedenklich ist die Einordnung der Steuerforderung als Masseverbindlichkeit zudem, wenn der Steueranspruch dadurch entsteht, dass eine insolvenzbegleitende Maßnahme Haltefristen im Zusammenhang mit steuerneutralen Umwandlungen1 verletzt.2 Die hierdurch anfallenden Belastungen können den Sanierungsplan und die Fortführung des Unternehmens gefährden.3 Es wird deshalb zu Recht gefordert, „insolvenzplaninduzierte Verletzungen von Haltefristen“ generell von der Besteuerung auszunehmen.4 Diese Forderungen werden sich allerdings schwerlich durchsetzen lassen. Insofern wird es dabei bleiben, dass auch im Insolvenzverfahren die allgemeinen sanierungssteuerrechtlichen Vorschriften anwendbar bleiben (bzw. kaum noch anwendbar sind). Für das laufende Gesetzgebungsverfahren ESUG wäre aber zu wünschen, dass die Anregung von Herzig/Liekenbrock und des IDW/DAV aufgenommen werden.5 4. Gesetzesentwurf zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)
2.28
Mit dem geplanten Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)6 wird eine weitreichende Veränderung des Sanierungsrechts ab dem Jahr 2012 angestrebt. Schwerpunkte der Neuregelung sind:7 – Konzentration der Zuständigkeit für Insolvenzsachen auf weniger Gerichte (Insolvenzgerichte): grundsätzlich soll pro Landgerichtsbezirk nur noch ein Gericht für Insolvenzsachen zuständig sein. – Vorschuss auf die Verfahrenskosten: Nach dem ESUG soll jede Person, die den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens entgegen den Vorschriften des Insolvenz- oder Gesellschaftsrechts pflichtwidrig und schuldhaft nicht gestellt hat, zur Zahlung eines Vorschusses auf die Kosten des Insolvenzverfahrens verpflichtet sein (§ 26 Abs. 4 InsO-E). Hierdurch soll die Anzahl der Abweisungen mangels Masse reduziert werden.8 – Bestellung des Insolvenzverwalters Sowohl Schuldner als auch Gläubiger sollen nach dem ESUG größeren Einfluss auf die Auswahl des Insolvenzverwalters erhalten. Hiermit soll der Kritik an der bisherigen Pra1 2 3 4
5 6 7 8
Bspw. § 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG; § 15 Abs. 2 UmwStG. Herzig/Liekenbrock, Ubg 2011, 313 (323). Herzig/Liekenbrock, Ubg 2011, 313 (323). Vgl. IDW-Stellungnahme zum Diskussionsentwurf ESUG, 19 f., http://www.idw. 33de/idw/download/ESUG.pdf?id=602958&property=Datei; DAV-Stellungnahme vom 10.3.2010,7, http://anwaltverein.de/downloads/stellungnahmen/SN-10/SN 132010.pdf. Differenzierender Vorschlag von Herzig/Liekenbrock, Ubg 2011, 313 (323 f.). Herzig/Liekenbrock, Ubg 2011, 313 (323) m.w.N. in Fn. 150. Regierungsentwurf v. 23.2.2011, BT-Drucks. 17/5712. Vgl. den Überblick bei Römermann, GWR 2011, 375 ff. Zu Zweifeln, ob diese Regelung zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels geeignet ist, K. Schmidt, NJW 2011, 1255.
14
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts
xis der Auswahl und Bestellung von Insolvenzverwaltern Rechnung getragen werden. – Vorläufiger Gläubigerausschuss: Nach dem Entwurf des ESUG hat das Insolvenzgericht ab einer bestimmten Größenordnung des Verfahrens einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen (§ 22a InsO-E). – Eigenverwaltung: Ein weiteres Ziel des ESUG ist die Stärkung der Eigenverwaltung. Nach § 270 InsO-E darf die Anordnung der beantragten Eigenverwaltung nur abgelehnt werden, wenn Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass Anordnungen zu Nachteilen für die Gläubiger führen würden. Hierzu ist der vorläufige Gläubigerausschuss anzuhören. Bei einem einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses gilt die Anordnung nach einer unwiderlegbaren gesetzlichen Vermutung nicht als nachteilig für die Gläubiger. – Schutzschirmverfahren: § 270b InsO-E stellt für den Zeitraum zwischen Eröffnungsantrag und Verfahrenseröffnung ein eigenständiges Sanierungsverfahren zur Verfügung. Auf Antrag des Schuldners erhält dieser eine Frist von maximal drei Monaten zur Vorlage eines Insolvenzplans. In dieser Zeit ist er durch Sicherungsmaßnahmen des Gerichts vor Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung geschützt. Voraussetzung für diesen Schutzschirm ist, dass der Schuldner den Eröffnungsantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt und Eigenverwaltung beantragt hat. Zudem darf die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos sein. – Debt-Equity-Swap: In § 225a InsO-E ist nunmehr der Debt-EquitySwap gesetzlich geregelt.1 Danach kann im gestaltenden Teil des Plans vorgesehen werden, dass Forderungen von Gläubigern in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner umgewandelt werden. Der Plan kann insbesondere eine Kapitalherabsetzung oder -erhöhung, die Leistung von Sacheinlagen, den Ausschluss von Bezugsrechten oder die Zahlung von Abfindungen an ausscheidende Anteilsinhaber vorsehen. Eine Umwandlung gegen den Willen der betroffenen Gläubiger ist jedoch ausgeschlossen.
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts I. Fehlende Begriffsbestimmung Das deutsche Steuerrecht kennt bisher keine systematische Begriffsbestimmung des Sanierungssteuerrechts. Aus der gesetzgeberischen Pra-
1 Vgl. hierzu insb. Meyer/Degener, BB 2011, 846 ff.; J. Schmidt, GWR 2010, 568 ff.
15
2.29
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts
xis der Auswahl und Bestellung von Insolvenzverwaltern Rechnung getragen werden. – Vorläufiger Gläubigerausschuss: Nach dem Entwurf des ESUG hat das Insolvenzgericht ab einer bestimmten Größenordnung des Verfahrens einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen (§ 22a InsO-E). – Eigenverwaltung: Ein weiteres Ziel des ESUG ist die Stärkung der Eigenverwaltung. Nach § 270 InsO-E darf die Anordnung der beantragten Eigenverwaltung nur abgelehnt werden, wenn Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass Anordnungen zu Nachteilen für die Gläubiger führen würden. Hierzu ist der vorläufige Gläubigerausschuss anzuhören. Bei einem einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses gilt die Anordnung nach einer unwiderlegbaren gesetzlichen Vermutung nicht als nachteilig für die Gläubiger. – Schutzschirmverfahren: § 270b InsO-E stellt für den Zeitraum zwischen Eröffnungsantrag und Verfahrenseröffnung ein eigenständiges Sanierungsverfahren zur Verfügung. Auf Antrag des Schuldners erhält dieser eine Frist von maximal drei Monaten zur Vorlage eines Insolvenzplans. In dieser Zeit ist er durch Sicherungsmaßnahmen des Gerichts vor Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung geschützt. Voraussetzung für diesen Schutzschirm ist, dass der Schuldner den Eröffnungsantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt und Eigenverwaltung beantragt hat. Zudem darf die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos sein. – Debt-Equity-Swap: In § 225a InsO-E ist nunmehr der Debt-EquitySwap gesetzlich geregelt.1 Danach kann im gestaltenden Teil des Plans vorgesehen werden, dass Forderungen von Gläubigern in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner umgewandelt werden. Der Plan kann insbesondere eine Kapitalherabsetzung oder -erhöhung, die Leistung von Sacheinlagen, den Ausschluss von Bezugsrechten oder die Zahlung von Abfindungen an ausscheidende Anteilsinhaber vorsehen. Eine Umwandlung gegen den Willen der betroffenen Gläubiger ist jedoch ausgeschlossen.
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts I. Fehlende Begriffsbestimmung Das deutsche Steuerrecht kennt bisher keine systematische Begriffsbestimmung des Sanierungssteuerrechts. Aus der gesetzgeberischen Pra-
1 Vgl. hierzu insb. Meyer/Degener, BB 2011, 846 ff.; J. Schmidt, GWR 2010, 568 ff.
15
2.29
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
xis und der Literatur lässt sich aber eine solche Definition ableiten.1 Sie könnte wie folgt gefasst sein: Sanierungssteuerrecht beschreibt diejenigen steuerrechtlichen Vorschriften, die Regeln für die Unternehmenskrise und ihre Bewältigung enthalten.
Dabei sind spezielle steuerrechtliche Vorschriften (s. dazu II.) und allgemeine steuerrechtliche Vorschriften, die in der Sanierungssituation eine besondere Bedeutung erhalten (s. dazu III. und IV.) zu unterscheiden. Branchenspezifische Sanierungsvorschriften werden unter V. beschrieben.
II. Der Sanierungserlass 1. Überblick
2.30
Bis zum VZ 1997 waren Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden, nach § 3 Nr. 66 EStG steuerfrei. Nachdem zum VZ 1998 der zeitlich unbegrenzte Verlustvortrag eingeführt wurde, trat der Sanierungserlass2 an die Stelle der aufgehobenen gesetzlichen Regelung des § 3 Nr. 66 EStG. Nach dem Sanierungserlass muss der durch den Schuldenerlass entstehende Gewinn zunächst mit körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Verlustvorträgen verrechnet werden. Stehen solche kompensatorischen Verlustvorträge nicht zur Verfügung, oder sind sie verbraucht, so kann die Steuer auf den dann entstehenden Sanierungsgewinn im Erlasswege auf Antrag des Steuerpflichtigen gestundet oder erlassen werden. Im Regelfall wird in Sanierungstransaktionen ein Erlass der auf den Sanierungsgewinn entfallenden Steuer angestrebt.
2.31
Der Sanierungserlass definiert die Sanierung wie folgt:3 „Eine Sanierung ist eine Maßnahme, die darauf gerichtet ist, ein Unternehmen oder einen Unternehmensträger (juristische oder natürliche Person) vor dem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen (unternehmensbezogene Sanierung). Das gilt auch für außergerichtliche Sanierungen, bei denen sich die Gesellschafterstruktur des in die Krise geratenen zu sanierenden Unternehmens (Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft) ändert, bei an1 Vgl. Begründung des Gesetzentwurfes zum Finanzmarkt Stabilisierungsgesetz, BT-Drucks. 16/10600, Begründung des Gesetzentwurfes zum Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung in der Form der Stellungnahme des Bundesrats vom 3.4.2009, BT-Drucks./12674, Begründung des Gesetzentwurfes zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz, BT-Drucks. 17/15. 2 BMF v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = FR 2003, 478, abgedruckt im Anhang zu diesem Buch (III.); Heinicke in Schmidt, EStG, 30. Aufl. 2011, § 3 abc [Sanierungsgewinn]; Zum Sanierungserlass bei Personengesellschaften s. FinMin Schl.-Holst. v. 12.7.2010, DStR 2010, 2458 = Ubg 2011, 60; BMF v. 22.12.2009 – IV C 6 - S 2140/07/10001–01 – DOK 2009/0860000, BStBl. I 2010, 18 = FR 2010, 191. Weitere Dokumente zum Sanierungserlass sind im Anhang dieses Buches abgedruckt (III.). 3 BMF v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = FR 2003, 478, Tz. 1 f.
16
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts
deren gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen im Rahmen der außergerichtlichen Sanierung von Kapitalgesellschaften sowie für Sanierungen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Wird das Unternehmen nicht fortgeführt oder trotz der Sanierungsmaßnahme eingestellt, liegt eine Sanierung im Sinne dieser Regelung nur vor, wenn die Schulden aus betrieblichen Gründen (z.B. um einen Sozialplan zugunsten der Arbeitnehmer zu ermöglichen) erlassen werden. Keine begünstigte Sanierung ist gegeben, sobald die Schulden erlassen werden, um den Steuerpflichtigen oder einem Beteiligten einen schuldenfreien Übergang in sein Privatleben oder den Aufbau einer anderen Existenzgrundlage zu ermöglichen. Im Fall der übertragenden Sanierung1 ist von einem betrieblichen Interesse auch auszugehen, soweit der Schuldenerlass erforderlich ist, um das Nachfolgeunternehmen (Auffanggesellschaft) von der Inanspruchnahme für Schulden des Vorgängerunternehmens freizustellen (z.B. § 25 Abs. 1 HGB).“
2. Unternehmensbezogene Sanierung Der Sanierungserlass begünstigt nur unternehmensbezogene Sanierungen. Darunter fallen alle Maßnahmen, die sich auf die Rettung des Unternehmens beziehen.2 Hiervon abzugrenzen sind unternehmerbezogene Sanierungen, d.h. Maßnahmen, die der Sanierung der Unternehmer dienen. Maßnahmen dieser Art sind nach dem Sanierungserlass nicht begünstigt. Der BFH hat diese Auffassung mittlerweile gebilligt.3 In dem vom BFH entschiedenen Fall hatte das Unternehmen seine werbende Tätigkeit bereits vor dem Schuldenerlass eingestellt. Die Erlassmaßnahmen der Gläubiger sollten nun die Gesellschafter von Verbindlichkeiten entlasten, um „ihnen die Möglichkeit zu geben, wieder in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen leben zu können.“ Der BFH lehnte eine Anwendung von Billigkeitsmaßnahmen aufgrund des Sanierungserlasses in diesen Fällen unternehmerbezogener Sanierungen ab.4
2.32
Letztlich haben sich in der Praxis bisher allerdings kaum Schwierigkeiten ergeben, den Verzicht auf Darlehensforderungen gegenüber der Krisengesellschaft als Sanierungsmaßnahme i.S.d. Sanierungserlasses zu qualifizieren. Schwieriger sind allerdings in der Praxis die in Rz. 4 des Sanierungserlasses genannten Voraussetzungen für einen begünstigten Sanierungsgewinn. Danach kann der Sanierungserlass unter folgenden Voraussetzungen angewandt werden: das Unternehmen ist sanierungs-
2.33
1 Als übertragende Sanierung wird die Übertragung des Vermögens eines in der Regel insolventen Unternehmens auf einen anderen bereits bestehenden oder neu zu gründenden Rechtsträger bezeichnet, vgl. nur Eilenberger, MüKo InsO, § 220, Rz. 18. 2 BMF-Schreiben vom 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240, Tz. 1. 3 BFH v. 14.7.2010 – X R 34/08, BStBl. II 2010, 916 = StBW 2010, 838; für Billigkeitsmaßnahmen auch in diesem Fall noch FG Münster v. 27.5.2004 – 2 K 1307/02 AO, EFG 2004, 1572; Jansen, BB 2005, 1026. Vgl. auch Jan Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 4.22. 4 Die gegen die Entscheidung des BFH eingelegte Verfassungsbeschwerde (Az: 2 BvR 2583/10) ist durch Beschluss vom 14.7.2011 nicht zur Entscheidung angenommen worden.
17
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
bedürftig und sanierungsfähig, der Schulderlass ist für die Sanierung geeignet und die Gläubiger haben die Absicht, das Unternehmen zu sanieren.1 Dabei geht der Erlass davon aus, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, wenn ein Sanierungsplan vorliegt. 3. Sanierungsbedürftigkeit
2.34
Die Sanierungsbedürftigkeit liegt vor, wenn das Unternehmen in Folge von Zahlungsunfähigkeit von der Insolvenz bedroht ist.2 Die Finanzverwaltung nennt als Kriterien, nach denen die Sanierungsbedürftigkeit eines Unternehmens beurteilt wird – seine Ertragslage, – die Höhe des Betriebsvermögens vor und nach der Sanierung, – die Kapitalverzinsung durch die Erträge des Unternehmens, – die Möglichkeiten zu Bezahlen von Steuern und sonstigen Schulden, – die Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens und – mit Einschränkungen die Höhe des Privatvermögens.3
2.35
Zusammenfassend wird auf die drohende Insolvenz des Unternehmens abgestellt. Die Beweislast dafür trägt der Steuerpflichtige. Wichtig ist auch, dass die Finanzverwaltung die Überschuldung allein nicht als Grund für die Sanierungsbedürftigkeit ausreichen lässt, wenn andere Kennzahlen des Unternehmens den Zusammenbruch eines Unternehmens ausschließen und deshalb nicht von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist.4. Die Erfahrung der Finanzmarktkrise zeigt, dass sehr häufig Unternehmen vor allem wegen fehlender Liquidität Sanierungstransaktionen durchführen mussten, vgl. insoweit auch den in Rz. 2.1 dargestellten Beispielsfall. Die fehlende Liquidität und die fehlende Refinanzierungsmöglichkeit reichen für den Nachweis der Sanierungsbedürftigkeit aus. 4. Sanierungsfähigkeit
2.36
Die steuerliche Privilegierung eines Schuldenerlasses ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Unternehmen auch sanierungsfähig ist, d.h. wenn es nach der Sanierung wieder ertragsfähig wird.5 Dies ist anhand aller Umstände zu beurteilen, die die Ertragsaussichten des Unternehmens beeinflussen können. Beispielhaft werden von der Finanzverwaltung die folgenden Punkte genannt: 1 BMF-Schreiben vom 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240, Tz. 4. 2 BFH v. 20.2.1986 – IV R 172/84, BFH/NV 1987, 493; Verfügung OFD Hannover v. 11.2.2009 – S 2140 - 8 - StO 241, DStR 2009, 532. 3 Vgl. OFD Hannover v. 11.2.2009 – S 2140 - 8 - StO 241, DStR 2009, 532 (533). 4 OFD Hannover v. 11.2.2009 – S 2140 - 8 - StO 241, DStR 2009, 532 (533); v. 14.3. 1990 – I R 129/85, BStBl. II 1990, 955. 5 BFH v. 25.2.1972 – VIII R 30/66, BStBl. II 1972, 531.
18
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts
– die Höhe der Verschuldung, – die Höhe des Erlasses, – die Gründe, die die Notlage bewirkt haben und – die allgemeinen Ertragsaussichten. Auch die Sanierungsfähigkeit kann durch das Vorliegen eines Sanierungsgutachtens nachgewiesen werden. Bei der Frage, ob das Unternehmen sanierungsfähig ist, handelt es sich um eine Prognoseentscheidung. Hier wird man dem Management der Gesellschaft bzw. ihren Gesellschaftern einen gewissen Beurteilungsspielraum zubilligen müssen. Führt beispielsweise der Forderungserlass zu einer erheblichen Reduzierung der Finanzverbindlichkeiten und damit der Zinslasten des Unternehmens, so wird sich die Ertragslage bei stabil zu prognostizierendem Umsatz signifikant verbessern. Die Einschätzung von Marktrisiken ist demgegenüber aus Sicht der Finanzverwaltung nur schwer nachzuprüfen.
2.37
5. Sanierungsabsicht der Gläubiger Der Sanierungserlass1 scheint davon auszugehen, dass die Sanierungsabsicht eine gemeinsame Absicht aller Gläubiger sein muss; dies scheint tendenziell auch eine Auffassung in manchen Teilen der Finanzverwaltung zu sein. Dieses Verständnis ist aber nicht zwingend. Auch eine Einzelmaßnahme eines Gläubigers kann die Voraussetzungen des Sanierungserlasses erfüllen.2 Man kann unseres Erachtens auch nicht aus der unterschiedlichen wirtschaftlichen Relevanz von Sanierungsbeiträgen auf eine fehlende Sanierungsabsicht der beteiligten Gläubiger schließen. Die Sanierungseignung der Maßnahmen wird allerdings dann nur in einer Zusammenschau der geplanten Sanierungstransaktionen nachzuweisen sein.
2.38
Immer wieder herrscht auch im Hinblick auf die Sanierungsabsicht des verzichtenden Gesellschafters Streit. Auch hier wird die Auffassung vertreten, dass regelmäßig ein solcher Verzicht durch den GesellschafterGläubiger gesellschaftsrechtlich initiiert ist und deshalb die Anwendung des Sanierungserlasses ausgeschlossen sei.3 Folgt man dieser, insbesondere von Dötsch/Pung vertretenen Auffassung, so erscheint in der Praxis die Anwendbarkeit des Sanierungserlasses auf vom Gesellschafter initiierte Sanierungstransaktion fast ausgeschlossen. Dies kann nicht die Intention des Sanierungserlassgebers gewesen sein und entspricht auch nicht der Praxis in Sanierungstransaktionen. Bei unternehmensbezogenen Sanierungstransaktionen (diese sind in Tz. 1 des Sanierungserlasses4 als Maßnahmen definiert, die sich auf die Rettung des Unternehmens bezie-
2.39
1 BMF v. 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240, Tz. 4; OFD Hannover v. 11.2.2009 – S 2140–8-StO 241, DStR 2009, 532, 533. 2 Vgl. Förster, Ubg 2010, 758 (759). 3 So am deutlichsten Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt (D/J/P/W), § 8b KStG Rz. 142; zur Gegenauffassung vgl. Drews/Götze, DStR 2009, 945 (948). 4 BMF v. 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240, Tz. 1.
19
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
hen) überlagern sich naturgemäß gesellschaftsrechtliche und betriebsbezogene Interessen. Der Gesellschafter möchte „seine“ Gesellschaft gerettet sehen, der Unternehmer „sein“ Unternehmen. Deshalb kann nicht aus dem Grund überlagernder Motive der Gesellschafters/Unternehmers heraus die Sanierungsmaßnahme des Gesellschafters von der möglichen steuerlichen Privilegierung ausgeschlossen werden, zumal Forderungsverzichte von Gesellschafter-Gläubigern schnelle und effiziente Sanierungsmaßnahmen darstellen (Rz. 3.2). Deshalb ist nach unserer Auffassung der sehr restriktiven Auffassung von Dötsch/Pung nicht zu folgen. Sie hat sich auch in der Praxis nicht durchgesetzt.1 6. Zeitliche Anwendbarkeit des Sanierungserlasses
2.40
In der Praxis ist die Frage nach der zeitlichen Anwendbarkeit des Sanierungserlasses eine Kernfrage, nämlich die Frage, wann Sanierungsbedürftigkeit eingetreten ist und sich das Unternehmen im zeitlichen Anwendungskorridor des Sanierungserlasses befindet. Der Sanierungserlass stellt dabei auf die drohende Insolvenz infolge von Zahlungsunfähigkeit ab. Erst dann soll die erforderliche Sanierungsbedürftigkeit vorliegen.2 Zu den Voraussetzungen der Sanierungsbedürftigkeit im Einzelnen vgl. Rz. 2.34 f.
2.41
Betrachtet man den typischen Ablauf eines Sanierungsfalls (betriebswirtschaftliche Krise der Unternehmung fi drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) fi Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung), so ist eine Anwendung des Sanierungserlasses erst in einem späten Stadium von Sanierungssituationen („wenn sich die Unternehmenskrise schon dramatisch zugespitzt hat“) möglich. Die bei der Anwendung des Sanierungserlasses immer erforderliche Einbindung der Finanzverwaltung vor der Durchführung der Sanierungsmaßnahme wird dann durch den Zeitdruck in solchen Situationen zusätzlich erschwert. Diese späte Anwendbarkeit folgt letztlich aus der Anknüpfung des Sanierungserlasses (und anderer steuerrechtlicher Sanierungsvorschriften) an das Insolvenzrecht (Voraussetzung für die zeitliche Anwendbarkeit ist gerade die drohende Insolvenz infolge von Zahlungsunfähigkeit, allgemein zum Verhältnis zwischen Sanierungssteuerrecht und Insolvenzrecht vgl. Rz. 2.11 ff.). Derartige Anknüpfungen des Steuerrechts an zivilrechtlich/insolvenzrechtliche Begriffe bergen immer die Gefahr, dass Rechtsänderungen in diesem Bereich zu steuerrechtlichen Regelungen nicht mehr passen bzw. unklar bleiben.3 Insoweit be1 Zustimmend auch Förster, Ubg 2010, 759. 2 BFH v. 20.2.1986 – IV R 172/84, BFH/NV 1987, 493; Verfügung OFD Hannover v. 11.2.2009 – S 2140 - 8 - StO 241, DStR 2009, 532. 3 Exemplarisch hierfür ist die Abschaffung des Rechtsinstituts der sog. eigenkapitalersetzenden Darlehen (§ 32a GmbHG a.F.) durch das MoMiG (Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen v. 23.10. 2008, BGBl. I 2008, 2026). Durch die vorherige Anknüpfung an das Zivilrecht, wonach in den Fällen eigenkapitalersetzender (Gesellschafter-)Darlehen nachträgliche Anschaffungskosten auf die Gesellschaftsanteile anzunehmen waren, war eine relative Rechtssicherheit gegeben. Die sich nun durch die Änderungen
20
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts
steht ein latentes Risiko, dass Änderungen im Zivil- bzw. Insolvenzrecht, die regelmäßig aus völlig autonomen Gründen erfolgen, unvorhergesehene und ggf. unbeabsichtigte Konsequenzen für das Steuerrecht haben. Ein Beispiel hierfür ist etwa die (zeitlich bis zum 31.12.2013 begrenzte) Änderung des insolvenzrechtlichen Überschuldungsbegriffs durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz.1 Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO ist eine Überschuldung nicht mehr anzunehmen, wenn die Fortführung des überschuldeten Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist (positive Fortführungsprognose).2 Es stellt sich nun die Frage, ob diese positive Fortführungsprognose, die die insolvenzrechtliche Überschuldung ausschließt, wegen der Anknüpfung des Sanierungserlasses an eben diese zur Nichtanwendbarkeit des Sanierungserlasses führt. Dass dies allein vom Ergebnis her nicht sein kann, zeigt bereits das Erfordernis der Sanierungsfähigkeit, das regelmäßig gerade eine positive Fortführungsprognose des Unternehmens voraussetzen wird.3 Der Anwendungsbereich des Sanierungserlasses würde unseres Erachtens zu weitgehend eingeschränkt. Auch wenn das Ergebnis in diesem Fall u.E. eindeutig ausfallen sollte, so zeigt es, dass aus steuerrechtlicher Sicht vor einer allzu engen Anknüpfung an zivilrechtliche bzw. insolvenzrechtliche Kategorien nur gewarnt werden kann. Für Sanierungs- bzw. Krisensituationen, in denen schnell gehandelt werden muss, kommt erschwerend hinzu, dass der zeitliche Anwendungskorridor des Sanierungserlasses im Übrigen nicht – jedenfalls nicht vollständig – mit anderen Vorschriften im Sanierungsteuerrecht deckungsgleich ist. So stellt beispielsweise die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG auf Maßnahmen ab, die die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung durch einen Beteiligungserwerb zu verhindern suchen. Nach der Gesetzesbegründung zu § 8c Abs. 1a KStG soll für den maßgeblichen Zeitpunkt, ab wann ein Erwerb begünstigt ist, auf die Grundsätze des Eigenkapitalersatzrechts vor Inkrafttreten des MoMiG zur „Krise“ abzustellen sein,4 der Gesetzeswortlaut verwendet dagegen die insolvenzrechtlichen Begriffe der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung (Rz. 2.66). Der zeitliche Anwendungsbereich von Sanierungsklausel und Sanierungserlass unterscheidet sich daher (zumindest begrifflich). In der Praxis haben sich diese dogmatischen Anwendungsunsicherheiten in der zeitlichen Dimension des Sanierungserlasses kaum ausgewirkt; es bleibt aber die Aufgabe des sich herausbildenden Sanierungssteuerrechts, eindeutige zeitliche Anwendungskriterien für steuerrechtliche Sanie-
1 2 3
4
des Zivil- und Insolvenzrechts ergebenden Folgerungen für § 17 EStG sind noch unklar (vgl. zum Ganzen Eilers/Schmidt in HHR, § 17 EStG, Anm. 201a ff.). Finanzmarktstabilisierungsgesetz v. 7.4.2009, BGBl. I 2009, 725. Vgl. hierzu instruktiv Aleth/Harlfinger, NZI 2011, 166 ff. Die Anwendbarkeit der Sanierungsklausel in diesem Fall wird in der Literatur durchweg bejaht, vgl. Dötsch in D/J/P/W, § 8c KStG, Rz. 114; Eilers, StuW 2010, 205 (208); Ziegenhagen/Thewes, BB 2009, 2116 (2117); Sistermann/Brinkmann, DStR 2009, 1453 (1454); Ortmann-Babel/Bolik/Gageur, DStR 2009, 2173 (2178). BT-Drucks. 16/13429, 76.
21
2.42
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
rungsvorschriften zu entwickeln. Dabei sollte sich ein einheitlicher Krisenbegriff für die Anwendbarkeit steuerrechtlicher Sanierungsvorschriften wie des Sanierungserlasses herausbilden, der den insolvenzrechtlichen Krisenvorschriften vorgelagert ist und im Wesentlichen auf Liquiditätsschwächen der jeweiligen Gesellschaft abstellt. Die Aufarbeitung der Finanzmarktkrise hat gezeigt, dass Liquiditätsschwächen Hauptursachen für das Scheitern von Unternehmen waren1. Unseres Erachtens ist eine steuerlich privilegierungswürdige Sanierungssituation gegeben, wenn Kreditunwürdigkeit besteht, d.h. wenn die Gesellschaft ihren Bedarf an Fremdkapital nicht mehr aus eigener Kraft zu marktüblichen Konditionen decken kann. Dieser Krisentatbestand ist zumeist einer insolvenzrechtlichen Überschuldung oder einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit vorgelagert. In diesem Zeitpunkt ist aber die Einschränkung der steuerrechtlichen Leistungsfähigkeit dieser Gesellschaft bereits gegeben. Dann ist der Rückgriff auf Sanierungsmaßnahmen nach dem Sanierungserlass steuerrechtlich gerechtfertigt. 7. Kosten der Sanierung
2.43
Schließlich ergibt sich in der Praxis ein Anwendungsproblem, wenn das durch den Sanierungserlass begünstigte Unternehmen Kosten der Sanierung geltend machen will. Oftmals nimmt die Finanzverwaltung dann die Position ein, dass der steuerliche privilegierte Sanierungsgewinn eine Nettogröße darstelle, so dass beispielsweise Beratungsaufwand nicht separat als Betriebsausgabe geltend gemacht werden könne.2 Eine andere Argumentation der Finanzverwaltung geht dahin, solche Ausgaben der Begrenzung des § 3c EStG zu unterwerfen, nach der Aufwand, der in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen steht, nicht abzugsfähig sei.
2.44
Dazu ist zunächst festzustellen, dass § 3c Abs. 1 EStG von seinem Wortlaut nicht einschlägig ist. Der Erlass einer auf einen möglicherweise eintretenden Sanierungsgewinn zu zahlenden Steuer stellt keine steuerfreie Einnahme im Hinblick auf das zu sanierende Unternehmen dar. Insoweit käme hier nur eine analoge Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG in Betracht. Eine solche würde wohl am steuerrechtlichen Analogieverbot bzw. dem Gebot der folgerichtigen Lückenausfüllung im Steuerrecht3 scheitern.
2.45
Aber auch die Argumentation, dass ein möglicherweise steuerlich freigestellter Sanierungsgewinn eine Nettogröße darstelle, die dann um zunächst abzugsfähigem Beratungsaufwand und andere Sanierungskosten zu reduzieren sei, erscheint uns nicht zielführend. Der Sanierungserlass beschreibt eine Billigkeitsmaßnahme der Finanzverwaltung. Diese Billigkeitsmaßnahme bezieht sich auf eine zu definierende Steuerbelastung, 1 Steinbrück, Unterm Strich, 227 f. 2 Diese Fallkonstellation setzt dann steuerpflichtige Einkünfte in dem Veranlagungszeitraum vor bzw. nach der Sanierung voraus. 3 Vgl. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5, Rz. 61.
22
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts
die sich aus dem Verzicht auf eine unter Umständen nicht werthaltige Verbindlichkeit des jeweiligen Unternehmens bezieht. Der Begriff dieser Steuerverbindlichkeit lässt keinen Raum dafür, andere Betriebsausgaben einzubeziehen und dies aus dem untechnischen Begriff des Sanierungsgewinns abzuleiten. 8. Rechtsfolgen der Anwendbarkeit des Sanierungserlasses a) Ermittlung des Sanierungsgewinns und abweichende Steuerfestsetzung Ist der Sanierungserlass dem Grunde nach anwendbar, sind zwei Schritte zu befolgen:
2.46
Zunächst ist der begünstigte Sanierungsgewinn vorrangig mit sämtlichen vorhandenen Verlustvorträgen zu verrechnen.1 Dabei finden Ausgleichsund Verrechnungsbeschränkungen (insbesondere nach §§ 2a, 2b, 10d, 15 Abs. 4, 15a EStG) keine Anwendung. Die so zunächst verrechneten Verluste gelten (bis max. zur Höhe des Sanierungsgewinns) als aufgebraucht und werden nicht nach § 10d EStG als verbleibender Verlustvortrag festgestellt.
! Hinweis: Wendet sich der Steuerpflichtige gegen die vorgenommene
2.47
Sodann wird die Steuer auf diesen verbleibenden Sanierungsgewinn nach § 163 AO abweichend festgesetzt. Dabei ist die auf den Sanierungsgewinn entfallende Steuer nicht durch eine Verhältnisrechnung zu ermitteln, sondern durch eine Gegenüberstellung des unter des unter Einbeziehung des Sanierungsgewinns festgesetzten Steuerbetrages und des Steuerbetrages zu ermitteln, der sich in der „Schattenveranlagung“ ohne Einbeziehung des (nach Verrechnung mit Verlusten und negativen Einkünften verbleibenden) Sanierungsgewinns ergibt.2
2.48
Verlustverrechnung im Festsetzungsverfahren oder begehrt die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags, so wird dies von der Finanzverwaltung als Rücknahme seines Erlassantrags angesehen, so dass keine Billigkeitsmaßnahmen greifen.
b) Stundung der Steuer auf den Sanierungsgewinn und Erlass Die so ermittelte Steuer auf den Sanierungsgewinn wird nach § 222 AO mit dem Ziel des späteren Erlasses (§ 227 AO) zunächst unter Widerrufsvorbehalt ab Fälligkeit (AEAO zu § 240 Nr. 6a) gestundet. Bei einem Forderungsverzicht mit Besserungsschein wird die Steuer solange gestundet, wie Zahlungen auf den Besserungsschein geleistet werden können.3
2.49
Nach abschließender Prüfung und nach Feststellung der endgültigen auf den verbleibenden zu versteuernden Sanierungsgewinn entfallenden
2.50
1 Zu den Rechtsfolgen s. BMF v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = FR 2003, 478, Rz. 8. 2 Verfügung des Bayerischen. Landesamts für Steuern, DStR 2006, 2176. 3 Loose/Maier in Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, § 17, Rz. 137.
23
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
Steuer ist die Steuer nach § 227 AO zu erlassen (Ermessensreduzierung auf Null).1 Ggf. erhobene Stundungszinsen sind nach § 227 AO zu erlassen, soweit sie auf gestundete Steuerbeträge entfallen, die später erlassen worden sind. Eine abschließende Prüfung wird man regelmäßig erst dann anzunehmen haben, wenn die Veranlagung des folgenden Veranlagungszeitraums bestandskräftig ist, keine Betriebsprüfung mehr erfolgt, laufende Betriebsprüfungen oder Rechtsbehelfsverfahren abgeschlossen sind und keine Änderung des von der Billigkeitsmaßnahme betroffenen Veranlagungszeitraums mehr möglich ist.2 9. Rechtmäßigkeit des Sanierungserlasses
2.51
Die Diskussion um die Rechtmäßigkeit des Sanierungserlasses hat mit der Entscheidung des BFH vom 14.7.20103 ein vorläufiges Ende gefunden. Mit diesem Urteil hat der BFH – in einem obiter dictum – entschieden, dass der Sanierungserlass für unternehmensbezogene Sanierungen eine rechtmäßige Rechtsgrundlage darstellt.4 Damit hat er die insoweit kritische Auffassung des FG München5 nicht geteilt. Das FG München hatte die Auffassung vertreten, dass die Finanzverwaltung mit dem Sanierungserlass eine Verwaltungspraxis contra legem eingeführt habe, weil der Gesetzgeber die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen mit der Aufhebung von § 3 Nr. 66 EStG letztlich abschaffen wollte. Nach der Entscheidung des BFH bleibt der Sanierungserlass Rechtsgrundlage für Erlassmaßnahmen bei unternehmensbezogenen Sanierungen (vgl. oben insbesondere zur Abgrenzung zu unternehmerbezogenen Sanierungen).
2.52
Zweifel gegen die Rechtmäßigkeit des Sanierungserlasses könnten sich auch unter EU-beihilferechtlichen Aspekten ergeben, sofern die Auffassung der EU-Kommission zur Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG Bestand haben sollte; hinsichtlich der möglichen Europarechtswidrigkeit des § 8 Abs. 1a KStG s. Rz. 2.71 ff. Da aber schon gegenüber diesen Beihilfeverfahren erhebliche rechtliche Zweifel angebracht sind, erscheint auch ein beihilferechtliches Vorgehen gegen den Sanierungserlass zumindest rechtlich, vielleicht nicht rechtspolitisch fernliegend.6
1 BMF v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = FR 2003, 478, Tz. 12. 2 Loose/Maier in Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, § 17, Rz. 138 m.w.N. 3 BFH v. 14.7.2010 – X R 34/08, BStBl. II 2010, 916 = FR 2010, 1099 m. Anm. Kanzler = StBW 2010, 838 = DB 2010, 2033; dazu Frei/Mückl GmbHR 2010, 289 f.; Wagner, BB 2010, 2612 (2614) sowie Förster, Ubg 2010, 758 (759). 4 So auch die Auffassung des FG Köln v. 24.4.2008 – 6 K 2488/06, DStRE 2008, 1445; Braun/Geiß, BB 2009, 2509 f.; Töben, FR 2010, 254 f.; Schmidt/Mielke, Ubg 2009, 401. 5 FG München v. 12.12.2007 – 1 K 4487/06, EFG 2008, 615. Dazu etwa Jan Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 4.25 f. 6 Blumenberg, IFSt-Schrift Nr. 473 (2011), 57 f.
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B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts
III. Sanierungsausnahme bei Verlustvorträgen (§ 8c Abs. 1a KStG) 1. Regelungskonzept des § 8c KStG Die Nutzung vorhandener Verluste und Verlustvorträge einer Körperschaft wird durch § 8c KStG beschränkt. Nach dieser Vorschrift gehen im Grundsatz Verluste und Verlustvorträge bei einem schädlichen Beteiligungserwerb von mehr als 25 % innerhalb von fünf Jahren pro rata, bei einem Beteiligungserwerb von mehr als 50 % vollständig verloren. Die Regelung erfasst nicht nur körperschaftsteuerliche, sondern auch gewerbesteuerliche Verlustvorträge der Körperschaft bzw. einer der Körperschaft nachgeordneten Mitunternehmerschaft (§ 8c Abs. 1 KStG i.V.m. § 10a GewStG).1 Darüber hinaus werden von der Vorschrift auch Zinsvorträge nach der Zinsschranke erfasst (§ 8c Abs. 1 Satz 3 KStG i.V.m. § 4h Abs. 5 Satz 3 EStG).2
2.53
Der Begriff des schädlichen Beteiligungserwerbs knüpft an die Übertragung des gezeichneten Kapitals, Mitgliedschaftsrechten, Beteiligungsrechten oder Stimmrechten innerhalb einer Fünfjahresfrist an. Ebenfalls erfasst sind vergleichbare Sachverhalte – ein unbestimmter Rechtsbegriff, der in der Literatur zu Recht Kritik hervorgerufen hat. Der grundsätzlich nur schädliche Erwerb durch einen Erwerber ist auch anzunehmen, wenn mehrere Erwerber zu einem sog. Erwerberkreis3 gehören. Dieser soll vorliegen, wenn eine Übertragung an nahestehende Personen oder erfolgt oder die Erwerber gleichgerichtete Interessen haben, wobei bereits die Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks (selbst ohne Vorliegen eines Vertrags) ausreichend sein soll,4 wodurch der Anwendungsbereich der Vorschrift erheblich ausgedehnt wird. Zudem ist nicht zwingend erforderlich, dass neue Gesellschafter hinzutreten, vielmehr genügt auch eine Veränderung der Beteiligungsverhältnisse z.B. durch Kapitalerhöhungen.5
2.54
§ 8c KStG beschränkt aber nicht nur die Verlustnutzung im Falle eines unmittelbaren Gesellschafterwechsels, sondern ist grundsätzlich durch die gesamte Beteiligungskette anzuwenden, ohne dass hierzu einschränkende Regelungen existieren.6 Nach vielfältiger Kritik in der Literatur und von Seiten der Wirtschaft ist § 8c KStG aber zumindest um eine – wenngleich sehr enge7 – Konzernklausel ergänzt worden, die zeitlich erst
2.55
1 Vgl. auch Dörr, NWB 2009, 2050 (2051). 2 Siehe dazu Schaden/Käshammer, BB 2007, 2317 (2321). 3 Begriff eingeführt durch BMF v. 4.7.2008 – IV C - S 2745-a/08/10001, BStBl. I 2008, 736 = FR 2008, 839; FR 2008, 886, Rz. 3 und 26 f. 4 Vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C - S 2745-a/08/10001, BStBl. I 2008, 736 = FR 2008, 839; FR 2008, 886, Rz. 27. 5 Zur genauen Reichweite der Vorschrift Neyer, BB 2009, 415 ff.; auch Weitnauer, BKR 2009, 18 (24); Dötsch in D/J/P/W, § 8c KStG, Rz. 32. 6 Illustrativ Dötsch in D/J/P/W, § 8c KStG, Rz. 32: Erwerbe können „bis zu den Sternen“ schädlich sein; kritisch dazu etwa Breuninger/Schade, Ubg 2008, 261 (266). 7 Zur Kritik und der möglichen Auslegung der Konzernklausel s. etwa Herzig/ Bohn, DStR 2009, 2341 (2343); Dörr, NWB 2010, 184; Busch/Spiekermann, EStB 2010, 260.
25
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
für Beteiligungserwerbe ab dem 31.12.2009 anwendbar ist.1 In den Jahren 2008 und 2009 konnten daher insbesondere auch Restrukturierungen innerhalb eines Konzerns – selbst wenn sie nach den Vorschriften des UmwStG erfolgsneutral erfolgen – zu einem Verlustuntergang führen.2 So konnte bei internationalen mehrstufigen Holdingstrukturen auch eine Kapitalmaßnahme im Ausland oder auch das bloße Zwischenschalten oder Eliminieren einer Beteiligungsebene zu einem Untergang der Verluste und Verlustvorträge einer deutschen Gesellschaft führen.3 Auch wenn sich diese Probleme durch die Konzernklausel verringert haben, besteht ein wesentliches Manko darin, dass die Konzernklausel jeweils 100 %-Beteiligungen und zudem – jedenfalls dem Wortlaut nach – einen mindestens dreistufigen Konzernaufbau verlangt. Eine weitere Erleichterung wurde gleichzeitig mit der Konzernklausel in Form des Verlusterhalts in Höhe der stillen Reserven eingefügt.4
2.56
Neben § 8c KStG kann nach der Übergangsvorschrift des § 34 Abs. 6 Satz 3 KStG bis zum 31.12.2012 unter bestimmten Voraussetzungen bei vor 2008 begonnenen Übertragungen von Anteilen auch noch die alte Mantelkaufregelung des § 8 Abs. 4 KStG Anwendung finden.5 § 8 Abs. 4 KStG a.F. versagte eine Nutzung der Verlustvorträge, wenn kumulativ mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen wurden und dem Unternehmen überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt wurde. 2. Ausnahmen von der Verlustabzugsbeschränkung
2.57
Anders als noch die Vorgängervorschrift des § 8 Abs. 4 KStG a.F. sah § 8c KStG bei seiner Einführung durch URefG 2008 keine Ausnahmen vor. Vielmehr führte jeder Beteiligungserwerb von mehr als 25 % zu einem teilweisen bzw. vollständigen Untergang der Verlustvorträge. Diese harte und kaum gestaltbare Rechtsfolge hat sich in nicht wenigen Fällen als kontraproduktiv erwiesen, da sich die Regelung vom ursprünglichen Gedanken der Missbrauchsvermeidung der alten Mantelkaufrechtsprechung6 weit entfernt hatte7 und nunmehr auch Fälle erfasste, in denen der
1 Durch das Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) vom 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950, mit dem auch der Verlusterhalt in Höhe der stillen Reserven eingeführt wurde. 2 Hiergegen wendet sich die überwiegende Meinung im Schrifttum, vgl. statt vieler Breuninger/Schade, Ubg 2008, 261 (266), Sistermann/Brinkmann, DStR 2008, 897. 3 Vgl. Schmidt/Mielke, Ubg 2009, 395 (400). 4 Zu den Ergänzungen des § 8c KStG, die zwar allgemeiner Art sind, aber auch in Sanierungssituationen Bedeutung erlangen können siehe im Folgenden die Ausführungen unter 2. 5 Siehe die Darstellung bei Suchanek/Herbst, FR 2007, 863 (872). 6 Vgl. BFH v. 1.2.2001 – IV R 3/00, BStBl. II 2001, 520 = GmbH-StB 2001, 158. 7 Kritisch etwa Weitnauer, GWR 2009, 279613.
26
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts
Beteiligungserwerb zum Wohle des Unternehmens erfolgte.1 Eine grundlegende Novellierung unterblieb dennoch, vielmehr wurde der Anwendungsbereich des § 8c KStG mehrfach eingeschränkt und ergänzt.2 a) Ausnahmen für Wagniskapitalgesellschaften Durch das Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen (MoRaKG)3 wurde § 8c KStG zunächst um einen zweiten Absatz ergänzt, nach dem unter bestimmten weiteren Voraussetzungen bei einem grundsätzlich schädlichen Anteilserwerb die Verlustvorträge in Höhe der vorhandenen stillen Reserven erhalten bleiben, wenn die Verlustgesellschaft durch oder unter bestimmten Voraussetzungen von einer Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaft erworben wird. Entsprechendes gilt für die gewerbesteuerlichen Verlustvorträge (Art. 5 MoRaKG). Durch das MoRaKG sollten jungen und forschungsintensiven Unternehmen alternative Finanzierungsmöglichkeiten eröffnet werden, wobei für die Zurverfügungstellung von Beteiligungskapital insbesondere steuerliche Anreize geboten werden sollten.4 Der Anwendungsbereich des § 8c Abs. 1 KStG wurde also aus der Erkenntnis der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit heraus eingeschränkt.
2.58
Allerdings trat die Regelung niemals in Kraft.5 Die EU-Kommission entschied am 30.9.2009, dass die Vorschriften eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe darstellen.6 Wegen der Verknüpfung der Anwendungsregelung mit der Entscheidung der EU-Kommission (§ 8c Abs. 2 KStG sollte erst an dem Tag der positiven Entscheidung in Kraft treten nach Art. 8 Abs. 2 Satz 2 MoRaKG) kam es anders als die Sanierungsklausel (zur beihilferechtlichen Zulässigkeit s. Rz. 2.74) niemals zur Anwendung von § 8c Abs. 2 KStG.
2.59
b) Ausnahmen zur Stabilisierung des Finanzmarktsektors Durch das als Reaktion auf die Finanzmarktkrise verabschiedete Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (FMStFG)7 wurden neben der Einführung verschiedener Stabilisierungsmaßnahmen für Unternehmen des Finanz1 Dies war bereits im Rahmen des alten § 8 Abs. 4 KStG anhand des Tatbestandsmerkmals der Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens kritisiert worden, da durch dieses tendenziell wirtschaftlich vernünftige Strategien eher erfasst wurden, vgl. Dösch in D/J/P/W, § 8c KStG, Rz. 2. 2 Inwiefern § 8c KStG hierdurch (wieder) als Missbrauchsregelung anzusehen ist, ist umstritten, vgl. dazu etwa Schmitz, DStZ 2011, 324 (327 f.). Dohrenkamp, IFSt-Schrift Nr. 461 (2011), 26, 76 f. 3 Gesetz v. 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1672. 4 Vgl. BR-Drucks. 567/07, 1; kritisch zur Umsetzung Herbst/Suchanek, GmbHR 2008, 862 (867). 5 Vgl. zum Ganzen insbesondere Dörr, NWB 2009, 3499 (3504). 6 Entscheidung der Kommission v. 30.9.2009, K(2009) 7387, ABl. 2010, L 6, 32. 7 Eingeführt durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) v. 17.10.2008, BGBl. I 2008, 1982.
27
2.60
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
marktsektors unter Einschaltung des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin)1 auch steuerliche Regelungen getroffen. Die wohl wichtigste unter ihnen ist die Nichtanwendbarkeit von § 8c KStG (und § 10a Satz 10 GewStG) auf Erwerbe durch den SoFFin sowie bei Rückübertragung durch den SoFFin nach § 14 Abs. 3 FMStFG. Nach der Gesetzesbegründung wird hierdurch „das Ziel des Gesetzes unterstützt, die Finanzmärkte zu stabilisieren“.2 Der Gesetzgeber selbst hat demnach die Verlustabzugsbeschränkung in der Krisensituation als Sanierungshindernis erkannt, diese Erkenntnis zunächst jedoch auf den Finanzmarktsektor beschränkt.3 Trotz einiger Detailprobleme4 ist die Regelung notwendig, um Stabilisierungsmaßnahmen durch den SoFFin nicht durch Steuernachteile in ihrer Wirkung zu schmälern.
2.61
Das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung5 hat § 14 Abs. 3 FMStFG um einen Satz 2 ergänzt. Dieser schreibt fest, dass auch andere inländische Gebietskörperschaften oder von diesen errichtete mit dem Fonds vergleichbare Einrichtungen von der Anwendung des § 8c KStG und § 10a letzter Satz GewStG ausgenommen sind. Damit wurde der Kreis der Ausnahmen von § 8c KStG erneut erweitert. c) Allgemeine Sanierungsklausel
2.62
Im Rahmen des Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung wurde § 8c KStG zudem um eine allgemeine Sanierungsklausel ergänzt.6 Dazu wurde der Norm ein neuer Abs. 1a hinzugefügt, nach dem die Anwendung von § 8c Abs. 1 KStG dann ausgeschlossen ist, wenn der Beteiligungserwerb zum Zwecke der Sanierung erfolgt, was nach § 8 Abs. 1a Satz 2 KStG der Fall ist, wenn die Maßnahme darauf gerichtet ist, die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu verhindern oder zu beseitigen und die wesentlichen Betriebsstrukturen zu erhalten. Zeitlich sollte die Regelung rückwirkend ab Inkrafttreten der Norm am 1.1.2008 Anwendung finden (§ 34 Abs. 7c KStG). Allerdings wird § 8c Abs. 1a KStG nicht angewandt, da die EU Kommission die Sanierungsklausel als unzulässige Beihilfe qualifiziert hat7 (Rz. 2.71 ff.).8 Zudem ist geplant, die Norm mit Wirkung ab dem VZ 2011 aufzuheben bzw. zu suspensieren.9 1 Vgl. Überblick bei Eilers/Bühring, DStR 2009, 137 (139 f.).; s. auch Horn, BKR 2008, 452 (453); Gosch/Gröger/Schuck, DB 2008, 2668. 2 BT-Drucks. 16/10600, 18. 3 So auch schon Eilers/Bühring, DStR 2009, 137 (140); Korn, DStR 2008, 2248. 4 Diese sind im Bereich von § 8c KStG insb. der Anwendungsbereich der „Rückübertragung“ durch den SoFFin und die Auswirkung der Stabilisierungsmaßnahmen auf den Zinsvortrag; vgl. Rodewald, BB 2009, 356 (358 f.). 5 Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung) v. 16.7.2009, BGBl. I 2009, 1959. 6 Siehe BT-Drucks. 16/13429, 40 ff. 7 Beschluss der Kommission v. 25.1.2011, 32011D0527, ABl. L 235 v. 10.9.2011, S. 26 ff.; vgl. auch die Pressemitteilung IP/11/65 v. 26.1.2011. Dazu Ehrmann, DStR 2011, 5 ff.; Drüen, DStR 2011, 289; Eilers/Bühring, Financial Times
28
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts
Durch die Einführung einer allgemeinen Sanierungsklausel erkennt der Gesetzgeber die krisenverschärfende Wirkung von § 8c KStG erstmals explizit an, ebenso dass diese nicht auf den Bankensektor und dort auf Rettungsmaßnahmen mit staatlichen Geldern beschränkt ist.1 Treffender als in der Stellungnahme des Bundesrates2 hätte man die krisenverschärfende Wirkung von § 8c KStG dabei kaum zum Ausdruck bringen können:
2.63
„Wenn der Verlustvortrag nur in den Fällen erhalten bleibt, in denen der Alteigentümer seine Anteile behält und ggf. weiter versucht, aus eigener Kraft die Situation zu meistern, verschleppt dies rechtzeitige und effiziente Sanierungsbemühungen unter neuer Führung. Gelingt der Anteilseignerwechsel trotzdem und beginnen sich erste Sanierungserfolge einzustellen, entziehen die Steuerzahlungen wegen des Verlustwegfalls sofort wieder die Liquidität in der beginnenden Gewinnphase, die dann nicht mehr für die abschließenden Sanierungsbemühungen zur Verfügung steht. Diese Liquidität benötigen Unternehmen vielfach dringend, um die in der Verlustphase aufgenommenen Kredite zu befriedigen“.
Als Folge dessen wäre eine weitere Kreditaufnahme notwendig, die nicht nur die Ertragssituation des immer noch angeschlagenen Unternehmens schwächt, sondern darüber hinaus auch eine zusätzliche steuerliche Belastung aufgrund der Zinsschranke zur Folge haben kann.3 Die Einführung einer allgemeinen Sanierungsausnahme ist also grundsätzlich sehr zu begrüßen, auch wenn eine nähere Betrachtung zeigen wird (dazu sogleich), dass hier ein „Nadelöhr“ geschaffen wurde, dass nur in wenigen Sanierungsfällen eine steuerliche sichere Sanierungsgestaltung ermöglichen wird.
2.64
2. Die Sanierungsausnahme im Einzelnen a) Grundsatz: Beteiligungserwerb zum Zweck der Sanierung Die Sanierungsklausel soll dann greifen, wenn der Beteiligungserwerb zum Zwecke der Sanierung erfolgt. Dies setzt in Analogie zum Sanierungserlass4 die Sanierungsabsicht der Körperschaft bzw. des neuen Gesellschafters und die Sanierungsbedürftigkeit des erworbenen Unternehmens voraus. Weiterhin muss die Körperschaft nach der pflichtgemäßen Einschätzung eines objektiven Dritten im Zeitpunkt des Anteilserwerbs sanierungsfähig sein und die getroffene Maßnahme muss objektiv geeignet sein, die Körperschaft in absehbarer Zeit und nachhaltig aus der Krise
8
9 1 2 3 4
Deutschland v. 8.2.2011, S. 24; zur Vorgeschichte der EU Entscheidung vgl. Mitteilung der EU Kommission v. 24.2.2010, mitgeteilt in BStBl. I 2010, 482. Da die Bundesregierung gegen die Entscheidung der Kommission klagt (auch die Heitkamp BauHolding hat am 6.6.2006 Klage vor dem EuG erhoben, Rs. T-287/11, ABl. C 238 vom 13.8.2011, S. 21–22) und u.E. die Entscheidung der Kommission unrichtig ist, erfolgt hier gleichwohl eine Darstellung des § 8c Abs. 1a KStG. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum BeitrRLUmsG v. 6.5.2011, BR-Drucks. 253/11, 99 und Beschlussempf. des Finanzausschusses, BT-Drucks. 17/7524, 21 f. BR-Drucks. 168/09 (Beschluss), 30. BR-Drucks. 168/09 (Beschluss), 29 f. So auch Dörr, NWB 2009, 2050 (2052). Dazu Dörr, NWB 2009, 2050 (2053).
29
2.65
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
zu führen.1 Diese beiden Voraussetzungen sollten in der Regel mit einem Sanierungsplan nachgewiesen werden.2 b) Verhinderung oder Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung
2.66
Nach § 8c Abs. 1a Satz 2 KStG muss die Maßnahme mit dem Zweck der Verhinderung oder Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung erfolgen. Dies setzt nach der Gesetzesbegründung voraus, dass der Erwerb zum Zeitpunkt der drohenden oder eingetretenen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung stattfindet. Dieser Zeitpunkt entspreche dem Eintritt der Krise nach dem Eigenkapitalersatzrecht vor MoMiG.3 Mit dieser Regelung sind Unsicherheiten verbunden, da der frühestmögliche Einstieg eines Investors – also der Kriseneintritt – oft schwer zu erkennen sein wird. Dies kann zur Hinauszögerung eines wirtschaftlich notwendigen Einstiegs eines Investors und damit zu einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation führen. Das Problem wird dadurch verschärft, dass bei einem Erwerb vor der Krise und späterem Kriseneintritt und damit einhergehender Sanierungsabsicht der Verlustvortrag, trotz einer identischen wirtschaftlichen Situation, unwiederbringlich verloren sein dürfte.4 c) Erhalt der wesentlichen Betriebsstrukturen
2.67
Schließlich müssen die wesentlichen Betriebsstrukturen des Unternehmens erhalten werden. Dieses Tatbestandsmerkmal wird in Satz 3 Nr. 1–3 abschließend definiert.5 Alternativ muss die Körperschaft eine geschlossene Betriebsvereinbarung mit einer Arbeitsplatzregelung befolgen, die Lohnsumme darf innerhalb der nächsten fünf Jahre durchschnittlich nicht 80 % der Ausgangslohnsumme unterschreiten oder der Körperschaft muss wesentliches Betriebsvermögen zugeführt werden. – Betriebsvereinbarung: Eine Möglichkeit, die wesentlichen Betriebsstrukturen zu erhalten, ist der Abschluss einer Betriebsvereinbarung mit einer Arbeitsplatzregelung. Dies muss vor dem Beteiligungserwerb erfolgen, so dass in dem Fall, in dem sich die Sanierung als härter und mehr Zeit in Anspruch nehmend als ursprünglich gedacht herausstellt und deshalb die vorher geschlossene Betriebsvereinbarung nicht gehalten werden kann, die Verlustvorträge nach Abs. 1 untergehen. – 80 % der Lohnsumme über die nächsten fünf Jahre: Eine weitere in der Sanierungsklausel vorgesehene Möglichkeit zum Nachweis des Erhalts der wesentlichen Betriebsstrukturen besteht darin, dass in den nächs1 BT- Drucks. 16/13429, 76. 2 OFD Rheinland v. 30.3.2010 – S 2745 - 1007 - St 131, GmbHR 2010, 557, Rz. 5. Zu den Anforderungen an den Sanierungsplan vgl. Dörr, NWB 2009, 2050 (2054). 3 Siehe BT- Drucks. 16/13429, 76. 4 So auch Dörr, NWB 2009, 2050 (2053). 5 So auch Dörr, NWB 2009, 2050 (2055).
30
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts
ten fünf Jahren nach dem Beteiligungserwerb die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsumme 400 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet, wobei gem. § 8c Abs. 1a, Satz 3 Nr. 3 Satz 2 KStG die Regeln des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes sinngemäß gelten sollen. Diese Variante stellt Investoren vor ein großes Problem. Grundsätzlich und richtigerweise ist die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG erfolgsunabhängig ausgestaltet.1 Diese Erfolgsunabhängigkeit wird jedoch durch Satz 3 Nr. 2 in Frage gestellt. Denn im Sanierungsfall wird sich häufig ein Personalabbau um mehr als 20 % nicht vermeiden lassen und insbesondere wird sich dies durch einen potentiellen Erwerber nicht vor der Investition mit Sicherheit ausschließen lassen.2 Insofern ist die Situation eines notleidenden Unternehmens eben meist eine andere als die von ererbten Unternehmen. Überdies führt die Erstreckung der Vorschrift über fünf Jahre dazu, dass der Erwerber erst fünf Jahre nach Erwerb Rechtssicherheit darüber erlangen kann, ob er die Verlustvorträge des Unternehmens geltend machen kann oder nicht. – Zuführung wesentlichen Betriebsvermögens: Die dritte Variante der Erhaltung wesentlicher Betriebsstrukturen ist die Zuführung von wenigsten 25 % des Werts des in der Steuerbilanz zum Schluss des vorangehenden Wirtschaftsjahrs enthaltenen Aktivvermögens der Körperschaft.3 Wird nur ein Anteil an der Körperschaft erworben, so senkt sich die Höhe des zuzuführenden Aktivvermögens entsprechend. Die Zuführung muss im Wege der Einlage gem. § 4 Abs. 1 Satz 7 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG erfolgen, womit gewisse Formen der Zuführung von Betriebsvermögen, etwa die Verschmelzung einer anderen Gesellschaft auf die Verlustgesellschaft, ausgeschlossen sind. Der Erlass von Verbindlichkeiten wird nur insoweit berücksichtigt, als die betreffenden Forderungen werthaltig sind. d) Untergang des Verlustvortrags bei nicht sanierungsbedürftigen Tochtergesellschaften? In der Literatur wird diskutiert, ob nach dem Beteiligungskauf an einer Muttergesellschaft, die 100 % an ihrer nicht sanierungsbedürftigen Tochter hält, auch die Verlustvorträge der Tochtergesellschaft erhalten bleiben.4 Im Gesetzgebungsverfahren wurden teilweise Äußerungen gemacht, die auf eine Verneinung dieser Frage hindeuten.5 Allerdings lässt sich die betreffende Passage auch so interpretieren, dass die Verlustvorträge der Tochtergesellschaft dann verloren gehen, wenn deren Betrieb eingestellt 1 Siehe BR-Drucks. 168/1/09, 34; Altrichter-Herzberg, GmbHR 2009, 466 (468). 2 Kritisch auch Altrichter-Herzberg, GmbHR 2009, 466 (468). 3 Dabei sollte i.S.d. Praxistauglichkeit der Vorschrift der Buchwert zugrunde gelegt werden, Altrichter-Herzberg, GmbHR 2009, 466 (469). 4 Siehe dazu Altrichter-Herzberg, GmbHR 2009, 466 (469); Mückl, GWR 2009, 284249. 5 BT-Drucks. 16/13429, 77.
31
2.68
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
wird. Möglich erscheint damit auch eine einheitliche Betrachtung. Erfolgt der Kauf der Muttergesellschaft zum Zwecke der Sanierung und werden die wesentlichen Betriebsstrukturen erhalten, so müssen auch die Verlustvorträge der Tochter, deren wesentliche Betriebsstrukturen fortgeführt werden, erhalten bleiben. Dieses Ergebnis würde dem Telos der Vorschrift, die Sanierung von Gesellschaften zu erleichtern, besser gerecht. e) Verhältnis zwischen § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG a.F. und § 8c Abs. 1a KStG n.F.
2.69
Problematisch ist bei der neuen Sanierungsklausel ihr Verhältnis zur Sanierungsklausel, die in § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG a.F. enthalten war. Nach der alten Mantelkaufregelung des § 8 Abs. 4 KStG a.F. wurde die Nutzung von Verlustvorträgen versagt, wenn die wirtschaftliche Identität der Körperschaft nicht mehr gegeben war, was insbesondere vorlag, wenn kumulativ mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen wurden und die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführte oder wieder aufnahm. Die letztgenannte Zuführung neuen Betriebsvermögens war aber dann unschädlich, wenn sie „allein der Sanierung des Geschäftsbetriebes dient, der den verbleibenden Verlustvortrag i.S.d. § 10d Abs. 4 Satz 2 des Einkommenssteuergesetzes verursacht hat und die Körperschaft den Geschäftsbetrieb in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbarem Umfang in den folgenden fünf Jahren fortführt“. Im Ergebnis wird diese Sanierungsregelung nach unserer Einschätzung auch nur in wenigen Fällen (ähnlich die Regelung des § 8c Abs. 1a KStG) zur Anwendung kommen. Wichtig ist allerdings, dass diese Regelung nicht von einer möglichen EU-Rechtswidrigkeit bedroht ist, zu der Diskussion um die mögliche Europarechtswidrigkeit des § 8c Abs. 1a KStG vgl. Rz. 2.71 ff.
2.70
Problematisch ist nun, dass es in den oben geschilderten Fällen, in denen § 8c KStG und § 8 Abs. 4 KStG a.F. nebeneinander anwendbar sind, möglich erscheint, dass die nach der Sanierungsklausel des § 8a Abs. 1a Nr. 3 KStG erforderliche Zuführung von Betriebsvermögen den Tatbestand für den Untergang des Verlustvortrags nach § 8 Abs. 4 KStG a.F. auslöst.1 Die Gesellschaft wäre dann darauf angewiesen, zusätzlich die Sanierungsklausel des § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG a.F. zu erfüllen, d.h. den Geschäftsbetrieb in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang fortzuführen. Das führt zum einen dazu, dass das Unternehmen die Voraussetzungen von zwei Sanierungsklauseln zu erfüllen hat. Zum anderen kommt es bei der Variante des § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG wiederum auf den wirtschaftlichen Erfolg an. Diese Situation lässt sich unter Umständen durch eine berichtigende Auslegung des Gesetzes vermeiden. So ließe sich argumentieren, dass analog des „lex poste1 Kritisch auch Burwitz, NZG 2009, 617.
32
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts
rior“-Gedankens ein Untergang des Verlustvortrags nach § 8c Abs. 1 KStG und nach § 8 Abs. 4 KStG a.F. ausgeschlossen ist, wenn nur die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG erfüllt ist. 3. § 8c Abs. 1a KStG – eine verbotene Beihilfe? a) § 8c Abs. 1a KStG als Beihilfe § 8c Abs. 1a KStG wird gegenwärtig nicht angewandt. Grund dafür ist, dass die EU Kommission die Verlustvortragsverschonung bei Sanierungsfällen mit Entscheidung vom 26.1.2011 als eine unzulässige Beihilfe für leistungsschwache, d.h. zu sanierende Unternehmen qualifiziert hat.1 Die Bundesregierung hat am 7.4.2011 gegen die Entscheidung der EU-Kommission Nichtigkeitsklage vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) erhoben.2 Die EuG Entscheidung steht gegenwärtig noch aus. Selbst im Falle des Erfolgs der Klage wäre die Sanierungsklausel aber zunächst nur für die VZ 2008 bis 2010 anzuwenden, da vorgesehen ist, die Norm mit Wirkung ab dem VZ 2011 aufzuheben bzw. zu suspendieren, s. Rz. 2.62.3 Inwieweit bei der beabsichtigten Neustrukturierung der Regelungen zur Verlustberücksichtigung ggf. wiederum eine diesbezügliche Sanierungsklausel aufgenommen wird, bleibt abzuwarten.
2.71
In der Sache erscheint der beihilfenrechtliche Vorwurf der EU-Kommission gegen § 8c Abs. 1a KStG nicht gerechtfertigt. Die Prüfung, ob eine beihilferechtlich unzulässige Maßnahme vorliegt, erfolgt in drei Schritten:4 Zunächst ist zu bestimmen, wie das geltende Steuersystem den betreffenden steuerlichen Bereich im Allgemeinen bzw. im „Normalfall“ regelt („Referenzsystem“). In einem zweiten Schritt ist festzustellen, ob ein etwaiger Vorteil, der durch die in Rede stehende Maßnahme gewährt wird, selektiven Charakter hat, wobei ggf. nachzuweisen ist, dass die Maßnahme insofern eine Ausnahme vom Referenzsystem darstellt, als sie zwischen Wirtschaftsteilnehmern differenziert, die sich im Hinblick auf das mit der Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsäch-
2.72
1 Beschluss der Kommission v. 25.1.2011, 32011D0527, ABl. L 235 v. 10.9.2011, S. 26 ff.; vgl. auch die Pressemitteilung IP/11/65 v. 26.1.2011. Dazu Ehrmann, DStR 2011, 5 ff.; Drüen, DStR 2011, 289 ff.; Eilers/Bühring, Financial Times Deutschland v. 8.2.2011, S. 24; kritisch hierzu Hackemann/Momen, BB 2011, 2135; zur Vorgeschichte der EU Entscheidung vgl. Mitteilung der EU Kommission v. 24.2.2010, mitgeteilt in BStBl. I 2010, 482. 2 Rs. T 205/11, ABl. C 186 v. 25.6.2011, 28, s. auch Antwort der Bundesregierung, BT-Drucks. 17/5752, 8; Mitteilung Nr. 4/2011 des BMF v. 9.3.2011, abrufbar im Internet unter http://www.bundesfinanzministerium.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2011/03/20110309__PM4.html. Zudem hat auch die Heitkamp BauHolding am 6.6.2006 Klage gegen die Entscheidung der Kommission erhoben, Rs. T-287/11, ABl. C 238 v. 13.8.2011, 21–22. 3 Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 6.5.2011, BR-Drucks. 253/11, BeitrRLUmsG. 4 Vgl. zum Ganzen Drüen, DStR 2011, 289 (290); Drüen, Ubg 2010, 543 (547); jeweils unter Bezug auf die Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmenssteuerung v. 10.12.1998, ABl. EG C 384/3.
33
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
lichen und rechtlichen Situation befinden. In einem dritten Schritt ist zu prüfen, ob die Differenzierung durch die Natur oder den inneren Aufbau des Systems, in dessen Rahmen sie erfolgt, bedingt ist und daher gerechtfertigt sein könnte.
