Sachenrecht [5 ed.] 9783725576210


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Sachenrecht
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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
Literaturverzeichnis
Einleitung zum Sachenrecht
§ 1 Grundlagen und Übersicht
I. Die Sache
II. Die dinglichen Rechte im Allgemeinen
1. Relative und absolute Rechte
2. Dingliche Rechte als absolute Rechte
3. Die sogenannte «Realobligation»
4. Die Arten der dinglichen Rechte
A. Eigentum und beschränkte dingliche Rechte
B. Nutzungs- und Verwertungsrechte
5. Schematische Übersicht
III. Die Rechtsquellen
1. Bundesrecht
2. Kantonales Recht
3. Exkurs: Rechtsprechung und Lehre
IV. Der gesetzliche Aufbau des Sachenrechts im ZGB
V. Prinzipien des schweizerischen Sachenrechts
1. Das Publizitätsprinzip (Grundsatz der Offenkundigkeit,Offenlegungsprinzip)
2. Das Spezialitätsprinzip (Individualitätsprinzip)
3. Das Prinzip der Typengebundenheit (Numerus clausus)
4. Das Kausalitätsprinzip
5. Das Prinzip der Alterspriorität
6. Das Akzessionsprinzip
VI. Gerichtsstände des Sachenrechts
1. Kapitel: Der Besitz
§ 2 Vorbemerkungen
I. Die Bedeutung von Besitz und Grundbuch im Allgemeinen
II. Die gesetzliche Ordnung des Besitzes
§ 3 Begriff und Arten des Besitzes
I. Der Begriff
1. Grundfall und Ausnahmefälle
2. Abgrenzungen
II. Die Arten des Besitzes
1. Einfacher und mehrfacher Besitz
2. Unmittelbarer und mittelbarer Besitz
3. Alleinbesitz und Mitbesitz im weiteren Sinn
4. Sachbesitz und Rechtsbesitz
§ 4 Erwerb und Verlust des Besitzes
I. Übersicht
II. Der Erwerb des Besitzes
1. Übersicht: originärer und derivativer Besitzeserwerb
2. Der originäre Erwerb im Einzelnen
3. Der derivative Erwerb im Einzelnen
A. Besitzeserwerb durch Übergabe der Sache (Art. 922 f. ZGB)
B. Besitzeserwerb ohne Übergabe der Sache (Art. 924 ZGB)
a. Die Übertragung der offenen Besitzlage («longa manu traditio»)
b. Die Besitzübertragung kurzer Hand («brevi manu traditio»,Besitzwandlung)
c. Die Besitzanweisung
d. Das Besitzeskonstitut («constitutum possessorium»)
C. Sonderregel für Warenpapiere (Art. 925 ZGB)
D. Schema
III. Der Verlust des Besitzes
1. Der vorübergehende Verlust
2. Der dauernde Verlust
IV. Weiterführende Literatur
V. Fälle
§ 5 Der Besitzesschutz
I. Die gesetzliche Regelung im Überblick
II. Der Tatbestand im Einzelnen
III. Die Rechtsfolgen
1. Das Abwehrrecht (Art. 926 ZGB)
2. Die Klagen des Besitzers nach Art. 927–929 ZGB
A. Die Klage aus Besitzesentziehung (Art. 927 ZGB)
B. Die Klage aus Besitzesstörung (Art. 928 ZGB)
C. Zeitliche Grenzen der Besitzesschutzklagen
D. Schema
E. Prozessuale Besonderheiten
IV. Weiterführende Literatur
V. Fälle
§ 6 Der Besitzesrechtsschutz
I. Die gesetzliche Regelung im Überblick
II. Die Vermutungen
1. Die Vermutung aus selbständigem Besitz
2. Die Vermutung aus unselbständigem Besitz
III. Die Defensivwirkung des Besitzes
IV. Der Erwerb des Besitzes von einem Nichtberechtigten
1. Das Problem
2. Die gesetzliche Lösung im Allgemeinen
A. Die einschlägigen Normen
B. Die für das Rückforderungsrecht massgebenden Kriterien
3. Die Rechtsstellung des gutgläubigen Erwerbers im Einzelnen
A. Anvertraute Sachen (Art. 933 ZGB)
B. Abhanden gekommene Sachen (Art. 934 f. ZGB)
4. Die Rechtsstellung des bösgläubigen Erwerbers im Einzelnen
5. Schema
V. Besitzesrechtsklage und Klage aus dem Recht
1. Die Voraussetzungen der beiden Klagen (Zusammenfassung)
2. Das gegenseitige Verhältnis
VI. Weiterführende Literatur
VII. Fälle
§ 7 Die Verantwortlichkeit des nicht berechtigten Besitzers
I. Der Tatbestand
II. Die Rechtsfolgen
1. Der gutgläubige Besitzer (Art. 938–939 ZGB)
2. Der bösgläubige Besitzer (Art. 940 ZGB)
III. Weiterführende Literatur
IV. Fälle
2. Kapitel: Das Grundbuch
§ 8 Vorbemerkungen
I. Die Bedeutung des Grundbuchs im Allgemeinen
II. Die gesetzliche Ordnung des Grundbuchs
1. Bundesrecht
A. Gesetzesrecht
B. Verordnungsrecht
2. Kantonales Recht
III. Die Form des Grundbuchs
1. Das Papiergrundbuch
2. Das informatisierte Grundbuch (EDV-Grundbuch)
IV. Die Darstellung des Stoffs (Übersicht)
§ 9 Technische Voraussetzungen der Grundbuchführung
I. Die amtliche Vermessung
II. Die Anlegung des Grundbuchs(übergangsrechtliche Fragen)
III. Die Aufnahme der Grundstücke
IV. Fälle
§ 10 Das formelle Grundbuchrecht
I. Die Organisation
1. Die räumliche Gliederung
2. Die Behördenorganisation
3. Die Gebühren und andere Abgaben
4. Die Bestandteile des Grundbuchs
5. Die Öffentlichkeit des Grundbuchs
A. Das Auskunfts- und Einsichtsrecht
B. Die Veröffentlichungen der Handänderungen
C. Die Fiktion der Kenntnis des Eintrags
II. Die möglichen Eintragungen
1. Der Numerus clausus eintragbarer Rechte; Übersicht
2. Die Eintragungen im engeren Sinn
3. Die Vormerkungen
A. Die persönlichen Rechte mit verstärkter Wirkung
B. Die Verfügungsbeschränkungen
C. Die vorläufigen Eintragungen
4. Die Anmerkungen
5. Die Bemerkungen
6. Die Löschungen und Abänderungen
A. Im Allgemeinen
B. Die Bereinigung insbesondere
7. Schema
III. Das Verfahren
1. Die Anmeldung
2. Der (doppelte) Ausweis
A. Der Ausweis über das Verfügungsrecht
B. Der Ausweis über den Rechtsgrund
3. Kognition, Entscheid und Rechtsweg
A. Die Kognition der Grundbuchbehörden
B. Der Entscheid
C. Der Rechtsweg
4. Schema zum Eintragungsverfahren
IV. Die Haftung der Kantone aus Grundbuchführung
1. Die Kausalhaftung der Kantone
2. Der Rückgriff
V. Weiterführende Literatur
VI. Fälle
§ 11 Das materielle Grundbuchrecht
I. Die negative Rechtskraft des Grundbuchs
1. Das absolute Eintragungsprinzip
2. Das relative Eintragungsprinzip
II. Die positive Rechtskraft des Grundbuchs
1. Die Voraussetzungen
2. Die Wirkungen
3. Weiterführende Literatur
4. Beispiele
III. Weitere Wirkungen des Grundbuchs
1. Die negative Publizitätswirkung
2. Die Wirkungen gemäss Art. 937 Abs. 1 ZGB
A. Die Richtigkeitsvermutung
B. Die Legitimationswirkung
IV. Wichtige grundbuchrechtliche Rechtsbehelfe
1. Die Grundbuchbeschwerde (Art. 956a f. ZGB undArt. 87 Abs. 4 GBV)
2. Die Grundbuchberichtigungsklage (Art. 975 ZGB)
3. Die erleichterte Löschung eines Eintrags nachArt. 976−976c ZGB
A. Übersicht
B. Die Löschung zweifelsfrei bedeutungsloser Einträge
C. Die Löschung höchstwahrscheinlich bedeutungsloser Einträge
4. Die Berichtigung eines unrichtigen Eintrags nach Art. 977 ZGBund Art. 140−143 GBV
5. Weitere Behelfe (Hinweis)
V. Weiterführende Literatur
VI. Fälle
3. Kapitel: Das Eigentum
1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen(Art. 641–654a ZGB)
§ 12 Der Inhalt des Eigentums
I. Allgemeines
II. Die einzelnen Rechte des Eigentümers nach Art. 641 ZGB
1. Das Verfügungsrecht nach Art. 641 Abs. 1 ZGB
2. Die Klagerechte nach Art. 641 Abs. 2 ZGB
A. Die Herausgabeklage (Vindikation, Eigentumsklage,«rei vindicatio»)
B. Die Eigentumsfreiheitsklage (Abwehrklage, Negatorienklage,«actio negatoria»)
C. Exkurs: weitere mögliche Behelfe des Eigentümers
III. Die Schranken des Eigentumsrechts (Übersicht)
1. Gesetzliche Schranken
2. Gewillkürte Schranken
IV. Weiterführende Literatur
V. Fälle
§ 13 Der Umfang des Eigentums
I. Der Bestandteil
1. Begriff
2. Rechtsfolgen der Bestandteilseigenschaft
3. Die natürlichen Früchte insbesondere
II. Die Zugehör
1. Begriff
2. Rechtsfolgen der Zugehöreigenschaft
III. Weiterführende Literatur
IV. Fälle
§ 14 Gemeinschaftliches Eigentum
I. Allgemeines
II. Das Miteigentum
1. Grundtatbestand und Erscheinungsformen
2. Die Entstehung des (gewöhnlichen) Miteigentums
3. Die Stellung des Miteigentümers bezüglich seines Anteils
A. Das Verfügungsrecht
B. Die Klagebehelfe
4. Die Stellung des Miteigentümers bezüglichder gemeinsamen Sache
A. Die Vertretung der Sache
B. Die Nutzung und Verwaltung
a. Zwingende Normen (Art. 647 Abs. 2 ZGB)
b. Abgemachte Ordnung (Parteiwille, Art. 647 Abs. 1 ZGB)
c. Dispositives Recht (Art. 647a–647e ZGB)
C. Die rechtliche Verfügung und Zweckänderung
D. Die Tragung der Kosten und Lasten
5. Das gesetzliche Vorkaufsrecht bei Grundstückenim Miteigentum (Art. 682 Abs. 1 ZGB)
6. Der Ausschluss aus der Gemeinschaft
7. Der Untergang des Miteigentums
A. Im Allgemeinen
B. Die Aufhebung auf Verlangen eines Miteigentümers insbesondere
a. Der Aufhebungsanspruch nach Art. 650 ZGB
b. Die Art der Teilung (Art. 651 ZGB)
III. Das Gesamteigentum
1. Die Voraussetzungen des Gesamteigentums
2. Die Wirkungen des Gesamteigentums
3. Die Aufhebung des Gesamteigentums
IV. Schema
V. Weiterführende Literatur
VI. Fälle
2. Abschnitt: Das Grundeigentum(Art. 655–712t ZGB)
§ 15 Der Gegenstand des Grundeigentums
I. Die Grundstücke
II. Zu den «herrenlosen und öffentlichen Sachen»(Art. 664 ZGB)
1. Der Anwendungsbereich von Art. 664 ZGB
2. Die rechtliche Regelung
3. Weiterführende Literatur
4. Fälle
§ 16 Erwerb und Verlust des Grundeigentums
I. Der Erwerb des Grundeigentums
1. Übersicht
2. Das Eintragungsprinzip (Art. 656 ZGB)
3. Die Erwerbsarten (Art. 657–663 ZGB)
A. Der derivative Eigentumserwerb
a. Derivativer Eigentumserwerb durch Eintragung des Erwerbersin das Grundbuch
b. Derivativer Eigentumserwerb ohne Eintragung in das Grundbuch
B. Der originäre Eigentumserwerb
C. Die Ersitzung insbesondere
a. Übersicht
b. Die ordentliche Ersitzung (Tabularersitzung; Art. 661 ZGB)
c. Die ausserordentliche Ersitzung (Extratabularersitzung; Art. 662 ZGB)
II. Der Verlust des Grundeigentums (Art. 666 ZGB)
III. Richterliche Massnahmen
IV. Weiterführende Literatur
V. Fälle
§ 17 Der Umfang des Grundeigentums
I. Allgemeines
II. Die horizontale Ausdehnung (Art. 668 ff. ZGB)
1. Die Grenzen einer Liegenschaft
2. Die Abgrenzungspflicht
3. Die Grenzvorrichtungen
III. Die vertikale Ausdehnung (Art. 667 ZGB)
1. Das geschützte Interesse
2. Das Akzessionsprinzip
A. Bauten auf dem Grundstück
a. Der Einbau (Art. 671–673 ZGB)
b. Die überragenden Bauten (Art. 674 ZGB)
c. Das Baurecht (Art. 675 ZGB)
d. Die Leitungen (Art. 676 ZGB)
e. Sonderfall: Die Fahrnisbauten (Art. 677 ZGB)
B. Die Pflanzen (Art. 678 ZGB)
C. Die Quellen (Art. 704 ZGB)
IV. Weiterführende Literatur
V. Fälle
§ 18 Die Beschränkungen des Grundeigentums
I. Allgemeines
II. Gesetzliche Eigentumsbeschränkungen
1. Arten
2. Bestand, Abänderung und Aufhebung (Art. 680 ZGB)
3. Gesetzliche Verfügungsbeschränkungen
A. Übersicht
B. Die gesetzlichen Vorkaufsrechte insbesondere (Art. 681 ff. ZGB)
4. Gesetzliche Nutzungsbeschränkungen
A. Das Nachbarrecht
a. Die Grundnormen
aa. Die materielle Grundlage: Art. 684 ZGB
bb. Die Rechtsbehelfe: Art. 679 und 679a ZGB
b. Weitere Normen des Nachbarrechts (Überblick)
B. Das Recht auf Zutritt und Abwehr
5. Die Notrechte
A. Übersicht
B. Der Notweg insbesondere (Art. 694 ZGB)
6. BewG und BGBB insbesondere
III. Gewillkürte Eigentumsbeschränkungen
1. Vorkaufsrecht
2. Kaufs- und Rückkaufsrecht
IV. Weiterführende Literatur
V. Fälle
§ 19 Das Stockwerkeigentum
I. Allgemeines
II. Der Inhalt des Stockwerkeigentums (Art. 712a ZGB)
III. Der Gegenstand des Sonderrechts (Art. 712b ZGB)
IV. Begründung und Untergang des Stockwerkeigentums
1. Die Begründung (Art. 712d ZGB)
2. Der Untergang (Art. 712f ZGB)
V. Die Verfügung über den Stockwerkeigentumsanteil(Art. 712c ZGB)
VI. Die gemeinsame Verwaltung und Benutzung
1. Die anwendbaren Bestimmungen (Art. 712g ZGB)
2. Die gemeinschaftlichen Kosten und Lasten (Art. 712h ff. ZGB)
3. Die Stockwerkeigentümergemeinschaft (Art. 712l ZGB)
VII. Die Organisation
1. Die Versammlung der Stockwerkeigentümer(Art. 712m ff. ZGB)
2. Der Verwalter (Art. 712q ff. ZGB)
VIII. Weiterführende Literatur
IX. Fälle
3. Abschnitt: Das Fahrniseigentum(Art. 713–729 ZGB)
§ 20 Der Gegenstand des Fahrniseigentums
I. Die beweglichen körperlichen Sachen
II. Die Naturkräfte
III. Sonderfälle
IV. Weiterführende Literatur
§ 21 Erwerb und Verlust des Fahrniseigentums
I. Der Erwerb des Fahrniseigentums
1. Der derivative Eigentumserwerb
A. Der Erwerb des Fahrniseigentums durch Besitzübertragung(oder deren Surrogate) im Allgemeinen
B. Der Erwerb unter Eigentumsvorbehalt im Besonderen
a. Die wirtschaftliche Idee und die rechtlichen Grundlagendes Eigentumsvorbehalts
b. Die Voraussetzungen für die Entstehung eines Eigentumsvorbehalts
aa. Die Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts zwischen den Parteien
bb. Die Eintragung in das Register
c. Die Wirkungen des Eigentumsvorbehalts
d. Der Untergang des Eigentumsvorbehalts
C. Der Erwerb des Fahrniseigentums ohne Besitzesübergang
2. Der originäre Erwerb
A. Aneignung (Okkupation)
B. Fund
C. Zuführung
D. Verarbeitung
E. Verbindung und Vermischung
F. Ersitzung
G. Sonderfälle
a. Der Erwerb des Fahrniseigentums von einem Nichtberechtigten
b. Weitere Fälle
II. Der Verlust des Fahrniseigentums
III. Internationale Vereinheitlichungstendenzen
IV. Weiterführende Literatur
V. Fälle
§ 22 Inhalt und Beschränkungen des Fahrniseigentums
I. Der Inhalt
II. Die Beschränkungen
1. Die gesetzlichen Schranken
2. Die rechtsgeschäftlichen Schranken
4. Kapitel: Die beschränkten dinglichen Rechte
§ 23 Die beschränkten dinglichen Rechte im Allgemeinen
I. Begriff und Arten
1. Der Begriff
2. Die Arten
II. Die Rangordnung der beschränkten dinglichen Rechte
1. Das Problem
2. Die grundsätzliche Lösung: Das Prinzip der Alterspriorität
3. Ausnahmen
III. Beschränkte dingliche Rechte an eigener Sache
1. Teilweise Konsolidation
2. Vollständige Konsolidation
A. Bei Fahrnis
B. Bei Grundstücken
a. Die Eigentümerdienstbarkeit
b. Das Eigentümergrundpfandrecht
IV. Weiterführende Literatur
V. Fälle
1. Abschnitt: Die Dienstbarkeiten und Grundlasten
§ 24 Die Dienstbarkeiten im Allgemeinen
I. Verschiedene rechtliche Gestaltungen von Nutzungenan einer Sache
II. Inhalt, Gegenstand und Arten der Dienstbarkeiten
1. Inhalt und Gegenstand
2. Arten
3. Das Fehlen eines «allgemeinen Teils» des Dienstbarkeitsrechts
III. Die Legalservituten
IV. Der rechtliche Schutz des Dienstbarkeitsberechtigten
1. Besitzesschutz
A. Selbsthilfe
B. Besitzesschutzklagen
2. Rechtsschutz
3. Fälle
V. Literatur zur Revision vom 11. Dezember 2009
§ 25 Die Grunddienstbarkeiten
I. Die Errichtung
1. Die Errichtung durch Eintragung in das Grundbuch
2. Die Entstehung ohne Eintragung in das Grundbuch
II. Der Inhalt
1. Art. 730 Abs. 1 ZGB als Grundnorm
2. Der zulässige Inhalt
A. Der Grundsatz: freie Gestaltung
B. Die Schranken
C. Beispiele von Grunddienstbarkeiten
3. Die Feststellung des Inhalts
A. Bei einem Streit zwischen den Vertragsparteien oder einerVertragspartei und einem bösgläubigen Dritten
B. Bei einem Streit unter Beteiligung eines gutgläubigen Dritten
C. Die Bedeutung der natürlichen Publizität
4. Das Verbot der Mehrbelastung
III. Die Ausübung der Grunddienstbarkeiten
IV. Änderung und Untergang der Grunddienstbarkeiten
1. Die Änderung der Grunddienstbarkeiten
2. Der Untergang der Grunddienstbarkeiten
A. Die Untergangsgründe nach Art. 734–736 ZGB
a. Die Löschung des Grundbucheintrags
b. Der Untergang eines Grundstücks
c. Die Vereinigung
d. Die Ablösung durch das Gericht
B. Weitere Untergangsgründe
V. Weiterführende Literatur
VI. Fälle
§ 26 Die Personaldienstbarkeiten
I. Allgemeines
1. Inhalt und Gegenstand
2. Arten
3. Zu den selbständigen und dauernden Rechten
4. Richterliche Massnahmen
II. Die Nutzniessung
1. Begriff und Kennzeichen
2. Entstehung und Untergang
3. Einzelfragen
III. Das Wohnrecht
1. Begriff und Kennzeichen
2. Entstehung und Untergang
3. Einzelfragen
IV. Das Baurecht
1. Begriff und Arten
A. Der Begriff
B. Die Arten
2. Das Objekt der Belastung
3. Der Inhalt des Baurechts
4. Entstehung, Übertragung und Untergang
A. Die Entstehung
B. Die Übertragung
C. Der Untergang
5. Der Baurechtszins
6. Einzelfragen
V. Das Pflanzungsrecht (Pflanzensuperficies)
1. Der Begriff
2. Entstehung, Übertragung und Untergang
VI. Das Quellenrecht
1. Begriff und Arten
2. Entstehung, Übertragung und Untergang
VII. Die «anderen» Dienstbarkeiten nach Art. 781 ZGB
1. Der Begriff
2. Entstehung, Übertragung und Untergang
VIII. Weiterführende Literatur
IX. Fälle
§ 27 Die Grundlasten
I. Begriff und Inhalt
II. Entstehung und Untergang
III. Einzelfragen
IV. Weiterführende Literatur
V. Fälle
2. Abschnitt: Die Pfandrechte
§ 28 Einleitung und Übersicht
1. Unterabschnitt: Die Grundpfandrechte
§ 29 Allgemeines
I. Grundlagen: Begriff, Rechtsquellen und Aufgaben desGrundpfandrechts
1. Der Begriff des Grundpfandrechts
2. Die Rechtsquellen des Grundpfandrechts
3. Die Aufgaben des Grundpfandrechts
4. Die Gliederung des ZGB und die Darstellung des Stoffs
II. Der Numerus clausus der Grundpfandrechte:Grundpfandverschreibung und Schuldbrief (Übersicht)
III. Rechtsgeschäftliche und gesetzliche Grundpfandrechte
IV. Allgemeine Bestimmungen (Art. 793–823 ZGB)
1. Anforderungen an die gesicherte Forderung und an dasbelastete Grundstück
A. Die gesicherte Forderung
B. Das belastete Grundstück
2. Entstehung und Untergang von Grundpfandrechten
A. Die Entstehung
a. Die Entstehung durch Eintragung in das Grundbuch
b. Die Entstehung ohne Eintragung in das Grundbuch
B. Der Untergang
3. Die Wirkung des Grundpfandrechts
A. Die Hauptwirkungen: Pfandhaftung und Verwertungsrecht
a. Das Verwertungsrecht im Allgemeinen
b. Der Umfang der Pfandhaft
c. Der Umfang der Sicherheit
d. Das Pfandstellensystem
B. Nebenwirkungen
4. Einzelfragen
V. Weiterführende Literatur
VI. Fälle
§ 30 Die Grundpfandverschreibung
I. Die vertragliche Grundpfandverschreibung
1. Kennzeichen
A. Die zu sichernde Forderung im Allgemeinen
B. Die Sicherung einer fremden Schuld insbesondere(Drittpfandverhältnisse)
2. Entstehung und Untergang
3. Der Wechsel eines Beteiligten
A. Die Abtretung der pfandgesicherten Forderung
B. Die Veräusserung des pfandbelasteten Grundstücks
a. Die gesetzliche Grundregel (Art. 832 Abs. 1 ZGB)
b. Die vertragliche Schuldübernahme
C. Die Zwangsverwertung des pfandbelasteten Grundstücks
4. Einzelfragen
A. Die Auswechslung der pfandgesicherten Forderung(«Pfanderneuerung»)
B. Zur «Obligation mit Grundpfandverschreibung»
5. Weiterführende Literatur
6. Fälle
II. Die gesetzliche Grundpfandverschreibung
1. Die unmittelbaren gesetzlichen Grundpfandrechte
A. Nach Bundesrecht
B. Nach kantonalem Recht
2. Die mittelbaren gesetzlichen Grundpfandrechte
A. Die wichtigsten Fälle (im Bundesrecht)
B. Die Rechtslage
a. Das Recht auf Eintragung als Forderung
b. Die Verknüpfung mit dem Grundstück («Realobligation»)
c. Die Entstehung des Pfandrechts
d. Einzelfragen
3. Weiterführende Literatur
4. Fälle
III. Das Bauhandwerkerpfandrecht insbesondere
1. Allgemeines
2. Die Voraussetzungen für die Errichtung desBauhandwerkerpfandrechts
A. Die Forderung eines Bauhandwerkers
a. Im Allgemeinen
b. Die Rechtsstellung des Subunternehmers im Besonderen
c. Die Abtretung der Forderung im Besonderen
B. Das Grundstück
a. Im Allgemeinen
b. Sonderfälle
aa. Die Veräusserung des Grundstücks
bb. Das Pfandobjekt bei Miteigentum und Stockwerkeigentum
cc. Das Pfandobjekt bei Gesamtüberbauungen
C. Das Fehlen anderer hinreichender Sicherheit
3. Die Errichtung des Bauhandwerkerpfandrechts
A. Die Entstehung durch Eintragung in das Grundbuch
B. Die Frist
a. Rechtsnatur und Zweck der Frist von Art. 839 Abs. 2 ZGB
b. Der Fristbeginn
c. Die Wahrung der Frist
C. Das Verfahren zur Eintragung
a. Die Anerkennung der Pfandsumme durch den Grundeigentümer
b. Die gerichtliche Feststellung der Pfandsumme
4. Die Wirkungen des Bauhandwerkerpfandrechts
5. Das Vorrecht nach Art. 841 ZGB
A. Die Voraussetzungen
B. Die Wirkungen
6. Weiterführende Literatur
7. Fälle
§ 31 Der Schuldbrief
I. Kennzeichen
1. Begründung und Sicherung einer persönlichen Forderung
2. Wertpapier oder Registerpfandrecht (Übersicht)
A. Der Papier-Schuldbrief
B. Der Register-Schuldbrief
3. Besonderer Vertrauensschutz (Übersicht)
4. Verwendungsmöglichkeiten des Schuldbriefs (Übersicht)
II. Entstehung, Änderung, Übertragung und Untergang
1. Der Papier-Schuldbrief
A. Die Entstehung
B. Die Änderung
C. Die Übertragung
D. Der Untergang
2. Der Register-Schuldbrief
A. Die Entstehung
B. Die Änderung
C. Die Übertragung
D. Der Untergang
III. Das Verhältnis von Schuldbriefforderung undForderung aus dem Grundverhältnis
1. Vorbemerkungen zur früheren und heutigen Rechtslage
2. Die Sicherungsübereignung
3. Die Einreden des Schuldners
4. Andere Sicherstellungsarten beim Schuldbrief
A. Die Abrede der Novation
B. Die «Fahrnisverpfändung» des Schuldbriefs
IV. Einzelfragen
1. Die Kündigung der Schuldbriefforderung
2. Die Vollmachterteilung nach Art. 850 ZGB
3. Die Aufrufung einer unbekannten Gläubigerin
V. Weiterführende Literatur
VI. Fälle
§ 32 Die Gült (aufgehoben)
I. Die Gemeinsamkeiten der Gült mit dem Schuldbrief
II. Die eigenständigen Regeln der Gült
III. Weiterführende Literatur (zur Rechtslage vor dem1. Januar 2012)
2. Unterabschnitt: Die Fahrnispfandrechte
§ 33 Allgemeines
I. Begriff und Arten
1. Der Begriff
2. Die Arten von Fahrnispfandrechten
II. Allgemeine Grundsätze des Fahrnispfandrechts
III. Die Darstellung des Stoffes
IV. Weiterführende Literatur
§ 34 Das Faustpfandrecht
I. Die Entstehung
1. Der Erwerbsgrund
2. Der Erwerbsakt
3. Zwei Sonderfälle
II. Übertragung und Untergang
1. Die Übertragung
2. Der Untergang
III. Die Wirkung
IV. Einzelfragen
V. Weiterführende Literatur
VI. Fälle
§ 35 Das Retentionsrecht
I. Begriff und gesetzliche Grundlagen
II. Entstehung und Untergang
1. Die Entstehung
2. Der Untergang
III. Die Wirkungen
IV. Einzelfragen
V. Weiterführende Literatur
VI. Fälle
§ 36 Besondere Fahrnispfandrechte
I. Die Fahrnisverschreibung
II. Das Pfandrecht an Forderungen und anderen Rechten
1. Im Allgemeinen
A. Die Errichtung
B. Die Wirkungen
2. Das Pfandrecht an Bucheffekten im Besonderen
3. Weiterführende Literatur
III. Das Versatzpfand
IV. Die Pfandbriefe
§ 37 Pfandrechtsähnliche Sicherungsgeschäfte
I. Der Eigentumsvorbehalt
II. Der Leasingvertrag (Finanzierungsleasing)
1. Der Begriff
2. Leasing als Umgehung des Numerus claususder beschränkten dinglichen Rechte?
III. Das irreguläre Pfandrecht
IV. Die Sicherungsübereignung
V. Die Sicherungszession
VI. Die Sicherungshinterlegung
VII. Fälle
Gesetzesregister
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Schmid / Hürlimann-Kaup

Sachenrecht 5. Auflage

Sachenrecht von

Jörg Schmid Dr. iur., ordentlicher Professor an der Universität Luzern und

Bettina Hürlimann-Kaup Dr. iur., ordentliche Professorin an der Universität Freiburg (Schweiz)

5., ergänzte, verbesserte und nachgeführte Auflage

Stand: 15. April 2017, BGE 142 III 808 Zitiervorschlag: SCHMID/HÜRLIMANN-K AUP, Sachenrecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, vorbehalten. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme. © Schulthess Juristische Medien AG, Zürich · Basel · Genf 2017 ISBN 978-3-7255-7621-0 www.schulthess.com

Für Ursula Schmid-Richmond und Peter Hürlimann

Vorwort Die ersten vier Auflagen des Lehrbuchs «Sachenrecht» sind in den Jahren 1997, 2003, 2009 und 2012 erschienen und von den Studierenden sehr gut aufgenommen worden; auch bei Praktikerinnen und Praktikern stösst das Buch auf ein erfreulich grosses Interesse. Nun liegt die fünfte, nachgeführte und verbesserte Auflage vor. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre sind auf dem neuesten Stand (15. April 2017). Zu den ZGB-Änderungen vom 11. Dezember 2009 (Register-Schuldbrief und weitere Änderungen im Sachenrecht), in Kraft seit 1. Januar 2012, liegen mittlerweile zahlreiche Gerichtsentscheidungen und Lehrmeinungen vor, die hier berücksichtigt sind. Nach wie vor war es unser Ziel, die grundlegenden sachenrechtlichen Bestimmungen und die wesentlichen Zusammenhänge zu erläutern. Auf Rechtsfragen, die in der Praxis von grosser Bedeutung sind (namentlich Stockwerkeigentum, Dienstbarkeiten, Bauhandwerkerpfandrecht und Schuldbrief), wird ausführlicher eingegangen. Wie in den Vorauflagen empfehlen wir den Studierenden, die das Sachenrecht mit diesem Lehrbuch erarbeiten, immer den Gesetzestext als Ausgangspunkt zu nehmen. Massgebend ist nämlich in erster Linie das Gesetz (Art. 1 Abs. 1 ZGB) in den Amtssprachen des Bundes; es dient überdies als Raster, der die Einordnung eines Rechtsproblems erlaubt, und als Fundament, in welchem sich weiter gehende Kenntnisse verankern lassen. Rechtsprechung und Lehre, die hier eingearbeitet sind, können manche Frage klären und die abstrakten Regeln mit Leben füllen; sie mögen überdies für die Praktikerinnen und Praktiker hilfreich sein. Stets ist jedoch eine Besinnung auf das Gesetz und die wesentlichen Grundsätze geboten. Dank schulden wir wiederum allen, die beim Entstehen dieses Buches mitgeholfen haben. Für die fünfte Auflage sind vor allem unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu nennen, in Luzern Rechtsanwältin Céline Bussmann, MLaw, Annabelle Peschke, MLaw, Rechtsanwalt Marco Walker, MLaw, Sara Hofer-Gassmann sowie lic. phil. Ursula Schmid-Richmond, in Freiburg Notarin Nathalie Hagi, MLaw, Binderiya Gan-Ayush, MLaw, Vanessa Frese, BLaw, Julia von Hoffmann sowie Margrit Folly-Raemy. Unser Dank geht auch an jene Leserinnen und Leser der vierten Auflage, die uns kritische Anregungen zugesandt haben; es versteht sich von selbst, dass wir weitere Rückmeldungen gerne entgegennehmen. Die Zusammenarbeit mit der Schulthess Juristischen Medien AG (Zürich) verlief ein weiteres Mal sehr angenehm. Luzern und Freiburg, im April 2017

Jörg Schmid Bettina Hürlimann-Kaup

Inhaltsübersicht Vorwort

V

Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis

VII IX

Abkürzungen

XXVII

Literaturverzeichnis

XXXV

Einleitung zum Sachenrecht §1

Grundlagen und Übersicht

Nr. 1

1. Kapitel: Der Besitz §2

Vorbemerkungen

81

§3

Begriff und Arten des Besitzes

94

§4

Erwerb und Verlust des Besitzes

122

§5

Der Besitzesschutz

209

§6

Der Besitzesrechtsschutz

254

§7

Die Verantwortlichkeit des nicht berechtigten Besitzers

335

2. Kapitel: Das Grundbuch §8

Vorbemerkungen

363

§9

Technische Voraussetzungen der Grundbuchführung

394

§ 10

Das formelle Grundbuchrecht

425

§ 11

Das materielle Grundbuchrecht

567

3. Kapitel: Das Eigentum 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen (Art. 641–654a ZGB) § 12

Der Inhalt des Eigentums

652

§ 13

Der Umfang des Eigentums

692

§ 14

Gemeinschaftliches Eigentum

713

2. Abschnitt: Das Grundeigentum (Art. 655–712t ZGB) § 15

Der Gegenstand des Grundeigentums

807

§ 16

Erwerb und Verlust des Grundeigentums

829

§ 17

Der Umfang des Grundeigentums

873

VIII

Inhaltsübersicht

§ 18

Die Beschränkungen des Grundeigentums

§ 19

Das Stockwerkeigentum

912 1009

3. Abschnitt: Das Fahrniseigentum (Art. 713–729 ZGB) § 20

Der Gegenstand des Fahrniseigentums

1073

§ 21

Erwerb und Verlust des Fahrniseigentums

1086

§ 22

Inhalt und Beschränkungen des Fahrniseigentums

1142

4. Kapitel: Die beschränkten dinglichen Rechte § 23

Die beschränkten dinglichen Rechte im Allgemeinen

1151

1. Abschnitt: Die Dienstbarkeiten und Grundlasten § 24

Die Dienstbarkeiten im Allgemeinen

1200

§ 25

Die Grunddienstbarkeiten

1238

§ 26

Die Personaldienstbarkeiten

1318

§ 27

Die Grundlasten

1440

2. Abschnitt: Die Pfandrechte § 28

Einleitung und Übersicht

1462

1. Unterabschnitt: Die Grundpfandrechte § 29

Allgemeines

1473

§ 30

Die Grundpfandverschreibung

1594

§ 31

Der Schuldbrief

1801

§ 32

Die Gült (aufgehoben)

1853

2. Unterabschnitt: Die Fahrnispfandrechte § 33

Allgemeines

1863

§ 34

Das Faustpfandrecht

1883

§ 35

Das Retentionsrecht

1918

§ 36

Besondere Fahrnispfandrechte

1940

§ 37

Pfandrechtsähnliche Sicherungsgeschäfte

1983

Gesetzesregister

Seite 645

Sachregister

Seite 657

Inhaltsverzeichnis Vorwort Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis Abkürzungen Literaturverzeichnis

Einleitung zum Sachenrecht

V VII IX XXVII XXXV

Nr.

§1

Grundlagen und Übersicht

1

I.

Die Sache

3

II.

Die dinglichen Rechte im Allgemeinen 1. 2. 3. 4.

Relative und absolute Rechte Dingliche Rechte als absolute Rechte Die sogenannte «Realobligation» Die Arten der dinglichen Rechte A. Eigentum und beschränkte dingliche Rechte B. Nutzungs- und Verwertungsrechte 5. Schematische Übersicht

III.

Die Rechtsquellen

15 15 18 21 30 31 35 43

1. Bundesrecht 2. Kantonales Recht 3. Exkurs: Rechtsprechung und Lehre

44 45 49 55

IV.

Der gesetzliche Aufbau des Sachenrechts im ZGB

57

V.

Prinzipien des schweizerischen Sachenrechts

61

1. Das Publizitätsprinzip (Grundsatz der Offenkundigkeit, Offenlegungsprinzip) 2. Das Spezialitätsprinzip (Individualitätsprinzip) 3. Das Prinzip der Typengebundenheit (Numerus clausus) 4. Das Kausalitätsprinzip 5. Das Prinzip der Alterspriorität 6. Das Akzessionsprinzip

63 70 71 74 77 79

VI.

Gerichtsstände des Sachenrechts

80a

X

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel: Der Besitz §2

Vorbemerkungen

81

I.

Die Bedeutung von Besitz und Grundbuch im Allgemeinen

81

II.

Die gesetzliche Ordnung des Besitzes

86

§3

Begriff und Arten des Besitzes

94

I.

Der Begriff 1. Grundfall und Ausnahmefälle 2. Abgrenzungen

II.

Die Arten des Besitzes 1. 2. 3. 4.

Einfacher und mehrfacher Besitz Unmittelbarer und mittelbarer Besitz Alleinbesitz und Mitbesitz im weiteren Sinn Sachbesitz und Rechtsbesitz

95 96 104 107 107 112 115 118

§4

Erwerb und Verlust des Besitzes

122

I.

Übersicht

123

II.

Der Erwerb des Besitzes

127 127 133 140 143 150 151

1. Übersicht: originärer und derivativer Besitzeserwerb 2. Der originäre Erwerb im Einzelnen 3. Der derivative Erwerb im Einzelnen A. Besitzeserwerb durch Übergabe der Sache (Art. 922 f. ZGB) B. Besitzeserwerb ohne Übergabe der Sache (Art. 924 ZGB) a. Die Übertragung der offenen Besitzlage («longa manu traditio») b. Die Besitzübertragung kurzer Hand («brevi manu traditio», Besitzwandlung) c. Die Besitzanweisung d. Das Besitzeskonstitut («constitutum possessorium») C. Sonderregel für Warenpapiere (Art. 925 ZGB) D. Schema

III.

Der Verlust des Besitzes

158 163 178 191 198

1. Der vorübergehende Verlust 2. Der dauernde Verlust

199 201 203

IV.

Weiterführende Literatur

207

V.

Fälle

208

§5

Der Besitzesschutz

209

I.

Die gesetzliche Regelung im Überblick

210

II.

Der Tatbestand im Einzelnen

216

III.

Die Rechtsfolgen

222

Inhaltsverzeichnis

XI

1. Das Abwehrrecht (Art. 926 ZGB) 2. Die Klagen des Besitzers nach Art. 927–929 ZGB A. Die Klage aus Besitzesentziehung (Art. 927 ZGB) B. Die Klage aus Besitzesstörung (Art. 928 ZGB) C. Zeitliche Grenzen der Besitzesschutzklagen D. Schema E. Prozessuale Besonderheiten

224 232 233 239 246 249 250

IV.

Weiterführende Literatur

252

V.

Fälle

253

§6

Der Besitzesrechtsschutz

254

I.

Die gesetzliche Regelung im Überblick

255

II.

Die Vermutungen 1. Die Vermutung aus selbständigem Besitz 2. Die Vermutung aus unselbständigem Besitz

258 264 269

III.

Die Defensivwirkung des Besitzes

272

IV.

Der Erwerb des Besitzes von einem Nichtberechtigten

276 277 282 282 287 296 297 303 312 318

1. Das Problem 2. Die gesetzliche Lösung im Allgemeinen A. Die einschlägigen Normen B. Die für das Rückforderungsrecht massgebenden Kriterien 3. Die Rechtsstellung des gutgläubigen Erwerbers im Einzelnen A. Anvertraute Sachen (Art. 933 ZGB) B. Abhanden gekommene Sachen (Art. 934 f. ZGB) 4. Die Rechtsstellung des bösgläubigen Erwerbers im Einzelnen 5. Schema

V.

VI.

Besitzesrechtsklage und Klage aus dem Recht 1. Die Voraussetzungen der beiden Klagen (Zusammenfassung) 2. Das gegenseitige Verhältnis

319 319 325

Weiterführende Literatur

333

VII. Fälle

334

§7

Die Verantwortlichkeit des nicht berechtigten Besitzers

335

I.

Der Tatbestand

337

II.

Die Rechtsfolgen 1. Der gutgläubige Besitzer (Art. 938–939 ZGB) 2. Der bösgläubige Besitzer (Art. 940 ZGB)

346 350 354

III.

Weiterführende Literatur

361

IV.

Fälle

362

XII

Inhaltsverzeichnis

2. Kapitel: Das Grundbuch §8

Vorbemerkungen

363

I.

Die Bedeutung des Grundbuchs im Allgemeinen

364

II.

Die gesetzliche Ordnung des Grundbuchs

369 370 370 374 378

1. Bundesrecht A. Gesetzesrecht B. Verordnungsrecht 2. Kantonales Recht

III.

Die Form des Grundbuchs 1. Das Papiergrundbuch 2. Das informatisierte Grundbuch (EDV-Grundbuch)

379 380 382

IV.

Die Darstellung des Stoffs (Übersicht)

393

§9

Technische Voraussetzungen der Grundbuchführung

394

I.

Die amtliche Vermessung

395

II.

Die Anlegung des Grundbuchs (übergangsrechtliche Fragen)

402

III.

Die Aufnahme der Grundstücke

416

IV.

Fälle

424

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

425

I.

427 428 430 432 437 448 449 454 459

Die Organisation 1. 2. 3. 4. 5.

II.

Die räumliche Gliederung Die Behördenorganisation Die Gebühren und andere Abgaben Die Bestandteile des Grundbuchs Die Öffentlichkeit des Grundbuchs A. Das Auskunfts- und Einsichtsrecht B. Die Veröffentlichungen der Handänderungen C. Die Fiktion der Kenntnis des Eintrags

Die möglichen Eintragungen 1. Der Numerus clausus eintragbarer Rechte; Übersicht 2. Die Eintragungen im engeren Sinn 3. Die Vormerkungen A. Die persönlichen Rechte mit verstärkter Wirkung B. Die Verfügungsbeschränkungen C. Die vorläufigen Eintragungen 4. Die Anmerkungen 5. Die Bemerkungen 6. Die Löschungen und Abänderungen A. Im Allgemeinen B. Die Bereinigung insbesondere 7. Schema

462 462 465 468 475 480 487 493 496 497 497 497a 498

Inhaltsverzeichnis

III.

Das Verfahren 1. Die Anmeldung 2. Der (doppelte) Ausweis A. Der Ausweis über das Verfügungsrecht B. Der Ausweis über den Rechtsgrund 3. Kognition, Entscheid und Rechtsweg A. Die Kognition der Grundbuchbehörden B. Der Entscheid C. Der Rechtsweg 4. Schema zum Eintragungsverfahren

IV.

Die Haftung der Kantone aus Grundbuchführung

XIII 499 503 517 521 529 533 533 540 544 551

1. Die Kausalhaftung der Kantone 2. Der Rückgriff

552 552 563

V.

Weiterführende Literatur

565

VI.

Fälle

566

§ 11 Das materielle Grundbuchrecht

567

I.

569 572 576

Die negative Rechtskraft des Grundbuchs 1. Das absolute Eintragungsprinzip 2. Das relative Eintragungsprinzip

II.

Die positive Rechtskraft des Grundbuchs 1. 2. 3. 4.

III.

Die Voraussetzungen Die Wirkungen Weiterführende Literatur Beispiele

Weitere Wirkungen des Grundbuchs 1. Die negative Publizitätswirkung 2. Die Wirkungen gemäss Art. 937 Abs. 1 ZGB A. Die Richtigkeitsvermutung B. Die Legitimationswirkung

IV.

Wichtige grundbuchrechtliche Rechtsbehelfe 1. Die Grundbuchbeschwerde (Art. 956a f. ZGB und Art. 87 Abs. 4 GBV) 2. Die Grundbuchberichtigungsklage (Art. 975 ZGB) 3. Die erleichterte Löschung eines Eintrags nach Art. 976–976c ZGB A. Übersicht B. Die Löschung zweifelsfrei bedeutungsloser Einträge C. Die Löschung höchstwahrscheinlich bedeutungsloser Einträge 4. Die Berichtigung eines unrichtigen Eintrags nach Art. 977 ZGB und Art. 140−143 GBV 5. Weitere Behelfe (Hinweis)

579 583 591 595 596 597 597 598 599 607 610 611 614 626 626 627 631 637 643

V.

Weiterführende Literatur

644

VI.

Fälle

645

XIV

Inhaltsverzeichnis

3. Kapitel: Das Eigentum 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen (Art. 641–654a ZGB) § 12 Der Inhalt des Eigentums

652

I.

Allgemeines

653

II.

Die einzelnen Rechte des Eigentümers nach Art. 641 ZGB

657 657 659 660

1. Das Verfügungsrecht nach Art. 641 Abs. 1 ZGB 2. Die Klagerechte nach Art. 641 Abs. 2 ZGB A. Die Herausgabeklage (Vindikation, Eigentumsklage, «rei vindicatio») B. Die Eigentumsfreiheitsklage (Abwehrklage, Negatorienklage, «actio negatoria») C. Exkurs: weitere mögliche Behelfe des Eigentümers

III.

Die Schranken des Eigentumsrechts (Übersicht)

670 685

1. Gesetzliche Schranken 2. Gewillkürte Schranken

686 686 689

IV.

Weiterführende Literatur

690

V.

Fälle

691

§ 13 Der Umfang des Eigentums

692

I.

696 696 701 703

Der Bestandteil 1. Begriff 2. Rechtsfolgen der Bestandteilseigenschaft 3. Die natürlichen Früchte insbesondere

II.

Die Zugehör 1. Begriff 2. Rechtsfolgen der Zugehöreigenschaft

705 705 707

III.

Weiterführende Literatur

712

IV.

Fälle

712a

§ 14 Gemeinschaftliches Eigentum

713

I.

Allgemeines

714

II.

Das Miteigentum

723 723 727 731 736 738 741 742 744 745

1. Grundtatbestand und Erscheinungsformen 2. Die Entstehung des (gewöhnlichen) Miteigentums 3. Die Stellung des Miteigentümers bezüglich seines Anteils A. Das Verfügungsrecht B. Die Klagebehelfe 4. Die Stellung des Miteigentümers bezüglich der gemeinsamen Sache A. Die Vertretung der Sache B. Die Nutzung und Verwaltung a. Zwingende Normen (Art. 647 Abs. 2 ZGB)

Inhaltsverzeichnis

XV

b. Abgemachte Ordnung (Parteiwille, Art. 647 Abs. 1 ZGB) c. Dispositives Recht (Art. 647a–647e ZGB) C. Die rechtliche Verfügung und Zweckänderung D. Die Tragung der Kosten und Lasten 5. Das gesetzliche Vorkaufsrecht bei Grundstücken im Miteigentum (Art. 682 Abs. 1 ZGB) 6. Der Ausschluss aus der Gemeinschaft 7. Der Untergang des Miteigentums A. Im Allgemeinen B. Die Aufhebung auf Verlangen eines Miteigentümers insbesondere a. Der Aufhebungsanspruch nach Art. 650 ZGB b. Die Art der Teilung (Art. 651 ZGB)

746 750 758 762

Das Gesamteigentum 1. Die Voraussetzungen des Gesamteigentums 2. Die Wirkungen des Gesamteigentums 3. Die Aufhebung des Gesamteigentums

791 791 795 800

IV.

Schema

803

V.

Weiterführende Literatur

804

VI.

Fälle

805

III.

767 773 780 780 783 783 788

2. Abschnitt: Das Grundeigentum (Art. 655–712t ZGB) § 15 Der Gegenstand des Grundeigentums

807

I.

Die Grundstücke

808

II.

Zu den «herrenlosen und öffentlichen Sachen» (Art. 664 ZGB)

815 816 822 827 828

1. 2. 3. 4.

Der Anwendungsbereich von Art. 664 ZGB Die rechtliche Regelung Weiterführende Literatur Fälle

§ 16 Erwerb und Verlust des Grundeigentums

829

I.

831 831 834 838 839

Der Erwerb des Grundeigentums 1. Übersicht 2. Das Eintragungsprinzip (Art. 656 ZGB) 3. Die Erwerbsarten (Art. 657–663 ZGB) A. Der derivative Eigentumserwerb a. Derivativer Eigentumserwerb durch Eintragung des Erwerbers in das Grundbuch b. Derivativer Eigentumserwerb ohne Eintragung in das Grundbuch B. Der originäre Eigentumserwerb C. Die Ersitzung insbesondere a. Übersicht b. Die ordentliche Ersitzung (Tabularersitzung; Art. 661 ZGB) c. Die ausserordentliche Ersitzung (Extratabularersitzung; Art. 662 ZGB)

840 850 851 852 852 858 860

XVI

Inhaltsverzeichnis

II.

Der Verlust des Grundeigentums (Art. 666 ZGB)

III.

Richterliche Massnahmen

870a

IV.

Weiterführende Literatur

871

V.

Fälle

872

865

§ 17 Der Umfang des Grundeigentums

873

I.

Allgemeines

874

II.

Die horizontale Ausdehnung (Art. 668 ff. ZGB)

877 877 881 884

1. Die Grenzen einer Liegenschaft 2. Die Abgrenzungspflicht 3. Die Grenzvorrichtungen

III.

Die vertikale Ausdehnung (Art. 667 ZGB) 1. Das geschützte Interesse 2. Das Akzessionsprinzip A. Bauten auf dem Grundstück a. Der Einbau (Art. 671–673 ZGB) b. Die überragenden Bauten (Art. 674 ZGB) c. Das Baurecht (Art. 675 ZGB) d. Die Leitungen (Art. 676 ZGB) e. Sonderfall: Die Fahrnisbauten (Art. 677 ZGB) B. Die Pflanzen (Art. 678 ZGB) C. Die Quellen (Art. 704 ZGB)

885 886 888 893 893 896 901 902 905 907 909

IV.

Weiterführende Literatur

910

V.

Fälle

911

§ 18 Die Beschränkungen des Grundeigentums

912

I.

Allgemeines

913

II.

Gesetzliche Eigentumsbeschränkungen

918 919 927 932 933 935 945 946 947 947 952 964 975 979 980 981 991

1. Arten 2. Bestand, Abänderung und Aufhebung (Art. 680 ZGB) 3. Gesetzliche Verfügungsbeschränkungen A. Übersicht B. Die gesetzlichen Vorkaufsrechte insbesondere (Art. 681 ff. ZGB) 4. Gesetzliche Nutzungsbeschränkungen A. Das Nachbarrecht a. Die Grundnormen aa. Die materielle Grundlage: Art. 684 ZGB bb. Die Rechtsbehelfe: Art. 679 und 679a ZGB b. Weitere Normen des Nachbarrechts (Überblick) B. Das Recht auf Zutritt und Abwehr 5. Die Notrechte A. Übersicht B. Der Notweg insbesondere (Art. 694 ZGB) 6. BewG und BGBB insbesondere

Inhaltsverzeichnis

III.

Gewillkürte Eigentumsbeschränkungen

XVII

1. Vorkaufsrecht 2. Kaufs- und Rückkaufsrecht

995 996 1003

IV.

Weiterführende Literatur

1007

V.

Fälle

1008

§ 19 Das Stockwerkeigentum

1009

I.

Allgemeines

1010

II.

Der Inhalt des Stockwerkeigentums (Art. 712a ZGB)

1013

III.

Der Gegenstand des Sonderrechts (Art. 712b ZGB)

1020

IV.

Begründung und Untergang des Stockwerkeigentums

1025 1025 1032

1. Die Begründung (Art. 712d ZGB) 2. Der Untergang (Art. 712f ZGB)

V.

Die Verfügung über den Stockwerkeigentumsanteil (Art. 712c ZGB) 1036

VI.

Die gemeinsame Verwaltung und Benutzung 1. Die anwendbaren Bestimmungen (Art. 712g ZGB) 2. Die gemeinschaftlichen Kosten und Lasten (Art. 712h ff. ZGB) 3. Die Stockwerkeigentümergemeinschaft (Art. 712l ZGB)

VII. Die Organisation 1. Die Versammlung der Stockwerkeigentümer (Art. 712m ff. ZGB) 2. Der Verwalter (Art. 712q ff. ZGB)

1040 1041 1046 1053 1058 1059 1063

VIII. Weiterführende Literatur

1069

IX.

1070

Fälle

3. Abschnitt: Das Fahrniseigentum (Art. 713–729 ZGB) § 20 Der Gegenstand des Fahrniseigentums

1073

I.

Die beweglichen körperlichen Sachen

1075

II.

Die Naturkräfte

1079

III.

Sonderfälle

1081

IV.

Weiterführende Literatur

1085

§ 21 Erwerb und Verlust des Fahrniseigentums

1086

I.

1088 1089

Der Erwerb des Fahrniseigentums 1. Der derivative Eigentumserwerb A. Der Erwerb des Fahrniseigentums durch Besitzübertragung (oder deren Surrogate) im Allgemeinen B. Der Erwerb unter Eigentumsvorbehalt im Besonderen

1090 1095

XVIII

Inhaltsverzeichnis

a. Die wirtschaftliche Idee und die rechtlichen Grundlagen des Eigentumsvorbehalts b. Die Voraussetzungen für die Entstehung eines Eigentumsvorbehalts aa. Die Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts zwischen den Parteien bb. Die Eintragung in das Register c. Die Wirkungen des Eigentumsvorbehalts d. Der Untergang des Eigentumsvorbehalts C. Der Erwerb des Fahrniseigentums ohne Besitzesübergang 2. Der originäre Erwerb A. Aneignung (Okkupation) B. Fund C. Zuführung D. Verarbeitung E. Verbindung und Vermischung F. Ersitzung G. Sonderfälle a. Der Erwerb des Fahrniseigentums von einem Nichtberechtigten b. Weitere Fälle

1095 1099 1100 1103 1112 1118 1119 1120 1120 1121 1125 1126 1127 1131 1135 1135 1136

II.

Der Verlust des Fahrniseigentums

1137

III.

Internationale Vereinheitlichungstendenzen

1138

IV.

Weiterführende Literatur

1140

V.

Fälle

1141

§ 22 Inhalt und Beschränkungen des Fahrniseigentums

1142

I.

Der Inhalt

1144

II.

Die Beschränkungen

1145 1145 1148

1. Die gesetzlichen Schranken 2. Die rechtsgeschäftlichen Schranken

4. Kapitel: Die beschränkten dinglichen Rechte § 23 Die beschränkten dinglichen Rechte im Allgemeinen

1151

I.

1152 1153 1160

Begriff und Arten 1. Der Begriff 2. Die Arten

II.

Die Rangordnung der beschränkten dinglichen Rechte 1. Das Problem 2. Die grundsätzliche Lösung: Das Prinzip der Alterspriorität 3. Ausnahmen

III.

Beschränkte dingliche Rechte an eigener Sache 1. Teilweise Konsolidation 2. Vollständige Konsolidation

1166 1166 1169 1181 1184 1186 1187

Inhaltsverzeichnis

A. Bei Fahrnis B. Bei Grundstücken a. Die Eigentümerdienstbarkeit b. Das Eigentümergrundpfandrecht

XIX 1188 1189 1190 1194

IV.

Weiterführende Literatur

1198

V.

Fälle

1199

1. Abschnitt: Die Dienstbarkeiten und Grundlasten § 24 Die Dienstbarkeiten im Allgemeinen

1200

I.

Verschiedene rechtliche Gestaltungen von Nutzungen an einer Sache 1201

II.

Inhalt, Gegenstand und Arten der Dienstbarkeiten 1. Inhalt und Gegenstand 2. Arten 3. Das Fehlen eines «allgemeinen Teils» des Dienstbarkeitsrechts

1206 1206 1211 1217

III.

Die Legalservituten

1220

IV.

Der rechtliche Schutz des Dienstbarkeitsberechtigten

1227 1228 1228 1230 1232 1237

1. Besitzesschutz A. Selbsthilfe B. Besitzesschutzklagen 2. Rechtsschutz 3. Fälle

V.

Literatur zur Revision vom 11. Dezember 2009

1237a

§ 25 Die Grunddienstbarkeiten

1238

I.

1240 1241 1249

Die Errichtung 1. Die Errichtung durch Eintragung in das Grundbuch 2. Die Entstehung ohne Eintragung in das Grundbuch

II.

Der Inhalt 1. Art. 730 Abs. 1 ZGB als Grundnorm 2. Der zulässige Inhalt A. Der Grundsatz: freie Gestaltung B. Die Schranken C. Beispiele von Grunddienstbarkeiten 3. Die Feststellung des Inhalts A. Bei einem Streit zwischen den Vertragsparteien oder einer Vertragspartei und einem bösgläubigen Dritten B. Bei einem Streit unter Beteiligung eines gutgläubigen Dritten C. Die Bedeutung der natürlichen Publizität 4. Das Verbot der Mehrbelastung

III.

Die Ausübung der Grunddienstbarkeiten

1254 1254 1259 1259 1260 1274 1275 1275a 1275d 1281a 1282 1285

XX IV.

Inhaltsverzeichnis

Änderung und Untergang der Grunddienstbarkeiten 1. Die Änderung der Grunddienstbarkeiten 2. Der Untergang der Grunddienstbarkeiten A. Die Untergangsgründe nach Art. 734–736 ZGB a. Die Löschung des Grundbucheintrags b. Der Untergang eines Grundstücks c. Die Vereinigung d. Die Ablösung durch das Gericht B. Weitere Untergangsgründe

1291 1291 1297 1298 1299 1303 1304 1308 1315

V.

Weiterführende Literatur

1316

VI.

Fälle

1317

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten I.

Allgemeines 1. 2. 3. 4.

II.

Inhalt und Gegenstand Arten Zu den selbständigen und dauernden Rechten Richterliche Massnahmen

Die Nutzniessung 1. Begriff und Kennzeichen 2. Entstehung und Untergang 3. Einzelfragen

III.

Das Wohnrecht 1. Begriff und Kennzeichen 2. Entstehung und Untergang 3. Einzelfragen

IV.

Das Baurecht 1. Begriff und Arten A. Der Begriff B. Die Arten 2. Das Objekt der Belastung 3. Der Inhalt des Baurechts 4. Entstehung, Übertragung und Untergang A. Die Entstehung B. Die Übertragung C. Der Untergang 5. Der Baurechtszins 6. Einzelfragen

V.

Das Pflanzungsrecht (Pflanzensuperficies) 1. Der Begriff 2. Entstehung, Übertragung und Untergang

VI.

Das Quellenrecht 1. Begriff und Arten 2. Entstehung, Übertragung und Untergang

1318 1319 1319 1323 1327 1334a 1335 1337 1344 1351 1354 1355 1360 1361 1365 1367 1367 1371 1376 1379a 1380 1380 1385 1389 1394 1403 1409a 1409c 1409d 1410 1411 1418

Inhaltsverzeichnis

XXI

VII. Die «anderen» Dienstbarkeiten nach Art. 781 ZGB

1426 1427 1434

1. Der Begriff 2. Entstehung, Übertragung und Untergang

VIII. Weiterführende Literatur

1438

IX.

1439

Fälle

§ 27 Die Grundlasten

1440

I.

Begriff und Inhalt

1441

II.

Entstehung und Untergang

1453

III.

Einzelfragen

1456

IV.

Weiterführende Literatur

1460

V.

Fälle

1461

2. Abschnitt: Die Pfandrechte § 28 Einleitung und Übersicht

1462

1. Unterabschnitt: Die Grundpfandrechte

1473

§ 29 Allgemeines

1473

I.

Grundlagen: Begriff, Rechtsquellen und Aufgaben des Grundpfandrechts 1. 2. 3. 4.

II.

Der Begriff des Grundpfandrechts Die Rechtsquellen des Grundpfandrechts Die Aufgaben des Grundpfandrechts Die Gliederung des ZGB und die Darstellung des Stoffs

1474 1474 1478 1480 1485

Der Numerus clausus der Grundpfandrechte: Grundpfandverschreibung und Schuldbrief (Übersicht)

1487

III.

Rechtsgeschäftliche und gesetzliche Grundpfandrechte

1495

IV.

Allgemeine Bestimmungen (Art. 793–823 ZGB)

1502

1. Anforderungen an die gesicherte Forderung und an das belastete Grundstück A. Die gesicherte Forderung B. Das belastete Grundstück 2. Entstehung und Untergang von Grundpfandrechten A. Die Entstehung a. Die Entstehung durch Eintragung in das Grundbuch b. Die Entstehung ohne Eintragung in das Grundbuch B. Der Untergang

1503 1504 1512 1526 1527 1528 1539 1540

XXII

Inhaltsverzeichnis

3. Die Wirkung des Grundpfandrechts A. Die Hauptwirkungen: Pfandhaftung und Verwertungsrecht a. Das Verwertungsrecht im Allgemeinen b. Der Umfang der Pfandhaft c. Der Umfang der Sicherheit d. Das Pfandstellensystem B. Nebenwirkungen 4. Einzelfragen

1548 1549 1551 1561 1566 1568 1580 1587

V.

Weiterführende Literatur

1592

VI.

Fälle

1593

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

1594

I.

1596 1596 1597

Die vertragliche Grundpfandverschreibung 1. Kennzeichen A. Die zu sichernde Forderung im Allgemeinen B. Die Sicherung einer fremden Schuld insbesondere (Drittpfandverhältnisse) 2. Entstehung und Untergang 3. Der Wechsel eines Beteiligten A. Die Abtretung der pfandgesicherten Forderung B. Die Veräusserung des pfandbelasteten Grundstücks a. Die gesetzliche Grundregel (Art. 832 Abs. 1 ZGB) b. Die vertragliche Schuldübernahme C. Die Zwangsverwertung des pfandbelasteten Grundstücks 4. Einzelfragen A. Die Auswechslung der pfandgesicherten Forderung («Pfanderneuerung») B. Zur «Obligation mit Grundpfandverschreibung» 5. Weiterführende Literatur 6. Fälle

II.

Die gesetzliche Grundpfandverschreibung 1. Die unmittelbaren gesetzlichen Grundpfandrechte A. Nach Bundesrecht B. Nach kantonalem Recht 2. Die mittelbaren gesetzlichen Grundpfandrechte A. Die wichtigsten Fälle (im Bundesrecht) B. Die Rechtslage a. Das Recht auf Eintragung als Forderung b. Die Verknüpfung mit dem Grundstück («Realobligation») c. Die Entstehung des Pfandrechts d. Einzelfragen 3. Weiterführende Literatur 4. Fälle

III.

Das Bauhandwerkerpfandrecht insbesondere

1606 1611 1613 1614 1618 1618 1619 1626 1637 1637 1641 1651 1652 1653 1654 1655 1656 1664 1665 1672 1673 1677 1680 1688 1690 1691

1692 1. Allgemeines 1694 2. Die Voraussetzungen für die Errichtung des Bauhandwerkerpfandrechts 1703

Inhaltsverzeichnis

3.

4. 5. 6. 7.

A. Die Forderung eines Bauhandwerkers a. Im Allgemeinen b. Die Rechtsstellung des Subunternehmers im Besonderen c. Die Abtretung der Forderung im Besonderen B. Das Grundstück a. Im Allgemeinen b. Sonderfälle aa. Die Veräusserung des Grundstücks bb. Das Pfandobjekt bei Miteigentum und Stockwerkeigentum cc. Das Pfandobjekt bei Gesamtüberbauungen C. Das Fehlen anderer hinreichender Sicherheit Die Errichtung des Bauhandwerkerpfandrechts A. Die Entstehung durch Eintragung in das Grundbuch B. Die Frist a. Rechtsnatur und Zweck der Frist von Art. 839 Abs. 2 ZGB b. Der Fristbeginn c. Die Wahrung der Frist C. Das Verfahren zur Eintragung a. Die Anerkennung der Pfandsumme durch den Grundeigentümer b. Die gerichtliche Feststellung der Pfandsumme Die Wirkungen des Bauhandwerkerpfandrechts Das Vorrecht nach Art. 841 ZGB A. Die Voraussetzungen B. Die Wirkungen Weiterführende Literatur Fälle

§ 31 Der Schuldbrief I.

Kennzeichen 1. Begründung und Sicherung einer persönlichen Forderung 2. Wertpapier oder Registerpfandrecht (Übersicht) A. Der Papier-Schuldbrief B. Der Register-Schuldbrief 3. Besonderer Vertrauensschutz (Übersicht) 4. Verwendungsmöglichkeiten des Schuldbriefs (Übersicht)

II.

Entstehung, Änderung, Übertragung und Untergang 1. Der Papier-Schuldbrief A. Die Entstehung B. Die Änderung C. Die Übertragung D. Der Untergang 2. Der Register-Schuldbrief A. Die Entstehung B. Die Änderung C. Die Übertragung D. Der Untergang

III.

XXIII

Das Verhältnis von Schuldbriefforderung und Forderung aus dem Grundverhältnis 1. Vorbemerkungen zur früheren und heutigen Rechtslage 2. Die Sicherungsübereignung

1704 1705 1713 1718 1720 1721 1726 1726 1733 1738 1741 1750 1751 1752 1753 1756 1762 1765 1766 1770 1778 1786 1787 1794 1799 1800 1801 1804 1805 1812a 1813 1816 1819 1820d 1821 1822 1822 1836 1837 1838 1839 1839 1840 1841 1842 1843 1843 1844

XXIV

Inhaltsverzeichnis

3. Die Einreden des Schuldners 4. Andere Sicherstellungsarten beim Schuldbrief A. Die Abrede der Novation B. Die «Fahrnisverpfändung» des Schuldbriefs

1845 1846 1846 1847

Einzelfragen 1. Die Kündigung der Schuldbriefforderung 2. Die Vollmachterteilung nach Art. 850 ZGB 3. Die Aufrufung einer unbekannten Gläubigerin

1848 1848 1849 1850

V.

Weiterführende Literatur

1851

VI.

Fälle

1852

IV.

§ 32 Die Gült (aufgehoben)

1853

I.

Die Gemeinsamkeiten der Gült mit dem Schuldbrief

1855

II.

Die eigenständigen Regeln der Gült

1856

III.

Weiterführende Literatur (zur Rechtslage vor dem 1. Januar 2012)

1862

2. Unterabschnitt: Die Fahrnispfandrechte

1863

§ 33 Allgemeines

1863

I.

1. Der Begriff 2. Die Arten von Fahrnispfandrechten

1864 1864 1868

II.

Allgemeine Grundsätze des Fahrnispfandrechts

1872

III.

Die Darstellung des Stoffes

1881

IV.

Weiterführende Literatur

1882

Begriff und Arten

§ 34 Das Faustpfandrecht

1883

I.

1885 1886 1889 1893

Die Entstehung 1. Der Erwerbsgrund 2. Der Erwerbsakt 3. Zwei Sonderfälle

II.

Übertragung und Untergang 1. Die Übertragung 2. Der Untergang

1896 1896 1897

III.

Die Wirkung

1903

IV.

Einzelfragen

1912

V.

Weiterführende Literatur

1916

VI.

Fälle

1917

Inhaltsverzeichnis

XXV

§ 35 Das Retentionsrecht

1918

I.

Begriff und gesetzliche Grundlagen

1919

II.

Entstehung und Untergang 1. Die Entstehung 2. Der Untergang

1921 1921 1930

III.

Die Wirkungen

1931

IV.

Einzelfragen

1936

V.

Weiterführende Literatur

1938

VI.

Fälle

1939

§ 36 Besondere Fahrnispfandrechte

1940

I.

Die Fahrnisverschreibung

1941

II.

Das Pfandrecht an Forderungen und anderen Rechten 1. Im Allgemeinen A. Die Errichtung B. Die Wirkungen 2. Das Pfandrecht an Bucheffekten im Besonderen 3. Weiterführende Literatur

1947 1948 1950 1957 1961a 1962

III.

Das Versatzpfand

1963

IV.

Die Pfandbriefe

1970

§ 37 Pfandrechtsähnliche Sicherungsgeschäfte

1983

I.

Der Eigentumsvorbehalt

1985

II.

Der Leasingvertrag (Finanzierungsleasing)

1992 1993

1. Der Begriff 2. Leasing als Umgehung des Numerus clausus der beschränkten dinglichen Rechte?

1998

III.

Das irreguläre Pfandrecht

2003

IV.

Die Sicherungsübereignung

2012

V.

Die Sicherungszession

2021

VI.

Die Sicherungshinterlegung

2031

VII. Fälle

2040

Gesetzesregister

Seite 645

Sachregister

Seite 657

Abkürzungen a A. a.a.O. ABGB ABl. AbR Abs. AcP a.F. aGBV AGVE AISUF AJP Allg. a.M. Amtl.Bull. Anwaltsrevue aOR AR GVP Art. art. AS

ASA ASR AT BaKomm BB BBl BEG BeKomm BewG

alt: frühere Fassung des betreffenden Gesetzes oder Artikels Auflage am angeführten Ort Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für Österreich vom 1. Juni 1811 Amtsblatt der Europäischen Union (Brüssel) Amtsbericht über die Rechtspflege des Kantons Obwalden Absatz Archiv für die civilistische Praxis (Tübingen) alte Fassung V betreffend das Grundbuch vom 22. Februar 1910 (nicht mehr in Kraft) Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide (Aarau) Arbeiten aus dem iuristischen Seminar der Universität Freiburg Aktuelle Juristische Praxis (Lachen) Allgemeine anderer Meinung Amtliches Bulletin der Bundesversammlung (früher Sten.Bull.) Anwaltsrevue/Revue de l’avocat, Das Praxismagazin des schweizerischen Anwaltsverbandes (Basel) BG über das Obligationenrecht vom 14. Juni 1881 (nicht mehr in Kraft) Ausserrhodische Gerichts- und Verwaltungspraxis (Herisau) Artikel (eines Erlasses) article Amtliche Sammlung des Bundesrechts (Bern; bis 1987: Sammlung der eidgenössischen Gesetze; bis 1948: Eidgenössische Gesetzessammlung) Archiv für Schweizerisches Abgaberecht (Bern) Abhandlungen zum schweizerischen Recht Allgemeiner Teil Basler Kommentar zum schweizerischen Privatrecht (Basel) Bundesbeschluss (Beschluss der Bundesversammlung) Bundesblatt BG über Bucheffekten (Bucheffektengesetz, BEG) vom 3. Oktober 2008 (SR 957.1) Berner Kommentar zum schweizerischen Privatrecht (Bern) BG über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG) vom 16. Dezember 1983 (SR 211.412.41)

XXVIII BewV

Abkürzungen

V über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewV) vom 1. Oktober 1984 (SR 211.412.411) BG Bundesgesetz (mit Datum der Annahme durch die Bundesversammlung) BGB Bürgerliches Gesetzbuch für das Deutsche Reich vom 18. August 1896 (in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002) BGBB BG über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) vom 4. Oktober 1991 (SR 211.412.11) BGE Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts (Amtliche Sammlung) BGer Schweizerisches Bundesgericht BGFA BG über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA) vom 23. Juni 2000 (SR 935.61) BGG BG über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) vom 17. Juni 2005 (SR 173.110) BJM Basler Juristische Mitteilungen (Basel) BlAgR Blätter für Agrarrecht (Brugg) BlSchK Blätter für Schuldbetreibung und Konkurs (Wädenswil) BN Der bernische Notar (Langenthal) Botschaft RegisterBotschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches Schuldbrief (Register-Schuldbrief und weitere Änderungen im Sachenrecht) vom 27. Juni 2007, BBl 2007, S. 5283 ff. Botschaft zum Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Baurecht Entwurf eines Bundesgesetzes über die Änderung der Vorschriften des Zivilgesetzbuches und des Obligationenrechtes betreffend das Baurecht und den Grundstückverkehr vom 9. April 1963, BBl 1963 I, S. 969 ff. Botschaft zum BEG Botschaft des Bundesrates zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl 2006, S. 9315 ff. Botschaft zum BGBB Botschaft zum Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) sowie zum Bundesgesetz über die Teilrevisionen des Zivilgesetzbuches (Immobiliarsachenrecht) und des Obligationenrechts (Grundstückkauf) vom 19. Oktober 1988, BBl 1988 III, S. 953 ff. Botschaft zum FinfraG Botschaft des Bundesrates zum Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) vom 3. September 2014, BBl 2014, S. 7483 ff. Botschaft zum OR Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zu einem (1905) Gesetzesentwurf betreffend die Ergänzung des Entwurfes eines schweizerischen Zivilgesetzbuches durch Anfügung des Obligationenrechtes und der Einführungsbestimmungen vom 3. März 1905, BBl 1905 II, S. 1 ff. Botschaft zum OR Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend (1909) die Revision des Obligationenrechts (Nachtrag zur Botschaft vom 3. März 1905) vom 1. Juni 1909, BBl 1909 III, S. 725 ff.

Abkürzungen

Botschaft zum ZGB (1904) Botschaft zur ZPO BR/DC

BS BT BV BVerfGE BVG BVR bzgl. bzw. CC CFAC CO ComRom Cst. DesG d.h. Diss. DNotZ E. EDV EG EGG E-GRID eGRIS eGRISDM EG ZGB Eidg./eidg.

XXIX Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, zu einem Gesetzesentwurf enthaltend das Schweizerische Zivilgesetzbuch vom 28. Mai 1904, BBl 1904 IV, S. 1 ff. Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) vom 28. Juni 2006, BBl 2006, S. 7221 ff. Baurecht, Zeitschrift für Baurecht und Vergabewesen/Droit de la Construction, Revue du droit de la construction et des marchés publics (Freiburg/Zürich) Bereinigte Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen 1848–1947 Besonderer Teil Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (SR 101) Entscheidungen des (deutschen) Bundesverfassungsgerichts (Tübingen) BG über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) vom 25. Juni 1982 (SR 831.40) Bernische Verwaltungsrechtsprechung – Entscheide und Abhandlungen zum bernischen Verwaltungsrecht (Bern) bezüglich beziehungsweise Code civil suisse (= ZGB) Center for Aviation Competence der Universität St. Gallen Code des obligations (= OR) Commentaire Romand (Basel) Constitution fédérale de la Confédération suisse (= BV) BG über den Schutz von Design (Designgesetz, DesG) vom 5. Oktober 2001 (SR 232.12) das heisst Dissertation Deutsche Notar-Zeitschrift (München) Erwägung(en) Elektronische Datenverarbeitung Einführungsgesetz (regelmässig: kantonales EG zum ZGB); auch: Europäische Gemeinschaft BG über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951 (nicht mehr in Kraft) eidgenössische Grundstücksidentifikation elektronisches Grundstückinformationssystem einheitliches Datenmodell (im elektronischen Grundstückinformationssystem) (Kantonales) Einführungsgesetz zum ZGB Eidgenössische(s)/eidgenössisch

XXX EigVV EJPD EntG EÖBV EU f. (ff.) FamPra.ch FG FMG Fn. FS FusG

FZR GBV GDK GeoIG GeoIV GeoIV-swisstopo Geomatik Schweiz GesKR GestG GU GVP SG GVP ZG Habil. HandKomm HFG Hrsg./hrsg. i.e.S. INR

Abkürzungen

V des Bundesgerichts betreffend die Eintragung der Eigentumsvorbehalte vom 19. Dezember 1910 (SR 211.413.1) Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement BG über die Enteignung (EntG) vom 20. Juni 1930 (SR 711) V über die elektronische öffentliche Beurkundung (EÖBV) vom 23. September 2011 (SR 943.033) Europäische Union und nächstfolgende Seite(n) bzw. nächstfolgende(r) Artikel Die Praxis des Familienrechts (Bern) Festgabe Fernmeldegesetz (FMG) vom 30. April 1997 (SR 784.10) Fussnote Festschrift BG über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz, FusG) vom 3. Oktober 2003 (SR 221.301) Freiburger Zeitschrift für Rechtsprechung (= RFJ) (Freiburg) Grundbuchverordnung (GBV) vom 23. September 2011 (SR 211.432.1) Grunddienstbarkeit(en) BG über Geoinformation (Geoinformationsgesetz, GeoIG) vom 5. Oktober 2007 (SR 510.62) V über Geoinformation (Geoinformationsverordnung, GeoIV) vom 21. Mai 2008 (SR 510.620) V des Bundesamtes für Landestopografie über Geoinformation (GeoIV-swisstopo) vom 26. Mai 2008 (SR 510.620.1) (Fachzeitschrift für) Geoinformation und Landmanagement (bis April 2003: VPK) Schweizerische Zeitschrift für Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht sowie Umstrukturierungen (Zürich) BG über den Gerichtsstand in Zivilsachen (Gerichtsstandsgesetz, GestG) vom 24. März 2000 (nicht mehr in Kraft) Generalunternehmer Sankt Gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis (St. Gallen) Gerichts- und Verwaltungspraxis des Kantons Zug (Zug) Habilitationsschrift Handkommentar zum Schweizer Privatrecht (Zürich; vgl. Literaturverzeichnis) BG über die Forschung am Menschen (Humanforschungsgesetz, HFG) vom 30. September 2011 (SR 810.30) Herausgeber/herausgegeben im engeren Sinn Institut für Notariatsrecht und Notarielle Praxis an der Universität Bern

Abkürzungen

IPR IPRG i.S.v. i.V.m. i.w.S. JdT Jura JZ KGTG KKG KOV LBR LDFR LFG LGVE

lit. LPG LSV LwG Max. MRA MSchG N NF NJW Not@lex NR Nr. OG

XXXI Internationales Privatrecht BG über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom 18. Dezember 1987 (SR 291) im Sinn von in Verbindung mit im weiteren Sinn Journal des Tribunaux (Lausanne) Juristische Ausbildung (Berlin) Juristenzeitung (Tübingen) BG über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG) vom 20. Juni 2003 (SR 444.1) BG über den Konsumkredit (KKG) vom 23. März 2001 (SR 221.214.1) V des Bundesgerichts über die Geschäftsführung der Konkursämter (KOV) vom 13. Juli 1911 (SR 281.32) Luzerner Beiträge zur Rechtswissenschaft Loi fédérale sur le droit foncier rural (= BGBB) BG über die Luftfahrt (Luftfahrtgesetz, LFG) vom 21. Dezember 1948 (SR 748.0) Luzerner Gerichts- und Verwaltungsentscheide (Luzern; bis 1973: Entscheidungen des Obergerichtes des Kantons Luzern und der Anwaltskammer [Maximen]) litera (Buchstabe) BG über die landwirtschaftliche Pacht (LPG) vom 4. Oktober 1985 (SR 221.213.2) Lärmschutz-Verordnung (LSV) vom 15. Dezember 1986 (SR 814.41) BG über die Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz, LwG) vom 29. April 1998 (SR 910.1) Entscheidungen des Obergerichtes des Kantons Luzern und der Anwaltskammer: Maximen (Luzern; seit 1974: LGVE) MietRecht Aktuell (Basel) BG über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) vom 28. August 1992 (SR 232.11) Note, Randnote Neue Folge Neue juristische Wochenschrift (München/Frankfurt a. M.) Revue de droit privé et fiscal du patrimoine (Zürich) Nationalrat Nummer BG über die Organisation der Bundesrechtspflege (Bundesrechtspflegegesetz [OG]) vom 16. Dezember 1943 (nicht mehr in Kraft)

XXXII OR

PartG

PDK PfG PfV PKG Pra RabelsZ RDAF RDAT recht Rep RFJ RJJ RJN RPG RVJ Rz. s. S. SAG SchKG SchlT ZGB Semjud SGF sGS SIA SIA-Norm 118 SJK SJZ sog. SPR

Abkürzungen

BG betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911 (SR 220) BG über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (Partnerschaftsgesetz, PartG) vom 18. Juni 2004 (SR 211.231) Personaldienstbarkeit(en) Pfandbriefgesetz (PfG) vom 25. Juni 1930 (SR 211.423.4) Pfandbriefverordnung (PfV) vom 23. Januar 1931 (SR 211.423.41) Die Praxis des Kantonsgerichts von Graubünden (Chur) Die Praxis [des Bundesgerichts] (Basel) Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Berlin bzw. Tübingen) Revue de droit administratif et de droit fiscal (Genf) Rivista di Diritto Amministrativo e tributaria ticinese (Bellinzona) recht – Zeitschrift für juristische Ausbildung und Praxis (Bern) Repertorio di Giurisprudenza patria (Bellinzona) Revue Fribourgeoise de Jurisprudence (= FZR) (Freiburg) Revue Jurassienne de Jurisprudence (Porrentruy) Recueil de Jurisprudence Neuchâteloise (Neuchâtel) BG über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) vom 22. Juni 1979 (SR 700) Revue valaisanne de jurisprudence (= ZWR) (Sion) Randziffer siehe Seite Schweizerische Aktiengesellschaft (Zürich; seit 1990: SZW) BG über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) vom 11. April 1889 (SR 281.1) Schlusstitel des ZGB (Anwendungs- und Einführungsbestimmungen) Semaine judiciaire (Genf) Systematische Gesetzessammlung des Kantons Freiburg Systematische Gesetzessammlung des Kantons St. Gallen Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten, herausgegeben vom SIA (Ausgabe 2013) Schweizerische Juristische Kartothek (Genf) Schweizerische Juristen-Zeitung (Zürich) sogenannt(e) Schweizerisches Privatrecht (Basel und Stuttgart)

Abkürzungen

SR SRL SSG SSHW Sten.Bull. StGB StPO StR StWE SU successio SVG System. Teil SZIER SZW TDP TGBV TVAV u.a. UCC URG URP USG usw. V VAV VBB VBS vgl.

XXXIII Systematische Sammlung des Bundesrechts (Systematische Rechtssammlung) Systematische Rechtssammlung des Kantons Luzern BG über die Seeschifffahrt unter der Schweizer Flagge (Seeschifffahrtsgesetz) vom 23. September 1953 (SR 747.30) Schweizer Schriften zum Handels- und Wirtschaftsrecht Amtliches Stenographisches Bulletin der Bundesversammlung (bis 1966; seither: Amtliches Bulletin der Bundesversammlung) Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (SR 311.0) Schweizerische Strafprozessordnung (Strafprozessordnung, StPO) vom 5. Oktober 2007 (SR 312.0) Ständerat Stockwerkeigentum Subunternehmer Zeitschrift für Erbrecht (Zürich) Strassenverkehrsgesetz (SVG) vom 19. Dezember 1958 (SR 741.01) Systematischer Teil Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht (Zürich) Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (seit 1990; bis 1989: SAG) (Zürich) Traité de droit privé suisse (Basel) Technische V des EJPD und des VBS über das Grundbuch (TGBV) vom 28. Dezember 2012 (SR 211.432.11) Technische V des VBS über die amtliche Vermessung (TVAV) vom 10. Juni 1994 (SR 211.432.21) unter anderem/anderen; und andere (US-amerikanischer) Uniform Commercial Code BG über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) vom 9. Oktober 1992 (SR 231.1) Umweltrecht in der Praxis (Zürich) BG über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz, USG) vom 7. Oktober 1983 (SR 814.01) und so weiter Verordnung V über die amtliche Vermessung (VAV) vom 18. November 1992 (SR 211.432.2) V über das bäuerliche Bodenrecht (VBB) vom 4. Oktober 1993 (SR 211.412.110) Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport vergleiche

XXXIV

Abkürzungen

Vorbem. VPB VPK

Vorbemerkung(en) Verwaltungspraxis der Bundesbehörden (Bern; früher: VEB) (Schweizerische Zeitschrift für) Vermessung, Photogrammetrie und Kulturtechnik (Baden; seit Mai 2003: Geomatik Schweiz) V über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen (VVAG) vom 17. Januar 1923 (SR 281.41) BG über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) vom 2. April 1908 (SR 221.229.1) V des Bundesgerichts über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG) vom 23. April 1920 (SR 281.42) zum Beispiel Schweizerische Zeitschrift für Beurkundungs- und Grundbuchrecht (Wädenswil) Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins (Bern) Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht (Zürich; bis 1988: Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung, ZSGV [Zürich]) Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (SR 210) Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtsprechung in Graubünden (Chur) Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Köln) Schweizerische Zivilprozessordnung (Zivilprozessordnung, ZPO) vom 19. Dezember 2008 (SR 272) Blätter für zürcherische Rechtsprechung (Zürich) Zeitschrift für Schweizerisches Recht, Neue Folge (Basel) Zürcher Studien zum Privatrecht Zürcher Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch (Zürich) Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft (Stuttgart) Zeitschrift für Walliser Rechtsprechung (= RVJ) (Sitten)

VVAG VVG VZG z.B. ZBGR ZBJV ZBl

ZGB ZGRG Ziff. ZIP ZPO ZR ZSR NF ZStP ZüKomm ZVglRWiss ZWR

Literaturverzeichnis Hier wird eine Auswahl grundlegender Werke zum Sachenrecht sowie Materialien zur Revision des Immobiliarsachenrechts vom 11. Dezember 2009 aufgeführt. Die Werke werden mit dem Namen des Autors/der Autorin, mit der Seitenzahl (S.), Randnummer (Nr.) oder Note (N, bei Kommentaren) und – soweit erforderlich – mit einem kennzeichnenden Stichwort zitiert. Die Kommentare werden ausserdem mit einem Zusatz versehen (z.B. ZüKomm, BeKomm). Weitere Literaturangaben finden sich im Text und in den Fussnoten.

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II. Materialien zur Revision vom 11. Dezember 2009 Vorentwurf samt Bericht zur Teilrevision des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Immobiliarsachen- und Grundbuchrecht) vom März 2004, abrufbar unter dem Stichwort «Sachenrecht» auf www.bj.admin.ch (besucht am 15. April 2017). Zusammenstellung der Vernehmlassungen zur Teilrevision des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Immobiliarsachen- und Grundbuchrecht), 2005, abrufbar unter dem Stichwort «Sachenrecht» auf www.bj.admin.ch (besucht am 15. April 2017). Entwurf zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Register-Schuldbrief und weitere Änderungen im Sachenrecht), BBl 2007, S. 5347 ff. Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Register-Schuldbrief und weitere Änderungen im Sachenrecht) vom 27. Juni 2007, BBl 2007, S. 5283 ff. Amtl.Bull. StR 2008, S. 405 ff. sowie 2009, S. 932 ff. und 1184 ff. Amtl.Bull. NR 2009, S. 609 ff. sowie S. 1949 ff. Schweizerisches Zivilgesetzbuch (Register-Schuldbrief und weitere Änderungen im Sachenrecht), Änderung vom 11. Dezember 2009, AS 2011, S. 4637 ff. Grundbuchverordnung (GBV) vom 23. September 2011, AS 2011, S. 4659 ff. Verordnung über die elektronische öffentliche Beurkundung (EÖBV) vom 23. September 2011, AS 2011, S. 4779 ff.

Einleitung zum Sachenrecht § 1 Grundlagen und Übersicht Einführende Literatur: – R ey, Band I, Nr. 1 ff. – SteinaueR, Band I, Nr. 4 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 88 (und § 4).

1

Weitere wichtige Literatur: – haab, ZüKomm, Einleitung (vor Art. 641 ZGB), N 1 ff. – K älin oliveR, Der Sachbegriff im schweizerischen ZGB, Diss. Zürich 2002 (Zürcher Studien zum Privatrecht, Band 174). – liveR, SPR V/1, S. 11 ff. – meieR-hayoz, BeKomm, System. Teil (vor Art. 641 ZGB), N 1 ff. – SutteR-Somm, Nr. 16 ff. Das Sachenrecht (verstanden als Recht im objektiven Sinn, als Summe von Rechtsnormen) ist vorwiegend im vierten Teil des ZGB geregelt. Es hat die dinglichen Rechte an Sachen zum Gegenstand: die Sachenrechte, «les droits réels». In diesem Einleitungskapitel soll zunächst von den Sachen und den Rechten daran die Rede sein (I. und II.). Dann ist auf die Rechtsquellen des Sachenrechts (III.) und auf den gesetzlichen Aufbau der Art. 641–977 ZGB (IV.) einzugehen. Hinzuweisen bleibt schliesslich auf die Prinzipien des Sachenrechts (V.) und auf Gerichtsstandsfragen (VI.).

I.

2

Die Sache

1. Der Begriff «Sache» wird im Gesetz Grundstücke (Art. 655 Abs. 2 ZGB) als Gegenstand des Grundeigentums (Art. 655 Abs. 1 ZGB); ausserdem spricht es von den «ihrer Natur nach beweglichen körperlichen Sachen» als Gegenstand des Fahrniseigentums (Art. 713 ZGB).

3

2. Nach der Lehre sind Sachen unpersönliche, körperliche, für sich bestehende Gegenstände, die der menschlichen Herrschaft unterworfen werden können.1 Folgende Begriffsmerkmale sind also von Bedeutung:

4

– Die Unpersönlichkeit: Als Sache kann nur gelten, was vom Menschen (von der natürlichen Person) verschieden ist. Der menschliche Körper wie auch der menschliche Leichnam sind somit keine Sachen im Rechtssinn.2 Teile des

5

1 2

m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 115; R ey, Band I, Nr. 66. R ey, Band I, Nr. 101 ff. Vgl. auch die Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über die Forschung am Menschen vom 21. Oktober 2009, BBl 2009, S. 8045 ff. (8126). Anders BGE 127 I 115 ff.

2

Einleitung zum Sachenrecht

menschlichen Körpers (z.B. Haare, Organe) werden hingegen zu Sachen, sobald sie mit ihm nicht mehr verbunden sind.3 Umstritten ist, ob menschliches Keimgut, menschliche Embryonen in vitro und imprägnierte Eizellen unter den Begriff der Sache fallen.4 6

Tiere galten bis zum Jahr 2003 als Sachen. Diese auf der römisch-rechtlichen Tradition beruhende Auffassung entspricht jedoch nicht mehr der heutigen Anschauung weiter Teile der Bevölkerung.5 Der Gesetzgeber hat deshalb als neuen Grundsatzartikel Art. 641a ZGB eingeführt (in Kraft seit 1. April 2003). Abs. 1 der Norm hält fest, dass Tiere keine Sachen sind; gemäss Abs. 2 gelten für sie aber die auf Sachen anwendbaren Vorschriften, soweit keine besonderen Regelungen bestehen.6 Auch wenn in Art. 641a Abs. 1 ZGB allgemein von Tieren die Rede ist, bezieht sich der ganz überwiegende Teil dieser Spezialbestimmungen auf Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden (vgl. insbesondere Art. 651a, 722 Abs. 1bis und 1ter, 728 Abs. 1bis ZGB, Art. 42 Abs. 3 und 43 Abs. 1bis OR sowie Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG). Mit Einführung von Art. 641a ZGB wollte der Gesetzgeber keine neue rechtliche Kategorie schaffen; Tiere werden nach wie vor zu den Rechtsobjekten gezählt.7

7

– Die Körperlichkeit: Sachqualität haben – dem Grundsatz nach – nur körperlich greifbare, dreidimensionale Gegenstände.8 Den Sachbegriff erfüllen demnach grundsätzlich nicht: Rechte (Forderungen, Immaterialgüterrechte), Vermögen, Energien, Sach- oder Rechtsgesamtheiten.9 Ausnahmsweise stellt das Gesetz jedoch unkörperliche «Objekte» (namentlich gewisse Rechte) den Sachen gleich. Beispiele: Grundeigentum an gewissen Rechten (Art. 655 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB); Fahrniseigentum an Naturkräften (Art. 713 ZGB); Nutzniessung an Rechten oder an einem Vermögen (Art. 745 Abs. 1 und Art. 773 ff. ZGB); Pfandrechte an Forderungen und anderen Rechten (Art. 899 ff. ZGB).

3

4 5

6 7

(123), E. 6b, unter Hinweis auf SteinaueR, Band I, Nr. 67. Zur Sachqualität von Leichen, an denen R ey, a.a.O., Nr. 112. Nach Art. 36 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Forschung am Menschen (Humanforschungsgesetz, HFG) vom 30. September 2011 (SR 810.30) kann an einem Menschen, der vor mehr als 70 Jahren verstorben ist, ohne Einwilligung dieser Person oder ihrer nächsten Angehörigen geforscht werden. Damit soll die Forschung an Gletscherleichen und Mumien sichergestellt werden; BBl 2009, S. 8127. SteinaueR, Band I, Nr. 65. Vgl. dazu auch PeteR bReitSchmid, Wenn Organe Sachen wären … – Einige unorthodoxe Überlegungen zu einer noch zu diskutierenden Frage, in: Heinrich Honsell et al. (Hrsg.), Aktuelle Aspekte des Schuld- und Sachenrechts, FS für Heinz Rey, Zürich/Basel/Genf 2003, S. 13 ff. Vgl. dazu oliveR K älin (zitiert in Nr. 1), S. 140 ff.; R ey, Band I, Nr. 118 ff. Stellungnahme des Bundesrates vom 20. September 1999 zum Bericht vom 18. Mai 1999 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (Parlamentarische Initiative Tier keine Sache [Initiative Loeb], Parlamentarische Initiative Wirbeltiere. Gesetzliche Bestimmungen [Initiative Sandoz]), BBl 1999, S. 9541 ff. (9543). Vgl. BGer 6B_894/2010, E. 2.3.1: Katze als «Ladung» im Sinn des SVG. R ey, Band I, Nr. 139h. Vgl. zur Rechtsstellung der Tiere auch Paul-h enRi SteinaueR, Tertium sociés pour Pierre Tercier, K(l)eine Festschrift für Pierre Tercier, Zürich/Basel/Genf 2003, S. 51 ff.; ombline de PoRet, Le statut de l’animal en droit civil, Questions choisies de droits réels et de droit successoral, Freiburger Diss., Zürich/Basel/Genf 2006 (AISUF Band 253). – Zum Vorschlag, die rechtliche Stellung des Leichnams in Analogie zu derjenigen des Tiers zu regeln, vgl. SuSan m auReR /daniel K eRSting, Ist der Leichnam eine Sache?, Ein Dialog zwischen Rechtswissenschaft und Philosophie, Jusletter vom 29. August 2011, Rz. 48 ff.

8 9

Zur Streitfrage, ob digitalen Daten Sachqualität zukomme, vgl. etwa m aRtin ecKeRt, Digitale Daten als Wirtschaftsgut: digitale Daten als Sache, SJZ 112/2016, S. 245 ff.

§ 1 Grundlagen und Übersicht

3

– Die Abgegrenztheit: Eine Sache muss ein abgegrenztes (gesondertes) Dasein im Raum haben. So wird eine Liegenschaft (der Paradefall eines Grundstücks im

8

ergibt sich die Abgegrenztheit regelmässig aus der natürlichen Kohärenz, bei 10 nis. Bei Mengensachen (Getreide, Kohle, Sand usw.) hat nicht die physikalische Einheit (das Getreidekorn), sondern eine verkehrsübliche Menge davon (x Kilogramm Getreide) Sachqualität.11 – Die rechtliche Beherrschbarkeit: Ein Gegenstand ist rechtlich beherrschbar, wenn er erworben und genutzt werden kann.12 Damit erfüllen insbesondere die sogenannten Allgemeingüter (res communes omnium) wie die freie Luft oder das offene Meer den Sachbegriff nicht.13

9

3. Die Sachen lassen sich nach verschiedenen Kriterien in mehrere Arten aufteilen.14 Hier seien nur drei Gliederungskategorien erwähnt:

10

– Bewegliche und unbewegliche Sachen (Fahrnis und Grundstücke): vgl. etwa Art. 655 ff. (Grundeigentum) und Art. 713 ff. (Fahrniseigentum), Art. 793 ff. (Grundpfand) und Art. 884 ff. ZGB (Fahrnispfand).

11

Die sogenannten Fahrnisbauten (Art. 677 ZGB; hinten Nr. 905 f.) werden vom Gesetz als bewegliche Sachen behandelt.15

– Hauptsache (herrschende Sache) und Zugehör (dienende Sache): Art. 644 f. ZGB.

12

– Verkehrsfähige Sachen und Sachen mit ausgeschlossener oder eingeschränkter Verkehrsfähigkeit: Verkehrsfähig sind solche Sachen, die sich eignen, Gegenstand privater Rechte und privatrechtlicher Verfügungen zu sein. Das Gesetz kann jedoch die Verkehrsfähigkeit einschränken oder ganz ausschliessen.

13

Nicht oder jedenfalls nur beschränkt dem Privatrechtsverkehr zugänglich sind etwa die sogenannten öffentlichen Sachen (Art. 664 ZGB),16 menschliche Organe, Gewebe oder Zellen (Art. 119a Abs. 3 BV; Art. 7 des Bundesgesetzes über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen [Transplantationsgesetz] vom 8. Oktober 200417; Art. 9 des Bundesgesetzes über

10 11 12 13

14 15 16

17

m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 120. m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 121. R ey, Band I, Nr. 77; SteinaueR, Band I, Nr. 64; m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 125. R ey, Band I, Nr. 77; m eieR-h ayoz den Wasser Sachqualität zukomme, vgl. m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 127; SteinaueR, Band I, Nr. 64, und Band II, Nr. 1974. m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 168 ff. Dazu R ey, Band I, Nr. 541 und 543 ff. m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 201 ff.; BGE 133 I 259 ff. (268 f.), E. 6 (notarielle Urkunden als öffentliche Sachen). SR 810.21.

4

Einleitung zum Sachenrecht

die Forschung am Menschen [Humanforschungsgesetz, HFG] vom 30. September 201118) und die Betäubungsmittel19. 14

4. Sachen sind als einzelne, individualisierte Objekte namentlich abzugrenzen von den Sachgesamtheiten (Wohnungseinrichtung, Gemäldesammlung) und den Rechtsgesamtheiten (Vermögen, verstanden als alle einer Person zustehenden geldwerten Güter; Unternehmen). Da sich unser Sachenrecht nach dem Spezialitätsprinzip (hinten Nr. 70) notwendigerweise auf einzelne, individualisierte Sachen bezieht, können solche Gesamtheiten nicht Objekte des Sachenrechts sein. Schuldrechtliche Abreden über solche Gesamtheiten sind jedoch zulässig.20 Beispiele: a. Ein Pfandrecht kann nicht an einer Gemäldesammlung insgesamt, sondern nur an jedem einzelnen Gemälde separat begründet werden. – b. Soll ein Unternehmen einer Person übereignet werden, so muss das Eigentum an den einzelnen zum Unternehmen gehörenden Sachen übertragen werden; die Übertragung der zum Unternehmen gehörenden Rechte (Forderungen, Immaterialgüterrechte) richtet sich nach der jeweils für sie geltenden Ordnung (Forderungen sind abzutreten usw.).

II. Die dinglichen Rechte im Allgemeinen 1.

Relative und absolute Rechte

15

Rechtsprechung und Lehre teilen die subjektiven Rechte, die einer Person zustehen können, in relative und absolute Rechte – je nachdem, gegen wen dem Berechtigten das Recht zusteht und folglich im Streitfall geltend gemacht werden kann:21

16

1. Relative Rechte (persönliche, obligatorische Rechte, Forderungen) erschöpfen sich in einer bestimmten Zweiparteienbeziehung: Das Recht des Gläubigers richtet sich nur gegen den Schuldner, nicht auch gegen Dritte.22 Relative Rechte sind daher nur gegenüber ganz bestimmten Personen wirksam. Sie richten sich auf eine Leistung: ein Tun, Dulden oder Unterlassen.23 Beispiel: A verkauft ihr Auto der B, wobei Lieferung und Zahlung zehn Tage nach Vertragsschluss der Verkäuferin A den Kaufpreis zu bezahlen (Art. 184 Abs. 1 OR). Durch den Kaufvertrag sind also zwei gegenseitige Forderungen entstanden. Liefert nun die Verkäuferin A das Auto am versprochenen Tag nicht, so stehen der Käuferin B verschiedene Rechte (auf Vertragserfüllung und allenfalls auf Ersatz des Verspätungsschadens, Art. 102 ff. und 190 f. OR) zu. Diese Rechte richten sich jedoch einzig gegen A (ihre Vertragspartnerin). Hat namentlich A das versprochene Auto in der Zwischenzeit der Dritten C verkauft und (durch Sachübergabe, Art. 714 Abs. 1 ZGB) übereignet, so ist B, die

18 19

20 21 22

23

SR 810.30. BGE 122 IV 179 ff. (182 f.), E. 3c/aa, bestätigt in BGE 132 IV 5 ff. (8 f.), E. 3.3 = Pra 95/2006, Nr. 136, S. 932 ff.; kritisch dazu KuRt Seelmann, Kein Diebstahl an Betäubungsmitteln möglich? …, recht 1997, S. 35 ff. (37 f.). m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 140 ff.; R ey, Band I, Nr. 123 ff. BGE 114 II 91 ff. (97), E. 4a/aa. BGE 114 II 91 ff. (97), E. 4a/aa; 123 III 204 ff. (211), E. 2f; gauch /SchlueP/Schmid, Nr. 64; K RameR , BeKomm, Allg. Einleitung (vor Art. 1 OR), N 43 ff. gauch /SchlueP/Schmid, Nr. 35 ff.

§ 1 Grundlagen und Übersicht

5

mangels Übergabe der Sache nicht deren Eigentümerin geworden ist, auf eine Schadenersatzforderung gegen A verwiesen und hat kein Recht, das Auto von C herauszuverlangen.24

2. Absolute Rechte gelten hingegen gegenüber jedermann, nicht nur gegenüber ganz bestimmten Personen.25 Der Berechtigte kann sich gegen jede Störung durch einen Dritten zur Wehr setzen.26 Zu den absoluten Rechten gehören die dinglichen Rechte, die Persönlichkeitsrechte und die Immaterialgüterrechte (Patent-, Urheber-, Marken-, Muster-, Designund Modellrechte).

17

Beispiele: a. Der Eigentümer einer Sache hat «das Recht, sie von jedem, der sie ihm vorenthält, herauszuverlangen und jede ungerechtfertigte Einwirkung abzuwehren» (Art. 641 Abs. 2 ZGB). – b. Jede Person kann bei widerrechtlicher Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte zu ihrem Schutz «gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen» (Art. 28 Abs. 1 ZGB). – c. Wer in seinem Urheberrecht verletzt oder gefährdet wird, kann gegen jeden Verletzer gerichtlichen Schutz anrufen (Art. 62 Abs. 1 URG).

2.

Dingliche Rechte als absolute Rechte

1. Dingliche Rechte («les droits réels») sind nach dem Gesagten absolute Rechte an Sachen, denn sie richten sich gegen jedermann («erga omnes»). «Einem dinglich Berechtigten ist die Sache so zugeteilt, dass alle anderen Rechtsgenossen diese Zuteilung zu respektieren haben.»27 Diese Wirkung wird gelegentlich auch als normatives Moment oder als Ausschliessungsbefugnis bezeichnet: als Befugnis des Berechtigten, Dritte an der Einwirkung auf die Sache zu hindern.28

18

Hat also im oben (Nr. 16) genannten Beispiel die Verkäuferin A das Auto der Käuferin B übergeben (und damit übereignet, Art. 714 Abs. 1 ZGB) und wird der Wagen anschliessend von der Diebin D gestohlen, so kann B das Fahrzeug unter anderem nach Art. 641 Abs. 2 ZGB von D zurückverlangen.

Die absolute Wirkung des dinglichen Rechts zeigt sich auch (und gerade) im Fall der Zwangsvollstreckung:29 Wollen beispielsweise die Gläubiger bei der Betreibung auf Pfändung oder im Konkurs eines Sachbesitzers, der selber nicht Eigentümer ist, sondern beispielsweise Mieter oder Entlehner, die Sache verwerten lassen, so kann der Eigentümer sie nach Art. 106 ff. oder 242 SchKG herausverlangen. Ein Pfandgläubiger hat im Konkurs des Pfandschuldners Anspruch darauf, vorweg – das heisst vor den bloss persönlich berechtigten Gläubigern – aus dem Verwertungserlös der Pfandsache befriedigt zu werden (Art. 219 Abs. 1 SchKG; vgl. auch Art. 816 Abs. 1 und 891 Abs. 1 ZGB; im Einzelnen hinten Nr. 1465 und 1557 ff.).

19

2. Die beschriebene absolute Wirkung als Kennzeichen der dinglichen Rechte wird von einem Teil der Lehre durch ein zweites Kennzeichen ergänzt, nämlich durch die Unmittelbarkeit der Sachherrschaft.30 Der Berechtigte kann mit anderen Wor-

20

24 25 26 27 28 29 30

Vgl. auch K RameR, BeKomm, Allg. Einleitung (vor Art. 1 OR), N 49. BGE 114 II 91 ff. (97), E. 4a/aa. SteinaueR, Band I, Nr. 20. m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 242. R ey, Band I, Nr. 212. Vgl. R ey, Band I, Nr. 216 ff. R ey, Band I, Nr. 209. Vgl. auch BGE 132 III 155 ff. (164), E. 6.2.3.

6

Einleitung zum Sachenrecht

ten die Herrschaft über die Sache ausüben, ohne dass er dafür auf den Willen einer anderen Person einwirken muss; soweit hingegen ein obligatorisches Recht Sachteten erfolgt. Einzelne Autoren bezeichnen die unmittelbare Herrschaft über eine Sache sogar als das Wesensmerkmal des dinglichen Rechts schlechthin und fas31 Was die praktischen Konsequenzen angeht, so ist die Kontroverse nach der hier vertretenen Auffassung bedeutungslos.32

3.

Die sogenannte «Realobligation»

21

1. Ausnahmsweise werden bei einem subjektiven Recht obligatorische und dingliche Elemente verknüpft, so dass das persönliche Recht eine dingliche Komponente aufweist. Dann spricht man – nach einer allerdings uneinheitlichen Terminologie – von einer Realobligation («obligation dite réelle» oder «obligation propter rem»). Nach meieR-hayoz umfasst eine Realobligation folgende beiden Merkmale:33

22

– Im Zentrum steht eine Obligation (Forderung, Schuld), also eine schuldrechtliche Beziehung, die auf eine Leistung des Schuldners (Tun, Dulden, Unterlassen) gerichtet ist.

23

– Real (dinglich) ist das Verhältnis insofern, als der Schuldner der Leistung (und gelegentlich auch der Gläubiger) durch seine dingliche Berechtigung (vereinzelt auch durch den Besitz) an einer Sache bestimmt wird. Zu den Realobligationen werden hier – in Übereinstimmung mit der Mehrheit der deutschsprachigen Autoren34 – auch die persönlichen Rechte mit verstärkter Wirkung (namentlich die vertraglich begründeten und im Grundbuch vorgemerkten Vorkaufs-, Kaufs- und Rückkaufsrechte) gezählt. Französischsprachige Autoren differenzieren und sehen für diese Rechte die Sonderkategorie der «droits personnels renforcés» vor.35

24

2. Zum Beispiel wird heute der Anspruch auf Einräumen eines Bauhandwerkerpfandrechts (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB) von der Rechtsprechung36 und von der herrschenden Lehre als realobligatorisch angesehen (im Einzelnen hinten Nr. 1726 ff.):

25

– Einerseits besteht ein obligatorischer Anspruch (eine Forderung) auf Errichtung lungen vorzunehmen, die zur Eintragung des Pfandrechts erforderlich sind; er muss also namentlich bei der Grundbuchanmeldung durch die Abgabe bestimmter Erklärungen mitwirken (Art. 839 Abs. 3 und Art. 963 Abs. 1 ZGB; Art. 76 Abs. 2 lit. b GBV).

31

32 33

34 35

36

Vgl. z.B. liveR, SPR V/1, S. 9; SutteR-Somm, Nr. 14. So offenbar auch BGE 92 II 227 ff. (229), E. 1. So auch SteinaueR, Band I, Nr. 15. m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 271; ebenso BGE 116 II 677 ff. (682), E. 3; ferner R ey, Band I, Nr. 240 ff. Vgl. etwa m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 279 ff.; liveR, SPR V/1, S. 21 und 209 oben. Siehe z.B. SteinaueR, Band I, Nr. 55; vgl. auch h enRi deSchenaux, Les obligations dites réelles …, ZBGR 43/1962, S. 282 ff. (287 ff.). BGE 92 II 227 ff. (230), E. 1; 134 III 147 ff. (150), E. 4.3.

§ 1 Grundlagen und Übersicht

7

– Andererseits wird die Person, gegen welche sich diese Forderung richtet (also der Schuldner), dinglich bestimmt: durch das Eigentum am fraglichen Grundstück, nämlich an jenem Grundstück, für das der Bauhandwerker Arbeit und Material oder Arbeit allein geleistet hat.

26

In diesem Zusammenhang ist Folgendes zu beachten: Weil sich der Schuldner der genannten Forderung auf Errichtung eines Bauhandwerkerpfandrechts durch das Eigentum am betreffenden Grundstück bestimmt, wird der Anspruch auf Einräumung des Bauhandwerkerpfandrechts als realobligatorisch angesehen. Falsch wäre jedoch die (begriffsjuristische) Umkehrung dieses Satzes: «Weil der Anspruch realobligatorisch ist, richtet er sich gegen den jeweiligen Eigentümer.» Zuerst muss also durch Gesetzesauslegung ermittelt werden, gegen wen sich unter welchen Voraussetzungen die Forderung richtet, was sich nicht aus dem Begriff der Realobligation ableiten lässt.37 Erst im zweiten Schritt kann dann beantwortet werden, ob eine Realobligation vorliegt oder nicht.

3. Als Entstehungsgründe für eine Realobligation kommen Gesetz und Rechtsgeschäft in Betracht:38

27

– Realobligationen auf gesetzlicher Grundlage entstehen – neben dem eben genannten Fall des Anspruchs auf Errichtung eines Bauhandwerkerpfandrechts – zum

28

Kosten und Lasten der gemeinschaftlichen Sache zu tragen). – Rechtsgeschäftliche Realobligationen lassen sich beispielsweise vereinbaren

29

ZGB), als Grundlast (Art. 782 ff. ZGB) oder als im Grundbuch vorgemerktes persönliches Recht (Art. 959 ZGB; Art. 216a OR usw.). So kann ein vertraglich begründetes und im Grundbuch vorgemerktes Vorkaufsrecht an einem Grundstück (Art. 216a OR) nach Eintritt des Vorkaufsfalls innert bestimmter Frist gegen den jeweiligen Eigentümer ausgeübt werden (Art. 216e OR und Art. 959 Abs. 2 ZGB), was die Stellung des Berechtigten erheblich verstärkt.

4.

Die Arten der dinglichen Rechte

rechts zugrunde liegen: einerseits Eigentum und beschränkte dingliche Rechte, andererseits (als Unterteilung innerhalb der beschränkten dinglichen Rechte) Nutzungsund Verwertungsrechte.39

37

38 39

Richtig BGE 116 II 677 ff. (682), E. 3; vgl. auch tuoR /SchnydeR /Schmid, § 113 N 49, Fn. 48. auch Ruth a Rnet (Hrsg.), Liber amicorum für Andreas Donatsch, Im Einsatz für Wissenschaft, Lehre und Praxis, Zürich/Basel/Genf 2012, S. 631 ff. (641 f.). m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 276 ff.; R ey, Band I, Nr. 253 ff. Vgl. im Einzelnen m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 256 ff.; R ey, Band I, Nr. 226 ff.

30

8

Einleitung zum Sachenrecht

A. 31

Eigentum und beschränkte dingliche Rechte

1. Eigentum («la propriété») ist das dingliche Vollrecht, also das grundsätzlich umfassende Herrschaftsrecht an einer Sache («Vollherrschaftsrecht»; man könnte auch vom «unbeschränkten dinglichen Recht» sprechen). Das ZGB regelt das Eigentum in der ersten Abteilung des vierten Teils (Art. 641– 729 ZGB) und umschreibt die Eigentümerbefugnisse allgemein in Art. 641 ZGB. Obwohl Eigentum das dingliche Vollrecht darstellt, sind in dieser Bestimmung selbstverständlich die «Schranken der Rechtsordnung» vorbehalten. Weiter gliedert das Gesetz wie folgt: – 18. Titel: Allgemeine Bestimmungen (Art. 641 ff. ZGB); – 19. Titel: Das Grundeigentum (Art. 655 ff. ZGB); – 20. Titel: Das Fahrniseigentum (Art. 713 ff. ZGB).

32

2. Die beschränkten dinglichen Rechte («les autres droits réels») geben dem Berechtigten nur eine begrenzte Zahl einzelner Herrschaftsbefugnisse («Teilherrschaftsrechte»). Sie vermitteln also nur die Herrschaft über die Sache in bestimmter (beschränkter) Hinsicht, und zwar bezüglich der Nutzung der Sache oder bezüglich ihrer Verwertung (dazu B., Nr. 35 ff.). Zum Sprachgebrauch: Diese Rechte heissen beschränkte dingliche Rechte, denn das Recht selber ist beschränkt, nicht die Dinglichkeit.

33

Das ZGB regelt die beschränkten dinglichen Rechte in der zweiten Abteilung des vierten Teils (Art. 730–915 ZGB). Es gliedert wie folgt: – 21. Titel: Die Dienstbarkeiten und Grundlasten (Art. 730 ff. ZGB); – 22. Titel: Das Grundpfand (Art. 793 ff. ZGB); – 23. Titel: Das Fahrnispfand (Art. 884 ff. ZGB).

34

3. Demnach ergibt sich folgendes Schema:

(«la propriété»)

(«les autres droits réels»)

Es vermittelt dem Berechtigten das umfassende Herrschaftsrecht an einer Sache.

Sie vermitteln dem Berechtigten die Herrschaft über die Sache nur in bestimmter Hinsicht (Nutzung oder Verwertung).

Art. 641–729 ZGB (18.–20. Titel des ZGB)

Art. 730–915 ZGB (21.–23. Titel des ZGB)

(Realobligationen; «obligations propter rem», «droits personnels renforcés») Es handelt sich um relative Rechte, die jedoch «dingliche Komponenten» aufweisen.

§ 1 Grundlagen und Übersicht

B.

9

Nutzungs- und Verwertungsrechte

Da das Eigentum dem Berechtigten die umfassende Sachherrschaft vermittelt (Art. 641 ZGB), ist eine Unterteilung der Eigentümerbefugnisse in Nutzungs- und Verwertungsrechte entbehrlich. Anders zeigt sich das bei den beschränkten dinglichen Rechten, räumen diese dem Berechtigten die Sachherrschaft doch nur in bestimmter Hinsicht ein:40

35

1. Nutzungsrechte gewähren dem Berechtigten den unmittelbaren (physischen) Gebrauch der Sache. Man spricht auch von Gebrauchsrechten oder von Rechten zu unmittelbarem Sachgenuss. Solche (dinglichen!) Nutzungsrechte vermitteln dem Berechtigten die Dienstbarkeiten; das erscheint allerdings nur dann plastisch, wenn die Dienstbarkeit einen positiven Inhalt hat, der Berechtigte die Sache mit anderen Worten in gewisser Hinsicht effektiv nutzen darf (hinten Nr. 1208).

36

Beispiele: a. Die Nutzniessung (Art. 745 ff. ZGB) gewährt der Berechtigten (der Nutzniesserin) grundsätzlich den vollen Genuss des Gegenstandes (Art. 745 Abs. 2 und 755 ff. ZGB). – b. Die BauGrundstücks ein Bauwerk zu errichten oder beizubehalten (Art. 779 ZGB; vgl. auch Art. 675 ZGB).

Nutzungsrechte beziehen sich hauptsächlich auf Grundstücke, und zwar als Dienstbarkeiten (Grunddienstbarkeiten [Art. 730 ff. ZGB; Nr. 1238 ff.] und Personaldienstbarkeiten [Art. 745 ff. ZGB; Nr. 1318 ff.]; zum Sonderfall der Grundlasten vgl. Nr. 40 ff. und 1440 ff.). Ausnahmsweise kann auch Fahrnis mit einer Dienstbarkeit belastet werden, nämlich im Fall der Nutzniessung (Art. 745 Abs. 1 ZGB).

37

2. Verwertungsrechte (Wertrechte; dingliche Sicherungsrechte) gewähren dem Berechtigten eine Beteiligung am Geldwert der Sache – dergestalt, dass die Sache unter bestimmten Voraussetzungen verwertet wird und der Berechtigte ein gewisses Vorrecht auf den Verwertungserlös hat. Solche Verwertungsrechte sind die Pfandrechte: Sie sollen eine Forderung dinglich sichern. Im Fall der Nichtbefriedigung der Forderung hat der Pfandgläubiger «ein Recht darauf, sich aus dem Erlös des Pfandes bezahlt zu machen» (Art. 891 Abs. 1 ZGB für das Faustpfand; ähnlich Art. 816 Abs. 1 ZGB für das Grundpfand; im Einzelnen Nr. 1465). Das Gesetz unterscheidet – je nach Pfandobjekt – die beiden grossen Gruppen Grundpfand (Art. 793 ff. ZGB; Nr. 1473 ff.) und Fahrnispfand (Art. 884 ff. ZGB; Nr. 1863 ff.) und nimmt innerhalb jeder Gruppe weitere Unterscheidungen vor. Das System des Sicherungsmechanismus ist aber stets das gleiche. Verboten ist namentlich die sogenannte Verfallabrede, wonach dem Pfandgläubiger die Pfandsache zu Eigentum zufällt, wenn die Forderung nicht erfüllt wird (Art. 816 Abs. 2 und 894 ZGB; Nr. 1554 und 1905; vgl. auch Art. 910 Abs. 1 ZGB); das dingliche Recht räumt also dem Berechtigten keine eigentümerähnliche Stellung an der Sache ein,41 sondern geht nur auf deren Verwertungserlös (Geldwert).

38

3. Besondere Erwähnung verdienen hier die Grundlasten (Art. 782 ff. ZGB). Sie gehören bei dieser Zweiteilung zur Kategorie der Verwertungsrechte, da sie dem Berechtigten keine dinglichen Nutzungsrechte, sondern unter gewissen Vorausset-

40

40 41

m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 262. Vgl. BGE 107 Ib 12 ff. (18), E. 4.

39

10

Einleitung zum Sachenrecht

zungen «ein Recht auf Befriedigung aus dem Werte des belasteten Grundstückes» gewähren (Art. 791 Abs. 1 und 782 Abs. 1 ZGB). Sie nehmen jedoch eine Art Zwitterstellung ein (im Einzelnen Nr. 1440 ff.): – Einerseits ist der jeweilige Eigentümer des belasteten Grundstücks zu einer Leis-

41

Nutzungsrecht ist nicht dinglicher, aber (weil es sich gegen den jeweiligen Eigentümer richtet) realobligatorischer Natur.42 – Andererseits hat der Gläubiger der Grundlast «keine persönliche Forderung gegen den Schuldner, sondern nur ein Recht auf Befriedigung aus dem Werte ses Verwertungsrecht macht den dinglichen Charakter der Grundlast aus.

42

Beispiel: ten jedes Jahr eine bestimmte Menge Holz zu liefern. Diese Leistung schuldet die jeweilige Eigentümerin des belasteten Grundstücks (Art. 782 Abs. 1 und 792 Abs. 1 ZGB); insofern steht der Berechtigten ein (realobligatorisches) Nutzungsrecht zu. Gleichzeitig schreibt Art. 783 Abs. 2 ZGB für die Errichtung der Grundlast vor, dass im Grundbuch ein bestimmter Betrag als Gesamtwert angegeArt. 791 Abs. 1 ZGB keine persönliche Haftbarkeit, sondern eine reine Sachhaftung mit dem belasteten Grundstück: Die Berechtigte darf die Verwertung und die Befriedigung aus dem Wert dieses Grundstücks verlangen. Die Grundlast erweist sich damit als Verwertungsrecht.

42

m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 262; R ey, Band I, Nr. 233.

11

§ 1 Grundlagen und Übersicht

5.

Schematische Übersicht 43

Art. 641–729 Allgemein: Art. 641– 654a

an Grundstücken Art. 655 ff.

an Fahrnis Art. 713 ff.

Nutzungsrechte

Dienstbarkeiten Art. 730–781a

Grunddienstbarkeiten Art. 730 ff.

an Grundstücken

Verwertungsrechte

Grundlasten Art. 782–792

Personaldienstbarkeiten Art. 745 ff.

Art. 730 – 915

Grundpfandrechte Art. 793–875

Grundpfandverschreibung Art. 824 ff.

Schuldbrief Art. 842 ff.

(Realobligationen)

an Fahrnis

Nutzungsrecht(e)

Verwertungsrechte

Dienstbarkeit(en)

Fahrnispfandrechte Art. 884–915

Nutzniessung Art. 745 ff.

Faustpfand und Retentionsrecht Art. 884 ff.

Andere Fahrnispfandrechte Art. 899 ff.

III. Die Rechtsquellen 44

Sachenrecht in die Legiferierungskompetenz des Bundes (Art. 122 BV; Art. 51 SchlT ZGB). Doch hat der Bund einzelne Gesetzgebungsbefugnisse an die Kantone zurückgegeben. In verschiedenen Punkten berührt das Sachenrecht ferner das formelle Privatrecht (Verfahrensrecht), kantonale Organisationsbefugnisse (vgl. auch Art. 122 Abs. 2 BV und Art. 52 ff. SchlT ZGB) und öffentlich-rechtliche Bereiche. Somit sind Rechtsquellen auf Bundesebene und auf kantonaler Ebene zu berücksichtigen.43

43

m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 1 ff.; R ey, Band I, Nr. 39 ff.

12

1. 45

Einleitung zum Sachenrecht

Bundesrecht

1. «Sedes materiae» des schweizerischen Sachenrechts sind die Art. 641–977 ZGB. Hinzu kommen die Art. 17–48 SchlT ZGB. Auch die übrigen Teile des Zivilgesetzbuches und das Obligationenrecht enthalten verschiedene Bestimmungen, die für das schweizerische Sachenrecht relevant sind (Beispiele: Art. 560 ZGB, Art. 242 Abs. 2 OR).44 Für das internationale Privatrecht sind die Bestimmungen des IPRG massgebend, insbesondere die Art. 97–108. Allfällige Staatsverträge bleiben vorbehalten (Art. 1 Abs. 2 IPRG).

45a

Die Revision des Immobiliarsachenrechts, die (zusammen mit der totalrevidierten Grundbuchverordnung) am 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist,45 hat wesentliche Neuerungen gebracht: Ein zentrales Anliegen war die Einführung des Register-Schuldbriefs. Ausserdem hat das Bauhandwerkerpfandrecht in verschiedener Hinsicht eine Ausdehnung erfahren. Weiter wird neu für sämtliche Rechtsgeschäfte auf Errichtung einer Dienstbarkeit die öffentliche Beurkundung verlangt. Ein wichtiger Revisionspunkt war darüber hinaus die Ausgestaltung des Grundbuchs zu einem zeitgemässen Bodeninformationssystem; hierfür wurde ein neues Bereinigungsverfahren eingeführt, um das Grundbuch von bedeutungslosen Einträgen zu entlasten. Schliesslich wurden einige kleinere Änderungen an bestimmten bewährten Instituten des Immobiliarsachenrechts vorgenommen (so etwa mit Bezug auf die Verantwortlichkeit des Grundeigentümers nach Art. 679 ZGB).46 Die Einzelheiten

46

2. Zu beachten sind sodann Spezialgesetze des Bundes (jeweils nebst allfälligen zugehörigen Verordnungen) – sei es als privatrechtliche Nebengesetze, sei es als Erlasse öffentlichen Rechts mit Auswirkungen auf das Privatrecht,47 zum Beispiel: – das Pfandbriefgesetz (PfG) vom 25. Juni 1930,48 das die Art. 916–918 ZGB ersetzt hat; – das Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) vom 4. Oktober 1991,49 das in verschiedenen ZGB-Bestimmungen ausdrücklich vorbehalten wird (zum Beispiel Art. 654a und 682a ZGB); – das Bundesgesetz über die landwirtschaftliche Pacht (LPG) vom 4. Oktober 1985;50 – das Bundesgesetz über die Seeschifffahrt unter der Schweizer Flagge (Seeschifffahrtsgesetz) vom 23. September 1953,51 insbesondere die Art. 37– 40; – das Bundesgesetz über das Schiffsregister vom 28. September 1923,52 insbesondere die Art. 31–53;

44 45 46 47 48 49 50 51 52

Ausführlich m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 7 ff. AS 2011, S. 4637 ff. (ZGB) und S. 4659 ff. (GBV). Vgl. zum Ganzen Botschaft Register-Schuldbrief, BBl 2007, S. 5295 ff. Ausführlich m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 28 ff. SR 211.423.4; enthalten in der Textausgabe gauch /StöcKli, 51. A., Anhang VIII zum ZGB. SR 211.412.11; enthalten in der Textausgabe gauch /StöcKli, 51. A., Anhang X A zum ZGB. SR 221.213.2; enthalten in der Textausgabe gauch /StöcKli, 51. A., Anhang V A zum OR. SR 747.30. SR 747.11.

§ 1 Grundlagen und Übersicht

13

– das Bundesgesetz über die Luftfahrt (Luftfahrtgesetz, LFG) vom 21. Dezember 1948,53 insbesondere die Art. 80–87; – das Bundesgesetz über das Luftfahrzeugbuch vom 7. Oktober 1959,54 insbesondere die Art. 20–51; – das Bundesgesetz über Bucheffekten (Bucheffektengesetz, BEG) vom 3. Oktober 2008;55 – das Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland vom 16. Dezember 1983 (BewG);56 – das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 1889 (SchKG).57 3. Zu beachten sind schliesslich diverse Verordnungen des Bundesrates und des Bundesgerichts, zum Beispiel:

47

– die Grundbuchverordnung (GBV) vom 23. September 2011.58 Gesetzesgrundlagen: Art. 943, 945, 949, 949a ZGB (und andere); – die Verordnung des Bundesrates betreffend die Viehverpfändung vom 30. Oktober 1917.59 Gesetzesgrundlage: Art. 885 ZGB; – die Verordnung des Bundesgerichtes betreffend die Eintragung der Eigentumsvorbehalte vom 19. Dezember 1910.60 Gesetzesgrundlagen: Art. 715 ZGB und Art. 15 SchKG; – die Verordnung des Bundesgerichtes betreffend die Bereinigung der Eigentumsvorbehaltsregister vom 29. März 1939.61 Gesetzesgrundlagen: Art. 715 ZGB und Art. 15 SchKG; – die Verordnung des Bundesgerichtes über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG) vom 23. April 1920.62 Gesetzesgrundlage: Art. 15 Abs. 2 SchKG.63 [entfällt]

2.

Kantonales Recht

1. Kantonales Privatrecht (hier verstanden als materielles Sachenrecht) existiert –

53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63

48

SR 748.0. SR 748.217.1. SR 957.1; enthalten in der Textausgabe gauch /StöcKli, 51. A., Anhang XII B zum OR. SR 211.412.41; enthalten in der Textausgabe gauch /StöcKli, 51. A., Anhang XI A zum ZGB. SR 281.1. SR 211.432.1; enthalten in der Textausgabe gauch /StöcKli, 51. A., Anhang IX A zum ZGB. SR 211.423.1. SR 211.413.1; enthalten in der Textausgabe gauch /StöcKli, 51. A., Anhang VII A zum ZGB. SR 211.413.11; enthalten in der Textausgabe gauch /StöcKli, 51. A., Anhang VII B zum ZGB. SR 281.42. BGE 117 III 33 ff. (34 f.), E. 2.

49

14

Einleitung zum Sachenrecht

dort, wo der Bund die Kantone zur Legiferierung ermächtigt hat.64 Das kann in verschiedener Weise geschehen: 50

– einerseits dadurch, dass das Bundesrecht kantonales materielles Privatrecht (Sachenrecht) vorbehält, also einen echten Vorbehalt anbringt (Art. 5 Abs. 1 ZGB), wie etwa in Art. 686, 699, 709 und 796 Abs. 2 ZGB;65

51

– andererseits dadurch, dass das Bundesrecht auf Übung und Ortsgebrauch verweist (vgl. auch Art. 5 Abs. 2 ZGB), wie beispielsweise in Art. 642 Abs. 2, 644 Abs. 2, 684 Abs. 2, 699 Abs. 1, 740 und 767 ZGB.66

52

2. Kantonales öffentliches Recht sen (Art. 6 ZGB). Die verfassungsmässige Kompetenzordnung, die das öffentliche Recht grundsätzlich den Kantonen überlässt (Art. 3 BV), wird im Sachenrecht durch einzelne Vorschriften im Sinn unechter Vorbehalte wiederholt, zum Beispiel in Art. 664, 666 Abs. 2, 702, 836 und 953 ZGB.67 Die kantonalen öffentlich-rechtlichen Normen können zwar Auswirkungen auf Privatrechtsverhältnisse zeitigen. Doch sind dieser sogenannten expansiven Kraft des kantonalen Rechts Grenzen gesetzt; namentlich darf das Bundeszivilrecht durch die kantonalen Vorschriften nicht vereitelt werden.68

53

54

3. Verschiedentlich ordnet das Bundesrecht an, dass die Erlasse der Kantone der Genehmigung durch den Bund bedürfen (vgl. etwa Art. 52 Abs. 3 SchlT ZGB).

3. 55

Exkurs: Rechtsprechung und Lehre

1. Die Rechtsprechung (verstanden als Präjudizien) stellt zwar keine Rechtsquelle im Art (Art. 1 Abs. 3 ZGB).69 «Die Präjudizien sind die wichtigste Fundgrube für die Ausgestaltung und Fortbildung des Sachenrechts des ZGB.»70 So spielt namentlich die Praxis des Bundesgerichts für das Sachenrecht eine hervorragende Rolle. Bei Durchsicht der Rechtsprechung zu den Artikeln des Sachenrechts fällt auf, dass das Bundesgericht verschiedene Gesetzesbestimmungen äusserst selten, andere dafür wieder sehr oft anwendet. Besonders zahlreich ist die Judikatur beispielsweise zu folgenden Normen: – Art. 679/684 ZGB: Nachbarrecht, Immissionen; – Art. 681 ff. ZGB: gesetzliches Vorkaufsrecht; – Art. 712a ff. ZGB: Stockwerkeigentum; – Art. 730 ff. ZGB: Grunddienstbarkeiten;

64 65 66 67 68

69 70

m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 39 ff. Ausführlich m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 45 ff. m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 50 ff. m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 42 f. m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 44; BGE 138 III 49 ff. (55), E. 4.4.2; 137 I 167 ff. (180), E. 6.1; 132 III 49 ff. (51), E. 2.2; 132 III 6 ff. (8), E. 3.2; 120 Ia 286 ff. (290 f.), E. 2c/aa. hüRlimann-K auP/Schmid, Nr. 218 und 237 ff. m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 111.

§ 1 Grundlagen und Übersicht

15

– Art. 837 ff. ZGB: Bauhandwerkerpfandrecht; – Art. 942 ff. ZGB: Grundbuchrecht. 2. Auch die Lehre hat nach schweizerischem Recht nicht den Charakter einer formellen Rechtsquelle; sie ist aber nach Art. 1 Abs. 3 ZGB zu konsultieren und zu würdigen.71 Für Einzelheiten wird auf das Literaturverzeichnis verwiesen. Speziell erwähnt seien die Mehrsprachigkeit der schweizerischen Doktrin und die Bedeutung der Rechtsvergleichung.

56

IV. Der gesetzliche Aufbau des Sachenrechts im ZGB Vom Gesetzesaufbau war bei der Grobdarstellung von Eigentum und beschränkten dinglichen Rechten bereits die Rede. Die nachfolgenden Bemerkungen sollen den Überblick abrunden:

57

1. Das Sachenrecht als vierter Teil des Zivilgesetzbuches ist unterteilt in drei Abteilungen:

58

– Erste Abteilung: Das Eigentum («De la propriété»; Art. 641–729 ZGB); – Zweite Abteilung: Die beschränkten dinglichen Rechte («Des autres droits réels»; Art. 730–915 ZGB); – Dritte Abteilung: Besitz und Grundbuch («De la possession et du registre foncier»; Art. 919–977 ZGB). Diese Bestimmungen spielen für die äussere Erscheinungsform (Publizität) der dinglichen Rechte eine erhebliche Rolle. 2. Hinzu kommen die Art. 17– 48 SchlT ZGB. Die Bestimmungen des Schlusstitels, die namentlich das intertemporale Recht zum Gegenstand haben, beziehen sich auf kein Gebiet des Zivilgesetzbuches so intensiv wie auf das Sachenrecht.

59

3. Inhaltlich zieht sich eine grundlegende Zweiteilung durch das gesamte Sachenrecht: Die Unterscheidung in bewegliche Sachen (Mobiliarsachenrecht) und unbewegliche Sachen (Immobiliarsachenrecht). Das gilt namentlich:

60

– für das Eigentum (Grundeigentum und Fahrniseigentum); – und für die Pfandrechte (Grundpfandrecht und Fahrnispfandrecht). Die Regeln über die Dienstbarkeiten und Grundlasten beziehen sich nach dem Gesagten (Nr. 37) fast ausschliesslich auf unbewegliche Sachen; nur eine Art der Personaldienstbarkeiten, nämlich die Nutzniessung, ist auch an beweglichen Sachen möglich (Art. 745 Abs. 1 ZGB).

71

hüRlimann-K auP/Schmid, Nr. 218 und 220 ff.

16

V.

Einleitung zum Sachenrecht

Prinzipien des schweizerischen Sachenrechts

61

Einführende Literatur: – R ey, Band I, Nr. 270 ff. – SteinaueR, Band I, Nr. 120 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 88 N 8 f.

62

Im Folgenden geht es um eine Auswahl von Prinzipien, die als Leitgedanken von Lehre und Rechtsprechung herausgearbeitet wurden und bei der Behandlung einer Vielzahl von typischen Fällen hilfreich sein können.72 Indessen geht eine klare gesetzliche Regelung einem solchen allgemein gefundenen Grundsatz vor. Wenn von einem Grundsatz die Rede ist, bleiben ohnehin Ausnahmen stets vorbehalten. Zu prüfen ist also beim jeweiligen Sachproblem, ob es mit dem betreffenden Prinzip sein Bewenden hat oder ob angesichts einer besonderen Vorschrift ein Ausnahmefall vorliegt. Es kommt sodann auch vor, dass Grundsätze einander widersprechen.

1.

Das Publizitätsprinzip (Grundsatz der Offenkundigkeit, Offenlegungsprinzip)

63

1. Dingliche Rechte richten sich gegen jedermann, haben also absoluten Charakter (vorne Nr. 18). Weil jedermann diese Rechte respektieren muss, sollen auch sämtliche Personen, die von der Wirkung des dinglichen Rechts betroffen sind oder betroffen sein können, die dinglichen Rechtspositionen zu erkennen vermögen. Erforderlich ist also ein bestimmtes Mass an Publizität, an Offenlegung der an den Sachen bestehenden Rechte.

64

2. Das Gesetz sieht aus diesem Grund bestimmte Publizitätsmittel vor, welche die dinglichen Rechte offenlegen sollen:

65

– Publizitätsmittel für Rechte an beweglichen Sachen ist vor allem der Besitz, in Sonderfällen sind es aber auch bestimmte Register (Eigentumsvorbehaltsregister, Register über die Viehverschreibung, Schiffsregister, Luftfahrzeugbuch). Beispiel: Für die Eigentumsübertragung an Fahrnis bedarf es grundsätzlich des Besitzübergangs auf die Erwerberin (Art. 714 Abs. 1 ZGB), also im Normalfall der Übergabe der Sache selbst (Art. 922 Abs. 1 ZGB). Der Rechtswechsel wird auf diese Weise äusserlich sichtbar gemacht.

– Publizitätsmittel für die Rechte an unbeweglichen Sachen ist vor allem das Grundbuch.73

66

Beispiel: Über die Rechte an den Grundstücken wird ein Grundbuch geführt (Art. 942 Abs. 1 ZGB), in das unter anderem das Eigentum, die Dienstbarkeiten und Grundlasten sowie die Pfand-

72

73

Ausführlich m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 56 ff.; R ey, Band I, Nr. 270 ff.; SimoniuS/SutteR , Band I, S. 100 ff.; für das deutsche Recht vgl. etwa K lauS SchReibeR , Die Grundprinzipien des Sachenrechts, Jura 32/2010, S. 272 ff.; rechtsvergleichend auch aStRid StadleR, Die Vorschläge des Gemeinsamen Referenzrahmens für ein europäisches Sachenrecht – Grundprinzipien und Eigentumserwerb, JZ 65/2010, S. 380 ff. BGE 115 II 213 ff. (217), E. 4a.

§ 1 Grundlagen und Übersicht

17

rechte eingetragen werden (Art. 958 ZGB). Will eine Person rechtsgeschäftlich Grundeigentum erwerben, so bedarf es dafür der Eintragung in das Grundbuch (Art. 656 Abs. 1 ZGB). Transparenz der Eigentumsverhältnisse besteht deshalb, weil das Grundbuch öffentlich ist (Art. 970 f. ZGB); Auskunft darüber, wer Eigentümerin eines Grundstücks ist, darf jedermann verlangen (Art. 970 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB; zur Öffentlichkeit des Grundbuchs im Einzelnen hinten Nr. 448 ff.).

3. An die Publizitätsmittel ist eine Legitimationswirkung geknüpft: Der äussere Schein (der Besitz bei beweglichen Sachen, der Grundbucheintrag bei unbeweglichen Sachen) begründet eine Vermutung für das Bestehen des zugrunde liegenden Rechts.74 Die Legitimationswirkung äussert sich in doppelter Weise:

67

– Die Person, die durch das Publizitätsmittel ausgewiesen wird (indem sie Besitzerin einer Mobilie oder im Grundbuch als Inhaberin eines dinglichen Rechts an einem Grundstück eingetragen ist), kann in einem Streitfall für sich die Vermutung beanspruchen, sie sei Inhaberin des betreffenden dinglichen Rechts (Art. 930 f. und 937 ZGB). Die Vermutung ist jedoch widerlegbar.

68

Praktisch wirkt sich die Vermutung auf die Verteilung der Beweislast im Prozess aus: Wer ein Recht an einer beweglichen Sache behauptet, die er nicht besitzt (oder an einer unbeweglichen Sache, obwohl er nicht im Grundbuch als Berechtigter eingetragen ist), trägt für das behauptete Recht die Beweislast.75

– Ein Dritter, der sich im guten Glauben auf den (durch Besitz oder Grundbuch geweckten) Rechtsschein verlassen und im Vertrauen darauf dingliche Rechte an der Sache erworben hat, wird in seinem Erwerb geschützt. Im Immobiliarsachenrecht gilt dies ohne Einschränkung (Art. 973 Abs. 1 ZGB, immerhin mit dem Vorbehalt von Abs. 2; vgl. auch Art. 975 Abs. 2 ZGB), im Mobiliarsachenrecht nur unter zusätzlichen Voraussetzungen (Art. 933–935 ZGB). Soweit der Dritte in seinem guten Glauben geschützt wird, spricht man auch vom Prinzip des öffentlichen Glaubens.76

69

Beispiel: A hat der B eine Stereoanlage vermietet (= «anvertraut» im Sinn von Art. 933 ZGB). B verkauft und übergibt – unberechtigterweise – die Anlage der C, die gutgläubig ist (Art. 3 ZGB). Die Anlage befand sich durch das Mietverhältnis mit Wissen und Willen der Eigentümerin A im Besitz von B; der Anschein des Eigentums (und damit auch der Anschein der Verfügungsberechtigung) bestand mit anderen Worten zu Gunsten der B, und A hatte diesen Anschein durch die Gebrauchsüberlassung der Anlage an B veranlasst. Aus diesem Grund ordnet das Gesetz an, dass C – bei gutem Glauben – in ihrem Vertrauen auf den äusseren Schein geschützt wird, also gültig Eigentum erworben hat (Art. 714 Abs. 2 und 933 ZGB). A hat ihr Eigentum verloren und muss sich mit einer Schadenersatzforderung gegen B begnügen. – Der römischrechtliche Grundsatz «Nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet» (Niemand kann mehr Rechte übertragen, als er selber hat) wird also in diesem Punkt durch das ZGB durchbrochen77 (hinten Nr. 281).

2.

Das Spezialitätsprinzip (Individualitätsprinzip)

Nach dem Spezialitätsprinzip können dingliche Rechte nur an einzelnen, individualisierten Sachen bestehen, eben an jenen einzelnen Sachen, «an denen die erforderli-

74 75 76 77

m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 59 f.; R ey, Band I, Nr. 287. m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 59. m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 60 und 64 ff.; R ey, Band I, Nr. 291. R ey, Band I, Nr. 293.

70

18

Einleitung zum Sachenrecht

chen Publizitätsformen erfüllt worden sind» – nicht aber an Gesamtsachen (Warenlager, Unternehmen, Vermögen schlechthin).78 Beispiele: a. Jedes Grundstück erhält im Grundbuch ein eigenes Blatt (Art. 945 Abs. 1 ZGB; zum Ausnahmefall des Kollektivblatts vgl. Art. 947 ZGB) und wird demnach im sachenrechtlichen Verkehr als einzelne, individualisierte Sache behandelt. – b. Bei der Grundpfanderrichtung ist das Grundstück, das verpfändet wird, genau anzugeben (Art. 797 Abs. 1 ZGB), also zu spezialisieren (individualisieren).

3. 71

Das Prinzip der Typengebundenheit (Numerus clausus)

1. Anders als für das Vertragsrecht gilt für das Sachenrecht der Grundsatz der Typengebundenheit. Es besteht mit anderen Worten ein Numerus clausus dinglicher Rechte: An beweglichen und unbeweglichen Sachen sind nur solche dinglichen Rechte möglich, die vom Gesetz ausdrücklich vorgesehen sind;79 die Parteien können keine anderen dinglichen Rechte schaffen. In Betracht kommen also nur: Eigentum, Dienstbarkeiten, Grundlasten und Pfandrechte.80 Der Grundsatz der Typengebundenheit steht im Zusammenhang mit dem Publizitätsprinzip und soll zur Verkehrssicherheit beitragen. So besteht beispielsweise nach Art. 793 ZGB ein beschränkter Kreis von Grundpfandrechten: Nur zwei Arten (Grundpfandverschreibung und Schuldbrief) sind nach Abs. 1 gesetzlich vorgesehen. Abs. 2 ergänzt: «Die Bestellung anderer Arten des Grundpfandes ist nicht gestattet.» Vgl. im Einzelnen hinten Nr. 1487 ff.

72

2. Der Grundsatz der Typengebundenheit erfährt allerdings Einschränkungen. So werden von der Praxis namentlich dingliche Sicherungsmittel (wie Hinterlegung sicherheitshalber, Sicherungsübereignung, Sicherungszession) anerkannt, die keine Pfandrechte sind81 (im Einzelnen hinten Nr. 1983 ff.). Ausnahmen gelten auch intertemporalrechtlich, also für dingliche Rechte, die vor Inkrafttreten des ZGB begründet worden sind und nach ZGB nicht mehr zulässig wären (Art. 17 und 45 SchlT ZGB); zur Behandlung von Gülten und in Serien ausgegebenen Schuldbriefen, die mit der Änderung des ZGB vom 11. Dezember 2009 (in Kraft seit 1. Januar 2012) abgeschafft wurden, vgl. Art. 33a SchlT ZGB.

73

3.

Grundsatz genannt. Er besagt, dass die Parteien dort, wo das Gesetz die Typen der dinglichen Rechte inhaltlich festlegt, diese Ordnung nicht verändern dürfen.82

78

m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 75; vgl. auch R ey, Band I, Nr. 333 ff. BGE 116 II 275 ff. (277), E. 3b. m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 80. m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 84; BGE 119 II 326 ff. (327 f.), E. 2a. Zur Weiterentwicklung des Grundsatzes durch Rechtsfortbildung vgl. auch chRiStina Schmid -tSchiRRen, «Numerus clausus» – Bemerkungen zum sachenrechtlichen Prinzip des Typenzwangs, BN 75/2014, S. 443 ff. (447 ff.). m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 86 f.; SteinaueR, Band I, Nr. 123; R ey, Band I, Nr. 320. Vgl. auch BGE 103 II 176 ff. (181), E. 2; 116 II 275 ff. (277), E. 3b. Kritisch zum Begriff der TypenWiegand, BaKomm, Vorbem. vor Art. 641 ff. ZGB, N 62; bénédict Foëx, Diss. (zitiert in Nr. 1882), Nr. 152 ff.

79 80 81

82

§ 1 Grundlagen und Übersicht

19

Beispiel: Der Inhalt eines Wohnrechts wird vom Gesetz als unübertragbar und unvererblich festgelegt (Art. 776 Abs. 2 ZGB). Es geht deshalb nicht an, dass zwei Parteien ein Wohnnutzungsrecht ähnlichen Inhalts schaffen, das jedoch vererblich und übertragbar ist83 (im Einzelnen hinten Nr. 1358 und 1429).

4.

Das Kausalitätsprinzip

1. Die schweizerische Rechtsordnung unterscheidet mit Bezug auf den Erwerb eines Rechts zwischen (Rechtsgrund) und Verfügungsgeschäft.

74

Person, begründet mit anderen Worten eine oder mehrere Obligationen;84 im zweiten Fall verfügt sie über ein Recht, lässt dieses also endgültig auf die andere Person übergehen.85 tung voraus.86 Die Anmeldung zuhanden des Grundbuchamts mit dem Antrag auf Eintragung der Käuferin in der Eigentumskolumne stellt das Verfügungsgeschäft dar (im Einzelnen hinten Nr. 503 ff.).

2. Das schweizerische Sachenrecht enthält nun den Grundsatz, dass jemand nur dann ein Recht erwerben kann, wenn dem Rechtserwerb ein gültiger Rechtsgrund (eine gültige «causa») vorangeht. Die Verfügungsgeschäfte des Sachenrechts setzen mit

75

87

sie sind also kausal und nicht abstrakt. Für Grundstücke sieht dies Art. 974 Abs. 2 ZGB ausdrücklich vor (vgl. auch Art. 242 Abs. 3 OR); Bundesgericht und Lehre bejahen aber den Kausalitätsgrundsatz auch für den Erwerb eines dinglichen Rechts an Fahrnis.88 Ist also der dem Grundbucheintrag zugrunde liegende Grundstückkaufvertrag etwa infolge Formmangels ungültig, so geht das Eigentum nicht auf die Erwerberin über, und die Verkäuferin kann auf Berichtigung des Grundbuchs gegen Rückerstattung des erhaltenen Kaufpreises klagen (Art. 975 Abs. 1 ZGB).89

83 84 85 86 87 88

89

BGE 113 II 146 ff. (149), E. 3. gauch /SchlueP/Schmid, Nr. 136. Ähnlich gauch /SchlueP/Schmid, Nr. 137. SteinaueR, Band I, Nr. 132 ff.; R ey, Band I, Nr. 348. Vgl. auch BGE 139 III 160 ff. (161), E. 2.1. BGE 119 II 326 ff. (328), E. 2c. m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 88; R ey, Band I, Nr. 353 ff.; grundlegend mit Bezug auf die Eigentumsübertragung BGE 55 II 302 ff., bestätigt u.a. in BGE 121 III 345 ff. (347), E. 2a. Ausführlich und mit wertenden Einschränkungen h aRtmann, Nr. 132 ff. Zu rechtsvergleichenden Hinweisen vgl. chRiStina Schmid -tSchiRRen, «Causa traditionis»: Hinweise zum sachenrechtlichen Kausalitätsprinzip, BN 76/2015, S. 95 ff. (97 ff.). Detailliert R ey, Band I, Nr. 360 ff. und 378 ff.

76

20

5. 77

Einleitung zum Sachenrecht

Das Prinzip der Alterspriorität

1. Das Prinzip der Alterspriorität besagt, dass sich die Rangordnung unter beschränkten dinglichen Rechten nach dem Errichtungsdatum bestimmt: Das früher errichtete Recht geht dem später errichteten vor («prior tempore, potior iure»).90 Beispiel: Art. 812 Abs. 2 ZGB hält fest, dass ein Grundpfandrecht, das bei Errichtung einer Dienstbarkeit bereits auf dem Grundstück lastet, dieser späteren Dienstbarkeit vorgeht. Das hat zur Konsequenz, dass die Dienstbarkeit bei einer eventuellen Pfandverwertung unter bestimmten Voraussetzungen gelöscht werden kann (im Einzelnen hinten Nr. 1175 ff.).

78

2. Durchbrochen wird das Prinzip durch Rechtsgeschäft und vereinzelt durch Gesetz (wie etwa durch das Pfandstellensystem der Grundpfandrechte gemäss Art. 813 ff. ZGB; hinten Nr. 1568 ff.).91 Beispiel: Die Pfandgläubigerin stimmt im soeben erwähnten Beispiel zu, dass die neu zu errichtende Dienstbarkeit dem bereits bestehenden Pfandrecht vorgeht (vgl. Art. 812 Abs. 2 ZGB: «… ohne dass der Pfandgläubiger zugestimmt hat …»). Damit kann das Grundstück bei einer Pfandverwertung nur zusammen mit der Dienstbarkeit versteigert werden.

6. 79

Das Akzessionsprinzip

1. Das Akzessionsprinzip besagt, dass die Bestandteile einer Sache (hinten Nr. 696 ff.) notwendigerweise das sachenrechtliche Schicksal der Hauptsache teilen.92 Das zeigt sich etwa darin: – dass das Recht des Eigentümers auf alle Bestandteile der Sache geht (Art. 642 Abs. 1 ZGB); – dass grundsätzlich alles, was auf einem Grundstück fest eingebaut oder eingeArt. 671 ZGB; im Einzelnen hinten Nr. 888 ff.); – dass ein Grundpfandrecht das Grundstück mit Einschluss aller Bestandteile erfasst (Art. 805 Abs. 1 ZGB; im Einzelnen hinten Nr. 1562). Beispiel: Die auf einem Grundstück wachsenden Bäume gehören der Eigentümerin des Grundstücks.

80

2. Einschränkungen erfährt das Akzessionsprinzip namentlich im Fall eines Bauvgl. Art. 678 Abs. 2 ZGB und hinten Nr. 1409a ff.). So fallen bei einem Baurecht das Eigentum am Boden und das Eigentum an der darauf stehenden Baute auseinander.

90

91 92

BGE 137 III 444 ff. (453), E. 4.3; 132 III 539 ff. (542), E. 3.1; 131 III 345 ff. (352), E. 2.3.1; m eieRh ayoz, BeKomm, System. Teil, N 95. Ausführlich R ey, Band I, Nr. 557 ff. m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 98; R ey, Band I, Nr. 392.

§ 1 Grundlagen und Übersicht

21

VI. Gerichtsstände des Sachenrechts 1. Der Gerichtsstand («le for») – also der Ort, an dem zur Durchsetzung eines Rechts geklagt werden muss – wird für privatrechtliche Ansprüche seit dem 1. Januar 2011 durch die Schweizerische Zivilprozessordnung (Zivilprozessordnung, ZPO) vom 19. Dezember 200893 geregelt.

80a

Art. 2 ZPO). In diesem Fall sind für sachenrechtliche Ansprüche (unter Vorbehalt von Staatsverträgen; Art. 1 Abs. 2 IPRG) die Art. 97 ff. IPRG massgebend.

2. Das Gesetz unterscheidet für die Gerichtsstände des Sachenrechts danach, ob sich die Klagen auf ein Grundstück (Art. 29 ZPO) oder auf eine bewegliche Sache (Art. 30 ZPO) beziehen: – Sind Ansprüche in Bezug auf ein Grundstück streitig, so ist gemäss Art. 29 Abs. 1 ZPO das Gericht am Ort, an dem das Grundstück im Grundbuch aufgenommen ist oder aufzunehmen wäre, zuständig für folgende Klagen:

80b

80c

• dingliche Klagen (lit. a), also Klagen über dingliche Rechte oder über den Besitz an Grundstücken;94 • Klagen gegen die Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer und -eigentümerinnen (lit. b; hinten Nr. 1053 ff.); • Klagen auf Errichtung gesetzlicher Pfandrechte (lit. c). Obwohl sich diese Klagen im Sinn von Art. 29 Abs. 2 ZPO auf Rechte an Grundstücken beziehen (vgl. sogleich), werden sie von der genannten Bestimmung ausgenommen, da eine besondere Notwendigkeit eines zentralen Gerichtsstands am Ort der gelegenen Sache besteht. Das zeigt sich etwa, wenn im Zusammenhang mit demselben Bauprojekt mehrere Bauhandwerker Pfandrechte im Sinn von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB geltend machen. Hier ist aus Gründen der Sachnähe und der Verfahrensökonomie sowie zur Vermeidung sich widersprechender Urteile ein einheitlicher Gerichtsstand erforderlich.95

Für andere (d.h. nicht dingliche) Klagen steht der Gerichtsstand am Ort der gelegenen Sache gemäss Art. 29 Abs. 2 ZPO nur zur Verfügung, sofern sie sich auf Rechte an Grundstücken beziehen;96 diese Klagen können aber auch beim Gericht am Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei erhoben werden. Hier geht es beispielsweise um Klagen auf Übertragung des Eigentums, auf Einräumen einer Servitut oder auf Eintragung der Vormerkung eines persönlichen Rechts.97 Obligatorische Klagen, die bloss einen tatsächlichen Bezug zu einem Grundstück aufweisen (wie etwa die Klage auf Leistung des Werklohns), fallen damit nicht unter Art. 29 Abs. 2 ZPO. Für Klagen aus Vertrag sieht Art. 31 ZPO als Grundsatz allerdings neben dem Wohnsitzgerichtsstand eine Zuständigkeit des Gerichts an dem Ort vor, an dem die charakteristische Leistung zu erbringen ist. Das wird bei Klagen, die sich auf ein Grundstück beziehen, regelmässig der Ort der gelegenen Sache sein.

93 94 95

SR 272. thomaS SutteR-Somm /coRdula lötScheR (zitiert in Nr. 80f), N 8 zu Art. 29 ZPO. Botschaft zur ZPO, BBl 2006, S. 7266.

96 97

Botschaft zur ZPO, BBl 2006, S. 7266.

80d

22

Einleitung zum Sachenrecht

Sind von einer Klage mehrere Grundstücke betroffen oder wurde das Grundstück in mehreren Kreisen in das Grundbuch aufgenommen, so ist nach Art. 29 Abs. 3 ZPO das Gericht am Ort

80e

80f

– Bei beweglichen Sachen ist für Klagen über dingliche Rechte oder über den Besitz und über Forderungen, die durch Fahrnispfand gesichert sind, gemäss Art. 30 Abs. 1 ZPO das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei oder am Ort, an dem die Sache liegt, zuständig. 3. Die in den Art. 29 und 30 ZPO vorgesehenen Gerichtsstände sind nicht zwingend (vgl. Art. 9 Abs. 1 ZPO); die Parteien können also gestützt auf Art. 17 ZPO einen anderen Gerichtsstand vereinbaren. Vorbehalten bleiben die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, für die Art. 29 Abs. 4 und Art. 30 Abs. 2 ZPO zwingende Zuständigkeiten vorsehen. Für den Erlass vorsorglicher Massnahmen ist schliesslich gemäss Art. 13 ZPO das Gericht am Ort, an dem die Zuständigkeit für die Hauptsache gegeben ist, oder am Ort, an dem die Massnahme vollstreckt werden soll, zwingend zuständig. Für Einzelheiten über die Gerichtsstände mit Bezug auf sachenrechtliche Ansprüche sei auf die Spezialliteratur verwiesen. Vgl. etwa die Kommentierungen der Art. 29 und 30 ZPO von Füllemann daniel, in: Brunner Alexander/Gasser Dominik/Schwander Ivo (Hrsg.), Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO), Kommentar, 2. A., Zürich/St. Gallen 2016; h aldy JacqueS, in: Bohnet François/Haldy Jacques/Jeandin Nicolas/Schweizer Philippe/Tappy Denis, CPC, Code de procédure civile commenté, Basel 2011; PeteR JameS t., in: Hausheer Heinz/Walter Hans Peter (Hrsg.), Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Schweizerische Zivilprozessordnung, Band I: Art. 1–149 ZPO, Bern 2012; SutteR-Somm thomaS/lötScheR coRdula bzw. SutteR-Somm thomaS/h edingeR m aRtin, in: Sutter-Somm Thomas/Hasenböhler Franz/Leuenberger Christoph (Hrsg.), Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), 3. A., Zürich/Basel/Genf 2016; tenchio luca, in: Spühler Karl/Tenchio Luca/Infanger Dominik (Hrsg.), Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. A., Basel 2013.

1. Kapitel: Der Besitz § 2 Vorbemerkungen I.

Die Bedeutung von Besitz und Grundbuch im Allgemeinen

1. Besitz (Art. 919 ff. ZGB) und Grundbuch (Art. 942 ff. ZGB) werden hier – wie regelmässig in der Lehre, aber entgegen dem gesetzlichen Aufbau – zu Beginn des Sachenrechts behandelt, also vor der Darstellung des Eigentums (Art. 641 ff. ZGB) und der beschränkten dinglichen Rechte (Art. 730 ff. ZGB). Dies geschieht deshalb, weil Besitz und Grundbuch Erscheinungsformen (Publizitätsformen) für dingliche Rechte sind: Das Recht kommt äusserlich durch Besitz und Grundbuch zum Ausdruck. Dinglich berechtigt ist regelmässig jene Person, welche durch den Besitz oder das Grundbuch dem äusseren Schein nach in besonders naher Beziehung zur betreffenden Sache steht.

81

2. Die Beziehung zwischen Besitz und dinglichem Recht äussert sich beispielsweise dadurch, dass:

82

– das Gesetz vermutet, der Besitzer einer beweglichen Sache sei ihr Eigentümer (Art. 930 Abs. 1 ZGB); – zur Übertragung des Fahrniseigentums der Übergang des Besitzes auf den Erwerber notwendig ist (Art. 714 Abs. 1 ZGB); – zur Ersitzung von Fahrniseigentum ebenfalls Besitz (neben anderen Elementen) gefordert wird (Art. 728 ZGB); – zur Bestellung einer Nutzniessung an Fahrnis die (Besitz-)Übertragung auf den Berechtigten erforderlich ist (Art. 746 Abs. 1 ZGB); – zur Verpfändung von Fahrnis grundsätzlich die Übertragung des Besitzes an der Pfandsache auf den Pfandgläubiger nötig ist (Art. 884 Abs. 1 ZGB). 3. Eine grosse Zweiteilung trennt das Sachenrecht in Immobiliarsachenrecht und Mobiliarsachenrecht, also in Bestimmungen über Grundstücke (unbewegliche Sachen; «immeubles») einerseits und in Regeln über Fahrnissachen (bewegliche Sachen; «meubles») andererseits.

83

– Die Bestimmungen über den Besitz beziehen sich regelmässig auf beides: auf Fahrnis und Grundstücke. Das gilt namentlich für den Besitzesschutz nach Art. 926–929 ZGB. Im Vordergrund stehen allerdings Regeln, die Fahrnis betreffen (beispielsweise Art. 930–936 ZGB). Immerhin gibt es einzelne Besitzesnormen, die nur Grundstücke beschlagen (etwa Art. 919 Abs. 2 und 937 ZGB).

84

– Die Bestimmungen über das Grundbuch beziehen sich in erster Linie auf Grundstücke.

85

24

Der Besitz

II. Die gesetzliche Ordnung des Besitzes 86

1. Der Begriff «Besitz» («la possession») wird im Gesetz an mehreren Stellen verwendet:

87

– «Sedes materiae» sind die Art. 919–941 ZGB. Als hilfreich für das Verständnis des Aufbaus (des Systems) dieser Bestimmungen erweisen sich auch die Randtitel. Ihre Haupttitel lauten: • • Übertragung («Transfert»): Art. 922–925 ZGB; • Bedeutung («Portée juridique»): Art. 926–941 ZGB. – Daneben enthält das Gesetz weitere Besitzesregeln, die an mehreren Orten verstreut sind («leges fugitivae»), etwa: Art. 560 Abs. 2 und 3 sowie 630 Abs. 2 (Erbrecht), 661 f. (Ersitzung von Grundeigentum), 714 ff. (Erwerb von Fahr-

88

SchlT ZGB. 89

2. «Besitz» kann auf zwei Arten verstanden werden: als Tatbestand oder als Rechtsfolge.

90

– Verstanden als Tatbestand, drückt er eine tatsächliche Beziehung einer Person zu einer Sache aus, was bei der Behandlung von Art. 919 ZGB näher zu erläutern sein wird (hinten Nr. 96 ff.). In diesem Fall muss der Besitz als Tatsache aufgefasst werden.1

91

– Verstanden als Rechtsfolge, bezieht er sich auf eine Summe von Rechtswirkungen (wie etwa Schutzbehelfe und Verantwortlichkeitsregeln), die das Gesetz an die tatsächliche Herrschaft knüpft (zum Beispiel hinten Nr. 209 ff.). In diesem Fall ist der Besitz als Rechtsverhältnis anzusehen.2

92

3. Besitz gewährt also dem Besitzer – kraft der Art. 919 ff. ZGB – bestimmte Rechte oder Rechtsbehelfe. Wer jedoch eine Sache besitzt, ist darüber hinaus regelmässig noch etwas anderes als «nur» Besitzer: Eigentümer, Mieter/Pächter, Entlehner, Nutzniesser, Dieb, Finder, Erbe, Beauftragter, Geschäftsführer ohne Auftrag, Werkunternehmer, Aufbewahrer usw. Hinter dem Besitz steht mit anderen Worten stets auch eine andere Rechtsbeziehung zur betreffenden Sache, regelmässig ein dingliches oder obligatorisches Recht. Ob diese Personen nun die Sache besitzen oder nicht, macht einen konkreten Unterschied: Die Mieterin ohne Besitz wird etwa vom Gesetz in bestimmten Situationen anders (schlechter) behandelt als die Mieterin mit Besitz (zum Beispiel hinten Nr. 214).

93

4. Aus verfassungsrechtlicher Sicht gehört der Besitz zu den durch die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) geschützten Rechtspositionen.3

1 2 3

tuoR /SchnydeR /Schmid, § 90 N 13; vgl. auch BGE 85 II 275 ff. (280); 119 II 127 ff. (129), E. 3. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 90 N 13. BGE 128 I 327 ff. (337), E. 3.3; 128 I 129 ff. (133), E. 3.1.3; 120 Ia 120 ff. (121), E. 1b.

§ 3 Begriff und Arten des Besitzes

25

§ 3 Begriff und Arten des Besitzes Einführende Literatur: – SteinaueR, Band I, Nr. 159 ff. und 210 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 90.

I.

94

Der Begriff

Im Folgenden geht es um den als Tatbestand verstandenen Besitz (vorne Nr. 90). Rechtlich spielt der Begriff nur insoweit eine Rolle, als das Gesetz Rechtswirkungen an den Besitz knüpft. Nun umschreibt aber das ZGB für jede Rechtswirkung den Tatbestand (und damit den Besitz) näher. Das führt dazu, dass der Besitzesbegriff je nach Wirkung des Besitzes unterschiedlich zu verstehen ist; die Lehre spricht daher von der Relativität dieses Begriffs.1 Bei der Begriffsbestimmung sind ein Grundfall und Aus-

95

abzugrenzen.

1.

Grundfall und Ausnahmefälle

1. Der Grundfall ist geregelt in Art. 919 Abs. 1 ZGB. Danach ist Besitzer, «wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache hat» («celui qui a la maîtrise effective de la chose»). Im Einzelnen:

96

– Erforderlich ist einerseits die tatsächliche Gewalt über die Sache (Sachherrschaft, «la maîtrise effective de la chose»), und zwar während einer bestimmten Dauer. Sachherrschaft setzt eine gewisse räumliche Beziehung einer Person zu einer Sache voraus; diese Beziehung reicht dann zur Herrschaft aus, wenn sich

97

2

Beispiele: Sachherrschaft kann bestehen mit Bezug auf a. die Kleider, die eine Person trägt; b. die zur Wohnungseinrichtung gehörenden Möbel; c. die Wertpapiere, die die Eigentümerin der Bank zur Verwahrung übergeben hat (die Eigentümerin bleibt hier Besitzerin, Art. 920 Abs. 1 ZGB; die Bank hat als Inhaberin der tatsächlichen Gewalt ebenfalls Besitz); d. das auf einem Parkplatz abgestellte Fahrzeug.

Zur vorübergehenden Aufhebung der tatsächlichen Gewalt (Verlegen des Autoschlüssels, Vergessen der Mappe) vgl. Art. 921 ZGB und hinten Nr. 201 f. – Hinzutreten muss andererseits regelmässig auch ein subjektives Element: der Wille zur Sachherrschaft, denn die Ausübung der Sachherrschaft ist vernünftigerweise nur mit einem willentlichen Element möglich.3

1 2 3

tuoR /SchnydeR /Schmid, § 90 N 11 f. mit Hinweisen. SteinaueR, Band I, Nr. 179. SteinaueR, Band I, Nr. 175 und 187 ff.; eRnSt, BaKomm, N 15 ff. zu Art. 919 ZGB.

98

26

– Besitzerin kann nicht nur eine natürliche, sondern auch eine juristische Person sein.4

99

100

Der Besitz

2. Hinzu kommen Ausnahmefälle:

101

– Art. 919 Abs. 2 ZGB stellt bei Grunddienstbarkeiten und Grundlasten dem Sachbesitz die tatsächliche Ausübung des Rechts («Rechtsbesitz») gleich (hinten Nr. 119 ff.).

102

– Art. 560 Abs. 2 ZGB ordnet den «Besitzesübergang» auf den oder die Erben im Moment des Todes des Erblassers an – obwohl die tatsächliche Gewalt zu dieBesitz sprechen.5 Die Bestimmung lässt sich so auslegen, dass Rechte, die den Besitz voraussetzen, ihrer Natur nach aber nicht an die Ausübung der tatsächlichen Gewalt gebunden sind, schon mit dem Tod des Erblassers ohne Weiteres auf die Erben übergehen.6 Beispiel: Fristbeginn bei der Ersitzung nach Art. 728 ZGB.

– Schliesslich wird auch in Art. 720 Abs. 3 ZGB den Willen zur Sachherrschaft) abgestellt: Die dort genannten Personen (Hausherr, Mieter usw.) gelten kraft Gesetzes als Besitzerinnen der in ihren Räumlichkeiten aufgefundenen Sachen.7

103

2. 104

Abgrenzungen

1. Der Besitz als Rechtsbegriff bedarf der Abgrenzung gegenüber anderen (teilweise ähnlichen) – Besitz im juristischen Sinn ist nicht gleich Eigentum («la propriété»). Dies muss betont werden, weil die Alltagssprache die beiden Ausdrücke oft synonym verwendet. – Besitz ist nicht notwendigerweise identisch mit der Halterschaft («la détention»), die etwa in Art. 56 OR oder in Art. 58 SVG vorkommt.8 – Besitz entspricht nicht notwendigerweise dem Gewahrsam («la puissance»), den etwa das StGB und das SchKG kennen.9

4

5 6 7 8

9

BGE 81 II 339 ff. (343), E. 5; LGVE 1989 I Nr. 9, S. 18 f. = ZBGR 77/1996, S. 369 f. (Luzerner Obergericht); R iemeR, BeKomm, N 24 zu Art. 53 ZGB. – Zur besitzesrechtlichen Stellung der Organe einer juristischen Person vgl. BGE 81 II 339 ff. (343 ff.), E. 5; 137 IV 134 ff. (144), E. 7.6.1, und StaRK /lindenmann, BeKomm, N 47 zu Art. 919 ZGB. SteinaueR, Band I, Nr. 199 und 202. Vgl. auch BGer 5A_859/2010, E. 5.4.3. Ausführlich zum Erbenbesitz eRnSt, BaKomm, N 55 ff. zu Art. 919 ZGB. SteinaueR, Band I, Nr. 200. Vgl. dazu BGE 132 IV 108 ff. (110), E. 2.1 = Pra 96/2007, Nr. 36, S. 224 ff., sowie StaRK /lindenmann, BeKomm, N 52 zu Art. 919 ZGB. Vgl. dazu StaRK /lindenmann, BeKomm, N 30 ff. zu Art. 919 ZGB.

§ 3 Begriff und Arten des Besitzes

27

Im französischen Gesetzestext ist allerdings regelmässig auch hier von «possession» die Rede (vgl. zum Beispiel Art. 323 Ziff. 2 und 3 StGB sowie Art. 91 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG).10

– Der Besitzer ist namentlich zu unterscheiden vom Besitzdiener. Die Unterscheidung spielt im vorliegenden Zusammenhang eine erhebliche Rolle und soll deshalb näher behandelt werden. 2. Der Besitzdiener («l’auxiliaire de la possession»; «le possesseur pour autrui») ist im ZGB nicht geregelt. Nach Lehre und Rechtsprechung übt er den Besitz im Namen und für Rechnung eines anderen (eben des Besitzers) aus, ohne selber Rechte auf

105

tion. Die Beziehung Person–Sache ist zu wenig intensiv, um Besitz anzunehmen; die Sache bleibt dem jederzeitigen Zugriff des Besitzers zugänglich.11 Sachherrschaft besteht auf blosses Zusehen hin oder ist regelmässig nur ganz vorübergehender Natur. BGE 67 II 16 ff. (19), E. 2, umschreibt den «possesseur pour autrui» als «personne qui exerce la possession au nom et à l’intérêt de celui qui est seul à avoir un titre à posséder et à qui elle doit restituer la chose». – Zum Vergleich: § 855 BGB (Besitzdiener) ordnet an: «Übt jemand die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis aus, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat, so ist nur der andere Besitzer.»

Als Schulbeispiele für den Besitzdiener werden genannt: der Bote, der die Sache überbringt; der Kellner, der den Wein serviert; das Dienstmädchen im Hinblick auf das Mobiliar der Wohnung seines Arbeitgebers.12 Im Einzelnen ist die Abgrenzung sehr heikel.13 Sie ist aber praktisch bedeutsam, weil dem Besitzdiener eben gerade nicht die Rechtsstellung eines Besitzers zukommt. Das zeigt sich namentlich bei der Besitzübertragung und beim Rechtsschutz.

106

So kann eine Besitzdienerin kraft eigenen Rechts beispielsweise keine Übertragung der Sache durch Besitzeskonstitut (hinten Nr. 178 ff.) vornehmen und nicht Klage aus Besitzesstörung (hinten Nr. 232 ff.) erheben.14

II. Die Arten des Besitzes 1.

Einfacher und mehrfacher Besitz

1. Die Sachherrschaft kann in dem Sinn vollkommen sein, dass sie sämtliche Aspekte des Besitzes (wie etwa die physische und die wirtschaftliche Nutzung der Sache) umfasst. Dann liegt sogenannter einfacher Besitz («la possession simple») vor.

10

11

12 13

14

Zum uneinheitlichen Gebrauch der gesetzlichen Terminologie in französischer Sprache vgl. auch SteinaueR, Band I, Nr. 208. BGE 109 II 202 ff. (205), E. 3, mit Hinweis auf 58 II 371 ff. (375), E. 2; anders aber 112 II 113 ff. (115), E. 4. Vgl. auch SteinaueR, Band I, Nr. 205. Vgl. BGE 112 II 113 ff.: Ist der Richter, dem eine Sache zu Beweiszwecken überlassen wurde, Besitzdiener? Siehe auch Roland mülleR /SteFan R iedeR (zitiert in Nr. 1938) zur Frage, ob der Arbeitnehmer Besitzer oder Besitzdiener des vom Arbeitgeber geleasten Geschäftswagens ist. SteinaueR, Band I, Nr. 206.

107

28

Der Besitz

Beispiel: Eine Person bewohnt allein ein Haus, das in ihrem Eigentum steht; sie ist damit einfache Besitzerin des Hauses.15

Daneben sieht das Gesetz in Art. 920 Abs. 1 ZGB die Möglichkeit vor, dass mehrere Personen Besitzer derselben Sache sein können: «Hat ein Besitzer die Sache einem andern zu einem beschränkten dinglichen oder einem persönlichen Recht übertragen, so sind sie beide Besitzer.» Da hier von den mehreren Besitzern die eine Person für die andere besitzt und insofern verschiedene Stufen vorliegen, spricht man von mehrfachem oder gestuftem Besitz («la possession multiple»).16

108

Beispiel: Eine Eigentümerin vermietet ihr Haus an eine Bekannte. Sowohl Eigentümerin als auch Mieterin sind Besitzerinnen des Hauses, wobei die Mieterin für die Eigentümerin besitzt. Begriffe sagen allerdings nichts darüber aus, ob auf einer gegebenen Stufe mehrere Besitzer vorhanden sind oder lediglich eine Person Besitzerin ist. Darüber gibt die Unterteilung in «Mitbesitz im weiteren Sinn» und «Alleinbesitz» Auskunft (hinten Nr. 115 ff.). 109

2. Bei mehrfachem Besitz unterscheidet Art. 920 Abs. 2 ZGB zwei Stufen, nämlich: – Selbständigen Besitz («la possession originaire») hat nur jene Person, welche die Sache als Eigentümerin besitzt. Der selbständige Besitz kann nicht nur einem Einzelnen, sondern auch einer Mehrheit von Personen zustehen (vgl. den französischen Gesetzestext: «Ceux qui possèdent à titre de propriétaire …» und hinten Nr. 115 ff.).

110

Es genügt, dass der Besitzer «als Eigentümer» besitzt, also der Meinung ist, er sei Eigentümer. Ob er – aus objektiver Sicht – gültig Eigentümer geworden ist, spielt keine Rolle.17

– Unselbständigen Besitz («la possession dérivée») haben demgegenüber die Personen, welche die Sache nicht als Eigentümerinnen, sondern zu einem beschränkten dinglichen oder zu einem persönlichen Recht besitzen.

111

Beispiel: Eine Eigentümerin lässt ihre Wertpapiere durch eine Bank verwalten. Die Eigentümerin hat hier selbständigen, die Bank unselbständigen Besitz. Art. 920 Abs. 2 ZGB bezeichnet lediglich den Eigentümer als selbständigen Besitzer. In der Lehre ist umstritten, ob dieser Begriff generell jeden Besitzer (also auch den Nicht-Eigentümer) erfasst, der die Sache einem Dritten zu einem beschränkten dinglichen oder obligatorischen Recht überträgt. In diesem Fall wäre etwa eine Nutzniesserin, die die Sache einer Dritten vermietet, im Verhältnis zur Eigentümerin unselbständige, im Verhältnis zur Mieterin selbständige Besitzerin. Die Kontroverse ist allerdings ohne praktische Bedeutung.18

2. 112

Unmittelbarer und mittelbarer Besitz

Die Unterscheidung in unmittelbaren und mittelbaren Besitz, die vom ZGB nicht ausdrücklich festgelegt wird (anders § 868 BGB), stellt auf die Intensität der Sachherrschaft (der tatsächlichen Gewalt über die Sache) ab:

15 16 17 18

SteinaueR, Band I, Nr. 211. BGE 132 III 155 ff. (158), E. 4.1. SteinaueR, Band I, Nr. 221a. SteinaueR, Band I, Nr. 220.

§ 3 Begriff und Arten des Besitzes

29

1. Unmittelbaren Besitz («la possession immédiate») hat eine Person dann, wenn sie direkt die Sachherrschaft ausübt (oder jedenfalls auszuüben in der Lage wäre).

113

Beispiel: Jemand bewahrt seine Wertpapiere bei sich zu Hause auf und hat damit unmittelbaren Besitz daran.

Auch eine Mehrheit von Personen kann unmittelbaren Besitz über eine Sache haben. Beispiel: Alle Familienmitglieder haben unmittelbaren Besitz an der Wohnungseinrichtung.

2. Mittelbarer Besitz («la possession médiate») besteht demgegenüber dann, wenn ein Besitzer die Sachherrschaft nur indirekt, also über eine andere Person ausübt.

114

Beispiel: Eine Eigentümerin lässt ihre Wertpapiere durch eine Bank verwalten. Die direkte Sachherrschaft wird durch die Bank ausgeübt, die als Aufbewahrerin/Verwaltungsbeauftragte unmittelbare Besitzerin ist, während die Eigentümerin bloss mittelbaren Besitz hat.

Mittelbarer Besitz spielt insbesondere bei der Übertragung einer Sache durch Besitzanweisung (hinten Nr. 163 ff.), beim Besitzesschutz (hinten Nr. 209 ff.) und beim Besitzesrechtsschutz (hinten Nr. 254 ff.) eine Rolle.19

3.

Alleinbesitz und Mitbesitz im weiteren Sinn

1. Wird der Besitz einer bestimmten Qualität (selbständig oder unselbständig, mittelbar oder unmittelbar) von einer einzigen Person ausgeübt, spricht man von Alleinbesitz («la possession individuelle»).20

115

Beispiel: Eine Person, die das in ihrem Eigentum stehende Haus allein bewohnt, hat gleichzeitig einfachen Besitz und Alleinbesitz am Haus.

Von Mitbesitz im weiteren Sinn («la possession collective») ist die Rede, wenn die tatsächliche Sachherrschaft mehreren Personen in gleichwertiger Weise zukommt.21 In der Regel geht es um den Fall, dass mehrere Personen an der Sache Besitz derselben Qualität haben.22 Denkbar ist aber auch, dass die mehreren Besitzer einen Besitz unterschiedlicher Stufe innehaben, also (mindestens) ein selbständiger und ein unselbständiger Besitzer existiert. Mitbesitz liegt hier allerdings nur in folgenden zwei Fällen vor: 1. Die Besitzer können die Verfügungsgewalt über die Sache nur gemeinsam ausüben.23 2. Der unselbständige und der selbständige Besitzer stehen zueinander nicht in einem Verhältnis der Subordination, weil der unselbständige Besitzer seinen Besitz nicht von diesem (sondern von einem anderen) selbständigen Besitzer ableitet.24 Gestufter Besitz führt mit anderen Worten nur ausnahmsweise zu Mitbesitz.25

19 20 21 22 23

24

25

SteinaueR, Band I, Nr. 217. Vgl. zur Besitzanweisung auch BGE 132 III 155 ff. (158 f.), E. 4. SteinaueR, Band I, Nr. 226; hombeRgeR, ZüKomm, N 12 zu Art. 919 ZGB. hombeRgeR, ZüKomm, N 12 zu Art. 919 ZGB. SteinaueR, Band I, Nr. 228 f. SteinaueR, Band I, Nr. 230 f.; eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 383 f.; eRnSt, BaKomm, N 41 i.V.m. N 39 zu Art. 919 ZGB. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 55 f. zu Art. 919 ZGB; eRnSt, BaKomm, N 38 und 40 ff. zu Art. 919 ZGB; SutteR-Somm, Nr. 1223, Fn. 3485. Vgl. auch oSteRtag, BeKomm, N 30 zu Art. 919 ZGB.

115a

30

Der Besitz

Beispiele: a. Wird das soeben erwähnte Haus nicht von seiner Eigentümerin, sondern von zwei Mieterinnen bewohnt, besteht mehrfacher Besitz; die Eigentümerin ist selbständige und (in dieser Qualität) alleinige Besitzerin, die Mieterinnen haben unselbständigen Besitz und (in dieser Qualität) Mitbesitz im weiteren Sinn. Gehört das Haus nicht einer einzelnen Person, sondern einem Ehepaar, das dort wohnt, liegt einfacher Besitz und gleichzeitig Mitbesitz im weiteren Sinn vor. – b. Deponent und Depositar vereinbaren, den hinterlegten Gegenstand so zu verwahren, dass sie nur zusammen über ihn verfügen können. Hier besteht der Mitbesitz auf Grund der gemeinsamen Verfügungsgewalt.26 – c. A und B sind Mitbesitzerinnen eines Autos, für das jede einen Schlüssel hat. Bringt die A das Auto zur Reparatur in eine Werkstatt, wird der Garagist unselbständiger Besitzer; es entsteht gestufter Besitz. Der Garagist wird Mitbesitzer der B, nicht aber der A, da er seinen Besitz von dieser ableitet.27

Die Tatsache des Mitbesitzes ist namentlich für den Besitzesschutz (hinten Nr. 214b) und den Besitzesrechtsschutz (hinten Nr. 265) von Bedeutung.

115b

116

2. Der Mitbesitz im weiteren Sinn kommt in zwei Erscheinungsformen vor:28 – Mitbesitz im engeren Sinn («la copossession») liegt vor, wenn jeder der mehreren Besitzer die Sachherrschaft ohne die Mitwirkung der übrigen ausüben kann.

117

Beispiele: a. Die einzelnen Stockwerkeigentümerinnen sind grundsätzlich Mitbesitzerinnen des Grundstücks bezüglich der gemeinschaftlichen Anlagen. – b. Die Ehegatten sind grundsätzlich Mitbesitzer der Haushaltseinrichtung.29 – c. Die Mitglieder einer Erbengemeinschaft sind grundsätzlich Mitbesitzer an den Nachlassgegenständen (und dies, obwohl sie gemäss Art. 602 Abs. 2 ZGB Gesamteigentümer sind).

– Gesamtbesitz («la possession commune») ist dann gegeben, wenn die mehreren Besitzer die Sachherrschaft nur gemeinschaftlich ausüben können.

117a

Beispiel: Zwei Personen besitzen je einen der beiden Schlüssel, die zusammen zum Öffnen eines Tresors erforderlich sind.30

Die Unterscheidung beruht auf der tatsächlichen Art und Weise, wie die Sachherrschaft ausgeübt werden kann, und hängt deshalb nicht davon ab, ob an der Sache Mit- oder Gesamteigentum besteht.31

4.

Sachbesitz und Rechtsbesitz

118

1. Im Normalfall, den Art. 919 Abs. 1 ZGB regelt, besteht der Besitz in der Herrschaft über eine bewegliche oder unbewegliche (körperliche) Sache, stellt also Sachbesitz dar.

119

2. Dem Sachbesitz von Gesetzes wegen gleichgestellt wird nach Art. 919 Abs. 2 ZGB in gewissen Sonderfällen – nämlich bei Grunddienstbarkeiten und Grundlasten – «die tatsächliche Ausübung des Rechtes», also der Rechtsbesitz («la possession des droits»). Insofern kann man auch Rechte besitzen (die tatsächliche Gewalt darüber äusserlich – eben durch «tatsächliche Ausübung» – zum Ausdruck bringen).

26 27 28 29 30 31

eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 383 f. eRnSt, BaKomm, N 41 zu Art. 919 ZGB. Vgl. etwa StaRK /lindenmann, BeKomm, N 53 zu Art. 919 ZGB; BGer 5A_8/2010, E. 4.4.1. Vgl. auch BGE 116 III 32 ff. (34 f.), E. 2; BGer 5A_209/2014, E. 7.3 und 7.4. Vgl. auch den Sachverhalt sowie E. 4.4.2 von BGer 5A_8/2010. Vgl. zum Ganzen SteinaueR, Band I, Nr. 232 ff.

§ 3 Begriff und Arten des Besitzes

31

Obwohl das Gesetz in Art. 919 Abs. 2 ZGB nur von Grunddienstbarkeiten und Grundlasten spricht, dehnt die Lehre diese Bestimmung auf weitere Rechte aus, nämlich auf Personaldienstbarkeiten, auf Immaterialgüterrechte (beispielsweise Patentrechte) und teilweise sogar auf Forderungen.32

3. Nach der Lehre ist der Rechtsbesitz von Art. 919 Abs. 2 ZGB nur dann anwendbar, wenn es um Rechte geht, die dem Berechtigten nicht schon die tatsächliche Gewalt über die betreffende Sache vermitteln – sonst bleibt es bei Art. 919 Abs. 1 ZGB. Mit Bezug auf Dienstbarkeiten ist in diesem Zusammenhang wie folgt zu unterscheiden: – Bei den (auch: positiven) Dienstbarkeiten muss sich der Belastete bestimmte Eingriffe des Berechtigten gefallen lassen; der Berechtigte darf die Sache mit anderen Worten in gewisser Hinsicht nutzen (hinten Nr. 1208). Insofern vermittelt die Dienstbarkeit dem Berechtigten die tatsächliche Gewalt über die Sache, und damit auch den Sachbesitz.

120

120a

Beispiel: einer (mindestens teilweisen) Sachherrschaft über das belastete Grundstück. Indem also die Berechtigte diesen Weg betritt, übt sie (teilweise) tatsächliche Gewalt darüber aus und kann insoweit als Sachbesitzerin nach Art. 919 Abs. 1 ZGB gelten33 (vgl. auch hinten Nr. 1230).

– Bei den negativen Dienstbarkeiten muss der Belastete die Ausübung seines Eigentumsrechts in gewisser Hinsicht unterlassen (hinten Nr. 1209 und 1231). Hier kommt dem Berechtigten keine tatsächliche Gewalt über die Sache, und damit auch kein Sachbesitz zu.

120b

Beispiel: Darf die Eigentümerin eines Grundstücks in der zweigeschossigen Bauzone infolge einer Grunddienstbarkeit zu Gunsten des Nachbargrundstücks nicht höher als ein Stockwerk bauen (Bauverbotsservitut als negative Dienstbarkeit), so ist die Berechtigte lediglich Rechtsbesitzerin nach Art. 919 Abs. 2 ZGB, da ihr die tatsächliche Gewalt über die Sache fehlt.

Bei den Servituten ist Rechtsbesitz folglich nur für negative Dienstbarkeiten aktuell. Hinzu kommen die Grundlasten (hinten Nr. 1440 ff.), bei denen die tatsächliche Gewaltausübung ebenso wenig möglich ist.

120c

4. Die tatsächliche Ausübung des Rechts (und damit Rechtsbesitz) ist bei den negativen Dienstbarkeiten dann anzunehmen, wenn der Eigentümer des belasteten Grundstücks sich gewisser Handlungen enthalten hat, um das Recht zu respektieren, oder wenn der Berechtigte sich gegen ein Zuwiderhandeln des Eigentümers des dienenden Grundstücks stets zur Wehr gesetzt hat.34 Bei den Grundlasten wird das Recht ausgeübt, wenn die Leistungen erbracht werden oder der Berechtigte sie verlangt hat.35

121

5. Umstritten ist die Frage, ob Rechtsbesitz nur an solchen Dienstbarkeiten und Grundlasten möglich sei, die im Grundbuch eingetragen sind. Zwar ist die Eintragung in das Grundbuch in der Regel Voraussetzung dafür, dass diese Rechte entstehen (vgl. Nr. 1241 und 1453). Da es beim Besitzesrecht aber um die tatsächlichen

121a

32 33 34 35

SteinaueR, Band I, Nr. 195a und 198. Vgl. auch BGE 94 II 348 ff. (351), E. 1. BGE 95 II 605 ff. (617), E. 5; SteinaueR, Band I, Nr. 196. SteinaueR, Band I, Nr. 196; kritisch zum Einbezug der Grundlast in Art. 919 Abs. 2 ZGB Paul Pio tet, SPR V/1, S. 649; vgl. dazu auch BGE 124 III 196 ff. (200), E. 2b.

32

Der Besitz

Verhältnisse geht, müssen auch die nicht eingetragenen Dienstbarkeiten und Grundlasten unter die Regeln des Rechtsbesitzes fallen.36

36

StaRK /lindenmann, BeKomm, N 82 ff. zu Art. 919 ZGB; vgl. auch SteinaueR, Band I, Nr. 197 (mit Hinweisen auf die uneinheitliche Rechtsprechung des Bundesgerichts). A.M. etwa hombeRgeR, ZüKomm, N 22 zu Art. 919 ZGB.

§ 4 Erwerb und Verlust des Besitzes

33

§ 4 Erwerb und Verlust des Besitzes Einführende Literatur: – SteinaueR, Band I, Nr. 241 ff. und 302 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 91.

I.

122

Übersicht

Im vorliegenden Paragrafen geht es um die Frage, wie Besitz erworben wird und unter welchen Voraussetzungen er untergeht. Erwerb und Verlust des Besitzes (namentlich an Fahrnis) sind in mehrfacher Hinsicht praktisch bedeutsam:

123

– Der Erwerb des Besitzes an einer Fahrnissache ist – regelmässig, wenn auch nicht ausnahmslos – Voraussetzung für den Erwerb eines dinglichen Rechts an dieser Sache. Mit Bezug auf Fahrnis spielt der Besitzeserwerb namentlich für den Eigentumserwerb eine zentrale Rolle (vgl. etwa Art. 714 Abs. 1, Art. 718 und 728 Abs. 1 ZGB), aber auch für den Erwerb beschränkter dinglicher Rechte, wie einer Nutzniessung (Art. 746 ZGB) oder eines Pfandrechts (Art. 884 Abs. 1 und 3 ZGB).

124

Die Frage «Wie werde ich Eigentümer (Nutzniesser, Pfandberechtigter) einer Fahrnissache?» hängt mit anderen Worten regelmässig mit der Frage «Wie werde ich Besitzer dieser Sache?» zusammen.

Ein ähnlicher Zusammenhang besteht – mit Einschränkungen – zwischen dem Verlust des Fahrnisbesitzes und dem Verlust von Eigentum, Nutzniessung und Pfandrecht (vgl. Art. 729, Art. 748 Abs. 1 und Art. 888 ZGB).

125

– An den Besitz knüpft das Gesetz sodann weitere Rechtsfolgen. Zu behandeln sind der Besitzesschutz (Nr. 209 ff.) und der Besitzesrechtsschutz (Nr. 254 ff.). Die entsprechenden Schutzbehelfe stehen indessen nur einer Person zu, die den Besitz an der Sache erworben hat.

126

Damit soll freilich nicht gesagt sein, dass jeder Besitzeserwerb (etwa auch der Diebstahl einer Sache) dem tatsächlichen Gewaltinhaber der Sache (hier: dem Dieb) sämtliche Schutzbehelfe einräumt. Welche dieser Behelfe einer Person zustehen, wird bei der Analyse der einzelnen Bestimmungen zu erläutern sein (vgl. zum Beispiel Nr. 230 und 261).

II. Der Erwerb des Besitzes 1.

Übersicht: originärer und derivativer Besitzeserwerb

1. Es lassen sich grundsätzlich zwei Arten des Besitzeserwerbs unterscheiden (zu einem Sonderfall siehe Nr. 132):

127

– Einerseits der originäre (ursprüngliche, einseitige) Besitzeserwerb («l’acquisition originaire»): Jemand erlangt den Besitz an einer Sache, ohne ihn vom Besitz eines Vorgängers abzuleiten.

128

Beispiel:

34

Der Besitz

– Andererseits der derivative (abgeleitete) Besitzeserwerb («l’acquisition dérivée»): Jemand leitet seinen Besitz vom Besitz eines früheren Besitzers ab, wird also mit dessen Willen neuer Besitzer der Sache, sei es allein, sei es neben (zusammen mit) dem bisherigen Besitzer.

129

Beispiele: a. Die Verkäuferin übergibt der Käuferin den gekauften Fernseher. Die Käuferin erlangt damit derivativen (von der Verkäuferin abgeleiteten) Besitz. – b. Die Vermieterin übergibt der Mieterin den gemieteten Fernseher. Auch hier erwirbt die Mieterin derivativen (von der Vermieterin abgeleiteten) Besitz, allerdings mit der Besonderheit, dass die Vermieterin als Eigentümerin ebenfalls Besitzerin bleibt (vgl. Art. 920 Abs. 1 ZGB und vorne Nr. 108 ff.). 130

Derivativer Besitzeserwerb erfolgt nicht um seiner selbst willen, sondern – wie bereits angetönt wurde (Nr. 124) – regelmässig zum Erwerb eines dinglichen Rechts. Prototyp ist die Besitzübertragung zwecks Übertragung von Fahrniseigentum (Art. 714 Abs. 1 ZGB). An sie wird regelmässig auch gedacht, wenn im Folgenden die beiden Parteien, die an der Besitzübertragung beteiligt sind, als «Veräusserer» und «Erwerber» bezeichnet werden – obwohl im vorliegenden Zusammenhang streng genommen lediglich die Weggabe und der Erwerb des Besitzes (und nicht des Eigentums) interessieren.

131

2. Im Rahmen von Art. 919 ff. ZGB (24. Titel: Der Besitz) wird in den Art. 922– 925 ZGB unter dem Randtitel «Übertragung» («Transfert») lediglich der derivative Besitzeserwerb geregelt. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung des originären Besitzes hingegen fehlt. Die Voraussetzungen dafür ergeben sich jedoch aus dem Begriff des Besitzes, der in Art. 919 ZGB festgelegt wird.

132

3. Ein Sonderfall des Besitzeserwerbs ist im Erbrecht geregelt: Gemäss Art. 560 Abs. 2 ZGB geht (unter Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen) der Besitz des Erblassers mit seinem Tod ohne Weiteres auf die Erben über (vorne Nr. 102). Die Erben erhalten demnach kraft Gesetzes den gleichen originären oder derivativen Besitz, den der Erblasser hatte.1 Dieser Sonderfall soll im Folgenden nicht weiter vertieft werden.2

2.

Der originäre Erwerb im Einzelnen

133

1. Ein originärer Besitzeserwerb liegt nach dem Gesagten dann vor, wenn der Besitzer seinen Besitz nicht vom Besitz eines Vorgängers ableitet. Diese Erwerbsart wird wie erwähnt im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Die Voraussetzungen ergeben sich jedoch aus Art. 919 ZGB, wonach Besitzer einer Sache ist, wer die tatsächliche Gewalt über sie hat. Im Einzelnen:

134

– Damit eine Person originären Besitz erlangt, muss sie die betreffende Sache tatsächlich in Besitz nehmen. Erforderlich ist ein sinnfälliger, das heisst äusserlich erkennbarer Akt, durch den die Person die tatsächliche Gewalt über die Sache erlangt (objektives Element). Beispiele: Ergreifen von Fahrnis, Betreten eines Grundstücks.

1 2

SteinaueR, Band I, Nr. 202 und 250a; BGer 5A_859/2010, E. 5.4.3. Näheres dazu bei SutteR-Somm, Nr. 1245 ff., und eRnSt, BaKomm, N 55 zu Art. 919 ZGB.

§ 4 Erwerb und Verlust des Besitzes

35

– Die Inbesitznahme muss verbunden sein mit dem Willen, Besitzer zu werden (subjektives Element).

135

– Mit der überwiegenden Lehre ist davon auszugehen, dass der Handelnde urteilsfähig sein muss.3 Handlungsfähigkeit ist hingegen nicht erforderlich.

136

Ein Fall von originärem Besitzeserwerb liegt auch dann vor, wenn die Beteiligten einen derivativen Erwerb bewerkstelligen wollen, dieser jedoch mangels der hierfür geltenden Voraussetzungen – etwa wegen Urteilsunfähigkeit oder Willensmangel auf Seiten des Übertragenden – nicht wirksam ist.4

2. Der originäre Besitzeserwerb kann rechtmässig oder unrechtmässig (und im letzteren Fall dennoch wirksam) sein:

137

– Beispiele für einen rechtmässigen gen (die sich freilich nicht mit dem Besitzeserwerb, sondern mit der Frage des Eigentumserwerbs befassen):

138

• Art. 718 ZGB: Aneignung einer herrenlosen Fahrnissache; • Art. 658 ZGB: Aneignung herrenloser oder nicht im Grundbuch aufgenommener Grundstücke; • Art. 662 ZGB: ausserordentliche Ersitzung von Grundstücken; • Art. 720 ZGB: Fund; • Art. 723 ZGB: Schatzfund; • Art. 725 ZGB: Zuführung. – Hauptfall des unrechtmässigen Besitzeserwerbs ist der Diebstahl: Der Dieb erwirbt originären Besitz an der gestohlenen Sache.

139

Inwieweit sich ein solcher Besitzer auf die Behelfe des Besitzesschutzes und des Besitzesrechtsschutzes berufen kann, wird noch zu klären sein (Nr. 230 und 261).

3.

Der derivative Erwerb im Einzelnen

1. Der derivative, also von einem früheren Besitzer abgeleitete Besitzeserwerb ist von äusserst grosser rechtlicher und praktischer Bedeutung: So kann die Übertragung von Fahrniseigentum nur durch Übergang des Besitzes auf den Erwerber erfolgen (vgl. Art. 714 Abs. 1 ZGB; siehe immerhin Art. 235 Abs. 1 OR). Ferner setzt die Bestellung einer Nutzniessung oder eines Fahrnispfandrechts grundsätzlich die Übertragung des Besitzes der betreffenden Sache auf den Berechtigten (Nutzniesser, Pfandgläubiger) voraus (Art. 746 Abs. 1 sowie Art. 884 Abs. 1 und 3 ZGB).

140

2. Das Gesetz regelt den abgeleiteten Erwerb in den Art. 922–925 ZGB unter dem Randtitel «Übertragung» («Transfert»). Von der Rechtsfolge her betrachtet, bedeutet dies: Der Besitz an einer Sache wird – wirksam – auf eine andere Person über-

141

3

4

Vgl. z.B. SteinaueR, Band I, Nr. 189 und 245; SutteR-Somm, Nr. 1210 und Nr. 1244, Fn. 3560. A.M. etwa StaRK /lindenmann, BeKomm, N 87 zu Art. 922 ZGB. SteinaueR, Band I, Nr. 248 und 255a; SutteR-Somm, Nr. 1244.

36

Der Besitz

tragen; dem Erwerber stehen alsdann grundsätzlich sämtliche Behelfe zu, die das Gesetz einem Besitzer zur Verfügung stellt. Bezüglich des Tatbestandes muss unterschieden werden zwischen Besitzeserwerb durch Übergabe der Sache (nachfolgend A.), Besitzeserwerb ohne Übergabe der Sache (durch sogenannte Traditionssurrogate; B.) und einem Sonderfall bei Warenpapieren (C.). Im Folgenden sind diese verschiedenen Tatbestände zu untersuchen und abschliessend (D.) schematisch zusammenzufassen.

142

A.

Besitzeserwerb durch Übergabe der Sache (Art. 922 f. ZGB)

143

Der Erwerb des Besitzes durch Übergabe (auch: «Übertragung» oder «Tradition») der Sache ist in den Art. 922 f. ZGB geregelt. Das Gesetz unterscheidet zwischen Übertragung unter Anwesenden (Randtitel von Art. 922 ZGB) und Übertragung unter Abwesenden (Randtitel von Art. 923 ZGB):

144

1. Bei der Übertragung unter Anwesenden (Art. 922 Abs. 1 ZGB; «entre présents») ist in tatbeständlicher Hinsicht vorausgesetzt, dass die Sache selbst oder die Mittel, die dem Empfänger die Gewalt über die Sache verschaffen, übergeben werden. Im Einzelnen:

145

– Der Übertragende kann nur den Besitz derivativ übertragen, den er selber hat. So kann beispielsweise eine Besitzdienerin den Besitz nicht derivativ übertragen.5

– Die Sache selbst oder die Mittel zur Sachherrschaft müssen übergeben werden.

146

Beispiele: a. Die Verkäuferin übergibt der Käuferin die verkaufte Uhr. – b. Die Vermieterin übergibt der Mieterin den Schlüssel für das vermietete Auto (als Mittel, das der Empfängerin die Gewalt über den Wagen verschafft).

– Beide Parteien müssen den übereinstimmenden Willen zur Besitzübertragung haben. Dieser äussert sich in einem Realakt,6 welcher Urteilsfähigkeit, nicht aber Handlungsfähigkeit voraussetzt.7 Da die Besitzübergabe kein Rechtsgeschäft ist, fällt eine Anfechtung wegen Willensmängeln ausser Betracht;8 ein Willensmangel auf Seiten des Übertragenden kann immerhin im Rahmen des Besitzesrechtschutzes eine Rolle spielen mit Bezug auf die Frage, ob eine Sache im Sinn der Art. 933 f. ZGB «anvertraut» oder «abhanden gekommen» ist (hinten Nr. 299).9

147

Zum Vergleich: § 929 BGB (Einigung und Übergabe) legt in Satz 1 fest: «Zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache ist erforderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll.»

Zu beachten ist, dass die Wirksamkeit des Besitzesübergangs nicht von der Gültigkeit des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts abhängt.10

5 6 7

8 9 10

StaRK /lindenmann, BeKomm, N 18 zu Art. 922 ZGB. bge 121 iii 345 ff. (347 unten), E. 2a. SteinaueR, Band I, Nr. 255; StaRK /lindenmann, BeKomm, N 84 f. zu Art. 922 ZGB. A.M. etwa liveR, SPR V/1, S. 318; h aab/SimoniuS, ZüKomm, N 42 zu Art. 714 ZGB, die der Tradition rechtsgeschäftlichen Charakter zusprechen. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 89 zu Art. 922 ZGB; eRnSt, BaKomm, N 8 zu Art. 922 ZGB. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 89 zu Art. 922 ZGB. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 74 ff. zu Art. 922 ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 255c; SutteRSomm, Nr. 1258; BGE 121 III 345 ff. (347), E. 2a; BGer 4A_134/2007, E. 3.3.

§ 4 Erwerb und Verlust des Besitzes

37

2. Bei der Übertragung unter Abwesenden («entre absents») setzt Art. 923 ZGB in tatbeständlicher Hinsicht voraus, dass die Sache dem Empfänger oder dessen Stellvertreter übergeben wird. Unter Stellvertretung ist in diesem Zusammenhang nicht eine Stellvertretung im Sinn von Art. 32 ff. OR zu verstehen, da sich diese auf Rechtsgeschäfte und nicht (wie hier) auf Realakte bezieht.11 Besitzesrechtliche Stellvertretung kann sowohl auf Seiten des Veräusserers als auch auf Seiten des Erwerbers vorliegen.

148

3. Rechtsfolge ist in beiden Fällen die Übertragung des Besitzes (und seiner Wirkungen) vom Veräusserer auf den Empfänger. Das Gesetz äussert sich namentlich auch zur Frage, ab welchem Zeitpunkt die «Übergabe … vollzogen» ist (Art. 922 Abs. 2 und 923 ZGB). Im Fall der Stellvertretung nach Art. 923 ZGB auf Seiten des Erwerbers fragt sich, ob der Vertreter seinerseits Besitz an der übertragenen Sache erlangt. Dies beurteilt sich nach Massgabe seiner Selbständigkeit, also danach, ob der Vertreter nach dem Willen der Parteien die tatsächliche Gewalt über die Sache während gewisser Zeit selber innehaben oder ob er sie nur zur Weitergabe an den Vertretenen erhalten soll.12

149

Beispiel: Verkäuferin A hat ihr Auto der Käuferin B verkauft. Da B das Auto sofort der C vermieten will, einigen sich die Kaufvertragsparteien darauf, dass A den Wagen direkt an C liefert. Hier wird C mit der Übertragung ebenfalls Besitzerin; sie erhält unmittelbaren Besitz, während B im gleichen Moment mittelbare Besitzerin wird (Art. 923 ZGB; vgl. auch Art. 920 ZGB). – Ist hingegen C nur Botin (etwa als Hausangestellte der B, die den Wagen sofort an B abliefern soll) und damit nur Besitzdienerin, so erhält B mit der Übergabe des Wagens von A an die Botin C einfachen Besitz.

B.

Besitzeserwerb ohne Übergabe der Sache (Art. 924 ZGB)

Der Besitz kann auch ohne Übergabe der Sache erworben werden. An die Stelle der Übergabe tritt – als Traditionssurrogat (Besitzübertragungssurrogat) – der Austausch übereinstimmender Willenserklärungen; die Parteien schliessen mit anderen Worten einen sogenannten Besitzvertrag. Es werden vier Arten von Traditionssurrogaten unterschieden: – die Übertragung der offenen Besitzlage, «longa manu traditio» (Art. 922 Abs. 2 ZGB; nachfolgend a.); – die Besitzübertragung kurzer Hand, «brevi manu traditio» (im Gesetz nicht geregelt, aber als selbstverständlich vorausgesetzt; b.); – die Besitzanweisung (Art. 924 Abs. 1 ZGB erster Fall; c.); – das Besitzeskonstitut, «constitutum possessorium» (Art. 924 Abs. 1 ZGB zweiter Fall; d.). Die genannten Traditionssurrogate setzen in jedem Fall voraus, dass der Veräusserer Besitzer der Sache ist (hinten Nr. 153, 160, 163 und 180). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist es nicht möglich,

11 12

SteinaueR, Band I, Nr. 256. Im Einzelnen: SteinaueR, Band I, Nr. 257 ff.; ähnlich hombeRgeR, ZüKomm, N 3 f. zu Art. 923 ZGB; von tuhR /PeteR, S. 352; StaRK /lindenmann, BeKomm, N 10 zu Art. 923 ZGB; zäch /KünzleR , BeKomm, Vorbem. zu Art. 32–40 OR, N 56; unklar ZBJV 130/1994, S. 98 ff. (101 f.), E. 3 (Berner Appellationshof).

150

38

Der Besitz

dass ein nicht besitzender Eigentümer sein Eigentumsrecht durch die Abtretung seines dinglichen Herausgabeanspruchs auf den Erwerber überträgt; das schweizerische Recht lässt mit anderen Worten die unselbständige Vindikationszession nicht als Traditionssurrogat zu (vgl. auch hinten Nr. 668).13 Zum Vergleich: § 931 BGB (Abtretung des Herausgabeanspruchs) lautet: «Ist ein Dritter im Besitz der Sache, so kann die Übergabe dadurch ersetzt werden, dass der Eigentümer dem Erwerber den Anspruch auf Herausgabe der Sache abtritt.»

a. 151

Die Übertragung der offenen Besitzlage («longa manu traditio»)

1. Die gesetzliche Regelung der Übertragung der offenen Besitzlage («longa manu Art. 922 Abs. 2 ZGB. Diese Norm hat nach der hier vertretenen Auffassung eine doppelte Bedeutung: Sie stellt einerseits eine Präzisierung von Art. 922 Abs. 1 ZGB (vorne Nr. 143 ff.) bezüglich des Zeitpunktes der Besitzübergabe dar; andererseits kommt ihr in Bezug auf die Figur der Übertragung der offenen Besitzlage eigenständige Tragweite zu.14

152

2. Im Tatbestand setzt die Bestimmung bezogen auf den Teilaspekt der Übertragung der offenen Besitzlage voraus, dass «sich der Empfänger mit Willen des bisherigen nen:

153

– Der Veräusserer ist unmittelbarer Besitzer der Sache15 (ist er mittelbarer Besitzer, erfolgt die Übertragung durch Besitzanweisung; siehe hinten Nr. 163 ff.).

154

– Anderen Personen (darunter vor allem dem Erwerber) ist der Zugriff auf die Sache ohne Weiteres möglich; in diesem Sinn handelt es sich um eine «offene» Besitzlage.16 Doch hat der Erwerber die Sachherrschaft noch nicht physisch übernommen (die bewegliche Sache noch nicht behändigt, das Grundstück noch nicht betreten und benutzt). Schulbeispiele: geschlagenes Holz im Wald; unüberbaute Liegenschaften, zu denen namentlich die Erwerberin Zugang hat.

– Veräusserer und Erwerber einigen sich über die Besitzübertragung: Sie schliessen durch den Austausch der übereinstimmenden Willenserklärungen einen Besitzvertrag. Dieser Vertrag ist ein Rechtsakt, der die Handlungsfähigkeit der Beteiligten verlangt.17 Nach mehrheitlicher Auffassung setzt der Besitzesübergang durch Besitzvertrag kein gültiges Kausalgeschäft voraus.18

155

13

14 15 16 17

18

gen des Gesetzgebers aus; BGE a.a.O. (161), E. 6.1.2. Vgl. auch StaRK /lindenmann, BeKomm, N 44 zu Art. 922 ZGB. BGE 132 III 155 ff. (160), E. 5.1 mit Hinweisen. BGE 132 III 155 ff. (159 f.), E. 5.1 mit Hinweisen. Vgl. etwa SteinaueR, Band I, Nr. 269; SutteR-Somm, Nr. 1259. – Ob neben der rechtsgültigen Willenserklärung des Veräusserers auch eine solche des Erwerbers vorliegen muss, ist allerdings umstritten: StaRK /lindenmann, BeKomm, N 93 ff. zu Art. 922 ZGB mit Hinweisen; der Gesetzestext selber spricht lediglich vom Willen des bisherigen Besitzers. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 74 ff. zu Art. 922 ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 270; SutteRSomm, Nr. 1259; vgl. auch BGE 121 III 345 ff. (347), E. 2a. A.M. etwa hindeRling, S. 431; m elchioR h aPPel (zitiert in Nr. 207), S. 40 ff., soweit es um die Übertragung von dinglichen Rechten geht.

§ 4 Erwerb und Verlust des Besitzes

39

3. Als Rechtsfolge ordnet Art. 922 Abs. 2 ZGB an, dass die Übergabe vollzogen ist. In Verbindung mit Abs. 1 dieser Norm bedeutet dies, dass der Erwerber unter den genannten Voraussetzungen mit der Einigung Besitzer wird, obwohl ihm die Sache nicht körperlich übertragen wurde bzw. er sie physisch noch nicht in seine Gewalt genommen hat (das geschlagene Holz ist noch nicht behändigt, die Liegenschaft noch nicht betreten und benutzt).

156

Wird die Sache in der Folge von einem Dritten weggenommen, kann derjenige, der zuvor durch Besitzvertrag den Besitz erworben hat, die Mittel des Besitzesschutzes (hinten Nr. 209 ff.) und des Besitzesrechtsschutzes (hinten Nr. 254 ff.) in Anspruch nehmen, «auch wenn er die eigentliche Sachherrschaft noch nicht ausübt».19

4. Als Besonderheit ist zu beachten, dass der Besitzeserwerb durch Übertragung der offenen Besitzlage bei Mobilien zwar für den Eigentumsübergang, nicht aber für die Pfandbestellung ausreicht20 (vgl. auch Art. 714 und 884 ZGB sowie hinten Nr. 1093 und 1890). b.

157

Die Besitzübertragung kurzer Hand («brevi manu traditio», Besitzwandlung)

1. Die «brevi manu traditio» (Besitzübertragung kurzer Hand, Besitzwandlung; «la brevi manu traditio») ist nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt, wird aber von der Lehre allgemein anerkannt, namentlich als Mittel zur Eigentumsübertragung (vgl. Art. 714 Abs. 1 ZGB). Nach der Lehre geht es um den Fall, da sich eine Sache mit den sich in der Folge einigen, dass der selbständige Besitz (und damit das Eigentum) auf den bisherigen Nichteigentümer übergehen soll. Eine in den Vorarbeiten zur Schaffung des ZGB ursprünglich vorgesehene

158

Gewalt des Empfängers, so erfolgt die Übergabe durch die Verabredung zwischen Geber und Nehmer, dass dieser nunmehr den Besitz des ersteren haben soll» wurde als selbstverständlich gestrichen.21 Zum Vergleich: § 929 BGB (Einigung und Übergabe) legt in Satz 2 fest: «Ist der Erwerber im Besitze der Sache, so genügt die Einigung über den Übergang des Eigentums.» – § 428 ABGB ordnet an: «Durch Erklärung wird die Sache übergeben, wenn der Veräußerer auf eine erweisliche Art seinen Willen an den Tag legt, … daß der Übernehmer die Sache, welche er bisher ohne ein dingliches Recht innehatte, künftig aus einem dinglichen Rechte besitzen solle.»

2. So verstanden, wird für die «brevi manu traditio» im Tatbestand zweierlei vorausgesetzt:

159

– Der Erwerber ist bereits Besitzer der Sache, und zwar unselbständiger und unmittelbarer Besitzer (Art. 920 Abs. 2 ZGB). Selbständiger mittelbarer Besitzer ist der Veräusserer.

160

19 20 21

StaRK /lindenmann, BeKomm, N 49 zu Art. 922 ZGB. SteinaueR, Band I, Nr. 265a mit Hinweisen. eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 387. Vgl. auch BGer 5C.170/2005, E. 2.2.

40

Der Besitz

– Veräusserer und Erwerber einigen sich über die Übertragung der Sache zu selbständigem Besitz. Dieser Besitzvertrag setzt die Handlungsfähigkeit beider Parteien voraus.22

161

Beispiel: Jemand mietet einen Fernseher. Da der Mieter mit dem Gerät sehr zufrieden ist, kauft er es der Eigentümerin ab. Die beiden Parteien einigen sich, dass der selbständige Besitz (und damit das Eigentum, Art. 714 Abs. 1 ZGB) auf den bisherigen Mieter übergeht. 162

3. Die Rechtsfolge besteht darin, dass der bisher unselbständige Besitzer (der Erwerber) selbständigen Besitz erwirbt, und zwar grundsätzlich im Moment der Willenseinigung; enthält der Besitzvertrag eine aufschiebende Bedingung, geht der selbständige Besitz jedoch erst mit ihrem Eintritt über.23 Mit der «brevi manu traditio» wird also der bestehende mehrfache Besitz aufgehoben und stattdessen einfacher Besitz des Erwerbers begründet. c.

163

Die Besitzanweisung

1. Die Besitzanweisung («la délégation de possession») wird in Art. 924 Abs. 1 ZGB (erster Fall: «ein Dritter») geregelt. Sie beschlägt gemäss dem Randtitel ebenfalls einen Fall der Besitzübertragung «ohne Übergabe» («sans tradition») und «erfolgt immer im Zusammenhang mit einem andern Rechtsgeschäft»,24 namentlich zur Übertragung von Eigentum. Eine Besitzanweisung setzt drei Beteiligte voraus: – A ist Eigentümer/Veräusserer und mittelbarer Besitzer. – B ist auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses (im Normalfall: unmittelbarer) Besitzer der Sache. – C ist Erwerber und künftiger mittelbarer Besitzer. Beispiel: A ist Eigentümerin von Wertpapieren, die sie durch die Bank B aufbewahren lässt. A hat nun durch Kaufvertrag der C die Wertpapiere versprochen und möchte – zur Erfüllung ihrer VerBesitz daran auf C übertragen (Art. 714 Abs. 1 ZGB; vgl. auch Art. 967 OR). A und C sind sich aber einig, dass die Wertpapiere nicht «hin- und hergeschoben», sondern vielmehr weiterhin durch die Bank B aufbewahrt werden sollen, allerdings nun für die neue Eigentümerin C. Dies wird dadurch erreicht, dass A eine Besitzanweisung zu Gunsten von C erteilt.

164

2. Im Tatbestand von Abs. 1 (erster Fall) wird vorausgesetzt, dass «ein Dritter … auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses im Besitz der Sache verbleibt», die Sache also – aus diesem Grund – nicht physisch auf den Erwerber übertragen wird. Im Einzelnen:

165

– Der Veräusserer ist mittelbarer Besitzer der Sache.

166



22

23 24

im (unmittelbaren) Besitz eines Dritten («un tiers … demeure en possession de la

SteinaueR, Band I, Nr. 291; SutteR-Somm, Nr. 1268 i.V.m. Nr. 1259; StaRK /lindenmann, BeKomm, N 86 zu Art. 924 ZGB. Vorbehalten bleibt immerhin der Fall, dass eine beschränkt handlungsunfähige Person einen unentgeltlichen Vorteil im Sinn von Art. 19 Abs. 2 ZGB erlangt; eRnSt, BaKomm, N 41 zu Art. 924 ZGB; StaRK /lindenmann, BeKomm, N 86 zu Art. 924 ZGB i.V.m. N 101 zu Art. 922 ZGB. BGer 5C.170/2005, E. 2.1. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 18 zu Art. 924 ZGB.

§ 4 Erwerb und Verlust des Besitzes

41

chose à un titre spécial»). Dieser Dritte besitzt für den Veräusserer, hat also derivativen, vom Veräusserer hergeleiteten Besitz. Die Besitzanweisung setzt mit anderen Worten gestuften Besitz voraus: Der mittelbare Besitz des Veräusserers soll übertragen werden, während der unselbständige Besitz des Dritten physisch unverändert bleibt.25 Erforderlich ist aber stets, dass der Dritte die Herrschaft des Veräusserers anerkennt (also sich nicht selbst als Eigenbesitzer betrachtet). Ist diese Voraussetzung nicht mehr erfüllt, geht der mittelbare Besitz des Veräusserers unter. So besitzt insbesondere eine Diebin nicht für den Bestohlenen, der den Besitz an der gestohlenen Sache deshalb nicht mittels Besitzanweisung übertragen kann.26

Das besondere Rechtsverhältnis, auf dessen Grundlage dem Dritten die tatsächliche Gewalt über die Sache belassen wird, kann dem Dritten ein dingliches (Nutzniessung, Faustpfand) oder ein obligatorisches Recht (Miete, Leihe, Werkvertrag [Reparatur einer beweglichen Sache], Auftrag, Frachtvertrag, Hinterlegung) vermitteln. Stets ist jedoch Besitz erforderlich; blosse Besitzdienerschaft genügt nicht.27

167

– Veräusserer und Erwerber kommen überein, dass der Dritte in Zukunft für den Erwerber besitzt (Besitzanweisungsvertrag).28 Der Vertrag setzt die Handlungsfähigkeit beider Parteien voraus.29

168

3. Bei der Rechtsfolge ist zu unterscheiden zwischen dem Verhältnis Veräusserer– Erwerber einerseits und dem Verhältnis der beiden Parteien zum Dritten andererseits:

169

– Im Verhältnis Veräusserer–Erwerber wird der Besitz im Moment der Willenseinigung (genauer: im Zeitpunkt, auf den hin die Parteien dies vereinbaren) übertragen. Eine Benachrichtigung des Dritten ist dazu nicht notwendig.30 Die Besitzübertragung kann gegenüber jedermann geltend gemacht werden, mit Ausnahme des besitzenden Dritten, solange diesem die Übertragung noch nicht angezeigt worden ist (siehe sogleich Nr. 171).31 Der Besitzanweisungsvertrag ermöglicht insofern einen Besitzwechsel, ohne dass die tatsächliche Gewalt über die Sache geändert wird.

170

Beispiel: Wurden Wertpapiere von der Eigentümerin A bei einer Bank B hinterlegt, so ist eine Besitzübertragung (und damit auch eine Eigentumsübertragung, Art. 714 Abs. 1 ZGB) auf die Erwerberin C möglich, ohne dass etwas an der sicheren Verwahrung der Papiere geändert werden muss.

– Dem besitzenden Dritten gegenüber gilt der Besitz indessen erst dann als übergegangen, «wenn ihm der Veräusserer davon Anzeige gemacht hat» (Art. 924 Abs. 2 ZGB). Dies bedeutet einerseits, dass bis zu diesem Zeitpunkt der Veräusserer dem Erwerber den Besitz vermittelt; da der Veräusserer selber auch nur

25 26 27 28 29

30 31

StaRK /lindenmann, BeKomm, N 6 zu Art. 924 ZGB. BGE 132 III 155 ff. (158 f.), E. 4.1. mit Hinweisen. BGE 112 II 113 ff. (115), E. 4; StaRK /lindenmann, BeKomm, N 12 zu Art. 924 ZGB. Dazu ausführlich StaRK /lindenmann, BeKomm, N 15 ff. zu Art. 924 ZGB. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 16 zu Art. 924 ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 275 i.V.m. Nr. 269; eRnSt, BaKomm, N 8 zu Art. 924 ZGB (unter Vorbehalt von Art. 19 Abs. 2 ZGB). BGE 132 III 155 ff. (158), E. 4.1; 119 IV 319 ff. (324), E. 2b/aa; 112 II 406 ff. (420), E. 5c. SteinaueR, Band I, Nr. 276.

171

42

Der Besitz

mittelbarer Besitzer ist, kann man hier von doppelt gestuftem Besitz sprechen.32 Andererseits kann sich der Dritte, solange ihm die Anzeige nicht zugegangen ist, durch Rückgabe der Sache an den Veräusserer befreien.33 Im Verhältnis zum Dritten kommt also für den Übergang des Besitzes als weiteres Tatbestandsmerkmal die Benachrichtigung (Anzeige) hinzu. Weiter ist zu beachten: 172

• Die Anzeige bezieht sich inhaltlich auf den Besitzanweisungsvertrag: Der Dritte wird angewiesen, direkt für den Erwerber und (bei Eigentumsübertragung) nicht mehr für den Veräusserer zu besitzen.34

173

• Die Anzeige bedarf keiner besonderen Form. Sie muss nach dem Gesetzeswortlaut durch den Veräusserer erfolgen; doch kann auch der Erwerber (als Stellvertreter des Veräusserers) den Dritten benachrichtigen.35 Die Bevollmächtigung des Veräusserers an den Erwerber zur Vornahme der Anzeige an den Dritten kann durch den Besitzanweisungsvertrag erfolgen.36

174

• Wurde der Dritte über die Besitzübertragung informiert und besitzt er nunmehr für den Erwerber, so kann er diesen grundsätzlich nicht daran hindern, über die Sache zu verfügen. Nach Art. 924 Abs. 3 ZGB darf der Dritte jedoch «dem Erwerber die Herausgabe aus den gleichen Gründen verweigern, aus denen er sie dem Veräusserer hätte verweigern können». Dem Dritten bleiben mit anderen Worten die Einreden, die ihm gegenüber dem Veräusserer zustanden, auch gegenüber dem Erwerber erhalten. Nach überwiegender Lehre bezieht sich diese Bestimmung allerdings nur auf beschränkte dingliche Rechte des Dritten (Nutzniessung, Faustpfand, Retentionsrecht) und nicht auf persönliche Rechte – dies unter Vorbehalt gesetzlicher Sondervorschriften wie etwa Art. 261 f. OR.37 Beispiel: Die Bank B, die die Wertpapiere im oben (Nr. 163) aufgeführten Beispiel in Zukunft statt für A für C verwahrt, behält das mit A vereinbarte Pfandrecht an den Wertpapieren für einen Kredit, den sie A erteilt hat, auch dann, wenn C neue Eigentümerin der Wertpapiere wird.

Beizufügen bleibt, dass die Beschränkung der Einreden auf dingliche Berechtigungen bei Fahrnis und Wertpapieren für den Dritten ohne Bedeu-

174a

32

33 34 35 36 37

StaRK /lindenmann, BeKomm, N 25 zu Art. 924 ZGB. Zur umstrittenen Frage, ob der Dritte sich weigern kann, für den Erwerber zu besitzen, vgl. m elchioR h aPPel (zitiert in Nr. 207), S. 66 f. BGE 112 II 406 ff. (420), E. 5c; vgl. auch BGE 121 III 85 ff. (87 f.), E. 2b. Ähnlich StaRK /lindenmann, BeKomm, N 27 zu Art. 924 ZGB. BGE 72 II 351 ff. (353), E. 1; SteinaueR, Band I, Nr. 277. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 30 zu Art. 924 ZGB. SteinaueR, Band I, Nr. 280 f.; StaRK /lindenmann, BeKomm, N 37 zu Art. 924 ZGB; SutteRSomm, Nr. 1282; für eine Beschränkung auf dingliche Rechtspositionen des Dritten vgl. schon eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 387; vgl. auch BGer 5A_699/2008, E. 3.3. A.M. bucheR, BT, S. 173, unter Hinweis auf die Ausführungen des französischsprachigen Berichterstatters der Kommission RoSSel, der eine andere Meinung vertrat als eugen hubeR; ihm folgend Paul eitel, Bricht Kauf Miete und Leihe bei Fahrnis?, in: Wolfgang Wiegand/Thomas Koller/Hans Peter Walter (Hrsg.), Tradition mit Weitsicht, Festschrift für Eugen Bucher zum 80. Geburtstag, Bern 2009, S. 69 ff. (71 ff.). Nach Ansicht von eRnSt, BaKomm, N 10 ff. und N 21 zu Art. 924 ZGB, geht das zwischen dem Veräusserer und dem Dritten bestehende Rechtsverhältnis durch die Anzeige der Besitzübertragung von Gesetzes wegen auf den Erwerber über; ebenso m elchioR h aPPel (zitiert in Nr. 207), S. 64 ff. (mit einer Einschränkung im Bereich des Faustpfandrechts). Diese Ansicht zu Recht ablehnend Pichonnaz, ComRom, N 23 zu Art. 924 ZGB; SutteR-Somm, Nr. 1282, Fn. 3732.

§ 4 Erwerb und Verlust des Besitzes

43

tung bleibt, wenn ihm für einen obligatorischen Anspruch ein Retentionsrecht nach Art. 895 ZGB (also ein gesetzliches Fahrnispfandrecht; dazu hinten Nr. 1918 ff.) zusteht: Auf Grund von Art. 924 Abs. 3 ZGB kann der Dritte das Retentionsrecht auch dann gegenüber dem Erwerber geltend machen, wenn über dem Dritten nicht nachgekommen ist.38 Beispiel: Die Bank B im oben (Nr. 163) aufgeführten Beispiel hat gegenüber der Erwerberin C ein Retentionsrecht an den Wertpapieren, wenn die Veräusserin A der Bank die aus dem Hinterlegungsvertrag geschuldete Vergütung nicht bezahlt hat, die im Moment der Anzeige der Besitzübertragung an die C bereits fällig war.

4. Hinzuweisen bleibt auf zwei Einzelfragen zum Anwendungsbereich der Besitzanweisung:

175

– Die Besitzanweisung kommt auch zur Vornahme einer Handschenkung in Betracht – obwohl der Wortlaut von Art. 242 Abs. 1 OR («durch Übergabe der Sache vom Schenker an den Beschenkten») das Gegenteil anzudeuten scheint.39

176

– Sie ist schliesslich auch dann möglich, wenn der Veräusserer (Eigentümer) dem Erwerber (Gläubiger) ein Faustpfandrecht chen Sache einräumen will; doch braucht es hier stets eine Anzeige an den Dritten (hinten Nr. 1890).40 Ist die Sache bereits diesem Dritten verpfändet, müssen die besonderen Regeln über die Nachverpfändung beachtet werden (Art. 886 ZGB und hinten Nr. 1894).41

177

d.

Das Besitzeskonstitut («constitutum possessorium»)

1. Das Besitzeskonstitut («constitutum possessorium»; «le constitut possessoire») wird ebenfalls in Art. 924 Abs. 1 ZGB (zweiter Fall: «der Veräusserer selbst») geregelt. Auch hier liegt gemäss dem Randtitel ein Fall der Besitzübertragung «ohne Übergabe» («sans tradition») vor. Im Unterschied zur Besitzanweisung sind beim Besitzeskonstitut aber lediglich zwei Personen beteiligt. Es dient in erster Linie (aber nicht nur) der Übertragung von Eigentum.42

178

Zum Vergleich: § 930 BGB (Besitzkonstitut) lautet: «Ist der Eigentümer im Besitze der Sache, so kann die Übergabe dadurch ersetzt werden, dass zwischen ihm und dem Erwerber ein Rechtsverhältnis vereinbart wird, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt.»

2. Im Tatbestand von Abs. 1 (zweiter Fall) wird vorausgesetzt, dass «der Veräusserer selbst auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses im Besitz der Sache verbleibt». Im Einzelnen:

179

– Der Veräusserer ist Besitzer der Sache. Blosse Besitzdienerschaft genügt nicht.43

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39 40

41 42 43

StaRK /lindenmann, BeKomm, N 38 zu Art. 924 ZGB; vgl. auch schon eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 387. BGE 63 II 395 f.; StaRK /lindenmann, BeKomm, N 35 zu Art. 924 ZGB. Vgl. im Einzelnen BGE 132 III 155 ff. (165), E. 7.1.1; 109 II 144 ff. (150), E. 3d; 89 II 192 ff. (200), E. 2; StaRK /lindenmann, BeKomm, N 32 zu Art. 924 ZGB; zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 698 ff. zu Art. 884 ZGB. SteinaueR, Band I, Nr. 271b. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 45 zu Art. 924 ZGB. SteinaueR, Band I, Nr. 282b.

44

Der Besitz

– Die Sache bleibt auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses im Besitz des Veräusserers («l’aliénateur lui-même demeure en possession de la chose à un titre spécial»). Die Sache wird also – aus besonderem Grund – nicht physisch auf den Erwerber übertragen. Als besonderes Rechtsverhältnis kommt jedes Rechtsverhältnis in Betracht, auf dessen Grundlage die körperliche Übergabe an den Erwerber unterbleiben kann, namentlich: Miete,44 Gebrauchsleihe,45 Werkvertrag (Reparatur der Sache), Auftrag (zur Verwaltung der Sache), Frachtvertrag und Hinterlegung46 als obligatorische Rechtsgründe, Nutzniessung und Faustpfand als dingliche Rechtsgründe, ferner familienrechtliche Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse.47

181

182

Beispiele: a. A, die vorübergehend in Geldnot steckt, verkauft ihr Auto der B. Da A aber weiterhin für eine bestimmte Zeit das Fahrzeug benutzen möchte, schliesst sie mit B gleichzeitig einen entsprechenden Mietvertrag. Der selbständige Besitz (und damit das Eigentum) geht auf die Erwerberin über, die Verkäuferin behält als Mieterin den (unselbständigen) Besitz am Auto (vgl. Art. 920 Abs. 2 ZGB). Besonderer Rechtsgrund, kraft dessen A im Besitz des Autos verbleibt, ist hier ein Mietvertrag. – b. Tante T schenkt ihrem Neffen N Wertpapiere, will sich aber bis zu ihrem Tod die Erträge daran durch Nutzniessung sichern. Besonderer Rechtsgrund für das Behalten der Papiere ist hier die Nutzniessung.

Das Rechtsverhältnis muss stets insofern ein «besonderes» sein, als es nicht bloss eine Folge der Abwicklung des Hauptgeschäfts (regelmässig: eines Kaufvertrags) sein darf. Wird etwa die Lieferung einer gekauften Sache hinausgeschoben oder ist der Erwerber vorübergehend daran gehindert, die Sache abzuholen, so liegt – aus diesen Gründen allein – kein Hinterlegungsvertrag vor: Besitz und Eigentum gehen in diesem Fall nicht mit Abschluss des Kaufvertrags über.48

183

Illustrativ BGE 53 II 378 ff. (380): « … und es darf vor allem nicht in der blossen Tatsache, dass trotz eines abgeschlossenen Kaufvertrages die betreffende Kaufsache beim Verkäufer verblieben ist, eine zwingende Vermutung für das Vorliegen eines Konstitutes erblickt werden, und zwar selbst dann nicht, wenn der Vertrag vom Verkäufer erfüllt worden ist. Vielmehr ist angesichts des Umstandes, dass die Eigentumsübertragung durch Konstitut sich als Ausnahme darstellt, notwendig, dass Tatsachen namhaft gemacht werden, die zwingend auf das Vorliegen eines solchen ‹besonderen Rechtsverhältnisses› … schliessen lassen.»

– Veräusserer und Erwerber vereinbaren den Besitzesübergang durch Besitzvertrag. Der Vertrag setzt die Handlungsfähigkeit beider Parteien voraus.49

184

Im Fall des Verkaufs einer beweglichen Sache, bei dem der Verkäufer die Sache sofort zurückmietet, um sie eine Zeit lang weiterhin gebrauchen zu können, sind demnach drei Verträge auseinanderzuhalten:50 erstens der Fahrniskauf, zweitens die Miete (die das «besondere Rechtsverhältnis» darstellt) und drittens der Besitzvertrag, also die Einigung über die Übertragung

44 45 46

47

48 49

50

BGE 78 II 207 ff. (211), E. 2. BGE 70 II 199 ff. (204), E. 3. Vgl. auch BGer 4A_262/2014, E. 5.1 (nicht publiziert in BGE 141 III 7 ff.): Gekaufte Pferde verbleiben im Stall des Verkäufers. SteinaueR, Band I, Nr. 284. – Zum Sonderfall eines erst nach Übergabe der Sache auf den Käufer ins Register eingetragenen Eigentumsvorbehalts (hinten Nr. 1106) vgl. BGE 93 III 96 ff. (104), E. 5; StaRK /lindenmann, BeKomm, N 54 zu Art. 924 ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 281d. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 55 und 59 zu Art. 924 ZGB. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 69 i.V.m. N 16 zu Art. 924 ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 287 i.V.m. Nr. 269; eRnSt, BaKomm, N 25 zu Art. 924 ZGB (unter Vorbehalt von Art. 19 Abs. 2 ZGB). Vgl. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 65 ff. zu Art. 924 ZGB.

§ 4 Erwerb und Verlust des Besitzes

45

des selbständigen Besitzes auf den Erwerber unter Belassen des unselbständigen Besitzes beim Veräusserer. Kauf- und Mietvertrag sind obligationenrechtliche Verträge (wobei der Kauf den Rechtsgrund für die Eigentumsübertragung bildet), während der Besitzvertrag einen sachenrechtlichen Rechtsakt darstellt (und nach herrschender Auffassung keinen gültigen Rechtsgrund erfordert; vorne Nr. 155).

3. Die Rechtsfolge besteht darin, dass im Moment der Willenseinigung (genauer: im Zeitpunkt, auf den hin die Parteien dies vereinbaren) der Erwerber selbständigen Besitz an der Sache erwirbt, während der Veräusserer unselbständiger Besitzer wird.

185

Mit dem Besitzesübergang geht auf den Erwerber auch das dingliche Recht (zum Beispiel Eigentum; Art. 714 Abs. 1 ZGB) über, dessen Übertragung die Parteien bezweckt haben.51

Durch das Besitzeskonstitut wird demzufolge mehrfacher Besitz begründet und im Normalfall einfacher Besitz aufgehoben.52 Es kann somit gewissermassen als Gegenstück zur «brevi manu traditio» (vorne Nr. 162) bezeichnet werden.

186

Illustrativ BGE 35 II 42 ff. (48), E. 5 (unter Bezugnahme auf Art. 202 Abs. 1 aOR), wonach das Besitzeskonstitut «bezweckt, ein nutzloses Hin- und Hergeben beweglicher Sachen dadurch zu vermeiden, dass beim Zusammentreffen eines Veräusserungsgeschäftes mit einem anderweitigen Rechtsgeschäfte der Parteien über die gleiche Sache – dem ‹besonderen Rechtsverhältnis› … –, auf Grund dessen die Sache vom neuen Eigentümer (Erwerber) dem bisherigen Eigentümer (Veräusserer) wiederum in Gewahrsam gegeben werden muss, die dabei eigentlich notwendige zweimalige Gewahrsamsübertragung durch eine Vereinbarung ersetzt wird, wonach der bisherige Eigentümer die Sache ohne weiteres als Vertreter des neuen Eigentümers in seinem Gewahrsam behält».

4. Das Besitzeskonstitut ist bestimmten gesetzlichen Schranken unterworfen: – Gemäss Art. 717 Abs. 1 ZGB ist der Eigentumsübergang durch Besitzeskonstitut Dritten gegenüber unwirksam, sofern dadurch deren Benachteiligung beabsichtigt wird oder die Bestimmungen über das Faustpfand umgangen werden sollen (im Einzelnen hinten Nr. 1093).53

188

– Die Bestellung eines Faustpfandes zu Gunsten des Erwerbers durch Besitzeskonstitut ist nicht zulässig, da der Veräusserer als Verpfänder dabei – entgegen den gesetzlichen Vorschriften – die ausschliessliche Gewalt über die Sache behalten würde (vgl. Art. 884 Abs. 1 und 3, Art. 888 Abs. 2 ZGB; im Einzelnen hinten Nr. 1890).54

189

Sehr wohl möglich ist hingegen die Bestellung eines Faustpfandes durch Besitzeskonstitut zu Gunsten des Veräusserers: Er überträgt den Besitz durch Besitzvertrag auf den Erwerber, bleibt aber – als Faustpfandgläubiger – selber unmittelbarer (und nunmehr unselbständiger) Besitzer der verkauften Sache.55

51 52

53

54 55

187

StaRK /lindenmann, BeKomm, N 72 zu Art. 924 ZGB. Vgl. auch StaRK /lindenmann, BeKomm, N 44 zu Art. 924 ZGB; eRnSt, BaKomm, N 22 zu Art. 924 ZGB. Für den Fall einer Sicherungsübereignung vgl. BGE 78 II 207 ff. (212), E. 4; StaRK /lindenmann, BeKomm, N 58 und 73 ff. zu Art. 924 ZGB; hinten Nr. 2020. BGE 55 II 298 ff. (301), E. 3; SteinaueR, Band I, Nr. 281b. StaRK /lindenmann SteinaueR, Band I, Nr. 281b.

46

Der Besitz

– Zulässig ist sodann die Vornahme einer Handschenkung durch Besitzeskonstitut – wiederum entgegen dem, was der Wortlaut von Art. 242 Abs. 1 OR anzudeuten scheint.56

190

C.

Sonderregel für Warenpapiere (Art. 925 ZGB)

191

Für gewisse Warenpapiere stellt das Gesetz in Art. 925 ZGB eine eigene Regel auf.

192

1. Im Tatbestand wird in Art. 925 Abs. 1 ZGB Folgendes vorausgesetzt:

193

– Die Waren werden einem Frachtführer (vgl. Art. 440 ff. OR) oder einem Lagerhaus (vgl. Art. 482 ff. OR) übergeben. Durch die Übergabe wird mehrfacher Besitz begründet: Der Versender/Hinterleger bleibt selbständiger Besitzer, der Frachtführer/Lagerhalter erwirbt unselbständigen Besitz.

194

– Der Frachtführer/Lagerhalter stellt ein Wertpapier aus, das die Ware vertritt. Es geht also – wie der Randtitel von Art. 925 ZGB sagt – um Warenpapiere (Art. 1153 ff. OR).57

195

– Das Wertpapier wird auf den Erwerber übertragen, und zwar in der für diese Art von Wertpapier vorgeschriebenen Form (vgl. Art. 967 Abs. 1 und 2 OR).58

196

2. Als Rechtsfolge ordnet Art. 925 Abs. 1 ZGB an, dass der Erwerber mit der Übertragung des Wertpapiers Besitzer der Ware selbst wird. Es handelt sich hier um einen Sonderfall der Besitzanweisung (vorne Nr. 163 ff.): Der Frachtführer/Lagerhalter besitzt mit der Übertragung des Wertpapiers nicht mehr für den Veräusserer, sondern für den Erwerber. Eine Benachrichtigung des Frachtführers/Lagerhalters ist hier nicht erforderlich, da dieser sich ja durch Ausstellung des Wertpapiers dazu herauszugeben.59

197

3. Einen Sonderfall regelt Art. 925 Abs. 2 ZGB: Steht dem gutgläubigen Empfänger des Wertpapiers ein gutgläubiger Empfänger der Ware selbst gegenüber (hat also gläubigen Dritten, der nicht Inhaber des Wertpapiers ist, zu einem dinglichen Recht übertragen), so geht der Letztere dem Ersteren vor (vgl. auch Art. 933 ZGB und bereits Art. 209 Abs. 2 aOR).

56

57 58 59

BGE 70 II 199 ff. (204), E. 3; 63 II 395 f.; StaRK /lindenmann, BeKomm, N 78 zu Art. 924 zgb; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 91 N 14; SutteR-Somm, Nr. 1272. A.M. hombeRgeR, ZüKomm, N 21 zu Art. 924 ZGB. Vgl. auch BGE 109 II 144 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 296 ff. Jäggi, ZüKomm, Vorbem. zum 7. Abschnitt (vor Art. 1153 OR), N 23 und 64. SteinaueR, Band I, Nr. 298.

47

§ 4 Erwerb und Verlust des Besitzes

D.

Schema 198

(Tradition) Art. 922 f. ZGB

(Traditionssurrogate) Art. 924 ZGB

Übertragung der offenen Besitzlage

Besitzübertragung kurzer Hand

(«longa manu traditio»)

(«brevi manu traditio»)

(in Art. 922 Abs. 2 ZGB mitenthalten)

(im ZGB nicht ausdrücklich geregelt)

Besitzanweisung

Sonderfall: Warenpapiere Art. 925 ZGB

Besitzeskonstitut («constitutum possessorium»)

Art. 924 Abs. 1 ZGB, erster Fall

Art. 924 Abs. 1 ZGB, zweiter Fall

III. Der Verlust des Besitzes Das Gesetz behandelt den Besitzesverlust («la perte de la possession») lediglich in einer (negativ gefassten) Bestimmung: Art. 921 ZGB besagt, dass eine nur vorübergehende Verhinderung oder Unterlassung der Ausübung der tatsächlichen Gewalt den Besitz nicht aufhebt. Die Regeln für den Verlust des Besitzes ergeben sich einerseits aus dieser Norm durch «argumentum e contrario», andererseits aus dem Begriff des Besitzes, seinen Arten und seiner Übertragung.60 Als Grundsatz darf aus Art. 921 ZGB e contrario (und wohl auch aus Art. 919 Abs. 1 ZGB) geschlossen werden, dass der Besitz untergeht, wenn die tatsächliche Gewalt über die Sache aufhört.61 Diese Aussage bedarf jedoch der Differenzierung:

1.

Beispiele: a. Jemand verlegt in seinem Haus ein Buch (es gilt der Grundsatz «Das Haus verliert nichts»). – b. Ein Fahrgast lässt seinen Schirm im Bus liegen.

61 62

200

Der vorübergehende Verlust

1. Art. 921 ZGB setzt im Tatbestand «eine ihrer Natur nach vorübergehende Verhinderung oder Unterlassung der Ausübung der tatsächlichen Gewalt» voraus. Eine Verhinderung oder Unterlassung der Ausübung der tatsächlichen Gewalt hat dann vorübergehenden Charakter («de nature passagère»), «wenn auf Grund der Umstände keit des natürlichen Ablaufs, sei es auf Grund der Lebenserfahrung».62

60

199

tuoR /SchnydeR /Schmid, § 91 N 18. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 1 zu Art. 921 ZGB. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 4 zu Art. 921 ZGB.

201

48

Der Besitz

Nicht die Unterbrechung selbst, sondern ihr Grund muss vorübergehenden Charakter haben: Ein Besitzer, dem eine Sache gestohlen wird, hat demzufolge den Besitz verloren, auch wenn er sie kurze Zeit später zurückbekommt, da der Grund für die Unterbrechung (der Diebstahl) nicht vorübergehender Natur ist.63 202

2. Als Rechtsfolge ordnet Art. 921 ZGB an, dass der Besitz nicht aufgehoben wird. Der bisherige Besitzer behält also trotz des vorübergehenden Verlusts seine Rechtsstellung aus dem Besitz; er kann namentlich die Behelfe des Besitzesschutzes und des Besitzesrechtsschutzes geltend machen.64 Vorbehalten bleiben die in den Art. 926 ff. ZGB (insbesondere in Art. 929 ZGB) für den Besitzesschutz vorgesehenen Befristungen (dazu hinten Nr. 246 ff.).

2. 203

Der dauernde Verlust

1. Aus Art. 921 ZGB lässt sich e contrario schliessen, dass der Besitz verloren geht, wenn die Verhinderung oder Unterlassung der Ausübung der tatsächlichen Gewalt nicht vorübergehend, sondern (ihrer Natur nach) von Dauer ist. Dauernder Besitzesverlust bedeutet aber nach der hier vertretenen Meinung nicht, dass man jeglichen Schutz aus dem Besitz verliert. Gewisse Regeln schützen auch denjenigen, der früher einmal Besitz hatte (vgl. etwa Art. 930 Abs. 2 ZGB).

204

2. Der dauernde Besitzesverlust kann von Seiten des bisherigen Besitzers freiwillig oder unfreiwillig erfolgen:

205

– Der Besitzesverlust ist freiwillig, wenn der Besitzer den Besitz an einer Sache einem Dritten überträgt oder ihn einfach aufgibt. Beispiele: a. Die Besitzerin verkauft ihr Auto und übergibt der Käuferin die Schlüssel. – b. Die Besitzerin wirft ihren defekten Schirm in den Abfall.

– Der Besitzesverlust ist unfreiwillig, wenn dem Besitzer die «Sache gestohlen wird oder verloren geht oder sonst wider seinen Willen abhanden kommt» (Art. 934 Abs. 1 ZGB). Unfreiwilliger Verlust liegt ebenfalls vor, wenn bei mehrfachem Besitz der unselbständige Besitzer von sich aus erklärt, nicht mehr für den selbständigen Besitzer besitzen zu wollen (Eigentumsanmassung). Bei mehrfachem Besitz zieht ausserdem der unfreiwillige Verlust des unselbständigen Besitzes in der Regel den Verlust des selbständigen Besitzes nach sich.

206

Beispiele: a. Einer Besitzerin wird das Auto gestohlen. – b. Jemand verliert beim Tauchen im Murtensee seine Kontaktlinsen.

IV. Weiterführende Literatur 207

– haPPel melchioR, Die Besitzessurrogate im schweizerischen Sachenrecht, Diss. Basel 2012 (Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Band 106). – hindeRling, S. 426 ff.

63 64

SteinaueR, Band I, Nr. 304. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 11 zu Art. 921 ZGB.

§ 4 Erwerb und Verlust des Besitzes

49

– mooSeR michel, Transfert de possession, transfert des risques et entrée en jouissance, in: Schmid Jürg (Hrsg.), Der Grundstückkauf, La vente immobilière, Beiträge der Weiterbildungsseminare der Stiftung Schweizerisches Notariat vom 20. Januar 2009 in Zürich und Lausanne, Zürich/Basel/Genf 2010, S. 217 ff. – niggli WolFgang R., Der Besitz – ein ungeklärter Grundbegriff des schweizerischen Sachenrechts, Zürcher Diss., Basel/Frankfurt am Main 1993. – SutteR-Somm, Nr. 1239 ff. – van de Sandt caRole, L’acte de disposition, Diss. Freiburg 2000 (AISUF Band 197).

V.

Fälle

1. BGE 112 II 113 ff. Der Richter, dem eine Sache zu Beweiszwecken überlassen wird, hat weder die Stellung eines Besitzdieners für den mittelbaren Besitzer, noch ist er unselbständiger Besitzer im Sinn von Art. 924 Abs. 1 ZGB. Eine Besitzanweisung ist demnach ausgeschlossen. 2. BGE 119 IV 319 ff. Sacheinlagevertrag über Möbel; Besitzanweisung? 3. BGE 132 III 155 ff. Übertragung von Besitz an einer Fahrnissache; Voraussetzungen der Besitzanweisung und der Übertragung der offenen Besitzlage; Unzulässigkeit der unselbständigen Vindikationszession als Traditionssurrogat.

208

50

Der Besitz

§ 5 Der Besitzesschutz 209

Einführende Literatur: – R ey, Band I, Nr. 2095 ff. – SteinaueR, Band I, Nr. 313 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 92 N 2 ff.

I.

Die gesetzliche Regelung im Überblick

210

1. Das Gesetz regelt den Besitzesschutz («la protection de la possession») als eine der rechtlichen Wirkungen des Besitzes in den Art. 926 –929 ZGB. Diese Bestimmungen knüpfen an einen gemeinsamen Tatbestand an und sehen gewisse Rechtsfolgen vor:

211

– Gemeinsamer Tatbestand ist die (im weitesten Sinn verstandene) Störung des Besitzes an Fahrnis oder an Grundstücken durch verbotene Eigenmacht.

212

– An diesen Tatbestand knüpft das Gesetz – je nach Art der Störung – eine Reihe von Rechtsfolgen. Sie dienen der Störungsabwehr und erfolgen durch Selbsthilfe oder durch Klagen (sogenannte «possessorische Behelfe»). Hinzukommen können Schadenersatzforderungen. Alle diese Behelfe sind (mit Einschluss der Selbsthilfe) anwendbar ohne Rücksicht darauf, ob die Störung Fahrnissachen oder Grundstücke betrifft (vgl. Art. 937 Abs. 2 ZGB).1 Die Besitzesschutzklagen (namentlich die Störungsklage nach Art. 928 ZGB; hinten Nr. 239 ff.) sind die praktisch wichtigsten Klagen des Besitzesrechts. Zusammenhang mit der Ausübung oder Beeinträchtigung von Dienstbarkeiten (etwa eines Fahrwegrechts oder eines Quellenrechts).

213

2. Geschützt wird jeweils das bestehende Besitzesverhältnis. Es gilt der Grundsatz «Quieta non movere» («Was ruht, soll man nicht aufrühren»). Die Grundüberlegung des Gesetzgebers für diesen Schutz ist eine doppelte: Einerseits soll der Rechtsfriede nicht durch verbotene Eigenmacht beeinträchtigt werden; andererseits indiziert Besitz in der Regel ein bestehendes dingliches Recht, namentlich Eigentum (vgl. Art. 930 ZGB), so dass derjenige, der in seinem Besitz an einer Sache geschützt wird, gleichzeitig auch für sein Eigentum Schutz erhält. In Übereinstimmung mit diesem Grundgedanken verlangt das Gesetz, dass die in ihrem Besitz beeinträchtigte Person sofort nach dem Eingriff (Art. 926 ZGB; hinten Nr. 228) bzw. sofort nach Kenntnis von Eingriff und Täter (Art. 929 Abs. 1 ZGB; hinten Nr. 247) reagiert. Die Rechtsbehelfe zielen nämlich auf eine rasche Wiederherstellung der bestehenden tatsächlichen Verhältnisse ab.

214

3. Geschützte Person ist generell der Besitzer einer Fahrnissache oder eines Grundstücks, sei er dies mittelbar oder unmittelbar, selbständig oder unselbständig. Dem-

1

SteinaueR, Band I, Nr. 317 und 382.

§ 5 Der Besitzesschutz

51

gegenüber kann der Besitzdiener den Besitzesschutz nicht im eigenen Namen, sondern nur im Namen des Besitzherrn (des Besitzers selber) geltend machen.2 Bei mehrfachem Besitz (vorne Nr. 108 ff.) kann sich der unselbständige unmittelbare Besitzer gegenüber dem selbständigen mittelbaren Besitzer auf den Besitzesschutz berufen.3 Umgekehrt stehen dem mittelbaren Besitzer gegen den unmittelbaren Besitzer die Behelfe des Besitzesschutzes nur zur Verfügung, sofern es im Verfahren nicht um die Rechtsfrage über den Umfang der Befugnisse des unmittelbaren Besitzers geht.4

214a

Beispiele: a. Eine Dienstbarkeitsberechtigte erhebt Klage aus Besitzesschutz gegen die Eigentümerin, die sie an der Ausübung der Servitut hindern will.5 – b. Eine Eigentümerin kann mit den Mitteln des Besitzesschutzes gegen einen Nutzniesser vorgehen, der sich das Eigentum an der Sache anmasst. Diese Möglichkeit bleibt ihr hingegen verschlossen, wenn sie dem Nutzniesser stattdessen Missbrauch seines Nutzungsrechts vorwirft, da es hier um die Rechtsfrage geht.6

Bei Mitbesitz (vorne Nr. 115a ff.) ist jeweils zu prüfen, ob der Besitzesschutz auch dem einen gegenüber dem anderen Mitbesitzer zusteht.7

214b

Beispiele: a. Eine (Mit-)Mieterin lässt an den gemeinsam gemieteten Räumlichkeiten ein neues Schloss anbringen und weigert sich, ihrer Mitmieterin die dazugehörigen Schlüssel herauszugeben. Kann Letztere mit den Behelfen des Besitzesschutzes die Herausgabe eines Schlüssels erzwingen?8 – b. Ein Stockwerkeigentümer kann (allein) aus Art. 926 ff. ZGB gegen einen anderen Stockwerkeigentümer vorgehen, der im selben Gebäude einen Massagesalon eröffnet.9

4. Die Rechtsbehelfe richten sich grundsätzlich gegen den Urheber des Eingriffs (den Störer). Die Klage aus Besitzesentziehung (Art. 927 ZGB; hinten Nr. 233 ff.) kann ausserdem gegen einen Dritten eingereicht werden, auf den die Sache vom Täter im Rahmen eines Erbgangs oder einer anderen Universalsukzession übergegangen ist;10 dies gilt nach herrschender Lehre auch für einen bösgläubigen Singularsukzessor.11 Bei der Klage aus Besitzesstörung (Art. 928 ZGB; hinten Nr. 239 ff.) sind neben dem Störer und seinem Universalsukzessor auch Personen passivlegi12 tet wären. Das Abwehrrecht nach Art. 926 ZGB (hinten Nr. 224 ff.) besteht dem-

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9

10 11 12

Zur Frage, inwieweit die Stockwerkeigentümergemeinschaft hinsichtlich der Benutzung der gemeinschaftlichen Anlagen zur Klage aus Besitzesstörung befugt ist, vgl. ZBGR 83/2002, S. 149 ff. (Walliser Kantonsgericht). BGE 40 II 329 ff. (330), E. 1; SteinaueR, Band I, Nr. 330b. BGer 5P.122/2004, E. 2.1 mit Hinweisen auf die Lehre. BGE 83 II 141 ff. (145 f.), E. 3a. StaRK /lindenmann, BeKomm, Vorbem. Besitzesschutz (Art. 926–929 ZGB), N 57. Vgl. dazu StaRK /lindenmann, BeKomm, Vorbem. Besitzesschutz (Art. 926–929 ZGB), N 67 ff.; siehe auch BGer 5P.220/2000, E. 2a; 5A_8/2010, E. 4.4.1. Semjud 93/1971, S. 236 ff. (Genfer Cour de Justice Civile); in casu wurde die Frage bejaht. Vgl. auch BGer 5P.19/2006. LGVE 1989 I Nr. 9, S. 18 f. = ZBGR 77/1996, S. 369 f. (Luzerner Obergericht); vgl. auch m eieRh ayoz/R ey, BeKomm, N 125 f. zu Art. 712a ZGB. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 4 zu Art. 927 ZGB. SteinaueR, Band I, Nr. 341a mit Hinweisen. SteinaueR, Band I, Nr. 364a. Zur Frage, inwieweit eine Person passivlegitimiert ist, wenn nicht sie selbst, sondern die von ihr beauftragte Bauunternehmung die Störung vornimmt (in casu durch die Installation von Eisenankern in den Boden des Nachbargrundstücks), vgl. BGer 5A_176/2009, E. 6.2.3; kritisch dazu bettina hüRlimann-K auP, Die sachenrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2009, ZBJV 147/2011, S. 463 ff. (471).

214ac

52

Der Besitz

gegenüber selbst dann nicht gegen einen Rechtsnachfolger, wenn dieser bösgläubig ist.13 215

5. Die Rechtsbehelfe des Besitzesschutzes («possessorium»), die hier behandelt werden, sind abzugrenzen von den Klagen, bei denen es um die materielle Rechtslage geht («petitorium»).14 Es bleibt zu beachten, dass der Begriff «petitorium» in der Literatur unterschiedlich verstanden wird.15 Entsprechend der vom Bundesgericht verwendeten Terminologie bezeichnet er im Folgenden Klagen, mit denen hinsichtlich der Sache ein dingliches oder obligatorisches Recht geltend gemacht wird.16 Damit fallen neben Vertragsklagen über eine Sache namentlich die Klagen aus dem Eigentum darunter (hinten Nr. 659 ff.).17 Regelmässig ist auch die Besitzesrechtsklage petitorischer Natur (hinten Nr. 282 ff., insbesondere Nr. 285a).

II. Der Tatbestand im Einzelnen 216

Nach dem Gesagten besteht der gemeinsame (Grund-)Tatbestand der Besitzesschutzregeln in einer Störung des fremden Besitzes durch verbotene Eigenmacht (Art. 926 Abs. 1, Art. 927 Abs. 1 und Art. 928 Abs. 1 ZGB). Das ist wie folgt zu verdeutlichen:

217

1. Eine Person stört (im weitesten Sinn) den Besitz einer anderen Person. Diese Störung, die der französische Gesetzestext in Art. 926 Abs. 1 ZGB als «acte d’usurpation ou de trouble» umschreibt, kann bestehen:

218

– in einer Entziehung des Besitzes: Die andere Person wird (mindestens einstweilen) gänzlich um ihren Besitz gebracht; dies kann zum Beispiel gewaltsam oder heimlich geschehen (Art. 926 Abs. 2 ZGB); Beispiele: a. Einer Besitzerin wird eine Uhr gestohlen. – b. Jemand entzieht seiner Nachbarin teilweise den Besitz am Grundstück, indem er über die Grenze baut.18

– oder in einer sonstigen (weniger weit gehenden) Störung (Störung im engeren Sinn), die der anderen Person zwar die tatsächliche Gewalt über die Sache belässt, sie in ihrem Besitz aber dennoch beeinträchtigt.

219

Beispiele: a. Eine Mieterin wird durch eine Nachbarin übermässig in ihrer Ruhe gestört, da diese es sich zur Gewohnheit gemacht hat, bei offenen Fenstern laut Radio zu hören.19 – b. Jemand schneidet auf dem Boden seiner Nachbarin eine elektrische Leitung durch.20 220

2. Die Störung muss durch verbotene Eigenmacht erfolgen (Art. 926 Abs. 1, Art. 927 Abs. 1, Art. 928 Abs. 1, Art. 929 Abs. 1 ZGB), also widerrechtlich sein. Der Störer darf sich mit anderen Worten auf keinen Rechtfertigungsgrund stützen können (wie 13 14 15 16

17

18 19 20

SteinaueR, Band I, Nr. 319. Zur teilweise schwierigen Abgrenzung vgl. den Aufsatz von dieteR zobl (zitiert in Nr. 252). FRanz WebeR (zitiert in Nr. 252), S. 97 ff. Vgl. etwa BGer 5A_859/2010, E. 5.4.2, der die petitorische Klage als «action fondée sur le droit sur ou à la chose» umschreibt. Vgl. z.B. BGE 131 III 418 ff. (420 oben): «rei vindicatio»; BGer 5A_98/2010, E. 4.1.2: Klage aus einem Pachtvertrag. StaRK /lindenmann, BeKomm, Vorbem. Besitzesschutz (Art. 926–929 ZGB), N 16. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 22 zu Art. 928 ZGB. hombeRgeR, ZüKomm, N 6 zu Art. 926 ZGB.

§ 5 Der Besitzesschutz

53

etwa Notwehr, Notstand, Kapprecht nach Art. 687 ZGB, Einwilligung [Vertrag]). Auch das öffentliche Recht kann die Widerrechtlichkeit ausschliessen, sei es, indem es die Störung erlaubt, sei es, weil die Beeinträchtigung des Besitzes mit der Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe unvermeidbar verbunden ist.21 Zum Vergleich: § 858 Abs. 1 BGB lautet: «Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht).»

3. Nicht vorausgesetzt wird die Urteilsfähigkeit oder Handlungsfähigkeit des Störers. Namentlich ist ein Verschulden grundsätzlich kein Tatbestandserfordernis für die Behelfe des Besitzesschutzes (aber eine Voraussetzung für das Entstehen einer Schadenersatzforderung nach Art. 41 OR).22 Ebenso wenig spielt es eine Rolle, ob der Störer die Störungshandlung in eigener Person oder durch andere Personen, durch Sachen oder durch Tiere23 begeht.

221

III. Die Rechtsfolgen 1. Die gesetzliche Ordnung zeigt allgemein, dass verbotene Eigenmacht missbilligt wird. Art. 927 Abs. 1 ZGB lässt erkennen, wie die Rechtslage – unabhängig von einer Klage des beeinträchtigten Besitzers – aussieht: Wer eine Sache einem andehieraus ergibt sich allgemein die sen.

-

2. Im Gesetz steht nicht die blosse Missbilligung des Störerverhaltens im Vordergrund, sondern der Rechtsschutz des beeinträchtigten Besitzers. Liegt eine Störung des Besitzes durch verbotene Eigenmacht vor, so gewähren die Art. 926–929 ZGB (in gewissen zeitlichen Schranken, hinten Nr. 246 ff.) dem Besitzer mehrere Schutzbehelfe: – einerseits ein Abwehrrecht, das ohne gerichtliche Klage ausgeübt werden darf (Art. 926 ZGB; nachfolgend 1.); – andererseits Klagerechte (Art. 927–929 ZGB), also gerichtlichen Rechtsschutz. Die möglichen Klagen zielen teils auf die Beseitigung der Störung oder auf Rückgabe der entzogenen Sache, teils auf Wiedergutmachung (nachfolgend 2.).

21

22

23

222

BGE 135 III 633 ff. (635), E. 3.2. Vgl. auch BGer 5D_101/2015, E. 2: Beschlagnahme von Akten durch die Staatsanwaltschaft. StaRK /lindenmann, BeKomm, Vorbem. Besitzesschutz (Art. 926–929 ZGB), N 39; SutteR-Somm, Nr. 1310. Besitzesschutz wird bei einer Störung durch Tiere also nur gewährt, wenn das Verhalten des Tieres auf menschliches Verhalten zurückzuführen ist; eRnSt, BaKomm, Vorbem. Besitzesschutz (Art. 926–929 ZGB), N 4; SutteR-Somm, Nr. 1310.

223

54

1.

Der Besitz

Das Abwehrrecht (Art. 926 ZGB)

224

Nach Art. 926 Abs. 1 ZGB darf sich jeder Besitzer verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren. Das bedarf der Erläuterung:

225

1. Das Gesetz verleiht dem Besitzer das Recht zur «Abwehr von Angriffen» (Randtitel), also ein Verteidigungsrecht (französischer Randtitel: «droit de défense»). Dieses Recht darf er durch Selbsthilfe ausüben. Es richtet sich:

226

– entweder auf «Besitzwehr» («la légitime défense»; Art. 926 Abs. 1 ZGB). Hier geht es darum, die Entziehung der Sache zu verhindern bzw. die Störung des Besitzes abzuwehren;24 die Besitzwehr hat mit anderen Worten defensiven Charakter.25 Der Besitzer kann sich so lange zur Wehr setzen, wie der Versuch der Entziehung währt oder der Störungszustand andauert.26 Das bedeutet, dass eine Abwehr im Fall der Besitzesentziehung nur in einem engen zeitlichen Rahmen zulässig ist. Eine Störungsquelle bei einer Besitzesstörung darf demgegenüber auch später noch beseitigt werden, wobei ein längerer Zeitraum zwischen Beginn und Beseitigung der Störung auf eine Einwilligung des Besitzers (und damit auf das Fehlen der verbotenen Eigenmacht; vorne Nr. 220) hinweisen kann;27 Beispiele: a. Eine Besitzerin hindert eine Diebin daran, einen Wertgegenstand zu stehlen. – b. Ein ner wegrechtsberechtigten Nachbarin (= Besitzerin des belasteten Grundstücks; vorne Nr. 120a nen, beauftragt die Nachbarin nach einigen Tagen einen Schlosser mit der Demontage.28

– oder auf «Besitzkehr» («le droit de reprise»; Art. 926 Abs. 2 ZGB). Diese Vorschrift behandelt die Konstellation, dass der Angriff abgeschlossen, die Sache mit anderen Worten bereits entzogen worden ist. Zusätzlich zur verbotenen Eigenmacht verlangt das Gesetz hier eine gewaltsame oder heimliche Sachentziehung.29 «Gewalt» liegt nicht nur vor, wenn um den Besitz ein eigentlicher «Kampf» geführt wird, sondern auch, wenn der Störer Hindernisse beseitigt, indem er zum Beispiel eine Tür aufbricht.30 Als «heimlich» ist die Besitzesentzie-

227

ist.31 Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist der beeinträchtigte Besitzer namentlich befugt, den Störer von seinem Grundstück zu vertreiben oder ihm eine bewegliche Sache wieder abzunehmen. Die Besitzkehr hat also offensiven Charakter.32

24 25 26 27

28 29

30 31

32

StaRK /lindenmann, BeKomm, N 7 zu Art. 926 ZGB; eRnSt, BaKomm, N 4 zu Art. 926 ZGB. SutteR-Somm, Nr. 1326. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 10 zu Art. 926 ZGB. eRnSt, BaKomm, N 5 zu Art. 926 ZGB; Pichonnaz, ComRom, N 37 zu Art. 926 ZGB. Vgl. auch StaRK /lindenmann, BeKomm, N 5 zu Art. 926 ZGB. Vgl. BGE 118 IV 291 ff. (292), E. 2a (dazu hinten Nr. 1228 f.). StaRK /lindenmann, BeKomm, N 12 zu Art. 926 ZGB; eRnSt, BaKomm, N 6 zu Art. 926 ZGB; SutteR-Somm, Nr. 1328; SteinaueR , Band I, Nr. 335 f. A.M. hombeRgeR , ZüKomm, N 25 zu Art. 926 ZGB; Wieland, ZüKomm, N 3b zu Art. 926 ZGB. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 12 zu Art. 926 ZGB. SutteR-Somm, Nr. 1328. In Nuancen anders etwa StaRK /lindenmann, BeKomm, N 14 zu Art. 926 ZGB; Pichonnaz, ComRom, N 40 zu Art. 926 ZGB; oSteRtag, BeKomm, N 35 zu Art. 926 ZGB. Zur geringen praktischen Bedeutung dieser Kontroverse vgl. SteinaueR, Band I, Nr. 336, Fn. 43. SutteR-Somm, Nr. 1328.

§ 5 Der Besitzesschutz

55

Beispiele: a. Eine Besitzerin nimmt einer auf frischer Tat ertappten Diebin die entwendete Stereo-Anlage wieder weg. – b. Die Besitzerin eines Grundstücks beseitigt einen gerade erst erstellten Zaun, der sie an der Ausübung ihres Besitzes hindert.33

Dieses Recht auf Besitzkehr besteht jedoch nur insoweit, als der Besitzer, dem die Sache weggenommen worden ist, sofort reagiert. Das ergibt sich aus Art. 926 Abs. 2 ZGB, wonach der beeinträchtigte Besitzer unverzüglich gegen den Täter vorgehen muss («sofort», «… dem auf frischer Tat betroffenen und unmittelbar verfolgten Täter …»). Unterlässt der beeinträchtigte Besitzer eine sofortige Reaktion, steht ihm nur (aber immerhin) noch die Klage aus Besitzesentziehung nach Art. 927 ZGB (sowie allenfalls das Selbsthilferecht gemäss Art. 52 Abs. 3 OR)34 zur Verfügung.

228

2015 wurde im Nationalrat eine Motion (Nr. 15.3531) eingereicht, wonach die Bedingungen (insbesondere die Fristen) von Art. 926 ZGB zu lockern seien, unter denen sich Eigentümer besetzter Liegenschaften ihres Eigentums wieder bemächtigen dürften. Zur Begründung wurde ausgeführt, die vom Bundesgericht verlangte sofortige Reaktion von Seiten des Eigentümers könne Beispiel durch Verlängerung der Reaktionszeit auf 48 oder 72 Stunden). Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion. Er verweist dafür insbesondere auf Wieland, ZüKomm, N 4a zu Art. 926 ZGB, wonach das im Zusammenhang mit Grundstücken verwendete Wort «sofort» nicht zu wörtlich genommen werden dürfe. Die Beurteilung der zeitlichen Schranken müsse vielmehr «nach vernünftigem richterlichen Ermessen» erfolgen; unter Umständen sei Selbsthilfe auch noch nach einigen Tagen möglich. Art. 926 ZGB biete deshalb die nötige Flexibilität für das Abwehrrecht des beeinträchtigten Besitzers.

Wie dargelegt, knüpft das Gesetz an die Besitzkehr strengere Voraussetzungen als an die Besitzwehr; dies rechtfertigt sich deshalb, weil es im ersten Fall um ein offensives Verhalten, im zweiten Fall hingegen nur um Verteidigung geht.35 Um die Zulässigkeit der Selbsthilfe im konkreten Fall beurteilen zu können, muss die

228a

Unterscheidung zwischen Besitzwehr und Besitzkehr ist nach dem Gesagten, ob der Angriff noch andauert (Besitzwehr) oder aber schon abgeschlossen ist (Besitzkehr). Im Einzelfall kann die Abgrenzung allerdings schwierig sein.36 2. In jedem Selbsthilferecht liegt eine Ausnahme zum Normalfall unserer Rechtsordnung, bei dem ein Streit nur durch Anrufung des Gerichts geschlichtet werden darf. Das Gesetz verlangt daher stets vom beeinträchtigten Besitzer, dass er sich jeder nach den Umständen nicht gerechtfertigten Gewalt enthält (Art. 926 Abs. 3 ZGB), also verhältnismässig reagiert.37 Er hat beispielsweise Rücksicht zu nehmen auf die allfällige Minderjährigkeit oder Urteilsunfähigkeit eines Störers.38 Die Möglichkeit, amtliche Hilfe zu erlangen, schliesst das Selbsthilferecht grundsätzlich nicht aus (vgl. demgegenüber Art. 52 Abs. 3 OR); die Umstände können aber die Anrufung der Behörde gebieten.39

33 34 35 36 37 38 39

Vgl. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 16 zu Art. 926 ZGB. Vgl. dazu StaRK /lindenmann, BeKomm, N 17 zu Art. 926 ZGB. SutteR-Somm, Nr. 1328. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 10 zu Art. 926 ZGB. Zur Frage, ob Art. 926 ZGB eine Körperverletzung zu rechtfertigen vermag, vgl. BGer 6S.5/2004. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 21 zu Art. 926 ZGB. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 23 zu Art. 926 ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 333a.

229

56

Der Besitz

Beispiele: a. Über das Grundstück des Eigentümers E führt die Kanalisation der Nachbarin N. E hält die N nicht für berechtigt, ihr Abwasser über sein Grundstück abzuleiten. Verstopft er nun die Kanalisation, so dass sich das Abwasser staut und in die Toiletten und die Duschen der N zurückgedrängt wird, kann er sich nicht auf Art. 926 ZGB berufen. Da er selber durch das Ableiten des Abwassers nur geringfügig gestört wird, müsste er den Rechtsweg beschreiten, statt zur Selbsthilfe zu greifen.40 – b. A und B sind Eigentümer je einer Stockwerkeinheit. A lässt das Schloss des Haupteingangs austauschen, ohne B einen Schlüssel zur Verfügung zu stellen, so dass dieser das Gebäude nicht mehr durch diesen Eingang verlassen kann. Bricht B nun die Tür des Haupteingangs mit einer Brechstange auf, obwohl ihm ein anderer Ausgang zur Verfügung steht und keine Gefahrensituation vorliegt, handelt er mit nach den Umständen nicht gerechtfertigter Gewalt, auch wenn er A zuvor zweimal erfolglos aufgefordert hat, ihm einen Schlüssel auszuhändigen.41 230

3. Inhaber des beschriebenen Abwehrrechts ist nach Art. 926 Abs. 1 ZGB jeder Besitzer. Dies gilt auch dann, wenn der Ursprung des Besitzes dieser Person zweifelhaft ist. Hat jemand jedoch selber den Besitz durch verbotene Eigenmacht erworben (wie etwa der Dieb), so steht ihm gegenüber dem Berechtigten, der vorher Besitzer war und nach Art. 926 Abs. 2 ZGB vorgeht, das Abwehrrecht nicht zu.42

231

4. Das Selbsthilferecht wird ergänzt durch ein Recht auf Schadenersatz aus Art. 41 OR, soweit dem Besitzer ein Schaden entstanden ist (hinten Nr. 238 und 245).

2. 232

Die Klagen des Besitzers nach Art. 927–929 ZGB

Im Folgenden geht es um Besitzesschutz, der nicht durch Selbsthilfe, sondern durch (Klage und) Richterspruch verwirklicht wird. Statt von Besitzesschutzklagen ist auch von possessorischen Klagen die Rede. Sie zielen nur auf die Bewahrung/Wiederherstellung der bisherigen tatsächlichen Situation, ohne dass in diesem Verfahren grundsätzlich das dingliche Recht an der streitigen Sache abschliessend geklärt wird. Ziel ist allgemein die Wahrung oder Wiederherstellung des (vor-)bestehenden Zustandes («Quieta non movere»). Darzustellen sind zunächst die beiden Klagen (A. und B.) und ihre zeitlichen Grenzen (C.). In Anschluss daran werden die Rechtsbehelfe des Besitzers bei Besitzesentziehung oder -störung in einem Schema zusammengefasst (D.) und prozessuale Besonderheiten der possessorischen Klagen behandelt (E.). Pro memoria: Die Besitzesschutzklagen sind zu unterscheiden von den petitorischen Klagen, also von den Klagen, bei denen es um die materielle Rechtslage geht (Nr. 215).

A. 233

Die Klage aus Besitzesentziehung (Art. 927 ZGB)

1. Der Tatbestand von Art. 927 ZGB setzt voraus, dass die Sache dem Besitzer durch verbotene Eigenmacht entzogen worden ist. Der Besitzer hat also die tatsächliche Gewalt über die Sache verloren. Denkbar ist, dass die Sache gewaltsam oder heimlich entzogen wurde, der beeinträchtigte Besitzer jedoch (entgegen Art. 926 Abs. 2 ZGB) nicht sofort reagiert und deshalb sein Selbsthilferecht verwirkt hat.

40 41 42

BGE 128 IV 250 ff. (253 f.), E. 3.2. BGer 6B_343/2016, E. 4.1. SteinaueR, Band I, Nr. 318b.

57

§ 5 Der Besitzesschutz

Beispiele: a. Eine Besitzerin entdeckt das ihr entwendete Auto zwei Tage nach dem Diebstahl in einer Garage. – b. Eine Hausbesitzerin (Eigentümerin eines leerstehenden Hauses) stellt fest, dass Hausbesetzerinnen in die Räumlichkeiten eingedrungen sind und sich dort niedergelassen haben.43

2. Als Rechtsfolge ordnet Art. 927 Abs. 1 ZGB primär die

des Stö-

234

der Sache (Klage aus Besitzesentziehung, «la réintégrande»). Folgendes ist zu beachten: –

235

besseres Recht zielt denn auch darauf ab, den «status quo ante» (der durch verbotene Eigenmacht geändert worden ist) wiederherzustellen. Ob der Beklagte ein besseres Recht an der Sache hat, muss dann allenfalls in einem weiteren Prozess geklärt werden.44 Ausserdem braucht der Kläger die von ihm gewählte Nutzung der Sache nicht zu rechtfertigen.45 In einem Ausnahmefall sieht Art. 927 Abs. 2 ZGB dennoch eine Befugnis des Beklagten vor, die Rückgabe zu verweigern: Das ist ihm dann gestattet, wenn er «sofort sein besseres Recht nachweist und auf Grund desselben dem Kläger die Sache wieder abverlangen könnte» (Idee der Verfahrensökonomie).46 Dies setzt freilich ein «liquides» (offenkundiges oder sofort beweisbares) besseres Recht des Beklagten voraus.

236

Beispiel: Eine Eigentümerin, der die Hündin gestohlen wurde, hat diese heimlich wieder zurückgeholt. Die Diebin verlangt die Rückgabe der Hündin. Auf Grund des implantierten Chips und werden; diese darf die Rückgabe verweigern.

– Die Klage auf Rückgabe der Sache kann nur Erfolg haben, wenn der Beklagte die Sache noch in seinem Besitz hat.

237

– Gemäss Art. 927 Abs. 3 ZGB geht die Klage (nicht nur auf Rückgabe der Sache, sondern) auch auf Schadenersatz. Nach der hier vertretenen Auffassung stellt dies keine eigenständige Haftungsnorm dar; es wird damit vielmehr auf das Haft-

238

47

Vorbehalten bleiben weitere Ansprüche aus Art. 938 ff. ZGB, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind48 (siehe dazu hinten Nr. 335 ff.).

B.

Die Klage aus Besitzesstörung (Art. 928 ZGB)

1. Der Tatbestand von Art. 928 ZGB setzt eine Störung des Besitzes durch verbotene Eigenmacht voraus. «Störung» wird hier in einem engeren, die Entziehung der

43 44 45 46 47

48

BGE 119 Ia 28 ff. BGE 113 II 243 ff. (245), E. 1b. BGE 119 Ia 28 ff. (33 unten), E. 3 (Besetzung eines leerstehenden Hauses). StaRK /lindenmann, BeKomm, N 19 zu Art. 927 ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 346. BGE 66 I 228 ff. (236), E. 3; SteinaueR, Band I, Nr. 354; StaRK /lindenmann, BeKomm, N 26 ff. zu Art. 927 ZGB; so nun auch eRnSt, BaKomm, N 8 zu Art. 927 ZGB. SutteR-Somm, Nr. 1340; SteinaueR, Band I, Nr. 355.

239

58

Der Besitz

Sache nicht mitumfassenden Sinn verstanden: Der Besitzer hat zwar nicht die tatsächliche Gewalt über die Sache verloren, wird (oder wurde) aber doch darin beeinBeispiele: a. Ein Dienstbarkeitsberechtigter hat ein Nutzungsrecht an einer Garage. Es kommt zum Streit mit der Eigentümerin des belasteten Grundstücks über den Zutritt zur Garage, woraufhin die Eigentümerin die Schliessverstrebungen und Schlosszylinder an der Garage entfernt.49 – b. Eine Grundstücksbesitzerin wird durch einen auf dem benachbarten Grundstück gelegenen Miststock belästigt, von dem vor allem bei feuchtwarmem Wetter unerträgliche Gerüche ausströmen.50 – c. Die Besitzerin eines Briefkastens wird durch das Einwerfen von unadressierten Drucksachen und nicht abonnierten Zeitungen, das gegen ihren ausdrücklichen und erkennbaren Willen erfolgt, in ihrem Besitz gestört.51 – d. Im Zusammenhang mit dem Aushub einer Baugrube auf einem Grundstück verTerrain des Nachbargrundstücks hineinragen.52 240

2. Als Rechtsfolge seine Störung zu unterlassen. Klage aus Besitzesstörung nach Art. 928 ZGB («l’action en raison du trouble de la possession»). Folgendes ist zu beachten: –

241

ein besseres Recht Klage zielt darauf ab, den besitzmässigen «status quo ante» (der durch verbotene Eigenmacht beeinträchtigt wird) wiederherzustellen. Ob der Beklagte ein besseres Recht an der Sache hat, bleibt offen und muss dann allenfalls in einem weiteren Prozess geklärt werden.53 Insbesondere ist dem beklagten Störer (anders als im Fall von Art. 927 Abs. 2 ZGB) die Möglichkeit eines sofortigen Nachweises des besseren Rechts abgeschnitten.54 Die Besitzesfrage lässt sich immerhin auch hier nicht vollständig von der Frage nach dem Recht trennen. Soweit es nämlich darum geht zu entscheiden, ob verbotene Eigenmacht vorliegt, muss die materielle Rechtslage berücksichtigt werden.55

242

– Gemäss Art. 928 Abs. 2 ZGB geht die Klage auf Beseitigung der Störung, auf Unterlassung weiterer Störung und auf Schadenersatz. Im Einzelnen:

243

• Dauert die Störung noch an, so ist die Beseitigungsklage gegeben. Die aktuelle Störung soll aufhören, entsprechende Eingriffshandlungen sollen unterlassen werden. Beispiel: Ein Eigentümer lässt auf seinem Grundstück, das mit einem öffentlichen Fahrweg belastet ist, eine Mauer errichten, wodurch die Möglichkeit, den Weg zu befahren, eingeschränkt wird. Die Berechtigte (hier die Gemeinde) erhebt daraufhin Klage auf Beseitigung der Mauer.56

49 50 51 52 53 54

55 56

BGer 5A_114/2007. BGE 85 II 279 ff. SJZ 72/1976, S. 278 f. (Bezirksgericht Zürich). BGer 5A_176/2009. BGE 135 III 633 ff. (636), E. 4.1; 113 II 243 ff. (245), E. 1b. Für eine analoge Anwendung von Art. 927 Abs. 2 ZGB auf die Besitzesstörung immerhin Felix Schöbi, Der Besitzesschutz und die Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO), Eine verpasste Gelegenheit, in: Roland Fankhauser et al. (Hrsg.), Das Zivilrecht und seine Durchsetzung, Festschrift für Professor Thomas Sutter-Somm, Zürich/Basel/Genf 2016, S. 1055 ff. (1057). BGE 135 III 633 ff. (635), E. 3.1. Vgl. dazu auch dieteR zobl (zitiert in Nr. 252), S. 315 ff. LGVE 1979 I Nr. 469, S. 526 f. (Luzerner Obergericht).

§ 5 Der Besitzesschutz

59

• Ist eine Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, so kann auch – präventiv – auf Unterlassung dieser künftigen Störung geklagt werden (Unterlassungsklage für die Zukunft).

244

Beispiel: Eine Nachbarin erhebt gegen den Betrieb einer erst noch zu erstellenden Sportanlage Klage, weil sie übermässige Immissionen befürchtet.57

• Die Schadenersatzklage dient dazu, Folgen der Störung wieder gutzumachen. Die Klage untersteht den allgemeinen Regeln (Art. 41 ff. OR); Schadenersatz ist namentlich nur bei Verschulden des Störers geschuldet.58

245

Beispiel: Das Betreiben einer Arztpraxis wird durch Bauarbeiten an der Zufahrtsstrasse massiv behindert, da die Praxis mit dem Auto überhaupt nicht mehr erreicht werden kann und der Zugang zu Fuss vor allem für ältere und behinderte Personen nahezu unmöglich ist. Bei Verschulden ist der dem Arzt dadurch entstandene Schaden zu ersetzen.59

C.

Zeitliche Grenzen der Besitzesschutzklagen

Das Gesetz stellt in Art. 929 ZGB für die Klage aus verbotener Eigenmacht (also die Klage aus Besitzesentziehung bzw. -störung) zeitliche Grenzen in zweifacher Hinsicht auf:

246

1. Die Klage ist nur zulässig, wenn der Besitzer sofort, nachdem ihm der Eingriff und der Täter bekannt geworden sind, die Sache zurückfordert oder Beseitigung der Störung verlangt (Art. 929 Abs. 1 ZGB). Der Betroffene muss mit anderen Worten unmittelbar nach Kenntnisnahme des Eingriffs und des Täters reagieren (prozessual oder ausserprozessual). Im Prozess trägt er dafür die Beweislast.60

247

2. Nach Art. 929 Abs. 2 ZGB «verjährt» die Klage nach einem Jahr, das mit der Entziehung oder Störung zu laufen beginnt. In Wirklichkeit handelt es sich hierbei um eine Verwirkungsfrist, die nur durch Klage gewahrt werden kann.61 Erhält der Besitzer erst nach Ablauf dieses Jahres Kenntnis vom Eingriff und vom Täter, ist sein Klagerecht aus Besitzesschutz demnach verwirkt.

248

57 58

59 60

61

Max. X, Nr. 718, S. 591 ff. = ZBJV 96/1960, S. 198 f. (Luzerner Obergericht). BGE 99 II 28 ff. (33), E. 3b; SteinaueR, Band I, Nr. 375 f.; StaRK /lindenmann, BeKomm, N 46 zu Art. 928 ZGB; eRnSt, BaKomm, N 8 zu Art. 928 ZGB. BGE 100 II 326 ff. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 5 zu Art. 929 ZGB; LGVE 1976 I Nr. 285, S. 355 f. (Luzerner Obergericht). StaRK /lindenmann, BeKomm, N 10 zu Art. 929 ZGB; SutteR-Somm, Nr. 1335; SteinaueR, Band I, Nr. 351 f.; BGer 5A_658/2009, E. 4. A.M. von tuhR /eScheR, S. 213; Jean-m aRc SchalleR, Zur verspäteten Ausübung ziviler (privatrechtlicher) Nachbarrechte, AJP 2009, S. 1018 ff. (1023).

60

D.

Der Besitz

Schema

249

Rechtsbehelfe des Besitzers bei Besitzesentziehung oder -störung

Abwehrrecht

Besitzesschutzklagen

Klage aus Besitzesentziehung

Klage aus Besitzesstörung

Recht auf Schadenersatz

E.

Prozessuale Besonderheiten

250

1. Bis zum Inkrafttreten der Schweizerischen Zivilprozessordnung am 1. Januar 2011 kam für das Besitzesschutzverfahren kantonales Prozessrecht zur Anwen62 sah. Die ZPO verweist den Besitzesschutz hingegen nicht in ein spezielles Verfahren. Nach den allgemeinen Regeln hat die beeinträchtigte Person damit folgende Möglichkeiten:63

250a

– Bei klaren Verhältnissen steht ihr das summarische Verfahren («Rechtsschutz in klaren Fällen») gemäss Art. 257 ZPO zur Verfügung. Dieses setzt voraus, dass der Sachverhalt unbestritten oder sofort beweisbar ist (Art. 257 Abs. 1 lit. a ZPO) und eine klare Rechtslage vorliegt (Art. 257 Abs. 1 lit. b ZPO). Ein Urteil, welches das Gesuch gutheisst, hat volle materielle Rechtskraft.64 Kann der Rechtsschutz nicht gewährt werden, weil die Sach- oder die Rechtslage nicht liquid ist, tritt das Gericht gemäss Art. 257 Abs. 3 ZPO auf das Gesuch nicht ein. Die klagende Partei hat dann die Möglichkeit, ihren Anspruch im ordentlichen Verfahren geltend zu machen; in diesem Fall kommt Art. 63 ZPO über die Rückdatierung der Rechtshängigkeit zur Anwendung.65

62 63 64 65

Vgl. dazu auch WolFgang eRnSt (zitiert in Nr. 252), S. 102 ff.; hohl, Nr. 1701 ff. Botschaft zur ZPO, BBl 2006, S. 7352. Botschaft zur ZPO, BBl 2006, S. 7352; eRnSt, BaKomm, Vorbem. Besitzesschutz (Art. 926–929 ZGB), N 39. A.M. SutteR-Somm, Nr. 1347, Fn. 3986.

§ 5 Der Besitzesschutz

61

– Die in ihrem Besitz beeinträchtigte Person kann das ordentliche Verfahren beschreiten, und zwar selbst dann, wenn die Voraussetzungen für das summarische Verfahren gemäss Art. 257 ZPO erfüllt sind. In Anbetracht dessen, dass mit dem Besitzesschutz die vorbestehende Rechtslage möglichst rasch wiederhergestellt werden soll, ist dieses Verfahren insofern weniger geeignet als das Verfahren nach Art. 257 ZPO, als gestützt auf Art. 197 ff. ZPO zunächst ein Schlichtungsverfahren durchgeführt werden muss.

250b

Bei einem Streitwert bis zu Fr. 30 000.– kommt das vereinfachte Verfahren nach Art. 243 ff. ZPO zum Zug.66 Auch hier wird ein Schlichtungsverfahren vorausgesetzt (Art. 244 Abs. 3 lit. b ZPO). Zum Gerichtsstand vgl. Art. 29 und 30 ZPO sowie vorne Nr. 80b ff.

2. Der gestörte Besitzer kann darüber hinaus (vor Rechtshängigkeit oder zusammen mit der Klage) vorsorgliche Massnahmen im Sinn von Art. 261 ff. ZPO beantragen,67 über die im summarischen Verfahren zu entscheiden ist (Art. 248 lit. d ZPO). Wird das Gesuch vor Rechtshängigkeit der Besitzesschutzklage eingereicht, setzt das Gericht dem Gesuchsteller gestützt auf Art. 263 ZPO eine Frist zur Klageeinreichung, verbunden mit der Androhung, dass die angeordnete Massnahme bei ungenutztem Ablauf der Frist ohne Weiteres dahinfällt.68

251

Als vorsorgliche Massnahmen können sowohl Sicherungsmassnahmen (etwa die Hinterlegung der Sache bei Gericht) als auch Leistungsmassnahmen (zum Beispiel die Unterlassung weiterer Störung) beantragt werden. Unklar ist, inwieweit das Gericht positive Leistungsmassnahmen – insbesondere die Herausgabe der Sache an den Gesuchsteller bei einer behaupteten Besitzsentziehung – vorsorglich anordnen kann.69 – Zum Gerichtsstand vgl. Art. 13 ZPO und vorne Nr. 80f.

3. Mit Bezug auf die Rechtsmittel gilt Folgendes: – Gegen den Entscheid der ersten Instanz steht sowohl für das summarische als auch für das ordentliche (bzw. vereinfachte) Verfahren die Berufung nach Art. 308 ff. ZPO offen; liegt der Streitwert allerdings unter Fr. 10 000.–, ist lediglich die Beschwerde nach Art. 319 ff. ZPO gegeben (Art. 308 Abs. 2 i.V.m. Art. 319 lit. a ZPO).

251b

– Der im Rahmen des Rechtsschutzes in klaren Fällen oder im ordentlichen (bzw. vereinfachten) Verfahren ergangene letztinstanzliche kantonale Entscheid schliesst das Verfahren in prozessualer Hinsicht ab. Damit steht nach Art. 90 BGG die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht offen, sofern die Streitwertgrenze von Fr. 30 000.– gegeben ist (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG; zur Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nach Abs. 2 lit. a der Norm siehe sogleich).70

251c

Wann ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid über vorsorgliche Massnahmen einen Endentscheid im Sinn von Art. 90 BGG darstellt, ist nicht vollständig geklärt.71 Liegt bloss ein Vor- oder

66 67 68

69 70

71

251a

Zur Berechnung des Streitwerts vgl. WolFgang eRnSt (zitiert in Nr. 252), S. 105. BGer 5A_859/2010, E. 4.2; hohl, Nr. 1703 und 1707. Zur Frage, ob eine Prosequierung in jedem Fall erforderlich ist, vgl. WolFgang eRnSt (zitiert in Nr. 252), S. 108. SutteR-Somm, Nr. 1349 f. mit Hinweisen. Die Besitzesschutzklagen gehören zu den Zivilsachen mit Vermögenswert; vgl. etwa BGer 5A_458/2010, E. 1.2; 5A_114/2007, E. 1.2. WolFgang eRnSt (zitiert in Nr. 252), S. 109; das Bundesgericht hat die Frage in BGer 5A_98/2010, E. 1.1, offengelassen.

62

Der Besitz

Zwischenentscheid vor, ist die Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nur gegeben, wenn der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann.72

Entscheide, die lediglich den Besitzesschutz zum Gegenstand haben (Art. 927 Abs. 1 und 928 ZGB), sind nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung vorsorgliche Massnahmen im Sinn von Art. 98 BGG. Vor Bundesgericht kann deshalb nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden, und es gilt das Rügeprinzip gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG.73

251d

Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die Beschwerde in Zivilsachen gestützt auf Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG (Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung) ausgeschlossen, wenn dieselbe Rechtsfrage auch mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde nach Art. 113 ff. BGG aufgeworfen werden und vom Bundesgericht mit derselben Kognition wie bei der Beschwerde in Zivilsachen geprüft werden kann.74 Das trifft nach dem Gesagten auf Entscheide über den Besitzesschutz (mit Ausnahme von Art. 927 Abs. 2 ZGB) zu, so dass sich die Prüfung, ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, von vornherein erübrigt.75 Das Bundesgericht lässt auf Grund der identischen Kognition im Übrigen auch regelmässig offen, ob der Streitwert erfüllt ist und damit die Beschwerde in Zivilsachen zur Verfügung steht.76 251e

251f

4. Nach Art. 258 Abs. 1 ZPO kann eine an einem Grundstück dinglich berechtigte Person ein gerichtliches Verbot beantragen, dass jede Besitzesstörung zu unterlassen ist und eine Widerhandlung auf Antrag mit einer Busse bestraft wird. Hier geht es nicht um eine konkrete Besitzesstörung durch eine bestimmte Person, sondern um ein allgemeines Verbot, mit dem jede denkbare Störung untersagt werden kann (wie beispielsweise «Fussballspielen verboten»).77 Will der Gesuchsteller hingegen lediglich eine Störung durch von vornherein feststehende Personen (zum Beispiel seine Nachbarn) untersagen lassen, muss er über ein kontradiktorisches Verfahren vorgehen; für den Erlass eines allgemeinen Verbots fehlt es ihm an einem schützenswerten Interesse.78 Das gerichtliche Verbot erwächst nicht in materielle Rechtskraft. Wird es von einem beschuldigten Störer in einem Strafverfahren angefochten, muss das Gericht deshalb die Rechtmässigkeit des Verbots überprüfen.79

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79

Nach BGer 5A_98/2010, E. 1.1, liegt ein solcher Nachteil bei einer Besitzesentziehung ohne Weiteres vor, weil der Besitz nicht rückwirkend eingeräumt werden kann. BGE 133 III 638; hohl, Nr. 1709 f. Zu Recht kritisch WolFgang eRnSt (zitiert in Nr. 252), S. 104 f. BGE 134 I 184 ff. (186 ff.), E. 1 = Pra 97/2008, Nr. 138, S. 875 ff.; 138 I 232 ff. (236), E. 2.3. BGer 5A_458/2010, E. 1.2; 5A_658/2009, E. 1.2; anders noch BGer 5A_114/2007, E. 1.2 und 1.4. Vgl. etwa BGer 5A_8/2010, E. 1.1; 5A_858/2010, E. 1; 5A_859/2010, E. 1.2. BBl 2006, S. 7352 f. – Zur Möglichkeit, gegen das gerichtliche Verbot Einsprache zu erheben, vgl. Art. 260 ZPO. eRnSt, BaKomm, Vorbem. Besitzesschutz (Art. 926–929 ZGB), N 48 mit Hinweisen; ZR 112/2013, Nr. 5, S. 34 ff. (37), E. C (Zürcher Obergericht). BGE 141 III 195 ff. (198), E. 2.2.

§ 5 Der Besitzesschutz

63

IV. Weiterführende Literatur – eRnSt WolFgang, Possessorischer Besitzschutz und eidgenössischer Zivilprozess, recht 2011, S. 101 ff. (weitgehend gleich auch in BaKomm, N 35a ff. der Vorbem. zu Art. 926–929 ZGB). – hindeRling, S. 448 ff. – PoRtmann Ruedi, Der Besitzesschutz des schweizerischen Zivilgesetzbuchs, mit Kurzdarstellung des Besitzschutzverfahrens nach der Zivilprozessordnung des Kantons Luzern, Diss. Zürich 1997. – RuSch aRnold F./K lauS PhiliPP, Der zugeparkte Parkplatz, Jusletter vom 28. September 2015. – Schöbi Felix, Der Besitzesschutz (Art. 926–929 ZGB), Bemerkungen zu einer gesetzgeberischen Fehlleistung, Diss. Bern 1987 (ASR Heft 512). – SutteR-Somm, Nr. 1309 ff. – WebeR FRanz, Die Besitzesschutzklagen, insbesondere ihre Abgrenzung von den petitorischen Klagen, Diss. Freiburg 1975. – zobl dieteR, Zum Verhältnis Besitzesschutz und Rechtsschutz, in: Rechtsschutz, FS für Guido von Castelberg, Zürich 1997, S. 303 ff.

V.

252

Fälle

1. LGVE 1985 I Nr. 28, S. 47 ff. (Luzerner Obergericht) Einbau einer 6 cm hohen, u-förmigen Eisenschwelle in die Zufahrtsstrasse zu einem Grundstück durch den Grundstücksmieter, die der wegberechtigte Nachbar jedes Mal, wenn er sein eigenes Grundstück verlässt, überqueren muss. Abgrenzung des Besitzesschutzes von der Klage aus dem Recht. 2. ZBGR 83/2002, S. 146 ff. (Walliser Kantonsgericht) Klage aus Besitzesstörung, wenn ein Stockwerkeigentümer oder ein Dritter, dem ein Mitglied der Stockwerkeigentümergemeinschaft ein Benutzungsrecht an einem gemeinschaftlichen Teil eingeräumt hat, die anderen Stockwerkeigentümer in ihrem Besitz an diesem gemeinschaftlichen Teil stört. Aktivlegitimation der Stockwerkeigentümergemeinschaft. Passivlegitimation des Betreibers eines Restaurants, der über das Patent eines Dritten verfügt. 3. BGE 40 II 329 ff. Der Mieter eines Hauses darf eine Vitrine entfernen, die ein Dritter mit Zustimmung des Eigentümers an der Aussenwand des Hauses angebracht hat und die das Schaufenster des Mieters beeinträchtigt. 4. BGE 135 III 633 ff. (vgl. auch den Entscheid der Vorinstanz, ZWR 2010, S. 151 ff.) Eine Besitzesstörung kann durch eine Bestimmung des öffentlichen Rechts gerechtfertigt werden mit der Konsequenz, dass keine verbotene Eigenmacht vorliegt. In durch ein kommunales Bau- und Zonenreglement gestattet.

253

64

Der Besitz

5. BGer 5A_8/2010, E. 4.4 Gesamtbesitz an einem Schliessfach: Ein Besitzer, der eine Sache mit anderen als Gesamtbesitzer besitzt, nimmt in Kauf, dass die übrigen Besitzer ihm den Zugriff auf die Sache verweigern. Gegenüber einem anderen Gesamtbesitzer steht ihm der Besitzesschutz nur zu, wenn er nachweist, dass der Störer seine aus dem Gesamtbe-

§ 6 Der Besitzesrechtsschutz

65

§ 6 Der Besitzesrechtsschutz Einführende Literatur: – R ey, Band I, Nr. 1759 ff. und 2113 ff. – SteinaueR, Band I, Nr. 379 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 92 N 13 ff.

I.

254

Die gesetzliche Regelung im Überblick

1. Das Gesetz regelt den Besitzesrechtsschutz («la protection du droit par la possession») in den Art. 930–937 ZGB. Diese Bestimmungen geben Auskunft über die Frage, inwieweit sich der Besitzer einer Sache auf seinen Besitz berufen kann, um Rechte zu schützen, die er an der Sache zu haben behauptet.1 Es geht mit anderen Worten regelmässig darum, einen Streit um Rechte zu schlichten, und zwar unter Mithilfe von Regeln über den Besitz.2 Gestritten wird also um das Eigentum, um beschränkte dingliche Rechte oder um persönliche Rechte hinsichtlich einer Sache.

255

Die Regeln über den Besitzesrechtsschutz (und namentlich die Fahrnisklage; hinten Nr. 282 ff.) sind zu unterscheiden von den Bestimmungen über den Besitzesschutz (und namentlich von den possessorischen Klagen): Letztere dienen dazu, den vorherigen Zustand wiederherzustellen («quieta non movere», Art. 926–929 ZGB), und zwar weitestgehend unter Verzicht auf die Klärung der an der Sache bestehenden Rechte (Ausnahme: Art. 927 Abs. 2 ZGB).

2. Die Bestimmungen über den Besitzesrechtsschutz betreffen in erster Linie Fahrnissachen; lediglich in Art. 937 ZGB geht es um Grundstücke. Im Folgenden stehen daher Auseinandersetzungen um Fahrnis im Vordergrund; nur ausnahmsweise wird auf die Rechtslage beim Streit um Grundstücke eingegangen.

256

3. Das Gesetz sieht mehrere Mittel zum Schutz der Rechte als Folge des Besitzes vor. Sie lassen sich einteilen in:

257

– einerseits Vermutungen, geregelt in Art. 930–931 ZGB sowie Art. 937 ZGB (nachfolgend II.); – andererseits besondere Verteidigungs- und Angriffsmöglichkeiten (Defensiv-, Offensiv- und Translativwirkung des Besitzes), geregelt in Art. 932–936 ZGB (nachfolgend III. und IV.). Ein besonders wichtiger Angriffsbehelf ist die sogenannte Besitzesrechtsklage (Fahrnisklage). Sie wird der Klage aus dem Eigentum gegenüberzustellen sein (nachfolgend V.).

1 2

SteinaueR, Band I, Nr. 379. dieteR zobl (zitiert in Nr. 333), S. 313 f.

66

Der Besitz

II. Die Vermutungen 258

259

1. In einer Auseinandersetzung um Fahrnis kommt – wie bei jedem Prozess – der Verteilung der Beweislast Beweislastregel von Art. 8 ZGB wird durch gesetzliche Vermutungen (teilweise) abgeändert. Solche Vermutungen sind in Art. 930–931 ZGB zu Gunsten des Besitzers einer beweglichen Sache enthalten. Die Regeln beziehen sich also stets auf den Fahrnisbesitz. Art. 937 Abs. 1 ZGB ergänzt «hinsichtlich der in das Grundbuch aufgenommenen Grundstücke», dass «eine Vermutung des Rechtes und eine Klage aus dem Besitze nur für denjenigen [besteht], der eingetragen ist» (dazu hinten Nr. 598 ff.).