2.73
Die EU Kommission betrachtet den Verfall von Verlustvorträgen beim Anteilseignerwechsel als den – in Deutschland üblichen – Normalfall (Referenzsystem) und beruft sich dahingehend vor allem auf den Vortrag der Bundesregierung bei dem Vorverfahren MoRaKG.1 In diesem Verfahren hatte die Bundesregierung den Verlustvortragsverfall beim Anteilseignerwechsel als einen Normalfall qualifiziert und die Verlustvortragsverschonung im MoRaKG als eine Begünstigung qualifiziert. Genau diese Argumentation kommt jetzt – gleich einem Bumerang – politisch bei der weiter reichenden Sanierungsklausel auf die Bundesregierung zurück. Allerdings ist die Frage des Referenzsystems u.E. anders zu beantworten. Das grundlegende Referenzsystem ist das – auch periodenübergreifende – Prinzip der Verlustberücksichtigung bei dem jeweiligen Steuersubjekt. Grundsätzlich wird dieses Prinzip auch nicht durch Übertragungen von Anteilen am Steuersubjekt berührt. Hiervon normiert § 8c KStG nun eine Ausnahme, wodurch die Sanierungsklausel als Rückausnahme gerade als Rückkehr zum Normalfall zu qualifizieren ist.2
2.74
Zudem überzeugt die beihilfenrechtliche Qualifikation des § 8c Abs. 1a KStG auch in der Sache nicht. Auch bei einer beihilferechtlichen Betrachtung sollte der steuerrechtliche Gesichtspunkt gelten, dass Unternehmen in Sanierungssituationen eine geringere Leistungsfähigkeit aufweisen. Diese geringere Leistungsfähigkeit von Unternehmen in Sanierungssituationen kann eine steuerrechtliche „Verschonung“ rechtfertigen. Dabei geht es bei der Frage des Erhalts der Verlustvorträge nicht um die aktuelle Besteuerung, sondern um Einschränkungen der Leistungsfähigkeit, die aufgrund der vergangenen Erfolglosigkeit des Unternehmens eingetreten sind. In solchen Fällen würde der Verlust der Verlustvorträge bei dem Neueintritt eines Investors gerade die schon eingetretene Leistungsschwächung weiter „verstärken“. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Norm u.E. seit den Änderungen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes die Stoßrichtung hat, einen missbräuchlichen Verlusttransfer steuerrechtlich nicht zu privilegieren.3 Es geht also nicht um eine Begünstigung 1 Vgl. ausführlich Ehrmann, DStR 2011, 5 (7); Hackemann/Momen, BB 2011, 2135 (2138). 2 Drüen, DStR 2011, 289 (292); a.A. de Weerth, DB 2010, 1205 (1206), der die Auffassung der Kommission unterstützt. 3 Für die Fassung der Jahre 2008/2009 nahm die h.M. an, dass § 8c KStG nicht als Missbrauchsregelung zu qualifizieren war, vgl. Dötsch in D/J/P/W, § 8c, KStG Rz. 10, Gosch, BFH/PR 2009, 148; van Lishaut, FR 2008, 78; a.A. Suchanek in HHR, § 8c KStG, Anm. 3. Für eine diesbezügliche Änderung des Normzwecks hin zur Missbrauchsvermeidung nach Inkrafttreten des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes etwa Eisgruber/Schaden, Ubg 2010, 73 (73); Frotscher in Frotscher/Maas, § 8c, Rz. 7 f.; Dorenkamp, IFSt-Schrift Nr. 461 (2011), 75; Schmitz, DStZ 2011, 327; a.A. Dötsch in D/J/P/W, § 8c KStG, Rz. 10.
34
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts
leistungsschwacher Unternehmen sondern um eine Ausnahme von einer Missbrauchsklausel, d.h. um die Wiederherstellung des steuerrechtlichen Normalfalles, nämlich dass Verlustvorträge dem Unternehmen, das sie erlitten hat, erhalten bleiben.1 Der Neueintritt eines Investors in einer Krisensituation und damit die Herstellung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Krisenunternehmens ist eben ein Normalfall: der Gesellschafterwechsel mit wirtschaftlicher Substanz, hier mit Sanierungsabsicht. Die Unternehmensrettung soll durch neue – risikobereitere – Investoren ermöglicht werden, dabei sollten steuerliche Nachteile diesen Investorenzutritt nicht behindern. Diese „normale“ Sanierungssituation wird in § 8c Abs. 1a KStG als Ausnahme zu der Missbrauchssituation des Anteilseignerwechsels ohne wirtschaftliche Substanz von der Vernichtung von Verlustvorträgen freigestellt. Deshalb ist in der Regelung des § 8c Abs. 1a KStG keine unzulässige Beihilfe zu sehen, sondern die Regelung eines wirtschaftlichen Normalfalles. b) Mögliche Folgen einer endgültigen negativen Entscheidung über die beihilferechtliche Zulässigkeit Sollte die oben angesprochene Nichtigkeitsklage der Bundesregierung endgültig erfolglos bleiben, sind die Rechtsfolgen für die möglicherweise betroffenen Unternehmen dramatisch, weil das EU-Recht die Rückzahlung der rechtswidriger Weise gewährten Beihilfen vorsieht. Diese Rückforderungsvorschriften lassen sich nicht 1:1 in die steuerliche Behandlung von Sanierungsfällen übersetzen,2 aber im Ergebnis würden Verlustvorträge in Sanierungstransaktionen seit 2008 nicht mehr vom Schutz der Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG profitieren können. Dies mögen in der Praxis nicht viele Fälle sein; nach unserer Erfahrung ist § 8c Abs. 1a KStG eben wegen seiner restriktiven Voraussetzungen (Rz. 2.65 ff.). kaum zur Anwendung gekommen. Dieser Befund ergibt sich auch aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, die die Gesamtzahl der Fälle der Sanierungsklausel bis zu deren Aussetzung mit 40 beziffert und einen Gesamtbetrag an zurückzufordernder Beihilfe von 1,78 Millionen Euro ausweist.3
2.75
Wichtiger erscheint uns, dass das Gezerre um diese wirtschaftlich relativ unbedeutende Sanierungsregelung Investoren in Sanierungssituationen verunsichert. Schon wird gefragt, ob der „beihilferechtliche“ Angriff auf die Sanierungsregelung in § 8c Abs. 1a KStG nicht auch Fragen im Hinblick auf den Sanierungserlass eröffnet, wenngleich uns ein solcher möglicher beihilferechtlicher Angriff nicht begründbar erscheint. Auch andere Regelungen in anderen europäischen Ländern für Krisensituationen erscheinen nicht mehr als selbstverständlich sichere Lösungen. So existie-
2.76
1 So im Ergebnis auch Hackemann/Momen, BB 2011, 2135 (2138). 2 Vgl. dazu Lang, SteuK 2011, 135; BMF v. 4.3.2011 – IV C 2 - S 2745-a/08/ 10005:002, BStBl. I 2010, 482; Linn, IStR 2011, 481 ff. 3 Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drucks. 17/5752, 4.
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Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
ren etwa auch in Finnland, Österreich und Slowenien Regelungen, bei denen die entsprechende Mantelkaufregelung in Sanierungssituationen keine Anwendung findet.1 Auch deshalb sollte das EuG (und ggf. später der EuGH) in dem deutschen Verfahren die genannten Systemargumente berücksichtigen und sich von dem „falschen“ Referenzsystem aus den deutschen Vorverfahren lösen.
2.77
Scheitert die Bundesregierung dagegen mit ihrer Klage, so bestünden bei Sanierungsfällen erhebliche Rückabwicklungsschwierigkeiten. Ggfs. müssten verbindliche Auskünfte in diesem Rahmen wirtschaftlich mit der Finanzverwaltung nachverhandelt werden; es wäre auch zu prüfen, ob die weitere Neuregelung nämlich die Verschonungsregelung für inländische stille Reserven (soweit bei einem Krisenunternehmen vorhanden) gem. § 8c Abs. 1 Satz 6–8 KStG zur Verfügung stünde.2 Auch hier sei darauf hingewiesen, dass diese Verschonungsregelung auch mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten jedenfalls immer in Organschafts- und Konzernstrukturen verbunden ist.3
IV. Allgemeine steuerrechtliche Vorschriften mit Relevanz in Sanierungsfällen 1. Mindestbesteuerung (§ 10d EStG/§ 10a GewStG)
2.78
Neben Regelungen, die unmittelbar einen Bezug zu Sanierungssituationen haben, existieren Normen, die nicht auf solche Situationen beschränkt sind, aber gerade auch in diesen eine besondere Bedeutung entfalten.
2.79
Die Regelungen über die Mindestbesteuerung (§ 10d EStG, § 10a GewStG) haben sich zu einem der einschneidensten steuerlichen Hindernisse für erfolgreiche Sanierungsfälle entwickelt. Bei der Schaffung dieser Regelung hatte der Gesetzgeber Sanierungsfälle nicht im Blick.4 Seit dem VZ 2004 sind Verlustvorträge nur noch bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Million unbeschränkt, darüber hinaus nur bis zu 60 % des 1 Million übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte abziehbar. In der Praxis5 führt die Mindestbesteuerung dazu, dass Unternehmen Verluste, die sie in einer Krisensituation erleiden, in dem VZ, in dem sie zu einer wenn auch geringen Ertragsfähigkeit zurückkehren, nicht voll ausnutzen können. Der Liquiditätszugriff des Fiskus erfolgt im Regelfall zu früh; oft ist die Leistungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens noch nicht wie1 2 3 4
Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drucks. 17/5752, 2. Gröger, BB 2010, 2926; Rödder, Ubg 2010, 551 ff. Eilers/Schwahn, DB 2011, 852 ff. Vgl. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9, Rz. 66 ff. m.w.N. Zur Bedeutung von § 10d EStG in der Insolvenz des Unternehmens vgl. Jan Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rz. 4.198. 5 Vgl. ausführlich Dorenkamp, IFSt-Schrift Nr. 461 (2010); Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9, Rz. 66 ff.
36
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts
der hergestellt. Die gesetzgeberische Intention, bei der Einführung der Mindestbesteuerung eine Streckung der Verlustnutzung zu erreichen,1 wird in Krisensituationen nicht erreicht. Die Regeln der Mindestbesteuerung sind für viele Unternehmen ein erhebliches Hindernis bei der Überwindung der Krise, insbesondere in der ersten Erholungsphase nach Durchlaufen der Krise.2 Dies hat die steuerpolitische Diskussion auch erkannt. Die steuerpolitischen Forderungen3 gehen zum Teil dahin, die Mindestbesteuerung vollständig abzuschaffen oder aber jedenfalls für diejenigen Verluste, die aus dem VZ 2008/2009 (aus der Finanz- und Wirtschaftskrise) stammen.4 Eine weitere Möglichkeit wäre, dass eine Einschränkung der Mindestbesteuerung in Sanierungsfällen erfolgt.
2.80
2. § 8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG; § 17 EStG bei Finanzierungsmaßnahmen von Gesellschaftern a) § 8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG Auch die Regelungen des § 8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG und § 17 EStG haben keinen unmittelbaren Sanierungsbezug, stehen aber im Kern der steuerlichen Regelung der Gesellschafterfinanzierung und haben deshalb höchste Relevanz in Sanierungsfällen. Denn die Finanzierungsmaßnahmen des Gesellschafters sind häufig die effektivsten und kurzfristigsten Sanierungsmaßnahmen, die ergriffen werden können. Hinsichtlich der Voraussetzungen und der Auswirkungen des Forderungsverzichts durch die Gesellschafter s. Rz. 3.5 ff.
2.81
Bis zum VZ 2007 (§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG a.F.) durften nur solche Gewinnminderungen nicht steuerlich geltend gemacht werden, die im Zusammenhang mit den in § 8b Abs. 2 KStG genannten Anteilen entstehen. Hierunter fielen ausschließlich substanzbezogene Wertminderungen von Anteilen, die sich aus der ertragsteuerlichen Behandlung des Anteils selbst ergaben.5 Nicht erfasst waren insbesondere Darlehen, auch nicht, soweit diese eigenkapitalersetzenden Charakter hatten.6 Eigenkapital-
2.82
1 Vgl. Eilers/Bühring, Steuer und Wirtschaft 2009, 246 (245 f.). 2 Auch in der Insolvenz eines Unternehmens kann die Mindestbesteuerung zu einer nicht leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung führen, vgl. Gilz/Kuth, DStR 2005, 184f. 3 Vgl. Töben, FR 2010, 249 ff. (257) sowie Dorenkamp, IFSt-Schrift Nr. 461 (2010), 34 f. sowie 69 ff. m.w.N. in Fn. 199. 4 Vgl. Rödder, Ubg 2010, 162 (166) – „Abschaffung der Mindestbesteuerungsregelung jedenfalls für die Verrechnung von Neuverlusten nach Beginn der Finanzund Wirtschaftskrise“; Dorenkamp, IFSt-Schrift Nr. 461 (2010), 69. 5 BFH v. 14.1.2009 – I R 52/08, BStBl. II 2009, 674 = GmbH-StB 2009, 91 = EStB 2009, 122. 6 BFH v. 14.1.2009 – I R 52/08, BStBl. II 2009, 674 = GmbH-StB 2009, 91 = EStB 2009, 122; vgl. auch Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 8b KStG, Rz. 123 m.w.N. s. auch bereits Eilers/Wienands in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, AStG Kommentar § 8b KStG, Rz. 229 ff.
37
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
ersetzende Darlehen, d.h. wirtschaftliche Krisenfinanzierungen des Gesellschafters, wurden bis zum VZ 2006 von der Beteiligung als eigenständig zu trennende Wirtschaftsgüter behandelt. Werden auf solche Darlehen Teilwertabschreibungen vorgenommen oder fällt der Gesellschafter mit seiner eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehensforderung aus, dann realisiert er bis zum VZ 2007 einen steuerlich wirksamen Verlust. Damit wurden risikoreiche Finanzierungen des Gesellschafters steuerlich – jedenfalls dann, wenn sie scheiterten – als Aufwand anerkannt.
2.83
Diese Rechtslage wurde durch das JStG 2008 mit Wirkung ab dem VZ 2008 geändert. Der Steuergesetzgeber anerkennt solche Finanzierungsrisiken im Bereich der Gesellschafterdarlehen nicht mehr.1 Nach der neuen Rechtslage sind Gewinnminderungen aus Gesellschafterfinanzierungen im Körperschaftsteuerrecht nicht mehr abzugsfähig, wenn sie von einem wesentlich beteiligten (zu mehr als 1/4) Gesellschafter gewährt worden sind.2 Die Nichtanerkennung solcher Finanzierungsverluste gilt nur dann nicht, wenn der finanzierende Gesellschafter darlegen und beweisen kann, dass auch ein fremder Dritter diese auch gewährt bzw. das ausgefallene Darlehen in der Krisensituation nicht zurückgefordert hätte. Im Ergebnis wird damit die steuerliche Anerkennung von Finanzierungsrisiken in Krisensituationen erheblich erschwert. Systematisch spricht zwar vieles für die Nichtanerkennung von Beteiligungsaufwand, wenn die Beteiligungsveräußerung durch § 8b Abs. 2 KStG zumindest zu 95 % steuerfrei gestellt ist. Fraglich ist aber, ob diese ratio in einer Krisensituation überhaupt gegeben ist, in der sich zumeist keine Veräußerungschancen, sondern nur Finanzierungsrisiken für den Gesellschafter bieten. b) § 17 EStG
2.84
§ 17 EStG regelt die einkommensteuerliche Behandlung der Veräußerung von Beteiligungen. Hier ist die sanierungsrelevante Fragestellung, ob sich die Anschaffungskosten von Beteiligungen durch fehlgeschlagene Finanzierungsmaßnahmen des Gesellschafters (Personengesellschaft und natürliche Personen) erhöhen. Auch hier hat sich die Rechtslage in den gesellschaftsrechtlichen Grundlagen, nämlich durch die Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG tiefgreifend geändert. Nach bisheriger Rechtsprechung konnte der an einer Gesellschaft i.S.d. § 17 EStG beteiligte Gesellschafter einen steuerlich relevanten Verlust erleiden, wenn er mit einem Eigenkapital ersetzenden Darlehen oder einer 1 Vgl. zu früheren Tendenzen, Finanzierungsrisiken nicht mehr steuerlich anzuerkennen Eilers, FR 2004, 337 ff. 2 § 8b Abs. 3, 4–6 KStG hat folgenden Wortlaut: „Zu den Gewinnminderungen i.S.d. Satzes 3 gehören auch Gewinnminderungen im Zusammenhang mit einer Darlehensforderung oder aus der Inanspruchnahme von Sicherheiten, die für ein Darlehen hingegeben wurden, wenn das Darlehen oder die Sicherheit von einem Gesellschafter gewährt wird, der zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital der Körperschaft, der das Darlehen gewährt wurde, beteiligt ist oder war.“
38
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts
ähnlichen Finanzierungsmaßnahme ausfiel. Solche nachträglichen Anschaffungskosten hatte die Finanzverwaltung anerkannt.1 Dabei hatte sie im Wesentlichen an das Vorliegen eines eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens angeknüpft. Durch das MoMiG wurde das Rechtsinstitut des eigenkapitalersetzenden Darlehens abgeschafft. Die Neuregelungen des MoMiG führten dazu, dass eine gesetzliche Nachrangigkeit aller Rückzahlungsansprüche aus Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz eingeführt wurde.2 Nach herrschender Auffassung hat diese zivilrechtliche Änderung die steuerrechtliche Abzugsfähigkeit von Darlehensverlusten aus Krisenfinanzierungen nicht geändert.3 Umstritten ist lediglich die Abgrenzung im Einzelnen, d.h. wie die gesellschaftsrechtliche Veranlassung (als Voraussetzung des Vorliegens nachträglicher Anschaffungskosten) zu bestimmen ist, nachdem die Krise kein gesellschaftsrechtlicher Anknüpfungspunkt mehr ist. Dies hat entscheidenden Einfluss auf die wesentliche Frage, in welcher Höhe der Darlehensverlust zu berücksichtigen ist, wenn der Gesellschafter mit seinem Darlehen letztlich ausfällt. Denn bei der Wertbestimmung soll vom gemeinen Wert des Darlehens im Zeitpunkt der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung auszugehen sein. Ist dieser in diesem Zeitpunkt aber bereits auf Null gesunken, so kommt eine Berücksichtigung des Darlehensausfalls nicht in Betracht. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind die bisherigen Grundsätze zu eigenkapitalersetzenden Darlehen weiterhin anzuwenden, so dass sich der zu berücksichtigende Wert des Darlehens danach richtet, ob diese in einer „Krise“ gewährt oder stehen gelassen wurde.4 Der Zeitraum der Krise wurde im Hinblick auf den insolvenzrechtlichen Nachrang allerdings modifiziert, so dass diese jedenfalls mit Beginn des insolvenzrechtlichen Anfechtungszeitraums vorliegen soll.
2.85
Im Hinblick auf die hier von uns vertretene frühzeitige Anwendbarkeit der steuerrechtlichen Sanierungsvorschriften in der Unternehmenskrise (Rz. 2.42) ist auch hier ein frühzeitiger Krisenbegriff anzuwenden. Dies ist auch zu berücksichtigen, wenn es um die Frage geht, ab welchem Zeitpunkt ein eigenkapitalersetzendes Darlehen gesellschaftsrechtlich veranlasst ist.
2.86
1 BMF v. 8.6.1999 – IV C 2 - S 2244 - 12/99, BStBl. I 1999, 545 = FR 1999, 827 = IStR 1999, 1151. 2 §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 44a, 135, 143 Abs. 3 InsO. Vgl. Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1657); Bork, ZGR 2007, 250 ff.; Altmeppen, NJW 2008, 3601 ff.; Hirte in Uhlenbruck, InsO, § 39, Rz. 32 ff. 3 BMF v. 21.10. 2010 – IV C 6 - S 2244/08/10001 – DOK 2010/0810418, BStBl. I 2010, 832 = FR 2010, 1058 = DStR 2010, 291; Eilers/Schmidt in HHR, § 17 EStG, Anm. 201b. 4 Siehe im Einzelnen BMF v. 21.10.2010 – IV C 6 - S 2244/08/10001 – DOK 2010/0810418, BStBl. I 2010, 832 = FR 2010, 1058 = DStR 2010, 291; zu den verschiedenen „Arten“ der Darlehen und ihrer Behandlung s. auch Eilers/Schmidt in HHR, § 17 EStG, Anm. 201; Gosch in Kirchhof, § 17 EStG, Rz. 97a.
39
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
3. Die Zinsschranke bei Sanierungssituationen a) Grundregel
2.87
Die Einführung der Zinsschranke durch die Unternehmenssteuerreform von 2008 hat die steuerliche Abzugsfähigkeit von Finanzierungsaufwendungen massiv eingeschränkt. Schon im Gesetzgebungsverfahren 2007 wurde erkannt, dass diese Regelung in Krisensituationen zu erheblichen Schwierigkeiten führt. Die Implementierung der Zinsschranke erfolgte noch in Zeiten einer stabilen fortgesetzten Hochkonjunkturphase in Europa. Warnende Stimmen hatten allerdings damals schon hervorgehoben, dass es sich bei der Zinsschranke um einen Akt des Steuergesetzgebers handelt, der systematisch finanzstarke Unternehmen bevorzugt und der in Krisenzeiten Unternehmen und Steuerpflichtige vor unüberwindbare Schwierigkeiten stellen würde. Gerade in Krisenzeiten1 sind Unternehmen auf eine sichere Versorgung mit liquiden Mitteln angewiesen: Führt die erhöhte Mittelaufnahme in Krisenzeiten zu Steuerzahllasten, denen keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gegenübersteht, wird die Zinsschranke zu einem Sanierungshindernis. Diese Wirkung der Zinsschranke ist in der Finanzkrise besonders deutlich hervorgetreten und hat den Gesetzgeber zu einigen Modifikationen der gesetzlichen Regelung veranlasst. Durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz2 wurden die Freigrenze des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit a) EStG3 sowie der Toleranzrahmen beim Eigenkapitalvergleich nach § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c) EStG erhöht. Zudem wurde ein EBITDA-Vortrag eingeführt.4 Trotz dieser Änderungen führt die Zinsschranke in bestimmten Situationen nach wie vor zu Ergebnissen, die mit einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht vereinbar sind.5
2.88
Nach der Grundregel des § 4h Abs. 1 EStG sind Nettozinsaufwendungen eines Wirtschaftsjahres, d.h. der Überschuss der Zinsaufwendungen über die Zinserträge, nur bis zu 30 % des maßgeblichen Gewinns vor Zinsaufwendungen und Zinserträgen und regulären Abschreibungen (steuerliches EBITDA) abziehbar.6 Nicht abziehbare Zinsaufwendungen sind vorzutragen und erhöhen die Zinsaufwendungen (nicht jedoch den maßgeblichen Gewinn) der entsprechenden künftigen Wirtschaftsjahre, § 4h Abs. 1 Sätze 2, 3 EStG. Greift die Zinsschranke, so führt sie zu einer Doppelbelastung, da auf der einen Seite die empfangenen Zinserträge im Regelfall zu 1 Vgl. Eilers, FR, 2007, 733 (735); Eilers, FS Schaumburg, 275 (276). 2 BGBl. I 2009, 3950. 3 Die Freigrenze war zeitlich befristet bereits durch das BürgEntlG (BGBl. I 2009, 1959) auf drei Mio. Euro erhöht worden. Durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz wurde diese Erhöhung dauerhaft festgeschrieben. 4 Zu den Einzelheiten der Zinsschranke sogleich. 5 Vgl. etwa das Fallbeispiel unter e). 6 Die Anwendungsschwierigkeiten der Zinsschranke beginnen bereits bei der Auslegung der Begriffe der Zinserträge und -aufwendungen. Zu den Begriffen vgl. Heuermann in Blümich, EStG, § 4h, Rz. 36 ff.; Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, ESt, § 4h, Rz. 50 ff.
40
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts
versteuern sind, während auf der anderen Seite der Zinsaufwand (jedenfalls teilweise) vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen ist. b) Ausnahmen aa) Freigrenze § 4h Abs. 2 EStG sieht drei Ausnahmen von der Zinsschranke vor. Die in § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b) und c) EStG genannten Ausnahmen finden bei Kapitalgesellschaften nur Anwendung, wenn die zusätzlichen Voraussetzungen des § 8a Abs. 2, 3 KStG erfüllt sind, mithin keine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung vorliegt.
2.89
Zur Schonung kleinerer und mittlerer Betriebe nimmt § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. a) EStG Nettozinsaufwendungen von bis zu drei Mio. Euro von der Zinsschranke aus. Die ursprüngliche Freigrenze von einer Mio. Euro wurde in Reaktion auf die Finanzmarktkrise durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz auf nunmehr drei Mio. Euro erhöht.1 Bei – auch nur geringfügigem – Überschreiten der Grenze unterliegen die Zinsaufwendungen allerdings in vollem Umfang der Zinsabzugbeschränkung (kein Freibetrag, sondern Freigrenze).2 Die Freigrenze gilt aufgrund der Verweisung in § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG auch für Körperschaften. Bei einem unterstellten Zinssatz von 5 % bleiben Fremdfinanzierungen bis zu 60 Mio. Euro voll steuerwirksam.
2.90
bb) Konzernklausel Bei nicht oder nur anteilig konzernzugehörigen Betrieben greift die Zinsschranke gem. § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b) EStG nicht ein. Abweichend vom Zivilrecht gilt für die Anwendung der Konzernklausel ein sog. erweiterter Konzernbegriff. Als konzernangehörig gelten danach nicht nur Betriebe, die entsprechend dem anzuwendenden Rechnungslegungsstandard tatsächlich konsolidiert werden, sondern auch solche Betriebe, die konsolidiert werden könnten. Es sind auch solche Betriebe konzernangehörig, deren Geschäfts- und Finanzpolitik durch einen anderen Betrieb einheitlich bestimmt werden kann. Die Zinsschranke greift folglich im größtmöglichen Konsolidierungskreis ein. Gemäß § 4h Abs. 2 Satz 8 ff. EStG richtet sich die Konsolidierungsobliegenheit grundsätzlich nach IFRS. Subsidiär ist das deutsche Bilanzrecht, das eines EU-Staates oder wiederum subsidiär die US-GAAP maßgeblich.
1 Die Freigrenze war zunächst durch das BürgEntlG (BGBl. I 2009, 1959) rückwirkend zeitlich befristet auf drei Mio. Euro erhöht worden. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz (BGBl. I 2009, 3950) hat diese Erhöhung dauerhaft festgeschrieben. 2 Hoffmann/Rüsch, DStR 2007, 2079; Reiche/Kroschewski, DStR 2007, 1330 (1331).
41
2.91
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
cc) Escape-Klausel
2.92
Im Rahmen der Escape-Klausel kommt es gem. § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. c) EStG nicht zur Zinsabzugsbeschränkung, wenn die Eigenkapitalquote des inländischen Steuerpflichtigen nicht bzw. nur um zwei1 Prozentpunkte schlechter ist als die Eigenkapitalquote des Konzerns. Die Eigenkapitalquoten des Betriebs und des Konzerns sind dabei aus den für den jeweiligen Betrieb und den Konzern aufzustellenden Jahresabschlüssen in dem anzuwendenden Vergleichrechnungslegungsstandard zu ermitteln. Aufgrund des erweiterten Konzernbegriffs und dem zugrunde zu legenden Betriebsbegriff ist es möglich, dass neben den bilanzrechtlich vorgeschriebenen Jahresabschlüssen zusätzliche, auf die für die Zinsschranke geltenden Begriffe angepasste Jahresabschlüsse erstellt werden müssen.
2.93
Für den Eigenkapitalvergleich ist es erforderlich, auf Ebene der Gesellschaft, die die Konzernspitze bildet, die konsolidierte Eigenkapitalquote als Vergleichsgrundlage zu ermitteln. Konzernspitze ist gem. § 4h Abs. 3 EStG der Betrieb, auf dessen Ebene eine Konsolidierung nach IFRS stattfindet oder stattfinden könnte.2 dd) Rückausnahme für Kapitalgesellschaften
2.94
Selbst wenn eine Kapitalgesellschaft nicht konzernangehörig ist oder die Bedingungen der Excape-Klausel erfüllt, kommt die Zinsschranke nur unter der weiteren Voraussetzung zur Anwendung, dass keine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung vorliegt. Nach § 8a Abs. 2, 3 KStG ist eine schädliche Fremdfinanzierung dann gegeben, wenn mehr als 10 % des Zinssaldos des Betriebes einem Anteilseigner zufließen, der zu mehr als 25 % unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligt ist, einer diesem nahestehenden Person, oder einem Dritten, der auf den Anteilseigner oder die nahestehende Person zurückgreifen kann. Problematisch ist die weite Auslegung des Begriffs des Rückgriffs durch die Finanzverwaltung. Ein konkreter rechtlich durchsetzbarer Anspruch wie eine Garantie oder eine Patronatserklärung ist zur Erfüllung des Rückgriffstatbestandes nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, dass der Anteilseigner oder eine ihm nahestehende Person faktisch für die Erfüllung der Schuld einsteht. Ausdrücklich werden die in der Praxis üblichen Back-toBack-Finanzierungen als Beispiel genannt.3 Eine konzernangehörige Gesellschaft muss darüber hinaus nachweisen, dass außer ihr selbst keine 1 Ursprünglich war bereits eine Abweichung von mehr als einem Prozentpunkt schädlich. Diese Grenze wurde durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz (BGBl. I 2009, 3950) auf zwei Prozentpunkte angehoben. 2 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001 – DOK 2008/0336202, BStBl. I 2008, 718 = FR 2008, 778 = EStB 2008, 316, Tz. 59, Zinsschrankenerlass; Rödding in Lüdicke/Sistermann, Unternehmensteuerrecht, § 13, Rz. 10. 3 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001 – DOK 2008/0336202, BStBl. I 2008, 718 = FR 2008, 778 = EStB 2008, 316, Tz. 83; kritisch zur Auffassung des BMF, die weit über die zivilrechtliche Auslegung des Begriffs des Rückgriffs hinausgeht Kreft/Schmitt-Homann, BB 2008, 2099 ff.
42
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts
andere (auch ausländische) konzernangehörige Gesellschaft eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung aufweist, § 8a Abs. 3 S. 1 KStG.1 c) Zinsvortrag Zinsen, die die Abzugsgrenze von 30 % in einem Veranlagungszeitraum übersteigen, sollen nach der gesetzlichen Konzeption gem. § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG nur vorläufig nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden können. Sie sind wie ein Verlustvortrag unbeschränkt auf die Folgejahre vorzutragen. Sie können in Veranlagungszeiträumen, in denen die 30 %-Grenze nicht ausgenutzt wird, verrechnet werden. Der Zinsvortrag ist gem. § 4h Abs. 4 S. 1 EStG gesondert festzustellen. Veränderungen in der Beteiligungsstruktur eines Betriebes können zum vollständigen oder teilweisen Untergang des Zinsvortrages führen, § 4h Abs. 5 EStG.2 Bei Körperschaften folgt das Schicksal des Zinsvortrages dem des Verlustvortrages, da beide gleichermaßen unter den Voraussetzungen des neu gefassten § 8c KStG untergehen, § 8a Abs. 3 KStG.3 Hinreichend für den vollständigen oder teilweisen Verlust des Zins- bzw. des Verlustvortrages ist allein eine unmittelbare oder mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes um mehr als 50 % bzw. 25 %, ohne dass es noch auf eine Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens wie in § 8 Abs. 4 KStG a.F. ankäme. Damit ist bei Umstrukturierungen neben dem Verlustvortrag immer auch der Zinsvortrag gefährdet.4
2.95
d) EBITDA-Vortrag Ist das verrechenbare EBITDA eines Betriebs in einem Wirtschaftsjahr größer als der nach § 4h Abs. 1 Satz 1 HS 1 EStG ermittelte Zinssaldo, so kann der Steuerpflichtige gem. § 4h Abs. 1 Satz 3 HS 1 EStG den nicht ausgeschöpften Betrag in spätere Wirtschaftsjahre vortragen. Es gilt: Verrechenbares EBITDA + Zinsertrag ./. Zinsaufwendungen = EBITDA-Vor1 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001 – DOK 2008/0336202, BStBl. I 2008, 718 = FR 2008, 778 = EStB 2008, 316, Tz. 80; Rödder, DStR-Beihefter Heft 40, 10; Kreft/Schmitt-Homann, BB 2008, 2099 (2100); Reiche/Kroschewski, DStR 2007, 1330, 1333; Scheunemann/Socher, BB 2007, 1144 (1150). Ein nachvollziehbarer Grund für die Einbeziehung sämtlicher konzernangehöriger Gesellschaften ist nicht ersichtlich, so auch Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 11, Rz. 53. 2 Schaden/Käshammer, BB 2007, 2317 (2320 f.); Eilers/Ottermann in Lüdicke/Sistermann, Unternehmensteuerrecht, § 8, Rz. 75. 3 Zu § 8c KStG n.F. Klemt, DB 2008, 2100; Rolf/Pankoke, BB 2008, 2274; Herbst/ Suchanek, GmbHR 2008, 862; Korn, DStR 2008, 2248 f. Inzwischen ist auch ein Anwendungsschreiben des BMF zum neuen § 8c KStG ergangen, BMF v. 4.7. 2008 – IV C 7 - S 2745-a/08/10001 – DOK 2008/0349554, BStBl. I 2008, 718 = FR 2008, 839; FR 2008, 886. Zum Anwendungsschreiben van Lishaut, FR 2008, 789; Roser, DStR 2008, 1561; Dötsch/Pung, DB 2008, 1703; Altrichter-Herzberg, GmbHR 2008, 857; Fleischer, MittBayNot 2008, 456; Fischer/Wagner, BB 2008, 1872; Hahne/Köhler, DStR 2008, 1505; Hölzer/Nießner, FR 2008, 845. 4 Für eine teleologische Reduktion des § 8c KStG bei Umstrukturierungen innerhalb von Konzernen Schick/Franz, DB 2008, 1987 (1989 f.).
43
2.96
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
trag.1 Der Vortrag ist auf die folgenden fünf Wirtschaftsjahre beschränkt. Er gilt erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2009 enden, wobei vor diesem Zeitpunkt angefallene (fiktive) EBITDA-Vorträge der Jahre 2007 bis 2009 auf Antrag des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden. Die Verwendungsreihenfolge der EBITDA-Vorträge regelt § 4h Abs. 1 Satz 4 EStG. e) Beispielsfall
2.97
Die Zinsschrankenregelung ist unter dem Eindruck der Finanzmarktkrise im Wachstumsbeschleunigungsgesetz2 leicht modifiziert worden, u.a. wurde die Freigrenze auf 3 Mio. Euro erhöht (Rz. 2.90). Trotzdem kann die Zinsschranke in bestimmten Situationen zu Steuerzahllasten führen, obwohl keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besteht. Beispielsfall: – EBITDA: 60 Mio. Euro jeweils – Abschreibungen: 30 Mio. Euro – Zinsertrag: 10 Mio. Euro – (Brutto-)Zinsaufwand: 80 Mio. Euro – (Netto-)Zinsaufwand: 70 Mio. Euro jeweils – Einkommenssteuerlicher Gewinn (vor Zinsschranke): – 40 Mio. Euro (= Verlust) – Abziehbarer Zinsaufwand gemäß Zinsschranke: 18 Mio. Euro (60 Mio. Euro × 30 %) – Einkommenssteuerlicher Gewinn (nach Zinsschranke): 12 Mio. Euro (– 40 Mio. Euro Verlust + nicht abzugsfähiger Zinsaufwand (70 Mio. Euro – 18 Mio. Euro =) 52 Mio. Euro = 12 Mio. Euro)
Damit führt die Zinsschranke in einer krisenähnlichen Situation zu einer Steuerzahllast des betroffenen Unternehmens, obwohl (eigentlich) kein steuerpflichtiger Ertrag vorliegt.
2.98
Damit erweist sich die Zinsschranke tatsächlich als ein krisenbeschleunigendes Instrument. Dies hat sich auch schon in der Praxis so erwiesen. Vielfach kommt es nämlich in Unternehmenskrisen zu einer Erhöhung der Fremdfinanzierungskosten, weil sich das Rating bzw. die Bonitätskriterien des betroffenen Unternehmens verschlechtern und damit nach den häufig variabel vereinbarten Zinskonditionen eine höhere Zinslast das ohnehin dann „geschwächte“ Unternehmen trifft. In solchen Krisensituationen sind die in der Praxis häufig anzutreffenden Reaktionen auf die Zinsschranke wie z.B. die Verlagerung von inländischen Zinslasten auf ausländische Tochtergesellschaften nicht mehr möglich, weil es in Krisen häufig schon an derartigen Gestaltungsspielräumen fehlt – sei es aufgrund 1 Schmidt/Loschelder, EStG, § 4h, Rz. 12; Herzig/Liekenbrock, DB 2010, 690. 2 BGBl. I 2009, 3950.
44
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts
der Restriktionen der Finanzierungsverträge oder sei es aufgrund von gesellschaftsrechtlichen Restriktionen.1 4. Konzernausnahme in § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG Ein schädlicher Beteiligungserwerb mit der Konsequenz der (teilweisen) Vernichtung von Verlustvorträgen liegt gem. § 8 Abs. 1 Satz 5 KStG nicht vor, wenn der Beteiligungserwerb in einer hundertprozentigen Beteiligungskette erfolgt. Diese Konzernklausel ist allerdings denkbar eng gefasst. Erforderlich ist, dass dieselbe Person zu 100 % mittelbar oder unmittelbar an den übertragenden und an dem übernehmenden Rechtsträger beteiligt ist. Kommt es im Rahmen einer Anteilsübertragung dazu, dass ein – noch so geringer – Anteil nicht mehr in der Hand derselben Person verbleibt – greift die Verschonungsklausel für Konzernsituationen nicht (mehr). Damit erweist sich diese durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz eingeführte Klausel als unbrauchbare Erleichterung in Sanierungstransaktionen. Mit dem Einstieg eines neuen Investors findet ganz regelmäßig eine Veränderung der Eigenkapitalstruktur des Krisenunternehmens statt. Ein neuer Investor kann sich nur in Ausnahmefällen auf eine Neustrukturierung der Passivseite der Bilanz verlassen. Er braucht einen (Mindest-)Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen in dem Krisenunternehmen. Ein bloßes Umhängen von Beteiligungen im Konzern führt meist nicht zu einer Verbesserung der unternehmerischen Situation in Krisenzeiten.
2.99
Exkurs: § 6a GrEStG-Konzernausnahme bei der Grunderwerbsteuer: Ein nicht zu unterschätzendes Steuerrisiko besteht bei Umstrukturierungen auch in der möglicherweise anfallenden Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen gem. § 1 Abs. 2a und 3 GrEStG. Dies gilt umso mehr, als dass der Grunderwerbsteuersatz von den meisten Bundesländern auf 4,5 % bzw. 5 % erhöht worden ist oder eine derartige Erhöhung angekündigt wurde. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz2 hat auch für die Grunderwerbsteuer eine Privilegierung für Umstrukturierungen im Konzern eingeführt.3 Auch diese Vorschrift hat – ähnlich wie § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG – keinen speziellen Bezug zu Sanierungs- und Krisensituationen. Sie könnte aber die Bewältigung von unternehmerischen Krisensituationen erleichtern, wenn sie beispielsweise die Übernahme von Krisenunternehmen durch Neuinvestoren ebenfalls privilegieren würde. Dies ist aber nicht der Fall. Voraussetzung für die Verschonung nach § 6a GrEStG ist, dass an der privilegierten Umwandlung ausschließlich das
2.100
1 Ausführlich zu Zinsschrankenrisiken Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken, Diss., Köln 2011, unter Bezugnahme auf Praktikerumfragen zu der Zinsschranke. 2 V. 22.12.2009 BGBl. I 2009, 3950. 3 Vgl. dazu u.a. Schanko, Ubg 2011, 73 ff.; Behrens, Ubg 2010, 845 ff.; gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 6a Grunderwerbsteuergesetz v. 1.12.2010, BStBl. I 2010, 1321, erste Kommentierung von Pahlke in Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, § 6a Rz. 1 ff.
45
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
herrschende Unternehmen oder eine von ihm beherrschte abhängige Gesellschaft oder mehrere von dem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Lediglich eine geringfügige Drittbeteiligung bis zu 5 % ist unschädlich im Hinblick auf die Definition des herrschenden und beherrschten Unternehmens. In klassischen Sanierungs- und Übernahmesituationen kann es, jedenfalls bei einer mehr als 95%igen Übernahme von Anteilen, immer wieder zum Anfall von Grunderwerbsteuer kommen. Die Verwertung von Immobilienvermögen in Krisenund Insolvenztransaktionen löst regelmäßig Grunderwerbsteuer aus. Auch hier fehlt es an einer systematisch gebotenen Befreiungsvorschrift für grundstücksrelevante Transaktionen von Krisenunternehmen. 5. § 8c Abs. 1 Satz 6–8 KStG: Verschonung inländischer stiller Reserven bei Akquisitionen
2.101
Für Sanierungstransaktionen kann die neu eingeführte1 Verschonungsregelung für inländische stille Reserven eine signifikante Bedeutung erlangen. Nach der Verschonungsregelung bleiben nicht genutzte Verluste erhalten, soweit sie zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs auf vorhandene stille Reserven, deren Realisierung im Inland steuerpflichtig ist, entfallen.2 Danach könnte in Sanierungstransaktionen der Eintritt des neuen Investors dann keinen schädlichen Beteiligungserwerb darstellen, wenn ausreichende inländische stille Reserven vorhanden sind. Dies widerspricht nur scheinbar dem Begriff einer Sanierungstransaktion. Es kann durchaus sein, dass Konzernteile oder eine Konzernobergesellschaft in unternehmerische Schwierigkeiten gerät und es nicht mehr möglich ist, vorhandene inländische stille Reserven in nachgelagerten Konzerngesellschaften zu heben oder zu verwerten. Dann besteht aber das Problem, dass sich die „verschonenden“ stillen Reserven nicht in der Verlustgesellschaft wie beispielsweise der Konzernholding befinden. Es muss dann erreicht werden, dass die Wirtschaftsgüter mit verschonenden stillen Reserven steuerneutral auf die Ebene der Gesellschaft mit den nicht genutzten Verlusten und Zinsvorträgen – also die zu erwerbende Obergesellschaft – transferiert werden. Eine Konzernbetrachtung im Hinblick auf die stillen Reserven hat sich bei der Anwendung des § 8c Abs. 1 S. 6–8 KStG bisher nicht durchgesetzt.3 Dies mag in Organschaftsfällen anders sein. Hier wird herrschend die Zurechnung von stillen Reserven auf die Ebene des Organträgers vertreten.4 In Nicht-Organschaftsfällen bedeutet dies, dass das zu sanierende Unternehmen sich vor einem Neueintritt des Investors so strukturieren muss, dass die Wirtschaftsgüter mit 1 Eingeführt durch Wachstumsbeschleunigungsgesetz v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950. 2 Vgl. dazu Sistermann/Brinkmann, DStR 2009, 2633; Bien/Wagner, BB 2009, 2627 ff. 3 Vgl. Eilers/Schwahn, DB 2011, 837 (842). 4 Vgl. Sistermann/Brinkmann, DStR 2009, 2636; Kortes/Bruckherr, DB 2010, 734 (739); Rödder/van Freden, Ubg 2010, 551 (552); Eisgruber/Schaden, Ubg 2010, 73 (84).
46
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts
stillen Reserven auf die Ebene der zu veräußernden Konzernobergesellschaft bewegt werden. Dies bedeutet in der Praxis neben einer erheblichen zeitlichen Verzögerung eine Vielzahl von technischen Schwierigkeiten, die vor allem in der notwendigen Koordination zwischen Käufer und Verkäufer vor Closing der Sanierungstransaktion begründet sind.1 6. Zeitlicher Anwendungsbereich bei laufenden Verlusten Schließlich stellt sich die Frage, inwieweit bei einer Sanierungstransaktion ggf. laufende Verluste aus dem Jahr der Transaktion steuerlich optimal verwertet werden können. Für den unterjährigen Beteiligungserwerb gilt zunächst,2 dass der komplette Verlust bis zum schädlichen Beteiligungserwerb den Verlustvortragsbeschränkungen des § 8c Abs. 1 KStG unterliegt. Die unterjährige Verteilung von erzielten Verlusten, also das Verlustverwertungspotential des neuen Investors, kann der Finanzverwaltung durch eine Aufteilung nachgewiesen werden; ansonsten verbleibt es bei der im Erlass3 vorgesehenen zeitanteiligen Aufteilung. Ein bis zum Beteiligungserwerb erzielter Gewinn kann nach Ansicht der Finanzverwaltung4 nicht mit noch nicht genutzten Verlusten verrechnet werden.5
2.102
Man könnte daran denken, durch die Brechung des Wirtschaftsjahres die Verlustnutzung bei Sanierungstransaktionen zu optimieren. So kann beispielsweise ein Darlehensverzicht des Gesellschafters im laufenden Wirtschaftsjahr ausgesprochen werden, der dann Verlustvorträge der Gesellschaft in Anspruch nimmt. Erst nach erfolgten Darlehensverzicht wird das Wirtschaftsjahr der Gesellschaft gebrochen und der schädliche Beteiligungserwerb findet statt. Dann erfasst die Sanktion des § 8c Abs. 1 KStG lediglich den nach dem Darlehensverzicht verbleibenden Restverlustvortrag. Eine solche Gestaltung ist auch wirtschaftlich gefordert, da der neue Investor, jedenfalls in Sanierungstransaktionen auf der Ablösung der alten Gesellschafterfremdfinanzierung bestehen wird. Ein Missbrauchsvorwurf kann deshalb Erwerbsgestaltungen, die hier mit der Brechung des Wirtschaftsjahres arbeiten, nicht gemacht werden.
2.103
1 Vgl. zu Einzelheiten Eilers/Schwahn, DB 2011, 837 (843). 2 Vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C - S 2745-a/08/10001, BStBl. I 2008, 736 = FR 2008, 839; FR 2008, 886, Tz. 31 ff. 3 BMF v. 4.7.2008 – IV C - S 2745-a/08/10001, BStBl. I 2008, 736 = FR 2008, 839; FR 2008, 886, Tz. 32. 4 BMF v. 4.7.2008 – IV C - S 2745-a/08/10001, BStBl. I 2008, 736 = FR 2008, 839; FR 2008, 886, Tz. 31. 5 Anders FG Münster v. 30.11.2010 – 9 K 1842/10 K, EFG 2011, 909 – Rev. I R 14/11, wonach § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG nicht den Abzug eines zum Schluss des Vorjahres festgestellten verbleibenden Verlustvortrags von einem bis zum Zeitpunkt eines unterjährigen schädlichen Beteiligungserwerbs entstandenen Gewinns erfasst.
47
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
V. Branchenspezifische Sondervorschriften des Sanierungs(steuer)rechts/Insolvenzrechts 1. Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (FMStFG) a) Überblick über die Stabilisierungsmaßnahmen des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes (FMStFG)
2.104
Im Allgemeinen fehlt es an einer gesetzgeberischen Koordinierung zwischen Insolvenz- und Steuerrecht (Rz. 2.11 ff.). Eine Ausnahme dazu stellt das Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz1 aus dem Jahr 2008 dar, das ausdrücklich steuerliche Vorschriften enthält.
2.105
Zur Stabilisierung der von der Krise betroffenen Unternehmen des Finanzsektors2 sind im FMStFG verschiedene Maßnahmen vorgesehen, namentlich Garantieübernahmen, Risikoübernahmen und Rekapitalisierungsmaßnahmen. Dadurch sollen Liquiditätsengpässe überwunden und die Eigenkapitalbasis der Unternehmen gestärkt werden.3 Voraussetzung für die Gewährung aller Stabilisierungsmaßnahmen ist, dass das begünstigte Unternehmen die Gewähr für eine solide und umsichtige Geschäftspolitik bietet. Zudem sieht § 10 Abs. 2 FMStFG vor, dass den Unternehmen verschiedene Auflagen gemacht werden können, insbesondere hinsichtlich der Geschäftspolitik, der Verwendung der aufgenommenen Mittel, der Vergütung der Organe und Angestellten, der Eigenmittelausstattung, der Ausschüttung der Dividenden und der Maßnahmen zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen sowie der Rechenschaftslegung.4 Die Maßnahmen im Einzelnen sind: – Garantieübernahme: Im Rahmen von § 6 FMStFG i.V.m. § 2 Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung (FMStFV) kann der Fonds auf Antrag Garantien für Unternehmen übernehmen. Damit sollen Liquiditätsengpässe behoben und die Refinanzierung von Unternehmen am Kapitalmarkt unterstützt werden. Das Instrument der Garantieübernahme ist flexibel ausgestaltet; auch sonstige Gewährleistungen in jeder geeigneten Form (z.B. Bürgschaften) kommen als Hilfe für die Unternehmen in der Krise in Betracht. Diese Möglichkeiten der Stabilisierung sind gem. § 2 Abs. 2 FMStFV vorrangig zu prüfen. Die anderen Stabilisierungsmaßnahmen, Beteiligungen nach § 7 FMStFG sowie der Erwerb von Risikopositionen, sind damit nachrangig. Nach § 6 Abs. 1 Satz 3 FMStFG ist für die Übernahme von Garantien durch den Fonds ein angemessenes jährliches Entgelt zu entrichten. Zudem darf die Laufzeit der abzusichernden Schuldtitel und Verbindlichkeiten 36 Monate nicht überschreiten.
1 Eingeführt durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) v. 17.10.2008, BGBl. I 2008, 1982. 2 Zum persönlichen Anwendungsbereich s. § 2 Abs. 1 FMStFG. 3 Begr. RegE BT-Drucks. 16/10600, 16. 4 Horn, BKR 2008, 452 (455).
48
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts
– Rekapitalisierung: Daneben kommt gem. § 7 FMStFG i.V.m. § 3 FMStFV eine Beteiligung des Fonds an der Rekapitalisierung von betroffenen Unternehmen in Betracht. Die Beteiligung des Fonds an der Wiederherstellung einer ausreichenden Eigenkapitalausstattung des Unternehmens ist die am weitesten reichende Stabilisierungsmaßnahme und ein entscheidender Bestandteil des Stabilisierungsplans der Regierung. Vorrangiges Ziel ist es, das aufsichtsrechtliche Kernkapital zu erhöhen.1 Die Beteiligung des Fonds am Unternehmen kann in jeder geeigneten Form erfolgen, insbesondere durch den Erwerb von Aktien des Unternehmens, durch eine stille Beteiligung oder durch die Übernahme sonstiger Bestandteile der Eigenmittel.2 Für seine Beteiligung erhält der Fonds eine marktgerechte Vergütung. Die Kapitalbeteiligung des Fonds ist dabei aber nicht als dauerhafte Staatsbeteiligung, sondern als vorübergehende Maßnahme gedacht.3 – Risikoübernahme: Nach § 8 FMStFG i.V.m. § 4 FMStFV ist darüber hinaus die Absicherung von vor dem 13.10.2008 von den Unternehmen erworbenen Risikopositionen durch den Fonds möglich. Voraussetzung für diese Risikoübernahme ist gem. § 4 Abs. 2 Nr. 3 FMStFV grundsätzlich eine angemessenen Eigenmittelausstattung des begünstigten Unternehmens. Mit dieser Regelung soll den Unternehmen vor allem die Möglichkeit gegeben werden, die Risiken, die zu ihrer prekären Lage geführt haben, auszugliedern oder absichern zu lassen. Durch den Fonds können diese belasteten Positionen, anders als von privaten Marktteilnehmern, mit der gebotenen Ruhe verwaltet und später verwertet werden, ohne dass der Fonds selbst einer Bilanzierung und Bewertung unterliegt, die in einer kritischen Marktsituation Panik auslösen würde.4 Das Gesetz bedient sich hier eines allgemeinen, im deutschen (Steuer-)Recht bislang noch nicht verwandten Begriffs der „Risikopositionen“, der beispielhaft, aber nicht abschließend Forderungen, Wertpapiere, derivative Instrumente, Garantien oder Gewährleistungen sowie Beteiligungen umfasst. Auch die dazugehörigen Sicherheiten sollen unter diesen Begriff fallen, § 8 Abs. 1 S. 1 FMStFG. Das Gesetz differenziert hier nicht nach Eigen- oder Fremdkapitalpositionen, sondern allein nach Risikopotential.5 1 Goksch/Gröger/Schuck, DB 2008, 2668. 2 Horn, BKR 2008, 452 (453). 3 Um den Erwerb von Anteilen durch den Fonds zu vereinfachen, wurde parallel zum FMStFG das Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung des Erwerbs von Anteilen an sowie Risikopositionen von Unternehmen des Finanzsektors durch den Finanzmarktstabilisierungsfonds erlassen. Hauptinstrumente der Vereinfachung, insbesondere der Beseitigung aktienrechtlicher Hürden sind (i) die rasche Kapitalerhöhung durch die Schaffung eines gesetzlich genehmigten Kapitals, (ii) alternativ eine reguläre Kapitalerhöhung mit vereinfachter Einberufung der Hauptversammlung, (iii) die vereinfachte Schaffung von Genussrechten und stillen Beteiligungen sowie (iv) die entsprechende Anwendung auf andere Rechtsformen; vgl. Horn, BKR 2008, 452 (454). 4 Spindler, DStR 2008, 2268 (2270). 5 Spindler, DStR 2008, 2268 (2270).
49
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
b) Steuerliche Aspekte bei der Inanspruchnahme von Rettungsmaßnahmen des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes
2.106
Neben den genannten Stabilisierungsmaßnahmen ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 14 FMStFG) Regelungen zur steuerlichen Behandlung des Fonds (§ 14 Abs. 1, 2 FMStFG) sowie zur Nichtanwendung bestimmter steuerlicher Regelungen für diejenigen Unternehmen, die die Hilfe des Fonds in Anspruch nehmen (§ 14 Abs. 3, 4 FMStFG). Das FMStFG kann – jedenfalls im Hinblick auf die Behandlung der Krisenunternehmen – damit auch als Wegweiser für das Steuerrecht im Krisenfall verstanden werden. Die relevanten Regelungen betreffen: – Verlustvorträge: Um die steuerlichen Verlustvorträge der rekapitalisierenden Gesellschaft sowie deren Tochtergesellschaften zu erhalten, schließt § 14 Abs. 3 FMStFG die Anwendung von § 8c KStG und § 10a Satz 10 GewStG beim Erwerb von Anteilen durch den Fonds oder bei Rückübertragung durch den Fonds aus. Die Unternehmen müssen also nicht befürchten, durch die Beteiligung des Fonds ihre Verlustvorträge zu verlieren. – Zinsvorträge: Die Regelung des § 14 Abs. 3 FMStFG nimmt nur auf § 8c KStG sowie auf § 10a letzter Satz GewStG, nicht jedoch auf § 4h Abs. 5 EStG und § 8a Abs. 1 Satz 3 KStG Bezug. Damit könnte ein möglicher Zinsvortrag des Unternehmens im Falle der Beteiligung des Fonds quotal oder vollständig untergehen. Es wäre zu erwägen, die entsprechenden Vorschriften in den Anwendungsbereich des § 14 Abs. 3 FMStFG aufzunehmen. – Grunderwerbsteuer: Die Transaktionen des Fonds sollen darüber hinaus auch von weiteren steuerlichen Wirkungen befreit werden, die als Hemmnis für die Durchführung von Rettungstransaktionen aufgefasst werden können. Deshalb sind gem. § 14 Abs. 4 FMStFG Rechtsakte, die der Fonds zur Wahrnehmung der ihm zugewiesenen Aufgaben als Erwerber übernimmt, von der Grunderwerbsteuer befreit. Diese Regelung bezieht sich allein auf den Erwerb durch den Fonds. Bei der Rückübertragung oder der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen kann daher Grunderwerbsteuer anfallen. Im Ergebnis ist also der Erwerb durch den Fonds geschützt; soll nach Stabilisierung der Wirtschaftslage indes möglicherweise eine Rückübertragung an den sanierten ursprünglichen Eigentümer erfolgen, so ist dies (außerhalb der engen Grenzen von § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG) steuerpflichtig, weshalb eine Rückführung in den ursprünglichen Zustand mit zusätzlichen Kosten für den zukünftigen Erwerber verbunden ist. Diese Regelung ist jedenfalls bedenklich. 2. Restrukturierungsgesetz (RStruktG)
2.107
Das Restrukturierungsgesetz1 enthält weitreichende Vorschriften auf der gesellschaftsrechtlichen Ebene zur Restrukturierung von systemrelevan1 Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlän-
50
B. Überblick über die Vorschriften des Sanierungssteuerrechts
ten Banken. Es etabliert für Kreditinstitute ein zweistufiges Sanierungs(§§ 2 bis 6 KredReorgG) und Reorganisationsverfahren (§§ 7 bis 23 KredReorgG). Jedoch fehlen aber in diesem Gesetz – im Gegensatz zum Finanzmarktstabilisierungsgesetz – jegliche steuerliche Vorschriften, so dass die nach dem Restrukturierungsgesetz vorgesehenen Transaktionen, insbesondere die Maßnahmen zur Sanierung und Reorganisation von Kreditinstituten in die allgemeinen steuerrechtlichen Sanierungsvorschriften „eingepasst“ werden müssen.1 Dies gilt beispielsweise für den Forderungsverzicht mit oder ohne Besserungsabrede (Rz. 3.1 ff.; zur Besserungsabrede Rz. 3.29 ff.); die Umwandlung eines Darlehens in Gesellschaftsanteile (Debt equity swap) (Rz. 3.200 ff.) und auch für Vereinbarungen zum Rangrücktritt bzw. zur Nachrangigkeit von Verbindlichkeiten (Rz. 3.59 ff.). Bei einem Forderungserlass ist davon auszugehen, dass mit Eröffnung des Sanierungsverfahrens i.S.d. §§ 2 ff. KredReorgG die Voraussetzung des Sanierungserlasses ausreichend dokumentiert sind.2 Jedoch sind die Sanierungsvoraussetzungen nach §§ 2 ff. KredReorgG und die Voraussetzungen der steuerrechtlichen Sanierungsvorschriften – leider – nicht deckungsgleich. Diese Schwierigkeit wird im Bereich des Sanierungserlasses durch den von dem KredReorgG geforderten Sanierungsplan überbrückt. Größere Schwierigkeiten ergeben sich aber durch die fehlende Abstimmung zu § 8c Abs. 1a KStG. Auch die im KredReorgG vorgesehenen umwandlungsrechtlichen Maßnahmen, nämlich die Ausgliederung des Vermögens der systemrelevanten Bank auf einen neuen Rechtsträger, kann nur nach den allgemeinen steuerrechtlichen Vorschriften beurteilt werden. So würde eine solche Ausgliederung, wenn sie nicht in umwandlungsrechtlich privilegierter Form erfolgt, grundsätzlich zu einer Aufdeckung der stillen Reserven führen und ggf. auch vorhandene Verlustvorträge „verbrauchen“. Deshalb stellt sich auch hier letztlich die Frage nach einer Sanierungsausnahme, d.h. nach der möglichen steuerrechtlichen Privilegierung von derartigen Ausgliederungen. Derartige Privilegierungen bergen, wie die bisherige Auseinandersetzung um die europarechtliche Zulässigkeit der Sanierungsausnahme in § 8c Abs. 1a KStG gezeigt hat (Rz. 2.71 ff.),3 erheblichen europarechtlichen Sprengstoff.
gerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz), BGBl. I 2010, 1900; dazu Schuster/Westphal, DB 2011, 282 ff.; Müller-Eising/Brandi/Sinhart/Lorenz/Löw, BB 2011, 66 ff.; Stengel, DB 2011, Heft 13 Beilage 4, 11, sowie Feyerabend/Behnes/Helios, Ubg 2010, 795 ff. 1 Dazu insbesondere Feyerabend/Behnes/Helios, Ubg 2010, 795 (796). 2 Feyerabend/Behnes/Helios, Ubg 2010, 795 (796); Schuster/Westphal, DB 2011, 282 ff. 3 Feyerabend/Behnes/Helios, Ubg 2010, 795 (806) sowie Herzig/Liekenbrock, Ubg 2011, 313 (325 ff.).
51
2.108
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
VI. Gesetzesentwurf zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) 2.109
Auch wenn das ESUG eine Vielzahl von Regelungen enthält, die die Sanierung von Unternehmen erleichtern sollen (Überblick s. Rz. 2.28), klammert es die steuerlichen Aspekte der Sanierung (noch) vollständig aus. Es müssen insolvenzrechtliche Krisentransaktionen, wie z.B. die Verwertung der wirtschaftlichen Krisenunternehmens nach den allgemeinen sanierungssteuerrechtlichen Vorschriften beurteilt werden, was zu erheblichen Anwendungsschwierigkeiten führen kann.1 So muss etwa die im Rahmen des ESUG vorgesehene Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital (§ 225a Abs. 2 ESUG-E) steuerlich wie ein „normaler“ Debt Equity Swap behandelt werden (Rz. 3.200 ff.).
2.110
Der Gesetzgeber „verpasst“ insoweit die Möglichkeit, im Rahmen der weitreichenden Änderung des Sanierungsrechts durch das ESUG auch die notwendigen steuerrechtlichen Konsequenzen zu ziehen. Es bleibt dadurch ein für das Gelingen von Sanierungsmaßnahmen entscheidender Faktor außer Acht. Es ist jedoch abzuwarten, ob im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zumindest noch punktuell Vorschläge zur Ergänzung des Regierungsentwurfs um steuerliche Regelungen aufgegriffen werden.2 So forderte der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf vom 15.4.2011, eine weitergehende Erleichterung im Rahmen von Debt Equity Swaps in das Gesetz einzufügen.3 Zudem verlangte er eine weitergehende Ergänzung der angestrebten Regelungen im Steuerrecht, die dem Sanierungsgedanken Rechnung trägt und das gesetzgeberische Ziel somit besser erreichen kann. Hierbei wies er vor allem auf den Sanierungsgewinn hin, und stellte fest, dass der Sanierungserlass nicht geeignet ist, den Unsicherheiten der Beteiligten im Verfahren entgegenzuwirken.4 Diese Forderungen werden aber wahrscheinlich leider im ESUG nicht umgesetzt werden.5
C. Sanierungsmaßnahmen im Verfahrensrecht I. Verbindliche Auskünfte in Sanierungsfällen 2.111
Sanierungstransaktionen brauchen verbindliche Auskünfte wie kaum eine andere Transaktionsform im Steuerrecht. Dies liegt an folgenden strukturellen Merkmalen von Sanierungstransaktionen: 1 Herzig/Liekenbrock, Ubg 2011, 313 (323 f.). 2 Vgl. etwa den Vorschlag von Fest, NZI 2011, 345, der im Zusammenhang mit dem ESUG eine zentrale Zuständigkeit des Bundeszentralamts für Steuern für den Erlass der Gewerbesteuer fordert. 3 BR-Drucks. 127/11, 13. 4 BR-Drucks. 127/11, 36, 37. 5 Sistermann, Börsenzeitung v. 31.8.2011, S. 2.
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Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
VI. Gesetzesentwurf zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) 2.109
Auch wenn das ESUG eine Vielzahl von Regelungen enthält, die die Sanierung von Unternehmen erleichtern sollen (Überblick s. Rz. 2.28), klammert es die steuerlichen Aspekte der Sanierung (noch) vollständig aus. Es müssen insolvenzrechtliche Krisentransaktionen, wie z.B. die Verwertung der wirtschaftlichen Krisenunternehmens nach den allgemeinen sanierungssteuerrechtlichen Vorschriften beurteilt werden, was zu erheblichen Anwendungsschwierigkeiten führen kann.1 So muss etwa die im Rahmen des ESUG vorgesehene Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital (§ 225a Abs. 2 ESUG-E) steuerlich wie ein „normaler“ Debt Equity Swap behandelt werden (Rz. 3.200 ff.).
2.110
Der Gesetzgeber „verpasst“ insoweit die Möglichkeit, im Rahmen der weitreichenden Änderung des Sanierungsrechts durch das ESUG auch die notwendigen steuerrechtlichen Konsequenzen zu ziehen. Es bleibt dadurch ein für das Gelingen von Sanierungsmaßnahmen entscheidender Faktor außer Acht. Es ist jedoch abzuwarten, ob im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zumindest noch punktuell Vorschläge zur Ergänzung des Regierungsentwurfs um steuerliche Regelungen aufgegriffen werden.2 So forderte der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf vom 15.4.2011, eine weitergehende Erleichterung im Rahmen von Debt Equity Swaps in das Gesetz einzufügen.3 Zudem verlangte er eine weitergehende Ergänzung der angestrebten Regelungen im Steuerrecht, die dem Sanierungsgedanken Rechnung trägt und das gesetzgeberische Ziel somit besser erreichen kann. Hierbei wies er vor allem auf den Sanierungsgewinn hin, und stellte fest, dass der Sanierungserlass nicht geeignet ist, den Unsicherheiten der Beteiligten im Verfahren entgegenzuwirken.4 Diese Forderungen werden aber wahrscheinlich leider im ESUG nicht umgesetzt werden.5
C. Sanierungsmaßnahmen im Verfahrensrecht I. Verbindliche Auskünfte in Sanierungsfällen 2.111
Sanierungstransaktionen brauchen verbindliche Auskünfte wie kaum eine andere Transaktionsform im Steuerrecht. Dies liegt an folgenden strukturellen Merkmalen von Sanierungstransaktionen: 1 Herzig/Liekenbrock, Ubg 2011, 313 (323 f.). 2 Vgl. etwa den Vorschlag von Fest, NZI 2011, 345, der im Zusammenhang mit dem ESUG eine zentrale Zuständigkeit des Bundeszentralamts für Steuern für den Erlass der Gewerbesteuer fordert. 3 BR-Drucks. 127/11, 13. 4 BR-Drucks. 127/11, 36, 37. 5 Sistermann, Börsenzeitung v. 31.8.2011, S. 2.
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C. Sanierungsmaßnahmen im Verfahrensrecht
– Das Sanierungssteuerrecht ist eine lückenhafte, unübersichtliche Rechtsmaterie.1 Die betroffenen Unternehmen sehen sich in Sanierungsfällen erheblichen steuerlichen Risiken ausgesetzt, da viele Sanierungsmaßnahmen unter hohem Zeitdruck und hohem wirtschaftlichen Druck durchgeführt werden bzw. worden sind. – Sanierungstransaktionen beruhen in vielen Fällen auf der Anwendung des Sanierungserlasses (Rz. 2.30 ff.). Damit wird die steuerliche Beurteilung von Sanierungstransaktionen durch ein weites Entscheidungsermessen der Finanzverwaltung geprägt. Über die Ausübung dieses Ermessens in den Fällen der Anwendbarkeit des Sanierungserlasses brauchen die Steuerpflichtigen bei Sanierungstransaktionen Gewissheit. Diese kann nur in einem Auskunftsverfahren erreicht werden. – Die Notwendigkeit verbindlicher Auskünfte ergibt sich auch daraus, dass in der Rechtsprechung die allgemeine Tendenz besteht, die Bindungswirkung anderer informeller Absprachen zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung nur noch in Ausnahmefällen anzuerkennen.2 Auch diese Tendenz der Rechtsprechung trägt zusammen mit der hohen wirtschaftlichen Bedeutung einer Entscheidung beispielsweise über die Anwendbarkeit des Sanierungserlasses dazu bei, dass in Sanierungsfällen verbindliche Auskünfte häufig die wirtschaftlich entscheidende Rolle spielen.3
II. Die Gebührenpflicht verbindlicher Auskünfte in Sanierungsfällen 1. Späte Einführung der Gebührenpflicht Mit dem JStG 20074 vom 13.12.2006, welches mit Wirkung zum 19.12. 2006 in Kraft getreten ist, wurde § 89 AO um die Abs. 3 bis 5 erweitert, welche die Erhebung einer gesonderten Gebühr für die Bearbeitung von verbindlichen Auskünften zum Inhalt haben. Die somit kodifizierte Gebührenpflicht wurde zunächst weder im Gesetzgebungsverfahren des Föderalismusreform-Begleitgesetz thematisiert, noch war sie Gegenstand der frühen Phasen des Gesetzgebungsverfahrens zum JStG 2007.5 Erst auf die Empfehlung des Bundesrates in seiner Stellungnahme zum Entwurf des JStG 20076 nahm der Finanzausschuss7 einen Gebührentatbestand für die Bearbeitung von verbindlichen Auskünften in den Gesetzesentwurf 1 Vgl. Eilers/Bühring, DStR 2009, 137 ff. 2 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, EStB 2008, 194 = GmbH-StB 2008, 166 = DStR 2008, 1025 (1027 f.); Seer in Tipke/Kruse, AO, § 89, Anm. 117. 3 So z.B. bei der Karstadt-Sanierung (verbindliche Auskünfte in mehr als siebzig Gemeinden notwendig). 4 JStG 2007 v. 13.12.2006, BStBl. I 2007, 28. 5 Vgl. Referentenentwurf zum JStG 2007 v. 10.7.2006 und Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum JStG 2007 v. 23.8.2006. 6 BT-Drucks. 16/3036, Nr. 25, zu Art. 10 nach Nr. 8 (§ 89 Abs. 3 AO). 7 BT-Drucks. 16/3325 v. 8.11.2006.
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2.112
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
auf.1 Die nähere Ausgestaltung regelte schließlich das BMF durch die Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO).2 2. Gebührenhöhe
2.113
Die Gebühr für die verbindliche Auskunft berechnet sich in analoger Anwendung des Gerichtskostengesetzes (GKG) nach dem Gegenstandswert, § 89 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 AO, welcher jedoch gem. § 89 Abs. 5 Satz 2 AO mindestens 5 000 Euro zu betragen hat. In die andere Richtung ist der Gegenstandswert in analoger Anwendung des § 39 Abs. 2 GKG auf maximal 30 Millionen Euro begrenzt. Aufgrund dieser Begrenzungen bewegt sich die Gebühr für eine verbindliche Auskunft zwischen der Mindestgebühr i.H.v. 121 Euro und der Maximalgebühr i.H.v. 91 456 Euro.3 Hingegen ist die Gebührberechnung nach dem tatsächlichen Zeitaufwand nur subsidiär in den Fällen möglich, in denen der Gegenstandswert auch nicht durch Schätzung zu bestimmen ist, § 89 Abs. 4 Satz 4 AO. Bei der Gebührenrechnung nach dem tatsächlichen Zeitaufwand fallen pro angefangener halben Stunde 50 Euro an, wobei ein Mindestbetrag von 100 Euro nach § 89 Abs. 4 Satz 4 AO anzusetzen ist. Es steht dem Gesetzgeber frei, eine am Gegenstandswert orientierte Pauschalierung zu verwenden, die unabhängig von der konkreten Arbeitslast anfällt.4 Ihre Grenze erfährt eine solche grundsätzlich zulässige Pauschalierung erst dann, wenn die Höhe der Gebühr völlig unabhängig von den mit ihr abgegoltenen Leistung ist und damit in einem „groben Missverhältnis“ zu den verfolgten Gebührenzwecken steht.5 3. Gesetzgeberische Rechtfertigung der Gebührenpflicht
2.114
Der Bundesrat6 und der Finanzausschuss des Bundestages7 begründeten die Notwendigkeit einer Gebühr für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft damit, dass nach der gesetzlichen Normierung des Anspruchs auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft zu erwarten sei, dass die Anzahl der Anträge im Hinblick auf die Kompliziertheit des Steuerrechts stark ansteigen würde, was beispielsweise vermehrt bei größeren Investitionen gelten solle, da insoweit die steuerlichen Auswirkungen für den Antragsteller von besonderem Interesse seien. Ferner wurde ins Feld ge1 BT-Drucks. 16/3325, 68. 2 BMF v. 11.12.2007 – IV A 4 - S 0062/07/0003, BStBl. I 2007, 894; Neufassung des gesamten AO-Anwendungserlasses vgl. BStBl. I 2008, 26 ff.; DStR 2008, 99. 3 Tz. 4.2.4 des AEAO zu § 89, abgedruckt im Anhang, III. 5. 4 BVerfG v. 12.2.1992 – 1 BvL 1/89, BVerfGE 85, 337, NJW 1992, 1673; vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, Übersicht zu § 48 GKG, Rz. 2; Birk in Transaktionen, Vermögen, Pro Bono, FS zum zehnjährigen Bestehen von Pöllath+Partners, 2008,161 (171). 5 BVerfG v. 19.3.2003 – 2 BvL 9/98, NVwZ 2003, 715 (717); BVerwG v. 30.4.2003 – 6 C 4.02, MMR 2003, 613, 614; Lahme/Reiser, BB 2007, 408 (413). 6 Vgl. BR-Drucks. 622/1/06, Fz. 26, S. 32 f. 7 Vgl. BT-Drucks. 16/3368, 24.
54
C. Sanierungsmaßnahmen im Verfahrensrecht
führt, dass die vermehrte Erteilung verbindlicher Auskünfte bei den zuständigen Finanzbehörden voraussichtlich zu einem erheblichen zusätzlichen Arbeitsaufwand führen würde.1 Außerdem sei vor dem Hintergrund, dass die verbindliche Auskunft vor allem bei Dauersachverhalten (z.B. Vermietung und Verpachtung) die Finanzverwaltung für viele Jahre binden könne, eine sehr intensive Prüfung unerlässlich.2 Da es sich um eine Aufgabe handele, die nicht mehr im Bereich der Steuerfestsetzung und -erhebung liege, sondern eine Dienstleistung gegenüber dem Steuerpflichtigen darstelle, sei es sachgerecht, für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO eine Gebühr zu erheben.3 Schließlich sei die Erhebung von Gebühren für besondere Inanspruchnahme oder Leistungen in § 178 AO bereits für Behörden der Bundeszollverwaltung geregelt und deshalb dem steuerlichen Verfahrensrecht nicht fremd.4 Durch die Erhebung von Gebühren sei der Steuerpflichtige auch nicht übermäßig belastet, weil die Höhe der Gebühr sehr moderat ausfalle und keine zusätzlichen Kosten für den Steuerpflichtigen anfielen.5 Diese Position modifizierte der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 6.3.2009 zum Entwurf des Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetzes.6 Seinen Vorschlag, einen neuen Satz 5 in den § 89 Abs. 3 AO einzufügen, der eine Befreiung von der Gebührenpflicht bei Fragen vorsah, die sich auf die Anwendbarkeit von § 8c KStG beziehen, begründete der Bundesrat damit, dass neben der Notwendigkeit der Normierung einer „echten Sanierungsklausel“ mit einer Änderung der Abgabenordnung daneben auch sichergestellt werden soll, „dass die Finanzverwaltung verbindliche Auskünfte zu diesen Fragen ausnahmsweise kostenfrei bearbeitet, um dieses Instrument hier zu befördern und die Anzahl möglicher Streitfälle vor Gericht zu reduzieren“. Doch weder durch das Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz noch im Rahmen des mit Wirkung vom 22.7.2009 geltenden Bürgerentlastungsgesetzes,7 mit dem im § 8c Abs. 1a KStG das Sanierungsprivileg normiert wurde, ist die vom Bundesrat vorgeschlagene Ausnahme von der Gebührenpflichtigkeit in Sanierungsfällen berücksichtigt worden.
2.115
Im Steuervereinfachungsgesetz 2011 ist ein Wegfall der Auskunftsgebühr in geringfügigen Fällen (bis zu einem Wert von 10 000 Euro) eingeführt worden.8 Diese Vereinfachungsregel wird in Sanierungsfällen allerdings kaum eine Rolle spielen.
2.116
1 2 3 4 5 6 7 8
Stellungnahme des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/3368, 24. BR-Drucks. 622/1/06, Fz. 26, S. 32. Stellungnahme des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/3368, 24. BR-Drucks. 622/1/06, Fz. 26, S 32 f. Vgl. Stellungnahme des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/3368, 25. Vgl. BR-Drucks. 160/09, 8 f. Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung, BStBl. I 2009, 1959. BGBl. I 2011, 2131.
55
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
2.117
Die allgemeine Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit der Auskunftsgebühr gem. § 89 Abs. 3 bis 5 AO1 sind durch die Entscheidungen des BFH vom 30.3.20112 zumindest vorläufig beendet worden. Der BFH hat in beiden Entscheidungen die Gebührenpflicht von Anträgen auf verbindliche Auskunft verfassungsrechtlich passieren lassen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Zeitgebühr als auch der Wertgebühr, eine Ausnahmeregelung für verbindliche Auskünfte in Sanierungsfällen erscheint damit verfahrensrechtlich nur noch auf dem Billigkeitswege erreichbar. Angesichts der zum Teil hohen Bewertungen und der sich daraus ergebenden Maximalgebühr von 91 456 Euro, die ggf. in komplexen Sanierungstransaktionen mehrfach anfallen kann, bleibt diese verfahrensrechtliche Absicherung des Sanierungssteuerrechts rechtspolitisch weiter zu fordern.
III. Die fehlende Bindungswirkung der Auskünfte für die Gewerbesteuer 2.118
Brennpunkt von Auskunftsverfahren in Sanierungsfällen ist die Anwendbarkeit des Sanierungserlasses (Rz. 2.30 ff.). In der Praxis liegt die Kernschwierigkeit dieses Auskunftsverfahrens darin, dass eine verbindliche Auskunft über die Anwendbarkeit des Sanierungserlasses nach herrschender Meinung keine Bindungswirkung im Hinblick auf die Gewerbesteuer entfaltet.3 Nach dieser Ansicht4 sind die Landesfinanzbehörden für gewerbesteuerliche Billigkeitsmaßnahmen unter dem Sanierungserlass nicht zuständig, weil dieser die gewerbesteuerlichen Konsequenzen von Billigkeitsmaßnahmen nicht regelt.5
2.119
Die Gegenauffassung6 qualifiziert den Sanierungserlass als eine ermessenslenkende allgemeine Verwaltungsvorschrift, die eine allgemeine Zuständigkeit der Landesfinanzbehörden gem. § 184 Abs. 2 S. 1 AO auslöst (vorgelagerte Zuständigkeit zur Qualifizierung eines Gewinnes als Sanierungsgewinn). Für sie spricht die praktische Notwendigkeit, Sanierungsfälle, die eine Vielzahl von Betriebstätten betreffen können und damit eine Vielzahl von korrespondierenden Zuständigkeiten von kommunalen Steuerämtern (mit entsprechenden politischen Unwägbarkeiten und Be1 Vgl. ausführlich dazu Eilers, FS Streck 2011, 305 (309); Kess/Zillmer DStR 2008, 1466; Blömer, DStR 2008, 1867 ff.; Wienbracke, NVwZ 2007, 749 ff. 2 BFH v. 30.3.2011 – I R 61/10, StBW 2011, 452 = DStR 2011, 858 und v. 30.3.2011 – I B 136/10, DStRE 2011, 775. 3 Vgl. Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1936); Loose/Maier in Lüdicke/Sistermann, Unternehmensteuerrecht, § 17, Rz. 139 ff. 4 S. Verfügung des Bayerischen Landesamts für Steuern v. 8.8.2006 – S 2140 - 6 St 3102M, FR 2006, 900; Vfg. OFD Hannover v. 28.6.2006 – G 1498 - 16 - StO 252, DStR 2006, 2128; kritisch zu dieser Praxis Seer, FR 2010, 306 (309 ff.). 5 So auch BMF v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = FR 2003, 478, Tz. 15. 6 Seer, FR 2010, 309 ff.
56
C. Sanierungsmaßnahmen im Verfahrensrecht
gehrlichkeiten) auslösen, einheitlich zu behandeln. Diese Auffassung hat sich aber in der Praxis nach unserer Erfahrung bisher nicht durchsetzen können. Deshalb ist eine gesetzgeberische Klarstellung geboten.1
IV. Abzugsfähigkeit der Gebühr als Betriebsausgabe Die Abzugsfähigkeit der Kosten für eine verbindliche Auskunft hängt nach Auffassung der Finanzverwaltung entscheidend von der Frage ab, ob die verbindliche Auskunft Steuern betrifft, die selbst als Betriebsausgabe abzugsfähig sind. Die Kosten für eine verbindliche Auskunft, die nichtabzugsfähige Positionen wie die Gewerbe- oder Körperschaftsteuer betrifft, sind somit nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig.
2.120
Die Frage, ob dieses Abzugsverbot gegen das aus dem objektiven Nettoprinzip hergeleitete Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verstößt, könnte bereits mit der Begründung verneint werden, dass es regelmäßig in Fällen einer verbindlichen Auskunft bereits tatbestandlich an einer „Steuer“ fehlt. Andererseits gehört die Gebühr zu den Kosten des Steuerpflichtigen, die er für seine einkunftserzielende Tätigkeit, häufig als Kosten für Strukturierungs- und Gestaltungszwecke, aufwendet. In derartigen Fällen liegt ein Vergleich mit Steuerberatungskosten, die vom BMF den Betriebsausgaben zugeordnet werden,2 nahe. Denn genau wie bei einer Steuerberatung ist der Gegenstand der verbindlichen Auskunft zwar die steuerliche Auswirkung, der Anlass jedoch ist in beiden Fällen die beabsichtigte betriebliche oder berufliche Aktivität.3 Eine Abzugsfähigkeit der Gebühr in Bezug auf einkommensteuerliche oder körperschaftsteuerliche Folgen betrieblicher Umstrukturierungen wäre somit angezeigt und entspräche dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Daher ist die gesetzliche Regelung der Nichtabziehbarkeit gem. § 12 Nr. 3 EStG i.V.m. § 3 Abs. 4 AO bedenklich.
2.121
V. Zusammenfassende Hinweise Für die Praxis ist davon auszugehen, dass Auskunftsverfahren in Sanierungsfällen im Anwendungsbereich des Sanierungserlasses weiterhin komplex bleiben. Sie müssen in der Doppelzuständigkeit Landesfinanzbehörden/kommunale Steuerbehörden angelegt werden. Da die Rechtsfra-
1 Zur Forderung, ein zentralisiertes Auskunftsverfahren für Sanierungsfälle einzuführen vgl. Eilers/Bühring, StuW 2009, 255. Siehe auch Fest, NZI 2011, 345, der eine zentrale Zuständigkeit des Bundeszentralamts für Steuern für den Erlass der Gewerbesteuer vorschlägt. 2 BMF v. 21.12.2007 – IV B 2 - S 2144/07/0002 – DOK 2007/0586772, BStBl. I 2008, 256 = FR 2008, 150. 3 Birk, NJW 2007, 1325 (1327).
57
2.122
Kapitel 2 Überblick über das Sanierungssteuerrecht
gen und die Sachverhaltsdarstellung für Zwecke der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer zumeist identisch sind, ist diese komplexe Situation technisch meist zu beherrschen. Schwierigkeiten ergeben sich aber in den unterschiedlichen Ergebnisverläufen der kommunalen Auskunftsverfahren, vor allem wenn es um den Erhalt von Standorten und Arbeitsplätzen geht. Die steuerpolitischen Forderungen nach einem bindenden Auskunftsverfahren für Ertrags- und Gewerbesteuer sind aufrechtzuerhalten.
58
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht A. Verzicht I. Ausgangsfall 3.1
Forderungsverzicht durch den Gesellschafter Gesellschaft
Darlehen
Gesellschafter
Erblassvertrag
II. Grundlagen In der Krise sieht sich die Gesellschaft meist hohen Darlehensverbindlichkeiten ausgesetzt. Als Alternative zur Bereitstellung neuer Finanzmittel können die Gläubiger auch auf bereits bestehende Verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschaft verzichten. Der Forderungsverzicht verringert die Anforderungen an die Liquidität der Krisengesellschaft und kann so die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft sichern oder eine drohende insolvenzrechtliche Überschuldung verhindern. Solange noch keine akute Insolvenzgefahr besteht, werden zunächst die Gesellschafter und die konzernzugehörigen Gesellschaften auf ihre Forderungen gegenüber der Krisengesellschaft verzichten. Besteht hingegen bereits eine akute Insolvenzgefahr, werden auch eher Drittgläubiger zum Verzicht auf ihre Darlehensforderungen bereit sein, um die drohende Insolvenz abzuwenden. Forderungsverzichte gerade von Gesellschafter-Gläubigern stellen grundsätzlich (d.h. losgelöst von ihrer steuerlichen Behandlung) eine schnelle und effiziente Sanierungsmaßnahme dar.
3.2
Bei einem Forderungsverzicht ist hinsichtlich der Rechtsfolgen zu unterscheiden, ob die Gesellschaftergläubiger oder fremde Dritte auf die Forderung gegenüber der Gesellschaft verzichten. Zudem kann der Verzicht auch unter der Bedingung geschlossen werden, dass die Forderung bei erfolgter Sanierung wiederauflebt (sog. Verzicht gegen Besserungsschein).
3.3
III. Zivilrechtliche Beurteilung Der Forderungsverzicht erfolgt gem. § 397 BGB durch einen Erlassvertrag zwischen der Gesellschaft und jedem einzelnen Gläubiger. Als Rechtsgrundlage für den Forderungsverzicht eines Gesellschafters kann ferner 59
3.4
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
das bestehende Gesellschaftsverhältnis in Betracht kommen.1 Aufgrund des tatsächlichen Erlöschens der Forderung entfallen auch alle akzessorischen Sicherheiten (z.B. Bürgschaften, Hypotheken), die zur Sicherung des jeweiligen Gläubigers bestellt wurden. Nicht akzessorische Sicherheiten (z.B. Sicherungseigentum) entfallen zwar nicht ohne weiteres, sie sind im Zweifel aber zurückzugeben, weil der Sicherungszweck durch das Erlöschen der gesicherten Forderung nicht mehr besteht.2
IV. Verzicht durch Gesellschafter 1. Steuerliche Konsequenzen auf Ebene der Gesellschaft
3.5
Der Verzicht auf die Forderung führt zu dem Erlöschen einer Verbindlichkeit und damit zu einer Vermögensmehrung auf Seiten der Gesellschaft.3 Die steuerliche Behandlung des Forderungsverzichts durch den Gesellschafter hängt zum einen davon ab, ob die Forderung zum Zeitpunkt des Verzichts noch werthaltig war oder nicht. Zum anderen ist die steuerliche Behandlung davon abhängig, ob der Verzicht durch das Gesellschaftsverhältnis oder betrieblich veranlasst war. Eine betriebliche Veranlassung kommt aber nicht nur dann in Betracht, wenn sich neben dem Gesellschafter-Gläubiger auch andere Gläubiger an der Sanierungsmaßnahme beteiligt haben, sondern auch bei einem Verzicht nur durch den Gesellschafter-Gläubiger (vgl. Rz. 2.39 m.w.N.).
3.6
Ist der Forderungsverzicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, ist dieser nach ständiger Rechtsprechung des BFH als eine verdeckte Einlage in die Kapitalgesellschaft in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung zu behandeln.4 Sofern das Darlehen im Zeitpunkt der Verzichtserklärung voll werthaltig ist, vollzieht sich der Forderungsverzicht auf der Ebene der Gesellschaft steuerlich neutral, da dem steuerbilanziellen Ertrag aus der Ausbuchung der Verbindlichkeit eine verdeckte Einlage in gleicher Höhe gegenübersteht (vgl. R 40 II KStR).5
3.7
Soweit aufgrund der Krisensituation der Teilwert der Forderung den Nennwert der Verbindlichkeit unterschreitet, handelt es sich um eine nicht mehr voll werthaltige Forderung. In Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen Teilwert und Nennwert der Forderung verbleibt ein steuerpflichtiger Gewinn, dem keine verdeckte Einlage gegenübersteht.6 Bei 1 Aleth in Eilers/Rödding/Schmalenbach, 2008, Unternehmensfinanzierung, H 52. 2 Wittig in Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in der Krise, Sanierung und Insolvenz, Rz. 505. 3 BFH v. 9.6.1997 – GrS 1/94, BStBl. II 1998, 307 = GmbH-StB 1997, 203; Förster/ Wendland, GmbHR 2006, 169 (173); Ostermayer/Erhard, BB 2003, 449 (451). 4 Vgl. BFH v. 16.5.2001 – I B 143/00, BStBl. II 2002, 436 = GmbH-StB 2001, 247; v. 9.6.1997 – GrS 1/94, BStBl. II 1998, 307 = GmbH-StB 1997, 203. 5 Förster/Wendland, GmbHR 2006, 169 (174); Ostermayer/Erhard, BB 2003, 449 (451). 6 Förster/Wendland, GmbHR 2006, 169 (174); Ostermayer/Erhard, BB 2003, 449 (452); Pohl, DB 2007, 1533; Kellersmann/Pannewig, Ubg 2009, 848 (855).
60
A. Verzicht
fortgeschrittener Krise und somit einem auf Null gesunkenen Teilwert liegt der steuerpflichtige Gewinn mithin beim Nennwert des Darlehens, während eine gewinnneutrale Einlage gänzlich entfällt.1 Der Forderungsverzicht führt in diesem Fall also zu einem sog. Sanierungsgewinn. Der Bestimmung des Teilwerts der betreffenden Forderung kommt daher erhebliche Bedeutung zu und kann in der Praxis einen Reibungspunkt mit der Finanzverwaltung darstellen.2 Der Teilwert korrespondiert mit den fiktiven Wiederbeschaffungskosten der Forderung. Diese richten sich grds. nach der Zahlungsfähigkeit und der Zahlungswilligkeit des Schuldners sowie der Verzinslichkeit der Forderung.3
3.8
Zur Sicherung der Werthaltigkeit der Forderung und damit zur Vermeidung eines Sanierungsgewinnes, könnte die Muttergesellschaft z.B. eine Patronatserklärung abgeben oder der Gesellschafter könnte eine Bank veranlassen, sich für die Forderung zu verbürgen, damit der Teilwert der Forderung den Nennwert erreicht.4
3.9
Abweichend ist der Forderungsverzicht steuerlich zu beurteilen, wenn dieser betrieblich veranlasst war. Der Verzicht auf eine Forderung im Kontext einer Sanierungsmaßnahme ist jedenfalls dann betrieblich veranlasst, wenn auch andere Gläubiger auf ihre Forderungen gegenüber der Gesellschaft verzichten.5 Aber auch bei einem Verzicht nur durch den Gesellschafter-Gläubiger ist eine betriebliche Veranlassung nicht ausgeschlossen. Es kommt hierbei auf die Motivation des Gesellschafter-Gläubigers an, die regelmäßig in der Sanierung des Unternehmens liegt (siehe Rz. 2.39). Wäre nur ein Verzicht mehrerer Gläubiger (Gesellschafter-Gläubiger und Drittgläubiger) betrieblich veranlasst, träten zum Beispiel dann Schwierigkeiten auf, wenn die Forderungen außenstehender Gläubiger (z.B. Banken) ausreichend besichert sind und diese keine Veranlassung haben, auf ihre Forderungen zu verzichten, da sie im Falle einer Insolvenz keinen Ausfall erleiden würden und demnach kein Interesse an der Vermeidung der Insolvenz der Krisengesellschaft haben. In dieser Konstellation ist ganz offensichtlich, dass der Verzicht der Gesellschafter auf ihre Forderungen die einzige Möglichkeit zur Sanierung der Gesellschaft ist. Es muss dann auch eine betriebliche Veranlassung für den Verzicht durch die Gesellschaftergläubiger vorliegen, da für den Gläubiger eine Vermögensminderung und damit ein Aufwand entstehen und der Erlass der Sanierung des Unternehmens des Schuldners dienen soll.6 Hier genügt die Vorstellung des GesellschafterGläubigers, dass der Erlass für die weitere Existenz des Krisenunterneh-
3.10
1 Neu/Neumann/Neumayer, Handbuch GmbH-Besteuerung, Rz. 1262. 2 Neu/Neumann/Neumayer, Handbuch GmbH-Besteuerung, Rz. 1264; Förster/ Wendland, GmbHR 2006, 169, 174; Helm/Krinninger, DB 2005, 1989 (1993). 3 Vgl. zur Bestimmung des Teilwertes Helm/Krinninger, DB 2005, 1989 (1993) m.w.N. 4 Vgl. Hoffmann, DStR 2002, 1233 (1236); Hierstetter, DStR 2010, 884. 5 Vgl. Kroniger/Korb, BB 2008, 2656. 6 So auch BFH v. 29.7.1997 – VIII R 57/94, BStBl. II 1998, 652 = GmbH-StB 1998, 3 = DStR 1997, 1965 m.w.N.
61
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
mens notwendig ist. Aber auch in anderen Konstellationen liegt eine betriebliche Veranlassung vor, wenn der Verzicht durch den GesellschafterGläubiger zum Zwecke der Sanierung erfolgt. Dies ist im Einzelfall zu prüfen und regelmäßig anzunehmen (Rz. 2.39).
3.11
Erfolgt der Forderungsverzicht aus betrieblichen Gründen liegt keine verdeckte Einlage vor. Steuerrechtlich bleibt es bei der Vermögensmehrung auf Seiten der Gesellschaft. Hierdurch entsteht ein zu versteuernder Gewinn in Höhe der ursprünglich passivierten Forderung.1 2. Zinsschranke
3.12
In Bezug auf die Regelungen der Zinsschranke (Rz. 2.87 ff.) begründet der Verzicht auf die Rückzahlung des Darlehens keinen Zinsertrag bei der Krisengesellschaft, da es sich hierbei um eine Wertveränderung des Stammrechts handelt, die im Rahmen der Zinsschranke der irrelevanten Vermögensebene zuzuordnen ist.2 Umstritten ist allerdings, ob der Verzicht eines Gläubigers auf rechtlich bereits entstandene, aber noch nicht gezahlte Zinsen beim Schuldner zu Zinserträgen führen kann bzw. ob die im Zinssaldo erfassten Zinsaufwendungen rückgängig gemacht werden können.3 Soweit die erlassenen Zinszahlungen jedoch eine verdeckte Einlage begründen und insoweit kein steuerlicher Ergebniseffekt erzielt wird, sollten sie nicht als Zinserträge i.S. einer Zinsschranke zu qualifizieren sein.4 3. Der Sanierungserlass
3.13
Das sanierungsbedürftige Unternehmen kann die durch den Forderungsverzicht entstehenden Erträge zunächst mit meist bestehenden Verlustvorträgen verrechnen, so dass kein zu versteuernder Gewinn verbleibt. Jedoch kann es vorkommen, dass nicht ausreichend hohe Verlustvorträge vorhanden sind oder die Mindestbesteuerung Anwendung findet (§§ 10d Abs. 2 EStG, 10a Satz 2 GewStG, siehe Rz. 2.79). In diesen Fällen können durch Forderungsverzichte, die eigentlich der Sanierung des Unternehmens dienen sollen, sog. Sanierungsgewinne entstehen, die die Regelbesteuerung auslösen. Dies kann für die sanierungsbedürftige Gesellschaft fatale Folgen haben.5
3.14
Gewinne, die durch betrieblich veranlasste Forderungsverzichte entstanden sind, können jedoch nach Maßgabe des Sanierungserlasses gestundet oder sogar endgültig erlassen werden, soweit der Forderungsverzicht der Sanierung des Unternehmens gedient hat (Rz. 2.49 f.). Jedoch ist insoweit 1 Umkehrschluss aus BFH v. 9.6.1977 – GrS 1/94, BStBl. II 1998, 307; Kellersmann/Pannewig, Ubg 2009, 848 (855). 2 Vgl. Herzig/Liekenbrock, Ubg 2011, 313 (316). 3 Bejahend Schmidt-Fehrenbacher, Ubg 2008, 472; Förster in Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 136a; a.A. Häuselmann, FR 2009, 508. 4 Herzig/Liekenbrock, Ubg 2011, 313 (316). 5 Vgl. Drewes/Götze, DStR 2009, 945.
62
A. Verzicht
zu beachten, dass die Anwendung des Sanierungserlasses nur dann in Betracht kommt, wenn das Unternehmen zahlungsunfähig ist, also unmittelbar von der Insolvenz bedroht ist (Rz. 2.40 ff.). Entscheiden sich die Gläubiger der Gesellschaft jedoch bereits in einem früheren Stadium, die Gesellschaft durch einen Forderungsverzicht zu stützen, ist der hieraus erfolgende Ertrag auf Seiten der Gesellschaft voll steuerpflichtig, ohne dass eine Möglichkeit der Stundung besteht. Die Gesellschaft befindet sich jedoch schon vor diesem Zeitpunkt in einer Situation, in der sie besonderer Sanierungsmaßnahmen bedarf. Um die Krise wirksam bewältigen zu können und den Effekt des Forderungsverzichtes nicht durch Steuerzahlungen zu vermindern, sollte der steuerliche Krisenzeitpunkt auf den Zeitpunkt der Kreditunwürdigkeit vorverlegt werden. Die Regelungen des Sanierungserlasses erweisen sich daher insoweit als nicht ausreichend, um den Forderungsverzicht zur Sanierung der Gesellschaft steuerlich zu fördern. Da es sich bei dem Sanierungserlass lediglich um eine Billigkeitsmaßnahme handelt, ist zudem im Vorfeld des Forderungsverzichts die Finanzverwaltung einzubinden, und die Anwendbarkeit des Sanierungserlasses sollte durch die Einholung einer verbindlichen Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO (Rz. 2.111 ff.) bestätigt werden. Dies kostet wertvolle Zeit, die im Einzelfall einer wirksamen Sanierung der Gesellschaft entgegenstehen kann.
3.15
4. Steuerliche Konsequenzen auf Ebene des Gesellschafters Die steuerlichen Auswirkungen für den Gläubiger richten sich zunächst danach, ob die Forderung gegen die Krisengesellschaft im Betriebsvermögen oder im Privatvermögen des Gesellschafters gehalten wird.
3.16
Sofern die Forderung des Gesellschafters im Privatvermögen gehalten wird, ist zudem weiter zu unterscheiden, ob dieser an der Gesellschaft i.S.v. § 17 EStG wesentlich beteiligt ist, also der Gesellschafter in den letzten 5 Jahren zu mindestens 1 % am Vermögen der Gesellschaft beteiligt war, oder ob keine Beteiligung i.S.d. § 17 EStG vorliegt.
3.17
Liegt eine wesentliche Beteiligung vor, ist der Forderungsverzicht nach Maßgabe des § 17 EStG zu beurteilen. Wenn eine Kapitalgesellschaft aufgelöst wird und die Gesellschafter die Anschaffungskosten ihrer Beteiligung nicht zurückerhalten, können sie diesen Verlust im Rahmen des § 17 EStG steuerlich geltend machen. Der Auflösungsverlust i.S.v. § 17 Abs. 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den die Anschaffungskosten der Beteiligung und die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Gesellschafter persönlich getragenen Aufwendungen den gemeinen Wert des dem Gesellschafter eventuell zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen.1 Anschaffungskosten sind
3.18
1 BFH v. 4.3.2008 – IX R 80/06, BStBl. II 2008, 577 = EStB 2008, 191 = GmbH-StB 2008, 163.
63
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
nach § 255 HGB alle Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Hierzu zählen auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH1 zählen auch die verdeckten Einlagen zu den nachträglichen Anschaffungskosten, so dass diese bei der Ermittlung des Auflösungsverlustes zum Tragen kommen. Problematisch ist in diesem Fall jedoch die Bewertung der verdeckten Einlage. So soll teilweise mit Blick auf § 6 Abs. 6 Satz 3 EStG pauschal auf den Teilwert zurückgegriffen werden.2 Das ist unproblematisch, sofern der Gesellschafter auf eine vollwertige Forderung verzichtet, da der Teilwert dann mit dem Nennwert identisch ist. Im Sanierungsfall wird die Forderung des Gesellschafters jedoch in aller Regel nicht mehr voll werthaltig sein. In diesem Fall stellt sich für ihn jedoch die Frage, wie sich der Verzicht auf eine nicht mehr voll werthaltige oder schlimmstenfalls wertlose Darlehensforderung auswirkt. Wird in diesem Fall auf eine Bewertung mit dem Teilwert zurückgegriffen, würden sich die Anschaffungskosten schlimmstenfalls lediglich um 0 Euro erhöhen, so dass der Verlust des Darlehens bei der Ermittlung des Auflösungsverlustes vollständig unberücksichtigt bliebe.3 Die Finanzverwaltung ist auch nach der Einführung des MoMiG und der damit einhergehenden Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechtes der Auffassung, dass die bisherigen Grundsätze zur steuerlichen Behandlung von eigenkapitalersetzenden Darlehen weiterhin Anwendung finden (Rz. 2.85).4 Für Zwecke der Sanierung ist in diesem Zusammenhang vor allem die Behandlung von krisenbestimmten Darlehen, also solchen Darlehen, bei denen der Gesellschafter von vornherein bereits erklärt, das Darlehen in der Krise stehen zu lassen, und sog. Sanierungsdarlehen,5 also solchen Darlehen, die zum Zwecke der Sanierung der Gesellschaft gewährt werden, interessant. Verzichtet der Gesellschafter auf Darlehen dieser Art, liegen in Höhe des Nennbetrages der Forderung nachträgliche Anschaffungskosten vor, die im Rahmen des § 17 EStG berücksichtigt werden können.
3.19
Sofern keine Beteiligung i.S.d. § 17 EStG vorliegt, sind die Gewinne und Verluste den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG zuzuordnen. Hier stellt sich die Frage, ob die Neuregelung der Kapitaleinkünfte in § 20 EStG es erlaubt, dass der Verlust aus einem Forderungsverzicht die Einkünfte aus Kapitalvermögen mindert. Bei wörtlicher Betrachtung des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG, der zu den Veräußerungseinkünften auch Einkünfte aus der verdeckten Einlage in eine Kapitalgesellschaft zählt, und des § 20 Abs. 3 Satz i.V.m. Satz 2 EStG, der den Gewinn einer verdeckten Einlage als gemeinen Wert zum Zeitpunkt der Einlage abzgl. Anschaffungskosten definiert, sollte ein negativer Gewinn erzielbar sein, denn 1 Vgl. BFH v. 2.10.1984 – VIII R 20/84, BStBl. II 1985, 428; v. 8.4.1998 – VIII R 21/94, BStBl. II 1998, 660 m.w.N. = GmbH-StB 1998, 303. 2 Förster/Wendland, GmbHR 2006 169 (174); Mitsch, INF 2002, 461 (465). 3 Kellersmann/Pannewig, Ubg 2009, 848 (856). 4 BMF v. 21.10.2010 – C 6 - S 2244/08/10001 – DOK 0810418, BStBl. I 2010, 832 = FR 2010, 1058. 5 Vgl. noch zur alten Rechtslage, BFH v. 19.8.2008 – IX R 63/05, BStBl. II 2009, 5.
64
A. Verzicht
der gemeine Wert wird bei einem Verzicht in der Krise immer unter dem Nennwert liegen.1 Nach Ansicht der Finanzverwaltung erfüllt der Forderungsverzicht den Tatbestand des § 20 Abs. 2 EStG jedoch nur dann, wenn eine verdeckte Einlage vorliegt, mithin die Forderung also werthaltig war.2 In Höhe des werthaltigen Teils der Forderung sollen dem gemeinen Wert (= Wertmaßstab der Einlage) in gleicher Höhe Anschaffungskosten gegenüberstehen, so dass insoweit zwar ein steuerbarer, allerdings steuerneutraler Tatbestand vorliegt. Der Restbetrag (= nicht werthaltiger Teil der Forderung) soll beim Verzichtenden keine steuerliche Berücksichtigung finden, da er sich auf der reinen privaten Vermögensebene abspielt. Dies wird in der Literatur heftig kritisiert und der Verzicht insgesamt als Realisationstatbestand des § 20 Abs. 2 EStG angesehen.3 Soweit die Beteiligung im Betriebsvermögen gehalten wird, ist die Darlehensforderung zunächst steuerwirksam aus der Bilanz auszubuchen. Sofern der Verzicht aufgrund der Gesellschafterstellung erfolgt, sind hierzu korrespondierend die Anschaffungskosten auf die Beteiligung an der Gesellschaft in Höhe des Teilwerts der Forderung zu erhöhen (§ 6 Abs. 6 Satz 2 EStG). Sind Teilwert und Nennwert der Forderung identisch, ist die Verzichtserklärung für den Gesellschafter steuerlich neutral. Liegt der Teilwert der Forderung hingegen unter dem Nennwert der Forderung, so ergibt sich für den Gesellschafter ein steuerlich relevanter Aufwand in Höhe des Differenzbetrages.4
3.20
Nach Ansicht der Finanzverwaltung fällt ein Darlehen, welches der Gesellschafter seiner Gesellschaft gewährt hat, in den Anwendungsbereich des § 3c Abs. 2 EStG, wenn es zu nicht fremdüblichen Konditionen gewährt wurde, da es in diesem Fall mit teilweise steuerfreien Beteiligungserträgen (Gewinnausschüttungen/Dividenden und Gewinnen aus einer zukünftigen Veräußerung oder Entnahme des Anteils, § 3 Nr. 40 EStG) in einem wirtschaftlichen Zusammenhang steht.5 Demnach könnten die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Forderungsverzicht lediglich zu 60 % berücksichtigt werden. Eine Ausnahme gilt jedoch nach der Rechtsprechung des BFH in den Fällen, in denen aus der Beteiligung an der Gesellschaft und aus der Forderung noch keine Erträge geflossen sind,6 nicht jedoch dann, wenn zwar Erträge geflossen sind, im Ergebnis aber ein wirtschaftlicher Verlust entstanden ist.7
3.21
1 Vgl. Kellersmann/Pannewig, Ubg 2009, 848 (857). 2 Vgl. BMF v. 22.12.2009 – IV C 1 - S 2252/08/10004 – DOK 2009/0860687, BStBl. I 2010, 94, Tz. 60 f. 3 Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 30. Aufl. 2011, § 20, Rz. 185; Niemeyer/Stock, DStR 2011, 445 (446); Schmidt/Homann, BB 2010, 351. 4 Neufang/Kübler/Schmidt, StB 2009, 148 (152); Pohl, DB 2007, 1553. 5 So BMF v. 8.11.2010 – IV C 6 - S 2128/07/10001 – DOK 2010/0805444, BStBl. I 2010, 1292 = FR 2011, 41, Rz. 2; zur Gegenmeinung vgl. Förster, Ubg 2010, 761 m.w.N; Neumann/Watermeyer, Ubg 2008, 748 (758). 6 BFH v. 25.6.2009 – IX R 42/08, BFH/NV 2009, 1696 = GmbH-StB 2009, 273 = EStB 2009, 337. 7 Vgl. BFH v. 6.4.2011 – IX R 40/10, BFH/NV 2011, 1574.
65
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
3.22
Der entstandene Aufwand ist bei körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaftern, die zu mehr als 25 % unmittelbar oder mittelbar am Grundoder Stammkapital der Krisengesellschaft beteiligt sind, aufgrund des § 8b Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG außerbilanziell wieder hinzuzurechnen,1 da der Gesetzgeber2 unter der Wendung „Gewinnminderungen im Zusammenhang mit der Darlehensforderung“ auch ausdrücklich Gewinnminderung aus dem Verzicht auf Forderungen aus einem Gesellschafterdarlehen versteht. Es besteht zwar grundsätzlich die Möglichkeit der Exkulpation nach § 8b Abs. 3 Satz 6 KStG, wonach der Aufwand steuerlich beachtlich ist, wenn der Nachweis erbracht werden kann, dass auch ein fremder Dritter auf das Darlehen verzichtet hätte.3 Der Nachweis wird in der Praxis jedoch kaum gelingen, da ein fremder Dritter in einer sich abzeichnenden Krise der Gesellschaft kein Darlehen gewährt hätte.4 Sofern der Forderungsverzicht des Gesellschafters betrieblich veranlasst ist, erfolgt keine Änderung der Anschaffungskosten der Beteiligung.
3.23
Exkurs: Forderungsverzicht durch nahestehende Personen: Der Forderungsverzicht durch einen Nichtgesellschafter führt in voller Höhe des Verzichts zu einem handelsrechtlichen wie steuerlichen Ertrag bei der Gesellschaft, weil die bisher in der Gesellschaft ausgewiesene Verbindlichkeit auszubuchen ist.5 Die korrespondierende Steuer kann nur unter den Voraussetzungen des Sanierungserlasses (Rz. 2.30 ff.) gestundet werden. Auf der Ebene des verzichtenden Gläubigers entsteht ein steuerlich voll abzugsfähiger Aufwand.6 Nach der Rechtsprechung des BFH kann der Gesellschafter dieser Gesellschaft den Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug jedoch nur dann vornehmen, wenn er den Aufwand auch selbst trägt, auch wenn es sich bei dem verzichtenden Dritten um eine ihm nahestehende Person handelt.7 Der Drittaufwand ist daher grds. nicht bei dem Gesellschafter steuerlich zu berücksichtigen. Jedoch können in folgenden Fallkonstellationen auch die Aufwendungen des Dritten als Aufwendungen des Gesellschafters zu werten und damit steuerlich zu berücksichtigen sein: Zuwendungen von Geldmitteln durch Dritte (Schenkung), Abkürzung des Zahlungsweges, Schenkung von Wirtschaftsgütern, mittelbare verdeckte Einlage, abgekürzter Vertragsweg, vertragliche Verpflichtung zum Innenausgleich, Finanzierung durch beide Ehegatten oder 1 Altricher-Herzberg, GmbHR 2008, 337 (338); Hoffmann, DStR 2008, 857 (858). 2 Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines Jahressteuergesetz 2008, BT-Drucks. 16/6290, 73. 3 Vgl. Neumann/Watermeyer, Ubg 2008, 748 (749); Hierstetter, DStR 2010, 887. 4 Vgl. Kellersmann/Pannewig, Ubg 2009, 848 (857); zur Möglichkeit des Steuererlasses aus Billigkeitsgründen vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2008, BT-Drucks. 16/6290, 74. 5 Knebel/Schmidt, BB 2009, 430 (431); Born, Tax Treatment and Consequences of Debt Restructuring and Workouts in Germany, Derivates & Financial Instrument, Vol. 8, 2006, No. 1, 25. 6 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1938). 7 Vgl. BFH v. 23.8.1999 – GrS 1/97, BStBl. II 1999, 778 = EStB 1999, 233; v. 23.8. 1999 – GrS 2/97, BStBl. II 1999, 782 = EStB 1999, 232; v. 23.8.1999 – GrS 3/97, BStBl. II 1999, 787; v. 23.8.1999 – GrS 5/97, BStBl. II, 1999, 774 = EStB 1999, 234.
66
A. Verzicht
Aufwendungen eines Dritten auf eine eigene Verbindlichkeit, die aber im wirtschaftlichen Interesse des Gesellschafters erfolgt.1 Ob der Forderungsverzicht eines Dritten beim Gesellschafter zu steuerlich erheblichem Aufwand führt, ist daher eine Frage des Einzelfalls. Insgesamt ist zu beachten, dass der Forderungsverzicht Bestandteil eines ganzen Komplexes von Maßnahmen im Rahmen eines Sanierungskonzepts sein muss, damit ihm eine Sanierungseignung zukommt.2 Ein Teilerlass und/oder die Stundung lediglich einzelner Forderungen können der Sanierungseignung und damit der Anwendbarkeit des Sanierungserlasses entgegenstehen und müssen immer besonders begründet werden.3 Betriebswirtschaftlich macht ein Forderungsverzicht insoweit Sinn, weil im Rahmen von Unternehmenssanierungen in der Regel temporär zusätzliches Kapital bis zum Greifen weiterer Sanierungsmaßnahmen benötigt wird. Dieses erforderliche Kapital wird durch den Verzicht freigesetzt (keine Kapitaldienstbelastung). Hierdurch kann der Liquiditätsengpass überbrückt und die Insolvenz des Unternehmens im Sanierungszeitraum verhindert werden.4
3.24
V. Verzicht durch Banken Im Rahmen einer Sanierung kann auch ein Forderungsverzicht von Banken in Betracht kommen. Bei einem Forderungsverzicht durch eine Bank handelt es sich grds. um einen Forderungsverzicht durch einen Dritten, der ebenso steuerlich zu behandeln ist. Er führt in voller Höhe des Verzichts zu einem handelsrechtlichen wie steuerlichen Ertrag auf Ebene der begünstigten Gesellschaft, weil die bisher in der Gesellschaft ausgewiesene Verbindlichkeit auszubuchen ist.5 Auf der Ebene der Bank entsteht ein steuerlich voll abzugsfähiger Aufwand.6 In diesem Zusammenhang sind jedoch einige Besonderheiten bei der Ermittlung der Werthaltigkeit der Forderung zu beachten.
3.25
Die Bewertung einer Forderung erfolgt grds. nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit den Anschaffungskosten oder den Herstellungskosten. Die Anschaffungskosten bei Darlehensforderungen richten sich grds. nach dem Nennwert der Forderung.7 Sind Forderungen jedoch mit einem Ausfallrisiko be-
3.26
1 Fabry, GmbH-Beratung (Handbuch), Stand 1.7.2010, DB0378628, zu den Einzelheiten vgl. OFD Düsseldorf v. 17.12.2001 – S 2244 - 50 St 122 K, GmbHR 2002, 121 = GmbH-StB 2002, 41. 2 FG Meck.-Vorpommern v. 3.3.2004 – 1 K 15/02. 3 BFH v. 25.2.1972 – VIII R 30/66, BStBl. II 1972, 531. 4 Vgl. Lukas, NWB 2011, 3022 (3029). 5 Knebel/Schmidt, BB 2009, 430 (431); Born, Tax Treatment and Consequences of Debt Restructuring and Workouts in Germany, Derivates & Financial Instrument, Vol. 8, 2006, No. 1, 25. 6 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1938). 7 Vgl. BFH v. 15.6.2009 – I B 46/09, BFH/NV 2009, 1843; Ehmke in Blümich, EStG, § 6, Rz. 282.
67
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
haftet, sind diese nicht mehr mit dem Nennwert anzusetzen. Vielmehr sind diese Forderungen mit dem wahrscheinlichen Wert anzusetzen, den der Gläubiger vom Schuldner realisieren kann. Ist die Forderung gänzlich uneinbringlich, ist die Forderung daher mit 0 Euro anzusetzen.1 Der anzusetzende Teilwert der Forderungen wird nur zum Teil durch die Bonität (Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit) des Schuldners beeinflusst.2 Bei der Beurteilung des Ausfallrisikos wegen mangelnder Leistungsbereitschaft des Schuldners ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, ob und ggf. in welcher Form der Steuerpflichtige auf die Leistungsbereitschaft des Schuldners Einfluss nehmen kann.3 Die Ermittlung der Leistungsfähigkeit erfolgt nach bereits vorliegenden Umständen. Hierbei ist zu berücksichtigen, ob die bisherigen Zahlungen nur schleppend erfolgten oder bereits eine drohende Überschuldung eingetreten ist.4
3.27
Daneben sind jedoch auch besondere Umstände auf Seiten des Gläubigers zu beachten. Hat er die Möglichkeit zur Aufrechnung gegenüber dem Schuldner, besteht insoweit kein Ausfallrisiko, und es ist von einer vollständigen Werthaltigkeit der Forderung auszugehen.5 Von einer vollen Werthaltigkeit der Forderung ist auch dann auszugehen, wenn diese dinglich gesichert ist und die Werthaltigkeit der Sicherheit außer Zweifel steht,6 auch wenn die Sicherheit längere Zeit für den Gläubiger nicht verwertbar ist. Die Werthaltigkeit der Forderungen bestimmt sich in diesen Fällen nach dem Umfang der noch zu erwartenden Teilleistungen aus der Darlehensforderung und dem Erlös, der aus der Verwertung der Sicherheiten zu erwarten ist.7 Das gilt grds. für alle Sicherheiten, deren Inanspruchnahme zu einer (Teil-)Erfüllung der Forderung führt, d.h. neben der Hypothek oder anderen Grundpfandrechten auch das allgemeine Pfandrecht, der Eigentumsvorbehalt,8 die Sicherungsübereignung oder Sicherungsabtretung von Forderungen9 sowie die Bürgschaft oder Garantie durch Dritte.10
3.28
Bei Banken als Darlehensgebern ist in diesem Kontext zu beachten, dass diese zumindest Darlehen größeren Umfangs nicht ohne Sicherheiten 1 Vgl. BFH v. 15.6.2009 – I B 46/09, BFH/NV 2009, 1843. 2 BFH v. 6.11.2003 – IV R 10/01, BStBl. II 2004, 416 = EStB 2004, 183 = GmbH-StB 2004, 133 betr. Betriebsaufspaltung. 3 Zur Bewertung von Forderungen des beherrschenden Gesellschafters einer KapGes gegen diese s. BFH v. 31.1.1973 – I R 197/70, BStBl. II 1973, 391. 4 Vgl. BFH v. 24.1.1990 – I R 157/85, I R 145/86, BStBl. II 1990, 639; v. 24.1.1990 – I R 145/86, BStBl. II 1990, 639; v. 29.5.2001 – VIII R 10/00, BStBl. II 2001, 747 = EStB 2001, 411; v. 29.5.2001 – VIII R 10/00, BStBl. II 2001, 747 = EStB 2001, 411; v. 15.6.2009 – I B 46/09, BFH/NV 2009, 1843. 5 BFH v. 30.9.1965 – IV 215/65 U, BStBl. III 1965, 686; v. 8.11.2000 – I R 10/98, BStBl. II 2001, 349 = EStB 2001, 174. 6 BFH v. 7.5.1998 – IV R 24/97, BFH/NV 1998, 1471 m.w.N.; v. 8.11.2000 – I R 10/98, BStBl. II 2001, 349 = EStB 2001, 174. 7 BFH v. 24.10.2006 – I R 2/06, BStBl. II 2007, 469 = EStB 2007, 126. 8 Einschränkend BFH v. 7.5.1998 – IV R 24/97, BFH/NV 1998, 1471. 9 Kleinle/Dreixler in HHR, § 6 EStG, Anm. 925. 10 Ehmke in Blümich, EStG, 2010, § 6, Rz. 905.
68
A. Verzicht
ausgeben werden. In der Regel werden sie von dem Schuldner die Bestellung einer dinglichen Sicherheit und/oder eine persönlichen Bürgschaftsübernahme durch einen Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person verlangen. Sofern diese Sicherheiten werthaltig sind, also ihre Verwertung die Befriedigung der Darlehensforderung erreichen wird, ist die Forderung voll werthaltig und mit dem Nennwert anzusetzen. Dies gilt unhängig von der finanziellen Situation der Gesellschaft.
VI. Verzicht gegen Besserungsschein 1. Zivilrechtliche Beurteilung Ein Dritter wird auf Forderungen gegen eine notleidende Gesellschaft in der Regel nur gegen Besserungsschein/Besserungsabrede verzichten. Eine Besserungsabrede ist eine Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger, durch die der Gläubiger zum Zwecke der Stärkung der Liquidität und/oder zur Beseitigung der Überschuldung des Schuldners auf seine Forderungen verzichtet, um sie bei einer späteren Besserung der Vermögensverhältnisse des Schuldners wieder geltend zu machen. Hierdurch vermeidet der Gläubiger einen endgültigen Verzicht und bewahrt sich damit die Möglichkeit, sich an späteren Erträgen der Gesellschaft zu beteiligen.1 Der Verzicht erfolgt auch hier durch einen Erlassvertrag zwischen der Gesellschaft und dem jeweiligen Gläubiger, der jedoch unter einer auflösenden Bedingung (§ 158 BGB) geschlossen wird. Die Forderung ist rechtlich mit Abgabe der Verzichtserklärung erloschen (§ 362 BGB). Daran ändert auch die Besserungsabrede nichts.
3.29
Daher ist die auflösende Bedingung weder handels- noch steuerrechtlich zu berücksichtigen, die Forderung ist also in beiden Bilanzen auszubuchen.2 Im Vergleich zu einem Rangrücktritt (Rz. 3.59 ff.) bietet der Forderungsverzicht mit Besserungsschein den Vorteil, dass er das Bilanzbild und damit die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft verbessert und der Gesellschaft somit unter Umständen die Möglichkeit bietet, sich neues Kapital zu verschaffen.
3.30
Tritt die auflösende Bedingung ein, d.h. die finanzielle Situation der Gesellschaft hat sich entsprechend der Bedingung gebessert und die Gesellschaft hat die Krise überwunden, lebt die Forderung wieder auf, so als sei von Anfang an kein Verzicht erklärt worden (§ 158 Abs. 2 BGB). Die Gesellschaft hat die Verbindlichkeit wieder in die Bilanz einzubuchen.3 Der Gläubiger kann weiterhin nach Maßgabe des § 159 BGB, nach vorheriger Vereinbarung eine Nachzahlung für die in der Sanierungszeit eigentlich angefallenen Zinsen fordern.4 Akzessorische Sicherheiten (z.B. Hypothe-
3.31
1 Vgl. Drukarcyzk/Schöntag in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 3, Rz. 91. 2 Vgl. Knebel, DB 2009, 1094 (1097); Fleischer, Stbg 2009, 437 (438); Schwenker/Fischer, DStR 2010, 1117 (1119). 3 ADS, § 246 HGB, Anm. 149; WPH, II L Anm 154. 4 So Häuselmann, BB 1993, 1553 und Küting/Kessler, BB 1994, 2109.
69
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
ken oder Pfandrechte) werden durch das Wiederaufleben der Forderung aber nicht wiederhergestellt.1
3.32
Der Gläubiger hat, soweit die Forderung im Betriebsvermögen gehalten wird, sie spiegelbildlich wieder in die Bilanz einzubuchen.2
3.33
Die Ausgestaltung der Besserungsabrede ist zwar zwischen den Parteien individuell verhandelbar. So kann z.B. vereinbart werden, dass nach der Krise auch Zinsen für die Zeit der Krise zu entrichten sind, oder die Möglichkeit des Wiederauflebens der Forderung kann auf einige Jahre begrenzt werden.3 Rückzahlungen können auf einen bestimmten Teilbetrag beschränkt oder erst ab Erreichens eines festgelegten Wertes des Eigenkapitals zugelassen werden.4 Die Besserungsabrede muss jedoch von vornherein eindeutig und klar ausgestaltet werden; nachträgliche Änderungen werden steuerlich nicht anerkannt. Auch unklare oder unvollständige Formulierungen können dazu führen, dass im Besserungsfall erfolgende Zahlungen nicht als Tilgung, sondern als Ausschüttung behandelt werden.5 2. Steuerliche Konsequenzen
3.34
Die eigentlichen steuerlichen Folgen der Besserungsabrede treten erst bei wirtschaftlicher Erholung der Gesellschaft und Eintritt des Besserungsfalls ein.6 Zum Zeitpunkt des Forderungsverzichts ist daher die Verbindlichkeit bei der Gesellschaft auszubuchen. Die Steuer auf den darauf entstehenden Ertrag kann ggf. bis zum Ablauf der Besserungsfrist gestundet werden, wenn die Voraussetzungen des Sanierungserlasses erfüllt sind (Rz. 2.30 ff.). Endgültig erlassen wird die Steuer erst dann, wenn der Besserungsfall nicht mehr eintreten kann.7
3.35
Lebt die Forderung im Besserungsfall jedoch wieder auf, muss der ausgebuchte Betrag spiegelbildlich wieder vermögensmindernd als Verbindlichkeit in die Bilanz aufgenommen und ein entsprechender außerordentlicher Aufwand erfasst werden.8 Soweit der Forderungsverzicht als Einlage behandelt wurde, ist die Gewinnminderung ebenfalls außerbilanziell zu korrigieren und das steuerliche Einlagekonto entsprechend zu vermindern, die Einlage mithin rückgängig zu machen.9 Nachzuzahlende Zinsen 1 2 3 4 5 6 7
Döllerer in FS Forster, 1992, 203. ADS, § 246 HGB, Anm. 149. Töben/Lohbeck/Specker, NWB 2009, 1484 (1488 f.). Becker/Pape/Wobbe, DStR 2010, 506 (508). Schwenker/Fischer, DStR 2010, 1117 (1119). Förster/Wendland, GmbHR 2006, 169 (175); Paus, INF 2005, 28 (29). Hinsichtlich der besonderen Rechtsfolgen bei einem Verzicht gegen Besserungsschein vgl. den Sanierungserlass, Tz. 12. 8 BMF v. 2.12.2003 – IV A 2 - S 2743 - 5/03, BStBl. I 2003, 648 = FR 2004, 109; Becker/Pape/Wobbe, DStR 2010, 506 (508). 9 Neufang/Kübler/Schmidt, StB 2009, 196 (198).
70
A. Verzicht
können als Betriebsausgaben abgezogen werden, sofern sie vorher Betriebsausgaben waren.1 Erfolgen jedoch Zahlungen aufgrund der Besserungsabrede innerhalb des Stundungszeitraumes des Sanierungserlasses, sind diese als nicht abzugsfähige Aufwendungen i.S.d. § 3c Abs. 1 EStG zu qualifizieren.2 Jedoch verringert sich in Höhe der Zahlungen nachträglich der Sanierungsgewinn. Übersteigen die Besserungszahlungen den Sanierungsgewinn, soll nach Ansicht der Literatur in Höhe des übersteigenden Betrages abzugsfähiger Aufwand anerkannt werden, da die Steuern auf den durch den ursprünglichen Forderungsverzicht entstehenden Ertrag insoweit nicht erlassen wurden.3
3.36
Im Hinblick auf § 8 Abs. 4 KStG a.F. hat die Finanzverwaltung entschieden, dass der wiedereinzubuchende steuerliche Aufwand „als Aufwand zu behandeln sei, der unter die beschränkte Verlustberücksichtigung des § 8 Abs. 4 KStG fällt“.4 Bei einem Anteilseignerwechsel von mehr als 50 % sowie einer Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens war der Aufwand demnach steuerlich nicht zu berücksichtigen.5 Das Anwendungsschreiben zu § 8c KStG enthält zwar noch keine entsprechende Regelung und keinen Verweis auf die Übertragbarkeit des alten Rechts,6 jedoch ist mit einer Übertragung der Grundsätze zu § 8 Abs. 4 KStG a.F. auf § 8c KStG zu rechnen, so dass bei Besserungsabreden auch die Vorund Nachteile eines schädlichen Anteilseignerwechsels berücksichtigt werden sollten.7 Zur Konzernausnahme in § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG s. Rz. 2.99
3.37
Der Gläubiger hat die Verbindlichkeit bei Abgabe der Verzichtserklärung zunächst aus der Bilanz auszubuchen, sofern er die Darlehensforderung im Betriebsvermögen gehalten hat. Bei Eintritt der auflösenden Bedingung ist die Forderung wieder erfolgswirksam einzubuchen.8
3.38
1 BMF v. 2.12.2003 – IV A 2 - S 2743 - 5/03, BStBl. I 2003, 648 = FR 2004, 109; Förster/Wendland, GmbHR 2006, 169 (175). 2 Vgl. BMF v. 27.3.2003 – IV A 2 - S 2743 - 5/03, BStBl. I 2003, 648, Rz. 5; kritisch hierzu Becker, DStR 2003, 1602. 3 Vgl. Schwenker/Fischer, DStR 2010, 1117 (1119); Töben/Lohbeck/Specker, NWB 2009, 1484 (1489 ff.). 4 BMF v. 2.12.2003 – IV A 2 - S 2743 - 5/03, BStBl. I 2003, 648 = FR 2004, 109, Tz. 2d. 5 Vgl. auch Förster/Wendland, GmbHR 2006, 169 (175). 6 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2745-a/08/10001 – DOK 2008/0349554, BStBl. I 2008, 736 = FR 2008, 839; FR 2008, 886. 7 Kellersmann/Pannewig, Ubg 2009, 848 (856). 8 Eilers/Sieger/Wienands, Die Finanzierung der GmbH durch ihre Gesellschafter, Rz. 165, 169.
71
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
B. Schuldübernahme I. Ausgangsfall 3.39
Situation vor der Schuldübernahme Gläubiger
Darlehen
Altschuldner
Situation nach der Schuldübernahme Gläubiger
Altschuldner Darlehen Neuschuldner
II. Zivilrechtliche Beurteilung 3.40
Die Gesellschafter der Krisengesellschaft können zur Sanierung der Gesellschaft bestehende Darlehen der Gesellschaft auch schuldbefreiend übernehmen. Im Gegensatz zum Austausch des Forderungsinhabers im Rahmen einer Abtretung, ist eine befreiende Schuldübernahme gem. §§ 414, 415 Abs. 1, Abs. 2 BGB nur mit Zustimmung des Gläubigers möglich. Sofern der Gläubiger die Zustimmung nicht erteilt, kommt nur eine reine Erfüllungsübernahme in Betracht, die nur Rechte und Pflichten im Innenverhältnis zwischen dem Schuldner und dem Übernehmer begründet (§§ 415 Abs. 3, 329 BGB).1
3.41
Bei der Schuldübernahme gem. §§ 414 ff. BGB verpflichtet sich ein Dritter (Neuschuldner), eine Schuld inhaltlich unverändert von dem bisherigen Schuldner (Altschuldner) zu übernehmen. Der Neuschuldner tritt an die Stelle des Altschuldners; letzterer scheidet mit befreiender Wirkung aus dem Schuldverhältnis aus (rechtliche Schuldbefreiung). Die Schuldübernahme ist damit das Gegenstück zur Forderungsabtretung auf der Passivseite.2 Die Schuldübernahme kann entweder gem. § 414 BGB zwischen dem Neuschuldner und dem Gläubiger vereinbart werden, oder gem. § 415 BGB zwischen dem Neuschuldner und dem Altschuldner. In letzterem Fall bedarf die Schuldübernahme zur rechtlichen Wirksamkeit jedoch der Genehmigung des Gläubigers. Bis zu dieser Genehmigung ist die Vereinbarung schwebend unwirksam. Eine erteilte Genehmigung wirkt dabei regelmäßig auf den Zeitpunkt der Vereinbarung zurück (§ 184 Abs. 1 BGB). Während der Schwebezeit ist der Neuschuldner zur Freistellung des Altschuldners von Ansprüchen des Gläubigers verpflichtet.3 1 Vgl. hierzu auch M. Prinz, FR 2011, 445. 2 M. Prinz, FR 2011, 445. 3 Vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, § 415, Rz. 3 ff.
72
B. Schuldübernahme
Mit der Schuldübernahme erlöschen die für die Forderung bestellten Bürgschaften und Pfandrechte. Besteht für die Forderung eine Hypothek, so wird der Gläubiger so gestellt, als habe er auf die Hypothek verzichtet. Sollen die bestellten Pfandrechte oder die bestellte Hypothek zur Sicherung der Forderung bestehen bleiben, muss der Sicherungsgeber einwilligen (§ 418 BGB).1 Im Zweifel wird daher der Gläubiger der Schuldübernahme nur zustimmen, wenn der Sicherungsgeber gleichzeitig in den Fortbestand des Sicherungsmittels einwilligt.
3.42
Die Ausführungen zur Schuldübernahme gelten auch für die gesetzlich nicht geregelte Vertragsübernahme, d.h. für den Austausch des Vertragspartners bei inhaltlich gleichbleibenden Vertragsverhältnissen.2
3.43
Exkurs: Erfüllungsübernahme: Bei der Erfüllungsübernahme (§ 329 BGB) verpflichtet sich ein Dritter (Freistellungsverpflichteter) vertraglich, eine fremde Schuld zu erfüllen, ohne diese zu übernehmen.3 Das zugrunde liegende Rechtsverhältnis wird durch diesen Vertrag nicht berührt, vielmehr tritt die Erfüllungsübernahme als eigenständiges Rechtsverhältnis hinzu. Der Schuldner des zugrunde liegenden Schuldverhältnisses erwirbt aus der Erfüllungsübernahme einen Anspruch gegen den Freistellungsverpflichteten. Der Gläubiger des zugrunde liegenden Schuldverhältnisses erlangt gegen den Freistellungsverpflichteten hingegen keinen eigenständigen Anspruch.4 Die Vereinbarung einer reinen Erfüllungsübernahme dient regelmäßig dazu, die wirtschaftlichen Wirkungen einer Schuldbefreiung herzustellen, ohne das zugrunde liegende Rechtsverhältnis anzutasten.5
3.44
III. Ertragsteuerliche Konsequenzen 1. Ebene der Gesellschaft Auf Ebene der Gesellschaft ist die Verbindlichkeit mit Vorliegen der zivilrechtlichen Voraussetzungen der Schuldübernahme erloschen und damit bilanzrechtlich zunächst aus der Bilanz der Gesellschaft auszubuchen. Gleichzeitig ist ein Freistellungsanspruch gegenüber dem Gesellschafter in der Bilanz zu aktivieren.6
3.45
Die Aktivierung des zivilrechtlichen Freistellungsanspruchs führt zunächst im Rahmen eines Betriebsvermögensvergleiches i.S.d. § 4 Abs. 1 EStG zu einer Betriebsvermögensmehrung.7 Die Aktivierung des Freistel-
3.46
1 Zu den Anforderungen an die Einwilligung des Sicherungsnehmers vgl. Stürner in Jauernig, BGB, § 418, Rz. 1. 2 Vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, § 415, Rz. 398, Rz. 41 ff. 3 BGH v. 23.1.1996 – XI ZR 105/95, NJW 1996, 1052; v. 12.9.2001 – VIII ZR 67/00, ZIP 2002, 126: Drittschuldtilgungsvertrag. 4 Vgl. Möschl in MünchKomm/BGB, vor § 414, Rz. 25. 5 M. Prinz, FR 2011, 551 (558). 6 Schmidt/Hagenböke, DStR 2002, 2150 (2152). 7 So der Sachverhalt des FG Köln v. 16.3.2001 – 13 K 2920/99, DStRE 2001, 1193, vgl. auch Düll/Fuhrmann/Eberhard, DStR 2002, 1030.
73
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
lungsanspruchs ist jedoch durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, so dass steuerlich in vollem Umfang eine verdeckte Einlage des Gesellschafters vorliegt. Die handelsbilanzielle ertragswirksame Einbuchung des Freistellungsanspruches ist daher außerbilanziell als verdeckte Einlage wieder abzuziehen, so dass im Ergebnis die Schuldübernahme steuerlich neutral erfolgt.1 Die Schulden der Gesellschaft werden somit ergebnisneutral auf den Gesellschafter transferiert. Etwaige Ertragswirkungen im Zusammenhang mit der Tilgung der Darlehen oder dem Rückkauf der Schuld entstehen ausschließlich auf der Ebene des Gesellschafters.2
3.47
Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn der Gesellschafter wirtschaftlich in der Lage ist, die Gesellschaft in vollem Umfang von der Darlehensverbindlichkeit freizustellen bzw. die Schuld in vollem Umfang zu tilgen und er von vornherein und unbedingt auf jegliche Regressansprüche gegenüber der Gesellschaft verzichtet. Liegt kein derartiger Verzicht auf Regressansprüche vor und verzichtet der Gesellschafter erst anschließend auf die Geltendmachung des Regressanspruches, liegt ein Forderungsverzicht durch den Gesellschafter vor.3 Zur steuerlichen Behandlung des Forderungsverzichtes durch den Gesellschafter s. Rz. 3.5 ff. 2. Ebene des Gesellschafters
3.48
Auf Ebene des Gesellschafters ist die übernommene Verbindlichkeit als eigene Schuld in der Bilanz zu passivieren.4 Da lediglich ein Austausch der Schuldnerschaft stattgefunden hat, der das zugrunde liegende Schuldverhältnis nicht berührt hat, ist die Verbindlichkeit nach denselben Vorschriften zu bilanzieren wie ursprünglich bei der Gesellschaft.5 Überlegungen, wonach Verpflichtungen im Rahmen einer Schuldübernahme sich stets in Freistellungsverpflichtungen umwandeln sollen,6 sind unseres Erachtens nicht zutreffend, da eine derartige Umwandlung mit dem Prinzip der rechtlichen Schuldidentität nicht vereinbar wäre.7 Auswirkungen haben diese unterschiedlichen Ansichten jedoch nur in den Fällen, in denen die Schuldübernahme entgeltlich erfolgt, da in diesen Konstellationen eventuelle steuerliche Ansatzverbote auf Seiten der Gesellschaft zum Tragen kommen könnten.8 Im Falle des Gesellschafters, der eine Schuldübernahme zur Sanierung seiner Gesellschaft durchführt, wird diese jedoch in der Regel unentgeltlich erfolgen, so dass steuerliche Ansatzverbote insoweit unerheblich sind. 1 Schmidt/Hagenböke, DStR 2002, 2150 (2153). 2 Vgl. Herzig/Liekenbrock, Ubg 2011, 313 (321). 3 Grundlegend hierzu BFH v. 20.12.2001 – I B 74/01, BFH/NV 2002, 678 = DStRE 2002, 2150. 4 Schmidt/Hagenböke, DStR 2002, 2150 (2152). 5 Vgl. M. Prinz, FR 2001, 445 (450). 6 Vgl. Bogenschütz, Ubg 2008, 135 (139); Schultz, DB 2011, 608 (610). 7 Vgl. hierzu ausführlich M. Prinz, FR 2011, 445 (450). 8 Zur Anwendbarkeit steuerlicher Ansatzverbote auf entgeltliche Schuldübernahmen vgl. M. Prinz, FR 2011, 445 (449 ff.); Ley, DStR 2007, 589; Kolbe, StuB 2009, 237.
74
B. Schuldübernahme
In gleicher Höhe liegt ferner eine verdeckte Einlage aus der Schuldübernahme in die Gesellschaft vor, die korrespondierend zu einer erfolgswirksamen Zuschreibung des Beteiligungswertes an der Gesellschaft führt.1 Die Zuschreibung auf den Buchwert der Beteiligung erfolgt in Höhe der verdeckten Einlage, also in Höhe des Nennwertes der übernommenen Verbindlichkeit (§ 6 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 5 Abs. 6 EStG).2 Auf die Werthaltigkeit der Darlehensforderung kommt es insoweit nicht an.3
3.49
Teilweise kann die steuerliche Behandlung der Schuldübernahme durch die Finanzverwaltung jedoch von den oben genannten Grundsätzen abweichen. So kann z.B. in den Fällen, in denen ein Gesellschafter seine eigene Forderung gegenüber der Gesellschaft übernimmt, die Schuldübernahme eher nach den Grundsätzen des Forderungsverzichtes zu behandeln sein (Rz. 3.5 ff.), da in diesem Fall beide Rechtshandlungen einander stark angenähert und die Rechtsfolgen identisch sind.4 Zudem kann auch in Fällen, in denen nicht der Gläubiger selbst, sondern eine ihm nahestehende Person die Schuld übernimmt, ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten von der Finanzverwaltung angenommen werden, so dass die Schuldübernahme ebenfalls wie ein Forderungsverzicht zu behandeln wäre. Zwar dürfte eine Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs mit Blick auf den BFH-Beschluss v. 20.12.2001 in aller Regel zu verneinen sein,5 jedoch besteht insoweit keine endgültige Rechtssicherheit.6
3.50
Eine abweichende Behandlung der Schuldübernahme von den allgemeinen Grundsätzen ist zudem auch dann vorzunehmen, wenn der Gesellschafter den Regressverzicht zugunsten der Gesellschaft nicht ausdrücklich und von vornherein ausspricht, sondern dieser stillschweigend zwischen den Parteien vereinbart oder sogar erst bei Fortschreiten der Krise gegenüber der Gesellschaft erklärt wird. In diesem Fall erwirbt der Gesellschafter zunächst durch die Schuldübernahme einen Regressanspruch gegen die Gesellschaft. Verzichtet er hierauf nachträglich, erhöhen sich die nachträglichen Anschaffungskosten seiner Beteiligung an
3.51
1 Vgl. Düll/Fuhrmann/Eberhard, DStR 2002, 1030; Schmidt/Hageböke, DStR 2002, 2150 (2153). 2 Vgl. Schmidt/Hageböke, DStR 2002, 1203; Schmidt/Hageböke, DStR 2002, 2150 (2153); Hoffmann, GmbHR 2002, 223; Hoffmann, DStR 2002, 1237. 3 Vgl. Herzig/Liekenbrock, Ubg 2011, 313 (321); Düll/Fuhrmann/Eberhard, DStR 2002, 1030; Schmidt/Hageböke, DStR 2002, 2153; Töben/Lohbeck/Specker, NWB 2009, 1492; Bogenschütz, Ubg 2010, 410 f.; Hierstetter, DStR 2010, 882 (886); a.A. Schmidt/Mielke, Ubg 2009, 397; Förster, Ubg 2010, 763. 4 Hierstetter, DStR 2010, 882, 886; Loose/Maier in Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, § 17 Fn. 166. 5 Gosch, StBp 2002, 117; Hoffmann, GmbHR 2002, 222; Schmidt/Hageböke, DStR 2002, 2150; Hierstetter, DStR 2010, 882 (886). 6 Vgl. hierzu auch BFH v. 29.8.2007 – IX R 17/07, BStBl. II 2008, 502 = EStB 2008, 90 = DStRE 2008, 313, hiernach wurde ein Gestaltungsmissbrauch bei der wechselseitigen Übernahme von Verbindlichkeiten durch nahe stehende Personen angenommen.