260

2. Damit diese Vermutungen aus dem Fahrnisbesitz überhaupt zum Zuge kommen, müssen nach Lehre und Rechtsprechung folgende zwei Voraussetzungen erfüllt sein:3

261

– Einerseits muss die Art des Besitzes die Vermutung des Rechts rechtfertigen.4 Der Besitzeserwerb darf namentlich nicht gewaltsam, heimlich oder zweideutig erfolgt sein, also – kurz gesagt – in irgendeiner Weise verdächtig erscheinen.5 Im Streitfall ist der Besitzer gehalten, die Herkunft seines Besitzes zu erläutern6 der die Eigentumsvermutung bestreitet, die der Vermutung entgegenstehenden Umstände behaupten und beweisen, die Rechtsprechung stellt aber keine strengen Anforderungen an diesen Beweis.7 Beispiele: a. Die Diebin eines Edelsteins kann sich nicht auf die Vermutung von Art. 930 Abs. 1 ZGB berufen.8 – b. Der tschechische Staatsangehörige R. versteckt in einer Wandverschalung des Zuges Zürich–Prag zum Zweck des Devisenschmuggels Geld in verschiedenen Währungen. Er wird von Bahnbeamten überrascht, als er im Begriff ist, die Devisen aus dem Versteck wieder herauszunehmen. Die SBB ziehen das Geld ein. R. kann sich für die Rückforderung nicht auf die Eigentumsvermutung nach Art. 930 ZGB berufen, da sein Besitz in hohem Grad mangelhaft ist.9 – c. Ein Ehegatte kann sich im Zwangsvollstreckungsverfahren gegenüber dem anderen Ehegatten (unabhängig vom Güterstand) bezüglich der zum gemeinsamen Haushalt gehörenden Sachen nicht auf die Vermutung des Alleineigentums berufen.10 – d. Wer mit einer Erblasserin zusammengelebt hat und nun ein Gemälde besitzt, das der Erblasserin gehörte, kann aus dem Besitz (allein) keine Eigentumsvermutung herleiten.11 Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung spricht eine natürliche Vermutung gegen die Schenkung «hochwertiger Gegenstände».12 – e. In einer von der X. gemieteten Wohnung, in der A. und B. mit Drogen handelten, beschlagnahmt die Polizei während eines Auslandsaufenthalts von X. unter anderem eine verschlossene Kas-

3 4 5

6

7 8 9 10 11 12

SteinaueR, Band I, Nr. 391 ff. BGE 141 III 7 ff. (10), E. 4.3; 135 III 474 ff. (478), E. 3.2.1. BGE 141 III 7 ff. (10 f.), E. 4.3 mit Hinweis auf die bis anhin vom Bundesgericht zu beurteilenden Fälle von zweideutigem Besitz; 84 II 253 ff. (261), E. 3; 68 II 24 ff. (27 ff.), E. 4; BGer 5A_521/2008, E. 2; 6B_474/2016, E. 3.4; StaRK /lindenmann, BeKomm, N 4 ff. zu Art. 930 ZGB. BGE 141 III 7 ff. (10), E. 4.3; 135 III 474 ff. (479), E. 3.2.2; 81 II 197 ff. (205), E. 7a; BGer 6B_474/2016, E. 3.4. BGE 141 III 7 ff. (10), E. 4.3 mit Hinweisen. Vgl. auch BGE 120 Ia 120 ff. (122), E. 1b. BGE 68 II 24 ff. BGE 116 III 32 ff. (34 f.), E. 2; vgl. auch BGE 71 II 255 f.; BGer 5A_209/2014, E. 7.3. Vgl. auch StaRK /lindenmann, BeKomm, N 14 zu Art. 930 ZGB. BGE 141 III 7 ff. (11), E. 4.3.

§ 6 Der Besitzesrechtsschutz

67

sette, die neben Geldscheinen in verschiedenen Währungen auch den Pass von X. enthält. Weil der Besitz von X. im besten Fall zweideutig ist, kann sie sich nicht auf Art. 930 Abs. 1 ZGB berufen, um die im Rahmen des Strafverfahrens gegen A. und B. erfolgte Einziehung der Geldscheine nach Art. 79 StGB zu verhindern.13

– Andererseits muss das geltend gemachte Recht seiner Natur nach den Besitz mitumfassen.

262

Dies trifft beispielsweise zu auf Eigentum, Nutzniessung oder Pfandrecht, ebenso auf die persönlichen Rechte der Entlehnerin, Mieterin oder Aufbewahrerin (nicht hingegen auf die Rechte aus einem Kaufs- oder Vorkaufsrecht).

3. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so lassen sich Vermutungen bei selbständigem Besitz (Randtitel zu Art. 930 ZGB: «Vermutung des Eigentums») und solche bei unselbständigem Besitz (Randtitel zu Art. 931 ZGB) unterscheiden. Diese Vermutungen beruhen auf der gesetzgeberischen Überlegung, dass der Besitz normalerweise die äussere Erscheinungsform eines dahinter stehenden Rechts an der betreffenden Fahrnissache (namentlich des Eigentums) darstellt; sie hängen demnach mit dem Publizitätsprinzip zusammen14 (vorne Nr. 63 ff. und 81 f.). Im Einzelnen:

1.

263

Die Vermutung aus selbständigem Besitz

Art. 930 ZGB stellt entsprechend seinem Randtitel eine Vermutung des Eigentums auf. Diese Vermutung gilt für den selbständigen Besitzer – also für jene Person, welche die bewegliche Sache besitzt in der Meinung oder mit der Behauptung, ihr Eigentümer zu sein (Art. 920 Abs. 2 ZGB) –, und zwar in doppelter Weise:

264

1. Die Vermutung hat einerseits Geltung für den gegenwärtigen Besitzer einer beweglichen Sache (Art. 930 Abs. 1 ZGB). Hier vermutet das Gesetz, der Besitzer sei auch der Eigentümer.15 Weitergehend lässt sich sagen: Aus alleinigem Besitz folgt die Vermutung des alleinigen Eigentums, aus Mitbesitz die Vermutung des gemeinschaftlichen Eigentums, und zwar des Miteigentums, weil Gesamteigentum eine besondere Rechtsgemeinschaft voraussetzt (hinten Nr. 791 ff.).16 Die gesetzliche Vermutung hat zur Folge, dass jene Person, die das Eigentumsrecht des Besitzers bestreiten will, die Beweislast dafür trägt, dass der Besitzer nicht Eigentümer ist (Beweis des Gegenteils) oder dass der Besitz selber mangelhaft ist und die Vermutung nicht rechtfertigt (Gegenbeweis; Zerstörung der Vermutungsbasis; vorne Nr. 261).17 Insofern enthält Art. 930 Abs. 1 ZGB eine Sonderregel mit Bezug auf die Beweislast. Es gilt der Grundsatz «Melior est conditio possidentis»

265

Beispiel: Eine selbständige Hundebesitzerin kann sich einer Dritten gegenüber, die das Tier als ihr Eigentum herausverlangt, auf die Eigentumsvermutung nach Art. 930 ZGB berufen. Die Dritte muss

13 14 15

16 17

BGer 6B_474/2016, E. 3.4. StaRK /lindenmann, BeKomm, Vorbem. Rechtsschutz (Art. 930–937 ZGB), N 23. Vgl. auch BGE 120 Ia 120 ff. (121 f.), E. 1b; zur Vermutung bei Inhaberaktien siehe BGE 123 IV 132 ff. (140 f.), E. 4d; zur Vermutung bei Inhaberschuldbriefen vgl. BGer 5C.11/2005, E. 3.2.1. BGE 116 III 32 ff. (34 f.), E. 2. Vgl. auch BGer 5A_209/2014, E. 7.3. Zur Gerichtspraxis hinsichtlich der Intensität der Eigentumsvermutung bei unklaren Verhältnissen vgl. BGer 5P.391/2006, E. 6.

266

68

Der Besitz

dann entweder ihr Eigentum nachweisen oder aber aufzeigen, dass der Besitz der anderen mangelhaft ist (zum Beispiel weil diese den Hund gestohlen hat). 267

Die Vermutung richtet sich nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung auch gegen den früheren Besitzer, der behauptet, er habe nur Besitz (aber kein Eigentum) übertragen.18

268

2. Sie gilt andererseits auch für den früheren Besitzer einer Sache. Hier vermutet Art. 930 Abs. 2 ZGB, der frühere Besitzer sei in der Zeit seines Besitzes Eigentümer der Sache gewesen. Beispiel: Eine frühere Besitzerin verlangt eine Sache von der gegenwärtigen Besitzerin als ihr Eigentum heraus. Die jetzige Besitzerin beruft sich auf die Vermutung von Art. 930 Abs. 1 ZGB. Kann die frühere Besitzerin diese Vermutung widerlegen (zum Beispiel weil die Beklagte den Besitz auf Grund eines ungültigen Kaufvertrags mit der Klägerin erlangt hat), so dringt sie mit ihrer Klage durch, und zwar gestützt auf Art. 930 Abs. 2 ZGB und die Überlegung, dass ihr Recht andauert, solange nicht eine Dritte Eigentum an der Sache erworben hat.19

2.

Die Vermutung aus unselbständigem Besitz

269

Mit dieser Konstellation befasst sich Art. 931 ZGB (vgl. den Randtitel). Wiederum sieht das Gesetz eine doppelte Vermutung vor:

270

1. Verlangt ein Dritter die Herausgabe der Sache, so kann der unselbständige Besitzer gemäss Art. 931 Abs. 1 ZGB die Vermutung des Eigentums dessen geltend machen, von dem er die Sache «in gutem Glauben empfangen hat» (genauer: vom dem er sein Recht ableitet)20. Streng genommen stellt Art. 931 Abs. 1 ZGB keine neue Vermutung auf, sondern erweitert den Kreis der Personen, die sich auf die Vermutung des Art. 930 Abs. 1 ZGB berufen dürfen.21 Beispiel: Die Mieterin eines Autos beruft sich gegenüber einer Dritten, die den Wagen als ihr Eigentum herausverlangt, auf die Vermutung des Eigentums der Vermieterin. Es ist nun Sache der Dritten, diese Vermutung zu widerlegen.

271

2. Laut Art. 931 Abs. 2 ZGB kann der unselbständige Besitzer die Vermutung eines eigenen beschränkten dinglichen oder eines persönlichen Rechts geltend machen. Dies gilt allerdings nur im Verhältnis zu Dritten und nicht auch gegenüber jener Person, von welcher der unselbständige Besitzer die Sache erhalten hat. Mit anderen Worten: Der unselbständige Besitzer kann sich dem selbständigen Besitzer gegenüber auf die Vermutung des beschränkten dinglichen oder persönlichen Rechts nicht berufen.22

18

19 20 21 22

BGE 141 III 7 ff. (9 f.), E. 4.2; 54 II 244 ff. (245 f.), E. 2; SteinaueR, Band I, Nr. 401a. A.M. etwa a Rnold F. RuSch /PhiliP R. boRnhauSeR, Schenkung und Eigentumsvermutung, Urteilsanmerkung zum Urteil des Bundesgerichts 4A_262/2014 vom 2. Dezember 2014 (…), Jusletter vom 23. März 2015, Rz. 7 ff.; WalteR, BeKomm, N 413 f. zu Art. 8 ZGB. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 45 zu Art. 930 ZGB. hombeRgeR, ZüKomm, N 5 zu Art. 931 ZGB. SteinaueR, Band I, Nr. 408. Vgl. auch BGE 54 II 244 ff. (245 f.), E. 2.

§ 6 Der Besitzesrechtsschutz

69

Beispiel: Eine Schuldnerin hat ihren Schmuck verpfändet. Die Pfandgläubigerin kann sich gegenüber einer Dritten, die den Schmuck als ihr Eigentum herausverlangt, auf die Vermutung ihres Pfandrechts berufen. Im Verhältnis Pfandgläubigerin–Pfandschuldnerin besteht diese Vermutung hingegen nicht.

III. Die Defensivwirkung des Besitzes 1. Art. 932 ZGB befasst sich mit dem Tatbestand, dass jemand gegen den Besitzer einer beweglichen Sache auf deren Herausgabe klagt.

272

2. Als Rechtsfolge ordnet das Gesetz an, dass sich der Fahrnisbesitzer «gegenüber jeder Klage auf die Vermutung zugunsten seines besseren Rechtes berufen» kann. Der beklagte Besitzer braucht also lediglich seinen Besitz geltend zu machen; das Vorliegen des behaupteten Rechts wird dann ohne Weiteres angenommen. Es ist mit anderen Worten Sache des Klägers zu beweisen, dass dieses Recht des Besitzers nicht besteht. Insofern lässt sich sagen, der Fahrnisbesitz entfalte Defensivwirkung. Beizufügen bleibt:

273

– Nach bundesgerichtlicher Auffassung kann sich der Besitzer einer beweglichen Sache nicht nur dann auf die Rechtsvermutung zu seinen Gunsten berufen, wenn er in der Beklagtenrolle ist, sondern auch für den Fall, dass er selbst klagt, so zum Beispiel mit der «actio negatoria» oder einer Klage zur Feststellung seines bestrittenen Rechts.23 24 teidigungsstellung.

274

– Die Defensivwirkung entfällt, wenn der Beklagte den Besitz durch eigenmäch-

275

Genau genommen, enthält Art. 932 ZGB keine neue Bestimmung. Er sagt lediglich noch einmal ausdrücklich, was sich aus den anderen Artikeln des Besitzesrechts bereits ergibt.25

IV. Der Erwerb des Besitzes von einem Nichtberechtigten Nach der Schilderung des Problems (nachfolgend 1.) wird die gesetzliche Lösung im Allgemeinen vorgestellt (2.). Alsdann ist auf die Rechtsstellungen des gut- und des bösgläubigen Erwerbers im Einzelnen einzugehen (3. und 4.). Den Abschluss bildet eine schematische Übersicht (5.). Getrennt behandelt wird die Verantwortlichkeit des unrechtmässigen Besitzers (Nr. 335 ff.).

1.

Das Problem

1. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf den Fall, dass eine Person den Besitz von einer anderen Person erwirbt. Zwei Fälle sind zu unterscheiden:

23 24 25

276

BGE 52 II 46 ff. (50), E. 1. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 92 N 23. Statt vieler hombeRgeR, ZüKomm, N 1 zu Art. 932 ZGB.

277

70

Der Besitz

– Im Normalfall erhält der Erwerber die Sache vom Berechtigten: von einer Person, die zur Übertragung des Besitzes (und auch des dahinter stehenden Rechts) befugt ist.

278

Beispiel: A (Eigentümerin) hat die Sache der B (Erwerberin) verkauft und erfüllt den Kaufvertrag (Art. 184 Abs. 1 OR) durch Übertragung des Besitzes und damit des Eigentums auf B (Art. 714 Abs. 1 ZGB). Dazu ist A als Eigentümerin gemäss Art. 641 Abs. 1 ZGB befugt (immer vorausgesetzt, es liege keine gesetzliche Eigentumsbeschränkung vor [hinten Nr. 686 ff. und 918 ff.]).

– Im pathologischen Fall ist der Übertragende zur Übertragung der Sache nicht berechtigt.

279

Beispiele: a. A ist Eigentümerin der Sache und hat sie der B in Gebrauchsleihe gegeben. B ist also Entlehnerin (nicht Eigentümerin) und dürfte deshalb die Sache nicht einer Dritten übereignen. Statt sie der A zurückzugeben, verkauft und übereignet B die Sache der C. – b. A ist Eigentümerin der Sache, doch hat ihr B die Sache gestohlen. Nun verkauft und übergibt B die Sache der C. 280

2. Im vorliegenden Zusammenhang interessiert der zweite, pathologische Fall: der Erwerb einer Fahrnissache von einer Person, die zur Übertragung der Sache nicht befugt ist, oder kurz: der Erwerb vom Nichtberechtigten. Aus sachenrechtlicher Sicht im Vordergrund steht hier die Frage, unter welchen Voraussetzungen der frühere Berechtigte die Sache vom Erwerber wieder herausverlangen darf. Zu unterscheiden sind also drei Beteiligte: der frühere Berechtigte, der Übertragende und der Erwerber/jetzige Besitzer.

Im römischen Recht bestand der Grundsatz, dass niemand mehr Rechte übertragen kann, als er selber hat («Nemo plus iuris ad alium transferre potest quam ipse habet»). Dieses Prinzip gilt zwar auch im schweizerischen Recht,26 wird hier jedoch erheblich relativiert.

281

2.

Die gesetzliche Lösung im Allgemeinen

A.

Die einschlägigen Normen

282

1. Das Rückforderungsrecht des früheren Besitzers ist in den Art. 933–936 ZGB (vgl. die Randtitel!) geregelt. Diese Bestimmungen gehen historisch auf die Art. 205– 209 aOR zurück.27 Sie enthalten in Art. 934 und 936 ZGB die sogenannte Besitzesrechtsklage (Fahrnisklage; «l’action mobilière»):28 die Klage des früheren Besitzers gegen den derzeitigen Besitzer, der die Sache von einem Unberechtigten übertragen erhalten hat. Dieser Behelf macht aus der Sicht des früheren Besitzers die Offensivwirkung des Besitzes aus. Anders herum betrachtet, stellt das Gesetz damit Regeln darüber auf, wann der neue Besitzer im Streit mit dem früheren Besitzer durchdringt. Vorweg ist Folgendes beizufügen:

283

– Die Art. 933–936 ZGB sind Regeln des Besitzesrechts; sie betreffen jedoch einen Streit um Rechte (vorne Nr. 255). Die besitzesrechtliche Lösung des Erwerbs

26 27

28

BGE 57 II 258 ff. (262), E. 2. BGE 14, S. 94 ff. (99 f.), E. 5; StaRK /lindenmann, BeKomm, Vorbem. Rechtsschutz (Art. 930–937 ZGB), N 22. StaRK /lindenmann, BeKomm, Vorbem. Rechtsschutz (Art. 930–937 ZGB), N 35; SteinaueR, Band I, Nr. 455 f.; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 152 zu Art. 641 ZGB.

§ 6 Der Besitzesrechtsschutz

71

vom Nichtberechtigten hat denn auch gemäss Art. 714 Abs. 2 und Art. 884 Abs. 2 ZGB sachenrechtliche Auswirkungen auf das betreffende dingliche Recht (Eigentum, Fahrnispfandrecht) selber. – Die Besitzesrechtsklage bezieht sich immer nur auf Fahrnis, nicht auf Grundstücke (deshalb auch die Bezeichnung «Fahrnisklage»/«action mobilière»).

284

– Aktivlegitimiert zur Besitzesrechtsklage ist nur der frühere Besitzer der beweglichen Sache, nicht auch der Besitzdiener. Passivlegitimiert ist der derzeitige Besitzer.

285

– Zu beachten bleibt, dass der frühere Besitzer die Fahrnisklage nicht nur gegen den Besitzer, der den Besitz – wie bei der hier interessierenden Konstellation – von einem Nichtberechtigten erworben hat, sondern auch gegen den Besitzer erheben kann, der unmittelbar nach ihm Besitzer der Sache geworden ist (beispielsweise ein Dieb).29

285a

Die Besitzesrechtsklage ist zu unterscheiden von den sogenannten «Klagen aus dem Recht», insbesondere vom eigentumsrechtlichen Herausgabebehelf (Vindikation; Art. 641 Abs. 2 ZGB). Davon wird später die Rede sein (hinten Nr. 319 ff.). Zu beachten bleibt, dass auch die Fahrnisklage letztlich den Erfolg des besser Berechtigten bezweckt, sofern dieser sein Recht geltend macht (vorne Nr. 255). Sie kann deshalb von Anfang an gleichzeitig eine Klage aus dem Recht bzw. um das Recht sein oder im Verlauf des Verfahrens dazu werden.30

2. Wenn die Fahrnisklage geschützt wird, der jetzige Besitzer also dem früheren Besitzer die Sache zurückgeben muss, stellt sich sodann die Frage der Verantwortlichkeit des unrechtmässigen Besitzers. Damit befassen sich die Art. 938–940 ZGB (im Einzelnen hinten Nr. 335 ff.).

B.

286

Die für das Rückforderungsrecht massgebenden Kriterien

Dem Gesetz lassen sich zur Frage, wann dem früheren Besitzer ein Rückforderungsrecht zukommt, verschiedene Kriterien entnehmen. Allgemein gesagt, spielen die Gutgläubigkeit des Erwerbers und die Frage eine Rolle, unter welchen Umständen die Sache zum Übertragenden gelangt ist.31 Vorbehalten bleiben aber Sonderfälle. Im Einzelnen:

287

1. Zunächst kommt es auf die Gutgläubigkeit des Erwerbers an (vgl. einerseits Art. 933 [«l’acquéreur de bonne foi»], Art. 934 Abs. 2 und Art. 935 ZGB, andererseits Art. 936 ZGB [«celui qui n’a pas acquis de bonne foi»]). Nur wer in gutem Glauben erwirbt, kann Besitzesrechtsschutz für sich in Anspruch nehmen; nach Art. 3 Abs. 1 ZGB wird der gute Glaube vermutet. Beizufügen bleibt:

288

– Guter Glaube lässt sich mit Jäggi umschreiben als das Fehlen des Unrechtsbewusstseins trotz des Vorliegens eines Rechtsmangels.32

289

29 30

31 32

StaRK /lindenmann, BeKomm, N 7 zu Art. 934 ZGB. Vgl. dazu im Einzelnen h anS hindeRling, Der Anwendungsbereich der Besitzrechtsklage, Basel/ Stuttgart 1966 (Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Heft 77), S. 16 und 37 f. BGE 103 II 186 ff. (188), E. 2a. Jäggi gen; vgl. dazu ausführlich hüRlimann-K auP/Schmid, Nr. 325 f.

72

Der Besitz

• Der Rechtsmangel besteht hier im Fehlen der Verfügungsbefugnis des Übertragenden (Art. 933 ZGB: «ohne jede Ermächtigung zur Übertragung»; «l’auteur du transfert n’avait pas l’autorisation de l’opérer»). Gutgläubig ist der Erwerber, wenn er diesen Mangel nicht kennt. Der gute Glaube muss sich mit anderen Worten auf die Berechtigung des Veräusserers beziehen, über die Sache zu verfügen.33

290

Das Wissen oder Wissenmüssen des Vertreters wird dem Vertretenen grundsätzlich zugerechnet.34 291

• Massgebend ist, ob der Erwerber im Zeitpunkt des Erwerbs gut- oder bösgläuens non nocet»).35

292

• Zu beachten bleibt schliesslich auch Art. 3 Abs. 2 ZGB. Danach ist, wer «bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihm verlangt werden darf, nicht gutgläubig sein konnte, … nicht berechtigt, sich auf den guten Glauben zu berufen».36 rers zu erkundigen, wenn keine konkreten Verdachtsgründe gegeben sind. Der Grad der gebotenen Aufmerksamkeit richtet sich nach den Umständen. In diesem Zusammenhang muss eine in der fraglichen Branche bestehende Verkehrsübung berücksichtigt werden; eine allenfalls branchenübliche Nachlässigkeit bleibt immerhin unbeachtlich.37 Die Vertrautheit des Erwerbers mit der Branche ist namentlich für die Frage von Bedeutung, ob für ihn Verdachtsgründe erkennbar waren.38 Ein höherer Sorgfaltsmassstab gilt nach bundesgerichtlicher RechtspreSache einem Dritten gestohlen worden ist, namentlich im Handel mit Gebrauchtwaren aller Art.39 In diesen Fällen muss sich ein mit der Branche vertrauter Erwerber nicht erst bei kon-

33

34

35 36

37 38 39

BGE 139 III 305 ff. (311), E. 4.2; 103 II 186 ff. (188), E. 2a; SJZ 89/1993, S. 366 ff. (367 linke Spalte), E. 3 (Freiburger Kantonsgericht). Jäggi, BeKomm, N 137 ff. zu Art. 3 ZGB; gauch /SchlueP/Schmid, Nr. 1448; R iemeR, BeKomm, N 47 ff. zu Art. 54/55 ZGB; differenzierend BGE 109 II 338 ff. (341 f.), E. 2b; einschränkend BGE 112 II 503 ff. für einen Sonderfall; vgl. auch § 166 BGB. SteinaueR, Band I, Nr. 432. Vgl. dazu etwa BGE 139 III 305 ff. (308), E. 3.2.2; 131 III 418 ff. (421 ff.), E. 2.3 und 2.4; BGer 5C.50/2003, E. 3 und 4; 5A_669/2010, E. 2 und 4.3. BGE 139 III 305 ff. (308), E. 3.2.2 mit Hinweisen. BGE 139 III 305 ff. (315), E. 5.2.3. BGE 113 II 397 ff. (399 f.), E. 2b (in casu besonders hohe Sorgfaltsanforderungen bejaht für den Kauf von Occasionsautos der Luxusklasse); ebenso BGer 5A_925/2013, E. 1.2 und 2 (Occasionsfahrzeug der oberen Mittelklasse); vgl. auch ZR 91–92/1992–1993, Nr. 75, S. 269 ff. (Zürcher Handelsgericht, für ein Fahrzeug «im Grenzbereich der Luxusklasse»); BGE 122 III 1 ff. (3 f.), E. 2a leuten). Vgl. aber auch BGE 121 III 345 ff. (348 f.), E. 2b, wo dem Erwerber eines Occasionsautos genügende Aufmerksamkeit und damit Gutgläubigkeit bescheinigt wird; ebenso BGer vom 28. Mai 1998, in Semjud 121/1999, S. 1 ff. (4 ff.), E. 4d, bezüglich des Erwerbs eines Manuskripts. Bei der Verpfändung von Wertpapieren, Edelmetallen, alten Münzen etc. an eine Bank besteht keine besonR egula beRgeRRöthliSbeRgeR, Die Gutgläubigkeit der Bank bei der Entgegennahme eines Kulturgutes als Sicherheit – BGE 131 III 418, recht 2007, S. 204 ff. Im in BGE 139 III 305 ff. beurteilten Fall fehlte es klassischen Moderne aus der Sowjetunion im Westen vor der Wende) nach dem zum Zeitpunkt des Erwerbs bestehenden Kenntnisstand nicht in erhöhtem Ausmass dem Angebot von Waren zweifelhafter Herkunft ausgesetzt war (S. 314 f., E. 5.2.1); für den branchenvertrauten Erwerber waren aber

§ 6 Der Besitzesrechtsschutz

73

kreten Verdachtsmomenten über die Verfügungsbefugnis des Veräusserers erkundigen, sondern bereits dann, wenn die Umstände Anlass zu Misstrauen geben.40 – Für Kulturgüter (hin-

– In Sonderfällen nützt auch der gute Glaube des Erwerbers nichts, da andere Bestimmungen vorgehen: beim Erwerb nach Konkurseröffnung oder beim Erwerb einer Sache, die dem Privatrecht zum Vornherein entzogen ist.41

293

Art. 724 Abs. 1bis ZGB schliesst den gutgläubigen Erwerb von herrenlosen Naturkörpern oder Altertümern von wissenschaftlichem Wert aus. Im Rahmen des internationalen Kulturgütertransfers (hinten Nr. 1139a f.) können Kulturgüter im Eigentum des Bundes, die im Bundesverzeichnis eingetragen sind, gemäss Art. 3 Abs. 2 lit. a KGTG nicht gutgläubig erworben werden. Art. 4 Abs. 2 KGTG räumt den Kantonen die Befugnis ein, eine entsprechende Regelung vorzusehen für Kulturgüter, die in ihren Verzeichnissen aufgeführt sind. Der gutgläubige Käufer, der das Kulturgut zurückgeben muss, hat nach Massgabe von Art. 9 Abs. 5 KGTG Anspruch auf eine Entschädigung.

2. Das zweite Kriterium betrifft die Frage, wie die Sache zum Übertragenden (unberechtigten Veräusserer) gelangt ist, unter welchen Umständen also der Besitz des früheren Berechtigten unterging (freiwilliger oder unfreiwilliger Besitzesverlust).42 Wurde die Sache dem Übertragenden (Veräusserer) vom Berechtigten anvertraut (Art. 933 ZGB), oder ist sie dem früheren Besitzer ohne seinen Willen abhanden gekommen (Art. 934 ZGB)? Nach der Wertung des ZGB ist der neue Besitzer gegenüber dem Berechtigten nur dann zu schützen, wenn die Sache dem Übertragenden anvertraut worden ist. Darauf ist im Einzelnen zurückzukommen (Nr. 297 ff.).

294

Begründet wird der Schutz damit, dass der frühere Berechtigte den falschen Rechtsschein (nämlich den Anschein, dass der Veräusserer verfügungsberechtigt sei) selber veranlasst hat, indem er die Sache dem Veräusserer übergab.43

3. Das Gesetz behält Sonderfälle vor, die ihren Grund in der Natur der übertragenen Sache oder in einer besonderen Vertrauenssituation haben (Art. 934 Abs. 2 und 935 ZGB; hinten Nr. 309 ff.).

3.

Die Rechtsstellung des gutgläubigen Erwerbers im Einzelnen

Mit dem gutgläubigen Erwerber befassen sich die Art. 933–935 ZGB. Wichtig für die Rechtslage ist die Frage, ob die Sache dem Übertragenden anvertraut war (Art. 933 ZGB) oder ob sie dem früheren Besitzer abhanden gekommen ist (Art. 934 Abs. 1 ZGB, mit Sonderfällen in Art. 934 Abs. 2 und Art. 935 ZGB). Im Einzelnen:

Verdachtsgründe erkennbar, die ihn zu weiteren Abklärungen hätten veranlassen müssen (S. 315 ff., E. 5.2.3–5.2.6). 40 41 42 43

295

SteinaueR, Band I, Nr. 436. BGE 103 II 186 ff. (188), E. 2a. StaRK /lindenmann, BeKomm, Vorbem. Rechtsschutz (Art. 930–937 ZGB), N 29 ff., sowie N 22 zu Art. 933 ZGB.

296

74

A.

Der Besitz

Anvertraute Sachen (Art. 933 ZGB)

297

1. Art. 933 ZGB setzt im Tatbestand voraus, dass die Sache, die dem neuen Besitzer zu Eigentum oder zu einem beschränkten dinglichen Recht übertragen wurde, «dem Veräusserer ohne jede Ermächtigung zur Übertragung anvertraut worden war».

298

– Anvertraut Grund jeder Handlung, durch die der frühere Besitzer (Eigentümer) dem Veräusserer die Sache mit Wissen und Willen überlässt. Das gilt auch, wenn sich der frühere Besitzer beim zugrunde liegenden Rechtsgeschäft in einem Irrtum befand.44 Beispiele: Überlassen der Sache auf Grund von Leihe, Miete, Auftrag, Hinterlegung, aber auch Übertragung gestützt auf einen wegen eines Irrtums ungültigen Kaufvertrag (obwohl die Erwerberin infolge des Kausalitätsprinzips gar nicht Eigentümerin geworden ist).

Umstritten ist die Frage, ob die Sache auch dann als anvertraut im Sinn des Gesetzes anzusehen sei, wenn der frühere Berechtigte (Eigentümer) sie dem Übertragenden auf Grund einer Täuschung überlässt, wenn also der Letztere sie ertrogen hat.45 Betrifft die Täuschung nur das zugrunde liegende Rechtsverhältnis und nicht die Besitzübertragung als solche, so betrachtet das Bundesgericht die Sache als anvertraut.46

299

47

300

– Die Sache muss dem Erwerber «zu Eigentum oder zu einem beschränkten dinglichen Recht übertragen» worden sein. In einer bloss obligatorischen Rechtsposition wird der Erwerber also nicht geschützt.

301

– Der Erwerber muss sich im Zeitpunkt der Übertragung in gutem Glauben befunden haben (dazu vorne Nr. 288 ff.).

302

2. Als Rechtsfolge ordnet Art. 933 Abs. 1 ZGB an, der gutgläubige Erwerber sei «in seinem Erwerbe … zu schützen» («L’acquéreur de bonne foi … doit être maintenu dans son acquisition»). Das bedeutet: Trotz fehlender Verfügungsbefugnis des Übertragenden dringt der frühere Besitzer mit der Besitzesrechtsklage gegen den Erwerber nicht durch. Dieser Letztere hat im Übrigen das Eigentum oder das beschränkte dingliche Recht an der Sache gültig erworben (Art. 714 Abs. 2 und Art. 884 Abs. 2 ZGB; hinten Nr. 1135 und 1877). Die Lehre spricht in diesem Zusammenhang auch von der Translativwirkung des Besitzes.48 Bei anvertrauter Sache und gutgläubigem Erwerber folgt das ZGB mit anderen Worten den Grundsätzen «Trau, schau wem» oder «Hand wahre Hand». Der frühere Besitzer hat nur noch eine Schadenersatzforderung gegen jene Person, der er die Sache anvertraut hat.

44 45 46

47 48

Vgl. BGE 100 II 8 ff. (14), E. 3 mit Hinweisen. Vgl. BGE 121 IV 26 ff. (28 f.), E. 2d mit Hinweisen. BGE 121 III 345 ff. (347 f.), E. 2a; im Ergebnis zustimmend, jedoch kritisch zur Konstruktion Paul Piotet StePhan h aRtmann (zitiert in Nr. 333), S. 144, ist diese Unterscheidung entbehrlich. Vgl. dazu StePhan h aRtmann (zitiert in Nr. 333), S. 142 ff. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 92 N 39.

§ 6 Der Besitzesrechtsschutz

75

Im Fall einer Schenkung schliesst die herrschende Lehre den Eigentumserwerb durch den gutgläubigen Beschenkten allerdings mit der Begründung aus, es fehle aufgrund der mangelnden Verfügungsbefugnis an der nach Art. 239 Abs. 1 OR erforderlichen Zuwendung aus dem Vermögen des Schenkers.49

B.

Abhanden gekommene Sachen (Art. 934 f. ZGB)

1. Art. 934 Abs. 1 ZGB spricht im Tatbestand davon, dass die bewegliche Sache dem Besitzer «gestohlen wird oder verloren geht oder sonst wider seinen Willen abhanden kommt» («Le possesseur auquel une chose mobilière a été volée ou qui l’a perdue, ou qui s’en trouve dessaisi de quelque autre manière sans sa volonté»). Gemäss dem Randtitel geht es – kurz – um die «abhanden gekommenen Sachen» («Choses perdues ou volées»).

303

Abhanden gekommen sind auch Sachen, die verwechselt wurden.50

Es gilt der Grundsatz «Einmal abhanden gekommen, immer abhanden gekommen». Falls also die Sache in den vorangegangenen fünf Jahren auch nur einem einzigen der Besitzer abhanden gekommen ist, darf sie selbst dann nicht als anvertraut im Sinn von Art. 933 ZGB betrachtet werden, wenn der Vorbesitzer sie dem Veräusserer übergeben hat.51

304

Beispiel: Einer Besitzerin wird ein Auto gestohlen. Die Diebin verkauft den Wagen an eine gutgläubige Dritte. Diese leiht das Auto ihrer Freundin, die es ohne Ermächtigung an eine gutgläubige Autohändlerin veräussert. Die Autohändlerin wird in ihrem Erwerb nicht geschützt, da der Wagen nach dem Grundsatz «Einmal abhanden gekommen, immer abhanden gekommen» nicht als anvertraut gelten kann.

2. Als Rechtsfolge ordnet Art. 934 Abs. 1 ZGB für den Normalfall an, der frühere Besitzer könne die Sache «während fünf Jahren jedem Empfänger abfordern» («Le possesseur … peut la revendiquer pendant cinq ans»). Das bedeutet:

305

– Der frühere Besitzer dringt – innert der vorgesehenen Frist – gegen den jetzigen Besitzer durch, verfügt also über ein Rückforderungsrecht (Randtitel zu Art. 933–936 ZGB). Der derzeitige Besitzer muss die Sache herausgeben, und zwar grundsätzlich entschädigungslos (zum Sonderfall von Art. 934 Abs. 2 ZGB vgl. Nr. 311). Da die Besitzesregeln den Erwerber nicht schützen, hat dieser auch kein dingliches Recht an der Sache erworben (Art. 714 Abs. 2 und Art. 884 Abs. 2 ZGB, jeweils e contrario). Das ZGB räumt mit anderen Worten in der beschriebenen Situation dem früheren Besitzer die stärkere Stellung ein. Das rechtfertigt sich, weil dieser die Sache «zu Unrecht» verloren und keinen falschen Rechtsschein veranlasst hat. Eine Vertrauenslage, die den späteren Erwerber gegenüber dem ursprünglichen Besitzer begünstigt, besteht hier nach der Wertung unseres Gesetzes grundsätzlich nicht (vgl. immerhin die gleich zu behandelnden Sonderfälle, Nr. 309 ff.).

306

49 50 51

Vgl. dazu tuoR /SchnydeR /Schmid, § 92 N 43, Fn. 42 mit Hinweisen. BGer 5P.451/2001, E. 2b; a.M. StePhan h aRtmann (zitiert in Nr. 333), S. 144. SutteR-Somm, Nr. 1393.

307

76

Der Besitz

Beispiel: Der Eigentümerin A wird eine bewegliche Sache von der Diebin B gestohlen. B verkauft die gestohlene Sache an die (gutgläubige) Erwerberin C weiter. A kann die Sache der Käuferin C während fünf Jahren abfordern.52

– Es hilft dem Erwerber nicht, wenn er sich auf seinen guten Glauben beruft;53 er

308

einwenden. Darin liegt die Hauptbedeutung von Art. 934 Abs. 1 ZGB. Bei bösem Glauben des Erwerbers wird der Kläger nach Art. 936 ZGB vorgehen.54 Art. 934 Abs. 1 ZGB behält mit Bezug auf den Fund von Tieren den Art. 722 ZGB vor. Gemäss Art. 722 Abs. 1bis zwei Monaten Eigentum an einem gefundenen Tier, das im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten wird; hat der Finder das Tier einem Tierheim mit dem Willen anvertraut, den Besitz daran endgültig aufzugeben, erwirbt das Tierheim gemäss Art. 722 Abs. 1ter ZGB das Eigentum nach Ablauf von zwei Monaten, seitdem ihm das Tier anvertraut wurde. Der frühere Besitzer dringt in diesen Fällen mit seiner Klage nicht mehr durch. 309

3. Gegenüber der beschriebenen Rechtslage sind immerhin Sonderfälle vorzubehalten:

310

– Gemäss Art. 935 ZGB können Geld und Inhaberpapiere dem gutgläubigen Empfänger nicht abgefordert werden, auch wenn sie dem Besitzer gegen seinen Willen abhanden gekommen sind. Der Gesetzgeber hat also bei Geld und Inhaberpapieren dem Verkehrsinteresse mehr Gewicht gegeben als bei den anderen Sachen.55

– Art. 934 Abs. 2 ZGB sieht ein besonderes Lösungsrecht vor56 für den Fall, dass die abhanden gekommene Sache öffentlich versteigert oder auf dem Markt oder durch einen Kaufmann, der mit Waren der gleichen Art handelt, übertragen worden ist. Die Sache kann dem ersten und jedem späteren gutgläubigen Empfänger nur gegen Vergütung des von ihm bezahlten Preises abgefordert werden. Hier spielt der Vertrauensschutz insofern wieder eine Rolle, als man sich bei öffentlisen können, dass die betreffenden Personen die Sachen redlich erworben haben. Das Lösungsrecht steht jedoch nur dem gutgläubigen Erwerber zu, nicht auch dessen bösgläubigen Rechtsnachfolger.57

311

anspruchs nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ein Retentionsrecht im Sinn von Art. 895 ZGB58 (zum Retentionsrecht siehe hinten Nr. 1918 ff.).

52 53 54 55

56

57 58

BGE 121 IV 26 ff. (28), E. 2c. BGE 139 III 305 ff. (307), E. 3.2.1; 71 II 90 ff. (92 unten), E. 2. SteinaueR StaRK /lindenmann, BeKomm, Vorbem. Rechtsschutz (Art. 930–937 ZGB), N 33, und N 3 zu Art. 935 ZGB. Zur geringen praktischen Bedeutung dieser Norm mit Bezug auf Geld vgl. dieSelben, BeKomm, N 7 zu Art. 935 ZGB. BGE 113 II 397 ff. (398 unten), E. 2a. Kritisch zum Lösungsrecht WolFgang eRnSt (zitiert in Nr. 333), S. 854. BGE 103 II 186 ff. (189), E. 2c. BGE 71 II 90 ff. (93), E. 2; ebenso StaRK /lindenmann, BeKomm, N 46 zu Art. 934 ZGB; SutteRSomm, Nr. 1442. Zu Recht kritisch zobl, BeKomm, N 164 zu Art. 895 ZGB, da sich bei dieser Konstellation die Sache entgegen dem klaren Wortlaut von Art. 895 Abs. 1 ZGB nicht mit Willen des

§ 6 Der Besitzesrechtsschutz

77

4. Mit Bezug auf den internationalen Kulturgütertransfer (Näheres dazu hinten Nr. 1138 ff.) gilt gemäss Art. 934 Abs. 1bis ZGB Folgendes:59 Für Kulturgüter, die dem Eigentümer gegen seinen Willen abhanden gekommen sind, verjährt der Herausgabeanspruch ein Jahr, nachdem der Eigentümer Kenntnis davon erlangt hat, wo

311a

nach dem Abhandenkommen (absolute Frist).60 Nach Art. 3 Abs. 2 lit. b KGTG verjährt der Herausgabeanspruch nicht, wenn es sich um ein Kulturgut des Bundes handelt, das im Bundesverzeichnis eingetragen ist. Art. 4 Abs. 2 KGTG räumt den Kantonen das Recht ein, für Kulturgüter, die in ihren Verzeichnissen aufgeführt werden, ebenfalls die Unverjährbarkeit des Herausgabeanspruchs vorzusehen.

4.

Die Rechtsstellung des bösgläubigen Erwerbers im Einzelnen

1. Mit dem bösgläubigen Erwerber («Celui qui n’a pas acquis de bonne foi la possession») befasst sich vor allem Art. 936 ZGB; e contrario lassen sich auch andere Bestimmungen auf diesen Fall beziehen (Art. 933–935 ZGB). Böser Glaube (in Verbindung mit dem Erwerb vom Nichtberechtigten) bedeutet nach dem Gesagten als Tatbestand, dass der Erwerber den Rechtsmangel kennt, also weiss, dass der Verfügende nicht zur Übertragung befugt ist (vorne Nr. 288 ff.).

312

Dem bösen Glauben im Ergebnis gleichzustellen ist der Fall von Art. 3 Abs. 2 ZGB, bei dem eine an sich gutgläubige Person nicht berechtigt ist, sich auf den guten Glauben zu berufen61 (vgl. vorne Nr. 292). – Da der gute Glaube nach Art. 3 Abs. 1 ZGB vermutet wird, muss der frühere Besitzer den bösen Glauben des Erwerbers bzw. (im Fall von Art. 3 Abs. 2 ZGB) die Umstände beweisen, die für dessen mangelnde Aufmerksamkeit sprechen.62 früher Besitzer der Sache war; dass ihm an der Sache darüber hinaus ein Recht zusteht, hat er hingegen nicht nachzuweisen.63

2. Als Rechtsfolge ordnet Art. 936 Abs. 1 ZGB an, dass der bösgläubige Erwerber «von dem früheren Besitzer jederzeit auf Herausgabe belangt werden» kann («peut être contraint en tout temps de la restituer au possesseur antérieur»). Das bedeutet:

313

– Der frühere Besitzer dringt gegen den bösgläubigen Erwerber durch. Letzterer muss die Sache entschädigungslos herausgeben.64 Da die Besitzesregeln den Erwerber nicht schützen, hat dieser auch kein dingliches Recht an der Sache erworben (Art. 714 Abs. 2 und Art. 884 Abs. 2 ZGB, jeweils e contrario). Ferner bleibt das Lösungsrecht von Art. 934 Abs. 2 ZGB mangels Gutgläubigkeit des Erwerbers aus dem Spiel.

314



315

59 60

61 62 63 64

ist der Fünfjahresfrist von Art. 934 Abs. 1 ZGB nicht unterworfen.

eRnSt, BaKomm, N 27 zu Art. 934 ZGB (Fehlen einer gesetzlichen Grundlage). Vgl. dazu auch BGE 139 III 305 ff. (307), E. 3.2.1. Näheres dazu bei eRnSt, BaKomm, N 17b ff. zu Art. 934 ZGB; StaRK /lindenmann, BeKomm, N 34t zu Art. 934 ZGB. BGE 139 III 305 ff. (308), E. 3.2.2; 113 II 397 ff. (399), E. 2a. BGE 139 III 305 ff. (308), E. 3.2.2 mit Hinweisen. BGE 139 III 305 ff. (310), E. 4.1; StaRK /lindenmann, BeKomm, N 7 zu Art. 936 ZGB.

78

Der Besitz

Beispiel: Eine fanatische Kunstsammlerin kauft ein Bild im Wissen darum, dass es aus einem Museum gestohlen wurde. Das Bild wird zehn Jahre später im Haus der Käuferin entdeckt. Gestützt auf Art. 936 Abs. 1 ZGB kann das Museum die Herausgabe verlangen, und zwar entschädigungslos. 316

317



Art. 936 Abs. 1 ZGB auch Art. 935 ZGB e contrario).

3. Art. 936 Abs. 2 ZGB regelt den Sonderfall beiderseitiger Bösgläubigkeit. Hier gilt der Grundsatz «In pari turpitudine melior est conditio possidentis». Das Gesetz schützt mit anderen Worten jene Person, welche die tatsächliche Gewalt über die Sache hat.

79

§ 6 Der Besitzesrechtsschutz

5.

Schema 318

Besitzeserwerb vom Nichtberechtigten

Abhanden gekommene Sachen (insbesondere gestohlene oder verlorene Sachen)

Anvertraute Sachen

Der Erwerber wird geschützt.

Der frühere Besitzer kann ihm die Sache jederzeit abfordern.

(Art. 933 ZGB) (Art. 936 Abs. 1 ZGB; Vorbehalt von Abs. 2)

Der frühere Besitzer kann ihm («jedem Empfänger») die Sache binnen fünf Jahren seit dem Verlust abfordern. (Art. 934 Abs. 1 ZGB)

Der frühere Besitzer kann ihm die Sache jederzeit abfordern. (Art. 936 Abs. 1 ZGB; Vorbehalt von Abs. 2)

Spezielle Fristen: – Art. 722 Abs. 1bis und 1ter ZGB (Tiere) – Art. 934 Abs. 1bis ZGB (Kulturgüter) Sonderfälle: Art. 934 Abs. 2 ZGB (insbesondere Marktkauf) Art. 935 ZGB (Geld und Inhaberpapiere)

Zur

des unberechtigten Besitzers: Art. 938 – 940 ZGB (Nr. 335 ff.)

V.

Besitzesrechtsklage und Klage aus dem Recht

1.

Die Voraussetzungen der beiden Klagen (Zusammenfassung)

1. Die in Nr. 282 ff. behandelte Besitzesrechtsklage (Fahrnisklage) hat den Zweck, «in der äussern Gestalt des dinglichen Rechts an der Sache, im Besitz, auch zugleich über das Recht zu verhandeln».65 Eine erfolgreiche Klage setzt nach dem Gesagten voraus:

65

BGE 109 II 202 ff. (206), E. 3, mit Hinweis auf eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 377.

319

80

Der Besitz

320

– erstens: früheren Besitz des Klägers. Die Fahrnisklage steht jedem früheren selbständigen oder unselbständigen, mittelbaren oder unmittelbaren Besitzer zu;66 Besitzdienerschaft genügt hingegen nicht;

321

– zweitens: aktuellen Besitz des Beklagten. Ist dieser nicht mehr im Besitz der Sache, kommen nur (aber immerhin) noch Schadenersatzansprüche in Betracht;

322

– drittens: ein materielles Abforderungsrecht nach Art. 934 bzw. 936 ZGB;

323

– viertens: Fristwahrung im Fall des Art. 934 Abs. 1 ZGB. Die Frist ist Verwirkungsfrist und endet fünf Jahre ab Besitzesverlust; vorbehalten bleiben die speziellen Fristen nach Art. 722 Abs. 1bis und 1ter sowie Art. 934 Abs. 1bis ZGB. Der Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Verlustes ist ohne Bedeutung.67 Bei bösgläubigem Erwerb braucht immerhin keine Frist gewahrt zu werden;

324

2. Daneben ist die Klage aus dem Recht zu beachten (Vindikation für den Eigentümer; Art. 641 Abs. 2 ZGB [hinten Nr. 660 ff.]; aber weitergehend auch die entsprechende Klage des Dienstbarkeitsberechtigten [hinten Nr. 1234] oder des Pfandgläubigers [hinten Nr. 1910]). Bei der Vindikation muss das frühere Eigentum des Klägers bewiesen und die ungerechtfertigte Stellung des neuen Besitzers behauptet werden. Die Stellung des Klägers ist demnach schwieriger als bei der Besitzesrechtsklage. In der Praxis hat denn auch bei Fahrnis die Besitzesrechtsklage – soweit möglich – die Vindikation zum grossen Teil verdrängt68 (vgl. auch vorne Nr. 255).

2.

Das gegenseitige Verhältnis

325

Das Verhältnis der beiden Klagen zueinander ist im Einzelnen umstritten.69 Oftmals werden die Voraussetzungen beider Klagen gegeben sein; dann wird der Kläger regelmässig die Besitzesrechtsklage erheben, zumal sie für ihn weniger strenge Anforderungen bietet. Immerhin sind Fälle denkbar, in denen lediglich eine der beiden Klagen in Frage kommt:

326

1. Nur die Fahrnisklage ist möglich:70 – wenn der Kläger ein früherer Besitzer ist, der nur ein relatives Recht an der Sache hatte;

327

Beispiel: Klage der Mieterin gegen die Diebin des gemieteten Autos.

– wenn der Kläger früherer und gutgläubiger Besitzer war, aber kein Recht an der Sache erwerben konnte, und nun gegen einen bösgläubigen Beklagten vorgeht.

328

66

67 68

69

70

BGE 109 II 202 ff. (206), E. 3 (in casu Fahrnisklage gemäss Art. 936 ZGB gegen den bösgläubigen Erwerber). SteinaueR, Band I, Nr. 466. StaRK /lindenmann, BeKomm, Vorbem. Rechtsschutz (Art. 930–937 ZGB), N 47; SteinaueR, Band I, Nr. 380, 485 und 1021. StaRK /lindenmann, BeKomm, Vorbem. Rechtsschutz (Art. 930–937 ZGB), N 43 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 484a ff. SteinaueR, Band I, Nr. 487.

§ 6 Der Besitzesrechtsschutz

81

Beispiel: Die frühere Besitzerin verlangt eine gestohlene Sache, die sie seinerzeit von der Diebin gutgläubig erworben hat, von der jetzigen bösgläubigen Besitzerin heraus.

2. Nur die Vindikation ist namentlich möglich:71 – wenn der Eigentümer nie Besitzer der Sache war;

329 330

Beispiel: Einer Bieterin wird im Rahmen einer Versteigerung eine bewegliche Sache zugeschlagen. Durch den Zuschlag erwirbt die Ersteigerin das Eigentum (vgl. Art. 235 Abs. 1 OR). Bevor ihr die Sache jedoch übergeben werden kann, wird sie gestohlen.

– wenn der Eigentümer selber die Sache dem Beklagten zur Miete, Leihe oder zum Zweck der Hinterlegung übergeben hat und der Beklagte sie nach Vertragsende nicht zurückgibt.

331

Dem Eigentümer steht in diesem Fall neben der Vindikaton eine Vertragsklage auf Rückgabe der Sache zu, sofern der obligatorische Anspruch noch nicht verjährt ist.

3. Umstritten ist, ob die Vindikation noch möglich ist, wenn die Fünfjahresfrist von Art. 934 Abs. 1 ZGB (die sich ab dem Besitzesverlust berechnet) abgelaufen ist, der gutgläubige Erwerber jedoch die Ersitzungsvoraussetzungen von Art. 728 ZGB (hinten Nr. 1132) noch nicht erfüllt. Die herrschende Lehre bejaht zu Recht, dass der Erwerber schon mit Ablauf der Frist von Art. 934 Abs. 1 ZGB Eigentümer der Sache wird, sofern er in diesem Moment noch gutgläubig ist;72 das ergibt sich aus Art. 714 Abs. 2 ZGB, wonach der gutgläubige Erwerber, der die Sache von einer nicht verfügungsberechtigten Person zu Eigentum übertragen erhält, das Eigentum daran erwirbt, wenn die Besitzesregeln (in casu: Art. 934 Abs. 1 ZGB) ihn in seinem Besitz schützen.73 Ab dem genannten Zeitpunkt ist mit anderen Worten nicht nur die Fahrnisklage, sondern auch die Vindikation ausgeschlossen. Beispiel: Eine Diebin verkauft einen gestohlenen Ring zwei Jahre nach dem Diebstahl an eine gutgläubige Dritte. Vier Jahre später wird er dort von der Bestohlenen entdeckt. Die Fünfjahresfrist des Art. 934 Abs. 1 ZGB ist bereits abgelaufen; die Fahrnisklage kann daher nicht mehr erhoben werden. Der Bestohlenen steht auch die Klage aus dem Recht nicht mehr offen, obwohl die gutgläubige Erwerberin erst seit vier Jahren im Besitz des Rings ist und ihn demnach gemäss Art. 728 ZGB noch nicht ersessen hat.

71

72

73

StaRK /lindenmann, BeKomm, Vorbem. Rechtsschutz (Art. 930–937 ZGB), N 47; SteinaueR, Band I, Nr. 488. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 29 zu Art. 934 ZGB mit Hinweisen; eRnSt, BaKomm, N 15 zu Art. 934 ZGB; Pichonnaz, ComRom, N 30 zu Art. 934 ZGB; hombeRgeR, ZüKomm, N 21 zu Art. 934 ZGB; h aab/ScheRReR, ZüKomm, N 68 zu Art. 714 ZGB; oSteRtag, BeKomm, N 31 zu Art. 934 ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 467b (sowie Band II, Nr. 2071 f. und 2106); tuoR /SchnydeR / Schmid, § 92 N 56, Fn. 47; Frage offengelassen in BGE 94 II 297 ff. (312), E. 6; vgl. auch BGE 109 II 319 ff. (322 unten), E. 2. A.M. etwa SutteR-Somm StaRK /lindenmann, BeKomm, N 30 zu Art. 934 ZGB. Vgl. auch BGE 122 III 1 ff. (2), E. 2, der allerdings Art. 714 Abs. 2 i.V.m. Art. 936 ZGB erwähnt. Nach SutteR-Somm, Nr. 64, sei fraglich, ob sich Art. 714 Abs. 2 ZGB auch auf Art. 934 ZGB beziehe, weil letztere Norm – anders als Art. 933 ZGB – nicht von Eigentumserwerb spreche. Aus den Materialien ergibt sich allerdings, dass sowohl Art. 933 ZGB als auch Art. 934 ZGB gemeint sind. So enthielt Art. 714 Abs. 2 ZGB im Entwurf des Bundesrates von 1904 (damals: Art. 701 Abs. 2 ZGB) am Schluss in Klammern einen ausdrücklichen Verweis auf die Art. 972–975 ZGB (= die heutigen Art. 933–936 ZGB). Vgl. auch Sten.Bull. NR 1906 II 565 (Votum hubeR); ausserdem Sten.Bull. StR 1906 IV 1353 (Votum hoFFmann) bezüglich der Frage, ob es neben Art. 701 Abs. 1 ZGB und den Art. 972–975 ZGB überhaupt noch erforderlich sei, Regeln über die Ersitzung aufzustellen.

332

82

Der Besitz

VI. Weiterführende Literatur 333

– bommeR Felix /WichteRmann JüRg, Art. 933/934 ZGB und der Betrug – Zivilrechtsunsicherheit als strafrechtlich relevanter Vermögensschaden? (BGE 121 IV 26 und 121 III 345), recht 1996, S. 156 ff. (S. 161 ff.). – eRnSt WolFgang, Lösungsrecht und Singularsukzession, in: Sethe Rolf et al. (Hrsg.), Kommunikation, Festschrift für Rolf H. Weber zum 60. Geburtstag, Bern 2011, S. 839 ff. – goRdley JameS/mattei ugo, Protecting Possession, The American Journal of Comparative Law 44/1996, S. 293 ff. (rechtshistorisch und rechtsvergleichend zum Besitzesschutz). – haRtmann StePhan, Der Fahrniserwerb vom Nichtberechtigten – zur Unterscheidung zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen, recht 2002, S. 136 ff. – hindeRling, S. 458 ff. – huRSt-WechSleR maRtina, Herkunft und Bedeutung des Eigentumserwerbs kraft guten Glaubens nach Art. 933 ZGB, Diss. Zürich 2000. – huWileR bRuno, Vindikationsprinzip versus Hand wahre Hand (Dogmengeschichtliches zur Rechtfertigung des gutgläubigen Eigentumserwerbs), in: Schott Clausdieter/Soliva Claudio (Hrsg.), «Nit anders denn liebs und guets», Peterhauser Kolloquium (FS Karl S. Bader), Sigmaringen 1986, S. 75 ff. – RuSconi baPtiSte, L’action pétitoire fondée sur la possession: étude des articles 934 et 936 du Code civil suisse, Diss. Lausanne 1958. – Schmidlin bRuno, Zur Bedeutung des Besitzes in der Besitzrechtsklage, ZSR NF 87/1968 I, S. 141 ff. – SchWenzeR ingeboRg/mülleR-chen maRKuS, Rechtsvergleichung (Fälle und Materialien), Tübingen 1996, S. 303 ff. (rechtsvergleichend zum gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen). – SutteR-Somm, Nr. 1354 ff. – WieSeR chaRlotte, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage, Unter besonderer Berücksichtigung «entarteter» Kunstgegenstände, Basler Diss., Basel/ Genf/München 2004 (Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Band 73). – zobl dieteR, Zum Verhältnis Besitzesschutz und Rechtsschutz, in: Rechtsschutz, FS für Guido von Castelberg, Zürich 1997, S. 303 ff.

VII. Fälle 334

1. BGE 116 III 32 ff. Unabhängig vom Güterstand können sich Ehegatten bezüglich der Sachen, die zum gemeinsamen Haushalt gehören, nicht auf die Eigentumsvermutung von Art. 930 ZGB berufen. 2. BGer 5C.11/2005 Übertragung von Inhaberschuldbriefen zu Sicherungszwecken: Sicherungszession oder Faustpfanderrichtung? Die Eigentumsvermutung von Art. 930 ZGB gilt auch

§ 6 Der Besitzesrechtsschutz

83

für den Besitzer von Inhaberschuldbriefen; er kann sie insbesondere derjenigen Person gegenüber geltend machen, die ihm die Schuldbriefe übergeben hat. Die Vermutung lässt sich durch den Beweis umstossen, dass dem Besitzer nur ein Faustpfandrecht an den Schuldbriefen eingeräumt wurde. 3. BGE 141 III 7 ff. Übergabe von Geldnoten im Betrag von Fr. 150‘000.– in drei Umschlägen: Schenkung oder Hinterlegung? Der Besitz der Empfängerin kann nicht als unzweideutig gelten und die Rechtsvermutung gemäss Art. 930 Abs. 1 ZGB begründen, wenn es sich bei diesem Betrag fast um das ganze Vermögen des Übergebers handelt, die Parteien sich erst seit wenigen Monaten kannten und zwischen ihnen keine besondere Beziehung bestand. Die Empfängerin trifft demzufolge die Beweislast für die behauptete Schenkung. 4. BGE 113 II 397 ff. denen erfahrungsgemäss oft damit zu rechnen ist, dass sie einem Dritten entwendet wurden (in casu: Kauf eines gestohlenen Occasionswagens der Luxusklasse durch einen Händler). Vgl. auch BGE 122 III 1 ff. 5. BGE 131 III 418 ff. Guter Glaube: Tatfrage und Rechtsfrage. Erforderliches Mass der Aufmerksamkeit einer Bank, die alte Goldstücke zu Faustpfand erhält. Bedeutung der Gesetzgebung eines fremden Staates, die den Export der später verpfändeten Sache verbietet. 6. BGE 139 III 305 ff. Guter Glaube: Ein Kunstsammler und Inhaber einer bedeutenden Sammlung moderner Kunst ist als mit der Kunstbranche vertraut zu betrachten. Diese Branchenvertrautheit ist bei der Beurteilung zu berücksichtigen, ob für den Kunstsammler im Moment des Erwerbs eines modernen Gemäldes («Diener mit Samowar» von Malewitsch) Verdachtsgründe erkennbar waren, die zu weiteren Vorsichtsmassnahmen hätten führen müssen (in casu bejaht). 7. BGE 121 IV 26 ff. Wer eine von ihm gestohlene oder ertrogene Sache an einen gutgläubigen Dritten verkauft, schädigt diesen am Vermögen und ist wegen Betrugs strafbar. Zivilrechtliche Vorfrage: Ist eine Sache, die auf Grund einer Täuschung übergeben wird, anvertraut im Sinn von Art. 933 ZGB, oder ist sie dem ursprünglich Berechtigten gegen seinen Willen abhanden gekommen? Die Frage ist umstritten. Die unsichere Rechtslage bedeutet für den gutgläubigen Dritten (jedenfalls) ein erhebliches Prozessrisiko, wodurch der wirtschaftliche Wert der Sache gemindert wird. Vgl. auch BGer 6S.277/2004, E. 3.

84

Der Besitz

§ 7 Die Verantwortlichkeit des nicht berechtigten Besitzers 335

Einführende Literatur: – SteinaueR, Band I, Nr. 496 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 92 N 60 ff.

336

Das Gesetz regelt in Art. 938–940 ZGB eine besondere Verantwortlichkeit («Responsabilité») des Besitzers. Diese Verantwortlichkeit ist ausservertraglicher Natur1 und gründet auf unberechtigtem Besitz: Eine Person war eine Zeitlang Besitzerin einer Sache, ohne ein Recht an ihr oder auf sie zu haben; der Besitz war in diesem Sinn nicht berechtigt (also unrechtmässig), und die Sache muss (musste) dem Berechtigten herausgegeben werden. Mit der Herausgabe ist jedoch die wirtschaftliche Situation, wie sie sich ohne den unberechtigten Besitz zeigen würde, erst teilweise wiederhergestellt.2 Offen bleibt die Frage: Was gilt mit Bezug auf die Nutzung der Sache, die dafür getätigten Verwendungen (Investitionen) und für entstandenen Schaden? Darauf geben die Art. 938–940 ZGB (als «leges speciales» zu den Art. 41 ff., 62 ff. und 419 ff. OR)3 eine Antwort. Im Einzelnen:

I.

Der Tatbestand

337

1. Grundtatbestand ist der unberechtigte Besitz einer Person an einer beweglichen oder unbeweglichen Sache. Dieser Person fehlt eine dingliche oder obligatorische Berechtigung zum Besitz, weshalb sie die Sache herausgeben muss (musste). Die Fällen bestehen:4

338

– bei gutgeheissener Fahrnisklage (Art. 934 Abs. 3 und Art. 936 ZGB), Klage aus Besitzesentziehung (Art. 927 ZGB) oder Vindikationsklage (Art. 641 Abs. 2 ZGB);

339

– bei Übertragung einer Sache auf Grund eines Vertrags, der sich als ungültig erweist, etwa wegen eines Formmangels;5 Nimmt man – mit der älteren Rechtsprechung6 – ein vertragsähnliches Verhältnis (faktisches Vertragsverhältnis) an, so richtet sich jedoch die Abwicklung nach vertraglichen Regeln, nicht nach Art. 938 ff. ZGB. In BGE 129 III 320 ff. (327 ff.), E. 7.1, entschied das Bundesgericht, die Anfechtung eines ganz oder teilweise abgewickelten entgeltlichen Gebrauchsüberlassungsvertrags wegen eines Willensmangels wirke als Kündigung ex nunc, womit sich die Annahme

1 2 3

4 5

6

BGE 120 II 191 ff. (196), E. 4c. StaRK /lindenmann, BeKomm, Vorbem. Verantwortlichkeit (Art. 938–940 ZGB), N 1. BGE 84 II 369 ff. (377), E. 4a; BGer 5A_88/2011, E. 7.1; SteinaueR, Band I, Nr. 496. Unklar BGE 119 II 437 ff. (442), E. 3b/cc. SteinaueR, Band I, Nr. 497; BGer 5A_88/2011, E. 7.1. Nach Ansicht von baRbaRa lindenmann auf den Besitzerwerb vom Berechtigten keine Anwendung; so wohl nun auch StaRK /lindenmann, BeKomm, Vorbem. Veranwortlichkeit (Art. 938–940 ZGB), N 26. BGE 110 II 244 ff. (247 f.), E. 2c.

§ 7 Die Verantwortlichkeit des nicht berechtigten Besitzers

85

eines faktischen Vertragsverhältnisses erübrige.7 Nach neuester Rechtsprechung beschränkt es die Anwendung dieser Kündigungstheorie allerdings auf Dauerschuldverhältnisse, auf Grund natura nicht möglich ist. Für den Fall, dass ein Vertrag wegen eines Mangels bei der Entstehung lich die Regeln der Vindikation und der ungerechtfertigten Bereicherung Anwendung.8 Daraus lässt sich wohl ableiten, dass bei Ungültigkeit von Dauerschuldverhältnissen über eine Sache die Art. 938 ff. ZGB, die nach dem Gesagten ja Nebenansprüche der Vindikation darstellen, zum Zug kommen.

– bei Fällen, in denen das Gesetz auf die Besitzesregeln verweist (zum Beispiel Art. 560 Abs. 3 oder Art. 599 Abs. 1 ZGB).

340

An unberechtigtem Besitz fehlt es, und die Art. 938 ff. ZGB sind demnach nicht anwendbar, wenn jemand die Sache auf Grund eines dinglichen oder obligatorischen Rechts besessen hat und sie zurückgeben muss, weil das entsprechende Recht (etwa durch Zeitablauf oder durch Kündigung) untergegangen ist: beendete Nutzniessung, Miete, Hinterlegung usw. Hier sind auf die Rückgabe die Regeln anzuwenden, die das betreffende Rechtsverhältnis normieren.9

341

Ebenfalls kein unberechtigter Besitz liegt vor, wenn der Eigentümer einem anderen eine Sache prekaristisch (auf Zusehen hin, mit dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs) überlassen hat. Die prekaristische Gestattung verschafft dem Benützer zwar kein dingliches oder obligatorisches Recht an der Sache, schliesst jedoch die Widerrechtlichkeit der Benützung aus10 (vgl. auch hinten Nr. 1202). Am unberechtigten Besitz fehlt es schliesslich, wenn ein Miterbe, der sich fälschlicherweise für den Sachen ausübt (vgl. Art. 560 Abs. 2 ZGB).11

2. Als Folge des unberechtigten Besitzes muss – soweit es um die Schadenersatzfrage geht – dem Berechtigten ein Schaden (eine unfreiwillige Vermögensverminderung) entstanden sein. Das trifft namentlich dann zu, wenn

342

– der Berechtigte über die Sache während gewisser Zeit nicht verfügen konnte (Vorenthaltungsschaden);

343

– die fragliche Sache in ihrem Wert vermindert worden ist – etwa durch Abnützung, Belastung mit fremden Rechten oder durch Untergang;

344

– die fragliche Sache weiterveräussert worden ist und der Berechtigte sie überhaupt nicht oder nur gegen Vergütung (Art. 934 Abs. 2 ZGB; vorne Nr. 311) dem Dritten abfordern kann.12

345

7

8 9 10 11

12

BGE 129 III 320 ff. (327 ff.), E. 7.1. Kritisch zu diesem Entscheid hüRlimann-K auP, Grundfragen, Nr. 296 ff. BGE 137 III 243 ff. (247 ff.), E. 4.4; 134 III 438 ff. (443 f.), E. 2.4; BGer 4A_533/2013, E. 6.1. BGE 75 II 38 ff. (44), E. 1; BGer 5A_88/2011, E. 7.1; SteinaueR, Band I, Nr. 498. liveR, ZüKomm, N 59 zu Art. 730 ZGB. bettina hüRlimann-K auP/a lexandRa Rumo -Jungo, Eine Miterbin verfügt alleine über Erbschaftsgegenstände: erbrechtliche und sachenrechtliche Folgen, BGE 5A_87/2011 und 5A_88/2011, successio 6/2012, S. 288 ff. (295 f.). Das Bundesgericht verneinte hingegen in BGer 5A_88/2011, E. 7.2, die Anwendbarkeit der Art. 938 ff. ZGB auf diese Konstellation mit der Begründung, zwischen den Erben sei die rei vindicatio hinsichtlich der Erbschaftssachen nicht gegeben, weshalb auch keine Nebenansprüche aus Besitzesrecht geltend gemacht werden könnten. BGE 84 II 253 ff. (260), E. 2.

86

Der Besitz

II. Die Rechtsfolgen 346

Die aus den Art. 938 und 940 ZGB folgenden Ansprüche des Berechtigten sind Nebenansprüche der besitzes- oder materiell-rechtlichen Herausgabeklage.13 Sie werden als «quasi-akzessorisch» bezeichnet, weil sie immer dann gegeben sind, wenn die Voraussetzungen der Herausgabeklage erfüllt sind oder einmal erfüllt waren.14 Der Berechmachen, während welcher dieser die Sache in seinem Besitz hat oder hatte.15 Zu den Verantwortlichkeitsansprüchen lässt sich vorweg Folgendes festhalten:

347

– Für die Abwicklung der beschriebenen Situationen stellt das Gesetz (vgl. die Randtitel von Art. 938–940 ZGB!) entscheidend darauf ab, ob der Besitzer in gutem oder in bösem Glauben war. Gutgläubigkeit (Art. 3 ZGB) liegt vor, wenn dem unberechtigten Besitzer das Unrechtsbewusstsein fehlte, wenn er also nicht wusste, dass sein Besitz in Wirklichkeit nicht berechtigt war; konnte er allerdings bei der Aufmerksamkeit, die nach den Umständen von ihm verlangt werden durfte, nicht gutgläubig sein, ist er gemäss Art. 3 Abs. 2 ZGB nicht berechtigt, sich auf den guten Glauben zu berufen (vorne Nr. 288 ff.). der Eigentümerin gestohlen worden ist.16

348

– Die Verantwortlichkeit nach Art. 938 ff. ZGB hängt grundsätzlich nicht vom Verschulden des unberechtigten Besitzers am Eintritt des Schadens ab; insofern liegt eine Art Kausalhaftung vor.17

349

– Für die gesetzlich nicht speziell geregelte Verjährung wendet die Lehre Art. 60 OR analog an.18

1. 350

351

Der gutgläubige Besitzer (Art. 938–939 ZGB)

1. Bezüglich Gebrauch, Nutzung und Schaden ordnet Art. 938 ZGB an, dass der gutgläubige Besitzer dadurch, dass er die Sache seinem vermuteten Recht gemäss bei untergeht oder Schaden leidet, braucht er nicht zu ersetzen (Abs. 2). Hält sich der unberechtigte Besitzer gutgläubig für den Eigentümer, so darf er die Sache frei benützen, veräussern oder gar zerstören. Hält er sich bloss für beschränkt

13

14

15 16 17 18

BGE 120 II 191 ff. (194), E. 3c/aa; BGer 5A_88/2011, E. 7.1; StaRK /lindenmann, BeKomm, Vorbem. Verantwortlichkeit (Art. 938–940 ZGB), N 13; eRnSt, BaKomm, Vorbem. Verantwortlichkeit (Art. 938–940 ZGB), N 7. StaRK /lindenmann, BeKomm, Vorbem. Verantwortlichkeit (Art. 938–940 ZGB), N 13; BGE 120 II 191 ff. (194), E. 3c/aa (zu Art. 940 ZGB); BGer 5A_88/2011, E. 7.1. BGE 120 II 191 ff. (194), E. 3c/aa. BGE 120 II 191 ff. (193), E. 3a. SteinaueR, Band I, Nr. 499 mit Hinweis auf BGE 45 II 263 ff. (265). SteinaueR, Band I, Nr. 501b; SutteR-Somm, Nr. 1478; StaRK /lindenmann, BeKomm, Vorbem. Verantwortlichkeit (Art. 938–940 ZGB), N 20; differenzierend hüRlimann-K auP, Grundfragen, Nr. 269.

§ 7 Die Verantwortlichkeit des nicht berechtigten Besitzers

87

dinglich oder obligatorisch berechtigt, so geht seine Nutzungsbefugnis nur so weit, als das angenommene Recht es erlaubt.19 Pointiert ausgedrückt: «Wer ein gestohlenes Auto gutgläubig erworben hat und in einem selbstverschuldeten Unfall beschädigt, kann dem Kläger aus Art. 934 [ZGB] das Wrack zurückgeben.»20

Umstritten ist die Rechtsstellung des die Sache weiterveräussernden gutgläubigen (Zwischen-)Besitzers, der sich für den Eigentümer hält. Das Bundesgericht ver-

352

21

2. Art. 939 ZGB befasst sich mit den Verwendungen. Das sind Leistungen, die der Besitzer freiwillig im Interesse der Sache erbracht hat;22 sie können notwendig, nützlich oder luxuriös sein (vgl. etwa Art. 647c–e ZGB; dazu hinten Nr. 753 ff.). Die Bestimmung gewährt dem gutgläubigen Besitzer Ersatz für notwendige und nützliche Verwendungen und die Befugnis, die Auslieferung (Rückgabe) der Sache bis zu dieser Ersatzleistung zu verweigern. Für die übrigen Verwendungen gilt das Wegnahmerecht gemäss Art. 939 Abs. 2 ZGB.

2.

353

Der bösgläubige Besitzer (Art. 940 ZGB)

1. Art. 940 ZGB unterwirft den bösgläubigen Besitzer strengen Sanktionen: Er hat die Sache herauszugeben und dem Berechtigten für alle durch die Vorenthaltung verursachten Schäden sowie für die bezogenen und versäumten Früchte Ersatz zu leisten (Abs. 1). Beizufügen bleibt:

354

– Art. 940 Abs. 1 ZGB hat eigenständige Bedeutung mit Bezug auf den Schadenersatzanspruch (sowie den Anspruch auf Ersatz für die Früchte). Der Herausgabeanspruch ergibt sich demgegenüber schon aus anderen Bestimmungen,23 etwa aus Art. 936 Abs. 1 ZGB und allenfalls auch aus Art. 641 Abs. 2 ZGB.

355

[entfällt] – Hat der bösgläubige Besitzer sich der Sache entäussert, so schuldet er als Schadenersatz den Wert der Sache.24

19

20 21

22 23 24

SteinaueR, Band I, Nr. 504 f. und 507 f. – Zur Frage, ob auch der Verbrauch der Sache unter den Begriff der Nutzung im Sinn von Art. 938 Abs. 1 ZGB fällt, vgl. etwa baRbaRa lindenmann (zitiert in Nr. 361), S. 130 f.; a lFRed KolleR, Berührungspunkte zwischen Schuld- und Sachenrecht – unter besonderer Berücksichtigung der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung, SJZ 106/2010, S. 209 ff. (211 f.), je mit Hinweisen. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 9 zu Art. 938 ZGB. BGE 71 II 90 ff. (97), E. 5. Dem Bundesgericht folgend etwa SteinaueR, Band I, Nr. 507; SutteRSomm, Nr. 1483; vgl. auch schon hubeR, Erläuterungen II, S. 393. Die Rechtsprechung ablehnend zum Beispiel StaRK /lindenmann, BeKomm, N 14 und 25 ff. zu Art. 938 ZGB (anders noch die hindeRling, S. 512; baRbaRa lindenmann (zitiert in Nr. 361), S. 131 f. BGE 133 III 416 ff. (419 f.), E. 6.3.4. BGE 84 II 253 ff. (260), E. 2; StaRK /lindenmann, BeKomm, N 1a zu Art. 940 ZGB. BGE 45 II 263 ff. (265); 79 II 59 ff. (61), E. 1 («dies auf jeden Fall dann, wenn die Sache sich in (260), E. 2; StaRK /lindenmann, BeKomm, N 7 f. zu Art. 940 ZGB.

356 357

88

Der Besitz

Die Rechtsprechung25 fasst Art. 940 ZGB als Nachfolgebestimmung zu Art. 207 aOR auf, welcher lautete: «Der bösgläubige Erwerber muss die Sache stets herausgeben oder, wenn er sich derselben entäussert hat, ihren Werth erse[t]zen und auch für jede durch seine Schuld herbeigeführte Werthverminderung haften; weitergehende Ansprüche auf Schadenersa[t]z gegen ihn bleiben vorbehalten.»

– Einen Sonderfall regelt Art. 940 Abs. 3 ZGB: Solange der Besitzer nicht weiss, wem er die Sache herausgeben soll, haftet er nur für den Schaden, den er verschuldet hat. Diese Regelung entspricht Art. 41 OR.

358

Art. 940 Abs. 3 ZGB scheidet jedoch aus, wenn der bösgläubige Besitzer den Berechtigten durch kann.26



359

360

analog auch auf jene Person an, die bösgläubig oder grobfahrlässig einen Check vom Nichtberechtigten (Art. 1112 OR) entgegennimmt.27

2. Der Ersatzanspruch des bösgläubigen Besitzers beschränkt sich auf notwendige Verwendungen (Art. 940 Abs. 2 ZGB).

III. Weiterführende Literatur 361

– hindeRling, S. 508 ff. – lindenmann baRbaRa, Die Verantwortlichkeit des gutgläubigen Besitzers, Der Artikel 938 ZGB und dessen Anwendungsbereich, Diss. Bern 2010. – Piotet Paul d’une obligation, SJZ 80/1984, S. 189 ff. – PolydoR-WeRneR SuSanne, L’indemnité pour l’usage d’une chose due par un locataire ou un acheteur de bonne foi en cas de nullité du contrat de bail ou de vente, SJZ 82/1986, S. 194 ff. – SutteR-Somm, Nr. 1473 ff.

IV. Fälle 362

1. BGE 120 II 191 ff. Ansprüche gegen einen bösgläubigen Autokäufer, der das Fahrzeug an einen Dritten weiterverkauft hat. 2. BGE 119 II 437 ff. Mietsache weiter benützt? Rechtsgrundlage für die Abwicklung? Böser Glaube des Mieters?

25 26 27

BGE 45 II 263 ff. (265); 120 II 191 ff. (195), E. 3c/bb. BGE 120 II 191 ff. (195 f.), E. 3c/cc. BGE 121 III 69 ff. (71), E. 3b.

2. Kapitel: Das Grundbuch § 8 Vorbemerkungen Einführende Literatur: – SteinaueR, Band I, Nr. 523 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 93 N 1 ff.

363

Weitere wichtige Literatur: – deSchenaux, S. 1 ff. – FaSel, Kommentar GBV, Einl. (vor Art. 1 GBV), N 6 ff. und 94 ff. – zobl, Grundbuchrecht, Nr. 1 ff. Zum Einstieg: «Das Grundbuchrecht ist ein eigentliches Spezialgebiet unseres Privatrechts mit stark technischer Ausgestaltung. Es bedarf entweder langer und intensiver wissenschaftlicher Beschäftigung mit ihm oder längerer praktischer Erfahrung, um es einigermassen zu beherrschen».1

I.

Die Bedeutung des Grundbuchs im Allgemeinen

1. Art. 942 Abs. 1 ZGB ordnet an: «Über die Rechte an den Grundstücken wird ein Grundbuch geführt.»2 Das Grundbuch («le registre foncier», «il registro fondiario») ist demnach – vereinfacht gesagt – nichts anderes als ein Buch (Register), das über die dinglichen Rechte an Grundstücken Auskunft gibt. Das Ziel dieser Einrichtung besteht darin, das Publizitätsprinzip im Immobilienbereich zu verwirklichen, also dingliche Rechte an Grundstücken nach aussen sichtbar zu machen.3 Die dinglichen Rechte wirken nämlich gegenüber jedermann («absolute Rechte»; vorne Nr. 18); sie können aber nur dann von jedermann respektiert werden, wenn sie äusserlich erkennbar sind.4 Das System fusst auf der Idee, dass die Begründung und die Übertragung dinglicher Rechte an Grundstücken (grundsätzlich) durch die Einschreibung in ein besonderes staatliches Register – eben das Grundbuch – bewerkstelligt werden.5 Gemäss Art. 958 ZGB lassen sich folgende Rechte an Grundstücken in das Grundbuch eintragen: – das Eigentum, – die Dienstbarkeiten und Grundlasten, – die Pfandrechte.

1 2 3 4 5

PeteR liveR, Die Anmerkung, ZBGR 50/1969, S. 10 ff. (34). Französisch: «Le registre foncier donne l’état des droits sur les immeubles.» SteinaueR, Band I, Nr. 526 f. deSchenaux, S. 6. SteinaueR, Band I, Nr. 527.

364

365

90

Das Grundbuch

Die Führung des Grundbuchs kann als «öffentliche Dienstleistung» des Staates aufgefasst werden.6 Sie stellt eine (nichtgerichtliche) staatliche Mitwirkung bei der Begründung, Änderung und Aufhebung privater Rechte dar, ohne dass ein Streitfall gegeben ist. Die Führung des Grundbuchs ist demnach ein Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit.7 366

367

2. Wie der Besitz für Mobilien (vorne Nr. 81 f.) stellt das Grundbuch mit anderen Worten eine Erscheinungsform (Publizitätsform) für dingliche Rechte an Grundstücken dar: Diese Rechte kommen äusserlich (weitestgehend) durch das Grundbuch zum Ausdruck. Dinglich berechtigt am Grundstück ist (regelmässig) jene Person, welche durch das Grundbuch – dem äusseren Schein nach – in besonders naher Beziehung zum betreffenden Grundstück steht. Die Beziehung zwischen Grundbuch und dinglichem Recht äussert sich beispielsweise dadurch, dass: – das Gesetz vermutet, die im Grundbuch (in der Eigentümerrubrik eines Hauptbuchblattes) eingetragene Person sei Eigentümerin des betreffenden Grundstücks (Art. 937 Abs. 1 ZGB); – zur Übertragung des Grundeigentums in der Regel die Eintragung des Erwerbers in das Grundbuch notwendig ist (Art. 656 Abs. 1 und Art. 971 f. ZGB); Zur Erinnerung: fen, Grundeigentum zu übertragen (Art. 184 Abs. 1 OR).

– zur Begründung einer Dienstbarkeit, einer Grundlast oder eines Pfandrechts an einem Grundstück grundsätzlich ebenfalls die Eintragung dieses beschränkten dinglichen Rechts in das Grundbuch erforderlich ist (Art. 731 Abs. 1, Art. 746, 776 Abs. 3, Art. 783 Abs. 1 und Art. 799 Abs. 1 ZGB). Hinzu kommt, dass das Grundbuch – mindestens in gewisser Hinsicht – öffentlich ist: Eine interessierte Person darf unter bestimmten Voraussetzungen Einsicht in das Grundbuch verlangen (Art. 970 ZGB), und einzelne Einschreibungen können nach Massgabe des kantonalen Rechts sogar veröffentlicht werden (Art. 970a ZGB). Überdies ist die Einwendung, jemand habe einen Grundbucheintrag nicht gekannt, von Gesetzes wegen ausgeschlossen (Art. 970 Abs. 4 ZGB; dazu hinten Nr. 459 ff.). Art. 2 lit. b GBV bezeichnet das Grundbuch als «öffentliches Register über die dinglichen Rechte an Grundstücken sowie über die Vormerkungen und Anmerkungen, bestehend aus dem Hauptbuch, dem Tagebuch, dem Plan für das Grundbuch und den Belegen».

368

II. Die gesetzliche Ordnung des Grundbuchs 369

Das Grundbuch ist schwergewichtig in Art. 942 ff. ZGB geregelt. Doch müssen weitere Rechtsnormen beachtet werden. Es lassen sich eidgenössische und kantonale Bestimmungen verschiedener Rangordnung auseinanderhalten:

6 7

deSchenaux, S. 2; SteinaueR, Band I, Nr. 524 f. deSchenaux, S. 2; LGVE 2009 I Nr. 8, S. 19 ff. (20), E. 5.2 (Luzerner Obergericht).

§ 8 Vorbemerkungen

1.

Bundesrecht

A.

Gesetzesrecht

91

1. Der Begriff «Grundbuch» («le registre foncier») wird in ZGB und OR an mehreren Stellen verwendet:

370

– «Sedes materiae» ist der gesamte 25. ZGB-Titel, welcher die Art. 942–977 ZGB umfasst. Hilfreich für das Verständnis des Aufbaus dieser Bestimmungen sind auch die Randtitel. Ihre Haupttitel lauten:

371

• Einrichtung («Organisation»): Art. 942–957 ZGB; • Eintragung («Inscription»): Art. 958–969 ZGB; • Öffentlichkeit des Grundbuchs («Publicité du registre foncier»): Art. 970– 970a ZGB; • Wirkung («Effets»): Art. 971–974 ZGB; •

tions»): Art. 974a–977 ZGB.

– Daneben enthalten ZGB und OR an mehreren Stellen verstreute weitere Regeln, die das Grundbuch betreffen («leges fugitivae»), namentlich im Titel über das Grundeigentum (etwa: Art. 647 Abs. 1, Art. 655 Abs. 3, Art. 656, 658, 660a Abs. 3, Art. 661 f., 665 f. ZGB usw.), aber auch an anderen Orten, etwa: Art. 937 ZGB (Besitzesrecht), Art. 216a und 219 OR (Recht des Grundstückkaufs), Art. 242 Abs. 2 und Art. 247 Abs. 2 OR (Schenkungsrecht). Wichtige intertem-

372

2. Folgende weitere für das Grundbuch bedeutsame Bundesgesetze seien hier beispielhaft aufgeführt:

373

– Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland vom 16. Dezember 1983 (BewG, auch als «Lex Friedrich» oder «Lex Koller» bezeichnet)8 – vgl. etwa Art. 18 – nebst zugehöriger Verordnung; – Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht vom 4. Oktober 1991 (BGBB)9 – vgl. etwa die Art. 72 Abs. 2 und Art. 81 – nebst zugehöriger Verordnung; – Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 1889 (SchKG)10 nebst zugehörigen Verordnungen; – Bundesgesetz über die Enteignung vom 20. Juni 1930 (EntG)11 – vgl. etwa die Art. 89–101 – nebst zugehörigen Verordnungen; – Bundesgesetz über Geoinformation (Geoinformationsgesetz, GeoIG) vom 5. Oktober 200712 nebst zugehörigen Verordnungen (hinten Nr. 396 ff.).

8 9 10 11 12

SR 211.412.41. SR 211.412.11. SR 281.1. SR 711. SR 510.62.

92

B.

Das Grundbuch

Verordnungsrecht

374

1. Von grosser praktischer Bedeutung ist die Grundbuchverordnung vom 23. September 2011 (GBV).13 Von ihr wird im Folgenden immer wieder die Rede sein; hier sei vorweg ein Doppeltes erwähnt:

375

– Die GBV ist eine Ausführungsverordnung, die sich auf das ZGB stützt, nämlich auf Art. 949 ZGB und auf weitere Bestimmungen (vgl. den Ingress der Verordnung). Als Ausführungsverordnung muss sich die GBV «an den durch das Gesetz vorgegebenen Rahmen halten und darf der Regelung des Gesetzes, die sie näher ausführen soll, nicht zuwiderlaufen. Sie kann verfahrensrechtliche und organisatorische Vorschriften aufstellen, im Gesetz verwendete Begriffe verdeutlichen und gegebenenfalls echte Lücken füllen».14 So hat das Bundesgericht beispielsweise zur Grundbuchverordnung von 1910 entschieden, Art. 20 Abs. 2 aGBV (der den Kantonen erlaubte zu verlangen, dass die Anmeldung von Eigentümer- und Inhaberschuldbriefen durch eine Urkundsperson zu geschehen habe, was praktisch auf eine öffentliche Beurkundung der Anmeldung hinauslief) sprenge den gesetzlich vorgegebenen Rahmen, da die Voraussetzungen für die Eintragung eines Inhaberschuldbriefs in das Grundbuch abschliessend durch Art. 963 ff. ZGB geregelt seien.15 Nach der heutigen Rechtslage schreibt nun das Gesetz selber die öffentliche Beurkundung jedes Rechtsgeschäfts auf Errichtung eines Grundpfandrechts vor (Art. 799 Abs. 2 ZGB; dazu hinten Nr. 1496 und 1531 ff.).

376

– Zu den grundbuchlichen Grundbegriffen wie «Liegenschaft», «Grundbuch»,

377

2. Eine Rolle für das Grundbuchrecht spielen ferner Bestimmungen, die sich mit der amtlichen Grundstückvermessung befassen (vgl. auch Art. 950 Abs. 1 ZGB; dazu hinten Nr. 395 ff.). Zu nennen ist insbesondere die Verordnung über die amtliche Vermessung vom 18. November 1992 (VAV;16 hinten Nr. 396 ff.).

2. 378

Kantonales Recht

Für das (umfassend verstandene) Grundbuchrecht sind schliesslich auch kantonale Erlasse bedeutsam, soweit die Kantone zur Legiferierung auf diesem Gebiet kompetent sind (vgl. etwa Art. 953 f. ZGB). Beachtet werden müssen namentlich die kantonalen Einführungsgesetze zum ZGB, die kantonalen Grundbuchgesetze sowie die Abgabenerlasse der Kantone (Gesetze über Grundbuchgebühren, Handänderungssteuern, Grundstückgewinnsteuern und dergleichen; vgl. hinten Nr. 432 ff.).17

13

14

15 16 17

SR 211.432.1. Die an diesem Datum totalrevidierte Grundbuchverordnung ist am 1. Januar 2012 in Kraft getreten (AS 2011, S. 4659 ff., Inkrafttreten S. 4711) und hat die Verordnung vom 22. Februar 1910 (aGBV) abgelöst (Art. 161 GBV). Zu den Auswirkungen der neuen GBV auf die Notare vgl. auch michel mooSeR (zitiert in Nr. 392a), S. 18 ff. BGE 121 III 97 ff. (99), E. 2c (diese Aussage zur alten Grundbuchverordnung trifft ohne Weiteres auch auf die neue zu); zur Kognition des Bundesgerichts bei der Überprüfung von Verordnungen vgl. auch BGE 122 II 411 ff. (417 oben), E. 3b. BGE 121 III 97 ff. SR 211.432.2. Vgl. auch SteinaueR, Band I, Nr. 540b.

§ 8 Vorbemerkungen

93

III. Die Form des Grundbuchs Zu unterscheiden sind gemäss Art. 942 Abs. 2 ZGB das (traditionelle) Grundbuch in Papierform (Papiergrundbuch; nachfolgend 1.) und das informatisierte Grundbuch (2.):

1.

379

Das Papiergrundbuch

1. Das Papiergrundbuch ist das traditionelle Grundbuch, das für den Gesetzgeber von 1907 Leitbild war. Es kennzeichnet sich durch die «Grundbuchführung auf Papier» (vgl. auch Art. 8 Abs. 4 GBV). Infolge seiner Anschaulichkeit steht es in den nachfolgenden Ausführungen aus didaktischen Überlegungen im Vordergrund, obwohl zahlreiche Kantone diese Form nicht mehr kennen (hinten Nr. 388). Seiner äusseren Form nach besteht es gemäss Art. 942 Abs. 2 ZGB im Wesentlichen aus:

380

– dem Hauptbuch («le grand livre»; hinten Nr. 438 ff.) und ergänzenden Urkunden («les documents complémentaires»; hinten Nr. 442 ff.); Gemäss Art. 945 Abs. 1 ZGB erhält jedes Grundstück im Hauptbuch ein eigenes Blatt und eine eigene Nummer («Realfoliensystem», «classement réel»).18 Das Hauptbuch kann in Buch- oder in Loseblattform geführt werden (Art. 8 Abs. 4 GBV).

– dem Tagebuch («le journal»; dazu Art. 948 ZGB und Art. 10 GBV; hinten Nr. 446). Art. 8 Abs. 4 GBV umschreibt die Grundbuchführung auf Papier (Papiergrundbuch) so, dass «das Hauptbuch vom Tagebuch getrennt geführt [wird], grundstücksbezogen entweder in einem Buch Personen das Eigentümer- und das Gläubigerregister geführt werden. Die Kantone können weitere Hilfsregister führen, wie Verzeichnisse über die Adressen berechtigter Personen, Strassenverzeichnisse oder Gebäuderegister (Art. 8 Abs. 5 und Art. 13 GBV).

2.

-

381

19

Ebenso dürfen die Daten für gewisse Hilfsregister (z.B. Strassenverzeichnisse und Gebäuderegister) aus anderen Informationssystemen bezogen werden (Art. 13 Abs. 2 GBV). Solange die Führung des Hauptbuchs auf Papier geschieht, spricht man in solchen Fällen vom computerunterstützten Grundbuch, das aber nichts anderes als eine Form des Papiergrundbuchs darstellt: Grundbuchwirkung kommt auch hier dem aus Papier bestehenden Grundbuch zu. Der Computer wird lediglich unterstützend eingesetzt.20

2.

Das informatisierte Grundbuch (EDV-Grundbuch)

1. Neben der traditionellen (Papier-)Form sieht Art. 949a ZGB die Möglichkeit der Grundbuchführung mittels Informatik vor («informatisiertes Grundbuch» nach

18 19 20

deSchenaux, S. 7 f. Schmid, BaKomm, N 12 zu Art. 949 ZGB.

382

94

Das Grundbuch

Art. 8 Abs. 2 GBV; «EDV-Grundbuch», computergeführtes Grundbuch; «le registre foncier informatisé»). Auch hier lassen sich Hauptbuch und Tagebuch unterscheiden (Nr. 380; vgl. aber auch Nr. 384). Zu den vom Bundesrat vorgeschlagenen neuen Bestimmungen von Art. 949b–d ZGB vgl. die Botschaft zur Änderung des ZGB (Beurkundung des Personenstands und Grundbuch) vom 16. April 2014.21 383

2. Für die Details massgebend sind vor allem die Art. 8, 14 f. und 159 f. GBV. Folgende Vorschriften seien vorweg herausgegriffen:

384

– Beim informatisierten Grundbuch werden gemäss Art. 8 Abs. 2 GBV «die Daten des Hauptbuchs und des Tagebuchs im gleichen System bearbeitet und zueinander in Beziehung gesetzt». Art. 942 Abs. 4 ZGB hält dazu fest: «Bei der Grundbuchführung mittels Informatik kommen die Rechtswirkungen den im System ordnungsgemäss gespeicherten und auf den Geräten des Grundbuchamtes durch technische Hilfsmittel in Schrift und Zahlen lesbaren oder in Plänen dargestellten Daten zu.»

385

– Nach Art. 14 GBV müssen alle Daten des informatisierten Grundbuchs mit Einschluss der Tagebuchdaten hängiger Bearbeitungsverfahren sofort abrufbar sein.

386

– Zur (Ein-)Führung des EDV-Grundbuchs bedürfen die Kantone der Ermächtigung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (Art. 949a Abs. 1 ZGB; Art. 160 GBV). Dem Ermächtigungsverfahren hat ein Vorprüfungsverfahren beim Eidgenössischen Amt für Grundbuch- und Bodenrecht vorauszugehen (Art. 159 GBV). Derzeit sind 25 Kantone zur Führung des informatisierten Grundbuchs ermächtigt (Stand: 8. März 2017).22 Zu berücksichtigen sind sodann auch kantonale Organisationsnormen, die nach Massgabe von Art. 160 GBV der Genehmigung durch das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement bedürfen.23

– Soweit die Grundbuchverordnung keine Sonderbestimmungen enthält, sind auf das informatisierte Grundbuch die gewöhnlichen grundbuchrechtlichen Vorschriften anwendbar. Die nachfolgende Darstellung des traditionellen Papiergrundbuchs (Nr. 394 ff.) gilt mit anderen Worten – mutatis mutandis – auch für das informatisierte Grundbuch.

387

21

22 23

buch (AHV-Versicherungsnummer), landesweite Grundstücksuche und Beizug Privater zur Nutzu den grundbuchrechtlichen Bestimmungen bislang keine Einigkeit besteht: Amtl. Bull. NR 2016, S. 624 ff. und 1052 ff. (Rückweisung an den Bundesrat); Amtl. Bull. StR 2016, S. 1195 ff. (grundsätzliche Zustimmung zum Bundesratsentwurf, Nichteintreten auf die Beschlüsse des Nationalrats). Vgl. hinten Fussnote 24 und den Stand auf www.cadastre.ch (besucht am 15. April 2017). Vgl. beispielsweise für den Kanton Luzern: § 93b Abs. 1 des Luzerner Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch (EG ZGB) vom 20. November 2000 (SRL Nr. 200) sowie die obergerichtliche Verordnung über die Führung des Grundbuchs mittels Informatik (IT-Grundbuch-Verordnung) vom 13. Dezember 1996 (SRL Nr. 226a). – Zu den unterschiedlichen Systemen des EDVGrundbuchs vgl. etwa Eidgenössisches Amt für Grundbuch- und Bodenrecht, Orientierung […] vom 20. September 1996, ZBGR 77/1996, S. 390 ff. (399 f.).

§ 8 Vorbemerkungen

95

3. Die Kantone sind frei, ob sie das informatisierte Grundbuch einführen (Art. 942 Abs. 3 ZGB) und welches EDV-System sie dafür (unter Vorbehalt der genannten Ermächtigung) benützen wollen.24

388

Beispiel: Im Kanton Luzern wird das Grundbuch seit 1. Januar 2003 für alle Gemeinden nur noch als informatisiertes Grundbuch geführt.25

Nicht verkennen lässt sich, dass die Überführung des Papiergrundbuchs in ein informatisiertes Grundbuch besondere rechtliche und technische Probleme aufwirft. Herausgegriffen seien die Folgenden:

389

– Die ursprünglich vom Bund gewährte Freiheit der Kantone bei der Wahl der EDV-Systeme entsprach zwar föderalistischen Anliegen; sie bewirkte jedoch eine Verzettelung der Kräfte und führte zu unterschiedlichen «informatisierten Grundbüchern», die untereinander weitgehend inkompatibel waren. Mit dem Projekt «eGRIS» (elektronisches Grundstückinformationssystem) ist nun seit 2001 eine schweizweit teilharmonisierte Informatisierung des Grundbuchs eingeführt (Art. 949a Abs. 3 ZGB).26

390

Im Rahmen dieses Verfahrens wurden im Jahr 2007 als wichtiger Zwischenschritt ein einheitliches Datenmodell («eGRISDM») für das Grundbuch und für den Datenaustausch zwischen Grundbuch und amtlicher Vermessung geschaffen sowie eine standardisierte GrundbuchschnittDatenmodell, die Schnittstelle für den Datenaustausch zwischen der amtlichen Vermessung und dem Grundbuch («AVGBS») sowie weitere, meist technische Fragen werden heute durch die Technische V des EJPD und des VBS über das Grundbuch (TGBV) vom 28. Dezember 201227 und ihre Anhänge geregelt (Art. 1 TGBV).28 von Datenmodell und Schnittstelle in ihren EDV-Grundbuchsystemen umzusetzen (Art. 6 und 26 TGBV). Die Grundbuchverordnung von 2011 sieht ausserdem vor, dass jede Grundstücksbezeichnung (hinten Nr. 421), zusätzlich zur Gemeinde und zur Grundstücksnummer, für den Datenaustausch zwischen Informationssystemen eine (E-GRID) beinhaltet (Art. 18 Abs. 2 GBV). Diese ist den einzelnen Grundstücken von den Kantonen zuzuweisen, doch darf sie keine Rückschlüsse auf das Grundstück zulassen, dem sie zugewiesen ist (Art. 19 Abs. 1 und 3 GBV; Art. 16 f. TGBV).29

– Das verwendete informatisierte Grundbuch muss «die aktuellen Eintragungen materiell so wiedergeben können, wie sie im Grundbuch auf Papier aufgeführt sind».30 Das schliesst nicht aus, dass gewisse «lange» Einträge des Papiergrund-

24

25

26 27 28

29

30

Derzeit (Auskunft des Bundesamtes für Justiz vom 8. März 2017) verfügen alle Kantone ausser Zürich über die Ermächtigung des Bundes, ein EDV-Grundbuch zu führen. Im Kanton Zürich sind Pilotversuche zum informatisierten Grundbuch geplant, und ein Gesuch um Vorprüfung wird vorbereitet (Auskunft des Notariatsinspektorats des Kantons Zürich vom 19. April 2017). ZBGR 89/2008, S. 396 f. (Eidg. Amt für Grundbuch- und Bodenrecht). Vgl. die Musteransicht zum Luzerner Grundbuch bei tuoR /SchnydeR /Schmid, § 94 N 24, mit EDV-Ansicht und Grundbuchauszug in N 25. Vgl. WeRneR möcKli (zitiert in Nr. 392a), ZBGR 92/2011, S. 416 ff., und unten Fussnote 29. SR 211.432.11. Zur Entstehungsgeschichte vgl. etwa ZBGR 89/2008, S. 394 (Eidg. Amt für Grundbuch- und BodenFaSel, Kommentar GBV, N 3 ff. zu Art. 19 GBV; ferner zum Ganzen https://www.egris.admin.ch/egris/de/home.html (besucht am 15. April 2017). So ausdrücklich im alten Recht Abs. 3 der Übergangsbestimmungen zur GBV-Änderung vom 23. November 1994.

391

96

Das Grundbuch

buchs bei der Überführung in das informatisierte Grundbuch aus computertechnischen Gründen gekürzt werden müssen, was in der Praxis namentlich die Dienstbarkeiten betrifft. Die beschriebene Kürzung darf nach der hier vertretenen Meinung der Grundbuchverwalter selber – ohne die Zustimmung der aus den Einträgen Berechtigten – vornehmen (vgl. auch Art. 98 nach Art. 969 ZGB. Doch ist der Grundbuchverwalter zu besonderer Sorgfalt aufgerufen, da dem Wortlaut des Eintrags (für Dienstbarkeiten insbesondere nach Art. 738 Abs. 1 ZGB; hinten Nr. 1276) im Blick auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs eine äusserst grosse Bedeutung zukommt (Art. 973 Abs. 1 ZGB; hinten Nr. 579 ff.). Hierbei müssen die Art. 976 ff. ZGB mitberücksichtigt werden: Entdeckt der Grundbuchverwalter bei der Überführung des Papiergrundbuchs in das informatisierte Grundbuch obsolete Einträge, so soll er das Löschungsverfahren nach Massgabe der genannten Bestimmungen einleiten (hinten Nr. 626 ff.).

– Entsteht durch einen Fehler des EDV-Systems einem Privaten ein Schaden, so ist der Kanton hierfür nach Massgabe von Art. 955 ZGB haftbar (hinten Nr. 552 ff.).

392 392a

4. Weiterführende Literatur:31 – K aRau K aRSten, L’article 111m ORF et les réglementations cantonales concernant l’accès au registre foncier informatisé, ZBGR 82/2001, S. 65 ff. – mooSeR michel, L’impact de la nouvelle ORF et de l’OAAE sur l’activité notariale, ZBGR 93/2012, S. 18 ff. – möcKli WeRneR, – deRSelbe, 92/2011, S. 416 ff. – mülleR manuel/Schmid chRiStina, Aspekte der EDV-Grundbuchführung, ZBGR 79/1998, S. 145 ff. – Schmid JüRg, BaKomm, Kommentar zu Art. 949a ZGB. Rechtsvergleichend allgemein: caRoline S. RuPP, Germanisches Grundbuch und romanisches Register – Harmonisierende Überlegungen, AcP 214/2014, S. 567 ff.; zum deutschen EDV-Grundbuch h eRbeRt gRziWotz , Das EDV-Grundbuch, Computer und Recht 1995, S. 68 ff.; für Österreich h elmut aueR, Zur Modernisierung des Grundbuchs, in: Österreichische Notariatskammer u.a. (Hrsg.), Eigentumssicherung im 21. Jahrhundert – Innovation durch Grundbuch und Kataster, Wien 2003 (Schriftenreihe des österreichischen Notariats, Band 24), S. 37 ff.; ludWig bittneR, Grundbuchrechtliche Spuren im ABGB [...], in: Constanze Fischer-Czermak u.a. (Hrsg.), Festschrift 200 Jahre ABGB, Wien 2011, S. 863 ff.; für Liechtenstein RudolF FehR, Das liechtensteinische Grundbuch vor der EDV-Einführung, Liechtensteinische Juristen-Zeitung 17/1996, S. 126 ff.

31

dieses Lehrbuchs.

§ 8 Vorbemerkungen

97

IV. Die Darstellung des Stoffs (Übersicht) Für die Darstellung wird folgende Gliederung gewählt: – Zuerst sollen die «technischen» Voraussetzungen der Grundbuchführung zur Sprache kommen: (Land-)Vermessung, Anlegung des Grundbuchs und Aufnahme der Grundstücke (hinten Nr. 394 ff.). – Dann wird vom formellen Grundbuchrecht die Rede sein: von den Regeln über die Behördenorganisation und das Verfahren (hinten Nr. 425 ff.). Diese Regeln gehören der Sache nach zum Verwaltungsrecht.32 Zum formellen Grundbuchrecht wird hier auch die Haftung der Kantone aus Grundbuchführung gerechnet.

– Schliesslich kommt das sogenannte materielle Grundbuchrecht zur Sprache: die (materiellen) Wirkungen der Grundbucheintragung (Nr. 567 ff.). Sie gehören klarerweise dem Privatrecht an.33 Hier werden im Anhang zum materiellen Grundbuchrecht auch die (gerichtlichen und aussergerichtlichen) Rechtsbehelfe behandelt, die im vorliegenden Zusammenhang von besonderer Bedeutung sein können (hinten Nr. 610 ff.).

32

33

BGer 6S.276/2004, E. 3.1 = ZBGR 87/2006, S. 215 ff.; deSchenaux, S. 12; SteinaueR, Band I, Nr. 541. deSchenaux, S. 12; SteinaueR, Band I, Nr. 541.

393

98

Das Grundbuch

§ 9 Technische Voraussetzungen der Grundbuchführung 394

Einführende Literatur: – SteinaueR, Band I, Nr. 542 ff. und 652 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 93 N 4 ff. Weitere wichtige Literatur: – deSchenaux, S. 33 ff. und 49 ff. – huSeR meinRad, Schweizerisches Vermessungsrecht – Unter besonderer Berücksichtigung des Geoinformationsrechts und des Grundbuchrechts, 3. A., Zürich 2014. – mutzneR, BeKomm, Kommentar zu Art. 38–48 SchlT ZGB. – Schmid, BaKomm, Kommentar zu Art. 38–48 SchlT ZGB.

I.

Die amtliche Vermessung

395

1. Bevor Grundstücke in das Grundbuch aufgenommen werden können, ist ein Plan und damit – nunmehr in allen Fällen1 – eine amtliche Vermessung erforderlich (Art. 950 Abs. 1 ZGB). Folgendes ist beizufügen:

396

– Nach Art. 950 Abs. 2 ZGB regelt das Geoinformationsgesetz vom 5. Oktober 2007 (GeoIG)2 – das sich seinerseits auf Art. 75a BV3 (Vermessung) stützt – die qualitativen und technischen Anforderungen an die amtliche Vermessung. Massgebend sind ausser den Art. 29 ff. GeoIG und der GeoIV4 vor allem die Verordnung über die amtliche Vermessung vom 18. November 1992 (VAV)5 und die Technische Verordnung des VBS über die amtliche Vermessung vom 10. Juni 1994 (TVAV)6. Die Daten der amtlichen Vermessung «sind Georeferenzdaten, die von Behörden … sowie von der Wirtschaft, der Wissenschaft und Dritten zur Gewinnung von Geoinformationen verwendet werden» (Art. 1 Abs. 2 VAV). Bestandteile der amtlichen Vermessung sind unter anderem der Plan für das Grundbuch und die weiteren zum Zweck der Grundbuchführung erstellten Auszüge aus dem Grunddatensatz (Art. 29 Abs. 2 GeoIG; Art. 5 lit. c und Art. 7 VAV). Die VAV enthält sodann namentlich Bestimmungen über den Inhalt der Vermessung, die Vermarkung (Grenzfeststellung und Anbringen von Grenzzeichen),

397

1

2

3 4

5 6

Fassung gemäss GeoIG (BBl 2006, S. 7875). Dass der Wortlaut von Art. 40 Abs. 1 SchlT ZGB («in der Regel») nicht an den geänderten Art. 950 Abs. 1 ZGB (der diese Einschränkung seit 1. Juli 2008 nicht mehr enthält) angepasst wurde, stellt ein gesetzgeberisches Versehen dar. SR 510.62. Zur Entstehungsgeschichte vgl. die Botschaft zum GeoIG in BBl 2006, S. 7817 ff. Am laufenden Programm zur Realisierung der amtlichen Vermessung hat das GeoIG nichts geändert (BBl 2007, S. 7834 f. und 7866 f.). AS 2007, S. 5767; vgl. auch die Botschaft in BBl 2002, S. 2420 ff. Verordnung über Geoinformation vom 21. Mai 2008 (SR 510.620); vgl. auch die Verordnung des 510.620.1). SR 211.432.2. SR 211.432.21.

§ 9 Technische Voraussetzungen der Grundbuchführung

99

den Unterhalt der amtlichen Vermessung, den Zugang zu den Daten, die Organisation der Vermessung (einschliesslich Aufsicht) und die Bundesabgeltungen. Zwei für das Grundbuch besonders bedeutsame Bestimmungen seien herausgegriffen: 7

a. «Der Plan für das Grundbuch ist ein aus den Daten der amtlichen Vermessung erstellter analoger oder digitaler graphischer Auszug, der als Bestandteil des Grundbuches die Liegenschafwerke abgrenzt; ihm kommen die Rechtswirkungen von Eintragungen im Grundbuch zu» (Art. 7 Abs. 1 VAV; vgl. auch Art. 2 lit. f GBV und Art. 732 Abs. 2 ZGB).8 – b. «Der Grundbuchverwalselbständigen und dauernden Rechten im Grundbuch nur vornehmen, wenn die Mutationsurkunde vorgelegt wird, die von dem zuständigen im Register eingetragenen Ingenieur-Geometer … unterzeichnet ist» (Art. 25 Abs. 1 VAV).9

– Die amtliche Vermessung knüpft an die schweizerische Landesvermessung an und arbeitet unter anderem mit Fixpunkten (Art. 4 f. GeoIV; Art. 5 lit. a und 20 VAV; Art. 46 ff. TVAV), also mit «Anschlusspunkte[n] der amtlichen Vermessung, die durch Messungen und Ausgleichungsverfahren im Bezugssystem der schweizerischen Landesvermessung bestimmt und im Feld durch Fixpunktzeichen dauerhaft und eindeutig gekennzeichnet sind» (Art. 46 Abs. 1 TVAV).

398

Massgebend war bis im Jahr 2016 das sogenannte «Lagebezugssystem CH1903 mit Lagebezugsrahmen LV03» (Art. 4 Abs. 1 lit. a und Art. 53 Abs. 2 GeoIV). Die Daten der amtlichen Vermessung wurden bis 31. Dezember 2016 auf die Landesvermessung 1995 («Lagebezugssystem CH1903+ mit Lagebezugsrahmen LV95») überführt (Art. 4 Abs. 1 lit. b und Art 53 Abs. 2 GeoIV). Darin ist das bisherige Bezugssystem beibehalten worden.10 Dieses geht vom Meridianzentrum der alten Sternwarte von Bern als Zentralpunkt aus. Den Referenzpunkt der Höhenmessung bildet der «Repère Pierre du Niton» in Genf (Art. 5 Abs. 2 GeoIV). Die schweizerische Landesvermessung beruhte ursprünglich auf einem Triangulationssystem.11 Seit den Achtzigerjahren sind satellitengestützte und damit wesentlich präzisere Vermessungsmethoden entwickelt worden, beispielsweise das «Global Positioning System» (GPS).12 Die Gesetzgebung über die Geoinformation nimmt hinsichtlich der qualitativen und technischen Anforderungen auf die international und national anerkannten Normen für Geodaten Bezug (Art. 4 ff. GeoIG; Art. 3 Abs. 1 GeoIV).13 Für das Erheben und Nachführen von Geobasisdaten sieht Art. 8 Abs. 3 GeoIG Methodenfreiheit vor, sofern die Vergleichbarkeit der Ergebnisse gewährleistet ist.14

– Nach Art. 32 Abs. 1 GeoIG muss die amtliche Vermessung durch die zuständige kantonale Stelle genehmigt werden. So (und nur so) erlangen ihre Resultate die Beweiskraft öffentlicher Urkunden (Art. 29 Abs. 2 VAV).15

7 8

9

10

Vgl. auch m einRad huSeR (zitiert in Nr. 394), Nr. 348 ff. Vgl. auch m einRad huSeR, Darstellung von Grenzen (zitiert in Nr. 401), S. 246 f.; deRSelbe (zitiert in Nr. 394), Nr. 545 ff. Zum Mutationsplan vgl. Art. 66 TVAV; m einRad huSeR (zitiert in Nr. 394), Nr. 502 ff. und 767 ff. Zur Rechtsnatur der Mutationsurkunden als öffentliche Urkunden im Sinn von Art. 9 ZGB vgl. BGer 6S.276/2004, E. 3.1 = ZBGR 87/2006, S. 215 ff. Vgl. https://www.cadastre.ch/content/cadastre-internet/de/av/method/coordinates.download/cadastreinternet/de/publications/Brosch_LV95_dt_www.pdf (besucht am 15. April 2017).

11 12

Vgl. auch m einRad huSeR (zitiert in Nr. 394), Nr. 55 f.

13

14 15

swisstopo) vom 26. Mai 2008 (SR 510.620.1). Vgl. auch BBl 2006, S. 7850. Vgl. auch BBl 2006, S. 7867; m einRad huSeR (zitiert in Nr. 394), Nr. 545 ff. Zur Charakterisierung der Mutationsprotokolle als öffentliche Urkunden vgl. auch BGer 6S.276/2004, E. 3.1 = ZBGR

398a

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Das Grundbuch

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– Am 1. Januar 2016 waren etwa 89 Prozent des schweizerischen Gebietes vermessen.16 Grund für die Unvollständigkeit sind namentlich die bei der Vermessung anfallenden Kosten.17 Über den Stand der Vermessung wird jährlich in der ZBGR orientiert.

400

2. Art. 40 Abs. 2 SchlT ZGB sieht vor, dass das Grundbuch mit Einwilligung des Bundes schon vor der Vermessung angelegt werden kann, sofern genügende Liegenschaftsverzeichnisse vorliegen.

401

3. Weiterführende Literatur:18 – ammann R ichaRd/caRoSio aleSSandRo/ulRich WeRneR, Konsequenzen der neuen Landesvermessung 1995 (LV95) für die Amtliche Vermessung (AV), VPK 1996, S. 66 ff. – huSeR meinRad, Geodaten im Spannungsfeld von Grundbuch, Vermessung und GIS, ZBGR 83/2002, S. 65 ff. (zitiert: huSeR, Geodaten). – deRSelbe, Darstellung von Grenzen zur Sicherung dinglicher Rechte, ZBGR 94/2013, S. 238 ff. (zitiert: huSeR, Darstellung von Grenzen). – K ettigeR daniel, der raumbezogenen Daten, Jusletter vom 29. Oktober 2008 (zitiert: K ettigeR, Das neue Geoinformationsrecht). – deRSelbe, Die amtliche Vermessung im Geltungsbereich des Binnenmarktgesetzes, recht 2010, S. 30 ff. (zitiert: K ettigeR, Die amtliche Vermessung). – tSchümPeRlin Paul, Grenze und Grenzstreitigkeiten im Sachenrecht, Diss. Freiburg 1984 (AISUF Band 63), S. 113 ff. – WicKi FRidolin, Neue Geoinformationsgesetzgebung – Konsequenzen für die Praxis, Geomatik Schweiz 2008, S. 308 ff. – Wiget adRian et al., Das Landesvermessungswerk 1995 (LVW95), Geomatik Schweiz 2011, S. 270 ff.

II. Die Anlegung des Grundbuchs (übergangsrechtliche Fragen) 402

Aus den Art. 942 ff. ZGB (und aus den vermessungsrechtlichen Erlassen, etwa Art. 34 Abs. 2 GeoIG) ergibt sich die grundsätzliche die Landvermes-

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18

87/2006, S. 215 ff.; zu den auf amtlicher Vermessung beruhenden Plänen als öffentliche Urkunden vgl. BGer 5A_365/2008, E. 3.1, BGer 5A_375/2010, E. 3.1, und BGer 5A_431/2011, E. 4.2.1 = ZBGR 93/2012, S. 225 ff.; m einRad huSeR (zitiert in Nr. 394), Nr. 532 ff. Vgl. https://www.cadastre.ch/de/gb/status.html (besucht am 15. April 2017). Vgl. Art. 38 GeoIG sowie die Verordnung der Bundesversammlung über die Finanzierung der amtlichen Vermessung (FVAV) vom 6. Oktober 2006 (SR 211.432.27). Bei der Konsultation der vor 1993 erschienenen Werke ist zu bedenken, dass (mindestens) einzelne Aussagen durch die neuen rechtlichen Grundlagen (VAV in Kraft seit 1. Januar 1993, TVAV in Kraft seit 1. Juli 1994) überholt sind. Wichtig sind auch die durch das GeoIG geschaffenen Neuerungen (in Kraft seit 1. Juli 2008).

§ 9 Technische Voraussetzungen der Grundbuchführung

101

sung und die Einführung des eidgenössischen Grundbuchs voranzutreiben.19 Der beschriebene Stand der Vermessung und deren Kosten sowie die bei der Einführung des (eidgenössischen) Grundbuchs anfallenden Kosten haben nun jedoch zur Folge, dass mancherorts das eidgenössische Grundbuch noch nicht eingeführt ist.20 Vielmehr bestehen – und bestanden bei Inkrafttreten des ZGB – kantonale Registereinrichtungen.21 Mit ihnen musste (und muss) sich das ZGB beschäftigen. Es tut dies hauptsächlich in den Übergangsbestimmungen, und zwar in mehrfacher Hinsicht:22 1. Art. 47 SchlT ZGB ordnet allgemein an, dass die sachenrechtlichen Bestimmungen des ZGB auch ohne (also schon vor) Anlegung des eidgenössischen Grundbuchs gelten. «Anwendbar sind alle Bestimmungen des ZGB und der Grundbuchverordnung, die weder die Anlage des Grundbuches nach dem System des ZGB noch eine nach Art. 46 SchlT/ZGB dem eidg. Grundbuch gleichgestellte Einrichtung zur Voraussetzung haben (…).»23

403

Die Art. 942 ff. ZGB gelten namentlich für die Voraussetzungen für eine Eintragung in die kantonalen Register, die Prüfungsbefugnis des Grundbuchverwalters und der Aufsichtsbehörden, die Öffentlichkeit des Registers und die Staatshaftung.24

2. Nach Art. 46 SchlT ZGB können die Kantone die Einführung des (eidgenössischen) Grundbuchs mit Ermächtigung des Bundesrats verschieben, «sobald die kantonalen Formvorschriften, mit oder ohne Ergänzungen, als genügend erscheinen, um die Wirkung des Grundbuches im Sinne des neuen Rechtes zu gewährleisten» (Abs. 1). Machen die Kantone von dieser Möglichkeit Gebrauch, so müssen sie festlegen, «mit welchen Formen des kantonalen Rechtes die vom neuen Recht angeordneten Wirkungen verbunden sein sollen» (Abs. 2). Diese Regelung schafft unter den Kantonen, welche das eidgenössische Grundbuch noch nicht eingeführt haben, zwei «Kategorien»: einerseits solche mit kantonalen Registereinrichtungen, denen alle Wirkungen des eidgenössischen Grundbuchs zukommen; andererseits solche, bei denen dies nicht zutrifft. Den Ausschlag für die Zuordnung zur einen oder anderen Kategorie gibt, ob eine kantonale Registereinrichtung ein genügendes Mass an Sicherheit, Klarheit und Vollständigkeit aufweist, um die vollen Wirkungen des eidgenössischen Grundbuchs beanspruchen zu können.25 Dies kann sich für die verschiedenen Arten von dinglichen Rechten

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ZBGR 89/2008, S. 394 f. (Eidg. Amt für Grundbuch- und Bodenrecht); m einRad huSeR (zitiert in Nr. 394), Nr. 35. Am 31. Dezember 2015 hatten 14 Kantone oder Halbkantone (Aargau, Appenzell Ausserrhoden, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Bern, Genf, Glarus, Jura, Luzern, Nidwalden, St. Gallen, Thurgau, Waadt und Zürich) das eidgenössische Grundbuch ganz oder für mindestens 80 Prozent ihrer Gemeinden eingeführt. Noch überhaupt nicht oder für weniger als 40 Prozent der Gemeinden eingeführt war das eidgenössische Grundbuch in den Kantonen Obwalden, Schwyz, Uri und Wallis (https://www.cadastre.ch/de/gb/status.html [besucht am 15. April 2017]). Historisch: eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 395 ff.; deSchenaux, S. 24 ff. hombeRgeR, ZüKomm, Vorbem. vor Art. 942 ZGB, N 28 ff.; deSchenaux, S. 33 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 547 ff.; chRiStina Schmid -tSchiRRen (zitiert in Nr. 415), S. 218 ff. BGE 97 I 694 ff. (700), E. 6b/aa, unter anderem mit Hinweis auf hombeRgeR, ZüKomm, Vorbem. vor Art. 942 ZGB, N 47; vgl. schon BGE 46 I 57 ff. (60 oben). hombeRgeR, ZüKomm, Vorbem. vor Art. 942 ZGB, N 47; mutzneR, BeKomm, N 12 f. zu Art. 48 SchlT ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 549. Im Einzelnen: mutzneR, BeKomm, N 3 und 5 zu Art. 46 SchlT ZGB; deSchenaux, S. 40 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 550 ff.

404

405

102

Das Grundbuch

(Eigentum, Dienstbarkeiten und Grundlasten, Pfandrechte) unterschiedlich verhalten. Alle Wirkungen des eidgenössischen Grundbuchs kommen nach der Lehre grundsätzlich den (kantonalen!) Registereinrichtungen folgender Kantone zu: Basel-Stadt, Bern,26 Freiburg, Genf,27 Graubünden (vgl. dazu aber hinten Nr. 407 lit. c), Neuenburg, Solothurn, Schwyz und Waadt.28 406

3. Mit Bezug auf wichtige Wirkungen der kantonalen Registereinrichtungen enthält Art. 48 SchlT ZGB eine zusätzliche Übergangsregelung: Nach dieser Bestimmung können die Kantone mit dem Inkrafttreten des Sachenrechts und vor der Einführung des (eidgenössischen) Grundbuchs die (kantonalen) Formen bezeichnen, denen sofort Grundbuchwirkung zukommen soll (Abs. 1). Die vom Kanton bezeichnete 29 sischen Grundbuchs – an dessen Stelle. Dies gilt jedoch nicht in jeder Hinsicht, sondern wird vielmehr vom ZGB näher präzisiert:

407

– Art. 48 Abs. 2 SchlT ZGB befasst sich mit der sogenannten negativen Rechtskraft des Grundbuchs («Was nicht im Register steht, gilt nicht»; hinten Nr. 569 ff.). Diese negative Rechtskraft können die Kantone ihren kantonalen Registereinrichtungen (auch ohne oder vor Einführung des eidgenössischen Grundbuchs) beilegen. In der Praxis spielt die Frage nach der negativen Rechtskraft kantonaler Registereinrichtungen Kasuistik: a. Nach Luzerner Rechtsprechung kommt (bzw. kam) dem luzernischen Hypothekarprotokoll negative Rechtskraft zu.30 – b. Die Zürcher Praxis bejaht für das zürcherische Grundprotokoll negative Rechtskraft.31 – c. Im Kanton Graubünden haben (bezüglich des Bestandes oder Nichtbestandes von Dienstbarkeiten) zwar nicht die Kauf- oder Pfandprotokolle, wohl aber die Liegenschaftsund Servitutenregister negative Rechtskraft.32 – d. Für das Register des Kantons Obwalden hat das Bundesgericht eine «beschränkte negative Grundbuchwirkung» bejaht.33 – e. Im Kanton Wallis kommt den kantonalen Hypothekarregistern bezüglich des Bestandes oder Nichtbestandes von Grundpfandrechten (seit 1912) negative Rechtskraft zu.34 Für das kantonale Servituten-

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BGE 44 II 463 ff. (468 f.), E. 1; Jean-luc niKlauS (zitiert in Nr. 415), Nr. 261 ff. BGer vom 17. September 1998, in Semjud 121/1999 I, S. 102 ff. (103 ff.), E. 4 und 5; BGer 5P.147/2000, E. 4b = Semjud 123/2001 I, S. 493 ff. (498); BGer 5A_142/2011, E. 2.1 = ZBGR 95/2014, S. 122 ff. Vgl. zum Ganzen auch die Präzisierungen bei deSchenaux, S. 46 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 552; zurückhaltender m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil (vor Art. 641 ZGB), N 758; FRançoiS Roux (zitiert in Nr. 415), S. 99 und 275 ff. (betreffend den Kanton Freiburg); Schmid, BaKomm, N 8 zu Art. 46 SchlT ZGB. BGE 46 I 57 ff. (60 oben). SJZ 58/1962, S. 232 f. = Max. X, Nr. 714, S. 582 ff. (Luzerner Obergericht), unter anderem mit Hinweis auf § 131 EG ZGB LU alte Fassung; vgl. dazu auch BGE 51 II 385 ff. (390), E. 3. Zwischenzeitlich war die Frage in § 107 Abs. 1 EG ZGB LU geregelt (aufgehoben per 1. Juni 2015). Nun ist das eidgenössische Grundbuch im ganzen Kanton Luzern eingeführt. ZBGR 42/1961, S. 202 ff. (206), E. 2a = ZR 60/1961, Nr. 125, S. 301 ff., sowie ZBGR 65/1984, S. 27 ff. (30 und 32), E. 3a und 4 = ZR 82/1983, Nr. 73, S. 196 ff. (198 f.), E. 3b und 4 (Zürcher Obergericht), jeweils mit Hinweis auf § 274 EG ZGB ZH. BGE 122 III 150 ff. (156), E. 2c; BGer vom 6. November 1992, in ZBGR 75/1994, S. 80 ff.; PKG 1993, Nr. 4, S. 15 ff. (Graubündner Kantonsgericht), besprochen von JöRg Schmid, BR/DC 1995, S. 44; ZBGR 62/1982, S. 136 ff. (140 f.), E. 3 (Graubündner Kantonsgericht). BGE 116 II 267 ff. (269 f.), E. 3. ZBGR 77/1996, S. 259 ff. (262 f.), E. 3a (Walliser Kantonsgericht).

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register wird demgegenüber die negative Rechtskraft verneint.35 – f. Im Kanton Uri kommt dem kantonalen Grundbuch mit Bezug auf die Dienstbarkeiten negative Rechtskraft zu.36 – g. Das Grundbuch des Kantons Genf hat positive (vorne Nr. 405 und nachfolgend Nr. 408) und negative Rechtskraft.37

Für die vor 1912 begründeten dinglichen Rechte, besonders für Dienstbarkeiten und Grundlasten, gelten immerhin nach Rechtsprechung und Lehre weitere Einschränkungen.38 – Art. 48 Abs. 3 SchlT ZGB handelt demgegenüber von der sogenannten positiven Rechtskraft (Gutglaubenswirkung) des Grundbuchs, die in Art. 973 Abs. 1 ZGB geregelt ist («öffentlicher Glaube» des Grundbuchs; hinten Nr. 579 ff.). Diese Wirkung kommt der kantonalen Registereinrichtung nicht zu, bis das eidgenössische Grundbuch eingeführt «oder eine andere Einrichtung ihm gleichgestellt ist».39 Zum Kreis der Kantone, deren kantonale Einrichtung dem eidgenössischen Grundbuch gleichgestellt ist, vgl. vorne Nr. 405.

407a

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Betrifft ein Auszug aus dem Hauptbuch eine kantonale Grundbucheinrichtung, so muss er nach Art. 31 Abs. 4 lit. f GBV einen entsprechenden Hinweis enthalten.

4. Mit der Einführung des eidgenössischen Grundbuchs – deren Verfahren grundsätzlich durch das kantonale Recht bestimmt wird40 – und der Eintragung vorbestehender Rechte (etwa solcher, die aus kantonalen «öffentlichen Büchern» hervorgehen) befassen sich Art. 43–45 SchlT ZGB. Es lassen sich folgende Grundsätze erkennen:

409

– Bereits bestehende Rechte werden grundsätzlich geschützt und sollen in das eidgenössische Grundbuch eingetragen werden (Art. 17 Abs. 1 und 43 Abs. 1 SchlT ZGB).41

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Nicht nur die dinglichen Rechte, sondern grundsätzlich auch die Anmerkungen öffentlich-rechtlicher Eigentumsbeschränkungen werden in dieser Weise in das Grundbuch übernommen.42

– Damit die Rechte zuverlässig ermittelt werden können, soll ein Bereinigungsverfahren forderung zur Anmeldung und Eintragung der vorbestehenden Rechte spricht).43 hat nicht der Grundbuchverwalter, sondern das Zivilgericht über deren Bestand zu entscheiden.44

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ZWR 29/1995, S. 227 ff. (230), E. 6a/cc (Walliser Kantonsgericht). BGE 123 III 346 ff. (353), E. 2c = BR/DC 1998, S. 59 f., Nr. 202, besprochen von JöRg Schmid. BGer vom 17. September 1998, in Semjud 121/1999 I, S. 102 ff. (105), E. 5b. BGer vom 17. September 1998, in Semjud 121/1999 I, S. 102 ff. (104 f.), E. 4c und 5; deSchenaux, S. 41 f.; SteinaueR, Band I, Nr. 551a. BGE 97 I 694 ff. (700), E. 6b/aa; 52 II 16 ff. (20 f.), E. 3; vgl. auch chRiStina Schmid -tSchiRRen (zitiert in Nr. 415), S. 224 ff. BGer 5A_803/2013, E. 2.1; BGer 5A_978/2013, E. 1 = ZBGR 96/2015, S. 105 ff.; ZR 115/2016, Nr. 10, S. 58 ff. (58), E. IV./1a (Zürcher Obergericht). BGer vom 1. Dezember 1997, in ZBGR 80/1999, S. 301 ff. (303), E. 2a. BGer 5A_803/2013, E. 2.1. Schmid, BaKomm, N 4 ff. zu Art. 43 SchlT ZGB; chRiStina Schmid -tSchiRRen (zitiert in Nr. 415), S. 213 ff. BGer 5A_978/2013, E. 3.2 = ZBGR 96/2015, S. 105 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 546b; Beispiel zum Kanton Zug: GVP ZG 2008, S. 200 ff. (Zuger Obergericht) = BR 2009, S. 159; für den Kanton Schwyz vgl. auch BGer 5A_803/2013, E. 2.2.

411

104

Das Grundbuch

Dies gilt auch dann, wenn die Kantone das Bereinigungsverfahren zum Anlass nehmen, alle auf ein Grundstück bezogenen Eintragungen zu prüfen, um in Absprache mit den Beteiligten unklar formulierte Eintragungen zu bereinigen, bedeutungslos gewordene Eintragungen zu löschen oder unterbliebene Eintragungen vorzunehmen.45 412

– Die Nichteintragung vorbestehender Rechte in das eidgenössische Grundbuch zeitigt bestimmte Rechtsfolgen (Art. 44 SchlT ZGB; ferner Art. 17 SchlT ZGB).

413

– Vorbestehende dingliche Rechte, die nach ZGB nicht mehr begründet werden können (zum Beispiel Nutzungspfandrechte), werden im Grundbuch nicht eingetragen, aber «in zweckdienlicher Weise» angemerkt (Art. 45 SchlT ZGB). Zu dem in Art. 45 Abs. 1 SchlT ZGB ebenfalls erwähnten «Eigentum an Bäumen auf fremdem und dazu hinten Nr. 907a.

414

5. Die beschriebenen übergangsrechtlichen Regeln (vorne Nr. 402 ff.) lassen sich in folgendem Schema zusammenfassen:

Kantone (oder Kantonsteile), in denen das eidgenössische Grundbuch eingeführt ist.

45

Kantone (oder Kantonsteile), in denen das eidgenössische Grundbuch (noch) eingeführt ist.

Das kantonale Register ist dem eidgenössischen Grundbuch gleichgestellt.

Das kantonale Register ist dem eidgenössischen Grundbuch gleichgestellt.

Das Register hat die Wirkungen des eidgenössischen Grundbuchs; insbesondere gilt der Gutglaubensschutz nach Art. 973 Abs. 1 ZGB (Art. 48 Abs. 3 SchlT ZGB).

Die Kantone bestimmen die Wirkungen des Registers, jedoch in folgenden Schranken: Negative Rechtskraft ist möglich (Art. 48 Abs. 2 SchlT ZGB); Gutglaubensschutz nach Art. 973 Abs. 1 ZGB gilt nicht (Art. 48 Abs. 3 SchlT ZGB).

BGer 5A_803/2013, E. 2.2.

§ 9 Technische Voraussetzungen der Grundbuchführung

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6. Weiterführende Literatur: – – – – – – – – – –

415

deSchenaux, S. 33 ff. hombeRgeR, ZüKomm, Vorbem. vor Art. 942 ZGB, N 28 ff. mutzneR, BeKomm, Kommentar zu Art. 43 ff. SchlT ZGB. niKlauS Jean-luc, Die Geschichte des Grundbuches im Kanton Bern, Bern 1999. Piotet deniS, Le droit privé vaudois de la propriété foncière (…), Lausanne 1991, Nr. 661 ff. (zitiert: Piotet, Le droit privé vaudois). deRSelbe, Le registre foncier fédéral dans vingt-six cantons, ZBGR 79/1998, S. 394 ff. (zitiert: Piotet, Le registre foncier fédéral). Roux FRançoiS, L’introduction du registre foncier fédéral dans les cantons romands, Lausanner Diss., Tolochenaz 1993. Schmid-tSchiRRen chRiStina, Rechtswirkungen und Rechtswirkungsprobleme kantonaler Publizitätseinrichtungen, ZBGR 80/1999, S. 209 ff. thalmann RobeRt, Die Einführung des eidgenössischen Grundbuchs im Kanton Luzern 1929–2004, Abschlussbericht des Grundbuchinspektors, Luzern 2004. tRauFFeR beRnhaRd, Die kantonalen Kauf- und Pfandprotokolle, die kantonalen Liegenschafts- und Servitutenregister und das eidgenössische Grundbuch im Vergleich, ZGRG 1983, S. 60 ff. (betreffend den Kanton Graubünden).

III. Die Aufnahme der Grundstücke 1. Nach dem bereits zitierten Art. 942 Abs. 1 ZGB wird «über die Rechte an den Grundstücken» ein Grundbuch geführt. Den Begriff «Grundstück» niert das Gesetz selber. Mit der Aufnahme (Immatrikulation; «l’immatriculation») in das Grundbuch erhalten die Grundstücke ihre Existenz als sachenrechtliche EinArt. 943 Abs. 1 ZGB (vgl. auch heiten.46 Art. 655 Abs. 2 ZGB und Art. 16 ff. GBV):47 – erstens die Liegenschaften («les biens-fonds»). • (Art. 2 lit. a GBV). Die Umschreibung ist für die Praxis brauchbar, jedoch ungenau, denn eine Liegenschaft ist ein Körper, mit anderen Worten dreidimensional (Art. 667 ZGB, hinten Nr. 885 ff.). Im Plan für das Grundbuch sind Liegenschaften nach den Vorschriften über die amtliche Vermessung zu erfassen, zu verwalten und darzustellen (Art. 21 GBV; vgl. auch vorne Nr. 397).

• Die nicht im Privateigentum stehenden und die dem öffentlichen Gebrauch dienenden Grundstücke (genauer: Liegenschaften) werden nur ausnahmsweise in das Grundbuch aufgenommen (Art. 944 Abs. 1 ZGB).48 46 47

48

BGer 5A_365/2008, E. 3.1. Zu den Wasserrechtsverleihungen an öffentlichen Gewässern (Art. 22 Abs. 1 und 3 GBV) vgl. ZBGR 87/2006, S. 310 ff. (312), E. 3.2 (Bernisches Verwaltungsgericht); R ey, Band I, Nr. 1050 ff.; SteinaueR, Band II, Nr. 1510c; Schmid, BaKomm, N 8 zu Art. 943 ZGB. Ausführlich deSchenaux, S. 76 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 682 ff.; hüRlimann-K auP/nyFFeleR (zit. in Nr. 423), S. 81 ff.

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Das Grundbuch

Art. 944 ZGB betrifft Grundstücke im Gemeingebrauch und solche, die zum Verwaltungsvermögen des Staates zu zählen sind. Die Bestimmung erfasst indessen nicht auch jene Grundstücke, die zum Finanzvermögen des Staates gehören; diese sind demnach in das Grundbuch aufzunehmen. Ausserdem besteht in einigen Kantonen eine Gesetzesvorschrift oder Praxis, wonach sämtliche Grundstücke in das Grundbuch aufzunehmen sind.49 Beispiel: § 93a Abs. 1 des Luzerner EG ZGB:50 «Die nicht im Privateigentum stehenden und die dem öffentlichen Gebrauch dienenden Grundstücke sind wie die Grundstücke nach Artikel 943 ZGB in das Grundbuch aufzunehmen.»

– zweitens die selbständigen und dauernden Rechte an Grundstücken («les droits distincts et permanents»). Diese Bestimmung bezieht sich namentlich auf Baurechte (Art. 779 Abs. 3 ZGB) und Quellenrechte (Art. 780 Abs. 3 ZGB) und setzt nach Art. 655 Abs. 3 ZGB sowie Art. 22 GBV ein Dreifaches voraus (im Einzelnen vgl. hinten Nr. 1327 ff.):

418

• selbständigen Charakter (Übertragbarkeit) des betreffenden Rechts:51 Das Recht darf weder zu Gunsten eines herrschenden Grundstücks noch ausschliesslich zu Gunsten einer bestimmten Person bestehen (Art. 655 Abs. 3 Ziff. 1 ZGB; Art. 22 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 GBV). Grunddienstbarkeiten und unübertragbare Personaldienstbarkeiten (wie etwa ein Wohnrecht; Art. 776 Abs. 2 ZGB) können demnach nicht als Grundstücke in das Grundbuch aufgenommen werden.52

• dauernden Charakter des betreffenden Rechts: Das Recht muss auf wenigstens 30 Jahre oder auf unbestimmte Zeit begründet sein (Art. 655 Abs. 3 Ziff. 2 ZGB; Art. 22 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 GBV). • ein schriftliches Begehren des Berechtigten (um Aufnahme des Rechts als Grundstück in das Grundbuch; Art. 22 Abs. 1 GBV). Die Zustimmung des Grundeigentümers oder der Inhaber anderer dinglicher Rechte ist nicht erforderlich, da sich deren Rechtsstellung nicht verschlechtert.53 Ein solches Recht behält – auch nach der Aufnahme als Grundstück in das Grundbuch (dazu Art. 22 Abs. 2 GBV) – seinen Charakter als Dienstbarkeit, bleibt also letztlich ein Recht und wird nicht zu einer Sache. In bestimmter Hinsicht wird es jedoch («verselbständigt») behandelt wie ein Grundstück; es kann namentlich mit einem Grundpfandrecht belastet werden.54 419

– drittens die Bergwerke («les mines»). Darunter ist nicht das Bergwerk (die Anlage) selber, sondern das Recht zu verstehen, mit künstlichen Hilfsmitteln Rohstoffe abzubauen, die im Erdinnern lagern.55 Art. 22 Abs. 1 und 2 GBV.

420

– viertens die Miteigentumsanteile an Grundstücken («les parts de copropriété d’un immeuble»). In Betracht kommt sowohl gewöhnliches Miteigentum als

49 50 51 52 53 54 55

Vgl. auch deSchenaux, S. 78 f.; SteinaueR, Band I, Nr. 687. SRL Nr. 200. deSchenaux, S. 73 f. SteinaueR, Band I, Nr. 674. SteinaueR, Band I, Nr. 675. Zu den Schranken dieser Verselbständigung vgl. etwa BGE 118 II 115 ff. deSchenaux, S. 75.

§ 9 Technische Voraussetzungen der Grundbuchführung

107

Ein Miteigentumsanteil muss zwingend als Grundstück in das Grundbuch aufgenommen werden, wenn er Stockwerkeigentum darstellt oder wenn er mit einem Grundpfandrecht belastet wird (Art. 23 Abs. 1 GBV). Im Übrigen kann die Aufnahme als Grundstück geschehen, wenn es der Klarheit und Übersichtlichkeit dient (Art. 23 Abs. 2 GBV).56

2. Jedes Grundstück erhält im Hauptbuch ein eigenes Blatt und eine eigene Nummer (Art. 945 Abs. 1 ZGB). Es wird in das Grundbuch des Kreises aufgenommen, in dem es liegt (Art. 951 Abs. 2 ZGB; Art. 16 Abs. 1 GBV; hinten Nr. 428).

421

Jedes in das Grundbuch aufgenommene Grundstück muss so bezeichnet werden, dass es landesweit eine Grundstücksnummer sowie für den Datenaustausch zwischen Informatiksystemen eine eidgevgl. dazu schon vorne Nr. 390). – Die Teilung und die Vereinigung von Grundstücken sind seit 1. Januar 2012 auf Gesetzesstufe geregelt (Art. 974a und 974b ZGB).57

Die «technischen» Einzelheiten der Aufnahme in das Grundbuch regelt Art. 17 GBV. Nach dieser Bestimmung erfolgt die Aufnahme in das Grundbuch durch:

422

– die Aufzeichnung im Plan für das Grundbuch, soweit darin darstellbar; Die Darstellung geschieht nach den Vorschriften über die amtliche Vermessung (Art. 21 GBV; dazu Nr. 397).

– die Eröffnung eines Hauptbuchblattes; – die Erstellung der Grundstücksbeschreibung (vgl. dazu auch Art. 65 TVAV). Vgl. im Einzelnen Art. 17 ff. GBV.58

3. Weiterführende Literatur:59 – – – –

deSchenaux, S. 69 ff. FaSel, Kommentar GBV, N 14 ff. zu Art. 17 GBV. hombeRgeR, ZüKomm, Kommentar zu Art. 943 ZGB. hüRlimann-K auP bettina /nyFFeleR Fabia, Die grundbuchliche Behandlung der nicht im Privateigentum stehenden und der dem öffentlichen Gebrauch dienenden Grundstücke nach Art. 944 ZGB – Gleichzeitig ein Beitrag zu den herrenlosen und den öffentlichen Sachen gemäss Art. 664 ZGB, ZBGR 97/2016, S. 81 ff. – moullet aubeRSon JoSette, La division des biens-fonds (Conditions, procédure et effets en droit privé et en droit public), Diss. Freiburg 1993 (AISUF Band 122). – mühlematteR adRian/StucKi StePhan, Grundbuchrecht für die Praxis, Zürich 2016.

56

57 58

59

Zum Vorgehen bei Stockwerkeigentum vgl. Art. 23 Abs. 4 und 5 sowie Art. 97 GBV; ausführlich m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 25 ff. zu Art. 712d ZGB; FaSel, Kommentar GBV, N 16 ff. zu Art. 23 GBV. Vgl. dazu Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5334 ff. Dazu BGer 5A_365/2008, E. 3.1.1; deSchenaux, S. 81 ff.; FaSel, Kommentar GBV, N 14 ff. zu Art. 17 GBV. Zum Sonderfall der Kollektivblätter vgl. Art. 947 ZGB und deSchenaux, S. 82 f.; SteinaueR, Band I, Nr. 660 ff. Bei der Konsultation der Literatur zur Teilung und Vereinigung von Grundstücken ist zu beachten, dass auf den 1. Januar 2012 die Art. 974a und 974b ZGB in Kraft getreten sind (vgl. Nr. 421).

423

108

Das Grundbuch

– SteinaueR Paul-henRi, A propos des réunions de biens-fonds, FS Jacques-Michel Grossen, Basel 1992, S. 275 ff. – WaltiSbeRg hanS, Die Vereinigung von Liegenschaften im Privatrecht, Diss. Freiburg 1996 (AISUF Band 154).

IV. Fälle 424

1. BGE 97 I 694 ff. (699 ff.), E. 6. Wirkung einer kantonalen Registereinrichtung bezüglich der «Öffentlichkeit» des Grundbuchs? 2. BGE 114 II 318 ff. Ersitzung einer Dienstbarkeit zu Lasten eines im provisorischen Grundbuch des Kantons Thurgau eingetragenen Grundstücks? 3. BGE 118 II 115 ff. Dereliktion eines selbständigen und dauernden Baurechts?

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

109

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht Einführende Literatur: – PFäFFli Roland, Das Grundbuch und seine Bedeutung für den Rechtsanwalt, Anwaltsrevue 9/2006, S. 139 ff. – SteinaueR, Band I, Nr. 554 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 94.

425

Unter dem Titel «formelles Grundbuchrecht» werden hier Bestimmungen zusammengefasst, welche Organisations- und Verfahrensfragen (mit Einschluss der Haftung) zum Gegenstand haben. Wir behandeln die Organisation (I.), die möglichen Eintragungen (II.) und das Verfahren (III.). Dann soll auf die Haftung des Kantons aus Grundbuchführung eingegangen werden (IV.). Den Abschluss bilden Hinweise auf weiterführende Literatur (V.) und Fälle (VI.).

426

I.

Die Organisation

Vorbemerkung: Zahlreiche Kompetenzen bezüglich der Organisation des Grundbuchs werden vom ZGB an die Kantone delegiert. Für die kantonalen Regeln ist – als Gültigkeitsvoraussetzung – grundsätzlich die Genehmigung des Bundes erforderlich (Art. 953 Abs. 2 ZGB; Art. 52 Abs. 3 SchlT ZGB). Für die Führung des informatisierten Grundbuchs verlangt Art. 160 GBV eine besondere Ermächtigung des EJPD (vorne Nr. 386).

1.

427

Die räumliche Gliederung

1. Art. 951 ZGB schreibt vor, dass zur Führung des Grundbuchs Kreise gebildet werden (Abs. 1) und die Grundstücke in das Grundbuch des Kreises aufgenommen werden, in dem sie liegen (Abs. 2; ebenso Art. 16 Abs. 1 GBV). Beizufügen ist Folgendes:

428

– Die Umschreibung der Kreise obliegt den Kantonen (Art. 953 Abs. 1 ZGB). – Flächenmässig kleine Kantone haben gelegentlich nur einen einzigen Grundbuchkreis für das ganze Kantonsgebiet (Basel-Stadt, Zug, Genf). In anderen Kantonen bilden regelmässig die Bezirke, Ämter oder Gerichtskreise auch die Grundbuchkreise.1 2. Für kreisübergreifend gelegene Grundstücke ordnet Art. 952 ZGB an, dass sie in jedem Kreis aufzunehmen sind, mit Verweisung auf das Grundbuch der übrigen Kreise (abweichend allerdings Art. 16 Abs. 2 GBV).

1

SteinaueR, Band I, Nr. 558.

429

110

2. 430

Das Grundbuch

Die Behördenorganisation

1. Bezüglich der Behördenorganisation regeln die Kantone: – einerseits die Einrichtung der Grundbuchämter, die Ernennung und die Besoldung der Beamten (Art. 953 Abs. 1 ZGB). Der Grundbuchverwalter («le conservateur du registre foncier») ist also ein kantonaler Angegewährleisten (Art. 4 GBV).

– andererseits die Ordnung der Aufsicht (Art. 953 Abs. 1 und Art. 956 ff. ZGB). Seit 1. Januar 2012 unterscheidet das ZGB zwischen der administrativen Aufsicht der Kantone (Art. 956 ZGB) und der (von ihnen bezeichneten) für den Rechtsschutz zuständigen Behörde (Rechtsmittelaufsicht;2 Art. 956a f. ZGB). grundbuchliche Fachinstanzen3 fen. Für den Rechtsschutz in erster Instanz lässt Art. 956a Abs. 1 ZGB den Kantonen die Freiheit, ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde zu bezeichnen (Art. 54 Abs. 2 SchlT ZGB). Durch gung sowie gegen eine unrechtmässige Verweigerung oder Verzögerung einer Amtshandlung gegeben (Art. 956a Abs. 1 ZGB). Sie steht dort nicht zur Verfügung, wo das Gesetz eine gerichtliche Anfechtung oder eine gerichtliche Klage vorsieht.4 So kann gegen eine im Hauptbuch vollzogene Eintragung oder Löschung nicht Beschwerde geführt werden (Art. 956a Abs. 3 ZGB); hier ist die betroffene Person auf die Grundbuchberichtigungsklage verwiesen (hinten Nr. 541). 431

2. Neben den genannten Minimalvorgaben an die Kantone regelt der Bund die Aufsicht auf Bundesebene. Auch hier sind Administrativaufsicht und Rechtsmittelaufsicht auseinanderzuhalten: – Die administrative Oberaufsicht übt gemäss Art. 956 Abs. 2 ZGB der Bund aus, und zwar durch das Eidgenössische Amt für Grundbuch- und Bodenrecht (Art. 6 GBV). – Gegen eine vom Grundbuchamt erlassene Verfügung (oder im Fall von RechtsZivilsachen an das Bundesgericht als oberste Instanz erhoben werden.

431a

3. Sodann bestimmen die Kantone auch, in welcher Amtssprache (oder in welchen Amtssprachen) das Hauptbuch in einem Grundbuchkreis geführt wird. Diese Sprache ist grundsätzlich auch für die Anmeldungen massgebend (Art. 5 GBV).

2

3

4

Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5329; vgl. auch BGer 5A_854/2013, E. 1.1 = ZBGR 97/2016, S. 55 ff. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5329; vgl. auch BGer 5A_854/2013, E. 1.3 = ZBGR 97/2016, S. 55 ff. BGer 5A.6/2005, E. 3.1 = ZBGR 89/2008, S. 295 ff. Diese zum bisherigen Recht ergangene Praxis gilt auch nach dem 1. Januar 2012.

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

3.

111

Die Gebühren und andere Abgaben

1. Für die Eintragungen in das Grundbuch und die damit verbundenen Vermessungsarbeiten dürfen die Kantone Gebühren erheben (Art. 954 Abs. 1 ZGB). Nach der allgemeinen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen sind sie auch zur Erhebung von Steuern befugt.5 Als Abgaben kommen ferner sogenannte Gemengsteuern vor, welche Steuer und Gebühr für eine staatliche Verrichtung vermischen.6

432

Die Kantone dürfen die Vornahme einer Eintragung in das Hauptbuch von der Bezahlung der Grundbuchgebühren abhängig machen.7 Gleiches bejaht die Rechtsprechung für die Handänderungssteuern8 (vgl. auch Art. 66 Abs. 4 VZG). Die Kantone können aber auch auf die Vorauszahlung verzichten und die Sicherung der Abgabeforderung durch ein gesetzliches Pfandrecht vorsehen (hinten Nr. 1656 ff.).9

2. Für die Abgabenerhebung gelten jedoch Schranken in mehrfacher Hinsicht:

433

– Für bestimmte Eintragungen schliesst das Gesetz selber die Gebührenerhebung aus (zum Beispiel Art. 954 Abs. 2 ZGB).10

434

– Nach den allgemeinen abgaberechtlichen Lehren sind Gebühren sodann Abgaben für eine konkrete Gegenleistung (Dienstleistung) des Staates. Es gelten deshalb die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Verhältnismässigkeit und des Kostendeckungsprinzips.11

435

Diese Schranken werden ihrerseits relativiert, wenn der Kanton nicht eine reine Verwaltungsgebühr, sondern eine Gemengsteuer gesetzlich vorgesehen hat,12 was bundesrechtlich zulässig ist.13 Das Kostendeckungsprinzip ist alsdann nicht anwendbar.14

– Nach den allgemeinen Grundsätzen zu Art. 6 ZGB darf das kantonale öffentliche (Abgabe-)Recht das Bundeszivilrecht nicht vereiteln oder seine Verwirklichung übermässig erschweren.15 Die Kantone dürfen deshalb die Vornahme grundbuchlicher Eintragungen in das Hauptbuch nicht von der vorgängigen Bezahlung der Erbschafts-, Grundstückgewinn- und allgemeinen Einkommens- und Vermögenssteuern abhängig machen.16

5 6

7

8 9

10 11

12 13 14

15

16

BGE 83 I 206 ff. (208 unten). Vgl. auch BGE 118 Ib 60 ff. (64 f.), E. 3a; 82 I 281 ff. (284), E. 1, und 297 ff. (302), E. 3b; LGVE 1995 I Nr. 16, S. 25 ff. (Luzerner Obergericht). BGE 106 II 81 ff. (86 f.), E. 2c; deSchenaux, S. 156. Vgl. etwa § 93g Abs. 3 des Luzerner EG ZGB (SRL Nr. 200). BGE 118 Ib 60 ff. (64 f.), E. 3a; 106 II 81 ff. (87), E. 2c. Zum Ganzen auch h anS hubeR, Bundesrechtliche Schranken im Grundstückabgaberecht, ZBGR 49/1968, S. 65 ff. Weitere Fälle bei deSchenaux, S. 154 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 562a. BGE 126 I 180 ff. (182 ff.), E. 2 und 3; 124 I 11 ff. (19 ff.), E. 6; 120 Ia 171 ff. (174), E. 2a; FZR 1996, S. 420 ff. (421 ff.), E. 4 (Freiburger Verwaltungsgericht); SteinaueR, Band I, Nr. 562b. Beispiel: § 93g Abs. 2 des Luzerner EG ZGB (SRL Nr. 200). BGer vom 3. April 2000, in ZBGR 82/2001, S. 118 ff. (119), E. 2a. BGE 121 I 230 ff. (236), E. 3e; LGVE 2000 I Nr. 19, S. 26 ff. (27), E. 3, und 1995 I Nr. 16, S. 25 ff. (26), E. 3 (Luzerner Obergericht); deSchenaux, S. 149 und 153 f. BGE 118 Ib 60 ff. (64 f.), E. 3a; 106 II 81 ff. (83), E. 1; BGer vom 8. August 1989, in ZBGR 72/1991, S. 310 ff. (311), E. 1b; bettina hüRlimann-K auP/JöRg Schmid, Nr. 419 ff.; KolleR, BeKomm (2012), N 232 ff. zu Art. 6 ZGB. BGE 106 II 81 ff. (87 ff.), E. 2c, bestätigt in BGE 118 Ib 60 ff. (64 f.), E. 3a; KolleR, BeKomm (2012), N 151 ff. zu Art. 6 ZGB.