75
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
der Gesellschaft nur in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung (Rz. 3.16 ff.).1
C. Schuldbeitritt I. Ausgangsfall 3.52
Situation vor dem Schuldbeitritt Gläubiger
Schuldner
Darlehen
Situation nach dem Schuldbeitritt
Gläubiger
Darlehen
Leistungsanspruch
Originär-Schuldner Freistellungsanspruch Zusatzschuldner Gesamtschuldnerschaft
II. Zivilrechtliche Beurteilung 3.53
Neben den gesetzlich geregelten Schuldbefreiungsmöglichkeiten wurde durch die Rechtsprechung zu Beginn des letzten Jahrhunderts der Schuldbeitritt entwickelt.2 Praktische Anwendung findet der Schuldbeitritt z.B. als Gestaltungsinstrument zur bilanzmäßigen Zuordnung von Pensionsverbindlichkeiten bei Umstrukturierungen von Unternehmen und Unternehmensgruppen.3
3.54
Beim Schuldbeitritt tritt ein Dritter (Zusatzschuldner) neben den bisherigen Schuldner (Originärschuldner). Relevant ist hier der Fall, dass der Gesellschafter als Zusatzschuldner neben die Gesellschaft als Originärschuldner tritt. Das bloße Versprechen, den Gläubiger des Originärschuldners zu befriedigen, ist im Zweifel nicht als Schuldbeitritt anzusehen.4 Im Gegensatz zur Schuldübernahme erfolgt durch den Schuldbeitritt 1 Vgl. BFH v. 31.5.2005 – X R 36/02, BStBl. II 2005, 707 = GmbH-StB 2005, 287 = EStB 2005, 316 = DStR 2005, 1389; Schmidt/Mielke, Ubg 2009, 395 (397); es erfolgt eine dem Forderungsverzicht identische Behandlung. 2 Erstmals durch RG v. 14.11.1904 – VI 12/04, RGZ 59, 232 (233). 3 Vgl. auch M. Prinz, FR 2011, 445; zu den wirtschaftlichen Hintergründen vgl. Wellisch/Bleckmann, DB 2006, 120; Heger, BB 2006, 539; Hoffmann, StuB 2010, 121. 4 Gottwald in MünchKomm/BGB, § 329, Rz. 4.
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Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
der Gesellschaft nur in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung (Rz. 3.16 ff.).1
C. Schuldbeitritt I. Ausgangsfall 3.52
Situation vor dem Schuldbeitritt Gläubiger
Schuldner
Darlehen
Situation nach dem Schuldbeitritt
Gläubiger
Darlehen
Leistungsanspruch
Originär-Schuldner Freistellungsanspruch Zusatzschuldner Gesamtschuldnerschaft
II. Zivilrechtliche Beurteilung 3.53
Neben den gesetzlich geregelten Schuldbefreiungsmöglichkeiten wurde durch die Rechtsprechung zu Beginn des letzten Jahrhunderts der Schuldbeitritt entwickelt.2 Praktische Anwendung findet der Schuldbeitritt z.B. als Gestaltungsinstrument zur bilanzmäßigen Zuordnung von Pensionsverbindlichkeiten bei Umstrukturierungen von Unternehmen und Unternehmensgruppen.3
3.54
Beim Schuldbeitritt tritt ein Dritter (Zusatzschuldner) neben den bisherigen Schuldner (Originärschuldner). Relevant ist hier der Fall, dass der Gesellschafter als Zusatzschuldner neben die Gesellschaft als Originärschuldner tritt. Das bloße Versprechen, den Gläubiger des Originärschuldners zu befriedigen, ist im Zweifel nicht als Schuldbeitritt anzusehen.4 Im Gegensatz zur Schuldübernahme erfolgt durch den Schuldbeitritt 1 Vgl. BFH v. 31.5.2005 – X R 36/02, BStBl. II 2005, 707 = GmbH-StB 2005, 287 = EStB 2005, 316 = DStR 2005, 1389; Schmidt/Mielke, Ubg 2009, 395 (397); es erfolgt eine dem Forderungsverzicht identische Behandlung. 2 Erstmals durch RG v. 14.11.1904 – VI 12/04, RGZ 59, 232 (233). 3 Vgl. auch M. Prinz, FR 2011, 445; zu den wirtschaftlichen Hintergründen vgl. Wellisch/Bleckmann, DB 2006, 120; Heger, BB 2006, 539; Hoffmann, StuB 2010, 121. 4 Gottwald in MünchKomm/BGB, § 329, Rz. 4.
76
C. Schuldbeitritt
kein Schuldnerwechsel, vielmehr erlangt der Gläubiger durch den Beitretenden einen zusätzlichen Schuldner. Hierdurch entsteht eine Schuldnermehrheit im Rahmen einer Gesamtschuldnerschaft (§§ 421 ff. BGB). Die Schuld des Zusatzschuldners bestimmt sich inhaltlich nach der Schuld des Originärschuldners im Zeitpunkt des Schuldbeitritts. Der Gläubiger kann die Leistung nach Belieben entweder vom Originärschuldner oder vom Zusatzschuldner fordern. Insgesamt kann er die Leistung jedoch nur einmal fordern. Der Schuldbeitritt kann zwischen dem Zusatzschuldner und dem Gläubiger oder zwischen dem Zusatzschuldner und dem Originärschuldner vereinbart werden. In diesem Fall ist eine Zustimmung des Gläubigers nicht erforderlich, weil sich hierdurch seine Position verbessert. Es handelt sich daher um einen Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB).1 Der Ausgleich im Innenverhältnis zwischen Originärgläubiger und Zusatzschuldner bestimmt sich grds. nach § 426 Abs. 1 BGB, wonach eine Lastenverteilung nach Köpfen erfolgt. Hiervon kann jedoch im Einzelfall vertraglich abgewichen werden.2 Erfüllt einer der Schuldner die Forderung, wirkt die Erfüllung gem. § 422 Abs. 1 BGB auch für den anderen Schuldner.
III. Ertragsteuerliche Konsequenzen 1. Behandlung beim Originärschuldner (Gesellschaft) Aufgrund des Schuldbeitritts mit interner Erfüllungsübernahme ist der Zusatzschuldner fortan verpflichtet, die Forderung gegenüber dem Gläubiger zu erfüllen. Sofern der Zusatzschuldner leistungsfähig ist, besteht für den Originärschuldner nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung keine Veranlassung mehr, von einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger auszugehen. Konsequenterweise ist die bislang bilanzierte Verbindlichkeit erfolgswirksam aus der Bilanz der Gesellschaft auszubuchen.3 Dies gilt auch dann, wenn der Schuldbeitritt unentgeltlich erfolgt ist.4 Maßgeblich ist allein, dass im Innenverhältnis zwischen dem Originärschuldner und dem Zusatzschuldner sich der Zusatzschuldner zur alleinigen Lastentragung verpflichtet hat.5
3.55
Eine andere bilanzielle Betrachtung käme trotz Ausschluss eines Regressanspruchs erst wieder dann in Betracht, wenn sich die Leistungsfähigkeit
3.56
1 M. Prinz, FR 2011, 445 (447); Gottwald in MünchKomm/BGB, § 329, Rz. 4. 2 Zur Möglichkeit der abweichenden Lastenverteilung durch Rechtsgeschäft vgl. Stürner in Jauernig, BGB, § 426, Rz. 4 ff. 3 Vgl. Schmidt/Mielke, Ubg 2009, 395 (397); Ellrott/Rhiel in BeckBilKo, § 249 HGB, Rz. 220; ADS, § 246 HGB, Rz. 422, § 249 HGB, Rz. 92, § 253 HGB, Rz. 144; Heinrichs in MünchKomm/AktG, § 251 HGB, Rz. 31; Wellisch/Bleckmann, DB 2006, 120 (122); Hoffmann, StuB 2010, 165 (166). 4 M. Prinz, FR 2011, 551 (556); a.A. Wellisch/Bleckmann, DB 2006, 120; Hoffmann, StuB 2010, 121 (122). 5 Vgl. FG Münster v. 19.8.2009 – 11 K 2899/06 F, EFG 2009, 1922; so auch Schmidt/Mielke, Ubg 2009, 395 (397).
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Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
des Zusatzschuldners derart verschlechtert hat, dass der Originärschuldner wieder ernsthaft mit einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger rechnen muss.1 Den vorstehenden Ausführungen steht nicht entgegen, dass der Gläubiger auch weiterhin die Erfüllung der Verbindlichkeit direkt vom Originärschuldner verlangen kann, da dieser insoweit direkt aus dem Schuldbeitritt einen Anspruch gegen den Zusatzschuldner auf Übernahme der Erfüllung hat.2 Steuerrechtlich ist aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) die Verbindlichkeit ebenfalls aus der Bilanz auszubuchen.3 Hierdurch entsteht ein steuerlich wirksamer Ertrag. Sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, kann dieser Gewinn nach Maßgabe des Sanierungserlasses besteuert werden (Rz. 2.30 ff.). Findet der Sanierungserlass hingegen keine Anwendung und kann der Gewinn auch nicht mit bestehenden Verlusten verrechnet werden, führt das Sanierungsinstrument zu einem Anfall von Ertragsteuer, durch welche die sich bereits in der Krise befindende Gesellschaft noch weiter belastet wird.
3.57
Ein Ausweis einer Freistellungsforderung gegenüber dem Zusatzschuldner kommt grds. nicht in Betracht. Etwas anderes kann dann gelten, wenn der Originärschuldner bereits Leistungen an den Gläubiger erbracht hat, die vom Zusatzschuldner aufgrund der Vereinbarung der Erfüllungsübernahme zu erstatten sind.4 2. Behandlung beim Zusatzschuldner (Gesellschafter)
3.58
Der Schuldbeitritt in Kombination mit der internen Erfüllungsübernahme führt zu einer Passivierungspflicht der Verbindlichkeit in der Handelsbilanz des Zusatzschuldners. Aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes der Steuerbilanz ist auch steuerlich die Verbindlichkeit anzusetzen.5
D. Rangrücktrittserklärungen I. Grundlagen 3.59
Durch eine Rangrücktrittserklärung erklärt ein Gläubiger dass eine bestimmte Forderung als nachrangige Forderung hinter denen der übrigen Gläubiger zurücksteht. Je nach Ausgestaltung der Vereinbarung erstreckt 1 Vgl. sinngemäß BFH v. 5.4.2006 – I R 46/04, BStBl. II 2006, 688 = FR 2006, 828. 2 M. Prinz, FR 2011, 551 (557). 3 Wellisch/Bleckmann, DB 2006, 120 (122); Hagemann, BB 2009, 2250; M. Prinz, FR 2011, 551 (557). Vgl. auch FG Münster v. 19.8.2009 – 11 K 2899/06 F, EFG 2009, 1922; sinngemäß BFH v. 5.4.2006 – I R 46/04, BStBl. II 2006, 688 = FR 2006, 826; v. 8.10.2008 – I R 3/06, BStBl. II 2010, 186 = FR 2009, 539 = GmbH-StB 2009, 33. Zur abweichenden Behandlung eines Schuldbeitrittes zu Pensionsverpflichtungen durch die Finanzverwaltung vgl. BMF v. 16.12.2005 – IV B 2 - S 2176 103/05, BStBl. I 2005, 1052 = FR 2006, 147. 4 Vgl. Gottwald in MünchKomm/BGB, § 329, Rz. 17. 5 M. Prinz, FR 2011, 551 (559).
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Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
des Zusatzschuldners derart verschlechtert hat, dass der Originärschuldner wieder ernsthaft mit einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger rechnen muss.1 Den vorstehenden Ausführungen steht nicht entgegen, dass der Gläubiger auch weiterhin die Erfüllung der Verbindlichkeit direkt vom Originärschuldner verlangen kann, da dieser insoweit direkt aus dem Schuldbeitritt einen Anspruch gegen den Zusatzschuldner auf Übernahme der Erfüllung hat.2 Steuerrechtlich ist aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) die Verbindlichkeit ebenfalls aus der Bilanz auszubuchen.3 Hierdurch entsteht ein steuerlich wirksamer Ertrag. Sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, kann dieser Gewinn nach Maßgabe des Sanierungserlasses besteuert werden (Rz. 2.30 ff.). Findet der Sanierungserlass hingegen keine Anwendung und kann der Gewinn auch nicht mit bestehenden Verlusten verrechnet werden, führt das Sanierungsinstrument zu einem Anfall von Ertragsteuer, durch welche die sich bereits in der Krise befindende Gesellschaft noch weiter belastet wird.
3.57
Ein Ausweis einer Freistellungsforderung gegenüber dem Zusatzschuldner kommt grds. nicht in Betracht. Etwas anderes kann dann gelten, wenn der Originärschuldner bereits Leistungen an den Gläubiger erbracht hat, die vom Zusatzschuldner aufgrund der Vereinbarung der Erfüllungsübernahme zu erstatten sind.4 2. Behandlung beim Zusatzschuldner (Gesellschafter)
3.58
Der Schuldbeitritt in Kombination mit der internen Erfüllungsübernahme führt zu einer Passivierungspflicht der Verbindlichkeit in der Handelsbilanz des Zusatzschuldners. Aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes der Steuerbilanz ist auch steuerlich die Verbindlichkeit anzusetzen.5
D. Rangrücktrittserklärungen I. Grundlagen 3.59
Durch eine Rangrücktrittserklärung erklärt ein Gläubiger dass eine bestimmte Forderung als nachrangige Forderung hinter denen der übrigen Gläubiger zurücksteht. Je nach Ausgestaltung der Vereinbarung erstreckt 1 Vgl. sinngemäß BFH v. 5.4.2006 – I R 46/04, BStBl. II 2006, 688 = FR 2006, 828. 2 M. Prinz, FR 2011, 551 (557). 3 Wellisch/Bleckmann, DB 2006, 120 (122); Hagemann, BB 2009, 2250; M. Prinz, FR 2011, 551 (557). Vgl. auch FG Münster v. 19.8.2009 – 11 K 2899/06 F, EFG 2009, 1922; sinngemäß BFH v. 5.4.2006 – I R 46/04, BStBl. II 2006, 688 = FR 2006, 826; v. 8.10.2008 – I R 3/06, BStBl. II 2010, 186 = FR 2009, 539 = GmbH-StB 2009, 33. Zur abweichenden Behandlung eines Schuldbeitrittes zu Pensionsverpflichtungen durch die Finanzverwaltung vgl. BMF v. 16.12.2005 – IV B 2 - S 2176 103/05, BStBl. I 2005, 1052 = FR 2006, 147. 4 Vgl. Gottwald in MünchKomm/BGB, § 329, Rz. 17. 5 M. Prinz, FR 2011, 551 (559).
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D. Rangrücktrittserklärungen
sich der Rangrücktritt auch auf die mit der Forderung verbundenen künftigen Zinsansprüche bzw. auch auf rückständige Zinsen.1 In der Praxis werden häufig im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen, die in der Krise langfristig bestehen bleiben müssen, Rangrücktritte ausgesprochen, damit sie für Zwecke der insolvenzrechtlichen Überschuldungsbilanz als Eigenkapital qualifiziert werden können.2 Hierdurch kann die Überschuldung der Gesellschaft verhindert werden, und die Insolvenzantragspflicht der Organe vermieden werden.3 Hieran werden vor allem die Organe der Gesellschaft in der Krise ein zunehmendes Interesse haben, um die schadensersatzrechtlichen und strafrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen die Insolvenzantragspflicht zu vermeiden.4
3.60
Zwar wurde durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz vom 17.10.20085 festgelegt, dass eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne dann nicht vorliegt, wenn die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Ein Rangrücktritt kann jedoch um Hinblick auf mögliche Unsicherheiten hinsichtlich der Fortbestehensprognose und deren Dokumentationen sinnvoll sein.6
3.61
II. Zivilrechtliche Beurteilung Aus zivilrechtlicher Sicht handelt es sich bei dem Rangrücktritt um einen schuldändernden Vertrag i.S.d. § 311 BGB zwischen der Gesellschaft und dem jeweiligen Gesellschafter.7 Dieser ist nach der h.M. als sog. „pactum de non petendo“ einzustufen, so dass der Gesellschaft gegen die Geltendmachung der Darlehensforderung durch den Gesellschafter eine Einrede zusteht.8
3.62
Durch Inkrafttreten des MoMiG haben sich die insolvenzrechtlichen Grundlagen des Rangrücktrittes grundlegend verändert.9 Unter Geltung der Konkursordnung bestand lange Zeit weitgehend Einigkeit darüber, dass ein sog. einfacher Rangrücktritt ausreichend ist, um die Passivierung eines eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens in der Überschuldungsbilanz zu vermeiden.10 Ein einfacher Rangrücktritt lag vor, wenn
3.63
1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. ADS, § 246 HGB, Anm. 135. Vgl. § 19 InsO. Kahlert/Gehrke, DStR 2010, 227. Vgl. hierzu Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Rz. 6 ff. BGBl. I 2008, 1982. Vgl. Schmidt/Mielke, Ubg 2009, 395 (397). Lang, DStZ 2006, 789. Eilers/Sieger/Wienands, Die Finanzierung der GmbH durch ihre Gesellschafter, Rz. 160; Crezelius in Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in der Krise, Sanierung und Insolvenz, Rz. 655 f. 9 Kahlert/Gehrke, DStR 2010, 227. 10 Fischer, GmbHR 2000, 66 m.w.N.
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Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
der Gläubiger erklärte, dass er mit seiner Forderung hinter die Forderungen aller anderen Gläubiger zurücktrete.1 Im Grundsatzurteil vom 8.1. 2001 hat der BGH jedoch entschieden, dass ein Ausweis in der Überschuldungsbilanz nur dann nicht erfolgt, wenn es sich um einen sog. qualifizierten Rangrücktritt handelt.2 Ein qualifizierter Rangrücktritt liegt vor, wenn der Gläubiger-Gesellschafter nicht nur hinter alle anderen Gläubiger den Rangrücktritt erklärte, sondern zusätzlich erklärte, dass seine Forderung nur in gleicher Weise wie Einlagerückgewähransprüche der Mitgesellschafter befriedigt werden sollte. Nur in einem solchen Fall würde die Gesellschafterforderung insolvenzrechtlich wie Eigenkapital behandelt.
3.64
Im Rahmen des Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.20083 wurde der Rangrücktritt erstmals gesetzlich kodifiziert. Nunmehr ist gesetzlich geregelt, unter welchen Voraussetzungen Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder wirtschaftlich entsprechender Leistungen in der Überschuldungsbilanz nicht zu berücksichtigen sind. Gemäß § 19 Abs. 2 InsO wird das Gesellschafterdarlehen bei der Ermittlung des Überschuldungsstatus nicht als Verbindlichkeit gewertet, wenn zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO vereinbart worden ist.4 Diese Regelung beruht auf der Neuregelung der Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder wirtschaftlich entsprechender Leistungen. Das Kapitalersatzrecht wurde abgeschafft. Stattdessen werden die damit verbundenen Themen nun im Insolvenz- und Anfechtungsrecht geregelt.5 Folgte nach bisheriger Rechtslage aus der Verstrickung als Eigenkapitalersatz der Nachrang in der Insolvenz, knüpft nun der Nachrang in der Insolvenz allein daran an, dass ein Gesellschafter der Gesellschaft eine entsprechende Leistung gewährt hat (§ 35 Abs. 1 Nr. 5 InsO).
3.65
Damit ist es nun zulässig, Gesellschafterdarlehen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückzuzahlen, weil § 35 Abs. 1 Nr. 5 InsO nur einen Nachrang im Insolvenzverfahren regelt, aber keine Regelung für Zahlungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens trifft. Dies gilt auch im Falle der Vereinbarung eines Rangrücktritts gem. §§ 19 Abs. 2 Satz 2, 39 Abs. 2 InsO, der für eine Nichtberücksichtigung in der Überschuldungsbilanz erforderlich ist, weil auch dieser lediglich einen Nachrang im Insolvenzverfahren zum Gegenstand hat.6 Zahlungen an den Gesellschafter sind nach § 30 GmbHG nur noch dann verboten, wenn sie aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen stammen. Daher wird von 1 BFH v. 30.3.1993 – IV R 57/91, BStBl. II 1993, 502 = DStR 1993, 871. 2 BGH v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, DStR 2001, 175 m. Anm. Goette = GmbH-StB 2001, 77; dazu Priester, EWiR 2001, 329. 3 BGBl. I 2008, 2026. 4 Vgl. Schmidt/Mielke, Ubg 2009, 395 (397); Förster, Ubg 2010, 764. 5 Vgl. Kahlert/Gehrke, DStR 2010, 227 (228) m.w.N. 6 Kahlert/Gehrke, DStR 2010, 227 (228).
80
D. Rangrücktrittserklärungen
Teilen der Literatur die Auffassung vertreten, dass ein mit einem Rangrücktritt versehenes Darlehen nur dann nicht in der Überschuldungsbilanz auftreten soll, wenn der entsprechende Rangrücktritt nicht nur im Insolvenzverfahren gelte, sondern auch bereits für die Zeit davor.1 Dieser Auffassung steht jedoch der eindeutige Gesetzeswortlaut des § 19 Abs. 2 InsO entgegen und sie ist daher abzulehnen.2 Eine besondere Form der Rangrücktrittsvereinbarung ist nach dem MoMiG daher nicht mehr erforderlich. Insbesondere muss ein qualifizierter Rangrücktritt im Sinne der BGH-Rechtsprechung nicht mehr vereinbart werden.3 Der Rangrücktritt berührt das bestehenden Schuldverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter dem Grunde nach nicht, da sich lediglich die Tilgungsreihenfolge für die Gesellschaft verändert hat. Die Verbindlichkeit besteht im zivilrechtlichen Sinne weiter fort. so dass der Rangrücktritt keinerlei Auswirkung auf die Bilanzierung in der Handelsbilanz der Gesellschaft hat. Die Verbindlichkeit ist somit weiterhin in der Bilanz zu erfassen.4
3.66
III. Steuerliche Konsequenzen 1. Ebene der Gesellschaft Der Rangrücktritt hat grds. auch keine Auswirkungen auf die Bilanzierung der Verbindlichkeit in der Steuerbilanz. Sie ist weiterhin als Fremdkapital in der Bilanz auszuweisen, da durch einen Rangrücktritt die Verbindlichkeit nicht vermindert, sondern lediglich die Reihenfolge der Tilgung geändert wird.5
3.67
Diese Betrachtungsweise galt auch schon für die Beurteilung von Rangrücktritten vor dem MoMiG, und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen einfachen oder um einen qualifizierten Rangrücktritt handelte. Der BFH6 hat festgestellt, dass ein Rangrücktritt nicht wie ein Forderungsverzicht (Rz. 3.1 ff.) zu behandeln sei, da der Gesellschafter nicht auf die Geltendmachung der Forderung verzichtet, sondern die Forderung lediglich bis zur Überwindung der Krise im Rang zurücktrete. Dieser Auffassung hat sich auch die Finanzverwaltung angeschlossen.7
3.68
1 Haas, DStR 2009, 326; Goetsch in Blerch/Goetsch/Haas, InsO, Stand 11/2008, § 19, Rz. 47; Funk, BB 2009, 867 (869). 2 So auch Kahlert/Gehrke, DStR 2010, 227 (228 ff.). 3 Formulierungsvorschläge für einen Rangrücktritt nach dem MoMiG finden sich bei Kahlert/Gehrke, DStR 2010, 227 (228 ff.). 4 Vgl. Herzig/Liekenbrock, Ubg 2011, 313 (319). 5 BMF v. 8.9.2006 – IV B 2 - S 2133 - 10/06, BStBl. I 2006, 497 = FR 2006, 947, Tz. 4; BFH v. 10.11.2005 – IV R 13/04, BStBl. II 2006, 618 = EStB 2006, 45; Förster/ Wendland, GmbHR 2006, 169 (176); Funk, BB 2009, 867 (870). 6 BFH v. 10.11.2005 – IV R 13/04, BStBl. II 2006, 618 = EStB 2006, 45 = DStR 2006, 75 = ZIP 2006, 249 m. Anm. Kahlert. 7 BMF v. 8.9.2006 – IV B 2 - S 2133 - 10/06, BStBl. I 2006, 497 = FR 2006, 947; dazu Kahlert/Rühland, ZinsO 2006, 1009.
81
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
3.69
Allerdings war bei Rangrücktritten die Vorschrift des § 5 Abs. 2a EStG zu beachten. Nach dieser Vorschrift gilt ein Passivierungsverbot für Verbindlichkeiten und Rückstellungen, die nur zu erfüllen sind, wenn zukünftige Gewinne oder Einnahmen anfallen. Die Verbindlichkeiten dürfen erst dann in der Steuerbilanz angesetzt werden, wenn die Einnahmen und Gewinne auch tatsächlich angefallen sind.1
3.70
Hinsichtlich der Frage der Anwendbarkeit dieser Vorschrift wurde zwischen einem einfachen und einem qualifizierten Rangrücktritt unterschieden.
3.71
Ein einfacher Rangrücktritt liegt vor, wenn vereinbart wird, dass eine Rückzahlung nur zu erfolgen hat, wenn die Gesellschaft dazu aus künftigen Gewinnen, einem Liquidationsüberschuss oder aus sonstigem freiem Vermögen in der Lage ist, und wenn der Gläubiger mit seiner Forderung im Rang hinter alle anderen Gläubiger zurücktritt.2 Erklärt dagegen der Gesellschafter, dass eine Befriedigung seiner Forderung nicht erst nach der Befriedigung aller anderen Gläubiger, sondern nur gleichzeitig mit den Einlagerückgewähransprüchen der übrigen Gesellschafter erfolgen soll, liegt ein qualifizierter Rangrücktritt vor.3
3.72
Auf den einfachen Rangrücktritt sollte § 5 Abs. 2a EStG unproblematisch Anwendung finden, da in diesem Fall die nachrangige Verbindlichkeit nur aus künftigen Gewinnen und Liquidationsüberschüssen getilgt werden muss, nicht aber auch aus sonstigem freiem Vermögen.4 Die für die Anwendung der Vorschrift erforderliche Abhängigkeit zwischen Verbindlichkeit und Einnahmen bzw. Gewinnen entfiel jedoch nach Ansicht der Finanzverwaltung beim qualifizierten Rangrücktritt, da in diesem Fall auch eine Tilgung aus sonstigem freiem Vermögen möglich ist. Daher durfte die Verbindlichkeit nicht bilanziert werden, wenn eine Bezugnahme auf die Tilgungsmöglichkeit aus sonstigem freiem Vermögen fehlte.5 Der BFH hingegen vertrat die Auffassung, dass bei einer fehlenden Präzisierung eines Rangrücktrittes nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine Tilgung aus freiem Vermögen ausgeschlossen sein soll. Vielmehr ging er davon aus, das ein solcher Tilgungsausschluss nur dann vorlag, wenn er ausdrücklich vereinbart wurde.6
1 Bzgl. der Voraussetzungen des Passivierungsverbotes nach § 5 Abs. 2a EStG vgl. Buciek in Blümich, EStG, § 5, Rz. 758 ff. 2 BMF v. 8.9.2006 – IV B 2 - S 2133 - 10/06, BStBl. I 2006, 497 = FR 2006, 947, Tz. 1. Eine abweichende Auffassung vertritt hierzu Neumann, GmbH-StB 2009, 192 (194), der in diesem Fall von einer Kombination aus Rangrücktritt und Besserungsabrede ausgeht. 3 BMF v. 8.9.2006 – IV B 2 - S 2133 - 10/06, BStBl. I 2006, 497 = FR 2006, 947, Tz. 2. 4 BMF v. 8.9.2006 – IV B 2 - S 2133 - 10/06, BStBl. I 2006, 497 = FR 2006, 947, Tz. 6; a.A. Hölzle, FR 2004, 1197. 5 BMF v. 8.9.2006 – IV B 2 - S 2133 - 10/06, BStBl. I 2006, 497 = FR 2006, 947, Tz. 6. 6 Vgl. BFH v. 10.11.2005 – IV R 13/04, BStBl. II 2006, 618 = EStB 2006, 45.
82
D. Rangrücktrittserklärungen
Durch die Einführung des MoMiG ist der Rangrücktritt nun gesetzlich in § 19 Abs. 2 InsO geregelt worden. Die Rechtsprechung des BFH zu den Rangrücktritten vor Einführung des MoMiG ist jedoch auch auf den Rangrücktritt im Sinne von § 19 Abs. 2 InsO übertragbar. So ist auch weiterhin die Beurteilung des BFH gültig, wonach der qualifizierte Rangrücktritt deshalb nicht als Forderungsverzicht zu beurteilen sei, weil die Forderung bis zur Überwindung der Krise nur im Rang zurücktrete.1 Dies gilt unabhängig davon, ob der Rangrücktritt nur im Insolvenzverfahren greift, wie die Vorschrift des § 19 Abs. 2 InsO als ausreichend erachtet, oder aufgrund einer besonderen Absprache zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft der Rangrücktritt bereits vorher greifen soll. Eine derartige Vereinbarung kann aus Finanzierungsgründen angebracht sein. Denn vergleichbar mit einem qualifizierten Rangrücktritt wird nur die Rangfolge der Forderungen verändert. Demnach kann nach der Rechtsprechung des BFH ein derartiger Rangrücktritt nicht als Forderungsverzicht beurteilt werden.2
3.73
Auch § 5 Abs. 2a EStG steht der Bilanzierung der Verbindlichkeit in der Bilanz der Gesellschaft nicht entgegen. Die Anwendbarkeit von § 5 Abs. 2a EStG auf den qualifizierten Rangrücktritt hat der BFH mit der Begründung abgelehnt, dass nicht auf eine Tilgung aus einem Liquidationsüberschuss oder aus sonstigem freiem Vermögen verzichtet wird. Bei einem Rangrücktritt nach §§ 19 Abs. 2 Satz 2, 39 Abs. 2 InsO wird ebenfalls kein Verzicht auf die Tilgung aus einem Liquidationsüberschuss oder sonstigem freiem Vermögen vereinbart. Dies gilt bei einem Rangrücktritt im Insolvenzverfahren insbesondere auch deshalb, weil der Rangrücktritt nach § 19 Abs. 2 InsO gerade keine Auszahlungssperre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt.3 § 5 Abs. 2a EStG findet demnach auf den Rangrücktritt nach §§ 19 Abs. 2 Satz 2, 39 Abs. 2 InsO keine Anwendung.4 Die Rangrücktrittsvereinbarung muss auch keine ausdrückliche Regelung enthalten, wonach eine Tilgung aus „sonstigem freiem Vermögen“ zu erfolgen habe.5
3.74
Im Zweifel sollte die Rangrücktrittsvereinbarung dennoch einen ausdrücklichen Hinweis darauf enthalten, dass eine Rückzahlung auch aus einem Liquidationsüberschuss oder aus dem sonstigen freien Vermögen zu erfolgen hat, um eine Anwendbarkeit des § 5 Abs. 2a EStG sicher auszuschließen.6
3.75
1 2 3 4 5
Vgl. Kahlert/Gehrke, ZIP 2008, 2392. Vgl. Kahlert/Gehrke, DStR 2010, 227 (232). Vgl. hierzu auch Kammeter/Geißelmeier, NZI 2007, 214 (219). Kahlert/Gehrke, DStR 2010, 227 (232). So auch Kahlert/Gehrke, DStR 2010, 227 (232); Förster, Ubg 2010, 765 m.w.N.; a.A. Schiffers in Tillmann/Schiffers/Wälzholz, Die GmbH im Gesellschafts- und Steuerrecht, Rz. 1591. 6 So auch die Empfehlung bei Kahlert/Gehrke, DStR 2010, 227 (232); Kellersmann/ Pannewig, Ubg 2008, 848.
83
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
3.76
Vereinbart der Gesellschafter mit der Gesellschaft keinen Rangrücktritt, ist die Gesellschafterforderung im Insolvenzverfahren dennoch wegen § 35 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangig zu tilgen. Auch hierbei handelt es sich weder um einen Forderungsverzicht, noch um einen Fall im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2a EStG.1 Die Verbindlichkeit ist auch in diesem Fall weiterhin bei der Gesellschaft zu bilanzieren. 2. Ebene des Gesellschafters
3.77
Auf Ebene des darlehensgewährenden Gesellschafters führt der Rangrücktritt nicht zu einer Ausbuchung der Forderung gegen die Gesellschaft aus der Handelsbilanz. Hingegen soll nach umstrittener Auffassung des BFH die steuerbilanzielle Behandlung der Forderung beim Gesellschafter spiegelbildlich zur steuerbilanziellen Behandlung der Forderung bei der Gesellschaft erfolgen.2 Sofern daher bei der Gesellschaft eine Passivierung aufgrund § 5 Abs. 2a EStG nicht in Betracht kommt, wäre auch beim Gesellschafter die Forderung auszubuchen. Da jedoch nach Einführung des MoMiG unabhängig von der Formulierung der Rangrücktrittsvereinbarung von einer Bilanzierung bei der Gesellschaft auszugehen ist, ist auch bei dem Gesellschafter die Forderung in jedem Fall zu bilanzieren. Ein Rangrücktritt kann aber eine dauerhafte Wertminderung der Darlehensforderung indizieren, die in der Handelsbilanz zu einer Abwertung der Forderung auf den niedrigeren beizulegenden Wert zwingt.3 Hingegen besteht für die Steuerbilanz in diesem Fall ein von der Handelsbilanz losgelöstes (Teilwert-) Abschreibungswahlrecht (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 2 Satz 2 EStG).4 Während bei einer voraussichtlich nur vorübergehenden Wertminderung in der Handelsbilanz eine Wertberichtigung vorgenommen werden darf, ist dies in der Steuerbilanz jedoch untersagt.
3.78
Die Wertminderung des Darlehens wirkt sich bei körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaftern, die zu mehr als 25 % an der Gesellschaft beteiligt sind, wegen § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG nicht aus. Handelt es sich um einen einkommensteuerpflichtigen Gesellschafter, der den Schuldtitel im Betriebsvermögen hält, ist der Aufwand aus der Wertminderung grds. als Betriebsausgabe steuermindernd zu berücksichtigen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung kann der Aufwand gem. § 3c Abs. 2 EStG nur zu 60 % berücksichtigt werden, wenn die Darlehenshingabe aus gesellschaftsrechtlichen Gründen erfolgte. Ein Betriebsausgabenabzug zu 100 % ist hingegen vorzunehmen, wenn kein Zusammenhang mit dem 1 Kahlert/Gehrke, DStR 2010, 227 (232). Insoweit kann die Begründung zum Rangrücktritt nach §§ 19 Abs. 2 Satz 2, 39 Abs. 2 InsO entsprechend herangezogen werden. 2 BFH v. 10.11.2005 – IV R 13/04, BStBl. II 2006, 618 = GmbH-StB 2006, 30; kritisch hierzu Förster, Ubg 2010, 765. 3 Vgl. Herzig/Liekenbrock, Ubg 2011, 313 (320). Zum Begriff des beizulegenden Wertes vgl. Ballwieser in MünchKomm/HGB, § 253, Rz. 60 ff. 4 Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 - S 2133/09/10001 – DOK 2010/0188935, BStBl. I 2010, 239 = FR 2010, 398, Rz. 15.
84
E. Gruppeninterne Sanierungen durch Barmittel
Gesellschaftsverhältnis besteht, also das Darlehen zu fremdüblichen Konditionen gewährt wurde.1
E. Gruppeninterne Sanierungen durch Barmittel I. Abgrenzung Eigenkapital- und Fremdkapitalinstrumente Wenn über eine reine Ertragskrise eines Unternehmens hinaus auch eine Liquiditätskrise eingetreten ist, müssen zusätzliche Mittel aus dem Gesellschafterkreis beschafft werden.
3.79
Um das Eigenkapital in der Krisengesellschaft zu stärken, kommt nicht nur ein Forderungsverzicht durch die Gruppengesellschaft in Frage, sondern auch eine Bareinlage in die Krisengesellschaft. Im Rahmen eines Gesamtkonzepts bei der Restrukturierung werden Bareinlagen auch häufig mit Forderungsverzichten kombiniert, um die finanzielle Situation der Gesellschaft insgesamt zu verbessern.2
3.80
Bei der Bereitstellung zusätzlicher Mittel durch den Gesellschafter stellt sich die Frage, ob dies im Rahmen von Eigen- oder Fremdkapital erfolgen soll. Da bei einer Darlehensgewährung in der Krise eine unmittelbare Entwertung der Forderung eintritt, die steuerlich nicht anerkannt wird, ist in der Regel eine Eigenkapitalvergabe vorzuziehen.3 Die Abgrenzung von Eigenkapital und Fremdkapital erhält insoweit eine enorme Bedeutung. Merkmale für die Qualifikation als Eigenkapital sind die Nachrangigkeit, die Erfolgsabhängigkeit der Verzinsung, die Teilnahme am Verlust und die Langfristigkeit der Kapitalüberlassung.4
3.81
Bei der Ausgestaltung eines hybriden Instruments (Rz. 3.111 ff.) ist zudem genau darauf zu achten, nach welchen Rechnungslegungsvorschriften das Eigenkapital erhöht werden soll. Denn die Anforderungen an die Bilanzierung einer hybriden Finanzierung als Eigenkapital sind nach IAS/IFRS deutlich strenger als nach HGB.5
3.82
II. Bareinlagen 1. Begriff der Einlage Das Handelsrecht versteht unter dem Begriff der Einlage jeden Beitrag der Gesellschafter an die Gesellschaft i.S.d. §§ 795, 796 BGB, der der Gesell1 Vgl. BMF v. 8.11.2010 – IV C 6 - S 2128/07/10001 – DOK 2010/0805444, BStBl. I 2010, 1292 = FR 2011, 41, Rz. 2. 2 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1937). 3 Schmidt/Mielke, Ubg 2009, 395 (398). 4 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1937). 5 Kahle/Dahlke, DStR 2007, 313; Eilers/Rödding, StbJb. 2006/2007, 88 ff.
85
3.83
E. Gruppeninterne Sanierungen durch Barmittel
Gesellschaftsverhältnis besteht, also das Darlehen zu fremdüblichen Konditionen gewährt wurde.1
E. Gruppeninterne Sanierungen durch Barmittel I. Abgrenzung Eigenkapital- und Fremdkapitalinstrumente Wenn über eine reine Ertragskrise eines Unternehmens hinaus auch eine Liquiditätskrise eingetreten ist, müssen zusätzliche Mittel aus dem Gesellschafterkreis beschafft werden.
3.79
Um das Eigenkapital in der Krisengesellschaft zu stärken, kommt nicht nur ein Forderungsverzicht durch die Gruppengesellschaft in Frage, sondern auch eine Bareinlage in die Krisengesellschaft. Im Rahmen eines Gesamtkonzepts bei der Restrukturierung werden Bareinlagen auch häufig mit Forderungsverzichten kombiniert, um die finanzielle Situation der Gesellschaft insgesamt zu verbessern.2
3.80
Bei der Bereitstellung zusätzlicher Mittel durch den Gesellschafter stellt sich die Frage, ob dies im Rahmen von Eigen- oder Fremdkapital erfolgen soll. Da bei einer Darlehensgewährung in der Krise eine unmittelbare Entwertung der Forderung eintritt, die steuerlich nicht anerkannt wird, ist in der Regel eine Eigenkapitalvergabe vorzuziehen.3 Die Abgrenzung von Eigenkapital und Fremdkapital erhält insoweit eine enorme Bedeutung. Merkmale für die Qualifikation als Eigenkapital sind die Nachrangigkeit, die Erfolgsabhängigkeit der Verzinsung, die Teilnahme am Verlust und die Langfristigkeit der Kapitalüberlassung.4
3.81
Bei der Ausgestaltung eines hybriden Instruments (Rz. 3.111 ff.) ist zudem genau darauf zu achten, nach welchen Rechnungslegungsvorschriften das Eigenkapital erhöht werden soll. Denn die Anforderungen an die Bilanzierung einer hybriden Finanzierung als Eigenkapital sind nach IAS/IFRS deutlich strenger als nach HGB.5
3.82
II. Bareinlagen 1. Begriff der Einlage Das Handelsrecht versteht unter dem Begriff der Einlage jeden Beitrag der Gesellschafter an die Gesellschaft i.S.d. §§ 795, 796 BGB, der der Gesell1 Vgl. BMF v. 8.11.2010 – IV C 6 - S 2128/07/10001 – DOK 2010/0805444, BStBl. I 2010, 1292 = FR 2011, 41, Rz. 2. 2 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1937). 3 Schmidt/Mielke, Ubg 2009, 395 (398). 4 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1937). 5 Kahle/Dahlke, DStR 2007, 313; Eilers/Rödding, StbJb. 2006/2007, 88 ff.
85
3.83
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
schaft zur Vermehrung des Gesamthandsvermögen übertragen wird.1 Steuerrechtlich liegt eine Einlage vor, wenn einem Betrieb im Laufe eines Wirtschaftsjahres Wirtschaftsgüter übertragen werden (§ 4 Abs. 1 Satz 7 EStG).
3.84
Es ist zwischen offenen und verdeckten Einlagen zu unterscheiden.2 Gesellschaftsrechtlich unterscheiden sich offene und verdeckte Einlagen durch die (Nicht-) Einhaltung bestimmter Vorschriften (insbesondere Einlagebeschluss der Gesellschafter).3 Steuerlich liegt hingegen eine offene Einlage vor, wenn als Gegenleistung Gesellschaftsrechte gewährt werden. Es handelt sich hingegen um eine verdeckte Einlage, wenn sie ohne Gegenleistung erfolgt.4 Sie hat eine Wertsteigerung der bereits bestehenden Beteiligung zur Folge.5 Eine verdeckte Einlage liegt auch dann vor, wenn die Einlage in der Kapitalrücklage ausgewiesen wird (§ 272 Abs. 2 HGB).6 Von einer offenen Einlage ist nur insoweit auszugehen, als der Wert der als Gegenleistung gewährten Gesellschaftsrechte dem Wert des eingebrachten Wirtschaftsgutes entspricht. Geht die Einlage über den Wert der Gesellschaftsrechte hinaus, liegt in Höhe des überschießenden Betrages eine verdeckte Einlage vor.7 2. Ertragsteuerliche Konsequenzen
3.85
Sowohl offene als auch verdeckte Einlagen in Kapitalgesellschaften haben grundsätzlich keine ertragsteuerlichen Auswirkungen und sind steuerneutral (§ 8 Abs. 3 Satz 3 KStG). Die Bewertung der Einlage erfolgt in der Regel mit dem Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG). Beim Anteilseigner führt die Einlage eines werthaltigen Wirtschaftsgutes grundsätzlich zu nachträglichen Anschaffungskosten in Höhe des Teilwerts (§ 4 Satz 2 EStG). Zu beachten ist zudem auch das Korrespondenzprinzip.8 Hiernach ist eine verdeckte Einlage dem Einkommen hinzuzurechnen, soweit sie das Einkommen der Gesellschaft gemindert hat oder auf einer verdeckten Gewinnausschüttung einer nahestehenden Person beruht, bei dieser sich das Einkommen gemindert hat und beim gemeinsamen Gesellschafter 1 Müller in Müller/Hoffmann, Beck PersGes-HB, § 4, Rz. 60; Förschle/Hoffmann in BeckBilKomm., § 247, Rz. 170. 2 Zur weiteren Abgrenzung zwischen Bar- und Sacheinlagen vgl. Reichen/Roderburg in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, B 104. 3 Schwaiger in Beck GmbH-Handbuch, § 7, Rz. 132. 4 BMF v. 29.3.2000 – IV C 2 - S 2178 - 4/00, BStBl. I 2000, 462 = FR 2000, 635 = DStR 2000, 820; Eckstein in HHR, EStG, § 6, Anm. 1214c. 5 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1937). 6 Die Bezeichnung als „verdeckte“ Einlage ist in diesem Fall zwar sprachlich ungenau, da diese offen ausgewiesen wird, jedoch aufgrund des anzuwendenden Abgrenzungskriteriums der Gewährung von Gesellschaftsrechten geboten. Vgl. Eckstein in HHR, EStG, 229. Lfg., Stand 10/2007, § 6, Anm. 1214c; a.A. offenbar Lang in Ernst & Young, KStG, § 8, Rz. 471 f. 7 Vgl. hierzu im Allgemeinen Wochinger in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 8 III Teil B, Rz. 8. 8 § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG; vgl. auch Schnittger/Rometzkis, BB 2008, 1648.
86
E. Gruppeninterne Sanierungen durch Barmittel
nicht erfasst wurde (Dreiecksfälle). Die Voraussetzungen der Neutralisierung einer Einlage sind daher vor allem bei grenzüberschreitenden Fällen immer sorgfältig zu prüfen.1 Jedoch kann eine Einlagetransaktion zu einem Untergang von Verlustvorträgen nach § 8c KStG führen (Rz. 2.53 ff.).2 Bei offenen Einlagen ändert sich die Anteilseignerstruktur, so dass § 8c KStG Anwendung finden kann.3 Verdeckte Einlagen hingegen lassen die Anteilseignerstruktur unberührt und führen somit nicht zur Anwendung des § 8c KStG.4
3.86
Die steuerliche Behandlung als einkommensneutrale Einlage könnte zweifelhaft sein, wenn die zugewendeten Barmittel zur Tilgung von Verbindlichkeiten gegenüber dem einlegenden Gesellschafter verwendet werden. Hierin könnte die Finanzverwaltung einen Gestaltungsmissbrauch sehen und ein derartiges Vorgehen als Forderungsverzicht (Rz. 3.1 ff.) ansehen.5 Sofern der Gesellschafter auf die Rückzahlung der Einlage angewiesen ist, sollte daher auf die Bareinlage als Instrument zur Verstärkung der Eigenkapitalstruktur verzichtet werden.6
3.87
III. Gesellschafterdarlehen 1. Zivilrechtliche Beurteilung In der Krise kann als Alternative zur Bareinlage auch durch die Gesellschafter der Gesellschaft ein Darlehen gewährt werden. Anders als Aktionäre bei einer AG erklären sich unternehmerisch engagierte Gesellschafter einer GmbH selbst dann häufig noch dazu bereit, ihrer GmbH ein Darlehen zu gewähren, wenn sich die Gesellschaft bereits in der Krise befindet und die Darlehensgewährung mit erheblichen Unsicherheiten verbunden ist.7 In der Krise liegt der Vorteil der Darlehensgewährung im Vergleich zur Barkapitalerhöhung darin, dass eine Darlehensgewährung nicht mit besonderen Förmlichkeiten verbunden ist. Der Gesellschafter schließt lediglich mit der Gesellschaft einen Darlehensvertrag gem. § 488 BGB ab. Besondere formale Anforderungen muss der Darlehensvertrag 1 Vgl. Lang in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 8 Abs. 3 Teil B, Rz. 153, hiernach ist § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG auch bei ausländischen Gesellschaftern anwendbar, und zwar unabhängig davon, ob die einkommensmindernde Berücksichtigung der verdeckten Einlage bei der Muttergesellschaft zu Recht oder zu Unrecht erfolgt ist. 2 Vgl. zu § 8c KStG BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2745-a/08/10001, BStBl. I 2008, 736, DStR 2008, 1436; Fallübersicht bei Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 8c, Rz. 68. 3 Vgl. Neyer, BB 2009, 415; Weitnauer, BKR 2009, 18 (24). 4 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1938). 5 Vgl. Roser, GmbHR 1998, 301 (304); Hoffmann, GmbHR 2001, 825; Düll/Fuhrmann/Eberhard, DStR 2002, 1030 (1031); FG München v. 27.10.2009 – 6 K 3941/06, BeckRS 2009, 26028348. 6 Vgl. Hierstetter, DStR 2010, 882 (885). 7 Aleth in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, 766.
87
3.88
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
grds. nicht erfüllen. Dies erlaubt eine schnelle Kapitalzufuhr, die in der Krise dringend benötigt werden kann.1 Zu beachten ist für den Gesellschafter, dass das Darlehen im Falle einer Insolvenz gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nur nachrangig befriedigt wird, so dass regelmäßig der vollständige Verlust der Forderung droht, wenn die Insolvenz nicht abgewendet werden kann. Zur geänderten Behandlung von Gesellschafterdarlehen durch die Einführung des MoMiG s. Rz. 3.64 f. Dies wäre jedoch auch der Fall, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft Eigenkapital zur Verfügung stellen würde, da auch in diesem Fall nur eine nachrangige Befriedigung in Betracht kommt.
3.89
Jedoch ist zu beachten, dass ein Gesellschafterdarlehen eine drohende oder bereits eingetretene Überschuldung der Gesellschaft nicht ohne weiteres beseitigt und die Insolvenzantragspflicht damit nicht automatisch entfällt. Nach der h.M. ist nämlich auch ein Gesellschafterdarlehen grds. in der Überschuldungsbilanz zu passivieren. Um dies zum umgehen, muss der Gesellschafter mit der Gesellschaft einen Rangrücktritt vereinbaren.2 2. Ertragsteuerliche Konsequenzen a) Ebene des Gesellschafters
3.90
Die steuerliche Behandlung von Gesellschafterdarlehen unterscheidet sich – vorbehaltlich der Regeln der Gesellschafterfremdfinanzierung in § 8a KStG – im Grundsatz nicht von der steuerlichen Behandlung von Fremddarlehen. Die Gesellschaft hat das Darlehen als Verbindlichkeit zu passivieren, wohingegen der Gesellschafter, soweit er die Beteiligung an der GmbH in seinem Betriebsvermögen hält, eine Darlehensforderung zu aktivieren hat.
3.91
Die zufließenden Zinsen stellen bei dem Gesellschafter Einnahmen aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar, sofern die Darlehensforderung nicht zum Betriebsvermögen des Gesellschafters gehört. Diese ist bei Zufluss (§ 11 EStG) zu erfassen. Ein Zufluss liegt vor, wenn der Gläubiger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Erträge erlangt, z.B. durch Barauszahlung oder Gutschrift auf dem Bankkonto, aber auch bei Verzicht auf bereits entstandene Zinsforderungen.3 Hält der Gesell1 Picot/Aleth in Picot, Unternehmenskauf und Restrukturierung, Teil VIII., Rz. 90. 2 Vgl. insoweit nur BGH v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, NJW 2001, 1280 = GmbH-StB 2001, 77; v. 9.2.1987 – II ZR 104/86, NJW 1987, 1697; OLG Düsseldorf v. 19.1. 1995 – 6 U 272/93, GmbHR 1996, 616 (618); Schlitt, NZG 1998, 701, 704; Altmeppen, ZIP 1997, 1173, 1176. Zu den Voraussetzungen und den Rechtsfolgen eines Rangrücktrittes vgl. Teil 2 IV. 3 Drenseck in Schmidt, EStG, 30. Aufl. 2011, § 11, Rz. 3. Eine Ausnahme wird in diesem Zusammenhang bei beherrschenden Gesellschaftern gemacht, bei diesen soll der Zufluss bereits mit Fälligkeit der Zinsen vorliegen, es sei denn der Gesellschaft steht ein Leistungsverweigerungsrecht zu oder sie ist zahlungsunfähig. Vgl. hierzu BFH v. 6.11.1993 – VIII R 33/92, BStBl. II 1994, 632; v. 10.5.1989 – I R 159/85, BFH/NV 1990, 635.
88
E. Gruppeninterne Sanierungen durch Barmittel
schafter die Forderung hingegen im Betriebsvermögen, stellen die Zinserträge Einnahmen aus dieser Einkunftsart dar (§ 20 Abs. 8 EStG). Für die Bestimmung des Zuflusses sind die Grundsätze des Betriebsvermögensvergleichs zu berücksichtigen (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG). Hiernach fließen die Erträge grds. mit Fälligkeit zu.1 Hält der Gesellschafter die Darlehensforderung im Privatvermögen, ist hinsichtlich der Rechtsfolgen zu unterscheiden, ob es sich um eine wesentliche Beteiligung i.S.d. § 17 EStG (mind. 1 % Beteiligung innerhalb der letzten fünf Jahre) handelt oder nicht. Nach der Rechtsprechung des BFH2 werden Darlehensverlust und Darlehensverzicht gleichbehandelt. Die zum Darlehensverzicht gemachten Ausführungen (Rz. 3.16 ff.) sind daher auch auf ein uneinbringliches Darlehen anzuwenden.
3.92
Hält der Gesellschafter die Darlehensforderung hingegen im Betriebsvermögen und ist dann die Gesellschaft in der Krisensituation nicht mehr in der Lage, das Darlehen zu bedienen, ist die Forderung nicht mehr voll werthaltig und muss wertberichtigt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Nach umstrittener Auffassung3 der Finanzverwaltung4 ist auf die Wertminderung § 3c Abs. 2 EStG anzuwenden. Danach sind solche Aufwendungen, die mit den in § 3 Nr. 40 EStG genannten Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nur zu 60 % abzugfähig. Jedoch hat der BFH zumindest für den Fall, dass aus der Beteiligung bisher keine Einnahmen erzielt wurden, die Anwendbarkeit von § 3c Abs. 2 EStG ausgeschlossen.5
3.93
Ist der Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft, sind die Regelungen des § 8b Abs. 3 Sätze 4 bis 8 KStG zu berücksichtigen. Durch diese Regelung ist ab dem 1. Januar 2008 die Abzugsfähigkeit von Darlehensverlusten stark eingeschränkt worden. Zunächst war umstritten, ob Wertverluste eines Darlehens einer Kapitalgesellschaft an ihre Tochtergesellschaft unter das Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 KStG fielen. Durch die Einführung des § 8b Abs. 3 Sätze 4 bis 8 KStG wird nun ausdrücklich geregelt, dass auch Wertverluste, die im Zusammenhang mit einem Gesellschafterdarlehen stehen, von der Norm erfasst werden. Demnach sind Gesellschafterfinanzierungen durch Eigenkapital oder durch nicht fremdübliche Gesellschafterdarlehen hinsichtlich der Gewinnminderungen gleichzustellen.6 Voraussetzungen des § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG sind, dass eine
3.94
1 Drenseck in Schmidt, EStG, 30. Aufl. 2011, § 11, Rz. 12. 2 BFH v. 16.5.2001 – I B 143/00, BStBl. II 202, 436 = GmbHR 2001, 822 = GmbHStB 2001, 247. 3 Herrmann in Frotscher, EStG, § 3c, Rz. 47; Hoffmann, GmbHR 2004, 593; Watermeyer, GmbH-StB 2008, 81 (86); Kellersmann/Pannewig, Ubg 2009, 848 (854); a.A. Desens in HHR, EStG, § 3c, Anm. 62. 4 Vgl. FinMin Bdb. v. 27.11.2006 – 35 - S 2750a - 1/05. 5 BFH v. 25.6.2009 – IX R 42/08, GmbH-StB 2009, 273 = EStB 2009, 337 = BFH/NV 2009, 1696. 6 Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 8b KStG, Rz. 127.
89
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
Gewinnminderung (z.B. Teilwertabschreibungen) im Zusammenhang mit einem Darlehen vorliegt und der Gesellschafter zumindest 25 % am Grund- oder Stammkapital der Körperschaft, der das Darlehen gewährt wurde, beteiligt ist oder war. Entsprechendes gilt für eine dem Gesellschafter nahestehende Person i.S.v. § 1 AStG und bei Gewinnminderungen aus dem Rückgriff eines rückgriffsberechtigten Dritten auf einen solchen Gesellschafter.1 Die Vereinbarkeit dieser Regelung mit der Finanzierungsfreiheit des Gesellschafters2 bleibt fraglich.3 Dem Gesellschafter bleibt als „Ausweg“ nur die Möglichkeit, die bei einer wesentlichen Beteiligung vermutete gesellschaftsrechtliche Veranlassung für die Hingabe (und noch nicht erfolgte Rückforderung) des Darlehens durch Drittvergleich zu widerlegen (§ 8b Abs. 3 Satz 6 KStG). Der Ausschluss eines eigenkapitalersetzenden Charakters reicht nicht aus.4 Für den Fremdvergleich ist es erforderlich, dass ein fremder Dritter unter gleichen Konditionen ein Darlehen gewährt oder in der Krise stehen gelassen hätte. Demnach kann grundsätzlich nicht von einer Fremdüblichkeit ausgegangen werden, wenn das Darlehen unverzinslich gewährt wurde, die Gewährung ohne Sicherheiten erfolgt oder ein Darlehen in der Krise nicht zurückgefordert wird.5 Gerade bei einer Darlehensgewährung zur Verhinderung oder Beendigung der Überschuldung wird der Nachweis der Fremdüblichkeit daher nicht gelingen, weil ein fremder Dritter in dieser Situation kein Darlehen gewährt hätte. b) Ebene der Gesellschaft
3.95
Für die Gesellschaft stellen die Zinsen Betriebsausgaben i.S.v. § 4 Abs. 4 EStG dar, soweit sie angemessen sind. Eine Begrenzung für den Schuldzinsenabzug kann sich aber zunächst aufgrund der Regelungen der Zinsschranke (§§ 4h EStG, 8a KStG) ergeben (Rz. 2.87 ff.). Nach dieser Regelung ist der Zinsaufwand, der die Zinseinnahmen übersteigt (Nettozinsaufwand), grundsätzlich nur i.H.v. 30 % des steuerlichen EBITDA des Unternehmens abzugsfähig. In Hinblick auf die Gewährung von Gesellschafterdarlehen in der Krise dürfte die Zinsschranke jedoch kaum eine Rolle spielen, da die Gesellschafter der GmbH zur Verhinderung der Überschuldung das Darlehen entweder zinslos oder zu einen eher geringen Zinssatz überlassen werden.
3.96
Für Zwecke der GewSt sind nach § 8 Abs. 1 Buchst. a GewStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrages 25 % alle Zinsen wieder hinzuzurechnen. Eine Unterscheidung nach Dauerschuldzinsen und sonstigen Zinsen ist 1 Janssen, GmbHR 2008, 699 (700); Kellersmann/Pannewig, Ubg 2009, 848 (854). 2 Grundlegend hierzu BFH v. 5.2.1992 – I R 127/90, BStBl. II 1992, 532 = DStR 1992, 496 m. Anm. DB. 3 Vgl. Fuhrmann/Strahl, DStR 2008, 125 (127). 4 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1938); Altrichter-Herzberg, GmbHR 2008, 336 (337). 5 Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 8b KStG, Rz. 135.
90
E. Gruppeninterne Sanierungen durch Barmittel
durch die Unternehmenssteuerreform 2008 obsolet geworden. Die Zinsen sind jedoch nur dann zu 25 % wieder hinzuzurechnen, wenn sie auch steuerlich zuvor bei der Ermittlung des steuerlichen Gewinns berücksichtigt wurden. Soweit die Zinsen jedoch nach §§ 4h EStG, 8a KStG nicht abziehbar sind, findet eine Hinzurechnung für Zwecke der GewSt nicht statt. Erfolgt ein Abzug von Zinsen aufgrund der Zinsvortragsregelung nach § 4h EStG in einem späteren Wirtschaftsjahr, sind 25 % dieser Zinsen für Gewerbesteuerzwecke in diesem Wirtschaftsjahr hinzuzurechnen.1 Gesellschafterdarlehen können vor allem bei kurzfristigen Liquiditätsengpässen eine rechnerische Überschuldung der Gesellschaft vermeiden.2 So kann die Erstellung einer Fortführungsprognose vermieden werden und die sich in diesem Zusammenhang ergebenden Haftungsrisiken für den Geschäftsführer umgangen werden.
3.97
IV. Stille Beteiligung 1. Ausgangsfall
3.98
Zur Veranschaulichung dient der folgende Grundfall: Schuldner
Einlage Gewinnbeteiligung
Stiller Gesellschafter
2. Grundlagen Eine weitere Möglichkeit der Zuführung von Barmitteln zur Überwindung der Krisensituation ist die Aufnahme eines stillen Gesellschafters. Der stille Gesellschafter erwirbt durch die stille Beteiligung gerade keine Gesellschafterstellung, so dass die Altgesellschafter keinen Kontrollverlust erleiden. Allerdings ist die Aufnahme eines stillen Gesellschafters zur Sanierung der Gesellschaft in der Krise nur bedingt geeignet, da eine stille Beteiligung grds. als Fremdkapital zu bilanzieren ist3 und eine Überschuldung hierdurch nicht vermieden werden kann.
3.99
3. Zivilrechtliche Beurteilung Die stille Gesellschaft ist gesetzlich in §§ 230 ff. HGB definiert. Zu beachten ist jedoch, dass eine Unterscheidung zwischen partiarischem Darle1 Vgl. hierzu Eilers in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, 356. 2 Aleth/Harlfinger, NZI 2011, 166 (169); Pape, NWB 2009, 55 (59). 3 Für viele A/D/S, § 246 HGB, Rz. 90, 92; Beater in MünchKomm/HGB, § 266, Rz. 72; Groh, BB 1993, 1882 (1884 f.); BB 1995, 559 f.; Ellrott/Krämer in BeckBilKomm, § 266, Rz. 187; Ellrott/Ring in BeckBil-Komm, § 247, Rz. 234; SchulzeOsterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 42, Rz. 217; Küting/Kessle, BB 1994, 2103 (2114). Zu den Ausnahmen s. sogleich.
91
3.100
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
hen, einer typisch stillen Gesellschaft und Genussrechten aufgrund der Ähnlichkeit der Instrumente kaum durchführbar ist.1
3.101
Bei einer stillen Gesellschaft beteiligt sich ein Rechtsträger (stiller Gesellschafter) an dem Handelsgewerbe eines anderen Rechtsträgers. Die stille Gesellschaft betreibt gerade kein Handelsgewerbe und ist nicht mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit ausgestattet.2 Die Vereinbarung einer stillen Gesellschaft stellt ein schuldrechtliches Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem stillen Gesellschafter dar. Sie ist keine Verpflichtungsoder Erwerbsgemeinschaft. Eine Aufnahme ins Handelsregister findet nicht statt.3 Der stille Gesellschafter leistet eine Vermögenseinlage in das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts (§ 230 Abs. 1 HGB). Außenbeziehungen werden hierdurch nicht begründet. Aus den Geschäften der stillen Gesellschaft wird allein der Inhaber berechtigt und verpflichtet (§ 230 Abs. 2 HGB). Den Gläubigern gegenüber haftet weiterhin nur der Inhaber des Handelsgeschäfts.
3.102
Nach dem gesetzlichen Leitbild steht dem stillen Gesellschafter nur ein begrenztes Kontrollrecht zu. Hiernach ist er berechtigt, eine Ausfertigung des Jahresabschlusses zu verlangen und diesen zu prüfen (§ 233 Abs. 2 HGB). Darüber hinaus gehende Kontrollrecht bestehen nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und bedürfen einer richterlichen Anordnung, § 233 Abs. 3 HGB. Der stille Gesellschafter ist am Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt. Bei Auflösung der Gesellschaft erhält der stille Gesellschafter lediglich die Einlage zurück, eine Beteiligung an den stillen Reserven findet hingegen nicht statt (§ 235 Abs. 2 HGB).
3.103
Die gesetzlichen Regelungen zur stillen Gesellschaft stehen jedoch weitgehend zur Disposition der Vertragsparteien.4 Dementsprechend kann das Gesellschaftsverhältnis auch abweichend vom gesetzlichen Leitbild dergestalt – atypisch – vereinbart werden, dass die Vermögens- und Verwaltungsrechte des stillen Gesellschafters im Innenverhältnis der Stellung eins Gesellschafters der OHG oder der KG angeglichen wird. Neben der Gewinnbeteiligung kann der stille Gesellschafter auch an den offenen und stillen Rücklagen sowie am Geschäftswert beteiligt werden,5 ihm können weitergehende Kontrollrechte übertragen werden und er kann sogar zum Geschäftsführer bestellt werden. Die atypische Ausgestaltung wirkt jedoch nur rein schuldrechtlich im Innenverhältnis, auch bei einer atypischen Ausgestaltung kommt der stillen Gesellschaft keine Rechtsträgereigenschaft zu.6 1 Vgl. hierzu eingehend Schön, ZGR 1993, 210 ff. 2 Vgl. Oennings, DStR 2008, 279. 3 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, § 230, Rz. 2; Blaurock, Handbuch der stillen Gesellschaft, § 7, Rz. 7.34–7.36. 4 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, § 230, Rz. 3. 5 Vgl. Rauch/Schimpfky/Schneider in Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, 119; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, § 230, Rz. 3. 6 Vgl. Oennings, DStR 2008, 279.
92
E. Gruppeninterne Sanierungen durch Barmittel
4. Ertragsteuerliche Konsequenzen Maßgeblich für die steuerliche Behandlung der stillen Beteiligung ist die Abgrenzung zwischen typischer und atypischer stiller Beteiligung, da die Rechtfolgen sich erheblich voneinander unterscheiden.1 Eine atypisch stille Gesellschaft wird im Ertragsteuerrecht wie eine Mitunternehmerschaft behandelt,2 daher müssen bei dem atypisch stillen Gesellschafter sowohl Mitunternehmerinitiative als auch Mitunternehmerrisiko vorliegen. Beide Merkmale müssen aber nicht gleich stark ausgeprägt sein, sondern können sich auch gegenseitig ausgleichen.3 Das Vorliegen von Mitunternehmerinitiative setzt die Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen voraus.4 Ausreichend hierfür ist die Ausübung von Rechten, die den Kontroll-, Stimm- und Widerspruchsrechten eines Kommanditisten (§§ 164, 166 HGB) angenähert sind oder den Kontrollrechten eines Gesellschafters nach § 716 BGB entsprechen.5 Mitunternehmerrisiko liegt hingegen vor, wenn der atypisch stille Gesellschafter am Erfolg und Misserfolg des Betriebs beteiligt ist. Dies ist dann der Fall, wenn neben einer Beteiligung am Gewinn und Verlust auch eine Beteiligung an den stillen Reserven einschließlich des Geschäftswertes gegeben ist.6 Sind diese Merkmale nicht erfüllt, liegt keine Mitunternehmerschaft und damit auch keine atypisch stille Gesellschaft vor.
3.104
a) Ebene der Gesellschaft In der Bilanz der Gesellschaft ist die stille Beteiligung grds. als Verbindlichkeit und damit als Fremdkapital auszuweisen. Die stille Gesellschaft ist daher nicht geeignet, eine Überschuldung der Gesellschaft zu verhindern. Jedoch kann auch eine stille Beteiligung bei entsprechender Ausgestaltung Eigenkapital darstellen und damit eine drohende Überschuldung verhindern.7 Dies ist der Fall, wenn es längerfristig überlassen wird, der Rückzahlungsanspruch des stillen Gesellschafters im Liquidationsfall nachrangig ist und die stille Einlage bis zur vollen Höhe am Verlust teilnimmt.8 Liegen diese Voraussetzungen vor, ist die stille Beteiligung inner1 Ausführlich zur steuerlichen Behandlung der stillen Gesellschaft vgl. Wittkowski/Westmeier, BC 2010, 422. 2 So RFH v. 3.2.1926, RFHE 18, 162; BFH v. 12.11.1985 – VIII R 364/83, BStBl. II 1986, 311. 3 Ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Urteil v. 11.12.1990 – VIII R 122/86, BB 1991, 1023, m.w.N. 4 Vgl. BFH 1.8.1996 – VIII R 12/94, BStBl. II 1997, 272; Pyszka/Brauer in Kessler/ Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Aufl. 2008, § 3 Rn. 521. 5 Vgl. BFH 1.8.1996 – VIII R 12/94, BStBl. II 1997, 272; Pyszka/Brauer in Kessler/ Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Aufl. 2008, § 3 Rn. 521. 6 BFH v. 5.7.1978 – I R 22/75, BStBl. II 1978, 644; v. 27.5.1993 – IV R 1/92, BStBl. II 1994,700; v. 28.10.1999 – VIII R 66–70/97, BStBl. II 2000, 183; Eilers/Rödding/ Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, 2008, A 96; Pyszka/Brauer in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Aufl. 2008, § 3 Rn. 522. 7 Siehe dazu Kropf in MünchKomm/AktG, § 272, Rz. 136; Eilers/Rödding, StbJb. 2006/2007, 88 f. 8 Hoyos/Ring in BeckBil-Komm, § 247, Rz. 333.
93
3.105
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
halb des Eigenkapitals als Sonderposten auszuweisen: beteiligt sich eine Kapitalgesellschaft, ist sie als Kapitalrücklage i.S.d. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB im Anhang zu erläutern.1 Liegen die Voraussetzungen nicht vor, ist die stille Gesellschaft als sonstige Verbindlichkeit auszuweisen und stellt damit Fremdkapital dar.
3.106
Bei einer typisch stillen Gesellschaft sind die Zahlungen an den stillen Gesellschafter als Zinsaufwand bei der Gesellschaft steuermindernd zu berücksichtigen. Im Rahmen der Zinsschranke (Rz. 2.87 ff.) stellen sie ebenfalls Zinsaufwand dar.2
3.107
Die Zahlungen an den atypischen Gesellschafter hingegen kann die Gesellschaft nicht als Zinsaufwendungen steuermindernd geltend machen und haben daher auch auf die Ermittlung der Zinsschranke keinen Einfluss.3 Als reines Finanzierungsinstrument ist diese Form der stillen Gesellschaft aber eher unattraktiv, weil die Zahlungen an den stillen Gesellschafter auf den steuerlichen Gewinn keinen Einfluss haben.4 Wird also vorrangig die Abzugsfähigkeit der Zahlungen angestrebt, ist bei der Ausgestaltung des Vertrages darauf zu achten, dass die Grenze zur atypisch stillen Beteiligung nicht überschritten wird.5
3.108
Für Zwecke der Gewerbesteuer sind die an den stillen Gesellschafter gezahlten Gewinnanteile jedoch der Bemessungsgrundlage wieder hinzuzurechnen (§ 8 Nr. 1c) GewStG), so dass insoweit kein Unterschied zwischen einer stillen und einer atypisch stillen Gesellschaft vorliegt. b) Ebene des stillen Gesellschafters
3.109
Gewinnanteile des typisch stillen Gesellschafters stellen Kapitaleinkünfte i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG dar. Sie unterliegen im Ergebnis einem 26,375%igen Kapitalertragsteuerabzug (25 % zzgl. 5,5 % SolZ hierauf), soweit der typisch stille Gesellschafter im Inland ansässig ist.6 Verlustanteile sind grundsätzlich nur bis zur Höhe der Einlage steuerlich zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist grds. nur eine Verrechnung mit zukünftigen Gewinnanteilen möglich (§§ 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2, 15a EStG). Die Verlustnutzung auf Ebene des stillen Gesellschafters ist auch bei einer im Betriebsvermögen gehaltenen stillen Beteiligung möglich.