436

112

4.

Das Grundbuch

Die Bestandteile des Grundbuchs

437

Das Grundbuch umfasst gemäss Art. 942 Abs. 2 ZGB (und der GBV) folgende Bestandteile:17

438

1. Im Vordergrund steht das Hauptbuch («le grand livre»). Darunter versteht Art. 2 lit. c GBV die «Gesamtheit aller Daten über die rechtswirksamen und die gelöschten dinglichen Rechte, Vormerkungen und Anmerkungen an den im Grundbuch aufgenommenen Grundstücken». Im Einzelnen:

439

– Nach Art. 945 Abs. 1 ZGB erhält jedes Grundstück im Hauptbuch ein eigenes Blatt und eine eigene Nummer («Realfoliensystem»). Dieses Blatt wird als Hauptbuchblatt bezeichnet (Art. 2 lit. d GBV). Art. 947 ZGB sieht eine spezielle Regelung für Kollektivblätter (als Ausnahmefall) vor.

– Auf den drei Hauptkolonnen des Hauptbuchblattes werden nach Art. 946 Abs. 1 ZGB das Eigentum, die Dienstbarkeiten und Grundlasten sowie die Pfandrechte eingetragen. Das Hauptbuchblatt enthält weitere Rubriken, etwa die Vormerkungen, Anmerkungen und Bemerkungen, allenfalls aber auch Grundstücksbezeichnung, Grundstücksbeschreibung und Schatzungen. Einzelregeln sind in Art. 9 und 130 GBV enthalten.

440

Beim Papiergrundbuch kann das Hauptbuch in Buch- oder in Loseblattform geführt werden (Art. 8 Abs. 4 GBV).18 441

– Das Hauptbuch hat bezüglich der materiellen Wirkungen der Eintragungen zentrale Bedeutung (Art. 972 Abs. 1 ZGB). Darauf ist zurückzukommen (hinten Nr. 572 ff.).

442

2. Zum Hauptbuch hinzu kommen die ergänzenden Urkunden («les documents complémentaires»), nämlich:

443

– die Pläne («les plans»; Art. 942 Abs. 2 und Art. 950 ZGB; Art. 2 lit. f und Art. 21 GBV), also geometrische Darstellungen der Grundstücke mit Angaben über deren Lage und Grenzen nach Massgabe des Vermessungsrechts (vorne Nr. 395 ff.).19 Die Originale der Pläne bleiben beim Vermessungsamt oder beim Ingenieur-Geometer; das Grundbuchamt hat Zugriff auf die Daten der amtlichen Vermessung (Art. 8 Abs. 3 GBV). – Die Pläne, die auf einer amtlichen Vermessung beruhen, haben Grundbuchwirkung (Art. 668 ZGB 20 Da die Pläne ebenfalls öffentliche Urkunden im Sinn von Art. 9 ZGB und überdies Teil des öffentlichen Registers sind, wird ihre Richtigkeit vermutet (hinten Nr. 599), namentlich mit Bezug auf die darin angegebenen Grundstücksgrenzen.21 Demgegenüber gehören die dem Grundbuchamt mit einer Anmeldung eingereichten, aber nicht auf einer

17

18

19 20

21

Modell des Gesetzgebers war ursprünglich die traditionelle Form des «Papiergrundbuchs» (Nr. 380 f.); die Ausführungen treffen aber auch auf das informatisierte Grundbuch zu (Nr. 382 ff.). tuoR /SchnydeR /Schmid, § 94 N 24 (informatisiertes Grundbuch), sowie für den Kanton Freiburg bei SteinaueR, Band I, Anhang, S. 493 ff. (informatisiertes Grundbuch) und 501 ff. (Papiergrundbuch). Vgl. auch BGE 138 III 742 ff. (744), E. 2.2. BGE 59 II 221 ff. (225), E. 2/3; 138 III 742 ff. (744), E. 2.2; BGer 5A_375/2010, E. 3.1; deSchenaux, S. 48, 62 und 765. BGE 98 II 191 ff. (198), E. 4; BGer 6S.276/2004, E. 3.1 = ZBGR 87/2006, S. 215 ff.; BGer 5A_365/2008, E. 3.1.2; deSchenaux, S. 62; SteinaueR

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

113

amtlichen Vermessung beruhenden Pläne zwar zu den Grundbuchbelegen, sie nehmen jedoch nicht am öffentlichen Glauben des Grundbuchs teil.22

– die Grundstücksbeschreibung («l’état descriptif»; Art. 20 GBV), in Art. 942 Abs. 2 ZGB noch «Liegenschaftsbeschreibung» genannt (vgl. auch Art. 65 TVAV). Sie enthält namentlich Angaben über die Lage des Grundstücks, die

444

Steuer- und Versicherungswert. Die beschreibenden Daten haben nach Art. 20 Abs. 2 GBV keine Grundbuchwirkung.23

– die Belege Art. 51 und 62 ff. GBV), also Urkunden über Rechtsakte, die zur Eintragung, Änderung oder Löschung eines Rechts im Grundbuch geführt haben, samt der Grundbuchanmeldung.

445

Aufgabe der Belege ist es (auch), Inhalt und Ausdehnung eines Rechts (im Rahmen des Eintrags) zu präzisieren (Art. 971 Abs. 2 und Art. 738 Abs. 2 ZGB; vgl. hinten Nr. 1277 ff.). – Die Belege sind vom Grundbuchamt zweckmässig zu ordnen und aufzubewahren (Art. 948 Abs. 2 ZGB; Art. 37 GBV).

3. Wichtig ist sodann das Tagebuch («le journal»; Art. 948 Abs. 1 ZGB; Art. 10 GBV), verstanden als «chronologisches Protokoll über die Behandlung der Geschäftsfälle» des Grundbuchamts (Art. 2 lit. e GBV).

446

Die Grundbuchverwalterin ist (hauptsächlich aus zeitlichen Gründen und wegen ihrer Prüfungszutragen; aus diesem Umstand sollen jedoch keine Ungleichbehandlungen erwachsen. Sämtliche Anmeldungen zur Eintragung in das Grundbuch sind vielmehr nach ihrer zeitlichen Reihenfolge umgehend (ohne Aufschub) in das Tagebuch einzuschreiben, unter Angabe der anmeldenden Person, ihres Begehrens, des Datums und der genauen Uhrzeit der Anmeldung und einer fortlaufenden Ordnungsnummer (Art. 948 Abs. 1 ZGB; Art. 81 GBV). Nach der Grundbuchpraxis ist – gerade im Blick auf stossartige Arbeitsanfälle an einzelnen Tagen – nicht in jedem Fall eine «physische» Einschreibung in das Tagebuch (in Papier- oder informatisierter Gestalt) erforderlich. Es soll vielmehr genügen, dass das Grundbuchamt die Anmeldung mit einem Eingangsvermerk (Stempel, Datum, allenfalls Uhrzeit und Nummer) versieht; damit gilt die Anmeldung als «ans Tagebuch genommen», und die «physische» Einschreibung kann später erfolgen. – Wichtig ist die Tagebucheinschreibung vor allem deshalb, weil die Wirkung der eingetragenen dinglichen Rechte auf den Zeitpunkt der Tagebucheinschreibung zurückbezogen wird (Art. 972 Abs. 2 ZGB). Darauf ist zurückzukommen (hinten Nr. 573 f. und 840).

4. Hinzu kommen schliesslich die Hilfsregister (Art. 8 Abs. 4 und 5 sowie Art. 13 GBV; «les registres accessoires»), nämlich von Bundesrechts wegen für das Papiergrundbuch das Eigentümerregister (Art. 11 GBV) und das Gläubigerregister (Art. 12 GBV; relativierend immerhin auch Abs. 2 der Norm), nach Massgabe des kantonalen Rechts noch weitere Hilfsregister (Art. 8 Abs. 5 GBV). Sie alle sollen die Grundbuchführung erleichtern, entfalten jedoch keine Grundbuchwirkung.24

22

23

24

BGE 138 III 742 ff. (745), E. 2.2; BGer 5A_677/2011, E. 2.2; BGer 5A_858/2010, E. 4.3; SteinaueR, Band I, Nr. 569 und 934a, sowie Band II, Nr. 1602. Vgl. auch deSchenaux, S. 63 und 766; ZBGR 77/1996, S. 106 ff. (107), E. 2a (Graubündner Kantonsgericht). BGE 133 III 311 ff. (317), E. 3.2.4; deSchenaux, S. 66 und 767; SteinaueR, Band I, Nr. 573.

447

114

5. 448

Das Grundbuch

Die Öffentlichkeit des Grundbuchs

Das Grundbuch dient nach dem Gesagten dazu, über dingliche Rechte an Grundstücken Auskunft zu geben (Nr. 364 ff.). Damit es diese Publizitätsfunktion wahrnehmen kann, muss es der Öffentlichkeit (in bestimmten Schranken) zugänglich sein. Die Art. 970 und 970a ZGB regeln die Öffentlichkeit des Grundbuchs («Publicité du registre foncier») in dreifacher Weise: – durch ein Auskunfts- und Einsichtsrecht (nachfolgend A.); – dadurch, dass die Kantone zur Veröffentlichung von (gewissen) Handänderungen ermächtigt werden (B.); und – durch die Fiktion der Kenntnis des Eintrags (C.). Art. 970 ZGB, der (zusammen mit Art. 26 GBV) dem Publikum die Auskunft über einen Grossteil der Daten des Hauptbuchs voraussetzungslos ermöglicht, hat seine heutige Fassung durch das ZertES erhal26 ten.25

A. 449

1.

Das Auskunfts- und Einsichtsrecht ordnen die Auskunftserteilung und Einsichtnahme («Communication de renseignements et consultation») wie folgt: – Jedermann ist berechtigt, Auskunft über die Daten des Hauptbuchs bezüglich der

450

des Eigentümers sowie der Eigentumsform und des Erwerbsdatums zu erhalten (Abs. 2). Gestützt auf Art. 970 Abs. 3 ZGB hat der Bundesrat in Art. 26 Abs. 1 GBV überdies die Dienstbarkeiten und Grundlasten sowie gewisse Anmerkungen als voraussetzungslos zugänglich erklärt. Die gleichen Voraussetzungen wie für ein Recht auf Auskunft gelten für das Recht auf einen Auszug (zu Letzterem vgl. auch Art. 31 f. GBV). Doch dürfen Auskunft und Auszug nur hinsichtlich eines bestimmten Grundstücks abgegeben werden (Art. 26 Abs. 2 GBV), also «objektbezogen»27. Bei Serienanfragen (beispielsweise nach allen Grundeigentümern an einer Strasse) durfte schon nach altem Recht die Auskunft verweigert werden, wenn sie offensichtlich nur für kommerzielle Zwecke verwendet werden sollte.28

Die Kantone gehende Öffentlichkeit vorzusehen. Sie können die Grundstücksbezeichnung, tumsform und das Erwerbsdatum im Internet öffentlich zugänglich machen (Art. 27 Abs. 1 GBV). Weiter können die Kantone auf Grund besonderer Vereinbarungen gewissen Personen (ohne Glaubhaftmachen eines Interesses im Einzelfall) Zugang zu den Daten des Hauptbuchs, des Tagebuchs und der Hilfsregister gewähren, namentlich Urkundspersonen, Ingenieur-Geometern, Banken

450a

25

Ziff. 1 des Anhangs zum ZertES, in Kraft seit 1. Januar 2005 (AS 2004, S. 5096); zur Entstehungsgeschichte vgl. Botschaft BBl 2001, S. 5706; Amtl.Bull. NR 2003, S. 816 f. und 1795 ff.; Amtl.Bull. StR 2003, S. 850 f.

26 27 28

BBl 2001, S. 5706. Meinungsäusserung des Eidgenössischen Amtes für Grundbuch- und Bodenrecht, ZBGR 77/1996, S. 409; Frage offengelassen in BGE 126 III 512 ff. (519), E. 5b.

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

115

und weiteren im Hypothekargeschäft tätigen Institutionen sowie Rechtsanwälten («Erweiterter Zugang»; Einzelheiten in Art. 28–30 GBV). Den Urkundspersonen können die Kantone diesen erweiterten Zugang auch zu den Belegen gewähren (Art. 28 Abs. 2 GBV). – Eine von den eidgenössischen Räten angenommene Motion beauftragt den Bundesrat, durch eine Änderung der Grundbuchverordnung den Grundeigentümern ein Recht auf Einsicht in die Abfrageprotokolle von «eGRIS» (über die zu ihrem Grundstück getätigten Abfragen) zu gewähren.29

– Ein weiter (über die Angaben von Art. 970 Abs. 2 ZGB und Art. 26 GBV) gehendes Einsichtsrecht hat nur jene Person, die ein Interesse an der Einsichtnahme oder Auszugserstellung glaubhaft macht (Abs. 1). Dies gilt einerseits für die Pfandrechte, die Vormerkungen und die in Art. 26 Abs. 1 lit. c GBV ausgenommenen Anmerkungen, andererseits für die Belege.30 Mit Blick auf die Kenntniskunfts- und Einsichtsrecht mit einer gewissen Grosszügigkeit zu handhaben und im Zweifelsfall zu gewähren. Zu den Auszügen vgl. auch Art. 31 f. GBV.

451

Das glaubhaft zu machende Interesse muss nicht notwendigerweise rechtlicher Natur sein. Auch ein wirtschaftliches, wissenschaftliches oder anderes vernünftiges Interesse genügt.31 Das Interesse muss jedoch «einschlägig» sein, das heisst «mit der Zweckbestimmung des Grundbuchs als Mittel zur Bekanntmachung der dinglichen Rechte an Grundstücken in Zusammenhang stehen»,32 und gegenüber den entgegenstehenden Eigentümerinteressen den Vorrang verdienen.33 Das trifft etwa auf den Bauhandwerker zu, der im Grundbuch ein gesetzliches Pfandrecht nach Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB (hinten Nr. 1692 ff.) eintragen lassen will.34 Grundsätzlich kein Einsichtsrecht besteht nach der Praxis mit Bezug auf den in den Belegen enthaltenen Kaufpreis für ein Grundstück.35 Doch sind Ausnahmen denkbar, etwa wenn die Kenntnis des Preises es einer Erbin des ehemaligen Grundstückeigentümers ermöglicht, eine erbrechtliche Ausgleichungsklage zu beziffern,36 oder andere Ansprüche gegen einen Miterben geltend zu machen.37

2. Der Grundsatz der (formellen) Öffentlichkeit gilt auch für die kantonalen Registereinrichtungen im Sinn von Art. 46 und 48 SchlT ZGB.38

29

30 31

32

33

34

35

36

37 38

Motion egloFF, «Einsichtsrecht betreffend Grundbuchabfragen via Terravis» (Geschäft Nr. 15.3323), von den eidgenössischen Räten angenommen: Amtl.Bull. NR 2015, S. 1271 und 1704 f., sowie Amtl. Bull. StR 2016, S. 9 f. Zum Recht auf Einsicht in die Belege vgl. BGer 5A_502/2014, E. 3 = ZBGR 96/2015, S. 210 ff. Vgl. zum Beispiel BGE 132 III 603 ff. (607), E. 4.3.1; BGer 5A_502/2014, E. 3.1 = ZBGR 96/2015, S. 210 ff. BGE 117 II 151 ff. (152 f.), E. 1, zur – inhaltlich gleich lautenden – Rechtslage vor der Revision dieser Bestimmung; vgl. auch deSchenaux, S. 163 ff. In BGE 126 III 512 ff. (514 ff.), E. 3–5, ist jetzt eine Tendenz zur Öffnung des Einsichtsrechts festzustellen. BGE 132 III 603 ff. (607), E. 4.3.1; ZWR 2011, S. 186 ff. (189 f.), E. 2b (Walliser Kantonsgericht; in casu Verneinung der Glaubhaftmachung des Interesses einer Bank, die im Blick auf Kreditgewährung an einen möglichen Grundstückkäufer die Grundpfandbelastung des Kaufsgrundstücks in Erfahrung bringen will). BGE 112 Ib 482 ff. (483 f.), E. 3; BGer 5A_227/2007, E. 2.5 = ZBGR 92/2011, S. 107 ff. = BR/DC 2008, Nr. 155, S. 76 ff. mit Anmerkung von R aineR SchumacheR. BGE 112 II 422 ff. (427), E. 5c; BGer 5A_152/2014, E. 2 = ZBGR 96/2015, S. 104 f.; SJZ 94/1998, S. 237 f. (Kantonsgericht Schwyz) mit Hinweisen; deSchenaux, S. 170. BGE 132 III 603 ff. (607), E. 4.3.2; kritisch dazu michel mooSeR, FZR 2006, S. 155 ff., und bettina hüRlimann-K auP, auf Einsicht vgl. auch ZBGR 84/2003, S. 17 ff. (Kantonsgericht Graubünden). BGer 5A_502/2014, E. 3 = ZBGR 96/2015, S. 210 ff. BGE 97 I 694 ff. (700), E. 6b/aa; deSchenaux, S. 160 f.; SteinaueR, Band I, Nr. 579b.

452

116 453

Das Grundbuch

3. Weigert sich der Grundbuchverwalter, die verlangte Auskunft zu erteilen, die Einsicht zu gewähren oder die Auszüge zu erstellen, so steht dem Gesuchsteller die Beschwerde nach Art. 956a ZGB zu, letztinstanzlich an das Bundesgericht (Beschwerde in Zivilsachen; Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 BGG; vgl. Nr. 430). In solchen Fällen liegt (anders als bei Abweisung einer Anmeldung eines dinglichen Rechts; Nr. 546) keine vermögensrechtliche Streitigkeit im Sinn von Art. 74 Abs. 1 BGG vor.39

B.

Die Veröffentlichungen der Handänderungen

454

Über das Recht des Einzelnen auf Auskunft und Einsichtnahme (Art. 970 Abs. 1–3 ZGB) hinaus sieht Art. 970a ZGB vor, dass die Kantone den Erwerb des Eigentums zufügen bleibt:

455

– In der seit 1. Januar 2005 geltenden Fassung besteht für die Kantone lediglich eine 40 Publikationsbefugnis, nicht mehr eine Publikations Mit der Erweiterung des Einsichts- und Auskunftsrechts nach Art. 970 ZGB nahm nach Meinung des Gesetzgebers das Bedürfnis nach einer (als kostspielig angesehenen) zwingenden Publikation der Handänderungen, wie sie der frühere Art. 970a ZGB vorgesehen hatte, ab.41

456

– Falls die Kantone von ihrer Befugnis Gebrauch machen, müssen sie sich an die bundesrechtlichen Schranken halten: Nicht veröffentlichen dürfen sie die Gegenleistung bei einer Erbteilung, einem Erbvorbezug, einem Ehevertrag oder einer güterrechtlichen Auseinandersetzung (Art. 970a Abs. 2 ZGB). Unter einer «Gegenleistung» sind nach der hier vertretenen Auffassung alle Leistungen zu verstehen, die im Rahmen der Erbteilung, des Erbvorbezugs usw. versprochen, erbracht oder angerechnet werden.42

457

– Den Kantonen ist es in diesen Schranken überlassen, weitere Angaben zu publizieren. Das gilt namentlich für die «Gegenleistung» (ausserhalb der durch Art. 970a Abs. 2 ZGB ausgenommenen Fälle), also beim Grundstückkauf für den Kaufpreis.43 Ob der Kaufpreis publiziert wird, hängt also (mindestens teilweise) vom kantonalen Recht ab.44 Die meisten Kantone verzichten darauf, doch ist die Publikation des Kaufpreises in den Kantonen Genf und Jura vorgesehen.45

458

– Die Art und Weise der Veröffentlichung bestimmen die Kantone. Üblich ist die Publikation im kantonalen Amtsblatt (das seinerseits in zahlreichen Kantonen elektro-

39

bettina hüRlimann-K auP, Grundbuchbeschwerde und Streitwert (zitiert in Nr. 565), S. 252.

40 41

Berichte der ständerätlichen Kommission für Rechtsfragen vom 24. Januar 2002 und 26. Januar

42

Vgl. auch Amtl.Bull. NR 2003, S. 816 (Votum thanei) und S. 1798 (Votum baumann: «Gegenwert des Geschäftes»). BGE 132 III 603 ff. (606), E. 4.3.1. Davon gingen auch die parlamentarischen Beratungen aus: Amtl.Bull. NR 2003, S. 817; Amtl.Bull. StR 2003, S. 823 f. Für Genf: Art. 157 Abs. 2 lit. f Loi d’application du code civil suisse et d’autres lois fédérales en matière civile (LaCC) du 11 octobre 2012 (Genfer Rechtssammlung E 1 05); für Jura: Art. 104a Abs. 2 lit. e Loi d’introduction du Code civil suisse du 9 novembre 1978 (Jurassische Rechtssammlung 211.1).

43 44

45

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

117

nisch aufgerufen werden kann). Das Bundesrecht lässt für diese Angaben generell die Publikation in elektronischer Form zu (Art. 34 GBV).

C.

Die Fiktion der Kenntnis des Eintrags

Art. 970 Abs. 4 ZGB verwehrt jedermann die Einwendung, einen Grundbucheintrag nicht gekannt zu haben. Diese Regelung bezieht sich auch auf die Einschreibungen im Tagebuch46 und bedeutet:

459

– Niemand kann sich – gerichtlich oder aussergerichtlich – darauf berufen, er oder ein Dritter habe einen Eintrag nicht gekannt. Die Kenntnis des Grundbuchs als einer (grundsätzlich) öffentlichen Einrichtung wird mit anderen Worten das heisst unwiderlegbar vermutet. Diese Fiktion (unwiderlegbare Vermutung) zerstört unter Umständen das Recht einer Person, sich auf den guten Glauben zu berufen (Art. 3 Abs. 2 ZGB).47

460

Die gesetzliche Fiktion bezieht sich auf Eintragungen (im engeren Sinn), Vormerkungen und (grundsätzlich) Anmerkungen, nicht aber auf die Anmerkung der Zugehör.48 Sie kann nur insoweit zum ben sind.49 Nach der Rechtsprechung hat die Fiktion weitere Grenzen: Sie bewirkt zwar, dass die Erwerberin eines Grundstücks sich gegenüber demjenigen, der ein beschränktes dingliches Recht geltend macht, nicht darauf zu berufen vermag, sie habe dessen im Grundbuch eingetragenes Recht nicht gekannt und deshalb das Grundstück ohne diese Belastung gutgläubig erworben. Die Fiktion hat aber nicht zur Folge, dass unter den Parteien des Grundstückkaufvertrags die im Grundbuch eingetragenen Rechte als bekannt vorausgesetzt werden; insbesondere schliesst sie nicht aus, dass sich die Käuferin auf Grundlagenirrtum berufen kann.50

– Weil das Gesetz in Abs. 4 eine Fiktion aufstellt, rechtfertigt es sich, das Auskunftsund Einsichtsrecht nach Art. 970 Abs. 2 ZGB eher grosszügig zu handhaben und im Zweifelsfall zu gewähren (vorne Nr. 451).

461

II. Die möglichen Eintragungen 1.

Der Numerus clausus eintragbarer Rechte; Übersicht

1. Ins Grundbuch sind nur Rechte eintragbar, für welche das Gesetz die Eintragung vorsieht. Insofern besteht ein Numerus clausus eintragbarer Rechte (vorne Nr. 71).

46 47

48 49 50

BGer 5A_227/2007, E. 2.5 = ZBGR 92/2011, S. 107 ff. SteinaueR, Band I, Nr. 590. – Terminologischer Hinweis: zobl (Grundbuchrecht, Nr. 106 und 108) bezeichnet diese Fiktion als «positive Rechtskraft» des Grundbuchs, während dieser letztere Begriff hier anders verwendet wird (hinten Nr. 579 ff.). SteinaueR, Band I, Nr. 590b. SteinaueR, Band I, Nr. 590. BGer vom 20. Februar 1997, in BN 58/1997, S. 137 ff. (144), E. 3 = Pra 86/1997, Nr. 150, S. 827 ff.; vgl. auch BGer 4A_553/2015, E. 5.3.2.

462

118 463

Das Grundbuch

2. Die Art. 958 ff. ZGB stellt das Gesetz unter den Randtitel «Eintragung» («Inscription»). Es verwendet diesen Begriff in einem weiten Sinn: als «Eintragung» gilt hier alles, was in das Grundbuch eingetragen wird. «Eintragung» meint hierbei – genau genommen – den Vorgang des Eintragens, während «Eintrag» das Resultat dieses Vorgangs bezeichnet (vgl. etwa den «gestuften» Randtitel von Art. 958 ZGB). Diese Terminologie ist empfehlenswert,51 wird aber nicht überall befolgt (ja sogar vom Gesetz bisweilen nicht beachtet; vgl. etwa Art. 970 Abs. 4 ZGB). Im Französischen wird für die beiden Begriffe «Eintragung» und «Eintrag» das Wort «inscription» verwendet.52

464

3. Als Arten möglicher Eintragungen in das Grundbuch kommen gemäss Art. 958– 962 ZGB vor (vgl. jeweils die Randtitel des Gesetzes): – die sogenannten Eintragungen im engeren Sinn (Art. 958 ZGB); – die Vormerkungen (Art. 959–961a ZGB); und – die Anmerkungen (zum Beispiel Art. 962 ZGB). Hinzu kommen Eintragungen im weiteren Sinn, die vom Gesetz an anderer Stelle genannt werden, nämlich: – die Bemerkungen (Art. 130 GBV); und – die Löschung oder Abänderung von Einträgen (Art. 964 ZGB).

2. 465

Die Eintragungen im engeren Sinn

1. Als mögliche Eintragungen («les inscriptions», hier nun verstanden im engeren Sinn) führt das Gesetz in Art. 958 ZGB die dinglichen Rechte auf, nämlich: – das Eigentum; – die Dienstbarkeiten und Grundlasten; sowie – die Pfandrechte.

466

2. Die Eintragung in das Grundbuch (Hauptbuch) ist zentral für die Entstehung (sowie die Änderung und den Untergang) der genannten Rechte im Geltungsbereich des sogenannten absoluten Eintragungsprinzips (hinten Nr. 572 ff.). Einzelheiten zu diesen materiellen Grundbuchwirkungen folgen in Nr. 567 ff.

467

3. Technisch geht die Eintragung so vor sich, dass das Eigentum, die Dienstbarkeiten und Grundlasten sowie die Pfandrechte je in besonderen Abteilungen («Kolonnen»; Rubriken) des betreffenden Hauptbuchblattes eingetragen werden (Art. 946 Abs. 1 ZGB; Art. 9 GBV; Einzelheiten in Art. 46 ff. GBV).

51 52

tuoR /SchnydeR /Schmid, § 95 N 3, Fn. 1; deSchenaux, S. 2, Fn. 1a. SteinaueR, Band I, Nr. 639.

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

3.

119

Die Vormerkungen

1. Die Vormerkungen («les annotations») sind in erster Linie in Art. 959–961a ZGB sowie in Art. 77 ff. GBV geregelt; dazu kommen zahlreiche verstreute Einzelbestimmungen (zum Beispiel Art. 650 Abs. 2, Art. 681b Abs. 1, Art. 712c und 779b Abs. 2 ZGB; Art. 850 Abs. 3 OR). Die Einschreibungsvoraussetzungen der Eintragungen im engeren Sinn gelten für die Vormerkungen laut Art. 123 Abs. 1 GBV sinngemäss;53 sie werden in den Art. 77 ff. und 123 f. GBV näher geregelt. Technisch wird die Vormerkung in die dafür vorgesehene Abteilung des betreffenden Hauptbuchblattes eingetragen (Art. 9 Abs. 1 lit. e GBV).

468

2. Die Wirkungen der Vormerkung lassen sich nicht generell umschreiben, weil verschiedene Vormerkungen uneinheitliche Rechtsfolgen nach sich ziehen und manches noch umstritten ist. Immerhin kann Folgendes gesagt werden:54

469

– Die typische Wirkung der Vormerkung lässt sich aus Art. 959 Abs. 2, Art. 960

470

vorgemerkte Rechtsposition erhält «durch die Vormerkung Wirkung gegenüber jedem später erworbenen Recht». Ein Recht oder eine Rechtsbeziehung wird mit anderen Worten in bestimmter Weise «dinglich» verstärkt, nämlich gewissen Dritten gegenüber verbindlich gemacht.55 Darin liegt nichts anderes als eine Beschränkung der Verfügungsmacht des Eigentümers – dergestalt, «dass das Rechtsgeschäft, das er trotz der Vormerkung abschliesst, im Verhältnis zur vorgemerkten Rechtsbeziehung keine Rechtswirksamkeit entfaltet, wenn diese ihm entgegensteht».56 Beispiel: Will eine Eigentümerin/Verkäuferin trotz eines gültigen Grundstückkaufs die Liegenschaft dem Käufer nicht übereignen, so kann der Käufer auf Zusprechung des Eigentums am gekauften Grundstück klagen (Art. 665 Abs. 1 ZGB; hinten Nr. 842) und im Sinn einer vorsorglichen Massnahme beim Gericht die Vormerkung einer Verfügungsbeschränkung nach Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB (hinten Nr. 481) erwirken. Verkauft anschliessend die Eigentümerin das Grundstück einem Dritten weiter und meldet sie ihn beim Grundbuchamt an, so muss dieser Dritte – falls der Käufer im Prozess gegen die Verkäuferin obsiegt – das gerichtlich zugesprochene Eigentum des Käufers gegen sich gelten lassen. Nötigenfalls kann der Käufer gegen den Dritten Grundbuchberichtigungsklage nach Art. 975 ZGB (hinten Nr. 614 ff.) erheben.57

53 54 55

56 57 58 59

Der 1991 neu eingefügte Art. 961a ZGB («Eintragung nachgehender Rechte»)58 hält fest: «Eine Vormerkung hindert die Eintragung eines im Rang nachgehenden Rechts nicht.» Damit gibt er eine Rechtslage wieder, die nach herrschender Auffassung schon vorher galt.59

471

– Gewissen Vormerkungen kommt demgegenüber eine atypische Wirkung zu: die realobligatorische Verknüpfung des vorgemerkten Rechts oder Rechtsverhält-

472

Vgl. SteinaueR, Band I, Nr. 781 ff. deSchenaux, S. 333 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 794 ff. Ähnlich SteinaueR, Band I, Nr. 765 und 812 ff.; BGE 120 Ia 240 ff. (245 oben), E. 3b; FZR 1993, S. 291 ff. (292), E. 2 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch). deSchenaux, S. 333 und 635 f.; SteinaueR, Band I, Nr. 799 ff. deSchenaux, S. 670 f.; SteinaueR, Band I, Nr. 803. In Kraft seit 1. Januar 1994 (AS 1993, S. 1404). Vgl. etwa BGE 117 II 541 ff. (544), E. 3; LGVE 1992 I Nr. 12, S. 22 ff. = ZBGR 77/1996, S. 301 ff. (Luzerner Obergericht); deSchenaux, S. 641 und 647 ff.

120

Das Grundbuch

nisses mit einem bestimmten Grundstück. Der aus der Vormerkung Berechtigte kann in diesen Fällen nicht die Löschung der nach der Vormerkung errichteten, seine Rechtsstellung beeinträchtigenden Rechte Dritter verlangen. Doch muss der Erwerber des Grundstücks die vorgemerkte Rechtsbeziehung übernehmen; soweit damit eine Schuldnerstellung verbunden ist, wird der Erwerber (realobligatorisch) Schuldner des aus der Vormerkung Berechtigten.60 Beispiele: a. Das im Grundbuch vorgemerkte Vorkaufs-, Kaufs- oder Rückkaufsrecht kann gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks ausgeübt werden (Art. 216e OR für das Vorkaufsrecht).61 – b. Die im Grundbuch vorgemerkte Aufhebung des Teilungsanspruchs bei Miteigentum (Art. 650 Abs. 2 ZGB; hinten Nr. 787) kann jedem Erwerber des Grundstücks entgegengehalten werden. Gleiches gilt für die Vormerkungen nach Art. 681b Abs. 1, Art. 712c und 779b ZGB sowie Art. 850 Abs. 3 OR.62

– Schliesslich kann der Vormerkung im Grundbuch auch die Funktion zukommen, eine Rechtslage (namentlich die Beschränkung der Verfügungsmacht) im Grundbuch ersichtlich zu machen, um den guten Glauben eines Dritten zu zerstören.

473

Dies trifft bei den sogenannten deklaratorischen Vormerkungen zu. Sie halten eine bestimmte Rechtsbeziehung grundbuchlich fest, die zwischen den Parteien bereits besteht – wie etwa im Fall eines nach Art. 961 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB geltend gemachten dinglichen Rechts –, die jedoch (ohne Sichtbarmachung im Grundbuch) einem gutgläubigen Dritten nach Art. 973 Abs. 1 ZGB nicht entgegengehalten werden könnte.63 474

3. Die beschriebenen typischen und atypischen Wirkungen der Vormerkung können im Einzelfall kombiniert vorkommen oder auseinanderfallen. Die Rechtslage ist demnach für jede Vormerkung einzeln zu prüfen (wobei mehrere Kontroversen bestehen).64 Im Folgenden sollen lediglich die drei wichtigsten Arten von Vormerkungen näher beleuchtet werden, nämlich: – die persönlichen Rechte mit verstärkter Wirkung (Art. 959 ZGB; «Droits personnels»; nachfolgend A.); – die Verfügungsbeschränkungen (Art. 960 ZGB; «Restrictions du droit d’aliéner»; B.); und –

A. 475

Die persönlichen Rechte mit verstärkter Wirkung

1. Gewisse persönliche (relative, obligatorische) Rechte können im Grundbuch vorgemerkt werden. Voraussetzung dafür bildet jedoch nach Art. 959 Abs. 1 ZGB, dass die Vormerkung des Rechts durch das Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Es gilt also ein Numerus clausus der vormerkbaren Rechte.65

60 61

62 63 64 65

deSchenaux, S. 333 und 636 f.; SteinaueR, Band I, Nr. 812 f. BGE 128 III 124 ff. (127), E. 2a für das Kaufsrecht; ferner deSchenaux, S. 654 und 656 f.; SteinaueR, Band I, Nr. 813 und 816. deSchenaux, S. 688 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 809 und 815. deSchenaux, S. 335, 353, 356 und 638. Vgl. die Zusammenstellung bei SteinaueR, Band I, Nr. 818. hombeRgeR, ZüKomm, N 4 zu Art. 959 ZGB; deSchenaux, S. 336 f.; LGVE 1997 I Nr. 6, S. 12 ff. (13 f.; Luzerner Obergericht).

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

121

2. Beispiele für Rechte, welche das Gesetz als vormerkbar bezeichnet, sind die folgenden:

476

– (vertragliche) Kaufs-, Vorkaufs- und Rückkaufsrechte (Art. 216a OR; für das Vorkaufsrecht der Stockwerkeigentümer vgl. auch Art. 712c Abs. 1 ZGB); – Rückfallsrecht bei einer Schenkung von Grundstücken oder dinglichen Rechten an solchen (Art. 247 Abs. 2 OR); – Miete und Pacht (Art. 261b Abs. 1 und 290 lit. c OR);66 – das Nachrückungsrecht des Grundpfandgläubigers (Art. 814 Abs. 3 ZGB); – das Einspracherecht der Stockwerkeigentümer (Art. 712c Abs. 2 ZGB); – der Baurechtszins und weitere vertragliche Bestimmungen des Baurechtsvertrags (Art. 779a Abs. 2 und Art. 779b Abs. 2 ZGB); – Hinzu kommen weitere Fälle (zum Beispiel Art. 850 Abs. 3 OR; weitere Hinweise in Art. 78 GBV). Namentlich kann auch die Aufhebung oder Abänderung gewisser Rechte im Grundbuch vorgemerkt werden (zum Beispiel Art. 681b Abs. 1 ZGB bezüglich des Ausschlusses oder der Abänderung gesetzlicher Vorkaufsrechte; Art. 779b Abs. 2 ZGB etwa hinsichtlich der Aufhebung oder Abänderung der Heimfallsentschädigung beim Baurecht; Art. 39 BGBB mit Bezug auf die Aufhebung oder Abänderung des Zuweisungsanspruchs bei vertraglich begründetem gemeinschaftlichem Eigentum im bäuerlichen Bodenrecht).

3. Die Vormerkung kann (höchstens) für die Dauer des Bestandes des vorzumerkenden Rechts bestehen67 (vgl. auch den Wortlaut von Art. 216a OR).

477

kungstext den Beginn und das Ende der Vormerkungsdauer angibt (Art. 123 Abs. 2 lit. a GBV verlangt «den wesentlichen Inhalt des vorgemerkten Rechts») und damit dem Gebot der Klarheit des Grundbuchs Genüge tut.68 Die Schranken von Art. 27 ZGB bleiben vorbehalten.69

4. Durch die Vormerkung erhalten die persönlichen Rechte eine verstärkte Wirkung, nämlich gemäss Art. 959 Abs. 2 ZGB «Wirkung gegenüber jedem später erworbenen Rechte» (vorne Nr. 470).70 Das vorgemerkte persönliche Recht geht also den später am Grundstück begründeten dinglichen Rechten vor, erhält mit anderen Wor-

66

67

68

69 70

Zur Vormerkung der Miete im Grundbuch vgl. ausführlich hüRlimann-K auP, Grundfragen, Nr. 748 ff., ferner BGE 135 III 248 ff. (250 ff.), E. 4; a Rmin zucKeR /chRiStian eichenbeRgeR (zitiert in Nr. 565), S. 834 ff.; zur Vormerkung der Pacht ZBGR 85/2004, S. 87 ff. (Luzerner Obergericht). BGE 81 I 75 ff. (77), E. 2 (teilweise relativiert in BGer 4A_524/2008, E. 4); FZR 1993, S. 291 ff., E. 2 und 3 = ZBGR 77/1996, S. 303 ff. (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch); ZBGR 85/2004, S. 87 ff. (88), E. 5.3 (Luzerner Obergericht). ZBGR 42/1961, S. 109 f. (Meinungsäusserung des Eidgenössischen Grundbuchamts); ZBGR 87/2006, S. 264 ff. (266 f.), E. 6.2 (Luzerner Obergericht, als Praxisänderung gegenüber ZBGR 85/2004, S. 87 ff.); ebenso die Berner Praxis laut Roland PFäFFli (zitiert in Nr. 565), BN 51/1990, S. 48, Ziffer 31, und BN 67/2006, S. 332 f., Ziffer 53; zustimmend auch Schmid, BaKomm, N 22 f. zu Art. 959 ZGB; hüRlimann-K auP, Grundfragen, Nr. 795 ff.; BGer 5A.18/2001, der den erstgenannten Luzerner Entscheid wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs aufhob, nimmt zur Streitfrage nicht Stellung. hüRlimann-K auP, Grundfragen, Nr. 757. Ausführlich SteinaueR, Band I, Nr. 794 ff.

478

122

Das Grundbuch

ten durch die Vormerkung im Grundbuch eine «quasi-dingliche» Wirkung.71 Nach der Rechtsprechung und nach einem Teil der Lehre tritt neben das persönliche Recht ein dingliches Nebenrecht, welches mit dem Hauptanspruch steht und fällt.72 VorRealobligationen bezeich73 net (dazu vorne Nr. 29 und 472; zur Realobligation allgemein vorne Nr. 21 ff.). Beispiele: a. Der (vertraglich) Vorkaufsberechtigte, der nach Eintritt des Vorkaufsfalles sein (im Grundbuch vorgemerktes) Recht ausüben will, kann es nach Art. 216e Satz 1 OR innert bestimmter Frist «gegenüber dem Eigentümer» (also: gegenüber jedem Eigentümer des betreffenden Grundstücks, das heisst gegenüber jeder Person, die im Klagezeitpunkt als Eigentümerin dieses Grundstücks im Grundbuch eingetragen ist) geltend machen. – b. Analoges gilt für das vertragliche und im Grundbuch vorgemerkte Kaufsrecht an einem Grundstück, das der Berechtigte frist- und formgerecht ausübt;74 ein solches (vorgemerktes) Kaufsrecht hat auch den Vorrang gegenüber einer späteren Pfändung75 oder gegenüber einem späteren Arrest.76 – c. Die Rückkäuferin eines Grundstücks, die ein im Grundbuch vorgemerktes Rückkaufsrecht ausübt, kann sich darauf berufen, das Grundstück nur mit jenen Lasten zu erwerben, die schon im Zeitpunkt der Vornahme der Vormerkung bestanden haben; die Berechtigte darf also die Löschung der nachträglich am Grundstück begründeten Rechte verlangen.77 – d. Die Vormerkung der Miete bewirkt nach Art. 261b Abs. 2 OR, dass «jeder neue Eigentümer dem Mieter gestatten muss, das Grundstück entsprechend dem Mietvertrag zu gebrauchen».78

[entfällt]

479

B.

Die Verfügungsbeschränkungen

480

1. Die Vormerkung einer Verfügungsbeschränkung («la restriction du droit d’aliéner») sieht Art. 960 Abs. 1 ZGB für folgende Fälle vor:

481

– Fälle einer amtlichen Anordnung zur Sicherung streitiger oder vollziehbarer Ansprüche (Ziff. 1). Die Ansprüche müssen sich auf das betreffende Grundstück selber beziehen und «sich, wenn endgültig anerkannt, grundbuchlich auswirken».79 Die amtliche Anordnung stammt meistens vom Gericht (zum Rechtsgrundausweis vgl. Art. 77 Abs. 3 und Art. 79 lit. a GBV). In solchen Fällen geht es zivilprozessual um vorsorgliche Massnahmen; hierbei hat Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB als «lex specialis» den Vorrang vor der allgemeinen prozessualen Norm von Art. 261 ZPO.80 Art. 249 lit. d Ziff. 11 ZPO ordnet für solche Streitigkeiten das summarische Verfahren an.

71 72

73 74

75 76 77

78 79 80

BGE 103 III 97 ff. (108), E. 2b; 102 III 20 ff. (22 f.), E. 1; vgl. auch BGE 114 III 18 ff. (19 f.), E. 3. BGE 104 II 170 ff. (176 f.), E. 5, unter anderem mit Hinweis auf hombeRgeR, ZüKomm, N 21 zu Art. 960 ZGB; vgl. auch BGE 120 Ia 240 ff. (245 oben und 246), E. 3b–c, und hombeRgeR, ZüKomm, N 17 zu Art. 959 ZGB. BGE 128 III 124 ff. (127), E. 2a; m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil (vor Art. 641 ZGB), N 279 ff. BGE 128 III 124 ff. (127), E. 2a; 103 III 97 ff. (108), E. 2b; 90 II 393 ff. (399), E. 3; BGer vom 11. Februar 1966, in ZBGR 47/1966, S. 375 ff. (381 f.), E. 4d. BGE 102 III 20 ff. (22 f.), E. 1; 92 I 36 ff. (41), E. 2. BGE 128 III 124 ff. (128), E. 2b/bb. LGVE 1992 I Nr. 12, S. 22 ff. = ZBGR 77/1996, S. 301 ff. (Luzerner Obergericht), unter anderem mit Hinweis auf BGE 85 II 474 ff. (488), E. 6; LGVE 1998 I Nr. 7, S. 18 ff. (20), E. 4a (Luzerner Obergericht), mit Hinweisen auf die Behandlung nachträglich errichteter Pfandrechte. Vgl. dazu hüRlimann-K auP, Grundfragen, Nr. 770 ff. BGE 104 II 170 ff. (176), E. 5; deSchenaux, S. 341 f. LGVE 2013 I, Nr. 36, E. 4.4 = ZBJV 151/2015, S. 615 ff. (Luzerner Kantonsgericht).

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

123

Beispiele: a. Gerichtliche Anordnung einer Verfügungsbeschränkung als vorsorgliche Massnahme im Rahmen einer Klage auf Erfüllung eines Grundstückkaufs.81 – b. Anordnungen des Konkursgerichts zur Wahrung der Rechte der Gläubiger (Art. 170 und 174 Abs. 3 SchKG).

– Fälle einer Pfändung (Ziff. 2).

482

Nach Art. 101 Abs. 1 SchKG hat die Pfändung eines Grundstücks «die Wirkung einer Verfügungsbeschränkung. Das Betreibungsamt teilt sie dem Grundbuchamt … zum Zwecke der Vormerkung unverzüglich mit». Für die Gläubiger nimmt die Betreibung ihren Fortgang, ohne dass Dritte ihnen die Rechte entgegenhalten können, die sie später am Grundstück erworben haben.82

– Verfügungsbeschränkungen auf Grund eines Rechtsgeschäfts, für das diese Art der Vormerkung im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist (Ziff. 3).

483

Als Beispiel erwähnt das Gesetz u.a. die Sicherung der Anwartschaft der Nacherben (Art. 490 Abs. 2 ZGB).

– Umstritten ist, inwieweit kantonales Recht für weitere Tatbestände eine sogenannte Grundbuchsperre (Kanzleisperre; «le blocage du registre foncier») vorsehen kann, durch welche jede weitere Operation im Hauptbuch verboten würde. Es stellt sich die Frage, ob damit nicht Bundesrecht – namentlich die Regelung von Art. 960 ZGB – umgangen wird83 (vgl. auch Art. 178 Abs. 3 ZGB).

484

2. Die Verfügungsbeschränkung erhält nach Art. 960 Abs. 2 ZGB durch die Vormerkung Wirkung «gegenüber jedem später erworbenen Rechte».84 Die Vormerkung stellt keine Grundbuchsperre dar. Der Eigentümer kann das betroffene Grundstück also veräussern oder mit beschränkten dinglichen Rechten belasten; die Verfügungsbeschränkung stellt jedoch für das umstrittene Recht den Vorrang gegenüber jedem später erworbenen Recht sicher.85 Das vorgemerkte Recht kann demnach – nach dem Grundsatz der Alterspriorität (Art. 972 ZGB; vorne Nr. 77 f.) – folgenden Personen erfolgreich entgegengehalten werden:

485

– dem (späteren) Dritterwerber des Grundstücks; – demjenigen, der später (nach der Vormerkung) beschränkte dingliche Rechte am Grundstück erworben hat, sofern sich die Letzteren nicht mit dem vorgemerkten Recht vertragen; Art. 812 ZGB ist analog anwendbar;86 Beispiel: vorgemerktes Kaufsrecht und später begründetes Wegrecht.

– demjenigen, der später ein (weiteres) vorgemerktes persönliches Recht erwirbt; – ferner hat die vorgemerkte Verfügungsbeschränkung auch Vorrang gegenüber späteren Massnahmen der Zwangsvollstreckung, besonders Pfändung oder Konkurs.87

81

82 83 84

85 86 87

BGE 104 II 170 ff. (176), E. 5; 120 Ia 240 ff. (244 unten), E. 3b; BGer 5P.195/2004, E. 3.2; BGer 5A_808/2014, E. 3.1; vgl. auch SteinaueR, Band I, Nr. 771a. BGE 130 III 669 ff. (671), E. 5.1, deutsche Übersetzung in ZBGR 86/2005, S. 366 ff. SteinaueR, Band I, Nr. 649 ff.; deSchenaux, S. 386 ff. Ausführlich SteinaueR, Band I, Nr. 794 ff. Für den Fall der Vormerkung wegen Pfändung (Art. 960 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB) vgl. auch BGE 130 III 669 ff. (671), E. 5.1, deutsche Übersetzung in ZBGR 86/2005, S. 366 ff.; BGer 5A_639/2012, E. 4; BGer 5A_853/2013, E. 2.2.3. BGer 5P.411/2004, E. 1.4. SteinaueR, Band I, Nr. 804. BGE 104 II 170 ff. (177 f.), E. 5; zu einem Sonderfall vgl. BGE 111 III 26 ff. (31 f.), E. 3b (italienisch) = ZBGR 68/1987, S. 275 ff.

124

Das Grundbuch

Rechts nicht (Art. 961a ZGB). Doch riskiert beispielsweise die Erwerberin eines solchen nachgehenden Rechts, dieses (auf Begehren des vorrangig Berechtigten) wieder zu verlieren (vorne Nr. 470). Damit ermöglicht es die Verfügungsbeschränkung nach Art. 960 Abs. 1 (Ziff. 1) ZGB, die Erfüllung fenden Rechtsbeziehung nichts geändert wird.88

[entfällt]

486

487

1. Art. 961 Abs. 1 ZGB zu: – zur Sicherung behaupteter dinglicher Rechte (Ziff. 1); und – im Fall der vom Gesetz zugelassenen Ergänzung des Ausweises (Ziff. 2, vgl. Art. 966 Abs. 2 ZGB).

488

2.

Sicherung behaupteter dinglicher Rechte (Art. 961 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB). Diese Vormerkung bildet Bestandteil des einstweiligen Rechtsschutzes, erfolgt also auf Gesuch eines Ansprechers – regelmässig im Hinblick auf einen (schon laufenden oder noch einzuleitenden) Hauptprozess. Wie bei Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB (vorne Nr. 481) geht es auch hier zivilprozessual um vorsorgliche Massnahmen; wiederum hat Art. 961 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB als «lex specialis» den Vorrang vor der allgemeinen prozessualen Norm von Art. 261 ZPO, etwa bezüglich der Anforderungen an die Glaubhaftmachung.89 Beizufügen bleibt: – Der Ansprecher muss ein dingliches Recht behaupten. Es genügt nicht, ein bloss obligatorisches Recht geltend zu machen.90

489

Behauptet der (im Grundbuch nicht eingetragene) Ansprecher also, Eigentümer des betreffenden 91 Behauptet er lediglich, als Käufer einen obligatorischen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks zu haben, so scheiAbs. 1 Ziff. 1 ZGB möglich. – Zu beachten ist jedoch die gleich zu behandelnde Besonderheit beim Bauhandwerkerpfandrecht (Nr. 490 und 1770 ff.).

– Wichtiger Anwendungsfall kerpfandrechts (Art. 837 ff. ZGB und Art. 76 Abs. 3 GBV; vgl. im Einzelnen Nr. 1770 ff.).

490

Die Einordnung dieses Falls unter Art. 961 ZGB ist eigentlich erstaunlich, vermittelt das Gesetz dem Bauhandwerker doch kein unmittelbares Pfandrecht, sondern nur den «Anspruch auf Errichtung eines gesetzlichen Grundpfandes» (Art. 837 Abs. 1 ZGB Ingress und Ziff. 3). Die-

88 89

90 91

BGE 120 Ia 240 ff. (245), E. 3b. LGVE 2013 I, Nr. 36, E. 4.4 = ZBJV 151/2015, S. 615 ff. (Luzerner Kantonsgericht). Für das Bauhandwerkerpfandrecht ausdrücklich auch BGE 137 III 563 ff. (567), E. 3.3. BGE 110 II 128 ff. (131), E. 3. Beispiel: BGer 5P.221/2003, E. 3.1.1 = ZBGR 85/2004, S. 97 ff.: Der Veräusserer eines Grundstücks macht geltend, der dem Eigentumserwerb zugrunde liegende Rechtsgrundausweis leide an einem Formmangel.

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

125

ser Anspruch ist obligatorischer (wenn auch realobligatorischer) Natur. Dennoch ordnet Art. 76 Eintragung zur Sicherung behaupteter Rechte gewahrt [wird] (Art. 961 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB)».92 Dem folgen Rechtsprechung und herrschende Lehre (vgl. hinten Nr. 1772).

3.

491

Abs. 2 ZGB folgende formelle Voraussetzungen erfüllt sein: – entweder die Einwilligung aller Beteiligten – oder die Anordnung des Gerichts. Art. 961 Abs. 3 ZGB sieht einen gerichtlichen Entscheid auf Grund von Glaubhaftmachung der Berechtigung vor;93 das Gericht setzt (nötigenfalls) Frist an zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche. Anwendbar ist das summarische Verfahren (Art. 249 lit. d Ziff. 11 ZPO). Vgl. dazu auch Art. 76 Abs. 2 und Art. 124 GBV;94 zum Bauhandwerkerpfandrecht vgl. hinten Nr. 1770 ff.

4.

bewirkt, «dass das Recht für den Fall seiner späteren Feststellung vom Zeitpunkte der Vormerkung an dinglich wirksam wird» (Art. 961 Abs. 2 ZGB).95

492

Dem Zeitpunkt der Entstehung eines dinglichen Rechts kommt nach dem Gesagten wegen des Grundsatzes der Alterspriorität (Art. 972 Abs. 1 ZGB) oft entscheidende Bedeutung zu.

4.

Die Anmerkungen

1. Von den Anmerkungen («les mentions») ist im Grundbuchrecht etwa in Art. 962 f. und 946 Abs. 2 ZGB (sowie in Art. 53 ff., 80 und 125 ff. GBV) die Rede. Als Anwendungsfälle kommen kraft Bundesrechts in Betracht: – Anmerkung von Zugehör (Art. 946 Abs. 2 ZGB); Die Besonderheit der Zugehör (Art. 644 f. ZGB; hinten Nr. 705 ff.) besteht darin, dass sie zusammen mit dem betreffenden Grundstück verpfändet werden kann, ohne dass die Einräumung des Besitzes an den Zugehörsachen erforderlich ist (vgl. etwa Art. 805 ZGB; hinten Nr. 711 und 1563). Beispiel: mobiliar.

– Anmerkung des Beginns eines Werks (Art. 841 Abs. 3 ZGB und Art. 54 Abs. 3 GBV; hinten Nr. 1797); – Anmerkung der Nutzungs- und Verwaltungsordnung im Miteigentumsrecht, der von den Miteigentümern gefassten Beschlüsse sowie der gerichtlichen Urteile und Verfügungen (Art. 649a Abs. 2 ZGB; Art. 54 Abs. 1 und Art. 80 Abs. 2 GBV);96

92

Ähnlich sah Art. 22 Abs. 4 aGBV vor, bei Streitigkeiten über die Pfandsumme könne «gemäss Arti-

93

BGer 5P.221/2003, E. 3.2.1 = ZBGR 85/2004, S. 97 ff. Zu den Anforderungen an die Glaubhaftmachung vgl. LGVE 2013 I, Nr. 36, E. 4.4 = ZBJV 151/2015, S. 615 ff. (Luzerner Kantonsgericht); spe-

94

Zur entsprechenden Vorschrift des alten Rechts (Art. 22 Abs. 2 und 4 aGBV) vgl. BGE 112 II 496 ff. Ausführlich SteinaueR, Band I, Nr. 794 ff. Botschaft zum Register-Schuldbrief, S. 5303.

95 96

493

126

Das Grundbuch

– Anmerkung des Reglements für die Stockwerkeigentümergemeinschaft (Art. 712g ZGB und Art. 54 Abs. 1 und Art. 80 Abs. 3 GBV; hinten Nr. 1042); – Anmerkung eines gesetzlichen Wegrechts von bleibendem Bestand (Art. 696 Abs. 2 ZGB; Art. 61 und 127 GBV); – Anmerkung eines Vorpachtrechts (Art. 5 LPG und Art. 54 Abs. 5 GBV); – Anmerkung einer eherechtlichen oder partnerschaftsrechtlichen Verfügungsbeschränkung (Art. 178 Abs. 3 ZGB und Art. 22 PartG; Art. 55 GBV); – Anmerkung eines Vertreters in den Fällen von Art. 962a ZGB, also etwa des ErbEigentümers (oder Grundpfandgläubigers oder Dienstbarkeitsberechtigten) oder des Verwalters einer Stockwerkeigentümergemeinschaft (Art. 54 Abs. 4 GBV);97 – Anmerkung einer Grundbuchsperre, die durch einen gerichtlichen Entscheid betreffend eine vorsorgliche Massnahme im Zivilprozess (Art. 262 lit. c ZPO) ergangen ist (Art. 56 GBV); – Weitere Fälle: vgl. etwa Art. 55 ff. GBV; Art. 86 BGBB und Art. 57 GBV (bäuerliches Bodenrecht); Art. 149d Abs. 1 und 3 IPRG sowie Art. 58 und 128 GBV (Trustvermögen);98 Art. 176 Abs. 2 (Konkurseröffnung) sowie Art. 293 Abs. 4 und 296 SchKG (Nachlassstundung);99 Art. 30e Abs. 2 BVG (Sicherung des Vorsorgezwecks); Art. 21 Abs. 2 GeoIG (Grenz- und Vermessungszeichen). Einen intertemporalrechtlichen Fall der Anmerkung regelt sodann Art. 45 Abs. 1 SchlT ZGB.100 Für öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen, die nach ZGB nicht im Grundbuch angemerkt werden (vgl. hinten Nr. 493b f.), sieht Art. 16 GeoIG die Schaffung eines Katasters der öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen vor.101 Sein Inhalt gilt als bekannt, und für seine Führung haftet der Kanton nach Art. 955 ZGB (Art. 17 f. GeoIG). Dieser Kataster bezweckt, durch zuverlässige, zentral verwaltete und «niederschwellig zugängliche» Informa-

493a

97 98

99

100

101

Botschaft zum Register-Schuldbrief, S. 5333 f. Zu den Einzelheiten vgl. Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung des Haager Übereinkommens über das auf Trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung vom 2. Dezember 2005, BBl 2006, S. 551 ff. (besonders S. 575 f. und 595 f.); Eidgenössisches Amt für Grundbuch- und Bodenrecht, Wegleitung zur grundbuchlichen Behandlung von Trustgeschäften vom 28. Juni 2007, ZBGR 88/2007, S. 377 ff. (besonders S. 380); FloRence guillaume, Fragen rund um die Eintragung eines S. 8 ff.); bénédict Foëx, La mention du trust au registre foncier, ZBGR 90/2009, S. 81 ff.; delPhine PannatieR K eSSleR, Trust, droit de suite et mention au Registre foncier selon l’article 149d LDIP, in: Margareta Baddeley et al. (Hrsg.), Le droit civil dans le contexte international, Genf 2012, S. 133 ff.; gabRielle nateR-baSS/moRitz SeileR, Die Anmerkung des Trustverhältnisses im Grundbuch aus praktischer Sicht, successio 2013, S. 220 ff. Fassungen gemäss SchKG-Änderung vom 19. März 2004, in Kraft seit 1. Januar 2005 (AS 2004, S. 4033 f.); vgl. auch Roland PFäFFli, Konkurs und Nachlassstundung: Änderung des SchKG, BlSchK 68/2004, S. 222 ff. Vgl. etwa auch die Weisung des Eidgenössischen Amtes für Grundbuch- und Bodenrecht für die Grundbuchämter betreffend Anmerkung bzw. Löschung einer Veräusserungsbeschränkung [nach BVG] vom 29. Dezember 1994, ZBGR 76/1995, S. 127 ff. (mit ergänzender Richtlinie auf S. 131 ff.). Vgl. auch die Verordnung über den Kataster der öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen (ÖREBKV) vom 2. September 2009 (SR 510.622.4), insbesondere deren Art. 26 ff. zu den zeitlichen Vorgaben des Bundes an die Kantone zur Einführung des Katasters.

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

127

tionen über die genannten Eigentumsbeschränkungen die Rechtssicherheit auf dem Gebiet des Grundeigentums zu erhöhen.102 Der genannte Kataster wird indessen vorerst nur einige wenige generell-abstrakte öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkungen enthalten.103 Aus diesem Grund gelten seit dem 1. Januar 2012 gemäss Art. 962 ZGB zusätzliche Vorschriften über die Anmerkung öffentlich-rechtlicher Eigentumsbeschränkungen:104 Das Gemeinwesen (Bund, Kantone, Gemeinden) oder ein anderer Träger einer öffentlichen Aufgabe muss eine für ein bestimmtes Grundstück verfügte Eigentumsbeschränkung des öffentlichen Rechts im Grundbuch anmerken lassen, sofern sie dem Eigentümer eine dauerhafte Nutzungs- oder Verfügungsbeschränkung oder eine grundstücksbeliches Grundstück zu bewirtschaften105) auferlegt (Abs. 1). Damit das Grundbuch aussagekräftig bleibt, sind die Anmerkungen nachzuführen (Abs. 2). Der Bundesrat legt Minimalvorgaben fest (Abs. 3). Art. 129 GBV regelt die Einzelheiten: Erfasst werden unter anderem die Gebiete des Natur-, Heimat- und Umweltschutzes, der Wohnbauförderung, der Förderung von Land- und Forstwirtschaft, der amtlichen Vermessung, der Baugesetzgebung und des Enteignungsrechts (dazu auch Art. 59 GBV106). Die Kantone können Anmerkungen aus weiteren Rechtsgebieten vorsehen (Art. 129 Abs. 3 GBV).

493b

Ob auch die Kantone privatrechtliche Anmerkungstatbestände schaffen können, ist umstritten.107 Zulässig waren schon bis anhin kantonale Anmerkungstatbestände des öffentlichen Rechts;108 doch können die Kantone nicht bestimmen, dass der Anmerkung einer öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkung nach kantonalem Recht rechtsbegründende Wirkung zukommt.109 zu gewissen öffentlich-rechtlichen Anmerkungen ausdrücklich vor (Nr. 493b).

494

2. Die Anmerkung hat Informationscharakter: Sie will im Hauptbuch darauf hinweisen, dass ein Rechtsverhältnis besteht, das einen Bezug zum Grundstück hat; dieses Rechtsverhältnis hängt aber seinerseits nicht vom Grundbucheintrag ab.110 In Verbindung mit Art. 970 Abs. 4 ZGB (vorne Nr. 459 ff.) eignet sich die Anmerkung dazu, den guten Glauben einer Person zu zerstören.

495

Art. 149d Abs. 3 IPRG hält ausdrücklich fest, dass ein Trustverhältnis, welches nicht im Grundbuch angemerkt ist, gutgläubigen Dritten (Erwerbern des Trustgrundstücks wie auch Gläubigern des Trustee111) gegenüber unwirksam ist. – Die Anmerkung nach Art. 178 Abs. 3 ZGB bewirkt von Gesetzes wegen eine Grundbuchsperre (Kanzleisperre).112

102 103 104 105

106

107 108 109 110

111 112

Botschaft zum GeoIG in BBl 2006, S. 7857 und 7859. Botschaft zum Register-Schuldbrief, S. 5332. Vgl. dazu Botschaft zum Register-Schuldbrief, S. 5332 f. Botschaft zum Register-Schuldbrief, S. 5332; vgl. auch BGer 1C_750/2013, E. 4.2 (mit Hinweis auf Art. 44 Abs. 2 Raumplanungsverordnung; SR 700.1). Zur (damals noch) fehlenden gesetzlichen Grundlage für die Anmerkung einer enteignungsrechtlichen Entschädigungsleistung vgl. BGE 134 II 49 ff. (95), E. 22. Befürwortend SteinaueR, Band I, Nr. 834 f. SteinaueR, Band I, Nr. 836 f.; so wohl auch BGE 121 I 65 ff. (73), E. 5c/bb. BGer 1C_151/2010, E. 2.3 = ZBGR 92/2011, S. 117 ff. BGE 124 III 211 ff. (213), E. 1a; deSchenaux, S. 406 und 713; SteinaueR, Band I, Nr. 819 und 839; für die Anmerkung öffentlich-rechtlicher Eigentumsbeschränkungen auch BGer 1C_151/2010, E. 2.3 = ZBGR 92/2011, S. 117 ff.; BGer 1C_750/2013, E. 4.2. Botschaft BBl 2006, S. 595. LGVE 1993 I Nr. 5, S. 6 f. = ZBGR 75/1994, S. 344 f. (Luzerner Obergericht); Roland PFäFFli, Die Auswirkungen des neuen Ehe- und Erbrechts auf die Grundbuchführung, BN 47/1986, S. 281 ff. (282 ff.); bRäm, ZüKomm, N 28 und 31 ff. zu Art. 178 ZGB; iSenRing/K eSSleR, BaKomm, N 24 zu Art. 178 ZGB. – Zum Sonderfall der Anmerkung im Sinn von Art. 30e Abs. 2 BVG und Art. 55 Abs. 2 GBV vgl. bettina deillon-Schegg, Die Anmerkung der gesetzlichen Veräusserungsbe-

128

5. 496

Das Grundbuch

Die Bemerkungen

Rechtsgrundlage der Bemerkungen («les observations») ist namentlich Art. 130 GBV. Es handelt sich um Einschreibungen mehr technischer Natur, die einen Informationszweck verfolgen. Sie können in alle Abteilungen des Hauptbuchs eingetragen werden und sind Teil des Eintrags (Art. 89 Abs. 4 GBV).113 Beispiele: Bemerkungen zu einem Grundpfandrecht im Papiergrundbuch (Art. 102 GBV), zur Pfändung eines Register-Schuldbriefs (Art. 104 Abs. 5 GBV) und zu den Nebenvereinbarungen beim Schuldbrief (Art. 106 GBV).

497

6.

Die Löschungen und Abänderungen

A.

Im Allgemeinen

In das Grundbuch wird auch dann «etwas eingetragen» (bzw. ein Eintrag wird geändert), wenn Rechte gelöscht oder geändert werden sollen (Art. 964 ZGB; vgl. dazu Nr. 508 und 511). Man kann solche Löschungen («la radiation») und Abänderungen Die Regeln über die Anmeldung zur Eintragung gelten auch für die Anmeldung zur Löschung oder Abänderung eines Eintrags (Art. 131 Abs. 1 GBV; im Einzelnen 114

B. 497a

Die Bereinigung insbesondere

Löschungen und Abänderungen sind besonders wichtig, wenn ein Grundstück geteilt («Parzellierung») oder wenn mehrere Grundstücke zu einem einzigen vereinigt werschematischer Befolgung der Regel, dass bei Teilung eines Grundstücks alle Rechte und Lasten auf allen Teilen weiterbestehen (aArt. 743 Abs. 1 und aArt. 744 Abs. 1 gen pauschal auf sämtliche Teilparzellen übertragen worden, und zwar auch auf solche, auf denen sie gar nicht als Recht oder Last bestehen (können).115 Um die Zuverlässigkeit des Grundbuchs als «Teil eines modernen Bodeninformationssystems»116 zu stärken, hat der Gesetzgeber mit der Sachenrechtsnovelle von 2009 auf Gesetzesstufe

schränkung nach Art. 80 Abs. 10 GBV [= aGBV] zur Sicherung des Vorsorgezwecks bei mit Mitteln

113 114 115

116

FZR 1999, S. 39 ff. = ZBGR 81/2000, S. 139 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch). Ausführlich Paul-h enRi SteinaueR, Les observations (zitiert in Nr. 565), S. 359 ff. BGE 129 III 216 ff. (222 f.), E. 3.3.1. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5334. bettina hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, S. 49 ff.; zum Ganzen auch PFäFFli Roland, Dienstbarkeitsvertrag (zitiert in Nr. 565), S. 103 ff.; mooSeR michel, Les servitudes (zitiert in Nr. 565), S. 175 ff. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5339 (ähnlich S. 5285 und 5292). Die Aussage bezieht sich vor allem auf Art. 976c ZGB.

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

129

Regeln zur Bereinigung in den Art. 974a, 974b und 976c ZGB verankert, präzisiert und erweitert.117 Folgende Bestimmungen seien erwähnt: 1. Bei Teilung eines Grundstücks besteht kraft Bundesrechts eine die Dienstbarkeiten, Vor- und Anmerkungen für jedes Teilstück zu bereinigen (Art. 974a Abs. 1 ZGB). Der Eigentümer des zu teilenden Grundstücks muss dem Grundbuchamt beantragen, welche der Einträge zu löschen und welche auf die Teilparzellen zu übertragen sind, sonst ist die Anmeldung abzuweisen (Art. 974a Abs. 2 ZGB; vgl. auch Art. 833 ZGB und Art. 153 ff. GBV).

497b

stück bestehen, auf allen Teilparzellen weiter gelten.118 Das trifft namentlich auf eine BauverbotsDienstbarkeit zu, welche das gesamte zu teilende Grundstück belastet. Von anderen Dienstbarkeiten (etwa Fahrweg- oder Quellenrechten) auf dem zu teilenden Grundstück werden demgegenüber häurecht entlang der Westgrenze des zu teilenden Grundstücks betrifft die im östlichen Teil gelegenen neu zu bildenden Parzellen nicht). Solche Rechte sind demnach auf den nicht betroffenen Teilen zu löschen (Art. 974a Abs. 3 Satz 1 ZGB) bzw. nicht darauf zu übertragen. Der Antragsteller hat dies anhand der Belege und der örtlichen Gegebenheiten abzuklären.119 der Löschungsbewilligung des Berechtigten nach Art. 964 ZGB oder Möglichkeit der erleichterten Löschung eines Eintrags» (Art. 974a Abs. 3 Satz 2 ZGB), mit anderen Worten namentlich danach, ob der Tatbestand der genannten Normen über die erleichterte Löschung (Art. 976 ff. ZGB; hinten Nr. 626 ff.) im Einzelfall erfüllt ist.120

2. Bereinigungsbedarf kann auch bei der Vereinigung von Grundstücken bestehen.121 Art. 974b ZGB stellt dazu Regeln auf und erklärt die Vorschriften über die Teilung eines Grundstücks für sinngemäss anwendbar (Abs. 4). Auch hier muss der Eigentümer der zu vereinigenden Grundstücke demnach dem Grundbuchamt für jede Dienstbarkeit, Vormerkung oder Anmerkung einzeln beantragen, wie sie zu bereinigen sind, und allenfalls die nötigen Zustimmungserklärungen beibringen.122

497c

Ausserdem ist die Vereinigung nur möglich, wenn keine Grundpfandrechte oder Grundlasten von den einzelnen Parzellen auf das vereinigte Grundstück übertragen werden müssen oder die Gläubiger der Übertragung zustimmen (Art. 974b Abs. 1 ZGB).123 Vgl. auch Art. 158 GBV.

3.

buch von bestehenden, bedeutungslosen Einträgen nicht zu befreien.124 Daher sieht Art. 976c ZGB die Möglichkeit öffentlicher Bereinigungsverfahren vor: Ist in einem bestimmten Gebiet wegen geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Verhältnisse eine grössere Zahl von Dienstbarkeiten, Vor- oder Anmerkungen ganz oder weitgehend hinfällig geworden oder die Lage nicht mehr bestimmbar, so kann

117

Die Teilung von Grundstücken war unter bisherigem Recht in aArt. 743 f. ZGB (sowie Art. 85 ff. aGBV) geregelt, die Vereinigung von Grundstücken lediglich auf Verordnungsstufe (Art. 91 f. aGBV). So sinngemäss Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5334. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5334. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5335. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5335 f. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5335 f. Vgl. ZR 113/2014, Nr. 55, S. 177 ff. (178 ff.), E. 4 (Bezirksgericht Zürich). Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5334.

118 119 120 121 122 123 124

497d

130

Das Grundbuch

die vom Kanton bezeichnete Behörde die Bereinigung für dieses Gebiet anordnen (Abs. 1). Die Kantone haben weitere Kompetenzen (Abs. 3).125 Die Anordnung der Bereinigung ist auf den entsprechenden Grundbuchblättern anzumerken (Art. 976c Abs. 2 ZGB).

7.

Schema

498

Eintragungen i.w.S.

Eintragungen i.e.S.

125

Vormerkungen

Anmerkungen

Bemerkungen

Dazu Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5339; bettina hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, S. 55 f.

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

131

III. Das Verfahren 1. Das Verfahren, welches zu einer Grundbucheintragung führt, ist geregelt in Art. 963–966 ZGB sowie in der Grundbuchverordnung (besonders Art. 46 ff. und 81 ff. GBV). Vorweg muss Folgendes betont werden:

499

– Modellfall für die folgenden Darlegungen bildet eine Eigentumsübertragung zur Erfüllung eines Grundstückkaufs (durch den Verkäufer). Zu behandeln sind hier demnach die grundbuchlichen Operationen, welche für den Eigentumsübergang an einem Grundstück vom Veräusserer auf die Käuferin nötig sind (Art. 656 absoluten Eintragungsprinzips, von welchem Art. 963 Abs. 1 ZGB handelt und bei welchem die Eintragung für den Erwerb des dinglichen Rechts konstitutiv ist (Einzelheiten hinten Nr. 572 ff. und 835 f.).

500

Die Anmeldung muss von jener Person ausgehen, welche über dingliche Rechte verfügt (solche aufgibt, auf eine andere Person überträgt; hinten Nr. 506 ff.). In unserem Modellfall ist dies der Eigentümer, der – zur Erfüllung des Grundstückkaufs – sein Eigentum zu Gunsten der Käuferin aufgibt (Art. 963 Abs. 1 ZGB; Art. 84 f. GBV).

– Nur pro memoria erwähnt seien hier die Konstellationen, in denen Eigentum oder ein beschränktes dingliches Recht von Gesetzes wegen ohne grundbuchliche Operation («ausserbuchlich») übergeht, namentlich die in Art. 656 Abs. 2 ZGB aufgeführten Fälle (Grundeigentumserwerb bei Aneignung, Erbgang, Enteignung, Zwangsvollstreckung oder gerichtlichem Urteil; hinten Nr. 837). Hier spricht man vom relativen Eintragungsprinzip, von dem Art. 963 Abs. 2 ZGB handelt (hinten Nr. 576 ff.).

501

In diesen Fällen bedarf es keiner Erklärung des früheren Eigentümers oder sonstigen dinglich Berechtigten (Art. 963 Abs. 2 ZGB).126 Die Erwerberin kann vielmehr die Eintragung in das Grundbuch – die zwar nicht zum Erwerb des dinglichen Rechts erforderlich, aber trotzdem wichtig ist (hinten Nr. 577) – selber erwirken (Art. 665 Abs. 2 ZGB; Art. 84 Abs. 2 GBV).127

2. Soll im Anwendungsbereich des absoluten Eintragungsprinzips zur Begründung eines dinglichen Rechts an einem Grundstück eine Eintragung in das Grundbuch erfolgen, so ist – kurz gesagt – ein Doppeltes erforderlich (Art. 963 ff. ZGB): – einerseits die Anmeldung durch die verfügungsberechtigte Person («la réquisition»); – andererseits ein Rechtsgrund, der die Eintragung rechtfertigt («le titre d’acquisition»). Anmeldung und Rechtsgrund müssen gewisse Anforderungen erfüllen und sind (wie auch das Verfügungsrecht) vom Grundbuchverwalter in bestimmter Hinsicht zu überprüfen. Im Einzelnen:

126 127

Dazu BGer vom 15. Juni 1993, in ZBGR 74/1993, S. 363 f.; BGE 135 III 585 ff. (587), E. 2.1. Beispiel: BGer 5A_588/2015, E. 5: Erwirkung der Eintragung einer gerichtlich zugesprochenen Dienstbarkeit.

502

132

1. 503

Das Grundbuch

Die Anmeldung

1. Als Grundsatz des formellen Grundbuchrechts gilt das Antragsprinzip (Anmeldungsprinzip). Es lässt sich aus Art. 963 f. ZGB ableiten und wird in Art. 46 Abs. 1 GBV verdeutlicht: Der Grundbuchverwalter darf grundsätzlich Eintragungen in das Grundbuch nur auf Anmeldung hin vornehmen. Vorbehalten bleiben immerhin jene in ZGB und GBV (oder in anderen gesetzlichen Grundlagen) vorgesehenen Fälle, «in denen das Verfahren von Amtes wegen eingeleitet wird» (Art. 46 Abs. 2

504

2. Diese Anmeldung ist eine (Willens-)Erklärung, mit welcher eine Person die Vornahme einer grundbuchlichen Verfügung (einer Eintragung im weitesten Sinn) beantragt. Sie ist – materiell gesehen – ein Verfügungsgeschäft: Der Erklärende verfügt über ein (dingliches) Recht.128

505

3. Die Anmeldung muss von einer verfügungsberechtigten Person ausgehen und bestimmte formelle und inhaltliche Anforderungen erfüllen. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann sie vom Grundbuchverwalter entgegengenommen (und gutgeheissen, also befolgt) werden. Im Einzelnen:

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– Die Anmeldung muss von der hierzu berechtigten Person ausgehen. Damit stellt sich die Frage nach der Verfügungsberechtigung:

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• Bei Eintragungen ist grundsätzlich der Eigentümer des Grundstücks, auf das sich die Verfügung bezieht, die verfügungsberechtigte Person (Art. 963 Abs. 1 ZGB; vgl. auch Art. 641 ZGB).129 Das Verfügungsrecht muss im Zeitpunkt der Grundbuchanmeldung vorhanden sein.130 Pro memoria: Ausserhalb des absoluten Eintragungsprinzips (hinten Nr. 572 ff.) braucht es diese Erklärung des Grundeigentümers nicht, nämlich wenn die Erwerberin «sich auf eine Gesetzesvorschrift, auf ein rechtskräftiges Urteil oder eine dem Urteil gleichwertige Urkunde zu berufen vermag» (Art. 963 Abs. 2 ZGB; vorne Nr. 501).131

• Bei Löschungen oder Abänderungen eines Eintrags ist die aus dem Eintrag berechtigte Person zur Anmeldung berechtigt (Art. 964 Abs. 1 ZGB).

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Beispiele: a. Zur Anmeldung, es sei eine Nutzniessung im Grundbuch zu löschen, ist der Nutzniesser (allein) berechtigt; der Zustimmung des Eigentümers des belasteten Grundstücks bedarf es nicht.132 Dies gilt dem Grundsatz nach für alle Dienstbarkeiten; doch bleibt die Zustimmung von Personen vorbehalten, deren Rechtsstellung durch die Löschung beeinträchtigt wird (vgl. hinten Nr. 1300; zum neuen Art. 740a ZGB vgl. auch hinten Nr. 1290c).133 –

128

129 130 131

132 133

BGE 138 III 512 ff. (515 und 517), E. 3.2 und 3.5.1; 137 III 293 ff. (302), E. 5.3; 115 II 221 ff. (229), E. 5a mit Hinweisen; zum Verfügungsgeschäft allgemein vgl. gauch /SchlueP/Schmid, Nr. 137 ff.; caRole van de Sandt (zitiert in Nr. 207), Nr. 25 ff. und passim. BGE 141 III 13 ff. (15), E. 4.1; 137 III 293 ff. (302), E. 5.3; 121 III 97 ff. (104), E. 4a. BGE 135 III 585 ff. (587), E. 2.1. Zum Fall der Eigentumsübertragung durch eine gerichtlich genehmigte Scheidungskonvention und der Frage der Einschränkung des Verfügungsrechts wegen (vor Rechtskraft des Urteils eingetretenen) Konkurses des übertragenden Ehegatten vgl. BGE 135 III 585 ff. (587 ff.), E. 2. LGVE 1996 I Nr. 14, S. 23 ff. (24), E. 3 (Luzerner Obergericht). FZR 1997, S. 78 ff. (81), E. 1a/aa (Freiburger Kantonsgericht); SteinaueR, Band I, 760 f.

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

133

b. Zur Anmeldung der Löschung einer Grundpfandverschreibung ist die Pfandgläubigerin berechtigt (vgl. hinten Nr. 1612).134

• Die verfügungsberechtigte Person kann die Anmeldung auch durch einen Stellvertreter vornehmen lassen;135 alsdann ist eine (schriftliche) Vollmacht erforderlich (Art. 49 Abs. 1 GBV).

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Namentlich kann mit der öffentlichen Beurkundung des Vertrags über das einzutragende Recht die Ermächtigung der Erwerberin zur Anmeldung verbunden werden. Der Verkäufer und Eigentümer eines Grundstücks kann also die Käuferin im öffentlich beurkundeten Kaufvertrag (Art. 216 Abs. 1 OR) ermächtigen, die Grundbuchanmeldung selber vorzunehmen.136 Eine solche Vollmacht kann vom Verkäufer (Eigentümer) jederzeit widerrufen werden – so lange, bis die Anmeldung beim Grundbuchamt eingetroffen ist.137

• Sodann können die Kantone die mit der öffentlichen Beurkundung betrauten Personen («Beamten») anweisen, die von ihnen beurkundeten Geschäfte anzumelden (Art. 963 Abs. 3 ZGB; Art. 49 Abs. 2 GBV).138 Auch in diesem Fall steht es jedoch dem Eigentümer (Verfügungsberechtigten) frei, die Anmeldung sich selbst oder einem Dritten vorzubehalten.139

510

– Die Anmeldung hat die vom Gesetz geforderten formellen Anforderungen zu erfüllen: Sie muss schriftlich sein (Art. 963 Abs. 1 und Art. 964 Abs. 1 ZGB; Art. 48 Abs. 1 GBV).

511

Die Anmeldung zur Löschung oder Abänderung eines Eintrags kann mit der Unterzeichnung im Tagebuch formgültig abgegeben werden (Art. 964 Abs. 2 ZGB). Nach Art. 48 Abs. 2 und 4 GBV können Behörden und Gerichte in dringenden Fällen bestimmte Eintragungen (etwa die Vormermüssen jedoch unverzüglich eine schriftliche Anmeldung nachreichen.

– Die Anmeldung muss die vom Gesetz geforderten inhaltlichen Anforderungen erfüllen: • Die Anmeldung muss unbedingt und vorbehaltlos sein (Art. 47 Abs. 1 GBV; vgl. auch Art. 217 Abs. 1 OR).140 Immerhin kann der Anmeldende bei mehreren angemeldeten Geschäften anordnen, «dass die Eintragung nicht ohne eine bestimmte andere Eintragung vorzunehmen ist» (Art. 47 Abs. 4 GBV).

• Sie muss klar und vollständig sein.141 rung» im Zusammenhang: In der Anmeldung «ist jede vorzunehmende Eintragung einzeln aufzuführen» (Art. 47 Abs. 2 GBV).

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139 140

141

BGer vom 22. Februar 1995, in Semjud 117/1995, S. 665 ff. (668), E. 2c; BGE 104 Ib 257 ff. (259), E. 2. BGE 121 III 97 ff. (104), E. 4a. BGer 5A_454/2013, E. 4.2 = ZBGR 96/2015, S. 113 ff. BGer 5A_454/2013, E. 4.3 = ZBGR 96/2015, S. 113 ff. Beispiel: § 29 Abs. 1 des Luzerner Beurkundungsgesetzes (SRL Nr. 255): «Der Notar hat von ihm beurkundete Rechtsgeschäfte, welche Grundstücke betreffen, von Amtes wegen ohne Verzug beim Grundbuchamt anzumelden, wenn die Urkundsparteien nichts anderes vereinbaren.» BGE 121 III 97 ff. (104), E. 4a. BGE 117 II 541 ff. (543 f.), E. 3; BGer 5A.19/2004, E. 3.2; ZBGR 96/2015, S. 74 ff. (79 ff.), E. 2 und 4 (Zürcher Obergericht). BGer vom 28. Mai 1990, in ZBGR 79/1998, S. 126 ff. (128), E. 2b.

512

134

Das Grundbuch

Diese Regeln sind Ausdruck des Antragsprinzips (Anmeldungsprinzips) des schweizerischen Grundbuchrechts (vorne Nr. 503): Der Grundbuchverwalter – der grundsätzlich nur auf Antrag hin tätig werden darf – muss wissen, was genau die anmeldende Person von ihm verlangt. Ungenügend sind namentlich eine allgemein formulierte Anmeldung zur Eintragung der sich aus einem bestimmten Vertrag ergebenden Rechte142 oder die Anmeldung «eines Vertrags» zur grundbuchlichen Behandlung.143

• Werden gleichzeitig mehrere Anmeldungen eingereicht, die miteinander im Zusammenhang stehen, so muss nach Art. 47 Abs. 3 GBV der Anmeldende angeben, in welcher Reihenfolge sie vom Grundbuchamt behandelt werden sollen.144 513

4. Damit die Verfügung des Anmeldenden wirksam ist (vom Grundbuchverwalter befolgt werden kann), muss der Anmeldung ein (doppelter) Ausweis beigefügt Nr. 517 ff.).

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5. Die Anmeldung ist doppelter Natur: Formell betrachtet, setzt sie das grundbuchliche Eintragungsverfahren in Gang. Materiell gesehen, stellt sie die Verfügung des Berechtigten über ein (dingliches) Recht dar (vorne Nr. 504): Mit ihr und den Beilagen hat der Berechtigte alles zur Rechtsübertragung vorgekehrt; Letztere hängt also nur noch von der Mitwirkung des Grundbuchverwalters ab. Wegen dieser materiellen Komponente kann die Anmeldung, (jedenfalls) sobald sie im Tagebuch eingeschrieben ist, nicht einseitig zurückgezogen werden.145 Diese von Lehre und Rechtsprechung anerkannte Regel ist seit dem 1. Januar 2012 in Art. 47 Abs. 1 Satz 2 GBV ausdrücklich niedergelegt. Beim Grundstückkauf nimmt der Verkäufer, der sich vertraglich zur Übereignung seines GrundErfüllungshandlung (Verfügungsgeschäft) vor. Ohne die Zustimmung der Käuferin kann er die eingereichte und im Tagebuch eingeschriebene Anmeldung nicht zurückziehen. Ist die Anmeldung des Eigentumsübergangs im Tagebuch eingeschrieben, besitzt der Erwerber (bis zur Eintragung im Hauptbuch) zwar noch kein dingliches Recht am Grundstück, aber doch eine «Anwartschaft» auf das Eigentum, und der Veräusserer kann über das Grundstück nicht mehr verfügen.146

515

516

6. Verfahrensmässig bewirkt die Anmeldung, dass der Grundbuchverwalter das angemeldete Geschäft sofort in das Tagebuch einschreiben – und alsdann weiterbehandeln – muss (Art. 948 Abs. 1 ZGB; Art. 81 Abs. 1 lit. a GBV). Die Einschreibung in das Tagebuch ist dem Anmeldenden auf Wunsch zu bescheinigen (Art. 81 Abs. 3 GBV). Möglich und sehr empfehlenswert ist im Papiergrundbuch eine sogenannte «Bleistiftnotiz» im Hauptbuch, mit welcher auf die Ordnungsnummer der Anmeldung hingewiesen wird (Art. 82 GBV). Die Anmeldung ist auch dann in das Tagebuch einzuschreiben, wenn der Grundbuchverwalter zur Auffassung gelangt, sie sei voraussichtlich abzuweisen. Es ist ja denkbar, dass auf Beschwerde hin

142 143 144 145

146

BGer vom 28. Mai 1990, in ZBGR 79/1998, S. 126 ff. (128), E. 2b. LGVE 1997 I Nr. 8, S. 16 (Luzerner Aufsichtsbehörde über die Urkundspersonen). Vgl. auch FZR 1994, S. 289 ff. (291 f.), E. 2 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch). Grundlegend: BGE 115 II 221 ff.; zur Rechtsnatur der Anmeldung vgl. auch SteinaueR, Band I, Nr. 712 ff.; deSchenaux, S. 251 und 279 ff.; bettina deillon-Schegg (zitiert in Nr. 565), S. 27 ff. BGE 138 III 512 ff. (515 f.), E. 3.3.

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

135

die Rechtsmittelbehörden (Art. 956a ZGB) zu einem anderen Resultat gelangen. Für diesen Fall ist – wegen des Rangs des eingetragenen Rechts – das Datum der Tagebucheinschreibung wichtig (Art. 972 Abs. 2 ZGB; hinten Nr. 550 und 574).

2.

Der (doppelte) Ausweis

1. Art. 965 ZGB verlangt für die Vornahme grundbuchlicher Verfügungen (Eintragung, Änderung, Löschung) einen doppelten Ausweis:

517

– einerseits über das Verfügungsrecht; – andererseits über den Rechtsgrund. 2. Bevor auf diese beiden Ausweise im Einzelnen eingegangen wird, ist Folgendes klarzustellen:

518

– Die materiell-rechtlichen Eintragungsvoraussetzungen ergeben sich abschliessend aus dem Bundesrecht und dürfen von den Kantonen nicht verschärft werden; namentlich dürfen die Kantone kein Einspracheverfahren vorsehen.147

519

– In zeitlicher Hinsicht müssen die Eintragungsvoraussetzungen im Blick auf Art. 972 Abs. 1 und 2 ZGB (hinten Nr. 572 ff.) im Zeitpunkt der Anmeldung gegeben sein.148

520

A.

Der Ausweis über das Verfügungsrecht

Nach Art. 965 Abs. 2 ZGB hat der Anmeldende nachzuweisen, dass er die nach Massgabe des Grundbuchs verfügungsberechtigte Person ist oder von dieser Person eine Vollmacht erhalten hat. Das bedarf der Erläuterung:

521

1. Art. 965 Abs. 2 ZGB geht vom Normalfall aus, dass die Anmeldung von einer (natürlichen oder juristischen) Person des Privatrechts oder von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ausgeht.

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– Zunächst sind die allgemeinen Voraussetzungen für die Vornahme rechtsgeschäftlicher Handlungen zu beachten. So ist zur Vornahme einer gültigen Anmeldung die Handlungsfähigkeit des Anmeldenden erforderlich.149 Immerhin muss der Grundbuchverwalter dies nur in formeller Weise prüfen, hat also zu klären, ob die anmeldende Person durch eine Massnahme der Erwachsenenschutzbehörde in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt worden ist (vgl. auch Art. 83 Abs. 2 lit. e GBV).150

523

147 148

149 150

BGE 66 I 88 ff. (91), E. 2a–b; 83 I 206 ff. (211). BGE 111 II 42 ff. (46), E. 4 (betreffend Eigentumserwerb), mit Hinweis auf hombeRgeR, ZüKomm, N 5 zu Art. 966 ZGB, und m eieR-h ayoz, BeKomm, N 64 zu Art. 656 ZGB; vgl. auch BGE 117 II 541 ff. (545), E. 4; 112 II 26 ff. (31), E. 2. BGE 121 III 97 ff. (104), E. 4a. BGE 117 II 541 ff. (545), E. 4; 112 II 26 ff. (29), E. 2 (betreffend Entmündigung oder Verbeiratung).

136

Das Grundbuch

– Sodann muss die anmeldende Person verfügungsberechtigt sein (vorne Nr. 506 ff.). Bevollmächtigung eines Stellvertreters ist möglich (Art. 965 Abs. 2 in

524

In unserem Modellfall muss der Eigentümer und Grundstückverkäufer die Anmeldung der Käuferin als der neuen Eigentümerin vornehmen (Art. 963 Abs. 1 ZGB). Er kann dies in eigener Person anmelden oder – beispielsweise im öffentlich beurkundeten Kaufvertrag – die Käuferin ermächtigen, die Anmeldung selber vorzunehmen (vorne Nr. 509).

Über die Verfügungsbefugnis muss sich der Anmeldende nun ausweisen, sein Recht also belegen. Gestützt auf diese Belege hat der Grundbuchverwalter zu prüfen, ob die Anmeldung von dem nach Grundbuchrecht Verfügungsberechtigten ausgeht (Art. 84 ff. GBV). Die GBV enthält dazu nähere Bestimmungen für folgende Fälle:

525

• Verfügung (Anmeldung) durch den Eigentümer (Prüfung der Identität: Art. 84 Abs. 1 GBV); • Anmeldung für eine Gesellschaft oder juristische Person oder durch einen Stellvertreter (Art. 49 Abs. 1 GBV); • Anmeldung durch den Willensvollstrecker (Art. 50 GBV).151 Für die Anmeldung durch die Erwerberin im Geltungsbereich des relativen Eintragungsprinzips (vorne Nr. 501) vgl. Art. 665 Abs. 2 und Art. 963 Abs. 2 ZGB sowie Art. 84 Abs. 2 GBV.

– In gewissen Fällen ist nach den anwendbaren materiell-rechtlichen Vorschriften die Zustimmung eines Dritten erforderlich.

526

lich die ausdrückliche Zustimmung des Ehegatten nötig (Art. 169 Abs. 1 ZGB; Art. 83 Abs. 2 lit. i GBV). Die herrschende Lehre erblickt in Art. 169 Abs. 1 ZGB eine Einschränkung der Handlungsfähigkeit der Ehegatten.152 527

In ähnlicher Weise kann das materielle Recht die Bewilligung oder Zustimmung einer Behörde fordern (Art. 83 Abs. 2 lit. i und Art. 88 GBV).153 Solche Zustimmungserklärungen oder Bewilligungsentscheide sind dem Grundbuchamt als Belege einzureichen.

528

2. Die Anmeldung kann aber auch durch eine Behörde (Gerichts-, Betreibungs- oder Konkursbehörde) oder durch einen Beamten ([anderer] Grundbuchverwalter, Urkundsperson) erfolgen. Alsdann hat der das Geschäft grundbuchlich behandelnde Grundbuchverwalter die Zuständigkeit dieser Stellen zur Vornahme der Anmeldung zu prüfen (Art. 85 GBV). Beispiel: ber (Art. 961 Abs. 1 Ziff. 1 und Abs. 3 ZGB; vgl. auch Art. 344 Abs. 2 ZPO).

151 152 153

Vgl. BGer 5A_82/2014, E. 4.1. tuoR /SchnydeR /Jungo, § 28 N 22 und 41, mit Hinweis auf abweichende Meinungen. Vgl. auch FaSel, Kommentar GBV, N 4 ff. zu Art. 88 GBV.

-

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

B.

137

Der Ausweis über den Rechtsgrund

Der Ausweis über den Rechtsgrund liegt gemäss Art. 965 Abs. 3 ZGB im Nachweis, «dass die für dessen Gültigkeit erforderliche Form erfüllt ist». Der Anmeldende hat mit anderen Worten nachzuweisen, dass der Rechtsgrund, welcher als Basis für den Grundbucheintrag dienen soll, formgültig ist. Auch das bedarf der Ergänzung:

529

1. Regelmässig wird der Rechtsgrund in einem Rechtsgeschäft bestehen. Die GBV enthält dazu nähere Bestimmungen in Art. 64 ff.:

530

– für den rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb (Art. 64 GBV); Liegt der Rechtsgrund in einem privatrechtlichen Vertrag (zum Beispiel Grundstückkaufvertrag), so ist als Ausweis ein Vertrag in der vom Bundesrecht vorgesehenen Form erforderlich, grundsätzlich also eine öffentliche Urkunde (Art. 657 Abs. 1 ZGB; Art. 216 Abs. 1 OR; Art. 64 Abs. 1 lit. a GBV).154 Für den Erbteilungsvertrag genügt einfache Schriftlichkeit (Art. 634 Abs. 2 ZGB; Art. 64 Abs. 1 lit. b GBV).155

– für den (rechtsgeschäftlichen) Erwerb beschränkter dinglicher Rechte (Art. 70 ff. GBV), wo im Wesentlichen auf Art. 64 f. GBV verwiesen wird; Grundsätzlich ist beim Erwerb auf vertraglicher Grundlage also die öffentliche Urkunde als Ausweis erforderlich, so bei der Nutzniessung, beim Wohnrecht, beim Baurecht, bei der Grundlast und beim Grundpfandrecht (vgl. dazu die Formvorschriften in Art. 746 Abs. 2 i.V.m. Art. 657 Abs. 1, Art. 776 Abs. 3, Art. 779a, 783 Abs. 3 und Art. 799 Abs. 2 ZGB). – Diese Form gilt seit dem 1. Januar 2012 auch für das Rechtsgeschäft auf Errichtung von Grunddienstbarkeiten (Art. 732 Abs. 1 ZGB; hinten Nr. 1245) und «anderen» Dienstbarkeiten im Sinn von Art. 781 ZGB sowie auf das Rechtsgeschäft auf Errichtung eines Grundpfandrechts (Art. 799 Abs. 2 ZGB).156

– für den Erwerb von Rechten an Wasserrechten und Bergwerken (Art. 71 GBV); – für den öffentlich-rechtlichen (völkerrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen) Vertrag sowie die Verfügung einer Verwaltungsbehörde (Art. 64 Abs. 1 lit. f und g GBV).157 2. Ein Ausweis ist für die Grundbuchanmeldung aber auch dann erforderlich, wenn dingliche Rechte an Grundstücken nicht rechtsgeschäftlich, sondern kraft Gesetzes – und damit nach Art. 656 Abs. 2 ZGB ausserbuchlich – erworben werden. Art. 65–66 GBV regeln diesbezüglich die Einzelheiten.

531

3. Im Sonderfall der vollständigen Löschung eines Rechts genügt – entgegen dem Wortlaut von Art. 965 Abs. 1 ZGB – die von der verfügungsberechtigten Person ausgehende Löschungsanmeldung. Letztere selber gilt als Verfügung; ein Rechtsgrund für die Löschung muss dem Grundbuchamt nicht nachgewiesen werden.158

532

154 155

Ausführlich FabRizio a ndRea liechti (zitiert in Nr. 565), S. 93 ff. Vgl. auch FabRizio a ndRea liechti (zitiert in Nr. 565), S. 141 f.

156 157

158

Dazu JüRg Schmid (zitiert in Nr. 565), S. 93 ff.; FabRizio a ndRea liechti (zitiert in Nr. 565), S. 185 ff. BGE 129 III 216 ff. (222 f.), E. 3.3; 112 II 26 ff. (31 f.), E. 3; BGer vom 22. Februar 1995, in ZBGR 79/1998, S. 123 ff. (126), E. 2c; SteinaueR, Band I, Nr. 759 f.

138

Das Grundbuch

Doch ist gemäss Art. 964 Abs. 1 ZGB die schriftliche Zustimmung der aus dem Eintrag berechtigten Personen erforderlich (vorne Nr. 508 und 511; vgl. auch Art. 131 Abs. 2 GBV).159

3.

Kognition, Entscheid und Rechtsweg

A.

Die Kognition der Grundbuchbehörden

533

1. Der Grundbuchverwalter prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Eintragung oder Löschung erfüllt sind, ob also die Anmeldung die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt und der (doppelte) Ausweis nach Art. 965 ZGB vorliegt (vgl. auch Art. 83 Abs. 1 GBV). Seine Kognition – das heisst der Umfang seiner Überprüfungsbefugnis – reicht in manchen Punkten weniger weit als die Kognition eines Zivilgerichts (vgl. auch Art. 83 Abs. 2 GBV):160

534

– Zunächst hat der Grundbuchverwalter seinen Entscheid grundsätzlich allein gestützt auf die ihm vorgelegten Urkunden (also gestützt auf die «Aktenlage») zu fällen (Art. 83 Abs. 1 GBV); er kann weder Zeugen einvernehmen noch Gutachten einholen.161 Immerhin darf er Tatsachen beachten, die sich aus öffentlichen Registern ergeben, und Auskünfte von Administrativbehörden einholen.162

535

– Uneingeschränkt ist die Kognition, soweit der Grundbuchverwalter seine eigene Zuständigkeit sowie die Eintragbarkeit des angemeldeten Rechts (Art. 83 Abs. 2 lit. f GBV) zu prüfen hat.163 Fehlende örtliche Zuständigkeit führt zu einem Nichteintretensentscheid des Grundbuchverwalters.164

– Bei der Prüfung des Rechtsgrundes – also namentlich der Frage, ob die gesetzlichen Formvorschriften des Grundgeschäfts eingehalten wurden – hat der Grundbuchverwalter grundsätzlich ebenfalls freie Kognition (Art. 83 Abs. 2 lit. g GBV).165 In Zweifelsfällen soll er jedoch von der Gültigkeit des Rechtsgrundes

536

159

160

161

162

BGE 118 II 115 ff. (118), E. 2, betreffend die Zustimmung der Inhaber beschränkter dinglicher Rechte an einem selbständigen und dauernden Baurecht, dessen Löschung (mit Schliessung des eröffneten Grundbuchblattes) der Bauberechtigte beim Grundbuchamt verlangt; ZBGR 61/1980, S. 228 ff. (231), E. 1 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch), betreffend die Zustimmung der Pfandgläubiger zur Löschung eines Dienstbarkeitsrechts, das vor der Pfanderrichtung begründet worden war; dazu deSchenaux, S. 300 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 760 f. Zur Frage, ob bei der Löschung einer Grundpfandverschreibung auf Anmeldung des Pfandgläubigers auch der Eigentümer des belasteten Grundstücks mitwirken (zustimmen) muss, vgl. deSchenaux, S. 304. BGE 119 II 16 ff.; deSchenaux, S. 475 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 848 ff.; ausführlich bettina deillon-Schegg (zitiert in Nr. 565), S. 47 ff., 95 ff. und 141 ff. BGE 124 III 341 ff. (345), E. 2c/bb; 112 II 26 ff. (29), E. 2; 119 II 16 ff. (18), E. 2a; BGer vom 19. Oktober 1990, in ZBGR 76/1995, S. 243 f., E. 2. BGE 124 III 341 ff. (345), E. 2c/bb; LGVE 2009 I, Nr. 8, S. 19 ff. (20), E. 5.2 (Luzerner Obergericht).

163

164 165

Zu weiteren Nichteintretensgründen vgl. SteinaueR, Band I, Nr. 844a. BGer vom 19. Oktober 1990, in ZBGR 76/1995, S. 243 f., E. 2.

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

139

ausgehen; nur eine offensichtliche Nichtigkeit des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts muss er berücksichtigen.166 So ist im Anmeldungsverfahren grundsätzlich nicht zu prüfen, ob eine Partei bei Abschluss des Vertrags, der den Rechtsgrund darstellt, einem wesentlichen Irrtum unterlegen oder übervorteilt worden ist.167 Der Entscheid des Grundbuchverwalters bindet freilich das Zivilgericht nicht.168 Dieses kann also anders entscheiden, namentlich einen vom Grundbuchverwalter als genügend befundenen Rechtsgrund für formungültig erklären.

– Bei der Prüfung des Verfügungsrechts ist der Grundbuchverwalter auf formale Kriterien beschränkt (vgl. etwa Art. 84 f. GBV).

537

Zur Prüfung der Handlungsfähigkeit des Anmeldenden besteht eine reichhaltige Rechtsprechung. So hat der Grundbuchverwalter die Urteilsfähigkeit des Verfügenden grundsätzlich nicht zu untersuchen, von offensichtlichen oder notorischen Fällen abgesehen.169 Nimmt allerdings ein Beistand im Namen der verbeiständeten Person eine Anmeldung vor, hat der Grundbuchverwalter zu prüfen, ob der Rechtsgrund der Zustimmung der Erwachsenenschutzbehörde nach Art. 416 f. ZGB unterliegt.170 Vgl. nun auch Art. 49 und 83 Abs. 2 lit. d und e GBV.

– Erfolgt die Anmeldung durch eine Behörde (etwa ein Gericht) oder durch eine Person mit öffentlichen Aufgaben (etwa eine andere Grundbuchverwalterin oder eine Urkundsperson), so prüft der Grundbuchverwalter die Zuständigkeit dieser Behörden oder Personen (Art. 85 GBV).

538

Der Grundbuchverwalter hat demnach bei einem Gerichtsentscheid «lediglich zu untersuchen, ob der betreffende Richter zuständig war und die Anordnung gegen die gemäss Grundbuch legitimierte Person ergriffen wurde, nicht aber, ob der Entscheid materiell stichhaltig sei».171

2. Die gleiche Kognition wie der Grundbuchverwalter haben seine Rechtsmittelbehörden im Beschwerdeverfahren (hinten Nr. 544 ff.).

B.

Der Entscheid

Hinweis: Bevor die Eintragung in das Hauptbuch vorgenommen werden kann, müssen allenfalls – nach Massgabe des kantonalen Rechts – die Grundbuchgebühren und weitere kantonale Abgaben bezahlt sein. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem kantonalen Recht, unter Vorbehalt der bundesrechtlichen Schranken (vorne Nr. 432 ff.).

166

167

BGE 141 III 13 ff. (15 f.), E. 4.1; 124 III 341 ff. (343 f.), E. 2b; BGer 5A.28/2005, E. 2 = ZBGR tuoR /SchnydeR / Schmid, § 95 N 23 f. mit Hinweisen; differenzierend bettina deillon-Schegg (zitiert in Nr. 565), S. 304 ff. BGE 124 III 341 ff. (344 oben), E. 2b; BGer 5A.28/2005, E. 2 und 3.4 = ZBGR 87/2006, S. 381 ff.

168

169

170 171

539

E. 2. BGE 124 III 341 ff. (344), E. 2c/aa (vorinstanzlicher Entscheid in LGVE 1998 I Nr. 8, S. 22 ff. [Luzerner Obergericht]); vgl. auch BGE 112 II 26 ff. (29 ff.), E. 2; 117 II 541 ff. (545 f.), E. 4; bettina deillon-Schegg (zitiert in Nr. 565), S. 315; StePhan WolF, Prüfung von Handlungsfähigkeit (zitiert in Nr. 565), S. 62 ff. Vgl. zum alten Recht BGE 126 III 309 ff. (313 f.), E. 3a. BGE 119 II 16 ff. (18), E. 2a; ähnlich ZBGR 77/1996, S. 171 ff. (172), E. 2b (Berner Verwaltungsgericht); FZR 1996, S. 257 ff. (259), E. 2 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch); vgl. auch ZGRG 1998, S. 178 ff. (Grundbuchinspektorat Graubünden, Kreisschreiben zum grundbuchlichen Vollzug von Gerichtsurteilen).

540

140 541

Das Grundbuch

1. Sind die Eintragungsvoraussetzungen erfüllt, so heisst der Grundbuchverwalter die Anmeldung (stillschweigend) gut und nimmt – so bald als möglich – die Eintragung in das Hauptbuch vor (Art. 89 ff. GBV). Damit ist das (Anmelde-)Verfahren abgeschlossen. Beizufügen bleibt: – Die Wirkungen der eingetragenen dinglichen Rechte ergeben sich aus der Gesamtheit der anwendbaren materiell-rechtlichen Normen sowie in zeitlicher Hinsicht aus Art. 972 ZGB (vgl. hinten Nr. 572 ff.). – Auf Begehren wird den beteiligten Parteien die Eintragung bescheinigt (Art. 93 GBV). – Den Grundbuchverwalter trifft in gewissen Fällen die einem oder mehreren Dritten Anzeige (Mitteilung) von der Eintragung zu erstatten (Art. 969 Abs. 1 ZGB).172 – Wer mit dem (neuen) Eintrag nicht einverstanden ist, muss nun – in der Regel – Grundbuchberichtigungsklage nach Art. 975 ZGB erheben; das Rechtsmittel der Beschwerde ist ausgeschlossen (Art. 956a Abs. 3 ZGB).173

542

2. Sind die Eintragungsvoraussetzungen nicht erfüllt, so bestehen – von den Nichteintretensfällen abgesehen – für das weitere Vorgehen zwei Möglichkeiten: – Im Normalfall hat der Grundbuchverwalter die Anmeldung abzuweisen (Art. 966 Abs. 1 ZGB; Art. 87 Abs. 1 GBV). Er erlässt eine schriftliche und begründete Verfügung (Abweisungsverfügung), die auch eine Rechtsmittelbelehrung enthält (Art. 87 Abs. 3 GBV).174 Im Tagebuch ist auf die Abweisungsverfügung hinzuweisen (Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GBV).



grund hergestellt ist und nur die Ergänzung des Ausweises über das Verfügungsrecht in Frage steht175 lich. Das Grundbuchamt kann demnach der anmeldenden Person eine kurze Frist zur Beibringung fehlender Belege ansetzen; ist der Mangel bei Fristablauf nicht behoben, wird die Anmeldung abgewiesen (Art. 87 Abs. 2 GBV). Schon unter dem bisherigen Recht hat die Praxis Fälle des Aufschubs anerkannt, um extremen Formalismus zu vermeiden.176 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist hier allerdings Zurückhaltung am Platz.177

172

173

174 175 176

177

Ausführlich bettina hüRlimann-K auP, Nr. 565), S. 1 ff. SteinaueR, Band I, Nr. 851; Schmid, BaKomm, N 3 und 33 f. zu Art. 956a ZGB; Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5331. Ausführlich michel mooSeR, Le rejet (zitiert in Nr. 565), S. 91 ff. BGE 137 III 205 ff. (206), E. 4. deSchenaux, S. 533 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 856d; michel mooSeR, Le rejet (zitiert in Nr. 565), S. 94; ferner ZBGR 78/1997, S. 91 ff. (94), E. 2dd (Aargauer Departement des Innern); ZBGR 77/1996, S. 174 ff. (178 f.), E. 4d (Berner Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion); BN 51/1990, S. 74 ff. (Weisungen der Berner Justizdirektion); BN 67/2006, S. 220 ff. (229), E. 6.1 (Berner Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion); LGVE 1983 I Nr. 8, S. 18 (Luzerner Obergericht). Vgl. BGE 141 III 13 ff. (18 f.), E. 5; BGer 5A_454/2013, E. 4.5 = ZBGR 96/2015, S. 113 ff.; BGer vom 27. Juli 1998, in ZBGR 80/1999, S. 384 ff. (385), E. 2a.

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

141

3. In den vom Bundesrecht umschriebenen Sonderfällen wird das Eintragungsverfahren ausgesetzt und dem Anmeldenden eine Frist zur Einleitung des Feststellungsoder Bewilligungsverfahrens gesetzt (vgl. für die Anmeldung von Stockwerkeigentum Art. 68 Abs. 2 GBV;178 für das BewG [«Lex Koller»] Art. 18 BewG;179 für das bäuerliche Bodenrecht Art. 81 Abs. 3 BGBB180).181

C.

543

Der Rechtsweg

1. Gegen die Abweisung der Anmeldung durch den Grundbuchverwalter (Art. 87 Abs. 1 GBV) kann nach Art. 956a Abs. 1 und Art. 956b ZGB innert 30 Tagen Beschwerde geführt werden. Zur Beschwerde berechtigt ist namentlich jede Person, die von der Abweisungsverfügung besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat; ausserdem sind bestimmte Behörden beschwerdeberechtigt (Art. 956a Abs. 2 ZGB).182

544

Der Grundbuchverwalter trägt den Umstand, dass gegen eine Abweisungsverfügung Beschwerde erhoben worden ist, in das Tagebuch ein; die Kantone können eine Anmerkung im Hauptbuch vorsehen (Art. 87 Abs. 4 GBV). Bei rechtskräftiger Erledigung des Beschwerdeverfahrens wird diese Anmerkung von Amtes wegen gelöscht.

2. Sieht der Kanton eine zweite (obere kantonale) Beschwerdeinstanz vor, so kann ein abweisender Entscheid der ersten Instanz innert 30 Tagen an diese zweite Instanz weitergezogen werden («Weiterzug»; Art. 956b Abs. 1 ZGB). Die oberste kantonale Beschwerdeinstanz muss eine gerichtliche Behörde sein (Art. 75 Abs. 2 BGG).

545

Unter Vorbehalt der genannten bundesrechtlichen Bestimmungen regeln die Kantone das Verfahren vor der kantonalen Aufsichtsbehörde selber (Art. 54 Abs. 3 SchlT ZGB).183

3. Gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid kann binnen 30 Tagen Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht erhoben werden (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 BGG). Da es um eine grundbuchliche Eintragung geht und diese einen wirtschaftlichen Wert hat, ist der Streit als vermögensrechtlich im Sinn von Art. 74 BGG anzusehen.184 Soweit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor-

178 179 180

181

182

183

184

Vgl. dazu deSchenaux, S. 535. Vgl. dazu BGE 135 III 103 ff. (110 ff.), E. 4.4; SteinaueR, Band I, Nr. 856b. BGE 137 III 205 ff. (206), E. 4 (Abweisungsverfügung, wenn für das angemeldete Geschäft offensichtlich eine Bewilligung notwendig ist und diese nicht vorliegt). Vgl. zum Ganzen auch BGer vom 27. Juli 1998, in ZBGR 80/1999, S. 384 ff.; michel mooSeR, Le rejet (zitiert in Nr. 565), S. 106 f. Vgl. dazu chRiStina Schmid -tSchiRRen/Roland PFäFFli (zitiert in Nr. 565), S. 19 ff. (zum alten Recht). BGE 61 I 49 ff. (50 f.), E. 1; FZR 1994, S. 294 ff. (296), E. 2 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch). bettina hüRlimann-K auP, Grundbuchbeschwerde und Streitwert (zitiert in Nr. 565), S. 251 f. (mit dem Vorschlag auf S. 254 f., de lege ferenda bei Grundbuchbeschwerden auf die Streitwertgrenze zu verzichten); tuoR /SchnydeR /Schmid, § 94 N 35; gleicher Meinung (ohne Begründung) BGer 5A_171/2008, E. 1, und BGer 5A_240/2014, E. 1.1 (insoweit nicht in BGE 141 III 13 ff.), jeweils für die Abweisung einer Anmeldung. Vgl. ferner BGer 4A_24/2007, E. 1.2, für eine Löschung im Handelsregister, und hinten Nr. 613. Kritisch zu dieser Zugangsbeschränkung JüRg Schmid, ZBGR 87/2006, S. 448; chRiStina Schmid -tSchiRRen/Roland PFäFFli (zitiert in Nr. 565), S. 21. – Für die Annahme einer nicht vermögensrechtlichen Streitigkeit demgegenüber SteinaueR, Band I, Nr. 877;

546

142

Das Grundbuch

liegt, ist die Beschwerde daher nur bei einem Streitwert von mindestens Fr. 30 000.– zulässig (Art. 74 BGG). Das Bundesgericht kann den Streitwert nach Ermessen festsetzen, soweit vorinstanzliche Angaben fehlen (Art. 51 Abs. 2 und Art. 112 Abs. 1 lit. d BGG).185 Ist die Beschwerde in Zivilsachen unzulässig, kann die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte offenstehen (Art. 113 ff. BGG). Alle kantonalen Instanzen haben nach Art. 7 GBV ihre Beschwerdeentscheide dem Eidgenössischen Amt für Grundbuch- und Bodenrecht sofort und unentgeltlich zu eröffnen. Dieses kann solche Entscheide beim Bundesgericht anfechten (Art. 956a Abs. 2 Ziff. 3 ZGB; Art. 6 Abs. 3 lit. j GBV). Damit wird auf die Behördenbeschwerde nach Art. 76 Abs. 2 BGG Bezug genommen. Die zuständige Bundesbehörde soll in die Lage versetzt werden, «das allgemeine öffentliche Interesse an der richtigen Durchsetzung und rechtsgleichen Anwendung des Bundesrechts zu wahren».186 Das Bundesgericht (damals: Eidgenössisches Versicherungsgericht) hat unter der Herrschaft des OG die ches Interesse an der Anfechtung der Verfügung angenommen werden kann, die Behörde also eine vernünftige Veranlassung dazu hat».187 Die Beschwerdelegitimation des Eidgenössischen Amtes für Grundbuch- und Bodenrecht gilt bereits für das kantonale Verfahren (Art. 956a Abs. 2 ZGB und Art. 111 Abs. 2 BGG).188 547

4. Nachzutragen bleibt ein Dreifaches: – Die Legitimation zur Grundbuchbeschwerde bestimmt sich – im kantonalen Beschwerdeverfahren wie letztinstanzlich vor Bundesgericht – nach Art. 956a Abs. 2 ZGB sowie Art. 76 und 111 BGG. Das kantonale Recht kann die Legitimation nicht beschränken (Art. 111 Abs. 1 BGG).

548

Zur Beschwerde (damals: Verwaltungsgerichtsbeschwerde) legitimiert war nach der Bundesgerichtspraxis zum alten Recht grundsätzlich auch der Notar,189 da Art. 103 lit. a OG für die Legitimation genügen liess, dass jemand durch die angefochtene Verfügung berührt war und ein

Schmid, BaKomm, N 8 zu Art. 956b ZGB; mooSeR, ComRom, N 53 zu Art. 956a ZGB. In mehreren nicht amtlich publizierten Entscheiden (zum Beispiel BGer 5A_614/2008, E. 1 = ZBGR 92/2011, S. 370 ff., insoweit nicht in BGE 135 III 103 ff.; BGer 5A_346/2009, E. 1.1, insoweit nicht in BGE 135 III 585 ff.; BGer 5A_592/2012, E. 1, insoweit nicht in BGE 138 III 742 ff.; BGer 5A_502/2014,

185 186 187

188

189

eine Grundbuchbeschwerde als Streitigkeit ohne Streitwert. Die Tragweite dieser Aussagen ist nach der hier vertretenen Auffassung jedoch unklar, die Rechtsprechung wechselhaft und klärungsbedürftig (kritisch bettina hüRlimann-K auP, Grundbuchbeschwerde und Streitwert [zitiert in Nr. 565], S. 247 ff.; JöRg Schmid/diel Schmid m eyeR, BR/DC 2011, S. 66; JöRg Schmid, BR/DC 2010, S. 76; JöRg Schmid/dominic buttligeR, BR/DC 2014, S. 134, und 2015, S. 337). BGer 5A_171/2008, E. 1. BGE 114 V 239 ff. (242), E. 3b (zu Art. 103 lit. b OG). Zu Art. 103 lit. b OG (nicht mehr in Kraft): BGE 114 V 239 ff. (242 f.), E. 3b; zur Legitimationsfrage vgl. auch attilio R. gadola Bundes – ein «abstraktes» Beschwerderecht?, AJP 1993, S. 1458 ff.; a lFRed Kölz/iSabelle h äneR / m aRtin beRtSchi Zürich 2013, Nr. 982 ff. und 1492 ff.; Felix Schöbi, Bemerkungen zur «Departementsbeschwerde» aus der Sicht des Grundbuchamtes (GBA), in: Von Bern nach Lausanne, FS für Pierre Widmer, Bern 1990 (Nachdruck 1995), S. 95 ff. – Beispiele für Grundbuchbeschwerden von Bundesbehörden: BGE 115 II 380 ff.; 116 II 174 ff.; 117 II 443 ff. (zum ähnlichen Fall der Handelsregisterbeschwerde vgl. auch BGE 121 III 368 ff.); vgl. auch chRiStina Schmid -tSchiRRen/Roland PFäFFli (zitiert in Nr. 565), S. 22 f. – Zu Art. 76 Abs. 2 BGG vgl. nun K lett, BaKomm zum BGG, N 6. chRiStina Schmid -tSchiRRen/Roland PFäFFli (zitiert in Nr. 565), S. 22; ehRenzelleR, BaKomm, N 11 ff. zu Art. 111 BGG. BGE 116 II 136 ff. (138 f.), E. 4b; BGer 5A_380/2013, E. 1.2.

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

143

schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hatte. Nachdem die Frage vorübergehend unklar war,190 ist die Beschwerdelegitimation seit 1. Januar 2011 nach Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG (in der ZPO-Fassung191 bejahen.192

– Die Aufsichtsbehörden (Rechtsmittelbehörden des Beschwerdeverfahrens) haben die gleiche Kognition wie der Grundbuchverwalter (vorne Nr. 539).

549

– Wird die Beschwerde von einer der Rechtsmittelinstanzen gutgeheissen und die verlangte Eintragung von der Aufsichtsbehörde angeordnet, so beginnt die dingliche Wirkung des eingetragenen Rechts (im Geltungsbereich des absoluten Eintragungsprinzips) mit dem Datum der Tagebucheinschreibung (Art. 972 Abs. 2 ZGB; hinten Nr. 574).193

550

190 191

192

193

AS 2010, S. 1838 (in Kraft seit 1. Januar 2011); vgl. auch die Botschaft zur ZPO in BBl 2006, S. 7276, und BGE 134 III 136 ff. (139), E. 1.3. Zurückhaltender BN 74/2013, S. 24 ff. (27 ff.), E. 1.2 (Bernische Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion). SteinaueR, Band I, Nr. 871 f.

144

4.

Das Grundbuch

Schema zum Eintragungsverfahren

551

Anmeldung (mit Belegen) Art. 963 ff. ZGB Art. 46 ff. GBV

Grundbuchverwalter schreibt ins Tagebuch ein Art. 948 ZGB Art. 81 GBV

Grundbuchverwalter prüft Voraussetzungen Art. 965 ZGB (u.a.) Art. 64 ff. und 83 ff. GBV

Voraussetzungen erfüllt

Voraussetzungen nicht erfüllt

Ergänzung möglich

Ergänzung nicht möglich

Vorläufige Eintragung Art. 966 Abs. 2 ZGB (Sonderfälle: Art. 88 GBV u.a.)

Ergänzung folgt

Eintragung ins Hauptbuch Art. 967 ZGB (u.a.) Art. 89 ff. GBV

Ergänzung folgt nicht

Abweisung Art. 966 Abs. 1 ZGB Art. 87 GBV

(Beschwerde) Art. 956a f. ZGB Art. 87 Abs. 4 GBV

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

145

IV. Die Haftung der Kantone aus Grundbuchführung 1.

Die Kausalhaftung der Kantone

1. Nach Art. 955 Abs. 1 ZGB sind die Kantone «für allen Schaden verantwortlich, der aus der Führung des Grundbuches entsteht» («… responsables de tout dommage résultant de la tenue du registre foncier»). Damit wird eine verschuldensunabhängige («kausale») Staatshaftung vorgesehen.

552

Nach dieser Bestimmung richtet sich auch die Haftung der Kantone für die Führung des Katasters der öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen (Art. 18 GeoIG; vorne Nr. 493a).

2. Ihr Tatbestand lässt sich wie folgt umschreiben:194 – Einer Person ist ein Schaden entstanden, also eine unfreiwillige Verschlechterung der Vermögenssituation.

553 554

Beispiele: Verlust eines dinglichen Rechts; Prozesskosten.

– Dieser Schaden ist «aus der Führung des Grundbuches» entstanden. Das ist folgendermassen zu verdeutlichen:

555

• Die schädigende Handlung wurde bei der Führung des Grundbuchs begangen, sei es durch den Grundbuchverwalter, sei es durch eine seiner Hilfspersonen. Unter «Führung des Grundbuchs» versteht das Bundesgericht «die gesamte Tätigkeit des Grundbuchführers in dieser Eigenschaft».195 Ob es sich um die Führung des eidgenössischen Grundbuchs oder einer kantonalen Registereinrichtung im Sinn von Art. 46 und 48 SchlT ZGB handelt, spielt keine Rolle.196 Beispiele: Fehlerhafte Einträge im Haupt- oder Tagebuch, ungenügende Wahrnehmung der 197 unrichtige Buchung in einem Hilfsregister, fehlerhafte Ausstellung oder Löschung von Pfandtiteln, falscher Auszug, falsche Löschung eines Rechts. – Unklar ist demgegenüber, ob auch Fehler bei der Grundbuchvermessung als Haftungsgrund in Betracht kommen.198 Für die Tätigkeit des Nachführungsgeometers wird die Staatshaftung nach Art. 955 ZGB allgemein bejaht.199

• Die schädigende Handlung, die bei der Grundbuchführung begangen wurde, ist kausal für den Eintritt des Schadens (natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang).200 – Die schädigende Handlung ist widerrechtlich. Sie verletzt eine (bundesrechtliche oder kantonale) Norm, welche sich auf die Funktionen des Grundbuchs bezieht

194 195 196 197 198 199

200

Vgl. ausführlich SteinaueR, Band I, Nr. 607 ff. BGE 119 II 216 ff. (220 f.), E. 4a/bb. BGE 51 II 385 ff. (389 f.), E. 2; präzisierend deSchenaux, S. 219 f.; SteinaueR, Band I, Nr. 609a. BGE 126 III 309 ff. (313 f.), E. 3. Vgl. SteinaueR, Band I, Nr. 609c; BGE 119 II 216 ff. (218), E. 3. deSchenaux, S. 218; SteinaueR, Band I, Nr. 609c; Schmid mooSeR, ComRom, N 7 zu Art. 955 ZGB; LGVE 1988 II Nr. 32, S. 314 ff. (315), E. 3 (Luzerner Verwaltungsgericht); BR/DC 1999, S. 72 f., Nr. 103 = ZBGR 81/2000, S. 172 ff. (Thurgauer Verwaltungsgericht). – Zur Frage, ob die Kantone aus Art. 955 ZGB auch für die Einführung des (eidgenössischen) Grundbuchs und für die Bereinigung der dinglichen Rechte haften, vgl. deSchenaux, S. 220 f. BGE 110 II 37 ff. (40), E. 4.

556

146

Das Grundbuch

und darauf abzielt, die Interessen des Verletzten zu schützen.201 Ebenso fehlt ein Rechtfertigungsgrund (etwa die Einwilligung des Geschädigten). – Nicht erforderlich ist demgegenüber ein Verschulden des Schädigers. Die Haftung ist vielmehr verschuldensunabhängig, also «kausal».202

557

558

3. Als Rechtsfolge greift die Haftung des Kantons Platz. Das heisst: –

559

fehlerhafte Grundbuchführung stattgefunden hat.

560

– Diese Staatshaftung ist (gegenüber dem Geschädigten) exklusiv: Der Geschädigte kann nur gegen den Kanton erfolgreich klagen; dem fehlbaren Grundbuchbeamten fehlt die Passivlegitimation.203

561

– Für die Verjährung gilt Art. 60 OR.204 Die Zehnjahresfrist von Art. 60 Abs. 1 OR beginnt nach der Rechtsprechung mit dem Abschluss des Eintragungsvorgangs zu laufen.205 Für die Unterbrechung der Verjährung sind Handlungen im Sinn von Art. 135 OR erforderlich.206

562

– Eine Milderung oder ein gänzlicher Ausschluss der Haftung des Kantons ist denkbar, wenn der Geschädigte zumutbare Massnahmen zur Schadensvermeidung oder -begrenzung unterlassen hat, namentlich eine Grundbuchbeschwerde oder eine Grundbuchberichtigungsklage.207 Krasse Unterlassungen des Geschädigten führen zur Unterbrechung des adäquaten Kausalzusammenhangs.208

2. 563

564

Der Rückgriff

Art. 955 Abs. 2 ZGB sieht die Rückgriffsmöglichkeit des Kantons auf den schuldhaft handelnden Beamten und Angestellten der Grundbuchverwaltung sowie auf die Organe der unmittelbaren Aufsicht vor. Ein Regress des Kantons setzt also ein Verschulden der schädigenden Person voraus. Von den Beamten und Angestellten können die Kantone nach Art. 955 Abs. 3 ZGB eine «Sicherstellung» (beispielsweise eine Sicherheitsleistung durch Barkaution, Bankgarantie oder Versicherungsnachweis) verlangen.

201 202 203 204 205 206 207 208

Ähnlich Schmid, BaKomm, N 12 f. zu Art. 955 ZGB. Zum Beispiel BGE 110 II 37 ff. (40), E. 4. SteinaueR, Band I, Nr. 605 f. SteinaueR, Band I, Nr. 606a und 618; BGE 119 II 216 ff. (218 ff.), E. 4; 51 II 385 ff. (392 f.), E. 4. BGE 119 II 216 ff. (218 ff.), E. 4; kritisch deSchenaux, S. 236 ff. LGVE 1991 I Nr. 1, S. 1 ff. = ZBGR 78/1997, S. 84 ff. (Luzerner Obergericht). BGE 110 II 37 ff. (42 f.), E. 4d. BGE 110 II 37 ff. (42 f.), E. 4d.

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

V.

147

Weiterführende Literatur

– bänzigeR-comPagnoni daniela, Die Öffentlichkeit des Grundbuches – de lege lata – rechtsvergleichend – de lege ferenda, Diss. Zürich 1993. – deillon-Schegg bettina buchverwalters im Eintragungsverfahren, Diss. Zürich 1997. – deSchenaux, S. 209 ff. (Verantwortlichkeit des Kantons für die Führung des Grundbuchs) und S. 444 ff. (Eintragungsverfahren, Ausweis, Kognition). – eitel Paul, Die Vormerkung nach Art. 247 Abs. 2 OR – konstitutiv oder deklaratorisch?, ZBGR 73/1992, S. 137 ff. – Foëx bénédict, Pour un registre foncier public, in: FS Jean-François Perrin, Genf/ Basel/München 2002, S. 59 ff. – hubeR hanS, Bundesrechtliche Schranken im Grundstückabgaberecht, ZBGR 49/1968, S. 65 ff. – hüRlimann-K auP bettina, Neuerung im Dienstbarkeitsrecht, S. 25 ff. (zitiert: hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht). – dieSelbe, normen), Unter besonderer Berücksichtigung der Revision des Immobiliarsachenrechts von 2009, ZBGR 93/2012, S. 1 ff. (zitiert: hüRlimann-K auP, Die Anzeige– dieSelbe, Grundbuchbeschwerde und Streitwert, BN 75/2014, S. 247 ff. (zitiert: hüRlimann-K auP, Grundbuchbeschwerde und Streitwert). – liveR PeteR, Die Anmerkung, ZBGR 50/1969, S. 10 ff. – liechti FabRizio andRea, Der Rechtsgrundausweis für Eigentumsübertragungen ten, Diss. Bern 2017. – mooSeR michel, Le rejet des requisitions d’inscription, ZBGR 90/2009, S. 91 ff. (zitiert: mooSeR, Le rejet). deRSelbe, Die Dienstbarkeiten und das neue Schuldbriefrecht, Einblick in die Revision des ère des nouvelles dispositions du Code civil ..., Zürich/Basel/Genf 2012, S. 169 ff. (zitiert: mooSeR, Les servitudes). – PFäFFli Roland, Zur Vormerkung von Mietverträgen und Vorkaufsrechten (mit Berücksichtigung des neuen Mietrechtes), BN 51/1990, S. 41 ff. (zitiert: PFäFFli, Vormerkung von Mietverträgen). – deRSelbe, Dienstbarkeitsvertrag und grundbuchlicher Vollzug, in: Schmid Jürg (Hrsg.), Die Dienstbarkeiten und das neue Schuldbriefrecht, Einblick in die Revila lumière des nouvelles dispositions du Code civil ..., Zürich/Basel/Genf 2012, S. 79 ff. (zitiert: PFäFFli, Dienstbarkeitsvertrag); vgl. auch denSelben, Dienstbarkeiten: Neuerungen mit besonderer Berücksichtigung des Bereinigungsverfahrens, ZBGR 91/2010, S. 357 ff., besonders S. 367 ff. – deRSelbe, Der Ausweis für die Eigentumseintragung im Grundbuch, St. Galler Diss., Langenthal 1999 (zitiert: PFäFFli, Ausweis).

565

148

Das Grundbuch

– deRSelbe, Die Eckpfeiler der Grundbuchführung, in: Rumo-Jungo Alexandra et al. (Hrsg.), Une empreinte sur le Code Civil, Mélanges en l’honneur de Paul-Henri Steinauer, Bern 2013, S. 513 ff. (zitiert: PFäFFli, Die Eckpfeiler der Grundbuchführung). – deRSelbe, Das Enteignungsrecht aus der Sicht der Grundbuchführung, BN 70/2009, S. 29 ff. (zitiert: PFäFFli, Enteignungsrecht). – Piotet Paul, Les effets typiques des annotations au registre foncier, ZBGR 50/1969, S. 34 ff. – Schmid JüRg, Der öffentlichrechtliche Vertrag oder die Verwaltungsverfügung als Rechtsgrundausweis für grundbuchliche Verfügungen, in: Heinrich Honsell et al. (Hrsg.), Aktuelle Aspekte des Schuld- und Sachenrechts, FS für Heinz Rey, Zürich 2003, S. 93 ff. – Schmid-tSchiRRen chRiStina /PFäFFli Roland, Die Beschwerden im Grundbuchrecht mit Berücksichtigung des Bundesgesetzes über das Bundesgericht, BN 68/2007, 18 ff. – SteinaueR Paul-henRi, Les observations au registre foncier, BN 75/2014, S. 359 ff. (zitiert: SteinaueR, Les observations). – WidmeR PieRRe, La révision du droit de la responsabilité civile vue sous l’angle de l’article 955 du code civil, ZBGR 76/1995, S. 345 ff. – WolF StePhan, Prüfung von Handlungsfähigkeit, Willensmängeln und Übervorteilung im Grundbucheintragungsverfahren (BGE 124 III 341 ff.), recht 1999, S. 62 ff. (zitiert: WolF, Prüfung von Handlungsfähigkeit). – deRSelbe, Verfügungsrecht und Grundbuchanmeldung – Betrachtungen zu Art. 963 ZGB, ZBGR 84/2003, S. 1 ff. (zitiert: WolF, Verfügungsrecht). – zucKeR aRmin/eichenbeRgeR chRiStian, Die Vormerkung des Mietverhältnisses im

VI. Fälle 566

1. BGE 115 II 221 ff. Kein einseitiger Rückzug der bereits im Tagebuch (aber noch nicht im Hauptbuch) eingetragenen Anmeldung. (Vgl. jetzt auch Art. 47 Abs. 1 Satz 2 GBV.) 2. BGE 132 III 603 ff. (= Pra 96/2007, Nr. 56, S. 370 ff.) Öffentlichkeit des Grundbuchs; Anspruch einer Erbin des früheren Grundstückeigentümers auf Mitteilung des Kaufpreises (zur Bezifferung einer Ausgleichungsklage). 3. BGE 111 II 42 ff. Kognition des Grundbuchverwalters, wenn sich die Anmeldung auf einen richterlichen Entscheid stützt; Grundbuchsperre. 4. BGE 117 II 541 ff. Eintragung eines Grundstückkaufs im Grundbuch, wenn ein Vorkaufsrecht besteht; Kognition des Grundbuchverwalters (zur Kognition des Grundbuchverwalters vgl. auch BGE 119 II 16 ff. und 124 III 341 ff.).

§ 10 Das formelle Grundbuchrecht

149

5. BGE 128 III 124 ff. Wirkung der Vormerkung eines Kaufsrechts an einem Grundstück; Verhältnis des Kaufsrechts zu einem späteren Arrest. 6. BGE 119 II 216 ff. Haftung des Kantons aus fehlerhafter Grundbuchführung (Art. 955 ZGB; zur Haftung allgemein vgl. auch BGE 126 III 309 ff.).

150

Das Grundbuch

§ 11 Das materielle Grundbuchrecht 567

Einführende Literatur: – R ey, Band I, Nr. 1516 ff. – SteinaueR, Band I, Nr. 879 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 95.

568

Im Folgenden sollen zunächst (I.) die negative und anschliessend (II.) die positive Rechtskraft des Grundbuchs behandelt werden. Dann ist auf weitere Wirkungen des Grundbucheintrags einzugehen: auf die negative Publizitätswirkung (III./1.) und auf die Wirkungen nach Art. 937 Abs. 1 ZGB (III./2.). Ferner sind wichtige grundbuchrechtliche Rechtsbehelfe darzustellen (IV.). Den Abschluss bilden Hinweise auf weiterführende Literatur (V.) und Fälle (VI.). Von der Haftbarkeit der Kantone aus Grundbuchführung, die man ebenfalls zum materiellen Grundbuchrecht zählen könnte, war bereits vorne in Nr. 552 ff. die Rede.

I.

Die negative Rechtskraft des Grundbuchs

569

Art. 971 Abs. 1 ZGB ordnet unter dem Randtitel «Bedeutung der Nichteintragung» («Effets du défaut d’inscription») Folgendes an: «Soweit für die Begründung eines dinglichen Rechtes die Eintragung in das Grundbuch vorgesehen ist, besteht dieses Recht als dingliches nur, wenn es aus dem Grundbuche ersichtlich ist.» In diesem Zusammenhang muss vorweg auf zwei Punkte hingewiesen werden:

570

1. Die genannte Bestimmung enthält den Grundsatz der negativen Rechtskraft des Grundbuchs, der auch Prinzip der negativen Grundbuchwirkung genannt wird:1 Dingliche Rechte an Grundstücken entstehen grundsätzlich nicht, ohne dass sie im Grundbuch eingetragen sind. Fehlt ein Eintrag, so heisst dies mit anderen Worten dem Grundsatz nach, dass kein dingliches Recht besteht. Immerhin deutet die gesetzliche Formulierung («Soweit …») an, dass zwei Fallgruppen auseinandergehalten werden müssen: – einerseits Fälle, in denen das Gesetz «für die Begründung eines dinglichen Rechtes die Eintragung in das Grundbuch» vorschreibt; man spricht in diesem Fall vom absoluten Eintragungsprinzip («le principe absolu de l’inscription»; dazu nachfolgend Nr. 572 ff.); – andererseits Fälle, in denen das Gesetz einen ausserbuchlichen Erwerb dinglicher Rechte an Grundstücken vorsieht; alsdann gilt bloss das relative Eintragungsprinzip («le principe relatif de l’inscription»; dazu hinten Nr. 576 ff.). Die Zweiteilung in Fälle des Erwerbs durch Eintragung und des Erwerbs vor Eintragung kommt Zur Terminologie (pro memoria): Eintragung = Vorgang des Eintragens; Eintrag = Resultat dieses Vorgangs (vgl. vorne Nr. 463).

1

BGE 124 III 293 ff. (295), E. 2a.

§ 11 Das materielle Grundbuchrecht

151

2. Zum Geltungsbereich von Art. 971 Abs. 1 ZGB ist klarzustellen: Die Bestimmung und damit der Grundsatz der negativen Rechtskraft des Grundbuchs gelten nicht nur für das eidgenössische Grundbuch und die diesem gleichgestellten kantonalen Register, sondern – wenn das kantonale Recht dies vorsieht – auch für die übrigen kantonalen Registereinrichtungen (Art. 48 Abs. 2 SchlT ZGB; vgl. vorne Nr. 407).

1.

571

Das absolute Eintragungsprinzip

1. Wo die Grundsatzregelung von Art. 971 Abs. 1 ZGB gilt (also: wo «für die Begründung eines dinglichen Rechtes die Eintragung in das Grundbuch vorgesehen ist»), sprechen wir vom sogenannten absoluten Eintragungsprinzip. Es besagt: Das dingliche Recht entsteht nur, wenn es im Grundbuch – und zwar im Hauptbuch, Art. 972 Abs. 1 ZGB2 – eingetragen ist. Man sagt auch, die Grundbucheintragung wirke konstitutiv.3 Das ist – im Gegensatz zum relativen Eintragungsprinzip – der Regelfall, von dem namentlich Art. 963 Abs. 1 ZGB ausgeht (vgl. auch vorne Nr. 500).

572

Beispiele: a. Art. 656 Abs. 1 ZGB: rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb bei Grundstücken (hinten Nr. 835 und 840). – b. Art. 731 Abs. 1 ZGB: rechtsgeschäftliche Errichtung einer Grunddienstbarkeit4 (hinten Nr. 1241). – c. Art. 746 Abs. 1 ZGB (und Art. 776 Abs. 3 ZGB): rechtsgeschäftlicher Erwerb einer Nutzniessung (und eines Wohnrechts; hinten Nr. 1346 und 1360). – d. Art. 799 Abs. 1 ZGB: rechtsgeschäftliche Errichtung eines Grundpfandrechts (hinten Nr. 1528).

Ein nicht oder nicht in allen wesentlichen Teilen im Grundbuch eingetragenes dingliches Recht – zum Beispiel eine Dienstbarkeit – gilt nach dem Gesagten als nicht entstanden, wobei die ungenügende Eintragung gleich wie die Nichteintragung zu behandeln ist; auf den guten Glauben dritter Personen – etwa der Erwerberin des vermeintlich dienstbarkeitsbelasteten Grundstücks – kommt es nicht an.5 2. Die Eintragung in das Grundbuch ist aber nicht nur Voraussetzung für die Entstehung des dinglichen Rechts überhaupt, sondern auch zentral für das Entstehungsdatum: Das dingliche Recht erhält sein Datum – und damit seinen Rang – durch die Eintragung in das Hauptbuch (Art. 972 Abs. 1 ZGB).

572a

573

Illustrativ BGE 115 II 221 ff. (226 f.), E. 4a: «Entstehen demnach [das heisst: nach dem absoluten Eintragungsprinzip] beschränkte dingliche Rechte und geht Eigentum mit sämtlichen damit verbundenen Wirkungen erst mit der Eintragung im Hauptbuch über, bleibt auch der Veräusserer so lange Eigentümer, und zwar grundsätzlich mit allen daraus abzuleitenden Rechten, bis diese Eintragung im Hauptbuch vollzogen wird (…).»

Die Wirkungen des eingetragenen Rechts werden jedoch nach Art. 972 Abs. 2 ZGB (und nach Massgabe der dortigen Voraussetzungen) «auf den Zeitpunkt der Einschreibung in das Tagebuch zurückbezogen»6 (vgl. auch Art. 89 Abs. 3 GBV). Wichtig ist dieses Entstehungsdatum, weil für die Rangordnung unter mehreren dinglichen Rechten der Grundsatz der Alterspriorität gilt (vorne Nr. 77 und hinten Nr. 1169 ff.).

2 3 4 5

6

BGE 133 III 317 ff. (316 f.), E. 3.2.3 und 3.2.4. BGE 124 III 293 ff. (295), E. 2a. BGE 124 III 293 ff. (295), E. 2a. BGE 124 III 293 ff. (295 f.), E. 2; vgl. auch BGE 123 III 346 ff. (352 f.), E. 2c, dazu immerhin relativierend JöRg Schmid, BR/DC 1998, S. 59 f., Nr. 202, Ziffer 4. BGE 111 II 42 ff. (46), E. 4; 115 II 221 ff. (226 und 230), E. 4 und 5b; 138 III 512 ff. (517), E. 3.5.1.

574

152 575

Das Grundbuch

3. Der Eintrag ist bedeutsam für den Inhalt des Rechts: Dieser kann nach Art. 971 Abs. 2 ZGB «im Rahmen des Eintrages … durch die Belege oder auf andere Weise nachgewiesen werden». Praktisch wichtig ist diese Regel vor allem für Miteigentum (einschliesslich Stockwerkeigentum), für Dienstbarkeiten und für Grundlasten.7 Die Einträge müssen sich auf eine kurze Formulierung beschränken, weil nur so das Grundbuch übersichtlich bleibt. Beispielsweise für die Dienstbarkeiten wird Dann bleibt zu beachten: – Die Auslegung darf dem dinglichen Recht an einem Grundstück nicht einen Inhalt geben, der nicht aus dem Grundbucheintrag hervorgeht bzw. durch den Wortlaut des Eintrags nicht mehr gedeckt ist (vgl. auch Art. 738 Abs. 1 ZGB). – Mit dieser Einschränkung («im Rahmen des Eintrages») ist jedoch eine Interpretation möglich und notwendig; sie hat unter Beizug der Belege und anderer Auslegungsmittel zu geschehen (vgl. etwa Art. 738 Abs. 2 ZGB; hinten Nr. 1277 ff.).

2. 576

Das relative Eintragungsprinzip

1. Das beschriebene (absolute) Eintragungsprinzip gilt nicht ausnahmslos, was Art. 971 Abs. 1 ZGB durch die Einschränkung «Soweit …» ausdrücklich anerkennt. Das Gesetz lässt es vielmehr zu, dass dingliche Rechte an Grundstücken auch ohne Eintragung in das Grundbuch entstehen (oder sich ändern oder untergehen). In diesem Fall sprechen wir vom relativen Eintragungsprinzip, von dem Art. 963 Abs. 2 ZGB handelt (vgl. auch Art. 65 f. GBV). Beispiele: a. Art. 656 Abs. 2 ZGB: Erwerb von Grundeigentum durch Aneignung, Erbgang, Enteignung, Zwangsvollstreckung oder gerichtliches Urteil (hinten Nr. 850 f.). – b. Art. 676 Abs. 3 in wahrnehmbar ist (hinten Nr. 1241 und 1381). – c. Art. 836 Abs. 2 ZGB: Entstehung eines unmittelbaren gesetzlichen Grundpfandrechts des kantonalen öffentlichen Rechts (hinten Nr. 1654 ff.). – d. Art. 784 ZGB: Entstehung einer öffentlich-rechtlichen Grundlast (hinten Nr. 1458). – e. Art. 73 Abs. 2 FusG: Erwerb von Rechten an Grundstücken durch Eintragung der (fusionsgesetzlichen) Vermögensübertragung in das Handelsregister (hinten Nr. 837).

577

2. In diesen Fällen gibt demnach das Grundbuch – zu einer bestimmten Zeit – über das betreffende dingliche Recht (Bestand, Entstehungsdatum, Inhalt) nicht richtig Auskunft. Dennoch ist die Eintragung – oder deren nachträgliche Berichtigung – nicht bedeutungslos:8 – Auch wenn der Erwerb von Grundeigentum in gewissen Fällen ausserbuchlich («vor der Eintragung») möglich ist, kann der Erwerber nach Art. 656 Abs. 2 ZGB tragung erfolgt ist» (hinten Nr. 837). – Der (wenn auch unrichtige) Grundbucheintrag kann nach Art. 973 Abs. 1 ZGB einem gutgläubigen Dritten Rechte verschaffen (dazu im Einzelnen Nr. 579 ff.).

7 8

SteinaueR, Band I, Nr. 900. SteinaueR, Band I, Nr. 699 und 902 f.

§ 11 Das materielle Grundbuchrecht

153

– Schliesslich kann sich ein nicht im Grundbuch eingetragener Berechtigter nicht Verteidigungsmittel berufen (Art. 9 und 937 Abs. 1 ZGB; hinten Nr. 608). 3. Vorbehalten bleiben immerhin Sonderfälle, in denen die Eintragung eines dinglichen Rechts für die Zerstörung der Gutglaubenswirkung oder für die Verfügung nicht erforderlich ist.9

578

Zum Beispiel vollzieht sich die Übertragung eines Grundpfandrechts ausserhalb des Grundbuchs (hinten Nr. 1615 ff.). Mit Bezug auf die Person der eingetragenen Gläubigerin besteht deshalb kein Gutglaubensschutz, und zur Weiterübertragung des Pfandrechts ist die Eintragung in das Grundbuch nicht erforderlich.10

II. Die positive Rechtskraft des Grundbuchs 1. Die positive Rechtskraft des Grundbuchs betrifft die «Grundbuchwirkung zugunsten des gutgläubigen Dritten» (Art. 48 Abs. 3 SchlT ZGB), wie sie in Art. 973 Abs. 1 ZGB niedergelegt ist.11 Nach dieser Bestimmung ist eine Person, die «sich in gutem Glauben auf einen Eintrag im Grundbuch verlassen und daraufhin Eigentum oder andere dingliche Rechte erworben hat, ... in diesem Erwerbe zu schützen».

579

Art. 973 (Abs. 1) ZGB lässt sich als Pendant zu Art. 933 ZGB auffassen (vgl. vorne Nr. 297 ff.). In beiden Fällen wird der Grundsatz «nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet» – niemand kann mehr Rechte übertragen, als er selber hat – relativiert (dazu hinten Nr. 592).

2. Der Geltungsbereich der Gutglaubenswirkung von Art. 973 Abs. 1 ZGB ist in zweierlei Hinsicht beschränkt:

580

– Einerseits gilt sie nur dort, wo das eidgenössische Grundbuch (für alle oder immerhin für die betreffende Kategorie von dinglichen Rechten [Eigentum, Dienstbarkeiten und Grundlasten, Pfandrechte]) errichtet worden ist oder wo eine gleichwertige kantonale Einrichtung besteht (Art. 48 Abs. 3 SchlT ZGB; vorne Nr. 408).

581

– Andererseits ist die Einschränkung von Art. 973 Abs. 2 ZGB zu beachten: Der Gutglaubensschutz gilt nicht in Bezug auf die Grenzen eines Grundstücks in einem Gebiet, das vom Kanton als Gebiet mit Bodenverschiebungen gekennzeichnet worden ist (vgl. auch Art. 660a und 660b ZGB).

582

1.

Die Voraussetzungen

Sieht man von den eben genannten Einschränkungen des Geltungsbereichs ab, so lässt sich der Tatbestand von Art. 973 Abs. 1 ZGB wie folgt umschreiben:12

9 10 11

12

Vgl. SteinaueR, Band I, Nr. 691 ff. Vgl. auch SteinaueR, Band I, Nr. 693. Wie hier auch tuoR /SchnydeR /Schmid, § 95 N 25 und 31 ff. Abweichende Terminologie bei zobl, Grundbuchrecht, Nr. 106 und 108. Ausführlich SteinaueR, Band I, Nr. 919 ff.

583

154

Das Grundbuch

584

1. Ein Recht ist zu Unrecht in das Grundbuch eingetragen worden oder der Grundbucheintrag ist nachträglich unrichtig geworden.

585

– Diese «pathologische» Sachlage, die Art. 973 Abs. 1 ZGB nicht ausdrücklich nennt, lässt sich dem Umstand entnehmen, dass die Bestimmung mit dem guten Glauben operiert; damit wird das Vorhandensein eines Rechtsmangels stillschweigend vorausgesetzt.13

586

– Ungerechtfertigt ist gemäss Art. 974 Abs. 2 ZGB (unter anderem!) ein Eintrag, der ohne Rechtsgrund oder aus einem unverbindlichen Rechtsgeschäft erfolgt ist (vgl. hinten Nr. 615).