3.110
Atypisch stille Gesellschaften sind als Mitunternehmerschaften i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu qualifizieren. Bei der Frage, ob die vertraglich 1 Hoyos/Ring in BeckBil-Komm, § 247, Rz. 334. 2 Hinsichtlich der Voraussetzungen und der Wirkungsweise der Zinsschranke darf auf die Ausführungen zu verwiesen werden. 3 Rauch/Schimpfky/Schneider in Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, 119, 141. 4 Vgl. Schrell/Kirchner, BKR 2003, 13, 17f. 5 Gleske/Laudenklos in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, D. 6 Zur Besteuerung der Einküfte des stillen Gesellschafters unter der Abgeltungssteuer vgl. Czisz/Krane, DStR 2010, 2226.
94
E. Gruppeninterne Sanierungen durch Barmittel
eingeräumte Stellung des stillen Gesellschafters steuerlich der eines Mitunternehmers entspricht, wird auf die gesetzliche Stellung eines Kommanditisten als Leitbildfunktion abgestellt.1 Räumt also der Vertrag dem stillen Gesellschafter Verwaltungs- und Vermögensrechte ein, die der Stellung eines Kommanditisten entsprechen, ist dieser als Mitunternehmer anzusehen.2 Trotz der fehlenden zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit ist die stille Gesellschaft als Mitunternehmerschaft anzusehen.3 Die Einkünfte aus der atypisch stillen Beteiligung sind daher als gewerbliche Einkünfte zu behandeln, für die auch Gewerbesteuer zu zahlen ist.4 Werden aus der Beteiligung Verluste erzielt, sind diese nach Maßgabe des § 15a EStG steuerlich nutzbar.5
V. Hybride Finanzierungsformen 1. Grundlagen Eine Stärkung der Eigenkapitalbasis der Gesellschaft kann auch durch die Zuführung von hybridem Kapital erreicht werden. Als hybride Finanzierungsformen werden solche Finanzinstrumente bezeichnet, die sowohl Elemente des Eigenkapitals (z.B. Teilhabe an den stillen Reserven) als auch Elemente des Fremdkapitals (z.B. handelsrechtlicher Verbindlichkeitsausweis) aufweisen.6 Eine gesetzliche Definition und entsprechende gesetzliche Vorgaben gibt es jedoch nicht. Hybride Finanzierungsformen sind daher strukturell offen für Gestaltungsentscheidungen, je nachdem, welche Zielsetzung neben der Versorgung des Unternehmens mit Liquidität durch das Instrument erreicht werden soll.7 Als Voraussetzung für die Passivierung von hybridem Kapital als Eigenkapital in der Handelsgesellschaft gelten jedoch im Allgemeinen die folgenden Kriterien:8 Erfolgsabhängigkeit der Vergütung, Teilnahme am Verlust bis zur vollen Höhe, Langfristigkeit der Kapitalüberlassung (mindestens fünf Jahre in Anlehnung an § 10 Abs. 5 KWG) und die Nachrangigkeit der Ansprüche im Insolvenz- oder Liquidationsfall gegenüber allen Gläubigern.
1 2 3 4 5 6 7 8
Blaurock, Handbuch der Stillen Gesellschaft, § 20, Rz. 20.52. Wacker in Schmidt, EStG, 26. Aufl. 2007, § 15, Rz. 266, 340, 341. BFH v. 10.8.1994 – I R 133/93, BStBl. II 1995, 171. Zur Frage der sachlichen Gewerbesteuerpflicht vgl. Oennings, DStR 2008, 280. Die Gewerbesteuerbescheide sind an den Inhaber des Handelsgewerbes zu richten, OFD Erfurt v. 23.10.2003 – S 2241 A - 08 - L 221, FR 2003, 1299 (1302). Zu den Voraussetzungen und der Wirkungsweise des § 15a EStG vgl. Heuermann in Blümich, EStG, § 15a, Rz. 1 ff. Vgl. Müller, Mezzanine Finance, 13 ff.; Böge/Tschentscher in Brezski/Bzoge/Lübbehüsen/Rhode/Tomat, Mezzanine-Kapital für den Mittelstand, 21; Werner, Mezzanine-Kapital, 13; Knebel/Schmidt, BB 2009, 430, 432. Ein Überblick hierzu findet sich bei Häuselmann in Lüdicke/Riger, Unternehmenssteuerrecht, § 10 Anm. 168 ff. Vgl. Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Rz. 16 ff.; BMF v. 8.9.2006 – IV B 2 - S 2133 - 10/06, BStBl. I 2006, 497 = FR 2006, 947.
95
3.111
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
3.112
Zu beachten ist jedoch, dass hybride Finanzinstrumente die Handlungsfähigkeit eines Unternehmens stärker beeinträchtigen können als „normale“ Fremdfinanzierungen, da sich der Investor das Risiko in der Regel entsprechend höher bezahlen lassen wird.1 Zu den hybriden Finanzierungsformen gehören z.B. das Genussrechtskapital, die atypische stille Beteiligung (mit Eigenkapitalausrichtung), das Nachrangdarlehen und die typisch stille Beteiligung (mit Fremdkapitalausrichtung).2
3.113
Die Motive, hybride Finanzierungsformen zu wählen, sind vielschichtig. So lässt sich bei entsprechender Gestaltung des Finanzierungsinstruments das Bilanzbild der Gesellschaft verbessern und eine drohende Überschuldung kann vermieden werden. Zudem ist der Zinsaufwand steuerlich abzugsfähig, was einen Vorteil gegenüber einer Finanzierung durch Eigenkapital darstellt.3 Des Weiteren erlauben hybride Finanzierungsinstrumente die Beschaffung eigenkapitalähnlicher Finanzmittel ohne einen Eingriff in die bestehende Gesellschafterstruktur und machen eine Zustimmung der Gesellschafter daher entbehrlich.4 2. Ertragsteuerliche Konsequenzen
3.114
Zahlungen auf die Bestandteile von „echtem“ Eigenkapital (z.B. Dividenden oder andere Ausschüttungen) können nach § 8 Abs. 3 KStG nicht steuermindernd geltend gemacht werden. Obwohl aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes (§ 5 Abs. 1 EStG) die Eigenkapitaldefinition in Handels- und Steuerbilanz weitgehend deckungsgleich sind, bleibt Raum für die Ausgestaltung hybrider Finanzierungsformen. Ziel ist es häufig, in der Handelsbilanz einen Ausweis als Eigenkapital zu erreichen und steuerlich das Finanzierungsinstrument als Fremdkapital auszuweisen.5 Sofern das hybride Finanzierungsinstrument so strukturiert ist und aus steuerlicher Sicht Fremdkapital vorliegt, können die Zahlungen für die Kapitalüberlassung von der Gesellschaft als Betriebsausgaben abgezogen werden.
3.115
Für den Investor handelt es sich – je nach steuerlicher Ausgestaltung des Finanzierungsinstruments – entweder um Zinseinnahmen oder um Einnahmen aus Kapitalvermögen, die der Kapitalertragsteuer unterliegen.
1 Eilers in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, A 4. 2 Eilers in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, A 4; Knebel/Schmidt, BB 2009, 430, 432. 3 Zu den Voraussetzungen der Bilanzierung von Genussrechten als Eigenkapital im Einzelnen vgl. Gleske/Laudenklos in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, D 10 ff. 4 Vgl. Gleske/Laudenklos in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, D 15. 5 Vgl. Gleske/Laudenklos in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, D 2.
96
F. Zuschüsse
F. Zuschüsse I. Übersicht Befindet sich ein Unternehmer in der Krise kann auch die Gewährung von Zuschüssen eine Option darstellen, um die Krise zu überwinden.
3.116
Private Zuschüsse
Investionszuschüsse = an den Erwerb eines bestimmten Wirtschaftsgutes geknüpft
Ertragszuschüsse = investitionsunabhängig (z.B. zur Liquiditätsstärkung) mit Gegenleistung ohne Gegenleistung = sog. verlorene Zuschüsse
II. Grundlagen In der Praxis werden Fördermaßnahmen z.B. gewährt, um die Liquidation eines Betriebes zu verhindern und damit Arbeitsplätze zu sichern. Zuschüsse liegen vor, wenn ein Dritter (sog. Zuschussgeber) dem Zuschussempfänger einen Vermögensvorteil zuwendet, um einen Zweck der (zumindest auch) in seinem Interesse liegt, zu fördern. Fehlt ein Eigeninteresse, liegt kein Zuschuss vor.1 Nach der verfolgten Zielsetzung des Zuwendungsgebers lassen sich Investitions- und Erfolgenszuschüsse unterscheiden. Ein Investitionszuschuss liegt vor, wenn die Gewährung des Vermögensvorteils an den Erwerb (Anschaffung/Herstellung) eines bestimmten Wirtschaftsgutes (des Anlagevermögens) geknüpft wird. Sog. Ertragszuschüsse (Aufwandszuschüsse) werden hingegen zur Kompensation von Aufwendungen bzw. Mindererträgen gewährt, die der Zuschussempfänger (im Interesse des Zuschussgebers) tätigt bzw. in Kauf nimmt.2 In der Regel ist an die Zuschussgewährung eine Gegenleistungspflicht des Zuschussempfängers geknüpft. Meist liegt die Gegenleistung in verbesserten Vertrags-/Lieferkonditionen und kann zeitbezogen, mengenbezogen oder eine Kombination aus beidem sein. Werden Zuschüsse ohne Gegenleistungsverpflichtung gewährt, handelt es sich um sog. „verlorene Zuschüsse“.
3.117
Zu unterscheiden ist zudem zwischen öffentlichen und privaten Zuschüssen. Öffentliche Zuschüsse sind in der Verbesserung des Gemeinwohls begründet. Um dieses Ziel zu erreichen, wird die Zuwendungsgewährung an
3.118
1 Küting, DStR 1996, 276. 2 Kupsch, WPg 1984, 370.
97
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
bestimmte Auflagen geknüpft. Das damit angestrebte Verhalten des Zuwendungsempfängers wird als Verhaltenszweck bezeichnet. Die Erfüllung des Verhaltenszwecks stellt die Gegenleistung des Zuwendungsempängers dar.1 Private Zuschüsse werden in der Regel zur Erzielung besserer Konditionen gewährt und sind vor allem in der Automobil- und Zuliefererbranche verbreitet.
III. Ertragsteuerliche Konsequenzen 1. Ebene des Zuschussempfängers
3.119
Hinsichtlich der steuerlichen Konsequenzen ist zu unterscheiden, ob ein Zuschuss mit oder ohne Gegenleistungsverpflichtung gewährt wurde.
3.120
Der Zuschuss wird beim Empfänger nur dann erfolgswirksam vereinnahmt, soweit dafür eine Gegenleistung erbracht ist. Für die Bilanzierung ergeben sich beim Empfänger zwei Möglichkeiten. Zum einen kann er einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten (PRAP) bilden. Voraussetzung hierfür ist, dass der Zeitraum und der Umfang der Gegenleistungspflicht genau bestimmt ist. Der PRAP wird dann entsprechend der Verpflichtung aufgelöst. Es kommt somit zu einer ratierlichen Ertragswirksamkeit.
3.121
Zum anderen kann er auch einen Passivposten „erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen“ bzw. „sonstige Verbindlichkeiten“ bilden.
3.122
Werden Investitionszuschüsse als sog. „verlorene Zuschüsse“ (d.h. ohne Gegenleistungsverpflichtung) gewährt, steht dem Empfänger hinsichtlich der steuerlichen Behandlung ein Wahlrecht zu.2 Er kann entweder den Zuschuss als steuerpflichtige Betriebseinnahme ansetzen und damit den steuerpflichtigen Ertrag erhöhen. In diesem Fall hat der Zuschuss keine Auswirkungen auf die Anschaffungs-/Herstellungskosten des bezuschussten Wirtschaftsgutes. Der Empfänger kann den Zuschuss aber auch steuerlich neutral behandeln. Der Zuschuss mindert in diesem Fall die Anschaffungs-/Herstellungskosten des bezuschussten Anlagegutes und dementsprechend auch die abschreibungsfähigen Aufwendungen über die ansonsten gleichbleibende Nutzungsdauer. Die Zuschussgewährung wirkt sich so steuererhöhend über die Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes aus. Wird der Zuschuss nachträglich gewährt, können die Anschaffungs-/Herstellungskosten auch nachträglich gemindert werden. Liegt hingegen vor Anschaffung/Herstellung bereits ein Zuschuss vor, ist bis zum Erwerbsvorgang eine steuerfreie Rücklage zu bilden. Wird der Betrieb in dieser Zeit veräußert, kann der Erwerber die Rücklage fortführen.3 Zu beachten ist, dass 1 Vgl. Uhlig, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Zuschüsse, 1989, 50. 2 Das Wahlrecht gilt nur im Rahmen von betrieblichen Einkunftsarten. Wird ein Zuschuss dagegen im Rahmen von Vermietungseinkünften gewährt, muss zwingend eine Minderung der Anschaffungs-/Herstellungskosten erfolgen, vgl. BFH v. 26.3.1991 – IX R 104/86, BStBl. II 1992, 999, EStR 21.5 I. 3 BMF v. 5.6.1990 – IV B 2 - S 2170 - 30/90, BB 1990, 1238; Kulosa in Schmidt, EStG, 30. Aufl. 2011, § 6, Rz. 73.
98
F. Zuschüsse
ein einmal ausgeübtes Wahlrecht nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.1 Bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2008 musste das Wahlrecht aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) in Handels- und Steuerbilanz einheitlich ausgeübt werden. Aufgrund der Einführung des BilMoG ist ab dem VZ 2009 eine unterschiedliche Ausübung des Wahlrechts in Handels- und Steuerbilanz möglich.2 Handelt es sich bei den verlorenen Zuschüssen um Ertragszuschüsse, sind diese beim Empfänger im Jahr der Vereinnahmung insgesamt erfolgswirksam zu berücksichtigen.3 Dies kann entweder als zusätzlicher Ertrag oder als Minderung ansonsten auftretender Aufwendungen erfolgen. Die Anschaffungs-/Herstellungskosten von angeschafften Wirtschaftsgütern dürfen jedoch in keinem Fall gemindert werden.
3.123
2. Ebene des Leistenden Gewährt der Leistende einen Zuschuss mit einer Gegenleistungsverpflichtung, ist die Behandlung des Zuschusses davon abhängig, ob die Aufwendungen einem bestimmten Wirtschaftsgut zuzuordnen sind oder nicht. Ist eine Zuordnung möglich, so liegen entweder zusätzliche Anschaffungskosten eines bereits bestehenden Wirtschaftsgutes vor oder ggf. auch Anschaffungskosten eines neuen, immateriellen Wirtschaftsgutes. Kann eine Zuordnung jedoch nicht erfolgen, handelt es sich bei dem Zuschuss um sofort abzugsfähige Betriebsausgaben.
3.124
Liegen hingegen sog. „verlorene Zuschüsse“ (d.h. Zuschüsse ohne Gegenleistungsverpflichtung) vor, handelt es sich für den Leistenden stets um eine sofort abzugsfähige Betriebsausgabe (§ 4 Abs. 4 EStG), sofern die Zuschussgewährung betrieblich veranlasst ist. Eine Unterscheidung in Ertrags- oder Investitionszuschüsse erfolgt nicht.
3.125
IV. Umsatzsteuer Die Umsatzsteuer bemisst sich nach Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10 Abs. 1 UStG). Bei Zuschüssen und Beihilfen handelt es sich nicht um Entgelt i.S.v. § 10 Abs. 1 UStG. Unabhängig vom allgemeinen Sprachgebrauch liegen für Zwecke der Umsatzsteuer Zuschüsse nur dann vor, wenn sie nicht (auch) im unmittelbaren Interesse des Zuschussgebers erteilt werden.4 Die Zuschüsse sind daher für Zwecke der Umsatzsteuer auf ihren genauen wirtschaftlichen Gehalt hin zu untersuchen. Zuschüsse im Sinne des Umsatzsteuerrechts liegen daher in der Regel nur bei staatlichen Förderungsmaßnahmen vor, da im privaten Wirtschaftsleben Leistungen ohne jede Art von Gegenleistung 1 2 3 4
BFH v. 11.6.2010 – IV S 1/10, BFH/NV 2010, 1851. Kulosa in Schmidt, EStG, 30. Aufl. 2011, § 6, Rz. 73. BFH v. 17.9.1987 – III R 225/83, BStBl. II 1988, 324. Korn in Bunjes/Geist, UStG, § 10, Rz. 60, 62.
99
3.126
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
eher ungewöhnlich sind. Öffentliche Zuschüsse werden meist gewährt, um die Liquidation zu verhindern oder weil sie den Leistungsempfänger zu einem im öffentlichen Interesse liegenden Verhalten anregen sollen.1
3.127
Dient der Zuschuss hingegen dazu, den Empfänger zu einem Handeln zu veranlassen, das zumindest auch in unmittelbarem wirtschaftlichen Interesse des Zuschussgebers liegt, stellt der „Zuschuss“ das Entgelt für die Leistung dar.2 Dient der Zuschuss der Preisauffüllung im Rahmen eines Leistungsaustauschs, der zwischen dem Zuschussempfänger und einem Dritten stattfindet, handelt es sich um ein Entgelt von dritter Seite gem. § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG. Die Zahlungen stellen ein zusätzliches Entgelt für die erbrachte Leistung dar, wenn der Leistungsempfänger einen Anspruch auf die Zahlung hat bzw. die Zahlung an ihn in Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung oder zumindest in seinem Interesse geleistet wird. Insbesondere Zahlungen der öffentlichen Hand an einen Unternehmer gehören dann gem. § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG zum Entgelt für die Umsätze gegenüber Dritten, wenn der Zuschuss gerade für die Lieferung eines bestimmten Gegenstandes oder die Erbringung einer bestimmten sonstigen Leistung bezahlt wird, und mit der Verpflichtung der den Zuschuss gewährenden Stelle zur Zuschusszahlung das Recht des Zahlungsempfängers (Unternehmers) auf Auszahlung des Zuschusses einhergeht, wenn er einen steuerbaren Umsatz bewirkt hat.3 Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Leistungsempfänger einen Rechtsanspruch auf die Zahlung hat; es reicht vielmehr aus, dass sie in seinem Interesse erfolgt.4 Die Abgrenzung zwischen Entgelt und einem echten Zuschuss erfolgt somit nach der Person des Bedachten und dem Förderungsziel.5
3.128
Liegt hingegen ein sog. verlorener Zuschuss vor, handelt es sich insgesamt nicht um eine umsatzsteuerpflichtige Lieferung/Leistung.6
3.129
Ein erhaltener Zuschuss kann sich positiv auf die Überschuldungssituation des Unternehmens auswirken. Darüber hinaus ist ein Zuschuss, der vertraglich zugesichert wurde oder auf den das Unternehmen gesetzlich einen Anspruch hat, in der Fortführungsprognose (zu den Einzelheiten s. Rz. 2.37) im Rahmen der Ermittlung der insolvenzrechtlichen Überschuldung nach § 19 InsO zu berücksichtigen. 1 Vgl. hierzu BFH v. 30.1.1997 – V R 133/93, BStBl. II 1997, 335 = UR 1997, 309; v. 13.11.1997 – V R 11/97, BStBl. II 1998, 165 = UR 1998, 104; EuGH v. 29.2.1996 – C-215/94, DStR 1996, 123 = UR 1996, 119; v. 18.12.1997 – C-384/95, UR 1998, 102 m. Anm. Stapperfend. 2 Korn in Bunjes/Geist, UStG, § 10, Rz. 60, 62. 3 Korn in Bunjes/Geist, UStG, § 10, Rz. 60, 62. 4 BFH v. 9.10.2003 – V R 51/02, UR 2004, 151. 5 BFH v. 9.10.2003 – V R 51/02, UR 2004, 151; v. 27.6.1996 – V R 35/95, UR 1997, 307; vgl. auch BFH v. 13.11.1997 – V R 11/97, UR 1998, 107 zum Zuschuss einer Gemeinde an einen Schwimmbad-Pächter; BFH v. 26.10.2000 – VR 12/00, BFH/NV 2001, 494 und EuGH v. 22.11.2001 – C-184/00, UR 2002, 177. 6 Korn in Bunjes/Geist, UStG, § 10, Rz. 62.
100
G. Rückkauf eigener Darlehen und NPL-Transaktionen
G. Rückkauf eigener Darlehen und NPL-Transaktionen I. Ausgangsfall 3.130
Zur Veranschaulichung betrachtet man den folgenden Ausgangsfall: Rückkauf durch Darlehensnehmer Gesellschaft
Darlehen Nominal 100 VW 50
Bank
Verkauf KP 50
Rückkauf durch Gesellschaft Verka uf KP 50
Mutter Intra Company Debt 100
100 %
Tochter
Darlehen Nominal 100 VW 50
Bank
II. Grundlagen In der Krise ist ein Unternehmen regelmäßig nicht mehr in der Lage, die aufgenommenen Finanzmittel zurückzuzahlen bzw. die fällig werdenden Zinsen zu bedienen. In einer solchen Situation werden die Forderungen gegen das Unternehmen als notleidend bezeichnet, d.h. es liegt sog. „Distressed Debt“ vor, wenn mit der vollständigen Zahlung von Zinsen und vereinbarten Provisionen nicht mehr gerechnet werden kann.1 Bei notleidenden Darlehen wird zwischen sog. „Non-Performing Loans“ und „SubPerforming Loans“ unterschieden. Erstere kann die finanzierende Bank aufgrund wiederholten Zahlungsverzugs oder erheblicher Vermögensverschlechterung des finanzierten Unternehmens fristlos kündigen; letztere können trotz erheblicher Zahlungsschwierigkeiten des Schuldners noch nicht durch die Bank gekündigt werden.2 Dabei sind nicht nur Darlehensforderungen im engeren Sinne betroffen, sondern auch andere Finanzpro1 Sievers/Bizenberger in Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 19, Rz. 20; Richter, Möglichkeiten und Grenzen des Distressed Debt Investing in Deutschland, 17. 2 Toth-Feher/Schick, ZIP 2004, 491; Sievers/Bizenberger in Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 19, Rz. 20.
101
3.131
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
dukte wie z.B. Schuldverschreibungen oder Collateralized Debt Obligations (CDOs).1
3.132
Schon vor der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise existierte in Deutschland ein Markt für solche notleidenden Forderungen. Infolge der durch die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise ausgelösten erhöhten Unsicherheit bezüglich der Bonität der jeweiligen Schuldner und der Tatsache, dass einige Gläubiger aus Liquiditätsgründen und zur Bereinigung ihrer Bilanzen notleidende Forderungen abstoßen müssen, hat sich dieser Markt jedoch signifikant ausgeweitet.2 Gerade die finanzierenden Banken sind in zunehmendem Maße bemüht, sich von „Non-Performing Loans“ und „SubPerforming Loans“ zu trennen. Mit der Darlehensweitergabe können die Banken ihre Portfolios bereinigen, regulatorisches Eigenkapital freisetzen und dadurch ihr Rating sowie den Liquiditätsfluss auf dem Interbankenmarkt verbessern und die frei werdenden Mittel ggf. in rentable(re) Projekte investieren.3
3.133
Das Risiko des vollständigen bzw. teilweisen Forderungsausfalls führt dabei dazu, dass der Marktwert notleidender Darlehen regelmäßig unter deren Nominalwert liegt. Die Höhe der Abschläge bei Bonds, Anleihen, Darlehen und Schuldverscherschreibungen variiert je nach den Bedingungen des Einzelfalls, wobei Abschläge von 50–70 Prozent keine Seltenheit sind. In dieser Situation besteht für das finanzierte Unternehmen bzw. für ein anderes Unternehmen aus der betroffenen Unternehmensgruppe der Anreiz, solche Finanzierungsinstrumente günstig von der finanzierenden Bank oder am Kapitalmarkt zu erwerben (debt buy-back).
3.134
Ein solches Vorgehen kann dabei aus unterschiedlichen Motiven erfolgen. Es kann angestrebt sein, die Anteile an dem Instrument bald wieder (gewinnbringend) zu veräußern (buy and flip) oder die Anteile an dem Instrument langfristig zu halten und zu nutzen (buy and hold) ggf. auch zur Durchsetzung einer neuen unternehmerischen Ausrichtung. Zudem kann durch einen Verzicht auf die erworbenen Anteile an dem Finanzierungsinstrument auch die Fremdfinanzierung in der betroffenen Unternehmensgruppe reduziert werden (buy and forgive). Abhängig von der Zielsetzung kann der gruppeninterne debt buy-back durch den Kreditnehmer selbst (borrower buy-back) oder durch eine andere Gesellschaft innerhalb der Unternehmensgruppe (z.B. eine Tochtergesellschaft des Kreditnehmers, group debt buy-back) erfolgen.4
3.135
Ob ein solcher Rückkauf von (eigenen) Finanzierungsinstrumenten überhaupt in Betracht kommt, hängt maßgeblich von zwei Faktoren ab. Zum einen muss das rückkaufende Unternehmen über die erforderliche Liqui1 2 3 4
Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933. Kaufhold, BB 2010, 2207 (2207). Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186 (1186); Kaufhold, BB 2010, 2207 (2207). Eine nähere Darstellung der einzelnen Möglichkeiten findet sich bei Friedl/Natusch, FB 2009, 227 (228 f.).
102
G. Rückkauf eigener Darlehen und NPL-Transaktionen
dität für den Rückerwerb verfügen. Es kann den Erwerb durch vorhandene Barmittel oder durch eine neue Fremdfinanzierung durchführen, möglicherweise auch durch neues Eigenkapital von Investoren. Zum anderen dürfen die Finanzierungsbedingungen einem solchen Rückkauf nicht entgegenstehen.
III. Zivilrechtliche Beurteilung Für den (dinglichen) Erwerb notleidender Darlehen und Finanzprodukte hat sich in der Praxis überwiegend die Forderungsabtretung (Zession) gem. §§ 398 ff. BGB durchgesetzt. § 399 BGB sieht hierbei vor, dass eine Forderung nicht abgetreten werden kann, wenn die Leistung an einen anderen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann oder die Abtretung durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen ist.
3.136
Ob ein (Rück)Erwerb an dieser Regelung scheitert, bleibt eine Frage des Einzelfalls. Da sich der Leistungsinhalt (Geldzahlung) nicht durch einen Gläubigerwechsel ändert,1 wird in diesen Fällen allein ein ggf. vereinbartes Abtretungsverbot virulent. Ein solches Abtretungsverbot kann zwar nicht aus dem gewohnheitsrechtlich anerkannten Bankgeheimnis abgeleitet werden,2 wonach das Kreditinstitut zur Verschwiegenheit über kundenbezogene Tatsachen und Wertungen verpflichtet ist, die ihm auf Grund, aus Anlass oder im Rahmen der Geschäftsverbindung zum Kunden bekannt geworden sind und die der Kunde geheim zu halten wünscht.3 Im Falle des (Rück)Erwerbs von Finanzierungsinstrumenten durch das finanzierte Unternehmen bzw. gruppenzugehörige Unternehmen sind derartige Geheimhaltungsinteressen bereits per se nicht berührt. Überdies könnte eine Verletzung des Bankgeheimnisses allenfalls auf schuldrechtlicher Ebene eine Schadensersatzpflicht aus § 280 Abs. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB auslösen, aber nicht der Wirksamkeit des dinglichen Verfügungsgeschäfts, d.h. der Forderungsabtretung, entgegenstehen.4 Allerdings sehen die dem Finanzierungsinstrument zugrunde liegenden Vereinbarungen vielfach vor, dass weder der Schuldner noch ein mit ihm verbundenes Unternehmen das Finanzinstrument erwerben darf.5
3.137
Darüber hinaus bleibt zu prüfen, ob die Finanzierungsvereinbarungen Beschränkungen des Schuldunternehmens im Hinblick auf die Verwendung freier Mittel enthalten, welche im Ergebnis einem Erwerb des Finanzie-
3.138
1 Reuter/Buschmann, ZIP 2008, 1003 (1005); Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186 (1187). 2 BGH v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, NJW 2007, 2106; v. 27.11.1990 – XI ZR 308/89, NJW 1991, 693. 3 BGH v. 12.5.1958 – II ZR 103/57, NJW 1958, 1232; v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, NJW 2006, 830. 4 Reuter/Buschmann, ZIP 2008, 1003 (1004); Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186 (1187), jeweils m.w.N. 5 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1935 f.).
103
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
rungsinstruments entgegenstehen. Derartige Klauseln machen für das finanzierte Unternehmen einen „Debt-Buy-Back“ ohne wirtschaftliche Neuverhandlung der Finanzierung praktisch unmöglich.1 In diesen Fällen bleibt allein der Rückkauf über gruppenverbundene Unternehmen möglich.
3.139
Häufig schließen die Finanzierungsbedingungen aber auch den Erwerb des Finanzierungsinstruments durch ein verbundenes Unternehmen aus. Hintergrund solcher Regelungen in den Finanzierungsbedingungen sind die aus Sicht der Banken mit dem Debt-Buy-Back durch verbundene Unternehmen ausgelösten Probleme. Denn durch einen Debt-Buy-Back würde ein mit dem Schuldner verbundenes Unternehmen als Kreditgeber Teil des Bankenkonsortiums. Hierbei liegen mögliche Interessenkonflikte zwischen den Banken und dem verbundenen Unternehmen auf der Hand. Derartige Interessenkonflikte dürften z.B. bei der Neuverhandlung der Finanzierung oder einer Entscheidung über die Maßnahmen nach einem „Covenant Breach“2 zutage treten. Das Konfliktpotential ist in den Fällen besonders groß, in denen es zu einer Vereinigung der „Equity“- und „Debt“-Position kommt. Diese aus Sicht der finanzierenden Banken besonders neuralgische Konstellation liegt dann vor, wenn das verbundene Unternehmen gleichzeitig direkt oder indirekt am Eigenkapital des Kreditnehmers beteiligt ist oder Interessen der Eigenkapitalgeber wahrnimmt.
3.140
Ist ein (Rück)Kauf des Finanzierungsinstruments durch ein verbundenes Unternehmen auf der Basis der Finanzierungsvereinbarung im Einzelfall zulässig, werden im Forderungskaufvertrag oder der Gläubigervereinbarung (sog. „Inter-Creditor-Agreement“), der sich der Käufer des Finanzierungsinstrument üblicherweise unterwirft, regelmäßig Klauseln enthalten sein, welche die Geltendmachung bestimmter Rechte aus der Darlehensvereinbarung bzw. der Gläubigervereinbarung ausschließen.3 Derlei Restriktionen reichen bis zum Verbot der Teilnahme an Sitzungen oder Telefonkonferenzen des Kreditkonsortiums;4 sie sind angesichts der besonderen Interessenlage zulässig.5
IV. Umqualifizierung des erworbenen Finanzinstruments 3.141
Sofern der Gesellschafter ein Finanzinstrument des Schuldnerunternehmens erwirbt, kann dies im Falle einer Insolvenz des Schuldnerunternehmens dazu führen, dass der Gesellschafter nicht nur mit seiner Eigenkapitalbeteiligung am Schuldnerunternehmen, sondern auch mit seiner – erworbenen – Forderung gegen das Schuldnerunternehmen ausfällt. Denn der Erwerb des Finanzinstruments durch den Gesellschafter führt dazu, 1 2 3 4 5
von Iberg/Tschesche, BB 2010, 259 (260); Friedl/Natusch, FB 2009, 227 (229). Jetter in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, 209 ff. Friedl/Natusch, FB 2009, 227 (231). Friedl/Natusch, FB 2009, 227 (231). Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186 (1191).
104
G. Rückkauf eigener Darlehen und NPL-Transaktionen
dass dieses grundsätzlich als nachrangiges „Gesellschafterdarlehen“ gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO anzusehen ist, sofern nicht das sog. Kleinbeteiligtenprivileg oder das sog. Sanierungsprivileg Anwendung finden.1 Entsprechendes gilt, wenn ein mit dem Gesellschafter verbundenes Unternehmen die Darlehensforderung erwirbt, soweit der Gesellschafter die Geschicke der erwerbenden (Tochter-) Gesellschaft bestimmen kann.2 Bereits vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldnerunternehmens können ferner Zahlungen auf die von dem Gesellschafter erworbene Forderung gem. § 64 Satz 3 GmbHG, § 92 Satz 3 AktG unzulässig sein. Danach müssen Zahlungen an Gesellschafter, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen, unterbleiben, soweit sie nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind.3 Soweit eine – direkte oder indirekte – Tochtergesellschaft des Schuldnerunternehmens die Forderung im Rahmen der „Debt-Buy-Back“-Transaktion erwirbt, sind auch die Regelungen zur Kapitalerhaltung (§§ 30, 31 GmbHG, § 57 AktG) zu beachten, da sich die Forderung mit dem Erwerb in ein – konzerninternes – aufsteigendes Darlehen verwandelt (sog. „Upstream Loan“).4
3.142
V. Ertragsteuerliche Konsequenzen 1. Erwerb der Darlehensforderungen Bezüglich der steuerlichen Konsequenzen ist danach zu differenzieren, ob die Finanzinstrumente vom Kreditnehmer oder von einer Gruppengesellschaft erworben werden.
3.143
a) Erwerb durch den Kreditnehmer Erwirbt der Kreditnehmer selbst eine Beteiligung an den an ihn ausgereichten Krediten, erlöschen diese insoweit durch Konfusion.5 Eine Ausnahme hiervon besteht bei verbrieften Forderungen, die, solange sie nicht entwertet werden, wie fremde Wertpapiere zu bilanzieren sind und dementsprechend nicht durch Konfusion erlöschen.6
3.144
Erlöschen die Darlehensforderungen durch Konfusion, entsteht im Zeitpunkt des Erwerbs beim Darlehensschuldner ein steuerpflichtiger Ertrag in Höhe der Differenz zwischen dem Buchwert der Darlehensverbindlich-
3.145
1 von Ilberg/Tschesche, BB 2010, 259 (261). 2 BGH v. 27.11.2000 – II ZR 179/99, GmbH-StB 2001, 43 = NJW 2001, 1490 (1491); vgl. auch von Ilberg/Tschesche, BB 2010, 259 (263). 3 Vgl. Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186 (1191). 4 Vgl. Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186 (1191). 5 Dies setzt voraus, dass die Übertragung an den Kreditnehmer nach den Übertragungsklauseln zulässig ist. 6 Vgl. Häuselmann, Ubg 2009, 225 (228).
105
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
keit, d.h. dem Nennwert der Darlehensforderung, und dem Kaufpreis. Dieser kann mit laufenden Verlusten oder Verlustvorträgen verrechnet werden. Die Verrechnung mit Verlustvorträgen kann allerdings wegen der Regelungen zur Mindestbesteuerung (§ 10d Abs. 2 Satz 1 EStG; § 10a Satz 2 GewStG Rz. 2.78 ff.) begrenzt sein. Durch diese Mindestbesteuerung droht eine Reduzierung des positiven Effekts des Debt-Buy-Backs.1 Im Übrigen ist eine Freistellung dieser Gewinnbestandteile aufgrund des Sanierungserlasses2 (Rz. 2.30 ff.) zu prüfen.3 b) Erwerb durch Gruppengesellschaft
3.146
Der Erwerb durch eine Gruppengesellschaft führt zunächst zu keinen unmittelbaren steuerlichen Auswirkungen beim Schuldner oder bei der Gruppengesellschaft. Dieser Erwerb steht in seinen Auswirkungen insoweit einem Verkauf an fremde Dritte gleich. Der Erwerb der notleidenden Darlehens- oder sonstigen Finanzierungsforderung führt beim Erwerber zu Anschaffungskosten in Höhe des (unter dem Nennbetrag der Forderung liegenden) Kaufpreises.4 Die Verbindlichkeit bleibt beim Schuldner nach dem Erwerb zunächst unverändert in Höhe des Nennbetrages bestehen. Erst eine über den Nennwert der Darlehensforderung hinausgehende Zahlung führt zu einer Gewinnrealisierung auf Ebene der Gruppengesellschaft. Eine Teilzahlung durch den Schuldner wirkt sich dabei nur dann gewinnmindernd aus, wenn sie insgesamt über den Kaufpreis hinausgeht. Eine Aufteilung etwaiger Teilzahlungen auf die Anschaffungskosten und die Differenz zwischen Anschaffungskosten und Nennwert dürfte aufgrund des Anschaffungskostenprinzips nicht möglich sein.5
3.147
Es können sich allerdings bereits im Zeitpunkt des Erwerbs mittelbare steuerliche Folgen ergeben. Denn bei einem gruppeninternen Erwerb würde es bereits im Erwerbszeitpunkt in der Konzernbilanz zu einem Ertrag in Höhe der Differenz zwischen Nennwert und Kaufpreis kommen, da im Rahmen der vollständigen Konsolidierung der Forderung eine höhere Verbindlichkeit gegenübersteht. Infolgedessen kann es zu einer Passivierung von latenten Steuern kommen, die ggf. gegen zu aktivierende latente Steuern zu verrechnen sind.6
3.148
Handelt es sich bei dem Erwerber der notleidenden Forderungen um eine ausländische Gruppengesellschaft, ist zu überlegen, diese Forderungen über ein ausländisches, ggf. steuerbegünstigtes oder -befreites Akquisitionsvehikel zu erwerben. Der aus den erworbenen Forderungen zu generierende Ertrag würde in einer solchen Gestaltung im Falle „normaler“ Darlehensforderungen nicht in Deutschland steuerpflichtig sein. Lediglich in besonderen Konstellationen, wie z.B. bei dinglich besicherten Darlehens1 2 3 4 5 6
Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1936). BMF v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240. Förster, Ubg 2010, 758 (762). Ellrott/Brendt in BeckBilKomm., § 255 HGB, Rz. 250 ff. Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1934, 1936). Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1934, 1936).
106
G. Rückkauf eigener Darlehen und NPL-Transaktionen
forderungen, bestünde u.U. eine beschränkte Steuerpflicht in Deutschland (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG).1 In bestimmten Konstellationen könnte sich für eine ausländische Gruppengesellschaft auch ein Erwerb über ein ausländisches Akquisitionsvehikel (z.B. eine niederländische B.V. oder eine Luxemburger S.à.r.l.) anbieten. Dieses Akquisitionsvehikel könnte durch eine back-to-back-Finanzierung finanziert werden, so dass ein etwaiger späterer Ertrag durch den Aufwand aus der back-to-back-Finanzierung neutralisiert wird. Zusätzlich bestünde die Möglichkeit die back-to-back-Finanzierung hybrid auszugestalten, mit der Folge, dass die Zinsen als Aufwand auf der Ebene des Akquisitionsvehikels steuerlich abzugsfähig (und damit die Zinserträge und den Gewinn aus der Realisierung der NPLs ausgeglichen) wären und auf der Ebene der ausländischen Gruppengesellschaft die Erträge aus der hybriden back-to-backFinanzierung steuerbegünstigte Dividendenerträge darstellen würden.2
3.149
Sofern es sich bei dem erworbenen Finanzinstrument um ein marktgängiges Produkt handelt, wird der Erwerber dieses im gesellschaftlichen Betriebsvermögen gehaltene Finanzinstrument im Einzelfall am Markt weiterveräußern. Die Differenz des am Markt erzielten Weiterveräußerungspreises zu den seitens der Gruppengesellschaft aufgewandten Anschaffungskosten wirkt sich dann auf das steuerbare Einkommen der Gesellschaft aus.
3.150
2. Verzicht auf die Darlehensforderung Nachdem eine Gruppengesellschaft die Darlehensforderung unter dem Nennwert erworben hat, wird sie nicht selten auf diese verzichten, um die Fremdfinanzierungsquote des Schuldners (und damit auch der Unternehmensgruppe insgesamt) zu senken. Hinsichtlich der steuerlichen Folgen eines Verzichts auf die Darlehensforderung ist zu differenzieren, in welchem Verhältnis Gläubigerin und Schuldnerin zueinander stehen. Ist die Gläubigerin Gesellschafterin des Schuldnerunternehmens (downstream loan), führt der Forderungsverzicht in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung zu einer verdeckten Einlage.3 In Höhe des nicht werthaltigen Teils erzielt das Schuldnerunternehmen steuerpflichtige Einnahmen. Ist die Gläubigerin indirekte Gesellschafterin des Schuldnerunternehmens, erfolgt die Einlage ggf. durch die Beteiligungskette. Hat dagegen eine Tochtergesellschaft die Darlehensforderung gegen ihre Mutter erworben (upstream loan), würde ein Verzicht – abgesehen von der gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit nur unter Beachtung der Kapitalerhaltungsgrundsätze (§ 30 GmbHG, § 57 AktG)4 – zu einer steuerpflichtigen 1 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1934, 1936). Für inländische Gesellschaften dürfte dieser Weg über eine ausländisches Akquisitionsvehikel regelmäßig die Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 AStG auslösen. 2 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1934, 1936). 3 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1936); Häuselmann, Ubg 2009, 225 (228). 4 Vgl. hierzu Bunnemann/Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs, § 6, Rz. 94 ff.
107
3.151
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
verdeckten Gewinnausschüttung in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung führen.
3.152
Befindet sich das Schuldunternehmen zum Zeitpunkt des Schuldverzichts in der Krise, kann ein durch diesen Verzicht ausgelöster grundsätzlich steuerbarer Ertrag unter den Voraussetzungen des Sanierungserlasses aus sachlichen Billigkeitsgründen zunächst gestundet und später ggf. erlassen werden (Rz. 2.30 ff.). Die mit der Anwendung des Sanierungserlasses verbundenen Rechtsunsicherheiten lassen sich im Hinblick auf die ertragsteuerliche Behandlung des geplanten Verzichtes durch eine verbindliche Auskunft abmildern. Eine solche Auskunft entfaltet allerdings keine Bindungswirkung im Hinblick auf die in den Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Gemeinde fallende Gewerbesteuer (Rz. 2.111 ff.).1 3. Zinsschranke
3.153
Der Debt-Buy-Back erlangt darüber hinaus im Rahmen der Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG) Relevanz. Nach dieser Regelung ist der Zinsaufwand, der die Zinseinnahmen übersteigt (Nettozinsaufwand), grundsätzlich nur i.H.v. 30 % des steuerlichen EBITDA des Unternehmens abzugsfähig (Rz. 2.88).
3.154
Auf Seiten des Käufers können sich durch die mittels des Debt-Buy-Back generierten Zinseinnahmen positive Effekte im Hinblick auf die Abziehbarkeit des ihn treffenden Zinsaufwandes ergeben. Dies gilt auch dann, wenn die Forderung von einer zinsschrankenbelastenden Gesellschaft im Konzern gekauft wird, deren Zinssaldo auf diesem Weg gesenkt würde.2 Allerdings kann der Erwerb der Darlehensforderung durch einen Anteilseigner, der zu mehr als 25 % am Grund- oder Stammkapital der Schuldnerin beteiligt ist, auch negative Auswirkungen haben. Die mit dem Erwerb verbundene Erhöhung der Zinszahlungen an diesen Anteilseigner kann als schädliche Vergütung auf Gesellschafter-Fremdkapital bei einer nicht konzernangehörigen Gesellschaft nach § 8a Abs. 2 KStG zur Nichtanwendbarkeit der Konzernklausel (§ 4h Abs. 2 S. 1 lit. b EStG) bzw. bei einer konzernangehörigen Gesellschaft nach § 8a Abs. 3 KStG zur Nichtanwendbarkeit der Escape-Klausel (§ 4h Abs. 2 S. 1 lit c EStG) führen (Letzteres jedoch nur, sofern die Verbindlichkeiten im voll konsolidierten Konzernabschluss ausgewiesen werden, d.h. nicht wenn die Gläubigerin ebenfalls zum Konzern gehört).3
VI. Umsatzsteuerliche Konsequenzen 3.155
Im Hinblick auf die Frage der zutreffenden umsatzsteuerliche Behandlung der Veräußerung notleidender Finanzierungsinstrumente bestehen zwi1 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1936); vgl. zum Sanierungserlass Rz. 2.30 ff. 2 Zu den negativen Auswirkungen der Zinsschranke in Krisenzeiten vgl. Eilers/ Bühring, DStR 2009, 137; Eilers in FS Schaumburg, 2009, 275 ff. 3 Vgl. dazu Möhlenbrock/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 8a, Rz. 101 ff. und 162 ff.; Köhler, DStR 2007, 597 (599).
108
G. Rückkauf eigener Darlehen und NPL-Transaktionen
schen Finanzverwaltung, Rechtsprechung und Schrifttum erhebliche Differenzen, die durch die EuGH-Entscheidung vom 27.10.2011 geklärt sind.1 Die Finanzverwaltung hatte unter Anlehnung an die „MKG“-Entscheidung des EuGH2 im Rahmen des Verkaufs eines Finanzinstruments regelmäßig eine unternehmerische Tätigkeit des Käufers angenommen. Der Käufer erbringe insofern gegenüber dem Verkäufer eine Dienstleistung, als er diesen von der Einziehung und dem Risiko der Nichterfüllung entlastet. Dieses Leistungselement unterfalle dem Katalog der Leistungsbeschreibung des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 6a) UStG und ist von der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8c) UStG ausgenommen. Der Käufer des Finanzierungsinstruments erbringe demgemäß gegenüber dem Verkäufer eine umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Leistung.3
3.156
Bemessungsgrundlage dieser Leistung sei grundsätzlich die Differenz zwischen dem Nennwert des verkauften Finanzinstrument und dem Betrag, welchen der Käufer als Preis für das Finanzinstrument zahle, abzgl. der im Differenzbetrag enthaltenen Umsatzsteuer (§ 10 UStG). Beziehe sich das Rechtsgeschäft auf eine zahlungsgestörte Forderung,4 kann bei der Bemessungsgrundlage ein durch die Parteien erkennbar berücksichtigter und offen ausgewiesener kalkulatorischer Teilbetrag, welcher sich auf das durch die Vertragsparteien antizipierte Risiko des Forderungsausfalls beziehe, in Abzug gebracht werden. Bemessungsgrundlage für die Leistung des Käufers sei dann die Differenz zwischen dem im Abtretungszeitpunkt nach Ansicht der Parteien realisierbaren wirtschaftlichen Nennwert und dem Betrag, den der Käufer als Preis für das Finanzinstrument zahle, abzgl. der im Differenzbetrag enthaltenen Umsatzsteuer (§ 10 UStG).5
3.157
In der Finanzgerichtsbarkeit wurde der Erwerb von Finanzinstrumenten bislang nicht einheitlich beurteilt. Es existieren zu dieser Frage voneinander abweichende Entscheidungen der FG Hessen und Düsseldorf.
3.158
Das FG Hessen folgte in zwei Entscheidungen6 der Ansicht der Finanzverwaltung und erachtet die Grundsätze der „MKG“-Entscheidung des EuGH für auf den Erwerb eines NLP-Portfolios übertragbar. Die Ausführungen des EuGH in dieser Rechtssache seien generell und nicht auf Sachverhalte der „echten Factoring“ begrenzt.7
3.159
1 2 3 4
EuGH v. 27.10.2011 – Rs. C-93/10 – GFKL, DStR 2011, 2093. EuGH v. 26.6.2003 – Rs. C-305/01 – MKG, StBW 2003, 6. Vgl. insgesamt zur Auffassung der Finanzverwaltung 2. 4 (4) UStAE. Gemäß 2. 4 (7) UStAE liegt eine solche dann vor, wenn ein Finanzinstrument trotz Fälligkeit ganz oder zum einen nicht nur geringfügigen Teil seit sechs Monaten nicht bedient wurde. Dies gilt in gleicher Weise, wenn die Voraussetzungen der Kündigung des Finanzinstruments vorliegen. 5 Vgl. insgesamt zur Auffassung der Finanzverwaltung 2. 4 (7) und (8) UStAE. 6 FG Hess. v. 26.1.2010 – 6 K 2933/07, EFG 2010, 907; v. 31.5.2007 – 6 V 1258/07, EFG 2007, 1816. 7 FG Hess. v. 26.1.2010 – 6 K 2933/07, EFG 2010, 907 (908).
109
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
3.160
Demgegenüber bewertete das FG Düsseldorf1 in Übereinstimmung mit der vorherrschenden Auffassung des Schrifttums2 den Veräußerungsvorgang eines NPL-Portfolios als nicht mit einem Factoring-Geschäft vergleichbar und daher als nach § 4 Nr. 8c) UStG umsatzsteuerfrei. Der Erwerber des NPL-Portfolios erbringe keine Dienstleistung gegenüber dem Verkäufer, welche mittels einer (Factoring)Gebühr vergütet werde, und agiere auch nicht wie ein typischer Factoring-Unternehmer in einer Dauerrechtsbeziehung zum Forderungsverkäufer.3
3.161
Der BFH hat das Revisionsverfahren gegen das Urteil des FG Düsseldorf ausgesetzt und sich in einem Vorlagebeschluss an den EuGH gewendet.4 In dem Vorlagebeschluss äußert der BFH insbesondere Zweifel, ob Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „MKG“ entsprechend der Rechtsansicht der Finanzverwaltung auszulegen seien. Die erste Vorlagefrage bezieht sich namentlich darauf, ob der Erwerber zahlungsgestörter Forderungen durch die Übernahme von Forderungseinzug und Ausfallrisiko eine Leistung gegen Entgelt an den Forderungsverkäufer erbringe, wenn sich der Kaufpreis nach dem für die jeweilige Forderung geschätzten Ausfallrisiko richte und dem Forderungseinzug im Verhältnis zu dem auf das Ausfallrisiko entfallenden Abschlag nur eine untergeordnete Bedeutung zukomme.5
3.162
Der EuGH hat am 27.10.2011 entschieden, dass der Erwerber von zahlungsgestörten Forderungen keine Leistungen im Sinne des Umsatzsteuerrechts an den Verkäufer der Forderungen erbringt. In seiner Entscheidung stellt das Gericht maßgeblich darauf ab, dass die Differenz zwischen dem Nennwert und dem Kaufpreis der Forderungen nicht als Gegenleistung für eine Leistung angesehen werden kann, wenn die Differenz nur den tatsächlichen Wert der Forderungen zum Übertragungszeitpunkt widerspiegelt, der auf die Zahlungsstörungen und ein erhöhtes Risiko des Ausfalls der Schuldner zurückzuführen ist. Der Unterschied zwischen dem Erwerb von NPLs und den Factoringleistungen, die der EuGH in der MKG-Entscheidung als steuerbare und steuerpflichtige Dienstleistungen des Erwerbers angesehen hat, liegt nach Ansicht des Gerichts in der mangelnden Vereinbarung einer Gegenleistung (Vergütung), mit der unmittelbar eine vom Forderungserwerber erbrachte Dienstleistung entgolten werden soll. Der Erwerber von NPLs verpflichtet sich typischerweise nicht 1 FG Düsseldorf v. 15.2.2008 – 1 K 3682/05 U, EFG 2008, 887. 2 Behrens/Schmitt, DB 2004, 1530; Kristen/Kreppel, BKR 2005, 123; Thielo, BB 2007, 2487; Raab/Wildner/Krause, DB 2010, 750; Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933; Kaufhold, BB 2010, 2207. Demgegenüber vertritt erkennbar einzig Klenk, DB 2005, 743, die Anwendbarkeit der MKG-Rechtsprechung für den Fall des Erwerbs einzelner notleidender Forderungen. 3 FG Düsseldorf, 15.2.2008 – 1 K 3682/05 U, EFG 2008, 887 (889). 4 BFH 10.12.2009 – V R 18/08, DStR 2010, 377 = BB 2010, 679 mit Kommentar Hahne = StBW 2010, 156. 5 BFH 10.12.2009 – V R 18/08, DStR 2010, 377 = BB 2010, 679 mit Kommentar Hahne = StBW 2010, 156.
110
H. Veräußerung von „Tafelsilber“
zur Ausführung von Factoringdienstleistungen, für die er als Gegenleistung eine Factoring- und eine Delkrederegebühr erhält. Damit ist der EuGH der Argumentation in weiten Teilen der Literatur gefolgt, dass die Entlastung des Verkäufers von der Einziehung der Forderung und dem Risiko ihrer Nichterfüllung keine eigenständige Leistung, sondern lediglich eine natürliche Folge des durch den Forderungsverkauf bewirkten Rechtsträgerwechsels ist und der Preisnachlass lediglich das Ausfallrisiko und somit die gesunkene Werthaltigkeit widerspiegelt.1 Für den Erwerber von zahlungsgestörten Forderungen unter Nennwert hat die EuGH-Entscheidung zur Folge, dass er durch den bloßen Forderungserwerb keine steuerbaren Leistungen an den Verkäufer der Forderungen erbringt. Anders ist dies, wenn weitere Leistungen gegen vereinbarte Gegenleistung (Vergütung) erbracht werden. In der Konsequenz bedeutet die Entscheidung jedoch auch, dass ein Forderungserwerber nur dann Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts (§ 2 Abs. 1 UStG) sein kann, wenn er andere Leistungen erbringt, da der bloße Forderungserwerb keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Umsatzsteuerrechts darstellt. Dies kann Auswirkungen auf die Vorsteuerabzugsberechtigung des Forderungserwerbers haben. Es bleibt abzuwarten, ob der BFH in der Folgeentscheidung weitere Ausführungen zur umsatzsteuerlichen Behandlung von NPL-Transaktionen macht oder lediglich die vom EuGH angeführten Gründe in seinem Urteil wiederholt. Die Finanzverwaltung wird jedenfalls ihre in Abschnitt 2.4 UStAE niedergelegte Auffassung überdenken müssen, wonach außer in Fällen, in denen der Forderungsverkäufer weiterhin den Forderungseinzug übernimmt (ABS-Modelle), stets eine Leistung des Forderungskäufers vorliegt.
3.163
Die Entscheidung des EuGH ist umso mehr zu begrüßen, als dass die Umsatzsteuer im Einzelfall zu einer Definitivbelastung des Veräußerers führen kann. Von NPL-Transaktionen sind nämlich in aller Regel Hypothekenkredite oder ähnliche Bankgeschäfte betroffen, bei denen der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 Nr. 8 UStG ausgeschlossen ist, wenn nicht der Veräußerer nach § 9 Abs. 1 UStG zur Umsatzsteuer optiert hat.2
3.164
H. Veräußerung von „Tafelsilber“ I. Grundlagen Befindet sich das Unternehmen bereits ist Krise, kann es die laufenden Finanzierungen und sonstige Verbindlichkeiten nicht mehr oder nicht rechtzeitig bedienen. Stehen die vorgenannten Sanierungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung oder reichen diese zur Sanierung der Gesellschaft 1 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1935); Kaufhold, BB 2010, 2207 (2209); Raab/ Wildner/Krause, DB 2010, 750 (751). 2 Robisch/Prätzler, UStB 2005, 346 (347).
111
3.165
H. Veräußerung von „Tafelsilber“
zur Ausführung von Factoringdienstleistungen, für die er als Gegenleistung eine Factoring- und eine Delkrederegebühr erhält. Damit ist der EuGH der Argumentation in weiten Teilen der Literatur gefolgt, dass die Entlastung des Verkäufers von der Einziehung der Forderung und dem Risiko ihrer Nichterfüllung keine eigenständige Leistung, sondern lediglich eine natürliche Folge des durch den Forderungsverkauf bewirkten Rechtsträgerwechsels ist und der Preisnachlass lediglich das Ausfallrisiko und somit die gesunkene Werthaltigkeit widerspiegelt.1 Für den Erwerber von zahlungsgestörten Forderungen unter Nennwert hat die EuGH-Entscheidung zur Folge, dass er durch den bloßen Forderungserwerb keine steuerbaren Leistungen an den Verkäufer der Forderungen erbringt. Anders ist dies, wenn weitere Leistungen gegen vereinbarte Gegenleistung (Vergütung) erbracht werden. In der Konsequenz bedeutet die Entscheidung jedoch auch, dass ein Forderungserwerber nur dann Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts (§ 2 Abs. 1 UStG) sein kann, wenn er andere Leistungen erbringt, da der bloße Forderungserwerb keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Umsatzsteuerrechts darstellt. Dies kann Auswirkungen auf die Vorsteuerabzugsberechtigung des Forderungserwerbers haben. Es bleibt abzuwarten, ob der BFH in der Folgeentscheidung weitere Ausführungen zur umsatzsteuerlichen Behandlung von NPL-Transaktionen macht oder lediglich die vom EuGH angeführten Gründe in seinem Urteil wiederholt. Die Finanzverwaltung wird jedenfalls ihre in Abschnitt 2.4 UStAE niedergelegte Auffassung überdenken müssen, wonach außer in Fällen, in denen der Forderungsverkäufer weiterhin den Forderungseinzug übernimmt (ABS-Modelle), stets eine Leistung des Forderungskäufers vorliegt.
3.163
Die Entscheidung des EuGH ist umso mehr zu begrüßen, als dass die Umsatzsteuer im Einzelfall zu einer Definitivbelastung des Veräußerers führen kann. Von NPL-Transaktionen sind nämlich in aller Regel Hypothekenkredite oder ähnliche Bankgeschäfte betroffen, bei denen der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 Nr. 8 UStG ausgeschlossen ist, wenn nicht der Veräußerer nach § 9 Abs. 1 UStG zur Umsatzsteuer optiert hat.2
3.164
H. Veräußerung von „Tafelsilber“ I. Grundlagen Befindet sich das Unternehmen bereits ist Krise, kann es die laufenden Finanzierungen und sonstige Verbindlichkeiten nicht mehr oder nicht rechtzeitig bedienen. Stehen die vorgenannten Sanierungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung oder reichen diese zur Sanierung der Gesellschaft 1 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1935); Kaufhold, BB 2010, 2207 (2209); Raab/ Wildner/Krause, DB 2010, 750 (751). 2 Robisch/Prätzler, UStB 2005, 346 (347).
111
3.165
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
nicht aus, steht am Ende unweigerlich die Insolvenz der Gesellschaft. Um einen Neuanfang für die notleidende Gesellschaft zu ermöglichen und die Insolvenz ggf. doch noch abzuwenden, kann die Veräußerung von Unternehmen oder Unternehmensteilen an einen Investor der letzte Ausweg sein, um die erforderliche Liquidität zu beschaffen und so das Überleben der Gesellschaft sichern. Die Veräußerung bzw. der Erwerb von Unternehmen oder Unternehmensteilen, die Restrukturierungsbedarf aufweisen, weil sie notleidend sind, werden als „Distressed M&A“-Transaktionen“ bezeichnet.1
3.166
Während sich für die Unternehmen hierdurch die Möglichkeit eröffnet, notleidende Bereiche abzustoßen, erhält der Investor die Chance, durch Umstrukturierungen ein profitables Unternehmen zu schaffen, und eine angemessene Rendite zu erzielen. Zudem können Unternehmen zur Vermeidung einer Krise oder einer drohenden Insolvenz gezwungen sein, wertvolle Unternehmensteile (sog. „Tafelsilber“) zu veräußern, um dadurch die notwendige Liquidität zu erhalten. Diese Tendenz wird dadurch verstärkt, dass auf dem gegenwärtigen Markt Unternehmenskredite nicht oder nur zu ungünstigen Bedingungen aufgenommen werden können.2
3.167
Bei „Distressed M&A“- und „Tafelsilber“-Transaktionen handelt es sich – auf den ersten Blick – um klassische M&A-Transaktionen, so dass abhängig von den tatsächlichen Gegebenheiten ein „Asset Deal“, ein „Share Deal“ oder eine Kombinationen aus beiden Transaktionsformen in Betracht kommt. Allerdings bestehen in diesem Zusammenhang einige Besonderheiten, die der Tatsache geschuldet sind, dass die Transaktionen vor allem dazu dienen, sanierungsfähige Unternehmen oder Unternehmensteile zu erwerben. Zudem muss der Käufer den Erwerb gegen eine mögliche Insolvenzanfechtung absichern und etwaige Haftungsrisiken minimieren (z.B. § 302 AktG, § 73 AO).3
3.168
Bei „Distressed M&A“ und „Tafelsilber“-Transaktionen ist eine vorrangige „Due Diligence“-Prüfung daher noch weitaus wichtiger als bei klassischen M&A-Transaktionen, um mögliche Haftungsrisiken ausfindig zu machen. Eine „Distressed M&A“-Transaktion ist aus der Sicht des Erwerbers nur dann sinnvoll, wenn die Aussicht besteht, dass das Unternehmen nach dem Erwerb aus der Krise herausgeführt werden kann. Der Erwerber muss in diesem Zusammenhang entscheiden, ob er (i) den Rechtsträger des notleidenden Unternehmens sanieren und diesen durch einen „Share Deal“ kaufen will oder (ii) lediglich das vom Rechtsträger geführte Unternehmen, Betriebe oder Betriebsteile durch einen „Asset Deal“ erwerben möchte.4
1 2 3 4
Vgl. Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186 (1191). Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1938). Vgl. Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186 (1191). Vgl. Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186 (1192).
112
H. Veräußerung von „Tafelsilber“
II. Asset Deal 1. Zivilrechtliche Beurteilung Beim Asset Deal vollzieht sich der Kauf des Unternehmens durch den Erwerb sämtlicher Wirtschaftsgüter des Unternehmens. Hierbei werden die Wirtschaftsgüter und die Verbindlichkeiten des Unternehmens einzeln übertragen.
3.169
Der Kauf und die Übertragung der einzelnen Wirtschaftsgüter erfolgt dabei nach den für die jeweiligen Gegenstände maßgeblichen Vorschriften: Der Kaufvertrag für Sachen und Rechte richtet sich nach §§ 433 ff. BGB, die dingliche Übertragung des beweglichen Vermögens nach §§ 929 ff. BGB, des Grundbesitzes nach §§ 925 ff. BGB, der Forderungen nach §§ 398 ff. BGB. Angesichts des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes bedarf es hierbei einer genauen Bezeichnung aller Vermögensgegenstände. Dies geschieht in der Praxis durch umfangreiche Listen der Vermögensgegenstände. Die dem Betrieb zuzurechnenden Vertragsverhältnisse mit Dritten wie z.B. Mietverträge oder Liefer- und Kundenverträge gehen dabei grundsätzlich nicht automatisch auf den Erwerber der Vermögensgegenstände über. Regelmäßig muss der Dritte dem Wechsel seines Vertragspartners zustimmen. Für den Fall, dass er dies nicht tut, wird in dem Unternehmenskaufvertrag üblicherweise vereinbart, dass der Veräußerer den Drittvertrag für Rechnung und auf Weisung des Erwerbers fortführt. Durch einen Asset Deal gehen aber nicht ohne weiteres die Verbindlichkeiten des zu übertragenden Geschäftsbereichs über.1 Die Verbindlichkeiten müssen vielmehr einzeln übertragen werden. Zudem bedarf es insoweit der Zustimmung der Gläubiger (§ 415 BGB).
3.170
Der Reiz des „Asset Deal“ liegt darin, dass der Erwerber nur die sanierungsfähigen Unternehmensteile durch Übertragung der dazugehörenden Vermögensgegenstände erwerben kann, während das übrige Vermögen einschließlich der Verbindlichkeiten beim bisherigen Rechtsträger verbleiben.2 Die Veräußerung von einzelnen Vermögensgegenständen kann für den Erwerber den erheblichen Vorteil haben, dass er – je nach Stärke der eigenen Verhandlungsposition – nur den ihn interessierenden Teil des Krisenunternehmens erwirbt (sog. cherry-picking).3
3.171
2. Ertragsteuerliche Konsequenzen Steuerlich gesehen ist ein Asset Deal grundsätzlich ungünstiger als ein Share Deal, da ein etwaiger Veräußerungsgewinn voll steuerpflichtig und in der Regel im Innenverhältnis vom Erwerber zu tragen ist. Allerdings wird in der Regel ein Veräußerungsgewinn im Falle von „Distressed 1 Vgl. Lenz/Witte in Dieners/Reise, Handbuch des Pharmarechts, § 21, Rz. 21 ff. 2 Vgl. Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186 (1192). 3 Zu den insolvenzrechtlichen Anfechtungsrisiken vor allem beim cherry-pickung vgl. sogleich unten.
113
3.172
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
M&A“-Transaktionen überwiegend nicht erzielt werden, so dass diese steuerliche Überlegung bei der Entscheidung, ob ein Share Deal oder ein Asset Deal durchgeführt werden soll, nicht greift. Vielmehr werden im Rahmen eines Asset Deals die Vermögensgegenstände in der Regel unter dem Buchwert veräußert, so dass die Buchwerte abgestockt werden müssen. Auf Seiten des Veräußerers entstünde ein Veräußerungsverlust, der das Eigenkapital des verkaufenden Unternehmens weiter reduziert und so die Krise noch weiter verschärft.1
3.173
Der Erwerber hingegen aktiviert die Vermögensgegenstände mit ihren Anschaffungskosten. Die Anschaffungskosten ergeben sich als Summe aus gezahltem Kaufpreis zzgl. übernommener Verbindlichkeiten.2 Die Aufteilung der Anschaffungskosten auf die einzelnen Vermögensgegenstände muss nach der sog. Stufenmethode erfolgen.3 Sofern sich die abgestockten Vermögensgegenstände später bei ihrer Realisierung als werthaltig herausstellen, realisiert der Erwerber einen steuerpflichtigen Gewinn.4 Bei einem entgeltlichem Erwerb des Krisenunternehmens werden die aufgewendeten tatsächlichen Anschaffungskosten regelmäßig unter den bisherigen Buchwerten der Aktiva liegen, so dass es zu einer „Abstockung“ der Buchwerte kommt. Bargeld und Guthaben bei Kreditinstituten können infolge des Nominalwertprinzips nicht abgestockt werden.
3.174
Eine Abstockung muss regelmäßig deshalb erfolgen, weil bei der Ermittlung der Anschaffungskosten nur solche übernommenen Verbindlichkeiten berücksichtigt werden dürfen, die steuerlich auch bilanzierungsfähig sind. Unberücksichtigt bleiben jedoch solche Verbindlichkeiten, die den Parteien zwar bekannt sind, die steuerlich aber nicht berücksichtigungsfähig sind. Zudem wird von den Parteien ggf. bei der Kaufpreisfindung ein ebenfalls nicht ausweisbarer „bad will“, d.h. ein Wertabschlag zur Berücksichtigung künftiger negativer cash flows aufgrund bestehender vertraglicher Verpflichtungen oder zumindest einer Unterrentabilität des eingesetzten Kapitals vorgenommen.5 Weil Bilanzierungsverbote jedoch nicht dazu führen sollen, dass grundsätzlich erfolgsneutrale Anschaffungsvorgänge zu einem steuerpflichtigen Gewinn führen, sind nach der Rechtsprechung des BFH Zuzahlungen des Veräußerers im Rahmen von Anschaffungsvorgängen als sog. passive Ausgleichsposten auszuweisen.6
3.175
Soll eine Abstockung jedoch vermieden oder reduziert werden, müssen die Parteien darauf achten, möglichst viele bekannte Verpflichtungen im 1 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1938). 2 Vgl. BFH v. 5.7.1990 – GrS 4/89, GrS 5/89, GrS 6/89, BStBl. II 1990, 847; v. 31.5. 1972 – I R 49/69, BStBl. II 1972, 696. 3 Vgl. Wacker in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 16, Rz. 487 ff.; ausführlich hierzu Meyering, DStR 2008, 1008 (1010 ff.). Zur Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG vgl. BFH v. 20.9.1989 – II R 96/86, BStBl. II 1990, 485. 4 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1938). 5 Schmidt/Mielke, Ubg. 2009, 395 (403). 6 BFH v. 26.4.2006 – I R 49, 50/04, BStBl. II 2006, 656 = GmbH-StB 2006, 220; sowie H 6.2 EStH 2007 „Zuzahlungen des Veräußerers“.
114
H. Veräußerung von „Tafelsilber“
Kaufvertrag konkret zu benennen und ggf. die Voraussetzungen für die Bildung entsprechender Rückstellungen schaffen.1 So kommt z.B. auch die Bildung einer Drohverlustrückstellung in Betracht. Das Passivierungsverbot nach § 5 Abs. 4a EStG steht dem nicht entgegen.2 Ein weiterer wesentlicher Nachteil des Asset Deal gegenüber dem Share Deal besteht jedoch darin, dass die Veräußerungsverluste und etwaige Verlustvorträge des Krisenunternehmens nicht genutzt werden können, da das veräußernde Unternehmen nach der Tranksaktion nicht bestehen bleibt.3
3.176
3. Grunderwerb- und Umsatzsteuer Weitere Probleme im Zusammenhang eines Unternehmenserwerbes als Asset Deal ergeben sich im Zusammenhang mit der Grunderwerb- und der Umsatzsteuer.4 Die Grunderwerbsteuer wird gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bei einer Übertragung eines Grundstücks auf einen anderen Rechtsträger ausgelöst. Gehört daher ein Grundstück zum Betriebsvermögen und wird dieses im Rahmen eines Asset Deals übertragen, löst dieser Vorgang Grunderwerbsteuer aus. Eine Sanierungsausnahme kennt das Grunderwerbsteuerrecht nicht.