587

2. Eine Person hat sich in gutem Glauben auf diesen (falschen) Eintrag im Grundbuch verlassen und gestützt darauf Eigentum oder ein anderes dingliches Recht erworben (Art. 973 Abs. 1 ZGB). Das bedarf der Klarstellung in mehrfacher Hinsicht:

588

– Auf Art. 973 ZGB kann sich nur die Dritte berufen (Randtitel zu Art. 973 ZGB; Wortlaut von Art. 48 Abs. 3 SchlT ZGB), also eine Person, die an den Umständen, die zum falschen Eintrag geführt haben, nicht beteiligt ist.14 • Keine Dritte ist etwa die Käuferin eines Grundstücks, sofern der Kaufvertrag an einem Mangel leidet und der Eintrag aus diesem Grund ungerechtfertigt ist. Für diesen Fall ist (sofern die Käuferin bereits als neue Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen wurde) Art. 975 ZGB massgebend: Der in seinen dinglichen Rechten Verletzte kann bei ungerechtfertigtem Eintrag auf Berichtigung des Grundbuchs klagen (vgl. auch den dortigen Abs. 2, welcher die Rechte der gutgläubigen Dritten vorbehält). Zur Grundbuchberichtigungsklage im Einzelnen vgl. hinten Nr. 614 ff. Zwischen den am Kaufgeschäft Beteiligten bleibt es also bei der Rechtslage nach Art. 974 Abs. 2 und Art. 975 ZGB: Der Eintrag im Grundbuch, der sich auf ein ungültiges Rechtsgeschäft (einen ungültigen Grundstückkaufvertrag) stützt, ist ungerechtfertigt, sodass die «Erwerberin» trotz der Grundbucheintragung kein dingliches Recht erworben hat (Kausalitätsprinzip; Nr. 74 ff.). Der Verkäufer, der in der Eigentümerrubrik des Grundbuchs gestrichen worden ist, kann das Grundstück vindizieren (Art. 641 Abs. 2 ZGB) und auf Berichtigung des Grundbuchs klagen (Art. 975 ZGB; hinten Nr. 615). Vorbehalten bleibt freilich die Rechtsmissbrauchsschranke (Art. 2 Abs. 2 ZGB).15

• Auch die Erbin eines Direktbeteiligten wird nicht als Dritte behandelt, denn sie tritt von Gesetzes wegen direkt in die Stellung des Verstorbenen ein.16 Demgegenüber gilt jene Person, die durch lebzeitige Abtretung auf Rechnung künftiger Erbschaft (Art. 626 ZGB) Eigentum erworben hat, nicht als Erbin, sondern als «Dritte».17

– Diese Dritte muss gutgläubig sein, und zwar (bei buchlichem Rechtserwerb) im Zeitpunkt der Einschreibung ihres Rechts in das Tagebuch.18 Die positive

589

13 14 15

16 17 18

hüRlimann-K auP/Schmid, Nr. 322 ff. BGer 5A_846/2009, E. 3.3 = ZBGR 92/2011, S. 112 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 914 und 920. Zur Schranke des Rechtsmissbrauchs bei Formmängeln des Grundstückkaufvertrags vgl. etwa gauch /SchlueP/Schmid, Nr. 550 ff.; Schmid/StöcKli /K RauSKoPF, Nr. 611 ff. BGE 46 II 230 ff. (233), E. 1; SteinaueR, Band I, Nr. 921. ZBGR 78/1997, S. 102 ff. (104 f.), E. 3 (Graubündner Kantonsgericht). BGer 5C.232/2003, E. 2.1 (insoweit nicht in BGE 130 III 306 ff.) = ZBGR 86/2005, S. 39 ff.

§ 11 Das materielle Grundbuchrecht

155

Rechtskraft spielt nicht gegenüber der bösgläubigen Dritten, also jener Person, die den Mangel des Rechtsgrundes gekannt hat (Art. 974 Abs. 1 und 3 ZGB).19 Dem Kennen ist das Kennenmüssen gleichgestellt (Art. 3 Abs. 2 und Art. 974 Abs. 1 ZGB). Immerhin wird von der Dritten – ohne besondere Verdachtslage – grundsätzlich nicht verlangt, dass sie die Grundbuchbelege konsultiert; sie darf sich auf einen unzweideutigen Eintrag im Hauptbuch verlassen.20 Anders verhält es sich bei einander widersprechenden Grundbucheinträgen oder bei tatsächlichen Verhältnissen, die zu Zweifeln an der Richtigkeit oder Genauigkeit des Eintrags Anlass geben.21 Namentlich können Informationen, welche die Dritten von den am Rechtsverhältnis direkt beteiligten Personen vor Erwerb des Grundstücks erhalten haben, den guten Glauben zerstören.22 Nach der neueren Praxis des Bundesgerichts kann sich diese Wirkung auch durch die «natürliche Publizität» ergeben, «die darin besteht, dass der Rechtsbestand im physischen Zustand der Liegenschaft nach aussen sichtbar in Erscheinung tritt. Der Erwerber muss ein Rechtsverhältnis, das ihm auf dem Grundstück selber durch seine eindeutige äussere Erscheinung entgegentritt, gegen sich gelten lassen.»23 Zur «natürlichen Publizität» bei der Auslegung von Dienstbarkeiten vgl. auch hinten Nr. 1281a ff.

– Die gutgläubige Dritte muss das fragliche dingliche Recht tatsächlich erworben haben (buchlich oder ausserbuchlich), und zwar im Vertrauen auf den (objektiv unrichtigen) Grundbucheintrag. Mit anderen Worten gilt Folgendes: • Beim erworbenen Recht muss es sich um ein dingliches Recht handeln. Rein obligatorische Rechte fallen nicht unter die Bestimmung. Bei grundbuchlich vorgemerkten obligatorischen Rechten erstreckt sich der Schutz zwar nicht auf das Vertrauen in das Bestehen des Rechts als solchen; ist aber ein obligatorisches Recht wirksam entstanden, so vermittelt Art. 973 Abs. 1 ZGB den Schutz des Vertrauens in die Gültigkeit der Vormerkung.24

• Das dingliche Recht muss «im Vertrauen auf einen Grundbucheintrag» erworben worden sein. Mit dem «Grundbucheintrag» sind sowohl das Hauptbuch wie auch die Belege (mit Einschränkungen) gemeint. In Betracht kommen neben «Unterlassungen» einerseits Eintragungen (i.e.S.), andererseits Vormerkungen, grundsätzlich aber nicht Anmerkungen.25 Blossen Auszügen aus dem Grundbuch kommt der Gutglaubensschutz nach Art. 973 Abs. 1 ZGB ebenfalls nicht zu.26

19

BGer 5A_846/2009, E. 3.3 = ZBGR 92/2011, S. 112 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 915.

20

tonsgericht); SteinaueR, Band I, Nr. 924a. – Zu den Anforderungen an die Aufmerksamkeit einer Person nach Art. 3 Abs. 2 ZGB im Allgemeinen vgl. hüRlimann-K auP/Schmid, Nr. 336 ff.; R ey, Band I, Nr. 1532; SteinaueR, TDP II/1, Nr. 823 ff.; hoFeR, BeKomm (2012), N 113 ff. zu Art. 3 ZGB; BGE 127 III 440 ff. (443), E. 2c. BGE 137 III 145 ff. (149), E. 3.3.1; 137 III 153 ff. (155 f.), E. 4.1.2; 127 III 440 ff. (443), E. 2c; SteinaueR, TDP II/1, Nr. 843. BGer 5A_846/2009, E. 4.2 = ZBGR 92/2011, S. 112 ff. BGE 137 III 153 ff. (156 f.), E. 4.1.3 und 4.2.3 (für Fälle, bei denen für die Ausübung von Dienstbarkeiten bauliche Anlagen erforderlich sind, in casu ein Tunnel); ebenso BGE 137 III 145 ff. (149), E. 3.3.3; BGer 5A_431/2011, E. 4.2.3 = ZBGR 93/2012, S. 225 ff. Kritisch etwa a lFRed KolleR, AJP 2008, S. 474 f.; JöRg Schmid/daRiJa beeleR-Suta, BR 2011, S. 194 f. Vgl. SteinaueR, Band I, Nr. 930 f. SteinaueR, Band I, Nr. 932 ff. BGer 5C.232/2003, E. 2.2 (insoweit nicht in BGE 130 III 306 ff.) = ZBGR 86/2005, S. 39 ff.

21

22 23

24 25 26

590

156

2.

Das Grundbuch

Die Wirkungen

591

Art. 973 Abs. 1 ZGB ordnet die Rechtsfolge an, die Erwerberin sei in ihrem gutgläubigen Erwerb zu schützen. Das bedeutet:

592

1. Die Dritte erwirbt das Eigentum oder das beschränkte dingliche Recht – so, wie es aus dem Grundbuch hervorgeht.27 Das Grundbuch verschafft mithin Rechte, die sonst (unter den Direktbeteiligten) eigentlich gar nicht existieren würden. Art. 973 Abs. 1 ZGB erweist sich für Grundstücke als Pendant zu Art. 933 (und 935) ZGB bei Fahrnis. Das Prinzip, wonach niemand mehr Rechte übertragen kann, als er selber hat («nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet»), wird durchbrochen.28 Dies geschieht zur Sicherung des Immobilienverkehrs (Verkehrsschutz, Rechtssicherheit).29 Man spricht auch vom Grundsatz des öffentlichen Glaubens.30 Dieser öffentliche Glaube («la foi publique») bedeutet, dass der Inhalt des Grundbuchs (auf den der Dritte vertraut hat) als richtig und vollständig gilt.31 Diese Rechtslage bezieht sich immerhin nicht auf Rechte, die nicht eintragungsfähig sind, etwa auf Dienstbarkeiten mit unzulässigem Inhalt.32

593

2. Das (zu Unrecht) nicht oder nicht richtig eingetragene Recht des wirklichen Berechtigten geht durch den Schutz der gutgläubigen Dritten unter. Allenfalls stehen dem ursprünglich Berechtigten, der auf diesem Weg Rechte verloren hat, Schadenersatzansprüche gegen den Staat zu (Art. 955 ZGB; vorne Nr. 552 ff.). Wurde also eine Dienstbarkeit auf dem belasteten Grundstück in ungerechtfertigter Weise gelöscht, so erwirbt die gutgläubige Dritte das Grundstück ohne diese Dienstbarkeitsbelastung.33

594

3. Die positive Rechtskraft gilt nur zu Gunsten der Dritten, um deren Gutglaubensschutz es geht; zu ihren Lasten entsteht also keine Dienstbarkeit, wenn diese zu Unrecht im Grundbuch eingetragen war.34

3. 595

Weiterführende Literatur

– Schmid JüRg, Gedanken zum öffentlichen Glauben des Grundbuchs, Vom Sein und Schein im Immobiliarsachenrecht, ZBGR 90/2009, S. 111 ff. – SchnydeR beRnhaRd, Der gute Glaube im Immobiliarsachenrecht, ZBGR 66/1985, S. 65 ff. (75 ff.).

27 28 29 30 31

32 33

34

BGE 130 III 306 ff. (308), E. 3.1. SteinaueR SteinaueR, TDP II/1, Nr. 759 f.; hüRlimann-K auP/Schmid, Nr. 330. BGE 130 III 306 ff. (308), E. 3.1. Das Bundesgericht bezeichnet dies als die positive und die negative Seite des Publizitätsprinzips: BGE 137 III 145 ff. (148), E. 3.3; 137 III 153 ff. (155), E. 4.1.1; BGer 5A_431/2011, E. 4.2.1. BGE 130 III 306 ff. (308), E. 3.1. BGE 109 II 102 ff. (104), E. 2a; 82 II 103 ff. (110 unten), E. 3; ZBGR 78/1997, S. 102 ff. (103), E. 1 (Graubündner Kantonsgericht); hombeRgeR, ZüKomm, N 20 zu Art. 973 ZGB; deSchenaux, S. 760 f. Vgl. zum Ganzen aber auch BGE 123 III 346 ff. (353), E. 2c = BR/DC 1998, S. 59 f., Nr. 202, mit Anmerkung von JöRg Schmid; BGer 5C.232/2003, E. 2.1 (insoweit nicht in BGE 130 III 306 ff.). SteinaueR, Band I, Nr. 943a.

§ 11 Das materielle Grundbuchrecht

157

– deRSelbe, Das Verhältnis von Grundbucheintrag und Gültigkeit des Rechtsgeschäfts, BN 52/1991, S. 237 ff. – SteinaueR, Band I, Nr. 916 ff.

4.

Beispiele

Ausgangslage: A war Eigentümer eines Grundstücks und übertrug dieses an B, der (auf Anmeldung des A hin) als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wurde. Der Grundstückkaufvertrag, auf dessen Grundlage die Übertragung erfolgte, erweist sich jedoch als ungültig. Pro memoria: Zu beachten ist Art. 48 Abs. 3 SchlT ZGB (vgl. vorne Nr. 408 und 581).

– Fall 1: Es sind nur A und B vorhanden. Folge: Das Grundstück muss an A zurückgegeben werden; A kann notfalls mit Grundbuchberichtigungsklage nach Art. 975 ZGB gegen B vorgehen (vorne Nr. 588). – Fall 2: Es sind nur A und B im Spiel, jedoch stirbt B und wird von seinen Nachkommen beerbt. Es gilt die gleiche Lösung wie im ersten Fall («Erben sind nicht Dritte»; vorne Nr. 588). – Fall 3: Es sind nur A und B im Spiel, doch war B zehn Jahre lang im Grundbuch gutgläubig eingetragen. Folge: B hat das Grundstück ersessen (Art. 661 ZGB; hinter Nr. 858 f.). Die Ersitzung «heilt» also (im Ergebnis) den Mangel. – Fall 4: B wurde beerbt, und sein Erbe war – wenn man die Zeit des B mitrechnet – zehn Jahre lang im Grundbuch eingetragen und gutgläubig. Folge: Ersitzung durch den Erben (Art. 661 und 941 ZGB). – Fall 5: B verkauft das Grundstück an Frau C, die in das Grundbuch eingetragen (Art. 973 Abs. 1 ZGB);35 wenn C bösgläubig ist, muss das Grundstück an A zurückgegeben werden (Art. 974 ZGB). Je nach gutem oder bösem Glauben der Frau C wird A also mit seiner Grundbuchberichtigungsklage durchdringen (Art. 975 ZGB). – Fall 6: Im genannten Beispiel von Fall 5 war Frau C bösgläubig und wurde beerbt. Folge: Die Erben gelten unter dem Gesichtspunkt von Art. 973 Abs. 1 ZGB nicht als Dritte, sondern werden wie Frau C selber behandelt. Das Grundstück muss also an A zurückgegeben werden. A wird mit seiner Grundbuchberichtigungsklage durchdringen (Art. 975 ZGB). – Fall 7: Im genannten Beispiel von Fall 6 waren die Erben zehn Jahre lang im Grundbuch eingetragen und ihrerseits gutgläubig. Folge: Sie haben ersessen (Art. 661 ZGB); der Mangel ist (im Ergebnis) geheilt. – Fall 8: Von der gutgläubigen Dritterwerberin (Frau C in Fall 5) erwirbt der bösgläubige «Vierte» (D). Folge: Der böse Glaube des Vierten (D) schadet nicht, da

35

BGE 130 III 306 ff. (308), E. 3.1.

596

158

Das Grundbuch

der Rechtsmangel durch den gutgläubigen Erwerb der Rechtsvorgängerin endgültig geheilt wurde.36

III. Weitere Wirkungen des Grundbuchs 1. 597

Die negative Publizitätswirkung

Art. 970 Abs. 4 ZGB ordnet an, die Einwendung, dass jemand eine Grundbucheintragung (genauer: einen Grundbucheintrag) nicht gekannt habe, sei ausgeschlossen. bekannt. Darin besteht die negative Publizitätswirkung des Grundbuchs (im Einzelnen vorne Nr. 459 ff.).

2. 598

Art. 937 Abs. 1 ZGB ordnet an, für die in das Grundbuch aufgenommenen Grundstücke bestehe «eine Vermutung des Rechtes und eine Klage aus dem Besitze nur für denjenigen, der eingetragen ist». Einerseits besteht also eine Richtigkeitsvermutung, andererseits eine besondere Legitimationswirkung (mit Bezug auf gewisse Angriffs- und Verteidigungsmittel). Im Einzelnen:

A. 599

Die Wirkungen gemäss Art. 937 Abs. 1 ZGB

Die Richtigkeitsvermutung

1. Das Grundbuch ist ein öffentliches Register im Sinn von Art. 9 ZGB. Als solches erbringt es für die grundbuchlich bezeugten Tatsachen vollen Beweis, solange nicht die Unrichtigkeit seines Inhalts nachgewiesen ist. Auch Art. 179 ZPO sieht – wie Art. 9 ZGB – die erhöhte (zivilprozessuale) Beweiskraft öffentlicher Register und Urkunden vor.37 – Zur Beweiskraft der Grundbuchpläne vgl. schon vorne Nr. 443 und hinten Nr. 605.

600

2. Mit dieser Regelung stimmt Art. 937 Abs. 1 ZGB überein, der eine Vermutung des Rechts zu Gunsten des Eingetragenen anordnet. Das bedeutet:

601

– Der Eingetragene kann sich darauf berufen, dass das (eingetragene) Recht besteht und dass er (der Eingetragene) der Berechtigte ist. Die Vermutung gilt also grundsätzlich für Bestand, Inhalt und Träger des dinglichen Rechts. Sie hat den Vorrang vor der Miteigentumsvermutung von Art. 248 Abs. 2 ZGB.38 Allerdings gilt die Vermutung nicht für die Trägerschaft jener Rechte, die ausserbuchlich übertragen werden, wie etwa die Pfandrechte (Art. 835 ZGB; Art. 170 Abs. 1 OR; hinten Nr. 1615 ff.) oder die übertragbaren Personaldienstbarkeiten.39

36 37 38

39

BGE 107 II 440 ff. (454 f.), E. 5. Vgl. auch die Botschaft zur ZPO in BBl 2006, S. 7323. BGer 5A_137/2009, E. 3.4. Für die entsprechenden Vermutungen aus dem Besitz (Art. 930 f. ZGB) vgl. auch BGE 117 II 124 ff. (126), E. 2. SteinaueR, Band I, Nr. 884.

§ 11 Das materielle Grundbuchrecht

159

– Die Vermutung gilt nicht nur im Fall des eidgenössischen Grundbuchs, sondern auch bei kantonalen Registereinrichtungen, die ganz oder teilweise die Wirkungen des eidgenössischen Grundbuchs entfalten (Art. 46 und 48 SchlT ZGB).

602

– Die Vermutung ist widerlegbar, ohne dass der Beweis des Gegenteils an eine besondere Form gebunden ist (Art. 9 Abs. 2 ZGB).40

603

3. Diese Richtigkeitsvermutung wird in verschiedenen Gesetzesbestimmungen aufgegriffen. Beispiele:

604

– Für die Grenzen eines Grundstücks ist Art. 668 ZGB bedeutsam. Art. 668 Abs. 2 ZGB ordnet an, dass dann, wenn sich die bestehenden Grundbuchpläne und die Abgrenzungen widersprechen, die Richtigkeit des Grundbuchs vermutet wird (einschränkend allerdings Art. 668 Abs. 3 ZGB).

605

– Über das Verhältnis des Pfandtitels zum Grundbucheintrag beim Papier-Schuldbrief spricht sich Art. 862 ZGB aus. Entspricht der Wortlaut eines Schuldbriefs (Pfandtitels) nicht dem Eintrag oder fehlt ein Eintrag, so erklärt Art. 862 Abs. 2 ZGB das Grundbuch für massgebend (zu beachten bleibt aber Abs. 3).

606

Eine Sonderregel gilt für das Lastenverzeichnis im Rahmen einer Zwangsvollstreckung (Art. 140 und 156 SchKG; Art. 125 VZG): Stimmen Grundbucheintrag und Lastenverzeichnis nicht überein, so darf sich der gutgläubige Erwerber auf das Lastenverzeichnis verlassen.41

B.

Die Legitimationswirkung

1. Die Regeln über den Besitzesrechtsschutz (Art. 930–937 ZGB) betreffen einen Streit um Rechte. Sie antworten auf die Frage, inwieweit sich der Besitzer einer Sache auf seinen Besitz berufen kann, um Rechte zu schützen, die er an der Sache zu haben behauptet (vgl. vorne Nr. 255). Das Gesetz schützt den Besitzer durch gesetzliche Vermutungen (Art. 930–932 ZGB) und durch besondere Verteidigungs- und Angriffsmöglichkeiten, namentlich durch die Fahrnisklage (Art. 933–936 ZGB); es beschränkt diesen aus dem Besitz abgeleiteten Rechtsschutz jedoch auf Streitigkeiten um Fahrnis (Art. 930–936 ZGB). Bei Grundstücken reicht demgegenüber der Besitz nicht aus, um einen solchen Rechtsschutz zu gewähren; die tatsächliche Herrschaft über ein Grundstück begründet nach der Verkehrsanschauung für sich allein keine genügende Wahrscheinlichkeit für ein dahinter stehendes (namentlich: dingliches) Recht.

607

2. Art. 937 Abs. 1 ZGB gewährt nun – was die in das Grundbuch aufgenommenen Grundstücke betrifft – dem Eingetragenen einen besonderen Schutz. Der Eingetragene ist legitimiert:

608

– zu einem der Fahrnisklage (Art. 934 und 936 ZGB) entsprechenden Vorgehen («Klage aus dem Bucheintrag», «l’action tirée de l’inscription») und

40 41

BGE 102 II 70 ff. (72 unten), E. 3. BGE 121 III 24 ff. (26 f.), E. 2b; SteinaueR, Band I, Nr. 927b.

160

Das Grundbuch

– zu einer dem Art. 932 ZGB entsprechenden Verteidigung.42 Der jeweilige Klageinhalt ergibt sich aus dem eingetragenen Recht und nicht aus Art. 937 Abs. 1 ZGB. Diese Bestimmung regelt nur die Legitimationsfrage: Der Eingetragene ist legitimiert, die sich aus dem eingetragenen Recht ergebenden Ansprüche geltend zu machen.43

609

Pro memoria: Art. 937 Abs. 1 ZGB betrifft nur (aber immerhin) die Frage des Rechtsschutzes. Die Besitzesschutzklagen stehen demgegenüber nach Art. 937 Abs. 2 ZGB jeder Person zu, welche die tatsächliche Gewalt über das Grundstück ausübt.

IV. Wichtige grundbuchrechtliche Rechtsbehelfe 610

Im Folgenden werden zusammenfassend wichtige grundbuchrechtliche Rechtsbehelfe beschrieben. Sie sind grösstenteils in den Art. 956a f. und 975 ff. ZGB geregelt.

1.

Die Grundbuchbeschwerde (Art. 956a f. ZGB und Art. 87 Abs. 4 GBV)

611

Die Grundbuchbeschwerde ist nach Art. 956a Abs. 1 ZGB gegen eine vom Grundbuchamt erlassene Verfügung möglich, wobei auch das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern einer Amtshandlung als Verfügung gilt. Stets muss sich jedoch das Rechtsmittel auf die Aufhebung oder Änderung einer konkreten Verfügung des Grundbuchamtes44 (oder gegen die Verweigerung oder Verzögerung einer solchen Verfügung) richten. Das Gesetz regelt, welche Personen und Behörden zur Beschwerdeführung berechtigt sind (Art. 956a Abs. 2 ZGB). Beizufügen bleibt Folgendes:

612

– Die Beschwerde ist innert 30 Tagen an die kantonalen Beschwerdeinstanzen einzureichen (Art. 956b Abs. 1 ZGB). Gegen die Verweigerung oder Verzögerung einer bestimmten Amtshandlung kann jederzeit Beschwerde geführt werden (Abs. 2). In letzter Instanz ist das Bundesgericht (grundsätzlich im Verfahren der Beschwerde in Zivilsachen nach Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 BGG) zuständig (vorne Nr. 430 f. und 546). Praktisch steht die Grundbuchbeschwerde in jenen Fällen im Vordergrund, in denen die Grundbuchverwalterin eine Anmeldung abweist (Art. 966 Abs. 1 ZGB; Art. 87 Abs. 1 GBV). Die Abweisungsverfügung ist zu begründen und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen (Art. 87 Abs. 3 GBV). Wird gegen die Abweisungsverfügung Beschwerde erhoben, hat die Grundbuchverwalterin diesen Umstand in das Tagebuch einzuschreiben bzw. (nach Massgabe des kantonalen Rechts) im Hauptanderen Verfügungen, etwa bei Abweisung eines Auskunfts- oder Einsichtsbegehrens. Ob auch in den Fällen ausserhalb der Abweisung einer Anmeldung eine «vermögensrechtliche Angelegenheit» vorliegt, die vor Bundesgericht zur Anwendbarkeit der Streitwertgrenze von Art. 74 BGG führt (vorne Nr. 546), muss von Fall zu Fall entsprechend dem Inhalt der Beschwerde geprüft werden. Nach der Rechtsprechung ist eine Zivilsache dann als vermögensrechtlich anzusehen, wenn «der Rechtsgrund des Anspruchs letzten Endes im Vermögensrecht ruht, mit dem Begehren letztlich und überwiegend

42 43 44

SteinaueR, Band I, Nr. 887 ff. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 22 zu Art. 937 ZGB. BGer 5A_854/2013, E. 1.3 = ZBGR 97/2016, S. 55 ff.

§ 11 Das materielle Grundbuchrecht

161

ein wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird».45 Daher gilt die Streitwertgrenze nach der hier vertretenen Auffassung, wenn die Verzögerung einer Eintragung gerügt wird (vgl. vorne Nr. 546 analog), nicht aber dann, wenn die Grundbuchverwalterin ein Auskunfts- oder Einsichtsbegehren nach Art. 970 ZGB abweist (vorne Nr. 453).46

– Eine Beschwerde steht dort nicht zur Verfügung, wo das Gesetz eine gerichtliche Anfechtung oder eine gerichtliche Klage vorsieht (vorne Nr. 430 und hinten Nr. 614 ff.). So kann gemäss Art. 956a Abs. 3 ZGB gegen eine im Hauptbuch vollzogene Eintragung, Änderung oder Löschung eines dinglichen Rechts oder einer Vormerkung nicht Beschwerde geführt werden (vorne Nr. 430 und 541).

2.

613

Die Grundbuchberichtigungsklage (Art. 975 ZGB)

1. Tatbestand: Der Eintrag eines dinglichen Rechts im Grundbuch ist ungerechtfertigt, oder ein richtiger Eintrag ist in ungerechtfertigter Weise gelöscht oder verändert worden; dadurch wird eine Person in ihren dinglichen Rechten verletzt (Art. 975 Abs. 1 ZGB). Folgendes lässt sich beifügen:

614

– «Ungerechtfertigt» ist ein Eintrag namentlich dann, wenn er «ohne Rechtsgrund oder aus einem unverbindlichen Rechtsgeschäft erfolgt ist» (Art. 974 Abs. 2 ZGB). Der Mangel kann also (vor allem) im Rechtsgrund liegen, auf dem die Eintragung, Löschung oder Abänderung eines dinglichen Rechts im Grundbuch beruht; dieser Rechtsgrund muss (grundsätzlich) von Anfang an mangelhaft gewesen sein.47

615

Hauptbeispiel: Ein Grundstückkauf, der als Basis für den Eigentümerwechsel dienen soll, erweist sich als ungültig, etwa wegen eines Formmangels (vgl. auch Nr. 588 und 596, Fall 1).48 Nicht ungerechtfertigt ist demgegenüber die Löschung eines Eintrags, die sich auf einen unrichtigen, aber in Rechtskraft erwachsenen behördlichen Entscheid stützt.49

Die Grundbuchberichtigungsklage kommt allerdings auch für Sonderfälle in Betracht, in denen der Eintrag erst nachträglich unrichtig wird,50 etwa dann, wenn eine Grunddienstbarkeit für das berechtigte Grundstück alles Interesse verloren hat (Art. 736 Abs. 1 ZGB).51 Ist jedoch die Grundbucheintragung über eine Dienstbarkeit rechtmässig erfolgt und tritt später eine Resolutivbedingung ein, die einen schuldrechtlichen Befreiungsanspruch begründet, so ist nicht die

45

46

47

48 49 50

51

BGer 4A_24/2007, E. 1.2, u.a. mit Hinweis auf BGE 118 II 528 ff. (531), E. 2c; vgl. auch BGE 133 III 368 ff. (371), E. 1.3.1, Rudin, BaKomm, N 11 ff. zu Art. 51 BGG, und bettina hüRlimann-K auP, Grundbuchbeschwerde und Streitwert (zitiert in Nr. 565), S. 249 ff. Zum Ganzen bettina hüRlimann-K auP, Grundbuchbeschwerde und Streitwert (zitiert in Nr. 565), S. 247 ff., besonders S. 251 f. Ohne Stellungnahme chRiStina Schmid -tSchiRRen/Roland PFäFFli BGE 133 III 641 ff. (643), E. 3.1.1 = Pra 2008, Nr. 54, S. 361 ff. = ZBGR 89/2008, S. 297 ff.; BGer 5A_270/2015, E. 2. BGer 5A_846/2009, E. 3.2 = ZBGR 92/2011, S. 112 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 954a. BGer 5A_195/2012, E. 4.2.2 = ZBGR 96/2015, S. 109 ff. SteinaueR, Band I, Nr. 955a und 955b. Vgl. dazu auch BGE 121 III 52 ff. (54 f.), E. 3a, wo darauf hingewiesen wird, der Grundbuchverwalter könne in klaren Fällen auch nach aArt. 976 ZGB vorgehen. Zur erleichterten Löschung vgl. jetzt hinten Nr. 626 ff.

616

162

Das Grundbuch

Grundbuchberichtigungsklage zu erheben, sondern es ist auf gerichtliche Erlaubnis zur Löschung der Dienstbarkeit zu klagen (wobei eine analoge Klage zu Art. 665 Abs. 1 ZGB zur Verfügung steht).52 617

– Der Mangel kann aber auch in der Anmeldung liegen, etwa wegen fehlender Verfügungsfähigkeit des Anmeldenden.53

618

– Durch den fehlerhaften Eintrag (oder die fehlerhafte Änderung oder Löschung des Eintrags) wird eine Person in ihren dinglichen Rechten verletzt. «Verletzt» ist jene Person, die nicht (mehr) im Grundbuch eingetragen ist, obwohl ihr das umstrittene materielle Recht am Grundstück zusteht. Darüber hinaus bejahen Rechtsprechung und Lehre die Möglichkeit zur Grundbuchberichtigungsklage in analoger Weise auch dann, wenn ein Käufer, der gestützt auf einen unwirksamen Grundstückkaufvertrag als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden ist, auf Löschung (und Rückabwicklung des Vertrags) klagt, da hier «ein schutzwürdiges Interesse daran [besteht], den ungerechtfertigten Eintrag beseitigen zu lassen».54

619

2. Rechtsfolge: Nach Art. 975 Abs. 1 ZGB kann «jedermann, der dadurch in seinen dinglichen Rechten verletzt ist, auf Löschung oder Abänderung des Eintrages klagen». Das bedeutet vorweg, dass der Grundbucheintragung (für sich allein) keine heilende Wirkung zukommt.55 Weiter muss beachtet werden:

620

– Aktivlegitimiert ist, wer durch den ungerechtfertigten Eintrag (oder die ungerechtfertigte Löschung) in seinen dinglichen Rechten verletzt ist.56 Zu einem Fall der analogen Anwendung von Art. 975 ZGB vgl. vorne Nr. 618.

Passivlegitimiert sind alle Personen, die aus dem Eintrag als dinglich berechtigt erscheinen bzw. durch den ungerechtfertigten Eintrag direkt oder indirekt 57

– Die Grundbuchberichtigungsklage wird als Feststellungsklage

621

58

Das Klagebegehren lautet auf Feststellung des vom Kläger geltend gemachten dinglichen Rechts (zum Beispiel seines Eigentums; Art. 88 ZPO) und auf Änderung (Berichtigung) des Eintrags im Grundbuch.59 Im Streit um Eigentum lässt die Praxis sodann statt des Feststellungsbegehrens auch den Antrag zu, den Kläger an Stelle des Beklagten als Eigentümer in das Grundbuch einzutragen.60

52 53

54

55 56 57 58

59 60

BGE 133 III 641 ff. (643 f.), E. 3.1.2 = Pra 2008, Nr. 54, S. 361 ff. SteinaueR, Band I, Nr. 908 f.; BGE 117 II 43 ff. (44), E. 4b; BGer 5A_846/2009, E. 3.2 = ZBGR 92/2011, S. 112 ff. BGE 98 II 15 ff. (22 f.), E. 4; aus der Lehre vgl. hombeRgeR, ZüKomm, N 16 zu Art. 975 ZGB; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 154 zu Art. 641 ZGB; deSchenaux, S. 834 f.; SteinaueR, Band I, Nr. 981a; a ndReaS K RengeR (zitiert in Nr. 625), S. 120; a RtuR h aRniSch (zitiert in Nr. 625), S. 31 f. deSchenaux, S. 10. SteinaueR, Band I, Nr. 980 ff. BGer 5A_588/2015, E. 5; SteinaueR, Band I, Nr. 984 ff. BGE 137 III 293 ff. (301), E. 5.1; SteinaueR, Band I, Nr. 990; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 155 zu Art. 641 ZGB; R ey, Band I, Nr. 2125a. BGE 137 III 293 ff. (301), E. 5.1. BGE 137 III 293 ff. (301), E. 5.1, unter anderem mit Hinweis auf BGE 97 II 277 ff. (280), E. 2.

§ 11 Das materielle Grundbuchrecht

163

– Die Grundbuchberichtigungsklage unterliegt keiner Verjährung.61 Vorbehalten bleiben aber die Rechte gutgläubiger Dritter sowie allfällige Schadenersatzansprüche (Art. 975 Abs. 2 ZGB; vorne Nr. 552 ff.), ferner die Bestimmungen über die Ersitzung (hinten Nr. 858 f.).

622

Die Beklagte verfügt also beispielsweise über ein besseres Recht (und die gegen sie eingereichte Klage muss abgewiesen werden), wenn sie als «Dritte» nach Art. 973 Abs. 1 ZGB im Vertrauen auf einen Eintrag gutgläubig Eigentum oder ein beschränktes dingliches Recht erworben hat (vgl. vorne Nr. 579 ff.).

3. Die Grundbuchberichtigungsklage richtet sich demnach darauf, den gestützt auf einen ungültigen oder fehlenden Rechtsgrund erfolgten Grundbucheintrag zu beseitigen und dadurch Übereinstimmung zwischen dem bestehenden materiellen Recht und dem durch die Grundbucheintragung zum Ausdruck gebrachten Recht herzustellen.62 Der «Schein» und das «Sein» sollen mit anderen Worten wiederum in Einklang gebracht werden.

623

Dies ist äusserst wichtig im Hinblick auf die positive Rechtskraft des Grundbuchs: Würde eine gutgläubige Dritte sich auf den falschen Eintrag verlassen und gestützt darauf dingliche Rechte erwerben, so würde sie nach Art. 973 Abs. 1 ZGB in ihrem Erwerb geschützt (vorne Nr. 591 ff.). Der Schutz der gutgläubigen Dritten wird denn auch in Art. 975 Abs. 2 ZGB (nebst allfälligen Schadenersatzansprüchen) ausdrücklich vorbehalten.

624

Der Kläger, der selber ein dingliches Recht geltend macht, kann (und sollte) als vorsorgliche Massnahme eine richterliche Vormerkung nach Art. 961 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB zu erwirken suchen.63 Damit wird unter anderem für die Zeit nach erfolgter Vormerkung der gute Glaube Dritter zerstört (vorne Nr. 473).

4. Weiterführende Literatur: – haRniSch aRtuR, Die Grundbuchberichtigungsklage nach dem schweizerischen ZGB, Diss. Bern 1941 (ASR NF Heft 186). – K RengeR andReaS, Die Grundbuchberichtigungsklage, Basler Diss., 2. A., Chur/ Zürich 1991. – R etoRnaz valentin, çois (Hrsg.), Quelques actions en annulation, Neuenburg 2007, S. 85 ff. – R iemeR hanS michael, Schematische Übersicht über die wichtigsten sachenrechtlichen Klagen des ZGB und ihre Merkmale, recht 1993, S. 118 ff. – SteinaueR, Band I, Nr. 951 ff. und 979 ff.

61

62 63

BGE 119 II 216 ff. (221), E. 4a/bb («unbefristet»); 95 II 605 ff. (610), E. 2a; SteinaueR, Band I, Nr. 979. R ey, Band I, Nr. 2125 f. SteinaueR, Band I, Nr. 989.

625

164

626

Das Grundbuch

3.

Die erleichterte Löschung eines Eintrags nach

A.

Übersicht

Nach dem bereits dargelegten Art. 964 ZGB bedarf es zur Löschung eines Eintrags grundsätzlich der schriftlichen Zustimmung der aus dem Eintrag berechtigten Person («Löschungsbewilligung»; vorne Nr. 508 und 511). Verweigert diese Person zu Unrecht ihre Zustimmung, muss die durch den Eintrag belastete Person auf gerichtliche Berichtigung des Grundbuchs klagen (Art. 975 ZGB; vorne Nr. 614 ff.). Ist der Eintrag jedoch zweifelsfrei oder mit hoher Wahrscheinlichkeit bedeutungslos, so rechtfertigt es sich nicht, die belastete Person auf den Klageweg zu verweisen: Dieser ist wegen seiner Aufwändigkeit und des Kostenrisikos abschreckend, und an der Richtigkeit und Zuverlässigkeit des Grundbuchs besteht auch ein erhebliches öffentliches Interesse. Der Gesetzgeber hat daher die (in Kraft seit 1. Januar 2012) erlassen mit dem Zweck, das Grundbuch von bedeutungslos gewordenen Einträgen zu entlasten.64 Die nachfolgende Darstellung unterscheidet entsprechend der gesetzlichen Systematik danach, ob der betreffende Eintrag zweifelsfrei bedeutungslos (Art. 976 ZGB; nachfolgend B.) oder höchstwahrscheinlich bedeutungslos (Art. 976a f. ZGB; nachfolgend C.) ist. Ausserdem können die Kantone für ein ganzes Gebiet, in welchem das Grundbuch an Zuverlässigkeit verloren hat, die Bereinigung anordnen (Art. 976c ZGB). Davon war bereits die Rede (vorne Nr. 497d).

B. 627

Die Löschung zweifelsfrei bedeutungsloser Einträge

1. Der Tatbestand von Art. 976 ZGB setzt voraus, dass ein Eintrag «zweifellos bedeutungslos» ist (Randtitel65). Dies trifft nach dieser Bestimmung dann zu, wenn der Eintrag (verstanden im weiten Sinn, also unter Einschluss von Vor- und Anmerkungen66): – befristet ist und infolge Fristablaufs seine rechtliche Bedeutung verloren hat; – ein unübertragbares oder unvererbliches Recht betrifft und die berechtigte Person gestorben ist; – das Grundstück wegen der örtlichen Lage nicht betreffen kann; – ein untergegangenes Grundstück betrifft. Die Aufzählung ist nach ihrem Wortlaut und ihrer Entstehungsgeschichte als abschliessend anzusehen.67 Voraussetzung ist stets, dass die Grundbuchverwalterin auf Grund des Eintrags, der Belege, anderer öffentlicher Register oder der natürlichen Publizität davon überzeugt ist («zweifellos»), dass das eingetragene Recht nicht (mehr) besteht; angesprochen sind somit nur die klaren Fälle von bedeutungslosen Einträgen.68 Das Erfordernis der Eindeutigkeit gilt namentlich auch mit Bezug auf Ziff. 3 (wenn der Eintrag «das Grundstück wegen der örtlichen Lage nicht betreffen kann»); hier ist

64

65 66 67 68

Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5295 und 5336; bettina hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, S. 51 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 957. Französische Fassung des Randtitels: «D’inscriptions indubitablement sans valeur juridique». Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5336. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5336; SteinaueR, Band I, Nr. 959 (leicht relativierend). Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5336 f.

§ 11 Das materielle Grundbuchrecht

165

offenkundiger Untergang etwa dann zu bejahen, wenn ein Weiderecht auf einem vollständig überbauten Grundstück eingetragen ist.69

2. Die Rechtsfolge besteht darin, dass das Grundbuchamt von Amtes wegen die Löschung vornehmen darf. Es kann dies tun ohne Rücksicht darauf, ob es von sich aus, durch einen Antrag der belasteten Person oder durch einen Hinweis eines Dritten auf den (offenkundig) bedeutungslosen Eintrag gestossen ist.70 Beizufügen bleibt:

628

– Stellt eine Person (namentlich die durch den Eintrag belastete Grundeigentümerin) einen formellen Antrag auf Löschung, so muss das Grundbuchamt, wenn es deren Voraussetzungen für nicht gegeben hält, eine Abweisungsverfügung erlassen.71 Diese unterliegt der Beschwerde nach Art. 956a f. ZGB (dazu vorne Nr. 430 f., 546 und 611 ff.).72

629

– Nimmt das Grundbuchamt die Löschung vor, besteht dagegen keine Beschwerdemöglichkeit (Art. 956a Abs. 3 ZGB). Auch eine Einspruchsmöglichkeit sieht das Gesetz hier nicht vor. Ist die berechtigte Person der Auffassung, das Grundbuchamt habe den Eintrag zu Unrecht gelöscht, muss sie auf Berichtigung des Grundbuchs klagen («Wiedereintragungsklage»).73

630

Die Löschung hat das Grundbuchamt den Beteiligten nach Massgabe von Art. 969 ZGB mitzuteilen.74

C.

Die Löschung höchstwahrscheinlich bedeutungsloser Einträge

1. Art. 976a Abs. 1 ZGB setzt im Tatbestand voraus, dass der Eintrag (zwar nicht zweifelsfrei bedeutungslos ist; dazu Art. 976 ZGB, aber) «höchstwahrscheinlich keine Bedeutung» hat.75 Dies kann «insbesondere» zutreffen, weil der Eintrag nach den Belegen oder den Umständen das Grundstück nicht betrifft.

631

Der Eintrag kann laut der bundesrätlichen Botschaft von Anfang an bedeutungslos gewesen sein oder seine rechtliche Bedeutung nachträglich verloren haben.76

2. Als Rechtsfolge ordnet Art. 976a Abs. 1 ZGB an, dass jede dadurch belastete Person (beim Grundbuchamt, das diesbezüglich nicht von Amtes wegen tätig werden darf 77) die Löschung verlangen kann. Die Bestimmung vermittelt dem Belasteten

69 70 71 72 73

74

75

76

77

Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5336; vgl. auch SteinaueR, Band I, Nr. 959c. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5336 f. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5337. Schmid, BaKomm, N 19 zu Art. 976 ZGB. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5337; bettina hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, S. 52. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5337; bettina hüRlimann-K auP, buchverwalters (zitiert in Nr. 565), S. 5 und 9 ff. Französischer Text: «Lorsqu’une inscription est très vraisemblablement dépourvue de valeur juridique ...». bettina hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, S. 53; LGVE 2013 I Nr. 32, E. 4.3 = ZBJV 151/2015, S. 618 ff. (Luzerner Kantonsgericht); a.M. Schmid, BaKomm, N 6 zu Art. 976a ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 961 f. (mit Relativierungen). SteinaueR, Band I, Nr. 957 und 993.

632

166

Das Grundbuch

in den Art. 976a f. ZGB normierte Verfahren in Gang zu setzen. Der Antrag gilt als Anmeldung und muss deren formelle Voraussetzungen erfüllen.78 Wird ein solcher Antrag gestellt, gilt folgende Rechtslage: – Hält das Grundbuchamt das Löschungsbegehren für begründet, so teilt es der (aus dem Eintrag) berechtigten Person mit, dass es den Eintrag löschen wird, wenn sie nicht innert 30 Tagen beim Grundbuchamt dagegen Einspruch erhebt (Art. 976a Abs. 2 ZGB). Die Einsprache soll eine kurze, schriftliche Begründung enthalten, soweit eine solche ohne erheblichen Aufwand möglich ist.79 Da das Gesetz ein Einspruchsverfahren vorsieht, kann die aus dem Eintrag berechtigte Person gegen die Verfügung des Grundbuchamts nicht Beschwerde erheben.80 Grundbuchamt, der Löschungsantrag sei unbegründet, und weist es diesen ab, kann die anmeldende Person dagegen Beschwerde nach Art. 956a f. ZGB führen.81

– Erfolgt kein Einspruch innert Frist, löscht das Grundbuchamt den Eintrag und macht die in Art. 969 ZGB vorgesehenen Mitteilungen.82

633

Hält die berechtigte Person nun die (vorgenommene) Löschung für zu Unrecht erfolgt, kann sie noch immer Klage auf Grundbuchberichtigung («Klage auf Wiedereintragung»; Art. 975 ZGB) erheben.83

– Erfolgt fristgerecht ein Einspruch der aus dem Eintrag berechtigten Person, prüft ses Mal unter Berücksichtigung der vom Einsprecher gegen die Löschung vorgebrachten Gründe. Ein Schriftenwechsel oder ein Beweisverfahren (ausserhalb von Urkunden- und Augenscheinsbeweis) sind nicht vorgesehen.84 Immerhin spricht jedoch der Gesetzestext davon, dass die erneute Prüfung «auf Antrag der belasteten Person» erfolgt, was voraussetzt, dass das Grundbuchamt diese Person von der Einsprache in Kenntnis setzt.85 Kommt das Grundbuchamt bei seiner zweiten Prüfung erneut zum Schluss, es sei dem Löschungsantrag zu entsprechen, so teilt es der berechtigten Person mit, dass es den Eintrag im Hauptbuch löschen werde, wenn sie nicht innert drei Monaten beim Gericht auf Feststellung klagt, dass der Eintrag eine rechtliche Bedeutung habe (Art. 976b Abs. 2 ZGB).

634

Durch diese Anordnung (Verwaltungsverfügung), die zu begründen ist,86 weist das Grundbuchbucheintrag höchstwahrscheinlich keine rechtliche Bedeutung hat. Die Vertauschung der Partei-

78

79 80

81

82

83 84 85 86

Schmid, BaKomm, N 12 f. zu Art. 976a ZGB; ähnlich FZR 2016, S. 15 ff. (19 f.), E. 2, und S. 22 ff. (27), E. 2 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch); wohl auch Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5337 (4. Absatz). Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5338; zurückhaltender Schmid, BaKomm, N 2 zu Art. 976b ZGB. bettina hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, S. 53; wohl gl.M. Schmid, BaKomm, N 15 zu Art. 976a ZGB. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5337; Schmid, SteinaueR, Band I, Nr. 993. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5338; bettina hüRlimann-K auP, buchverwalters (zitiert in Nr. 565), S. 5 und 9 ff. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5338; SteinaueR, Band I, Nr. 994. Schmid, BaKomm, N 3 zu Art. 976b ZGB. bettina hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, S. 54; SteinaueR, Band I, Nr. 993. bettina hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, S. 54.

§ 11 Das materielle Grundbuchrecht

167

auf einen Grundbucheintrag (als öffentliches Register; Art. 9 und 937 ZGB sowie Art. 179 ZPO; vorne Nr. 599 ff.) stützen kann, hat die belastete Person im Zivilprozess nachzuweisen, dass der Eintrag nach den Belegen oder den Umständen jede rechtliche Bedeutung verloren hat oder das Grundstück nicht betreffen kann.87 steht dem Einsprecher die Beschwerde gegen die Verfügung des Grundbuchamts nicht offen.88

– Unterlässt die berechtigte Person die fristgerechte Feststellungsklage,89 erwächst die genannte Anordnung des Grundbuchamts in Rechtskraft, und das Amt nimmt die Löschung androhungsgemäss vor.90

635

Rechtsgrund für die Löschung ist die Verfügung des Grundbuchamts.91 Noch immer hat in diesem Fall jedoch keine materielle gerichtliche Klärung der privatrechtlichen Rechtslage stattgefunden, so dass dem Einsprecher die Klage auf Wiedereintragung weiterhin offen steht.92

3. Weiterführende Literatur: – hüRlimann-K auP bettina, Neuerung im Dienstbarkeitsrecht, S. 25 ff. – Schmid, BaKomm, Kommentar zu Art. 976a und 976b ZGB. – Schöbi Felix, Zum Verfügungscharakter von Eintragungen und Löschungen im Grundbuch (BGE 127 III 195 ff.), recht 2002, S. 37 ff. – SteinaueR, Band I, Nr. 956 ff. und 991 ff.

636

Hinweis: Art. 976 ZGB ist am 11. Dezember 2009 (wie bereits am 4. Oktober 1991) revidiert worden. Darauf ist namentlich bei der Konsultation der Literatur Rücksicht zu nehmen.

4.

Die Berichtigung eines unrichtigen Eintrags nach Art. 977 ZGB

Einführende Literatur: – deSchenaux, S. 889 ff. – SteinaueR, Band I, Nr. 965 ff. und 997 ff.

637

1. Die Berichtigung des Grundbuchs ist in Art. 977 ZGB geregelt, der durch

638

von unrichtigen rechtswirksamen Daten zu verstehen (Art. 140 Abs. 1 GBV). Zwei Fälle sind auseinanderzuhalten: – einerseits die Berichtigung, die sich auf die (schriftliche) Einwilligung der Beteiligten oder auf eine gerichtliche Verfügung stützt (Art. 977 Abs. 1 ZGB);

87

88 89 90 91

92

Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5338; Schmid, BaKomm, N 4 zu Art. 976b ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 995a. bettina hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, S. 55. Massgebend ist das Schlichtungsbegehren (Art. 62 ZPO); Schmid, BaKomm, N 5 zu Art. 976b ZGB. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5338. FZR 2016, S. 15 ff. (20), E. 2, und S. 22 ff. (27), E. 2 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch). Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5338; Schmid, BaKomm, N 8 zu Art. 976b ZGB; bettina hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, S. 55 (mit Hinweis auf den gegenteilig lautenden Vorentwurf); SteinaueR, Band I, Nr. 995a.

168

Das Grundbuch

– andererseits die Berichtigung blosser Schreibfehler (Art. 977 Abs. 3 ZGB). lichkeit zu berichtigen». 639

2. Eine Berichtigung nach Art. 977 ZGB kommt immerhin nur in Betracht, wenn folgende allgemeine Voraussetzungen erfüllt sind:93 – Der Eintrag war von Anfang an ungerechtfertigt. Hierbei müssen sich noch die ursprünglichen Parteien gegenüberstehen. Hat seit der fehlerhaften Eintragung laut dem Grundbuch eine dritte Person Rechte am Grundstück erworben, die durch die Berichtigung tangiert würden, so scheidet das Administrativverfahren im Sinn von Art. 977 ZGB aus – und es steht nur noch der Weg der Grundbuchberichtigungsklage offen.94

– Die Belege sind vollständig und hätten einen korrekten Eintrag ermöglicht. – Der ungerechtfertigte Eintrag geschah versehentlich (so ausdrücklich Art. 98 Abs. 1 aGBV). Ein Versehen lässt sich vermuten, wenn der Eintrag nicht den Belegen entspricht und eine aufmerksame Prüfung der Sachlage keine andere Erklärung zulässt als ein Versehen des Grundbuchverwalters.95 640

3. Die Rechtsfolge hängt davon ab, ob durch die Berichtigung der Inhalt eines einzutragenden Rechts berührt wird («sinnverändernder Fehler»; Art. 142 GBV) oder nicht («blosser Schreibfehler»; Art. 141 GBV).96 «Berührt» sein können der matetrario). Dies trifft namentlich zu, wenn der Bestand, der Rang oder der Gegenstand des Rechts, seine Eigenschaften oder seine besondere Ausgestaltung, die Person des Inhabers des Rechts oder allfälliger weiterer Berechtigter unrichtig eingetragen sind und berichtigt werden müssen.97

641

– Berührt die Berichtigung den Inhalt des einzutragenden Rechts, handelt es sich mit anderen Worten um einen sinnverändernden Fehler, so darf der Grundbuchverwalter sie grundsätzlich nur mit schriftlicher Einwilligung der Beteiligten oder – mangels einer solchen Einwilligung – auf gerichtliche Verfügung hin vornehmen (Art. 977 Abs. 1 ZGB; zum Vorgehen im Einzelnen vgl. Art. 142 GBV).98 Vorbehalten bleibt der Fall, da im Papiergrundbuch noch keine Beteiligte oder Dritte vom unrichtigen Eintrag oder der unrichtigen Löschung Kenntnis erhalten haben; hier kann der Grundbuchverwalter die Löschung ohne Weiteres vornehmen (Art. 143 Abs. 1 GBV; vgl. auch Art. 98 Abs. 2 aGBV).

– Berührt die Berichtigung den Inhalt des einzutragenden Rechts nicht, handelt es sich also um die «Berichtigung blosser Schreibfehler» im Sinn von Art. 977 Abs. 3 ZGB, so darf der Grundbuchverwalter nach Art. 141 GBV die Berichtigung jederzeit von sich aus vornehmen.

642

93 94 95

96 97 98

SteinaueR, Band I, Nr. 967 ff. BGE 123 III 346 ff. (351 f.), E. 2a und b. BGE 117 II 43 ff. (44 f.), E. 4b, mit Hinweis auf SteinaueR, Band I, Nr. 970a; BGer vom 12. Juni 1997, in ZBGR 81/2000, S. 411 f., E. a; vgl. auch deSchenaux, S. 890, Fn. 3a. deSchenaux, S. 891 ff. deSchenaux, S. 893. BGer 5A.31/2002, E. 2; Schmid, BaKomm, N 23 ff. zu Art. 977 ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 974.

§ 11 Das materielle Grundbuchrecht

169

Für das technische Vorgehen hat der Grundbuchverwalter Art. 977 Abs. 2 ZGB und Art. 142 f. GBV zu beachten.99

5.

Weitere Behelfe (Hinweis)

Pro memoria seien sodann erwähnt:

643

– das Gesuch um gerichtliche Anordnung einer Verfügungsbeschränkung oder einer – die Schadenersatzklage gegen den Kanton (Art. 955 ZGB; vorne Nr. 552 ff.).

V.

Weiterführende Literatur

– aRnet Ruth /Roth nicole, Die Grundbuchberichtigungsklage im Kontext von Art. 976 ff. und Art. 736 Abs. 1 ZGB, in: Breitschmid Peter et al. (Hrsg.), FS für Isaak Meier, Zürich 2015, S. 23 ff. – deSchenaux, S. 590 ff. (Wirkungen der im Grundbuch vorgenommenen Eintragungen), S. 758 ff. (Grundsatz des öffentlichen Glaubens) und S. 818 ff. (Grundbuchberichtigungsklage). – gRiedeR alain, Die Grundbuchberichtigungsklage (Art. 975 Abs. 1 ZGB) – Materiellrechtliche und prozessuale Besonderheiten, in: Fankhauser Roland et al. (Hrsg.), FS für Thomas Sutter-Somm, Zürich 2016, S. 997 ff. – hombeRgeR, ZüKomm, Kommentar zu Art. 971, 973 und 975 ZGB. – deRSelbe, BaKomm, Kommentar zu Art. 971, 973 und 975 ff. ZGB.

644

Vgl. auch die Literaturhinweise in Nr. 595, 625 und 636.

VI. Fälle 1. BGE 137 III 153 ff. Gutgläubiger Erwerb von dinglichen Rechten an Grundstücken nach Art. 973 Abs. 1 ZGB (hier beim Streit um ein Wegrecht); Grenzen des guten Glaubens, insbesondere durch Art. 3 Abs. 2 ZGB; «natürliche Publizität». 2. BGE 98 III 15 ff. Klage auf Grundbuchberichtigung infolge der Unverbindlichkeit eines Grundstückkaufvertrags (Grundlagenirrtum bezüglich der Bebaubarkeit).

99

Schmid, BaKomm, N 34 ff. zu Art. 977 ZGB.

645

170

Das Grundbuch

3. BGE 137 III 293 ff. Klage auf Grundbuchberichtigung nach Art. 975 ZGB als Feststellungsklage; Aktivlegitimation; Verhältnis zur allgemeinen Feststellungsklage («Grundbuchberichtigungsklage sui generis»). 4. BGE 127 III 195 ff. (zum alten Recht) Berichtigung des Grundbuchs nach aArt. 976 ZGB; Vorgehen des Grundbuchverwalters. 5. BGE 117 II 43 ff. Berichtigung des Grundbuchs nach Art. 977 ZGB.

3. Kapitel: Das Eigentum 1. Eigentum («la propriété») ist nach dem Gesagten (vorne Nr. 31) das dingliche Vollrecht, also das grundsätzlich umfassende Herrschaftsrecht an einer Sache (vgl. im Einzelnen hinten Nr. 653 ff.). Es wird vom Gesetz in privatrechtlicher Hinsicht zu Beginn des Sachenrechts geregelt, nämlich in der ersten Abteilung des vierten Teils (Art. 641–729 ZGB als «sedes materiae»). Das ZGB gliedert wie folgt:

646

– 18. Titel: Allgemeine Bestimmungen («Dispositions générales»; Art. 641–654a ZGB); – 19. Titel: Das Grundeigentum («De la propriété foncière»; Art. 655–712t ZGB); – 20. Titel: Das Fahrniseigentum («De la propriété mobilière»; Art. 713–729 ZGB). Bestimmungen, die Fragen des Eigentumsrechts betreffen, kommen – als «leges fugitivae» – aber auch in anderen Abteilungen des Sachenrechts, im übrigen ZGB (etwa Art. 560 ZGB) sowie im OR (zum Beispiel Art. 235 OR) vor.

647

Zu beachten sind sodann auch Nebengesetze. Für das Grundeigentum spielt namentlich das BGBB eine wichtige Rolle; darauf ist zurückzukommen (hinten Nr. 993 f.).

2. Neben den privatrechtlichen Vorschriften wird das Eigentum wesentlich von Regeln des öffentlichen Rechts normiert. Im Vordergrund steht die Eigentumsgarantie der Bundesverfassung (Art. 26 BV).1 Diese Garantie schützt – nach klassischer Auffassung – den Einzelnen vor staatlichen Eingriffen in sein Eigentum; sie umfasst namentlich eine Institutsgarantie und eine Bestandesgarantie.

648

Anstelle vieler vgl. etwa BGE 119 Ia 348 ff. (353), E. 2a: «Les mesures étatiques portant atteinte au droit de propriété ne sont compatibles avec l’art. 22ter Cst. [= aBV von 1874] que si elles reposent tant pour entraîner une restriction du droit de la propriété et respecter le principe de la proportionnalité (…). Quelle que soit l’importance de l’intérêt public à prendre en considération, cette institution fondamentale de l’ordre juridique suisse ne doit être vidée de sa substance; la possibilité d’acquérir la propriété privée, d’en jouir et de l’aliéner doit être en principe maintenue (…).»2 Illustrativ auch BVerfGE 24, S. 367 ff. (389): «Das Eigentum ist ein elementares Grundrecht, das in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie der persönlichen Freiheit steht. Ihm kommt im Gesamtgefüge der Grundrechte die Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich sicherzustellen und ihm damit eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen. Die Garantie des Eigentums als Rechtseinrichtung dient der Sicherung dieses Grundrechts. Das Grundrecht des Einzelnen setzt das Rechtsinstitut ‹Eigentum› voraus; es wäre nicht wirksam gewährleistet, wenn der Gesetzgeber an die Stelle des Privateigentums etwas setzen könnte, was den Namen ‹Eigentum› nicht mehr verdient.»

3. Die Darstellung des Stoffs beschränkt sich auf die wichtigsten privatrechtlichen Fragen und folgt der Gliederung des ZGB. In den drei folgenden Abschnitten wird demnach die Rede sein:

1 2

Vgl. zum Beispiel m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil, N 364 ff. Zur Bedeutung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK bei Eigentumseingriffen vgl. auch BGE 125 II 417 ff. (420), E. 4b; zum Recht auf Achtung des Eigentums nach Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK (BBl 1968 Felix Schöbi, Der Schutz des Eigentums in Europa (…), recht 2000, S. 78 ff.

649

172

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

– von den allgemeinen Bestimmungen (Inhalt und Umfang des Eigentums sowie gemeinschaftliches Eigentum; nachfolgend Nr. 650 ff.); – vom Grundeigentum (hinten Nr. 806 ff.); und – vom Fahrniseigentum (hinten Nr. 1071 ff.).

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen (Art. 641–654a ZGB) 650

1. Die allgemeinen Bestimmungen, welche das Gesetz der Behandlung von Grundund Fahrniseigentum voranstellt, betreffen (nach den Randtiteln): – den Inhalt des Eigentums («Eléments du droit de propriété»; Art. 641 und 641a ZGB); Art. 641a ZGB (Grundsatzartikel «Tiere»; vorne Nr. 6) gehört systematisch gesehen nicht zum Inhalt des Eigentums. Die Einordnung der Norm unter diesen Titel ist wohl darauf zurückzuführen, dass das ZGB keine allgemeinen Bestimmungen zu den Sachen enthält (anders zum Beispiel vgl. auch §§ 285 und 285a ABGB).

– den Umfang des Eigentums («Etendue du droit de propriété»; Art. 642–645 ZGB); und – das gemeinschaftliche Eigentum («Propriété de plusieurs sur une chose»; Art. 646–654a ZGB). 651

2. Diese Regeln sind von allgemeiner Tragweite, gelten also sowohl für Immobilien wie auch für Mobilien. Immerhin ist jeweils zu prüfen, ob und inwieweit im Einzelfall besondere Normen zu beachten sind, welche die allgemeinen Regeln ergänzen oder gar verdrängen. So ist das Stockwerkeigentum (Art. 712a–712t ZGB) nichts anderes als besonders ausgestaltetes Miteigentum (Art. 712a Abs. 1 ZGB; hinten Nr. 726 und 1011). Die Bestimmungen von Art. 712a ff. ZGB gehen daher den allgemeinen Miteigentumsregeln (Art. 646–651a ZGB) vor.

§ 12 Der Inhalt des Eigentums 652

Einführende Literatur: – R ey, Band I, Nr. 565 ff. und 2031 ff. – SteinaueR, Band I, Nr. 1002 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 97.

§ 12 Der Inhalt des Eigentums

I.

173

Allgemeines

1. Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, den gesetzlichen Bestimmungen (Art. 641 ff.

653

aus der gesamten Rechtsordnung ermittelt werden. Unter Eigentum (im Sinn von Eigentumsrecht) versteht man jenes Recht, das seinem Träger die umfassende und ausschliessliche Herrschaft über eine Sache einräumt. Im Einzelnen bedeutet dies (vgl. auch vorne Nr. 18 ff.): – Das Eigentum ist ein dingliches Recht, das als absolutes Recht – im Gegensatz zum obligatorischen Recht – gegenüber jedermann («erga omnes») gilt. Der Eigentümer hat unter diesem Gesichtspunkt grundsätzlich eine «Ausschliessungsbefugnis»: die Befugnis, Dritte an der Einwirkung auf die Sache zu hindern.

654

Auf die Folgen der absoluten Wirkung im Fall der Zwangsvollstreckung gegen den Besitzer (der nicht Eigentümer ist) wurde bereits hingewiesen (vorne Nr. 19).

– Das Eigentum ist ein umfassendes («unbeschränktes») dingliches Recht, gewährt also die Sachherrschaft in jeder Hinsicht: Der Eigentümer kann die Sache nutzen und über sie verfügen – im Gegensatz zu den beschränkten dinglichen Rechten, bei denen dem Berechtigten nur eine beschränkte Sachherrschaft zukommt.

655

2. Das Gesetz regelt den Inhalt des Eigentums in Art. 641 ZGB (vgl. den Randtitel; französisch «éléments du droit de propriété»). Diese Bestimmung räumt dem Eigentümer verschiedene Rechte ein (im Einzelnen Nr. 657 ff.):

656

– einerseits ein Verfügungsrecht über die Sache gemäss Art. 641 Abs. 1 ZGB; – andererseits Klagerechte zum Schutz des Eigentums nach Art. 641 Abs. 2 ZGB. Formal gesehen, ist das Eigentum das unbeschränkte Sachenrecht. Dies bedeutet aber nicht, dass es – materiell betrachtet – keinen Schranken unterworfen wäre. Sowohl das öffentliche Recht1 als auch das Privatrecht setzen der Ausübung des Eigentums Grenzen (hinten Nr. 686 ff.). So bestimmt schon Art. 641 Abs. 1 ZGB, dass der Eigentümer über seine Sache nur «in den Schranken der Rechtsordnung» («dans les limites de la loi») verfügen darf.2 Ausserdem kann der Eigentümer selber seine Sachherrschaft begrenzen, indem er einem Dritten ein beschränktes dingliches Recht an der Sache oder ein obligatorisches Recht auf die Sache einräumt (rechtsgeschäftliche Schranken; hinten Nr. 689). Das Eigentum stellt aber weiterhin das Vollrecht dar, auch wenn die Beschränkungen im konkreten Fall sehr einschneidend sein können.

II. Die einzelnen Rechte des Eigentümers nach Art. 641 ZGB 1.

Das Verfügungsrecht nach Art. 641 Abs. 1 ZGB

1. Art. 641 Abs. 1 ZGB setzt im Tatbestand voraus, dass jemand Eigentümer einer (beweglichen oder unbeweglichen) Sache ist.

1 2

Etwa BGE 123 II 560 ff. (565 f.), E. 3c. Vgl. auch BGE 130 II 394 ff. (408), E. 8.2. Zur Streitfrage, ob diese Schranken von aussen auf das Eigentum wirken oder im Eigentumsbegriff enthalten sind, vgl. beRnhaRd Waldmann (zitiert in Nr. 690), S. 656 ff. mit Hinweisen.

657

174

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

Zum Erwerb von Grund- und Fahrniseigentum siehe hinten Nr. 831 ff. und 1088 ff. 658

2. Als Rechtsfolge ordnet die Bestimmung an, dass der Eigentümer über die Sache in den Schranken der Rechtsordnung beliebig verfügen kann («le droit d’en disposer librement, dans les limites de la loi»). Das Verfügungsrecht wird bisweilen als positive Seite der Eigentumsherrschaft bezeichnet.3 Im Einzelnen: – Der Eigentümer kann über die Sache verfügen. Der Begriff «verfügen» wird hier vom Gesetz in einem sehr weiten Sinn verwendet. Er umfasst einerseits ein tatsächliches Verfügen (wie Gebrauch, Verbrauch, Zerstörung der Sache, Einfriedung des Grundstücks4), andererseits aber auch ein rechtliches Verfügen; gen oder dingliche Belastungen in Bezug auf die Sache einzugehen (Vermietung einer Wohnung, Einräumen eines Baurechts, Verpfändung oder Veräusserung der Sache). Das Verfügungsrecht umfasst auch die Befugnis des Eigentümers eines bereits mit Grundpfandrechten belasteten Grundstücks, weitere Lasten auf das Grundstück zu legen, namentlich Dienstbarkeiten und Grundlasten. Art. 812 Abs. 1 ZGB erklärt dieses Recht für zwingend und ist damit Ausdruck der privatrechtlichen Eigentumsfreiheit5 (im Einzelnen vgl. hinten Nr. 1169 ff.).

– Das Verfügungsrecht besteht nur (aber immerhin) in den Schranken der Rechtsordnung (vgl. dazu hinten Nr. 686 ff.).

2. 659

Die Klagerechte nach Art. 641 Abs. 2 ZGB

Das ZGB räumt dem Eigentümer in Art. 641 Abs. 2 zum Schutz seines Eigentums gewisse Rechte ein, die gelegentlich als negative Seite der Eigentumsherrschaft bezeichnet werden.6 Dabei geht es – anders als im Besitzesrecht (Art. 926 ZGB, vorne Nr. 224 ff.) – nicht um ein Recht auf Selbsthilfe, sondern um Klagerechte (die prozessuale Abbilder dinglicher Ansprüche sind). Art. 641 Abs. 2 ZGB unterscheidet zwei Fälle: – Entweder wird die Sache dem Eigentümer vorenthalten. Hier hilft ihm die Klage des nicht (oder nicht unmittelbar) besitzenden Eigentümers gegen den zu Unrecht besitzenden Nichteigentümer auf Herausgabe der Sache (Herausgabeklage, Vindikation, Eigentumsklage, «rei vindicatio», «l’action en revendication»; nachfolgend A.). – Oder es erfolgt eine ungerechtfertigte Einwirkung auf die Sache des Eigentümers: Der Abwehr solcher Einwirkungen – also der Unterbindung jeder Störung der Sache – dient die Eigentumsfreiheitsklage (Negatorienklage, «actio negatoria», «l’action négatoire»; B.). Diese beiden materiellen Klagen (Herausgabeklage und Eigentumsfreiheitsklage) sind zu unterscheiden von weiteren Rechtsbehelfen (hinten C.), namentlich von den Behelfen des Besitzesschutzes (vorne Nr. 209 ff.) und der Fahrnisklage (vorne Nr. 282 ff. und 303 ff.). Die Fahrnisklage ist in

3 4 5 6

m eieR-h ayoz, BeKomm, N 26 ff. zu Art. 641 ZGB. BGE 99 II 28 ff. (31 f.), E. 3a. leemann, BeKomm, N 9 zu Art. 812 ZGB. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 32 zu Art. 641 ZGB.

§ 12 Der Inhalt des Eigentums

175

der Regel einfacher und schneller durchsetzbar, da bei ihr das Eigentumsrecht an der Sache nicht bewiesen werden muss, sondern der Besitznachweis genügt (zum Verhältnis Eigentumsklage–Fahrnisklage siehe vorne Nr. 319 ff.).

A.

Die Herausgabeklage (Vindikation, Eigentumsklage, «rei vindicatio»)

1. Art. 641 Abs. 2 ZGB, erster Fall, setzt im Tatbestand voraus, dass die Sache dem Eigentümer vom nicht berechtigten Besitzer vorenthalten wird. Dieses Vorenthalten muss widerrechtlich – ohne Rechtfertigungsgrund («sans droit») – sein.

660

Mit Rechtfertigungsgrund und daher zu Recht wird die Sache vorenthalten, wenn die Besitzerin ihren Sachbesitz auf ein (vom Eigentümer selber bestelltes) obligatorisches oder auf ein beschränktes dingliches Recht stützt. Als Rechtfertigungsgrund kommt insbesondere auch ein Retentionsrecht (allgemein: Art. 895 ff. ZGB, hinten Nr. 1918 ff.) in Betracht.

2. Als Rechtsfolge ordnet die Bestimmung an, dass der Eigentümer die Sache herausverlangen («vindizieren») kann. Er verfügt also über einen dinglichen Herausdes Ausschliesslichkeitsrechts des Eigentümers, also eine Wirkung des absoluten Rechts. Wird der Herausgabeanspruch vom Sachbesitzer nicht (aussergerichtlich) erfüllt, so kann der Eigentümer auf dem Klageweg gerichtlichen Rechtsschutz verlangen. Ziel dieser Herausgabeklage (Vindikation, Eigentumsklage, «rei vindicatio», «l’action en revendication») ist nach dem Gesagten die Übertragung des unmittelbaren Besitzes an der Sache auf den Eigentümer. Zu beachten bleibt Folgendes:7 – Der Beklagte hat nicht nur die Wegnahme zu dulden, sondern muss vielmehr die Sache herausgeben. Bei der Herausgabeklage handelt es sich also um eine Leistungsklage (Art. 84 ZPO).8 Hat der Eigentümer dadurch, dass ihm die Sache widerrechtlich vorenthalten wurde, einen Schaden erlitten, kann er gestützt auf Art. 41 ff. OR Schadenersatz verlangen.9

661

662

662a

Solange der Eigentümer zur Vindikation berechtigt ist, steht ihm gegenüber dem Sachbesitzer kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu; die Herausgabeklage nach Art. 641 Abs. 2 ZGB schliesst mit anderen Worten den Bereicherungsanspruch gemäss Art. 62 OR aus.10

– Aktivlegitimiert ist jeder Eigentümer – sowohl der überhaupt nicht besitzende als auch der nur mittelbar besitzende. Bei Miteigentum (hinten Nr. 723 ff.) ist der einzelne Miteigentümer zur Klage berechtigt: gegenüber einem Miteigentümer auf Einräumen des Mitbesitzes und gegenüber einem Dritten auf Herausgabe der Sache, und zwar in der Regel auf Herausgabe an alle Miteigentümer.11 Bei Gesamteigentum (hinten Nr. 791 ff.) müssen die Gesamteigentümer den Anspruch gemeinsam einklagen (Art. 653 Abs. 2 ZGB; notwendige Streit-

7 8 9 10 11

m eieR-h ayoz, BeKomm, N 56 ff. zu Art. 641 ZGB. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 61 zu Art. 641 ZGB. BGE 135 III 474 ff. (480), E. 3.3.2; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 88 und N 161 zu Art. 641 ZGB. BGE 135 III 474 ff. (480), E. 3.3.1 mit Hinweisen. R ey, Band I, Nr. 2038.

663

176

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

genossenschaft) und die Herausgabe an die Gemeinschaft zur gesamten Hand verlangen.12 – Passivlegitimiert ist diejenige Person, die im Zeitpunkt der Klageanhebung Besitzerin der Sache ist. Bei mehrfachem Besitz kann der Kläger sowohl gegen den unmittelbaren als auch gegen den mittelbaren Besitzer (oder gegen beide als Streitgenossen) vorgehen.13 Der Besitzdiener ist hingegen nicht anspruchsver-

664

14

– Der Kläger hat keine Klagefrist einzuhalten, da die Herausgabeklage keiner Verjährung unterliegt.15

665

Zu beachten sind jedoch die Fälle, in denen das Eigentumsrecht des Klägers aus anderen Gründen untergeht, etwa weil ein Dritter durch Ersitzung Eigentümer der Sache wird16 (hinten Nr. 858 f.) oder weil ein gutgläubiger Dritter das Eigentum nach Art. 714 Abs. 2 i.V.m. Art. 933/935 ZGB (Nr. 302 und 1135) oder Art. 973 Abs. 1 ZGB (Nr. 592 f.) erwirbt (vgl. auch Nr. 667).

– Klägerisches Beweisthema: Der Kläger muss beweisen, dass er Eigentümer der

666

tig erworben hatten («probatio diabolica»); der Kläger kann sich hierbei jedoch regelmässig auf die Eigentumsvermutungen von Art. 930 ff. ZGB (bei Fahrnis; vorne Nr. 258 ff.) und Art. 937 ZGB (bei Grundstücken; vorne Nr. 600 ff.) berufen.17 – Der Beklagte hat folgende Verteidigungsmöglichkeiten:18

667

• Er kann zunächst einwenden, der Kläger sei nie Eigentümer gewesen. • Er kann sodann einwenden, dass der Kläger wohl früher (allenfalls) Eigentümer der Sache gewesen sei, dass er (der Beklagte) die Sache jedoch gültig zu Eigentum erworben habe (Ersitzung nach Art. 661 ff. und 728 ZGB; gutgläubiger Erwerb nach Art. 933, 935 und 973 ZGB) – und damit das frühere Eigentum des Klägers untergegangen sei. • Er kann schliesslich einwenden, dass – obwohl der Kläger (allenfalls) Eigentümer sei – er (der Beklagte) einen gültigen Titel zum Besitz der Sache habe, mit anderen Worten seinen Sachbesitz auf ein beschränktes dingliches Recht (etwa auf ein Retentionsrecht) oder auf ein (vom Eigentümer selber bestelltes) obligatorisches Recht stütze. Hierfür trägt der Beklagte die Beweislast.19 Gelingt dieser Nachweis, so ist das Vorenthalten der Sache gerechtfertigt, weshalb die Herausgabeklage abgewiesen werden muss.

12

13 14

15 16 17 18 19

Wiegand, BaKomm, N 44 zu Art. 641 ZGB. Zur Möglichkeit eines Gesamteigentümers, gestützt auf eine analoge Anwendung von Art. 648 Abs. 1 ZGB (dazu hinten Nr. 742 f.) allenfalls auch allein zu handeln, vgl. immerhin SteinaueR, Band I, Nr. 1019a und 1385. BGer 5C.119/2002, E. 3; 5A_583/2012, E. 3.1.1. Zum Ganzen siehe BGer 5C.119/2002, E. 3; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 60 zu Art. 641 ZGB; Wiegand, BaKomm, N 47 f. zu Art. 641 ZGB. BGE 48 II 38 ff. (47), E. 2c. SteinaueR, Band I, Nr. 1023a. Zum Ganzen m eieR-h ayoz, BeKomm, N 67 zu Art. 641 ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 1021 und 380. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 62 ff. zu Art. 641 ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 1022. BGer 4C.265/2002, E. 2.1.

177

§ 12 Der Inhalt des Eigentums

– Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die Abtretung des Herausgabeanspruchs nicht möglich, und zwar weder in Form einer unselbständigen Vindikationszession (Abtretung des Herausgabeanspruchs als Traditionssurrogat zur Übertragung des Eigentums durch den besitzlosen Eigentümer; vgl. bereits vorne Nr. 150) noch in Form einer selbständigen Vindikationszession (Abtretung des Herausgabeanspruchs ohne die Absicht, Eigentum zu übertragen).20

668

– Umstritten ist, ob Art. 66 OR, wonach nicht zurückgefordert werden kann, was in der Absicht gegeben worden ist, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg

668a

21

3. Der Herausgabeklage kommt vor allem wegen der kausalen Natur des Eigentumsübergangs (Kausalitätsprinzip) erhebliche Bedeutung zu: Erweist sich das Grundgeschäft als ungültig, so ist das Recht, über das «verfügt» wurde, nicht wirksam auf den «Erwerber» übergegangen (zum Beispiel Nr. 849). Folglich kann der Veräusserer – der ja Eigentümer geblieben ist – die Sache grundsätzlich vindizieren.22 Vorbehalten bleiben die Ersitzung durch den Erwerber und der Schutz des gut-

669

Die Gültigkeitsmängel des Grundgeschäfts können namentlich bestehen in der Handlungsunfähigkeit eines Beteiligten, in einem Form- oder Inhaltsmangel oder in einem fristgerecht geltend gemachten Willensmangel (Irrtum, Täuschung, Furcht; ferner Übervorteilung).

B.

Die Eigentumsfreiheitsklage (Abwehrklage, Negatorienklage, «actio negatoria»)

1. Art. 641 Abs. 2 ZGB, zweiter Fall, setzt im Tatbestand voraus, dass jemand ungerechtfertigterweise auf die Sache des Eigentümers einwirkt. Im Einzelnen:

670

– Eine fremde Person – ein «Störer» – wirkt auf die Sache ein. Als «Einwirkung» («l’usurpation») gilt jede Einschränkung der rechtlichen oder tatsächlichen Möglichkeit zur Sachherrschaft, anders formuliert «jeder störende körperliche oder immaterielle Eingriff in das Eigentum»23. Hingegen wird nicht vorausgesetzt, dass der Eingriff schädigend sei.24

671

Beispiele: a. Eine fremde Person deponiert Material (etwa Bauschutt25) auf dem Grundstück oder beginnt gar, darauf zu bauen (oder greift sonst wie unmittelbar in die Substanz des Grund-

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21

22 23

24

25

BGE 132 III 155 ff. (160 ff.), E. 6; anders noch BGE 122 III 1 ff. (2), E. 2, und BGer 5C.119/2002, m eieR-h ayoz, BeKomm, N 73 zu Art. 641 ZGB mit Hinweisen; Wiegand, BaKomm, N 55 f. zu Art. 641 ZGB. Ausführlich FelicitaS einSele-Wili, Die Vindikationszession, Diss. Zürich 1975, S. 80 ff. Vgl. dazu gauch /SchlueP/Schmid, Nr. 1553 f. mit Hinweisen; yveS Rüedi, Berner Kommentar, Bern 2011, N 511 ff. zu Art. 66 OR; h eRmann Schulin, Basler Kommentar, 6. A., Basel 2015, N 6 zu Art. 66 OR. Das Bundesgericht hat die Frage bis jetzt offengelassen; vgl. BGer 4A_293/2008, E. 3.3. R ey, Band I, Nr. 2035. BGE 132 III 651 ff. (654), E. 7, bestätigt in BGer 5A_639/2010, E. 2.1; vgl. auch BGE 132 III 9 ff. (14), E. 3.6 («défense contre les personnes qui troublent ses droits»; «interdire un trouble porté à sa propriété»). BGE 132 III 651 ff. (654), E. 7, bestätigt in BGer 5A_639/2010, E. 2.1; BGE 131 III 505 ff. (508), BGE 100 II 307 ff. (309).

178

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

stücks ein26). – b. Jemand behauptet ein beschränktes dingliches Recht an der Sache. – c. Jemand benützt einen Fuss- oder Fahrweg, der über das Grundstück führt.27 – d. Grundstück in geringer Höhe28 (vgl. auch Art. 667 ZGB und dazu hinten Nr. 885 ff.). – e. Jemand spannt ein Kabel oder führt eine Erdseil-Leitung über das Grundstück.29 f. Eine Person errichtet ein Gebäude, das über die Grenze in das Nachbargrundstück hineinragt, sei es oberirdisch,30 sei es durch eine unterirdische Betonhinterfüllung31. – g. Ein Stockwerkeigentümer (oder ein Dritter) beansprucht Besitz an Räumlichkeiten, die zum Sonderrecht eines anderen Stockwerkeigentümers gehören.32

– Die Einwirkung muss «ungerechtfertigt», das heisst widerrechtlich sein.33 Der Störer darf sich also auf keinen Rechtfertigungsgrund berufen können. Solche Gründe ergeben sich entweder aus dem Gesetz34 (wie zum Beispiel ein gesetzliches Wegrecht, Art. 695 ZGB; ein sonstiges Betretungsrecht, Art. 699–701 ZGB) oder beruhen auf Zustimmung des Berechtigten (beispielsweise durch Einräumen eines Baurechts, Art. 779 ZGB).

672

Das Widerrechtlichkeitserfordernis ist im französischen Gesetzestext im Wort «usurpation» enthalten. Der italienische Text formuliert hingegen ausdrücklich «… respingere qualsiasi indebita ingerenza». 673

– Die Störung muss bestehen oder unmittelbar drohen (Rechtsschutzinteresse!).35 Ist die Störung beendet und droht keine Wiederholung, so steht dem Eigentümer lediglich eine Schadenersatzklage nach Art. 41 oder allenfalls Art. 97 OR offen.36

674

– Die Störung darf nicht blosse Folge der Ausübung des Eigentumsrechts an einem Nachbargrundstück sein; das ist zum Beispiel der Fall, wenn von einem als Fussballplatz genutzten Grundstück Fussbälle infolge von Fehlstössen auf das angrenzende Grundstück gelangen.37 Für diese Konstellation sieht Art. 679 ZGB eine Regelung vor, die als «lex specialis» dem Art. 641 Abs. 2 ZGB vorgeht (hinten Nr. 962). Wird jedoch unmittelbar in die Substanz eines Grundstücks eingegriffen, wie beispielsweise bei Abgrabungen auf diesem Grundstück infolge von Strassenbauarbeiten auf einem Nachbargrundstück, so steht dem Eigentümer gestützt auf Art. 641 Abs. 2 ZGB ein Anspruch auf Beseitigung des Störungszustandes zu.38

26 27 28

29 30 31 32 33

BGE 131 III 505 ff. (508), E. 5.1. BGer vom 1. Dezember 1997, in ZBGR 80/1999, S. 301 ff. (308), E. 3c. LGVE 1999 I Nr. 9, S. 14 ff. = SJZ 97/2001, S. 13 ff. (Luzerner Obergericht); vgl. auch BGE 134 III 248 ff. (251), E. 4. BGE 132 III 651 ff. (654 f.), E. 7. BGE 131 III 505 ff. (508), E. 5.1. BGer 5A_655/2010, E. 2.2.1. BGE 132 III 9 ff. (14 f.), E. 3.6. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 100 f. zu Art. 641 ZGB.

34

35 36 37 38

Duldung der Einwirkung»; vgl. auch BGer 5A_393/2016, E. 2.1. BGer 5A_325/2011, E. 2.1.1. SteinaueR, Band I, Nr. 1039. BGer 5A_884/2012, E. 4.2. Grundlegend BGE 111 II 24 ff. Bestätigt in BGE 131 III 505 ff. (508), E. 5.1; BGer 5A_732/2008, E. 3.3.1; 5A_884/2012, E. 4.1.

179

§ 12 Der Inhalt des Eigentums

Diese in der Theorie klare Unterscheidung kann in der Praxis zu heiklen Abgrenzungsfragen führen.39

– Nicht vorausgesetzt ist ein Verschulden des Störers; auch eine urteilsunfähige Person kommt demnach als Störerin in Betracht.40 Ebenfalls spielt es grundsätz-

675

keine Rolle, ob der in der Eigentumsstörung liegende Nachteil für den betroffenen Eigentümer im Verhältnis zu den Kosten, die der Störer zur Beseitigung aufwenden muss, als geringfügig anzusehen ist.41 2. Als Rechtsfolge ordnet die Bestimmung an, dass der Eigentümer das Recht hat, jede ungerechtfertigte Einwirkung abzuwehren («repousser toute usurpation»). Er verfügt also über einen dinglichen Abwehranspruch, der einen Unterlassungsanspruch gegenüber dem Störer mit umfasst. Auch dieser dingliche Anspruch ist AusRechts (vgl. bereits vorne Nr. 661). Wird der Abwehr- und Unterlassungsanspruch vom Störer nicht (aussergerichtlich) erfüllt, so kann der Eigentümer auf dem Klageweg gerichtlichen Rechtsschutz verlangen. Ziel dieser Eigentumsfreiheitsklage (Abwehrklage, Negatorienklage, «actio negatoria», «l’action négatoire») ist die Erhaltung des Eigentums im ungestörten Zustand. Zu beachten bleibt Folgendes: – Je nach Art der Störung geht die Klage auf Beseitigung einer bestehenden Beeinträchtigung (Beseitigungsklage) oder auf Unterlassung einer drohenden Störung (Unterlassungsklage). Dazu gehört nach der Praxis auch ein Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands,42 der gegebenenfalls auf dem Weg der Ersatzvornahme durchgesetzt werden kann.43 Die Klage aus Art. 641 Abs. 2 ZGB richtet sich jedoch nie auf Schadenersatz; ein solcher Anspruch lässt

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677

678

44

Die Praxis gewährt die Eigentumsfreiheitsklage auch dann, wenn dem Kläger ein Kapprecht nach Art. 687 Abs. 1 ZGB – als Selbsthilferecht – zusteht (hinten Nr. 969a).

– Aktivlegitimiert ist der Eigentümer, der in der Herrschaft über seine (bewegliche oder unbewegliche) Sache beeinträchtigt wird. Ebenso klageberechtigt ist der Miteigentümer, und zwar sowohl einem anderen Miteigentümer45 als auch einem Dritten gegenüber, Letzteres selbst dann, wenn die anderen Miteigentümer mit der Störung ausdrücklich einverstanden sind.46 Gesamteigentümer müssen den Anspruch gemeinsam einklagen (Art. 653 Abs. 2 ZGB; notwendige Streitgenossenschaft).47

39

40 41 42 43 44 45 46 47

Vgl. dazu bettina hüRlimann-K auP, Die sachenrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2013, ZBJV 151/2015, S. 506 ff. (523 ff.). m eieR-h ayoz, BeKomm, N 97 und 104 zu Art. 641 ZGB. BGer 5A_655/2010, E. 2.2.1; 5A_639/2010, E. 5.3; 5A_11/2015, E. 4.3.2.1; 5A_106/2015, E. 3.2. BGE 100 II 307 ff. (309); BGer 5A_732/2008, E. 3.3.1; 5A_106/2015, E. 3.2. BGer 5A_732/2008, E. 3.3.1. R ey, Band I, Nr. 2050. ZWR 33/1999, S. 203 ff. (205), E. 3 (Walliser Kantonsgericht). BGE 95 II 397 ff. (402), E. 2b. SteinaueR, Band I, Nr. 1030a und 1385 (unter Vorbehalt einer analogen Anwendung von Art. 648 Abs. 1 ZGB; dazu hinten Nr. 742 f.).

679

180

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

– Passivlegitimiert ist der Störer. Es kann sich einerseits um den unmittelbaren Täter handeln, andererseits aber auch um die Person, die die Störung veranlasst, toleriert, begünstigt oder gar erst ermöglicht.48

680

So muss eine Vermieterin allenfalls für Störungshandlungen einstehen, welche ihre Mieter begangen haben.49

– Die Klage ist grundsätzlich unverjährbar.50 Vorbehalten bleibt die Rechtsmissbrauchsschranke von Art. 2 Abs. 2 ZGB, wenn der Eigentümer eine Störung während langer Zeit geduldet hat.51 Das Bundesgericht schliesst in diesem Zusammenhang allerdings nur sehr zurückhaltend auf Rechtsmissbrauch.52

681

Zu beachten sind ausserdem besondere gesetzliche Bestimmungen, die das Abwehrrecht befristen (vgl. Art. 674 Abs. 3 und Art. 685 Abs. 2 ZGB). 682

– Klägerisches Beweisthema: Der Kläger muss beweisen, dass er der Eigentümer der Sache ist (zur «probatio diabolica» siehe vorne Nr. 666).

683

– An Verteidigungsmöglichkeiten steht dem Beklagten namentlich der Nachweis eines Rechtfertigungsgrundes offen.53 So verschafft ihm etwa ein vertraglich begründetes oder von Gesetzes wegen bestehendes Fusswegrecht die Befugnis, ein fremdes Grundstück (im Umfang seines Wegrechts) zu betreten. Bei einem Überbau (einer in das Nachbargrundstück hineinragenden Baute) kann er nach Massgabe gegen angemessene Entschädigung ein Überbaurecht eingeräumt wird (Nr. 899 f.).54

– Die Eigentumsfreiheitsklage (die zuweilen auch Eigentumsfreiheitsanspruch genannt wird) ist derart mit dem dinglichen Recht verknüpft, dass sie nur zusammen mit diesem Recht übertragen werden kann.55

684

C. 685

Exkurs: weitere mögliche Behelfe des Eigentümers

Ausserhalb von Art. 641 ZGB gewährt das Recht dem Eigentümer – allenfalls unter zusätzlichen Voraussetzungen – weitere Rechtsbehelfe. Sie seien hier in Stichworten aufgeführt:56 – Behelfe des Besitzesschutzes und Fahrnisklage (Art. 926 ff., 934 und 936 ZGB; Nr. 209 ff. und 303 ff.); – Klage aus dem Bucheintrag (Art. 937 Abs. 1 ZGB; vorne Nr. 608);

48 49 50 51

52

53 54 55 56

ZR 109/2010, Nr. 46, S. 166 ff. (168), E. 5.4 (Zürcher Obergericht). m eieR-h ayoz, BeKomm, N 106 zu Art. 641 ZGB. BGE 111 II 24 ff. (26), E. 2b; BGer 5C.307/2005, E. 6.2. BGer 5C.307/2005, E. 6.2 (Rechtsmissbrauch verneint bei Untätigkeit des Eigentümers während 18 Monaten); 5A_214/2015, E. 3.3 (Rechtsmissbrauch verneint bei Untätigkeit während vier Jahren); SteinaueR, Band I, Nr. 1040. BGE 127 III 506 ff. (514), E. 4a; BGer 5A_11/2015, E. 4.1; 5A_851/2010, E. 6.1; 5C.307/2005, E. 6.2. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 110 zu Art. 641 ZGB. BGer 5A_732/2008, E. 3.3.2; angedeutet auch in BGer 5A_655/2010, E. 2.2.2 und 3. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 116 zu Art. 641 ZGB. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 81 ff., 121 ff. und 128 ff. zu Art. 641 ZGB; R ey, Band I, Nr. 2059 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 1016.

§ 12 Der Inhalt des Eigentums

181

– Befugnisse zur Selbsthilfe nach Art. 52 OR (dazu Art. 687 Abs. 1, Art. 700, 701 ZGB und Art. 57 OR); – Klage auf Feststellung des Eigentums (Voraussetzung: Feststellungsinteresse);57 – Erbschaftsklage (Art. 598–600 ZGB), wenn das Eigentum aus der Erbenqualität abgeleitet wird; – Grundbuchberichtigungsklage (Art. 975 ZGB; vorne Nr. 614 ff.); – Klage aus Nachbarrecht (Art. 679 ZGB; hinten Nr. 952 ff.); sie verdrängt als «lex specialis» die Klage aus Art. 641 ZGB (vorne Nr. 674 und hinten Nr. 962); – Abgrenzungs- und Grenzscheidungsklage, beide abgeleitet aus Art. 669 ZGB58 (hinten Nr. 882 f.); – weitere sachenrechtliche Behelfe;59 Beispiele: Klage auf Ausschluss einer Person aus der Gemeinschaft der Mit- oder Stockwerkeigentümer (Art. 649b ZGB); Teilungsklage beim Miteigentum (Art. 650 und 651 Abs. 2 ZGB); Klage aus Einbau (Art. 671 ff. ZGB).

– Klagen des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts (Art. 106–109 und 242 SchKG); – Klagen auf (vertraglichen oder ausservertraglichen) Schadenersatz bei Beschädigung der Sache oder nach Art. 938–940 ZGB (vorne Nr. 335 ff.); – Anrufen der Eigentumsgarantie gegen Eingriffe des Staates, etwa im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde (vorne Nr. 648).

III. Die Schranken des Eigentumsrechts (Übersicht) 1.

Gesetzliche Schranken

Gesetzliche Schranken des Eigentumsrechts, wie sie in Art. 641 Abs. 1 ZGB vorbehalten werden, können entweder auf öffentlichem Recht (Beispiel: Bauverbot aus raumplanungsrechtlichen Gründen) oder auf Privatrecht beruhen (Beispiel: Verbot übermässiger Immissionen nach Art. 684 ZGB; vgl. allgemein Art. 680–712 ZGB). Weiter werden unterschieden60 (für das Grundeigentum im Einzelnen hinten Nr. 912 ff.):

686

– Allgemeine Schranken, die für das ganze Privatrecht (und somit auch für das Eigentum) gelten. Darunter fällt vor allem die allgemeine Rechtsmissbrauchsschranke von Art. 2 Abs. 2 ZGB.61

687

Weitere Beispiele: a Todes wegen beschränken (Art. 470 ff. ZGB). – b. Die allgemeinen Schranken der Vertragsfreiheit (Art. 19 und 20 OR).

57 58 59 60 61

BJM 1995, S. 129 ff. (130 ff.), E. 3 (Obergericht Basel-Land). R ey, Band I, Nr. 2064 ff. R ey, Band I, Nr. 2144 ff. SteinaueR, Band I, Nr. 1010 ff. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 37 zu Art. 641 ZGB.

182 688

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

– Besondere Schranken, die nur für das Eigentum vorgesehen sind. Diese können sich aus Privatrecht oder aus öffentlichem Recht ergeben. Hier wird weiter unterteilt in: • unmittelbare Schranken, die sich direkt aus dem Gesetz ergeben, das heisst ohne dass es eines speziellen privaten oder behördlichen Aktes bzw. einer Eintragung in das Grundbuch bedarf (vgl. Art. 680 Abs. 1 ZGB); Beispiele: a. Das Vorkaufsrecht unter Miteigentümern nach Art. 682 ZGB. – b. Die nach Art. 11 ff. URG dem Eigentum durch das Urheberrecht auferlegten Schranken, namentlich das Verbot der Verletzung der Urheberpersönlichkeit (Art. 11 Abs. 2 URG).62

• mittelbare Schranken, wo das Gesetz dem Begünstigten einen Anspruch auf Einräumen eines Rechts an einem Objekt gewährt. Der Berechtigte muss den Anspruch geltend machen und allenfalls gerichtlich durchsetzen. Das Recht selbst – und damit die Beschränkung des Eigentums – entsteht im Bereich des Grundeigentums grundsätzlich erst mit der Eintragung in das Grundbuch. Beispiel: Das Notwegrecht nach Art. 694 ZGB (hinten Nr. 981 ff.).

2. 689

Gewillkürte Schranken

Der Eigentümer selber kann kraft der Privatautonomie (Art. 641 Abs. 1 ZGB und Art. 19 Abs. 1 OR) seine Sachherrschaft in bestimmter Weise einschränken: – durch Einräumen beschränkter dinglicher Rechte; Beispiel: Einräumen eines Wohnrechts nach Art. 776 ZGB; Einräumen eines Faustpfandrechts an Edelsteinen nach Art. 884 ZGB.

– durch Begründung obligatorischer Rechte; Beispiel: Vermieten eines Autos oder einer Wohnung.

– durch prekaristische Gestattung. Beispiel: Gestatten einer Wegbenutzung «auf Zusehen hin» (mit dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs), und zwar ohne der Benutzerin ein beschränktes dingliches oder obligatorisches Recht einzuräumen. Nach der Lehre erhält die Benutzerin damit keinerlei subjektives Recht; die Benut63

(hinten Nr. 1202).

62

63

BGE 120 II 65 ff. (69 f.), E. 8b; 142 III 387 ff. (392), E. 4.1 und (396 ff.), E. 4.5–4.6; deniS baRRelet/Willi e gloFF, Das neue Urheberrecht, Kommentar zum Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, 3. A., Bern 2008, N 13 ff. zu Art. 11 URG; RobeRt miRKo Stutz/ K athaRina SchindleR, Der urheberrechtliche Schutz und seine Schranken bei Werken der Baukunst (Überlegungen aus Anlass von BGE 120 II 65 ff.), recht 1995, S. 75 ff.; Sibylle WengeR beRgeR , Kein Werkintegritätsanspruch des Architekten bei Änderung eines Wohnhauses, BGE 142 III 87 vom 19. April 2016, BR/DC 2016, S. 336 ff. liveR, ZüKomm, N 59 zu Art. 730 ZGB und N 99 zu Art. 732 ZGB.

§ 12 Der Inhalt des Eigentums

183

IV. Weiterführende Literatur – bühleR theodoR, Zur Geschichte des Eigentumsbegriffs, SJZ 70/1974, S. 289 ff. und 305 ff. – FaRgnoli iole, Das «Verblassen» der Vindikation im schweizerischen Recht, ZEuP 2013, S. 643 ff. – R ey heinz, Negatoria, Schadenersatz und Wiederherstellungsanspruch kraft Richterrecht, in: Geiser Thomas et al. (Hrsg.), Privatrecht im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichem Wandel und ethischer Verantwortung, FS Hausheer, Bern 2002, S. 87 ff. – Schöbi Felix, Zur Unterscheidung von Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen (Urteilsanmerkung Zivilrecht, BGE 111 II 24), recht 1987, S. 65 ff. – SteinaueR Paul-henRi, La propriété privée aujourd’hui, Referate und Mitteilungen des Schweizerischen Juristenvereins 1981, Heft 2 (= ZSR 115/1981 II, S. 117 ff.), besonders S. 211 ff. – SutteR-Somm, Nr. 33 ff. und Nr. 56 ff. – Waldmann beRnhaRd, Eigentum und Eigentumsordnung, Einige Gedanken zum Recht auf Eigentum, in: Rumo-Jungo Alexandra et al. (Hrsg.), Une empreinte sur le Code civil, Mélanges en l’honneur de Paul-Henri Steinauer, Bern 2013, S. 653 ff.

V.

690

Fälle

1. BGE 95 II 397 ff. rung, gegen die sich der Grundeigentümer gestützt auf Art. 641 Abs. 2 ZGB zur Wehr setzen kann. Jeder Miteigentümer kann die Eigentumsfreiheitsklage erheben, auch wenn sich die anderen Miteigentümer mit der Störung einverstanden erklären. 2. BGE 111 II 24 ff. Wird durch Bauarbeiten auf einem Grundstück unmittelbar in die Substanz des Nachbargrundstücks eingegriffen, so hat dessen Eigentümer gestützt auf Art. 641 Abs. 2 ZGB Anspruch auf Beseitigung der Störung. Im Unterschied zum Anspruch nach Art. 679 ZGB, bei dem nur die Beseitigung des den Schaden verursachenden Zustandes auf dem Ausgangsgrundstück verlangt werden kann, ermöglicht es die Eigentumsfreiheitsklage, die Wiederherstellung des vorherigen Zustandes auf dem geschädigten Grundstück zu fordern. – Zur Abgrenzung der «mittelbaren» von den «unmittelbaren» Eingriffen siehe auch BGE 107 II 134 ff. (138 f.), E. 3c.

691

184

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

3. BGer 5A_655/2010 Klage auf Beseitigung einer Eigentumsstörung (Art. 641 Abs. 2 ZGB). Wann ist das Beseitigungsbegehren wegen geringfügigen Nachteils des beeinträchtigten Eigentümers und hoher Kosten, die der Störer zur Beseitigung aufwenden muss, offenbar rechtsmissbräuchlich? Bejahung des Rechtsmissbrauchs nur mit äusserster Zurückhaltung. Der bösgläubige Störer ist nicht befugt, sich darauf zu berufen, das Beseitigungsbegehren des Eigentümers sei rechtsmissbräuchlich. 4. BGE 132 III 155 ff. Unzulässigkeit der (unselbständigen und selbständigen) Vindikationszession im schweizerischen Recht.

§ 13 Der Umfang des Eigentums

185

§ 13 Der Umfang des Eigentums Einführende Literatur: – R ey, Band I, Nr. 420 ff. und 515 ff. – SteinaueR, Band I, Nr. 1043 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 98.

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Vom «Umfang des Eigentums» («Etendue du droit de propriété») spricht das Gesetz im Randtitel zu Art. 642 ff. ZGB. Für Grundstücke und Fahrnis stellt sich die allgemeine Frage, wie weit das Eigentumsrecht reicht. Dazu ist ein Mehrfaches zu bemerken:

693

– Das Eigentum (verstanden als dingliches Recht) bezieht sich stets auf die Sache. Davon und vom Spezialitätsprinzip war bereits die Rede (vorne Nr. 70). Hier ist beizufügen:

694

• Haben wir es mit einer (von Natur aus) einzelnen Sache zu tun, so ist die Sacheinheit offenkundig. Jede dieser Einzelsachen hat ihr eigenes rechtliches Schicksal. • Klarheit besteht ebenfalls, wenn mehrere Sachen zusammen eine Sachgesamtheit («une universalité») bilden, wie etwa eine Bibliothek, eine Viehherde, eine Briefche Sache – dem Spezialitätsprinzip folgend – ihr eigenes rechtliches Schicksal.1 • Doch sind nun Zwischensituationen denkbar, bei denen unklar ist, wie weit das Eigentumsrecht reicht. Wo verläuft bei tatsächlich oder rechtlich miteinander verknüpften Objekten die Grenze zwischen den einzelnen Sachen? Diese Frage ordnet das Gesetz in den Art. 642–645 ZGB, indem es Bestandteil und Zugehör rechtlich regelt. – Die allgemeinen Bestimmungen – die nach dem Gesagten für Mobilien und Immobilien gelten – werden durch besondere Bestimmungen ergänzt. Zu beachten sind namentlich Art. 667 ff. ZGB für den Umfang des Grundeigentums (hinten Nr. 873 ff.).

I.

Der Bestandteil

1.

Begriff

1. Den Bestandteil («la partie intégrante») regelt das Gesetz in Art. 642 (und 643) ZGB. Gemäss Art. 642 Abs. 2 ZGB ist Bestandteil einer Sache «alles, was nach der am Orte üblichen Auffassung zu ihrem Bestande gehört und ohne ihre Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung nicht abgetrennt werden kann». Nach Lehre und Rechtsprechung müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Sachteil im konkreten Fall Bestandteilsqualität hat:

1

SteinaueR, Band I, Nr. 79 und 1045.

695

696

186

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

– Nur körperliche Gegenstände können Bestandteile einer Sache sein.2 Der Sachteil muss mit anderen Worten selber Sachqualität haben.3 Damit fallen Rechte (zum Beispiel ein Patentrecht an einem Maschinenbestandteil) nicht unter Art. 642 ZGB.4

696a

Zum Vergleich: § 96 BGB lautet: «Rechte, die mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden sind, gelten als Bestandteile des Grundstücks.»

– Zwischen der Sache und dem Sachteil muss eine materielle (physische) Beziehung bestehen.5 Dieses Erfordernis lässt sich aus Art. 642 Abs. 2 ZGB ablesen, wonach Bestandteilsqualität hat, was nicht ohne Zerstörung oder Beschädigung der Sache abgetrennt werden kann.6 Die Intensität der physischen Beziehung

697

als die Wahrscheinlichkeit einer Zerstörung oder Beschädigung der Sache umso höher ist, je enger sich die Beziehung gestaltet.7 Unter Umständen genügt aber auch die Schwerkraft, um die erforderliche physische Verbindung zu begründen (zum Beispiel bei Dachziegeln).8 Beispiele: a. Ist eine Leiter mit dem Haus fest verbunden (genagelt, geschraubt, geleimt, einzementiert oder dergleichen), so hat sie Bestandteilsqualität – nicht aber dann, wenn die Leiter mobil und bloss an die Hauswand angelehnt ist. – b. Bei Kältemaschinen, die zwar nicht fest mit dem Boden verbunden sind, aber über ein beträchtliches Gewicht verfügen, ist die physische Beziehung schon durch die blosse Schwerkraft gegeben.9

– Vorausgesetzt wird weiter eine intellektuelle (gedankliche) Beziehung.10 Dieses Erfordernis ergibt sich ebenfalls aus Art. 642 Abs. 2 ZGB: Der Sachteil muss einerseits als zum Bestand gehörend («un élément essentiel de la chose») angesehen werden, die Sache mit anderen Worten ohne ihn unfertig erscheinen.11 Sache und Sachteil müssen ihrer Bestimmung nach eine Einheit bilden.12 Andererseits bestimmt die Norm, dass Bestandteilsqualität vorliegt, wenn die Abtrennung des Sachteils zu einer Veränderung der Sache führt.13 Für die Beurteilung, ob diese Voraussetzung im konkreten Fall erfüllt ist, muss nach der wirtschaftlichen Zweckbestimmung der Sache gefragt und beurteilt werden, ob die Verkehrsanschauung den betreffenden Sachteil für eine Sache mit einer solchen Zweckbestimmung für notwendig hält.14

698

2 3 4

5 6 7

8 9 10 11 12

13 14

m eieR-h ayoz, BeKomm, N 16 zu Art. 642 ZGB; Foëx, ComRom, N 6 zu Art. 642 ZGB. R ey, Band I, Nr. 429; Wiegand, BaKomm, N 8 zu Art. 642 ZGB. Zur Möglichkeit einer analogen Anwendung der Norm vgl. immerhin m eieR-h ayoz, BeKomm, N 16 zu Art. 642 ZGB; R ey, Band I, Nr. 429. BGE 120 III 79 ff. (81), E. 2a. Wieland, ZüKomm, N 4 zu Art. 642 ZGB. R ey, Band I, Nr. 432. Vgl. auch LGVE 1996 II Nr. 8, S. 135 ff. (136), E. 3a/aa (Luzerner Verwaltungsgericht). m eieR-h ayoz, BeKomm, N 19 zu Art. 642 ZGB. ZR 109/2010, Nr. 66, S. 268 ff. (287), E. 4 (Zürcher Handelsgericht). BGE 120 III 79 ff. (81), E. 2a. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 26 zu Art. 642 ZGB. BGE 76 II 26 ff. (30 f.), E. 2 (mit Bezug auf einen Lastwagen und einen hydraulischen Kipper). Vgl. auch BGE 80 I 375 ff. (378), E. 2. Wieland, ZüKomm, N 4 zu Art. 642 ZGB. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 29 zu Art. 642 ZGB.

§ 13 Der Umfang des Eigentums

187

Beispiele: a. Zu einem Haus gehören ein Dach sowie Türen und Fenster. – b. Klimaanlagen (in casu schwere Kältemaschinen) gehören bei Gewerberäumlichkeiten und Hotelzimmern zum üblichen Standard, da sie von den Nutzern vorausgesetzt werden.15

An der intellektuellen Beziehung fehlt es insbesondere, wenn der Sachteil nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend eingefügt werden soll. Massgebend dafür, ob die Verbindung dauerhaften Charakter hat, ist in erster Linie der Wille derjenigen Person, die den Sachteil einfügt;16 immerhin kommt es auf ihren subjektiven Willen nur insoweit an, als er für Dritte auf Grund des Vertrauensprinzips erkennbar ist.17 Wird ein Sachteil nur vorübergehend von der Sache abgetrennt, verliert er seine Bestandteilsqualität nicht18 (vgl. auch Art. 644 Abs. 3 ZGB mit Bezug auf die Zugehör und dazu hinten Nr. 710).

698a

Beispiele: a. Ein Baugerüst, das aufgebaut wird, um Renovationsarbeiten an einem Gebäude zu ermöglichen, wird nur vorübergehend mit dem Gebäude verbunden und damit nicht dessen Bestandteil.19 – b. Muss für die Reparatur eines Autos der Motor ausgebaut werden, bleibt dieser auch während der Trennung Bestandteil des Wagens.20

– Art. 642 Abs. 2 ZGB verweist schliesslich auf die ortsübliche Auffassung («l’usage local»). Lehre und Rechtsprechung gehen allerdings davon aus, dass der Ortsgebrauch nur in Zweifelsfällen darüber entscheidet, ob die Voraussetzungen der materiellen und der intellektuellen Beziehung erfüllt sind.21

699

Illustrativ BGE 64 II 83 ff. (85 f.), E. 1: Mit dem Hinweis auf die am Orte übliche Auffassung wird «verdeutlicht, dass nicht etwa nur allgemeine, im ganzen Gebiete der Schweiz herrschende Auffassungen in Betracht fallen, sondern auch von Ort zu Ort verschiedene. Nicht aber will das Gesetz schlechthin nur örtlichen Brauch und die als dessen Ausdruck zu erachtenden kantonalen Bestimmungen (Art. 5 Abs. 2 ZGB) anerkannt wissen. Vielmehr ist der Begriff des Bestandteils ein solcher des eidgenössischen Sachenrechtes, das die wesentlichen Merkmale selbst umschreibt. Es gibt Fälle, in denen diese Merkmale zweifelsfrei gegeben oder aber nicht gegeben sind. Alsdann ergibt sich die Entscheidung unmittelbar auf Grund des eidgenössischen Rechtes. Nur wo dies nicht zutrifft, ist Raum für besondere örtliche Anschauungen. Und nur, soweit solche Anschauungen, ohne mit dem rechtlichen Grundbegriff des Art. 642 ZGB in Widerspruch zu geraten, wirklich bestehen, ist darauf abzustellen, während sonst die Lösung auf dem Boden des eidgenössischen Rechtes, durch Auslegung der erwähnten Bestimmung, zu gewinnen ist.» Beispiel: Ob eine Heizung für ein Wohnhaus an einem Ort üblich ist oder nicht, hängt von den jeweiligen klimatischen Bedingungen ab.22

2. Von Gesetzes wegen (und damit ohne Rücksicht darauf, ob die Voraussetzungen von Art. 642 Abs. 2 ZGB in casu erfüllt sind) haben Bestandteilsqualität: – die natürlichen Früchte bis zu ihrer Trennung (Art. 643 Abs. 3 ZGB; hinten Nr. 703 f.);

15 16 17

18

19 20 21

22

BGE 106 II 333 ff. (337), E. 4b; 76 II 26 ff. (30 f.), E. 2. Vgl. auch BGer 2C_817/2014, E. 2.3.3. R ey, Band I, Nr. 442 mit Hinweisen. Kritisch zum Einbezug von Elementen der Rechtsgeschäftslehre, im Ergebnis aber zustimmend Wiegand, BaKomm, N 19 zu Art. 642 ZGB. h aab, ZüKomm, N 29 zu Art. 642 ZGB; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 33 zu Art. 642 ZGB; BGE 80 I 375 ff. (379), E. 2; 100 Ia 348 ff. (355 unten), E. 4c. BGE 136 III 6 ff. (11), E. 5.2; 131 III 300 ff. (305), E. 4.2. R ey, Band I, Nr. 444. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 36 zu Art. 642 ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 1057; R ey, Band I, Nr. 445; SutteR-Somm, Nr. 92; BGE 106 II 333 ff. (340), E. 6c; 76 II 26 ff. (32), E. 2. SutteR-Somm, Nr. 92.

700

188 –

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

Abs. 2, Art. 671, 678 und 704 ZGB; hinten Nr. 888 ff.);

– bewegliche Sachen, aus denen durch Verbindung oder Vermischung eine neue Sache entsteht (Art. 727 ZGB; hinten Nr. 1127 ff.).

2. 701

Rechtsfolgen der Bestandteilseigenschaft

1. Gemäss Art. 642 Abs. 1 ZGB hat derjenige, der Eigentümer einer Sache ist, auch das Eigentum an allen ihren Bestandteilen. Das dingliche Recht bezieht sich mit anderen Worten immer auf die ganze Sache, auf sämtliche Bestandteile. Getrenntes Eigentum ist nicht möglich («rechtliche Einheitsbehandlung»).23 Jeder Bestandteil teilt das rechtliche Schicksal der zusammengesetzten Sache – entsprechend dem Akzessionsprinzip (Nr. 79 und 888 ff.).24 Das Akzessionsprinzip gilt immerhin nicht ausnahmslos, sondern wird in bestimmten Fällen durchbrochen (etwa Art. 675 ZGB). Art. 642 Abs. 1 ZGB bezieht sich nach seinem Randtitel auf den Umfang des Eigentums. Bei den Pfandrechten gilt Entsprechendes: Die Pfandhaft erfasst alle Bestandteile der Sache (Art. 805 Abs. 1 ZGB für das Grundpfandrecht sowie Art. 892 Abs. 1 und 3 ZGB für das Fahrnispfandrecht).

702

2. Im Fall einer Trennung verliert der abgetrennte Teil seine Bestandteilseigenschaft und erhält ein eigenes rechtliches Schicksal (vgl. immerhin vorne Nr. 698a).25

3. 703

Die natürlichen Früchte insbesondere

1. Die natürlichen Früchte («les fruits naturels») sind gemäss Art. 643 Abs. 2 ZGB «die zeitlich wiederkehrenden Erzeugnisse und die Erträgnisse, die nach der üblichen Auffassung von einer Sache ihrer Bestimmung gemäss gewonnen werden». Den «natürlichen Früchten» (Äpfel, Milch, Getreide, Gemüse, Tierjunge)26 werden gelegentlich die «zivilen Früchte» (Darlehenszinse, Mietzinse) gegenübergestellt.27

704

2. Über die Begriffsbestimmung hinaus behandelt Art. 643 (Abs. 1 und 3) ZGB die natürlichen Früchte wie folgt:28 – Nach Abs. 1 gilt das Akzessionsprinzip auch bezüglich der Früchte.29 – Gemäss Abs. 3 haben die Früchte bis zur Trennung (von Gesetzes wegen) Bestandteilseigenschaft.

23

24 25 26 27 28 29

R ey, Band I, Nr. 425. Zur «zwingenden» Natur dieser Regelung vgl. LGVE 2011 I Nr. 9, E. 4.2 = ZBJV 148/2012, S. 368 ff. (Luzerner Obergericht). R ey, Band I, Nr. 420 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 1061 ff. SteinaueR, Band I, Nr. 1062. BGer 5P.451/2001, E. 3c. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 22 f. zu Art. 643 ZGB. Illustrativ BGE 131 III 217 ff. (220), E. 4.1 betreffend Mais auf dem Halm. BGE 131 III 217 ff. (220), E. 4.1.

§ 13 Der Umfang des Eigentums

189

Mit der Trennung werden die Früchte zu eigenständigen und damit sonderrechtsfähigen Sachen (vgl. auch Art. 187 Abs. 2 OR).30 Weil neue Sachen entstatt».31 Je nach Konstellation erwirbt originär Eigentum:32 der Grundeigentümer, der Fruchtziehungsberechtigte33 (der Pächter gemäss Art. 275 OR oder Art. 4 LPG bzw. der Nutzniesser nach Art. 756 Abs. 1 ZGB34) oder der unberechtigte, aber gutgläubige Besitzer (Art. 938 und 939 Abs. 3 ZGB). Sonderfälle:

II. Die Zugehör 1.

Begriff

1. Die Zugehör («les accessoires») wird hauptsächlich in Art. 644 f. ZGB geregelt (§ 97 BGB spricht, leicht abweichend, von «Zubehör»). Zugehör sind nach Art. 644 Abs. 2 ZGB «die beweglichen Sachen, die nach der am Orte üblichen Auffassung oder nach dem klaren Willen des Eigentümers der Hauptsache dauernd für deren Bewirtschaftung, Benutzung oder Verwahrung bestimmt und durch Verbindung, Anpassung oder auf andere Weise in die Beziehung zur Hauptsache gebracht sind, in der sie ihr zu dienen haben». Damit eine (Neben-)Sache Zugehör einer (Haupt-) Sache sein kann, müssen demnach folgende Voraussetzungen erfüllt sein:35 – Zugehör kann nur eine bewegliche Sache sein.

705

705a

Ein (Garten-)Grundstück kommt als Zugehör (zu einem anderen Grundstück) also nicht in Betracht. Entsprechendes gilt mit Bezug auf Rechte.36

30 31 32 33 34

35 36 37

38

– Damit Zugehör angenommen werden kann, ist stets eine Hauptsache vorausgesetzt. Hierbei kann es sich um Fahrnis oder um Grundstücke im Sinn von Art. 655 Abs. 2 ZGB37 handeln.

705b

– Zwischen Haupt- und Nebensache muss ein funktioneller Zusammenhang bestehen: Die Zugehör ist für die Bewirtschaftung, Benutzung oder Verwahrung der Hauptsache bestimmt. Sie hat – anders als der Bestandteil (vorne Nr. 698) – nicht den Zweck, die Hauptsache zu vollenden; vielmehr geht es darum, deren Verwendbarkeit sicherzustellen oder zu verbessern.38 Nicht notwendig ist, dass die Nebensache der Hauptsache unmittelbar dient; so kann es genügen, dass der

705c

BGE 131 III 217 ff. (220), E. 4.1. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 42 zu Art. 643 ZGB. SteinaueR, Band I, Nr. 1079 ff.; R ey, Band I, Nr. 470 ff.; SutteR-Somm, Nr. 134 f. BGE 131 III 217 ff. (220), E. 4.1. Die genaue Bedeutung von Art. 756 Abs. 1 ZGB ist umstritten; vgl. dazu die Hinweise bei mülleR, BaKomm, N 2 zu Art. 756 ZGB. Vgl. zum Ganzen auch BGer 5A_114/2008, E. 6.2. R ey, Band I, Nr. 517; BGE 52 II 201 ff. (205), E. 3. Das gilt mit Bezug auf Rechte, die gestützt auf Art. 655 Abs. 2 ZGB Grundstücke im Sinn des Gesetzes sind, immerhin nur mit Einschränkungen; vgl. dazu SteinaueR, Band I, Nr. 1087b. SutteR-Somm, Nr. 102.

190

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

bebetrieb (zum Beispiel einem Hotel) besteht.39 An einem funktionellen Zusammenhang fehlt es zum Beispiel, wenn die Nebensache lediglich dem an der Hauptsache Berechtigten persönlich dient,40 sie zur Eigenart der Hauptsache in keiner Beziehung steht oder nur zur Aufbewahrung, zum Verkauf oder zur Vermietung mit der Hauptsache in Verbindung gebracht wird (Art. 645 ZGB).

– Weiter ist erforderlich, dass die Nebensache der Hauptsache auf Dauer dient (vgl. Art. 644 Abs. 2 sowie Art. 645 ZGB e contrario). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die spätere Aufhebung der Zweckverbindung von vornherein feststeht; die blosse Möglichkeit, dass es irgendwann zur Aufhebung kommen kann, hindert die Annahme der Zugehörsqualität hingegen nicht.41

705d

Beispiel: Maschinen, die sich lediglich während der Dauer von Renovierungsarbeiten auf einem 42

– Sodann bedarf es zwischen Haupt- und Nebensache einer gewissen räumlichen Beziehung. Diese muss – entsprechend dem Publizitätsprinzip – für Dritte erkennbar sein (Verbindung, Anpassung oder dergleichen).

705e

Anders als bei den Bestandteilen (vorne Nr. 697) wird also eine physische Verbindung nicht vorausgesetzt, eine solche kann aber durchaus bestehen.43

– Schliesslich muss ein entsprechender Ortsgebrauch oder der klare Wille des Eigentümers der Hauptsache vorliegen:

705f

• Der Hinweis auf den Ortsgebrauch ermöglicht die Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse (vgl. auch Art. 5 Abs. 2 ZGB). Die kantonalen Einführungsgesetze zum ZGB können bei der Ermittlung der ortsüblichen Auffassung weiterhelfen. Sie haben allerdings nur innerhalb der Schranken des Bundesrechts Geltung; darüber hinaus bleibt der Nachweis einer anderen tatsächlichen Übung vorbehalten.44 Allgemein ausgedrückt, geht es um die Frage, «ob es üblich sei, bei Veräusserung oder Vermietung der Hauptsache die Hilfssache mitzugeben, oder ob der Käufer oder Mieter für sie zu sorgen habe».45 • Fehlt es im konkreten Fall an einem Ortsgebrauch, sind die übrigen Voraussetzungen für die Zugehöreigenschaft aber erfüllt, besteht die Möglichkeit, dass der Eigentümer der Hauptsache die Hilfssache zu Zugehör erklärt (sogenannte Widmung). Handelt es sich bei der Hauptsache um ein Grundstück und soll dieses verpfändet werden, kann die Widmung durch Anmerkung der Hilfssache als Zugehör im Grundbuch vorgenommen werden (vgl. Art. 805 Abs. 2 sowie Art. 946 Abs. 2 ZGB, Art. 125 GBV und unten Nr. 711). Beispiele: Hotelmobiliar (Art. 805 Abs. 2 ZGB);46 Kleininventar eines Restaurants47.

39 40 41 42 43 44 45 46 47

R ey, Band I, Nr. 523. h aab, ZüKomm, N 9 zu Art. 644/645 ZGB. Wiegand, BaKomm, N 13 zu Art. 644/645 ZGB mit Hinweisen. Foëx, ComRom, N 18 zu Art. 644/645 ZGB. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 28 zu Art. 644/645 ZGB. Wiegand, BaKomm, N 16 zu Art. 644/645 ZGB mit Hinweisen. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 38 zu Art. 644/645 ZGB. BGE 104 III 28 ff.; 42 II 112 ff. (117 ff.), E. 3–4. BGer 5C.119/2002, E. 1.1 (Zugehöreigenschaft mangels Ortsgebrauchs und klaren Widmungswillens verneint); BGer 5A_114/2008, E. 6.2 (Zugehöreigenschaft von Bildern mangels Widmung verneint).

§ 13 Der Umfang des Eigentums

191

2. Einen Sonderfall von Zugehör regelt Art. 676 Abs. 1 ZGB. Nach dieser Bestimmung «gehören» Leitungen zur Versorgung und Entsorgung, die sich ausserhalb des

706

von dem sie ausgehen oder dem sie zugeführt werden» (sogenannte Werkzugehör). Die bis zum 31. Dezember 2011 geltende Fassung der Norm bezeichnete derartige Leitungen ausdrücklich als Zugehör des Werks,48 was als missverständlich empfunden wurde, da Leitungen im Sinn von Art. 676 Abs. 1 ZGB gerade keine beweglichen Sachen sind. Die Neufassung des Gesetzes vermeidet deshalb den Ausdruck «Zugehör».49

2.

Rechtsfolgen der Zugehöreigenschaft

1. Gemäss Art. 644 Abs. 1 ZGB bezieht sich die Verfügung über eine Sache, wenn keine Ausnahme gemacht wird, auch auf ihre Zugehör. Das Gesetz vermutet also, die Zugehör teile das rechtliche Schicksal der Hauptsache. Die innere Rechtfertigung dieser Vermutung liegt in der wirtschaftlichen Einheit von Hauptsache und Zugehör: Was wirtschaftlich zusammengehört, soll auch rechtlich zusammengehalten werden.50 In der Praxis spielt die einheitliche rechtliche Behandlung insbesondere bei der Verpfändung der Hauptsache eine wesentliche Rolle, da die Zugehör unter Umständen einen hohen Wert aufweist und der Realkredit auf diese Weise sehr weit ausgenutzt werden kann.51 Folgendes ist beizufügen: – Der Begriff «Verfügung» wird hier untechnisch verstanden und weit ausgelegt. Die Lehre versteht darunter jede die Hauptsache betreffende Rechtsänderung.

707

707a

ZGB.52 – Die Vermutung von Art. 644 Abs. 1 ZGB ist genereller Natur, sie beschränkt sich nicht auf das Eigentumsrecht. Wird die Hauptsache zum Beispiel verpfändet, so erfasst die Pfandhaft grundsätzlich auch die Zugehör (vgl. Art. 805 Abs. 1 für das Grundpfandrecht und Art. 892 Abs. 1 ZGB für das Fahrnispfandrecht).

708

Gemäss Art. 884 Abs. 1 ZGB kann Fahrnis grundsätzlich nur so verpfändet werden, dass dem Pfandgläubiger der Besitz an der Pfandsache übertragen wird (dazu hinten Nr. 1876). Eine Ausnahme macht das Gesetz nun für die Zugehör: Der genannte Art. 805 Abs. 1 ZGB ordnet an, das Grundpfandrecht belaste das Grundstück mit Einschluss aller Bestandteile und aller Zugehör. Das bedeutet, dass an der Zugehör zusammen mit der Verpfändung der Hauptsache ein besitzloses Pfandrecht erstellt werden kann.53

– Die gesetzliche Vermutung kann durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden; im Gegensatz zu der Rechtsfolge der Bestandteilseigenschaft ist bei der Zugehör also getrenntes Eigentum möglich («Schlüssel und Haus», «Etui und

48 49

50 51 52

53

Vgl. dazu R ey, Band I, Nr. 537 ff. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5306. Kritisch zu dieser Neuformulierung bettina hüRlimannK auP (zitiert in Nr. 910), S. 60 f. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 59 zu Art. 644/645 ZGB. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 98 N 29. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 60 zu Art. 644/645 ZGB; Wiegand, BaKomm, N 25 zu Art. 644/645 ZGB; SutteR-Somm, Nr. 115. Leicht abweichend SteinaueR, Band I, Nr. 1105.

709

192

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

Brille», «Geige und Bogen»). Wird eine Hauptsache beispielsweise veräussert, lassen sich zwei Fälle unterscheiden: • Der Eigentümer veräussert die Hauptsache samt Zugehör (was ja nach Art. 644 Abs. 1 ZGB vermutet wird). So kann namentlich ein Grundeigentümer sein Grundstück zusammen mit der Zugehör übertragen. Das Eigentum an der Zugehör geht im Moment der Eintragung des Käufers als neuer Eigentümer in das Grundbuch auf den Erwerber über – unabhängig von der Besitzübertragung an der Zugehör.54 Gehört die Zugehör nicht dem Eigentümer der Hauptsache, sondern einem Dritten, wird der gutgläubige Erwerber nach Massgabe von Art. 933 ZGB in seinem Erwerb geschützt.55

• Der Eigentümer veräussert die Hauptsache ohne die Zugehör. Dies muss er klar zum Ausdruck bringen (wodurch die Vermutung von Art. 644 Abs. 1 ZGB zerstört wird).56 – Da die Zugehör sonderrechtsfähig ist, kann der Eigentümer auch getrennt von der Hauptsache über sie verfügen, sie insbesondere veräussern oder mit einem beschränkten dinglichen Recht belasten.57 Darüber hinaus ist es möglich, dass eine bewegliche Sache, die dem Erwerber als Zugehör zu einer Hauptsache dienen soll, unter Eigentumsvorbehalt (hinten Nr. 1095 ff.) verkauft wird.58

709a

Was bei einer separaten Veräusserung der Zugehör gilt, wenn auf der Hauptsache unter Einschluss der Zugehör bereits ein beschränktes dingliches Recht (namentlich ein Pfandrecht) lastet, ist umstritten.59 710

2. Ist die Zugehöreigenschaft einer Sache erstellt, so vermag nach Art. 644 Abs. 3 ZGB «eine vorübergehende Trennung von der Hauptsache ihr diese Eigenschaft nicht zu nehmen». Beispiel: auch wenn sie zu Beginn der wärmeren Jahreszeit entfernt werden.60

711

3. Die Anmerkung von Zugehör eines Grundstücks im Grundbuch im Rahmen einer Verpfändung (oben Nr. 705f) führt zu einer Umkehr der Beweislast, da die Zugehörseigenschaft der Nebensache nunmehr vermutet wird (Art. 805 Abs. 2 ZGB); wer die Zugehörsqualität bestreitet, muss mit anderen Worten nachweisen, dass die vom Gesetz dafür aufgestellten Voraussetzungen hinsichtlich der fraglichen Sache nicht erfüllt sind.61

711a

4. Hinsichtlich der in Art. 676 Abs. 1 ZGB geregelten Werkzugehör (oben Nr. 706) stellt das Gesetz die Vermutung auf, dass (die Leitungen im Eigentum des Werkei-

54 55 56 57 58

59 60 61

SteinaueR, Band I, Nr. 1107. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 63 und N 67 zu Art. 644/645 ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 1107a. BGE 44 II 374 ff. (377), E. 2. Einzelheiten dazu bei m eieR-h ayoz, BeKomm, N 65 ff., N 78 und N 81 f. zu Art. 644/645 ZGB. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 70 zu Art. 644/645 ZGB. Vgl. etwa den Sachverhalt von BGE 60 II 191 ff.: Verkauf von Hotelmobiliar an den Betreiber eines Hotels unter Errichtung eines Eigentumsvorbehalts zu Gunsten des Verkäufers. SteinaueR, Band I, Nr. 1107b mit Hinweisen. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 31 zu Art. 644/645 ZGB. R ey, Band I, Nr. 530 mit Hinweisen.

§ 13 Der Umfang des Eigentums

193

gentümers stehen und) Verfügungen über das Werk auch die Leitungen mit umfassen (dazu hinten Nr. 902).

III. Weiterführende Literatur – bodmeR RudolF, Rechtsverhältnisse an Bestandteil und Zugehör insbesondere im Hinblick auf Dritte, Diss. Zürich 1952. – cavin PieRRe, Les accessoires en droit civil, ZBGR 34/1953, S. 65 ff. – hohl Fabienne, Les accessoires et les droits de gage immobiliers, Diss. Freiburg 1986 (AISUF Band 72). – K auFmann otto K., Die Zugehör, ZBGR 34/1953, S. 75 ff. – meieR-hayoz, BeKomm, Kommentar zu Art. 642–645 ZGB. – von SchultheSS R echbeRg hanS-caSPaR, Die Begriffe von Zugehör und Bestandteil im Schweizerischen Recht, Diss. Zürich 1953.

712

IV. Fälle 1. BGE 76 II 26 ff. Unter welchen Voraussetzungen wird eine unter Eigentumsvorbehalt veräusserte Sache zum Bestandteil einer anderen Sache (in casu: Verbindung eines hydraulischen Kippers mit einem Lastwagen) mit der Konsequenz, dass der Eigentumsvorbehalt untergeht? 2. BGE 60 II 191 ff. Unter Eigentumsvorbehalt veräussertes Hotelmobiliar, das als Zugehör mit der im Eigentum des Erwerbers stehenden Hotelliegenschaft verpfändet ist: Das Eigentumsrecht des Veräusserers an der Zugehör geht dem Pfandrecht der Pfandgläubigerin gestützt auf Art. 805 Abs. 3 ZGB in jedem Fall (also auch bei Gutgläubigkeit der Pfandgläubigerin) vor.

712a

194

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

§ 14 Gemeinschaftliches Eigentum 713

Einführende Literatur: – R ey, Band I, Nr. 603 ff. – SteinaueR, Band I, Nr. 1108 ff. und Nr. 1367 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 99.

I. 714

Allgemeines

1. In der Regel wird das Eigentumsrecht an einer Sache von einer einzigen Person ausgeübt (Alleineigentum). Das wirtschaftliche Interesse fordert jedoch in zahlreichen Fällen, dass mehrere Personen zusammen Eigentümer derselben Sache sind (gemeinschaftliches Eigentum, siehe den Randtitel zu Art. 646 ZGB; französisch «Propriété de plusieurs sur une chose»; von der Lehre auch als «propriété collective» bezeichnet). Das Gesetz sieht daher die Möglichkeit vor, dass die Sache mehreren Personen zu Eigentum zusteht, wobei alle Berechtigten (qualitativ) auf der gleichen Stufe stehen. Beispiele: Ehegatten erwerben zusammen ein Haus; Studentinnen erwerben zusammen ein Cello.

715

2. Das Gesetz sieht (abschliessend) zwei Arten des gemeinschaftlichen Eigentums vor:

716

– Entweder ist das Gemeinsame die Sache; eine darüber hinausgehende persönliche Gebundenheit der Beteiligten wird nicht vorausgesetzt. In diesem Fall sieht das Gesetz Miteigentum («la copropriété») vor (Art. 646–651 ZGB; hineigentum ist das Stockwerkeigentum (Art. 712a–712t ZGB; siehe dazu hinten Nr. 1009 ff.). Das Miteigentum ist aus dem römischen und gemeinen Recht hervorgegangen.1

– Oder das Gemeinsame ist ein Grundverhältnis zwischen den Beteiligten, etwa die Ehe, die Erbengemeinschaft oder eine einfache Gesellschaft (kurz: eine Gemeinschaft zur gesamten Hand), und die gemeinsame Sachherrschaft besteht (nur) kraft dieses Verhältnisses. In diesem Fall ordnet das Gesetz Gesamteigentum («la propriété commune») an (Art. 652–654 ZGB; hinten Nr. 791 ff.).

717

Das Gesamteigentum entstammt germanischem Recht.2 718

3. Das gemeinschaftliche Eigentum ist wie folgt zu verdeutlichen: – Auch bei gemeinschaftlichem Eigentum bezieht sich das Eigentumsrecht jedes Eigentümers auf die ganze Sache, nicht nur auf einzelne ihrer Teile.3

719

1 2 3

m eieR-h ayoz, m eieR-h ayoz, R ey, Band I, Nr. 614; SteinaueR, Band I, Nr. 1111.

§ 14 Gemeinschaftliches Eigentum

195

– Steht gemeinschaftliches Eigentum an einer Sache fest, so wird im Zweifel Miteigentum (nicht Gesamteigentum) vermutet, da das Miteigentum keine vorbestehende Beziehung zwischen den gemeinschaftlichen Eigentümern voraussetzt. Wer also Gesamteigentum (statt Miteigentum) behauptet, trägt dafür die Beweislast.4

720

Vgl. zum Ehegüterrecht auch Art. 200 Abs. 2 und Art. 248 Abs. 2 ZGB sowie für die eingetragene Partnerschaft Art. 19 Abs. 2 PartG.5

– Fiduziarisches (treuhänderisches) Eigentum stellt kein gemeinschaftliches Eigentum dar, sondern Alleineigentum des Fiduziars (Treuhänders). Dieser ist

721

betreffende Sache nur in der vereinbarten Weise zu gebrauchen und sie gegebenenfalls dem Vertragspartner (Treugeber, Fiduziant) wieder rückzuübertragen.6 rungsübereignung (hinten Nr. 2012 ff.) und regelmässig die Übertragung eines Schuldbriefs (hinten Nr. 1844 ff.).

– Art. 654a ZGB behält für die Aufhebung von gemeinschaftlichem Eigentum an landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken das BGBB vor (hinten Nr. 993 f.).

722

II. Das Miteigentum 1.

Grundtatbestand und Erscheinungsformen

1. Das Gesetz regelt den Grundtatbestand des Miteigentums in Art. 646 Abs. 1 ZGB. Danach sind Miteigentümer Personen, die «eine Sache nach Bruchteilen und ohne äussere Abteilung in ihrem Eigentum» haben («plusieurs personnes ont, chacune pour sa quote-part, la propriété d’une chose qui n’est pas matériellement divisée»). Das bedeutet, dass nicht die Sache selber, sondern vielmehr die Ausübung des Eigentums daran geteilt ist. Miteigentum ist mit anderen Worten jener Typus des gemeinschaftlichen Eigentums, bei dem jedem Berechtigten die Verfügungsmacht über einen Anteil zukommt, wobei es sich bei diesem Anteil nicht um einen real ausgeschiedenen Teil der Sache handelt.7

723

Pro memoria: Eine vorbestehende Rechtsgemeinschaft ist beim Miteigentum – anders als beim Gesamteigentum – nicht erforderlich (vorne Nr. 716).

2. Das Miteigentum kommt in zwei Erscheinungsformen vor: – als gewöhnliches Miteigentum («la copropriété ordinaire»), geregelt in Art. 646– 651a ZGB. Dieses Miteigentum kann an beweglichen oder unbeweglichen Sachen bestehen.

4

5 6 7

m eieR-h ayoz, BeKomm, Vorbem. zu Art. 646–654 ZGB, N 16; SteinaueR, Band I, Nr. 1109; relativierend R ey, Band I, Nr. 620 f. tuoR /SchnydeR /Jungo, § 32 N 5 und § 34 N 4 mit Hinweisen; R ey, Band I, Nr. 622. R ey, Band I, Nr. 618; gauch /SchlueP/Schmid, Nr. 1024 ff. (mit Literaturhinweisen in Nr. 1023a). R ey, Band I, Nr. 627 f. Vgl. auch BGer 5A_11/2015, E. 2.4.1.

724 725

196

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

ständiges Miteigentum» («copropriété dépendante») möglich, also Miteigentum, bei welchem die Anteile den jeweiligen Eigentümern bestimmter Grundstücke zukommen. Dieses Institut ist seit dem 1. Januar 2012 auf Gesetzesstufe geregelt.8 Art. 655a Abs. 1 ZGB ordnet nun an: «Ein Grundstück kann mit einem anderen Grundstück derart verknüpft werden, dass der jeweilige Eigentümer des Hauptgrundstücks auch Eigentümer des dazugehörigen Grundstücks ist. Dieses teilt das rechtliche Schicksal des Hauptgrundstücks und kann nicht gesondert veräussert, verpfändet oder belastet werden.»9 Das im unselbständigen Miteigentum stehende Grundstück wird auch als «unselbständiges Grundstück» oder «Anmerkungsgrundstück» bezeichnet (Art. 95 Abs. 1 GBV). Auf seinem Grundbuchblatt wird in der Eigentumsrubrik nicht der Name des Eigentümers, sondern die Bezeichnung des Hauptgrundstücks eingetragen (Art. 95 Abs. 1 und labilen» Miteigentum und zur Sammelverwahrung vgl. hinten Nr. 1130b.

– als Stockwerkeigentum («la propriété par étages»), geregelt in Art. 712a–712t ZGB

726

nach Art. 712a Abs. 1 ZGB um eine besondere Ausgestaltung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück. Das Stockwerkeigentum wird im Zusammenhang mit dem Grundeigentum zu behandeln sein (hinten Nr. 1009 ff.); soweit das Gesetz jedoch auf die Bestimmungen des gewöhnlichen Miteigentums verweist werkeigentum Erwähnung. Immerhin kann auch an einem Grundstück gewöhnliches Miteigentum (ohne Stockwerkeigentum) bestehen.

2.

Die Entstehung des (gewöhnlichen) Miteigentums

727

Miteigentum kann durch Rechtsgeschäft, durch gesetzliche Anordnung oder durch gerichtliches Urteil entstehen:

728

1. Rechtsgeschäftlich wird eine Sache dann zu Miteigentum erworben, wenn mehrere Rechtssubjekte, die keine besondere Gemeinschaft (auch keine einfache Gesellschaft) bilden, die Sache gemeinsam zu Eigentum erwerben, sei es originär, sei es derivativ. Denkbar ist aber auch, dass ein Alleineigentümer einen ideellen Teil der Sache auf einen Dritten überträgt.10 Beispiele: a. Mehrere Studentinnen kaufen zusammen einen Computer (vgl. aber für den Fall der einfachen Gesellschaft hinten Nr. 794). – b. Zwei Kinder eignen sich gemeinsam einen herrenlosen Fussball an. – c. Eine Grundeigentümerin schenkt ihrer Schwester «die Hälfte» ihres Grundstücks. Nach ganz überwiegender Lehre ist es grundsätzlich nicht zulässig, dass ein Alleineigentümer gewöhnliches Miteigentum an der Sache begründen kann, ohne gleichzeitig mindestens einen Miteigentumsanteil auf einen Dritten zu übertragen (anders das Stockwerkeigentum; vgl. Art. 712d Abs. 2

8

9

10

Zum alten Recht vgl. Art. 32 aGBV und BGE 112 III 102 ff. (105), E. 1; 130 III 13 ff. (15 ff.), E. 5.2; 130 III 306 ff. (309), E. 3.3.1; R ey, Band I, Nr. 632 ff. und 655. Zur Entstehungsgeschichte vgl. Amtl.Bull. StR 2008, S. 407 (Votum JaniaK); Amtl.Bull. NR 2009, S. 613 f. Zum Ganzen JüRg Schmid (zitiert in Nr. 804), Neuerungen beim Miteigentum, S. 374 ff.; bettina hüRlimann-K auP (zitiert in Nr. 804), S. 87 ff.; SteinaueR, Band II, Nr. 1520 ff. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 27 zu Art. 646 ZGB.

§ 14 Gemeinschaftliches Eigentum

197

Ziff. 2 ZGB und hinten Nr. 1027).11 Die Praxis scheint ein solches Vorgehen allerdings zuzulassen, sofern die Aufteilung in der Absicht erfolgt, die Miteigentumsanteile zu veräussern.12

2. Von Gesetzes wegen entsteht Miteigentum (jedenfalls vermutungsweise) etwa in folgenden Fällen:13

729

– Art. 200 Abs. 2 und Art. 248 Abs. 2 ZGB (Vermutung des Miteigentums im Ehegüterrecht) sowie Art. 19 Abs. 2 PartG (Vermutung des Miteigentums im Vermögensrecht bei eingetragener Partnerschaft); – Art. 670 ZGB (Vermutung des Miteigentums der Nachbarn an Vorrichtungen zur Abgrenzung zweier Grundstücke; hinten Nr. 884); – Art. 727 Abs. 1 ZGB (Verbindung und Vermischung; hinten Nr. 1129). 3. Durch gerichtliches Urteil entsteht Miteigentum, wenn eine Sache mehreren Personen (die untereinander keine besondere Gemeinschaft bilden) zugesprochen wird. Analoges gilt für andere behördliche Verfügungen (etwa durch eine Steigerungsbehörde).14

730

Beispiel: Gerichtliche Zuweisung einer Erbschaftssache zu Miteigentum in einem Erbteilungsprozess. (Die Mitglieder einer Erbengemeinschaft sind gemäss Art. 602 Abs. 2 ZGB bis zur Erbteilung Gesamteigentümer; vgl. hinten Nr. 794.)

3.

Die Stellung des Miteigentümers bezüglich seines Anteils

1. Jeder Miteigentümer hat nur einen Bruchteil (Prozentsatz, Quote, «Anteil») der Sache, die äusserlich nicht geteilt ist (Art. 646 Abs. 1 ZGB). Dem bleibt vorweg beizufügen:

731

– Das Recht des einzelnen Miteigentümers geht im Umfang seiner Quote auf die ganze Sache (und nicht bloss auf einzelne Teile). Es fehlt eben gerade an einer äusserlichen Teilung. Die Quotenbildung erfolgt rein rechnerisch.

732

– Vermutungsweise sind die Bruchteile aller Miteigentümer gleich gross (Art. 646 Abs. 2 ZGB: «zu gleichen Teilen»). Doch bleibt der Nachweis des Gegenteils vorbehalten (beispielsweise zwei Drittel zu einem Drittel).

733

– Der Miteigentumsanteil an einem Grundstück stellt ex lege seinerseits ein (eigenes) Grundstück dar (vgl. Art. 655 Abs. 2 Ziff. 4 und Art. 943 Abs. 1 Ziff. 4 ZGB).

734

Zur grundbuchtechnischen Behandlung vgl. Art. 94 Abs. 1 lit. e und Art. 96 GBV sowie vorne Nr. 420 und für das Stockwerkeigentum hinten Nr. 1012.

11

12

13 14

Vgl. etwa m eieR-h ayoz, BeKomm, N 29 zu Art. 646 ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 1140a; SutteRSomm, Nr. 159. A.M. SimoniuS/SutteR, Band I, § 14 N 20 f. Vgl. Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern, Handbuch für den Verkehr mit den Grundbuchämtern und die Grundbuchführung, S. 23, Ziff. 3.2.1.5 (Stand: 6. April 2017; abrufbar unter http://www.jgk.be.ch/jgk/de/index/direktion/organisation/gba/handbuch.html; besucht am 15. April 2017). SteinaueR, Band I, Nr. 1133 ff. R ey, Band I, Nr. 719.

198 735

2. Jeder Miteigentümer hat gemäss Art. 646 Abs. 3 ZGB für seinen Anteil die Rechte – folgend A.) und sich gegen ungerechtfertigte Einwirkungen zur Wehr setzen (B.). Im Einzelnen:

A. 736

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

Das Verfügungsrecht

1. Der Miteigentümer kann mit seiner Quote rechtsgeschäftlich handeln: Art. 646 Abs. 3 ZGB räumt ihm die Möglichkeit ein, seinen Anteil zu veräussern oder zu verpfänden (für das Grundpfand vgl. auch Art. 800 Abs. 1 ZGB und hinten Nr. 1522) – und dies auch gegen den Willen der anderen Miteigentümer.15 Der Anteil kann ausserdem von den Gläubigern des Miteigentümers gepfändet werden. Die Verpfändung des Anteils ist auch dann möglich, wenn die gesamte Sache schon mit einem Pfand belastet ist; den umgekehrten Vorgang lässt Art. 648 Abs. 3 ZGB jedoch nicht zu (vgl. dazu aber hinten Nr. 1523).

737

2. Das Verfügungsrecht ist gewissen Schranken unterworfen, so etwa durch das gesetzliche Vorkaufsrecht bei Grundstücken (Art. 682 Abs. 1 und Art. 682a ZGB; vgl. hinten Nr. 767 ff. und 935 ff.) oder durch die Verfügungsbeschränkung bei Vermögenswerten im Miteigentum im Rahmen der Errungenschaftsbeteiligung (Art. 201 Abs. 2 ZGB)16.

B.

Die Klagebehelfe

738

Für seinen Anteil kommen dem einzelnen Miteigentümer verschiedene Klagebehelfe zu:17

739

– Dritten gegenüber stehen dem Miteigentümer alle Klagen eines Alleineigentümers zu, das heisst sowohl die Klagen aus dem Recht (Art. 641 Abs. 2, Art. 679, 934 und 936 ZGB) als auch die aus dem Besitz resultierenden Klagen (Art. 926 ff. ZGB).18 Diesbezüglich wird also der Miteigentümer (für seinen Anteil) so behandelt, wie wenn er Alleineigentümer wäre.

740

– Den übrigen Miteigentümern gegenüber hat der Miteigentümer alle Eigentumsklagen (Klagen aus dem Recht), namentlich Art. 641 Abs. 219 und Art. 679 ZGB (hinten Nr. 952 ff.) sowie die Klage auf Feststellung seines Anteils20; er kann ferner auf Anfechtung oder Nichtigerklärung eines Beschlusses der Miteigentümer klagen (für das Stockwerkeigentum: Art. 712m Abs. 2 ZGB; hinten Nr. 1062 f.). Kommt einem Miteigentümer eine bewegliche Sache durch einen anderen Miteigentümer abhanden, steht jenem auch die Besitzesrechtsklage offen (Art. 934 und 936 ZGB; vorne Nr. 303 ff.).21 Mit Bezug auf die Klagen aus Besitzesschutz muss differenziert werden, sofern zwischen den Miteigen-

15 16 17 18 19 20 21

BGE 130 III 13 ff. (15), E. 5.2.1. Vgl. dazu BGE 141 III 13 ff. (16), E. 4.2. SteinaueR, Band I, Nr. 1233 ff. BGE 132 III 9 ff. (14 f.), E. 3.6. BGE 132 III 9 ff. (14 f.), E. 3.6; BGer 5A_198/2014, E. 6.1.2. Vgl. dazu auch BGer 5A_174/2015, E. 7.2. SutteR-Somm, Nr. 222.

§ 14 Gemeinschaftliches Eigentum

199

tümern Mitbesitz (vorne Nr. 116 ff.) besteht: Die Klage aus Besitzesentziehung steht dem Miteigentümer gegenüber den anderen Miteigentümern ohne Weiteres zu. Die Klage aus Besitzesstörung ist hingegen grundsätzlich nur gegeben, soweit der Streit ohne Bezugnahme auf das dem Miteigentümer zustehende Recht entschieden werden kann22 (vgl. auch vorne Nr. 241).

4.

Die Stellung des Miteigentümers bezüglich der gemeinsamen Sache

Von der rechtlichen und tatsächlichen Verfügung über den einzelnen Miteigentumsanteil ist die rechtliche und tatsächliche Verfügung über die gemeinsame Sache zu unterscheiden (vgl. den Randtitel zu Art. 648 ZGB; französisch «actes de disposition»). Das Gesetz stellt in den Art. 647–649a ZGB Bestimmungen auf über die Stellung des Miteigentümers bezüglich der gemeinsamen Sache, und zwar über die Vertretung der Sache (nachfolgend A.), über die Nutzung und Verwaltung (B.), über die rechtliche Verfügung und Zweckänderung (C.) sowie über die Tragung der Kosten und Lasten (D.). Im Einzelnen:

A.

741

Die Vertretung der Sache

Art. 648 Abs. 1 ZGB räumt dem Miteigentümer das Recht ein, die Sache zu vertreten («veiller aux intérêts communs»), soweit es «mit den Rechten der andern verträglich ist» («dans la mesure compatible avec le droit des autres»). Der Ausdruck «Vertretung» wird hier in einem untechnischen Sinn verwendet: Der Miteigentümer ist nicht gesetzlicher Stellvertreter der anderen Miteigentümer. Es geht vielmehr darum, gewisse aus dem Eigentum resultierende Ansprüche gerichtlich oder aussergerichtlich geltend zu machen.23 Dazu gehört die Befugnis, selber eine Klage nach Art. 641 Abs. 2 ZGB gegen Dritte zu erheben.24

742

743

Die «Vertretungsbefugnis» nach Art. 648 Abs. 1 ZGB besteht nur bei Ansprüchen gegenüber Dritten auf unteilbare Leistungen, welche die ganze Sache betreffen. Teilbare Leistungen können (und müssen) von jedem Miteigentümer entsprechend seiner Quote selbständig geltend gemacht werden.25

B.

Die Nutzung und Verwaltung

1. Bei den Handlungen hinsichtlich der Nutzung und Verwaltung der gemeinsamen Sache (sogenannte Verwaltungshandlungen) unterscheidet die gesetzliche Regelung in den Art. 647–647e ZGB drei Arten von Normen:26 – Zunächst sind die zwingenden Bestimmungen zu berücksichtigen (nachfolgend a.). An ihnen können die Miteigentümer nichts ändern. Zwingendes Recht schützt namentlich den Einzelnen vor einem unüberlegten Verzicht auf grundlegende Befugnisse.