3.177
Für Zwecke der Umsatzsteuer ist zu beachten, dass die Übertragung eines Unternehmens, auch wenn sie als Asset Deal durchgeführt wird, gem. § 1 Abs. 1a UStG nicht steuerbar ist, wenn eine sog. Geschäftsveräußerung im Ganzen durchgeführt wird. Jedoch können sich hierbei Abgrenzungsprobleme ergeben, wenn die Übertragung an mehrere Käufer erfolgt oder lediglich Teile von Unternehmen übertragen werden.5 In diesen Fällen kann daher immer die Gefahr bestehen, dass die Übertragung Umsatzsteuer auslöst. Daher ist die Einholung einer verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO zwar ratsam, aber aufgrund des besonderen Zeitdrucks bei Käufen im Rahmen von Krisensituationen wohl nicht in jedem Fall durchführbar.
3.178
4. Haftungsrisiken Für den Erwerber eines Unternehmens bestehen eine Reihe von Haftungsrisiken.6 So ist vor allem eine Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB (Haftung für Geschäftsverbindlichkeiten bei Firmenübernahme) und nach 1 Schmidt/Mielke, Ubg. 2009, 395 (403). 2 BFH v. 16.12.2009 – I R 102/08, BStBl. II 2011, 566 = DStR 2010, 265 = FR 2010, 425; Schmidt/Mielke, Ubg. 2009, 395 (404). 3 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1938). 4 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1938); Arends/Hofert-von Weiss, BB 2009, 1538 (1542). 5 Vgl. hierzu Husmann in Rau/Dürrwächter, UStG, § 1, Rz. 112 ff.; vgl. zu den Voraussetzungen der Geschäftsübertragung im Ganzen Oelmeier in Sölch/Ringleb, UStG, § 1, Rz. 473 ff. 6 Rhein in Eilers/Koffka/Mackensen, Private Equity, Kap. III.1, Rz. 21–27.
115
3.179
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
§ 75 AO (Steuer-Haftung des Betriebsübernehmers) zu berücksichtigen.1 Nach § 25 HGB haftet der Erwerber für bereits begründete Verbindlichkeiten, sofern er das Unternehmen unter der Firma fortführt. Jedoch kann die Haftung nach § 25 HGB in der Regel nach § 25 Abs. 2 HGB ausgeschlossen werden.2
3.180
Eine Haftung nach § 75 AO trifft den Erwerber dagegen grds. immer, wenn er ein Unernehmen oder einen in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Betrieb außerhalb eines Insolvenz- oder Vollstreckungsverfahren im Ganzen erwirbt.3 Die Haftung nach § 75 AO ist jedoch zeitlich auf solche Steuern beschränkt, die seit Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entstanden und bis zum Ablauf eines Jahres nach der Anmeldung des Betriebes durch den Erwerber festgesetzt oder angemeldet sind. Sachlich ist die Haftung zudem auf Betriebssteuern begrenzt (z.B. USt, GewSt).4 Ein § 25 Abs. 2 HGB vergleichbarer Ausschluss dieser Haftung ist in § 75 AO nicht vorgesehen.
3.181
Trifft den Erwerber eine Haftung nach einer dieser Vorschriften, ist zu beachten, dass er wohl nur in Ausnahmefällen bei einer „Distressed M&A“-Transaktion mit Erfolg beim Veräußerer Regress nehmen kann. Daher ist im Vorfeld des Asset Deals im Rahmen der Due Diligence-Prüfung auf derartige Haftrisiken besonders zu achten und bei bestehenden Risiken ein entsprechender Abschlag vom Kaufpreis vorzunehmen. Zumindest bei einem Kauf aus der Insolvenz lässt sich für den Erwerber jedoch eine Haftung nach § 25 HGB und nach § 75 AO vermeiden, da beide Vorschriften auf Erwerbe aus der Insolvenz keine Anwendung finden,5 zu den Haftungsrisiken bei einem Erwerb aus der Insolvenz s. Rz. 3.198.
3.182
Sofern der Verkäufer nach der Distressed M&A-Transaktion dennoch insolvent wird, droht dem Erwerber zudem das Risiko, das erworbene Unternehmen an den Insolvenzverwalter herausgeben zu müssen, während sein Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises meist nur den Rang einer einfachen Insolvenzforderung hat, die damit praktisch wertlos ist. Selbst in den Fällen, in denen der Unternehmenskaufvertrag bereits vollständig durchgeführt worden ist, so dass eine Erfüllungsverweigerung des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO ausscheidet, kann der Insolvenzverwalter die Transaktion noch nach §§ 129 ff. InsO anfechten. Rechtshandlungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens können gem. §§ 130 bis 146 InsO angefochten werden, wenn sie die Insolvenzgläubiger benachteiligen.6 Eine Gläubigerbenachteiligung i.S. dieser Vorschriften liegt insbesondere 1 Für eine ausführliche Übersicht über die Haftungsrisiken des Erwerbers auch nach anderen Vorschriften vgl. Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186 (1192). 2 Zu den Voraussetzungen eines wirksamen Ausschlusses vgl. Hopt in Baumbach/ Hopt, HGB, § 25, Rz. 13 ff. 3 Vgl. Bruschke, StB 2008, 331; Loose in Tipke/Kruse, AO, § 75, Rz. 35. 4 Vgl. Blesinger in Kühn/v. Wedelstädt, AO, § 73, Rz. 25. 5 Aleth in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, H 125. 6 Vgl. Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186 (1192).
116
H. Veräußerung von „Tafelsilber“
dann vor, wenn der Veräußerer für den Verkauf des Unternehmens oder wesentlicher Bestandteile des Unternehmens keine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat.1 Ferner können Gestaltungen, bei denen der Kaufpreis lediglich an bestimmte Gläubiger des Veräußerers fließen soll oder selektiv Verbindlichkeiten einzelner Gläubiger durch den Erwerber übernommen werden, eine Gläubigerbenachteiligung darstellen.2 Soweit die Maßnahme allerdings Teil eines Sanierungskonzeptes ist und aufgrund konkreter Tatsachen die Erwartung gerechtfertigt ist, dass das Unternehmen gerettet werden kann, scheidet eine Anfechtung auch bei Scheitern des Sanierungsversuches aus.3 Eine Anfechtung ist zudem regelmäßig dann ausgeschlossen, wenn die Maßnahme ein Bargeschäft i.S.v. § 142 InsO darstellt, d.h. die insolvenzbedrohte Gesellschaft unmittelbar und zeitnah eine gleichwertige Gegenleistung erhält und keine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung vorliegt. Um das Vorliegen eines angemessenen Kaufpreises nachzuweisen und somit die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter auszuschließen, empfiehlt es sich, ein Bewertungsgutachten (sog. „Fairness Opinion“) einer Investmentbank oder eines Wirtschaftsprüfers einzuholen, welches die Marktangemessenheit des vorgesehenen Kaufpreises unterlegt. Wird das Unternehmen hingegen im Rahmen eines Auktionsverfahrens veräußert, dürfte eine Vermutung dafür bestehen, dass der Kaufpreis marktgerecht und angemessen ist. Eines Bewertungsgutachtens bedarf es in diesen Fällen daher nicht.4
3.183
III. Share Deal 1. Zivilrechtliche Beurteilung Ist das Unternehmen bereits insolvent, entspricht der Unternehmenserwerb im Rahmen eines Share Deals regelmäßig nicht den Interessen des Erwerbers, weil der Insolvenzgrund der Überschuldung oder der Zahlungsunfähigkeit hierdurch nicht berührt wird.5 Liegt jedoch noch kein Insolvenzgrund vor und ist der Erwerber zusätzlich bereit, frische Eigenmittel in die Gesellschaft zu investieren, kann der Erwerb im Rahmen eines Share Deals durchaus eine Möglichkeit darstellen, ein Krisenunternehmen zu erwerben. Auch wird der Erwerber diesen Weg in den Fällen wählen, in denen er an dem Erwerb von Vermögensgegenständen der Gesell1 BGH v. 15.12.1994 – IX ZR 18/94, DStR 1995, 732; LG Dresden v. 20.4.1999 – 11 O 3552/98, ZIP 1999, 1364; Rhein in Eilers/Koffka/Mackensen, Private Equity, Kap. III.1, Rz. 33. 2 BGH v. 28.2.2008 – IX ZR 177/05, NJW-RR 2008, 1008; Kirchhof in MünchKomm/Inso, § 129, Rz. 116. 3 BGH v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561, 1563f.; Rhein in Eilers/Koffka/ Mackensen, Private Equity, Kap. III.1, Rz. 33. 4 Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186 (1193); Wessels, ZIP 2004, 1237 (1240); Rhein in Eilers/Koffka/Mackensen, Private Equity, Kap. III.1, Rz. 37. 5 Arends/Hofert-von Weiss, BB 2009, 1538.
117
3.184
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
schaft interessiert ist, die die Gesellschaft nicht einzeln übertragen kann. Dies können z.B. der Firmenwert, bestimmte Organisationsstrukturen oder wertvolle Vertragsbeziehungen sein.1
3.185
Bei einem Share Deal werden die Anteile des Unternehmens gekauft. Hierbei handelt es sich um einen Rechtskauf i.S.v. § 453 BGB. Die Erfüllung der Verkaufspflichten erfolgt durch Verfügung, deren Voraussetzungen sich nach dem jeweiligen Anteil richten (z.B. § 15 Abs. 3 GmbHG bei dem Erwerb von Anteilen an einer GmbH). Bei einer überschaubaren Anzahl von Beteiligten ist der Share Deal wohl der beste Weg, ein Unternehmen zu erwerben, da bei diesem sämtliche Gesellschaftsanteile und Forderungen gegenüber der Gesellschaft zu einem aktuellen Zeitwert erworben werden. Die bisherigen Eigentümer erhalten für die Abtretung der Gesellschaftsanteile und Darlehensforderungen sowie für ihre Kooperation eine angemessene Zahlung.2 2. Steuerliche Konsequenzen
3.186
Der wesentliche steuerliche Vorteil eines Share Deals gegenüber einem Asset Deal, ist die grundsätzliche Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns nach § 8b Abs. 2, Abs. 3 KStG auf Seiten der veräußernden Gesellschaft. Sie spielt bei „Distressed M&A“-Transaktionen jedoch in der Regel keine Rolle, da nicht nur kein Veräußerungsgewinn, sondern in den meisten Fällen sogar ein Veräußerungsverlust zu erwarten ist. Spiegelbildlich zur Steuerfreiheit kann jedoch auch kein Verlust geltend gemacht werden. Soweit dennoch ein Veräußerungsgewinn entsteht, ist zu prüfen, inwieweit dieser steuerlich neutralisiert werden kann. Sofern der Veräußerer selbst über Verlustvorträge verfügt, können diese – vorbehaltlich der Mindestbesteuerung (Rz. 2.78 ff.) – mit dem Veräußerungsgewinn verrechnet werden. Der Käufer wird vor allem darauf Wert legen, dass das erworbene Unternehmen oder die erworbenen Unternehmensteile steuerlich effizient in sein bisheriges Unternehmen eingegliedert werden.3 Etwaige Verlustvorträge des Krisenunternehmens können nach der Veräußerung an den Erwerber aufgrund der Regelung des § 8c KStG vom Erwerber nicht mehr genutzt werden, da zwar das Unternehmen an sich weiterbesteht, jedoch insoweit ein (vollständiger) Anteilseignerwechsel stattfindet, der die Verluste untergehen lässt. Eine Ausnahme hierzu wäre lediglich die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG (Rz. 2.62 ff.), deren beihilferechtliche Zulässigkeit jedoch von der EU Kommission verneint wurde und die deshalb derzeit keine Anwendung findet (Rz. 2.71 ff.) sowie die Verschonungsregelung für inländische stille Reserven (Rz. 2.101).
1 Knott in Knott/Mielke, Unternehmenskauf, Rz. 333; Arends/Hofert-von Weiss, BB 2009, 1538. 2 Schmidt/Mielke, Ubg. 2009, 395 (402). 3 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1939).
118
H. Veräußerung von „Tafelsilber“
3. Haftungsrisiken Erwirtschaftet das erworbene Unternehmen (weiterhin) Verluste, können diese grds. mittels einer Organschaft mit Gewinnen aus anderen Unternehmen des Erwerbers verrechnet werden (§§ 14 ff. KStG).1
3.187
Jedoch ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass beim Share Deal der Käufer den Steuerschuldner erwirbt. War die Zielgesellschaft ursprünglich Teil einer Organschaft, haftet sie gem. § 73 AO für solche Steuern des Organträgers, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich wirksam war.2 Nach der h.M.3 kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Organgesellschaft auch prinzipiell für alle innerhalb des Organkreises entstandenen Steuern haftet, auch wenn die Bemessungsgrundlagen dem Organträger von anderen Organgesellschaften zugerechnet wurden.4
3.188
Auch wenn die sich aus der Veräußerung ergebenden Gewinne die Liquidität des Unternehmens kurzfristig verbessern sollten, sollte der Verkauf von profitablen Bereichen nur dann in Betracht gezogen werden, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass dadurch eine Insolvenz des verkaufenden Unternehmens zumindest mittelfristig verhindert werden kann.5 Insbesondere sollten nur nicht betriebsnotwendige Bereiche veräußert werden, da ansonsten die Fortführungsprognose i.S.d. § 19 InsO nicht positiv ausfallen wird und eine insolvenzrechtliche Überschuldung dadurch nicht vermieden werden kann (Rz. 2.14 f.).
3.189
IV. Veräußerung aus der Insolvenz 1. Zivilrechtliche Beurteilung Nach § 80 InsO ist der Insolvenzverwalter befugt, über die Vermögensgegenstände des insolventen Unternehmens zu verfügen. Die Verfügungsbefugnis besteht im Außenverhältnis zwar unbeschränkt, im Innenverhältnis bedarf er jedoch weiterhin der Zustimmung der Gläubigerversammlung bzw. des Gläubigerausschusses.6 Eine fehlende Zustimmung der Gläubigerversammlung bzw. des Gläubigerausschusses hat jedoch grds. keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Kaufvertrags oder der Übertragung von Vermögensgegenständen des Unternehmens (§ 164 1 Zu den Voraussetzungen einer Organschaft vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 18, Rz. 401. 2 Wegen der Voraussetzungen und dem Umfang der Haftung nach § 73 AO vgl. Rüsken in Klein, AO, § 73, Rz. 1 ff. 3 Vgl. hierzu auch BFH v. 5.10.2004 – VII R 76/03, BStBl. II 2004, 3 = GmbH-StB 2005, 6. 4 Vgl. Schwarz in Schwarz, AO, § 73, Rz. 7 m.w.N. 5 Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186 (1188); Aleth/Harlfinger, NZI 2011, 166 (169). 6 Zu den Befugnissen der Gläubigerversammlung bzw. des Gläubigerausschusses vgl. auch Morshäuser/Falkner, NZG 2010, 881.
119
3.190
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
InsO).1 Jedoch kann in diesem Fall eine Schadensersatzpflicht des Insolvenzverwalters ausgelöst werden (§ 60 InsO),2 daher wird der Kaufvertrag meist unter der Bedingung der Zustimmung der Gläubigerversammlung bzw. des Gläubigerausschusses geschlossen.3
3.191
Auch wenn der Insolvenzverwalter aufgrund der Masseverhältnisse gezwungen sein sollte, das Unternehmen direkt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu veräußern, sind der Kauf und die Übertragung des Unternehmens wirksam. Dies gilt selbst dann, wenn nicht einmal genügend Zeit verstrichen ist, um die gerichtliche Bestellung des Gläubigerausschusses und dessen Konstituierung abzuwarten.4 Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn der Insolvenzverwalter „evident insolvenzzweckwidrig handelt“, insbesondere bei einem Verstoß gegen das Prinzip der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung.5 Im vorliegenden Kontext wäre dies der Fall, wenn der Insolvenzverwalter ein Unternehmen an einen der Gläubiger verkauft, um diesem einen zusätzlichen Ertrag zu verschaffen. Selbst dann ist die Veräußerung jedoch nur unwirksam, wenn der Erwerber hiervon wusste oder es sich ihm hätte aufdrängen müssen.6 Einem Erwerber ist jedoch zu raten, dass er vom Insolvenzverwalter vor dem Vollzug der Transaktion die erforderliche Zustimmung der Gläubigerversammlung bzw. des Gläubigerausschusses einholt.7
3.192
Aufgrund der rapiden Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Zielunternehmens könnten der (vorläufige) Insolvenzverwalter und der Käufer in Betracht ziehen, den Kaufvertrag bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abzuschließen. Dies ist jedoch nach überwiegender Auffassung nicht zulässig.8
3.193
Der Verkauf kann als Asset Deal (sog. „übertragende Sanierung“)9 oder als Share Deal ausgestaltet sein. Letzterer setzt jedoch in der Regel eine vorherige weitgehende Entschuldung des Unternehmens voraus, weil hierdurch auch die Verbindlichkeiten des Unternehmens auf den Erwerber 1 Menke, BB, 2003, 1133 (1140); Dithmar in Braun, InsO, § 164, Rz. 2; Hess in Hess/Weis/Wienberg, InsO, § 164, Rz. 2. 2 Windhöfel/Ziegenhagen/Denkhaus, Unternehmenskauf in Krise und Insolvenz, 2008, 29; Gerhardt in Jaeger, InsO 2007, § 60, Rz. 64; Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, § 60, Rz. 16. 3 Ott/Göpfert, Unternehmenskauf aus der Insolvenz, 106. 4 Görg in MünchKomm/InsO, § 160, Rz. 35ff; Balthasar in Nerlich/Römermann, InsO, Stand 3/2009, § 164, Rz. 3 f. 5 Vgl. Morshäuser/Falkner, NZG 2010, 881 (882). 6 BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, NZI 2002, 375 (377). 7 So auch Morshäuser/Falkner, NZG 2010, 881 (882). 8 Vgl. zum Streitstand Arends/Hofert-von Weis, BB 2009, 1538 (1539); Knott in Knott/Mielke, Unternehmenskauf, Rz. 436; BGH v. 20.2.2003 – IX R 81/02, NZI 2003, 259 (260); Vallender, GmbHR 2004, 543 (544); RegBegr. zum Entwurf InsVerfVerinfG, BT-Drucks. 16/3227, 10. Zur Begründung vgl. Morshäuser, NZG 2010, 881 (882). 9 van Batteray/Gass, BB 2004, 2309; Wellensiek, NZI 2002, 233; Hölzle, DStR 2004, 1433 (1434 f.).
120
H. Veräußerung von „Tafelsilber“
übergehen.1 Mit dem Kaufpreis, den der Erwerber zahlt, kann der Insolvenzverwalter die Gläubiger im Insolvenzverfahren befriedigen. In der Regel wird die Veräußerung des Unternehmens oder einzelner Betriebe nach den Grundsätzen eines Asset Deals durchgeführt, weil im Rahmen einer übertragenden Sanierung die Geschäftsanteile an der insolventen Gesellschaft nicht ohne Mitwirkung der Gesellschafter auf einen neuen Rechtsträger übertragen werden können.2 Bestehen Sicherungsrechte an den zu veräußernden Gegenständen (Aussonderungsrechte, §§ 47, 48 InsO, oder Absonderungsrechte, §§ 49–52 InsO), muss der Käufer zudem vom Insolvenzverwalter fordern, dass dieser Freigabeerklärungen der jeweiligen Gläubiger beibringt.3
3.194
Teilweise wird vom Käufer auch in Betracht gezogen werden, mit dem Insolvenzverwalter zu vereinbaren, den Geschäftsbetrieb des Unternehmens in eine von dem Insolvenzverwalter gegründete Zweckgesellschaft einzubringen, um im Anschluss daran die Gesellschaftsanteile dieser Gesellschaft zu erwerben. Dies hat jedoch keine steuerlichen Vorteile. Zwar wird im ersten Schritt bei der Einbringung unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 UmwStG eine Buchwertfortführung ermöglicht. Jedoch führt die Veräußerung der Anteile der Zweckgesellschaft zu einem nachträglichen Einbringungsgewinn nach § 22 Abs. 1 UmwStG. Diese Vorgehensweise kann darüber hinaus mit erheblichen Risiken für den Käufer verbunden sein. So ist höchstrichterlich noch nicht geklärt, ob die Einschränkungen nach § 613a BGB eines Unternehmenskaufes vom Insolvenzverwalter auch im Fall der Einbringung des Geschäftsbetriebes in eine Zweckgesellschaft durch den Insolvenzverwalter gelten.4 Zum anderen begründet der Insolvenzverwalter im Zeitraum zwischen der Einbringung und dem Vollzug des Kaufvertrages Verbindlichkeiten der Zweckgesellschaft, die bei Vollzug wirtschaftlich von dem Erwerber übernommen werden. Der Erwerber sollte sich daher möglichst weitreichende Einflussmöglichkeiten auf den Geschäftsbetrieb der Zweckgesellschaft einräumen lassen.5
3.195
Trotz eines eventuellen Zeitdrucks sollte eine sorgfältige Due DiligencePrüfung vorgenommen werden, um rechtliche und wirtschaftliche Risiken aufzuspüren. Hierdurch kann der Kaufgegenstand festgelegt werden, indem der Käufer je nach Sanierungsfähigkeit entscheidet, ob und ggf. welche Unternehmensteile er erwirbt. Zudem kann der Insolvenzverwalter nur so eine Risikoabgrenzung treffen. Der Insolvenzverwalter wird al-
3.196
1 Vgl. Morshäuser/Falkner, NZG 2009, 526. 2 Treffer, GmbHR 2002, 205 (206); Schmidt in Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rz. 1278; Uhlenbruck in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 1157, 1174. 3 Van Batteray/Gass, BB 2004, 2309 (2316). 4 Morshäuser/Falkner, NZG 2010, 881 (882). 5 Linsmeier/Balssen, BB 2008, 741 (748); allgemein hierzu: Bechthold in Bechthold, GWB, § 41, Rz. 4.
121
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
lenfalls einer beschränkten Sachmängelhaftung in Bezug auf die veräußerten Wirtschaftsgüter zustimmen. Umfangreiche Garantien zugunsten des Käufers wird er in der Regel jedoch nicht akzeptieren.1 2. Steuerliche Konsequenzen
3.197
Für die steuerliche Behandlung des Erwerbs aus der Insolvenzmasse ergeben sich keine Besonderheiten. Hinsichtlich der Behandlung ist zu unterscheiden, ob das Unternehmen im Wege eines Asset Deals (Rz. 3.169 ff.) oder eines Share Deals erworben wurde (Rz. 3.184 ff.). 3. Haftungsrisiken
3.198
Die Haftungsrisiken für Altverbindlichkeiten bei einem Erwerb aus der Insolvenzmasse sind überschaubar. Auch wenn der Insolvenzverwalter das Geschäft mit der Firma veräußert, haftet der Erwerber trotz Firmenfortführung nicht nach § 25 HGB für die Verbindlichkeiten des Schuldners, weil § 25 HGB auf einen Unternehmenskauf aus der Insolvenzmasse keine Anwendung findet.2 Eine Haftung für rückständige Steuern nach § 75 AO scheidet ebenfalls aus, weil die Norm ihrem Wortlaut nach auf einen Erwerb im Insolvenzverfahren keine Anwendung findet (§ 75 Abs. 2 AO).3 Dies gilt sowohl für den Zeitraum nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als auch bereits zwischen Insolvenzantrag und Verfahrenseröffnung.4 Zudem sind Ansprüche der Arbeitnehmer durch die Rechtsprechung des BAG auf solche Verbindlichkeiten beschränkt, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind.5 Zu beachten ist jedoch, dass die Haftungsregelung des § 613a BGB auch auf Unternehmenserwerbe im Rahmen eines Insolvenzverfahrens Anwendung findet.6 Erwirbt der Käufer vom Insolvenzverwalter Betriebe oder Betriebsteile, so tritt er in die Arbeitgeberstellung des bisherigen Betriebsinhabers 1 Morshäuser/Falkner, NZG 2010, 881 (883); Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 23.11; Mues in Wimmer, FrankfKomm zur InsO, Vor § 113, Rz. 5; van Bateray/Gass, BB 2004, 2309 (2316); Arends/Hofert-von Weiss, BB 2009, 1538 (1542). 2 Van Batteray/Gass, BB 2004, 2309 (2317); Wellensiek, NZI 2002, 233 (235). 3 Ott/Göpfert, Unternehmenskauf aus der Insolvenz, 128; Windhöfel/Ziegenhagen/Denkhaus, Unternehmenskauf in Krise und Insolvenz, 18. 4 BFH v. 23.7.1998 – VII R 143/97, NZI 1998, 95; Kammel, NZI 2000, 102 (102 f.); Damaschke in Münchener Anwaltshandbuch Sanierung und Insolvenz, § 18, Rz. 112. 5 BAG v. 20.6.2002 – 8 AZR 459/01, BB 2003, 423; v. 26.3.1996 – 3 AZR 965/94, NZA 1997, 94 (95); v. 11.10.1995 – 10 AZR 984/94, NZA 1996, 432 (433); v. 4.12. 1986 – 2 AZR 246/86, NJW 1987, 1966; v. 17.1.1983 – 3 AZR 160/79, NJW 1980, 112; van Batteray/Gass, BB 2004, 2309 (2317); Zwanziger, BB 2003, 630; Mues in Wimmer, FrankfKomm zur InsO, Vor § 113, Rz. 57. 6 BAG v. 20.6.2002 – 8 AZR 459/01, BB 2003, 423; v. 11.10.1995 – 10 AZR 984/94, NZA 1996, 432; v. 16.2.1993 – 3 AZR 347/92, NJW 1993, 2259; v. 23.7.1991 – 3 AZR 366/90, NJW 1992, 708; Wellensiek, NZI 2002, 233 (235); Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 23.11; Mues in Wimmer, FrankfKomm zur InsO, Vor § 113, Rz. 55.
122
I. Debt-Equity-Swap
ein. Die im Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder individualvertraglich geregelten Rechte der Arbeitnehmer gelten fort; eine Kündigung wegen des Betriebsüberganges ist unzulässig.1 Durch die in §§ 125–128 InsO normierten Kündigungserleichterungen im Insolvenzverfahren werden die hierdurch entstehenden Nachteile für den Erwerber nur teilweise ausgeglichen.2
V. Eintritt der finanzierenden Banken („Schlüsselübernahme“) Soweit Banken dem Krisenunternehmen Darlehen gewährt haben, sind diese auch daran interessiert, eine Insolvenz der Gesellschaft und damit ggf. einen Totalausfall von Forderungen zu verhindern, soweit ihre Forderungen nicht anderweitig derart gesichert sind, dass die Verwertung der Sicherheiten zu einer vollständigen Befriedigung führt. Um auf die Sanierung der Gesellschaft einen größeren Einfluss zu erlangen, werden die finanzierenden Banken in der Regel versuchen, eine Gesellschafterstellung zu erlangen.3 Dies geschieht durch eine Umwandlung der Forderung gegenüber der Krisengesellschaft als Fremdkapital in Eigenkapital (Loan to own, s. Rz. 3.224 ff.). Die Wahl eines sog. Debt-Mezzanine-Swap wird sich dabei jedoch wohl in aller Regel nicht eignen, da der Bank hierbei gerade keine Gesellschafterstellung zukommt (s. Rz. 3.226 f.).
3.199
I. Debt-Equity-Swap I. Ausgangsfall 3.200
Zur Veranschaulichung betrachten wir folgenden Ausgangsfall: Situation vor dem Debt-Equity-Swap Gesellschafter 100 % Gesellschaft
Darlehen
Investor
1 Kania, DStR 1996, 832 (835); Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 23.11. 2 Aleth in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, 796. Zu den Regelungen der §§ 125–128 InsO im Einzelnen Picot/Aleth in Picot, Unternehmenskauf und Restrukturierung, Teil VIII., Rz. 297 ff. 3 Vgl. auch Krolop, GmbHR 2007, 117; Toth-Feher/Schick, ZIP 2004, 491 (492); Kestler/Striegel/Jesch, NZI 2005, 417.
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I. Debt-Equity-Swap
ein. Die im Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder individualvertraglich geregelten Rechte der Arbeitnehmer gelten fort; eine Kündigung wegen des Betriebsüberganges ist unzulässig.1 Durch die in §§ 125–128 InsO normierten Kündigungserleichterungen im Insolvenzverfahren werden die hierdurch entstehenden Nachteile für den Erwerber nur teilweise ausgeglichen.2
V. Eintritt der finanzierenden Banken („Schlüsselübernahme“) Soweit Banken dem Krisenunternehmen Darlehen gewährt haben, sind diese auch daran interessiert, eine Insolvenz der Gesellschaft und damit ggf. einen Totalausfall von Forderungen zu verhindern, soweit ihre Forderungen nicht anderweitig derart gesichert sind, dass die Verwertung der Sicherheiten zu einer vollständigen Befriedigung führt. Um auf die Sanierung der Gesellschaft einen größeren Einfluss zu erlangen, werden die finanzierenden Banken in der Regel versuchen, eine Gesellschafterstellung zu erlangen.3 Dies geschieht durch eine Umwandlung der Forderung gegenüber der Krisengesellschaft als Fremdkapital in Eigenkapital (Loan to own, s. Rz. 3.224 ff.). Die Wahl eines sog. Debt-Mezzanine-Swap wird sich dabei jedoch wohl in aller Regel nicht eignen, da der Bank hierbei gerade keine Gesellschafterstellung zukommt (s. Rz. 3.226 f.).
3.199
I. Debt-Equity-Swap I. Ausgangsfall 3.200
Zur Veranschaulichung betrachten wir folgenden Ausgangsfall: Situation vor dem Debt-Equity-Swap Gesellschafter 100 % Gesellschaft
Darlehen
Investor
1 Kania, DStR 1996, 832 (835); Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 23.11. 2 Aleth in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, 796. Zu den Regelungen der §§ 125–128 InsO im Einzelnen Picot/Aleth in Picot, Unternehmenskauf und Restrukturierung, Teil VIII., Rz. 297 ff. 3 Vgl. auch Krolop, GmbHR 2007, 117; Toth-Feher/Schick, ZIP 2004, 491 (492); Kestler/Striegel/Jesch, NZI 2005, 417.
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Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
Situation nach dem Debt-Equity-Swap Alt-Gesellschafter
Investor
49 % 51 % Gesellschaft
II. Grundlagen 3.201
Die Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital (Debt-Equity-Swap) hat aufgrund der seit 2008 andauernden Finanzkrise an Bedeutung gewonnen.1 Eine Unternehmenssanierung zur Überwindung finanzieller Krisen setzt in aller Regel die Zuführung haftenden Kapitals voraus.2 Beim DebtEquity-Swap geschieht dies im Wege der Kapitalerhöhung, bei der die Forderung als Sacheinlage in die Gesellschaft eingebracht wird. Gelingt ein Debt-Equity-Swap und die damit verbundene Unternehmenssanierung, bietet er im Vergleich zu den anderen Restrukturierungsmaßnahmen oder gar der Abwicklung der Gesellschaft zahlreiche Vorteile: das Unternehmen bleibt als operative Einheit erhalten, Liquiditäts-, Cash-flow-, Bilanzsituation und Bonität der Gesellschaft werden verbessert. Zudem erhält der die Umwandlung betreibende Fremdkapitalgeber aus der Beteiligung am Unternehmen eine Option auf künftige Wertsteigerungen.3
3.202
Gläubiger haben im Fall von notleidenden Forderungen (Distressed Debt4) häufig jedoch nur dann ein Interesse an einem Debt-Equity-Swap, wenn sie sich bei der Fortführung des Schuldner-Unternehmens einen höheren Mittelrückfluss erwarten als bei dessen Zerschlagung, d.h. wenn sie das Unternehmen als an sich als restrukturierungs- und überlebensfähig einstufen. Nicht selten sind jedoch der ursprüngliche Gläubiger der Forderung und der potentiell Erwerber der Beteiligung nicht identisch. Auch in Deutschland hat sich mittlerweile ein Markt für Distressed Debt Investments gebildet.5 Investoren, oftmals Fonds oder Investmentbanken, kaufen Forderungen unter hohen Abschlägen auf und wandeln sie in Equity um.6 Sofern Banken als Kreditgeber auftreten, bietet sich ihnen außerdem
1 Scheunemann/Hoffmann, DB 2009, 983. 2 Schmidt, ZGR 1982, 519. 3 Mückl, FR 2009, 497; Scheunemann/Hoffmann, DB 2009, 983; Born, BB 2009, 1730. 4 Vgl. Kestler/Striegel/Jesch, NZI 2005, 417; Kuhlwein von Rathenow/Heumann in Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 2, Rz. 17; Redeker, 2007, 673. 5 Vgl. Finance-Magazin 11/2006, 22; Kestler/Striegel/Jesch, NZI 2005, 418; TothFeher/Schick, ZIP 2004, 491; Himmelsbach/Achsnick, NZI 2006, 561; Kunz/Ehnert, FB 2007, 397 ff. 6 Mückl, FR 2009, 497 (498).
124
I. Debt-Equity-Swap
die Möglichkeit, ihr Portfolio zu bereinigen und regulatorische Eigenmittel freizusetzen.1 Der Wechsel von einer Gläubiger- in die Eigentümerposition birgt dabei für den Investor gleichermaßen Chancen wie Risiken. Einerseits kann der Investor über die neu erworbenen Gesellschafterrechte größeren Einfluss auf das operative Geschäft der Gesellschaft nehmen und beispielsweise einen Sanierungsberater als Geschäftsführer einsetzen, der umfangreiche Sanierungsmaßnahmen in enger Absprache mit dem Investor umsetzt. Hierdurch bringt der Investor das dringend benötigte Sanierungs- und Restrukturierungswissen in die Gesellschaft ein und eröffnet der Gesellschaft dadurch die Möglichkeit, außerhalb einer Insolvenz saniert zu werden.2 Zudem werden die bei Stellung eines Insolvenzantrages üblicherweise eintretenden Wertabschläge auf das Aktivvermögen vermieden und das Vertrauen von Kunden und Lieferanten in die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft gestärkt.3 Sofern die Sanierung gelingt, besteht für die Altgläubiger bzw. die Investoren insbesondere die Möglichkeit, über den Nennbetrag der früheren Forderung hinaus an den Wertsteigerungen des Unternehmens zu partizipieren.4
3.203
Anderseits besteht insbesondere bei Krisenunternehmen das Risiko, dass irgendwann „Leichen im Keller“ des Schuldners entdeckt werden und der Investor feststellen muss, dass er das Turn-around-Potential der Gesellschaft falsch eingeschätzt hat.5 Dann bleibt meist nur die sofortige Liquidation, um einen weiteren Verlust des Investments zu verhindern. Muss nämlich nach einem vollzogenen Debt-Equity-Swap ein Insolvenzantrag gestellt werden, befindet sich der Investor in einer schlechteren Position, als wenn er lediglich Gläubiger der Gesellschaft wäre, da er seine Kredite verloren hat und er seine Sicherheiten nicht mehr vorrangig verwerten kann.6 Dem Investor ist daher zu raten, vor einem Debt-Equity-Swap eine sorgfältige Due Dilligence-Prüfung vornehmen. Er wird dann vorrangig nur in solche Firmen investieren, bei denen bereits durch die Entschuldung der Bilanz ein erheblicher Sanierungsbeitrag geleistet werden kann.7
3.204
Auch im Geltungsbereich des MoMiG droht dem Finanzinvestor zudem eine Nachschusspflicht in bar, wenn sich später herausstellt, dass die eingebrachte Forderung überbewertet war. Bleibt nämlich der tatsächliche Wert einer offenen Sacheinlage im Zeitpunkt der Anmeldung zum Handelsregister hinter dem Betrag der dafür übernommenen Sacheinlage zurück, droht dem Gläubiger bei einem Scheitern des Sanierungsversuchs
3.205
1 Vgl. Krolop, GmbHR 2007, 117; Toth-Feher/Schick, ZIP 2004, 491 (492); Kestler/ Striegel/Jesch, NZI 2005, 417. 2 Vgl. Redeker, BB 2007, 673. 3 Toth-Feher/Schick, ZIP 2004, 491 (495); Mückl, FR 2009, 497 (498). 4 Mückl, FR 2009, 497 (498). 5 Vgl. Finance-Magazin, Sonderbeilage Mai 2006, 13. 6 Wittig in FS Uhlenbruck, 2000, 685 (701). 7 Paetzmann, ZfgK 2003, 968 (969).
125
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
eine Differenzhaftung in Höhe des zu hoch angesetzten wirtschaftlichen Wertes der Forderung (§ 56 Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 GmbHG).1 Dieses Risiko besteht selbst dann, wenn entsprechende Abschläge auf den Nominalwert vorgenommen werden. Das Risiko wirkt sich vor allem in einem anschließenden Insolvenzverfahren aus.2 Da die Differenzhaftung verschuldensunabhängig ist,3 kann ein Werthaltigkeitsgutachten eines Wirtschaftsprüfers die Haftung zwar minimieren, aber nicht ganz ausschließen.4
III. Zivilrechtliche Beurteilung 3.206
Als Debt-Equity-Swap wird allgemein die Umwandlung von Verbindlichkeiten in Eigenkapital bezeichnet, gesetzlich ist er jedoch nicht näher definiert5. In Deutschland vollzieht sich der Debt-Equity-Swap in der Regel in zwei Schritten. Zunächst erfolgt eine (vereinfachte) Kapitalherabsetzung und anschließend der eigentliche Debt-Equity-Swap als Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage.6
3.207
Durch die (vereinfachte) Kapitalherabsetzung (sog. Kapitalschnitt gem. §§ 58a ff. GmbHG bei einer GmbH) wird das Grund- bzw. Stammkapital dem durch Verluste aufgezehrten Realvermögen angepasst.7 Der Kapitalschnitt beseitigt zunächst die Unterbilanz, indem das Grund- bzw. Stammkapital mit den Verlusten verrechnet wird.8 Soweit bereits ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grund- oder Stammkapitals eingetreten ist, wird zudem die Pflicht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung (§ 49 Abs. 3 GmbHG) vermieden. Ist die Gesellschaft bereits überschuldet, muss sogar eine Kapitalherabsetzung auf Null erfolgen.9 Da die vereinfachte Kapitalherabsetzung die Sanierung der Gesellschaft bezweckt,10 1 Mückl, FR 2009, 497 (498); Lutter/Hommelhoff/Timm, BB 1980, 737 (740); Schmidt, ZGR 1982, 519 (522 ff.). Zu den Rechtsfolgen vgl. BGH v. 16.1.2006 – II ZR 76/04, NJW 2006, 1736 = GmbH-StB 2006, 129. 2 Wittig in FS Uhlenbruck, 2000, 685 (702). 3 Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck/Zoellner, GmbHG, § 9, Rz. 5; Winter in Scholz, GmbHG, § 9, Rz. 10. 4 Vgl. Drukarczyk/Kippers in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 3, Rz. 74. 5 Eine erstmalige Regelung des Debt-Equity-Swaps erfolgt durch § 225a InsO-E in der Fassung des ESUG, vgl. Regierungsentwurf ESUG v. 4.5.2011, BT-Drucks. 17/5712, S. 9 (s. dazu Rz. 2.28). 6 Vgl. zu Debt-Equity-Swaps im Allgemeinen etwa Bauer, Die GmbH in der Krise, 43 ff.; Hass/Schreiber/Tschauner in Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch der Unternehmensrestrukturierung, 841 ff.; Knecht/Drescher in Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 20, Rz. 41 ff.; Born, BB 2009, 1730 ff. 7 Schmidt, Gesellschaftsrecht, 898. 8 Hüffer, AktG, § 229, Rz. 2; Lutter/Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 58a, Rz. 3; Baumbach/Hueck/Zoellner in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 58a, Rz. 7; Schmidt, ZGR 1982, 519 (520 ff.). 9 Achsnick, Options-Modelle im Insolvenzplanverfahren, 104; Redeker, BB 2007, 673 (674). 10 Lutter in KölnKomm/AktG, § 229, Rz. 9; Baumbach/Hueck/Zoellner in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 53, Rz. 66.
126
I. Debt-Equity-Swap
ist der Gläubigerschutz eingeschränkt.1 So entfällt die Sicherheitsleistung zugunsten der Gläubiger nach § 58 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG. Die frei werdenden Mittel dürfen allerdings nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet werden (§ 58b GmbHG). Die vereinfachte Kapitalherabsetzung erfordert einen Gesellschafterbeschluss von mindestens 75 % der Stimmen, soweit die Satzung nichts anderes vorschreibt.2 Der Beschluss muss ausdrücklich die Feststellung enthalten, dass die Kapitalherabsetzung den in § 58a GmbHG aufgeführten Zwecken dient.3 Zu ihrer Wirksamkeit bedürfen die Beschlüsse einer Eintragung ins Handelsregister.4 Im Anschluss daran erfolgt eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage (Schuldtitel), bei der die bisherigen Gläubiger ihre Forderungen auf die Gesellschaft übertragen und im Gegenzug Anteilsrechte erhalten.5 Nach ganz h.M. sind auch Forderungen, die gegen die Gesellschaft selbst gerichtet sind, nach § 5 Abs. 4 GmbHG einlagefähig.6 Die Werthaltigkeit der Forderung sollte zuvor durch ein Wertgutachten bestimmt werden.7 Bei der Übertragung der Forderung auf die Gesellschaft geht diese durch Konfusion unter oder wird durch einen Erlassvertrag gem. § 397 BGB zum Erlöschen (§ 362 BGB) gebracht.8 Der Beitrag der Gesellschaft besteht daher primär in der Verringerung der Schuldenlast.9 Statt der Leistung seiner Einlage verzichtet der Investor zunächst nur auf die Geltendmachung einer Forderung und bewirkt damit eine Entlastung auf der Passivseite der Bilanz. Echtes Haftkapital der Gesellschaft bildet sich hierdurch nicht.10 Jedoch führt der Forderungsverzicht zu einem faktischen Mittelzufluss, der das Reinvermögen der Gesellschaft erhöht.11 Dies verbessert u.a. die Fähigkeit der Gesellschaft, neue Kredite zu erlangen, da das Rating steigt und die freigewordenen Aktiva neu besichert werden können.12 Der entscheidende Vorteil des Debt-Equity-Swap besteht jedoch darin, dass mögliche Insolvenzgründe beseitigt werden.13 Auf diese Weise gewinnen die Gesellschaft und ihre Organe ihre Handlungsfreiheit zurück, weil die oft kräftebindenden krisentypischen Pflichten wie Insolvenzantragspflicht nach § 64 Abs. 2 1 Redeker, BB 2007, 673 (674). 2 Für die GmbH ergibt sich dies aus § 58a Abs. 5 GmbHG, der auf § 53 GmbHG verweist, Lutter/Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 53, Rz. 13; Baumbach/Hueck/Zoellner in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 53, Rz. 66. 3 Redeker, BB 2007, 673 (674). 4 Redeker, BB 2007, 673 (674); Drouven/Nobiling, DB 2003, 1630 (1635). 5 Herzig/Liekenbrock, Ubg 2011, 313 (322); Mückl, FR 2009, 498; Scheunemann/ Hoffmann, DB 2009, 983. 6 Lutter/Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 5, Rz. 16; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 5, Rz. 45. 7 Vgl. Regierungsentwurf ESUG v. 4.5.2011, BT-Drucks. 17/5712, S. 32. 8 Scheunemann/Hoffmann, DB 2009, 983; Mückl, FR 2009, 497; Toth-Feher/ Schick, ZIP 2004, 491 (495). 9 Drygala, SchZWR 2006, 245 (249). 10 Redeker, BB 2007, 673 (674). 11 Drygala, SchZWR 2006, 245 (246); Röhricht in GroßKomm, AktG, § 27, Rz. 80. 12 Redeker, BB 2007, 673 (674). 13 Lutter/Timm/Hommelhoff, BB 1980, 437 (440); Toth-Feher/Schick, ZIP 2004, 491 (495); kritisch aber Witting in FS Uhlenbruck, 2000, 685 (703).
127
3.208
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
GmbHG und die Pflicht zur Aufstellung einer Überschuldungsbilanz entfallen.1 Durch die Befreiung von weiteren Verbindlichkeiten verringert sich außerdem die Zinsbelastung der Gesellschaft.2 Auch die hierdurch frei werdenden Mittel können die Ertragslage positiv beeinflussen.3
3.209
Während sich aus den Regelungen zur verdeckten Sacheinlage und dem Kapitalersatzrecht vor dem MoMiG erhebliche gesellschaftsrechtliche Risiken aus einer Sachkapitalerhöhung ergaben, ist durch die gesetzliche Neuregelung die Haftung des neuen Gesellschafters deutlich beschränkt worden.4 Nach ständiger Rechtsprechung des BGH liegt eine verdeckte Sacheinlage immer dann vor, wenn die gesetzlichen Regeln für die Sacheinlage dadurch unterlaufen werden, dass zwar gesellschaftsrechtlich eine Sacheinlage vereinbart wird, nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise der im Zusammenhang mit der Einlage getroffenen Absprache jedoch ein Sachwert eingelegt wird.5 Im Kontext eines Debt-Equity-Swaps kann ein Forderungsverzicht zur Erfüllung einer Geldeinlageverpflichtung als verdeckte Sacheinlage zu qualifizieren sein.6 Nach dem bisherigen Recht folgte aus dem Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage, dass die Bareinlagepflicht des Inferenten in voller Höhe weiter bestand.7 Nach neuem GmbH-Recht kommt der verdeckten Sacheinlage weiterhin keine Erfüllungswirkung zu, jedoch sind nun die der verdeckten Sacheinlage zugrunde liegenden rechtlichen und dinglichen Rechtsgeschäfte wirksam und der objektive Wert der verdeckt eingelegten Sacheinlage kann auf die Geldeinlageverpflichtung angerechnet werden (§ 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG), so dass im Ergebnis lediglich eine Differenzhaftung besteht.8 Darüber hinaus bestand bei der Schuldumwandlung für den Gläubiger die Gefahr, dass weitere gegen die Gesellschaft bestehende Forderungen als Kapitalersatz qualifiziert werden.9 Dies konnte dazu führen, dass Forderungen aus einem in der Krise gewährten Darlehen im Insolvenzfall nur nachrangig geltend gemacht werden konnten und zwischenzeitlich erfolgte Tilgungen bzw. Sicherheitenbestellungen vom Insolvenzverwalter rückgängig gemacht werden konnten.10 Durch das MoMiG ist das Kapitalersatzrecht weggefallen.11 Künftig sind unabhängig von einer Krise sämt1 Kleindieck in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64, Rz. 16; OLG Düsseldorf v. 20.11.1998 – 22 U 25/98, GmbHR 1999, 479. 2 Wittig in Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in der Krise, Sanierung und Insolvenz, Rz. 524. 3 Drygala, SchZWR 2006, 245 (246); Scheunemann/Hoffmann, DB 2009, 983; Redeker, BB 2007, 673; Wittig in Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in der Krise, Sanierung und Insolvenz, 276. 4 Zu den Einzelheiten vgl. Mückl, FR 2009, 497 (502 f.). 5 BGH v. 20.11.2006 – II ZR 176/05, BGHZ 170, 47. 6 BGH v. 18.2.1991 – II ZR 104/90, BGHZ 113, 335. 7 Vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 19, Rz. 41. 8 Vgl. Bauer, Die GmbH in der Krise, 43 ff., Rz. 503; Heidinger in Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 11, Rz. 238. 9 Vgl. Redeker, BB 2007, 673; Bauer, Die GmbH in der Krise, 43 ff., Rz. 112. 10 Mückl, FR 2009, 497 (499). 11 Vgl. hierzu beispielhaft, Altmeppen, NJW 2008, 3601; Hirte, WM 2008, 1429.
128
I. Debt-Equity-Swap
liche Forderungen der Gesellschafter im Insolvenzfall nachrangig (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Nach neuem Recht besteht keine Rückzahlungssperre. Zins- und Tilgungsleistungen an den Gesellschafter sind zulässig. Jedoch können die Rechtshandlungen gem. § 135 InsO angefochten werden, wenn die Befriedigung innerhalb eines Jahres vor Insolvenzantragstellung erfolgten. Für einen Debt-Equity-Swap ist wichtig, dass auch eine Subordination eintreten kann, wenn der Darlehensgeber zunächst Dritter war und innerhalb der relevanten Frist (§ 135 InsO, § 6 AnfG) Gesellschafter geworden ist.1 Dies gilt nicht, wenn die Beteiligung 10 % nicht übersteigt, also eine sog. Kleinbeteiligung (§ 39 Abs. 5 InsO) vorliegt oder das Sanierungsprivileg (§ 39 Abs. 4 Satz 2 InsO) eingreift. Nach dem Sanierungsprivileg sind Forderungen aus bestehenden oder neu gewährten Darlehen bis zur nachhaltigen Sanierung der Gesellschaft nicht im insolvenzrechtlichen Sinne nachrangig, wenn ein Gläubiger bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder bei Überschuldung Anteile zum Zweck der Sanierung erwirbt.2 Wird nicht die gesamte Forderung in Eigenkapital umgewandelt, ist der Darlehensgeber anschließend Gläubiger und Gesellschafter. Für die verbleibende Darlehensforderung stellt sich nun die Frage, ob diese nunmehr dem insolvenzrechtlichen Nachrang gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterfällt. Dies ist der Fall, wenn der Darlehensgeber innerhalb der Frist des § 135 InsO, § 6 AnfG, d.h. innerhalb eines Jahres vor Stellung des Insolvenzantrages, Gesellschafter geworden ist. Der Gesellschafter kann dieses Ergebnis dadurch vermeiden, dass er sein Darlehen im Zuge des Beteiligungserwerbs an der Schuldnergesellschaft abzieht.3
3.210
Damit der Forderungsinhaber im Rahmen der Sachkapitalerhöhung die von ihm angestrebte Anteilsmehrheit erwerben kann, muss das Bezugsrecht der Aktionäre bzw. Gesellschafter für die neu auszugebende Anteile ausgeschlossen werden. Ein solcher Ausschluss ist grds. zulässig, wenn er dem Interesse des Unternehmens dient und zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist. Bei der Umwandlung von Schulden in Eigenkapital wird ein Bezugsrechtsausschluss generell für zulässig erachtet, soweit die Umwandlung zu Sanierungszwecken erfolgt und die notwendigen Mittel zur Schuldentilgung nicht durch eine Barkapitalerhöhung ohne Bezugsrechtsausschluss erlangt werden können.4 Der Bezugsrechtsausschluss muss wiederum mit 75%iger Mehrheit im Gesellschafterbeschluss beschlossen werden.5
3.211
1 Vgl. Altmeppen, NJW 2008, 3601. 2 Mückl, FR 2009, 497 (499); Töben/Lohbeck/Specker, NWB 2009, 1484 (1494); Scheunemann/Hoffmann, DB 2009, 983 (984). 3 Altmeppen, NJW 2008, 3601. 4 LG Heidelberg v. 16.3.1988 – KfH II O 6/88, AG 1989, 447; Scheunemann/Hoffmann, DB 2009, 983 (984); Redeker, BB 2007, 673 (675); Hüffner, AktG, § 186, Rz. 35; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 55, Rz. 27; Lutter in KölnKomm/AktG, § 229, Rz. 18. 5 Redeker, BB 2007, 673 (675).
129
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
3.212
Ein Debt-Equity-Swap ist in Deutschland im Gegensatz zum anglo-amerikanischen Rechtskreis auch im Rahmen von Sanierungen nicht gegen den Willen der Altgesellschafter möglich, sondern erfordert immer auch die Mitwirkung der Altgesellschafter.1 Dies kann problematisch sein, da ein Debt-Equity-Swap für die Altgesellschafter auch immer einen Kontrollverlust bedeutet und die Altgesellschafter diesem kritisch gegenüberstehen können.2 Eine Zustimmungspflicht kann sich jedoch aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ergeben.3 Die Treuepflicht verbietet es den Gesellschaftern u.a., eine sinnvolle und mehrheitlich angestrebte Sanierung der Gesellschaft – einschließlich einer zum Sanierungskonzept gehörenden Kapitalherabsetzung – aus eigennützigen Zwecken zu verhindern.4 Ob dies auf einen geplanten Debt-Equity-Swap zutrifft, ist anhand des Einzelfalls zu beurteilen. Ein Debt-Equity-Swap wird aber dann am ehesten als ultima ratio zur Rettung der Gesellschaft beurteilt werden und damit eine Zustimmungspflicht der Gesellschafter auslösen, wenn diese bereits überschuldet oder zahlungsunfähig ist.5
3.213
Keinen Dept-Equity-Swap im eigentlichen Sinne stellt die folgende zweistufige Transaktion dar: Es werden zunächst Anteile übertragen, daran anschließend verzichtet der Neugesellschafter auf seine Forderung bzw. schließt einen Erlassvertrag mit der Gesellschaft ab. Auch auf diesem Weg wird der gewünschte Sanierungseffekt erreicht, ohne zeitaufwendige Kapitalmaßnahmen und damit einhergehende Haftungsrisiken zu erfordern.6
IV. Ertragsteuerliche Konsequenzen 1. Bilanzielle Behandlung
3.214
Steuerrechtlich betrachtet handelt es sich bei der Einlage der Forderung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten um einen tauschähnlichen Vorgang.7 Daher begründet der gemeine Wert der eingelegten Forderung den Wert der Anschaffungskosten des Gesellschafters für die erhaltenen Anteile (§ 6 Abs. 6 Satz 1 EStG).8 Ob die Sacheinlage einer (Darlehens-)Forderung in die Schuldner-Gesellschaft ertragsneutral ist oder 1 Vgl. Eidenmüller, ZIP 2007, 1736; Redeker, BB 2007, 673 (675). 2 Wittig in FS Uhlenbruck, 2000, 685 (699). 3 Achsnick, Options-Modelle im Insolvenzplanverfahren, 109 ff.; Seidel, Die mangelnde Bedeutung mitgliedschaftlicher Treuepflichten im Willensbildungsprozess der GmbH, 133. 4 BGH v. 20.3.1995 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136. 5 Redeker, BB 2007, 673 (675). 6 Born, BB 2009, 497 (502 f.). 7 BMF v. 4.8.1976 – IV B 2 - S 2133 - 9/76, BStBl. I 1976, 418; Eckstein in HHR, § 6, Anm. 1484b; Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, § 6 EStG, Rz. 1406 ff. 8 So Mückl, FR 2009, 500 (502 f.); Förster, Ubg 2010, 763; a.A. Scheunemann/Hoffmann, DB 2009, 986, die zur Bewertung der Anschaffungskosten der Beteiligung des Teilwert der Forderung unter sinngemäßer Anwendung von § 6 Abs. 6, 6 EStG zugrunde legen.
130
I. Debt-Equity-Swap
nicht, bestimmt sich nach dem Verhältnis des Buchwertes der Verbindlichkeit auf der Ebene des Schuldners und dem gemeinen Wert der (Darlehens-)Forderung.1 Ist die Darlehensforderung voll werthaltig und die korrespondierende Verbindlichkeit bei der Schuldner-Gesellschaft mit dem Nominalwert angesetzt, handelt es sich bei dem Debt-Equity-Swap um einen erfolgsneutralen Passivtausch. Dem Erlöschen der Verbindlichkeit steht eine entsprechende Erhöhung des Eigenkapitals gegenüber.2 2. Auswirkungen auf Ebene der Gesellschaft a) Sanierungsgewinn Bei der Schuldner-Gesellschaft ist die Verbindlichkeit zunächst auszubuchen. In Höhe des im Verzichtszeitpunkt noch werthaltigen Teils der Forderung liegt eine verdeckte Einlage vor, die das steuerliche Einkommen der Gesellschaft vermindert und um die das steuerliche Einlagekonto zu erhöhen ist. In Höhe der Differenz zwischen Teilwert und Buchwert kommt es zu einem steuerpflichtigen Sanierungsgewinn.3 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung des Teilwerts ist gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG der Zeitpunkt des Debt-Equity-Swaps. Künftig zu erwartende Entwicklungen sind dabei jedoch zu berücksichtigen. Allein aus einer bilanziellen Überschuldung der Gesellschaft kann noch nicht auf die Wertlosigkeit der Darlehensforderung geschlossen werden. Wenn hohe stille Reserven vorhanden sind oder die Darlehensforderung erst ratenweise in der Folgezeit zu tilgen ist, kann selbst bei bilanzieller Überschuldung der Gesellschaft noch nicht auf die Wertlosigkeit der Darlehensforderung geschlossen werden, vielmehr kann die Darlehensforderung im Einzelfall noch mit dem Nennwert anzusetzen sein. Nachweispflichtig für das Vorliegen entsprechender günstiger Umstände ist dabei die Gesellschaft.4 In der Regel wird jedoch bei einem Unternehmen in der Krise nicht von einer vollen Werthaltigkeit des Darlehens auszugehen sein. Der sich hieraus ergebende Gewinn ist, sofern er nicht mit bestehenden Verlusten verrechnet werden kann, ertragsteuerpflichtig. Ein nach Durchführung der Verlustverrechnung verbleibender Gewinn, kann unter den Anwendungsbereich des Sanierungserlasses fallen.5 In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf zu achten, dass die Gewerbesteuer nicht unmittelbar in den Anwendungsbereich des Sanierungserlasses fällt.6 Dem Sanierungserlass entsprechende Billigkeitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Gewerbesteuer sind daher bei jeder Betriebsstätten-Gemeinde einzeln zu beantragen.7 1 2 3 4
Mückl, FR 2009, 497 (500). Mückl, FR 2009, 497 (500). Schwenker/Fischer, DStR 2010, 1117 (1121); Förster, Ubg 2010, 758, 763. Born, BB 2009, 1730 (1732); Scheunemann/Hoffmann, DB 2009, 983 (985), Schwenker/Fischer, DStR 2010, 1117 (1121). 5 Vgl. Mückl, FR 2009, 497 (500); Meyer/Degener, BB 2011, 849. 6 Vgl. Eilers/Bühring, DStR 2009, 137 (139); Förster, Ubg 2010, 758 (763). 7 Eilers, GWR 2009, 278037.
131
3.215
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
b) Verlustabzugsbeschränkung nach § 8c KStG
3.216
Einem aus der Schuldumwandlung resultierenden Ertrag kann durch die Verlustabzugsbeschränkung des § 8c KStG krisenverstärkende Wirkung zukommen. Die Verlustabzugsbeschränkung findet Anwendung, wenn die Beteiligungsgrenze von 25 % überschritten ist. Die Verlustvorträge entfallen hiernach anteilig, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 25 %, und vollständig, wenn mehr als 50 % der Gesellschaftsrechte –übertragen werden (Rz. 2.53 ff.).1 Sie entfallen vollständig, wenn die 25 %-Grenze im Rahmen des Debt-Equity-Swap überschritten wird, kann aufgrund der Regelung des § 8c KStG der sich regelmäßig aus dem Verzicht ergebende Veräußerungsgewinn zudem nicht oder nur noch anteilig mit bereits bestehenden Verlustvorträgen verrechnet werden. Die Sanierungsmaßnahme führt damit zu einer erhöhten Belastung mit Ertragsteuer, die für die Krisengesellschaft eine zusätzliche Belastung darstellt und dem Ziel der Rettung der Gesellschaft diametral entgegensteht.2 c) Zinsschranke
3.217
Für den Schuldzinsenabzug im Rahmen der Zinsschranke (Rz. 2.87 ff.) bedeutet grds. der Wegfall von Zinszahlungen, dass der Nettozinsaufwand (§ 4h Abs. 1 Satz 1 EStG) gesenkt wird. Die Ausbuchung der Verbindlichkeiten kann sich somit positiv auf die Eigenkapital-Quote im Sinne der Escape-Regelung (§ 4h Abs. 1 Satz 1 EStG) auswirken. Sofern allerdings ein Teil der Forderungen nicht umgewandelt wird, kann sich die Konstellation einer schädlichen Gesellschafterfremdfinanzierung i.S.v. § 8a Abs. 2 und 3 KStG ergeben. Dies würde der Anwendung der Konzernklausel (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG) bzw. der Escape-Klausel (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG) im Wege stehen. Letzteres kann jedoch durch ein entsprechendes „Finetuning“ von Zins- und Beteiligungshöhe vermieden werden.3
3.218
Ist die Darlehensforderung nicht vollständig in die Schuldner-Gesellschaft eingebracht worden, kann ggf. auch eine schädliche GesellschafterFremdfinanzierung nach § 8a KStG vorliegen. Dies ist der Fall, wenn der nicht konzernangehörige (Neu-) Gesellschafter zu mehr als 25 % beteiligt ist und die insgesamt von der Gesellschaft geleisteten Fremdkapitalvergütungen mehr als 10 % des Zinssaldos (Zinsaufwendungen abzgl. Zinserträge) betragen.4 Ist diese Grenze überschritten, greift die Zinsschranke gem. § 4h EStG und die Zinsaufwendungen der Gesellschaft sind nicht mehr in vollem Umfang abzugsfähig.
1 Hinsichtlich der allgemeinen Wirkungsweise von § 8c KStG und dem Sanierungsprivileg darf auf die Ausführungen unter Rz. 2.30 ff. verwiesen werden. 2 So auch Eilers, GWR 2009, 278037; Dörr, NWB 2009, 2050 (2052). 3 Mückl, FR 2009, 497 (502). 4 Schwenker/Fischer, DStR 2010, 1117 (1121); Töben/Lohbeck/Specker, NWB 2009, 1484 (1494); Scheunemann/Hoffmann, DB 2009, 983 (984).
132
I. Debt-Equity-Swap
3. Auswirkungen auf Ebene des Gesellschafters Aus der Qualifikation einer offenen Einlage als tauschähnlichen Vorgang ergeben sich auch die steuerlichen Konsequenzen aus Sicht (Neu-) Gesellschafter. Der ehemalige Gläubiger erwirbt durch den Debt-Equity-Swap Anteile an der Gesellschaft. Die Anschaffungskosten dieser Anteile bestimmen sich nach dem gemeinen Wert der hingegebenen Forderung (§ 6 Abs. 6 Satz 1 EStG). Gleichzeitig erlischt die ursprüngliche Forderung gegenüber der Gesellschaft. Soweit die Forderung im Betriebsvermögen gehalten wurde, entsteht hierdurch grundsätzlich steuerwirksamer Aufwand. Wurde die Forderung jedoch bereits zu einem früheren Zeitpunkt auf einen niedrigeren Teilwert abgeschrieben, kann sich im Einzelfall auch ein steuerlicher Ertrag ergeben, soweit der anzusetzende gemeine Wert den berichtigten Teilwert übersteigt.1
3.219
Regelmäßig kommt bei Debt-Equity-Swaps auch die Abzugsbeschränkung nach § 8b Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind u.a. Gewinnminderungen im Zusammenhang mit einer Darlehensforderung steuerlich nicht zu berücksichtigen, wenn das Darlehen von einem Gesellschafter gewährt wird, der zu mehr als 25 % unmittelbar oder mittelbar am Grund- Stammkapital der Körperschaft, der das Darlehen gewährt wurde, beteiligt ist oder war. Gleiches gilt für diesem Gesellschafter nahe stehende Personen (§ 1 Abs. 2 AStG). Die Vorschrift beschränkt also nicht lediglich die steuerliche Geltendmachung des Wertverlustes von gegenwärtigen Gesellschaftern. Vielmehr sind etwa auch solche Gläubiger betroffen, die keine relevante gesellschaftsrechtliche Beteiligung mehr an dem zu restrukturierenden Unternehmen halten2 oder, wie etwa darlehensgewährende Schwestergesellschaften, noch nie solche hielten.3
3.220
Nach § 8b Abs. 3 Satz 6 KStG kommt die steuerliche Nichtberücksichtigung nicht in Betracht, wenn nachgewiesen wird, dass auch ein fremder Dritter das Darlehen bei sonst gleichen Umständen gewährt bzw. nicht zurückgefordert hätte (Drittvergleich); dabei sind nur die eigenen Sicherungsmittel der Gesellschaft zu berücksichtigen. Wie der Drittvergleich konkret zu führen ist, ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Der Gesetzesbegründung zufolge soll ein Darlehen u.a. bereits dann nicht als drittüblich zu qualifizieren sein, wenn zwar Zinsen und Sicherheiten vereinbart wurden, das Darlehen aber bei Eintritt der Krise nicht zurückgefordert wurde.4 Im Rahmen von Debt-Equity-Swaps wird der Fremdvergleich in der Regel nicht gelingen.5 Da Sinn und Zweck des Drittvergleich ist,
3.221
1 Mückl, FR 2009, 497 (503). 2 Für eine einschränkende Auslegung vgl. Watermeyer/Neumann, Ubg 2008, 748 (750); Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8b, Rz. 60g; Dötsch/Pung, DB 2007, 2669 f. 3 Mückl, FR 2009, 497 (503). 4 Vgl. BT-Drucks. 16/6290, 104. 5 Mückl, FR 2009, 497 (503); Herzig/Lieckenbrock, Ubg 2011, 313 (323).
133
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
die gesellschaftsrechtliche Veranlassung zu widerlegen, wäre es sachgerecht, den Nachweis auch dann als geführt zu sehen, wenn nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der Vorschrift fallende Gläubiger das Darlehen bei Kriseneintritt stehen ließen.1
3.222
Gerade beim Debt-Equity-Swap werden die fehlende Abstimmung des Steuerrechts auf das Insolvenzrecht und die „ungleiche“ Anerkennung von Risiken im Steuerrecht deutlich. Durch einen Debt Equity Swap besteht die Möglichkeit, durch Verringerung der Verbindlichkeiten und gleichzeitiger Erhöhung des Eigenkapitals eine insolvenzrechtliche Überschuldung zu vermeiden.2 Die swapbedingten Gewinne sind grds. steuerpflichtig, während die Neugesellschafter die Forderungsverluste allenfalls eingeschränkt steuerlich geltend machen können.3
V. Grunderwerbsteuer 3.223
In Ausnahmefällen kann ein Debt-Equity-Swap auch Grunderwerbsteuer auslösen. Durch die regelmäßig vorgeschaltete Kapitalherabsetzung des gezeichneten Kapitals tragen die Altgesellschafter im Innenverhältnis die bisher aufgelaufenen Verluste. Ihr Anteil an der Gesellschaft verringert sich im Verhältnis zu den Investoren.4 Gehören inländische Grundstücke zum Vermögen des Krisenunternehmens (oder nachgelagerter Gesellschaften) kann die Neuordnung des Gesellschafterkreises insbesondere eine unmittelbare oder mittelbare Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG bewirken und damit Grunderwerbsteuer auslösen.5
J. Loan-to-own-Transaktionen I. Allgemeine Erläuterungen 1. Debt-Equity-Swap
3.224
Unter dem Begriff „Loan-to-own“6 werden Transaktionen zusammengefasst, bei denen ein Gläubiger seine Forderung gegen ein (in eine wirtschaftliche Schieflage geratendes) Unternehmen nutzt, um eine Beteiligung am Schuldnerunternehmen zu erwerben.
3.225
Im engeren Sinne ist darunter die Umwandlung der Forderungen in Eigenkapital (Debt-Equity-Swap) im Wege einer Sachkapitalerhöhung zu ver1 2 3 4
Vgl. Altrichter-Herzberg, GmbHR 2008, 337 (340); Mückl, FR 2009, 497 (503). Vgl. Eilers, GWR 2009, 276692. Sistermann, Börsenzeitung Nr. 167 v. 31.8.2011, 2. Vgl. Reger, Kapitalherabsetzung und -erhöhung in Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch der Unternehmensstrukturierung, 812. 5 Mückl, FR 2009, 497 (502). 6 Vgl. Westpfal in Eilers/Koffka/Mackensen, Private Equity, 240 ff.
134
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
die gesellschaftsrechtliche Veranlassung zu widerlegen, wäre es sachgerecht, den Nachweis auch dann als geführt zu sehen, wenn nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der Vorschrift fallende Gläubiger das Darlehen bei Kriseneintritt stehen ließen.1
3.222
Gerade beim Debt-Equity-Swap werden die fehlende Abstimmung des Steuerrechts auf das Insolvenzrecht und die „ungleiche“ Anerkennung von Risiken im Steuerrecht deutlich. Durch einen Debt Equity Swap besteht die Möglichkeit, durch Verringerung der Verbindlichkeiten und gleichzeitiger Erhöhung des Eigenkapitals eine insolvenzrechtliche Überschuldung zu vermeiden.2 Die swapbedingten Gewinne sind grds. steuerpflichtig, während die Neugesellschafter die Forderungsverluste allenfalls eingeschränkt steuerlich geltend machen können.3
V. Grunderwerbsteuer 3.223
In Ausnahmefällen kann ein Debt-Equity-Swap auch Grunderwerbsteuer auslösen. Durch die regelmäßig vorgeschaltete Kapitalherabsetzung des gezeichneten Kapitals tragen die Altgesellschafter im Innenverhältnis die bisher aufgelaufenen Verluste. Ihr Anteil an der Gesellschaft verringert sich im Verhältnis zu den Investoren.4 Gehören inländische Grundstücke zum Vermögen des Krisenunternehmens (oder nachgelagerter Gesellschaften) kann die Neuordnung des Gesellschafterkreises insbesondere eine unmittelbare oder mittelbare Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG bewirken und damit Grunderwerbsteuer auslösen.5
J. Loan-to-own-Transaktionen I. Allgemeine Erläuterungen 1. Debt-Equity-Swap
3.224
Unter dem Begriff „Loan-to-own“6 werden Transaktionen zusammengefasst, bei denen ein Gläubiger seine Forderung gegen ein (in eine wirtschaftliche Schieflage geratendes) Unternehmen nutzt, um eine Beteiligung am Schuldnerunternehmen zu erwerben.
3.225
Im engeren Sinne ist darunter die Umwandlung der Forderungen in Eigenkapital (Debt-Equity-Swap) im Wege einer Sachkapitalerhöhung zu ver1 2 3 4
Vgl. Altrichter-Herzberg, GmbHR 2008, 337 (340); Mückl, FR 2009, 497 (503). Vgl. Eilers, GWR 2009, 276692. Sistermann, Börsenzeitung Nr. 167 v. 31.8.2011, 2. Vgl. Reger, Kapitalherabsetzung und -erhöhung in Hommel/Knecht/Wohlenberg, Handbuch der Unternehmensstrukturierung, 812. 5 Mückl, FR 2009, 497 (502). 6 Vgl. Westpfal in Eilers/Koffka/Mackensen, Private Equity, 240 ff.