22

23 24 25 26

m eieR-h ayoz, BeKomm, N 102 zu Art. 646 ZGB; SutteR-Somm, Nr. 223. Vgl. auch BGer 5A_8/2010, E. 4.4.1. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 4 zu Art. 648 ZGB. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 7 zu Art. 648 ZGB; BGE 95 II 397 ff. (402), E. 2b. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 5 ff. zu Art. 648 ZGB. SteinaueR, Band I, Nr. 1260 ff.

744

200

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

– Soweit zwingende Normen fehlen, gilt die abgemachte Ordnung (b.), also der übereinstimmende Wille der Parteien. Angesprochen ist damit die vereinbarte Nutzungs- und Verwaltungsordnung. – Schliesslich muss das dispositive Gesetzesrecht beachtet werden (c.), das zum Zug kommt, wenn eine zwingende Vorschrift fehlt und die Parteien nichts anderes vereinbart haben. In der Praxis spielen die Art. 647–647e ZGB insbesondere für das Stockwerkeigentum eine Rolle, da Art. 712g Abs. 1 ZGB auf diese Normen verweist (vgl. dazu hinten Nr. 1041 ff.). Zu beachten bleibt, dass es beim Stockwerkeigentum lediglich um Verwaltungshandlungen bezüglich derjenigen Bauteile geht, die nicht zu Sonderrecht ausgeschieden sind (sogenannte gemeinschaftliche Teile; dazu hinten Nr. 1023).27 744a

2. Vorwegzunehmen ist Folgendes: – Das Gesetz sieht verschiedene Kategorien von Verwaltungshandlungen vor. Die Zuordnung einer bestimmten Handlung zu einer einzigen Kategorie ist aber nicht in jedem Fall möglich (vgl. etwa Nr. 754). Das liegt insbesondere daran, dass für die einzelnen Kategorien unterschiedliche Aspekte massgebend sind. Der Gesetzgeber hat die daraus resultierende Unübersichtlichkeit in Kauf genommen, um im Einzelfall eine angemessene Lösung bieten zu können.28 – Soweit nicht der einzelne Miteigentümer für die Vornahme einer bestimmten Verwaltungshandlung zuständig ist, muss ein Beschluss der Miteigentümergemeinschaft vorliegen, damit die Handlung vorgenommen werden darf. Das Gesetz sieht dafür – je nach Art der Verwaltungshandlung – unterschiedliche Quoren (gewöhnliche) Miteigentum berechnet sich das Quorum anhand der Zahl sämtlicher Miteigentümer; Personen, die nicht anwesend sind, sich der Stimme enthalten oder deren Stimme ungültig ist, gelten damit als Gegner des Beschlusses.29 Beim Stockwerkeigentum zeigt sich die Rechtslage insofern anders, als Art. 712m Abs. 2 ZGB für die Beschlussfassung auf das Vereinsrecht verweist, das im Gegensatz zum gewöhnlichen Miteigentumsrecht das Quorum anhand der «anwesenden» Mitglieder bestimmt (vgl. Art. 67 Abs. 2 ZGB). Für das Stockwerkeigentum bedeutet das nach der heute herrschenden Lehre Folgendes: Die erforderlichen Quoren sind im Miteigentumsrecht geregelt, die Berechnung der Mehrheit ergibt sich hingegen aus dem Vereinsrecht.30 a.

745

Zwingende Normen (Art. 647 Abs. 2 ZGB)

Art. 647 Abs. 2 ZGB regelt zwingend grundlegende Befugnisse, die die Miteigentümer weder aufheben noch beschränken können, nämlich:

27 28 29 30

BGE 141 III 357 ff. (360), E. 3.2; 136 III 261 ff. (263), E. 2.1; 130 III 441 ff. (448), E. 3.4. bettina hüRlimann-K auP, Verwaltungshandlungen (zitiert in Nr. 1069), S. 4 mit Hinweisen. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 25 zu Art. 647 ZGB. Vgl. dazu und zu den daraus resultierenden Problemen hinsichtlich der Berechnung der einzelnen Quoren bettina hüRlimann-K auP, Verwaltungshandlungen (zitiert in Nr. 1069), S. 18 f. mit Hinweisen.

§ 14 Gemeinschaftliches Eigentum

201

– die Befugnis, zu verlangen, dass die notwendigen Verwaltungshandlungen («actes d’administration indispensables») durchgeführt und nötigenfalls vom Gericht angeordnet werden (Art. 647 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB). Dazu gehören alle Unterhalts-, Wiederherstellungs- und Erneuerungsarbeiten, die für die Erhaltung des Wertes und der Gebrauchsfähigkeit der Sache notwendig sind.31

Kommt keine Einigung und kein Mehrheitsbeschluss für solche Verwaltungshandlungen zustande, kann jeder Miteigentümer gegen die übrigen auf gerichtliche Anordnung konkreter einzelner Handlungen (nicht aber auf den Erlass einer generellen Nutzungs- und Verwaltungsordnung) klagen.32 Anwendbar ist das summarische Verfahren (Art. 249 lit. d Ziff. 1 ZPO). – die Befugnis, von sich aus auf Kosten aller Miteigentümer notwendige (rettende) Sofortmassnahmen zu ergreifen (Art. 647 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB). Die Lehre spricht hier von dringlichen Verwaltungshandlungen («actes d’administration urgents»).33 Beispiel: Reparatur einer zerborstenen Wasserleitung.34

b.

Abgemachte Ordnung (Parteiwille, Art. 647 Abs. 1 ZGB)

Art. 647 Abs. 1 ZGB gewährt den Miteigentümern einen erheblichen Spielraum: Sie können grundsätzlich – in den Schranken des zwingenden Rechts – bestimmen, welche Nutzungs- und Verwaltungsordnung (vgl. den Randtitel; französisch «le règlement d’utilisation et d’administration») zwischen ihnen gelten soll. Beizufügen bleibt:

746

– Der Erlass dieser Nutzungs- und Verwaltungsordnung bedarf der Einstimmigkeit der Miteigentümer. Dies galt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu aArt. 647 Abs. 1 ZGB zwingend auch für die nachträgliche Änderung.35 Seit dem 1. Januar 2012 stellt das Einstimmigkeitserfordernis für nachträgliche Änderungen nur noch dispositives Recht dar: Die Miteigentümer können in der Nutzungs- und Verwaltungsordnung (also einstimmig) vereinbaren, dass diese mit Zustimmung

747

ZGB).36 Haben die Miteigentümer die Nutzungs- und Verwaltungsordnung vor dem 1. Januar 2012 erlassen und darin (entgegen der früheren bundesgerichtlichen Rechtsprechung und damit unwirksam) eine Abänderung durch Mehrheitsbeschluss vorgesehen, hat die Änderung der Rechtslage nicht zu einer «automatischen Heilung» dieses Mangels geführt. Vielmehr müssen die Miteigentümer nach dem 1. Januar 2012 einstimmig vereinbaren, dass eine künftige Abänderung durch Mehrheitsbeschluss zulässig ist, damit eine rechtswirksame Zustimmung zum Mehrheitsprinzip vorliegt.37

31

32

33 34 35

36 37

BGE 141 III 357 ff. (361), E. 3.3; 120 II 11 ff. (14), E. 2c; BGer 5A_604/2008, E. 5.2.3 = ZBGR 92/2011, S. 232 ff. (Schräglift auf einer Terrassensiedlung in Hanglage). ZBGR 83/2002, S. 140 ff. (142), E. 4b (Walliser Kantonsgericht); m eieR-h ayoz, BeKomm, N 33 zu Art. 647 ZGB. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 99 N 17; SutteR-Somm, Nr. 189. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 77 zu Art. 647 ZGB. BGE 103 Ib 76 ff. (81), E. 3; teilweise abweichend PeteR liveR, ZBJV 115/1979, S. 252; m eieRh ayoz, BeKomm, N 37 zu Art. 647 ZGB; bRunneR /WichteRmann, BaKomm, N 23 zu Art. 647 ZGB. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5302. BGer 5A_380/2013, E. 3.3.3 und 3.3.4. Vgl. dazu auch JöRg Schmid/daRiJa beeleR-Suta, Einstimmigkeits- oder Mehrheitsprinzip für Erlass und Änderung einer Nutzungs- und Verwaltungsordnung im Miteigentum?, BR/DC 2014, S. 292 f.

202

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

747a

Die Miteigentümer können in der Nutzungs- und Verwaltungsordnung vorsehen, dass mit einem Miteigentumsanteil das Vorrecht verknüpft wird, bestimmte Teile des gemeinschaftlichen Gebäudes (etwa das Dach) oder der gemeinschaftlichen 38 walten. Das Gesetz spricht hier von einem ausschliesslichen Nutzungsrecht (vgl. auch hinten Nr. 1023). Eine Änderung der Bestimmungen über die Zuteilung derartiger Rechte bedarf seit dem 1. Januar 2012 gemäss Art. 647 Abs. 1bis ZGB der Zustimmung der direkt betroffenen Miteigentümer39 (zur entsprechenden Rechtslage beim Stockwerkeigentum vgl. Art. 712g Abs. 4 ZGB und hinten Nr. 1045a).

748

– Die vereinbarte Ordnung (ebenso wie die von den Miteigentümern gefassten Verwaltungsbeschlüsse sowie die gerichtlichen Urteile und Verfügungen) ist auch für den Rechtsnachfolger eines Miteigentümers und für den Erwerber eines dinglichen Rechts an einem Miteigentumsanteil verbindlich (Art. 649a Abs. 1 ZGB). Dies gilt allerdings nicht für sämtliche Beziehungen unter den Miteigentümern, sondern nur insoweit, als die Reglementsbestimmungen mit der gemeinschaftlichen Verwaltung und Nutzung in direktem Zusammenhang stehen.40

749

– Handelt es sich bei der gemeinsamen Sache um ein Grundstück, können die Parteien die Nutzungs- und Verwaltungsordnung (ebenso wie seit dem 1. Januar 2012 die Verwaltungsbeschlüsse der Miteigentümer sowie die gerichtlichen Urteile und Verfügungen41) im Grundbuch anmerken lassen (Art. 649a Abs. 2 ZGB; Art. 125 GBV). Die Anmerkung hat keine rechtsbegründende Wirkung, sondern Informationscharakter,42 zumal der Erwerber schon kraft Gesetzes (Art. 649a Abs. 1 ZGB) an die vereinbarte Miteigentumsordnung gebunden ist43 (zur Anmerkung vgl. allgemein vorne Nr. 493 ff.).

749a

– Dogmatisch ist die Nutzungs- und Verwaltungsordnung als Vertrag (mit gesellschaftsrechtlichem Einschlag) anzusehen;44 im Streitfall muss sie primär nach dem übereinstimmenden wirklichen Willen der Parteien, bei dessen Fehlen nach Vertrauensprinzip ausgelegt werden.45 Sie bedarf von Gesetzes wegen keiner besonderen Form; soll sie im Grundbuch angemerkt werden, ist Schriftform erforderlich (Näheres in Art. 80 Abs. 2 GBV).46

38

39

40

41 42 43 44 45 46

BGer 5A_11/2015, E. 2.4.2; 5A_44/2011, E. 5.1.1; chRiStoPh lüScheR, Voraussetzungen und Schranken der Angleichung von schlichtem Miteigentum an Stockwerkeigentum hinsichtlich Nutzung, Verwaltung und Innenausbau des gemeinschaftlichen Gebäudes, ZBGR 80/1999, S. 73 ff. (76). Zum Anwendungsbereich des Zustimmungserfordernisses vgl. Ruth a Rnet, Neuerungen beim Miteigentum bzw. Stockwerkeigentum, in: Mario Postizzi/Fulvio Campello (Hrsg.), Cartella ipotecaria BGE 142 III 220 ff. (225 f.), E. 3.4.1; 123 III 53 ff. (55 f.), E. 3a; 111 II 330 ff. (341), E. 9; 110 Ia 106 ff. (109), E. 4b; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 18 zu Art. 649a ZGB; R ey, Band I, Nr. 829. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5302 f. BGer 5A_380/2013, E. 3.1. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 46 zu Art. 647 ZGB. BGE 142 III 220 ff. (225), E. 3.4.1. BGer 5A_44/2011, E. 5.2.2. BGer 5A_11/2015, E. 2.4.3; 5A_380/2013, E. 3.1; 5A_44/2011, E. 5.2.1; differenzierend für das Reglement der Stockwerkeigentümer WeRmelingeR, ZüKomm, N 103 ff. zu Art. 712g ZGB, der nach einer Analyse der anwendbaren Gesetzesnormen fordert, dass das Reglement in jedem Fall mindestens schriftlich vorliegt (N 108).

§ 14 Gemeinschaftliches Eigentum

c.

203

Dispositives Recht (Art. 647a–647e ZGB)

1. Beim Fehlen einer übereinstimmenden Parteivereinbarung setzt das Gesetz für Verwaltungshandlungen folgende dispositive Regeln fest:47

750

– Art. 647a ZGB betreffend gewöhnliche Verwaltungshandlungen («actes d’administration courante»). Zu ihnen ist grundsätzlich jeder Miteigentümer befugt (Abs. 1, unter Vorbehalt von Abs. 2).

751

Beispiel: Vornahme von Ausbesserungen an der Sache (soweit diese nicht unter Art. 647 Abs. 2 ZGB fallen und alsdann von zwingendem Recht geregelt sind; vorne Nr. 745).

– Art. 647b ZGB für die sogenannten wichtigeren Verwaltungshandlungen («actes d’administration plus importants»). Hier ist die Zustimmung der Mehrheit aller Miteigentümer erforderlich, die zugleich den grösseren Teil der Sache vertritt.

752

Beispiel: Umnutzung einer Stockwerkeinheit von einer Buchhandlung mit Reisebüro in eine Kaffeebar in einem Gebäude mit gemischter Nutzung (= Änderung der Benutzungsweise).48

2. In Bezug auf bauliche Massnahmen («travaux de construction») regelt das Gesetz drei Fälle – die nicht nur für Renovationen, sondern auch für Neubauten gelten49 – und stellt unterschiedliche Mehrheitsvorschriften auf:50

753

– Art. 647c ZGB betrifft notwendige Massnahmen, also insbesondere Unterhalts-, Wiederherstellungs- und Erneuerungsarbeiten, die für die Erhaltung des Werts und der Gebrauchsfähigkeit der Sache nötig sind. Derartige Massnahmen können – soweit sie nicht gewöhnliche Verwaltungshandlungen sind (Art. 647a ZGB) – vorgenommen werden, wenn die Mehrheit aller Miteigentümer zustimmt. Nach der Lehre sind notwendige bauliche Massnahmen ausserdem immer notwendige Verwaltungshandlungen im Sinn von Art. 647 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB;51 damit hat jeder Miteigentümer das Recht zu verlangen, dass sie durchgeführt und nötigenfalls vom Gericht angeordnet werden52 (vorne Nr. 745).

754

Beispiele: Reparatur einer zerschlagenen Fensterscheibe;53 Sanierung einer Dachterrasse.54

– Art. 647d ZGB betrifft nützliche Massnahmen, also Erneuerungs- und Umbauarbeiten, die eine Wertsteigerung oder Verbesserung der Wirtschaftlichkeit oder Gebrauchsfähigkeit der Sache bezwecken. Für diese Massnahmen ist eine qualigleichzeitig den grösseren Teil der Sache vertritt; die Sonderfälle in Abs. 2 und 3 bleiben vorbehalten.55

47 48 49 50

51

52 53 54 55

Ausführlich chRiStoPh thuRnheRR (zitiert in Nr. 804), S. 62 ff. und passim. BGer 5A_816/2012, E. 2.3.2. BGE 130 III 441 ff. (447), E. 3.3. Zu diesen Mehrheitsvorschriften vgl. allgemein BGE 131 III 459 ff. (461 f.), E. 5.2; 136 III 261 ff. JüRg Schmid, Formelle Aspekte (zitiert in Nr. 804), S. 460 ff. Ausführlich zum Ganzen chRiStoPh thuRnheRR (zitiert in Nr. 804), S. 62 ff. und passim. bettina hüRlimann-K auP, Verwaltungshandlungen (zitiert in Nr. 1069), S. 9 mit Hinweisen. Vgl. auch BGE 141 III 357 ff. (361), E. 3.3. BGE 141 III 357 ff. (360), E. 3.2. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 62 zu Art. 647 ZGB mit weiteren Beispielen. ZR 99/2000, Nr. 2, S. 4 ff. (5), E. dd = ZBGR 82/2001, S. 18 ff. (Zürcher Obergericht).

755

204

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

Beispiel: Einbau eines Aufzugs in ein Mehrfamilienhaus.56

– Art. 647e ZGB betrifft luxuriöse Massnahmen, also solche, die lediglich der Verschönerung, der Ansehnlichkeit der Sache oder der Bequemlichkeit im Gebrauch dienen. Diese Massnahmen können nur vorgenommen werden, wenn alle Miteigentümer zustimmen – unter Vorbehalt eines Sonderfalls in Abs. 2.

756

Beispiel: Einbau eines Luxusbades.57 – Das Einstimmigkeitserfordernis «gewährt jedem Mitglied ein Vetorecht und damit einen umfassenden Minderheitenschutz».58 757

Die Abgrenzung zwischen den verschiedenen baulichen Massnahmen fällt häunicht leicht; das gilt in besonderem Mass für die Unterscheidung zwischen nützlichen und luxuriösen Massnahmen. Die Frage ist im Einzelfall unter Würdigung aller Umstände und unter Verwendung eines objektiven Massstabs zu entscheiden.59 Ausschlaggebend muss nach neuer bundesgerichtlicher Rechtsprechung die Sicht der Gemeinschaft sein; damit sind Massnahmen, die im ausschliesslichen Individualinteresse eines Miteigentümers stehen, als luxuriös einzustufen.60

757a

3. Nach dem Gesagten kommen die Art. 647a–647e ZGB nur zur Anwendung, wenn die Miteigentümer nicht etwas anderes vereinbart haben. Der dispositive Charakter der Normen ist aber namentlich mit Bezug auf die baulichen Massnahmen in gewisser Hinsicht zu relativieren. So sind die Art. 647d Abs. 2 und 3 ZGB nach überwiegender Lehre zwingend. Weiter vertreten verschiedene Autoren die Ansicht, das in Art. 647e ZGB mit Bezug auf luxuriöse bauliche Massnahmen vorgesehene Quorum dürfe nicht erleichtert werden. Auch hinsichtlich der Abänderbarkeit der Quoren für die nützlichen und notwendigen baulichen Massnahmen sind die Meinungen geteilt.61

C.

Die rechtliche Verfügung und Zweckänderung

758

Soweit nicht einstimmig eine andere Ordnung vereinbart wird, bedarf es nach Art. 648 Abs. 2 ZGB der Übereinstimmung aller Miteigentümer für:

759

– die Veräusserung der Sache, das heisst die rechtsgeschäftliche Übertragung des Eigentums an einen Dritten (Verfügungsgeschäft);62

760

– die Belastung der Sache mit beschränkten dinglichen Rechten. Zu beachten ist im vorliegenden Zusammenhang Art. 648 Abs. 3 ZGB: Nach dieser Bestimmung kann die Sache selbst nicht mehr mit Grundpfandrechten oder Grundlasten belastet wer-

56 57

m eieR-h ayoz, BeKomm, N 16 ff. zu Art. 647d ZGB mit weiteren Beispielen. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 4 zu Art. 647e ZGB mit weiteren Beispielen.

58 59

60

61

62

BGE 130 III 441 ff. (447 f.), E. 3.3; BGer 5C.110/2001, E. 5 = ZBGR 86/2005, S. 251 ff.; m eieRh ayoz, BeKomm, N 22 ff. zu Art. 647c ZGB. BGE 141 III 357 ff. (361), E. 3.3 mit Bezug auf das Verlegen von Platten auf einer Terrasse, die einem Stockwerkeigentümer zur exklusiven Nutzung zugewiesen war. Kritisch zu diesem Entscheid a médéo WeRmelingeR, Partikularinteresse und Stockwerkeigentum, Über eine diskussionswürdige Erwägung des Bundesgerichts bei baulichen Massnahmen im Stockwerkeigentum, Jusletter vom 29. Februar 2016. Vgl. zum Ganzen daniel h äuSeRmann, Bauliche Massnahmen an Miteigentum zwischen Subjektivität und Objektivierung, SJZ 112/2016, S. 141 ff. (149) mit Hinweisen. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 29 und 33 zu Art. 648 ZGB.

§ 14 Gemeinschaftliches Eigentum

205

den, wenn derartige Rechte bereits an Miteigentumsanteilen bestehen (vgl. auch Art. 116 GBV); Laut Bundesgericht ist jedoch eine Verpfändung der Sache selber auch noch nach erfolgter pfandrechtlicher Belastung der Anteile möglich, sofern alle Beteiligten, insbesondere die Gläubigerinnen der Pfandrechte an den Anteilen, zustimmen. Das Pfandrecht an der Sache geht dann den bereits bestehenden Pfandrechten an Miteigentumsanteilen vor63 (hinten Nr. 1523).

– die Änderung der Zweckbestimmung der Sache.64 Wann eine Zweckänderung vorliegt, ist im Einzelfall anhand der Umstände zu entscheiden. Eine völlige Umwandlung des Zwecks ist immerhin nicht notwendig; es genügt, dass der bisherige Zweck durch tatsächliche oder rechtliche Massnahmen zu einem nebensächlichen wird.65

761

Art. 648 Abs. 2 ZGB oder «nur» eine Änderung der Benutzungsweise (also eine wichtigere Verwaltungshandlung gemäss Art. 647b ZGB; dazu vorne Nr. 752) vorliegt.66 Das spielt insofern eine Rolle, als im ersten Fall grundsätzlich Einstimmigkeit gegeben sein muss, während für den zweiten Fall bestimmung im Sinne von Art. 648 Abs. 2 ZGB meint die Widmung einer Sache und zeigt sich durch deren wirtschaftliche Gebrauchs- und Nutzungsweise. Dieser innere Zusammenhang macht die Unterscheidung von Zweckbestimmung und Benutzungsweise gemäss Art. 647b Abs. 1 ZGB im Einzelfall schwierig.»

D.

Die Tragung der Kosten und Lasten

1. Art. 649 ZGB befasst sich mit der Tragung der Kosten und Lasten («Contribution aux frais et charges») im Innenverhältnis, also unter den Miteigentümern.67

762

(…), die sowohl auf der Gläubiger- wie auf der Schuldnerseite subjektiv-dinglich mit dem Eigentum am Miteigentumsanteil verknüpft ist. Schuldner der Beitragsforderung ist also der jeweilige Miteigentümer».68

63 64 65

66

67 68

69

Massgebend ist zunächst die von den Miteigentümern selber getroffene Vereinbarung (die auch in einem Ehevertrag bestehen kann69), in zweiter Linie die Regelung nach Art. 647d Abs. 3 und Art. 647e Abs. 2 ZGB. In dritter Linie gilt Folgendes:

763

– Nach Art. 649 Abs. 1 ZGB werden die Verwaltungskosten, Steuern und anderen Lasten, die aus dem Miteigentum entstehen oder auf der gemeinschaftli-

764

BGE 95 I 568 ff. BGE 130 III 441 ff. (443 ff.), E. 2. Vgl. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 51 zu Art. 648 ZGB mit Beispielen. Zur besonderen Konstellation beim Stockwerkeigentum, bei dem die Zweckänderung einer einzelnen Einheit zu einer Zweckänderung der ganzen Liegenschaft führen kann, vgl. BGE 139 III 1 ff. (5), E. 4.3.3; 130 III 441 ff. (444 f.), E. 2.3 und 2.4; 130 III 450 ff. (455), E. 2.1. Eine Änderung der Zweckbestimmung hat das Bundesgericht etwa verneint in BGE 139 III 1 ff. (5 f.), E. 4.3.3 und 4.4.1; 130 III 441 ff. (443 ff.), E. 2; 130 III 450 ff. (455), E. 2.1; BGer 5A_816/2012, E. 2.3.3; 5A_760/2011, E. 4.3.3. Bejaht hat es sie zum Beispiel in BGE 95 II 397 ff. (402 ff.), E. 2c; BGer 5A_632/2011 und 5A_648/2011, E. 5. BGE 117 II 50 ff. (64), E. 5b. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 3 zu Art. 649 ZGB; vgl. auch BGE 119 II 330 ff. (331), E. 7a; BGer 5A_174/2015, E. 8.3.2 und 8.4. BGer 5C.56/2004, E. 4.

206

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

chen Sache ruhen, von den Miteigentümern im Verhältnis ihrer Anteile getragen (Grundsatz der anteilsmässigen Lastentragung). Die Norm ist auf alle Ausgaben anwendbar, die unter die Art. 647–647e ZGB fallen.70 – Für das Stockwerkeigentum vgl. überdies die Sonderbestimmung von Art. 712h ZGB (hinten Nr. 1046 f.).

– Gemäss Art. 649 Abs. 2 ZGB kann ein Miteigentümer, der über seinen Anteil hinaus solche Ausgaben getragen hat, von den anderen nach dem gleichen Verhältnis Ersatz verlangen.71

765

Der Miteigentümer kann den Ausgleichsanspruch im Rahmen einer Aufhebungsklage nach Art. 651 ZGB (hinten Nr. 789) selbständig einklagen.72 – Die Ersatzforderung verjährt nach 10 Jahren (vgl. Art. 127 OR).73 766

2. Das Aussenverhältnis, bestimmt sich nach dem Rechtsgrund, auf dem die Forderung dieses Dritten beruht, also bei Rechtsgeschäften regelmässig nach OR.74

5. 767

Das gesetzliche Vorkaufsrecht bei Grundstücken im Miteigentum (Art. 682 Abs. 1 ZGB)

Art. 682 Abs. 1 ZGB räumt den Miteigentümern gegenüber jedem Nichteigentümer am verkauften Anteil ein gesetzliches Vorkaufsrecht («le droit de préemption légal») ein: die Befugnis, bei Eintritt des Vorkaufsfalls durch fristgerechte Erklärung die Übertragung des Grundstücks zu verlangen. Die gesetzlichen Vorkaufsrechte werden ausführlich zu besprechen sein (hinten Nr. 935 ff.). Hier seien nur ein paar grundlegende Aussagen festgehalten.

768

1. Im Tatbestand setzt Art. 682 Abs. 1 ZGB Folgendes voraus: – An einem Grundstück besteht Miteigentum.

769

Vorausgesetzt ist selbständiges Miteigentum. Mit Bezug auf einen Anteil an einem im unselbständigen Miteigentum (vorne Nr. 725) stehenden Grundstück besteht, falls die Verknüpfung zu einem dauernden Zweck erfolgt ist, kein (separates) Vorkaufsrecht (Art. 655a Abs. 2 ZGB).75

– Einer der Miteigentümer veräussert seinen Anteil (Art. 646 Abs. 3 ZGB), und zwar an einen Nichtmiteigentümer. Damit ist der sogenannte Vorkaufsfall eingetreten.

770

Vorkaufsfall ist grundsätzlich jede freiwillige Veräusserung des Grundstücks (Art. 216c OR) sowie – anders als bei den vertraglichen Vorkaufsrechten – die Zwangsversteigerung (Art. 681 Abs. 1 ZGB; hinten Nr. 939).

70 71 72 73 74 75

BGE 119 II 330 ff. (331), E. 7a; BGer 5A_197/2016, E. 3.3.2. BGE 119 II 404 ff. (407), E. 4. BGer 5A_174/2015, E. 8.2 (mit Ausführungen zum Gerichtsstand in E. 8.3 und 8.4). BGE 119 II 330 ff. (332), E. 7c. SteinaueR, Band I, Nr. 1294 ff.; vgl. auch BGE 117 II 50 ff. (63 f.), E. 5b. Vgl. zu dieser Neuerung Amtl.Bull. StR 2008, S. 407 (Votum JaniaK); JüRg Schmid (zitiert in Nr. 804), Neuerungen beim Miteigentum, S. 376 ff.; oliveR R einhaRdt/R iccaRdo bRazeRol, Die Mischung von selbstständigem und unselbstständigem Miteigentum an Grundstücken, ZBGR 95/2014, S. 289 ff. (295 f.); BGer 5A_1006/2015, E. 3, E. 6.1 und E. 6.3.3.

§ 14 Gemeinschaftliches Eigentum

207

2. Als Rechtsfolge besteht für die Miteigentümer die Befugnis, nach Eintritt des Vorkaufsfalls – innert bestimmter Frist – ihr Vorkaufsrecht auszuüben. Das bedeutet, dass sie bezüglich des fraglichen Miteigentumsanteils – durch Ausübung einer Gestaltungserklärung – jene Rechtslage herbeiführen können, die bestände, wenn der Verkäufer ihnen diesen Anteil verkauft hätte.76 Der Anspruch kann innerhalb der gesetzlichen Fristen gegenüber jedem Eigentümer des Grundstücks ausgeübt werden (Art. 681a Abs. 2 und 3 ZGB; vgl. hinten Nr. 941 ff.).

771

Vorkaufsberechtigt ist nur der Miteigentümer, nicht auch derjenige, der auf Grund eines Kaufvertrags lediglich einen obligatorischen Anspruch auf Übertragung eines Miteigentumsanteils gegenüber dem Veräusserer hat.77

Machen mehrere Miteigentümer ihr Vorkaufsrecht geltend, so wird ihnen gemäss Art. 682 Abs. 1 Satz 2 ZGB der Anteil im Verhältnis ihrer bisherigen Miteigentumsanteile zugewiesen. 3. Weiterhin sind zum gesetzlichen Vorkaufsrecht im Miteigentumsverhältnis folgende Einzelpunkte zu beachten: – Das Vorkaufsrecht hat einen doppelten Zweck: Einerseits geht es darum, die Umwandlung von Miteigentum in Alleineigentum zu fördern, weil Miteigentum erfahrungsgemäss leicht zu Auseinandersetzungen führt; darüber hinaus galt es bei Schaffung des ZGB als unwirtschaftlich.78 Andererseits sollen die Miteigentümer davor geschützt werden, dass eine ihnen nicht genehme Drittperson in die Gemeinschaft eindringt.79 – Die Regelung ist dispositiv, kann also von den Parteien vertraglich aufgehoben oder geändert werden; eine entsprechende Vereinbarung bedarf zur Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung und kann im Grundbuch vorgemerkt werden (Art. 681b Abs. 1 ZGB). Nach Eintritt des Vorkaufsfalls kann schriftlich auf die Ausübung verzichtet werden (Art. 681b Abs. 2 ZGB; hinten Nr. 944). – Das Vorkaufsrecht ist untrennbar mit dem Miteigentumsanteil verknüpft; es kann nicht separat veräussert werden.80 – Wird ein vorkaufsbelastetes Grundstück zusammen mit anderen Grundstücken, die dem Vorkaufsrecht nicht unterliegen, zu einem Gesamtpreis verkauft, darf der Vorkaufsberechtigte sein Recht am vorkaufsbelasteten Grundstück gegen Zahlung des Anteils am Gesamtpreis, der nach dem Wertverhältnis auf dieses liche Grundstücke zum Gesamtpreis zu übernehmen, wenn der Verkauf der übrigen, nicht vorkaufsbelasteten Grundstücke für den Verkäufer überhaupt nicht oder zumindest nicht ohne Nachteil möglich ist.81

76 77 78

79 80 81

BGE 137 III 293 ff. (296), E. 2.2. Vgl. BGE 115 II 331 ff. (334 f.), E. 2b. Vgl. dazu eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 96, wonach das Vorkaufsrecht die Aufhebung des Miteigentumsverhältnisses möglichst erleichtern und damit «das ganze Institut wirtschaftlich um so weniger bedenklich» machen soll. BGE 101 II 235 ff. (241 f.), E. 2b; BGer 5A_1006/2015, E. 4.1. BGE 115 II 331 ff. (335), E. 2c; SteinaueR, Band I, Nr. 1208. BGer 5A_1006/2015, E. 4–6.

772

208

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

Zum Vergleich: § 467 BGB (Gesamtpreis) lautet: «Hat der Dritte den Gegenstand, auf den sich das Vorkaufsrecht bezieht, mit anderen Gegenständen zu einem Gesamtpreis gekauft, so hat der Vorkaufsberechtigte einen verhältnismäßigen Teil des Gesamtpreises zu entrichten. Der Verteil für ihn getrennt werden können.» Die im zweiten Satz der Norm festgeschriebene Regelung gilt damit für die Schweiz gerade nicht.

– Im Stockwerkeigentumsrecht gilt ein solches Vorkaufsrecht nicht von Gesetzes wegen; es kann aber im Begründungsakt oder durch nachträgliche Vereinbarung errichtet werden (Art. 712c Abs. 1 ZGB; hinten Nr. 1037 f.). – Eine Sonderregelung gilt nach BGBB, worauf Art. 682a ZGB verweist (hinten Nr. 993 f.). Auf die Rechtslage bei unselbständigem Miteigentum (Art. 655a Abs. 2 ZGB) wurde bereits hingewiesen (vorne Nr. 769).

6. 773

Der Ausschluss aus der Gemeinschaft

Verhält sich ein Miteigentümer dermassen unverträglich, dass für die anderen die Fortsetzung der Gemeinschaft unzumutbar wird, so kann der Störenfried nach Art. 649b ZGB durch gerichtliches Urteil aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Da der Ausschluss für den betroffenen Miteigentümer eine sehr schwerwiegende Sanktion darstellt, darf er nur angeordnet werden, wenn alle anderen Massnahmen versagt haben (hinten Nr. 776). Art. 649b ZGB ist auch auf das Stockwerkeigentum anwendbar.82 Hier ist die Möglichkeit der Ausschliessung von besonderer praktischer Bedeutung, treten doch erfahrungsgemäss zwischen den Stockwerkeigentümern oft Streitigkeiten auf (hinten Nr. 1018a und 1035).

774

1. Art. 649b Abs. 1 ZGB setzt im Tatbestand voraus, dass ein Miteigentümer oder ein Dritter, dem er den Gebrauch der Sache überlassen oder für den er einzustehen hat, über dermassen schwer verletzt, dass die Fortsetzung der Gemeinschaft unzumutbar ist.83 Im Einzelnen:

775

– Der Miteigentümer hat vor allem das Eigentum und die Persönlichkeitsrechte der unter anderen zu respektieren.84 Er verletzt durch sein Verhalten anderem dann, «wenn er sich immer wieder streitsüchtig, gewalttätig, arglistig zeigt und dadurch ein friedliches Zusammenleben und einen nachbarlichen Verkehr, wie er unter Hausgenossen Brauch und gute Sitte ist, verhindert».85 Als Verletzungen kommen auch übermässige Immissionen in Betracht.86 Ein Verschulden wird nicht vorausgesetzt.87 Nicht nur das Verhalten des Miteigentümers selber, sondern auch jenes von Personen, denen der Miteigentümer den Gebrauch der Sache überlassen oder für

82 83

84 85 86 87

BGE 137 III 534 ff. (535), E. 2.1; 113 II 15 ff. (17), E. 2; BGer 5A_577/2008, E. 2.2. Vgl. auch BGE 137 III 534 ff. (537 f.), E. 2.3.1, wonach die Bestimmung eine Sondernorm zum «wichtigen Grund» darstellt, welcher die Aufhebung eines Dauerschuldverhältnisses rechtfertigen kann. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 9 zu Art. 649b und 649c ZGB. BGE 94 II 17 ff. (22), E. 4a; 113 II 15 ff. (19), E. 3. BGer vom 1. Juli 1999, in ZBGR 82/2001, S. 56 ff. (57), E. 1b = Pra 88/1999, Nr. 189, S. 981 ff. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 14 zu Art. 649b und 649c ZGB.

§ 14 Gemeinschaftliches Eigentum

209

die er einzustehen hat, ist von Bedeutung. Darunter fallen etwa Familienangehörige, Angestellte, Mieter und Pächter.88 – Die Verletzung muss dermassen schwerwiegend sein, dass den anderen Miteigentümern die Fortsetzung der Gemeinschaft nicht mehr zugemutet werden kann. Der Ausschluss eines Miteigentümers bildet demnach die Ultima Ratio; er darf nur mit Zurückhaltung verfügt werden.89

776

Grund für einen Ausschluss darstellt.90

2. Als Rechtsfolge ordnet Art. 649b Abs. 1 ZGB an, dass das Gericht den Miteigentümer aus der Gemeinschaft ausschliesst. Ein Ausschluss kann also nur durch ein im Zivilprozess ergehendes Urteil erfolgen. Der Ausgeschlossene wird gemäss Abs. 3 der Bestimmung zur Veräusserung seines Anteils innert einer bestimmten Frist verurteilt. Kommt er dem Urteil nicht nach, so wird die öffentliche Versteigerung nach den Vorschriften über die Zwangsverwertung von Grundstücken angeordnet. Klageberechtigt sind die in ihren Rechten beeinträchtigten Miteigentümer.91 Nach Art. 649b Abs. 2 ZGB ist für die Klage ausserdem eine Ermächtigung durch einen Mehrheitsbeschluss erforderlich, soweit nichts anderes vereinbart ist.92 Besteht die Gemeinschaft nur aus zwei Miteigentümern, so steht jedem das Klagerecht zu.

777

778

Kein Klagerecht hat jedoch jener Miteigentümer, der sich seinerseits grob gemeinschaftswidrig verhalten hat und dadurch für die zerrüttete Situation mitverantwortlich ist.93

3. Nach Art. 649c ZGB ist Art. 649b ZGB auf den Nutzniesser und den Inhaber eines anderen dinglichen oder vorgemerkten persönlichen Nutzungsrechts an einem Miteigentumsanteil sinngemäss anwendbar.94

88 89

90

91

m eieR-h ayoz, BeKomm, N 16 zu Art. 649b und 649c ZGB. BGE 94 II 17 ff. (23), E. 5b; 113 II 15 ff. (19 f.), E. 3; BGer vom 5. Februar 1979, in ZBGR 63/1982, S. 369 ff. (373), E. 4b; BGer vom 1. Juli 1999, in ZBGR 82/2001, S. 56 ff. (57), E. 1b = Pra 88/1999, Nr. 189, S. 981 ff.; ZBGR 83/2002, S. 140 ff. (142 f.), E. 5 (Walliser Kantonsgericht). m eieR-h ayoz, BeKomm, N 10 zu Art. 649b und 649c ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 1166b mit Hinweisen. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 22 zu Art. 649b und 649c ZGB.

92

93 94

vgl. BGer 5A_447/2014, E. 3. BGE 137 III 534 ff. (537 f.), E. 2.3.1; dazu JöRg Schmid/diel Schmid m eyeR, BR/DC 2012, Nr. 172. Siehe dazu m eieR-h ayoz, BeKomm, N 33 ff. zu Art. 649b und 649c ZGB. – Zur Rechtslage, wenn die Störung von einem Mieter ausgeht, dessen Mietvertrag im Grundbuch nicht vorgemerkt ist, vgl. hüRlimann-K auP, Grundfragen, Nr. 716 ff.

779

210

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

7.

Der Untergang des Miteigentums

A.

Im Allgemeinen

780

Miteigentum kann aus verschiedenen Gründen untergehen:

781

– für nur einen (einzelnen) Miteigentümer durch Veräusserung, Verzicht oder Zwangsvollstreckung bezüglich des betreffenden Anteils sowie durch Ausschluss aus der Gemeinschaft;95

782

– überhaupt, also für alle Miteigentümer: • durch Verlust oder Untergang der Sache, Untergang des Baurechts (auf dem das Miteigentum errichtet worden ist), durch Untergang infolge Rechtsgeschäfts («contrarius actus»), wegen Vereinigung aller Anteile in einer einzigen Hand oder infolge Zwangsvollstreckung;96 • durch Aufhebung auf Verlangen eines Miteigentümers nach Art. 650 f. ZGB. Darauf ist näher einzugehen (nachfolgend Nr. 783 ff.). Für die Aufhebung von Miteigentum an landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken behält Art. 654a ZGB das BGBB vor97 (hinten Nr. 993 f.).

783

B.

Die Aufhebung auf Verlangen eines Miteigentümers insbesondere

a.

Der Aufhebungsanspruch nach Art. 650 ZGB

1. Miteigentum ist nicht auf Dauer angelegt. Jeder Miteigentümer hat vielmehr gemäss Art. 650 Abs. 1 ZGB grundsätzlich das Recht, jederzeit die Aufhebung des Miteigentums zu verlangen. Das Gesagte gilt auch, wenn ein Miteigentumsanteil mit einer Nutzniessung belastet ist; die Zustimmung des Nutzniessungsberechtigten zur Aufhebung ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht erforderlich.98 – Der Aufhebungsanspruch ist realobligatorischer Natur: Er ist untrennbar mit dem Anteilsrecht verbunden und richtet sich gegen den oder die übrigen Miteigentümer. Überdies ist er unverjährbar.99

784

2. Immerhin gelten wichtige Einschränkungen: – Die Aufhebung darf nicht zur Unzeit verlangt werden (Art. 650 Abs. 3 ZGB).

785

Die Bestimmung will verhindern, dass die Aufhebung in einem Zeitpunkt erzwungen wird, in welchem deren Vornahme für die übrigen Miteigentümer oder einen Einzelnen von ihnen eine

95 96 97 98

99

SteinaueR, Band I, Nr. 1158 ff. SteinaueR, Band I, Nr. 1172 ff. Vgl. dazu BGer 5A_522/2013, E. 1.1–1.3. BGer 5A_174/2015, E. 4 und 5 (mit Bezug auf Miteigentumsanteile an Grundstücken); für den konkreten Fall zustimmend JöRg Schmid/céline buSSmann, Die Aufhebung des Miteigentums bei nutzniessungsbelasteten Grundstücken, BR/DC 2016, S. 154 ff. (155 f.). Nach Ansicht von a lFRed KolleR BN 75/2014, S. 270 ff. (273), muss der Nutzniessungsberechtigte hingegen seine Zustimmung erteilen. Ebenso deniS Piotet, Demander le partage judiciaire de la copropriété, le meilleur moyen de se rale de l’objet des droits réels, ZBGR 97/2016, S. 326 ff. (326 und 330). m eieR-h ayoz, BeKomm, N 6 zu Art. 650 ZGB.

§ 14 Gemeinschaftliches Eigentum

211

übermässige Belastung oder erhebliche Nachteile zur Folge haben müsste. Blosse Unannehmlichkeiten, wie sie mit jeder Aufhebung verbunden sind, begründen demgegenüber für sich allein keinen Hinderungsgrund der Unzeit.100

– Der Teilungsanspruch besteht nicht, wenn die Sache zu Stockwerkeigentum aufgeteilt oder für einen dauernden Zweck bestimmt ist (Art. 650 Abs. 1 ZGB in

786

Als Sachen, die für einen dauernden Zweck bestimmt sind und deshalb den Anspruch auf Aufhebung des Miteigentums beseitigen, kommen etwa gemeinschaftliche Mauern, Hecken, Zäune, gemeinsame Einfahrten,101 aber auch Fernheizungsanlagen oder Autoeinstellhallen in Betracht.102 Für unselbständiges Miteigentum schliesst Art. 655a Abs. 2 ZGB den Aufhebungsanspruch für den Fall aus, dass die Verknüpfung zu einem dauernden Zweck erfolgt ist.103

– Der Teilungsanspruch kann auch durch Rechtsgeschäft aufgehoben werden. Eine solche Vereinbarung lässt sich höchstens für 50 Jahre gültig vereinbaren.104 Für Grundstücke bedarf die Vereinbarung zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung; sie kann im Grundbuch vorgemerkt werden (Art. 650 Abs. 2 ZGB; dazu vorne Nr. 472).105 b.

Die Art der Teilung (Art. 651 ZGB)

1. Im Vordergrund steht die einvernehmliche Teilung durch die Miteigentümer selber. Gemäss Art. 651 Abs. 1 ZGB können die Parteien im gegenseitigen Einverständnis das Miteigentum aufheben durch körperliche Teilung, durch Verkauf aus freier Hand oder auf dem Weg der Versteigerung mit Teilung des Erlöses oder durch Übertragung der ganzen Sache auf einen oder mehrere der Miteigentümer unter Auskauf der übrigen.106 Der Aufhebungsvertrag untersteht den Regeln des OR.107 – Gegenstand der Veräusserung ist die Sache als solche; der Käufer/Ersteigerer erwirbt mit anderen Worten die ganze Sache und nicht etwa die einzelnen Miteigentumsanteile, «die alsdann aufgrund seiner Erklärung oder sonstwie noch zu Alleineigentum bzw. einer ‹ganzen Sache› vereinigt werden müssten».108

100

101 102 103

104

105

106 107 108

787

BGer vom 12. März 1993, in Semjud 115/1993, S. 530 ff. (531 f.), E. 4; ZBGR 77/1996, S. 363 ff. (364), E. 2 (Berner Appellationshof); ZBGR 83/2002, S. 140 ff. (143 f.), E. 6a (Walliser Kantonsgericht: zusammengebrochene Liegenschaftspreise und der Umstand, dass sich ein Miteigentümer vgl. auch m eieR-h ayoz, BeKomm, N 36 zu Art. 650 ZGB. BGE 130 III 13 ff. (16), E. 5.2.2. Beispiele teilweise von m eieR-h ayoz, BeKomm, N 32 zu Art. 650 ZGB. Zur Entstehungsgeschichte vgl. Amtl.Bull. StR 2008, S. 407 (Votum JaniaK). Vgl. ausserdem deniS Piotet, L’opposition entre «Verknüpfung» et «Bestimmung»: l’interprétation de l’art. 655a CC à la lumière de l’art. 650 al. 1 CC, BN 75/2014, S. 299 ff. Fassung gemäss BG vom 11. Dezember 2009, in Kraft seit 1. Januar 2012. In der vorherigen Gesetzesfassung war die Aufhebung des Teilungsanspruchs auf maximal 30 Jahre beschränkt (vgl. auch Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5303). Zu den Grenzen eines rechtsgeschäftlichen Aufhebungsverbots, namentlich beim Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Aufhebung, vgl. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 23 ff. zu Art. 650 ZGB. Vgl. auch ZBGR 77/1996, S. 363 ff. (366), E. 4 (Berner Appellationshof). m eieR-h ayoz, BeKomm, N 14 ff. zu Art. 651 ZGB. BGer 5A_174/2015, E. 5.2.

788

212 789

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

2. Können sich die Miteigentümer über die Art der Aufhebung nicht einigen, so hat das Gericht darüber zu bestimmen. Art. 651 Abs. 2 und 3 ZGB regeln das Nähere.109 Die Klage geht auf Bestimmung der Art der Teilung sowie auf Durchführung der Aufhebung. Jeder Miteigentümer kann eigene Anträge stellen, ohne dafür formell eine Widerklage einreichen zu müssen (sogenannte actio duplex). Stimmen die Parteianträge mit Bezug auf die Art der Teilung überein, ist das Gericht daran gebunden, es muss aber über die allenfalls noch umstrittenen Modalitäten dieser Teilungsart entscheiden.110

790

3. Den ehegüterrechtlichen Sonderfall der ungeteilten Zuweisung gegen Entschädigung regeln Art. 205 Abs. 2 und Art. 251 ZGB (ähnlich Art. 24 PartG).111 Für gewisse Tiere ist sodann die Sonderregel von Art. 651a ZGB zu beachten.112

III. Das Gesamteigentum 1.

Die Voraussetzungen des Gesamteigentums

791

1. Gesamteigentum setzt nach Art. 652 ZGB voraus, dass mehrere Personen zu einer (gesamthänderischen) Gemeinschaft verbunden sind und die Sache kraft dieser Gemeinschaft zu (gemeinschaftlichem) Eigentum haben. Wesentlich ist also eine vorbestehende personenrechtliche Gemeinschaft zweier oder mehrerer Personen auf gesamthänderischer Grundlage.113

792

2. Die vorausgesetzte gesamthänderische Gemeinschaft – auch: Gemeinschaft zur gesamten Hand – besteht entweder auf Grund einer Gesetzesvorschrift, oder sie wird durch Vertrag begründet. Gesamteigentum auf vertraglicher Grundlage entsteht allerdings nur in bestimmten vom Gesetz vorgesehenen Formen; es besteht nämlich ein Numerus clausus für Gemeinschaftsverhältnisse mit Gesamteigentum.114

793

Im Grundbuch muss deshalb die Grundlage des Gesamteigentums an einem Grundstück stets angegeben werden (Art. 96 Abs. 3 GBV).115 Die Eintragung von «abstraktem» (das begründende Rechtsverhältnis nicht angebendem) Gesamteigentum ist ausgeschlossen.116

109

110 111

112 113 114

115 116

Im Einzelnen BGer vom 12. März 1993, in Semjud 115/1993, S. 530 ff. (532 f.), E. 5b; ZBGR m eieR-h ayoz, BeKomm, N 18 ff. zu Art. 651 ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 1189 ff. BGer 5A_174/2015, E. 6.2. BGE 141 III 53 ff. (60), E. 5.4.2; 138 III 150 ff. (153), E. 5.1.1; 119 II 197 ff. (198), E. 2; BGer 5C.325/2001, E. 2 = ZBGR 84/2003, S. 122 ff.; 5C.87/2003, E. 4; 5C.56/2004, E. 5. Vgl. auch SteinaueR, Band I, Nr. 1192 f. Vgl. SteinaueR, Band I, Nr. 1193 ff.; SutteR-Somm, Nr. 285 ff. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 23 zu Art. 652 ZGB. BGE 84 I 126 ff. (129), E. 2; 116 II 49 ff. (51), E. 3; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 23 ff. zu Art. 652 ZGB. BGE 96 II 325 ff. (330), E. 6b. deSchenaux, S. 503; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 23 zu Art. 652 ZGB, jeweils mit Hinweis auf BGE 84 I 126 ff.

§ 14 Gemeinschaftliches Eigentum

213

3. Wichtige Anwendungsfälle des Gesamteigentums sind:

794

– nach Art. 222 Abs. 2 ZGB die Gütergemeinschaft; – nach Art. 602 Abs. 2 ZGB die Erbengemeinschaft; – nach Art. 544 Abs. 1 OR die einfache Gesellschaft (unter Vorbehalt einer anderen Abmachung). Den Regeln der einfachen Gesellschaft folgen diesbezüglich auch die Kollektiv- und die Kommanditgesellschaft.117

2.

Die Wirkungen des Gesamteigentums

Gemäss Art. 653 Abs. 1 ZGB tümer nach den Regeln, unter denen ihre gesetzliche oder vertragsmässige Gemeinschaft steht. Das bedarf der Erläuterung:

795

1. Art. 653 Abs. 1 ZGB ist eine blosse Verweisungsnorm: Sie erschöpft sich darin, auf die Normen zu verweisen, welche das vorbestehende Gemeinschaftsverhältnis regeln. Diese bestimmen Verfügung, Nutzung und Gebrauch sowie Kostentragung bezüglich der Gemeinschaftssache.118

796

Beispiele: a. Art. 227 ff. ZGB für die Gütergemeinschaft. – b. Art. 602 Abs. 3 ZGB für den Erbenvertreter. – c. Art. 543 (563 ff. und 603) OR für das Gesellschaftsrecht.

2. Ohne besondere Vorschrift ist «zur Ausübung des Eigentums und insbesondere zur Verfügung über die Sache» grundsätzlich Einstimmigkeit der Gesamteigentümer verlangt (Art. 653 Abs. 2 und Art. 800 Abs. 2 ZGB).119

797

3. Solange die Gemeinschaft dauert, ist ein Recht auf Teilung oder die Verfügung über einen Bruchteil der Sache ausgeschlossen (Art. 653 Abs. 3 ZGB).

798

Genauer gesagt existiert ein solcher «Bruchteil» beim Gesamteigentum überhaupt nicht; das Recht an der Sache ist bloss Ausdruck der Beteiligung des Gesamteigentümers an der Gemeinschaft.120

4. Zur Zwangsvollstreckung gegen einen Gesamteigentümer vgl. Art. 132 SchKG sowie die Verordnung über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen vom 17. Januar 1923 (VVAG).121

117 118 119 120 121

BGE 99 III 1 ff. (2), E. 2. R ey, Band I, Nr. 984; SteinaueR, Band I, Nr. 1382. BGE 119 Ia 342 ff. (345), E. 2a; BGer 5C.289/2005, E. 6.1. SteinaueR, Band I, Nr. 1388; ähnlich R ey, Band I, Nr. 989. SR 281.41; vgl. dazu m eieR-h ayoz, BeKomm, N 22 ff. zu Art. 653 ZGB; R ey, Band I, Nr. 991 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 1392; R aymond l. biSang (zitiert in Nr. 804), S. 40 ff. und 69 ff. Beispiel: BGE 135 III 179 ff. = Pra 99/2010, Nr. 42, S. 307 ff.

799

214

3. 800

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

Die Aufhebung des Gesamteigentums

1. Das Gesetz sieht in Art. 654 Abs. 1 ZGB zwei Fälle vor: – entweder die Veräusserung der Sache, oder – das Ende der Gemeinschaft.

801

2. Gemäss Art. 654 Abs. 2 ZGB geschieht die Teilung unter Vorbehalt besonderer Vorschriften nach den Regeln über das Miteigentum (Art. 651 ZGB; vorne Nr. 788 ff.). Die Frage, ob Art. 205 Abs. 2 ZGB (ungeteilte Zuweisung eines im Miteigentum stehenden Vermöwurde vom Bundesgericht offengelassen.122

802

3. Art. 654a ZGB behält für die Aufhebung von Gesamteigentum an landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken das BGBB vor (hinten Nr. 993 f.).

122

BGer 5A_283/2011, E. 2.2.

215

§ 14 Gemeinschaftliches Eigentum

IV. Schema 803

Art. 646 – 651 ZGB (und 712a – t ZGB)

Art. 652 – 654 ZGB

Das Gemeinsame ist (nur) die Sache; an ihr besteht gemeinschaftliches Eigentum nach Bruchteilen (Art. 646 Abs. 1 ZGB).

Das Gemeinsame ist ein vorbestehendes Gesamthandverhältnis; gemeinschaftliches Eigentum besteht kraft dieser Gemeinschaft (Art. 652 ZGB).

Verfügungsrecht über den Bruchteil: Art. 646 Abs. 3 und 800 Abs. 1 ZGB. Rechtsstellung bezüglich der Gesamtsache: Art. 647 – 649 ZGB. Grundsätzlich jederzeitiger Teilungsanspruch: Art. 650 ZGB.

Keine Bruchteile, kein Verfügungsrecht und kein Teilungsanspruch, solange die Gemeinschaft dauert: Art. 653 Abs. 3 und 800 Abs. 2 ZGB. Rechtsstellung bezüglich der Gesamtsache: vorbestehendes Gesamthandverhältnis massgebend (Art. 653 Abs. 1 ZGB; subsidiär Einstimmigkeitsprinzip: Art. 653 Abs. 2 ZGB).

Art. 646 – 651 ZGB

Art. 712a – t ZGB

Sonderformen: unselbständiges Miteigentum (Art. 655a ZGB) modifiziertes / labiles Miteigentum (Art. 973a Abs. 2 und 3 OR)

V.

Weiterführende Literatur

– biSang R aymond l., Die Zwangsverwertung von Anteilen an Gesamthandschaften, Diss. Zürich 1978. – bRäm beat, Gemeinschaftliches Eigentum unter Ehegatten an Grundstücken (…), Diss. Bern 1997 (ASR Heft 605; zitiert: bRäm, Gemeinschaftliches Eigentum). – deRSelbe, Gemeinschaftlicher Erwerb durch Ehegatten, in: Schmid Jürg (Hrsg.), Der Grundstückkauf, Zürich 2010, S. 375 ff. (zitiert: bRäm, Gemeinschaftlicher Erwerb). – ghandchi lilian, Das gesetzliche Vorkaufsrecht im Baurechtsverhältnis – Art. 682 Abs. 2 ZGB, Diss. Zürich 1999.

804

216

Das Eigentum (Allgemeine Bestimmungen)

– hüRlimann-K auP bettina, Neuerungen beim Miteigentum und beim Stockwerkeigentum, in: Wolf Stephan (Hrsg.), Revision des Immobiliarsachenrechts, Bern 2011, S. 71 ff. – lannePatS guy, Le statut de la copropriété des immeubles bâtis, Eléments de comparaison en droit français et en droit suisse, Genf 2010. – PeRRuchoud edmond c. portant principalement sur la copropriété foncière, Genfer Diss., Zürich/St. Gallen 2006. – Piotet deniS, Copropriété et propriété commune, spécialement le droit d’aliéner la part et le droit au partage, JdT 2015 II, S. 4 ff. – Piotet Paul, Copropriétés et sous-communautés, ZBGR 80/1999, S. 137 ff. – Schmid JüRg, Das unselbständige Miteigentum in Theorie und Praxis, in: Von der Crone Hans-Caspar et al. (Hrsg.), Aktuelle Fragen des Bank- und Finanzmarktrechts, FS für Dieter Zobl, Zürich 2004, S. 605 ff. (auch abgedruckt in ZBGR 86/2005, S. 277 ff.; zitiert: Schmid, Das unselbständige Miteigentum). – deRSelbe, Formelle Aspekte der Willensäusserungen bei Miteigentum und Stockwerkeigentum, ZBGR 88/2007, S. 439 ff. (zitiert: Schmid, Formelle Aspekte). – deRSelbe, Neuerungen beim Miteigentum und Stockwerkeigentum, Neue Anmerkungen, ZBGR 91/2010, S. 372 ff. (zitiert: Schmid, Neuerungen beim Miteigentum). – SchneideR benno, Das schweizerische Miteigentumsrecht, Diss. Bern 1973 (ASR Heft 418). – SchumacheR R aineR, Vertragsgestaltung für Ehegatten: Miteigentum oder Gesamteigentum?, in: Familie und Recht, FG Bernhard Schnyder, Freiburg 1995, S. 625 ff. – SteinaueR Paul-henRi, Les pluralités de copropriétés sur un même immeuble, ZBGR 79/1998, S. 217 ff. – StRebel loRenz, Der Ausgleichsanspruch des Miteigentümers gemäss Art. 649 Abs. 2 ZGB, AJP 2010, S. 1113 ff. – StRittmatteR R eto, Ausschluss aus Rechtsgemeinschaften – Mit- und Stockwerkeigentümergemeinschaft, Kollektiv-, Kommandit- und einfache Gesellschaft, Erbengemeinschaft und Gemeinderschaft, Diss. Zürich 2002. – thuRnheRR chRiStoPh, Bauliche Massnahmen bei Mit- und Stockwerkeigentum, Grundlagen und praktische Probleme, Diss. Zürich 2010. – WeRmelingeR amédéo, Vorgeschlagene Änderungen des Mit- und Stockwerkeigentums, ZBGR 88/2007, S. 321 ff.

§ 14 Gemeinschaftliches Eigentum

217

VI. Fälle 1. BGE 142 III 220 ff. Verbindlichkeit einer in einer Nutzungs- und Verwaltungsordnung enthaltenen Schiedsklausel: Für den Miteigentümer, der die Nutzungs- und Verwaltungsordnung seinerzeit mit verabschiedet hat, besteht in jedem Fall eine Bindungswirkung. Der Erwerber eines Miteigentumsanteils ist jedenfalls dann an die Schiedsklausel gebunden, wenn er sich als Schiedskläger in seiner schriftlichen Schiedsklage darauf beruft. 2. BGE 136 III 261 ff. Bauliche Massnahmen beim Miteigentum (Stockwerkeigentum); Voraussetzungen des Vetorechts des nicht zustimmenden Miteigentümers. 3. BGE 141 III 357 ff. An einem gemeinschaftlichen Teil durchzuführende Massnahmen sind als luxuriös anzusehen, wenn sie ausschliesslich im Interesse eines Stockwerkeigentümers oder weniger Stockwerkeigentümer liegen (in casu Verlegen von Platten auf einer Terrasse, an der zu Gunsten der Eigentümer einer Stockwerkeinheit ein Sondernutzungsrecht bestand). 4. BGE 113 II 15 ff. und BGer vom 5. Februar 1979, in ZBGR 63/1982, S. 369 ff. Voraussetzungen für den Ausschluss eines Miteigentümers aus einer Stockwerkeigentümergemeinschaft. Ein Ausschluss kommt nur als Ultima Ratio in Betracht, wenn alle anderen möglichen und zumutbaren Massnahmen zur Beseitigung der Störungen wirkungslos geblieben sind. – Vgl. auch BGE 137 III 534 ff. (537 f.), E. 2.3.1, wonach das Klagerecht entfällt, wenn der Kläger sich seinerseits grob gemeinschaftswidrig verhalten hat. 5. BGE 116 II 49 ff. Ausübung eines Vorkaufsrechts an einem Grundstück durch fünf Geschwister. 6. BGE 137 III 293 ff. Kaufvertrag über einen Miteigentumsanteil; Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts (Art. 682 ZGB); Ansprüche des Drittkäufers, der behauptet, das Vorkaufsrecht sei nicht rechtzeitig ausgeübt worden. 7. BGE 119 II 119 ff. Eine im Gesamteigentum zweier einfacher Gesellschafter stehende Liegenschaft wird beim Tod des einen ohne besondere Abrede nicht Alleineigentum des anderen (Bestätigung der Rechtsprechung).

805

218

Das Grundeigentum

2. Abschnitt: Das Grundeigentum (Art. 655–712t ZGB) 806

Im Titel über das Grundeigentum («De la propriété foncière») regelt das ZGB folgende Fragen: – den Gegenstand, Erwerb und Verlust des Grundeigentums («De l’objet, de l’acquisition et de la perte de la propriété foncière»; Art. 655–666b ZGB); – den Inhalt und die Beschränkung des Grundeigentums («Des effets de la propriété foncière»; Art. 667–712 ZGB); und – das Stockwerkeigentum («De la propriété par étages»; Art. 712a–712t ZGB). Diese Bestimmungen beziehen sich auf die Grundstücke, welche ja gemäss Art. 655 Abs. 1 ZGB Gegenstand des Grundeigentums sind (nachfolgend Nr. 807 ff.). Für die Grundstücke sind freilich noch zahlreiche andere Gesetze zu beachten, namentlich das BewG und das BGBB (hinten Nr. 991 ff.).

§ 15 Der Gegenstand des Grundeigentums 807

Gegenstand des Grundeigentums sind gemäss Art. 655 Abs. 1 ZGB die Grundstücke. Zu beachten ist Folgendes: – Das Gesetz (in Art. 655 Abs. 2 ZGB) selber, was als Grundstück im Sinn des Gesetzes gilt (vgl. dazu auch Art. 943 Abs. 1 ZGB und nachfolgend I.). – Genau genommen beziehen sich die privatrechtlichen Bestimmungen nicht auf sämtliche Grundstücke, sondern nur auf jene, die dem Privatrecht unterstellt sind (vgl. Art. 664 und 944 ZGB sowie hinten II.). – Gegenbegriff zu den Grundstücken bildet die Fahrnis (Art. 713 ZGB; hinten Nr. 1073 ff.).

I.

Die Grundstücke

808

Einführende Literatur: – R ey, Band I, Nr. 1027 ff. – SteinaueR, Band II, Nr. 1505 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 94 N 15 ff.

809

1. In Art. 655 Abs. 2 ZGB («immeubles»). Die Umschreibung wird in Art. 943 Abs. 1 ZGB wieder aufgegriffen, wo es um die Aufnahme der Grundstücke in das Grundbuch geht. Bei der Darstellung des Grundbuchrechts war denn vom Grundstückbegriff auch schon die Rede (vorne Nr. 416 ff.). Hier sei deshalb nur in aller Kürze wiederholt, was das Gesetz unter Grundstück versteht, nämlich:

§ 15 Der Gegenstand des Grundeigentums

219

– die Liegenschaften, – die in das Grundbuch aufgenommenen selbständigen und dauernden Rechte, – die Bergwerke, und – die Miteigentumsanteile an Grundstücken. Auch hier (in Art. 655 Abs. 2 Ziff. 4 ZGB) wird der Begriff «Grundstück» wieder im technischen Sinn verwendet. Möglich – und ihrerseits mit «Grundstücksqualität» ausgestattet – sind also nicht nur Miteigentumsanteile an Liegenschaften, sondern auch solche an einem Miteigentumsanteil (zum Beispiel Miteigentumsanteile an einem Stockwerkeigentumsanteil) oder an einem selbständigen und dauernden Recht (zum Beispiel Miteigentumsanteile an einem selbständigen und dauernden Baurecht).1 809a

Abs. 3 ZGB, wann eine Dienstbarkeit an einem Grundstück im Sinn von Abs. 2 Ziff. 2 der Norm ein selbständiges und dauerndes Recht ist (entsprechend dem bisherigen Art. 7 aGBV; vgl. vorne Nr. 418).2 2. Was den wichtigen Fall der Liegenschaften (Art. 655 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB; «les biens-fonds») betrifft – also das, was ein juristischer Laie unter «Grundstück» versteht – so sei auf folgende Punkte hingewiesen:

810

– Eine «Liegenschaft» ist – wie sich aus Art. 667 Abs. 1 ZGB ergibt (hinten Nr. 885 ff.) – ein Körper (eine dreidimensionale Einheit), nicht bloss eine (zweidimensionale) Fläche.3 Dies muss betont werden, zumal Art. 2 lit. a GBV die

811

bestimmten Grenzen». Auch private Gewässer, wie Seen, Flüsse, Bäche, Teiche, können – zusammen mit dem Seeboden oder Flussbett – Liegenschaften sein und als solche in das Grundbuch aufgenommen werden, immerhin mit Ausnahme der Quellen.4 – Das Eigentum an einer Liegenschaft bezieht sich gemäss Art. 642 Abs. 1 ZGB auf alle Bestandteile dieser Liegenschaft und erfasst gemäss Art. 667 Abs. 2

812

Abs. 1 und Art. 704 Abs. 1 ZGB; hinten Nr. 888 ff.). Das Gesetz behält in Art. 667 Abs. 2 ZGB immerhin Ausnahmen vor: vgl. zum Beispiel Art. 677 ZGB (Fahrnisbauten; hinten Nr. 889 und 905 f.).

– Auch die Zugehör folgt grundsätzlich («wenn keine Ausnahme gemacht wird») dem rechtlichen Schicksal der Liegenschaft (Art. 644 Abs. 1 ZGB; vorne Nr. 705 ff.).

1 2

3 4

Vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 1519. Vgl. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5304. Die Formulierung wurde im Ständerat geringfügig ergänzt: Amtl.Bull. StR 2008, S. 407 (Votum JaniaK). BGE 132 III 353 ff. (356), E. 2.1; 132 III 689 ff. (700), E. 4.4.1. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 10 zu Art. 655 ZGB.

813

220 814

Das Grundeigentum

3. Weiterführende Literatur: – – – –

haab, ZüKomm, Kommentar zu Art. 655 ZGB. liveR, S. 122 ff. meieR-hayoz, BeKomm, Kommentar zu Art. 655 ZGB. SutteR-Somm, Nr. 442 ff.

II. Zu den «herrenlosen und öffentlichen Sachen» (Art. 664 ZGB) 815

Einführende Literatur: – R ey, Band I, Nr. 177 ff. – SteinaueR, Band II, Nr. 1522 ff. (und Band I, Nr. 69 ff.). – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 94 N 20, § 100 N 13 und § 101 N 32.

1.

Der Anwendungsbereich von Art. 664 ZGB

816

Art. 664 ZGB spricht in Randtitel und Text von den herrenlosen und den öffentlichen Sachen («Choses sans maître et biens du domaine public»). Zu diesen Rechtsbegriffen und damit zum Anwendungsbereich von Art. 664 ZGB ist Folgendes zu bemerken:

817

1. Art. 664 ZGB bezieht sich nach herrschender Auffassung ausschliesslich auf Grund5 stücke, die sich im Gemeingebrauch

818

– «Herrenlos» («choses sans maître») im Sinn dieser Bestimmung sind solche (unbeweglichen) Sachen, die von Natur aus im Gemeingebrauch stehen: öffentliche Gewässer, kulturunfähiges Land.6 Was das kulturunfähige Land betrifft, spricht Art. 664 Abs. 2 ZGB selber beispielhaft von Felsen und Schutthalden, von Firnen und Gletschern7 sowie den daraus entspringenden Quellen. «Herrenlos» bedeutet hier also nicht, dass die Sache nach Art. 658 und 718 ZGB der Aneignung fähig ist.8

– «Öffentliche Sachen» («biens du domaine public») sind solche, die durch besondere Bestimmung – nämlich durch sogenannte Widmung – dem Gemeingebrauch übergeben worden sind: Strassen, Plätze, öffentliche Parkanlagen.9

819

Aus systematischen Gründen erfasst Art. 664 ZGB nur Grundstücke, nicht auch bewegliche Sachen.10

5

6 7 8 9 10

SteinaueR, Band II, Nr. 1524; deRSelbe, Band I, Nr. 72; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 5 zu Art. 664 ZGB; a Ron PFammatteR (zitiert in Nr. 827), S. 11 ff. SteinaueR, Band II, Nr. 1527 ff.; relativierend a Ron PFammatteR (zitiert in Nr. 827), S. 15 ff. Dazu michael bütleR (zitiert in Nr. 827), S. 23 ff. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 11 f. zu Art. 664 ZGB. bettina hüRlimann-K auP/Fabia nyFFeleR (zitiert in Nr. 827), S. 93. SteinaueR, Band II, Nr. 1526.

§ 15 Der Gegenstand des Grundeigentums

221

2. Art. 664 ZGB befasst sich nicht mit jenen Grundstücken, die zum Verwaltungsvermögen eines Gemeinwesens gehören (Schulen, Museen, Verwaltungsgebäude usw.).11 Diese Grundstücke unterstehen von vornherein direkt dem kantonalen Recht, was sich aus Art. 6 ZGB ergibt12 (vgl. auch Art. 796 Abs. 2 und Art. 949 Abs. 2 ZGB).

820

Immerhin bleiben gewisse privatrechtliche Normen anwendbar, wie etwa die Haftung (des Gemeinwesens) nach Art. 679 f. ZGB und Art. 58 OR. – Auf die Möglichkeit der Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts zu Lasten eines Grundstücks einer Kantonalbank ist zurückzukommen (hinten Nr. 1724).

3. Das Finanzvermögen eines Gemeinwesens wird durch Art. 664 ZGB ebenfalls nicht erfasst, sondern untersteht dem Privatrecht.13

2.

821

Die rechtliche Regelung

Art. 664 Abs. 1 ZGB unterstellt die herrenlosen und die öffentlichen Sachen – nach dem Gesagten also: die Grundstücke im Gemeingebrauch – der Hoheit des Staates (Kantons), lichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen; Art. 664 Abs. 1 ZGB ist daher ein unechter Vorbehalt zu Gunsten des kantonalen Rechts. Die Rechtsverhältnisse an den genannten Grundstücken im Gemeingebrauch sind demnach (grundsätzlich) nach kantonalem Recht zu beurteilen.14 «Ob private Rechte an öffentlichen Sachen überhaupt bestehen können, richtet sich somit nach dem massgebenden kantonalen Recht, ebenso die Frage, ob und in welchem Umfang die öffentlichen Sachen den Regeln des Privatrechts unterstellt sind.»15 Die Kantone hätten mit anderen Worten die Möglichkeit, diesen Bereich ausschliesslich öffentlich-rechtlich zu regeln; allerdings hat kein Kanton von diesem Recht Gebrauch gemacht.16 Beizufügen bleibt:

822

1. Gemäss Art. 664 Abs. 2 ZGB besteht an den öffentlichen Gewässern und an kulturunfähigem Land grundsätzlich kein Privateigentum. Allgemeiner gesagt: Privaten Personen kommen daran vermutungsweise keine dinglichen Rechte zu.17

824

11

12 13

14 15

16 17

Umstritten; vgl. die Hinweise bei a Ron PFammatteR (zitiert in Nr. 827), S. 11. Unklar BGer 4A_250/2015, E. 4.1. Die Kontroverse hat allerdings keine praktische Bedeutung; bettina hüRlimann-K auP/Fabia nyFFeleR (zitiert in Nr. 827), S. 86. SteinaueR, Band II, Nr. 1525; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 7 zu Art. 664 ZGB. BGE 97 II 371 ff. (377), E. 3c; 112 II 35 ff. (37), E. 2; BGer 2C_314/2013, E. 1.1.1; SteinaueR, Band I, Nr. 74; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 6 zu Art. 664 ZGB. BGE 123 III 454 ff. (457), E. 3b; BGer 2C_622/2010, E. 3.2 (jeweils für öffentliche Gewässer). BGE 97 II 25 ff. (29), E. 2b, mit Hinweis auf m eieR-h ayoz, BeKomm, N 82 zu Art. 664 ZGB; vgl. auch BGer 5P.9/2001, E. 2a; SteinaueR, Band II, Nr. 1534 ff. BGE 112 II 107 ff. (109), E. 1. a Ron PFammatteR (zitiert in Nr. 827), S. 80 f. – Zur Frage, inwieweit dem Staat Eigentum an den öffentlichen Gewässern und dem kulturunfähigen Land zukommt, vgl. bettina hüRlimann-K auP/ Fabia nyFFeleR (zitiert in Nr. 827), S. 96 ff.

823

222

Das Grundeigentum

Das kantonale Recht bestimmt, ob neben dem Wasser auch dessen Bett öffentlich ist.18 Steht das chen Gewässer.19

Diese Regel gilt aber nur unter Vorbehalt anderweitigen Nachweises.20 Denkbar ist namentlich ein früher begründeter Rechtstitel.21 Als Rechtstitel kommt die sogenannte Unvordenklichkeit in Betracht. Das bedeutet: An der Sache hat eine Person seit Menschengedenken – zwei Generationen: 80 Jahre lang22 – private Rechte ausgeübt.23 825

2. Nach Art. 664 Abs. 3 ZGB stellt das kantonale Recht für die Aneignung des herrenlosen Landes sowie für die Ausbeutung und den Gemeingebrauch der öffentlichen Sachen (Strassen, Plätze, Gewässer, Flussbetten) die erforderlichen Bestimmungen auf.24

826

3. Die Kantone sind in ihren Regelungen grundsätzlich frei, müssen sich aber an die bundesrechtlichen Vorgaben halten:25 – Zu beachten ist namentlich die Eigentumsgarantie der Bundesverfassung (Art. 26 BV).26 – Erlaubt das kantonale Recht die Übertragung eines im öffentlichen Gebrauch stehenden Grundstücks, so sind die bundesrechtlichen Formen einzuhalten.27 – Bezüglich der Verantwortlichkeit gilt auch für die Grundstücke im Sinn von Art. 664 ZGB die Haftungsregelung nach Art. 679 f. ZGB und Art. 58 OR.28 – Besondere Bundeskompetenzen bleiben vorbehalten und gehen im Einzelfall vor, etwa im Strassenverkehrsrecht, Nationalstrassenbau usw.29

18

19 20

21

22

23

24

25

26 27

28 29

Vgl. BGE 95 I 243 ff. (246 ff.), E. 2 (privates Gewässerbett der Aach); BGer 5P.147/2000 = ZBGR 83/2002, S. 235 ff. (öffentliches Gewässerbett des Genfersees). BGE 95 I 243 ff. (248), E. 2. Ausführlich a Ron PFammatteR Gletschergebiete michael bütleR (zitiert in Nr. 827), S. 42 ff. Beispiele: BGE 97 II 25 ff. für eine Fischenz; BGer 2P.256/2002, E. 1.2.2 und 3 für ein «ehehaftes» Wasserrecht; vgl. auch BGer 5P.9/2001, E. 2 und 5; BGE 133 I 149 ff. (153), E. 3.2. Für den Kanton Wallis vgl. auch a Ron PFammatteR (zitiert in Nr. 827), S. 136 ff. ZR 115/2017, S. 38 ff. (40), E. 3.3 (Bezirksgericht Meilen); a Ron PFammatteR (zitiert in Nr. 827), S. 179 mit Hinweisen. Vgl. Näheres bei m eieR-h ayoz, BeKomm, N 113 und 140 zu Art. 664 ZGB, u.a. mit Hinweis auf BGE 74 I 41 ff. (48 f.), E. 3; ferner a Ron PFammatteR (zitiert in Nr. 827), S. 88 f. und 164 ff. Für Freiburg vgl. FZR 1997, S. 66 ff. (73 f.), E. 6 (Freiburger Kantonsgericht). Ausführlich a Ron PFammatteR (zitiert in Nr. 827), S. 28 ff. und 58 ff. (für das Wallis). Im Einzelnen m eieR-h ayoz, BeKomm, N 83, 89 ff., 97 und 118 ff. zu Art. 664 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1535 ff. BGE 123 III 454 ff. (459), E. 5b; ausführlich m eieR-h ayoz, BeKomm, N 118 ff. zu Art. 664 ZGB. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 83 und 97 zu Art. 664 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1535d, mit Hinweis auf BGE 112 II 107 ff. (110), E. 2. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 89 ff. zu Art. 664 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1535e. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 101 ff. zu Art. 664 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1535f.

§ 15 Der Gegenstand des Grundeigentums

3.

223

Weiterführende Literatur

– aRnold maRtin, Das Eigentum am kulturunfähigen Land im Kanton Wallis (…), ZWR 29/1995, S. 289 ff. – bütleR michael, Gletscher im Blickfeld des Rechts, Zürcher Diss., Bern 2006. – hüRlimann-K auP bettina /nyFFeleR Fabia, Die grundbuchliche Behandlung der nicht im Privateigentum stehenden und der dem öffentlichen Gebrauch dienenden Grundstücke nach Art. 944 ZGB – Gleichzeitig ein Beitrag zu den herrenlosen und den öffentlichen Sachen gemäss Art. 664 ZGB, ZBGR 97/2016, S. 81 ff. – PFammatteR aRon, Private Rechte an kulturunfähigem Land – unter besonderer Berücksichtigung der Rechtslage im Kanton Wallis, Diss. Bern 2009. – R entSch max, Öffentliche Sachen, ZBGR 61/1980, S. 337 ff.

4.

827

Fälle

1. BGE 113 II 236 ff. Eigentum an Seen (Graubünden). 2. BGE 112 II 107 ff. Beachtung der privatrechtlichen Formen bei der Übertragung des Grundeigentums an öffentlichen Sachen. 3. BGE 120 II 321 ff. Zulässigkeit der Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts zu Lasten eines Grundstücks der Aargauer Kantonalbank? Vgl. auch hinten Nr. 1724.

828

224

Das Grundeigentum

§ 16 Erwerb und Verlust des Grundeigentums 829

Einführende Literatur: – R ey, Band I, Nr. 1319 ff. – SteinaueR, Band II, Nr. 1536 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 100.

830

Das Gesetz normiert den Grundeigentumserwerb (I.) in den Art. 656–665 ZGB, den Verlust des Grundeigentums (II.) in Art. 666 ZGB. In unserer Darstellung folgen die (seit 1. Januar 2012 in Kraft stehenden) Normen über richterliche Massnahmen gemäss Art. 666a f. ZGB (III.). Den Abschluss bilden Hinweise auf weiterführende Literatur (IV.) und Fälle (V.).

831

I.

Der Erwerb des Grundeigentums

1.

Übersicht

1. Das Gesetz regelt den Erwerb des Grundeigentums («l’acquisition de la propriété foncière») in den Art. 656–665 ZGB. Vorweg muss Folgendes betont werden: – Für das Grundeigentum ist das Grundbuch von entscheidender Bedeutung, dient es doch – wie der Besitz bei der Fahrnis – der Publizität, der Offenlegung der bestehenden Rechtsverhältnisse. Daher befasst sich der erste der hier zu besprechenden Artikel mit dem Erfordernis der Eintragung in das Grundbuch (sogenanntes Eintragungsprinzip; Art. 656 ZGB; nachfolgend Nr. 834 ff.). – Die Art. 657–663 ZGB enthalten Bestimmungen über verschiedene Erwerbsarten (hinten Nr. 838 ff.).

832

2. Das Gesetz bestimmt in Art. 970a Abs. 1 ZGB, dass die Kantone den Erwerb des Eigentums an Grundstücken veröffentlichen können (vorne Nr. 454 ff.).

833

3. Der Erwerb von Grundeigentum unterliegt verschiedenen gesetzlichen und rechtsgeschäftlichen Beschränkungen. Darauf wird zurückzukommen sein (hinten Nr. 912 ff.).

2. 834

Das Eintragungsprinzip (Art. 656 ZGB)

Das Eintragungsprinzip (auch Buchungsgrundsatz genannt) besagt, dass für den Erwerb von dinglichen Rechten an Grundstücken – namentlich für den Eigentumserwerb – die Eintragung in das Grundbuch erforderlich ist. Das ZGB stellt in Art. 656

§ 16 Erwerb und Verlust des Grundeigentums

225

Abs. 1 einen absoluten Eintragungszwang auf, sieht aber in Abs. 2 wichtige Ausnahmen vor.1 Im Einzelnen (vgl. schon vorne Nr. 572 ff.): 1. Art. 656 Abs. 1 ZGB ordnet an, dass es zum Erwerb des Grundeigentums der Eintragung in das Grundbuch bedarf (vgl. auch Art. 971 Abs. 1 ZGB); der Eintragung kommt mit anderen Worten konstitutive Wirkung zu («negative Rechtskraft» des Grundbuchs). Dieses sogenannte absolute Eintragungsprinzip («le principe absolu de l’inscription») gilt beim rechtsgeschäftlichen Erwerb (unter Lebenden und durch Singularsukzession) ganz allgemein.2 Zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs vgl. vorne Nr. 573 f. und hinten Nr. 840. Im Rahmen dieses Erwerbs sind zwei Vorgänge zu unterscheiden, die miteinander zusammenhängen (ausführlich hinten Nr. 840 ff.):

835

836

– einerseits der Erwerbsakt: die Eintragung in das Grundbuch gestützt auf eine ordnungsgemässe Anmeldung, welche aus der Perspektive des Veräusserers gesehen das Verfügungsgeschäft darstellt; – andererseits der Erwerbsgrund (die «causa»), also das jenes Rechtsgeschäft, durch welches sich der Veräusserer zur Eigentumsübertra2. Art. 656 Abs. 2 ZGB bestimmt, dass Grundeigentum in Ausnahmefällen auch ohne Eintragung in das Grundbuch erworben werden kann (relatives Eintragungsprinzip; «le principe relatif de l’inscription»). Die Eintragung in das Grundbuch hat hier rein deklaratorischen Charakter.3 Im Einzelnen: – Angesprochen sind in erster Linie die Fälle, in denen der Erwerb nicht auf Rechtsgeschäft (unter Lebenden) beruht.4 Das Gesetz nennt Aneignung, Erbgang, Enteignung, Zwangsvollstreckung und gerichtliches Urteil (Eigentumsübergang mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils5). Diese Aufzählung ist allerdings nicht abschliessend; das relative Eintragungsprinzip bezieht sich vielmehr auf alle nicht ausdrücklich anders geregelten Fälle des nicht rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Grundeigentum.6 – Weiter lassen sich gewisse Rechtsübergänge nach Fusionsgesetz aufführen, nämlich die Eintragung einer Fusion, Spaltung oder Vermögensübertragung in das Handelsregister mit Bezug auf die betroffenen Grundstücke (Art. 22 Abs. 1, Art. 52 und 73 Abs. 2 FusG; Art. 66 GBV).7 Eine derartige Übertragung beruht

1 2

3

4 5

6 7

m eieR-h ayoz, BeKomm, N 1 zu Art. 656 ZGB. BGE 122 III 150 ff. (154), E. 2a; R ey, Band I, Nr. 1319 ff.; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 1, 7 und 11 ff. zu Art. 656 ZGB. Für die Anmeldung fusionsgesetzlicher Vorgänge beim Grundbuchamt vgl. Art. 104 FusG und dazu Botschaft zum Fusionsgesetz vom 13. Juni 2000, BBl 2000, S. 4486 f. (zu Art. 103 des Entwurfs); thomaS Weibel/conRadin cRameR, in: Frank Vischer (Hrsg.), Zürcher Kommentar zum Fusionsgesetz, 2. A., Zürich/Basel/Genf 2012, N 1 ff. zu Art. 104 FusG. R ey, Band I, Nr. 1541. Vgl. dazu BGE 74 II 230 ff. (234), E. 4. Zum ausserbuchlichen Eigentumsübergang im Fall einer gerichtlich genehmigten Scheidungskonvention vgl. BGE 135 III 585 ff. (587 f.), E. 2.2. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 75 zu Art. 656 ZGB. BN 67/2006, S. 220 ff. (227), E. 4.1 (Berner Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion betreffend Vermögensübertragung); chRiStina Schmid -tSchiRRen, Sachenrechtliche Aspekte des Fusionsge-

837

226

Das Grundeigentum

zwar auf Rechtsgeschäft, es handelt es sich aber um eine Universalsukzession unter Lebenden.8 Doch bleibt zu beachten: Auch in diesen Fällen kann der Eigentümer erst dann grundbuchlich9 über das Grundstück verfügen, wenn die Eintragung in das Grundgung weitere Rechtsfolgen (vorne Nr. 577). Art. 665 Abs. 2 ZGB räumt dem Erwerber das Recht ein, die Eintragung von sich aus zu beantragen. Vgl. auch Art. 963 Abs. 2 ZGB und vorne Nr. 501.

3. 838

Die Erwerbsarten (Art. 657–663 ZGB)

Ähnlich wie im Besitzesrecht (vorne Nr. 127 ff.) lassen sich auch beim Eigentum in grundsätzlicher Weise unterscheiden: – der derivative Erwerb, bei dem der Erwerber sein Eigentum vom vorherigen Eigentümer ableitet (nachfolgend A.); Hauptfall: Übereignung in Erfüllung eines Grundstückkaufvertrags (Art. 656 Abs. 1 i.V.m. Art. 657 Abs. 1 ZGB).

– der originäre Erwerb, bei dem der Erwerber sein Eigentum eben gerade nicht von einem Vorgänger ableitet (B., hinten Nr. 851). Hauptfall: Ersitzung (Art. 661 ff. ZGB).

A. 839

Beim derivativen Erwerb wird das Eigentum von einem Vorgänger, der vorher Eigentümer war, abgeleitet. Hier ist zu unterscheiden, ob für den Erwerb die Eintragung in das Grundbuch erforderlich ist oder nicht – ob also das absolute Eintragungsprinzip gilt oder nicht: a.

840

Der derivative Eigentumserwerb

Derivativer Eigentumserwerb durch Eintragung des Erwerbers in das Grundbuch

1. Nach dem Gesagten (vorne Nr. 835) gilt beim rechtsgeschäftlichen Erwerb von Grundeigentum (unter Lebenden und durch Singularsukzession) das absolute Eintragungsprinzip gemäss Art. 656 Abs. 1 ZGB. Wer durch Rechtsgeschäft unter Lebenden Eigentum erwerben will, kann dies also nur durch Eintragung in das Grundbuch erreichen. Mit ihr – und nur mit ihr – geht das Eigentum auf den Erwerber über (vgl. auch Art. 971 Abs. 1 ZGB). Die Eintragung stellt also den Erwerbsakt dar. Das Eigentum geht im Zeitpunkt der Eintragung in das Hauptbuch auf den Erwerber über, jedoch mit zeitlicher Rückwirkung auf die Tagebucheinschrei-

8 9

setzes, ZBGR 85/2004, S. 228 ff. (234 ff.); Roland PFäFFli, Fusionsgesetz und Grundbuchführung, BN 65/2004, S. 236 ff. (239); SteinaueR, Band II, Nr. 1562 ff. SteinaueR, Band II, Nr. 1562. BGE 128 III 82 ff. (84), E. 1a, wonach sich Art. 656 Abs. 2 ZGB nur auf grundbuchliche Verfügungen bezieht, nicht aber auf andere Rechte, etwa auf das Recht, Mietverträge (die nach Art. 261 Abs. 1 OR auf den Erwerber übergegangen sind) zu kündigen.

§ 16 Erwerb und Verlust des Grundeigentums

227

bung (Art. 972 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 948 ZGB; vorne Nr. 573 f.) und überdies nur dann, wenn ein gültiger Rechtsgrund für den Eigentumswechsel vorhanden ist (hinten Nr. 849). Der Grundbuchverwalter nimmt die Eintragung (grundsätzlich) nur auf Anmeldung seitens des Verfügungsberechtigten vor (Art. 963 ff. ZGB; Art. 46 ff. GBV). Diese Anmeldung ist bereits Verfügung über das Recht10 und kann daher – nach erfolgter Tagebucheinschreibung – nicht mehr einseitig zurückgezogen werden (Art. 47 Abs. 1 Satz 2 GBV).11 Vgl. vorne Nr. 504 und 514. – Mit der Einschreibung in das Tagebuch wird die Rechtsstellung des Erwerbers insofern verstärkt, als er eine «dingliche Anwartschaft auf das Eigentum» erwirbt.12 Eine Klage, die zwischen der Einschreibung des Erwerbers in das Tagebuch und seiner Eintragung in das Hauptbuch gegen den Eigentümer des Grundstücks erhoben wird, muss sich nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung gegen den Erwerber richten; eine gegen den Veräusserer erhobene Klage ist mangels Passivlegitimation abzuweisen.13

2. Der soeben beschriebene Erwerbsakt setzt einen Erwerbsgrund voraus: einen Rechtsgrund («causa»), der die Verfügung rechtfertigt. Regelmässig handelt es sich um einen schuldrechtlichen Vertrag auf Eigentumsübertragung schäft).

841

Besitz zu übertragen) und ihm das Eigentum zu verschaffen (Art. 184 Abs. 1 OR), während sich der kommen aber auch der Grundstücktausch, die Schenkung eines Grundstücks oder seine Einbringung in eine Gesellschaft.14

Der Erwerbsgrund gibt dem Erwerber gemäss Art. 665 Abs. 1 ZGB gegen den veräussernden Eigentümer einen persönlichen Anspruch (eine Forderung) auf Eintragung und bei Weigerung des Eigentümers ein Recht auf gerichtliche Zusprechung (vgl. Nr. 849a).

842

Pro memoria: nur obligatorische (persönliche), nicht aber dingliche Rechte.

Für Verträge auf Eigentumsübertragung («les contrats ayant pour objet le transfert de la propriété») stellt das Gesetz in Art. 657 Abs. 1 ZGB eine praktisch sehr bedeutsame Formvorschrift auf: Diese Verträge bedürfen zu ihrer Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung («la forme authentique»). Der Beurkundungszwang wird durch andere Vorschriften wiederholt (etwa in Art. 216 Abs. 1 OR für den Grundstückkauf, in Art. 243 Abs. 2 OR für die Grundstückschenkung), vereinzelt jedoch durch Sondervorschriften durchbrochen (etwa in Art. 216 Abs. 3 OR für gewisse Vorkaufsverträge, in Art. 634 Abs. 2 ZGB für den Erbteilungsvertrag, in Art. 101 LwG für gewisse vertragliche Landumlegungen). Soweit öffentliche Beurkundung vorgeschrieben ist, muss Folgendes beachtet werden:15

10 11 12 13 14 15

BGE 138 III 512 ff. (515 und 517), E. 3.2 und 3.5.1; 137 III 293 ff. (302), E. 5.3. BGE 115 II 221 ff. BGE 138 III 512 ff. (516), E. 3.3 mit Hinweisen. BGE 138 III 512 ff. Weitere Beispiele bei m eieR-h ayoz, BeKomm, N 12 ff. zu Art. 656 ZGB. Vgl. auch gauch /SchlueP/Schmid, Nr. 523a ff.; Schmid/StöcKli /K RauSKoPF, Nr. 553 ff.

843

228

Das Grundeigentum

844

– Die gesetzliche Form dient verschiedenen Zwecken: Sie will die Vertragsparteien vor Übereilung schützen, aber auch der Beweissicherung dienen und eine zuverlässige Grundlage für den Grundbucheintrag schaffen.16

845

– Das formbedürftige Rechtsgeschäft ist in einem Schriftstück festzuhalten, und zwar «durch eine vom Staat mit dieser Aufgabe betraute Person, in der vom Staate geforderten Form und in dem dafür vorgesehenen Verfahren».17

846

– Was (welche Punkte) zu beurkunden ist, bestimmt nach der hier vertretenen Meinung abschliessend das Bundesrecht. Der Umfang des Beurkundungszwangs – der zur Herstellung eines formgültigen Vertrags erforderlich ist, aber auch genügt – ist also bundesrechtlich vorgeschrieben. Nach der bundesgerichtlichen Formel sind alle objektiv und subjektiv wesentlichen Vertragspunkte beurkundungsbedürftig.18 Beim Grundstückkaufvertrag hat die öffentliche Urkunde an objektiv wesentlichen Punkten zu nennen: die Parteien (und allfällige Stellvertreter), das verkaufte Grundstück und den Kaufpreis; hinzu kommen (grundsätzlich) die subjektiv wesentlichen Punkte.19

– Wie zu beurkunden ist, welches Verfahren und welche Organisationsregeln also einzuhalten sind, bestimmen grundsätzlich die Kantone (Art. 55 Abs. 1 SchlT ZGB). Sie bezeichnen namentlich die Urkundspersonen, legen deren örtliche Zuständigkeit fest und ordnen die Einzelheiten der Form. Immerhin sind diese kantonalen Bestimmungen bundesrechtlichen Schranken und Minimalanforderungen unterworfen – insofern spricht man auch vom bundesrechtlichen Begriff der öffentlichen Beurkundung. Die Kantone dürfen durch die Ausgestaltung des Beurkundungsrechts die Wirksamkeit des Bundeszivilrechts weder beeinträchtigen noch verunmöglichen.

847

848

Umstritten ist, ob die Kantone die Gültigkeit der Beurkundung bzw. die Tauglichkeit der öffentlichen Urkunde als Rechtsgrundausweis für das Grundbuch davon abhängig machen können, dass – bei Rechtsgeschäften über Grundstücke, die im betreffenden Kanton liegen – eine kantonseigene Urkundsperson am Ort der gelegenen Sache tätig geworden ist («lex rei sitae»). Das Bundesgericht hat in einem Entscheid des Jahres 1987 solche kantonalen Vorschriften als bundesrechtskonform bezeichnet.20 Nach der hier vertretenen Ansicht müsste die an einem beliebigen Ort der Schweiz nach dortigem kantonalem Recht errichtete Urkunde in der ganzen Schweiz – also von jedem Kanton – anerkannt werden, auch wenn es um Rechte an Grundstücken geht. Dieser Grundsatz der Freizügigkeit der öffentlichen Urkunde ergibt sich aus der Idee des materiellen Privatrechts, wonach die Rechtswirksamkeit privater Willenserklärungen nicht davon abhängt, an welchem Ort man sie abgibt (Freiheit des Abschlussortes).21 Der Bundesrat hat im Dezember 2012 einen Vorentwurf zur Änderung betreffend öffentliche Beurkundung in die Vernehmlassung geschickt, der unter anderem die gesetzliche Verankerung von bundesrechtlichen Mindestanforderungen an die öffentliche Beurkundung und die interkan-

16

17 18 19 20 21

gauch /SchlueP/Schmid, Nr. 497 ff.; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 2 ff. zu Art. 657 ZGB; Ruth a Rnet, «Form folgt Funktion», Zur Bedeutung der öffentlichen Beurkundung im Immobiliarsachenrecht, ZBJV 149/2013, S. 391 ff. (399 ff.). BGE 90 II 274 ff. (281), E. 6. Zum Beispiel BGE 135 III 295 ff. (299), E. 3.2; 113 II 402 ff. (404), E. 2a. Im Einzelnen gauch /SchlueP/Schmid, Nr. 535a ff.; BGE 119 II 135 ff. BGE 113 II 501 ff. (503 ff.), E. 3. BGE 113 II 501 ff. (504), E. 3a; vgl. zum Ganzen auch gauch /SchlueP/Schmid, Nr. 528 f.; JöRg Schmid, Zur interkantonalen Freizügigkeit öffentlicher Urkunden bei Verträgen über dingliche Rechte an Grundstücken, ZBGR 70/1989, S. 265 ff.

229

§ 16 Erwerb und Verlust des Grundeigentums

tonale Anerkennung öffentlicher Urkunden im Bereich der Liegenschaftsgeschäfte vorschlägt.22 Letztere wurde in der Vernehmlassung mehrheitlich abgelehnt.23 Der Bundesrat hat in in einer Medienmitteilung vom 25. Mai 2016 angekündigt, die vorgeschlagenen Änderungen vertieft zu prüfen.24

3. Erwerbsakt und Erwerbsgrund hängen, wie angedeutet, eng zusammen: Entsprechend dem Kausalitätsprinzip (vorne Nr. 74 ff.) geht das Eigentum nur dann wirksam auf den Erwerber über, wenn ein gültiger Rechtsgrund für die Veräusserung –

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25

Ungerechtfertigt ist nach Art. 974 Abs. 2 ZGB ein Grundbucheintrag, «der ohne Rechtsgrund oder aus einem unverbindlichen Rechtsgeschäft erfolgt ist». Der ungerechtfertigte Eintrag kann nach Massgabe von Art. 975 ZGB mit Hilfe einer Grundbuchberichtigungsklage gelöscht oder geändert werden (vorne Nr. 614 ff.).

4. Zum Erwerbsgrund wurde gesagt (Nr. 842), dass er dem Erwerber gegen den Eigentümer (der Vertragspartner ist) einen persönlichen Anspruch (eine Forderung) auf Eintragung und bei Weigerung des Eigentümers ein Recht auf gerichtliche Zusprechung gibt (Art. 665 Abs. 1 ZGB).26 Weigert sich der Veräusserer unberechtigternicht selten vorkommt –, so stellt sich die Frage der gerichtlichen Durchsetzung der Forderung auf Eigentumsübertragung. Art. 665 Abs. 1 ZGB enthält dazu eine bundesrechtliche Regel der Realexekution,27 welche es dem Erwerber ermöglicht, direkt auf Zusprechung des Eigentums zu klagen.28 Im Fall des erfolgreichen Prozessausgangs erwirkt der Erwerber ein gerichtliches Gestaltungsurteil, mit dessen Rechtskraft das Grundstück unmittelbar (ausserbuchlich; Art. 656 Abs. 2 ZGB) in sein Eigentum übergeht, so dass er im Anschluss daran selber beim Grundbuchamt die Eintragung verlangen darf (Art. 665 Abs. 2 und Art. 963 Abs. 2 ZGB; vgl. auch Art. 65 Abs. 1 lit. e GBV).29 Der Eigentumserwerb erfolgt hier also originär (hinten Nr. 851).

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Vgl. dazu JöRg Schmid, Die interkantonale Freizügigkeit öffentlicher Urkunden bei Grundstücksgeschäften – Alte und neue Überlegungen anlässlich des Vorentwurfs zu Art. 55m SchlT ZGB von 2012, in: Alexandra Rumo-Jungo et al. (Hrsg.), Une empreinte sur le Code civil, Mélanges en l‘honneur de Paul-Henri Steinauer, Bern 2013, S. 579 ff. (585 f.); JüRg Schmid, Schweizerisches Beurkundungsrecht im Wandel, a.a.O., S. 591 ff. (595 ff.). Bundesamt für Justiz, Schweizerisches Zivilgesetzbuch (Änderung betreffend öffentliche Beurkundung), Vorentwurf vom Dezember 2012. Zusammenfassung der Vernehmlassungen, Dezember 2013, S. 3; abrufbar unter https://www.bj.admin.ch/dam/data/bj/aktuell/news/2013/2013-12-130/ ve-ber-d.pdf (besucht am 15. April 2017). Vgl. https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-61870.html (besucht am 15. April 2017). Allgemein BGE 135 III 474 ff. (479), E. 3.2.2 (in casu mit Bezug auf Wertpapiere). BGE 137 III 293 ff. (295), E. 2.1. h aab, ZüKomm, N 25 zu Art. 656 ZGB; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 3 zu Art. 665 ZGB; R ey/StRebel , BaKomm, N 2 zu Art. 665 ZGB. BGE 109 II 219 ff. (223), E. 2b; 120 Ia 240 ff. (244 unten), E. 3b; zum Ganzen ausführlich beRnhaRd SchnydeR , Vertragserfüllung (zitiert in Nr. 871), § 4 N 25 ff.; m eieR-h ayoz , BeKomm, N 1 ff. zu Art. 665 ZGB. BGer 5P.19/2005, E. 2.2; vgl. auch BGE 85 II 474 ff. (487), E. 5; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 18 und 38 zu Art. 665 ZGB; R ey, Band I, Nr. 1663; R ey/StRebel, BaKomm, N 10 f. zu Art. 665 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1555; beRnhaRd SchnydeR, Vertragserfüllung (zitiert in Nr. 871), § 4 N 27.

849a

230

Das Grundeigentum

849b

Mit der Klageeinreichung (oder schon vorher) kann der Erwerber als vorsorgliche Massnahme eine gerichtliche Verfügungsbeschränkung nach Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB erwirken30 (vorne Nr. 481).

849c

Statt auf unmittelbare Zusprechung des Eigentums (Gestaltungsklage) kann der Erwerber freilich anstrengen, also auf Abgabe der Grundbuchanmeldung (= Abgabe einer Willenserklärung) durch den Veräusserer klagen.31 Das vollstreckbare Leistungsurteil ersetzt dann die vom Beklagten verweigerte Willenserklärung (Art. 344 Abs. 1 ZPO).32 Der Unterschied zur Klage auf Zusprechung des Eigentums ist dann gering, wenn das Gericht (auf Antrag des Klägers oder von Amtes wegen) im Leistungsurteil das zuständige Grundbuchamt anweist, den Erwerber in das Grundbuch einzutragen, was Art. 344 Abs. 2 ZPO ausdrücklich vorsieht (vgl. auch Art. 64 Abs. 1 lit. h GBV).33 Auf die Leistungsklage bleibt der Käufer namentlich dann verwiesen, wenn die Eigentumsübertragung nur Kaufpreises (Gegenleistung) abhängt und dieser noch nicht bezahlt worden ist.34 Ein in dieser Weise bedingtes Leistungsurteil ist zulässig.35

b. 850

Derivativer Eigentumserwerb ohne Eintragung in das Grundbuch

Beruht der Erwerb des Grundeigentums nicht auf Rechtsgeschäft, so ist für den Eigentumsübergang die Eintragung in das Grundbuch nicht erforderlich. Art. 656 Abs. 2 ZGB nennt als Fall des derivativen Eigentumserwerbs ohne Eintragung in das Grundbuch lediglich den Erbgang.36 Da das Eigentum in diesen Fällen bereits ausserbuchlich erworben worden ist, erübrigt sich eine Verfügung des bisherigen Eigentümers; nötig ist bloss noch die formelle Anpassung des Grundbuchs an die materiell schon bestehende Rechtslage.37 nehmen zu lassen (vorne Nr. 577). Zu den Sonderfällen gewisser Rechtsübergänge nach Fusionsgesetz (Fusion, Spaltung oder Vermögensübertragung) vgl. vorne Nr. 837.

B. 851

Der originäre Eigentumserwerb

Beim originären Erwerb wird jemand Eigentümer einer (hier: unbeweglichen) Sache, ohne dass er das Eigentum von einem Vorgänger ableitet, und demgemäss ohne dass es

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35 36 37

BGE 104 II 170 ff. (176), E. 5; 120 Ia 240 ff. (244 f.), E. 3b; BGer 5A_808/2014, E. 3.1; SteinaueR, Band II, Nr. 1550; beRnhaRd SchnydeR, Vertragserfüllung (zitiert in Nr. 871), § 4 N 40 ff. (besonders N 43). Zum Beispiel m eieR-h ayoz, BeKomm, N 5 zu Art. 665 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1555a; beRnhaRd SchnydeR , Vertragserfüllung (zitiert in Nr. 871), § 4 N 27. Grundlegend für die Rechtslage vor der Vereinheitlichung des Zivilprozessrechts BGE 97 II 48 ff. (51 f.), E. 4a; ferner etwa BGer 5P.19/2005, E. 2.2 (1. Absatz); SteinaueR, Band II, Nr. 1555a. Vgl. auch die Botschaft zur ZPO, S. 7386, und BGer 5P.19/2005, E. 2.3. liveR, SPR V/1, S. 142; SteinaueR R ey/StRebel, BaKomm, N 13 zu beRnhaRd SchnydeR, Vertragserfüllung (zitiert in Nr. 871), § 4 N 27, hält auch in diesem Fall ein (bedingtes) Gestaltungsurteil für möglich. Beispiel: BGE 85 II 474 ff. (487), E. 5. Weitere Beispiele bei SteinaueR, Band II, Nr. 1561 ff. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 74 zu Art. 656 ZGB.

§ 16 Erwerb und Verlust des Grundeigentums

231

darauf ankommt, ob ein Vorgänger rechtmässiger Eigentümer war. Es sind insbesondere folgende Bestimmungen zu beachten:38 – Art. 658 ZGB: Aneignung («l’occupation»);39 – Art. 659 ZGB: Bildung neuen Landes («la formation de nouvelles terres»);40 – Art. 660 ZGB: Bodenverschiebung («le glissement de terrain»); Zu beachten sind namentlich auch die Art. 660a und 660b ZGB.41

– Art. 661 ff. ZGB: Ersitzung («la prescription acquisitive»). Vgl. dazu nachfolgend C., Nr. 852 ff.; – Art. 656 Abs. 2 ZGB: Enteignung («l’expropriation»); – Art. 656 Abs. 2 ZGB: Zuschlag in einer Zwangsversteigerung («l’adjudication dans les enchères forcées»); – Art. 656 Abs. 2 ZGB: Gestaltungsurteil («le jugement formateur») und Urteilssurrogate (gerichtlicher Vergleich, Klageanerkennung; Art. 208 Abs. 2 ZPO) sowie Schiedsspruch (Art. 387 ZPO); – Art. 973 Abs. 1 ZGB: Gutgläubiger Erwerb im Vertrauen auf einen Grundbucheintrag. Vgl. dazu vorne Nr. 591 ff.

C.

Die Ersitzung insbesondere

a.

Übersicht

1. Das Gesetz regelt die Ersitzung («la prescription acquisitive») in den Art. 661– 663 ZGB. Es geht hierbei um den Erwerb eines Rechts an einer Sache als Folge eines langen und unangefochtenen (sowie regelmässig gutgläubigen) Besitzes. Hinter dem Institut der Ersitzung steht das Prinzip der Rechtssicherheit: Selbst wenn ein Sachbesitzer keinen gültigen Erwerbsgrund vorweisen kann, fordert die Sicherheit des Verkehrs dennoch, dass nach einer gewissen Zeit das Recht des Besitzers an der Sache nicht mehr angefochten werden kann. Der Zeitablauf übt deshalb eine gewisse «heilende Wirkung» aus.42 Man sagt auch, die Ersitzung habe «Konsolidierungsfunktion».43

852

2. Das schweizerische Recht kennt zwei Arten der Ersitzung (vgl. die Randtitel zu Art. 661 und 662 ZGB):

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42 43

Vgl. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 75 ff. zu Art. 656 ZGB; R ey, Band I, Nr. 1550 ff.; SteinaueR, Band II, Nr. 1567 ff. BGE 114 II 32 ff. (35), E. 2; FZR 1996, S. 26 ff. (28), E. 2 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch). FZR 1997, S. 66 ff. (69), E. 4 (Freiburger Kantonsgericht). Zum Ganzen vgl. chRiStian Roten (zitiert in Nr. 1007), Nr. 988 ff.; Paul-h enRi SteinaueR, Les glissements de terrain permanents, in: Le droit en mouvement – Recht im Umbruch, Sondernummer «10 waltungsgericht Graubünden). SteinaueR, Band II, Nr. 1577. R ey, Band I, Nr. 1584 ff.

232

Das Grundeigentum

– Die ordentliche Ersitzung (Tabularersitzung; «la prescription ordinaire») beruht darauf, dass jemand – wenn auch zu Unrecht – als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist (hinten Nr. 858 ff.). – Die ausserordentliche Ersitzung (Extratabularersitzung, Blankoersitzung; «la prescription extraordinaire») ist der Rechtserwerb des nicht eingetragenen langjährigen Besitzers an einem Grundstück, das nicht in das Grundbuch aufgenommen worden ist oder das offenbar keinen (eingetragenen) Eigentümer hat (hinten Nr. 860 ff.). Diese beiden Arten sind abschliessend. Die Ersitzung «contra tabulas» («Kontratabularersitzung») – als Rechtserwerb des nicht eingetragenen Besitzers gegen den eingetragenen und damit bekannten Eigentümer – ist nach schweizerischem Recht ausgeschlossen.44

854

Auch können nach bundesgerichtlicher Praxis die beiden gesetzlich vorgesehenen Arten der Ersitzung nicht miteinander kombiniert werden.45 855

3. Im Ersitzungsrecht spielen Fristen eine entscheidende Rolle. Für die Fristberechnung (sowie die Unterbrechung und den Stillstand der Ersitzungsfrist) verweist Art. 663 ZGB auf die Vorschriften über die Verjährung von Forderungen (vgl. Art. 132 und 134 f. OR). Überdies muss Art. 941 ZGB beachtet werden, wonach der gutgläubige Besitzer sich den Besitz seines Vorgängers anrechnen lassen darf, sofern auch dessen Besitz zur Ersitzung tauglich gewesen ist. In analoger Anwendung von Art. 135 OR wird demnach durch den Eintritt eines Unterbrechungsgrundes – etwa dann, wenn der Ersitzungsprätendent das Eigentum des wahren Eigentümers anerkennt – die vorher verstrichene Ersitzungsfrist vernichtet.46

856

4. Ersitzbare Objekte (Grundstücke) sind sicherlich jene Sachen, die der Privateigentumsordnung unterstehen. Ob eine Ersitzung an herrenlosen und öffentlichen Sachen im Sinn von Art. 664 ZGB (vorne Nr. 815 ff.) in Betracht kommt, ist demgegenüber umstritten.47 Das Bundesgericht hat die Frage mit Bezug auf die Tabularersitzung offengelassen, hinsichtlich der Extratabularersitzung hingegen verneint.48

857

5. In der Praxis spielt die Ersitzung von Grundeigentum aus folgenden Gründen nur eine bescheidene Rolle: Einerseits beinhaltet das grundbuchliche Eintragungsverfahren zumindest eine formelle Überprüfung der Gültigkeit des als Erwerbsgrund dienenden Rechtstitels; andererseits sieht Art. 973 Abs. 1 ZGB den unmittelbaren Schutz des gutgläubigen Dritten vor, ohne dass es dazu eines Zeitablaufs bedürfte (vorne Nr. 591 ff.). Immerhin kommen Ersitzungsfälle vor – besonders dort, wo das

44

45

46 47

48

BGE 116 II 267 ff. (272 f.), E. 6; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 2 und 15 zu Art. 661 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1581. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 31 f. und 35 zu Art. 661 ZGB sowie N 9 zu Art. 662 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1581h in 71/1990, S. 193 ff. (201). m eieR-h ayoz, BeKomm, N 10 ff. zu Art. 663 ZGB. Verneinend etwa m eieR-h ayoz, BeKomm, N 7 zu Art. 661 ZGB, N 10 zu Art. 662 ZGB und N 145 zu Art. 664 ZGB. Ausführlich zu den verschiedenen Lehrmeinungen R ey, Band I, Nr. 1600 f. und 1625 ff. BGE 113 II 236 ff. (241 ff.), E. 6; BGer 1C_128/2013, E. 9.

§ 16 Erwerb und Verlust des Grundeigentums

233

eidgenössische Grundbuch noch nicht eingeführt und keine kantonale Einrichtung ihm gleichgestellt ist, zumal für diese Gebiete Art. 973 Abs. 1 ZGB nicht gilt (vgl. Art. 48 Abs. 3 SchlT ZGB; vorne Nr. 408). b.

Die ordentliche Ersitzung (Tabularersitzung; Art. 661 ZGB)

1. Der Tatbestand von Art. 661 ZGB umfasst folgende Elemente:

858

– Das fragliche Grundstück ist im Grundbuch aufgenommen. Die Ersitzung muss sich stets auf ein Grundstück im Rechtssinn beziehen, nicht bloss auf einen Gebäudeteil, der kein eigenständiges Grundstück bildet.49 Nicht vorausgesetzt ist die Einführung des eidgenössischen Grundbuchs oder das Vorhandensein einer anderen, ihm gleichgestellten Einrichtung.50 Einer kantonalen Registereinrichtung muss jedoch negative Rechtskraft zukommen (vgl. hinten Nr. 861).

– Der Besitzer ist als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. – Der Eintrag ist (objektiv) ungerechtfertigt im Sinn von Art. 974 ZGB. Dies trifft namentlich dann zu, wenn der Erwerbstitel ungültig ist (Art. 974 Abs. 2 ZGB), etwa wegen eines Formmangels oder wegen Handlungsunfähigkeit einer der Vertragsparteien.

– Die im Grundbuch als Eigentümerin eingetragene Person hat während 10 Jahren den Besitz am Grundstück ausgeübt, und zwar als Eigenbesitz, also Besitz mit der Absicht, Eigentümerin zu sein.51 Zur Fristberechnung vgl. Art. 663 ZGB.

– Der Eingetragene war gutgläubig, und zwar während der gesamten Dauer von 10 Jahren.52 – Der Besitz war ununterbrochen und unangefochten («sans interruption et paisiblement»). Namentlich hat keine andere Person nach Art. 641 Abs. 2 oder Art. 975 ZGB die Herausgabe des Grundstücks oder die Berichtigung des Grundbuchs verlangt. Im Übrigen muss der Besitzeserwerb «friedlich» gewesen sein: weder gewaltsam, noch heimlich, noch zweideutig.53

2. Als Rechtsfolge ordnet Art. 661 ZGB an, dass das Eigentum nicht mehr angefochten werden kann («les droits … ne peuvent plus être contestés»). Eine Grundbuchberichtigungsklage nach Art. 975 ZGB hat also keinen Erfolg mehr (vorne Nr. 622). Vielmehr ist der gutgläubige Besitzer durch Tabularersitzung originär Eigentümer des Grundstücks geworden; das Eigentum des früheren Besitzers ist untergegangen («heilende Wirkung» der Ersitzung).54

49 50 51

BGE 132 III 9 ff. (17), E. 4.5. BGer vom 27. November 1974, in ZWR 9/1975, S. 89 ff. (91 f.), E. 3. SteinaueR, Band II, Nr. 1581e.

52

53 54

Glaube schadet»); BGer vom 17. Oktober 1996, in ZGRG 16/1997, S. 28 ff. (30), E. 4a. SteinaueR, Band II, Nr. 1581f, und Band I, Nr. 391 ff. BGE 50 II 119 ff. (121), E. 2; ZBJV 122/1986, S. 297 ff. (303), E. III./3 = ZBGR 71/1990, S. 193 ff. (Berner Appellationshof).

859

234

Das Grundeigentum

Die Wirkung der ordentlichen Ersitzung wird auf den Zeitpunkt der Grundbucheintragung zurückbezogen.55 Illustrativ BGE 50 II 119 ff. (121), E. 2 («Öschinensee»): «Die Ersitzung nach Art. 661 ZGB bildet das Korrektiv zu dem durch Art. 975 sanktionierten Grundsatz, dass der ungerechtfertigte, d.h. ohne Rechtsgrund oder aus einem unverbindlichen Rechtsgeschäft (Art. 974) erfolgte Eintrag dem Eingetragenen selbst bei gutem Glauben das Eigentum nicht verschafft. Dieser Diskrepanz zwischen der wirklichen und der durch das Grundbuch ausgewiesenen Rechtslage soll durch Art. 661, wie aus der Beratung der Expertenkommission und der daraus hervorgegangenen Fassung der Bestimmung, zumal der französischen, deutlich erhellt, zu Gunsten des gutgläubigen Besitzers eine zeitliche Grenze gesetzt werden dadurch, dass nach zehnjährigem Besitz eine Anfechtung seines buchmässigen Eigentums nicht mehr zugelassen wird. Die Ersitzung vollzieht sich also im Anschluss an das Grundbuch (Tabularersitzung) durch Heilung des in seiner Grundlage mangelhaften Eintrages und bedeutet insofern gleichzeitig die Verjährung der Löschungsklage nach Art. 975.»

c.

Die ausserordentliche Ersitzung (Extratabularersitzung; Art. 662 ZGB)

860

1. Art. 662 Abs. 1 und 2 ZGB setzt für die ausserordentliche Ersitzung im Tatbestand Folgendes voraus:

861

– Das Grundstück ist nicht im Grundbuch aufgenommen, oder der Eigentümer ist aus dem Grundbuch nicht ersichtlich, oder er ist (bei Beginn der Ersitzungsfrist) tot oder für verschollen erklärt. Im Einzelnen: • «Nicht im Grundbuch aufgenommen» (Abs. 1; «un immeuble non immatriculé») ist zunächst ein Grundstück, das bei der Anlegung des Grundbuchs versehentlich weggelassen worden ist.56 Ebenfalls «nicht im Grundbuch aufgenommen» im Sinn der genannten Bestimmung ist jedoch auch ein Grundstück, schen Grundbuch gleichgestellt noch mit negativer Rechtskraft ausgestattet ist.57 Zu den kantonalen Registern vgl. vorne Nr. 406 ff. Auch die ausserordentliche Ersitzung muss sich stets auf ein Grundstück im Rechtssinn beziehen, nicht bloss auf einen Gebäudeteil, der kein eigenständiges Grundstück bildet.58

• Auch wenn das Grundstück im Grundbuch aufgenommen ist, kommt eine ausserordentliche Ersitzung in Betracht, wenn «der Eigentümer aus dem Grundbuch nicht ersichtlich ist» (Abs. 2; «un immeuble dont le registre foncier ne révèle pas le propriétaire»). Ein Eintrag muss also ganz fehlen oder derart unleserlich oder ungenau sein, dass weder der Eigentümer noch seine 59

• Schliesslich kommt eine ausserordentliche Ersitzung in Frage, wenn der Eigentümer des Grundstücks «bei Beginn der Ersitzungsfrist von 30 Jahren tot oder für verschollen erklärt war» (Abs. 2; «un immeuble … dont le propriétaire était mort ou déclaré absent au début du délai de trente ans»). Diese Formulierung ist allerdings irreführend, denn es genügt nicht, dass der Eigen-

55 56 57

58 59

SteinaueR, Band II, Nr. 1582. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 4 zu Art. 662 ZGB. BGE 116 II 267 ff. (269 f.), E. 3; wohl auch 122 III 150 ff. (156 oben), E. 2c, und BGer vom 6. November 1992, in ZBGR 75/1994, S. 80 ff. (83), E. 2cc; ZWR 29/1995, S. 227 ff. (229 ff.), E. 6 (Walliser Kantonsgericht); SteinaueR, Band II, Nr. 1582c. BGE 132 III 9 ff. (17 f.), E. 4.5. SteinaueR, Band II, Nr. 1582d.

§ 16 Erwerb und Verlust des Grundeigentums

235

tümer tot ist. Es dürfen auch keine Erben vorhanden sein, welche Ansprüche auf das Grundstück geltend machen. Oder genauer: Das Grundstück muss bei der erbrechtlichen Liquidation «vergessen» worden sein.60 – Der Besitzer hat das Grundstück 30 Jahre lang als sein Eigentum besessen, und zwar ununterbrochen und unangefochten («pendant trente ans sans interruption, paisiblement et comme propriétaire»). Der Eigenbesitz darf ausserdem weder durch Gewalt erworben noch durch Klage angefochten worden sein.61

862

Zur Fristberechnung vgl. wiederum Art. 663 ZGB. Die Anordnung von richterlichen Massnahmen nach Art. 666a ZGB (hinten Nr. 870a) unterbricht die Frist für eine ausserordentliche Ersitzung nicht (Art. 666a Abs. 4 ZGB).

– Nicht erforderlich ist Gutgläubigkeit des Besitzers oder das Bestehen eines Rechtsgrundes.62

863

2. Als Rechtsfolge ordnet Art. 662 Abs. 1 ZGB an, dass der Besitzer verlangen kann, als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen zu werden. Nach Abs. 3 darf die Eintragung nur nach Durchführung eines speziellen Auskündungsverfahrens auf Verfügung des Gerichts erfolgen (summarisches Verfahren; Art. 249 lit. d Ziff. 2 ZPO).63 Gemäss der Lehre hat die gerichtliche Entscheidung jedoch lediglich deklaratorische Bedeutung; der Besitzer ist auch ohne Eintragung in das Grundbuch bereits originärer Eigentümer des Grundstücks geworden.64

864

II. Der Verlust des Grundeigentums (Art. 666 ZGB) 1. Das Gesetz regelt den Verlust des Grundeigentums («Perte de la propriété foncière») in Art. 666 ZGB. Abs. 1 setzt im Tatbestand voraus: – entweder die Löschung des Eintrags;

865 866

Im Fall der rechtsgeschäftlichen Übertragung wird der Eintrag des bisherigen Eigentümers ersetzt durch den auf den neuen Eigentümer lautenden Eintrag.

60 61 62 63

64

65

– oder den vollständigen Untergang des Grundstücks. Gedacht ist hier vor allem an Erdbewegungen oder schwere Überschwemmungen, welche die Wiederherstellung der Liegenschaft verunmöglichen und damit die Ausübung von Eigentumsrechten dauernd ausschliessen.65

867

Im Gesetz nicht erwähnt – aber dennoch zulässig – ist die sogenannte Dereliktion: Darunter versteht man ein einseitiges Rechtsgeschäft (Willenserklärung), durch welches der Eigentümer sein Eigentum am Grundstück aufgibt, ohne es auf

868

SteinaueR, Band II, Nr. 1582d; BGE 116 II 267 ff. (272 ff.), E. 6 und 7. BGE 97 II 25 ff. (33 ff.), E. 5b; BGer 1C_784/2013, E. 5.4. BGE 97 II 25 ff. (34), E. 5b; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 1 und 18 zu Art. 662 ZGB. Zum früheren Recht (vor der Vereinheitlichung des Zivilprozessrechts) vgl. BGE 122 III 150 ff. (155), E. 2b. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 19 und 22 zu Art. 662 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1583; SutteRSomm, Nr. 572; teilweise abweichend aber BGE 76 I 183 ff. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 19 zu Art. 666 ZGB; R ey, Band I, Nr. 1683; SteinaueR, Band II, Nr. 1594; kritisch und teilweise abweichend gian SandRo genna (zitiert in Nr. 871), S. 69 ff.

236

Das Grundeigentum

einen anderen zu übertragen.66 Auch hier gilt der Grundsatz, dass die Dereliktion erst dann Wirkung entfaltet, wenn der Eigentümer im Grundbuch gestrichen worden ist.67 Das Grundbuchrecht fordert eine schriftliche Dereliktionserklärung (Art. 46 und 48 GBV).68 Unter Umständen setzt die Dereliktion die Zustimmung Dritter – nämlich der am Grundstück berechtigten Personen – voraus. Dies trifft etwa zu für die Dereliktion von Miteigentumsanteilen, in das Grundbuch als Grundstücke aufgenommenen selbständigen und dauernden Rechten sowie Bergwerken, sofern an diesen Grundstücken Rechte Dritter (beispielsweise Pfandrechte) bestehen.69 869

2. Als Rechtsfolge ordnet Art. 666 Abs. 1 ZGB den Verlust des Eigentums im Moment der Löschung bzw. des Untergangs an. Verzichtet ein Miteigentümer durch Dereliktion auf seinen Miteigentumsanteil, so wächst dieser nach bundesgerichtlicher Praxis beim gewöhnlichen Miteigentum grundsätzlich den verbleibenden Miteigentümern im Verhältnis ihrer Quoten an (Akkreszenz); beim Stockwerkeigentum geht der derelinquierte Anteil in das gewöhnliche Miteigentum der übrigen Stockwerkeigentümer über, und zwar nach Massgabe ihrer Wertquoten.70

870

3. Art. 666 Abs. 2 ZGB betrifft den Sonderfall der Enteignung und verweist auf die entsprechenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften.

III. Richterliche Massnahmen 870a

Die ZGB-Änderung vom 11. Dezember 2009 ergänzt in Art. 666a–666b ZGB den Abschnitt über Gegenstand, Erwerb und Verlust des Grundeigentums (Art. 655 ff. ZGB) mit einer Neuerung eher technischer Art, indem sie richterliche Massnahmen in zwei Situationen vorsieht. Das Gericht kann auf Antrag der näher beschriebenen Personen oder Behörden die erforderlichen (grundstücksbezogenen) Massnahmen in folgenden Fällen anordnen:71 – einerseits dann, wenn der im Grundbuch eingetragene Eigentümer (oder einer seiAbs. 1 ZGB);72

66

67 68

69 70

71

72

BGE 129 III 216 ff. (219), E. 3.2.1; 114 II 32 ff. (35), E. 2; 85 I 261 ff. (262), E. 1; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 3 ff. zu Art. 666 ZGB. SteinaueR, Band II, Nr. 1593. BGE 129 III 216 ff. (222 f.), E. 3.3.1; 114 II 32 ff. (35), E. 2; 85 I 261 ff. (262), E. 1; FZR 1996, S. 26 ff. (28), E. 2 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch); R ey, Band I, Nr. 1676 f. SteinaueR, Band II, Nr. 1593b; BGE 118 II 115 ff. für ein selbständiges und dauerndes Baurecht. BGE 129 III 216 ff. (218 ff.), E. 3.2 mit Präzisierungen und zahlreichen Hinweisen. Kritisch K aRin mülleR (zitiert in Nr. 871), S. 201 ff. Zur Entstehungsgeschichte vgl. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5304 ff. Zum Ganzen siehe ausführlich SteinaueR, Band II, Nr. 1595 ff.; baRbaRa a nita möRi, Der Anwendungsbereich von Art. 666a und Art. 666b ZGB, Jusletter vom 15. September 2014. Ausführlich dazu bénédict Foëx, Le propriétaire introuvable (Triste tropisme), in: Alexandra RumoJungo et al. (Hrsg.), Une empreinte sur le Code civil, Mélanges en l‘honneur de Paul-Henri Steinauer, Bern 2013, S. 479 ff.; thieRRy SchnydeR /Fabienne muRmann, Der neue Art. 666a ZGB, Der Teu-

§ 16 Erwerb und Verlust des Grundeigentums

237

Hier kann das Gericht insbesondere einen Vertreter ernennen, der jedoch, falls es nicht anders angeordnet wird, lediglich erhaltende Massnahmen (gewöhnliche Verwaltungshandlungen73) vornehmen -

– andererseits dann, wenn eine im Grundbuch als Eigentümerin eingetragene juristische Person oder andere Rechtsträgerin nicht mehr über die vorgeschriebenen Organe verfügt (Art. 666b ZGB). ren Anwendung (Art. 248 lit. e ZPO).74 Zwingend zuständig ist das Gericht am Ort der gelegenen Sache (Art. 29 Abs. 4 ZPO).75 – Art. 962a Ziff. 3 und 4 ZGB schaffen zu Art. 666a und 666b ZGB neue grundbuchliche Anmerkungstatbestände.76

IV. Weiterführende Literatur – bRücKneR chRiStian, Ausserbuchlicher Eigentumserwerb an Grundstücken, ZBGR 81/2000, S. 217 ff. – genna gian SandRo, Der Untergang von Grundeigentum durch Naturereignisse, ZBGR 89/2008, S. 65 ff. – hubeR hanS, Die öffentliche Beurkundung als Begriff des Bundesrechts, ZBJV 103/1967, S. 265 ff. (und ZBGR 69/1988, S. 228 ff.). – laim heRmann, Grundstrukturen der ausserordentlichen Ersitzung nach Schweizerischem Zivilgesetzbuch, Diss. Zürich 1993. – mülleR K aRin, Der einseitige Verzicht auf den Miteigentumsanteil mit Anwachsungsfolgen – Eine dogmatische Fehlkonstruktion von Lehre und Rechtsprechung?, in: Girsberger Daniel/Luminati Michele (Hrsg.), ZGB gestern – heute – morgen, FG zum Schweizerischen Juristentag 2007, Zürich 2007, S. 201 ff. – PFäFFli Roland, Erbrechtliche Auswirkungen auf das Immobiliarsachenrecht, successio 2009, S. 32 ff. – R ey heinz/laim heRmann, Extratabularersitzung und kantonale Publizitätseinrichtungen – Bemerkungen zur neueren Rechtsprechung, recht 1993, S. 139 ff. – Schmid JöRg, Die öffentliche Beurkundung von Schuldverträgen – Ausgewählte bundesrechtliche Probleme, Diss. Freiburg 1988 (AISUF Band 83). – Schmid JüRg, Der öffentlichrechtliche Vertrag oder die Verwaltungsverfügung als Rechtsgrundausweis für grundbuchliche Verfügungen – Ein Beitrag zum Normzweck von Art. 657 Abs. 1 ZGB, ZBGR 85/2004, S. 317 ff.

fel steckt im Detail, ZWR 48/2014, S. 339 ff. Aus der Praxis vgl. ZBGR 95/2014, S. 54 ff. (Bezirks73 74

75

76

Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5305. R ey/StRebel, BaKomm, N 2 zu Art. 666a ZGB und N 6 zu Art. 666b ZGB; SteinaueR, ComRom, N 4 zu Art. 666a ZGB und N 6 zu Art. 666b ZGB. SteinaueR, ComRom, N 4 zu Art. 666a ZGB und N 6 zu Art. 666b ZGB; JameS t. PeteR (zitiert in Nr. 80f), N 34 zu Art. 29 ZPO. A.M. (Sitz oder Wohnsitz der gesuchstellenden Partei; Art. 19 ZPO) R ey/StRebel, BaKomm, N 3 zu Art. 666a ZGB und N 5 zu Art. 666b ZGB; SutteR-Somm, Nr. 611 und 615. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5333 f.

871

238

Das Grundeigentum

– SchnydeR beRnhaRd, Vertragserfüllung und deren Sicherung in sachenrechtlicher Sicht, in: Koller Alfred (Hrsg.), Der Grundstückkauf, 2. A., Bern 2001, § 4 (S. 131 ff.), besonders N 5 ff. (zitiert: SchnydeR, Vertragserfüllung). – deRSelbe, Das Verhältnis von Grundbucheintrag und Gültigkeit des Rechtsgeschäfts, BN 52/1991, S. 237 ff. (zitiert: SchnydeR, Grundbucheintrag und Gültigkeit des Rechtsgeschäfts). – Wiegand WolFgang, Doppelverkauf und Eigentumserwerb – Wer zuerst kommt, mahlt zuerst?, BN 46/1985, S. 11 ff.

V. 872

Fälle

1. BGE 113 II 501 ff. Eine Bestimmung des Kantons Zürich, die für die Beurkundung von Rechtsgeschäften über im Kanton Zürich gelegene Grundstücke die «lex rei sitae» vorsieht, ist nicht bundesrechtswidrig, auch wenn dadurch bei Geschäften unter Ehegatten mit mehreren, in verschiedenen Kantonen gelegenen Grundstücken unter Umständen mehrere Eheverträge abgeschlossen werden müssen. 2. BGE 138 III 512 ff. Fall, in dem ein Anspruch gegen den Eigentümer eines bestimmten Grundstücks geltend gemacht wird und im Zeitpunkt der Klageeinreichung das Eigentum eines Käufers zwar im Tagebuch eingeschrieben, im Hauptbuch aber noch nicht eingetragen ist: Passivlegitimiert ist der Käufer. 3. BGE 116 II 267 ff. (vgl. auch BGE 122 III 150 ff.) Ausserordentliche Ersitzung eines Grundstücks, dessen Eigentümer bei Beginn der Ersitzungsfrist von 30 Jahren tot oder für verschollen erklärt war (Art. 662 Abs. 2 ZGB): Ein Erbe bzw. sein Rechtsnachfolger, der ein Grundstück während mindestens 30 Jahren seit dem Tod des im Grundbuch eingetragenen Eigentümers besessen hat, kann keine ausserordentliche Ersitzung der Liegenschaft beanspruchen, wenn die Erbteilung noch nicht stattgefunden hat. Kann eine Erbteilung nicht nachgewiesen werden, so geht das Recht der Erbengemeinschaft auf Eintragung als Eigentümerin ins Grundbuch dem Ersitzungsanspruch des Besitzers vor. 4. BGE 129 III 216 ff. Dereliktion eines Stockwerkeigentumsanteils. Rechtliches Schicksal des aufgegebenen Anteils. Grundbuchliche Behandlung.

§ 17 Der Umfang des Grundeigentums

239

§ 17 Der Umfang des Grundeigentums Einführende Literatur: – R ey, Band I, Nr. 1055 ff. (sowie Nr. 392 ff., 475 ff., 537 ff. und 2064 ff.). – SteinaueR, Band II, Nr. 1596 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 101 N 3 ff.

I.

873

Allgemeines

1. Das Gesetz regelt den Umfang des Grundeigentums in den Art. 667–678 ZGB.

874

Diese Bestimmungen stehen unter dem Titel des zweiten Abschnitts «Inhalt und Beschränkung des Grundeigentums» (vor Art. 667 ZGB; «Des effets de la propriété foncière») und unter dem Randtitel zu Art. 667 ZGB «A. Inhalt, I. Umfang». Dies ist irreführend, da es im Folgenden gar nicht um den Inhalt des Grundeigentums, sondern vielmehr um dessen Ausdehnung geht. Die Marginalie zu Art. 667 ZGB ist im Französischen mit «A. Etendue de la propriété foncière, I. En général» präziser formuliert.

2. Wie bereits erwähnt (vorne Nr. 811), ist eine Liegenschaft ein Körper; sie ist also dreidimensional – und nicht etwa zweidimensional, wie die Formulierung von Art. 2 lit. a GBV vermuten liesse. Zur Bestimmung des Umfangs des Grundeigentums muss die Liegenschaft zunächst einmal gegen den Aussenbereich – gegen die Nachbargrundstücke – abgegrenzt werden. Das Gesetz regelt daher:

875

– die horizontale Ausdehnung der Liegenschaft («l’extension horizontale de la propriété foncière») in Art. 668 ff. ZGB (nachfolgend II.); – die vertikale Ausdehnung der Liegenschaft («l’extension verticale de la propriété foncière») in Art. 667 Abs. 1 ZGB (hinten III.). Weiter hat das Gesetz zu bestimmen, welche Objekte innerhalb dieser vertikalen Grenzen vom Eigentumsrecht des Grundeigentümers erfasst werden.1 Hier gilt grundsätzlich das in Art. 667 Abs. 2 ZGB geregelte Akzessionsprinzip («le principe de l’accession»), wonach das Grundeigentum unter Vorbehalt der gesetzlichen len umfasst (hinten Nr. 888 ff.).

876

II. Die horizontale Ausdehnung (Art. 668 ff. ZGB) 1.

Die Grenzen einer Liegenschaft

1. Art. 668 Abs. 1 ZGB bestimmt, dass die (horizontalen) Grenzen durch die Grundbuchpläne («le plan») und durch die Abgrenzungen auf der Liegenschaft selber («la démarcation sur le terrain») bezeichnet werden.

1

Vgl. R ey, Band I, Nr. 1080.

877

240

Das Grundeigentum

Im erstgenannten Fall kann man von rechtlichen Grenzen (vgl. auch Art. 950 Abs. 1 und Art. 942 Abs. 2 ZGB), im zweiten von tatsächlichen Grenzen sprechen. Zu den Letzteren gehören nach der hier vertretenen Auffassung alle Zeichen, die eine Grenze sichtbar machen,2 also einerseits die natürlichen Grenzen wie Bach- und Flussufer, Felsen usw., andererseits die künstlichen Grenzen wie Zäune und Marksteine (amtliche Grenzzeichen; vgl. Art. 11 ff. VAV). 878

2. Stimmen Grundbuchpläne und Abgrenzungen nicht miteinander überein, so wird nach Art. 668 Abs. 2 ZGB die Richtigkeit der Grundbuchpläne vermutet (vgl. schon vorne Nr. 443). Die Vermutung ist widerlegbar; für den Nachweis der Unrichtigkeit verlangt das Gesetz keine bestimmte Form (vgl. Art. 9 Abs. 2 ZGB). Die Vermutung gilt allerdings nicht für die von den Kantonen bezeichneten Gebiete mit Bodenverschiebungen (Art. 668 Abs. 3 ZGB; vgl. auch Art. 660a ZGB).

879

3. Nach Art. 942 Abs. 2 ZGB gehören die Pläne zum Grundbuch (vorne Nr. 443). «Gegenstand des öffentlichen Glaubens bilden auch die Pläne mit den darin angegebenen Grundstücksgrenzen (…); sie sind wesentliche Bestandteile des Grundbuchs».3 Ein gutgläubiger Dritter, der sich auf die in den Plänen eingezeichneten Grenzen verlassen und daraufhin Eigentum oder ein anderes dingliches Recht erworben hat, wird demzufolge nach Art. 973 Abs. 1 ZGB in seinem Erwerb geschützt (vorne Nr. 579 ff.).4 Gemäss Art. 973 Abs. 2 ZGB gilt dieser Schutz nicht bei Grenzen von Grundstücken in den von den Kantonen bezeichneten Gebieten mit Bodenverschiebungen. Zu den Einzelheiten und zur weiteren Schranke von Art. 48 Abs. 3 SchlT ZGB vgl. vorne Nr. 408 und 581.

880

4. Gemäss Art. 256 StGB («Grenzverrückung») ist die Beseitigung oder Verrückung eines Grenzzeichens strafbar.

881

Für den Fall, dass eine Grenze ungewiss Art. 669 ZGB den Grundeigentümer, auf Begehren seines Nachbarn bei der Feststellung der Grenze mitzuwirken, sei es bei der Berichtigung der Pläne oder beim Anbringen von Grenzzeichen. Aus dieser Bestimmung werden zwei Klagen abgeleitet:5

882

– einerseits die Abgrenzungsklage («l’action tendant au bornage») für den Fall, dass einer der beteiligten Eigentümer seine Mitwirkung verweigert. Hier geht es regelmässig um die Konstellation, dass die Grenze im Grundbuchplan zwar feststeht, die Abgrenzungen auf dem Gelände aber unklar sind, zum Beispiel weil die Grenzzeichen nicht mehr vorhanden oder durch Bauarbeiten verschoben worden sind. Das Gericht ordnet in diesem Fall an, dass der zuständige Geometer die Grenzzeichen zwischen den fraglichen Grundstücken anbringt, wobei der Beklagte die Hälfte der Kosten trägt.

2 3 4 5

BGer 5A_365/2008, E. 3.1.2; SteinaueR, Band II, Nr. 1602. BGE 98 II 191 ff. (198), E. 4. BGer 5A_365/2008, E. 3.1.2. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 2 ff. zu Art. 669 ZGB; R ey, Band I, Nr. 2064 ff.; SteinaueR, Band II, Obergericht).

§ 17 Der Umfang des Grundeigentums

241

– andererseits die Grenzscheidungsklage («l’action en bornage») für den Fall, dass keiner der beteiligten Eigentümer die Grenzen seines Grundstücks beweisen kann und keine (vertragliche) Einigung darüber zustande kommt. Das Gericht legt durch Gestaltungsurteil die Grenzen fest, die anschliessend nur (aber immerhin) nach Art. 668 ZGB als richtig vermutet werden – dies im Unterschied zur Klage auf

883

6

Fehlt es im konkreten Fall sowohl an einem Grundbuchplan im Sinn von Art. 950 ZGB als auch an einem kantonalen Register mit Grundbuchwirkung, muss der Grenzverlauf mit Hilfe im Gelände eventuell bestehender Grenzzeichen bestimmt und bei Bedarf auf sämtliche verfügbaren Mittel wie Beschreibungen im Kataster, Zeugen oder Augenschein zurückgegriffen werden.7

3.

Die Grenzvorrichtungen

Nach Art. 670 ZGB wird bei Vorrichtungen, die der Abgrenzung von Grundstücken dienen und auf der Grenze stehen (wie Mauern, Hecken, Zäune), Miteigentum der beiden Nachbarn vermutet. Die Vermutung bezieht sich nur auf die Vorrichtung, nicht auch auf den Boden, auf dem die Vorrichtung steht.8

884

kantonale Recht verweist.9

III. Die vertikale Ausdehnung (Art. 667 ZGB) Die Grundregel von Art. 667 ZGB legt in Abs. 1 fest, dass das Grundeigentum sich nach oben und unten erstreckt, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht («dans toute la hauteur et la profondeur utiles à son exercice»; dazu nachfolgend 1.). Abs. 2 ergänzt, dass das Grundeigentum – unter Vorbehalt der gesetzlichen

1.

Das geschützte Interesse

1. Nach der Regel von Art. 667 Abs. 1 ZGB erstreckt sich das Grundeigentum in vertikaler Hinsicht nicht schrankenlos «in den Himmel» oder in das Erdreich (wie im gemeinen Recht). Es wird vielmehr begrenzt durch das Ausübungsinteresse.10 Dieses Interesse kann sich entweder positiv darauf richten, das Eigentum in einer bestimmten Weise ausüben zu können (Beherrschungsinteresse), oder aber negativ darauf abzielen, dass andere Personen gewisse Einwirkungen unterlassen müssen

6 7 8 9 10

885

Zum jeweiligen Beweisthema bei den beiden Klagen vgl. BGer 5A_769/2011, E. 3.1. BGer 5A_769/2011, E. 5.3.2 mit Hinweis auf SteinaueR, Band II, Nr. 1605a. SteinaueR, Band II, Nr. 1614. BGE 99 II 28 ff. (31 f.), E. 3a. Vgl. auch BGE 122 II 349 ff. (352 f.), E. 4a/aa; 119 Ia 390 ff. (397 ff.), E. 5c/bb.

886

242

Das Grundeigentum

(Abwehrinteresse).11 Die Beweislast für das Vorhandensein eines schutzwürdigen Interesses trägt nach der Rechtsprechung der Grundeigentümer.12 Das Ausübungsinteresse – und damit das Eigentum selber – kann sich mit anderen Worten auf den Luftraum (die «Luftsäule» über dem Boden) und auf das Erdreich (unter dem Boden) ausdehnen. Dass das Interesse vermögensrechtlich sei und der Eigentümer selber, etwa für das Erdreich, eine konkrete Ausbeutungsmöglichkeit habe, ist nicht erforderlich.13 Immer muss aber das Interesse schützenswert sein, was auf das richterliche Ermessen im konkreten Einzelfall verweist.14 Nicht schutzwürdig ist ein blosses Interesse an einer Entschädigung.15 kommt in Betracht, soweit seine Verwirklichung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge in absehbarer Zukunft wahrscheinlich ist.16 887

2. Wie gross die räumliche Ausdehnung des Grundeigentums ist, kann nach dem Gesagten «nicht in allgemeiner Weise umschrieben werden, sondern bestimmt sich von Fall zu Fall nach den konkreten Umständen und dem schutzwürdigen Interesse des Eigentümers, diesen Raum selbst zu beherrschen und das Eindringen anderer abzuwehren».17 Soweit ein solches Interesse bejaht wird, kann der Eigentümer – in den Schranken des Gesetzes – namentlich sein Abwehrrecht gegen Dritte geltend machen, also nach Art. 641 Abs. 2 ZGB jede ungerechtfertigte Einwirkung abwehren (vorne Nr. 670 ff.). Durch die Bestimmung des Ausübungsinteresses werden demnach im Einzelfall gleichzeitig der Eigentumsumfang festgestellt und die Frage entschieden, ob ein Abwehrrecht besteht. 18 Beispiele: Eigentumsverletzung a – b. bei 19 20 Überqueren durch Gondelbahnen? – c. bei Nutzung unterirdischen Wassers? – d. bei Schiessübungen?21 – e. bei einem Endlager für die Lagerung radioaktiver Abfälle?22

887a

3. Eine Einschränkung gilt freilich dann, wenn der Substanzeingriff von einem Werk ausgeht, das im öffentlichen Interesse liegt und für welches dem Werkeigentümer

11

BGE 119 Ia 390 ff. (398), E. 5c/bb; vgl. auch 131 II 137 ff. (146 f.), E. 3.1.2; 132 III 353 ff. (356), E. 2.1, und 689 ff. (698), E. 4.2.

12 13 14

SteinaueR, Band II, Nr. 1616a; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 9 zu Art. 667 ZGB. BGE 132 III 353 ff. (356), E. 2; 134 II 49 ff. (60), E. 5.3; BGer 1C_27/2009, E. 2.4 = ZBGR 92/2011, S. 329 ff.

15 16 17 18

19

20

21 22

BGE 132 III 353 ff. (356), E. 2.1, und 689 ff. (698 f.), E. 4.2. BGE 142 II 128 ff. (131), E. 2.2. SteinaueR, Band II, Nr. 1619a; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 18 zu Art. 667 ZGB; bei geringer Höhe: BGE 103 II 96 ff., 104 II 86 ff., 129 II 75 ff. (75 f.), E. 2.3, 134 III 248 ff. (251 f.), E. 4, und LGVE 1999 I Nr. 9, S. 14 ff. = SJZ 97/2001, S. 13 ff. (Luzerner Obergericht); vgl. auch BGE 122 II 349 ff. (352 f. und 355 f.), E. 4a/aa und 4b; 123 II 481 ff. (494 f.), E. 8; 134 II 49 ff. (58 f.), E. 5. SteinaueR, Band II, Nr. 1619b, und m eieR-h ayoz, BeKomm, N 27 zu Art. 667 ZGB, je mit Hinweis auf BGE 71 II 83 ff. SteinaueR, Band II, Nr. 1616a, mit Hinweis auf BGE 97 II 333 ff. – Zur Frage, wer zur Nutzung bettina hüRlimann-K auP/diana oSWald, Wer darf über die im Erdreich einer Liegenschaft gespeicherten Erdwärme verfügen: Grundeigentümer oder öffentliche Hand?, in: Eva Maria Belser/Bernhard Waldmann (Hrsg.), Mehr oder weniger Staat, Festschrift für Peter Hänni zum 65. Geburtstag, Bern 2015, S. 327 ff.; dieSelben, Rechtliche Behandlung der Erdwärme: Parallelen zum Grundwasser, ZBJV 152/2016, S. 149 ff. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 26 zu Art. 667 ZGB. Schützenswertes Interesse verneint von R ey (397 ff.), E. 5c–d.

243

§ 17 Der Umfang des Grundeigentums

das Enteignungsrecht zusteht. Lässt sich hier der Eingriff nicht oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand vermeiden, so wird der Abwehranspruch des betroffenen Grundeigentümers enteignet (Art. 5 EntG)23 Abs. 1 EntG (neben den dinglichen und persönlichen Rechten) nur von den «aus dem Grundeigentum hervorgehenden Nachbarrechte[n]» spricht. Diesbezüglich sind also die Abwehrbehelfe gegen direkte Eingriffe (Substanzeingriffe/Klage aus Art. 641 Abs. 2 ZGB) den gleichen Schranken unterworfen wie die Abwehrbehelfe gegen indirekte Eingriffe (Immissionen/Klage aus Art. 679 und 684 ZGB; dazu hinten Nr. 960). – Wehrt sich der Grundeigentümer gestützt auf Art. 641 Abs. 2 ZGB in einem Zivilprozess gegen den Eingriff in sein Eigentum, darf er nicht auf das Enteignungsverfahren verwiesen werden, wenn der Werkeigentümer nicht belegt, dass ihm das Enteignungsrecht kraft Gesetzes zusteht oder durch behördliche Verfügung erteilt worden ist.24

2.

Das Akzessionsprinzip

1.

888

weicht dem Boden»; Akzessionsprinzip). Das gleiche Prinzip gilt gemäss Art. 667 Abs. 2 ZGB (und Art. 671 Abs. 1 ZGB) für das schweizerische Recht: Unter Vorbehalt der gesetzlichen Schranken zen und Quellen. 25

– Baute («la construction») ist alles, «was durch die Verwendung von Baumaterialien mit dem Boden ober- oder unterirdisch fest und dauerhaft verbunden ist».26 Art. 667 Abs. 2 ZGB erfasst damit nicht die sogenannten Fahrnisbauten, die ohne Absicht dauernder Verbindung auf einem fremden Grundstück aufgestellt werden27 (vgl. Art. 677 ZGB und hinten Nr. 905 f.).

889

Ob die Voraussetzungen von Art. 642 Abs. 2 ZGB (vorne Nr. 700) erfüllt sind, spielt für die Bestandteilsqualität fest errichteter Bauteile keine Rolle.28

– Unter («les plantations») versteht man alles, was von Natur aus im Boden wächst oder vom Menschen gesät bzw. gesetzt wird.29 In den Boden ein-

890

Säen oder Einsetzen in der Absicht bleibender Verbindung geschieht.30 Damit 31 (vgl. Art. 678 ZGB und hinten Nr. 908). – Quelle («la source») ist «das an einer bestimmten Stelle, dem sog. Quellpunkt, aus dem Erdinnern regelmässig

23

24 25 26 27 28 29 30 31

Vgl. BGE 129 II 72 ff. (74), E. 2.1; 134 II 49 ff. (58 und 60), E. 5; 134 III 248 ff. (252 f.), E. 5; 142 II 136 ff. (138 f.), E. 2.2; auch 142 II 128 ff. (131 ff.), E. 2.2. BGer 5A_393/2016, E. 2.3; 5A_587/2015, E. 2.4.1. BGE 121 III 448 ff. (451 f.), E. 3b. R ey, Band I, Nr. 1083. BGer 2C_817/2014, E. 2.3.2. BGE 120 III 79 ff. (81), E. 2a. SteinaueR, Band II, Nr. 1625. R ey, Band I, Nr. 1086. SteinaueR, Band II, Nr. 1674.

891

244

Das Grundeigentum

Wasservorkommen».32 Art. 704 Abs. 3 ZGB stellt das Grundwasser den Quellen gleich. Wesentliche Wasservorkommen, die ab ihrem Austritt aus dem Erdinnern einen wichtigen Wasserlauf bilden (sogenannte Bachquellen), fallen nicht unter den Quellenbegriff.33 Anwendbar ist vielmehr das kantonale Recht, das solche Wasservorkommen – auch Grundwasserströme – regelmässig zu öffentlichen Gewässern erklärt.34 892

893

2. Das Gesetz enthält in den Art. 671–678 und 704 ZGB Sonderregeln bezüglich gen zum Teil das Akzessionsprinzip, zum Teil durchbrechen oder korrigieren sie es aber auch.

A.

Bauten auf dem Grundstück

a.