134
J. Loan-to-own-Transaktionen
stehen (Rz. 3.200 ff.). Dabei werden die Forderungen gegen das Schuldunternehmen in dieses eingebracht, wofür der Gläubiger im Gegenzug neue Anteile am Schuldunternehmen erhält. Der Gläubiger muss bei einem Debt-Equity-Swap (insbesondere bei der Festlegung des Wertverhältnisses zwischen eingebrachter Forderung und ausgegebenen Anteilen) allerdings berücksichtigen, dass etwaige Sicherheiten für die einzubringenden Kreditforderungen untergehen und für die Kapitalbeteiligung weder ein Rückzahlungstermin festgesetzt wird, noch eine feste ergebnisunabhängige Verzinsung erfolgt.1 Daneben ergibt sich in diesem Zusammenhang das Problem der Differenzhaftung des Gläubigers, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die eingebrachte Forderung zu hoch bewertet wurde.2 2. Debt-Mezzanine-Swap Um die mit einem Debt-Equity-Swap verbundenen Bewertungsrisiken zu vermeiden, kommt statt einer Umwandlung der Forderung in Eigenkapital eine Umwandlung in hybride Finanzierungsformen wie etwa Genussrechte in Betracht (sog. Debt-Mezzanine-Swap). Hierdurch ist es möglich, bei einem Debt-Equity-Swap handelsbilanziell einen Ausweis als Eigenkapital zu erreichen, während steuerlich weiterhin Fremdkapital vorliegt.3 Genussrechte sind schuldrechtliche Ansprüche gegen das Unternehmen auf Teilhabe am Gewinn oder Liquidationserlös, jedoch ohne dass der Inhaber des Genussrechts Gesellschafter wird.4 Genussrechte zeichnen sich als Finanzierungsinstrument vor allem dadurch aus, dass sie je nach Ausgestaltung Eigen- oder Fremdkapital darstellen können.5 In der Krise ist eine Umwandlung in Genussrechte jedoch nur dann sinnvoll, wenn diese handelsrechtlich als „Quasi-Eigenkapital“ behandelt werden können und so eine Überschuldung vermieden werden kann.6 Für den Erwerber bleibt dabei zu beachten, dass die Forderungen aus den Genussrechten in diesem Fall nachrangig gegenüber den anderen Gläubigern zu befriedigen sind.7
3.226
Handelsrechtlich liegt Eigenkapital vor, wenn kumulativ die Bedingungen der Nachrangigkeit im Insolvenz- der Liquidationsfall, Erfolgsabhängigkeit der Vergütung sowie Teilnahme am Verlust bis zur vollen Höhe und Längerfristigkeit der Kapitalüberlassung vorliegen.8 Steuerrechtlich folgt dagegen aus § 8 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KStG, dass Genussrechte dann als Eigenkapital zu qualifizieren sind, wenn eine Beteiligung am Gewinn
3.227
1 2 3 4 5 6
Westpfal in Eilers/Koffka/Mackensen, Private Equity, 243. Vgl. dazu Roth/Altmeppen, GmbHG, § 9, Rz. 1 ff. Vgl. Frey/Mückl, GmbHR 2010, 1193 (1199). Aleth in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, H 61. Vgl. Mückl, FR 2009, 497 (505). Zu den Voraussetzungen vgl. Aleth in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, H 61; Hoyos/Ring in BeckBilKomm., § 247, Rz. 227 ff. 7 Vgl. Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1940). 8 IDW-Stellungsnahme HFA 1/1994, Rz. 2.1.1., abgedruckt in WPg 1994, 419.
135
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
und am Liquidationserlös der Gesellschaft eingeräumt wird.1 Für den Erwerber bietet ein Debt-Mezzanine-Swap den Vorteil, dass so die mit den Kapitalaufbringungsvorschriften verbundenen Risiken vermieden werden (Rz. 3.209); dem steht allerdings die aufgrund der fehlenden Gesellschafterstellung mangelnde Kontrolle über die Gesellschaft gegenüber.2 3. Debt/Asset-Swap
3.228
Alternativ kann der Forderungserwerber auch versuchen, unmittelbar die Vermögensgüter des Darlehensnehmers gegen Verzicht auf seine Forderung zu erwerben (sog. Debt/Asset-Swap). In diesem Fall kann es sich bei dem Erwerbsgegenstand (i) um Anteile des Darlehensnehmers an einer Zwischenholding oder an operativen Beteiligungsgesellschaften und/oder (ii) um sonstige (betriebliche) Vermögensgegenstände des Darlehensnehmers handeln. Hierdurch wird der Weg über eine Sacheinlage gegen Ausgabe neuer Anteile abgekürzt. Allerdings setzt auch der Erwerb von Anteilen oder Wirtschaftsgütern der Gesellschaft gegen Verzicht auf die Forderung die Mitwirkung der Gesellschafter bzw. des Darlehensnehmers voraus.3 Ein erheblicher Vorteil des Erwerbs von Vermögensgegenständen des Darlehensnehmers kann zudem darin bestehen, dass der Erwerber nur die für ihn interessanten Teile des Unternehmens kauft (sog. cherry-picking), s. Rz. 3.172. 4. Reverse Debt-Equity-Swap
3.229
Eine weitere Möglichkeit vor allem die gesellschaftsrechtlichen Anforderungen an einen Debt-Equity-Swap (Rz. 3.206 ff.) zu vermeiden, stellt der sog. Reverse Debt-Equity-Swap dar. Ein Reverse Debt-Equity-Swap vollzieht sich in zwei Schritten:4 Zunächst bringen die Gläubiger die umzuwandelnden Forderungen im Wege einer Sacheinlage in eine von ihnen neu gegründete Zweckgesellschaft ein und erhalten hierfür Anteile an dieser Gesellschaft. Anschließend bringt das Schuldnerunternehmen entweder den gesamten Betrieb oder einen Betriebsteil in die Zweckgesellschaft ein. Bei dem zweiten Schritt handelt es sich um eine umwandlungsrechtliche Ausgliederung i.S.v. § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG. Wie bei dem klassischen Debt-Equity-Swap erlöschen durch die rechtliche Vereinigung der Forderungen der Gläubiger und der korrespondierenden Verbindlichkeiten des Schuldnerunternehmens die Forderungen und Verbindlichkeit durch Konfusion. 5. Share Pledge Enforcement
3.230
Im weiteren Sinne kann unter einer „Loan-to-own-Transaktion“ schließlich auch die Verwertung von Pfandrechten an den Gesellschaftsanteilen 1 2 3 4
Vgl. Frey/Mückl, GmbHR 2010, 1193 (1199); Mückl, FR 2009, 497 (505). Frey/Mückl, GmbHR 2010, 1193 (1199). Vgl. Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1940). Vgl. Drouven, ZIP 2009, 1052 f.; DB 2009, 1895.
136
J. Loan-to-own-Transaktionen
des Schuldunternehmens (oder an dessen Tochtergesellschaften) verstanden werden („Share Pledge Enforcement“), sofern die Darlehensforderung gegen das Schuldunternehmen – wie in der Finanzierungspraxis üblich – durch Pfandrechte an den Gesellschaftsanteilen gesichert wurde.1 Im Gegensatz zum „Debt-Equity-Swap“ und zum Anteils- bzw. Asseterwerb ist dabei keine Mitwirkung des Schuldnerunternehmens erforderlich.2 Hierdurch kann der Erwerber im Falle eines Zahlungsverzuges oder bei Vorliegen sonstiger Verstöße des Darlehensnehmers gegen Vereinbarung aus dem Darlehensvertrag sein Verwertungsrecht aus der Anteilsverpfändung ausüben und durchsetzen, sofern die Pflichtverstöße für eine Kündigung des Darlehens ausreichen. Bei GmbH-Anteilen erfolgt die Verwertung durch eine öffentliche Versteigerung gem. §§ 1273 ff., 1228, 1233 ff. BGB i.V.m. §§ 383 ff. BGB.3 Soweit keine vorrangigen Sicherheiten existieren, kann der Gläubiger seine Forderung mit dem im Rahmen der Versteigerung geschuldeten Kaufpreis verrechnen.4
II. Ertragsteuerliche Konsequenzen 1. Debt-Equity-Swap Erfolgt die Loan-to-own-Transanktion im Rahmen eines Debt-EquitySwap, liegt eine besondere Form der Sachkapitalerhöhung vor, die nur insoweit steuerneutral ist, als die eingelegte Forderung voll werthaltig ist und ihr Nominalbetrag dem Betrag der Kapitalerhöhung entspricht. Ist die Forderung dagegen nicht voll werthaltig, liegt in Höhe des nicht werthaltigen Teils ein Forderungsverzicht vor, der zu einer Erhöhung des Betriebsvermögens und somit grundsätzlich zu einem steuerpflichtigen Gewinn führt (Rz. 3.215).
3.231
2. Debt-Mezzanine-Swap Auf der Ebene der Gesellschaft stellt der Swap bei steuerlicher Einordnung als Fremdkapital damit unabhängig von der Werthaltigkeit der Forderung einen steuerneutralen Passivtausch dar.5 Ein Sanierungsgewinn entsteht hierdurch nicht. Zu beachten bleibt jedoch, dass nach § 5 Abs. 2a EStG solche Verpflichtungen nicht zu passivieren sind, die nur aus künftigen Einnahmen und Gewinnen zu tilgen sind. Findet § 5 Abs. 2a EStG Anwendung, ist die Verbindlichkeit erfolgswirksam auszubuchen. Da
1 Vgl. Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186 (1189). 2 Rödding/Bühring, DStR 2009, 1933 (1940); Meier-Reimer/Webering, BB 2003, 1630. 3 Meier-Reimer/Webering, BB 2003, 1630 (1631); Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186 (1190). 4 Meier-Reimer/Webering, BB 2003, 1630 (1635). 5 Vgl. Mückl, FR 2009, 497 (505); Frey/Mückl, GmbHR 2010, 1193 (1199); Stadler, NZI 2003, 585.
137
3.232
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
nach der Finanzverwaltung1 § 5 Abs. 2a EStG jedoch nur dann Anwendung findet, wenn auch eine Möglichkeit zur Leistung aus sonstigem freiem Vermögen besteht, ist bei der Gestaltung des Finanzinstruments darauf zu achten, dass diese Möglichkeit besteht. Die Vergütungen für die Kapitalüberlassung sind vorbehaltlich der Regelungen über die Zinsschranke (Rz. 2.87 ff.) als Betriebsausgaben abziehbar.2 Ein schädlicher Beteiligungserwerb i.S.d. § 8c KStG wird in aller Regel nicht vorliegen.3 3. Debt/Asset-Deal
3.233
Liegt hingegen ein Debt/Asset-Deal vor, bei dem der Erwerber als Gegenleistung für seinen Verzicht auf die Darlehensforderung Anteile oder Wirtschaftsgüter des Unternehmens erwirbt, kann auch dieser Vorgang zu einem Sanierungsgewinn auf Seiten der Gesellschaft führen, wenn der Wert der hingegebenen Wirtschaftsgüter geringer als der Nennwert der Forderung des Erwerbers ist. Bei einer Anteilsübertragung kommt auch zu einen Untergang von Verlustvorträgen gem. § 8c KStG in Betracht. Die Behandlung dieser Fragestellungen entspricht der Behandlung beim DebtEquity-Swap (Rz. 3.214 ff.). Im Hinblick auf die hingegebenen Wirtschaftsgüter ist zu prüfen, ob ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn entsteht. Dies ist dann der Fall, wenn der Veräußerungserlös (Befreiung von der Verbindlichkeit) und damit der Nennwert der Forderung die Anschaffungskosten der hingegebenen Wirtschaftsgüter übersteigt. Handelt es sich bei den hingegebenen Wirtschaftsgütern um Anteile an Kapitalgesellschaften, findet insoweit § 8b Abs. 2, 3 KStG Anwendung. 4. Reverse Debt-Equity-Swap
3.234
Da bei einem Reverse Debt-Equity-Swap erst auf der Ebene der Zweckgesellschaft eine rechtliche Vereinigung der Forderung mit der Verbindlichkeit zustande kommt, entsteht im Unterschied zum klassischen Debt-Equity-Swap auf der Ebene des Schuldnerunternehmens kein Sanierungsgewinn. Die Ausgliederung des Betriebes bzw. des Betriebsteils stellt für das Schuldnerunternehmen einen tauschähnlichen Vorgang dar.4 Das Schuldnerunternehmen erhält als Gegenleistung für den ausgegliederten Betrieb bzw. Betriebsteil Anteile an der Zweckgesellschaft. Auf Ebene des Schuldnerunternehmens entsteht in der Regel in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Buchwert der Anteile an der Zweckgesellschaft und dem gemeinen Wert des ausgegliederten Betriebes ein steuerpflichtiger Gewinn. Der Ausgliederungsgewinn kann auf Ebene des 1 BMF v. 8.8.2006 – IV B 2 - S 2133 - 10/06, BStBl. I 2006, 497 = GmbHR 2006, 1115 m. Anm. Hoffmann, Tz. 6. 2 Frey/Mückl, GmbHR 2010, 1193 (1199). 3 Bzgl. der Genussscheine, die nicht den Anforderungen des § 8b Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KStG erfüllen, vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2745-a/08/10001, BStBl. I 2008, 718 = FR 2008, 839, Rz. 31. 4 Vgl. z.B. BFH v. 19.10.1998 – VIII R 69/95, BStBl. II 2000, 230 = FR 1999, 300 = DB 1999, 615.
138
J. Loan-to-own-Transaktionen
Schuldnerunternehmens in der Regel uneingeschränkt mit den laufenden Verlusten desjenigen Veranlagungszeitraumes verrechnet werden, in dem die Einbringung erfolgt. Ein hiernach ggf. verbleibender Gewinn kann sodann nach Maßgabe der Mindestbesteuerung (Rz. 2.78 ff.) mit den fortbestehenden Verlustvorträgen des Schuldnerunternehmens verrechnet werden.1 Für die Zweckgesellschaft hat die Ausgliederung zu gemeinen Werten den positiven Effekt, dass hierdurch ein zusätzliches Abschreibungspotential generiert wird, welches sich in künftigen Veranlagungszeiträumen durch einen erhöhten Abschreibungsaufwand steuermindernd auswirkt (sog. step-up). Alternativ zu dieser gewinnrealisierenden Einbringung zu gemeinen Werten besteht zudem die Möglichkeit, die Ausgliederung des zu sanierenden Unternehmensteils in die Zweckgesellschaft nach Maßgabe der §§ 20 ff. UmwStG zu Buchwerten zu vollziehen. Im Falle der Buchwertfortführung bleibt der Ausgliederungsvorgang hierdurch steuerlich neutral.2 Allerdings ist in diesem Fall die Haltefrist nach § 22 UmwStG zu beachten, d.h. eine Besteuerung des Ausgliederungsgewinns entfällt nur dann endgültig, wenn das Schuldnerunternehmen die Beteiligung an der Zweckgesellschaft mindestens sieben Jahre hält.3 Bei dem Zutritt neuer Investoren innerhalb der siebenjährigen Frist ist das Schuldnerunternehmen durch die rückwirkende Besteuerung des Ausgliederungsgewinns zusätzlich belastet. Die Abschmelzung des Ausgliederungsgewinns über die siebenjährige Haltefrist (§ 22 Abs. 1 S. 3 UmwStG) mildert dieses Ergebnis zwar im Einzelfall ab. Um jedoch effiziente Sanierungsmaßnahmen (und insbesondere die Kombination mehrerer Sanierungsmaßnahmen) zu ermöglichen, sollte auch an dieser Stelle über die Einführung eines Sanierungsprivilegs für derartige Gewinne nachgedacht werden.
3.235
Durch die Vereinigung von Forderung und Verbindlichkeit erlischt die Verbindlichkeit durch Konfusion. Dies führt zu einem steuerpflichtigen Gewinn (sog. Einbringungsgewinn). Sofern es sich um einen Betrieb oder Teilbetrieb i.S.v. § 20 UmwStG handelt, besteht die Möglichkeit, dass die Zweckgesellschaft gem. § 23 Abs. 6 UmwStG i.V.m. § 6 Abs. 3 UmwStG in Höhe des Einbringungsgewinns eine gewinnmindernde Rücklage bildet, die in den drei Wirtschaftsjahren jeweils zu einem Drittel gewinnerhöhend aufzulösen ist.4 Ob hingegen der Einbringungsgewinn auch unter den Anwendungsbereich des Sanierungserlasses fällt, ist aus dem Sanierungserlass nicht eindeutig erkennbar. Es ist daher zu raten, vor Durch-
3.236
1 Vgl. Drouven/Nobling, DB 2009, 1895 (1897). 2 Vgl. Drouven/Nobling, DB 2009, 1895 (1897 ff.). Zur Ausübung des Bewertungswahlrechts nach § 20 UmwStG vgl. auch Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 20 UmwStG, Rz. 91. 3 Drouven/Nobling, DB 2009, 1895 (1897). 4 Drouven/Nobling, DB 2009, 1895 (1899).
139
Kapitel 3 Sanierungstransaktionen im Sanierungssteuerrecht
führung eines Reverse Debt-Equity-Swaps die Anwendbarkeit des Sanierungserlasses mit der Finanzverwaltung im Rahmen einer verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO abzustimmen.1 5. Share Pledge Enforcement
3.237
Erwirbt der Gläubiger die Anteile an der Gesellschaft im Rahmen der öffentlichen Versteigerung, stellt der gezahlte Kaufpreis die Anschaffungskosten der Anteile dar. Weitere Besonderheiten ergeben sich in diesem Zusammenhang nicht.
1 Drouven/Nobling, DB 2009, 1895 (1899).
140
Kapitel 4 Zusammenfassung der Ergebnisse Das erste Ergebnis ist nicht überraschend; es war Ausgangspunkt dieser Analyse: Das deutsche Steuerrecht kennt kein Sanierungssteuerrecht. Die steuerpolitische Diskussion, die vor allen Dingen Ende 2008 und im Jahre 2009 die Schaffung eines spezifischen Sanierungssteuerrechtes im Lichte der Finanzmarktkrise forderte,1 hat sich schnell damit abfinden müssen, dass weitreichende gesetzgeberische Maßnahmen im Bereich von Unternehmenssanierungen nicht zu erwarten sind. Die genannten Regelungen im Finanzmarktstabilisierungsgesetz2 und die Verbesserungen im Wachstumsbeschleunigungsgesetz3 werden jedenfalls aus jetziger steuerpolitischer Sicht die einzigen steuergesetzgeberischen Maßnahmen im Bereich von Unternehmenssanierungen bleiben. Abzuwarten bleibt noch, welche neuen, zusätzlichen Herausforderungen sich an das Steuerrecht im Zuge der derzeitigen (2011) Eurokrise ergeben.
4.1
Neben den deutschen steuerpolitischen Schwierigkeiten, die steuerlichen Voraussetzungen für Unternehmenssanierungen zu verbessern, erweist sich auch die Diskussion um die Reichweite des EU Beihilfeverbotes als problematisch.4 Solange nicht klar ist, ob der deutsche Gesetzgeber in Sanierungsfällen überhaupt eine – wie geschildert extrem restriktive – Ausnahme von den Verlustvortragsbeschränkungen vorsehen darf, scheint jede weitere gesetzgeberische Erleichterung für besondere Sanierungssituationen im Steuerrecht ausgeschlossen. Diese Lähmung könnte erst nach einem erfolgreichen Klageverfahren5 gegen das europarechtliche Beihilfeverbot im Rahmen von § 8c Abs. 1a KStG gelöst werden. Insoweit erweisen sich die Vorgaben des europäischen Beihilferechts als Hindernis für eine Verbesserung der deutschen sanierungssteuerrechtlichen Vorschriften. Dieses Hindernis ist in der steuerpolitischen Diskussion unterschätzt worden. Auch der Gesetzgeber hatte wohl nicht mit diesem – nicht gerechtfertigten Widerstand – gerechnet.
4.2
Damit bleibt die Bewältigung von Sanierungssituationen den Rechtsanwendern mit den vorhandenen Instrumentarien des „normalen“ Steuerrechts überlassen. Wir haben versucht, diese Regeln mit allen ihren Unsicherheiten an den genannten Transaktionsbeispielen aufzuzeigen. Sie werden sich wohl in der Praxis stärker verfestigen. Dabei ist zu wünschen, dass aus den genannten Gründen (zeitlicher Transaktionsdruck;
4.3
1 Am weitesten gehend vielleicht Eilers, StuW 2010, 209 mit der Parallelbetrachtung des US-amerikanischen Steuerrechts. 2 V. 17.10.2008, BGBl. I 2008, 1982. 3 V. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950. 4 Gegenwärtig als Haupthindernis für steuerpolitische Maßnahmen. 5 Gegen die Entscheidung der Kommission haben sowohl die Bundesregierung als auch die Heitkamp Bau Holding Klage vor dem EuG erhoben.
141
Kapitel 4 Zusammenfassung der Ergebnisse
hohe wirtschaftliche Zwänge) Betriebsprüfungen bei der Überprüfung von Sanierungssituationen pragmatische Ansätze finden mögen.
4.4
Die gezeigten und in der Literatur ausführlich diskutierten Schwächen der deutschen sanierungssteuerrechtlichen Vorschriften bleiben jedoch bestehen. Insoweit ist der Gesetzgeber aufgefordert, zu überprüfen, ob sanierungsrechtliche Sondervorschriften, ggf. nach Abschluss des o.g. EuGVerfahrens, neu zu schaffen sind. Der steuerrechtliche Änderungsbedarf in Sanierungssituationen lässt sich wie folgt zusammenfassen: – Der Neuzutritt von Investoren sollte durch eine Sanierungsausnahme bei den Verlustvortragsregeln (wieder) begünstigt werden. Dafür ist zunächst die Verteidigung der jetzigen Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG vor dem Europäischen Gerichtshof erforderlich (Rz. 2.71 ff.). Jedenfalls werden aber auch die verfassungsrechtlichen Zweifel, die jetzt in dem Vorlagebeschluss des FG Hamburg vom 4.4.20111 an der Gesamtregelung des § 8c KStG angemeldet worden sind, dazu führen, dass die größte Schwierigkeit in Sanierungsfällen, nämlich der Verlust von Verlustvorträgen bei dem Neuzutritt von Investoren wegfallen könnte. – Der Gesetzgeber sollte weiterhin, trotz der günstigen Entscheidung des BFH vom 14.7.2010 zur Rechtsgrundlage des Sanierungserlasses,2 darüber nachdenken, ob nicht für Sanierungssituationen der Sanierungserlass wieder Gesetzesform erhält. Dies hätte neben dem Zugewinn an Rechtssicherheit den großen Vorteil, dass dann auch wieder eine Bindungswirkung des Sanierungstatbestandes für die Gewerbesteuer bestünde und damit die verfahrensrechtliche Unsicherheit durch die vielfache (lokale) Anwendung des Sanierungserlasses für Gewerbesteuerzwecke (Rz. 2.118) wegfallen würde. – Im Rahmen eines solchen Gesetzgebungsverfahrens zur steuerlichen Freistellung von Sanierungsgewinnen könnte auch geregelt werden, dass ein solcher Freistellungstatbestand steuerspezifisch in einen frühem Stadium der unternehmerischen Krise eingreifen könnte. Die Praxis zeigt, dass die Anknüpfung steuerrechtlicher Privilegien an sich ändernde und u.U. nicht tatbestandsgenau abzugrenzende Krisenbergriffe des Zivil-/Gesellschaftsrechts zu Unsicherheiten im Steuerrecht führt. Hier wäre der Steuergesetzgeber gefordert, beispielsweise bei Verzichtsmaßnahmen von Gesellschaftern diesen keinen steuerpflichtigen Ertrag zuzuordnen, wenn die Verzichtsmaßnahmen bei Zahlungsschwierigkeiten des Unternehmens erfolgen. – Die Praxis zeigt, dass innerhalb des „normalen“ Besteuerungssystems zu wenig Raum für die spezifischen Bedürfnisse in Sanierungssituationen bleibt. Der Gesetzgeber sollte bemüht sein, in größerem Umfang 1 FG Hamburg v. 4.4.2011 – 2 K 33/10, DStR 2011, 1172 = StBW 2011, 543. 2 BFH v. 14.7.2010 – X R 34/08, BStBl. II 2010, 916 = DB 2010, 2033 = StBW 2010, 838 = FR 2010, 1099 m. Anm. Kanzler; dazu Frei/Mückl, GmbHR 2010, 289 f.; Wagner, BB 2010, 26114 sowie Förster, Ubg 2010, 758 (759).
142
Kapitel 4 Zusammenfassung der Ergebnisse
Begünstigungen zu schaffen, z.B. auch durch ein umwandlungsteuerrechtliches Sanierungsprivileg (Rz. 3.235). – Es bleibt zudem die Forderung nach einer Verbesserung des Auskunftsverfahrens, beispielsweise durch eine Zuständigkeit der Landesministerien für Auskunftsverfahren in Krisenfällen sowie die Forderung nach einem gebührenfreien Auskunftsverfahren in Sanierungssituationen1. Mit diesen Verbesserungen könnte zumindest eine verfahrensrechtliche Bindung für Zwecke der Gewerbesteuer erreicht werden. Betrachtet man allerdings die steuerpolitische Landschaft, so bleibt wenig Hoffnung, dass es durch die Gesetzgebung zu einer Besserung im Bereich der Sanierungssituationen kommen wird. Damit bleibt die Forderung nach einer pragmatischen Anwendung der in diesem Buch diskutierten steuerlichen Vorschriften in Betriebsprüfungsfällen. Insbesondere sollten die Tatbestandsmerkmale des Sanierungserlasses – vor allem in der ex post Betrachtung durch eine Betriebsprüfung – nicht über den Wortlaut hinaus ausgelegt werden. Forderungen aus der Finanzverwaltung, die Anwendung des Sanierungserlasses nur zu erlauben, wenn es zu einem gleichwertigen Verzicht von allen Gläubigergruppen in Krisenunternehmen kommt, lassen sich in der Praxis zumeist nicht realisieren, weil es an gleichwertigen finanziellen Interessen von Gläubigergruppen gegenüber einem Unternehmen fehlt. Zudem können häufig auch nicht alle Kunden oder auch Gesellschafter von gleichwertigen Sanierungsmaßnahmen überzeugt werden.
1 S.o. Eilers in FS Streck, Köln 2011, 305.
143
4.5
Anhang Checkliste für GmbH-Geschäftsführer, Musterantrag einer verbindlichen Auskunft und ausgewählte Verwaltungsanweisungen I. Checkliste zu den Pflichten des Geschäftsführers in der Insolvenz/Krise Allgemeine Pflichten des GmbHGeschäftsführers
Der Geschäftsführer vertritt die GmbH grds. in allen Angelegenheiten. Dabei ist er der GmbH gegenüber nach § 43 Abs. 1 GmbHG verpflichtet, in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Dieselbe Verpflichtung trifft nach § 44 GmbHG auch die Stellvertreter der Geschäftsführer.
Pflichten bei mehreren Geschäftsführern
Auch wenn mehrere Geschäftsführer bestellt sind, besteht der Grundsatz der Allzuständigkeit und die daraus resultierende Gesamtverantwortung des Geschäftsführers. Den Verpflichtungen aus § 43 Abs. 1 GmbHG gegenüber der GmbH können sich einzelne Geschäftsführer nicht durch Zuständigkeitsregelungen innerhalb einer mehrgliedrigen Geschäftsleitung oder durch Delegation der Aufgaben auf andere Personen (außerhalb der Geschäftsführer) entledigen.
Haftung des Geschäftsführers bei Verletzung der Pflicht nach § 43 Abs. 1 GmbHG
Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten gegenüber der Gesellschaft verletzen, haften der Gesellschaft nach § 43 Abs. 2 GmbHG solidarisch für den der GmbH entstandenen Schaden.
Beweislastverteilung bei der Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG
Bei Geltendmachung der Haftung eines Geschäftsführers nach § 43 Abs. 2 GmbHG hat die Gesellschaft darzulegen, dass und inwieweit ihr durch ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführers ein Schaden entstanden ist. Entsprechend § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG ist der Geschäftsführer im Gegenzug für die entlastende Tatsache beweispflichtig, dass er mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gehandelt hat.
145
Anhang
Wann liegt eine Krise vor?
Von einer Krise der Gesellschaft ist nicht erst dann auszugehen, wenn bereits die Insolvenzantragsgründe der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung vorliegen. Vielmehr ist von einer Krise bereits dann auszugehen, wenn die Gesellschaft kreditunwürdig ist, also wenn sie ihren Bedarf an Fremdkapital nicht mehr aus eigener Kraft zu marktüblichen Konditionen decken kann.
Allgemeine Pflichten des Geschäftsführers in der Krise
Befindet sich die in der Krise, treffen den Geschäftsführer neben den allgemeinen Pflichten auch besondere Krisenpflichten. So führt die allgemeine Sorgfalts- und Überwachungspflicht aus § 43 Abs. 1 GmbHG dazu, dass der Geschäftsführer in der Krise die Finanz- und Vermögenslage des Unternehmens mit besonderer Sorgfalt zu beobachten hat. Ggf. hat er auch schon vor dem Entstehen einer Unterbilanz einen Sanierungsplan auszuarbeiten und den Gesellschaftern vorzulegen.1
Haftung bei Verletzung der Pflicht aus § 43 Abs. 1 GmbHG
Verletzt der Geschäftsführer die in diesem Zusammenhang bestehende Informationspflicht, haftet er der Gesellschaft nach § 43 Abs. 2 GmbHG auf Schadensersatz. Zu ersetzen ist dabei der Schaden, der der Gesellschaft aufgrund der Verletzung der Pflicht aus § 43 Abs. 1 GmbHG entstanden ist.
Auszahlungsverbot nach § 30 GmbHG
Nach § 30 Abs. 1 GmbHG sind Zahlungen an die Gesellschafter verboten, sofern diese aus dem für die Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen erfolgen. Bei dem Auszahlungsverbot nach § 30 Abs. 1 GmbHG handelt es sich zwar nicht um eine typische Krisenpflicht des Geschäftsführers, da das Auszahlungsverbot in jedem Stadium zu beachten ist. Das Auszahlungsverbot erlangt in der Krise eine noch stärkere Bedeutung.
Ausnahmen vom Auszahlungsverbot nach § 30 Abs. 1 S. 2 und 3 GmbHG
Auszahlungen, die aufgrund eines Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 AktG) erfolgen, oder durch einen vollwertigen Gegenleistungsoder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind, fallen nicht unter das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG. So darf auch weiterhin den Gesellschaftern ein Darlehen gewährt und ausgezahlt werden, sofern es hinreichend besichert wird. Nach § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG darf zudem auch ein bereits bestehendes Gesellschafterdarlehen zurückgewährt werden.
1 BGH v. 9.7.1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 95 = NJW 1979, 1823.
146
Checkliste für GmbH-Geschäftsführer
Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Auszahlungsverbot nach § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG
Leistungen, die entgegen dem Verbot des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG vorgenommen werden, sind unzulässig. Erfolgt eine Leistung unter Verstoß gegen das Auszahlungsverbot, muss der Gesellschafter diese nach den Grundsätzen des § 31 GmbHG an die Gesellschaft zurückzahlen.
Haftung des Geschäftsführers bei Verstoß gegen das Auszahlungsverbot nach § 30 GmbHG
Der Geschäftsführer haftet der Gesellschaft für den Schaden, der aus der gegen § 30 GmbHG verstoßenden Leistung entstanden ist, sofern ein Verschulden vorliegt (§ 43 Abs. 3 GmbHG). Als Verschuldensmaßstab gilt § 276 BGB, dabei wird das Verschulden des Geschäftsführers vermutet. Sind mehrere Geschäftsführer vorhanden, haften diese gem. § 43 GmbHG gesamtschuldnerisch.
Verlust der Hälfte des Stammkapitals
Bei der Ermittlung des Verlusts der Hälfte des Stammkapitals ist nicht auf den tatsächlichen Verlust der Gesellschaft abzustellen. Vielmehr liegt ein entsprechender Verlust vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft höchstens die Hälfte der Stammkapitalziffer deckt.
Pflichten des Geschäftsführers bei Verlust der Hälfte des Stammkapitals
Liegt ein Verlust der Hälfte des Stammkapitals vor, muss der Geschäftsführer den Gesellschaftern dies gegenüber unverzüglich anzeigen und eine Gesellschafterversammlung einberufen (§ 49 Abs. 3 GmbHG). Bestehen Zweifel, ob bereits die Hälfte des Stammkapitals verloren gegangen ist, muss der Geschäftsführer eine Zwischenbilanz aufstellen und den Verlust genau ermitteln. Nach der herrschenden Meinung steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Geschäftsführers, ob er, je nachdem in welcher Situation sich die Gesellschaft befindet, bei der Aufstellung der Zwischenbilanz von Fortführungs- oder Liquidationswerten ausgeht. Im Rahmen der durchzuführenden Gesellschafterversammlung ist es nicht ausreichend, dass der Geschäftsführer die Gesellschafrerversammlung lediglich über den Verlust informiert, vielmehr muss er bereits konkrete Vorschläge unterbreiten, wie die Krise überwunden werden kann.
Maßnahmen zur Überwindung der Krise
In dieser Situation kann der Geschäftsführer der Gesellschafterversammlung beispielsweise einen Forderungsverzicht, ein Gesellschafterdarlehen oder die Abgabe von Rangrücktrittserklärungen durch die Gesellschafter anregen.
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Anhang
Haftung des Geschäftsführers bei Verletzung der Pflicht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung nach § 49 Abs. 3 GmbHG
Informiert der Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung nicht oder nicht rechtzeitig, haftet er der Gesellschaft nach § 43 GmbHG für den ihr daraus entstandenen Schaden. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, haftet jeder einzelne der Gesellschaft. Der Schaden der Gesellschaft bemisst sich danach, welche negativen Veränderungen für die GmbH durch die verspätete oder unterlassene Einberufung eingetreten sind. In diesem Zusammenhang hat die Gesellschaft nach der herrschenden Meinung nicht nur den Schadenseintritt, sondern auch das Verschulden der Geschäftsführer und dessen Kausalität zu beweisen. Eine unmittelbare Dritthaftung der Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftsgläubigern tritt nicht ein, zumal der Pflicht aus § 49 Abs. 3 GmbHG keine primär gläubigerschützende Wirkung zukommt.
Liquiditätsengpass
Ein Liquiditätsengpass liegt vor, wenn die Gesellschaft nicht mehr alle bestehenden Verbindlichkeiten rechtzeitig bedienen kann. In dieser Situation muss der Geschäftsführer bei bestimmten Zahlungsverpflichtungen die Tilgungsreihenfolge beachten, um sich nicht persönlichen Haftungsrisiken auszusetzen.
Abzugssteuern
Abzugssteuern (insbesondere Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer) sind vorrangig vor allen anderen Verbindlichkeiten zu tilgen. Können die Löhne und die Lohnsteuer nicht mehr gezahlt werden, sind die Löhne nicht in voller Höhe auszuzahlen, sondern diese sind in dem Umfang zu kürzen, in dem die Lohnsteuer entrichtet werden kann.1
Haftung bei nicht oder nicht rechtzeitiger Zahlung der Abzugssteuern
Beachtet der Geschäftsführer die vorrangige Tilgung der Abzugssteuern nicht, besteht eine persönliche Haftung des Geschäftsführers nach § 69 AO für die gesamte nicht abgeführte Abzugssteuer.
Übrige Steuerschulden
Übrige Steuerschulden (z.B. Umsatzsteuer, Gewerbesteuer) muss der Geschäftsführer nicht vorrangig vor allen anderen Verbindlichkeiten tilgen. Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz muss der Geschäftsführer jedoch die übrigen Steuerschulden im gleichen Verhältnis wie alle anderen Verbindlichkeiten tilgen.
1 Schneider, GmbHR 2010, 57 (63).
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Checkliste für GmbH-Geschäftsführer
Haftung bei nicht oder nicht rechtzeitiger Zahlung
Werden die übrigen Steuerschulden nicht oder nur nachrangig gezahlt, weil die Befriedigung privater Gläubiger als vorrangig angesehen wird, haftet der Geschäftsführer nach § 69 AO entsprechend der Höhe, in der die Steuerschulden zu tilgen gewesen wären.1
Sozialversicherungsbeiträge
Die GmbH hat die Sozialversicherungsbeiträge durch die Geschäftsführer an die Krankenkasse als Einzugsstelle zu zahlen (§ 28e Abs. 1 SGB IV).
Haftung bei nicht oder nicht rechtzeitiger Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge
Werden die Sozialversicherungsbeiträge nicht an die zuständige Einzugsstelle abgeführt, droht dem Geschäftsführer eine Strafbarkeit nach § 266a StGB. Dies gilt jedoch nur für die Arbeitnehmeranteile, die Vorenthaltung von Arbeitgeberanteilen fällt hingegen nicht unter § 266a StGB. Daneben haftet der Geschäftsführer nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a Abs. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB auf Schadensersatz. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Gesellschaft tatsächlich die Mittel zu Verfügung standen, um die Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Beraterhinweis: Bestehen Zweifel, ob die notwendigen Mittel für die Begleichung der Sozialversicherungsbeiträge vorliegen und ob § 266a StGB greift, sind aufgrund der weitreichenden negativen Folgen für den Geschäftsführer die Beiträge zu entrichten.2
Drohende Zahlungsunfähigkeit
Drohende Zahlungsunfähigkeit nach § 18 Abs. 2 InsO liegt vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.
Pflichten des Geschäftsführers bei drohender Zahlungsunfähigkeit
Nach § 18 Abs. 3 InsO darf der Geschäftsführer zwar bei Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag stellen, er ist hierzu jedoch nicht verpflichtet. Dies gilt selbst dann, wenn die Gesellschaft voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu begleichen. Jedoch ist in diesem
1 BFH v. 19.3.1999 – VII B 158/98, GmbHR 1999, 879 = GmbH-StB 1999, 216. 2 BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370 = GmbHR 1997, 25 = GmbHStB 1997, 8; v. 2.6.2008 – II ZR 27/07, GmbHR 2008, 815 m. Komm. Podewils = GmbH-StB 2008, 229, zur Haftung bei nicht fristgerechter Zahlung und der nachfolgenden Anfechtung durch den Insolvenzverwalter: BFH v. 11.11.2008 – VII R 19/08, GmbHR 2009, 499 = GmbH-StB 2009, 60; Remmert/Horn, NZG 2007, 938 ff.; Stöcker, AO-StB 2009, 97 ff.
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Stadium dennoch erhöhte Vorsicht geboten, da die Schuldner der Gesellschaft gem. § 18 Abs. 1 InsO auch bei drohender Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag stellen können. Zahlungen an Gesellschafter, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen
In diesem Stadium ist auch das Zahlungsverbot nach § 64 Satz 3 GmbHG von den Geschäftsführern besonders zu beachten. Hiernach dürfen keine Zahlungen mehr an die Gesellschafter vorgenommen werden, wenn die Zahlungen zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen.
Ausnahmen von dem Zahlungsverbot nach § 64 GmbHG
Von dem Zahlungsverbot sind solche Zahlungen nicht betroffen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind.1 Hierunter sind solche Zahlungen zu verstehen, die geleistet werden, um den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft für die Zwecke des Insolvenzverfahrens oder die Durchführung eines berechtigten Sanierungsversuchs zu ermöglichen. Zulässig ist die Zahlung der zur Aufrechterhaltung des Unternehmens erforderlichen Sozialabgaben (z.B. Löhne und Gehälter, Miete). Bei der Prüfung, ob die jeweiligen Zahlungen zulässig sind, ist auf das Interesse der Gesellschaftsgläubiger und das öffentliche Interesse am Bestand lebensfähiger Betriebe abzustellen und nicht auf das Interesse der Gesellschaft. Die Beweislast für die Zulässigkeit der Zahlungen liegt beim Geschäftsführer.
Haftung bei Verstoß gegen das Zahlungsverbot nach § 64 GmbHG
Werden entgegen dem Zahlungsverbot des § 64 GmbHG Zahlungen vorgenommen, besteht ein Anspruch gegen den Geschäftsführer auf Ersatz der geleisteten Zahlungen, wenn der Geschäftsführer die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft kannte oder hätte erkennen können. Für den Geschäftsführer ist es in diesem Zusammenhang jedoch schwierig, sich auf eine Nichterkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit zu berufen, da die Erkennbarkeit der Insolvenzreife in diesem Zusammenhang nämlich widerleglich vermutet wird.2 Der Geschäftsführer muss also beweisen, dass die Zahlungsunfähigkeit nicht erkennbar gewesen ist.
1 BGH v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, GmbHR 2001, 190 m. Komm. Felleisen = GmbHStB 2001, 77; v. 5.11.2007 – II ZR 262/06, GmbHR 2008, 142 (143) m. Komm. Lindemann = GmbH-StB 2008, 36; Grundlach/Frenzel/Strandmann, DZWIR 2009, 450 ff. 2 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rz. 30.
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Checkliste für GmbH-Geschäftsführer
Begriff der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO
Nach § 17 Abs. 2 InsO ist von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. In diesem Zusammenhang ist die Zahlungsunfähigkeit in der Regel dann anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.
Begriff der Überschuldung nach § 19 InsO
Überschuldung liegt nach § 19 Abs. 2 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Nach der Neufassung des Überschuldungsbegriffs durch das MoMiG liegt demnach selbst bei rechnerischer Überschuldung keine insolvenzrechtliche Überschuldung vor, wenn von einer positiven Fortführungsprognose ausgegangen werden kann.
Insolvenzantragspflicht
Bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung muss der Geschäftsfüher ohne schuldhaftes Zögern, aber spätestens 3 Wochen nach Eintritt des jeweiligen Insolvenzgrundes einen Insolvenzantrag stellen (§ 15a InsO).
Insolvenzantragspflicht bei mehreren Geschäftsführern
Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, trifft jeden Geschäftsführer – unabhängig von seiner internen Zuständigkeit – die Insolvenzantragspflicht. Entgegenstehende Weisungen durch die Gesellschaft befreien den jeweiligen Geschäftsführer nicht von seiner Pflicht und sind daher in diesem Zusammenhang unbeachtlich.1
Haftung des Geschäftsführers bei nicht oder nicht rechtzeitiger Stellung eines Insolvenzantrages
Stellt der Geschäftsführer den Insolvenzantrag nicht oder nicht rechtzeitig, macht der sich nach § 15a Abs. 4 InsO strafbar. Daneben besteht ein Schadensersatzanspruch der Gläubiger gegen den Geschäftsführer nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 Satz 2 InsO. Dabei haftet der Geschäftsführer den Gläubigern, denen die schuldnerische Gesellschaft nach Eintritt der Insolvenzreife etwas schuldig geworden ist (sog. Neugläubiger) in voller Höhe auf Schadensersatz. Bei vor Insolvenzreife bereits vorhandenen Altgläubigern besteht nach der Rechtsprechung lediglich eine Haftung in Höhe des sog. Quotenschandens, also der Differenz zwischen tatsächlicher und fiktiver (bei angenommener rechtzeitiger Insolvenzantragstellung) Insolvenzquote.
1 So Schneider, GmbHR 2010, 57 (60).
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Zahlungsverbot nach § 64 GmbHG
Nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Feststellung der Überschuldung dürfen grds. keine Zahlungen mehr an Dritte oder Gesellschafter geleistet werden (§ 64 Sätze 1 und 2 GmbHG).
Haftung bei Verletzung des Auszahlungsverbotes nach § 64 GmbHG
Verletzt der Geschäftsführer das Auszahlungsverbot, haftet er der Gesellschaft oder bei bereits eingetretener Insolvenz dem Insolvenzverwalter wegen verbotener Masseschmälerung nach § 64 GmbHG auf Schadensersatz. Der Erstattungsanspruch umfasst den Betrag, der entgegen dem Auszahlungsverbot entrichtet wurde, gemindert um die in die Insolvenzmasse geflossene und dort verbliebene Gegenleistung. Des Weiteren ist der Anspruch um den Betrag zu kürzen, den der Gläubiger als Insolvenzquote erhalten hätte, da in dieser Höhe keine Masseschmälerung eingetreten ist.
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Musterantrag für eine verbindliche Auskunft der Finanzbehörde
II. Musterantrag für eine verbindliche Auskunft der Finanzbehörde zur Beurteilung einer Schuldübernahme [An das nach § 20 Abs. 1 AO zuständige Finanzamt] Vorab per Telefax [Datum] Sehr geehrte Damen und Herren, wir zeigen an, dass wir die Schuldner GmbH (S-GmbH), Finanzamt […], Steuernummer […], mit Sitz in […], Geschäftsadresse: […] vertreten. Ordnungsgemäße Bevollmächtigung wird anwaltlich versichert. In der o.g. Angelegenheit stellen wir hiermit zu der nachfolgend im Einzelnen dargestellten Maßnahme einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft gemäß § 89 Abs. 2 AO und unter Hinweis auf BMF-Schreiben vom 2.1.2008 (BStBl. I 2008, 694) – AEAO. I. Sachverhalt 1. Allgemeines Die S-GmbH ist eine Gesellschaft der Schuldner Gruppe (S-Gruppe). Die S-Gruppe ist Eigentümerin von Immobilien, die sie verwaltet und vermietet. Die Immobilien werden von unterschiedlichen Gesellschaften der S-Gruppe (Immobilien-Gesellschaften) gehalten. Dies sind neben der S-GmbH die X-GmbH und die Y-BV. Daneben gehören zur S-Gruppe Dienstleistungsund Baugesellschaften, die unter anderem auch für die Immobiliengesellschaften tätig werden. Der Verkehrswert der Immobilien der S-Gruppe beträgt ca. […] Euro. 2. Gruppenstruktur Mit Vertrag vom [Datum] wurde die S-Gruppe durch zwei von Investor A und Investor B gehaltene niederländische Beteiligungsgesellschaften, Investor A B.V. (A-BV) und Investor B B.V. (B-BV), erworben. Nach einigen Umstrukturierungen stellt sich die heutige Beteiligungsstruktur wie folgt dar: A-BV und B-BV sind zu jeweils 50 % an einer niederländischen Holding Gesellschaft (Holding BV) beteiligt. Holding BV hält 100 % der Anteile an den Immobilien-Gesellschaften. Daneben hält Holding BV 100 % der Anteile an der Holding GmbH, die ihrerseits jeweils 100 % der Anteile an der Bau GmbH und der Dienstleistungs-GmbH (DL-GmbH) hält. Andere als die genannten Beteiligungen halten die genannten Gesellschaften nicht. Die Struktur der Gesellschaften der S-Gruppe stellt sich danach zurzeit wie folgt dar:
153
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A-BV
B-BV
50 %
50 % Holding BV
100 % X-GmbH
100 % Y-BV
100 %
100 %
S-GmbH
Holding-GmbH 100 % Bau GmbH
100 % DL-GmbH
3. Wirtschaftliche Verhältnisse a) Geschäftstätigkeit Die S-GmbH wurde am [Datum] gegründet. Die Hauptgeschäftstätigkeit der S-GmbH besteht in der Verwaltung und Vermietung von Immobilien, deren Eigentümerin sie ist. Bei der Holding BV handelt es sich um eine Holdinggesellschaft, die gegenüber ihren Tochtergesellschaften (u.a. der S-GmbH) Finanzierungs- und Geschäftsleitungsfunktionen übernimmt und unter anderem die rechtliche wie steuerliche Beratung, die Buchführung sowie Personaldienstleistungen erbringt. Die Bau GmbH erbringt Baudienstleistungen und hat unter anderem auch einige der Immobilien der S-GmbH errichtet. Die DL-GmbH übernimmt unter anderem für die S-GmbH und die anderen Immobiliengesellschaften aber auch für Gesellschaften außerhalb der S-Gruppe die Instandhaltung der Immobilien und das Asset Management (u.a. Hausmeister- und kleinere Reparaturdienste). b) Ertrags- und Bilanzsituation der S-GmbH Die S-GmbH war zum Ende des Geschäftsjahres 2010 mit ca. […] Euro bilanziell überschuldet. Für das Geschäftsjahr 2011 liegen noch keine genauen Zahlen vor, jedoch werden nach Auskunft der S-GmbH keine wesentlichen Veränderungen erwartet. Für die Jahre ab 2008 haben die A-BV und die B-BV eine harte Patronatserklärung zugunsten aller Dritt-Gläubiger der S-GmbH (d.h. Gläubiger, die nicht zur S-Gruppe gehören) abgegeben, durch die sie sich verpflichten, für eine zur rechtzeitigen Begleichung der Verbindlichkeiten ausreichende finanzielle Ausstattung der S-GmbH Sorge zu tragen und die Verbindlichkeiten ggfls. selbst zu übernehmen. Für etwaige Rückforderungsansprüche gegen die S-GmbH haben die A-BV und die B-BV eine Rangrücktrittserklärung abgegeben. c) Verbindlichkeiten der S-GmbH Die S-GmbH hat gegenüber verschiedenen Gesellschaften der S-Gruppe Verbindlichkeiten aus Darlehen sowie Lieferungs- und Leistungsverhältnissen, 154
Musterantrag für eine verbindliche Auskunft der Finanzbehörde
u.a. in Höhe von ca. […] Euro gegenüber der Bau GmbH sowie in Höhe von ca. […] Euro gegenüber der DL-GmbH. Zusätzlich besteht eine Verbindlichkeit der S-GmbH gegenüber der finanzierenden Bank (Bank) in Höhe von ca. […] Euro (nachfolgend insgesamt Forderungen bzw. Verbindlichkeiten). 4. Geplante Maßnahme Vor dem oben geschilderten Hintergrund ist es zur Verbesserung der handelsbilanziellen Situation der S-GmbH geplant, die Verbindlichkeiten der S-GmbH umzuschulden. Die Umschuldung erfolgt aus rein wirtschaftlichen Gründen, nicht aus steuerlichen Gründen. Geplant ist, dass die Holding BV den Großteil der Verbindlichkeiten der S-GmbH [Betrag bzw. Betragsspanne] durch eine entsprechende Vereinbarung zwischen der S-GmbH und der Holding BV sowie Genehmigung durch die Bau GmbH, die DL-GmbH und die Bank (Bau GmbH, DL-GmbH und Bank zusammen die Gläubiger) unbedingt und unter Verzicht auf Ersatzansprüche übernimmt, so dass nach der Umschuldung die Forderungen der Gläubiger nunmehr zum überwiegenden Teil gegenüber der Holding BV bestehen. Zweck der Maßnahme ist die Beseitigung der bilanziellen Überschuldung der S-GmbH und dadurch eine Verbesserung ihrer handelsbilanziellen Situation. Die von der Holding BV übernommenen Verbindlichkeiten werden stehengelassen oder ggfls. später getilgt. II. Steuerliche Fragestellung In Folge der Schuldübernahme durch die Holding BV sind die Verbindlichkeiten bei der S-GmbH auszubuchen. Wäre damit jedoch eine Erhöhung des steuerlichen Gewinns der S-GmbH verbunden, hätte dies erhebliche ertragsteuerliche Konsequenzen für die Gesellschaft. Geht man davon aus, dass die Schuldübernahme durch das Gesellschaftsverhältnis zwischen der Holding BV und der S-GmbH veranlasst und daher als verdeckte Einlage zu behandeln ist, stellt sich die Frage, ob die steuerbilanzielle Gewinnerhöhung bei der S-GmbH in Folge der Ausbuchung der Verbindlichkeiten in voller Höhe oder lediglich in Höhe des werthaltigen Teils der Forderungen außerbilanziell neutralisiert werden kann. III. Antrag auf verbindliche Auskunft Auf Grundlage des vorstehend beschriebenen Sachverhalts bitten wir um die Erteilung einer verbindlichen Auskunft dazu, ob das Finanzamt unsere folgende Rechtsauffassung teilt: Bei der unbedingt und unter Verzicht auf Rückgriffansprüche erklärten befreienden Schuldübernahme der Holding BV in Bezug auf die Verbindlichkeiten der S-GmbH durch eine entsprechende Vereinbarung zwischen der S-GmbH und der Holding BV sowie Genehmigung durch die Gläubiger handelt es sich um einen ertragsteuerneutralen Vorgang. Dies ergibt sich insbesondere aus Folgendem: (1) Die Ausbuchung der Verbindlichkeiten bei der S-GmbH infolge der befreienden Schuldübernahme durch die Holding BV ist als nicht steuer155
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bare verdeckte Einlage der Holding BV in die S-GmbH zu behandeln. Der steuerbilanziell ertragswirksame Wegfall der Verbindlichkeiten bei der S-GmbH ist daher im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung durch den Abzug der verdeckten Einlage in Höhe des Nominalwerts der Verbindlichkeiten zu korrigieren. (2) Gegenstand der verdeckten Einlage in die S-GmbH ist der durch die Schuldübernahme der Holding BV mit Wegfall der Verbindlichkeiten bei der S-GmbH eintretende Vermögensvorteil in Höhe des Nominalwerts der Verbindlichkeiten. IV. Rechtliche Würdigung Übernimmt die Holding BV die Verbindlichkeiten der S-GmbH, wird die bislang verpflichtete S-GmbH mit Wirksamwerden der (befreienden) Schuldübernahme, d.h. mit Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung zwischen der Holding BV und der S-GmbH, deren Wirksamkeit jedoch noch der Genehmigung durch die Gläubiger bedarf (vgl. § 415 Abs. 1 BGB), von den Verbindlichkeiten befreit. Die S-GmbH bleibt nach dem Wegfall der Verbindlichkeiten infolge der Schuldübernahme auch keinerlei Rückgriffsansprüchen ausgesetzt, wenn die Schuldübernahme seitens der Holding BV – wie beabsichtigt – unbedingt und unter Ausschluss jeglicher Ersatzansprüche erklärt wird. Die handels- und steuerrechtlichen Folgen einer solchen Schuldübernahme stellen sich dabei auf Ebene der (vormaligen) Schuldnergesellschaft S-GmbH wie folgt dar: 1. Handelsrechtliche Behandlung Die befreiende Schuldübernahme der Holding BV i.S.d. § 415 Abs. 1 BGB unter gleichzeitigem Verzicht auf Rückgriffsansprüche führt auf Ebene der S-GmbH nach allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätzen zu einem sofortigen Wegfall der Verbindlichkeiten mit der Folge, dass diese erfolgswirksam in der Handelsbilanz der S-GmbH auszubuchen sind. 2. Steuerrechtliche Behandlung Entsprechend dem Prinzip der Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 EStG) sind die von der Holding BV übernommenen Verbindlichkeiten auch in der Steuerbilanz der S-GmbH auszubuchen, so dass es im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 EStG zunächst zu einer Betriebsvermögensmehrung bei der S-GmbH kommt. Die unbedingte und unter Ausschluss jeglicher Rückgriffsansprüche erklärte Schuldübernahme durch die Holding BV und der damit verbundene bilanzielle Wegfall der Verbindlichkeiten bei der S-GmbH ist indes auf das Mutter/Tochter-Verhältnis zwischen der Holding BV und der S-GmbH zurückzuführen und damit durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Die Ausbuchung der Verbindlichkeiten bei der S-GmbH ist als eine nicht steuerbare verdeckte Einlage der Holding BV in die S-GmbH zu behandeln. Die durch die Ausbuchung der Verbindlichkeiten bedingte steuerliche Gewinnerhöhung ist daher durch den Abzug der verdeckten Einlage grundsätzlich in voller Höhe zu neutralisieren. Etwas anderes würde ggfs. dann 156
Musterantrag für eine verbindliche Auskunft der Finanzbehörde
gelten, wenn die verdeckte Einlage nach den Grundsätzen, die der Große Senat des BFH in seinem Beschluss vom 9.6.19971 zur steuerlichen Behandlung des Forderungsverzichts aufgestellt hat, in ihrem Umfang auf die Höhe des werthaltigen Teils der Forderungen beschränkt wäre. Diese Grundsätze können aber u.E. auf den vorliegenden Fall einer Schuldübernahme aus den nachfolgend im einzelnen dargestellten Gründen nicht herangezogen werden. a) Kein Verzicht auf Rückgriffsansprüche Eine Anwendung der Grundsätze des Beschlusses des großen Senats BFH vom 9.6.1997 wäre allenfalls dann denkbar, wenn man davon ausgehen würde, dass aufgrund der Schuldübernahme zunächst (jedenfalls für eine juristische Sekunde) ein nicht voll werthaltiger Rückgriffsanspruch der Holding BV gegenüber der S-GmbH entstünde, auf den sodann verzichtet wird. Wird allerdings die Schuldübernahme – wie vorliegend beabsichtigt – unbedingt und unter Ausschuss jeglicher Rückgriffsansprüche erklärt, können derartige Rückgriffsansprüche nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen gar nicht zur Entstehung gelangen. Dies wurde auch vom BFH in seinem Beschluss vom 20.12.20012 ausdrücklich bestätigt. Demgemäß kann auch ein Verzicht der Holding BV auf derartige Rückgriffsansprüche gegenüber der S-GmbH nicht angenommen werden. b) Keine Behandlung der Schuldübernahme als Forderungsverzicht Die Grundsätze des großen Senats des BHF in seinem Beschluss vom 9.6. 1997, die sich auf einen anderen Sachverhalt (nämlich den Wegfall einer Darlehensforderung zugunsten einer Tochtergesellschaft) beziehen, können auf den vorliegenden Fall auch nicht in entsprechender Weise herangezogen werden. Bei Anwendung der allgemeinen Bilanzierungsregeln (vgl. §§ 4, 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) stellt sich die steuerliche Behandlung für den Fall, dass zunächst die Holding BV mit der S-GmbH eine Schuldübernahmevereinbarung gemäß § 415 Abs. 1 BGB abschließt und anschließend die Gläubiger die Schuldübernahme gemäß § 415 Abs. 2 BGB genehmigen, wie folgt dar: aa) Schuldübernahmevereinbarung zwischen Holding BV und S-GmbH Mit Abschluss der Schuldübernahmevereinbarung entsteht ein Freistellungsanspruch der Schuldnerin (S-GmbH) gegenüber der Holding BV in Höhe des Nominalwerts der Verbindlichkeiten (vgl. § 415 Abs. 3 BGB). Dieser ist der bei der S-GmbH einzubuchen und führt grundsätzlich zu einem außerordentlichen Ertrag. Da die Entstehung des Freistellungsanspruchs jedoch durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, ist der außerordentliche Ertrag außerbilanziell zu korrigieren. In entsprechender Höhe (d.h. in Höhe des Nomi1 BFH, Beschl. v. 9.6.1997 – GrS 1/94, BStBl. II 1998, 307. 2 BFH, Beschl. v. 20.12.2001, BFH/NV 2002, 678 (679).
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nalwerts des Freistellungsanspruchs) liegt eine verdeckte Einlage der Holding BV vor, die die Gewinnerhöhung auf Ebene der S-GmbH neutralisiert. Vor Schuldübernahme S-GmbH Verbindlichkeiten
100
S-GmbH 100 Verbindlichkeiten
100
Nach Schuldübernahme Freistellungsanspruch Gewinnerhöhung verdeckte Einlage steuerliches Einkommen
+ 100 ./. 100 0
bb) Genehmigung durch die Gläubiger Wird nach Abschluss der Schuldübernahmevereinbarung zwischen der Holding BV und der S-GmbH die Schuldübernahme durch Genehmigung der Gläubiger wirksam, wird die S-GmbH von den Verbindlichkeiten (ersatzlos) befreit. Diese sind auszubuchen und mit dem eingebuchten Freistellungsanspruch gegenüber der Holding BV aufzurechnen.1 Der Vorgang ist somit gewinnneutral.2 Vor Genehmigung S-GmbH Freistellungsanspruch
100 Verbindlichkeiten
100
Nach Genehmigung S-GmbH Gewinnerhöhung durch Wegfall Darlehensverbindlichkeit Gewinnminderung durch Wegfall Freistellungsansprüche Gewinnauswirkung
100 s 100 0
1 Vgl. auch Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und -prüfung der Aktiengesellschaft, 6. Auflage, § 246 HGB Rz. 126; Winnefeld, Bilanzhandbuch, 4. Auflage 2006, Kap. D Rz. 1556. 2 So explizit auch BFH, Beschl. v. 20.12.2001, BFH/NV 2002, 678 (679).
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Musterantrag für eine verbindliche Auskunft der Finanzbehörde
Keine Rolle spielt insoweit, ob die Forderungen im Zeitpunkt der befreienden Schuldübernahme voll oder teilweise werthaltig sind, da der Ansatz der Forderungen bei den Gläubiger durch die Schuldübernahme unberührt bleibt. c) Kein anderes Ergebnis aufgrund neuerer Rechtsprechung Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BFH vom 31.5.2005.1 Wie das Gericht selbst anmerkt, haben die Parteien in dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt keine Erfüllungsübernahme (= interne Schuldübernahme im Sinne des § 415 Abs. 3 BGB), sondern eine befreiende Schuldübernahme vereinbart. Die Schuldner-Gesellschaft (GmbH) war zudem bereits voll beendet, so dass aus diesen Gründen – anders als im vorliegenden Sachverhalt – keine (steuerfreie) Einlage eines Freistellungsanspruchs erfolgen konnte. Darüber hinaus mussten in diesem Fall die Gesellschafter der Schuldner-Gesellschaft, die sich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft verbürgt hatten, bereits mit einer Inanspruchnahme als Bürgen rechnen, so dass die Schuldübernahme deshalb auch keine mittelbare verdeckte Einlage darstellen konnte. Eine Inanspruchnahme der Holding BV aus einer eigenen Verbindlichkeit droht vorliegend nicht, da die Patronatserklärung nicht für gruppeninterne Verbindlichkeiten gilt. d) Ergebnis Die handelsbilanzielle Ertragswirksamkeit der Ausbuchung der Verbindlichkeiten, die im Rahmen des steuerlichen Betriebsvermögensvergleichs bei der S-GmbH gewinnerhöhend zu erfassen ist, ist durch den Abzug einer verdeckten Einlage wieder in voller Höhe (und nicht etwa nur in Höhe des werthaltigen Teils der Forderungen) außerbilanziell zu neutralisieren (§ 4 Abs. 1 EStG, § 8 Abs. 1 KStG). Nach den allgemeinen Bilanzierungsregeln handelt es sich damit bei der „Übertragung“ der Verbindlichkeiten von der S-GmbH auf die Holding BV durch eine entsprechende Vereinbarung zwischen der S-GmbH und der Holding BV sowie Genehmigung durch die Gläubiger auf Ebene der Schuldnergesellschaft um einen steuerneutralen Vorgang.2 IV. Allgemeine Angaben 1. Zuständigkeit Für die mit der steuerlichen Behandlung der Schuldübernahme auf Ebene der S-GmbH zusammenhängenden Fragen ertragsteuerlicher Art ist gemäß § 20 Abs. 1 AO das örtlich für die S-GmbH zuständige Finanzamt zuständig. 1 BFH, Urt. v. 31.5.2005 – X R 63/02, BStBl. II 2005, 707. 2 Ebenso zur befreienden Schuldübernahme (entsprechend der vorliegend geplanten Maßnahme) Eilers/Bühring, Sanierungssteuerrecht, Köln 2012, Rz. 3.39 ff.; Schmidt/Hageböke, DStR 2002, 2150 (2154 f.); Gosch, StBp 2002, 117; Vogt, DStR 2002, 1432 (1433).
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2. Antragsteller Bezüglich der Person des Antragstellers und seiner steuerrechtlichen Vertretung weisen wir auf die einleitenden Ausführungen zu diesem Schreiben hin. 3. Besonderes Interesse Die beabsichtigte Umschuldung ist – wie gezeigt – zentral für die weitere wirtschaftliche Entwicklung und die Eigenkapitalsituation der S-GmbH. Es besteht daher ein erhebliches wirtschaftliches Interesse daran, zu klären, ob die geplante Schuldübernahme durch die Holding BV mit ertragsteuerlichen Folgen für die S-GmbH verbunden ist. Derartige Folgen würden sich für den Fall ergeben, dass das Finanzamt unsere Auffassung nicht teilen, sondern vielmehr in Folge der befreienden Schuldübernahme eine Erhöhung des steuerlichen Gewinns der S-GmbH annehmen sollte. Die S-GmbH hat daher ein besonderes Interesse an der Klärung der angesprochenen Rechtsfragen. 4. Kosten Die Bezifferung des steuerlichen Interesses für den Antragsteller gemäß § 89 Abs. 4 S. 1 AO ist nicht möglich. Steuerliches Interesse wäre der Betrag, der sich aus einer Besteuerung des nicht werthaltigen Teils der Forderungen gegenüber der S-GmbH ergäbe. Eine Bezifferung des nicht werthaltigen Teils der Forderungen ist jedoch nicht möglich. Die Forderungen sind insgesamt möglicherweise werthaltig. Die Kosten bestimmen sich daher nach dem zeitlichen Aufwand für die Bearbeitung des Antrags auf verbindliche Auskunft (Zeitgebühr).1 5. Versicherung Es wird hiermit versichert, dass der Antragsteller über den zur Beurteilung gestellten Sachverhalt bei keiner anderen Finanzbehörde eine verbindliche Auskunft beantragt hat. Namens unserer Mandantschaft versichern wir außerdem, dass alle für die Erteilung der Auskunft und für die Beurteilung erforderlichen Angaben gemacht wurden und der Wahrheit entsprechen. Für Rückfragen stehen wir Ihnen gern jederzeit – auch an Amtsstelle – zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen [Unterschrift]
1 Tz. 4.3.1. des AEAO zu § 89.
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Ausgewählte Verwaltungsanweisungen zur Sanierung
III. Ausgewählte Verwaltungsanweisungen zur Sanierung 1. Sog. „Sanierungserlass“ Steuern auf Sanierungsgewinne können aus sachlichen Billigkeitsgründen gestundet und erlassen werden. Voraussetzung ist die Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit des Unternehmens sowie die Sanierungseignung des Schulderlasses und die Sanierungsabsicht der Gläubiger. Beim Vorliegen eines Sanierungsplans kann vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgegangen werden (nichtamtlicher Orientierungssatz). BMF, Schr. v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = Steuererlasse in Karteiform (StEK) AO 1977 § 163 Nr. 247 = DStR 2003, 690 Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder nehme ich zur Frage der ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen wie folgt Stellung: I. Sanierung 1. Begriff [1] Eine Sanierung ist eine Maßnahme, die darauf gerichtet ist, ein Unternehmen oder einen Unternehmensträger (juristische oder natürliche Person) vor dem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen (= unternehmensbezogene Sanierung). Das gilt auch für außergerichtliche Sanierungen, bei denen sich die Gesellschaftsstruktur des in die Krise geratenen zu sanierenden Unternehmens (Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft) ändert, bei anderen gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen im Rahmen der außergerichtlichen Sanierung von Kapitalgesellschaften sowie für Sanierungen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. 2. Einstellung des Unternehmens/Übertragende Sanierung [2] Wird das Unternehmen nicht fortgeführt oder trotz der Sanierungsmaßnahme eingestellt, liegt eine Sanierung im Sinne dieser Regelung nur vor, wenn die Schulden aus betrieblichen Gründen (z.B. um einen Sozialplan zu Gunsten der Arbeitnehmer zu ermöglichen) erlassen werden. Keine begünstigte Sanierung ist gegeben, soweit die Schulden erlassen werden, um dem Steuerpflichtigen oder einem Beteiligten einen schuldenfreien Übergang in sein Privatleben oder den Aufbau einer anderen Existenzgrundlage zu ermöglichen. Im Fall der übertragenden Sanierung, vgl. BFH, Urt. v. 24.4.1986 – IV R 282/84, BStBl. II 1986, 672, ist von einem betrieblichen Interesse auch auszugehen, soweit der Schuldenerlass erforderlich ist, um das Nachfolgeunternehmen (Auffanggesellschaft) von der Inanspruchnahme für Schulden des Vorgängerunternehmens freizustellen, z.B. wegen § 25 Abs. 1 HGB.