Der Einbau (Art. 671–673 ZGB)

1. Der Grundtatbestand des Einbaus («les constructions réalisées sur fonds d’autrui ou avec les matériaux d’autrui») ist geregelt in Art. 671 Abs. 1 ZGB: Es wird Material eingebaut auf einem Grundstück, wobei Grundeigentümer einerseits und Materialeigentümer andererseits nicht identisch sind. Jemand verwendet also zu einem Bau auf seinem Boden fremdes Material, oder eigenes Material wird auf fremdem Boden eingebaut. Von diesem Artikel nicht erfasst werden der Einbau fremden Materials auf fremdem Boden (Regelung nach Abrede/Vertrag, bei Fehlen eines Vertrags nach Art. 41 ff., 62 ff. und 419 ff. OR)35 sowie der Einbau auf Grund eines Vertrags zwischen Material- und Grundeigentümer (hier sind der Vertrag und allenfalls das Bereicherungsrecht massgebend)36.

894

2. Vor dem Einbau fallen also Materialeigentümer und Grundeigentümer auseinander. Für die Situation nach dem Einbau ordnet das Gesetz nachstehende Rechtsfolgen an:37 – Als Grundsatz gilt das Akzessionsprinzip: Das eingebaute Material wird Bestand– Unter gewissen Voraussetzungen sieht das Gesetz einen Trennungsanspruch vor (Art. 671 Abs. 2 und 3 ZGB). Diesbezüglich gilt einerseits das Erfordernis des guten Glaubens dessen, der die Trennung verlangt. Andererseits ist das Werterhaltungsprinzip zu beachten: Die Trennung des Materials vom Grundstück muss verhältnismässig sein, darf namentlich nicht zu einer unvernünftigen Schädigung führen. – Findet keine solche Trennung statt, hat der Grundeigentümer für das Material eine angemessene Entschädigung zu leisten (Art. 672 Abs. 1 ZGB). Die Höhe

32 33 34 35

36 37

R ey, Band I, Nr. 1090. BGE 122 III 49 ff. (50 f.), E. 2a; SteinaueR, Band II, Nr. 1682. BGE 122 III 49 ff. (51 f.), E. 2a–b; R ey, Band I, Nr. 1094. BGE 99 II 131 ff. (138 f.), E. 4b; BGer 4C.399/2004, E. 2.2; teilweise a.M. SteinaueR, Band II, Nr. 1638a. BGE 99 II 131 ff. (138 und 141), E. 4a und 4c; BGer 4C.399/2004, E. 2.1 (2. Absatz). Zum Ganzen vgl. BGE 99 II 131 ff. und BGer vom 10. Juni 1997, in ZWR 32/1998, S. 230 ff.

§ 17 Der Umfang des Grundeigentums

245

der Entschädigung hängt vom guten oder bösen Glauben der Beteiligten ab (Art. 672 Abs. 2 und 3 ZGB).38 3. Einen Sonderfall regelt Art. 673 ZGB: Wenn der Wert des Baus offenbar den Wert des Bodens übersteigt, kann der Gutgläubige verlangen, dass das Eigentum an Bau und Boden gegen angemessene Entschädigung dem Materialeigentümer zugewiesen wird.

895

4. Die Ansprüche nach Art. 671–673 ZGB sind nicht dinglicher, sondern obligatorischer Natur. Ersatzforderungen aus Art. 672 Abs. 1 ZGB richten sich damit gegen die Person, die im Zeitpunkt des Einbaus Grundeigentümerin war, oder gegen deren Universalsukzessor, nicht aber gegen einen Einzelrechtsnachfolger.39 Der Berechtigte kann nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung zur dinglichen Absicherung seiner Forderung unter gewissen Voraussetzungen die Errichtung eines gesetzlichen Grundpfandrechts verlangen (analoge Anwendung von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB über das Bauhandwerkerpfandrecht; dazu hinten Nr. 1692 ff.); dieser Anspruch ist realobligatorischer Natur.40

895a

Wurde das Grundstück nach Vornahme der Einbauten durch Singularsukzession auf einen Dritten übertragen, hat der aus Art. 672 Abs. 1 ZGB Berechtigte diesem gegenüber einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, wenn der Erwerb unentgeltlich erfolgt oder der Wert des Einbaus bei der Festsetzung der Gegenleistung nicht miteinberechnet worden ist.41

b.

Die überragenden Bauten (Art. 674 ZGB)

1. Art. 674 ZGB stellt Regeln auf über die überragenden Bauten («Constructions empiétant sur le fonds d’autrui»). Abs. 1 der Norm setzt im (Grund-)Tatbestand voraus, dass Bauten oder andere Vorrichtungen von einem Grundstück auf ein ande-

896

Gegenstand eines Überbaurechts kann nach der Praxis zudem ein vollständig auf dem Nachbargrundstück liegender Raum sein. Voraussetzung für die Zulässigkeit ist jedoch, dass der betreffende Raum mit dem Hauptbauwerk des herrschenden Grundstücks durch Mauern verbunden ist, dass ein direkter Zugang vom Hauptgebäude aus besteht und dass der betreffende Raum mit diesem Gebäude eine funktionale Einheit bildet, etwa als Zimmer, Küche oder Keller.42 – Art. 685 Abs. 2 ZGB erweitert den Anwendungsbereich der Überbauregeln: Art. 674 Abs. 3 ZGB ist namentlich auch auf den Fall anwendbar, da ein bauender Eigentümer die kantonalen Bauabstände unterschreitet.43

2. Die weiteren Tatbestandselemente von Art. 674 ZGB (Vorhandensein eines dinglichen Rechts auf die überragende Baute, Gutgläubigkeit der Beteiligten, Erkennbarkeit, Einspruch des Verletzten) sind uneinheitlich und werden deshalb bei der Umschreibung der Rechtsfolgen behandelt. Das Gesetz unterscheidet wie folgt:

38

39 40

Zum guten Glauben vgl. auch BGer 4A_178/2013, E. 2 mit Hinweisen, und dazu bettina hüRlimann-K auP, Die sachenrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2013, ZBJV 151/2015, S. 506 ff. (516 ff.); a Rnold F. RuSch fehlendem vertraglichem Anspruch und der Begriff des guten Glaubens, BR/DC 2014, S. 287 f. BGer 5A_719/2015, E. 2.2 mit Hinweisen. Missverständlich BGE 138 III 512 ff. (517), E. 3.4.3. BGE 134 III 147 ff.; kritisch dazu bettina hüRlimann-K auP, Die sachenrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2008, ZBJV 146/2010, S. 295 ff. (299 ff.).

41 42 43

Im Einzelnen BGE 127 III 10 ff. (13), E. 2c/cc. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 20 zu Art. 674 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1645.

897

246

Das Grundeigentum

– Hat der Eigentümer des Grundstücks, von dem die überragende Baute ausgeht, ein dingliches Recht auf ihren Bestand (Überbaurecht als [Grund-]Dienstbarkeit; Art. 674 Abs. 2 ZGB), so bleibt der überragende Teil der Baute ebenfalls Bestandteil des Ausgangsgrundstücks (Art. 674 Abs. 1 ZGB); das Akzessionsprinzip wird demnach durchbrochen.

898

Voraussetzung für die Durchbrechung des Akzessionsprinzips ist also die (rechtsgeschäftliche) Vereinbarung einer Grunddienstbarkeit,44 verbunden mit der Eintragung der Dienstbarkeit in das Grundbuch (Art. 731 Abs. 1 ZGB; hinten Nr. 1241 ff.); Art. 674 Abs. 2 ZGB, der die Eintragung als fakultativ erscheinen lässt, ist insoweit irreführend.45 – Möglich ist freilich auch eine bloss obligatorische oder prekaristische Gestattung der überragenden Baute (hinten Nr. 1201 ff.).46 Sachenrechtlich bleibt es dann bei der Geltung des Akzessionsprinzips (die Baute gehört dem

– Fehlt ein entsprechendes dingliches Recht (Dienstbarkeit), muss die überragende Baute grundsätzlich entfernt werden (Art. 674 Abs. 3 ZGB e contrario i.V.m. Art. 641 Abs. 2 ZGB). Den Berechtigten trifft allerdings – zumindest gegenüber dem gutgläubigen Überbauer – die Obliegenheit, rechtzeitig Einspruch zu erheben, nämlich sobald er dazu in der Lage ist und die Verletzung der nachbarrechtlichen Regeln objektiv erkennbar ist.47

899

Der (aussergerichtliche) Einspruch genügt dafür, dass dem Grundeigentümer in der Folge die Klage auf Beseitigung der überragenden Baute nach Art. 641 Abs. 2 ZGB ohne Verjährungsoder Verwirkungsgefahr zusteht.48

– Erhebt der Verletzte nicht rechtzeitig Einspruch gegen den erkennbar unberechtigten Überbau, so regelt Art. 674 Abs. 3 ZGB zu Gunsten des gutgläubigen Überbauenden die Ansprüche nach Billigkeit; das Gericht kann dem Überbauenden gegen angemessene Entschädigung das dingliche Recht auf den Überbau oder das Eigentum am Boden zuweisen (Gestaltungsurteil)49.50

900

Art. 674 Abs. 3 ZGB ist nach der Praxis analog anwendbar, wenn die beiden fraglichen Grundstücke bei Erstellung der grenzüberschreitenden Baute oder Vorrichtung demselben Eigentümer gehörten und erst später in verschiedene Hände gelangten; dem Eigentümer des Grundstücks, von dem die überragende Baute oder Vorrichtung ausgeht, kann daher das dingliche Recht auf den Überbau (oder das Eigentum am Boden) gegen angemessene Entschädigung zugewiesen werden.51

44 45 46 47

48

49 50

51

BGer 1C_427/2010, E. 3.1. BGE 78 II 131 ff. (137), E. 5; 97 III 89 ff. (98), E. 4; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 25 zu Art. 674 ZGB. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 28 ff. zu Art. 674 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1650. BGer 5A_332/2007, E. 5, mit Hinweis auf den freilich in Nuancen anders formulierten BGE 95 II 7 ff. (11 ff.), E. 4b (Einspruch in beiden Fällen verspätet); ZBGR 78/1997, S. 19 ff. (20 ff.), E. 3a und 3c = ZWR 28/1994, S. 161 ff. (Walliser Kantonsgericht; Einspruch verspätet); zum Ganzen m eieRh ayoz, BeKomm, N 28 ff. zu Art. 674 ZGB. SteinaueR, Band II, Nr. 1653b; BGer 5A_332/2007, E. 5.1; vgl. auch BGE 101 II 360 ff. (365 f.), E. 4. BGer 5A_101/2016, E. 4. Vgl. im Einzelnen m eieR-h ayoz, BeKomm, N 51 ff. zu Art. 674 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1656 ff.; BGer 5C.232/2002, E. 2; BGer 5A_322/2007, E. 6; ZBGR 78/1997, S. 19 ff. (22 ff.), E. 3c = ZWR 28/1994, S. 161 ff. (Walliser Kantonsgericht). BGE 78 II 131 ff. (135 f.), E. 4; 97 III 89 ff. (98), E. 4; BGer 5A_336/2010, E. 3; zum Ganzen vgl. auch a lFRed KolleR (zitiert in Nr. 910), S. 944 f., der die analoge Anwendbarkeit auch auf Bauten befürwortet, welche eine Dienstbarkeit verletzen.

§ 17 Der Umfang des Grundeigentums

c.

247

Das Baurecht (Art. 675 ZGB) 901

auch Art. 779 Abs. 1 ZGB) vor, bei dem das Eigentum am Boden und das Eigentum an der darauf stehenden Baute auseinanderfallen, das Akzessionsprinzip also durchbrochen wird. Voraussetzung dafür ist, dass das Baurecht als Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen ist. Zur Baurechtsdienstbarkeit im Einzelnen vgl. hinten Nr. 1365 ff. Nach Abs. 2 der Bestimmung ist die Bestellung eines Baurechts an einzelnen Stockwerken ausgeschlossen. Gegenstand eines Baurechts können somit nur ganze Bauten, nicht aber Teile davon sein (hinten Nr. 1377).

d.

Die Leitungen (Art. 676 ZGB)

1. Art. 676 Abs. 1 ZGB ordnet an, dass Leitungen zur Ver- und Entsorgung, die sich d’évacuation»), grundsätzlich dem Eigentümer des Werks und zum Werk gehören, von dem sie ausgehen oder dem sie zugeführt werden.52 Auch diese Regel durch53 Das hat zur Folge, dass mit dem Verkauf des Werks (vermutungsweise) ebenfalls die Leitungen verkauft werden und dass ein Pfandrecht am Werk (vermutungsweise) auch die Leitungen mit umfasst. Die Regelung bezweckt, «die technische und wirtschaftliche Einheit von Werk und Leitungsvorrichtungen einer nicht allzu schwerfälligen rechtlichen Einheitsbehandlung zugänglich zu machen».54 Voraussetzung ist freilich das Bestehen einer (Leitungs-)Dienstbarkeit in Form einer Personalservitut.55 Art. 676 ZGB erfasst Transitleitungen fen, aber auch von Energien und anderen Elementen (zum Beispiel Daten).56 Die Norm wurde seinerzeit in erster Linie für Elektrizitäts- und Telefonleitungen erlassen; inzwischen befasst sich allerdings auch das öffentliche Recht mit der Frage nach den Eigentumsverhältnissen an derartigen Leitungen, nämlich Art. 37 Abs. 1 des Fernmeldegesetzes (FMG) vom 30. April 199757 und Art. 15a des BG betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen (Elektrizitätsgesetz, EleG) vom 24. Juni 190258 (für die Rohrleitungen vgl. ausserdem Art. 32c des BG über Rohrleitungsanlavom 4. Oktober 196359). Das Verhältnis dieser Normen zu Art. 676 ZGB ist in verschiedener Hinsicht unklar.60 – Lehre und Rechtsprechung wenden die Bestimmung zudem auf Seilbahnen und ähnliche Einrichtungen an.61

52

53 54 55 56 57 58 59 60

61

Fassung gemäss BG vom 11. Dezember 2009, in Kraft seit 1. Januar 2012. Zur Entstehungsgeschichte vgl. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5306 (Verzicht auf den in der bisherigen Gesetzesfassung verwendeten, von der Literatur kritisierten Begriff der «Zugehör»). Der Ständerat hat die Formulierung des Entwurfs geringfügig angepasst (Amtl.Bull. StR 2008, S. 407 f.; Votum JaniaK). Zum Ganzen ausführlich SteinaueR, Band II, Nr. 1660 ff. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5306. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 1 zu Art. 676 ZGB; ähnlich SteinaueR, Band II, Nr. 1668 ff. Ausführlich dazu bettina hüRlimann-K auP (zitiert in Nr. 910), S. 68 ff. bettina hüRlimann-K auP (zitiert in Nr. 910), S. 63 mit Hinweisen. SR 784.10. SR 734.0. SR 746.1. Vgl. dazu bettina hüRlimann-K auP (zitiert in Nr. 910), S. 85 ff.; m einRad huSeR, Leitungen zwischen privatem und öffentlichem Sachenrecht, ZBGR 97/2016, S. 221 ff. BGE 97 I 872 ff. (876), E. 3; SteinaueR, Band II, Nr. 1661a.

902

248 903

Das Grundeigentum

2. Die Regelung von Art. 676 Abs. 1 ZGB greift nach dem Gesagten nur, wenn eine (Leitungs-)Dienstbarkeit besteht (Nr. 902). Der Eigentümer, über dessen Land die Leitung führt, kann nach Art. 676 Abs. 2 ZGB deren Errichtung in Form eines Dienstbarkeitsvertrags gestatten. Unter gewissen Voraussetzungen besteht sogar 62

(Art. 691 Abs. 1 ZGB; vgl. auch hinten Nr. 1372 f.). 904

3. Art. 676 Abs. 3 ZGB befasst sich mit der Frage, wann die Leitungsdienstbarkeit entsteht. Ist die Leitung äusserlich wahrnehmbar, entsteht die Dienstbarkeit – das Vorliegen eines formgültigen Dienstbarkeitsvertrags vorausgesetzt – mit Erstellung der Leitung, andernfalls mit der Eintragung in das Grundbuch.63 Diese Bestimmung regelt einen Fall der sogenannten natürlichen Publizität (vgl. dazu auch hinten Nr. 1281a ff.): Die Publizität wird bei äusserlich wahrnehmbaren Leitungen nicht wie sonst durch den Grundbucheintrag, sondern durch die für jedermann erkennbaren Gegebenheiten im Gelände sichergestellt. Dafür genügt es nach der hier vertretenen Ansicht nicht, dass die Leitung oberirdisch geführt wird. Es muss darüber hinaus auch durch blossen Augenschein ersichtlich sein, dass es sich um eine Transitleitung handelt, also um eine Leitung, die nicht dem Grundstück dient, auf dem sie mit einer Dienstbarkeit belastet ist.64

e. 905

Sonderfall: Die Fahrnisbauten (Art. 677 ZGB)

1. Art. 677 ZGB befasst sich mit den sogenannten Fahrnisbauten («la construction mobilière»). Danach behalten Bauten, die «ohne Absicht bleibender Verbindung» («sans intention de les y établir») auf einem fremden Grundstück errichtet werden, ihren besonderen Eigentümer. Das Gesetz zählt als Beispiele «Hütten, Buden und Baracken» auf. Der französische Gesetzestext spricht ausserdem von «constructions légères». Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Dauerbaute oder eine Fahrnisbaute vorliegt, trägt die Rechtsprechung einerseits einem subjektiven Element (Absicht der Beteiligten) und andererseits einem objektiven Element (Art der Baute und Intensität der Verbindung mit dem Boden) Rechnung.65 Bei Fahrnisbauten liegt keine Durchbrechung des Akzessionsprinzips vor. Nach dem Gesagten (vorne Nr. 889) fällt eine Fahrnisbaute nämlich gar nicht erst unter den «Bautenbegriff» von Art. 667 Abs. 2 ZGB.66 Beispiele für Fahrnisbauten: a. Versetzbare Stahlbauten, die von der Mieterin auf dem gemieteten Grundstück in der Absicht erstellt werden, sie bei Beendigung des Mietverhältnisses wieder zu entfernen.67 – b. Eternitverkleidete Holzchalets, die weniger als 50 m2 den öffentlich-rechtlichen Behörden bloss auf Zusehen hin bewilligt worden sind.68 – c. Demgegen-

62

63

64 65

66 67 68

BGE 136 III 269 ff. (271), E. 5.1; BGer 5D_10/2011, E. 3.3; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 21 zu Art. 676 ZGB; R ey gen in Art. 691 ZGB vgl. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5308. Zur bisherigen (in diesem Punkt ähnlich lautenden) Gesetzesfassung vgl. BGE 121 III 448 ff. (452), E. 3b. bettina hüRlimann-K auP (zitiert in Nr. 910), S. 80 mit Hinweisen. BGer 4C.345/2005, E. 1.2 = ZBGR 88/2007, S. 65 ff. (Frage für eine Telekommunikationsanlage offengelassen); BGE 105 II 264 ff. (266), E. 1; FZR 1992, S. 359 ff. (364 f.), E. 2d (Freiburger Verwaltungsgericht). SteinaueR, Band II, Nr. 1624b. BGE 98 II 199 ff. (202), E. 2. FZR 1992, S. 359 ff. (364 f.), E. 2d (Freiburger Verwaltungsgericht).

§ 17 Der Umfang des Grundeigentums

249

über sind vorfabrizierte Garagen, die sich – einmal aufgestellt – nur sehr schwer verschieben lassen, keine Fahrnisbauten.69

2. Fahrnisbauten folgen den Regeln über das Fahrniseigentum.70 Art. 677 Abs. 2 ZGB stellt klar, dass solche Bauten nicht in das Grundbuch eingetragen werden können.

906

1. Gemäss Art. 667 Abs. 2 ZGB

907

Art. 678 Abs. 1 ZGB komArt. 671–673 ZGB über den Einbau sinngemäss

zur Anwendung. 2. Bis 1. Januar 2004 konnte nach der damaligen Fassung von Art. 678 Abs. 2 ZGB

907a

nicht errichtet werden (vgl. auch Art. 20 und 45 SchlT ZGB).71 Seither sieht die am 20. Juni 2003 geänderte Gesetzesfassung72 die Möglichkeit einer 10 und höchstens 100 Jahre errichtet werden (Art. 678 Abs. 2 ZGB). Die Einzelheiten werden beim Dienstbarkeitsrecht behandelt (hinten Nr. 1409a ff.). 3.

908

spricht man in Analogie zu den Fahrnisbauten von («les plantations mobilières»). Diese behalten gemäss der Verweisung in Art. 678 Abs. 1 ZGB ebenso wie die Fahrnisbauten ihren besonderen Eigentümer und unterstehen den Regeln über das Fahrniseigentum.73 Beispiel:

C.

Die Quellen (Art. 704 ZGB)

Auch für die Quellen gilt das Akzessionsprinzip (Art. 704 Abs. 1 und Art. 667 Abs. 2 ZGB); sie können keinen besonderen Eigentümer haben (zur Bachquelle vgl. immerhin vorne Nr. 891). Das Gesetz sieht aber in Art. 704 Abs. 2 ZGB die Möglichkeit vor, ein Recht an einer Quelle auf fremdem Boden als Dienstbarkeit zu begründen. Voraussetzung dafür ist die Eintragung in das Grundbuch (im Einzelnen hinten Nr. 1241 ff.).74

69 70 71 72

73 74

BGE 105 II 264 ff. (266), E. 1. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 11 zu Art. 677 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1635 ff. Dazu m eieR-h ayoz, BeKomm, N 7 zu Art. 678 ZGB. BG vom 20. Juni 2003 über die Änderung des ZGB (Anpassung des Immobiliarsachenrechts im Rahmen der Teilrevision des Landwirtschaftsgesetzes/Agrarpolitik 2007), in Kraft seit 1. Januar 2004 (AS 2003, S. 4121; Botschaft in BBl 2002, S. 4953 f.). Ausführlich R ey/StRebel, BaKomm, N 5 ff. zu Art. 678 ZGB mit Hinweisen zu altrechtlichem kantonalem Sondereigentum an Bäumen. SteinaueR, Band II, Nr. 1674. SteinaueR, Band II, Nr. 1676 ff.

909

250

Das Grundeigentum

IV. Weiterführende Literatur 910

– FavRe liSe 676 CC, ZSR 116/1997 I, S. 243 ff. – hüRlimann-K auP bettina, Leitungsdienstbarkeiten im Sinn von Art. 676 ZGB, in: Schmid Jörg (Hrsg.), Dienstbarkeiten, Referate der Luzerner Weiterbildungsveranstaltung vom 13. September 2016, Zürich 2017 (LBR Band 115), S. 55 ff. – huSeR meinRad, Nutzung des Untergrunds: Umfang des Grundeigentums – ein Diskussionsbeitrag, URP 2014, S. 431 ff. – indeRKum hanSheiRi, Artikel 676 ZGB und sein Verhältnis zu Artikel 691 ZGB, BN 75/2014, S. 256 ff. – KolleR alFRed, Das rechtliche Schicksal von Überbauten, AJP 2011, S. 939 ff. – matzKe luKaS, Zwei Entscheide des Bundesgerichts zur vertikalen Ausdehnung des Grundeigentums im Untergrund, recht 2007, S. 235 ff. – méRot StéPhane, Les sources et les eaux souterraines, Etude des législations fédérales et vaudoises, Diss. Lausanne 1996. – Piotet deniS, A qui appartiennent les conduites sur le fonds d’autrui?, ZBGR 91/2010, S. 341 ff. – RooS luKaS – ScheiWileR viKtoR, Das Interesse des Grundeigentümers am Untergrund gemäss Art. 667 Abs. 1 ZGB, Zürcher Diss., Bern 1974 (ASR Heft 435). – Schmid JüRg, Ausgewählte Fragen zum Baurecht, Unterbaurecht und zum Überbaurecht, ZBGR 79/1998, S. 289 ff. – Schmid-tSchiRRen chRiStina rechtlichen Akzessionsprinzip und seinen Ausnahmen, BN 73/2012, S. 301 ff. – tSchümPeRlin Paul, Grenze und Grenzstreitigkeiten im Sachenrecht, Diss. Freiburg 1984 (AISUF Band 63).

V. 911

Fälle

1. BGE 99 II 131 ff. (135 ff.) Ersatzanspruch des Materialeigentümers gegen den Grundeigentümer nach Art. 672 ZGB: Gesetzgeberischer Grund, Voraussetzungen, Natur und Umfang. (Vgl. auch BGer vom 10. Juni 1997, in ZWR 32/1998, S. 230 ff.) 2. BGE 92 II 227 ff. (230 ff.) Objektive und subjektive Kriterien für die Unterscheidung von Fahrnis- und Dauerbauten (in casu: Fabrikgebäude). 3. BGE 119 Ia 390 ff. (397 f.) Art. 667 ZGB und kantonales Bergregal; Bau von Lagerstätten für radioaktive Abfälle.

§ 17 Der Umfang des Grundeigentums

251

4. BGE 132 III 689 ff. Vertikale Ausdehnung des Grundeigentums in den Untergrund (Art. 667 ZGB); Beweislast des Grundeigentümers für das schutzwürdige Ausübungsinteresse.

252

Das Grundeigentum

§ 18 Die Beschränkungen des Grundeigentums 912

Einführende Literatur: – R ey, Band I, Nr. 1099 ff. – SteinaueR, Band II, Nr. 1690 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 102.

I.

Allgemeines

913

1. Das Eigentum kann – formal betrachtet – als das unbeschränkte Sachenrecht bezeichnet werden (vorne Nr. 31 und 653 ff.). Dennoch ist es verschiedenen tatsächlichen und rechtlichen Schranken unterworfen. Hier interessieren die rechtlichen Schranken. Sie lassen sich nach ihrem Entstehungsgrund und nach ihren Wirkungen einteilen:

914

2. Nach dem Entstehungsgrund sind gesetzliche und gewillkürte (rechtsgeschäftliche) Eigentumsbeschränkungen auseinanderzuhalten (vgl. dazu bereits vorne Nr. 686 ff.):

915

– Bezüglich der gesetzlichen Beschränkungen (hinten Nr. 918 ff.) bestimmt Art. 641 Abs. 1 ZGB als Grundnorm, dass der Eigentümer über seine Sache nur «in den Schranken der Rechtsordnung» verfügen darf. Zu diesen Schranken gehören die Normen der gesamten Privatrechtsordnung, namentlich die weiteren Gesetzesbestimmungen des Sachenrechts.1 det sich im zweiten Abschnitt des 19. Titels in den Art. 680–703 ZGB (vgl. den Randtitel zu Art. 680 ZGB; französisch «restriction de la propriété foncière»). Hinzu kommen ausserdem die Art. 706–710 ZGB, die systematisch allerdings unter dem eigenen Randtitel «Rechte an Quellen und Brunnen» eingereiht sind. Praktisch relevant sind vor allem das gesetzliche Vorkaufsrecht im Miteigentumsverhältnis (hinten Nr. 935 ff.) und das Nachbarrecht (hinten Nr. 946 ff.). Wie schon erwähnt (vorne Nr. 874), ist zu beachten, dass der Titel des zweiten Abschnitts (vor Art. 667 ZGB) auf Deutsch «Inhalt und Beschränkung des Grundeigentums» und auf Italienisch «Elementi e limiti della proprietà fondiaria», auf Französisch hingegen «Des effets de la propriété foncière» lautet.

916

– Die gewillkürten Beschränkungen (hinten Nr. 995 ff.) werden ausserhalb des 19. Titels im ZGB (vgl. etwa Art. 745 ff. ZGB) und im OR (vgl. etwa Art. 216– 216e OR) geregelt. Besonders von Bedeutung sind hier die vertraglichen Vorkaufs-, Rückkaufs- und Kaufsrechte (hinten Nr. 996 ff.).

917

3. Nach ihren Wirkungen lassen sich zwei hauptsächliche Arten von Eigentumsbeschränkungen unterscheiden: Verfügungs- und Nutzungsbeschränkungen. Die (gesetzlichen und gewillkürten) Beschränkungen können demnach betreffen:2

1 2

BGer 5P.196/2003, E. 5.2. SteinaueR, Band II, Nr. 1760 ff.

§ 18 Die Beschränkungen des Grundeigentums

253

– entweder die Verfügung über das Eigentum (sogenannte Verfügungsbeschränkungen; «restrictions au droit de disposition»); Beispiel: Gesetzliche Vorkaufsrechte nach Art. 682 und 682a ZGB.

– oder die Nutzung des Eigentums (sogenannte Nutzungsbeschränkungen; «restrictions aux droits d’usage et de jouissance»). Beispiel: zuhalten; Art. 686 ZGB.

-

II. Gesetzliche Eigentumsbeschränkungen Hier soll zunächst (1.) von den Arten der gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen und sodann (2.) von ihrem Bestand, ihrer Abänderung und ihrer Aufhebung die Rede sein. Anschliessend werden (3.) gesetzliche Verfügungsbeschränkungen und (4.) gesetzliche Nutzungsbeschränkungen näher untersucht. Dann kommen (5.) die Notrechte zur Sprache. Den Abschluss bildet (6.) ein Hinweis auf zwei praktisch wichtige Sondergesetze, nämlich das BewG und das BGBB.

918

Von einer umfassenden Darstellung aller möglichen gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen wird hier bewusst abgesehen.3

1.

Arten

Neben der bereits genannten Unterscheidung von Verfügungs- und Nutzungsbeschränkungen (vorne Nr. 917) lassen sich die gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen nach dem Rechtsgebiet (Privatrecht oder öffentliches Recht) und nach der Wirkung (unmittelbare oder mittelbare Wirkung) näher gliedern. Im Einzelnen:

919

1. Gesetzliche Schranken können auf Privatrecht oder auf öffentlichem Recht beruhen:

920

– Privatrechtliche Beschränkungen liegen im Interesse einzelner Rechtssubjekte, etwa des Nachbarn. Sie ergeben sich primär aus Bundesrecht. Sekundär können sie auch auf kantonalem Recht beruhen, nämlich dann, wenn das ZGB die Rechtssetzungsbefugnis auf die Kantone überträgt (echte Vorbehalte zu Gunsten des kantonalen Gesetzgebers; Art. 5 Abs. 1 ZGB).

921

Beispiel: Nachbarrecht (Art. 684 ff. ZGB; hinten Nr. 946 ff.).

– Öffentlich-rechtliche Beschränkungen des Privateigentums schützen überwiegend öffentliche Interessen. Beispiele: a. Art. 702 f., 784 und 836 ZGB. – b. Beschränkungen nach besonderen Bundesgesetzen, etwa über den Heimatschutz, die Enteignung, die Raumplanung, oder nach kantonalen Erlassen (Baupolizei, Feuerpolizei und dergleichen).

3

Vgl. dazu neben den Kommentaren etwa SteinaueR, Band II, Nr. 1751 ff.; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 102 N 14 ff.

922

254

Das Grundeigentum

– Die Unterscheidung zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen hat durchaus praktische Bedeutung: So ist etwa die Aufhebung oder Abänderung von Eigentumsbeschränkungen öffentlich-rechtlichen Charakters nach Art. 680 Abs. 3 ZGB ausgeschlossen. Unterschiede bestehen ferner mit Bezug auf den Rechtsweg (Durchsetzung nur auf Klage hin durch das Zivilgericht – Durchsetzung von Amtes wegen durch die Verwaltungsbehörden). Einen Sonderfall stellen immerhin die sogenannten Doppelnormen dar, die gleichzeitig öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Eigentumsbeschränkungen enthalten. Diese Vorschriften werden vom Gemeinwesen auf dem Verwaltungsweg, von Privaten hingegen auf dem Zivilrechtsweg durchgesetzt.4

923

Beispiel: Zutrittsrecht zu Wald und Weiden nach Art. 699 ZGB (hinten Nr. 976). 924

2. Die gesetzlichen Schranken werden ausserdem unterteilt in unmittelbare und mittelbare Eigentumsbeschränkungen:

925

– Unmittelbare gesetzliche Eigentumsbeschränkungen sind kraft Gesetzes wirksam, ohne dass eine Person tätig werden muss.5 Beispiele: a. Verbot übermässiger Immissionen (Art. 684 Abs. 2 ZGB; hinten Nr. 947 ff.). – b. Gestattung der Wegschaffung eines auf das Grundstück geratenen Tieres (Art. 700 Abs. 1 ZGB). – c. Gesetzliche (unmittelbare) Pfandrechte des kantonalen Rechts (Art. 836 Abs. 2 ZGB; hinten Nr. 1657 ff.).

– Mittelbare gesetzliche Eigentumsbeschränkungen werden erst wirksam, nachdem eine bestimmte Person zur Erlangung eines Rechts die vorgeschriebenen Handlungen unternommen hat. Sie verleihen mit anderen Worten einer Person bloss einen Anspruch darauf, dass ihr – unter bestimmten Voraussetzungen – etwas gewährt/gestattet, also ein Recht eingeräumt wird.6

926

Beispiele: a. Notwegrecht nach Art. 694 ZGB (hinten Nr. 981 ff.): Die Nachbarin muss aktiv werden, sie hat (unter bestimmten Voraussetzungen) lediglich einen Anspruch darauf, dass ihr ein Notwegrecht eingeräumt wird. Der Notweg (bzw. das entsprechende Recht) besteht mit anderen Worten nicht schon von Gesetzes wegen. – b. Verkäufer- und Bauhandwerkerpfandrecht nach Art. 837 Abs. 1 Ziff. 1 und 3 ZGB (hinten Nr. 1751 ff.): Grundstückverkäufer und Bauhandwerker haben bloss einen Anspruch auf Errichtung eines gesetzlichen Grundpfandrechts; werden sie nicht tätig (innert der vorgeschriebenen Frist; Art. 838 und 839 Abs. 1 und 2 ZGB), so ist dieser Anspruch verwirkt.

2.

Bestand, Abänderung und Aufhebung (Art. 680 ZGB)

927

1. Nach Art. 680 Abs. 1 ZGB bestehen die gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen ohne Eintrag im Grundbuch. Dies bedarf der Präzisierung:

928

– Das Prinzip des Art. 680 Abs. 1 ZGB gilt (nur) für die unmittelbaren gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen: Da diese Normen den Inhalt des Eigentums generell umschreiben, gelten sie unabhängig von einer Eintragung in das Grund-

4 5 6

Vgl. dazu m eieR-h ayoz, BeKomm, N 34 ff. zu Art. 680 ZGB. R ey, Band I, Nr. 1209 ff. R ey, Band I, Nr. 1223 ff.; SteinaueR, Band II, Nr. 1765.

§ 18 Die Beschränkungen des Grundeigentums

255

buch.7 Obwohl sie nicht im Grundbuch eingetragen sind, können sie auch einem gutgläubigen Erwerber entgegengehalten werden.8 Eine Vormerkung im Grundbuch ist weder notwendig noch zulässig.9 Immerhin sieht das Gesetz für gewisse Fälle eine Anmerkung vor (Art. 696 Abs. 2 ZGB; Art. 127 GBV). Ferner können Private für den Fall, dass die genaue Reichweite einer gesetzlichen Beschränkung unklar ist, eine Dienstbarkeit begründen, die inhaltlich mit der gesetzlichen Eigentumsbeschränkung übereinstimmt.10 Beispiel: Grenzfall übermässiger Immissionen im Nachbarrecht (Art. 684 ZGB; hinNr. 493a.

– Bei den mittelbaren gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen gilt nur der Anspruch kraft Gesetzes; für das Zustandekommen der Beschränkung ist hin-

929

Anwendung.11 Beispiel: Notwegrecht (Art. 694 ZGB; hinten Nr. 981 ff.).

2. Gemäss Art. 680 Abs. 2 ZGB bedarf es für die Aufhebung oder Abänderung einer gesetzlichen Eigentumsbeschränkung durch Rechtsgeschäft der öffentlichen Beurkundung und der Eintragung in das Grundbuch. Dies gilt allerdings so nur für Dienstbarkeiten, die unmittelbare gesetzliche Nutzungsbeschränkungen abändern oder aufheben.12

930

3. Art. 680 Abs. 3 ZGB stellt klar, dass die Aufhebung oder Abänderung von Eigentumsbeschränkungen öffentlich-rechtlichen Charakters ausgeschlossen ist.13

931

3.

Gesetzliche Verfügungsbeschränkungen

Wie bereits erwähnt, begrenzen Verfügungsbeschränkungen die Möglichkeit des Eigentümers, über sein Grundstück zu verfügen, das heisst, es zu veräussern oder mit bestimmten beschränkten dinglichen Rechten zu belasten. Nach einer Übersicht (nachfolgend A.) soll hier der wichtige Fall der gesetzlichen Vorkaufsrechte nach Art. 681 ff. ZGB näher behandelt werden (B.).

7 8 9

10 11

12

13

m eieR-h ayoz, BeKomm, N 58 zu Art. 680 ZGB. SteinaueR, Band II, Nr. 1772; für einen Baurevers vgl. BGE 111 Ia 182 f. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 38 zu Art. 682 ZGB, betreffend das Miteigentümervorkaufsrecht; BGE 117 II 541 ff. (544 Mitte), E. 3, betreffend die gesetzlichen Vorkaufsrechte nach EGG (nicht mehr in Kraft). m eieR-h ayoz, BeKomm, N 61 zu Art. 680 ZGB. m eieR-h ayoz m eieR-h ayoz, BeKomm, N 68 ff. zu Art. 691 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1774a. SteinaueR, Band II, Nr. 1778; hinsichtlich der Anwendung der Bestimmung auf die unmittelbaren Verfügungsbeschränkungen bzw. die mittelbaren Eigentumsbeschränkungen vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 1777a ff. Einschränkend immerhin m eieR-h ayoz, BeKomm, N 137 ff. zu Art. 680 ZGB.

932

256

A. 933

Das Grundeigentum

Übersicht

1. Im Privatrecht sind namentlich folgende gesetzliche Verfügungsbeschränkungen zu beachten:14 – Art. 169 und 201 Abs. 2 ZGB (sowie Art. 14 PartG und Art. 40 BGBB): Verfügung nur mit Zustimmung des nicht berechtigten Ehegatten;15 – Art. 682 ZGB: Vorkaufsrecht im Miteigentums- und im Baurechtsverhältnis (vorne Nr. 767 ff. und hinten Nr. 935 ff.); – Art. 808 Abs. 3 und Art. 810 Abs. 2 ZGB: unmittelbares gesetzliches Pfandrecht (hinten Nr. 1584); – Art. 837 ZGB: mittelbare gesetzliche Pfandrechte (vgl. auch Art. 712i, 779d Abs. 2 und Art. 779i ZGB; Art. 523 OR; dazu hinten Nr. 1664 ff.); – privatrechtliche Beschränkungen nach BGBB (hinten Nr. 994), etwa beim Kaufsrecht von Verwandten (Art. 25 ff.), bei der Zustimmung des Ehegatten (Art. 40) und bei den Vorkaufsrechten (Art. 42 ff.; hierauf verweist Art. 682a ZGB).

934

2. Zu berücksichtigen sind auch die Verfügungsbeschränkungen des öffentlichen Rechts, namentlich nach den folgenden Erlassen:16 – Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (Bewilligungsgesetz, BewG, «Lex Koller»; hinten Nr. 991); – Enteignungsgesetz (EntG); – Öffentlich-rechtliche Beschränkungen des BGBB (hinten Nr. 993 f.), etwa betreffend das Bewilligungsverfahren beim Erwerb (Art. 61 ff.) oder die Belastungsgrenzen (Art. 73 ff.); – Art. 836 Abs. 2 ZGB: unmittelbares gesetzliches Pfandrecht (nach Massgabe des kantonalen Rechts; hinten Nr. 1657 ff.); – vgl. ferner Art. 702 f. ZGB.17

B. 935

Die gesetzlichen Vorkaufsrechte insbesondere (Art. 681 ff. ZGB)

1. Das Vorkaufsrecht («le droit de préemption») ist ein Gestaltungsrecht. Es befähigt den Berechtigten, bei Eintritt des Vorkaufsfalls durch einseitige Willenserklärung die Übertragung des Eigentums an einer Sache zu verlangen.18 Gesetzliche Vorkaufsrechte – die hier allein interessieren – beschränken das Eigentum insofern, als der verkaufswillige Eigentümer zwar sein Grundstück verkaufen darf, seinen Vertragspartner (genauer gesagt: den endgültigen Erwerber des Grundstücks) aber nicht in jedem Fall selber wählen kann. Ein wichtiger Fall ist das gesetzliche Vorkaufsrecht im Miteigentumsverhältnis nach Art. 682

14 15

16 17

18

SteinaueR, Band II, Nr. 1767 f. Zur Frage, ob Art. 169 ZGB die Handlungsfähigkeit oder die Verfügungsfähigkeit einer verheirateten Person beschränkt, vgl. tuoR /SchnydeR /Jungo, § 28 N 22. Ausführlich SteinaueR, Band II, Nr. 1948 f.; R ey, Band I, Nr. 1231 ff. BGE 121 I 65 ff. (70), E. 5a/aa, betreffend einen öffentlich-rechtlichen Notweg; SteinaueR, Band II, Nr. 1957 ff. BGE 116 II 49 ff. (52), E. 4.

§ 18 Die Beschränkungen des Grundeigentums

257

sätzlich auch die Kantone gestützt auf öffentlich-rechtliche Vorschriften gesetzliche Vorkaufsrechte vorsehen können.19

2. Zu den gesetzlichen Vorkaufsrechten stellt das Gesetz in den Art. 681–681b ZGB einige allgemeine Regeln auf:

936

– Zum Bestand und zur Übertragbarkeit der gesetzlichen Vorkaufsrechte ist Folgendes zu beachten:

937

• Gemäss Art. 681 Abs. 2 ZGB entfällt das Vorkaufsrecht, wenn es sich beim Erwerber um eine Person handelt, die ein Vorkaufsrecht im gleichen oder in einem vorderen Rang hat. Bei Konkurrenz von Miteigentümern und Baurechtsberechtigten (vgl. Art. 682 ZGB) geht nach der Lehre das Vorkaufsrecht der Miteigentümer vor.20

• Gesetzliche Vorkaufsrechte können weder vererbt noch abgetreten werden; sie gehen den vertraglichen Vorkaufsrechten vor (Art. 681 Abs. 3 ZGB). – Für den Vorkaufsfall und die Ausübung der gesetzlichen Vorkaufsrechte gilt Folgendes:

938

• Nach Art. 681 Abs. 1 ZGB können gesetzliche Vorkaufsrechte auch bei der Zwangsversteigerung (mit Einschluss des Freihandverkaufs21) ausgeübt werden, aber nur an der Steigerung selbst und zu den Bedingungen, zu denen das Grundstück dem Ersteigerer zugeschlagen wird; im Übrigen verweist die Norm auf die Bestimmungen über die vertraglichen Vorkaufsrechte.

939

Für die Umschreibung des Vorkaufsfalls ist also (vom Fall der Zwangsversteigerung abgesehen) Art. 216c OR massgebend.22 Nach Abs. 1 kann das Vorkaufsrecht «geltend gemacht werden, wenn das Grundstück verkauft wird, sowie bei jedem andern Rechtsgeschäft, das wirtschaftlich einem Verkauf gleichkommt (Vorkaufsfall)». Entscheidend ist der Abschluss eines Vertrags, der sich auf die Übertragung des Eigentums am Grundstück im Austausch für eine Geldleistung richtet, was etwa auch für die Hingabe an Zahlungs statt, die freiwillige Versteigerung oder die Ausübung eines Kaufsrechts zutrifft.23 Davon auszunehmen sind jedoch die Zuweisung an einen Erben in der Erbteilung sowie der Erwerb zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben (Art. 216c Abs. 2 OR i.V.m. Art. 681 Abs. 1 ZGB). Nach der Praxis liegt dann kein Vorkaufsfall vor, wenn erbrechtliche Motive bei einem Kauf überwiegen, wie etwa beim sogenannten Verwandten- oder beim Kindskauf.24 Analoges gilt in der Regel für güter- oder gesellschaftsrechtliche Verträge.25 Sodann bildet auch eine gemischte Schenkung grundsätzlich keinen Vorkaufsfall.26 -

19 20

21 22

23 24

25 26

Für Genf: BGE 134 I 263 ff.; BGer 1P.639/2004, E. 3.2, 3.3 und 4.1 = ZBGR 88/2007, S. 43 ff. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 29 zu Art. 682 ZGB; Paul-h enRi SteinaueR, La nouvelle réglementation (zitiert in Nr. 1007), S. 4. BGer 1P.639/2004, E. 3.4 = ZBGR 88/2007, S. 43 ff. Vgl. zum Beispiel Schmid/StöcKli /K RauSKoPF, Nr. 517 ff.; SteinaueR, Band II, Nr. 1731 ff. und 1781 ff. BGE 134 I 263 ff. (267), E. 3.3, mit Hinweis auf SteinaueR, Band II, Nr. 1731 f. BGE 120 V 10 ff. (13), E. 3; ZBGR 77/1996, S. 287 ff. (288 ff.), E. 1–2 (Berner Appellationshof); m eieR-h ayoz, BeKomm, N 145 zu Art. 681 ZGB. BGE 126 III 187 ff. (188 unten), E. 2b. Ausführlich BGE 101 II 59 ff. (61 f.), E. 2 und 3; ferner BGE 134 I 263 ff. (266 f.), E. 3.3; 115 II 175 ff. (179), E. 4a; LGVE 2007 I Nr. 18, S. 38 f. (Luzerner Obergericht); SteinaueR, Band II, Nr. 1731b.

258

Das Grundeigentum

giert, wenn der Vorkaufsbelastete den Eintritt wider Treu und Glauben verhindert (Art. 156 OR analog; vgl. auch hinten Nr. 1409).27

• Den Verkäufer eines Grundstücks, das mit einem gesetzlichen Vorkaufsrecht belastet ist, trifft beim Eintritt des Vorkaufsfalls eine (Art. 681a Abs. 1 ZGB). Zu beachten ist diesbezüglich auch die Mitteilungs-

940

Staates (Art. 955 ZGB) führen (vorne Nr. 552 ff.).28 941

• Der Berechtigte kann nach Eintritt des Vorkaufsfalls – innert der vorgeschriebenen Frist (Nr. 942) – sein Recht «gegenüber jedem Eigentümer des Grundstücks geltend machen» (Art. 681a Abs. 3 ZGB).29 Das gesetzliche Vorkaufsrecht wirkt mit anderen Worten gegenüber jedermann, namentlich auch gegenüber dem Grundstückserwerber, der das Recht nicht kennt; ein Gutglaubensschutz ist mit Bezug auf unmittelbare gesetzliche Eigentumsbeschränkungen ausgeschlossen (vorne Nr. 928).30

942

• Das Vorkaufsrecht muss allerdings innerhalb der gesetzlichen Verwirkungsfristen ausgeübt werden (Art. 681a Abs. 2 ZGB). Zu beachten ist einerseits eine Frist von drei Monaten seit Kenntnis von Abschluss und Inhalt des Kaufvertrags (relative Frist; Art. 681a Abs. 2 Satz 1 ZGB).31 Dazu kommt andererseits eine absolute Frist von zwei Jahren seit Eintragung des neuen Eigentümers in das Grundbuch (Art. 681a Abs. 2 Satz 2 ZGB); diese letztere Frist schützt nicht nur den Erwerber, sondern schafft auch Klarheit darüber, wie lange der Vorkaufsberechtigte sein Recht direkt gegen den Dritten geltend machen kann.32

943

• Hat der Berechtigte sein Vorkaufsrecht fristgerecht ausgeübt, so besteht im Ergebnis die gleiche Rechtslage, wie wenn er mit dem Vorkaufsbelasteten einen Kaufvertrag abgeschlossen hätte.33 Der Belastete hat demnach das Vorkaufsobjekt zu übereignen, der Berechtigte («Vorkäufer») hierfür den Kaufpreis zu bezahlen. Der Vorkäufer schuldet neben dem Kaufpreis – in den Schranken des Rechtsmissbrauchsverbots – auch die vom Dritterwerber versprochenen Nebenleistungen.34 Kann der Vorkäufer diese nicht in natura erbringen, erweist sich die Anwendung von Art. 1271 Abs. 3 des OR-Revisionsentwurfs von 1905 als sachgerecht: «Ist die Erfüllung von Leistungen, die der

27 28

29

30

31 32 33

34

BGE 85 II 474 ff. (484 f.), E. 4c; LGVE 1985 I Nr. 5, S. 9 ff. (10 f.), E. 5a–b (Luzerner Obergericht). SteinaueR, Band II, Nr. 1787a; JöRg Schmid, michel mooSeR, Présentation générale du sujet (im selben Band), S. 60. Vgl. schon BGE 92 II 147 ff. – Zu den Voraussetzungen einer rechtsgültigen Ausübung des Vorkaufsrechts vgl. BGer 5A_659/2012. Botschaft zum BGBB, BBl 1988 III, S. 1074; SteinaueR, Band II, Nr. 1792; vgl. auch BGer 1P.639/2004, E. 3.3 = ZBGR 88/2007, S. 43 ff. Vgl. dazu etwa BGer 5A_668/2012. Paul-h enRi SteinaueR, La nouvelle réglementation (zitiert in Nr. 1007), S. 12. Schmid/StöcKli /K RauSKoPF, Nr. 511; ähnlich BGE 134 III 597 ff. (604 f.), E. 3.4.1; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 236 zu Art. 681 ZGB. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 155 zu Art. 681 ZGB.

§ 18 Die Beschränkungen des Grundeigentums

259

Dritte versprochen hat, dem Vorkäufer nicht möglich, so hat er dem Verkäufer deren Wert zu ersetzen».35

– Zu weiteren Einzelfragen müssen Art. 681b und 682a ZGB beachtet werden:

944

• Art. 681b Abs. 1 ZGB sieht bestimmte Regeln vor für die Vereinbarung, mit welcher ein gesetzliches Vorkaufsrecht ausgeschlossen oder abgeändert wird. Erforderlich ist eine öffentliche Beurkundung, was der Grundregel von Art. 680 Abs. 2 ZGB entspricht. Im Zwangsvollstreckungsverfahren haben solche Abreden nur eine beschränkte Bedeutung (Art. 60a Abs. 2 VZG).

• Nach Eintritt des Vorkaufsfalls kann der Berechtigte schriftlich auf die Ausübung seines gesetzlichen Vorkaufsrechts verzichten (Art. 681b Abs. 2 ZGB). • Besonderheiten für landwirtschaftliche Grundstücke und landwirtschaftliche Gewerbe sind im BGBB geregelt (Art. 682a ZGB; vgl. etwa Art. 42 ff. BGBB; hinten Nr. 994).36

4.

Gesetzliche Nutzungsbeschränkungen

Das Schwergewicht der gesetzlichen Nutzungsbeschränkungen macht das Nachbarrecht aus, das hier denn auch im Vordergrund steht (nachfolgend A.). Sodann ist kurz auf das Recht auf Zutritt und Abwehr ausserhalb nachbarlicher Beziehungen einzugehen (B.).

A.

Das Nachbarrecht

Das Nachbarrecht («le droit de voisinage») bezeichnet einen Komplex von Bestimmungen, welche die Freiheit des Grundeigentümers zu Gunsten seiner Nachbarn beschränken – im Interesse eines friedlichen Zusammenlebens und der rationelleren Ausnützung des Bodens («sozio-ökonomische Funktion» des Nachbarrechts).37 Das Gesetz regelt das Nachbarrecht in den Art. 684–698 (vgl. den Randtitel zu Art. 684 ZGB) und Art. 706–710 ZGB. a.

Die Grundnormen

aa.

Die materielle Grundlage: Art. 684 ZGB

Art. 684 ZGB regelt unter dem Randtitel «Übermässige Einwirkungen» («Atteintes excessives») allgemein die Grenzen der Eigentumsausübung, indem er den GrundNachbarn zu enthalten» (Abs. 1). Die Bestimmung enthält mit anderen Worten den Schutz der Nachbarn vor (übermässigen) Immissionen. Im Einzelnen:

35

36

37

945

444 ff. (447 f.), E. 2; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 155 zu Art. 681 ZGB. Vgl. etwa SteinaueR, Band II, Nr. 1799 ff.; a ndReS büSSeR /R einhold hotz, Das bäuerliche Bodenrecht (Kommentar zum BGBB), 2. A., Brugg 2011, Kommentar zu Art. 42 ff. BGBB. SteinaueR, Band II, Nr. 1803. – Zur Bedeutung der Mediation bei Nachbarstreitigkeiten vgl. m aRySe PRadeRvand -K eRnen 20. Februar 2017.

946

947

260

Das Grundeigentum

948

1. Nachbarn im Sinn dieser Bestimmung sind jedenfalls die Eigentümer von Grundstücken, die aneinander grenzen, aber nicht nur sie; die räumliche Betroffenheit einer Person reicht aus.38 Da das Gesetz keine generelle Umschreibung des Begriffs «Nachbar» enthält, muss die im konkreten Fall verletzte nachbarrechtliche Vorschrift ausgelegt werden.39

949

2. Mit «Immissionen» sind die indirekten Wirkungen gemeint, welche die Ausübung des Eigentums auf ein Nachbargrundstück haben kann.40 Einwirkung im Sinn von Art. 684 ZGB ist demnach «alles, was sich als eine nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge unwillkürliche Folge eines mit der Benutzung eines andern Grundstücks adäquat kausal zusammenhängenden menschlichen Verhaltens auf dem betroffenen Grundstück auswirkt, sei es in materieller, sei es in ideeller Weise».41 Nach der Rechtsprechung fallen darunter:

949a

– einerseits die «positiven» Immissionen, etwa Lärm, Staub, Rauch,42 elektromagnetische Felder,43 ideelle Immissionen; Nachbarn verletzen, indem sie unangenehme psychische Eindrücke – beispielsweise Ekel oder Abscheu – erwecken.44 In Betracht kommen zum Beispiel der Betrieb eines Schlachthauses im Innern einer Ortschaft,45 aber auch derjenige eines Erotik-Unterhaltungsetablissements46. Angstgefühle, die durch eine Eigentumsausübung auf dem Nachbargrundstück hervorgerufen werden, können vom Begriff der übermässigen ideellen Immission erfasst werden, sofern sich der Angstzustand objektiv begründen lässt. Das ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht der Fall bei umweltrechtskonformen Mobilfunkanlagen, da von diesen nach heutigem Kenntnisstand keine gesundheitliche Gefährdung ausgeht.47

– andererseits auch die «negativen» Immissionen,48 zum Beispiel der Entzug von Besonnung oder Tageslicht (etwa durch Schattenwurf), Licht oder Aussicht,49 ferner Erschwerungen des Zugangs zu einem Ladengeschäft.50 Dem ist Folgendes beizufügen:

949b

38 39 40

41 42 43 44

45 46 47 48

49

50

BGE 121 II 317 ff. (326), E. II./4b; 120 II 15 ff. (17), E. 2a; SteinaueR, Band II, Nr. 1808. R ey, Band I, Nr. 1103. BGE 122 II 349 ff. (356), E. 4b; 121 II 317 ff. (326), E. II./4b; ausführlich SteinaueR, Band II, Nr. 1807 ff. BGE 119 II 411 ff. (415), E. 4b, mit Hinweis auf m eieR-h ayoz, BeKomm, N 67 zu Art. 684 ZGB. ZBGR 95/2014, S. 309 ff. (Kantonsgericht Jura). BGE 129 II 420 ff. (431), E. 4.3.2; BGer 5A_47/2016, E. 5.1. BGer vom 15. November 1991, in ZBGR 75/1994, S. 290 ff. (292), E. 3; BGE 108 Ia 140 ff. (144 ff.), E. 5c/aa; BGer 5A_47/2016, E. 2.1; vgl. auch SuSanne aueR (zitiert in Nr. 1007), S. 101 ff. Zur Frage, wann im Zusammenhang mit Glaubensbetätigung ideelle Immissionen zu bejahen sind, vgl. JöRg Schmid, Baurechtstagung 2011 (zitiert in Nr. 1007), S. 92 f. BGE 84 II 85 ff. BGer vom 1. Juli 1999, in ZBGR 82/2001, S. 56 ff. (57), E. 1b = Pra 88/1999, Nr. 189, S. 981 ff. BGer 5A_47/2016, E. 4. Seit dem 1. Januar 2012 (Inkrafttreten der ZGB-Änderung vom 11. Dezember 2009) werden gewisse negative Immissionen ausdrücklich im Gesetzestext (Art. 679 Abs. 2 und Art. 684 Abs. 2 ZGB in Erstmals BGE 126 III 452 ff. (455 f.), E. 2c; ferner BGer 5A_415/2008, E. 3.1; so bereits m eieRh ayoz, BeKomm, N 50 ff. zu Art. 684 ZGB. Betont zurückhaltend BGer 5A_285/2011, E. 3.2, wonach «die Freihaltung einer Aussicht nur unter ausserordentlich strengen Voraussetzungen beansprucht werden» kann. BGE 114 II 230 ff. (235 f.), E. 4a; 91 II 100 ff. (103), E. 2.

261

§ 18 Die Beschränkungen des Grundeigentums

• Was den Schattenwurf und Lichtentzug durch angeht, legt Art. 684 ZGB nach heutiger Rechtsprechung die bundesrechtlichen Mindestanforderungen fest, die unter Nachbarn einzuhalten sind.51 Die Kantone können gestützt auf Art. 688 ZGB zusätzliche Bestimmungen aufstellen (dazu hinten Nr. 969). • Für Bauten war demgegenüber nach dem Bundesgericht vor dem 1. Januar 2012 das kantonale Baurecht abschliessend massgebend,52 jedenfalls insoweit, als eine detaillierte kantonale Bau- und Zonenordnung bestand, die den Zielen und Planungsgrundsätzen des Raumplanungsrechts entsprach.53 Seit dem Inkrafttreten der Revision des Immobiliarsachenrechts sieht die neue Bestimmung von Art. 679 Abs. 2 ZGB vor, dass die Abwehransprüche des Nachbarn bei negativen Immissionen durch eine Baute oder Einrichtung (etwa einen 54

Worten eine übermässige Einwirkung nur dann zu bejahen ist55 der Erstellung der Baute oder Einrichtung die damals geltenden Vorschriften nicht eingehalten wurden». Mit den damit angesprochenen Normen sind insbesondere die öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften gemeint.56 Art. 679 Abs. 2 ZGB bezieht sich nach Wortlaut («die damals geltenden Vorschriften») und Entstehungsgeschichte57 lediglich auf schon erstellte Bauten: Bereits geschaffene Bauwerke sollen in ihrem Wert geschützt bleiben und keine Beseitigungs- und Schadenersatzansprüche auslösen, wenn im Zeitpunkt der Erstellung der Baute die geltenden Vorschriften eingehalten wurden. Ist jedoch die Baute noch nicht erstellt (sondern erst geplant), so bleibt eine Unterlassungsklage des Nachbarn gegen die Errichtung (Präventivklage; hinten Nr. 957) möglich, ausnahmsweise privatrechtlich eine übermässige Beeinträchtigung darstellt.58

3. Verpönt ist nicht jede Einwirkung, sondern nur (aber immerhin) das Übermässige («s’abstenir de tout excès»). Verboten sind gemäss Art. 684 Abs. 2 ZGB namentlich alle schädlichen und nach Lage und Beschaffenheit der Grundstücke oder nach Ortsgebrauch nicht gerechtfertigten Einwirkungen durch Luftverunreinigung, üblen Geruch, Lärm, Schall, Erschütterung, Strahlung oder durch den Entzug von Besonnung oder Tageslicht. Ob die Einwirkung übermässig ist, entscheidet das Gericht

51

52

53

54 55

56

57 58

BGE 126 III 452 ff. (457 ff.), E. 3 = Praxisänderung, wiederholt in BGE 129 III 161 ff. (164), E. 2.5, BGer 5A_415/2008, E. 3.1, und 5D_179/2011, E. 5.1; vgl. auch chRiStina m aRia Schmid -tSchiRRen (zitiert in Nr. 1007), S. 211 ff.; luKaS RooS (zitiert in Nr. 910), S. 31 ff. BGE 126 III 452 ff. (460), E. 3c/cc; vgl. auch BGE 106 Ib 381 ff. (383), E. 2a; teilweise abweichend m eieR-h ayoz, BeKomm, N 61 zu Art. 684 ZGB; deniS Piotet, AJP 2001, S. 594 ff. (597 f.); vgl. auch chRiStina m aRia Schmid -tSchiRRen (zitiert in Nr. 1007), S. 171 ff. BGE 129 III 161 ff. (165 f.), E. 2.6, wo das öffentliche Baurecht überdies als ein Indiz für den Ortsgebrauch bezeichnet wird; bestätigt in BGE 132 III 49 ff. (51 f.), E. 2.2. Weniger eindeutig hingegen BGE 138 III 49 ff. (57), E. 4.4.4, und BGer 5A_285/2011, E. 3.2, wo gestützt auf Art. 684 ZGB ein bundesrechtlicher Minimalschutz auch bei Bauten angenommen wurde. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5307. JöRg Schmid, Baurechtstagung 2011 (zitiert in Nr. 1007), S. 92 und 94; ähnlich R ey/StRebel, Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5307; vgl. auch R ey/StRebel, BaKomm, N 39 f. zu Art. 679 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1811a und 1916 f. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5307; SteinaueR, Band II, Nr. 1917. SteinaueR, R ey/StRebel, BaKomm, N 35 zu Art. 679 ZGB; PaScal ecKenStein (zitiert in Nr. 1007), S. 126 und 136.; Frage offengelassen in BGer 5A_47/2016, E. 5.2.

950

262

Das Grundeigentum

nach Recht und Billigkeit (Art. 4 ZGB);59 es hat mit anderen Worten eine Interessen60 schnittsmenschen in der gleichen Situation zugrunde zu legen». – Ein Verschulden auf Seiten des sein Eigentumsrecht übermässig ausübenden Grundeigentümers ist nicht erforderlich. Lehre und Rechtsprechung haben zum Immissionsrecht eine reiche Kasuistik entwickelt.61 Diese kann auch nach dem 1. Januar 2012 mit Gewinn beigezogen werden, da die ZGB-Änderung vom 11. Dezember 2009 die Rechtslage im Nachbarrecht klargestellt, in den wesentlichen Punkten jedoch nicht verändert hat.62 Die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften und Empfehlungen darf als wichtiges Indiz in der Gesamtbeurteilung der Übermässigkeit einer konkreten Einwirkung mitberücksichtigt werden.63

E contrario folgt aus der Regelung, dass der Nachbar (in privatrechtlicher Hinsicht) alle Einwirkungen, die nicht übermässig sind, zu dulden hat.64 951

4. Vorbehalten bleiben indessen die Normen des öffentlichen Rechts, namentlich etwa des BG über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1993 (Umweltschutzgesetz, USG).65 Dessen Art. 13 Abs. 1 ordnet an: «Für die Beurteilung der schädlichen oder lästigen Einwirkungen legt der Bundesrat durch Verordnung Immissionsgrenzwerte fest.» Der privatrechtliche und der öffentlich-rechtliche Immissionsschutz stehen an sich selbständig nebeneinander.66 Immerhin verlangt das allgemeine Gebot der widerspruchsfreien und koordinierten Anwendung der Rechtsordnung von den rechtsanwendenden Behörden, auf eine gewisse Harmonisierung des Immissionsschutzes hinzuwirken.67

bb. 952

Die Rechtsbehelfe: Art. 679 und 679a ZGB

Die Bestimmung von Art. 684 ZGB wird durch die Normen von Art. 679 und 679a ZGB ergänzt. Die letzteren beiden Vorschriften stehen unter dem Randtitel «Verantwortlichkeit des Grundeigentümers» («Responsabilité du propriétaire») und befassen

59 60

61

62 63

64 65 66

67

BGE 126 III 223 ff. (227), E. 4a; 121 II 317 ff. (326 f. und 333), E. II./4b und II./6a. Anstelle vieler: BGE 132 III 49 ff. (50 f.), E. 2.1; BGer 5A_23/2008, E. 2.2 und 6.1; BGE 138 III 49 ff. (57), E. 4.4.5; zur zurückhaltenden Überprüfung durch das Bundesgericht vgl. auch BGer 5A_415/2008, E. 1 und 3.3. Vgl. zum Beispiel m eieR-h ayoz, BeKomm, N 154 ff. zu Art. 684 ZGB; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 102 N 49. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5307. BGE 132 III 49 ff. (51 f.), E. 2.2 (öffentliches Baurecht); BGer 5A_648/2010, E. 4 (Rauch- und Geruchsimmissionen). BGE 129 II 72 ff. (76 f.), E. 2.3. SR 814.01. BGE 126 III 223 ff. (225), E. 3c; BGer 5A_47/2016, E. 2.2; zum Ganzen auch h einz R ey, Die Bedeutung öffentlich-rechtlicher Bestimmungen im privatrechtlichen Immissionsschutz, recht 2000, S. 280 ff.; FRanz WebeR (zitiert in Nr. 1007), S. 372 ff. und 380 ff. BGE 126 III 223 ff. (226), E. 3c; 129 III 161 ff. (165), E. 2.6. – Zum Lärmschutz vgl. die Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; SR 814.41); PeteR h änni, Planungs-, Bau- und besonderes Umweltschutzrecht, 6. A., Bern 2016, S. 382 ff.; BGE 123 II 74 ff. (Kinderspielplatz); 126 II 300 ff. (Schiesslärm am Liestaler Banntag); 126 II 366 ff. (Geläut von Kirchenglocken). – Zur Koordination des privatrechtlichen und des öffentlich-rechtlichen Immissionsschutzes durch die Möglichkeit des Einbezugs der privatrechtlichen Einsprache wegen Verletzung von Art. 684 ZGB in das öffentlich-rechtliche Verfahren gemäss Art. 86 des St. Gallischen Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht (sGS 731.1) vgl. BGer 5A_814/2014, E. 5.

263

§ 18 Die Beschränkungen des Grundeigentums

sich mit den konkreten Rechtsbehelfen der (geschädigten oder bedrohten) Nachbarn. Im Einzelnen: 1. Art. 679 Abs. 1 ZGB setzt im Tatbestand voraus, dass «jemand dadurch, dass ein Grundeigentümer sein Eigentumsrecht überschreitet, geschädigt oder mit Schaden bedroht» wird («Celui qui est atteint ou menacé d’un dommage parce qu’un propriétaire excède son droit …»; vgl. auch den Randtitel zu Art. 679 ZGB). Das ist wie folgt zu verdeutlichen:

953

– Eine Überschreitung des Eigentumsrechts liegt vor, wenn auf Grund menschlichen Verhaltens durch die Nutzung des Grundstücks die das Eigentum beschränkenden Normen des Nachbarrechts verletzt werden.68 Das trifft namentlich auf jenen Eigentümer zu, der Art. 684 ZGB zuwiderhandelt, also übermässige Immissionen verursacht,69 gilt aber auch bei Verstössen gegen andere nachbarrechtliche Bestimmungen, etwa bei Verletzungen von Art. 685 ZGB70 und von Art. 689 ZGB71.

954

– Obwohl sich der Wortlaut von Art. 679 Abs. 1 ZGB auf «jemand[en]» («celui qui») bezieht, gibt die Bestimmung nicht irgendwelchen Personen Rechte, sondern nur (aber immerhin) dem Nachbarn.72 Dieser Nachbar wird durch die Überschreitung geschädigt oder mit Schaden bedroht. Das bedarf der Erläuterung:

955

• Der Begriff des Nachbarn wird weit gefasst; eine unmittelbare räumliche Angrenzung der betreffenden Grundstücke ist nicht erforderlich (vorne Nr. 948).73 Ansprüche aus Art. 679 Abs. 1 ZGB kann gemäss der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre «nur erheben, wer in der Nutzung, Benutzung oder Bewirtschaftung eines benachbarten Grundstücks beeinträchtigt wird. Erforderlich ist somit eine nicht bloss zufällige und momentane Beziehung zum betroffenen Grundstück. Klageberechtigt ist jedoch nicht nur dessen Eigentümer, sondern namentlich auch der Inhaber beschränkter dinglicher oder obligatorischer Rechte, d.h. unter anderem der Dienstbarkeitsberechtigte, Mieter oder Pächter».74

• Der Begriff des Schadens muss hier ebenfalls weit ausgelegt werden: Eine Beschädigung der Substanz des Grundstücks ist nicht notwendig; es genügt 75

– Zwischen der Überschreitung des Eigentumsrechts und dem Schaden bzw. der Schadensbedrohung besteht ein (natürlicher und adäquater) Kausalzusammenhang.76 Die Beweislast dafür liegt beim Kläger.77

68 69 70 71 72

73

74

75 76 77

SteinaueR, Band II, Nr. 1911 ff. Zum Beispiel BGE 122 II 349 ff. (356), E. 4b. BGE 119 Ib 334 ff. (341 f.), E. 3b. BGE 127 III 241 ff. (247), E. 5c; AGVE 1999, Nr. 4, S. 32 ff. (35), E. 3a (Aargauer Obergericht). BGE 109 II 304 ff. (308 f.), E. 2; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 42 f. zu Art. 679 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1893. BGE 121 II 317 ff. (326), E. II./4b; 109 II 304 ff. (308 f.), E. 2; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 38 ff. zu Art. 679 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1808 und 1902 ff. BGE 104 II 15 ff. (18), E. 1. Vgl. auch BGE 111 II 236 ff. (238), E. 2; 119 II 411 ff. (415), E. 4a; SteinaueR, Band II, Nr. 1902 ff.; kritisch zur Aktivlegitimation des Mieters hüRlimann-K auP, Grundfragen, Nr. 392 ff. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 6 und 95 zu Art. 679 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1918. BGE 119 Ib 334 ff. (342 f.), E. 3c.

956

264

Das Grundeigentum

Generell hat derjenige, der eine Verletzung des Verbots übermässiger Einwirkungen behauptet und daraus Rechte ableitet (Art. 8 ZGB), die Eigentumsüberschreitung und den Kausalzusammenhang mit der Schädigung oder dem drohenden Schaden zu beweisen; er muss daher den Grundstücke gelegen und beschaffen sind und was am betreffenden Ort gebräuchlich ist.78 957

2. Als Rechtsfolge räumt Art. 679 Abs. 1 ZGB dem Geschädigten mehrere Behelfe ein:79 – eine Klage auf Beseitigung der Schädigung; – eine Klage auf Schutz gegen drohenden Schaden; und Die Rechtsprechung gewährt dem Geschädigten nicht nur eine Klage auf Unterlassung, wenn der Eigentümer sein Eigentumsrecht bereits überschritten hat und mit einer Wiederholung der Immissionen zu rechnen ist, sondern – über den Wortlaut von Art. 679 Abs. 1 ZGB hinaus – auch für den Fall, dass eine Eigentumsüberschreitung erst bevorsteht. Diese sogenannte Präventivklage dient insbesondere dazu, die Erstellung von Bauten zu verhindern, deren bestimmungsgemässe Nutzung höchstwahrscheinlich übermässige Einwirkungen auf das Grundstück des Klägers zur Folge haben wird.80

– eine Klage auf Schadenersatz. Es handelt sich um eine Kausalhaftung.81 Die Verjährung der Schadenersatzforderung richtet sich nach Art. 60 Abs. 1 OR.82 Überdies ist – obwohl im Gesetz nicht ausdrücklich aufgeführt – unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Feststellungsklage zulässig.83

Art. 679 Abs. 2 ZGB schränkt diese Ansprüche bei negativen Immissionen durch (bestehende) Bauten und Einrichtungen ein: Die genannten Ansprüche entfallen, wenn bei der Erstellung der Baute oder Einrichtung die damals geltenden Vorschriften (namentlich des öffentlichen Rechts) eingehalten wurden (vorne Nr. 949b). 958

3. Zu Art. 679 ZGB nachzutragen bleiben folgende Einzelfragen: – Da es hier um Nachbarrecht geht, steht die Aktivlegitimation nur dem Nachbarn zu. Der Begriff des Nachbarn wird jedoch, wie dargelegt (vorne Nr. 955), weit gefasst. Passivlegitimiert ist (entgegen dem Wortlaut von Art. 679 ZGB) nicht nur der Grundeigentümer, sondern nach der Praxis auch jener, welcher ein beschränktes dingliches oder ein obligatorisches Recht an der Immissionsquelle hat.84 Mehrere verantwortliche Störer haften solidarisch.85

959

78 79

80

BGer 5A_648/2010, E. 2.1. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 110 ff. zu Art. 679 ZGB; R ey, Band I, Nr. 2076 ff.; SteinaueR, Band II, Nr. 1891 ff. BGE 42 II 433 ff. (436 f.), E. 1; 58 II 336 ff.; BGer 5A_814/2014, E. 5.3; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 111 ff. zu Art. 679 ZGB; R ey, Band I, Nr. 2079; SutteR-Somm, Nr. 761.

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SteinaueR, Band II, Nr. 1894, 1899 ff. und 1929; h einz R ey 4. A., Zürich 2008, Nr. 1095 ff. BGE 127 III 257 ff. (259), E. 2b/aa; BGer 5C.230/2002, E. 3.1. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 137 zu Art. 679 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1927. BGE 104 II 15 ff. (19 ff.), E. 2; 132 III 689 ff. (692 f.), E. 2.2; SteinaueR, Band II, Nr. 1905 ff.; gegen den Einbezug obligatorisch Berechtigter aber m eieR-h ayoz, BeKomm, N 62 zu Art. 679 ZGB; ähnlich hüRlimann-K auP, Grundfragen, Nr. 412 ff., für den Mieter. BGE 127 III 257 ff. (261 f.), E. 4b.

§ 18 Die Beschränkungen des Grundeigentums

265

Geht die Störung vom Inhaber eines beschränkten dinglichen oder eines obligatorischen Rechts aus, so stellt sich die Frage, ob der Grundeigentümer ebenfalls passivlegitimiert ist. Das Bundesgericht hat dies verneint für den Fall der Haftung eines Baurechtsberechtigten, sofern der Eigentigte die tatsächliche Herrschaft ausübt.86

– Gehen die Immissionen von einem Werk aus, das im öffentlichen Interesse liegt und für welches dem Werkeigentümer das Enteignungsrecht zusteht, und lassen sie sich nicht oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand vermeiden, so wird der nachbarrechtliche Abwehranspruch enteignet (Art. 5 EntG).87 Diese Bestimmung betrifft nicht nur die Rechte aus Art. 684 ZGB (wegen übermässiger Einwirkungen); Gegenstand der Enteignung können vielmehr alle aus dem Grundeigentum hervorgehenden Nachbarrechte sein, etwa auch die Ansprüche auf Unterlassung schädlicher Grabungen und Bauten (Art. 685 ZGB) oder der Änderung des natürlichen Wasserablaufs (Art. 689 Abs. 2 ZGB) sowie die gemäss Art. 686 ZGB der kantonalen Gesetzgebung vorbehaltenen Abwehrrechte.88

960

Zuständig zur Festlegung der Enteignungsentschädigung ist in solchen Fällen nicht das Zivilgericht, sondern das Enteignungsgericht.89 Immerhin bleibt die Zuständigkeit des Zivilgerichts gegeben, wenn der beeinträchtigte Grundeigentümer geltend macht, die Einwirkungen seien nicht notwendige oder doch leicht vermeidbare Folgen des Baus oder Betriebs des Werks und insbesondere auf unsachgemässe Erstellung zurückzuführen.90 – Zur analogen Rechtslage bei vorne Nr. 887a.

– Für Immissionen durch Bauarbeiten galten schon vor dem 1. Januar 2012 kraft Rechtsprechung besondere Regeln: War eine Störung des Nachbargrundstücks durch Bauarbeiten zwar übermässig, aber nicht vermeidbar, wie dies etwa bei Baustellen der Fall sein kann, so wurde sie vom Bundesgericht – in Korrektur des Wortlauts von Art. 684 ZGB – nicht als widerrechtlich angesehen. Dennoch Rechtsprechung des Bundesgerichts jedenfalls für beträchtliche Schädigungen.91 Seit dem 1. Januar 2012 sind die Folgen von Immissionen «bei rechtmässiger Bewirtschaftung des Grundstücks» (Randtitel) in Art. 679a ZGB geregelt:92 Fügt ein Grundeigentümer bei rechtmässiger Bewirtschaftung seines Grund-

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91

92

BGE 132 III 689 ff. (693 ff.), E. 2.3; bestätigt in BGer 4A_126/2014, E. 1.2. Dazu kritisch die Urteilsanmerkungen von Paul-h enRi SteinaueR, BR/DC 2007, Nr. 210, S. 63 f., und bettina hüRlimann-K auP, Immissionen, die sein Mieter verursacht, vgl. hüRlimann-K auP, Grundfragen, Nr. 403 ff. Vgl. anstelle vieler: BGE 129 II 72 ff. (74), E. 2.1; 132 II 427 ff. (434 ff.), E. 3; 134 III 248 ff. (252 f.), E. 5; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 75 und 148 ff. zu Art. 679 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1806 und 1906 ff.; kritisch thomaS endeR (zitiert in Nr. 1007), Nr. 1047 ff. BGE 131 II 458 ff. (461 f.), E. 3.1. BGE 122 II 349 ff. (355 f.), E. 4b; 129 II 75 ff. (77), E. 2.4. BGE 113 Ib 34 ff. (36), E. 2; 112 Ib 176 ff. (177), E. 3; vgl. auch BGE 127 III 241 ff. (247), E. 5b/cc. BGer 5C.117/2005, E. 2.1 = ZBGR 88/2007, S. 203 ff.; BGE 114 II 230 ff. (237), E. 5a; BGer vom 14. November 1986, in Semjud 109/1987, S. 145 ff. (151 f.), E. 5; BGE 91 II 100 ff. (107), E. 3; ZBJV 119/1983, S. 479 ff. (Berner Appellationshof); ausführlich thomaS endeR (zitiert in Nr. 1007), Nr. 353 ff. Vgl. zum Ganzen auch bettina hüRlimann-K auP/Fabia nyFFeleR, Übermässige Immissionen als Folge rechtmässiger Bautätigkeit, BR/DC 2015, S. 5 ff. und 129 ff.; FRédéRic K RauSKoPF/Soluna giRón, Verantwortlichkeit des Grundeigentümers bei rechtmässiger Bewirtschaftung des Grund-

961

266

Das Grundeigentum

stücks, namentlich beim Bauen,93 einem Nachbarn vorübergehend übermässige und unvermeidbare Nachteile zu und verursacht er dadurch einen Schaden, so kann der Nachbar lediglich Schadenersatz fordern.94 Die Klagen auf Beseitigung oder Unterlassen der Immission sind dem Nachbarn demgegenüber verwehrt.95 Gemäss dem Bundesrat übernimmt diese Norm die bundesgerichtliche Rechtsprechung.96 Entgegen der bisherigen Praxis gewährt das Gesetz jedoch einen Schadenersatzanspruch (Kausalhaftung des bauenden Grundeigentümers) nicht nur bei «beträchtlicher», sondern bei jeder Schädigung.97 übermässige (aber unvermeidbare) Bauimmissionen zu dulden (und sich mit einer Entschädigung zu begnügen). Dies kann indessen wertungsmässig nicht für alle übermässigen Einwirkungen gelten. Nach der Lehre muss ein Nachbar übermässige (und unvermeidliche) Bauimmissionen dann nicht hinnehmen, wenn sie seine körperliche Integrität beeinträchtigen oder sein Grundstück übermässig erschüttern.98 962

– Die Klage aus Art. 679 ZGB muss gegenüber der allgemeinen Eigentumsfreiheitsklage (Art. 641 Abs. 2 ZGB) abgegrenzt werden: Ist der Kläger Eigentümer des Nachbargrundstücks, steht ihm gemäss Art. 641 Abs. 2 ZGB ein Anspruch auf Beseitigung des Störungszustandes zu, sofern unmittelbar in die Substanz des Grundstücks eingegriffen wird (vorne Nr. 674). Wirkt sich die Störung hingegen nur indirekt auf das Nachbargrundstück aus, so geht Art. 679 ZGB als «lex specialis» Art. 641 Abs. 2 ZGB vor.99

963

– Der Nachbar kann als Besitzer des Grundstücks neben der Klage aus Art. 679 ZGB auch Klage aus Besitzesstörung nach Art. 928 ZGB erheben (vorne Nr. 232 ff.). Die Widerrechtlichkeit der Besitzesstörung beurteilt sich dabei nach den Regeln des Nachbarrechts.100 Unterschiede zwischen den beiden Klagen bestehen beim Erfordernis der Fristeinhaltung, bei den Wirkungen und den anwendbaren Haftungsbestimmungen.101

93

94 95 96 97 98

99

100 101

2014, Zürich 2014, S. 43 ff. Für weitere Fälle rechtmässiger (immissionsträchtiger) Bewirtschaftung vgl. R ey/StRebel, BaKomm, N 6 zu Art. 679a ZGB (bewilligte Open Air-Konzerte und andere Massenveranstaltungen). Vgl. auch SteinaueR, Band II, Nr. 1818 und 1931; PaScal ecKenStein (zitiert in Nr. 1007), S. 91 f. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5307. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5307. JöRg Schmid, Baurechtstagung 2011 (zitiert in Nr. 1007), S. 96. SteinaueR thomaS endeR (zitiert in Nr. 1007), Nr. 597 ff.; PaScal ecKenStein (zitiert in Nr. 1007), S. 98 f. BGE 73 II 151 ff. (157), E. 2; BGer 5A_732/2008, E. 3.3.1; 5A_176/2009, E. 6.2.4; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 123 zu Art. 641 ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 1035. Problematisch BGer 5A_884/2012, E. 4, in dem das Bundesgericht ein und dieselbe Handlung (Betreten des Grundstücks, um versehentlich von einer benachbarten Spielwiese dorthin gelangte Fussbälle zurückzuholen) unter Art. 684 oder 641 Abs. 2 ZGB subsumiert, je nachdem ob der Abwehranspruch gegen den einzelnen Fussballspieler oder gegen den Eigentümer der Spielwiese erhoben wird; vgl. dazu bettina hüRlimannK auP, Die sachenrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2013, ZBJV 151/2015, S. 506 ff. (523 ff.); JöRg Schmid/dominic buttligeR, Fehlgeleitete Fussbälle und Eigentumsschutz der Nachbarn, BR/DC 2013, S. 314 ff. SteinaueR, Band II, Nr. 1897 mit Hinweisen. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 31 f. zu Art. 679 ZGB; SteinaueR

267

§ 18 Die Beschränkungen des Grundeigentums

b.

Weitere Normen des Nachbarrechts (Überblick)

1. Für Grabungen und Bauten Art. 685 und 686 ZGB – der Randtitel spricht von «Graben und Bauen» («Fouilles et constructions»). Das ZGB sieht folgendes System vor:

964

– Gemäss Art. 685 ZGB, der die Bestimmung von Art. 684 ZGB für einen speziellen Fall konkretisiert, darf der Eigentümer bei Grabungen und Bauten die nachbarlichen Grundstücke nicht schädigen.102 Auf Bauten, die den Vorschrifragende Bauten Anwendung (Art. 685 Abs. 2 ZGB i.V.m. Art. 674 ZGB; vorne Nr. 896 ff.).

965

– Art. 686 Abs. 1 ZGB ermächtigt die Kantone im Sinn eines echten Vorbehalts, privatrechtliche Bauabstände festzusetzen.103 Abs. 2 gestattet ihnen, weitere Bauvorschriften aufzustellen.104

966

Zum Verhältnis der kantonalen Vorschriften zu Art. 679 f. und 684 ZGB vgl. vorne Nr. 949b.

– Soweit die genannten Bauvorschriften dem Privatrecht angehören, werden sie nicht von Amtes wegen durchgesetzt; sind sie verletzt worden, hat ein Privater beim Zivilgericht Klage einzureichen.

967

Wenn es also etwa um privatrechtliche Bauabstände geht, kann eine Eigentümerin zu Gunsten ihres Nachbarn auf diesen Schutz verzichten. Dies kann durch den Verzicht auf Rechtsschutz geschehen oder geradezu dadurch, dass dem Nachbarn eine Näherbau-Dienstbarkeit (hinten Nr. 1274) eingeräumt wird.

– Zum ZGB hinzu treten – kraft eigener Kompetenz der Kantone – die kantonalen Bauvorschriften des öffentlichen Rechts.105 Sie werden von der Baupolizei von Amtes wegen durchgesetzt. Ob eine Vorschrift dem öffentlichen oder dem privaten Baurecht angehört, ist aber nicht immer leicht zu entscheiden, zumal die kantonalen Baugesetze manchmal auch privatrechtliche Normen und die kantonalen EG ZGB bisweilen auch öffentlich-rechtliche Bestimmungen enthalten.106

968

Auszugehen ist vom Grundsatz der kumulativen Anwendbarkeit des öffentlichen und des privaten (Bau-)Rechts: Ein Bauprojekt muss sämtlichen Rechtsnormen genügen, um rechtmässig zu sein107 (vgl. auch vorne Nr. 951).

2. Hinsichtlich der Stichworten:108

Art. 687 f. ZGB. In

– Art. 687 ZGB hat das Kapprecht (Abs. 1) und das sogenannte Anries (Abs. 2) stücke keine Anwendung (Abs. 3). Überragende Äste und eindringende Wurzeln darf der Nachbar nach Art. 687 Abs. 1 ZGB kappen und für sich behalten («Kapprecht»), wenn sie sein Eigentum schädigen und auf seine Beschwerde hin nicht binnen angemessener Frist beseitigt werden. Die Voraussetzung einer

102 103 104 105 106 107 108

Vgl. auch BGE 119 Ib 334 ff. (341 f.), E. 3b; 107 II 134 ff.; BGer 5A_285/2011, E. 3.1. BGE 129 III 161 ff. (163 f.), E. 2.4; 132 III 49 ff. (51), E. 2.2. Zum Ganzen im Einzelnen SteinaueR, Band II, Nr. 1825 ff. BGE 132 III 49 ff. (51 f.), E. 2.2. Vgl. auch SteinaueR, Band II, Nr. 1821a. SteinaueR, Band II, Nr. 1822. Vgl. ausführlich luKaS RooS (zitiert in Nr. 910), S. 68 ff. und 140 ff.

969 969a

268

Das Grundeigentum

(erheblichen) Schädigung dient dem Schutz der Bäume vor unverhältnismässiger oder gar zweckloser Beschädigung.109 Eine erhebliche Schädigung kann auch darin bestehen, dass überragende Äste und eindringende Wurzeln die beabsichtigte Nutzung des Nachbargrundstücks verhindern oder schmälern.110 Das Kapprecht – als «lex specialis» zu Art. 641 Abs. 2 ZGB – ist zunächst ein Recht zur Selbst111 Das durch Art. 687 Abs. 1 ZGB geforderte Tatbestandsmerkmal der erheblichen Schädigung gilt in diesem Fall auch für die Negatorienklage nach Art. 641 Abs. 2 ZGB.112

– Art. 688 ZGB stellt wiederum einen echten (zuteilenden) Vorbehalt zu Gunsten der Kantone auf.113 Gestützt darauf sind die Kantone ermächtigt, einerseits ten müssen, und andererseits Sanktionen für die Verletzung der entsprechenden Bestimmungen vorzusehen.114

969b

ten Immissionen (zum Beispiel Entzug von Licht, Aussicht und Luft oder Erhöhung der Feuchtigkeit).115 – Zum Verhältnis der kantonalen Vorschriften zu Art. 679 f./684 ZGB vgl. vorne Nr. 949b. 969c

öffentlich-rechtliche Normen aufzustellen, denen grundsätzlich der Vorrang gegenüber den privatrechtlichen (Immissionsschutz-)Normen zukommt.116

970

3. Der Wasserablauf und die Entwässerungen («Ecoulement des eaux» und «Drainage») werden in Art. 689 f. ZGB geregelt.117 Namentlich darf niemand den natürNachbarn verändern (Art. 689 Abs. 2 ZGB). ser, sondern auch auf das Grundwasser an.118 Hingegen fällt eine gefasste Quelle nicht unter diese Bestimmung.119

109

110 111

112

113 114

115 116

117 118 119

BGE 131 III 505 ff. (508), E. 5.2, u.a. mit Hinweis auf m eieR-h ayoz, BeKomm, N 22 zu Art. 687/688 ZGB. LGVE 2008 I Nr. 6, S. 18 f. = ZBGR 91/2010, S. 155 f. (Luzerner Obergericht). BGE 131 III 505 ff. (509), E. 5.3; LGVE 1998 I Nr. 5, S. 12 ff. (Luzerner Obergericht); m eieRh ayoz, BeKomm, N 40 zu Art. 687/688 ZGB; luKaS RooS (zitiert in Nr. 910), S. 92 ff. BGE 131 III 505 ff. (509 f.), E. 5.4 und 5.5; referierend wiederholt in BGE 132 III 651 ff. (654 f.), E. 7. Vgl. auch SJZ 112/2016, S. 532 ff. (533), E. 4.2 (Obergericht Schaffhausen): Die Beeinträchtigung durch blossen Laubfall stellt keine erhebliche Schädigung dar. BGE 122 I 81 ff. (84), E. 2a; BGer 5A_36/2009, E. 3.2. BGE 122 I 81 ff. (84), E. 2a; 126 III 452 ff. (457), E. 3a; BGer 5A_36/2009, E. 3.2; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 57 ff. zu Art. 687/688 ZGB; luKaS RooS den Kanton Luzern vgl. § 86 EG ZGB LU (SRL Nr. 200); zur Vorläuferbestimmung (§ 90 aEG ZGB LU) LGVE 1996 I Nr. 3, S. 6 ff., und 1999 I Nr. 10, S. 17 f. (Luzerner Obergericht). BGer 5A_29/2015, E. 3.3.1 unter Hinweis auf m eieR-h ayoz, BeKomm, N 61 zu Art. 687/688 ZGB. BGE 132 III 6 ff. (7 ff.), E. 3.2; BGer 5A_749/2007, E. 2. Allgemein zu Art. 6 ZGB hüRlimannK auP/Schmid, Nr. 414 ff. Dazu SteinaueR, Band II, Nr. 1839 ff.; chRiStian Roten (zitiert in Nr. 1007), Nr. 1052 ff. BGE 127 III 241 ff. (243 f.), E. 5a. BGer 5A_419/2010, E. 1.

§ 18 Die Beschränkungen des Grundeigentums

269

4. Mit Wegrechten («Droits de passage») befassen sich die Art. 694–696 ZGB. In Stichworten:

971

– Auf den Notweg nach Art. 694 ZGB ist bei den Notrechten zurückzukommen (hinten Nr. 981 ff.). – Art. 695 ZGB überträgt im Sinn eines echten Vorbehalts den Kantonen die Befugnis, gewisse (andere) Betretungs- und Wegrechte zu ordnen.120 Beispiel: § 87 Abs. 1 EG ZGB LU121 («Nachbarliches Zutrittsrecht»): «Die Grundeigentümerin oder der Grundeigentümer ist berechtigt, Nachbargrundstücke zu betreten oder vorübergehend zu benützen, wenn dies erforderlich ist, um eine Baute oder Anlage zu erstellen oder zu unterhalten oder Bäume, Sträucher, Hecken oder Reben zu schneiden.»

Art. 696 Abs. 1 ZGB bestimmt, dass Wegrechte, die das Gesetz – nämlich das kantonale Recht nach Art. 695 ZGB – unmittelbar begründet, ohne Grundbucheintragung bestehen. Sind sie von bleibendem Bestand, werden sie immerhin im Grundbuch angemerkt (Art. 696 Abs. 2 ZGB; Art. 127 GBV). 5. Für die Einfriedung («Clôtures») enthält Art. 697 ZGB im ersten Absatz eine Kostonale Recht vor.122

972

Vgl. zum Beispiel § 89 EG ZGB LU («Einfriedungen»).

6. Die für Vorrichtungen zur Ausübung der nachbarrechtlichen Befugnisse («Entretien d’ouvrages») regelt Art. 698 ZGB. Massgebend ist das Interesse der Beteiligten.123

973

Wege, Leitungen, Entwässerungsanlagen usw. müssen unterhalten werden, verursachen also Kosten. Nützen sie nur dem Nachbarn, muss nach der genannten Vorschrift er allein die Unterhaltskosresses an die Kosten beizutragen.

7. Nachbarliche Bestimmungen bezüglich der Quellen und Brunnen («Sources») sind in Art. 704 ff., besonders in Art. 706–709 ZGB geregelt.124

974

Wiederum spielt das kantonale Recht eine erhebliche Rolle (Art. 705 und 709 ZGB). Geht die Beeinträchtigung der Quelle von einem Werk aus, das im öffentlichen Interesse liegt und für welches dem Werkeigentümer das Enteignungsrecht zusteht, so werden die Abwehrrechte der Quellenberechtigten (namentlich die Klage auf Unterlassung der Störung nach Art. 679 ZGB) unterdrückt und durch eine enteignungsrechtliche Entschädigung ersetzt.125

B.

Das Recht auf Zutritt und Abwehr

Mit dem Recht auf Zutritt und Abwehr («Droit d’accès sur le fonds d’autrui») befassen sich die Art. 699–701 ZGB. Diese Befugnisse stehen bei gegebenen Voraussetzungen jedermann zu, nicht bloss dem Nachbarn. Stichwortartig ist Folgendes festzuhalten:

120 121 122 123 124 125

SteinaueR, Band II, Nr. 1869 ff. SRL Nr. 200. BGE 99 II 28 ff. (31 f.), E. 3a; SteinaueR, Band II, Nr. 1874 f. SteinaueR, Band II, Nr. 1890 f.; BGer 5A_45/2009, E. 3.2. BGE 128 II 368 ff. (372 f.), E. 2.2; BGer 5C.56/2006, E. 2 und 3; SteinaueR, Band II, Nr. 1875 ff. BGE 128 II 368 ff. (373), E. 2.2, mit Hinweisen in E. 3 zu Art. 10 EntG.

975

270 976

Das Grundeigentum

1. Art. 699 ZGB und Weide126 gegenüber jedermann vor. Die Vorschrift soll der Bevölkerung den erforderlichen Erholungsraum erhalten.127 Es handelt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts um eine Doppelnorm, also um eine Regel, die gleichzeitig privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Charakter hat (Nr. 923).128 Das bedeutet, dass je nach Fragestellung der Zivilrechtsweg oder aber der Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten ist. Praktische Bedeutung hat die Bestimmung möglicherweise auch in Bezug auf das Skifahren. Seit dem Massentourismus ist Art. 699 ZGB diesbezüglich jedoch nicht mehr anwendbar.129 Auch gilt das Zutrittsrecht nicht für die an Wald und Weide angrenzenden (andersartigen) Grundstücke; deren gewährleisten.130 – Sodann können die Kantone neben den in Art. 699 ZGB vorgesehenen Verboten gestützt auf ihre originäre Gesetzgebungszuständigkeit öffentlich-rechtlich das Zutrittsrecht weitergehend einschränken, beispielsweise zum Schutz der Natur oder aus anderen polizeilichen Gründen.131

977

2. Art. 700 ZGB erlaubt die Wegschaffung von zugeführten Sachen und von Tieren, die auf das Grundstück geraten sind.132

978

3. Auf die Notstandsregelung von Art. 701 ZGB ist zurückzukommen (nachfolgend Nr. 980).

978a

4. Ein öffentlich-rechtliches Zutrittsrecht besteht nach Art. 20 Abs. 1 GeoIG für Amtspersonen und beauftragte Dritte, welche Geobasisdaten erheben oder nachführen.

5. 979

Die im Folgenden zu behandelnden Notrechte betreffen einerseits (soweit es um die Errichtung geht) die Verfügungsbefugnis des Grundeigentümers, andererseits aber (nach der Errichtung) auch dessen Nutzungsbefugnisse.

A. 980

Die Notrechte

Übersicht

Das Gesetz regelt bestimmte «Notsituationen» betreffen – mit Ausnahme von Art. 701 ZGB – das nachbarliche Verhältnis:

126 127 128

129

130 131 132

Zu den beiden Begriffen vgl. BGE 141 III 195 ff. (199 f.), E. 2.5–2.7. BGE 141 III 195 ff. (198), E. 2.3 mit Hinweisen. BGE 96 I 97 ff. (102), E. 2f; 106 Ib 47 ff. (48 ff.), E. 4; 109 Ia 76 ff. (78 f.), E. 3b; 141 III 195 ff. (198), E. 2.3; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 102 N 73 mit weiteren Hinweisen. Zum Ganzen auch m aRco tolleR, Beschränkung des Variantenskifahrens im Interesse des Waldund Wildschutzes, ZBl 88/1987, S. 518 ff. (523 ff.). BGE 141 III 195 ff. (200), E. 2.8; LGVE 2002 I Nr. 21, S. 47 ff. (48 f.), E. 7 (Luzerner Obergericht). BGE 122 I 70 ff. (80 f.), E. 5. SteinaueR, Band II, Nr. 1935 ff.; R ey, Band I, Nr. 1200 f. und 2168 ff.; chRiStian Roten (zitiert in Nr. 1007), Nr. 1017 ff.

§ 18 Die Beschränkungen des Grundeigentums

271

– Art. 691–693 ZGB (Durchleitungsrecht; «le droit à la conduite»);133 Durch die Revision des Immobiliarsachenrechts vom 11. Dezember 2009 sind Art. 691 Abs. 1 und 3 ZGB geändert worden: Während Abs. 1 lediglich redaktionell umformuliert wurde, sieht Abs. 3 neu vor, dass auch der Belastete die Durchleitungen als Dienstbarkeit in das Grundbuch eintragen lassen und dass das Durchleitungsrecht einem gutgläubigen Erwerber auch ohne Eintragung entgegengehalten werden kann.134

– Art. 694 ZGB (Notwegrecht; «le droit de passage nécessaire»). Vgl. dazu nachfolgend B., Nr. 981 ff.; – Art. 710 ZGB (Notbrunnenrecht; «le droit à la fontaine nécessaire»);135 – Art. 701 ZGB (Notstand; «l’état de nécessité»). Das Gesetz verlangt eine Interessenabwägung; nach Billigkeit ist Schadenersatz geschuldet (vgl. auch Art. 52 Abs. 2 OR).136

B.

Der Notweg insbesondere (Art. 694 ZGB)

1. In der Praxis ist von den oben genannten Notsituationen neben dem Durchleitungsrecht vor allem der Notweg («Passage nécessaire») relevant; er soll hier deshalb stellvertretend für die anderen Fälle näher beleuchtet werden. Art. 694 Abs. 1 ZGB setzt im Tatbestand voraus, dass ein Grundeigentümer keinen genügenden Weg auf eine öffentliche Strasse hat (Wegnot). Im Einzelnen:

981

– Ein Weg ist dann nicht genügend (und es besteht demnach Wegnot), wenn die bestimmungsgemässe Nutzung des Grundstücks einen Zugang zu einer öffentlichen Strasse erfordert und dieser Zugang entweder ganz fehlt oder aber nicht den gegenwärtigen Bedürfnissen entspricht.137 Diese Frage ist nach den gesamten Umständen des konkreten Einzelfalls zu beurteilen.138

982

Innerorts sowie in Gebieten, in denen Wohn- oder Ferienhäuser stehen, ist nach heutiger Anschauung ein Weg ungenügend im Sinn von Art. 694 Abs. 1 ZGB, wenn nicht eine mit Motorfahrzeugen befahrbare Verbindung zur öffentlichen Strasse zur Verfügung steht, und sei es auch nur für den Zubringerdienst.139 Die befahrbare Strasse muss jedoch nicht bis zum betreffenden Grundstück oder bei einer Überbauung gar bis zu jedem einzelnen Gebäude reichen; es genügt vielmehr, wenn Benutzer und Besucher mit dem Fahrzeug in hinreichende Nähe gelangen und von

133

134 135

136

137

BGE 136 III 269 ff. (271), E. 5.1; BGer 5D_10/2011, E. 3.3; 5A_362/2012, E. 3.1. Einzelheiten bei m eieR-h ayoz, BeKomm, Kommentar zu Art. 691–693 ZGB; R ey, Band I, Nr. 1146 ff.; SteinaueR, Band II, Nr. 1847 ff.; FZR 2008, S. 44 ff. (Freiburger Kantonsgericht). Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5308. Einzelheiten bei R ey, Band I, Nr. 1176 f.; SteinaueR, Band II, Nr. 1888 ff.; BGE 131 III 214 ff. (215 f.), E. 2.1. Einzelheiten bei m eieR-h ayoz, BeKomm, N 1 ff. zu Art. 701 ZGB; R ey, Band I, Nr. 1202 ff.; SteinaueR, Band II, Nr. 1937 ff. BGE 136 III 130 ff. (133 f.), E. 3.1; BGer 5A_410/2008, E. 4.1; BGE 117 II 35 ff. (36 f.), E. 2; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 41 ff. zu Art. 694 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1863.

138 139

BGE 136 III 130 ff. (136), E. 3.3.3; BGer 5C.225/2003 und 5C.226/2003, E. 7.1; BGE 107 II 323 ff. stück einen genügenden Zugang zu einer öffentlichen Strasse hat, vgl. BGE 136 III 130 ff. (133 f.), E. 3; 120 II 185 ff.; 121 I 65 ff. (70), E. 4b; FRanz WebeR (zitiert in Nr. 1007), S. 391 ff.; loRenz m eyeR /Ronnie bettleR, Privatrechtliche Enteignung durch den Notweg, BN 75/2014, S. 275 ff.

272

Das Grundeigentum

dort über einen Weg zum Gebäude gehen können.140 wenn der Grundeigentümer das Nachbargrundstück, das zur öffentlichen Strasse führt, auf Grund einer Dienstbarkeit oder eines persönlichen Rechts benutzen kann, ohne dass ihm dabei unverhältnismässige Kosten erwachsen,141 oder wenn es dem Grundeigentümer bloss um die Verbesserung nicht ganz vollkommener Wegverhältnisse geht142. Durch eine bloss prekaristische Weggestattung (hinten Nr. 1202) wird jedoch die Wegnot nicht ausgeschlossen.143 983

– Der Begriff der «öffentlichen Strasse» bestimmt sich nach Bundesrecht.144 Ein Weg ist dann öffentlich im Sinn von Art. 694 ZGB, «wenn er, sei es aus einem öffentlichrechtlichen, sei es aus einem privatrechtlichen Titel, von jedermann in einem den Bedürfnissen des wegebedürftigen Grundstücks entsprechenden Umfange benutzt werden kann».145

983a

– In negativer Hinsicht setzen Praxis und Lehre voraus, dass der Grundeigentümer die Wegnot nicht selber verursacht, in Kauf genommen146 oder sich damit abgefunden oder sonst wie ein widersprüchliches Verhalten an den Tag gelegt hat – etwa dadurch, dass er einen bestehenden Zugang aufgegeben hat, um einen bequemeren zu erlangen,147 oder dass er bewusst darauf verzichtet hat, seine gen zu wählen, die sich ohne Eingriff in das Eigentum eines Nachbarn verwirklichen lassen148. Hingegen schadet es dem Ansprecher nicht, wenn er es bei der Veräusserung eines Grundstücks oder eines abparzellierten Teils aus Unachtsamkeit unterlässt, sich ein Wegrecht zu sichern.149 Ein Notweg kann auch zu Lasten eines Grundstücks errichtet werden, das zum Finanzvermögen einer Gemeinde gehört; hingegen kommen Grundstücke im Verwaltungsvermögen der Gemeinde nur dann für einen Notweg in Betracht, wenn das anwendbare öffentliche Recht eine solche Belastung zulässt.150

984

2. Als Rechtsfolge räumt die Bestimmung dem Grundeigentümer gegenüber den Nachbarn einen Anspruch («… so kann er beanspruchen, …») auf Einräumen eines Notwegs gegen volle Entschädigung ein. Im Einzelnen:

985

– Das Notwegrecht entsteht erst mit der Geltendmachung des Anspruchs durch den berechtigten Grundeigentümer – sei es aussergerichtlich oder auf dem Klageweg – und der anschliessenden Eintragung in das Grundbuch.151 Vorbehalten bleibt jedoch der Fall der ausserbuchlichen Entstehung des Wegrechts mit

140 141

142 143 144 145 146 147

148 149 150 151

BGE 136 III 130 ff. (135 f.), E. 3.3.2. BGE 136 III 130 ff. (138 f.), E. 5.3; BGer 5A_410/2008, E. 4.1; BGer 5C.40/2006, E. 3.1 = ZBGR 88/2007, S. 469 ff. BGer 5A_410/2008, E. 4.1; 5C.225/2003 und 5C.226/2003, E. 7.1. BGE 136 III 130 ff. (139), E. 5.3. BGE 85 II 392 ff. (400), E. 2. h aab, ZüKomm, N 16 zu Art. 694–696 ZGB. Vgl. auch BGer 5A_449/2014, E. 5.2.3. BGE 134 III 49 ff. (51), E. 4.1; bestätigt in BGer 5A_410/2008, E. 4.1; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 56 zu Art. 694 ZGB. BGE 136 III 130 ff. (141), E. 5.4.3. BGE 134 III 49 ff. (51), E. 4.1; BGer 5A_410/2008, E. 4.1. BGer 5A_550/2001, E. 2. m eieR-h ayoz,

§ 18 Die Beschränkungen des Grundeigentums

273

Das Notwegrecht ist also «eine Grunddienstbarkeit, auf deren Errichtung der Eigentümer des an der Notlage leidenden Grundstückes einen gesetzlichen Anspruch hat. Der Anspruch des Notwegberechtigten auf Einräumung eines dinglichen Rechts gegenüber dem jeweiligen Eigentümer des zu belastenden Grundstücks und der Gegenanspruch des letzterwähnten auf volle Entschädigung stellen Realobligationen dar, bei denen sowohl Gläubiger- wie Schuldnereigenschaft durch das jeweilige Eigentumsrecht an den betreffenden Grundstücken bestimmt wird …».152

– Kommen für den erforderlichen Notweg mehrere Grundstücke in Frage, so richtet sich der Anspruch gemäss Art. 694 Abs. 2 ZGB «in erster Linie gegen den Nachbarn, dem die Gewährung des Notweges der früheren Eigentums- und Wegverhältnisse wegen am ehesten zugemutet werden darf, und im weitern gegen denjenigen, für den der Notweg am wenigsten schädlich ist».153

986

Ist die Wegnot eines Grundstücks durch eine Parzellierung entstanden, richtet sich der Anspruch primär gegen die übrigen aus der Teilung hervorgegangenen Parzellen, soweit sie noch einen Zugang zur öffentlichen Strasse haben; bei früheren Wegverhältnissen sind nur die bereits bestehenden Berechtigungen zu berücksichtigen, nicht aber blosse tatsächliche Benutzungen auf Zusehen hin.154

– Für das Einräumen des Notwegrechts ist «volle Entschädigung» geschuldet (Art. 694 Abs. 1 ZGB). Diese Entschädigung berechnet sich nach ähnlichen Grundsätzen, wie sie im Enteignungsrecht gelten; sie entspricht demnach grundsätzlich der Differenz zwischen dem Verkehrswert des unbelasteten und demjenigen des mit dem Notwegrecht belasteten Grundstücks.155

987

– Einigen sich die Parteien über die zu errichtende Dienstbarkeit und über die zu leistende Entschädigung, so schliessen sie einen Dienstbarkeitsvertrag, für dessen Gültigkeit Art. 732 Abs. 1 ZGB seit dem 1. Januar 2012 die öffentliche Beurkundung verlangt (anders aber Art. 70 Abs. 2 GBV, der Schriftform genügen lässt; vgl. dazu auch hinten Nr. 1226, Kleindruck). Das Notwegrecht entsteht dann mit der Eintragung in das Grundbuch.156

988

Sowohl im Vertrag als auch im Grundbuch sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass es sich um ein Notwegrecht und nicht um eine gewöhnliche Dienstbarkeit handelt (dazu hinten Nr. 1226, Kleindruck).

– Ist eine Einigung nicht möglich, so muss der berechtigte Grundeigentümer seinen Anspruch auf dem Klageweg durchsetzen. Bei Gutheissung der Klage wird die zu zahlende Entschädigung festgesetzt und der Nachbar in der Regel verzunehmen (Leistungsurteil). Der Grundbucheintragung kommt konstitutive Wirkung zu, und die Entschädigung ist gleichzeitig mit der Grundbuchanmeldung zu leisten.157 Zur Zulässigkeit einer Gestaltungsklage auf Zusprechung des Notwegrechts vgl. hinten Nr. 1223. tungsurteils (Art. 656 Abs. 2 ZGB analog; vorne Nr. 837).

152 153 154

155

156 157

m eieR-h ayoz, BeKomm, N 8 zu Art. 694 ZGB. Beispiel: BGer 5A_714/2012, E. 4.2 und 4.3. BGer 5C.246/2004, E. 2 = ZBGR 88/2007, S. 121 ff.; bestätigt in BGer 5C.88/2005, E. 4; 5A_714/2012, E. 4.2.1.1. BGE 120 II 423 f. (424), E. 7a, mit Hinweis auf einen Sonderfall. Für ein konkretes Beispiel vgl. ZBJV 147/2011, S. 615 ff. (Bezirksgericht Brig). Im Einzelnen m eieR-h ayoz, BeKomm, N 70 ff. zu Art. 694 ZGB. SteinaueR, Band II, Nr. 1868.

989

274

Das Grundeigentum

– Gemäss Art. 694 Abs. 3 ZGB ist bei der Festsetzung des Notwegs auf die beiderseitigen Interessen Rücksicht zu nehmen.158

990

6.

BewG und BGBB insbesondere

991

1. Das Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland vom 16. Dezember 1983 (BewG oder «Lex Koller»)159 bezweckt den Schutz vor einer Überfremdung des einheimischen Bodens (Art. 1 BewG). Es versucht, diesen Schutz zu erreichen, indem es gewisse Personen beim Erwerb von Grundstü-

992

Das Gesetz führt zu einer Einschränkung der Verfügungsfreiheit bezüglich der Partnerwahl. Die gesetzliche Regelung – hier nur in Stichworten angesprochen – bezieht sich auf folgende Fragen: – Wann liegt ein «Erwerb von Grundstücken» vor? Art. 4 BewG; –

land»? Art. 2 und 5 ff. BewG;

– Bewilligungs- und Verweigerungsgründe: Art. 8 ff. BewG; – Behörden und Verfahren (Art. 15 ff. BewG), insbesondere Stellung des Grundbuchverwalters (Art. 18 BewG); – zivilrechtliche Folgen für das Rechtsgeschäft, wenn eine Bewilligung fehlt: Art. 26 f. BewG. Zur Klage auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands und zum Schutz gutgläubiger Dritter vgl. insbesondere Art. 27 BewG. Sonderliteratur (Auswahl): beRnheim m aRc, Die Finanzierung von Grundstückverkäufen durch Personen im Ausland …, Diss. Zürich 1993; SchWageR RudolF, Die privatrechtlichen Bestimmungen der Lex Friedrich – Grundzüge, Grundprobleme und Ungereimtheiten, ZBGR 68/1987, S. 137 ff.; uRWyleR a dRian, Bewilligungsgesetz und Privatrecht – Fragen zum Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland vom 16. Dezember 1983, Diss. Freiburg 1990; WägeR Fabian/Rüegg eRich, Das Konzept «Hotel-Wohnen» und die Lex Koller, BR/DC 2013, S. 99 ff.; WendRich WolFgang, Disharmonie zwischen den Nichtigkeiten des Vertrags nach Art. 20 OR und Art. 26 des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland, Diss. Zürich 1990. 993

2. Das Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht vom 4. Oktober 1991 (BGBB)160 bezweckt unter anderem, das bäuerliche Grundeigentum zu fördern, die Stellung des Selbstbewirtschafters zu verstärken und übersetzte Preise für landwirtschaftlichen Boden zu bekämpfen (Art. 1 BGBB).161 An amtlichen Verlautbarungen zum BGBB vgl. etwa: Wegleitung des Eidgenössischen Amtes für Grundbuch- und Bodenrecht für die Grundbuchämter zum Bundesgesetz über das bäuerliche Boden-

158

159 160 161

Nach m eieR-h ayoz, BeKomm, N 57 f. zu Art. 694 ZGB, ist die Abwägung der beiderseitigen Interessen ein Tatbestandsmerkmal, das bereits bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und nicht erst bei der Festsetzung des Wegs zu berücksichtigen ist; ebenso R ey, Band I, Nr. 1172; a.M. BGE 80 II 311 ff. (318 f.), E. 3. SR 211.412.41. SR 211.412.11. BGE 122 III 287 ff. (289 f.), E. 3b.

§ 18 Die Beschränkungen des Grundeigentums

275

recht und zur Teilrevision des Zivilgesetzbuches und des Obligationenrechts (Immobiliarsachenrecht, Grundstückkauf) vom Februar 1994, ZBGR 75/1994, S. 88 ff.; Kreisschreiben der Verwaltungskommission des Obergerichtes des Kantons Zürich an die Notariate und Grundbuchämter des Kantons Zürich zum Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) vom 14. Dezember 1994, ZBGR 76/1995, S. 59 ff.

Den privatrechtlichen Kerninhalt bilden gemäss Art. 11 ff. BGBB Beschränkungen des Verkehrs mit landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken (Erbteilung, Aufhebung von vertraglich begründetem gemeinschaftlichem Eigentum, Veräusserungsverträge). Grundeigentumsrechtlich relevant sind (in Stichworten): – Art. 36 BGBB: Zuweisungsanspruch (vgl. auch Art. 39 BGBB über Abänderungs- und Aufhebungsvereinbarungen); – Art. 40 BGBB: Zustimmung des Ehegatten; – Art. 42 BGBB: Vorkaufsrecht der Verwandten; Hier umschreibt Art. 43 BGBB den Vorkaufsfall weiter als Art. 681 Abs. 1 ZGB i.V.m. Art. 216c OR.

– Art. 47 BGBB: Vorkaufsrecht des Pächters; – Art. 49 BGBB: Vorkaufsrecht an Miteigentumsanteilen (Rangordnung); – Art. 56 BGBB: Kantonale Vorkaufsrechte; – – Art. 58 BGBB: Realteilungs- und Zerstückelungsverbot;162 – tigte Eigentumsübertragung bzw. ein ihr wirtschaftlich gleichkommendes Rechtsgeschäft mit den Zielsetzungen des bäuerlichen Bodenrechts in Einklang steht».163

– Art. 70 ff. BGBB: Sanktionen. Sonderliteratur (Auswahl): büSSeR a ndReS et al., Das bäuerliche Bodenrecht, Kommentar zum Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht vom 4. Oktober 1991, 2. A., Brugg 2011 (mit ausführlichen weiteren Literaturhinweisen); bichSel m aRtin, Das Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht – Die Aufgaben des Notars, ZBGR 74/1993, S. 173 ff.; donzallaz yveS, Commentaire de la loi fédérale du 4 octobre 1991 sur le nouveau droit foncier rural, Sion 1993; deRSelbe, Entre la valeur de rendement et le prix licite: la valeur dite raisonnable, un concept praeter legem essentiel de la LDFR, BlAgR 29/1995, S. 20 ff.; hotz R einhold, Zuweisungsansprüche und Vorkaufsrechte nach dem neuen bäuerlichen Bodenrecht: gesetzliche Regelung – offene Fragen – mögliche Antworten, BlAgR 29/1995, S. 92 ff.; hunziKeR michael, Das Veräusserungsverbot und das Kaufsrecht der Miterben im bäuerlichen Erbrecht, Diss. Zürich 1997; mühlematteR a dRian/m eRK chRiStoPh, Das Zerstückelungsverbot des BGBB – Unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse im Kanton Bern, Jusletter vom 8. September 2014; mülleR m anuel, Die Regelung der Vorkaufsrechte nach ZGB/OR und BGBB, BN 55/1994, S. 221 ff.; deRSelbe, Die Bestimmungen über die Zwangsverwertung von landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken nach BGBB, BlSchK 59/1995, S. 81 ff.; Schöbi Felix, Privatrechtliche Beschränkungen im landwirtschaftlichen Bodenrecht, Das relativierte Ertragswertprinzip, ZBGR 74/1993, S. 151 ff.; StaldeR beat, Der Erwerb von landwirtschaftlichem Boden durch den Nichtselbstbewirtschafter, BlAgR 29/1995, S. 45 ff.; SteinaueR

162 163

BGE 121 III 75 ff.; BGer vom 4. September 1995, in ZBGR 78/1997, S. 178 ff. BGE 122 III 287 ff. (289), E. 3a; bestätigt in BGE 133 III 562 ff. (564 f.), E. 4.3; BGer 2C_521/2011, E. 4.2.

994

276

Das Grundeigentum

Paul-h enRi, Le droit au gain selon le nouveau droit foncier rural, ZSR 113/1994 I, S. 11 ff.; StRebel l oRenz , Das gesetzliche Vorkaufsrecht des Pächters gemäss Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht, Zürcher Diss., Zürich/Basel/Genf 2009 (ZStP Band 218); StudeR benno, Privatrechtliche Vorschriften über die Veräusserung landwirtschaftlicher Grundstücke und Gewerbe, AJP 1993, S. 1075 ff.; deRSelbe, Die Aufgaben und die Verantwortung des Notars nach dem BGBB, ZGRG 1993, S. 104 ff.; deRSelbe, Schnittstellen zwischen neuem Boden- und Pachtrecht, BlAgR 29/1995, S. 57 ff.; WolF StePhan (Hrsg.), Landwirtschaftliches Bodenrecht – eine Standortbestimmung aus der Sicht des Praktikers nach 20 Jahren BGBB …, Bern 2013. – Weitere Literaturhinweise bei tuoR / SchnydeR /Jungo, § 84 N 1 ff. und tuoR /SchnydeR /Schmid, § 102 N 84 f.

III. Gewillkürte Eigentumsbeschränkungen 995

Gewillkürte Eigentumsbeschränkungen können – wie die gesetzlichen – entweder die Verfügung über das Grundeigentum oder dessen Nutzung beeinträchtigen: – Verfügungsbeschränkungen entstehen durch die Begründung beschränkter dinglicher Rechte (Beispiel: Grundpfandrechte) oder persönlicher Rechte. Als Beispiele für Letztere interessieren im Folgenden das Vorkaufsrecht (1.) sowie das Kaufs- und Rückkaufsrecht (2.). – Nutzungsbeschränkungen entstehen ebenfalls durch die Begründung beschränkter dinglicher Rechte (Beispiel: Dienstbarkeit) oder persönlicher Rechte (Beispiel: Mietverhältnis).

1. 996

Vorkaufsrecht

1. Durch das (rechtsgeschäftliche) Vorkaufsrecht («le droit de préemption») räumt der Eigentümer einer anderen Person das (Gestaltungs-)Recht ein, bei Eintritt des Vorkaufsfalls durch einseitige Willenserklärung (Gestaltungserklärung) die Übertragung des Grundstücks zu Eigentum zu beanspruchen.164 Damit wird also jene Rechtslage herbeigeführt, die bestände, wenn die betreffenden Parteien einen Kaufvertrag über das Grundstück abgeschlossen hätten (vgl. vorne Nr. 943 für das gesetzliche Vorkaufsrecht). Durch Eintritt des Vorkaufsfalls und einseitige Erklärung des Berechtigten (Ausübung des VorkaufsEigentums am Vorkaufsobjekt165 Kaufpreises.

997

2. Geregelt ist das vertragliche Vorkaufsrecht seit der Revision vom 4. Oktober 1991 vorwiegend in den Art. 216–216e OR. Die Behandlung gehört denn auch ins Obligationenrecht.166 Hier sei nur auf einzelne wichtige Punkte hingewiesen:

164

165 166

BGE 134 III 597 ff. (604), E. 3.4.1; SteinaueR, Band II, Nr. 1719; Schmid/StöcKli /K RauSKoPF, Nr. 511; für das gesetzliche Vorkaufsrecht auch BGE 137 III 293 ff. (296), E. 2.2; BGer 5A_1006/2015, E. 4.1. BGE 134 III 597 ff. (604), E. 3.4.1; R ey, Band I, Nr. 1235. Zum Beispiel teRcieR /bieRi /caRRon, Nr. 1007 ff.; Schmid/StöcKli /K RauSKoPF, Nr. 511 ff.; JonaS Rüegg, Rechtsgeschäftliche Vorkaufsrechte an Grundstücken, Luzerner Diss., Zürich 2014 (LBR Band 89).

§ 18 Die Beschränkungen des Grundeigentums

277

– Das Vorkaufsrecht wird durch den Vorkaufsvertrag (= Vertrag auf Einräumen eines Vorkaufsrechts) begründet. Dieser bedarf zu seiner Gültigkeit grundsätzlich der öffentlichen Beurkundung (Art. 216 Abs. 2 OR). Ist indessen der Kaufpreis nicht zum Voraus bestimmt (nicht limitiertes Vorkaufsrecht im Gegensatz zum limitierten), so ist lediglich die schriftliche Form erforderlich (Art. 216 Abs. 3 OR).

998

– Nach Art. 216c Abs. 1 OR liegt ein Vorkaufsfall vor beim Verkauf des Grundstücks und bei jedem anderen Rechtsgeschäft, das wirtschaftlich einem Verkauf gleichkommt. Gemäss Abs. 2 gelten nicht als Vorkaufsfall die Zuweisung an einen Erben in der Erbteilung, die Zwangsversteigerung und der Erwerb zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben (im Einzelnen vorne Nr. 939).

999

gesetzlichen Vorkaufsrecht zu unterscheiden, das nach Art. 681 Abs. 1 ZGB auch bei einer Zwangsversteigerung ausgeübt werden kann (vorne Nr. 939).

– Gemäss Art. 216a OR dürfen Vorkaufsrechte für höchstens 25 Jahre vereinbart und im Grundbuch vorgemerkt werden. Die Vormerkung im Grundbuch (Art. 959 ZGB) verstärkt die Position des Berechtigten.167 gegen jeden Dritterwerber auf Realerfüllung klagen.168

1000

– Sofern nichts anderes vereinbart ist, sind vertragliche Vorkaufsrechte vererblich, aber nicht abtretbar (Art. 216b Abs. 1 OR); ist die Abtretung nach Vertrag zulässig, so bedarf sie der gleichen Form wie die Begründung (Art. 216b Abs. 2 OR).

1001



1002

den sich in den Art. 216c–216e OR.

169

Ebenfalls zu beachten ist Art. 969 Abs. 1 ZGB. Danach gilt für den Grundbuchverwalter auch eine bezüglich der im Grundbuch vorgemerkten Vorkaufsrechte.

2.

Kaufs- und Rückkaufsrecht

Die Behandlung des Kaufsrechts und des Rückkaufsrechts gehört ebenfalls ins Obligationenrecht.170 Hier sei in aller Kürze Folgendes erwähnt:

1003

1. Das Kaufsrecht («le droit d’emption») ist das Recht, durch einseitige Willenserklärung (Ausübung eines Gestaltungsrechts) einen Kaufvertrag perfekt zu machen, also jene Rechtslage zu bewerkstelligen, die bestände, wenn Verkäufer und Kaufsberechtigter einen Kaufvertrag abgeschlossen hätten.171 Ein Vorkaufsfall ist hier-

1004

167 168 169

170 171

R ey, Band I, Nr. 1251; SteinaueR, Band II, Nr. 1725 ff.; Schmid/StöcKli /K RauSKoPF, Nr. 531. BGE 126 III 421 ff. (423), E. 3a/aa; SteinaueR, Band II, Nr. 1726; R ey, Band I, Nr. 1276. Vgl. auch R ey, Band I, Nr. 1254; zum Ganzen ferner Schmid/StöcKli /K RauSKoPF, Nr. 511 ff. Zur Durchsetzung eines im Grundbuch vorgemerkten Vorkaufsrechts nach Eintragung des Drittkäufers in das Grundbuch vgl. auch BGer 1P.639/2004, E. 3.3 = ZBGR 88/2007, S. 43 ff. Zum Beispiel teRcieR /bieRi /caRRon, Nr. 1011 ff.; Schmid/StöcKli /K RauSKoPF, Nr. 537 ff. Schmid/StöcKli /K RauSKoPF, Nr. 537 f.; vgl. auch BGE 128 III 124 ff. (127 f.), E. 2b.

278

Das Grundeigentum

für – im Unterschied zum Vorkaufsrecht – nicht erforderlich. Einzelheiten sind geregelt in den Art. 216 ff. OR.172 1005

2. Durch das Rückkaufsrecht («le droit de réméré») erhält der Veräusserer des Grundstücks die Befugnis, unter gewissen vertraglich festgesetzten Bedingungen durch einseitige Erklärung die entgeltliche Rückübertragung vom Erwerber zu verlangen.173 Einzelheiten sind in den Art. 216 ff. OR geregelt.174

1006

3. Auch Verträge, die ein Kaufs- oder Rückkaufsrecht an einem Grundstück begründen, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung (Art. 216 Abs. 2 OR). Kaufs- und Rückkaufsrechte können gemäss Art. 959 ZGB im Grundbuch vorgemerkt werden (Nr. 475 ff.; zur Dauer vgl. Art. 216a OR: höchstens 10 Jahre für Kaufsrechte,175 höchstens 25 Jahre für Rückkaufsrechte).

IV. Weiterführende Literatur 1007

– aueR SuSanne, Neuere Entwicklungen im privatrechtlichen Immissionsschutz – Untersucht anhand der Rechtsprechung zu Art. 684 ZGB und § 906 BGB, Diss. Zürich 1997. – bRücKeR FRanz-x aveR, Das nachbarrechtliche Durchleitungsrecht – unter Berücksichtigung von Lehre und Rechtsprechung zum Notwegrecht, zum Überbaurecht und zum Notbrunnenrecht, Diss. Zürich 1991. – caRoni-RudolF K aRin, Der Notweg, Diss. Bern 1969 (ASR Heft 387). – dubey JacqueS privée du sol à l’heure du développement durable de l’aménagement du territoire, Freiburger Habil., Genf/Zürich/Basel 2012 (AISUF Band 313). – ecKenStein PaScal, Spannungsfelder bei nachbarrechtlichen Klagen nach Art. 679

– – – – –

172 173

174 175

E-ZGB, Diss. Zürich 2010. endeR thomaS, Die Verantwortlichkeit des Bauherrn für unvermeidbare übermässige Bauimmissionen, Diss. Freiburg 1995 (AISUF Band 150). Foëx bénédict, La nouvelle réglementation des droits de préemption et de réméré dans le CC/CO, Semjud 116/1994, S. 381 ff. hänni PeteR /Schmid JöRg, Bauimmissionen – ein Problem des öffentlichen und des privaten Rechts, Baurechtstagung Freiburg 1997, Band I, S. 25 ff. hüRlimann-K auP, Grundfragen, Nr. 412 ff. liveR, SPR V/1, S. 194 ff.

SteinaueR, Band II, Nr. 1695 ff. BGE 120 Ia 240 ff. (244), E. 3b; 109 II 219 ff. (222 f.), E. 2b; BGer vom 3. Juni 1992, in RJN 1992, S. 72 ff., E. 1a; Schmid/StöcKli /K RauSKoPF, Nr. 543. SteinaueR, Band II, Nr. 1717 ff. Für Kaufsrechte, die vor Inkrafttreten von Art. 216a OR (1. Januar 1994) vereinbart worden sind, gilt diese Befristung nicht; BGE 138 III 659 ff. (660 ff.), E. 3.

§ 18 Die Beschränkungen des Grundeigentums

279

– meieR-hayoz, BeKomm, N 22 ff. zum Grundeigentum (vor Art. 655 ZGB), Kommentar zu Art. 679–703 und 706–710 ZGB. – moix Paul-henRi, La responsabilité de l’Etat pour le bruit causé par l’exploitation d’un ouvrage public, URP 10/1996, S. 619 ff. – PeRhoFeR andRea der Verantwortlichkeit des Grundeigentümers für Einwirkungen auf das Nachbargrundstück nach der Teilrevision des Immobiliarsachenrechts, in: Loacker Leander D./Zellweger-Gutknecht Corinne (Hrsg.), Differenzierung als Legitimationsfrage, Analysen und Perspektiven von Assistierenden des Rechtswissenschaftlichen Instituts der Universität Zürich (Band 14), Zürich/St. Gallen 2012, S. 57 ff. – PilleR gRégoiRe, De l’ombre et la lumière dans les rapports de voisinage, in: Rumo-Jungo Alexandra et al. (Hrsg.), Une empreinte sur le Code civil, Mélanges en l’honneur de Paul-Henri Steinauer, Bern 2013, S. 529 ff. – Piotet deniS in: Foëx Bénédict/Hottelier Michel (Hrsg.), Servitudes, droit de voisinage, responsabilités du propriétaire immobilier, Genf 2007, S. 87 ff. – Pont veuthey maRie-claiRe, De quelques restrictions de droit public à la propriété foncière, ZBGR 81/2000, S. 153 ff. – PRadeRvand-K eRnen maRySe tion d’un immeuble: moyens de droit public et de droit privé, en particulier la constitution d’une servitude de passage nécessaire, ZBGR 97/2016, S. 377 ff. – R ey heinz, Die Neuregelung der Vorkaufsrechte in ihren Grundzügen, ZSR 113/1994 I, S. 39 ff. – Roten chRiStian, Intempéries et droit privé (…), Diss. Freiburg 2000 (AISUF Band 196). – Rubido JoSé-miguel, Le droit de préemption immobilier en droit privé et le Registre foncier: Questions choisies, ZBGR 96/2015, S. 1 ff. – deRSelbe, L’exercice du droit de préemption immobilier au regard du droit privé, Genfer Diss., Zürich/Basel/Genf 2012. – RyFFel baRbaRa, Privatrechtlicher Immissionsschutz gemäss Art. 684/679 ZGB gegen Geräuschimmissionen von Sportanlagen, Diss. Zürich 2001. – Schmid JöRg den Hähnen und duftenden Ziegenböcken, in: Schmid Jörg/Seiler Hansjörg (Hrsg.), Recht des ländlichen Raums, FG für Paul Richli, Zürich 2006 (LBR Band 11), S. 373 ff. (zitiert: Schmid, Landwirtschaft und Nachbarrecht). deRSelbe Schweizerisches und Internationales Baurecht (Hrsg.), Schweizerische Baurechtstagung, Freiburg 2011, S. 83 ff. (zitiert: Schmid, Baurechtstagung 2011). – Schmid-tSchiRRen chRiStina maRia, Die negativen Immissionen im schweizerischen Privatrecht, Diss. Bern 1997 (ASR Heft 594). – SchnydeR beRnhaRd/endeR thomaS, Über die Haftung des Grundeigentümers für Verhalten ausserhalb seines Grundstücks (BGE 119 II 411 ff.; 120 II 15 ff.), BR/DC 1995, S. 33 ff. – Schöbi Felix, Die Revision des Kaufs-, des Vorkaufs- und des Rückkaufsrechts, AJP 1992, S. 567 ff.

280

Das Grundeigentum

– SteinaueR Paul-henRi, La nouvelle réglementation du droit de préemption, ZBGR 73/1992, S. 1 ff. – SutteR-Somm, Nr. 687 ff. – Waldmann beRnhaRd eine kritische Würdigung, BR/DC 2005, S. 156 ff. – WebeR FRanz, Das Grundeigentum im Wandel, ZBGR 79/1998, S. 353 ff. – zen-RuFFinen PieRmaRco, Expropriation des droits de voisinage: le temps à la Journée de la Société suisse des juristes 2008, Basel 2008, S. 321 ff. – zobl dieteR /thuRnheRR chRiStoPh die Möglichkeiten des Grundeigentümers und deren Verhältnis zur actio negatoria, in: Pichonnaz Pascal et al. (Hrsg.), Spuren des römischen Rechts, FS für Bruno Huwiler, Bern 2007, S. 753 ff.

V. 1008

Fälle

1. BGE 126 III 223 ff. (vgl. auch BGE 120 II 15 ff.) Immissionen durch den Betrieb eines Hotels/Restaurants; Übermässigkeit der (Lärm-)Einwirkungen; Zusammenspiel des privatrechtlichen und des öffentlichrechtlichen Immissionsschutzes. 2. BGE 134 III 248 ff. Immissionen aus dem Flugbetrieb (Flughafen Zürich); Privatrecht und öffentliches Recht. 3. BGE 132 III 689 ff. Haftung aus Art. 679 ZGB für Schäden, die durch Bauarbeiten an Nachbargrundstücken verursacht worden sind; Passivlegitimation des Inhabers eines Baurechts und des Eigentümers des belasteten Grundstücks? 4. NJW 51/1998, S. 763 ff. (Oberlandesgericht Köln) Übermässige Einwirkung durch behindertentypischen Lärm vom Nachbargrundstück? (Deutsches Recht, §§ 906 und 1004 BGB.) 5. BGE 136 III 130 ff. (vgl. auch BGer 5A_136/2009 = ZBGR 92/2011, S. 168 ff.) Notwegrecht für ein überbautes Grundstück; Wegnot im Sinn von Art. 694 ZGB; Verhältnis zwischen privatem Notwegrecht und öffentlichem Erschliessungsrecht. 6. BGE 136 III 269 ff. (271), E. 5.1 (vgl. auch BGer 5D_10/2011, E. 3.3) Notleitungsrecht; Voraussetzungen des Anspruchs. 7. BGE 120 II 185 ff. Art. 694 ZGB; Privatrecht und öffentlich-rechtliche Bestimmungen.

§ 18 Die Beschränkungen des Grundeigentums

281

8. BGE 117 II 541 ff. Eintragung eines Grundstückkaufs im Grundbuch, wenn ein Vorkaufsrecht besteht; Vorgehen des Grundbuchverwalters. 9. BGE 122 I 81 ff. (vgl. auch BGE 126 III 452 ff. [457], E. 3a) Art. 688 ZGB als echter Vorbehalt zu Gunsten der Kantone.

282

Das Grundeigentum

§ 19 Das Stockwerkeigentum 1009

Einführende Literatur: – R ey, Band I, Nr. 761 ff. – SteinaueR, Band I, Nr. 1122 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 101 N 43 ff. Weitere wichtige Literatur: – meieR-hayoz/R ey, BeKomm, Kommentar zu Art. 712a–712t ZGB. – R ey heinz/maetzKe luKaS, Schweizerisches Stockwerkeigentum (mit Anhängen: Musterreglement für Stockwerkeigentümer und Übersicht über die Rechtsprechung des Bundesgerichts), 3. A., Zürich 2009. WeR– WeRmelingeR amédéo melingeR, ZüKomm).

I. 1010

Allgemeines

1. Der Schöpfer des ZGB, eugen hubeR, hatte das Stockwerkeigentum («la propriété par étages») ursprünglich gar nicht vorgesehen (vgl. auch Art. 675 Abs. 2 ZGB), war es doch aus Erfahrungen mit entsprechenden kantonalrechtlichen Instituten als Quelle von Streitigkeiten bekannt («Ein halbes Haus ist eine halbe Hölle …»).1 Da aber ein wirtschaftliches Bedürfnis nach Stockwerkeigentum bestand, wurden durch das Bundesgesetz vom 19. Dezember 19632 die Bestimmungen über das Miteigentum abgeändert und ergänzt, verbunden mit der Einführung der neuen Art. 712a–712t ZGB sowie der Art. 20bis, 20ter und 20quater SchlT ZGB.3 Letztmals sind die gesetzlichen Bestimmungen über das Stockwerkeigentum (Art. 712e, 712f und 712g ZGB, ferner Art. 647 und 649a ZGB) durch das Bundesgesetz vom 11. Dezember 2009 (Register-Schuldbrief und weitere Änderungen im Sachenrecht) geändert worden.4 Die revidierten Bestimmungen sind am 1. Januar 2012 in Kraft getreten. – Der Nationalrat hat am 14. September 2016 das Postulat Nr. 14.3832 «Fünfzig Jahre Stockwerkeigentum. Zeit für eine Gesamtschau», angenommen, mit dem der Bundesrat beauftragt wird, zu prüfen und in einem Bericht darzulegen, inwiefern beim Stockwerkeigentumsrecht fünfzig Jahre nach seiner Einführung Anpassungsbedarf besteht.5 Problematisch ist u.a., dass viele der mit der Einführung des Stockwerkeigentums im Jahr 1965

1

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m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, Vorbem. zu den Art. 712a–712t ZGB, N 6; SteinaueR, Band I, Nr. 1123; JöRg Schmid/Simon WolFeR (zitiert in Nr. 1069), S. 226 f. In Kraft seit 1. Januar 1965. Zur rechtlichen Beurteilung der in verschiedenen Kantonen vor 1965 praktizierten Ersatzformen vgl. BGE 113 II 146 ff. (149), E. 3; 103 II 176 ff. (179 ff.), E. 2; ZBJV 151/2015, S. 855 ff. (Bezirksgericht Visp); ZBGR 75/1994, S. 259 ff. (263 f.), E. 2b–c (Walliser Kantonsgericht). Zum Übergangsrecht ausser dem letztgenannten Entscheid auch ZBGR 85/2004, S. 391 ff. (Waadtländer Verwaltungsgericht); eduaRd bRogli (zitiert in Nr. 1069); m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, Vorbem. zu den Art. 712a–712t ZGB, N 82 ff. Vgl. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5302 f. und 5308 f. Vgl. in diesem Zusammenhang auch david düRR, Das Stockwerkeigentum und sein bornierter Gesetzgeber – Unbotmässige Gedanken zum 50-Jahr-Jubiläum des schweizerischen Stockwerkeigentums, BN 77/2016, S. 263 ff.

§ 19 Das Stockwerkeigentum

283

errichteten Bauten inzwischen renovationsbedürftig sind, die Sanierung aber nicht durchgeführt werden kann, weil kein oder kein genügend dotierter Erneuerungsfonds existiert (vgl. auch hinten Nr. 1055, Kleindruck).

2. Beim Stockwerkeigentum handelt es sich um besonders ausgestaltetes Miteigentum6 (vorne Nr. 726); im Gegensatz zum gewöhnlichen Miteigentum ist jedoch beim Stockwerkeigentum mit dem Miteigentumsanteil ein Sonderrecht («le droit exclusif») zur ausschliesslichen Nutzung und baulichen Ausgestaltung bestimmter Gebäudeteile verbunden (Art. 712a Abs. 1 ZGB).

1011

Das Sonderrecht stellt kein Sondereigentum dar; es handelt sich hierbei vielmehr um einen Rechtsbegriff, «der lediglich die besondere Ausgestaltung des Miteigentumsanteils des Stockwerkeigentümers an einem realen Teil der Gesamtsache gegenüber dem gewöhnlichen Miteigentum zum Ausdruck bringen soll».7

Vom Sonderrecht zu unterscheiden sind die gemeinschaftlichen Teile («le domaine commun»), das heisst jene Teile, die nicht zu Sonderrecht ausgeschieden sind. Diese stehen grundsätzlich sämtlichen Stockwerkeigentümern zur Verfügung (hinten Nr. 1023 f.). 3. Neben den Bestimmungen des ZGB ist auch die Grundbuchverordnung zu beachten, insbesondere Art. 23 und Art. 97 GBV.

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Vgl. ferner das Kreisschreiben des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes an die kantonalen Aufsichtsbehörden über das Grundbuch betreffend die grundbuchliche Behandlung des Stockwerkeigentums und des gewöhnlichen Miteigentums vom 24. November 1964.8

II. Der Inhalt des Stockwerkeigentums (Art. 712a ZGB) 1. Das Gesetz bestimmt den Inhalt des Stockwerkeigentums in Art. 712a ZGB (vgl. den Randtitel; französisch «Eléments»). Gemäss Abs. 1 ist Stockwerkeigentum der Miteigentumsanteil an einem Grundstück, der dem Miteigentümer das Sonderrecht einräumt, gewisse Gebäudeteile ausschliesslich zu benutzen und innen auszubauen. Folgendes ist zu beachten:

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– Jeder Stockwerkeigentümer hat Miteigentum am gesamten Grundstück (an der gesamten Liegenschaft oder am gesamten Baurecht).9 Er verfügt über eine bestimmte Wertquote, welche in Bruchteilen (am Wert des Grundstücks) mit einem gemeinsamen Nenner anzugeben ist (Art. 712e Abs. 1 ZGB; Art. 97 Abs. 2 lit. b GBV).10

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6 7 8 9 10

BGE 142 III 551 ff. (553), E. 2.2; 141 III 357 ff. (360), E. 3.2. m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, Vorbem. zu den Art. 712a–712t ZGB, N 34. BBl 1964 II, S. 1198 ff. (mit Mustervorlagen). BGE 116 II 275 ff. (278), E. 3b. Fassung gemäss BG vom 11. Dezember 2009; zur Entstehungsgeschichte vgl. Botschaft RegisterSchuldbrief, S. 5308 f.

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Das Grundeigentum

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– Untrennbar mit diesem Miteigentumsanteil verbunden11 ist das Sonderrecht, bestimmte Teile eines Gebäudes ausschliesslich zu benutzen oder innen auszubauen.

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– Der Stockwerkeigentumsanteil wird im Rechtsverkehr als eigenes Grundstück behandelt (Art. 655 Abs. 2 Ziff. 4 und Art. 943 Abs. 1 Ziff. 4 ZGB [dazu vorne Nr. 420 und 809]; siehe auch Art. 23 und 97 GBV).

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2. Nach Art. 712a Abs. 2 ZGB ist jeder Stockwerkeigentümer in der Verwaltung, Benutzung und baulichen Ausgestaltung seiner eigenen Räume (also hinsichtlich des Innenausbaus12) frei, solange er nicht die anderen Stockwerkeigentümer in der Ausübung des gleichen Rechts beeinträchtigt oder die gemeinschaftlichen Bauteile, Anlagen und Einrichtungen in irgendeiner Weise beschädigt.13 Einschränkungen dieser Freiheit können sich immerhin aus dem Gesetz ergeben oder auf Vereinbarung beruhen (Beispiel: reglementarisches Verbot, in der Einheit ein Restaurant zu betreiben).14 Für den einzelnen Stockwerkeigentümer sind vor allem folgende Rechtsbehelfe bedeutsam:15

1017a

– Als Grundeigentümer stehen dem Stockwerkeigentümer gegen andere Stockwerkeigentümer (wie auch gegen Dritte) die ordentlichen Behelfe zum Schutz seines Eigentums gegen Störungen zu, bei Substanzeingriffen namentlich die Eigentumsfreiheitsklage (Negatorienklage; vorne Nr. 670 ff.).16

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– Die Grundsätze von und Behelfe aus Art. 684 ZGB (Nachbarrecht) sind auch zwischen den Stockwerkeigentumsanteilen zu beachten.17 Art. 712a Abs. 3 ZGB Erhaltung des Gebäudes in einwandfreiem Zustand und gutem Aussehen notwendig ist. –

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gentumsrecht – die Möglichkeit, den fehlbaren Stockwerkeigentümer aus der Gemeinschaft auszuschliessen18 (Art. 649b ZGB; siehe dazu vorne Nr. 773 ff.).

BGE 132 III 9 ff. (11), E. 3.1; 122 III 145 ff. (149 unten), E. 4c; m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 88 zu Art. 712a ZGB und N 32 zu Art. 712e ZGB. BGE 130 III 450 ff. (454), E. 1.2; BGer 5C.246/2005, E. 3.1 = ZBGR 88/2007, S. 371 ff. BGE 130 III 441 ff. (448), E. 3.4; 132 III 9 ff. (11), E. 3.1.1. BGE 139 III 1 ff. (4), E. 4.3.1 mit Hinweisen = ZBGR 95/2014, S. 418 ff. Zu den Grenzen der vertraglichen Beschränkung vgl. BGE a.a.O. (4 f.), E. 4.3.2. Vgl. zum Ganzen auch WeRmelingeR, ZüKomm, N 187 ff. zu Art. 712a ZGB; PaScal WiRz, Diss. (zitiert in Nr. 1069), S. 211 ff. BGE 132 III 9 ff. (14 f.), E. 3.6; WeRmelingeR, ZüKomm, N 191 und 194 ff. zu Art. 712a ZGB. BGer vom 1. Juli 1999, in ZBGR 82/2001, S. 56 ff. (57), E. 1b = Pra 88/1999, Nr. 189, S. 981 ff. (Betrieb eines Erotik-Unterhaltungsetablissements); BGer vom 15. November 1991, in ZBGR 75/1994, S. 290 ff. (skurrile Figur in einer terrassenartigen Überbauung; stillschweigende Anwendung von Art. 684 ZGB unter Stockwerkeigentümern); BGE 106 II 315 ff. (318 f.), E. 2c; ZBGR 77/1996, S. 370 ff. (372; Graubündner Kantonsgericht); ZWR 30/1996, S. 245 ff. (249), E. 7b (Walliser Kantonsgericht). Zum Ganzen vgl. auch WeRmelingeR, ZüKomm, N 191 und 197 ff. zu Art. 712a ZGB; R aPhaël h aaS, Stockwerkeigentum und Nachbarrecht, in: Amédéo Wermelinger/Walter Fellmann (Hrsg.), Luzerner Tag des Stockwerkeigentums 2012, Bern 2012, S. 1 ff. SteinaueR, Band I, Nr. 1162 ff.; siehe dazu BGE 113 II 15 ff. (17), E. 2; 137 III 534 ff. (535), E. 2.1; BGer vom 1. Juli 1999, in ZBGR 82/2001, S. 56 ff. = Pra 88/1999, Nr. 189, S. 981 ff.; BGer 5A_577/2008, E. 2.2. Vgl. ausserdem R eto StRittmatteR, Der Ausschluss des Stockwerkei-

§ 19 Das Stockwerkeigentum

285

Ein Ausschluss kommt u.a. dann in Betracht, wenn einem Stockwerkeigentümer jeglicher Wille fehlt, eine Stockwerkeigentümergemeinschaft zu bilden und zu leben. Dies lässt sich dann bejahen, wenn der betreffende Stockwerkeigentümer den Versammlungen während Jahren fernbleibt, keit der Gemeinschaft blockiert und diese damit in ihrer Existenz bedroht.19 Wer sich jedoch selber grob gemeinschaftswidrig verhalten hat und für die zerstrittene Situation mitverantwortlich ist, kann den Ausschluss eines anderen Stockwerkeigentümers nicht verlangen.20

– Als Besitzer hat der Stockwerkeigentümer weiter die Möglichkeit, mit den Behelfen des Besitzesschutzes (Art. 926–929 ZGB; vorne Nr. 216 ff.) gegen andere Stockwerkeigentümer vorzugehen. Das betrifft in erster Linie den Schutz seiner zu Sonderrecht ausgeschiedenen Räume, gilt (mit Einschränkungen) aber auch für die gemeinschaftlichen Teile.21

1018b



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im Stockwerkeigentumsrecht begründeten Klagen, etwa auf Anfechtung eines Beschlusses der Stockwerkeigentümerversammlung (Art. 712m Abs. 2 i.V.m. Art. 75 ZGB), auf Berichtigung der Wertquote (Art. 712e Abs. 2 ZGB), auf Erlass eines Reglements (Art. 712g Abs. 3 ZGB) oder auf Bestellung oder Abberufung des Verwalters (Art. 712q Abs. 1 und Art. 712r Abs. 2 ZGB).22

3. Umstritten ist die Frage, ob an Stockwerkeigentum Untergemeinschaften im Sinn eines «Time-Sharing» gebildet werden können – dergestalt, dass an einem Stockwerkeigentumsanteil mehrere Miteigentumsanteile gebildet werden, die ihren Inhajedoch periodisch wiederkehrend – zum Beispiel für einen Monat pro Jahr – einräumen. Einzelne Autoren verneinen eine solche (sachenrechtliche) Gestaltungsmöglichkeit, weil die zeitliche Aufteilung der wesentlichen Eigentümerbefugnisse dem Wesen des gemeinschaftlichen Eigentums widerspreche und weil die zeitliche Staffelung der Miteigentümerbefugnisse die Grundsätze der Typengebundenheit und 23 (zu diesen Grundsätzen vgl. vorne Nr. 71 ff.). Die wohl überwiegende Lehre ist hingegen anderer Meinung und lässt «Time-Sharing» grundsätzlich zu.24

19 20 21 22 23 24

gentümers: Fallstricke unter Beachtung der neuen ZPO, in: Amédéo Wermelinger/Walter Fellmann (Hrsg.), Luzerner Tag des Stockwerkeigentums 2012, Bern 2012, S. 117 ff.; chiaRa imelda WiRz, Ausschluss aus der Stockwerkeigentümergemeinschaft – Rechtsvergleichung schweizerisches und österreichisches Recht, BN 77/2016, S. 215 ff. BGer 5A_577/2008, E. 2. BGE 137 III 534 ff. (536 ff.), E. 2.3; dazu JöRg Schmid/diel Schmid m eyeR, BR/DC 2012, Nr. 170. Vgl. zum Ganzen WeRmelingeR, ZüKomm, N 225 f. zu Art. 712a ZGB. Ausführlich WeRmelingeR, ZüKomm, N 200 ff. zu Art. 712a ZGB. m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 14 zu Art. 712a ZGB. ZBGR 66/1985, S. 153 ff. (Bundesamt für Justiz); h anS-PeteR FRiedRich, Hat sich das Stockwerkeigentum bewährt? (zitiert in Nr. 1069), S. 82 f.; Paul-h enRi SteinaueR, La propriété privée aujourd’hui, Referate und Mitteilungen des Schweizerischen Juristenvereins 1981, Heft 2 (= ZSR 115/1981 II, S. 117 ff.), S. 233 f.; SteFan Schalch, Time-Sharing an Ferienimmobilien …, Diss. Zürich 1990, S. 118 und 123 f.; a médéo WeRmelingeR-de gottRau, L’utilisation (zitiert in Nr. 1069), S. 173; deRSelbe, chRiStine m eRmoud, Le temps partagé dans la jouissance de la propriété par étages – Etudes de la coproVgl. nun auch die bundesrätliche Aussage in der Botschaft zum Register-Schuldbrief, S. 5303. Zur grundbuchlichen Ausgestaltung vgl. Roland PFäFFli, Einzelfragen zum Stockwerkeigentum aus der

1019

286

Das Grundeigentum

Am 26. Oktober 1994 haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die «Time-Sharing-Richtlinie» (Richtlinie 94/47/EG vom 26.10.1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilnutzungsrechten an Immobilien) erlassen.25 Diese Richtlinie wurde durch die Richtlinie 2008/122/EG vom 14. Januar 2009 über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilnutzungsverträgen, Verträgen über langfristige Urlaubsprodukte sowie Wiederverkaufs- und Tauschverträgen ersetzt.26 Der schweizerische Gesetzgeber hat auf diesem Gebiet eine Diskussion geführt, bis anhin jedoch keine Normen erlassen.27

III. Der Gegenstand des Sonderrechts (Art. 712b ZGB) 1020

Art. 712b ZGB bestimmt, was Gegenstand («objet») des Sonderrechts sein bzw. nicht sein kann:28

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1. Nach Art. 712b Abs. 1 ZGB können einzelne Stockwerke oder Teile davon Gegenstand des Sonderrechts sein, sofern sie als Wohnungen oder als Einheiten von Räumen mit eigenem Zugang in sich abgeschlossen sind. Dieses sogenannte Abgeschlossenheitserfordernis setzt voraus, dass der Raum auf alle Seiten hin vollständig abgeschlossen (oder zumindest abschliessbar) ist, so zum Beispiel durch Wände, Fenster, Türen oder Gitter.29 Grenzt ein zu Sonderrecht ausgeschiedener Teil an gemeinschaftliche Teile, sind an die Abgeschlossenheit jedoch geringere Anforderungen zu stellen, als wenn zwei aneinandergereihte Teile zu Sonderrecht ausgeschieden sind.30 Das Gesetz lässt getrennte Nebenräume (wie Keller oder Estrich) zu.31 Beispiele: a. Ein nur am Boden markierter offener Parkplatz kann nicht Sonderrecht bilden, wohl aber ein gedeckter Parkplatz, der mittels Mauern oder abschliessbarer Gitter von den übrigen Parkplätzen abgetrennt und damit in sich abgeschlossen ist.32 – b. Aus Praktikabilitätsgründen muss man dem Stockwerkeigentümer das Sonderrecht für den Balkon (jedenfalls für dessen «innere Teile»)

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Sicht der Grundbuchführung, in: Amédéo Wermelinger (Hrsg.), Luzerner Tag des Stockwerkeigentums 2013, Bern 2013, S. 35 ff. (57 f.). ABl. EG L 280 vom 29. Oktober 1994, S. 83 ff. ABl. EU L 33 vom 3. Februar 2009, S. 10 ff. Die Richtlinie ist abrufbar unter eur-lex.europa.eu (besucht am 15. April 2017). Der parlamentarischen Initiative de daRdel vom 15. Juni 2000 «Teilnutzungsrechte an Immobilien; Konsumentenschutz» wurde zunächst Folge gegeben (Amtl.Bull. NR 2001, Beilagen [Herbstsession], S. 124 ff.; Amtl.Bull. NR 2001, S. 1091 ff.). Die Vorlage (Bericht der nationalrätlichen Kommission für Rechtsfragen in BBl 2006, S. 2545 ff.; Stellungnahme des Bundesrats a.a.O., S. 2571 ff.) scheiterte dann jedoch in den eidgenössischen Räten (Amtl.Bull. NR 2007, S. 1127 ff.; vgl. auch WeRmelingeR, R ey, Band I, Nr. 786 ff.; SteinaueR, Band I, Nr. 1127 ff. WeRmelingeR, ZüKomm, N 36 zu Art. 712b ZGB; m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 48 zu Art. 712b ZGB; chRiStoPh thuRnheRR (zitiert in Nr. 1069), Nr. 91. BGer vom 19. September 1990, in ZBGR 75/1994, S. 283 ff. (285 f.), E. 3b; WeRmelingeR, ZüKomm, N 37 zu Art. 712b ZGB. Vgl. dazu michel mooSeR, Les locaux annexes distinct, in: François Bohnet/Blaise Carron (Hrsg.), PPE 2015, Basel/Neuenburg 2015, S. 163 ff. BGE 122 III 145 ff. (146 f.), E. 3a; m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 10 und 56 zu Art. 712b ZGB. Vgl. auch BGer 5A_44/2014, E. 3.3.1 (nicht publiziert in BGE 140 III 561 ff.).