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II. Sanierungsgewinn [3] Ein Sanierungsgewinn ist die Erhöhung des Betriebsvermögens, die dadurch entsteht, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden. Schulden werden insbesondere erlassen – durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger, durch die der Gläubiger auf eine Forderung verzichtet, Erlassvertrag nach § 397 Abs. 1 BGB, oder – durch ein Anerkenntnis, dass ein Schuldverhältnis nicht besteht, negatives Schuldanerkenntnis nach § 397 Abs. 2 BGB, BFH, Urt. v. 27.1.1998 – VIII R 64/96, BStBl. II 1998, 537. [4] Voraussetzungen für die Annahme eines im Sinne dieses BMF-Schreibens begünstigten Sanierungsgewinns sind die Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, die Sanierungseignung des Schulderlasses und die Sanierungsabsicht der Gläubiger. Liegt ein Sanierungsplan vor, kann davon ausgegangen werden, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. [5] Unter den in Rn. 4 genannten Voraussetzungen führt auch der Forderungsverzicht eines Gläubigers gegen Besserungsschein zu einem begünstigten Sanierungsgewinn. Tritt der Besserungsfall ein, so dass der Schuldner die in der Besserungsvereinbarung festgelegten Zahlungen an den Gläubiger leisten muss, ist der Abzug dieser Aufwendungen als Betriebsausgaben entsprechend den Rechtsgrundsätzen des § 3c Abs. 1 EStG ausgeschlossen. Insoweit verringert sich allerdings nachträglich der Sanierungsgewinn. Die vor Eintritt des Besserungsfalls auf den nach Verlustverrechnungen verbleibenden Sanierungsgewinn entfallende Steuer ist zunächst über den für den Eintritt des Besserungsfalles maßgeblichen Zeitpunkt hinaus zu stunden, vgl. Rn. 7 ff. [6] Wird der Gewinn des zu sanierenden Unternehmens gesondert festgestellt, erfolgt die Ermittlung des Sanierungsgewinns im Sinne der Rn. 3 bis 5 durch das Betriebsfinanzamt. Das sich daran anschließende Stundungsund Erlassverfahren (Rn. 7 ff.) erfolgt durch das jeweilige Wohnsitzfinanzamt. Auf Beispiel 2 in Rn. 8 wird hingewiesen. III. Steuerstundung und Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen [7] Zum 1.1.1999 ist die InsO v. 5.10.1994, BGBl. I 1994, 2866, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Einführung des Euro in Rechtspflegegesetzen und in Gesetzen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, zur Änderung der Mahnvordruckverordnungen sowie zur Änderung weiterer Gesetze v. 13.12. 2001, BGBl. I 2001, 3574, in Kraft getreten. Die InsO hat die bisherige Konkurs- und Vergleichsordnung (alte Bundesländer) sowie die Gesamtvollstreckungsordnung (neue Bundesländer) abgelöst. Die InsO verfolgt als wesentliche Ziele die bessere Abstimmung von Liquidations- und Sanierungsverfahren, die innerdeutsche Vereinheitlichung des Insolvenzrechts, die Förderung der außergerichtlichen Sanierung, die Stärkung der Gläubigerautonomie sowie die Einführung einer gesetzlichen Schuldenbefreiung für 162
Ausgewählte Verwaltungsanweisungen zur Sanierung
den redlichen Schuldner. Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen nach Streichung des § 3 Nr. 66 EStG, zuletzt idF der Bekanntmachung vom 16.4. 1997, BGBl. I 1997, 821, ab dem 1.1.1998 steht mit der neuen InsO im Zielkonflikt. [8] Die Erhebung der Steuer auf einen nach Ausschöpfen der ertragsteuerrechtlichen Verlustverrechnungsmöglichkeiten verbleibenden Sanierungsgewinn im Sinne der Rn. 3 bis 5 bedeutet für den Steuerpflichtigen aus sachlichen Billigkeitsgründen eine erhebliche Härte. Die entsprechende Steuer ist daher auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 163 AO abweichend festzusetzen (Satz 3 ff.) und nach § 222 AO mit dem Ziel des späteren Erlasses (§ 227 AO) zunächst unter Widerrufsvorbehalt ab Fälligkeit (AEAO, StEK AO 1977 Vor § 1 Nr. 42 Zu § 240 Nr. 6a) zu stunden, vgl. Rn. 9 bis 11. Zu diesem Zweck sind die Besteuerungsgrundlagen in der Weise zu ermitteln, dass Verluste/negative Einkünfte unbeschadet von Ausgleichs- und Verrechnungsbeschränkungen (insbesondere nach § 2 Abs. 3, § 2a, § 2b, § 10d, § 15 Abs. 4, § 15a, § 23 Abs. 3 EStG) für die Anwendung dieses BMFSchreibens im Steuerfestsetzungsverfahren bis zur Höhe des Sanierungsgewinns vorrangig mit dem Sanierungsgewinn verrechnet werden. Die Verluste/negativen Einkünfte sind insoweit aufgebraucht; sie gehen daher nicht in den nach § 10d Abs. 4 EStG festzustellenden verbleibenden Verlustvortrag oder den nach § 15a Abs. 4 und 5 EStG festzustellenden verrechenbaren Verlust ein. Das gilt auch bei späteren Änderungen der Besteuerungsgrundlagen, z.B. aufgrund einer Betriebsprüfung, sowie für später entstandene Verluste, die im Wege des Verlustrücktrags berücksichtigt werden können; insoweit besteht bei Verzicht auf Vornahme des Verlustrücktrags (§ 10d Abs. 1 Sätze 7 und 8 EStG) kein Anspruch auf die Gewährung der Billigkeitsmaßnahme. Die Festsetzung nach § 163 AO und die Stundung nach § 222 AO sind entsprechend anzupassen. Sollte der Steuerpflichtige sich gegen die vorgenommene Verlustverrechnung im Festsetzungsverfahren wenden und die Verrechnung mit anderen Einkünften oder die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags (§ 10d Abs. 4 EStG) begehren, ist darin die Rücknahme seines Erlassantrags zu sehen mit der Folge, dass die Billigkeitsmaßnahme keine Anwendung findet. Beispiel 1: Einzelunternehmen; Gewinn aus Gewerbebetrieb (darin enthalten: Verlust aus laufendem Geschäft Sanierungsgewinn
– 500 000 Euro 2 000 000 Euro)
1 500 000 Euro
Verrechenbare Verluste/negative Einkünfte: Negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (V+V) Verlustvortrag aus dem Vorjahr aus V+V aus Gewerbebetrieb aus einem Verlustzuweisungsmodell im Sinne des § 2b EStG
– – – –
250 000 350 000 600 000 100 000
Euro Euro Euro Euro
Der Unternehmer beantragt den Erlass der auf den Sanierungsgewinn entfallenden Steuern.
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Es ergibt sich folgende Berechnung: Sanierungsgewinn ./. Verlust aus laufendem Geschäft ./. Negative Einkünfte aus V+V ./. Verlustvortrag aus dem Vorjahr (insgesamt) Nach Verrechnung mit den Verlusten/negativen Einkünften verbleibender zu versteuernder Sanierungsgewinn
2 000 000 – 500 000 – 250 000 – 1 050 000
Euro Euro Euro Euro
200 000 Euro
Bei Vorliegen der in Rn. 3 bis 5 genannten Voraussetzungen ist die Steuer auf diesen verbleibenden Sanierungsgewinn unter Widerrufsvorbehalt ab Fälligkeit zu stunden. Aus dem folgenden Verlanlagungszeitraum ergibt sich ein Verlustrücktrag, der sich wie folgt zusammensetzt: Negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb Negative Einkünfte nach § 2b EStG
– 80 000 Euro – 20 000 Euro – 100 000 Euro
Die Stundung ist entsprechend anzupassen. Beispiel 2: Die AB-KG (Komplementär A, Gewinn- und Verlustbeteiligung 75 %, Kommanditist B, Gewinn- und Verlustbeteiligung 25 %) erzielt im VZ 02 neben einem Verlust aus dem laufenden Geschäft i.H.v. 500 000 Euro einen Sanierungsgewinn i.H.v. 2 000 000 Euro. Aus der Beteiligung an der C-KG werden dem B negative Einkünfte i.S.d. § 2b EStG i.H.v. 100 000 Euro zugerechnet. B beantragt den Erlass der auf den Sanierungsgewinn entfallenden Steuern. Gesonderte Feststellung des AB-KG: Einkünfte aus Gewerbebetrieb (2 000 000 Euro – 500 000 Euro =) davon B (25 %) (nachrichtlich: Sanierungsgewinn davon B (25 %)
2 000 000 Euro 500 000 Euro)
1 500 000 Euro 375 000 Euro
Das Betriebsfinanzamt stellt den Gewinn (1 500 000 Euro) gesondert fest und nimmt die Verteilung auf die einzelnen Gesellschafter vor. Zusätzlich teilt es nachrichtlich die Höhe des Sanierungsgewinns (2 000 000 Euro) sowie die entsprechend anteilige Verteilung auf die Gesellschafter mit. Darüber hinaus teilt es mit, dass es sich um einen Sanierungsgewinn im Sinne der Rn. 3 bis 5 dieses Schreibens handelt. Einkommensteuerveranlagung des B: Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus dem Anteil an der AB-KG darin enthalten: Sanierungsgewinn 500 000 Euro ./. negative Einkünfte im Sinne des § 2b EStG Nach Verrechnung mit den Verlusten/negativen Einkünften verbleibender zu versteuernder Sanierungsgewinn
375 000 Euro – 100 000 Euro 275 000 Euro
Das Wohnsitzfinanzamt stundet unter Widerrufsvorbehalt ab Fälligkeit die anteilig auf den verbleibenden zu versteuernden Sanierungsgewinn von 275 000 Euro entfallende Steuer. Soweit B in späteren Veranlagungszeiträumen positive Einkünfte aus der Beteiligung an der C-KG erzielt, sind diese bei der Veranlagung anzusetzen; eine Verrechnung mit den negativen Einkünften im Sinne des § 2b EStG aus Veranlagungszeitraum 02 ist nicht möglich, da diese bereits mit dem Sanierungsgewinn steuerwirksam verrechnet worden sind.
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Ausgewählte Verwaltungsanweisungen zur Sanierung
[9] Zahlungen auf den Besserungsschein nach Rn. 5 vermindern nachträglich den Sanierungsgewinn. Entsprechend verringert sich die zu stundende/zu erlassende Steuer. Beispiel 3: Veranlagungszeitraum 01 Gläubigerverzicht gegen Besserungsschein auf eine Forderung in Höhe von Sanierungsgewinn nach Verlustverrechnungen Laufender Gewinn
1 500 000 Euro 1 000 000 Euro 0 Euro
Bei einem angenommenen Steuersatz in Höhe von 25 v.H. ergibt sich eine zu stundende Steuer von 250 000 Euro. Veranlagungszeitraum 02 Laufender Gewinn Zahlung an den Gläubiger aufgrund Besserungsschein in Höhe von
300 000 Euro 100 000 Euro
ist keine Betriebsausgabe. Daher bleibt es bei einem zu versteuernden Gewinn in Höhe von 300 000 Euro. Das Schreiben ist in allen Fällen anzuwenden, für die die Regelung des § 3 Nr. 66 EStG i.d.F. der Bekanntmachung v. 16.4.1997, BGBl. I 1997, 821, nicht mehr gilt. Eine Stundung oder ein Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen bleibt unberührt.
V. Aufhebung der Mitwirkungspflichten [14] Die mit BMF, Schr. v. 2.1.2002 – IV D 2 - S 0457 - 1/02, BStBl. I 2002, 61 = StEK AO 1977 § 227 Nr. 161 vorgesehenen Mitwirkungspflichten des BMF gelten nicht für Fälle der Anwendung dieses BMF-Schreibens. Allerdings sind diese Fälle, soweit sie die im BMF, Schr. v. 2.1.2002 – IV D 2 - S 0457 - 1/02 genannten Betrags- oder Zeitgrenzen übersteigen, dem BMF mitzuteilen. VI. Gewerbesteuerliche Auswirkungen [15] Für Stundung und Erlass der Gewerbesteuer ist die jeweilige Gemeinde zuständig. Spricht die Gemeinde Billigkeitsmaßnahmen aus, ist die Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 35 EStG) entsprechend zu mindern.
2. Ergänzung des sog. „Sanierungserlasses“ Gewinne aus einem Planinsolvenzverfahren gem. §§ 217 ff. InsO, aus einer erteilten Restschuldbefreiung gem. §§ 286 ff. InsO oder einer Verbraucherinsolvenz gem. §§ 304 ff. InsO sind beim Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu stunden und zu erlassen (Nichtamtlicher Orientierungssatz). BMF, Schr. v. 22.12.2009 – IV C 6 - S 2140/07/10001–01, BStBl. 2010, 18 = StEK AO 1977 § 163 Nr. 274 Im Insolvenzverfahren können natürliche Personen als Schuldner einen Antrag auf Restschuldbefreiung gem. §§ 286 ff. InsO stellen, um nach einer 165
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Wohlverhaltensperiode von sechs Jahren die Befreiung von bislang gegenüber den Insolvenzgläubigern nicht erfüllten Verbindlichkeiten zu erlangen (sog. Restschuldbefreiungen). Die Restschuldbefreiung kann bei Land- und Forstwirten, Gewerbetreibenden und Selbständigen zu steuerpflichtigen Gewinnen führen. Eine vergleichbare Problematik ergibt sich auch im Rahmen des Planinsolvenzverfahrens, §§ 217 ff. InsO, und der Verbraucherinsolvenz, §§ 304 ff. InsO. Im sog. Verbraucherinsolvenzverfahren erhalten u.a. auch Personen, die eine selbständige Tätigkeit ausgeübt haben, die Möglichkeit der Restschuldbefreiung; Voraussetzung ist ua., dass ihre Vermögensverhältnisse überschaubar sind, d.h. im Zeitpunkt des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind weniger als 20 Gläubiger vorhanden, und dass gegen sie keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen. Im Rahmen des Planinsolvenzverfahrens besteht die Möglichkeit, die Vermögensverwertung und -verteilung abweichend von den gesetzlichen Vorschriften der InsO durch die Erstellung eines Insolvenzplanes zu regeln. Der Insolvenzplan soll den Beteiligten (Insolvenzgläubiger und Schuldner) die Möglichkeit geben, die Zerschlagung des Unternehmens zu vermeiden und stattdessen eine Sanierung oder Übertragung des Unternehmens zu beschließen. Die Besteuerung der Gewinne aus der Durchführung eines der vorgenannten Insolvenzverfahrens steht im Widerspruch zu den Zielen der InsO. Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt deshalb Folgendes: 1. Zeitpunkt der Gewinnentstehung bei Insolvenzverfahren Der aufgrund einer erteilten Restschuldbefreiung entstandene Gewinn stellt kein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar und ist damit erst im Zeitpunkt der Erteilung der Restschuldbefreiung realisiert. Gleiches gilt für Gewinne, die im Rahmen einer Verbraucherinsolvenz gem. §§ 304 ff. InsO entstehen. 2. Steuerstundung und Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen, §§ 163, 222, 227 AO Das BMF-Schreiben zur ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = StEK AO 1977 § 163 Nr. 247, ist auf Gewinne aus einer Restschuldbefreiung gem. §§ 286 ff. InsO und aus einer Verbraucherinsolvenz gem. §§ 304 ff. InsO entsprechend anzuwenden. Unter den im og. BMF-Schreiben beschriebenen Voraussetzungen ist auch die aufgrund einer Restschuldbefreiung gem. §§ 286 ff. InsO oder einer Verbraucherinsolvenz gem. §§ 304 ff. InsO entstehende Steuer auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 163 AO abweichend festzusetzen und nach § 222 AO mit dem Ziel des späteren Erlasses gem. § 227 AO, zunächst unter Widerrufsvorbehalt ab Fälligkeit, AEAO, StEK AO 1977 Vor § 1 Nr. 68 Zu § 240 Nr. 6 Buchst. a, zu stunden. 166
Ausgewählte Verwaltungsanweisungen zur Sanierung
Rz. 2 Satz 2 des og. BMF-Schreibens (keine Begünstigung einer unternehmerbezogenen Sanierung) ist in den Fällen der Restschuldbefreiung gem. §§ 286 ff. InsO und der Verbraucherinsolvenz gem. §§ 304 ff. InsO nicht anzuwenden. 3. Fälle des Planinsolvenzverfahrens, §§ 217 ff. InsO Die Fälle der Planinsolvenz gem. §§ 217 ff. InsO, fallen originär unter den Anwendungsbereich des BMF-Schreibens v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = StEK AO 1977 § 163 Nr. 247. 4. Anwendungsregelung Dieses Schreiben ist auf alle offenen Fälle anzuwenden. Es wird im BStBl. I veröffentlicht.
3. Erlass Schleswig-Holstein zu Sanierungsgewinnen bei Personengesellschaften Zur ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen bei Personengesellschaften (Nichtamtlicher Orientierungssatz). FinMin Schleswig-Holstein, Erl. v. 12.7.2010 – VI 304 - S 2140 - 021, StEK AO 1977 § 163 Nr. 279 = DStR 2010, 2458 In Ergänzung zu den BMF-Schreiben v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, StEK AO 1977 § 163 Nr. 247 (sog. Sanierungserlass), und v. 22.12.2009 – IV C 6 - S 2140/07/10001–01, StEK AO 1977 § 163 Nr. 274 = DStR 2010, 2485, gilt Folgendes; entsprechende Fragen waren im Zusammenhang mit einer in Finanzierungsschwierigkeiten geratenen Personengesellschaft gestellt worden: – Der sog. Sanierungserlass ist grundsätzlich sowohl in Fällen einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung als auch bei Planinsolvenzverfahren anzuwenden. Letzteres ergibt sich klarstellend aus Abschn. 3 des BMFSchreibens v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03. – Es ist nicht erforderlich, dass auch bei den persönlich haftenden Gesellschaftern selbst ein Insolvenzverfahren eröffnet oder eingeleitet wird (s. auchRz. 6 des sog. Sanierungserlasses zur verfahrensmäßigen Abwicklung in Fällen der gesonderten Feststellung). – Nach Rz. 2 des sog. Sanierungserlasses muss bei Nichtfortführung des Unternehmens (Abwicklung) ein Schuldenerlass aus betrieblichen Gründen erfolgen. Die Voraussetzungen für eine Stundung mit dem Ziel des späteren Erlasses sind also nur – bei einer unternehmensbezogenen Sanierung gegeben, nicht aber – bei einer (mit-)unternehmerbezogenen Sanierung. So dürfte von einer mitunternehmerbezogenen Sanierung regelmäßig auszugehen sein, wenn die persönlich haftenden Gesellschafter einen außergerichtlichen Vergleich mit den Gesellschaftsgläubigern dergestalt anstreben, 167
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dass sie durch Zahlungen aus ihrem Privatvermögen von ihrer persönlichen Haftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten befreit werden. Der Sanierungsgewinn entsteht grundsätzlich im Zeitpunkt des Wegfalls der Verbindlichkeiten. Eine Verbindlichkeit entfällt durch einen Erlassvertrag, ein negatives Schuldanerkenntnis, vgl. Rz. 3 des sog. Sanierungserlasses, oder nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplanes, vgl. BMF, Schr. v. 22.12.2009 – IV C 6 - S 2140/07/10001–01, StEK AO 1977 § 163 Nr. 274. Allein das Feststehen der Nichtzahlung einer Verbindlichkeit führt nicht grundsätzlich zu einer erfolgswirksamen Minderung der Verbindlichkeit.
4. Ergänzende OFD-Verfügung zum sog. „Sanierungserlass“, insb. im Insolvenzplanverfahren Steuern auf Sanierungsgewinne können aus sachlichen Gründen erlassen oder gestundet werden (Nichtamtlicher Orientierungssatz). OFD Niedersachsen, Vfg. v. 29.9.2010 - S 2140 – 8 - St 244, StEK AO 1977 § 163 Nr. 280 Nach Aufhebung der Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen gem. § 3 Nr. 66 EStG durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform v. 29.10.1997 richtet sich die ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen nach dem BMF-Schreiben v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = StEK AO 1977 § 163 Nr. 247. Fälle der Planinsolvenz gem. §§ 217 ff. InsO fallen originär unter den Anwendungsbereich des BMF-Schreibens v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = StEK AO 1977 § 163 Nr. 247. Auf Gewinne aus einer Restschuldbefreiung gem. §§ 286 ff. InsO und aus einer Verbraucherinsolvenz gem. §§ 304 ff. InsO ist es nach dem BMF-Schreiben v. 22.12.2009 – IV C 6 - S 2140/07/10001–01, BStBl. I 2010, 18 = StEK AO 1977 § 163 Nr. 274, entsprechend anzuwenden Gemäß Rz. 8 des BMF-Schreibens v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = StEK AO 1977 § 163 Nr. 247, bedeutet die Erhebung der Steuer auf einen nach Ausschöpfen der ertragsteuerrechtlichen Verlustverrechnungsmöglichkeiten verbleibenden Sanierungsgewinn für den Steuerpflichtigen aus sachlichen Billigkeitsgründen eine erhebliche Härte. Ein Sanierungsgewinn ist die Erhöhung des Betriebsvermögens, die dadurch entsteht, dass Schulden zum Zwecke der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden. Schulden werden insbesondere erlassen – durch Erlassvertrag gem. § 397 Abs. 1 BGB oder – durch ein negatives Schuldanerkenntnis gem. § 397 Abs. 2 BGB, vgl. Rz. 3 des BMF-Schreibens v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03 BStBl. I 2003, 240 = StEK AO 1977 § 163 Nr. 247. Der Erlassvertrag kann als solcher geschlossen werden. Er kann aber auch enthalten sein in z.B. 168
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– einem außergerichtlichen Vergleich gem. § 779 BGB, – gerichtlichen Vergleich, – Anwaltsvergleich gem. §§ 796a ff. ZPO oder in einem – Insolvenzplan gem. §§ 217 ff. InsO. Der Sanierungsgewinn entsteht grundsätzlich mit Vertragsabschluss. Ist die Sanierungsmaßnahme Bestandteil des gestaltenden Teils eines Insolvenzplansim Rahmen eines Planinsolvenzverfahrens, so entsteht der Sanierungsgewinn mit dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans, § 254 Abs. 1 Satz 1 InsO. Zur Feststellung des Zeitpunkts der Entstehung des Sanierungsgewinns und zur Prüfung, ob Nebenabreden (z.B. Besserungsschein) getroffen worden sind, hat der Steuerpflichtige die Vereinbarung über den Schulderlass vorzulegen. Soweit es sich bei dem zu sanierenden Unternehmen um eine Personengesellschaft handelt, deren Gewinn (einheitlich und) gesondert festzustellen ist, erfolgt die Ermittlung des begünstigten Sanierungsgewinns durch das Betriebsfinanzamt, vgl. Rz. 6 des BMF-Schreibens v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = StEK AO 1977 § 163 Nr. 247. Nach der Rechtsprechung des BFH zu § 3 Nr. 66 EStG, die auch zur Anwendung des BMF-Schreibens v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = StEK AO 1977 § 163 Nr. 247, herangezogen werden kann, sind unter einer Sanierung geeignete Maßnahmen, insbesondere zur finanziellen Gesundung eines notleidenden, sanierungsbedürftigen Unternehmens zu verstehen, z.B. BFH, Urt. v. 26.11.1980 – I R 52/77, BStBl. II 1981, 181. Begünstigt ist nur die unternehmensbezogene Sanierung, Rz. 1 und 2 des BMF-Schreibens v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = StEK AO 1977 § 163 Nr. 247; vgl. auch BFH, Urt. v. 14.7.2010 – X R 34/08, BStBl. II 2010, 916. Lediglich in Fällen der Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz ist Rz. 2 Satz 2 nicht anzuwenden, BMF-Schreiben v. 22.12.2009 – IV C 6 S 2140/07/10001–01, BStBl. I 2010, 18 = StEK AO 1977 § 163 Nr. 274. Voraussetzungen für die Annahme eines begünstigten Sanierungsgewinns sind die Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, die Sanierungseignung des Schulderlasses und die Sanierungsabsicht des Gläubigers, vgl. Rz. 4 des BMF-Schreibens v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 8/03, BStBl. I 2003, 240 = StEK AO 1977 § 163 Nr. 247. Maßgebend ist dabei der Zeitpunkt des Schulderlasses, BFH, Urt. v. 27.1.1998 – VIII R 64/96, BStBl. II 1998, 537. Liegt ein Sanierungs-/Insolvenzplan vor, kann davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen erfüllt sind, Rz. 4 Satz 2 des BMF-Schreibens v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = StEK AO 1977 § 163 Nr. 247. Ansonsten hat der Steuerpflichtige das Vorliegen dieser Voraussetzungen darzulegen. Für die Frage, ob ein Unternehmen objektiv sanierungsbedürftig ist, sind – die Ertragslage, – die Höhe des Betriebsvermögens vor und nach der Sanierung, 169
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die Kapitalverzinsung durch die Erträge des Unternehmens, die Möglichkeiten zur Bezahlung von Steuern und sonstigen Schulden, die Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens und mit Einschränkungen die Höhe des Privatvermögens
maßgeblich, vgl. z.B. BFH, Urt. v. 27.1.1998 – VIII R 64/96, BStBl. II 1998, 537. Sanierungsbedürftigkeit ist zu bejahen, wenn das Unternehmen infolge Zahlungsunfähigkeit von der Insolvenz bedroht ist, BFH, Urt. v. 20.2.1986 – IV R 172/84, BFH/NV 1987, 493, und v. 24.4.1986 – IV R 31/85, BFH/NV 1987, 635. Sie muss objektiv bestanden haben und ist vom Steuerpflichtigen nachzuweisen, BFH, Urt. v. 3.12.1963 – I R 395/60, BStBl. III 1964, 128. Die Überschuldung allein ist kein Grund, die Sanierungsbedürftigkeit anzunehmen, wenn die übrigen Umstände (eigene Umsätze, Umsatzrendite und Bruttorendite) einen Zusammenbruch des Unternehmens ausschließen und nicht von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist, BFH, Urt. v. 14.3.1990 – I R 129/85, BStBl. II 1990, 955. Aus handelsrechtlichen oder gar nur steuerlichen Verlusten kann noch nicht auf die Sanierungsbedürftigkeit geschlossen werden. Für die Frage der Sanierungsfähigkeit des Unternehmens und der Sanierungseignung des Schulderlasses sind alle Umstände zu berücksichtigen, die die Ertragsaussichten des Unternehmens beeinflussen können, z.B. – die Höhe der Verschuldung, – die Höhe des Erlasses, die Gründe, die die Notlage bewirkt haben, und – die allgemeinen Ertragsaussichten. Das BMF-Schreiben v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = StEK AO 1977 § 163 Nr. 247, sieht mehrere Billigkeitsmaßnahmen vor (abweichende Steuerfestsetzung, Steuerstundung und Steuererlass): In einem ersten Schritt ist die anteilig auf den Sanierungsgewinn entfallende Steuer zu ermitteln. Zur ihrer Ermittlung erfolgt gemäß Rz. 8 vorrangig eine Verrechnung mit sämtlichen zur Verfügung stehenden Verlusten und negativen Einkünften. Dies gilt unbeschadet von gesetzlichen Ausgleichs- und Verrechnungsbeschränkungen, Rz. 8 Satz 3 des BMF-Schreibens v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = StEK AO 1977 § 163 Nr. 247. Insofern hat ggf. eine abweichende Steuerfestsetzung gem. § 163 AO zu erfolgen. Bei zusammenveranlagten Ehegatten ist nur ein nach horizontalem und vertikalem Verlustausgleich verbleibender Verlust eines Ehegatten mit dem Sanierungsgewinn des anderen Ehegatten zu verrechnen. Die Wahl der getrennten Veranlagung durch die Ehegatten zur Vermeidung dieser Verrechnung steht einer Billigkeitsmaßnahme nicht entgegen. Die danach auf den Sanierungsgewinn entfallende Steuer ist durch Gegenüberstellung des unter Einbeziehung des Sanierungsgewinns festgesetzten Steuerbetrages und des Steuerbetrages zu ermitteln, der sich in der „Schattenveranlagung“ ohne Einbeziehung des (nach Verrechnung mit Verlusten und negativen Einkünften) verbleibenden Sanierungsgewinns ergibt. 170
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In einem zweiten Schritt ist die auf den Sanierungsgewinn entfallende Steuer zum Zweck der Überwachung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten, der Ausnutzung des Verlustrücktrages, Berücksichtigung von Zahlungen aufgrund eines Besserungsscheins oder Änderung der Steuerermäßigung nach § 35 EStG aufgrund von Billigkeitsmaßnahmen der jeweiligen Gemeinde, Rz. 15 des BMF-Schreibens v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = StEK AO 1977 § 163 Nr. 247, bis zur Durchführung der nächsten noch ausstehenden Veranlagung, längstens bis zu einem besonders zu benennenden Zeitpunkt zu stunden, ggf. sind Anschlussstundungen auszusprechen, Rz. 10 und 11 des BMF-Schreibens v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = StEK AO 1977 § 163 Nr. 247. Die Stundungen sind nicht davon abhängig zu machen, dass Zahlungstermine eingehalten und künftig fällig werdende Steuern pünktlich bezahlt werden. Die Stundungsverfügung ist entsprechend abzuändern. Nach abschließender Prüfung und nach Feststellung der endgültigen auf den verbleibenden zu versteuernden Sanierungsgewinn entfallenden Steuer ist diese in einem dritten Schritt zu erlassen, Rz. 12 des BMF-Schreibens v. 27.3.2003 – IV A 6 - S 2140 - 8/03, BStBl. I 2003, 240 = StEK AO 1977 § 163 Nr. 247. Die Zuständigkeit für Billigkeitsmaßnahmen richtet sich nach A. II der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 15.4.2008, BStBl. II 2008, 534 = StEK AO 1977 § 227 Nr. 194. Dies gilt auch für die Stundung. Danach ist bei Beträgen (Steuern) über 20 000 Euro zu berichten. Dem Bericht beizufügen sind – die Steuerakten, – der Antrag des Steuerpflichtigen auf Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen, – die Vereinbarung über den Erlass und – die Berechnung der auf den Sanierungsgewinn entfallenden Steuer (Probeberechnung). StEK AO Vor § 1 Nr. 68 (601. Lfg – August 2011)
5. BMF zur verbindlichen Auskunft; Gebührenpflicht BMF, Schr. v. 2.1.2008 – IV A 4 - S 0062/07/0001 – Anwendungserlass zur AO, BStBl. 2008, 26 = StEK AO 1977 Vor § 1 Nr. 68 […] AEAO zu § 89 – Beratung, Auskunft: Inhaltsverzeichnis – 1. Beratung des Steuerpflichtigen – 2. Auskünfte nach § 89 Abs. 1 Satz 2 – 3. Verbindliche Auskünfte nach § 89 Abs. 2 171
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– 3.1 Allgemeines – 3.2 Antragsteller – 3.3 Zuständigkeit für die Erteilung verbindlicher Auskünfte – 3.4 Form, Inhalt und Voraussetzungen des Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft – 3.5 Erteilung einer verbindlichen Auskunft – 3.6 Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft – 3.7 Rechtsbehelfsmöglichkeiten – 4. Gebühren für die Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft, § 89 Abs. 3 bis 5 – 4.1 Gebührenpflicht – 4.2 Gegenstandswert – 4.3 Zeitgebühr – 4.4 Gebührenfestsetzung – 4.5 Ermäßigung der Gebühr – 5. Anwendung der StAuskV 1. Beratung des Steuerpflichtigen [1.1] In § 89 Abs. 1 Satz 1 sind Erklärungen und Anträge gemeint, die sich bei dem gegebenen Sachverhalt aufdrängen. Im Übrigen ist es Sache des Steuerpflichtigen, sich über die Antragsmöglichkeiten zu unterrichten, ggf. durch Rückfrage beim Finanzamt, § 89 Abs. 1 Satz 2. Die Finanzämter wären überfordert, wenn sie darauf zu achten hätten, ob der Steuerpflichtige jede sich ihm bietende Möglichkeit, Steuern zu sparen, ausgenutzt hat, BFH, Urt. v. 22.1.1960 – VI 175/59 U, BStBl. III 1960, 178. [1.2] Kann bei einem eindeutigen Verstoß der Finanzbehörden gegen die Fürsorgepflicht nach § 89 Abs. 1Satz 1 dem Steuerpflichtigen nicht durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, § 110, oder durch Änderung des bestandskräftigen Steuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 geholfen werden, so kann es geboten sein, die zu Unrecht festgesetzte Steuer wegen sachlicher Unbilligkeit, § 227, zu erlassen. 2. Auskünfte nach § 89 Abs. 1 Satz 2 In § 89 Abs. 1 Satz 2 sind Auskünfte über das Verfahren (z.B. Fristberechnung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Aussetzung der Vollziehung) gemeint. Die Erteilung von Auskünften materieller Art ist den Finanzbehörden gestattet, hierauf besteht jedoch kein Anspruch.
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3. Verbindliche Auskünfte nach § 89 Abs. 2 3.1 Allgemeines Die Finanzämter und das BZSt können unter den Voraussetzungen des § 89 Abs. 2 Satz 1 und der StAuskV auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht. 3.2 Antragsteller [3.2.1] Antragsteller einer verbindlichen Auskunft i.S.d. § 89 Abs. 2 (und zugleich Gebührenschuldner i.S.d. § 89 Abs. 3 bis 5) ist derjenige, in dessen Namen der Antrag gestellt wird. Zur Antragstellung durch Personenmehrheiten vgl. § 1 Abs. 2 StAuskV. Antragsteller und Steuerpflichtiger müssen nicht identisch sein. [3.2.2] Antragsteller und Steuerpflichtiger sind in der Regel identisch, wenn der Steuerpflichtige, dessen künftige Besteuerung Gegenstand der verbindlichen Auskunft sein soll, bei Antragstellung bereits existiert. Eine dritte Person hat in diesen Fällen im Regelfall kein eigenes berechtigtes Interesse an einer Auskunftserteilung hinsichtlich der Besteuerung eines anderen, bereits existierenden Steuerpflichtigen. [3.2.3] Existiert der Steuerpflichtige bei Antragstellung noch nicht, kann bei berechtigtem Interesse auch ein Dritter Antragsteller sein, § 1 Abs. 3 StAuskV. Berechtigte/r Antragsteller einer verbindlichen Auskunft über die künftige Besteuerung einer noch nicht existierenden Kapitalgesellschaft kann die Person/ können die Personen gemeinsam sein, die diese Kapitalgesellschaft gründen und dann (gemeinsam) zumindest 50 % an der Gesellschaft beteiligt sein will/ wollen. Entsprechendes gilt für Auskunftsanträge einer Vorgründungsgesellschaft. Die einem Dritten wegen seines berechtigten Interesses erteilte verbindliche Auskunft entfaltet gegenüber dem künftigen Steuerpflichtigen auch dann Bindungswirkung, wenn die tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse bei Verwirklichung des Sachverhalts von den bei Antragstellung geplanten Beteiligungsverhältnissen abweichen, soweit die Beteiligungsverhältnisse für die steuerrechtliche Beurteilung ohne Bedeutung sind. [3.2.4] § 1 Abs. 3 StAuskV geht der Regelung in § 1 Abs. 2 StAuskV als Lex specialis vor. Deshalb muss ein Auskunftsantrag für eine noch zu gründende Kapital- oder Personengesellschaft nicht von allen künftigen Gesellschaftern gemeinsam gestellt werden. 3.3 Zuständigkeit für die Erteilung verbindlicher Auskünfte Nach § 89 Abs. 2 Satz 2 ist das Finanzamt für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft zuständig, das bei Verwirklichung des dem Antrag zugrunde liegenden Sachverhalts für die Besteuerung örtlich zuständig sein würde. Abweichend hiervon ist allerdings bei Antragstellern, für die im Zeitpunkt der Antragstellung nach §§ 18 bis 21 kein Finanzamt zuständig ist, auf dem Ge173
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biet der Steuern, die von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwaltet werden, nach § 89 Abs. 2 Satz 3 das BZSt für die Auskunftserteilung zuständig. 3.3.1 Zuständigkeit des BZSt nach § 89 Abs. 2 Satz 3 [3.3.1.1] Die Sonderregelung des § 89 Abs. 2 Satz 3 geht der allgemeinen Regelung in § 89 Abs. 2 Satz 2 vor. Sie gilt allerdings nur für Steuern, die von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwaltet werden. Für andere von den Finanzämtern verwaltete Steuern sowie für die Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung kann das BZSt auch dann keine verbindliche Auskunft erteilen, wenn im Zeitpunkt der Antragstellung nach §§ 18 bis 21 kein Finanzamt für die Besteuerung des Antragstellers zuständig ist. [3.3.1.2] § 89 Abs. 2 Satz 3 stellt auf die aktuellen Verhältnisse des Antragstellers im Zeitpunkt der Antragstellung ab, während § 89 Abs. 2 Satz 2 auf künftige (geplante) Verhältnisse des Steuerpflichtigen (dh. der Person, deren künftige Besteuerung Gegenstand der verbindlichen Auskunft ist) abstellt. [3.3.1.3] § 89 Abs. 2 Satz 3 ist für jede Steuerart gesondert anzuwenden. Bei einem Antragsteller, für den im Zeitpunkt der Antragstellung ein Finanzamt für eine von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwaltete Steuer zuständig ist, ist das BZSt für die Auskunftserteilung nur hinsichtlich solcher von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern zuständig, für die im Zeitpunkt der Antragstellung noch kein Finanzamt zuständig ist. [3.3.1.4] Beispiel: Die im Ausland ansässige natürliche Person A unterliegt im Zeitpunkt der Antragstellung im Inland nur der Umsatzsteuer. Für die Umsatzbesteuerung des A ist in diesem Zeitpunkt nach § 21 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. der UStZustV das Finanzamt U zuständig. A beantragt eine verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 Satz 1 über Einkommen- und Umsatzsteuer. – Für die verbindliche Auskunft über Einkommensteuer ist nach § 89 Abs. 2 Satz 3 das BZSt zuständig. – Für die verbindliche Auskunft über Umsatzsteuer ist nach § 89 Abs. 2 Satz 2 das Finanzamt zuständig, das bei Verwirklichung des vorgetragenen Sachverhalts nach § 21 (ggf. i.V.m. der UStZustV) für die Umsatzbesteuerung des A örtlich zuständig sein würde. [3.3.1.5] Bei Anwendung des § 89 Abs. 2 Satz 3 kommt es nicht darauf an, ob der Antragsteller im Inland bereits bei einem Finanzamt geführt wird. Entscheidend ist, ob nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Finanzamt örtlich zuständig ist, dh., ob vom Antragsteller bereits steuerrelevante Sachverhalte im Inland verwirklicht wurden. Unerheblich ist, ob das örtlich zuständige Finanzamt hiervon bereits Kenntnis hat bzw. ob es bereits ein Besteuerungsverfahren durchgeführt hat. [3.3.1.6] Das BZSt kann unter den Voraussetzungen des § 89 Abs. 2 Satz 3 auch dann eine verbindliche Auskunft erteilen, wenn der Ort, an dem der vorgetragene Sachverhalt im Inland verwirklicht werden soll, noch nicht feststeht. 174
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[3.3.1.7] Betrifft eine verbindliche Auskunft mehrere Steuerarten und sind hierfür zum Teil das BZSt und im Übrigen ein oder mehrere Finanzämter zuständig, sollen sich die beteiligten Finanzbehörden untereinander abstimmen, um widersprüchliche verbindliche Auskünfte zu vermeiden. 3.3.2 Zuständigkeit eines Finanzamts nach § 89 Abs. 2 Satz 2 [3.3.2.1] Die Zuständigkeitsregelung des § 89 Abs. 2 Satz 2 gilt bei den von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern nur, soweit nicht das BZSt nach § 89 Abs. 2 Satz 3 zuständig ist, vgl. Nr. 3.3.1. Für andere von den Finanzämtern verwaltete Steuern sowie für die Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung richtet sich die Zuständigkeit für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft immer nach § 89 Abs. 2 Satz 2. [3.3.2.2] Die Zuständigkeit nach § 89 Abs. 2 Satz 2 knüpft an die künftigen steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen bei Verwirklichung des Sachverhaltes an. Das hiernach für die Auskunftserteilung zuständige Finanzamt muss nicht mit dem Finanzamt identisch sein, das zum Zeitpunkt der Antragstellung für die Besteuerung des Steuerpflichtigen zuständig ist. Wird eine verbindliche Auskunft berechtigterweise durch einen Dritten beantragt, vgl. Nr. 3.2.3, ist ebenso unerheblich, welches Finanzamt für seine Besteuerung zuständig ist. [3.3.2.3] Betrifft eine verbindliche Auskunft mehrere Steuerarten und sind hierfür jeweils unterschiedliche Finanzämter nach § 89 Abs. 2 Satz 2 zuständig, soll eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 herbeigeführt werden, wenn die unterschiedliche Zuständigkeit weder für den Steuerpflichtigen noch für die Finanzbehörden zweckmäßig ist. Eine derartige Zuständigkeitsvereinbarung kann auch schon vor Verwirklichung des geplanten Sachverhaltes getroffen werden. Sofern keine Zuständigkeitsvereinbarung herbeigeführt werden kann, sollen sich die beteiligten Finanzämter untereinander abstimmen, um widersprüchliche verbindliche Auskünfte zu vermeiden, vgl. Nr. 3.3.1.7. 3.4 Form, Inhalt und Voraussetzungen des Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft [3.4.1] Der Antrag muss schriftlich gestellt werden und die in § 1 Abs. 1 StAuskV bezeichneten Angaben enthalten. Zusätzlich soll der Antragsteller nach § 89 Abs. 4 Satz 2 Angaben zum Gegenstandswert der Auskunft machen. [3.4.2] Im Auskunftsantrag ist der ernsthaft geplante und zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verwirklichte Sachverhalt ausführlich und vollständig darzulegen, § 1 Abs. 1 Nr. 2 StAuskV. Es ist unschädlich, wenn bereits mit vorbereitenden Maßnahmen begonnen wurde, solange der dem Auskunftsantrag zugrunde gelegte Sachverhalt im Wesentlichen noch nicht verwirklicht wurde und noch anderweitige Dispositionen möglich sind. [3.4.3] Der Antragsteiler muss sein eigenes steuerliches Interesse darlegen, § 1 Abs. 1 Nr. 3 StAuskV. Außer in den Fällen des § 1 Abs. 3 StAuskV ist ein 175
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Auskunftsantrag mit Wirkung für Dritte nicht zulässig. Denn eine dritte Person hat kein eigenes berechtigtes Interesse an einer Auskunftserteilung hinsichtlich der Besteuerung eines anderen, bereits existierenden Steuerpflichtigen. [3.4.4] Im Auskunftsantrag sind konkrete Rechtsfragen darzulegen, § 1 Abs. 1 Nr. 5 StAuskV. Es reicht nicht aus, allgemeine Fragen zu den bei Verwirklichung des geplanten Sachverhalts eintretenden steuerlichen Rechtsfragen darzulegen. 3.5 Erteilung einer verbindlichen Auskunft [3.5.1] Der Auskunft ist der vom Antragsteller vorgetragene Sachverhalt zugrunde zu legen. Das Finanzamt ist nicht verpflichtet, eigens für die zu erteilende Auskunft Ermittlungen durchzuführen, es soll aber dem Antragsteller Gelegenheit zum ergänzenden Sachvortrag geben, wenn dadurch eine Entscheidung in der Sache ermöglicht werden kann. Die Erteilung einer verbindlichen Auskunft für alternative Gestaltungsvarianten ist nicht zulässig. [3.5.2] Die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist ausgeschlossen, wenn der Sachverhalt im Wesentlichen bereits verwirklicht ist. Über Rechtsfragen, die sich aus einem bereits abgeschlossenen Sachverhalt ergeben, ist ausschließlich im Rahmen des Veranlagungs- oder Feststellungsverfahrens zu entscheiden. Das gilt auch, wenn der Sachverhalt zwar erst nach Antragstellung, aber vor der Entscheidung über den Antrag verwirklicht wird. [3.5.3] Eine Auskunft kann auch erteilt werden, wenn der Antragsteiler eine Auskunft für die ernsthaft geplante Umgestaltung eines bereits vorliegenden Sachverhalts begehrt. Das gilt insbesondere bei Sachverhalten, die wesentliche Auswirkungen in die Zukunft haben, z.B. Dauersachverhalte. Bei Dauersachverhalten richtet sich das zeitliche Ausmaß der Bindungswirkung nach dem Auskunftsantrag, soweit die Finanzbehörde nicht aus materiellrechtlichen Gründen von den zeitlichen Vorstellungen des Antragstellers abweicht (z.B. wegen Verlängerung oder Verkürzung des Abschreibungszeitraumes) und deshalb ihre Auskunft für einen anderen Zeitraum erteilt. [3.5.4] Verbindliche Auskünfte sollen nicht erteilt werden in Angelegenheiten, bei denen die Erzielung eines Steuervorteils im Vordergrund steht (z.B. Prüfung von Steuersparmodellen, Feststellung der Grenzpunkte für das Handeln eines ordentlichen Geschäftsleiters). Die Befugnis, nach pflichtgemäßem Ermessen auch in anderen Fällen die Erteilung verbindlicher Auskünfte abzulehnen, bleibt unberührt, z.B. wenn zu dem Rechtsproblem eine gesetzliche Regelung, eine höchstrichterliche Entscheidung oder eine Verwaltungsanweisung in absehbarer Zeit zu erwarten ist. [3.5.5] Anders als die frühere Auskunft mit Bindungswirkung nach Treu und Glauben ist die verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 ein Verwaltungsakt. Die verbindliche Auskunft (auch wenn sie nicht der Rechtsauffassung des Antragstellers entspricht) und die Ablehnung der Erteilung einer verbindlichen Auskunft sind schriftlich zu erteilen und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen. Die Bekanntgabe richtet sich nach § 122 und den Regelungen zu § 122. In den Fällen des § 1 Abs. 2 StAuskV ist die Auskunft allen 176
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Beteiligten gegenüber einheitlich zu erteilen und dem von ihnen bestellten Empfangsbevollmächtigten bekannt zu geben. [3.5.6] Die verbindliche Auskunft hat zu enthalten – den ihr zugrunde gelegten Sachverhalt; dabei kann auf den im Antrag dargestellten Sachverhalt Bezuggenommen werden, die Entscheidung über den Antrag, – die zugrunde gelegten Rechtsvorschriften und die dafür maßgebenden Gründe; dabei kann auf die im Antrag dargelegten Rechtsvorschriften und Gründe Bezug genommen werden, – eine Angabe darüber, für welche Steuern und für welchen Zeitraum die verbindliche Auskunft gilt. [3.5.7] Ist vor einer Entscheidung über die Erteilung einer verbindlichen Auskunft die Anhörung eines Beteiligten oder die Mitwirkung einer anderen Behörde oder eines Ausschusses vorgesehen, so darf die verbindliche Auskunft erst nach Anhörung der Beteiligten oder nach Mitwirkung dieser Behörde oder des Ausschusses erteilt werden. 3.6 Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft [3.6.1] Die von der nach § 89 Abs. 2 Satz 2 und 3 zuständigen Finanzbehörde erteilte verbindliche Auskunft ist für die Besteuerung des Antragstellers nur dann bindend, wenn der später verwirklichte Sachverhalt von dem der Auskunft zugrunde gelegten Sachverhalt nicht oder nur unwesentlich abweicht, § 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV. Die Bindungswirkung tritt daher nicht ein, wenn der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt mit dem bei der Beantragung der verbindlichen Auskunft vorgetragenen Sachverhalt in wesentlichen Punkten nicht übereinstimmt. Eine vom BZSt nach § 89 Abs. 2 Satz 3 rechtmäßig erteilte verbindliche Auskunft bindet auch das Finanzamt, das bei Verwirklichung des der Auskunft zugrunde liegenden Sachverhalts zuständig ist. [3.6.2] Im Fall der Gesamtrechtsnachfolge geht die Bindungswirkung entsprechend § 45 auf den Rechtsnachfolger über. Bei Einzelrechtsnachfolge erlischt die Bindungswirkung. Die Bindungswirkung tritt daher nicht ein, wenn der Sachverhalt nicht durch den Antragsteller, sondern durch einen Dritten verwirklicht wurde, der nicht Gesamtrechtsnachfolger des Antragstellers ist. [3.6.3] Ist die verbindliche Auskunft zuungunsten des Steuerpflichtigen rechtswidrig, tritt nach § 2 Abs. 1 Satz 2 StAuskV keine Bindungswirkung ein. In diesem Fall ist die Steuer nach Maßgabe der Gesetze und der in diesem Zeitpunkt geltenden Verwaltungsanweisungen zutreffend festzusetzen. Die Frage, ob sich die (rechtswidrige) verbindliche Auskunft zuungunsten des Steuerpflichtigen auswirkt, ist durch einen Vergleich zwischen zugesagter und rechtmäßiger Behandlung zu beantworten und kann sich nur auf die konkret erteilte Auskunft beziehen. [3.6.4] Die Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft entfällt nach § 2 Abs. 2 StAuskV ohne Zutun der zuständigen Finanzbehörde ab dem Zeit177
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punkt, in dem die Rechtsvorschriften, auf denen die Auskunft beruht, aufgehoben oder geändert werden. Wird die verbindliche Auskunft in diesem Fall zur Klarstellung aufgehoben, hat dies nur deklaratorische Wirkung. [3.6.5] Eine verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 kann unter den Voraussetzungen der §§ 129 bis 131 berichtigt, zurückgenommen und widerrufen werden. Die Korrektur einer verbindlichen Auskunft mit Wirkung für die Vergangenheit kommt danach insbesondere in Betracht, wenn – die Auskunft durch unlautere Mittel wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist oder – die Rechtswidrigkeit der Auskunft dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war. Ist die verbindliche Auskunft von einer sachlich oder örtlich unzuständigen Behörde erlassen worden, entfaltet sie von vornherein keine Bindungswirkung. [3.6.6] Über die Fälle der §§ 129 bis 131 hinaus kann eine verbindliche Auskunft nach § 2 Abs. 3 StAuskV auch mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben oder geändert werden, wenn sich herausstellt, dass die erteilte Auskunft unrichtig war. Eine verbindliche Auskunft ist materiell rechtswidrig und damit rechtswidrig i.S.d. § 2 Abs. 3 StAuskV, wenn sie ohne Rechtsgrundlage oder unter Verstoß gegen materielle Rechtsnormen erlassen wurde oder ermessensfehlerhaft ist. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit kommt es auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens, also der Bekanntgabe der verbindlichen Auskunft an. Eine Änderung der Rechtsprechung stellt keine Änderung der Rechtslage dar, weil sie die bisherige Rechtsauffassung nur richtig stellt, also die von Anfang an bestehende Rechtslage klarstellt. Daher ist eine verbindliche Auskunft von vornherein unrichtig i.S.d. § 2 Abs. 3 StAuskV, wenn sie von einem nach ihrer Bekanntgabe ergangenen FG- oder BFH-Urt. oder einer später ergangenen Verwaltungsanweisung abweicht. Sie ist nicht unrichtig geworden, ihre Unrichtigkeit wurde lediglich erst nachträglich erkannt. Die Aufhebung oder Änderung nach § 2 Abs. 3 StAuskV steht im Ermessen der Finanzbehörde. Eine Aufhebung oder Änderung mit Wirkung für die Zukunft ist z.B. sachgerecht, wenn sich die steuerrechtliche Beurteilung des der verbindlichen Auskunft zugrunde gelegten Sachverhalts durch die Rechtsprechung oder durch eine Verwaltungsanweisung zum Nachteil des Steuerpflichtigen geändert hat. Dem Vertrauensschutz wird dadurch Rechnung getragen, dass die Aufhebung oder Änderung nur mit Wirkung für die Zukunft erfolgen darf. War der Sachverhalt im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Aufhebung oder Änderung bereits im Wesentlichen verwirklicht, bleibt die Bindungswirkung bestehen, wenn der später verwirklichte Sachverhalt von dem der Auskunft zugrunde gelegten Sachverhalt nicht oder nur unwesentlich abweicht. 178
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[3.6.7] Der Steuerpflichtige ist vor einer Korrektur der verbindlichen Auskunft zu hören, § 91 Abs. 1. [3.6.8] Im Einzelfall kann es aus Billigkeitsgründen gerechtfertigt sein, von einem Widerruf der verbindlichen Auskunft abzusehen oder die Wirkung des Widerrufs zu einem späteren Zeitpunkt eintreten zu lassen. Eine solche Billigkeitsmaßnahme wird in der Regel jedoch nur dann geboten sein, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mehr ohne erheblichen Aufwand bzw. unter beträchtlichen Schwierigkeiten von den im Vertrauen auf die Auskunft getroffenen Dispositionen oder eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen zu lösen vermag. [3.6.9] Die Regelungen in Nr. 3.6.1 bis 3.6.8 gelten in den Fällen des § 1 Abs. 3 StAuskV für die Person, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die den Sachverhalt verwirklicht hat, entsprechend. 3.7 Rechtsbehelfsmöglichkeiten Gegen die erteilte verbindliche Auskunft wie auch gegen die Ablehnung der Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist der Einspruch gegeben, § 347. 4. Gebühren für die Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft, § 89 Abs. 3 bis 5 4.1 Gebührenpflicht [4.1.1] Die Gebührenpflicht nach § 89 Abs. 3 gilt für die Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2, die nach dem 18.12.2006 bei der zuständigen Finanzbehörde eingegangen sind. [4.1.2] Gebühren sind nicht nur zu erheben, wenn die beantragte Auskunft erteilt wird. § 89 Abs. 3 Satz 1 ordnet eine Gebührenpflicht für die Bearbeitung eines Auskunftsantrags an. Gebühren sind daher grundsätzlich auch dann zu entrichten, wenn die Finanzbehörde in ihrer verbindlichen Auskunft eine andere Rechtsauffassung als der Antragsteller vertritt, wenn sie die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ablehnt oderwenn der Antrag zurückgenommen wird. Zur Möglichkeit einer Gebührenermäßigung s. Nr. 4.5. [4.1.3] Die Gebühr wird für jeden Antrag auf verbindliche Auskunft festgesetzt. Es handelt sich jeweils um einen Antrag, soweit sich die rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts auf einen Steuerpflichtigen bezieht. Dieser Sachverhalt kann sich auf mehrere Steuerarten auswirken. In den Fällen des § 1 Abs. 2 StAuskV gelten die Gesellschafter und die Gesellschaft bei der Gebührenberechnung als ein Steuerpflichtiger. In Umwandlungsfällen ist jeder abgebende, übernehmende oder entstehende Rechtsträger eigenständig zu beurteilen. [4.1.4] Die Gebührenpflicht gilt nicht für Anträge auf verbindliche Zusagen auf Grund einer Außenprüfung nach §§ 204 ff. oder für Lohnsteueranrufungsauskünfte nach § 42e EStG. Sie gilt auch nicht für Anfragen, die keine verbindliche Auskunft des Finanzamts i.S.d. § 89 Abs. 2 zum Ziel haben. 179
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4.2 Gegenstandswert [4.2.1] Die Gebühr richtet sich grundsätzlich nach dem Wert, den die Auskunft für den Antragsteller hat, Gegenstandswert; § 89 Abs. 4 Satz 1. [4.2.2] Maßgebend für die Bestimmung des Gegenstandswerts ist die steuerliche Auswirkung des vom Antragsteller dargelegten Sachverhalts. Die steuerliche Auswirkung ist in der Weise zu ermitteln, dass der Steuerbetrag, der bei Anwendung der vom Antragsteller vorgetragenen Rechtsauffassung entstehen würde, dem Steuerbetrag gegenüberzustellen ist, der entstehen würde, wenn die Finanzbehörde eine entgegengesetzte Rechtsauffassung vertreten würde. [4.2.3] Bei Dauersachverhalten ist auf die durchschnittliche steuerliche Auswirkung eines Jahres abzustellen, vgl. auch Nr. 3.5.3. [4.2.4] Der Gegenstandswert beträgt mindestens 5000 Euro und ist in analoger Anwendung des § 39 Abs. 2 GKG auf 30 Mio. Euro begrenzt. Die Gebühr beträgt mindestens 121 Euro und höchstens 91456 Euro. [4.2.5] Der Antragsteller soll den Gegenstandswert und die für seine Bestimmung maßgeblichen Umstände bereits in seinem Auskunftsantrag darlegen, § 89 Abs. 4 Satz 2. Diese Darlegung erfordert schlüssige und nachvollziehbare Angaben; fehlen derartige Angaben oder sind sie unzureichend, ist der Antragsteller hierauf hinzuweisen und um entsprechende Ergänzung seines Antrags oder um Erläuterung zu bitten, warum er keine Angaben machen kann. [4.2.6] Den Angaben des Antragstellers ist im Regelfall zu folgen. Eine Ermittlung des Gegenstandswerts durch das Finanzamt ist nur dann geboten, wenn der Antragsteller keine Angaben machen kann oder wenn seine Angaben zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen würden, § 89 Abs. 4 Satz 3. [4.2.7] Will das Finanzamt von dem erklärten Gegenstandswert abweichen oder konnte der Antragsteller keine Angaben zum Gegenstandswert machen, ist dem Antragsteller vor Erlass des Gebührenbescheids rechtliches Gehör (§ 91) zu gewähren. Die Bearbeitung des Auskunftsantrags soll bis zum Eingang der Stellungnahme des Antragstellers, höchstens aber bis zum Ablauf der (regelmäßig einmonatigen) Frist zur Stellungnahme zurückgestellt werden. 4.3 Zeitgebühr [4.3.1] Beziffert der Antragsteller den Gegenstandswert nicht und ist der Gegenstandswert auch nicht durch Schätzung bestimmbar, ist eine Zeitgebühr zu berechnen, § 89 Abs. 4 Satz 4. Die Zeitgebühr beträgt 50 Euro je angefangene halbe Stunde Bearbeitungszeit, mindestens 100 Euro, § 89 Abs. 4 Satz 4. [4.3.2] Wird eine solche Zeitgebühr erhoben, ist der zeitliche Aufwand für die Bearbeitung des Antrags auf verbindliche Auskunft zu dokumentieren. Zur Bearbeitungszeit rechnen nur die Zeiten, in denen der vorgetragene Sach180
Ausgewählte Verwaltungsanweisungen zur Sanierung
verhalt ermittelt und dessen rechtliche Würdigung geprüft wurde. Waren vorgesetzte Finanzbehörden wegen der besonderen Bedeutung des Einzelfalls oder der grundsätzlichen Bedeutung entscheidungserheblicher Rechtsfragen hinzuzuziehen, ist die dortige Bearbeitungszeit ebenfalls zu berücksichtigen, soweit sie dem konkreten Auskunftsantrag individuell zuzuordnen ist. 4.4 Gebührenfestsetzung [4.4.1] Die Gebühr ist durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Antragsteller festzusetzen; Bekanntgabevollmachten sind zu beachten. Der Antragsteller hat die Gebühr innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieses Bescheids zu entrichten, § 89 Abs. 3 Satz 2. Auf die Gebühr sind die Vorschriften der AO grundsätzlich sinngemäß anzuwenden, vgl. im Einzelnen Nr. 3 des AEAO zu § 1. Die Gebührenfestsetzung kann nach §§ 129 bis 131 korrigiert werden. Gegen die Gebührenfestsetzung ist der Einspruch gegeben, § 347. [4.4.2] Die Entscheidung über den Antrag auf verbindliche Auskunft soll bis zur Zahlung der Gebühr zurückgestellt werden, wenn der Zahlungseingang nicht gesichert erscheint. In derartigen Fällen ist im Gebührenbescheid darauf hinzuweisen, dass über den Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft erst nach Zahlungseingang entschieden wird. 4.5 Ermäßigung der Gebühr [4.5.1] Die Gebühr nach § 89 Abs. 3 bis 5 entsteht auch für die Bearbeitung eines Antrags auf verbindliche Auskunft, der die formalen Voraussetzungen nicht erfüllt (Beispiel: Der Antrag beinhaltet keine ausführliche Darlegung des Rechtsproblems oder keine eingehende Begründung des Rechtsstandpunkts des Antragstellers). Vor einer Ablehnung eines Antrags aus formalen Gründen hat die Finanzbehörde den Antragsteller auf diese Mängel und auf die Möglichkeit der Ergänzung oder Rücknahme des Antrags hinzuweisen. [4.5.2] Wird ein Antrag vor Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag auf verbindliche Auskunft zurückgenommen, kann die Gebühr ermäßigt werden, § 89 Abs. 3 Satz 4. Hierbei ist wie folgt zu verfahren: – Hat die Finanzbehörde noch nicht mit der Bearbeitung des Antrags begonnen, ist die Gebühr auf null zu ermäßigen. In diesem Fall kann aus Vereinfachungsgründen bereits von der Erteilung eines Gebührenbescheides abgesehen werden. – Hat die Finanzbehörde bereits mit der Bearbeitung des Antrags begonnen, ist der bis zur Rücknahme des Antrags angefallene Bearbeitungsaufwand angemessen zu berücksichtigen und die Gebühr anteilig zu ermäßigen.
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Anhang
5. Anwendung der StAuskV Die StAuskV gilt für alle verbindlichen Auskünfte, die ab Inkrafttreten des § 89 Abs. 2 (12.9.2006) erteilt worden sind. Für Auskünfte mit Bindungswirkung nach Treu und Glauben, die bis zum 11.9.2006 erteilt worden sind, sind die Regelungen in Nr. 4 und 5 des BMF-Schreibens v. 29.12.2003 – IV A 4 S 0430 - 7/03, BStBl. I 2003, 742 = StEK AO 1977 § 204 Nr. 18, weiter anzuwenden.
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Stichwortverzeichnis
Abstockung der Buchwerte 3.174 Anteilseignerwechsel 1.5 Anteilsverpfändung 3.230 Asset Deal 3.167, 3.169 ff., 3.194, 3.197 Atypisch stille Gesellschaften 3.110 Aufwandszuschüsse 3.117 Ausgliederung 3.229 Auskunft, verbindliche 2.111 ff., 3.15, 3.236 Anhang II Auskunft, verbindliche, AO-Anwendungserlass Anhang III.5. Auskunft, verbindliche, Gebühr Anhang III.5. Auskunft, verbindliche, Musterantrag Anhang II Auszahlungsverbot Anhang I
Darlehen von Gesellschaftern s. Gesellschafterdarlehen 2.6, 2.21 Darlehensverbindlichkeit 3.2 Darlehensverzicht 3.92 debt buy-back 3.133, 3.138, 3.142 debt equity swap/Debt-EquitySwap 2.6, 2.28, 3.200 ff., 3.206, 3.224 f., 3.231 Debt/Asset-Deal 3.233 Debt/Asset-Swap 3.228 Debt-Mezzanine-Swap 3.199, 3.226 f., 3.232 Differenzhaftung 3.205 „Distressed M&A“-Transaktionen 3.186, 3.165 Drittvergleich 3.221 Due Diligence 3.196
back-to-back-Finanzierung 3.149 Banken 2.6 Bareinlage 3.80, 3.83 ff Beihilfe s. EU-Beihilfe Besserungsabrede 3.33 Besserungsschein 3.29 ff. Beteiligung neuer Gesellschafter 2.6 Beteiligungserwerb 2.54, 2.65 Betriebsausgaben 2.120 f., 3.23 Betriebsprüfung 4.5 Betriebsstätten 3.215 Betriebsvereinbarung 2.67 Betriebsvermögen 2.67, 3.20 borrower buy-back 3.134 Brechung des Wirtschaftsjahres 2.103 Bürgschaft 3.27, 3.42, 3.4 buy and flip 3.134 buy and forgive 3.134 buy and hold 3.134
EBITDA-Vortrag 2.96 Eigenkapital 2.82, 3.60, 3.79 ff., 3.105, 3.111, 3.201, 3.227 Eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen 3.63 Eigentumsvorbehalt 3.27 Einbringungsgewinn 3.236 Einlage 3.83 Erfüllungsübernahme 3.40, 3.44, 3.55 Ertragszuschüsse 3.117, 3.123 ESUG 2.5, 2.28 ff., 2.109 f. EU-Beihilfe 2.52, 2.59, 2.71 ff., 3.186, 4.2 Eurokrise 4.1 Exit 2.4
Cherry picking 3.171, 3.228 Collateralized Debt Obligations (CDOs) 3.131
Finanzierungsbedingungen 3.135 Finanzmarktkrise 4.1 Finanzmarktsektor 2.60 Finanzmarktstabilisierungsgesetz 3.61 FMStFG 2.60, 2.104 ff., 3.61 Forderungsabtretung (Zession) 3.136 ff. 183
Stichwortverzeichnis
Forderungsverzicht 2.21, 3.18, 3.228, 3.50, 3.68, 3.87 Forderungsverzicht durch Gesellschafter 2.6, 3.1 Forderungsverzicht durch Dritte 2.6 Fortführungsprognose 3.129 Freistellungsanspruch 3.46 Freistellungsverpflichtung 3.48 Fremdkapital 3.67, 3.79 ff., 3.99, 3.111, 3.201 fremdüblich 3.21 Garantieübernahme 2.105 Gebührenpflicht 2.112 Geschäftsführung 2.2, 2.5 Gesellschafterdarlehen 2.6, 2.21, 3.60, 3.64 ff., 3.88 ff. Gesellschafterfremdfinanzierung 2.81 ff., 2.94, 3.90 Gesellschafterversammlung, Pflicht zur Einberufung Anhang I Gesellschaftsorgane 3.60 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen 2.5, 2.28 ff., 2.109 f. Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen 3.64, 3.68, 3.73, 3.88, 3.205 Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen 2.58 f. Gestaltungsmissbrauch 3.87 Gewerbesteuer 2.118 f., 3.96, 3.145 group debt buy-back 3.134 Grunderwerbsteuer 2.100, 2.106, 3.177, 3.223 Haftung 3.179 ff., 3.198 ff. Haltefrist 2.27 Hybride Finanzierungsform 3.82, 3.111 ff., 3.149 Hypothek 3.27, 3.42, 3.4
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IFRS 2.91 Insolvenz 2.5, 2.11 ff., 2.26 ff., 3.10, 3.65, 3.89, 3.141, 3.165, 3.184, 3.190 ff., 3.208 Insolvenzplanverfahren, OFD Verfügung Anhang III.4. „Inter-Creditor-Agreement“ 3.140 Investitionszuschuss 3.117 Kapitalaufbringung 3.227 Kapitalerhaltung 3.142 Kapitalschnitt 3.207 Konfusion 3.236 Korrespondenzprinzip 3.85 Kosten der Sanierung 2.43 ff. Krisensteuerrecht 2.9 Laufende Verluste 2.102 Liquidation 3.71 Liquidität 3.79, 3.135, 3.165 Liquiditätsengpass 2.22, 3.97, Anhang I Loan to own/Loan-to-own 3.199, 3.224 ff. Mindestbesteuerung 2.78 ff., 3.145 Missbrauch 2.74 MoMiG 3.64, 3.68, 3.73, 3.88, 3.205 MoRaKG 2.58 f. Nachrangigkeit Gesellschafterdarlehen/nachrangiges Gesellschafterdarlehen 2.85, 3.141 Nachschusspflicht 3.205 Nahestehende Person 3.85, 3.94, 3.23 Neueintritt eines Investors 2.74 NPL/non-performing loans 3.130 ff., 3.131 Offene Einlage 3.84 ff. Öffentliche Zuschüsse 3.118 Organe der Gesellschaft 3.60 Organschaft 3.187
Stichwortverzeichnis
Partiarisches Darlehen 3.100 Passivierungsverbot 3.69 Pfandrecht 3.27, 3.42 Pflichten des Geschäftsführers Anhang I Pflichten des Geschäftsführers in der Krise 2.2, 2.18 ff. Positive Fortführungsprognose 2.14 f., 2.24 Private Zuschüsse 2.6, 3.118 Qualifizierter Rangrücktritt 3.63 Rangrücktrittserklärung 3.59 ff. Regressansprüche 3.47 Regressverzicht 3.51 Rekapitalisierung 2.105 Reverse Debt-Equity-Swap 3.234, 3.229 Risikoübernahme 2.105 RStruktG 2.107 Rückkauf eigener Darlehen 3.130 ff. Rückstellungen 3.175 Rückzahlungssperre 3.209 Sacheinlage 3.206, 3.208 ff. Sanierungsabsicht 2.38 f., 2.65 Sanierungsausnahme 2.108, 4.4 Sanierungsbedürftigkeit 2.16, 2.34 f., 2.65 Sanierungserlass 1.6, 2.30 ff, 3.13 ff., 3.23, 3.56, 3.145, 3.152, 4.4, Komplettabdruck Anhang III.1. Sanierungserlass im Insolvenzplanverfahren Anhang III.4. Sanierungsfähigkeit 2.17, 2.36 f. Sanierungsgewinn 3.215 Sanierungsgewinn bei Personengesellschaften Anhang III.3. Sanierungsklausel 2.522.62 ff., 3.186 Sanierungskredit 2.2, 2.6 Sanierungstransaktionen 1.7 „Schlüsselübernahme“ 3.199 Schuldbeitritt 3.52 ff.
Schuldübernahme 2.6, 3.39 ff. Schuldübernahme, Antrag auf verbindliche Auskunft Anhang II „Share Deal“/Share Deals 3.167, 3.184 ff., 3.197 Share Pledge Enforcement 3.230, 3.237 Sicherungseigentum 3.4 Sicherungsübereignung 3.27 Sozialversicherungsbeiträge Anhang I Stille Beteiligung 3.98 f. Stille Reserven 2.101, 3.215 Stundung, s. Sanierungserlass „sub-performing loans“ 3.131 Tausch 3.214, 3.219 Teilwert 3.7 ff., 3.18, 3.26, 3.77, 3.85 Tilgungsreihenfolge 3.66 „turn around“ 2.3 Typische und atypische stille Beteiligung 3.104, 3.109 Überbrückungs- bzw. Sanierungskredit 2.2, 2.6 Überschuldung 2.14 ff., 2.23, 2.66, 3.89, 3.129 Überschuldungsbilanz 3.63, 3.65, 3.89 Übertragende Sanierung 3.193 ff. Umsatzsteuer 3.126, 3.155, 3.177, 3.178 Umwandlung 2.108 Unternehmensfortführung 2.2 Unternehmenssteuerreform 2008 1.5, 2.57 US-GAAP 2.91 Veräußerung von „Tafelsilber“ 3.165 ff. Veräußerung von Unternehmen oder Unternehmensteilen 3.165 Veräußerungsverlust 3.172, 3.176 Verbindliche Auskunft 2.111 ff., 3.15, 3.236 Anhang II 185
Stichwortverzeichnis
Verdeckte Einlage 3.6, 3.23, 3.46, 3.49, 3.84 ff., 3.151, 3.215 Verfahrensrecht 1.7, 2.111 ff. Verlorene Zuschüsse 3.122, 3.125, 3.128 Verlust 3.145 Verlustvorträge 1.5, 2.53 ff., 2.106, 3.86, 3.145, 3.216 Vertragsübernahme 3.43 Verzicht auf die Darlehensforderung 3.151 f. Verzicht durch Banken 3.25 ff. Verzicht gegen Besserungsschein 3.3 Wagniskapitalgesellschaft 2.58 f. Werthaltigkeit 3.6 ff., 3.19
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Wertminderung des Darlehens 3.78 Wesentliche Betriebsstrukturen 2.67 Zahlungsfähigkeitsprognose 2.15 Zahlungsunfähigkeit 2.23, 2.66 Zinsaufwand 3.106 Zinsen 3.91, 3.95 Zinsschranke 2.87 ff., 2.98, 3.12, 3.95, 3.106, 3.153 f., 3.217 f., 3.232 Zinsvorträge 1.5, 2.95, 2.106 Zuschüsse 3.116 ff Zuzahlungen des Veräußerers 3.174 Zweckgesellschaft 3.195