§ 19 Das Stockwerkeigentum

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zuweisen, auch wenn dieser nach aussen hin weniger stark abgeschlossen ist als ein Raum.33 – c. Gewöhnliche Fenster sind nach überwiegender Lehre grundsätzlich sonderrechtsfähig, obwohl sie im Sinn von Art. 712b Abs. 2 ZGB die äussere Gestalt und das Aussehen des Gebäudes bestimmen (dazu unten Nr. 1023); der einzelne Stockwerkeigentümer darf ein solches Fenster immerhin nicht ohne Zustimmung der Stockwerkeigentümerversammlung verändern. Fensterfronten, welche die Aussenmauern des Gebäudes ersetzen, sind hingegen zwingend gemeinschaftlich.34 – d. Eine an der Hausfassade angebrachte Sonnenstore zur Überschattung eines Gartensitzplatzes stellt notwendigerweise einen gemeinschaftlichen Teil dar.35 – e. Dachterrassen können nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung und ganz überwiegender Lehre nicht zu Sonderrecht ausgeschieden werden, da sie einerseits nicht in sich abgeschlossen sind und andererseits das Dach die Konstruktion des Gebäudes betrifft sowie die äussere Gestalt des Gebäudes bestimmt.36

Nach Art. 20bis SchlT ZGB ist das vom früheren kantonalen Recht beherrschte Stockwerkeigentum den Art. 712a–712t ZGB unterstellt, auch wenn es am Abgeschlossenheitserfordernis mangelt (vgl. auch Art. 68 Abs. 3 GBV).

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2. In Art. 712b Abs. 2 ZGB legt das Gesetz fest, welche Bauteile und Anlagen zwingend gemeinschaftliche Teile darstellen, also nicht zu Sonderrecht ausgeschieden werden können. Dabei handelt es sich namentlich um den Boden der Liegenschaft, die Bauteile, die für den Bestand und die konstruktive Gliederung und Festigkeit des Gebäudes von Bedeutung sind (zum Beispiel tragende Wände37) oder die äussere Gestalt und das Aussehen des Gebäudes bestimmen, sowie die Anlagen und Einrichtungen, die auch den anderen Stockwerkeigentümern für die Benutzung ihrer Räume dienen (Dach,38 Zentralheizung, Treppenhaus usw.).

1023

An gemeinschaftlichen Teilen darf der einzelne Stockwerkeigentümer keine eigenmächtigen Umbauarbeiten vornehmen, selbst dann nicht, wenn damit keine Beschädigung oder Beeinträchtigung verbunden ist.39 Hinsichtlich der Nutzung stehen die gemeinschaftlichen Teile nicht zwingend sämtlichen Stockwerkeigentümern zur Verfügung; das Reglement kann vielmehr Abweichendes vorsehen,40 oder die Stockwerkeigentümerversammlung kann Abweichendes beschliessen.41 Steht reglementarisch das Recht zur Benutzung gewisser gemeinschaftlicher Teile (zum Beispiel einer Dachterrasse,42 eines Parkplatzes im Freien43 oder eines Gartenanteils) exklusiv bestimmten Stockwerkeigentümern – unter Ausschluss der Übrigen – zu, so spricht man von einem «besonderen Nutzungsrecht» oder «Sondernutzungsrecht».44 In Art. 647 Abs. 1bis und Art. 712g Abs. 4 ZGB ist seit dem 1. Januar 2012 von «ausschliesslichem Nutzungsrecht» die Rede. Dogmatisch handelt -

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m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 29 zu Art. 712b ZGB; WeRmelingeR, ZüKomm, N 65 f. zu Art. 712b ZGB. Vgl. m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 22 ff. zu Art. 712b ZGB; WeRmelingeR, ZüKomm, N 71 f., 104 und 143 zu Art. 712b ZGB. ZBGR 95/2014, S. 50 ff. (51 f.), E. 2.2.1 und 2.2.2 (Luzerner Obergericht). BGer 5A_116/2011, E. 5; BGE 141 III 357 ff. (360), E. 3.2; ZR 99/2000, Nr. 2, S. 4 ff. (4), E. bb = ZBGR 82/2001, S. 18 ff. (Zürcher Obergericht); m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 30 f. zu Art. 712b ZGB; WeRmelingeR, ZüKomm, N 127 f. zu Art. 712b ZGB. BGer 5A_709/2010, E. 4. BGE 130 III 450 ff. (454 f.), E. 1.2 betreffend Dachfenster. BGE 135 III 212 ff. (219), E. 3.2; BGer 5A_709/2010, E. 4. BGE 116 II 275 ff. (278), E. 3b; 121 III 24 ff. (25 f.), E. 2a. BGE 127 III 506 ff. (509), E. 3a. BGer 5A_116/2011, E. 5. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5305 unten (zu Art. 647 Abs. 1bis ZGB). BGE 127 III 506 ff. (509), E. 3a; m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 44 f. zu Art. 712g ZGB; JöRg Schmid/Simon WolFeR (zitiert in Nr. 1069), S. 230 ff.

288

Das Grundeigentum

tümer45), die jedoch, sofern im Reglement festgesetzt, in ihren Wirkungen den dinglichen Rechten nahekommen.46 1024

3. Die Bestandteile des Gebäudes, die das Gesetz nicht zwingend vom Sonderrecht ausnimmt, können nach Art. 712b Abs. 3 ZGB im Begründungsakt oder in gleicher Form auch durch eine nachträgliche Vereinbarung der Stockwerkeigentümer für gemeinschaftlich erklärt werden. Ist dies nicht geschehen, so gilt (unter der Voraussetzung, dass das Abgeschlossenheitserfordernis erfüllt ist) die Vermutung,

IV. Begründung und Untergang des Stockwerkeigentums 1.

Die Begründung (Art. 712d ZGB)

1025

Zu unterscheiden sind nach Art. 712d ZGB zwei verschiedene Vorgänge:

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1. Nach Art. 712d Abs. 1 ZGB entsteht das Stockwerkeigentum durch die Eintragung in das Grundbuch (vgl. Art. 943 Abs. 1 Ziff. 4 und Art. 971 ZGB; Art. 23 und 97 GBV).

1027

2. Voraussetzung für die Eintragung ist das Vorliegen eines Rechtsgrundes. In Frage kommen ein Vertrag der Miteigentümer (Art. 712d Abs. 2 Ziff. 1 ZGB) oder eine Erklärung des Alleineigentümers der Liegenschaft bzw. des Inhabers eines selbständigen und dauernden Baurechts47 (Art. 712d Abs. 2 Ziff. 2 ZGB). Das Rechtsgeschäft bedarf grundsätzlich der öffentlichen Beurkundung (Art. 712d Abs. 3 ZGB, mit Ausnahmen für erbrechtliche Vorgänge); der Begründungstitel muss als wesentliche Elemente enthalten:48 – den Willen, Stockwerkeigentum zu begründen; – die Abgrenzung (räumliche Ausscheidung) der einzelnen Einheiten (Art. 712b ZGB; Art. 23 Abs. 4 lit. b und Art. 68 Abs. 1 GBV);

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BGer 5A_851/2010, E. 4.2. BGE 122 III 145 ff. (148), E. 4b, mit Hinweisen zur Übertragung solcher Rechte; m eieR-h ayoz/ R ey, BeKomm, N 46 zu Art. 712g ZGB; WeRmelingeR, N 176 ff.; JöRg Schmid/Simon WolFeR (zitiert in Nr. 1069), S. 235 ff. Vgl. zum Baurecht WeRmelingeR, ZüKomm, Vorbem. zu Art. 712a–712t ZGB, N 161 ff.; m aRySe PRadeRvand -K eRnen Basel/Neuenburg 2016, S. 87 ff.; dieSelbe étages: la prise de décisions, AJP 2016, S. 1290 ff. BGE 132 III 9 ff. (12 f.), E. 3.2 und 3.3; SteinaueR, Band I, Nr. 1149 ff.; WeRmelingeR, ZüKomm, N 47 ff. zu Art. 712d ZGB; michel mooSeR, Les actes authentiques dans le domaine de la propriété naire, Genf/Zürich/Basel 2016, S. 33 ff. (40 ff.).

§ 19 Das Stockwerkeigentum

289

Die Abgrenzung kann (und muss in gewissen Fällen) durch einen Aufteilungsplan vorgenommen werden (Art. 68 und 69 GBV).49

– die Wertquoten (Art. 712e ZGB; Art. 23 Abs. 5 lit. c und Art. 97 Abs. 2 lit. b GBV). 3. Präzisierend sind folgende Einzelpunkte beizufügen:

1028

– Für jeden zu Stockwerkeigentum ausgestalteten Miteigentumsanteil ist vom Grundbuchverwalter stets ein besonderes Blatt mit dem Zusatz «Stockwerkeigentum an Nr. …» und mit der Beschreibung des Stockwerks unter Hinweis auf die Belege anzulegen (Art. 23, 68 und 97 GBV).

1029

– Die Wertquoten sind im Begründungsakt in Bruchteilen (des Wertes der Liegenschaft oder des Baurechts) mit einem gemeinsamen Nenner anzugeben (Art. 712e Abs. 1 ZGB; vorne Nr. 1014). Die Wertquote ist die «abstrakte Verhältniszahl, die den Umfang der Berechtigung des einzelnen Stockwerkeigentümers im Vergleich zu den anderen am gemeinsamen Rechtsobjekt Beteiligten arithmetisch zum Ausdruck bringt»; sie entspricht dem Umfang des Miteigentumsanteils.50

1030

Änderungen dieser Quoten sind nur zulässig mit der Zustimmung aller unmittelbar Beteiligten51 und der Genehmigung durch die Versammlung. Jeder Stockwerkeigentümer hat allerdings Anspruch auf Berichtigung, wenn seine Quote irrtümlich falsch festgesetzt wurde oder durch bauliche Veränderungen des Gebäudes oder seiner Umgebung unrichtig geworden ist (Art. 712e Abs. 2 ZGB).52

– Weitere Einzelheiten werden in Art. 23, 68 f. und 97 GBV festgelegt.53 Unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist nach Art. 69 GBV die Eintragung von Stockwerkeigentum vor Erstellung des Gebäudes.54 Für die Bestimmbarkeit der einzelnen Einheiten im Begründungsakt muss dem Grundbuchamt zwingend ein Aufteilungsplan (Projektplan) eingereicht werden (Art. 69 Abs. 1 GBV). Innert drei Monaten nach Bauausführung ist dem Grundbuchamt die Fertigstellung des Gebäudes anzuzeigen, gegebenenfalls unter Einreichung des berichtigten Aufteilungsplans (Art. 69 Abs. 3 GBV).

49

50

51 52

53

54

Vgl. zum alten Recht (Art. 33b und 33c aGBV) BGE 132 III 9 ff. (13), E. 3.3; zum Ganzen m eieRh ayoz/R ey, BeKomm, N 50 ff. zu Art. 712d ZGB; WeRmelingeR, ZüKomm, N 57 und 92 ff. zu Art. 712d ZGB. BGE 116 II 55 ff. (59 f.), E. 5a; m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 4 ff. zu Art. 712e ZGB; vgl. auch BGE 128 III 260 ff. (263 unten), E. 2c, und 132 III 9 ff. (12 f.), E. 3.2.2. Zu den Pfandgläubigerinnen vgl. BGE 127 III 142 ff. (146), E. 5; 128 III 260 ff. (263), E. 2c. BGE 116 II 55 ff. (62 f.), E. 6; 132 III 9 ff. (14), E. 3.5; ZBGR 77/1996, S. 378 ff. (Graubündner Kantonsgericht); ausführlich chRiStoPh thuRnheRR (zitiert in Nr. 1069), Nr. 406 ff. Zum alten, inhaltlich gleichen Recht (Art. 33a–33c aGBV) ausführlich h anS-PeteR FRiedRich, Stockwerkeigentum und Grundbuch (zitiert in Nr. 1069), S. 335 ff.; m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 25 ff. zu Art. 712d ZGB. SteinaueR, Band I, Nr. 1155 ff.; zum alten, inhaltlich gleichen Recht (Art. 33c Abs. 1 aGBV) WeRmelingeR , siehe dazu auch BGE 118 II 291 ff. = Pra 82/1993, Nr. 163, S. 631 ff., besprochen von SteinaueR in BR/DC 1993, S. 106 f.; BGE 119 II 212 ff. = Pra 83/1994, Nr. 80, S. 296 ff.; BGE 132 III 9 ff. (13 f.), E. 3.4; ZR 89/1990, Nr. 67, S. 148 ff. (Zürcher Obergericht). Vgl. auch hubeRt StöcKli, Stockwerkeigentum ab Plan, Baurechtstagung Freiburg 2009, S. 1 ff.; WeRmelingeR, La vente d’une part-terrain (zitiert in Nr. 1069), S. 39 ff.; diel tatJana Schmid m eyeR, Erwerb von Stockwerkeigentum ab Plan, Ausgewählte Aspekte, Luzerner Diss. 2015, S. 193 ff.

1031

290

2. 1032

Das Grundeigentum

Der Untergang (Art. 712f ZGB)

1. Im Gegensatz zum gewöhnlichen Miteigentum (Art. 650 ZGB) ist Stockwerkei55

Art. 712f Abs. 1 ZGB sieht vor, dass das Stockwerkeigentum endigt: – mit dem Untergang der Liegenschaft; – mit dem Untergang des Baurechts;56 – mit der Löschung im Grundbuch. Für einen Sonderfall sieht Art. 69 Abs. 4 GBV die Rückführung in gewöhnliches Miteigentum vor.57 Zur Dereliktion eines Stockwerkeigentumsanteils (die regelmässig nicht zu dessen Untergang führt58) vgl. vorne Nr. 868. 1033

2. Nach Art. 712f Abs. 2 ZGB kann die Löschung aus verschiedenen Gründen verlangt werden: – Einerseits auf Grund einer Aufhebungsvereinbarung, das heisst einer übereinstimmenden Willenserklärung aller Stockwerkeigentümer. Durch diesen Vertrag wird das Stockwerkeigentum in (gewöhnliches) Miteigentum umgewandelt. Nach der Lehre bedarf die Aufhebungsvereinbarung keiner öffentlich beurkundeten Form (Art. 115 OR);59 einfache Schriftform genügt. Später können dann die Miteigentümer – allenfalls – nach Art. 650 Abs. 1 ZGB die Aufhebung des Miteigentums vereinbaren.60

– Andererseits auf Grund einer Aufhebungserklärung im Fall, da ein Stockwerkeigentümer alle Anteile in seiner Hand vereinigt. Gemäss Art. 964 ZGB bedarf diese Erklärung lediglich der einfachen Schriftform.61 – In beiden Fällen ist jedoch die Zustimmung der an den einzelnen Stockwerken dinglich berechtigten Personen erforderlich, sofern deren Rechte nicht ohne Nachteil auf das ganze Grundstück übertragen werden können (Art. 712f Abs. 2 1034

3. Laut Art. 712f Abs. 3 ZGB kann die Aufhebung in gewissen Fällen von jedem Stockwerkeigentümer verlangt werden, nämlich:62

55 56

57

58 59 60 61

62

R ey, Band I, Nr. 956. Zur Frage, wie das Baurecht verlängert werden kann, um den Untergang des Stockwerkeigentums zu verhindern, vgl. a médéo WeRmelingeR, Verlängerung (zitiert in Nr. 1069), S. 663 ff. SteinaueR, Band I, Nr. 1177b. Zum alten, inhaltlich gleichen Recht (Art. 33c Abs. 4 aGBV) R ey, Band I, Nr. 963; WeRmelingeR, zu Art. 712f ZGB. BGE 129 III 216 ff. (219), E. 3.2.1. SteinaueR, Band I, Nr. 1174a; WeRmelingeR, ZüKomm, N 54 zu Art. 712f ZGB. R ey, Band I, Nr. 959. m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 45 zu Art. 712f ZGB; WeRmelingeR, ZüKomm, N 64 zu Art. 712f ZGB. Fassung gemäss BG vom 11. Dezember 2009; vgl. auch Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5309. Vgl. dazu etwa bénédict Foëx (151 ff.).

§ 19 Das Stockwerkeigentum

291

– einerseits wenn das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört und ein Wiederaufbau nicht ohne eine für den betreffenden Stockwerkeigentümer schwer tragbare Belastung möglich ist (Ziff. 1); – andererseits wenn das Gebäude (genauer: das Grundstück) seit mehr als 50 Jahren in Stockwerkeigentum aufgeteilt ist und wegen des schlechten baulichen Zustands nicht mehr bestimmungsgemäss genutzt werden kann (Ziff. 2). Jene Stockwerkeigentümer, welche die Gemeinschaft fortsetzen wollen, können 4. Die beschriebene Regelung von Art. 712f ZGB macht deutlich, dass Stockwerkeigentum sehr viel «stabiler» ist als gewöhnliches Miteigentum, bei dem grundsätzlich jeder Miteigentümer einen Teilungsanspruch geniesst (vgl. Art. 650 ZGB; dort insbesondere Ausschluss des Teilungsanspruchs «… durch Aufteilung zu Stockwerkeigentum …»). Als Korrektiv wirkt aber immerhin Art. 649b ZGB über den Ausschluss eines Miteigentümers aus der Gemeinschaft (vorne Nr. 773 und 1018a).

V.

1035

Die Verfügung über den Stockwerkeigentumsanteil (Art. 712c ZGB)

1. Da der Stockwerkeigentumsanteil im Grunde nichts anderes ist als ein (besonderer) Miteigentumsanteil – und dieser vom Gesetz als besonderes Vermögensobjekt behandelt wird –, kann der einzelne Berechtigte grundsätzlich darüber verfügen wie ein Alleineigentümer (Veräusserung, Verpfändung, Pfändung durch die Gläubiger; Art. 646 Abs. 3 und Art. 800 Abs. 1 ZGB).

1036

Dem einzelnen Stockwerkeigentümer stehen, soweit es um seinen Anteil geht, die Klagen aus Eigentum und Besitz wie einem Alleineigentümer zu (vgl. auch vorne Nr. 1017a).63 Stockwerkeigentumsanteils zu Gunsten eines anderen mit einer Grunddienstbarkeit ist nach Rechtsprechung und Lehre zulässig, sofern einerseits die Rechtspositionen der anderen Stockwerkeigentümer an der gemeinschaftlichen Sache nicht beeinträchtigt werden und andererseits der belastete Anteil als Haftungsobjekt des gesetzlichen Pfandrechts nach Art. 712i ZGB nicht entwertet wird.64

2. Ein wichtiger Unterschied zum gewöhnlichen Miteigentum besteht darin, dass der Stockwerkeigentümer nach Art. 712c Abs. 1 ZGB von Gesetzes wegen kein Vorkaufsrecht gegenüber einem Dritten besitzt, der einen Anteil erwirbt. Art. 712c ZGB lässt aber gewisse Vereinbarungen zu, die das Verfügungsrecht des Einzelnen einschränken:

1037

– Nach Art. 712c Abs. 1 ZGB können die Stockwerkeigentümer im Begründungsakt oder durch nachträgliche Vereinbarung ein Vorkaufsrecht errichten und im

1038

63

64

BGE 132 III 9 ff. (14 f.), E. 3.6; LGVE 1989 I Nr. 9, S. 18 f. = ZBGR 77/1996, S. 369 f. (Luzerner Obergericht); m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 123 ff. zu Art. 712a ZGB. BGE 130 III 306 ff. (308 f.), E. 3.2 (betreffend Grunddienstbarkeiten an einer als Stockwerkeigentumsanteil ausgestalteten Autoeinstellhalle); m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 104 ff. zu Art. 712a ZGB; WeRmelingeR, ZüKomm, N 69 zu Art. 712a ZGB und N 94 ff. zu Art. 712c ZGB; vgl. auch PaScal WiRz, Diss. (zitiert in Nr. 1069), S. 196 ff.; m aRySe PRadeRvand -K eRnen, Les servitudes et la propriété par étages, in: François Bohnet/Blaise Carron (Hrsg.), PPE 2015, Basel/Neuenburg 2015, S. 121 ff. (138 ff.).

292

Das Grundeigentum

Grundbuch vormerken.65 Hinsichtlich der Form gilt Folgendes: Die Errichtung im Begründungsakt unterliegt – unabhängig davon, ob der Kaufpreis zum Voraus bestimmt ist oder nicht – auf Grund von Art. 712d Abs. 3 ZGB der öffentlichen Beurkundung, da es sich nach der hier vertretenen Ansicht um einen subjektiv wesentlichen Punkt des Begründungsakts handelt. Wird das Vorkaufsrecht erst nachträglich vereinbart, bedarf der Vorkaufsvertrag gemäss Art. 216 Abs. 2 OR grundsätzlich ebenfalls der öffentlichen Beurkundung; bei einem nicht limitierten Vorkaufsrecht genügt nach Abs. 3 der Norm allerdings die einfache Schriftlichkeit66 (vgl. auch Art. 78 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 GBV sowie vorne Nr. 998). Die in Art. 216a OR für vertragliche Vorkaufsrechte vorgesehene Höchstdauer von 25 Jahren gilt beim Stockwerkeigentum nicht.67

– In gleicher Weise kann gemäss Art. 712c Abs. 2 ZGB abgemacht werden, dass die Veräusserung eines Stockwerks, dessen Belastung mit einer Nutzniessung oder einem Wohnrecht sowie die Vermietung nur dann rechtsgültig ist, wenn die anderen Stockwerkeigentümer nicht innerhalb von 14 Tagen, seit ihnen von der beabsichtigten Verfügung Mitteilung gemacht wurde, Einsprache erheben. Die Vereinbarung unterliegt der einfachen Schriftlichkeit; sie kann im Grundbuch vorgemerkt werden.68 Die Einsprache kann nur auf Grund eines Beschlusses der Stockwerkeigentümerversammlung geltend gemacht werden.69

1039

Nach Abs. 3 der Norm ist die Einsprache unwirksam, wenn sie ohne wichtigen Grund erhoben wird.70 Auf Begehren des Einsprachegegners entscheidet darüber das Gericht im summarischen Verfahren (Art. 249 lit. d Ziff. 3 ZPO).71

VI. Die gemeinsame Verwaltung und Benutzung 1040

Nach Art. 712a Abs. 2 ZGB ist der einzelne Stockwerkeigentümer bei der Verwaltung und Benutzung seiner eigenen Räume grundsätzlich frei (vorne Nr. 1017). Anders liegt der Fall, wenn es um die Verwaltung und Benutzung des ganzen Grundstücks (mit Einschluss der gemeinschaftlichen Teile72) geht; das Gesetz stellt dazu in den Art. 712g ff. ZGB bestimmte Regeln auf: Unter die gemeinsame Verwaltung fallen sämtliche Handlungen tatsächlicher oder rechtlicher Natur, die «dazu bestimmt sind, das betreffende Rechtsgut zu erhalten, zu mehren oder der seinem Zweck entsprechenden Verwendung zuzuführen». Die gemeinsame Verwaltung unterscheidet sich von der Verwaltung

65 66 67

68 69 70

71

72

Vgl. etwa BGer vom 16. April 1996, in ZBGR 79/1998, S. 335 ff. WeRmelingeR, ZüKomm, N 20 zu Art. 712c ZGB. BGE 126 III 421 ff. (425 f.), E. 3b/aa; Botschaft zum BGBB, BBl 1988 III, S. 1078; WeRmelingeR, ZüKomm, N 16 zu Art. 712c ZGB. WeRmelingeR, ZüKomm, N 70 f. zu Art. 712c ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 1222 f. R ey, Band I, Nr. 774; ausführlich WeRmelingeR, ZüKomm, N 56 ff. zu Art. 712c ZGB. Vgl. auch ZR 113/2014, S. 29 ff.: analoge Anwendung von Art. 712c Abs. 2 und 3 ZGB auf die Vermietung einzelner Räume einer Stockwerkeinheit (Zürcher Obergericht). Vgl. m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 100 ff. zu Art. 712c ZGB; WeRmelingeR, ZüKomm, N 92 f. I zur ZPO [Aufhebung und Änderung bisherigen Rechts, Ziffer II./3]). BGE 130 III 450 ff. (454), E. 1.2; 132 III 9 ff. (11 f.), E. 3.1.2; BGer 5C.246/2005, E. 3.1 = ZBGR 88/2007, S. 371 ff.

§ 19 Das Stockwerkeigentum

293

und Benutzung durch den einzelnen Stockwerkeigentümer im Sinn von Art. 712a Abs. 2 ZGB dadurch, dass sie im Interesse aller Stockwerkeigentümer vorgenommen wird.73

1.

Die anwendbaren Bestimmungen (Art. 712g ZGB)

1. Art. 712g Abs. 1 ZGB verweist für die Zuständigkeit zu Verwaltungshandlungen und baulichen Massnahmen auf die Bestimmungen über das (gewöhnliche) Miteigentum, also auf die Art. 647–647e ZGB (siehe dazu vorne Nr. 744 ff.).74 Nach Abs. 2 der Norm kann im Begründungsakt oder mit einstimmigem Beschluss aller Stockwerkeigentümer von diesen Bestimmungen abgewichen werden, soweit sie nicht zwingend sind.

1041

2. Von grosser praktischer Bedeutung ist das in Art. 712g Abs. 3 ZGB vorgesehene Reglement über die Verwaltung und Benutzung («le règlement d’administration et d’utilisation»), das im Grundbuch angemerkt werden kann (vgl. Art. 80 Abs. 3 GBV; vorne Nr. 493 und 749). Beizufügen ist Folgendes:

1042

– Das Reglement entspricht der Nutzungs- und Verwaltungsordnung beim gewöhnlichen Miteigentum (vgl. Art. 647 ZGB); es umschreibt die Rechtsstellung des Einzelnen innerhalb der Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer.75 Dogmatisch lässt sich das Reglement als Vertrag (mit gesellschaftsrechtlichem Einschlag) ansehen, der im Streitfall primär nach dem übereinstimmenden wirklichen Willen der Parteien, bei dessen Fehlen nach Vertrauensprinzip auszulegen ist.76 Das Reglement bedarf von Gesetzes wegen keiner besonderen Form; soll es im Grundbuch angemerkt werden, ist Schriftform erforderlich (Näheres in Art. 80 Abs. 3 GBV).77

1043

Beispiele für einen möglichen Reglementsinhalt:78 a. Umschreibung der gemeinschaftlichen Teile und der Teile im Sonderrecht. – b. Zweckbestimmung der gemeinschaftlichen Sache und Ausschluss bestimmter Nutzungsarten (etwa das Verbot, in Sonderrechtsteilen, die zum Wohnen bestimmt sind, ein Restaurant, eine Pension oder ein ähnliches Gewerbe zu betreiben79). – c. Vorschriften über die Benutzung der gemeinschaftlichen und der zu Sonderrecht ausgeschiedenen Teile, namentlich Verbot immissionsträchtiger Tätigkeiten in den einzelnen Wohnungen80 oder Festlegung von besonderen Nutzungsrechten an bestimmten gemeinschaftlichen Teilen (vorne Nr. 1023, Kleindruck).81

73

Zum Ganzen BGE 142 III 551 ff. (553 f.), E. 2.2, unter Hinweis auf m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 13 und 20 zu Art. 712g ZGB.

74 75 76

77

78

79

80

81

m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 78 ff. zu Art. 712g ZGB; R ey, Band I, Nr. 819. BGer 5A_44/2011, E. 5.2, mit Hinweis u.a. auf m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 37 zu Art. 647 ZGB; 5A_865/2011, E. 3.2. BGer 5A_44/2011, E. 5.2.1; differenzierend WeRmelingeR, ZüKomm, N 103 ff. zu Art. 712g ZGB, der nach einer Analyse der anwendbaren Gesetzesnormen (mindestens) Schriftform fordert (N 108). Vgl. auch m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 98 zu Art. 712g ZGB; WeRmelingeR, ZüKomm, N 148 ff. zu Art. 712g ZGB; Muster bei h einz R ey/luKaS m aetzKe (zitiert in Nr. 1009), S. 147 ff. BGer 5A_632/2011, E. 5 (in casu wurde die Umnutzung von Wohnungen in Hotelzimmer als Änderung der Zweckbestimmung nach Art. 648 Abs. 2 ZGB beurteilt); dazu JöRg Schmid/JonaS Rüegg, BR/DC 2012, Nr. 171. BGE 130 III 450 ff. (456), E. 2.3; BGer 5C.252/2003, E. 2.2; vgl. auch PaScal WiRz, Diss. (zitiert in Nr. 1069), S. 178 ff. BGE 122 III 145 ff. (148), E. 4b; m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 44 ff. zu Art. 712g ZGB.

294

Das Grundeigentum

– Das Reglement gilt nach Art. 649a ZGB grundsätzlich auch gegenüber Sonderrechtsnachfolgern und gegenüber Inhabern von beschränkten dinglichen Rechmungen mit der gemeinschaftlichen Verwaltung und Benutzung in direktem Zusammenhang stehen82 (vgl. auch vorne Nr. 748).

1044

Für den Sonderrechtsnachfolger nicht verbindlich ist daher beispielsweise eine Reglementsbestimmung, die vorsieht, der Erwerber einer Stockwerkeinheit hafte solidarisch mit dem Veräusserer für die Bezahlung der verfallenen Beitragsforderungen.83 Entsprechendes gilt für eine im Reglement festgeschriebene Schiedsklausel.84

– Art. 712g Abs. 3 ZGB räumt jedem Stockwerkeigentümer das Recht ein, die Aufstellung eines solchen Reglements zu verlangen. Dieser Anspruch ist unentziehbar und unverzichtbar.85 Für den Erlass oder die Abänderung verlangt das Gesetz einen Beschluss der Mehrheit der Stockwerkeigentümer, die zugleich zu mehr als der Hälfte anteilsberechtigt ist.

1045

Zu beachten ist, dass eine Abänderung der dispositiven Gesetzesbestimmungen über die Verwaltungshandlungen und baulichen Massnahmen auch im Rahmen eines Reglements der Einstimmigkeit bedarf (vgl. Art. 712g Abs. 2 ZGB).86

– Seit 1. Januar 2012 bedarf die Änderung der reglementarischen Zuteilung ausschliesslicher Nutzungsrechte gemäss Art. 712g Abs. 4 ZGB

1045a

direkt betroffenen Stockwerkeigentümer. Die Vorschrift entspricht der Regelung von Art. 647 Abs. 1bis ZGB im gewöhnlichen Miteigentum (vorne Nr. 747).87 – Verhält sich ein Stockwerkeigentümer reglementswidrig, kann die Stockwerkeigentümergemeinschaft (gegebenenfalls über den Verwalter; hinten Nr. 1065) mit einer Klage gegen ihn vorgehen.88 Ein einzelner Stockwerkeigentümer hat hingegen keine direkte Klage auf Durchsetzung des Reglements, sofern nicht gleichzeitig die Voraussetzungen eines Rechtsbehelfs aus Eigentum oder aus Besitz erfüllt sind (dazu vorne Nr. 1017a ff.). Bleibt die Gemeinschaft untätig, muss der betreffende Stockwerkeigentümer zunächst über die streitige Auslegung der fraglichen Reglementsbestimmung einen Beschluss der Stockwerkeigentümerversammlung herbeiführen, den er dann allenfalls beim Gericht anfechten kann (dazu hinten Nr. 1062 f.). Es ist mit anderen Worten in erster Linie Aufgabe der Stockwerkeigentümergemeinschaft, für die Einhaltung des Reglements zu sorgen.89

1045b

82

83 84 85 86

87

88 89

BGer vom 26. November 1998, in ZBGR 83/2002, S. 153 ff. (156), E. 3; BGE 123 III 53 ff. (55 f.), E. 3a; m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 84 zu Art. 712g ZGB; WeRmelingeR, ZüKomm, N 159 f. zu Art. 712g ZGB. BGE 123 III 53 ff. (56 f.), E. 3b. BGer 4P.113/2001, E. 3c/aa; ZBGR 97/2016, S. 114 ff. (Waadtländer Kantonsgericht). m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 94 zu Art. 712g ZGB. BGer 5C.110/2001, E. 2c = ZBGR 86/2005, S. 251 ff.; m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 90 zu Art. 712g ZGB; R ey, Band I, Nr. 835; WeRmelingeR, ZüKomm, N 30 und 79 zu Art. 712g ZGB. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5302 und 5309; im Einzelnen WeRmelingeR, ZüKomm, N 167 ff. zu Art. 712g ZGB (mit intertemporal-rechtlichen Ausführungen in N 178). WeRmelingeR, ZüKomm, N 142 zu Art. 712l ZGB. Vgl. zum Ganzen BGer 5A_640/2012, E. 4.4 und 4.5. Dazu auch JöRg Schmid/JonaS Rüegg, Einhaltung des Reglements und Klagelegitimation des einzelnen Stockwerkeigentümers, BR/DC 2013,

§ 19 Das Stockwerkeigentum

2.

295

Die gemeinschaftlichen Kosten und Lasten (Art. 712h ff. ZGB)

Das Gesetz stellt in den Art. 712h–712k ZGB besondere Bestimmungen über die gemeinschaftlichen Kosten und Lasten auf («Frais et charges communs»):

1046

1. Art. 712h ZGB bestimmt in Abs. 1, dass die Stockwerkeigentümer die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der gemeinschaftlichen Verwaltung nach Massgabe ihrer Wertquoten zu übernehmen haben.90 Dieser Kostenverteilungsschlüssel ist dispositiv.91 Sind gewisse gemeinschaftliche Bauteile, Anlagen oder Einrichtungen einzelnen Stockwerkeinheiten überhaupt nicht oder nur in sehr geringem Mass von Nutzen, so ist dies nach Abs. 3 der Norm bei der Verteilung der Kosten zu berücksichtigen; diese gesetzliche Anordnung ist zwingender Natur 92 und bezieht sich grundsätzlich auch auf jene gemeinschaftlichen Teile, an denen bestimmten Stockwerkeigentümern besondere Nutzungsrechte zustehen93. Nach der Auffassung des Bundesgerichts ist ausserdem Art. 649 Abs. 2 ZGB auf das Stockwerkeigentum anwendbar; ein Miteigentümer, der Ausgaben über seinen Anteil hinaus übernommen hat, kann demzufolge von den anderen Ersatz verlangen.94 95 schaftlichen Kosten und Lasten.

1047

Art. 712h ZGB bezieht sich auf das Innenverhältnis. Die Haftung der Gemeinschafter nach aussen ist in Art. 712l ZGB geregelt (hinten Nr. 1053 ff.).96

2. Art. 712i ZGB räumt in Abs. 1 der Gemeinschaft gegenüber jedem jeweiligen Stockwerkeigentümer einen Anspruch auf Errichtung eines Pfandrechts an dessen Anteil für die auf die letzten drei Jahre entfallenden Beitragsforderungen ein. Folgendes ist zu beachten (vgl. auch hinten Nr. 1664 ff.):

1048

– Es handelt sich um ein mittelbares gesetzliches Pfandrecht, das erst mit der Eintragung in das Grundbuch entsteht.97

1049

Die Eintragung kann vom Verwalter verlangt werden. Ist kein solcher bestellt, so steht diese Befugnis folgenden Personen zu: einerseits jedem Stockwerkeigentümer, der dazu durch Mehr-

90 91 92 93

94 95

96 97

S. 128 ff.; JöRg Schmid, Die Unterlassungsklage zur Durchsetzung des Reglements beim Stockwerkeigentum, BN 75/2014, S. 307 ff. BGE 128 III 260 ff. (263 unten), E. 2c. m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 16 zu Art. 712h ZGB. BGE 107 II 141 ff. (143 f.), E. 3. BGer 5C.110/2001, E. 5c = ZBGR 86/2005, S. 251 ff.; m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 47 zu Art. 712h ZGB; JöRg Schmid/Simon WolFeR (zitiert in Nr. 1069), S. 240 f.; differenzierend WeRmelingeR , ZüKomm, N 90 ff. zu Art. 712h ZGB. BGE 119 II 404 ff. (407), E. 4. Einzelheiten bei m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 34 ff. zu Art. 712h ZGB. – Zur umstrittenen Frage, wie die der unterlegenen Gemeinschaft auferlegten Prozesskosten unter den Stockwerkeigentümern aufzuteilen sind, wenn die Gemeinschaft im Prozess einem einzelnen Stockwerkeigentümer gegenüberstand, vgl. ZBJV 151/2015, S. 852 ff. (Walliser Kantonsgericht); AbR 1996/1997, Nr. 14, S. 74 ff. (Obwaldner Obergerichtskommission); valentin Piccinin (zitiert in Nr. 1069), Nr. 742 ff. mit Hinweisen. m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 5 zu Art. 712h ZGB. BGE 123 III 53 ff. (58), E. 4b; 106 II 183 ff. (186), E. 1; WeRmelingeR, ZüKomm, N 20 zu Art. 712i ZGB.

296

Das Grundeigentum

heitsbeschluss oder vom Gericht ermächtigt wurde, und andererseits dem Gläubiger, für den die Beitragsforderung gepfändet ist (Art. 712i Abs. 2 ZGB).98

– Der Anspruch der Gemeinschaft auf Errichtung des Gemeinschaftspfandrechts besteht «gegenüber jedem jeweiligen Stockwerkeigentümer» und stellt somit eine Realobligation dar.

1050

Die Beitragsschuld als solche geht jedoch nicht von Gesetzes wegen auf den Erwerber der betreffenden Stockwerkeinheit über.99 Fallen Schuldner und Anspruchsbelasteter auseinander, so entsteht ein Drittpfandrecht100 (dazu hinten Nr. 1606 ff.). – Pfandobjekt ist stets derjenige Stockwerkeigentumsanteil, auf den die ausstehende Beitragsforderung entfällt. Hat eine Person mehrere Anteile zu Eigentum, kann das Pfandrecht nicht in Form eines Gesamtpfands im Sinn von Art. 798 ZGB (hinten Nr. 1519) errichtet werden; der einzelne Anteil darf nur für den ihn betreffenden Ausstand belastet werden.101

– Art. 712i Abs. 3 ZGB erklärt im Übrigen die Bestimmungen über die Errichtung des Bauhandwerkerpfandrechts für sinngemäss anwendbar, was sich vor allem auf das Verfahren zur Eintragung bezieht (im Einzelnen Art. 839 Abs. 3 ZGB und Art. 76 Abs. 2 lit. d GBV).102 Durch Leistung hinreichender Sicherheit (Art. 839 Abs. 3 ZGB) kann das Pfandrecht abgewendet werden103 (für das Bauhandwerkerpfandrecht hinten Nr. 1741 ff.).

1051

Die Verweisung auf die Regeln über das Bauhandwerkerpfandrecht hat jedoch Grenzen. Sie bezieht sich beispielsweise nicht auf die Fristbestimmung von Art. 839 Abs. 2 ZGB; vielmehr kann das Pfandrecht jederzeit beantragt werden, doch sichert es bloss die auf die letzten drei Jahre entfallenden Beitragsforderungen.104 Das Gemeinschaftspfandrecht erhält seinen Rang sodann nach dem Datum der Errichtung; Art. 841 ZGB über das Vorrecht beim Bauhandwerkerpfandrecht (hinten Nr. 1786 ff.) kommt nicht zum Zug.105 1052

3. Nach Art. 712k ZGB hat die Gemeinschaft für die auf die letzten drei Jahre entfallenden Beitragsforderungen ein Retentionsrecht (hinten Nr. 1918 ff.) wie ein Vermieter an den beweglichen Sachen, die sich in den Räumen eines Stockwerkeiverweist also auf die Art. 268–268b OR. Obwohl das Vermieterretentionsrecht seit der Änderung des Obligationenrechts (Miete und Pacht) vom 15. Dezember 1989 (in Kraft seit dem 1. Juli 1990) auf die Geschäftsraummiete beschränkt ist,

98

99 100

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103 104

105

Zur Kompetenz des Verwalters vgl. auch ZBGR 75/1994, S. 274 ff. (275), E. 2 (Graubündner Kantonsgerichtspräsidium). BGE 106 II 183 ff. (186), E. 1. m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 19 und 42 zu Art. 712i ZGB; ZBJV 148/2012, S. 229 f. (229), E. 4 (Walliser Kantonsgericht). ZBJV 148/2012, S. 229 f. (230), E. 7 (Walliser Kantonsgericht); ZBJV 150/2014, S. 543 ff. (545), E. 3.2 (Bezirksgericht Leuk). m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 50 ff. zu Art. 712i ZGB; WeRmelingeR, ZüKomm, N 70 ff. zu Art. 712i ZGB. m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 56 f. zu Art. 712i ZGB. SteinaueR schlossen sein müssen (so ZBGR 75/1994, S. 274 ff. [277], E. 4b [Kantonsgerichtspräsidium Graubünden]; ZBJV 150/2014, S. 543 ff. [545], E. 3.2 [Bezirksgericht Leuk]; WeRmelingeR, ZüKomm, N 29 zu Art. 712i ZGB), oder ob die Pfanderrichtung auch für das noch laufende Jahr zulässig ist (so ZWR 45/2011, S. 257 ff. [259], E. 5b = ZBJV 148/2012, S. 229 f. [Walliser Kantonsgericht]; m eieRh ayoz/R ey, BeKomm, N 33 zu Art. 712i ZGB). SteinaueR, Band I, Nr. 1352d.

§ 19 Das Stockwerkeigentum

297

kommt Art. 712k ZGB auch bei Stockwerkeinheiten zur Anwendung, die nicht als Geschäftsräume verwendet werden.106

3.

Die Stockwerkeigentümergemeinschaft (Art. 712l ZGB)

1. Die Stockwerkeigentümer bilden in ihrer Gesamtheit die Stockwerkeigentümergemeinschaft («la communauté des propriétaires d’étages»). Diese Gemeinschaft ist keine juristische Person, dazu fehlt ihr die Rechtsfähigkeit; Rechtsträger sind immer die einzelnen Stockwerkeigentümer.107 Doch muss Folgendes beigefügt werden: Aufgabe der Gemeinschaft ist die «Verfügung, Nutzung, Verwaltung und Erhaltung des wirtschaftlichen Wertes des gemeinsamen Grundstücks».108 Um die Erfüllung dieser Aufgaben zu erleichtern, hat der Gesetzgeber der Stockwerkeigentümergemeinschaft in Art. 712l ZGB eine beschränkte Vermögens- und Handlungsfähigkeit – samt einer entsprechenden Prozess- und Betreibungsfähigkeit – verliehen; die Gemeinschaft wird also in bestimmten Bereichen «wie eine juristische Person behandelt»:109

1053

– Nach Art. 712l Abs. 1 ZGB erwirbt die Gemeinschaft das sich aus ihrer Verwaltungstätigkeit ergebende Vermögen unter ihrem eigenen Namen; sie ist also in diesem Bereich beschränkt vermögensfähig. Dadurch wird im Innenbereich die gemeinschaftliche Verwaltung erleichtert; nach aussen dient das Vermögen den Gläubigern als Haftungssubstrat.110

1055

Verwaltungsvermögen ist Vermögen, das in einem funktionellen Zusammenhang mit der gemeinschaftlichen Verwaltung steht.111 Darunter fallen laut Gesetz namentlich die Beitragsforderungen (zum gesetzlichen Pfandrecht bzw. Retentionsrecht vgl. Art. 712i und 712k ZGB; oben Nr. 1048 ff.) sowie die aus ihnen erzielten verfügbaren Mittel, wie der Erneuerungsfonds.112 Mit dem Erneuerungsfonds soll die Finanzierung zukünftiger Unterhalts- und Sanierungsarbeiten erleichtert werden.113 Das Gesetz schreibt die Schaffung eines solchen Fonds nicht vor (vgl. Art. 712m Abs. 1 Ziff. 5 ZGB). Zwar verfügen ca. 80% der Stockwerkeigentümergemeinschaften über einen Erneuerungsfonds, dieser ist aber regelmässig nicht ausreichend dotiert,114 was zu einem «Sanierungsstau» führen kann. Ein Teil der Lehre sieht hier Handlungsbedarf für den

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114

SteinaueR, Band I, Nr. 1353; WeRmelingeR, ZüKomm, N 20 zu Art. 712k ZGB; ZBGR 75/1994, S. 271 ff. (Bezirksgericht Baden). BGer vom 27. Januar 2000, in Pra 89/2000, Nr. 61, S. 360 ff. (361), E. 2b; BGE 125 II 348 ff. (350 f.), E. 2; 142 III 551 ff. (553), E. 2.2; m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, Vorbem. zu den Art. 712a–712t ZGB, N 49. m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, Vorbem. zu Art. 712a–712t ZGB, N 50. Vgl. auch BGE 142 III 551 ff. (553), E. 2.2. R ey, Band I, Nr. 838; BGer vom 26. November 1998, in ZBGR 83/2002, S. 153 ff. (156), E. 3 = ZWR 34/2000, S. 169 ff. Zum Ganzen vgl. auch WeRmelingeR, ZüKomm, N 7 ff. und 74 ff. zu Art. 712l ZGB; valentin Piccinin (zitiert in Nr. 1069), Nr. 60 ff. und passim; damian P. StocKeR, Die Rechtsfähigkeit der Stockwerkeigentümergemeinschaft (StWEG) …, in: Amédéo Wermelinger (Hrsg.), Luzerner Tag des Stockwerkeigentums 2016, Bern 2016, S. 135 ff. R ey, Band I, Nr. 839. m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 19 zu Art. 712l ZGB. Weitere Beispiele bei R ey, Band I, Nr. 841 ff.; WeRmelingeR, ZüKomm, N 49 ff. zu Art. 712l ZGB. WeRmelingeR, ZüKomm, N 88 zu Art. 712l ZGB. Vgl. dazu auch denSelben, Der Erneuerungsfonds: Fallstricke bei Einrichtung, Äufnung und Verwendung, in: Amédéo Wermelinger (Hrsg.), Luzerner Tag des Stockwerkeigentums 2013, Bern 2013, S. 147 ff. nicola h aaS (zitiert in Nr. 1069), Nr. 570.

1054

298

Das Grundeigentum

Gesetzgeber.115 – Die Liegenschaft gehört nicht zum Verwaltungsvermögen, «weil sie nicht der Verwaltung dient, sondern vielmehr Anlass für die Gemeinschaft ist».116

– Gemäss Art. 712l Abs. 2 ZGB ist die Stockwerkeigentümergemeinschaft beschränkt handlungs-, prozess- und betreibungsfähig: In Bezug auf Fragen der gemeinschaftlichen Verwaltung ist sie geschäfts- und deliktsfähig und kann im Prozess und in der Zwangsvollstreckung wie eine selbständige Rechtsträgerin behandelt werden.117

1056

Damit die Gemeinschaft in eigenem Namen klagen kann, muss neben der Prozessfähigkeit auch ihre Aktivlegitimation gegeben sein; die Gemeinschaft muss mit anderen Worten berechtigt sein, den fraglichen Anspruch geltend zu machen. Das ist im Bereich der gemeinschaftlichen Verwaltung der Fall.118 1057

2.

lungs-, prozess-, betreibungs- und vermögensfähig ist, keine unmittelbare (neben der Gemeinschaft vorhandene) Haftung der einzelnen Stockwerkeigentümer besteht.119

VII. Die Organisation 1058

Das Gesetz stellt in den Art. 712m–712t ZGB Bestimmungen über die Organisaden Stockwerkeigentümern die Möglichkeit zu geben, ihre Organisationsstruktur den jeweiligen Verhältnissen anzupassen:120 – Zwingend vorgeschrieben ist die Versammlung der Stockwerkeigentümer («l’assemblée des propriétaires d’étages»; nachfolgend 1.). – In der Regel steht der Versammlung ein Verwalter («l’administrateur»; nachfolgend 2.) zur Seite, der alle Exekutivfunktionen übernimmt. Seine Bestellung ist nicht obligatorisch, nach Art. 712q ZGB kann jedoch jeder Stockwerkeigentümer und jeder Dritte, der ein berechtigtes Interesse daran hat, die Ernennung durch das Gericht verlangen, wenn die Stockwerkeigentümerversammlung keinen Verwalter bezeichnet.

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116 117

118 119

120

Vgl. etwa die Vorschläge von a médéo WeRmelingeR, Das Stockwerkeigentum de lege ferenda, in: Amédéo Wermelinger/Walter Fellmann (Hrsg.), Luzerner Tag des Stockwerkeigentums 2012, Bern 2012, S. 187 ff. (200 ff.); nicola h aaS (zitiert in Nr. 1069), Nr. 570 f. und 607. – Zu den Folgen hinsichtlich der Stadtentwicklung vgl. david düRR /a ndReaS baumann, Langzeitprobleme des Stockwerkeigentums aus der Sicht der Gemeinden – öffentlichrechtliche und privatrechtliche Ansätze, ZBGR 97/2016, S. 297 ff. BGE 142 III 551 ff. (553), E. 2.2. m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 46 zu Art. 712l ZGB. Zur Legitimation einer Stockwerkeigentümergemeinschaft, gegen ein Bauprojekt auf dem benachbarten Grundstück Einsprache und (nach deren Abweisung) Beschwerde zu führen, vgl. BGer 1C_423/2011, E. 2.2. BGE 142 III 551 ff. (553), E. 2.2; BGer 4A_242/2016, E. 5 (nicht publiziert in BGE 142 III 623 ff.). BGer vom 26. November 1998, in ZBGR 83/2002, S. 153 ff. (155), E. 2 = ZWR 34/2000, S. 169 ff.; BGE 119 II 404 ff. (409 f.), E. 6. Bezüglich der Schranken der Gestaltungsfreiheit vgl. R ey, Band I, Nr. 873 ff.

§ 19 Das Stockwerkeigentum

299

Passivlegitimiert bei der Klage auf Bestellung eines Verwalters ist die Stockwerkeigentümergemeinbesteht.121

– Ausserdem gibt das ZGB der Versammlung die Möglichkeit, einen Ausschuss («un comité») oder einen Abgeordneten («un délégué») zu wählen, dem Verwaltungsangelegenheiten wie die Beratung des Verwalters übertragen werden können (Art. 712m Abs. 1 Ziff. 3 ZGB).

1.

Die Versammlung der Stockwerkeigentümer (Art. 712m ff. ZGB)

Das Gesetz regelt die Stockwerkeigentümerversammlung in den Art. 712m–712p ZGB. Folgende Punkte seien herausgegriffen:

1059

1. Die Versammlung ist das oberste «Organ» der Gemeinschaft (der Begriff «Organ» wird hier untechnisch verwendet, da der Stockwerkeigentümergemeinschaft ja keine Rechtspersönlichkeit zukommt). Sie dient hauptsächlich der Willensbildung.122

1060

2. Art. 712m Abs. 1 ZGB stellt (nicht abschliessend) einen Katalog von Kompetenzen auf. Wichtig ist vor allem die Entscheidungsbefugnis der Versammlung in allen Verwaltungsangelegenheiten, die nicht dem Verwalter zustehen (Art. 712m Abs. 1 Ziff. 1 ZGB).123

1061

Versammlung der Stockwerkeigentümer (und auf den Ausschuss) die Vorschriften über die Organe des Vereins und über die Anfechtung von Vereinsbeschlüssen Anwendung. So richten sich mangels besonderer Reglementsvorschriften die Art der Beschlussfassung nach Art. 66 ZGB (wonach Beschlüsse zu ihrer Wirksamkeit protokolliert werden müssen),124 das Erfordernis einer Traktandierung nach Art. 67 Abs. 3 ZGB125 und die Ausschliessung vom Stimmrecht nach Art. 68 ZGB126. Als Rechtsgeschäfte im Sinn von Art. 68 ZGB sind etwa die Beschlüsse auf Leistung einer Entlöhnung für die Tätigkeit als Verwalter und die Bestellung eines Hauswarts anzusehen, während die Wahl eines Verwalters demgegenüber einen internen Verwaltungsakt darstellt, welcher der Beschränkung von Art. 68 ZGB nicht unterliegt.127 unter anderem in Art. 712g ZGB128 (dazu vorne Nr. 1040 ff.).

121 122

123 124

125 126

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128

BGer 5C.27/2003, E. 2 = ZBGR 85/2004, S. 430 ff. = Pra 93/2004, Nr. 39, S. 210 ff. m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 12 zu Art. 712m ZGB; ähnlich WeRmelingeR, ZüKomm, N 10 zu Art. 712m ZGB. Vgl. auch BGE 127 III 506 ff. (509), E. 3a. BGE 127 III 506 ff. (510), E. 3b; 136 III 261 ff. (268), E. 4.3. – Zur Protokollierung vgl. R aPhaël h aaS, Fallstricke bei der Protokollierung der Stockwerkeigentümerversammlung, in: Amédéo Wermelinger (Hrsg.), Luzerner Tag des Stockwerkeigentums 2014, Bern 2014, S. 23 ff. BGer 5A_760/2011, E. 3.2.3.2. BGE 134 III 481 ff. (485 f.), E. 3.4; bestätigt in BGer 5A_709/2010, E. 4 (Obliegenheit, Ausstandsgründe unverzüglich nach ihrem Bekanntwerden zu rügen); 5A_198/2014, E. 5.3.4; ähnlich schon wonach Formfehler (in casu: unvollständige Traktandierung) im Blick auf Art. 2 ZGB umgehend (in casu vor der Beschlussfassung) beanstandet werden müssen. WeRmelingeR, ZüKomm, N 129 und 154 ff. zu Art. 712m ZGB. BGer 5C.110/2001, E. 2a = ZBGR 86/2005, S. 251 ff.

300 1062

1062a

Das Grundeigentum

3. Aus dem soeben zitierten Art. 712m Abs. 2 ZGB ergibt sich, dass die Beschlüsse der Versammlung angefochten werden können.129 Die Norm verweist dazu auf Art. 75 ZGB.130 Die Anfechtung hat demnach mittels Klage zu erfolgen, die binnen Monatsfrist nach Kenntnisnahme vom fraglichen Beschluss einzureichen ist.131 Mit der Klage kann geltend gemacht werden, der angefochtene Beschluss verletze das Gesetz oder die autonom gesetzte Ordnung (namentlich Begründungsakt und Reglement132); nicht gerichtlich überprüfbar sind demgegenüber die Fragen der Angemessenheit und Zweckmässigkeit eines Beschlusses.133 Die Anfechtungsklage ist eine Gestaltungsklage; wird sie gutgeheissen, so gelten die vom Gericht getroffenen Anordnungen rückwirkend und gegenüber jedermann.134 Die Aktivlegitimation für die Anfechtung kommt dem einzelnen Stockwerkeigentümer zu, sofern er dem Beschluss nicht zugestimmt hat.135 Passivlegitimiert ist die Stockwerkeigentümergemeinschaft, die insoweit beschränkt prozessfähig ist.136 Fehlerhafte Beschlüsse der Stockwerkeigentümerversammlung sind also anfechtbar. Dies gilt auch dann, wenn einem bestimmten Beschluss keine (gehörige) Traktandierung vorausgeht.137 Ausnahmsweise kann ein Beschluss – wie im Vereinsrecht – geradezu nichtig sein, etwa dann, wenn er gegen mentalnormen verstösst.138 Die Nichtigkeit kann grundsätzlich von jedermann ohne Wahrung einer bestimmten Frist geltend gemacht werden und ist von den rechtsanwendenden Behörden von Amtes wegen zu beachten; sie ist jedoch ihrerseits durch das Rechtsmissbrauchsverbot beschränkt.139 – Die Rechtshängigkeit der Klage wird mit Einreichen des Schlichtungsgesuchs begründet (Art. 62 Abs. 1 und Art. 197 ff. ZPO). Führt das Schlichtungsverfahren zu keiner Einigung, muss die Klage nach Art. 209 Abs. 3 ZPO innerhalb von drei Monaten nach Eröffnung der Klagebewilligung eingereicht werden. Art. 209 Abs. 4 ZPO (zweiter Satz), der besondere gesetzliche Klagefristen vorbehält, bezieht sich ausschliesslich auf Fristen prozessualer Natur und gilt damit nicht für Art. 75 ZGB.140

1062b

4.

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131 132 133

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139 140

Vgl. dazu auch luca tenchio, Die Anfechtung von Versammlungsbeschlüssen: Prozessuale Fragen für den Stockwerkeigentümer, die Gemeinschaft und den Verwalter, in: Amédéo Wermelinger (Hrsg.), Luzerner Tag des Stockwerkeigentums 2015, Bern 2015, S. 131 ff. m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 126 ff. zu Art. 712m ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 1319 ff.; WeRmelingeR , ZüKomm, N 132 und 199 ff. zu Art. 712m ZGB; luKaS h andSchin/m ichael Wyttenbach (zitiert in Nr. 1069), S. 79 ff. Vgl. auch BGE 140 III 561 ff. (562), E. 2.1. BGE 127 III 506 ff. (511), E. 3c. – Zur Berechnung des Streitwerts vgl. BGE 140 III 571 ff. BGE 131 III 459 ff. (465), E. 5.4.4; m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 128 zu Art. 712m ZGB. BGE 131 III 459 ff. (461), E. 5.1, wo E. 5.3 klarstellt, dass mit «Gesetz» die gesamte Rechtsordnung gemeint ist, unter Einschluss der aus Art. 2 ZGB abgeleiteten Grundsätze. BGer 5C.246/2005, E. 2.1 = ZBGR 88/2007, S. 371 ff. m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 136 zu Art. 712m ZGB. Vgl. auch BGE 134 III 481 ff. (488), E. 3.9, wonach die Nichtteilnahme an einer Versammlung der Berufung auf Art. 68 ZGB nicht entgegensteht. BGE 119 II 404 ff. (408), E. 5; BGer 5C.246/2005, E. 2.1 = ZBGR 88/2007, S. 371 ff. BGE 136 III 174 ff. (177), E. 5.1.2 mit dem Hinweis, dass Formfehler im Blick auf Art. 2 ZGB umgehend (und vor der Beschlussfassung) beanstandet werden müssen. BGer 5A_760/2011, E. 3.2.3.1; 5A_768/2015, E. 2.2; ZBJV 150/2014, S. 543 ff. (549), E. 4.2.1 (Bezirksgericht Leuk). Beispiel für Nichtigkeit: BGer 5A_198/2014, E. 5.3.3, 5.3.4 und 5.4 (bewusstes Nichteinladen bestimmter Stockwerkeigentümer zur Versammlung). Im Einzelnen m eieR-h ayoz/ R ey, BeKomm, N 146 ff. zu Art. 712m ZGB; WeRmelingeR, ZüKomm, N 208 ff. zu Art. 712m ZGB; SteinaueR, Band I, Nr. 1319 f.; h anS michael R iemeR (zitiert in Nr. 1069), Nr. 251 ff. BGer 5C.143/2006, E. 2 = ZBGR 88/2007, S. 367 ff. Vgl. auch BGer 5A_198/2014, E. 5.3.2. BGE 140 III 561 ff.; bestätigt in BGer 5A_771/2014, E. 2.

§ 19 Das Stockwerkeigentum

301

in verfahrensrechtlicher Hinsicht das Gleichbehandlungsgebot und den Schutz von Minderheiten gewährleisten sollen»;141 kein auf den Inhalt der Beschlüsse bezogenes allgemeines Gleichbehandlungsgebot.142

2.

Der Verwalter (Art. 712q ff. ZGB)

Das Gesetz stellt in den Art. 712q–712t ZGB Bestimmungen über den Verwalter auf.

1063

1. Der Verwalter ist gewissermassen die «Exekutive»; ihm kommt faktisch eine erhebliche Bedeutung zu:

1064

– Er führt nach Art. 712s ZGB die Beschlüsse der Stockwerkeigentümerversammlung über die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Grundstücks aus, verteilt die gemeinschaftlichen Kosten und Lasten, zieht die Beiträge ein und besorgt die Verwaltung und bestimmungsgemässe Verwendung der vorhandenen Geldmittel. Im Weiteren wacht er über die Einhaltung der gesetzlichen und reglementarischen Vorschriften sowie der Hausordnung; falls nötig, kann er das Gericht anrufen143 (zum Erfordernis einer Ermächtigung sogleich Nr. 1066).

1065

– Nach Art. 712t Abs. 1 ZGB vertritt er die Gemeinschaft und die Stockwerkeigentümer in den Angelegenheiten der gemeinschaftlichen Verwaltung, die ihm nach Art. 712s ZGB zukommen, nach aussen. Für Zivilprozesse ausserhalb des summarischen Verfahrens bedarf er allerdings einer vorgängigen Ermächtigung durch die Versammlung der Stockwerkeigentümer. In dringenden Fällen kann die Ermächtigung jedoch nachgeholt werden (Art. 712t Abs. 2 ZGB).

1066

Erklärungen, Aufforderungen, Urteile und Verfügungen, die an die Stockwerkeigentümer insgesamt gerichtet sind, können nach Abs. 3 der Norm durch Zustellung an den Verwalter rechtswirksam mitgeteilt werden. Zustellungsdomizil ist der Wohnsitz des Verwalters oder der Ort der gelegenen Sache.

2. Der Verwalter wird von der Versammlung der Stockwerkeigentümer bestellt und beaufsichtigt (Art. 712m Abs. 1 Ziff. 2 ZGB). Wie bereits erwähnt (vorne Nr. 1058), hat jeder Stockwerkeigentümer und jeder Dritte, der daran ein Interesse hat, nach Art. 712q ZGB das Recht, die Ernennung durch das Gericht zu verlangen, wenn die Versammlung keinen Verwalter bezeichnet. Gemäss Art. 712r Abs. 1 ZGB kann die Versammlung den Verwalter (mit einfacher Mehrheit144) jederzeit abberufen; vorbehalten bleiben allfällige Entschädigungsansprüche. Nach Abs. 2 kann jeder Stockwerkeigentümer binnen Monatsfrist die Abberufung durch das Gericht verlangen, wenn die Versammlung die Abberufung ablehnt, obwohl wichtige Gründe dafür vorliegen;145 passivlegitimiert ist

141 142

143 144 145

BGE 131 III 459 ff. (462 f.), E. 5.3. BGE 131 III 459 ff. (462 f.), E. 5.3. Zum Ganzen auch R egina e. a ebi-mülleR (zitiert in Nr. 1069), S. 19 ff. BGer 5A_640/2012, E. 4.2; 5A_816/2012, E. 3.2. BGE 131 III 297 ff. (298), E. 2.3.1. Dazu BGE 126 III 177 ff.; 127 III 534 ff. (536 f.), E. 3; BGer 5C.204/2004, E. 2; BGE 131 III 297 ff. (298 f.), E. 2.3 (mit Hinweisen auf die Formalien); BGer 5A_795/2012, E. 2.3. Zum Ganzen ausführlich WeRmelingeR, ZüKomm, N 42 ff. zu Art. 712r ZGB.

1067

1068

302

Das Grundeigentum

die Stockwerkeigentümergemeinschaft.146 Ein vom Gericht eingesetzter Verwalter kann ohne gerichtliche Bewilligung nicht vor Ablauf der vorgesehenen Zeit abberufen werden (Art. 712r Abs. 3 ZGB).147 Ob ein wichtiger Grund vorliegt, hat das Gericht nach Recht und Billigkeit (Art. 4 ZGB) – in objek148

Wichtige Gründe für die Abberufung liegen nach der wiederkehrenden Formel des Bundesgerichts dann vor, «wenn einem Stockwerkeigentümer die Fortsetzung des Verwaltungsverhältnisses nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann, weil das diesem Rechtsverhältnis immanente Vertrauensverhältnis fehlt bzw. zerstört worden ist».149 reichen dazu nicht aus.150 1068a

3. Seit dem 1. Januar 2012 kann der Verwalter im Grundbuch angemerkt werden (Art. 962a Ziff. 5 ZGB). Auch wenn die Anmerkung nur deklaratorisch wirkt, wird hierdurch die Publizität des Vertretungsverhältnisses verbessert.151 Die Anmerkung hat zur Folge, dass das Grundbuchamt Anzeigen, die es gemäss Art. 969 ZGB der Stockwerkeigentümergemeinschaft machen muss, rechtsgültig an die angemerkte Person richten kann.152

VIII. 1069

Weiterführende Literatur

– aebi-mülleR R egina e., Minderheitenschutz in der Stockwerkeigentümergemeinschaft, in: Aebi-Müller Regina E. et al. (Hrsg.), Luzerner Tag des Stockwerkeigentums 2011, Bern 2011, S. 19 ff. – amonn KuRt, Das Stockwerkeigentum in der Zwangsvollstreckung, BlSchK 32/1968, S. 1 ff. – baadeR-Schüle K ezia, Die Nutzniessung an einem Stockwerkanteil, in: Wermelinger Amédéo/Fellmann Walter (Hrsg.), Luzerner Tag des Stockwerkeigentums 2012, Bern 2012, S. 53 ff. – dieSelbe, Praktische Probleme der Nutzniessung an Stockwerkeigentums-Anteilen, Diss. Zürich 2006. – baumann max, Entscheidungen über notwendige, nützliche und luxuriöse Bauten in der Stockwerkeigentümergemeinschaft eines Apparthotels, in: Honsell Heinrich et al. (Hrsg.), Aktuelle Aspekte des Schuld- und Sachenrechts, FS für Heinz Rey, Zürich 2003, S. 3 ff. – bRogli eduaRd, Das intertemporale Stockwerkeigentumsrecht der Schweiz am Beispiel des Kantons Wallis, Diss. Freiburg 1985 (AISUF Band 67).

146

147 148 149

150

151 152

BGE 119 II 404 ff. (408), E. 5. Zum Sonderfall, dass die Gemeinschaft nur aus zwei Mitgliedern besteht, vgl. BGer 4A_8/2014, E. 2.3. Zur Rechtsstellung des Verwalters vgl. m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 34 ff. zu Art. 712q ZGB. BGE 126 III 177 ff. (178), E. 2a; BGer 5A_616/2009, E. 4.1 = ZBGR 92/2011, S. 341 f. BGer 5A_616/2009, E. 4.2 = ZBGR 92/2011, S. 341 f., mit Hinweis u.a. auf BGE 127 III 534 ff. (536 f.), E. 3. BGer 5A_616/2009, E. 4.2 = ZBGR 92/2011, S. 341 f., mit Hinweis u.a. auf BGE 127 III 534 ff. (536 f.), E. 3. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5333 f. Vgl. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5334.

§ 19 Das Stockwerkeigentum

303

– FRiedRich hanS-PeteR, Stockwerkeigentum und Grundbuch, ZBGR 45/1964, S. 321 ff. (zitiert: FRiedRich, Stockwerkeigentum und Grundbuch). – deRSelbe, Rechtsprobleme bei Appart-Hotels auf der Basis von Stockwerkeigentum, BN 44/1983 (1982–84), S. 169 ff. (zitiert: FRiedRich, Rechtsprobleme bei Appart-Hotels). – deRSelbe, Hat sich das Stockwerkeigentum bewährt?, ZBGR 67/1986, S. 65 ff. (zitiert: FRiedRich, Hat sich das Stockwerkeigentum bewährt?). – haaS nicola, Der Sonderrechtsgegenstand im System des Stockwerkeigentumsrechts – unter besonderer Berücksichtigung der Umbauproblematik, Zürcher Diss., Zürich/Basel/Genf 2015 (Zürcher Studien zum Privatrecht, Band 265). handSchin luKaS/Wyttenbach michael, Der Beschluss der Stockwerkeigentümerversammlung und seine Anfechtung, in: Aebi-Müller Regina E. et al. (Hrsg.), Luzerner Tag des Stockwerkeigentums 2011, Bern 2011, S. 45 ff. – hüRlimann-K auP bettina, Die Verwaltungshandlungen im Stockwerkeigentum, in: Wermelinger Amédéo (Hrsg.), Luzerner Tag des Stockwerkeigentums 2013, Bern 2013, S. 1 ff. (zitiert: hüRlimann-K auP, Verwaltungshandlungen). – dieSelbe, Neuerungen beim Miteigentum und beim Stockwerkeigentum, in: Wolf Stephan (Hrsg.), Revision des Immobiliarsachenrechts, Bern 2011, S. 71 ff. (zitiert: hüRlimann-K auP, Neuerungen). – KolleR alFRed, Wesen und Strukturen des schweizerischen Stockwerkeigentums, AJP 2004, S. 933 ff. – liveR, SPR V/1, S. 87 ff. – deRSelbe, Das Miteigentum als Grundlage des Stockwerkeigentums, in: Gedächtnisschrift Ludwig Marxer, Zürich 1963, S. 143 ff. (zitiert: liveR, Das Miteigentum). – meieR-hayoz/R ey, BeKomm, N 1 ff. der Vorbem. zu Art. 712a–712t ZGB sowie Kommentar zu Art. 712a–712t ZGB. – möcKli uRS, Wenn der Pleitegeier über’m Stockwerk kreist – Stockwerkeigentum und SchKG, in: Wermelinger Amédéo (Hrsg.), Luzerner Tag des Stockwerkeigentums 2014, Bern 2014, S. 53 ff. – neF uRS ch., Die nachträgliche Änderung des Aufteilungsplans bei Stockwerkeigentum, ZBGR 82/2001, S. 1 ff. – PFäFFli Roland, Die Zuweisung von Autoeinstellplätzen und deren Sicherung im

– –





Notare, Langenthal 2003, S. 371 ff. Piccinin valentin, La propriété par étages en procès, Freiburger Diss., Zürich/ Basel/Genf 2015 (AISUF Band 354). Piotet deniS et sa transposition dans la propriété par étages, in: Ziegler Andreas R./Kuffer Julie (Hrsg.), Les Minorités et le Droit/Minorities and the Law, Mélanges en l’honneur du Professeur Barbara Wilson/Liber Amicorum for Professor Barbara Wilson, Genf/ Zürich 2016 (Recherches juridiques lausannoises, Band 60), S. 237 ff. R aSchein uRS, Die Rechtsausübung der Stockwerkeigentümergemeinschaft mit besonderer Berücksichtigung von Gewährleistungsansprüchen und des Sonderfalles Aparthotel, Diss. Zürich 1996. R ey heinz, Strukturen des Stockwerkeigentums, ZSR 114/1980 I, S. 249 ff.

304

Das Grundeigentum

– R iemeR hanS michael, Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage im schweizerischen Gesellschaftsrecht (AG, GmbH, Genossenschaft, Verein, Stockwerkeigentümergemeinschaft) – Eine materiell- und prozessrechtliche Darstellung, Bern 1998. – Schmid JöRg, Stockwerkeigentum – Der Einzelne und die Gemeinschaft, Baurechtstagung Freiburg 2001, S. 29 ff. (zitiert: Schmid, Baurechtstagung 2001). – deRSelbe Baurechtstagung Freiburg 2005, S. 33 ff. (zitiert: Schmid, Baurechtstagung 2005). – Schmid JöRg/WolFeR Simon, Besondere Nutzungsrechte im Stockwerkeigentum, in: Girsberger Daniel/Luminati Michele (Hrsg.), ZGB gestern – heute – morgen, FG zum Schweizerischen Juristentag 2007, Zürich 2007 (LBR Band 20), S. 225 ff. – Schmid JüRg, Formelle Aspekte der Willensäusserungen bei Miteigentum und Stockwerkeigentum, ZBGR 88/2007, S. 439 ff. (zitiert: Schmid, Formelle Aspekte). – deRSelbe, Neuerungen beim Miteigentum und Stockwerkeigentum, Neue Anmerkungen, ZBGR 91/2010, S. 372 ff. (zitiert: Schmid, Neuerungen beim Miteigentum). – Schmid-tSchiRRen chRiStina, Der Ausschluss aus privatrechtlichen Personenvereinigungen, insbesondere aus dem Verein und aus der Stockwerkeigentümergemeinschaft, recht 2006, S. 130 ff. – SchumacheR RaineR, Bauhandwerkerpfandrecht und Stockwerkeigentum: eine besondere Herausforderung an den Grundbuchverwalter, ZBGR 95/2014, S. 1 ff. – deRSelbe, Stockwerkeigentum und Bauhandwerkerpfandrecht: Komplexitätsfallen, in: Wermelinger Amédéo (Hrsg.), Luzerner Tag des Stockwerkeigentums 2013, Bern 2013, S. 65 ff. – deRSelbe, Die Mängelrechte des Käufers von Stockwerkeigentum – gesteigerte Komplexität, BR/DC 1994, S. 3 ff., und 1995, S. 74 f. – Stadlin maRKuS W./olano oScaR, Stockwerkeigentum am Baurecht – Regelung der Heimfallentschädigung im Allgemeinen und im Speziellen bezüglich «gemischt» genutzter Sonderrechtseinheiten, AJP 2006, S. 542 ff. – SteinaueR Paul-henRi, Questions choisies en rapport avec la propriété par étages, ZWR 25/1991, S. 285 ff. – StRittmatteR R eto, Ausschluss aus Rechtsgemeinschaften – Mit- und Stockwerkeigentümergemeinschaft, Kollektiv-, Kommandit- und einfache Gesellschaft, Erbengemeinschaft und Gemeinderschaft, Diss. Zürich 2002. – SutteR-Somm, Nr. 290 ff. – thuRnheRR chRiStoPh, Bauliche Massnahmen bei Mit- und Stockwerkeigentum, Grundlagen und praktische Probleme, Diss. Zürich 2010. – von SegeSSeR adRian, Stockwerkeigentum an Baurechtsparzellen, Basler Diss. 1997, Zürich (ohne Jahr). – WeRmelingeR-de gottRau amédéo, L’utilisation de l’unité d’étage dans un immeuble en propriété par étages, Diss. Freiburg 1992 (zitiert: WeRmelingeR, L’utilisation de l’unité d’étage). – deRSelbe, La propriété par étages «jumelée»: créativité admissible de la pratique?, ZBGR 87/2006, S. 369 ff. (zitiert: WeRmelingeR, La propriété par étages «jumelée»).

§ 19 Das Stockwerkeigentum

305

– deRSelbe, Vorgeschlagene Änderungen des Mit- und Stockwerkeigentums, ZBGR 88/2007, S. 321 ff. (zitiert: WeRmelingeR, Vorgeschlagene Änderungen). – deRSelbe (zitiert: WeRmelingeR, La vente d’une part-terrain). – deRSelbe, Die Verlängerung des Baurechts bei Stockwerkeigentum, in: Rumo-Jungo Paul-Henri Steinauer, Bern 2013, S. 663 ff. (zitiert: WeRmelingeR, Verlängerung). – WiRz PaScal, Das Sondernutzungsrecht im Stockwerkeigentum – Inhaltliche Unterschiede zum Sonderrecht, recht 2015, S. 32 ff. (zitiert: WiRz, Sondernutzungsrecht). – deRSelbe, Schranken der Sonderrechtsausübung im Stockwerkeigentum, Diss. Zürich 2008 (zitiert: WiRz, Diss.). – zobl dieteR, Rechtsfragen zur Sondernutzung an Autoabstellplätzen bei Stockwerkeigentum, in: FS Jacques-Michel Grossen, Basel 1992, S. 285 ff.

IX. Fälle 1. BGE 132 III 9 ff. Natur und Begründung von Stockwerkeigentum; Tragweite des Aufteilungsplans; Streit zwischen zwei Stockwerkeigentümern betreffend einen Raum, den beide als in ihrem Sonderrecht enthalten betrachten. 2. BGE 116 II 275 ff. Es ist zulässig, reglementarische Bestimmungen zu erlassen, die die Benutzung bestimmter gemeinschaftlicher Teile gewissen Miteigentümern vorenthalten. – Veräussert jemand einen Miteigentumsanteil, mit dem nach Reglement die Berechtigung zur Benutzung eines zum gemeinschaftlichen Teil gehörenden Raumes verbunden ist, so verfügt er über ein eigenes Recht. Die Benutzung dieses Raumes ist wertmässig in diesem Anteil enthalten. Da die Zweckbestimmung der Sache und die Miteigentumsanteile nicht verändert werden, ist die Einwilligung der Beteiligten bzw. der Versammlung der Stockwerkeigentümer nicht erforderlich. 3. BGE 106 II 183 ff. Gesetzlicher Anspruch der Stockwerkeigentümergemeinschaft auf Errichtung eines Pfandrechts nach Art. 712i ZGB als Realobligation. 4. BGE 114 II 239 ff. Partei- und Prozessfähigkeit sowie Aktivlegitimation der Stockwerkeigentümergemeinschaft im Prozess über Gewährleistungsansprüche wegen Mängeln an gemeinschaftlichen Bauteilen (Art. 712l Abs. 2 ZGB). 5. BGE 142 III 551 ff. Prozessfähigkeit und Aktivlegitimation der Stockwerkeigentümergemeinschaft im Prozess über eine Grunddienstbarkeit am Stammgrundstück («actio confessoria»): Es muss im konkreten Einzelfall entschieden werden, ob die gemeinschaftliche Verwaltungstätigkeit betroffen ist (Frage in casu bejaht; subsidiäre Verfassungsbeschwerde).

1070

306

Das Grundeigentum

6. BGE 122 III 145 ff. (= Pra 85/1996, Nr. 238, S. 931 ff.) Sondernutzungsrechte an Parkplätzen im Freien. 7. BGE 139 III 1 ff. (= ZBGR 95/2014, S. 418 ff.) Voraussetzungen, unter denen das Reglement die Nutzung von in Sonderrecht stehenden Teilen einschränken darf. 8. BGE 130 III 441 ff. (vgl. auch BGE 130 III 450 ff.) Apparthotelanlage; Änderung der Zweckbestimmung der Sache? (Art. 648 Abs. 2 ZGB); bauliche Massnahmen beim Stockwerkeigentum (Art. 712g i.V.m. Art. 647c ff. ZGB). 9. BGE 134 III 481 ff. Anfechtung von Beschlüssen der Stockwerkeigentümerversammlung; Ausschluss vom Stimmrecht (Art. 712m Abs. 2 i.V.m. Art. 68 ZGB). 10. BGE 126 III 177 ff. (vgl. auch BGE 127 III 534 ff.; BGer 5A_616/2009 = ZBGR 92/2011, S. 341 f.) Abberufung des Verwalters aus wichtigem Grund.

§ 20 Der Gegenstand des Fahrniseigentums

307

3. Abschnitt: Das Fahrniseigentum (Art. 713–729 ZGB) Im Titel über das Fahrniseigentum («De la propriété mobilière») regelt das ZGB folgende Fragen:

1071

– den Gegenstand («Objet de la propriété mobilière»; Art. 713 ZGB); – die Erwerbsarten («Modes d’acquisition»; Art. 714–728 ZGB); und – den Verlust («Perte de la propriété mobilière»; Art. 729 ZGB). Für den Inhalt und die Beschränkungen des Fahrniseigentums muss auf die allgemeine Regel von Art. 641 ZGB (vorne Nr. 657 ff.) zurückgegriffen werden, da das Gesetz – anders als beim Grundeigentum – keine besonderen Bestimmungen dafür aufstellt. Auf das gemeinschaftliche Eigentum an Fahrnissachen sind die Art. 646–654 ZGB anwendbar (vorne Nr. 713 ff.), soweit sie sich nicht ausschliesslich auf Grundstücke beziehen.

1072

§ 20 Der Gegenstand des Fahrniseigentums Einführende Literatur: – R ey, Band I, Nr. 140 ff. (und Nr. 86 ff.). – SteinaueR, Band II, Nr. 1971 ff. (und Band I, Nr. 58 ff. und 114 ff.). – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 103 N 1 f.

1073

Gemäss Art. 713 ZGB sind Gegenstand des Fahrniseigentums die ihrer Natur nach beweglichen körperlichen Sachen (I.) sowie die Naturkräfte, die der rechtlichen Herrschaft unterworfen werden können und nicht zu den Grundstücken gehören (II.). Zu beachten bleiben allerdings Sonderfälle für bestimmte Bereiche (III.). Anschliessend ist auf weiterführende Literatur hinzuweisen (IV.).

1074

Eine parlamentarische Initiative (Nr. 14.434 vom 20. Juni 2014) verlangt zum Schutz der digitalen Identität von Bürgerinnen und Bürgern unter anderem, Art. 13 BV über den Schutz der Privatsphäre in Abs. 2 wie folgt zu ergänzen: «Die Daten sind Eigentum der betreffenden Person». Die Staatspolitischen Kommissionen der beiden Räte haben die Initiative angenommen. Im Rahmen der Erarbeitung des Vorentwurfs zur Totalrevision des Datenschutzgesetzes wurde ein Eigentumsrecht an Daten zwar erörtert, insbesondere aber deshalb verworfen, weil kein anderes europäisches Land ein solches Recht kennt.1

1

Bundesamt für Justiz, Erläuternder Bericht zum Vorentwurf für das Bundesgesetz über die Totalrevision des Datenschutzgesetzes und die Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz vom 21. Dezember 2016, S. 24. Vgl. dazu auch FloRent thouvenin, Wem gehören meine Daten? Zu Sinn und Nutzen einer Erweiterung des Eigentumsbegriffs, SJZ 113/2017, S. 21 ff.; FloRent thouvenin/a lFRed FRüh /a lexandRe l ombaRd, Eigentum an Sachdaten: Eine Standortbestimmung, SZW 89/2017, S. 25 ff.; m aRtin ecKeRt, Digitale Daten als Wirtschaftsgut: Besitz und Eigentum an digitalen Daten, SJZ 112/2016, S. 265 ff.; gianni FRöhlich-bleuleR, Eigentum an Daten?, Jusletter vom 6. März 2017.

308

I. 1075

Das Fahrniseigentum

Die beweglichen körperlichen Sachen

1. Bewegliche Sachen («Mobilien») sind solche, die sich ohne wesentliche Substanzveränderung von einem Ort an einen anderen transportieren lassen (vgl. den französischen Gesetzestext: «les choses qui peuvent se transporter d’un lieu dans un autre»; ähnlich § 293 ABGB). Ob ein fester Körper (Buch, Schmuckstück, Stoff (Wein in einem Fass, komprimierte Luft) vorliegt, macht keinen Unterschied2 (zum Begriff der Sache vgl. vorne Nr. 4 ff.). Pro memoria: Bei Zugehör handelt es sich immer um bewegliche Sachen. Sie folgt jedoch – wenn keine Ausnahme gemacht wird – dem Schicksal der (beweglichen oder unbeweglichen) Hauptsache (Art. 644 Abs. 1 und Art. 805 Abs. 1 ZGB; vgl. vorne Nr. 707 ff.).

1076

2. Art. 713 ZGB spricht in der deutschen und der italienischen Fassung von «körperlichen» Sachen (vgl. auch vorne Nr. 7). Rechte können damit nicht Gegenstand des Fahrniseigentums sein.3 Das Gesetz lässt es hingegen zu, dass Rechte mit einer Nutzniessung oder einem Pfandrecht belastet werden (Art. 745 Abs. 1 und Art. 773 ff. ZGB; Art. 899 ff. ZGB). – Gewisse Rechte werden vom Gesetz als Grundstücke behandelt; Rechte können mit anderen Worten Gegenstand des Grundeigentums sein (Art. 655 Abs. 2 Ziff. 2–4 ZGB; vorne Nr. 418 ff.).

1077

3. Bestandteile eines Grundstücks sind nie bewegliche Sachen, da sie keine eigene rechtliche Existenz haben, sondern notwendigerweise dem Schicksal des Grundstücks folgen, mit dem sie verbunden sind. Damit fallen insbesondere nicht unter Art. 713 ZGB die natürlichen Früchte bis zu ihrer Trennung (Art. 643 Abs. 3 ZGB; ZGB; vorne Nr. 888 ff.). Vorbehalten bleiben immerhin die Fahrnisbauten und vorne Nr. 905 f. und 908).4 Auch die Bestandteile einer Mobilie sind keine (eigenen) beweglichen Sachen (Art. 642 Abs. 1 ZGB und vorne Nr. 701).

1078

4. Gemäss Art. 641a Abs. 1 ZGB sind Tiere keine Sachen. Doch gelten nach Abs. 2 der Norm die auf Sachen anwendbaren Vorschriften, soweit für Tiere keine besonderen Regelungen bestehen (vgl. vorne Nr. 6).

II. Die Naturkräfte 1079

1. Fahrniseigentum umfasst gemäss Art. 713 ZGB auch die rechtlich beherrschbaren Naturkräfte («les forces naturelles»). Gedacht ist namentlich an Energien hydraulischer, elektrischer, chemischer oder nuklearer Natur.5

2 3 4 5

SteinaueR, Band II, Nr. 1973. SteinaueR, Band II, Nr. 1975. SteinaueR, Band II, Nr. 1977. SteinaueR, Band I, Nr. 155; SchWandeR, BaKomm, N 8 zu Art. 713 ZGB.

§ 20 Der Gegenstand des Fahrniseigentums

309

Naturkräfte gelten aber nur dann als Mobilien, wenn sie nicht zu den Grundstücken gehören, wie etwa die Wasserrechtsverleihungen gemäss dem BG über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte vom 22. Dezember 1916 (Wasserrechtsgesetz, WRG)6; vgl. auch Art. 22 Abs. 1 lit. a Ziff. 2 GBV.

2. Die Regeln des Fahrniseigentums sind auf Grund der Besonderheiten der Naturkräfte allerdings nur analog anwendbar.7

1080

Immerhin betrachtet das Bundesgericht den Energielieferungsvertrag als Fahrniskauf.8

III. Sonderfälle In folgenden Bereichen sind Sonderregeln zu beachten:

1081

1. Bei gewissen Schiffen: Art. 713 ff. ZGB Anwendung (Beispiel: Veräusserung eines Segelschiffs). Diese Regeln passen allerdings schlecht für grosse Binnenschiffe und Meeresschiffe.9 Solche Schiffe unterstehen gemäss der Sondergesetzgebung ähnlichen Regeln wie die Grundstücke (BG über das Schiffsregister vom 28. September 192310; BG über die Seeschifffahrt unter der Schweizer Flagge vom 23. September 1953 [Seeschifffahrtsgesetz, SSG]11).

1082

In Stichworten: Zwang zur Aufnahme in ein Register, Schriftformerfordernis für den Veräusserungsvertrag.12

2. Bei Luftfahrzeugen, für die eine analoge Regelung wie bei Schiffen gilt:13 BG über die Luftfahrt vom 21. Dezember 1948 (Luftfahrtgesetz, LFG)14 und BG über das Luftfahrzeugbuch vom 7. Oktober 1959 (LBG)15.

1083

3. Bei Wertpapieren: An sich liegt zwar eine bewegliche Sache («ein Blatt Papier») vor. Der «Papierwert» selber ist aber gering. Es kommt vielmehr auf das im Papier verurkundete Recht an. Vorrang hat daher das Wertpapierrecht.16 Werden Wertpapiere zur Sammelverwahrung bei einer Verwahrungsstelle hinterlegt und einem Effektenkonto gutgeschrieben, entsteht eine Bucheffekte, also ein vertretbares Forderungs- oder Mitgliedschaftsrecht gegenüber dem Emittenten,

1084

6 7 8

9 10 11 12

13 14 15 16

SR 721.80. SteinaueR, Band II, Nr. 1987a; SutteR-Somm, Nr. 929. BGE 76 II 103 ff. (107), E. 5. Zur Änderung der Rechtslage infolge der Liberalisierung des Strommarktes mit Inkrafttreten des BG über die Stromversorgung (Stromversorgungsgesetz, StromVG) vom 23. März 2007 (SR 734.7) am 15. Juli 2007 vgl. michael WaldneR, Funktion und Rechtsnatur des Stromlieferungsvertrages im liberalisierten Strommarkt, AJP 2010, S. 1311 ff. BGE 118 Ib 60 ff. (61 f.), E. 1a; SteinaueR, Band II, Nr. 1980 ff. SR 747.11. SR 747.30. Vgl. auch die Richtlinie des Eidg. Amtes für Grundbuch- und Bodenrecht über die Aufnahme von Binnenschiffen ins Schiffsregister (Voraussetzung der Betriebsfähigkeit) vom 5. August 1996, ZBGR 77/1996, S. 341 ff., sowie den Nachtrag zur Richtlinie vom 6. August 1997, ZBGR 78/1997, S. 411 f. Vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 1981 ff. SR 748.0. SR 748.217.1. Vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 1982 f.

1084a

310

Das Fahrniseigentum

über das der Kontoinhaber nach den Vorschriften des BEG17 verfügen kann (vgl. Art. 2, 3 Abs. 1 sowie Art. 6 Abs. 1 lit. a und b BEG). Bei der Bucheffekte handelt es sich um ein Vermögensobjekt sui generis, das sowohl schuldrechtliche als auch sachenrechtliche Merkmale aufweist und funktional die Eigenschaften eines Wertpapiers hat.18 Da das Recht aber gerade nicht in einem Wertpapier (in einer Sache) verkörpert ist, kann im Zusammenhang mit der Bucheffekte nicht von Eigentum im sachenrechtlichen Sinn gesprochen werden. Mit der Gutschrift im Effektenkonto wird die bestehende sachenrechtliche Beziehung des Hinterlegers zu den Wertpapieren «sistiert»; sie lebt erst wieder auf, wenn die Verwahrungsstelle dem Kontoinhaber die Wertpapiere gestützt auf Art. 8 BEG ausliefert. Solange die Bucheffekte besteht, ist eine «rei vindicatio» der ihr zugrunde liegenden Wertpapiere deshalb nicht möglich.19 Die Übertragung der Bucheffekte erfolgt ausschliesslich gestützt auf die Normen des BEG (vgl. insbesondere Art. 24 BEG).20 Vgl. zum Schutz des gutgläubigen Erwerbers Art. 29 BEG und zur Rangfolge zwischen mehreren Verfügungen über Bucheffekten oder über Rechte an Bucheffekten Art. 30 BEG.

IV. Weiterführende Literatur 1085

– haab, ZüKomm, N 19 ff. und 44 ff. der Einleitung zum Sachenrecht (vor Art. 641 ZGB). – liveR, SPR V/1, S. 312 ff. – SutteR-Somm, Nr. 925 ff.

17

18 19

20

BG über Bucheffekten (Bucheffektengesetz, BEG) vom 3. Oktober 2008 (SR 957.1; in Kraft seit 1. Januar 2010); enthalten in der Textausgabe gauch /StöcKli, 51. A., Anhang XII B zum OR. Botschaft zum BEG, S. 9339 und 9345; emch /R enz/a RPagauS, Nr. 1138; Kuhn, § 26 N 20. BGE 138 III 137 ff. (139 f.), E. 5.2.1. Vgl. zu diesem Entscheid auch bettina hüRlimann-K auP, Die sachenrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2012, ZBJV 150/2014, S. 383 ff. (386 ff.). Vgl. zum Ganzen auch SteinaueR, Band II, Nr. 1982b ff.

§ 21 Erwerb und Verlust des Fahrniseigentums

311

§ 21 Erwerb und Verlust des Fahrniseigentums Einführende Literatur: – R ey, Band I, Nr. 1688 ff. und 2017 ff. – SteinaueR, Band II, Nr. 2005 ff. und 2127 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 103 N 3 ff.

1086

Das Gesetz regelt den Erwerb des Fahrniseigentums (I.) in Art. 714–728 ZGB, den Verlust (II.) in Art. 729 ZGB. In unserer Darstellung folgen Hinweise auf internationale Vereinheitlichungstendenzen (III.), auf weiterführende Literatur (IV.) und auf Fälle (V.).

1087

I.

Der Erwerb des Fahrniseigentums

Wie beim Besitzeserwerb (vorne Nr. 127 ff.) und beim Erwerb von Grundeigentum (vorne Nr. 838 ff.) ist auch beim Fahrniseigentum zwischen dem derivativen und dem originären Erwerb zu unterscheiden. Im ersten Fall stützt sich der neue Eigentümer auf die Übertragung des Eigentums durch den früheren Eigentümer. Im zweiten Fall leitet der neue Eigentümer sein Eigentum nicht von einem Vorgänger ab.

1088

Ausgeklammert bleiben im Folgenden die Sonderregeln, die für gewisse Schiffe, Luftfahrzeuge und Wertpapiere gelten (vorne Nr. 1081 ff.).

1.

Der derivative Eigentumserwerb

Der derivative Erwerb erfolgt regelmässig durch die Übertragung des Besitzes («tradition»; Art. 714–717 ZGB; nachfolgend A. und B.), in Ausnahmefällen ist er aber auch ohne Besitzübertragung möglich (C.).

A.

1089

Der Erwerb des Fahrniseigentums durch Besitzübertragung (oder deren Surrogate) im Allgemeinen

Zur Übertragung des Fahrniseigentums bedarf es gemäss Art. 714 Abs. 1 ZGB «des Überganges des Besitzes auf den Erwerber» («la mise en possession»). Das ist wie folgt zu präzisieren:

1090

1. Voraussetzung für den Eigentumserwerb ist zunächst einmal ein Rechtsgrund – obwohl der Wortlaut von Art. 714 ZGB davon nichts sagt.1 Dieser Rechtsgrund besteht regelmässig in einem (Modellfall: Kaufvertrag auf den Erwerber zu übertragen.

1091

1

BGE 126 IV 161 ff. (164), E. 3c.

312

Das Fahrniseigentum

Möglich ist allerdings auch ein Vermächtnis (was im Folgenden ausser Betracht bleibt).

gültig sein, darf also nicht an Mängeln (Formmängeln, Willensmängeln, Mängeln aus der fehlenden Handlungsfähigkeit einer Partei usw.) leiden (vgl. immerhin Art. 243 Abs. 3 OR). Dies folgt aus dem Kausalitätsprinzip, das in Art. 974 Abs. 2 ZGB für das Grundeigentum angeordnet ist, sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und der herrschenden Lehre aber auch auf das Fahrniseigentum bezieht2 (vorne Nr. 75).

1092

Fehlt es an einem gültigen Rechtsgrund, so geht das Eigentum nicht auf den «Erwerber» über, und der «Veräusserer» kann (unter Vorbehalt des Schutzes gutgläubiger Dritter, des Rechtsmissbrauchsverbots und der Ersitzung [hinten Nr. 1131 ff.]) die Sache vindizieren.3 Hat ein gültiger Rechtsgrund (Vertrag) ursprünglich bestanden, ist er jedoch nachträglich aufgehoben worden, so muss im Einzelfall geprüft werden, ob statt der Vindikation ein vertraglicher Rückabwicklungsanspruch gegeben ist. Dies wird vom Bundesgericht im Fall der Wandelung einer Kaufsache (Art. 205 und 208 OR) verneint,4 im Fall des Rücktritts vom Vertrag beim Schuldnerverzug hingegen bejaht.5 1093

2. Sodann muss der Besitz an der Sache gemäss Art. 714 Abs. 1 ZGB «übergehen», also übertragen werden.6 Dies geschieht durch Tradition oder durch ein Traditionssurrogat. Statt der effektiven Besitzübertragung sind nämlich grundsätzlich auch die entsprechenden Übertragungssurrogate des Besitzesrechts (vorne Nr. 150 ff.) zulässig,7 also: – Übertragung der offenen Besitzlage («longa manu traditio»); – Übertragung kurzer Hand («brevi manu traditio»); – Besitzanweisung; – Besitzeskonstitut («constitutum possessorium»). Für diesen letzten Fall muss immerhin Art. 717 ZGB beachtet werden: «Bleibt die Sache infolge eines besonderen Rechtsverhältnisses beim Veräusserer, so ist der Eigentumsübergang Dritten gegenüber unwirksam, wenn damit ihre Benachteiligung oder eine Umgehung der Bestimmungen über das Faustpfand beabsichtigt worden ist» (Abs. 1). «Das Gericht entscheidet hierüber nach seinem Ermessen» (Abs. 2).8 Zur Unzulässigkeit der unselbständigen Vindikationszession als Traditionssurrogat vgl. vorne Nr. 150 und 668.

2 3

4

5

6 7 8

Grundlegend BGE 55 II 302 ff. (306 ff.), E. 2; R ey, Band I, Nr. 1689 ff. und 1735 f. Vgl. mit Bezug auf einen Willensmangel ausführlich BGE 137 III 243 ff. (248 ff. und 251), E. 4.4.3 und E. 4.4.7. BGE 109 II 26 ff. (30), E. 3a: Rückfall des Eigentums auf den «Veräusserer» als Folge des Kausalitätsprinzips. Vgl. aber immerhin BGer 4C.60/2002, E. 1.3. Die herrschende Lehre zum OR bejaht hingegen die vertragliche Natur des Rückabwicklungsanspruchs bei der Wandelung; vgl. Schmid/ StöcKli /K RauSKoPF, Nr. 393 f.; guhl/KolleR, § 42 N 42; teRcieR /FavRe/zen-RuFFinen, Nr. 847. BGE 114 II 152 ff. (156 ff.), E. 2c–d: «Umwandlungstheorie»; vgl. auch BGE 137 III 243 ff. (247 ff.), E. 4.4; 132 III 242 ff. (244), E. 4.1; 130 III 504 ff. (512), E. 6.4. – Zum Ganzen siehe ausserdem gauch /SchlueP/Schmid, Nr. 1567 ff., und gauch /SchlueP/emmeneggeR, Nr. 2804 ff. mit zahlreichen Hinweisen. BGE 131 III 217 ff. (220), E. 4.1; BGer 5A_583/2012, E. 3.1.2. R ey, Band I, Nr. 1718 ff. Vgl. dazu ausführlich SteinaueR, Band II, Nr. 2020 ff.; R ey, Band I, Nr. 1727 f.

§ 21 Erwerb und Verlust des Fahrniseigentums

313

3. Umstritten ist, ob ausserdem noch eine sogenannte dingliche Einigung auf Eigentumsübertragung («le contrat réel») erforderlich ist.9 Ein Teil der Lehre bejaht das namentlich mit dem Argument, auf diesem Weg lasse sich eine vernünftige Begründung des Instituts des Eigentumsvorbehalts (nachfolgend B.) geben. Auch das Bundesgericht hat wiederholt das Vorliegen eines dinglichen Vertrags verlangt.10

B.

Der Erwerb unter Eigentumsvorbehalt im Besonderen

a.

Die wirtschaftliche Idee und die rechtlichen Grundlagen des Eigentumsvorbehalts

1. Wie oben dargelegt (Nr. 1090 ff.), geht mit der Übertragung des Besitzes auch das Eigentum an der Sache auf den Erwerber über, sofern ein gültiger Rechtsgrund vorliegt. Erfolgt die Bezahlung vereinbarungsgemäss erst nach Übertragung des Kaufgegenstands (Kreditkauf), so besteht für den Verkäufer namentlich im Fall des Konkurses des Käufers ein Verlustrisiko, da die Sache als Eigentum des Käufers in die Konkursmasse fällt und dem Verkäufer den anderen Gläubigern gegenüber kein Vorrecht daran zukommt.

1094

1095

Die Möglichkeit eines Pfandrechts an der verkauften Sache zur Sicherung der Forderung entfällt hier, da Art. 884 ZGB für die Bestellung eines Faustpfands zwingend verlangt, dass dem Fahrnispfandgläubiger der Besitz an der Pfandsache übertragen wird (hinten Nr. 1889 ff.) – während beim Kreditkauf der Kaufgegenstand ja sofort in den Besitz des Käufers übergeht. Ein besitzloses Fahrnispfand gibt es grundsätzlich nicht (Ausnahmen: Viehverschreibung nach Art. 885 ZGB, Schiffsund Flugzeugverpfändung sowie die Verpfändung von Bucheffekten nach der Spezialgesetzgebung; vgl. dazu hinten Nr. 1943 ff. und Nr. 1961a ff.).

Als Ausweg sieht Art. 715 f. ZGB das Institut des Eigentumsvorbehalts («le pacte de réserve de propriété») vor: Der Verkäufer behält sich bis zur Bezahlung des Kaufpreises das Eigentum an der verkauften Sache vor (und kann namentlich im Fall des Konkurses des Käufers die Sache als sein Eigentum beanspruchen). Der Verkäufer bleibt mit anderen Worten trotz der Besitzübertragung Eigentümer der verkauften Sache, bis der Kaufpreis vollständig bezahlt ist.

1096

Durch dieses Rechtsinstitut wird nun zwar der Verkäufer geschützt. Doch können durch die Anerkennung des Eigentumsvorbehalts Dritte geschädigt werden, wenn sie den Käufer als Eigentümer einer Sache – zum Beispiel eines Wagens der Luxusklasse – ansehen und ihn daher (zu Unrecht) für kreditwürdig halten. Wegen dieser Gefahr schreibt das Gesetz vor, dass der Eigentumsvorbehalt zu seiner Wirksamkeit in ein Register eingetragen werden muss.

1097

Praktische Bedeutung hat der Kauf unter Eigentumsvorbehalt besonders für Autos, Unterhaltungselektronik, Möbel, Musikinstrumente und Haushaltsgeräte.

9

10

Vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 2013 ff.; R ey, Band I, Nr. 1705 ff.; caRole van de Sandt (zitiert in Nr. 207), Nr. 85 ff.; thomaS SutteR-Somm, Dinglicher Vertrag und dingliche Einigung im schweizerischen Privatrecht, in: Daniel Girsberger/Michele Luminati (Hrsg.), ZGB gestern – heute – morgen, FG zum Schweizerischen Juristentag 2007, Zürich 2007 (LBR Band 20), S. 181 ff. Die Kontroverse ist im Wesentlichen terminologischer Natur; vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 2014a. Vgl. BGer 4A_314/2016 und 4A_320/2016, E. 4.1; 5A_583/2012, E. 3.1.2; 6B_994/2010, E. 5.3.3.2; 5C.170/2005, E. 2.2; BGE 114 II 45 ff. (51), E. 4e; 55 II 302 ff. (305), E. 1; wohl auch BGE 84 III 141 ff. (153 f.), E. 3.

314 1098

Das Fahrniseigentum

2. Als rechtliche Grundlagen des Eigentumsvorbehalts sind neben Art. 715 und 716 ZGB («sedes materiae») zu beachten: – die Verordnung des Bundesgerichtes betreffend die Eintragung der Eigentumsvorbehalte vom 19. Dezember 1910 (EigVV);11 – die Verordnung des Bundesgerichtes betreffend die Bereinigung der Eigentumsvorbehaltsregister vom 29. März 1939;12 – diverse Kreisschreiben des Bundesgerichts; – Art. 100 ff. IPRG für Sachverhalte mit Auslandbezug (insbesondere Art. 102 f.);13 – Art. 214 Abs. 3 und Art. 217 Abs. 2 OR; – Art. 10 lit. d des Bundesgesetzes über den Konsumkredit vom 23. März 2001 (KKG)14. b.

1099

Die Voraussetzungen für die Entstehung eines Eigentumsvorbehalts

Für die Entstehung eines Eigentumsvorbehalts sind erforderlich: – ein entgeltlicher Veräusserungsvertrag über eine bewegliche Sache, regelmässig ein Kreditkauf; Nach Art. 715 Abs. 2 ZGB ist ein Eigentumsvorbehalt beim Viehhandel ausgeschlossen. Stattdessen sieht das Gesetz für Vieh in Art. 885 ZGB ein Pfandrecht ohne Besitzübertragung (aber mit Eintragung in ein Verschreibungsprotokoll und Anzeige an das Betreibungsamt) vor (hinten Nr. 1943). Art. 217 Abs. 2 OR schliesst überdies die Eintragung eines Eigentumsvorbehalts beim Grundstückkauf aus.

– die Besitzübertragung (nebst Surrogaten); – die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts zwischen den Parteien (nachfolgend aa.); – die Eintragung in das Eigentumsvorbehaltsregister (nachfolgend bb.). aa. 1100

Die Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts zwischen den Parteien

1. Die Vereinbarung zwischen den Parteien – in der Regel Verkäufer und Käufer – hat nach dem Gesagten (vorne Nr. 1096) zum Inhalt, dass das Eigentum an der verkauften Sache nicht mit deren Aushändigung an den Käufer übergeht, sondern erst dann, wenn der gesamte Kaufpreis bezahlt ist. Es handelt sich beim Eigentumsvorbehalt demnach um eine Suspensivbedingung.15 Gemäss Bundesgericht enthält die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts immer das einseitige Rücktrittsrecht des Verkäufers im Sinn von Art. 214 Abs. 3 OR, selbst wenn nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Vorbehalt vereinbart, aber nicht eingetragen wurde (und damit nicht wirksam ist; hinten Nr. 1108). Der Verkäufer hat dann zwar keinen dinglichen Herausgabeanspruch, wenn er wegen Verzugs des Käufers vom Vertrag zurücktritt, da

11 12 13 14 15

SR 211.413.1; enthalten in der Textausgabe gauch /StöcKli, 51. A., Anhang VII A zum ZGB. SR 211.413.11; enthalten in der Textausgabe gauch /StöcKli, 51. A., Anhang VII B zum ZGB. Vgl. dazu BGE 131 III 595 ff. SR 221.214.1; enthalten in der Textausgabe gauch /StöcKli, 51. A., Anhang XIII B1 zum OR. Herrschende Lehre – nach einer anderen Auffassung liegt eine Resolutivbedingung vor; vgl. die Hinweise bei SteinaueR, Band II, Nr. 2029a.

§ 21 Erwerb und Verlust des Fahrniseigentums

315

das Eigentum ja übergegangen ist, es steht ihm aber ein obligatorisch wirkendes Recht auf Rückgabe der Kaufsache zu.16

2. Die Vereinbarung bedarf grundsätzlich keiner besonderen Form.17

1101

Stellt das Grundgeschäft jedoch einen Konsumkreditvertrag dar, ist die Formvorschrift von Art. 10 lit. d KKG zu beachten.

3. Nach bundesgerichtlicher Praxis muss der Eigentumsvorbehalt verabredet sein, bevor die Sache dem Käufer ausgehändigt wird; eine nachträgliche Vereinbarung ist wirkungslos.18 bb.

1102

Die Eintragung in das Register

zahlung – Eigentümer, so besteht für Dritte die bereits skizzierte Gefahr: Sie könnten auf den durch den Besitz veranlassten Schein vertrauen (Eigentumsvermutung nach Art. 930 Abs. 1 ZGB; vorne Nr. 264 ff.) und den Schuldner als kreditwürdig ansehen, bei einer Pfändung oder einem Konkurs aber geschädigt werden, wenn der Veräusserer die in seinem Eigentum gebliebene Sache wieder an sich zieht. Deshalb sind besondere Formalitäten einzuhalten, die zu einer gewissen Publizität des Vorbehalts führen. Sie sollen Dritte (potenzielle Kreditgeber) vor einer falschen Beurteilung der Vermögenslage des Kreditnehmers schützen.19 Im Einzelnen:

1103

1. In formeller Hinsicht ist Folgendes zu beachten:

1104

– Erforderlich ist eine Eintragung in das Eigentumsvorbehaltsregister («le registre des pactes de réserve de propriété»; Art. 715 Abs. 1 ZGB). Dieses Register wird vom Betreibungsamt geführt. Einzutragen ist der Vorbehalt am jeweiligen Wohnort des Schuldners (Käufers).

1105

Bei einem Wohnsitzwechsel muss der Vorbehalt am neuen Wohnsitz eingetragen werden. Erfolgt die Eintragung nicht innerhalb von drei Monaten, so erlischt der Vorbehalt; wird sie später erwirkt, so tritt der Vorbehalt erst mit ihrer Vornahme wieder in Kraft (Art. 3 Abs. 3 EigVV).

– Für die Eintragung sieht das ZGB keine Frist vor.20 Problemlos verhält es sich, wenn die Eintragung vor der Besitzübertragung richtlichen Rechtsprechung kann die Eintragung aber auch nach dem Besitzesübergang vorgenommen werden, sofern der Vorbehalt wenigstens vorher vereinbart worden ist.21 Das Eigentum geht in einem solchen Fall nach Art. 714 Abs. 1 ZGB mit der Übergabe der Kaufsache zunächst auf den Erwerber über und fällt mit der Eintragung – ex nunc – wieder an den Veräusserer zurück.22 Die Eintra-

16 17 18

19

20 21 22

BGE 90 II 285 ff. (292), E. 2a. SteinaueR, Band II, Nr. 2036. So schon BGE 35 II 42 ff. (46), E. 4: «… ein Vorbehalt des Eigentums erst nach erfolgter Eigen(140 f.), E. 2. Diese Rechtsprechung wird von der Lehre bisweilen kritisiert; vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 2037a. BGE 93 III 96 ff. (111), E. 7d; 96 II 161 ff. (171), E. 4c; 110 II 153 ff. (155 Mitte), E. 4. Vgl. auch BGE 131 III 595 ff. (599), E. 2.3.2. BGE 93 III 96 ff. (104), E. 5. BGE 93 III 96 ff. (104), E. 5; zu Recht kritisch SteinaueR, Band II, Nr. 2039a. BGE 93 III 96 ff. (104), E. 5.

1106

316

Das Fahrniseigentum

gung kann sogar noch nach Pfändung der Sache oder nach Konkursausbruch über den Schuldner erfolgen; doch hat der Vorbehalt dann in diesem laufenden Zwangsvollstreckungsverfahren keine Wirkung.23 Zum Formellen vgl. im Übrigen die genannte bundesgerichtliche Verordnung über die Eintragung der Eigentumsvorbehalte, besonders Art. 3 (Verlegung des Wohnsitzes durch den Erwerber), Art. 4 (Anmeldung) und Art. 4bis (Abtretung der Forderung). 1107

2. Näher einzugehen ist auf die Wirkungen des Registereintrags:

1108

– Ohne Registereintrag hat der Eigentumsvorbehalt keine dingliche Wirkung, weder unter den Parteien noch Dritten gegenüber (Art. 715 Abs. 1 ZGB).24 Anders gesagt: Das Eigentum an der Kaufsache verbleibt nur dann (bis zur Abbezahlung) beim Verkäufer, wenn der Vorbehalt im Register eingetragen ist. Insofern kann man die Eintragung als konstitutiv bezeichnen;25 gelegentlich ist von «negativer Rechtskraft» des Eigentumsvorbehaltsregisters die Rede.26

1109

– Die Eintragung hat keine «heilende» Wirkung, wenn der Veräusserungsvertrag oder die Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts mangelhaft ist. Die Eintragung vermag mit anderen Worten eine spätere gerichtliche Prüfung der Gültigkeit des Vorbehalts nicht zu präjudizieren.27

1110

– Dem Registereintrag kommt (anders als dem Grundbucheintrag, Art. 973 Abs. 1 ZGB; vorne Nr. 591 ff.) kein öffentlicher Glaube zu: Ein Dritter darf sich nicht auf den Eintrag verlassen, darf also nicht etwa auf das Eigentum des Veräusserers vertrauen. Diesbezüglich geht vom Eigentumsregister nicht einmal eine erhöhte Beweiskraft aus.28

1111

– Sodann wird die Kenntnis des Registereintrags (anders als beim Grundbucheintrag, Art. 970 Abs. 4 ZGB; vorne Nr. 459 ff.) Ein Dritter, der die Sache gutgläubig erwirbt, wird daher grundsätzlich nach Art. 933 ZGB in seinem Erwerb geschützt.29 Einschränkungen unter dem Gesichtspunkt von Art. 933 ZGB gelten immerhin in bestimmten Geschäftsbereichen, wo mit Missbräuchen gerechnet werden muss und der Erwerber sich nach Art. 3 Abs. 2 ZGB nicht auf seinen guten Glauben berufen darf, wenn er das Register nicht eingesehen hat (etwa im Auto-Occasionshandel; vorne Nr. 292).

1111a

3. Die im geltenden Recht vorgesehene Regelung des Eigentumsvorbehaltsregisters führt dazu, dass dem Institut in der Praxis nur eine geringe Bedeutung zukommt. Als problematisch erweist sich neben dem Erfordernis, den Vorbehalt am jeweili-

23

24 25

26 27

28 29

E. 2. BGE 110 II 153 ff. (155), E. 4; 106 IV 254 ff. (255 f.), E. 2; BGer 5A_684/2008, E. 3.1. BGer 5A_684/2008, E. 3.1; liveR, SPR V/1, S. 334 und 336; SutteR-Somm, Nr. 987 und 994; SteinaueR, Band II, Nr. 2041; relativierend immerhin h aab/ScheRReR, ZüKomm, N 74 zu Art. 715/716 ZGB. liveR, SPR V/1, S. 336; SutteR-Somm, Nr. 994. BGE 57 III 61 ff. (62), E. 1; 47 III 18 ff. (20), wo eine «positive Rechtskraftwirkung» des Eigentumsvorbehaltsregisters verneint wird; h aab/ScheRReR, ZüKomm, N 75 und 80 zu Art. 715/716 ZGB. h aab/ScheRReR, ZüKomm, N 77 zu Art. 715/716 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 2043. h aab/ScheRReR, ZüKomm, N 79 zu Art. 715/716 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 2044.

§ 21 Erwerb und Verlust des Fahrniseigentums

317

gen Wohnort des Käufers eintragen zu lassen, insbesondere der Umstand, dass dem Eintrag keine negative Publizitätswirkung zukommt.30 c.

Die Wirkungen des Eigentumsvorbehalts

1. Der Eigentumsvorbehalt hemmt den Eigentumsübergang, bewirkt also, dass das Eigentum trotz Besitzübertragung erst dann auf den Käufer übergeht, wenn der Restkaufpreis bezahlt worden ist.

1112

2. Der Eigentumsvorbehalt dient der Sicherung des Restkaufpreises und ist deshalb ein Nebenrecht zur Kaufpreisforderung.31 Im Fall der Abtretung geht daher nicht bloss die Forderung, sondern auch der Eigentumsvorbehalt auf den Zessionar über (Art. 170 OR).32 Dieser erwirbt das Eigentum an der unter Vorbehalt verkauften Sache durch Besitzanweisung (Art. 924 ZGB; vgl. vorne Nr. 163 ff.).33 Die Zession kann im Register vermerkt werden (Art. 4bis EigVV).

1113

3. Gerät der Erwerber in Verzug (vgl. dazu auch Art. 102 Abs. 2 und Art. 108 Ziff. 3 OR, Art. 7 lit. i EigVV), so stehen dem Veräusserer zwei Möglichkeiten offen:34

1114

– Er kann auf der Erfüllung des Vertrags beharren (Art. 107 Abs. 2 OR). Dies wird er vor allem dann tun, wenn nur noch ein kleiner Teil des Kaufpreises aussteht.

1115

Der Verkäufer muss seinen Anspruch auf dem Weg der Betreibung auf Pfändung oder Konkurs geltend machen.35

– Stattdessen kann er aber auch vom Vertrag zurücktreten und sein Eigentum herausverlangen. Da er Eigentümer geblieben ist, hat er einen dinglichen Anspruch auf Herausgabe der Sache. Der Anspruch ist unverjährbar und kann grundsätzlich auch Dritten gegenüber geltend gemacht werden. Fällt der Erwerber in Konkurs, so steht dem Veräusserer ein Aussonderungsrecht zu (Art. 242 SchKG). Im Gegensatz dazu hat der Verkäufer, dem nur ein Rücktrittsrecht nach Art. 214 Abs. 3 OR zusteht, lediglich einen obligatorischen Anspruch, der sich ausschliesslich gegen den früheren Vertragspartner richtet. Im Konkurs des Erwerbers hat er kein Vorrecht auf die Sache; darüber hinaus schliesst Art. 212 SchKG aus, dass der Verkäufer, der dem Schuldner die Sache vor der Konkurseröffnung übertragen hat, vom Vertrag zurücktritt, selbst wenn er sich dies im Sinn von Art. 214 Abs. 3 OR ausdrücklich vorbehalten hat.

30

31 32

33

34

35

geRhaRd WalteR (zitiert in Nr. 1882), S. 146; WolFgang Wiegand, Mobiliarsicherheiten (zitiert in Nr. 1985), S. 85; baRbaRa gRaham-SiegenthaleR, Habil. (zitiert in Nr. 1882), S. 33 f.; nataša (zitiert in Nr. 1882), S. 1443. SteinaueR, Band II, Nr. 2034. h aab/ScheRReR, ZüKomm, N 85 zu Art. 715/716 ZGB; gauch /SchlueP/emmeneggeR, Nr. 3458 f.; SPiRig, ZüKomm, N 34 zu Art. 170 OR. Vgl. auch BGE 95 IV 4 ff. (6). A.M. von tuhR /eScheR, S. 355. h aab/ScheRReR, ZüKomm, N 85 zu Art. 715/716 ZGB. Vgl. auch BGE 77 II 127 ff. (133), E. II; 46 II 45 ff. (47 f.). SteinaueR, Band II, Nr. 2048 ff.; vgl. auch dominiK vocK /luca hitz (zitiert in Nr. 1140), S. 162 f., 166 f. und 170; JéRôme gRandJean (zitiert in Nr. 1140), S. 77 ff. Zur Frage, inwieweit in der Einleitung der Betreibung ein Verzicht auf den Eigentumsvorbehalt zu sehen ist, vgl. BGE 73 III 165 ff. (168 ff.), E. 2 und 3; h aab/ScheRReR, ZüKomm, N 101 f. zu Art. 715/716 ZGB mit Hinweisen; SteinaueR, Band II, Nr. 2051 und 2059a.

1116

318 1117

4. Betreibt ein Drittgläubiger den Schuldner auf Pfändung, so wird der Eigentumsvorbehalt im Zwangsvollstreckungsverfahren wie ein Pfandrecht behandelt, sofern der Veräusserer nicht das vorbehaltene Eigentum geltend macht: In der Zwangsversteigerung wird die gepfändete Kaufsache nur dann einem Bieter zugeschlagen, wenn das Gebot des Bieters die Kaufpreis-Restforderung übersteigt; die Verteilung erfolgt vorweg an den Verkäufer.36 d.

1118

Das Fahrniseigentum

Der Untergang des Eigentumsvorbehalts

Der Eigentumsvorbehalt kann aus folgenden Gründen untergehen:37 – Der Schuldner tilgt den Restkaufpreis (durch Zahlung, Verrechnung), oder die Schuld erlischt aus einem anderen Grund (Schulderlass): Der Vorbehalt geht in diesen Fällen als Nebenrecht der Forderung ebenfalls unter (Art. 114 OR), und das Eigentum geht auf den Käufer über («brevi manu traditio»; vorne Nr. 158); Die Löschung des Registereintrags kann nach Massgabe von Art. 12 EigVV verlangt werden; sie ist jedoch für den Eigentumswechsel nicht erforderlich.

– Verzicht des Veräusserers auf sein Eigentum; – vollständiger Untergang der Sache; – gutgläubiger Erwerb des Eigentums durch einen Dritten; – Wohnsitzwechsel des Erwerbers (ohne Rechtswahrung des Veräusserers; vorne Nr. 1105); – Streichung des Vorbehalts im Rahmen einer Registerbereinigung. Die kantonale Aufsichtsbehörde nimmt periodisch eine Bereinigung des Registers vor. Dabei werden alle schon seit mehr als fünf Jahren eingetragenen Vorbehalte gelöscht, sofern der Veräusserer dagegen nicht Einspruch erhebt. Vgl. dazu die Verordnung des Bundesgerichtes betreffend die Bereinigung der Eigentumsvorbehaltsregister vom 29. Mai 1939 (vorne Nr. 1098).

C. 1119

Der Erwerb des Fahrniseigentums ohne Besitzesübergang

Beim (derivativen) Erwerb von Fahrniseigentum ohne Besitzesübergang sind zwei Fälle zu beachten: – Universalsukzession (Erbgang, Güterrecht, Gesellschaftsfusion usw.);38 – Zuschlag der Fahrnissache bei einer freiwilligen Versteigerung (Art. 235 Abs. 1 OR). Zum Erwerb des Fahrniseigentums beim Zuschlag in der Zwangsversteigerung vgl. hinten Nr. 1136.

36

37 38

SteinaueR, Band II, Nr. 2056 f.; vgl. die Kreisschreiben des Bundesgerichts vom 31. März 1911 (BBl 1911 III, S. 514 ff.) und vom 11. Mai 1922 (BGE 48 III 107 ff.). Zur Rechtslage für den Fall, dass ein Dritter den Erwerber auf Konkurs betreibt, vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 2056a i.V.m. Nr. 2051a. SutteR-Somm, Nr. 991. Vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 2063.

§ 21 Erwerb und Verlust des Fahrniseigentums

2.

Der originäre Erwerb

A.

Aneignung (Okkupation)

319

Das Gesetz regelt die Aneignung («l’occupation») in Art. 718 f. ZGB. Diese setzt voraus, dass die Fahrnissache herrenlos ist (res nullius; «une chose sans maître»). Dann kann sie der Erwerber durch Besitzergreifung mit Eigentumswillen originär zu Eigentum erwerben.39

1120

An der subjektiven Voraussetzung des Eigentumswillens fehlt es, wenn der Staat gestützt auf Art. 69 StGB Gegenstände einzieht.40 – Art. 719 ZGB regelt die Frage, wann Tiere herrenlos werden.

B.

Fund

Das Gesetz regelt den Fund («les choses trouvées») in Art. 720–724 ZGB:

1121

Ergänzend zu den Art. 720 ff. ZGB können die Art. 419 ff. OR anwendbar sein: Der ehrliche Finder ist Fremdgeschäftsführer.41

1. Im Tatbestand setzt Art. 720 Abs. 1 ZGB voraus, dass eine Fahrnissache verloren gegangen ist und der Finder von ihr Besitz ergriffen hat.

1122

2. Als Hauptrechtsfolge bestimmt Art. 722 Abs. 1 ZGB, dass der ehrliche Finder (das tum an der Sache erwirbt, wenn während fünf Jahren seit Bekanntmachung bzw. Anzeige der Eigentümer nicht festgestellt werden kann.42 Besondere Fristen gelten für gefundene Tiere (Art. 722 Abs. 1bis und 1ter ZGB).

1123

Ferner regelt das Gesetz Nebenfolgen: Wird die Sache zurückgegeben, so hat der Finder nach Art. 722 Abs. 2 ZGB Anspruch auf Auslagenersatz und einen angemessenen Finderlohn.43

3. Sonderfälle werden geregelt durch: – Art. 720 Abs. 3 und Art. 722 Abs. 3 ZGB für den Anstaltsfund;44 – Art. 723 ZGB für den Schatzfund (Wertgegenstand; «le trésor»);45

39

40

41 42 43

44

45

BGE 132 IV 5 ff. (10), E. 3.4.3 = Pra 95/2006, Nr. 136, S. 932 ff. Zu den Einzelheiten siehe SteinaueR, Band II, Nr. 2072 ff.; R ey, Band I, Nr. 1794 ff. BGE 132 IV 5 ff. (10), E. 3.4.5 = Pra 95/2006, Nr. 136, S. 932 ff. Kritisch zur Anwendbarkeit von Art. 718 ZGB auf die im genannten Entscheid zu beurteilende Konstellation bettina hüRlimannK auP, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts in den Jahren 2006 und 2007, ZBJV 145/2009, S. 208 f. Schmid, ZüKomm, N 148 zu Art. 419 OR. Zum Eigentumserwerb an einem verlorenen Inhaberschuldbrief vgl. BGE 124 III 241 ff. Einzelheiten zum Fund bei SteinaueR, Band II, Nr. 2083 ff.; R ey, Band I, Nr. 1805 ff.; FZR 2000, S. 255 ff. (Freiburger Kantonsgericht). Vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 2093 f. Vgl. ferner etwa das Kreisschreiben der Finanzdirektion des Sachen in Amtsgebäuden, SJZ 56/1960, S. 164. Vgl. BGE 100 II 8 ff.; SteinaueR, Band II, Nr. 2114 ff.; R ey, Band I, Nr. 1866 ff.

1124

320

Das Fahrniseigentum

– Art. 724 ZGB für den Fund wissenschaftlicher Gegenstände (herrenlose Naturkörper oder Altertümer von erheblichem wissenschaftlichen Wert; «objets ayant 46

Nach Art. 724 Abs. 1bis ZGB können solche Sachen ohne Genehmigung der zuständigen kantonalen Behörde nicht veräussert werden. Die Bestimmung schliesst ausserdem die Ersitzung und den gutgläubigen Erwerb aus. Darüber hinaus verjährt der Herausgabeanspruch nicht.

– Art. 720a ZGB für den Fund von Tieren.47

C. 1125

Zuführung

Das Gesetz regelt die Zuführung («épaves») in Art. 725 ZGB. Nach Abs. 1 hat derjenige, dem durch Wasser, Wind, Lawinen etc. oder durch zufällige Ereignisse Sachen zugeführt werden, oder dem fremde Tiere in Gewahrsam geraten, die Rechte und 48

Abs. 2 der Norm regelt den Sonderfall des Bienenschwarms.

D. 1126

Verarbeitung

Art. 726 ZGB. Vorausgesetzt wird, dass durch Verarbeitung oder Umbildung einer fremden Sache eine neue Sache entstanden ist. Das Gesetz sieht folgende Regelung vor:49 – Gemäss Abs. 1 kommt es für die Eigentumsverhältnisse darauf an, ob die Arbeit kostbarer ist als der Stoff. Je nachdem ist der Verarbeiter oder aber der Eigentümer des Stoffes Eigentümer der neuen Sache. – Abs. 2 behält den Fall des bösgläubigen Verarbeiters vor. Bemerkenswert (weil ungewöhnlich im System des ZGB) ist dabei, dass auch der bösgläubige Verarbeiter unter gewissen Umständen Eigentümer der neuen Sache werden kann.

– Abs. 3 behält die Ansprüche auf Schadenersatz und aus Bereicherung vor.

E.

Verbindung und Vermischung

1127

Das Gesetz regelt die Verbindung und Vermischung («adjonction et mélange») in Art. 727 ZGB:

1128

1. Im Tatbestand wird nach Abs. 1 vorausgesetzt, dass bewegliche Sachen verschiedener Eigentümer so miteinander vermischt oder verbunden werden, «dass sie ohne wesentliche Beschädigung oder unverhältnismässige Arbeit und Auslagen nicht mehr getrennt werden können».

46 47 48 49

Vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 2115 ff.; R ey, Band I, Nr. 1877 ff. Vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 2092 ff.; R ey, Band I, Nr. 1885 ff. Vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 2103 ff.; R ey, Band I, Nr. 1886 ff. Vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 2104 ff.

§ 21 Erwerb und Verlust des Fahrniseigentums

321

2. Das Gesetz sieht für diesen Fall – unabhängig vom guten oder bösen Glauben der beteiligten Personen50 – verschiedene Rechtsfolgen vor:

1129

– Die miteinander vermischten oder verbundenen beweglichen Sachen werden von Gesetzes wegen zu Bestandteilen der neu entstandenen Sache (vorne Nr. 700). – Grundsätzlich entsteht zwischen den Beteiligten Miteigentum an der neuen Sache, und zwar dem Wert nach, den die einzelnen Teile zur Zeit der Verbindung haben (Abs. 1). Angesprochen sind hier Fälle, bei denen sämtliche miteinander vermischten oder verbundenen Elemente als Nebenbestandteile anzusehen sind, weil keines von ihnen die Eigenschaften einer Hauptsache aufweist.51 Beispiel: Vermischen verschiedener Gewürze zur Herstellung von Currypulver.

– Ausnahmsweise ordnet das Gesetz Alleineigentum an, nämlich wenn die bewegliche Sache mit einer anderen derart vermischt oder verbunden wird, dass sie als deren nebensächlicher Bestandteil erscheint. Alsdann gehört die ganze Sache dem Eigentümer des Hauptbestandteils (Abs. 2). Im konkreten Fall kann sich die Frage stellen, was Haupt- und was Nebenbestandteil ist. Gemäss der herrschenden Lehre kommt es darauf an, «dass nach der Verkehrsanschauung die selbständige Existenz der einen Sache in den Zwecken der andern aufgegangen ist, dass die eine Sache sich nur als Zutat der andern darstellt».52 Nach dieser Auffassung handelt es sich etwa bei einem Bilderrahmen selbst dann um einen nebensächlichen Bestandteil, wenn er den Wert des eingefassten Gemäldes übersteigt.53 Immerhin darf nach der hier vertretenen Meinung der wirtschaftliche Gesichtspunkt nicht völlig ausser Acht gelassen werden. So wäre es unbillig, vom Alleineigentum des Gemäldeeigentümers auszugehen, wenn das Gemälde völlig unbedeutend, der Rahmen aber besonders wertvoll wäre.54

– Abs. 3 behält die Ansprüche auf Schadenersatz und aus Bereicherung vor. 3. Folgende Sonderprobleme sind bei der Verbindung und Vermischung zu beachten: – Die Vermischung von Geld fällt nicht unter Art. 727 ZGB. Vielmehr wird derjenige, der fremdes Geld – unausscheidbar – mit eigenem vermischt, Alleineigentümer des (ganzen) Geldes.55 Der andere erhält eine Forderung aus ungerechtfertigter Bereicherung, allenfalls aus anderen Rechtsgründen.56 Das gilt auch dann, wenn die Person, die das Geld mit eigenem vermischt, bösgläubig ist.57

50 51 52

53 54 55 56

57

BGE 112 II 406 ff. (414), E. 4a unter Hinweis auf h aab/zobl, ZüKomm, N 28 zu Art. 727 ZGB. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 49 zu Art. 642 ZGB; R ey, Band I, Nr. 421. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 48 zu Art. 642 ZGB. Vgl. auch R ey, Band I, Nr. 420; Wiegand, BaKomm, N 6 zu Art. 642 ZGB. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 48 zu Art. 642 ZGB; h aab, ZüKomm, N 9 zu Art. 642 ZGB. h aab/zobl, ZüKomm, N 72 zu Art. 727 ZGB. Vgl. auch SteinaueR, Band II, Nr. 2119b. BGer 6B_415/2011, E. 5.3; 6B_994/2010, E. 5.3.3.1. Vgl. auch BGE 136 III 247 ff. (252), E. 5. BGE 47 II 267 ff. (271), E. 2; 78 II 243 ff. (254), E. 5c; 90 IV 180 ff. (188), E. 6; SteinaueR, Band II, Nr. 2120 f.; R ey, Band I, Nr. 1943 f.; gauch /SchlueP/Schmid, Nr. 1503. BGE 47 II 267 ff. (271), E. 2; 78 II 243 ff. (254), E. 5c. Kritisch zu dieser Rechtsprechung liveR, SPR V/1, S. 384 ff. Vgl. zum Ganzen auch Jean-PhiliPPe dunand/davide ceRutti, Le régime juridique du mélange d’argent, Consécration jurisprudentielle d’une solution d’origine romaine, in: Pascal Pichonnaz et al. (Hrsg.), Spuren des römischen Rechts, FS für Bruno Huwiler, Bern 2007, S. 193 ff.

1130 1130a

322

Das Fahrniseigentum

– Für die Hinterlegung vertretbarer Wertpapiere gilt gemäss Art. 973a OR, der zusammen mit dem BEG am 1. Januar 2010 in Kraft getreten ist, Folgendes:58 Nach Abs. 1 der Norm ist der Aufbewahrer befugt, die Wertpapiere mehrerer Hinterleger ungetrennt zu verwahren, sofern nicht ein Hinterleger ausdrücklich die gesonderte Verwahrung seiner Papiere verlangt. Im Fall einer solchen Sammelverwahrung erwirbt der Hinterleger gemäss Abs. 2 Miteigentum nach Bruchteilen an den zum Sammelbestand gehörenden Wertpapieren gleicher Gattung. Lehre und Rechtsprechung sprechen in diesem Zusammenhang von 59 tem und labilem Miteigentum («copropriété assouplie»).

1130b

regelmässig keine Kenntnis haben und zwischen ihnen deshalb – anders als beim gewöhnlichen Miteigentum – nur theoretisch eine Rechtsbeziehung besteht. Das Miteigentum ist insofern «labil», als ein Hinterleger jederzeit ohne Mitwirkung oder Zustimmung der übrigen Miteigentümer vom Aufbewahrer die Herausgabe von Wertpapieren in der Art und Höhe verlangen kann, in der er sie seinerzeit hinterlegt hat (Art. 973a Abs. 3 OR).60

Eine entsprechende Regelung sieht der ebenfalls mit dem BEG eingeführte Art. 973b OR für den Fall vor, dass der Schuldner eine Globalurkunde ausgibt oder mehrere vertretbare Wertpapiere, die einem einzelnen Aufbewahrer anvertraut sind, durch eine Globalurkunde ersetzt. In dieser Globalurkunde werden die Einzelrechte einer Emission in einem einzigen Papier verbrieft, wobei ihre Selbständigkeit gewahrt bleibt.61 Die Urkunde ist ebenfalls ein Wertpapier und steht im Miteigentum der daran beteiligten Hinterleger. Anders als bei der Sammelverwahrung ist hier nicht eine Vielzahl von Wertpapieren, sondern lediglich die Globalurkunde als Einzelsache Gegenstand des Miteigentums.62

1130c

Die Miteigentümer haben in diesem Fall grundsätzlich keinen Anspruch auf die Herausgabe von Einzelurkunden.63

wahrern Anwendung, denen vertretbare Wertpapiere oder eine Globalurkunde anvertraut sind. Handelt es sich jedoch um eine Verwahrungsstelle im Sinn von Art. 4 BEG und sind die Papiere nach Art. 6 BEG einem Effektenkonto gutgeschrieben, werden die gemäss Art. 973a f. OR daran bestehenden Rechte suspendiert, und die Übertragung erfolgt ausschliesslich nach den Regeln des BEG (vgl. dazu vorne Nr. 1084a).64

1130d

Die aus Art. 973a OR folgenden Grundsätze lassen sich auf die Sammelverwahrung von Edelmetallen und Optionen analog anwenden.65

58

Zur (fast identischen) früheren Rechtslage gemäss der in Art. 484 OR vorgesehenen allgemeinen

59

Vgl. etwa SteinaueR, Band II, Nr. 2121a; BGE 112 II 406 ff. (414 f.), E. 4a; BGer 5A_561/2007, E. 2. Botschaft zum BEG, BBl 2006, S. 9392; h aab/zobl, ZüKomm, N 94c zu Art. 727 ZGB. Vgl. allgemein zur Vermengung vertretbarer Güter auch Schmid/StöcKli /K RauSKoPF, Nr. 2200 ff. Botschaft zum BEG, BBl 2006, S. 9392. Botschaft zum BEG, BBl 2006, S. 9328. SteinaueR, Band II, Nr. 2121b. Botschaft zum BEG, BBl 2006, S. 9391. SteinaueR, Band II, Nr. 2121d.

60

61 62 63 64 65

§ 21 Erwerb und Verlust des Fahrniseigentums

F.

323

Ersitzung

Das Gesetz regelt die Ersitzung («la prescription acquisitive») in Art. 728 ZGB:

1131

1. Im Tatbestand wird vorausgesetzt, dass jemand eine fremde bewegliche Sache ununterbrochen und unangefochten während fünf Jahren in gutem Glauben als Eigentum in seinem Besitz («Eigenbesitz») hat.

1132

2. Als Rechtsfolge ordnet die Bestimmung an, dass dieser gutgläubige Besitzer nach fünf Jahren (originäres) Eigentum an der Sache erwirbt.

1133

Bei Tieren, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, gilt die stark verkürzte Frist von Art. 728 Abs. 1bis ZGB. Abs. 1ter der Norm sieht für Kulturgüter im Sinn von Art. 2 Abs. 1 KGTG (hinten Nr. 1139a) unter Vorbehalt gesetzlicher Ausnahmen eine Frist von 30 Jahren vor. – Für die Details der Fristberechnung sind Art. 728 Abs. 2 und 3 ZGB zu berücksichtigen.

3. Hauptanwendungsfälle der Ersitzung sind solche, in denen sich ein Veräusserungsgeschäft als unwirksam erweist, etwa wegen Formmängeln, Willensmängeln oder fehlender Handlungsfähigkeit des Veräusserers.66 Infolge des Kausalitätsprinzips wird hier der Erwerber trotz der Besitzübertragung nicht Eigentümer der Sache (vorne Nr. 74 ff. und 1092). Hingegen kann sein Eigentum nicht mehr angefochten werden, wenn die originäre Erwerbsart der Ersitzung eingetreten ist.

1134

Herrenlose Naturkörper oder Altertümer von wissenschaftlichem Wert können gemäss Art. 724 Abs. 1bis ZGB nicht ersessen werden. Art. 3 Abs. 2 lit. a KGTG schliesst die Ersitzung eines Kulturguts aus, das im Bundesverzeichnis eingetragen ist. Entsprechendes können die Kantone gemäss Art. 4 Abs. 2 KGTG für die in ihren Verzeichnissen aufgeführten Kulturgüter erklären.

G.

Sonderfälle

a.

Der Erwerb des Fahrniseigentums von einem Nichtberechtigten

Das Gesetz regelt den Erwerb des Fahrniseigentums von einem Nichtberechtigten in Art. 714 Abs. 2 ZGB. Die Bestimmung verweist für den Fall, dass der Veräusserer zur Eigentumsübertragung nicht befugt war, auf die Besitzesregeln (Art. 933 ff. ZGB; dazu ausführlich vorne Nr. 276 ff.). Der römisch-rechtliche Grundsatz, wonach niemand mehr Rechte übertragen kann, als er selber hat, gilt im schweizerischen Recht zwar grundsätzlich auch;67 es ist aber ein besonderer Schutz des Erwerbers vorgesehen, der das Prinzip durchbricht. Die wesentlichen Voraussetzungen dafür sind: – die Gutgläubigkeit des Erwerbers; – der Umstand, dass die Sache dem Übertragenden anvertraut wurde. Für abhanden gekommene Sachen gilt grundsätzlich kein Schutz gutgläubiger Dritter (mit Ausnahmen: Art. 934 Abs. 2 und 3 sowie Art. 935 ZGB). «Originär» ist dieser Erwerb deshalb, weil er nicht vom Eigentum des Vorgängers abgeleitet wird.68

66 67

68

R ey, Band I, Nr. 1987. BGE 89 II 287 ff. (295), E. 3; 57 II 258 ff. (262), E. 2; vgl. auch BGE 131 III 217 ff. (222), E. 4.3; SteinaueR, Band II, Nr. 2015. Diese Frage ist allerdings umstritten; vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 2067a mit Hinweisen.

1135

324 b. 1136

Das Fahrniseigentum

Weitere Fälle

Hier sind in Stichworten zu erwähnen:69 – Enteignung;70 – Zuschlag in der Zwangsversteigerung;71 Zum Eigentumserwerb beim Zuschlag in einer freiwilligen Versteigerung vgl. vorne Nr. 1119.

– Gerichtsurteil, unter der Voraussetzung, dass es sich um ein Gestaltungsurteil handelt, was im Mobiliarsachenrecht nur ausnahmsweise vorgesehen ist (etwa bei der Aufhebung von Miteigentum durch körperliche Teilung nach Art. 651 Abs. 2 ZGB).72 In der Regel wird eine Person zu einer persönlichen Leistung verurteilt, nämlich zur Übertragung des Besitzes (und damit zur Übertragung des Eigentums) auf den Kläger (Leistungsurteil).73

II. Der Verlust des Fahrniseigentums 1137

Das Gesetz regelt den Verlust des Fahrniseigentums («la perte de la propriété mobilière») nur sehr summarisch in Art. 729 ZGB. Der Eigentümer verliert sein Eigentum: – wenn er sein Recht aufgibt (Dereliktion; einseitige Aufgabe des Besitzes an einer Fahrnissache in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten);74 – wenn ein anderer in der Folge das Eigentum erwirbt; Dieser Eigentumserwerb eines anderen kann zurückgehen auf eine freiwillige Übertragung von Seiten des ehemaligen Eigentümers (Hauptfall). Der ursprünglich Berechtigte kann das Eigentum aber auch unfreiwillig verlieren, so namentlich beim Erwerb durch eine andere Person auf Grund von Art. 933 ZGB (vorne Nr. 302 und 1135).

– wenn die Sache untergeht. Das Gesetz nennt diesen Untergangsgrund allerdings nicht.

69 70

71 72 73 74

Weitere Fälle bei SteinaueR, Band II, Nr. 2126. Vgl. SutteR-Somm, Nr. 1159; SteinaueR, Band II, Nr. 2122 f., mit Hinweis auf ähnliche Fälle (zum Beispiel Einziehung nach Art. 69 StGB). Vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 2123 f. Vgl. h aab/zobl, ZüKomm, N 29 zu Art. 729 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 2124 f. Vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 2124. BGE 115 IV 104 ff. (106), E. 1b; R ey, Band I, Nr. 2020 ff. – Zu der vom Bundesrat in der Botschaft bejahten Frage, ob im Fall von Art. 6a OR (Zusendung unbestellter Sachen) eine Dereliktion des Absenders vorliege, vgl. h eRmann laim, Die «vermutete Dereliktion» bei Zusendung unbestellter Sachen im Sinne von Art. 6a OR …, recht 1995, S. 188 ff.; deniS Piotet, Le statut réel des marchandises envoyées sans commande, SJZ 89/1993, S. 149 ff.

325

§ 21 Erwerb und Verlust des Fahrniseigentums

III. Internationale Vereinheitlichungstendenzen 1. Im Mobiliarsachenrecht sind internationale Vereinheitlichungstendenzen festzustellen, besonders im Bereich der Kulturgüter.75 Beachtung verdient die (Römer) Unidroit-Konvention über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter vom 24. Juni 1995.76

1138

Zwei zentrale Bestimmungen seien herausgegriffen: Nach Art. 3 Abs. 1 der Konvention hat der Besitzer eines gestohlenen Kulturguts dieses zurückzugeben. Er hat jedoch gemäss Art. 4 Abs. 1 Anspruch auf eine angemessene Entschädigung, wenn er weder wusste noch vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass das Gut gestohlen war, und nachweisen kann, beim Erwerb des Gutes mit gebührender Sorgfalt gehandelt zu haben.

2. Die Schweiz

1139

Das Bundesgericht liess sich bei einem Rechtshilfeentscheid vom 1. April 1997 von den Bestimmungen der Konvention (namentlich auch von Art. 3 Abs. 1 und Art. 4) leiten; es hielt fest: «Ces normes, qui relèvent d’une commune inspiration, constituent autant d’expressions d’un ordre public international en vigueur ou en formation.»78 77

3. Der Gesetzgeber hat in Ausführung des Übereinkommens vom 14. November 1970 über Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut79 (UNESCO-Konvention 1970) am 20. Juni 2003 das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz, KGTG)80 erlassen. Das Gesetz ist am 1. Juni 2005 in Kraft getreten. Als Kulturgut gilt gemäss Art. 2 Abs. 1 KGTG ein aus religiösen oder weltlichen Gründen für Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft bedeutungsvolles Gut, das einer der Kategorien nach Art. 1 der UNESCO-Konvention 1970 angehört. Das Gesetz regelt die Einfuhr von Kulturgut in die Schweiz, seine Durch- und Ausfuhr sowie seine Rückführung aus der Schweiz (Art. 1 Abs. 1 KGTG). Der Bund will damit einen Beitrag zur Erhaltung des kulturellen Erbes der Menschheit leisten und Diebstahl, Plünderung sowie illegale Ein- und Ausfuhr von Kulturgut verhindern (Art. 1 Abs. 2 KGTG). Das Gesetz hat in verschiedener Hinsicht Bedeutung für den Erwerb von Fahrniseigentum: Kulturgüter im Eigentum des Bundes werden in das Bundesverzeichnis eingetragen, sofern sie von wesentlicher Bedeutung für das kulturelle Erbe sind (Art. 3 Abs. 1 KGTG). Die Eintragung bewirkt namentlich, dass die entsprechenden Kulturgüter weder ersessen noch gutgläubig erworben werden können und der Herausgabeanspruch nicht verjährt (Art. 3 Abs. 2 lit. a und b KGTG; vgl. ausserdem Art. 4 Abs. 2 KGTG bezüglich der in den Verzeichnissen der Kantone aufgeführten Kulturgüter). Weiter kann eine Person, die ein Kulturgut besitzt, das rechtswidrig in 75

76

77 78 79 80

KuRt SiehR, Vereinheitlichung des Mobiliarsachenrechts in Europa, insbesondere im Hinblick auf Kulturgüter, RabelsZ 59/1995, S. 454 ff.; eRiK Jayme, Kulturgüterschutz in ausgewählten europäischen Ländern, ZVglRWiss 95/1996, S. 158 ff. Text u.a. abgedruckt in ZVglRWiss 95/1996, S. 203 ff. (englisch) und 214 ff. (deutsch), ferner in SZIER 1997, S. 57 ff. (französisch). BBl 2002, S. 543. BGE 123 II 134 ff. (144), E. 7c; vgl. auch BGE 131 III 418 ff. (428), E. 3.2.2. SR 0.444.1. SR 444.1.

1139a

1139b

326

Das Fahrniseigentum

die Schweiz eingeführt worden ist, nach Art. 9 Abs. 1 KGTG vom Staat, aus dem das Kulturgut rechtswidrig ausgeführt worden ist, auf Rückführung verklagt werden. Hat sie das Kulturgut in gutem Glauben erworben und muss sie es zurückgeben, kommt ihr gemäss Abs. 5 der Norm ein Anspruch auf eine Entschädigung zu.81 Voraussetzung für den Anspruch auf Rückführung ist, dass die Schweiz mit dem entsprechenden Staat eine Vereinbarung gemäss Art. 7 KGTG abgeschlossen hat oder dass eine befristete Massnahme im Sinn von Art. 8 KGTG besteht.82 Institutionen des Bundes dürfen nach Art. 15 Abs. 1 KGTG keine Kulturgüter erwerben, die gestohlen worden, gegen den Willen des Eigentümers abhanden gekommen oder rechtswidrig ausgegraben worden sind bzw. die zum kulturellen Erbe eines Staates gehören und rechtswidrig aus diesem ausgeführt worden sind. Für die Übertragung von Kulturgut im Kunsthandel und im Auktionswesen stellt Art. 16 KGTG beson83

Anwendung auf Erwerbsvorgänge, die vor seinem Inkrafttreten stattgefunden haben.84 – Mit dem Kulturgütertransfergesetz sind in das ZGB die Art. 724 Abs. 1bis (Nr. 1134), 728 Abs. 1ter (Nr. 1133) und 934 Abs. 1bis (Nr. 311a) eingeführt worden.

IV. Weiterführende Literatur 1140

– bühleR theodoR, Sicherungsmittel im Zahlungsverkehr – Dokumentenakkreditiv, Bankgarantie, Eigentumsvorbehalt, Zürich 1997, S. 175 ff. – büRgi eRich, Der Eigentumsvorbehalt in Theorie und Praxis, BlSchK 48/1984, S. 41 ff., 81 ff. und 121 ff. – diSchleR PhiliPP, Rechtsnatur und Voraussetzungen der Tradition …, Diss. Basel 1992. – gRandJean JéRôme, Crédit à la consommation, leasing, réserve de propriété et rapports avec le droit des poursuites et des faillites – Aspects relatifs à l’exécution forcée, JdT 2017 II, S. 67 ff. – liveR, SPR V/1, S. 314 ff.

81 82

83

84

Vgl. dazu auch BGE 131 III 418 ff. (429), E. 3.2.3. Botschaft des Bundesrates über die UNESCO-Konvention 1970 und das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer (KGTG) vom 21. November 2001, BBl 2002, S. 581. Vgl. zum Kulturgütertransfergesetz etwa R egula beRgeR-RöthliSbeRgeR, Sorgfalt bei der Übertragung und beim Erwerb von Kulturgütern, Diss. Bern 2009 (ASR Heft 761); WolFgang eRnSt, Neues Sachenrecht für Kulturgüter, recht 2008, S. 2 ff.; deRSelbe, BaKomm, N 43a ff. zu Art. 933 ZGB und N 17b ff. zu Art. 934 ZGB; PieRRe gabuS/m aRc-a ndRé R enold, Commentaire LTBC, Loi fédérale sur le transfert international des biens culturels (LTBC), Genf/Zürich/Basel 2006; h einRich honSell , Das Kulturgütertransfergesetz und das Privatrecht, in: Mélanges Pierre Tercier, Zürich 2008, S. 275 ff.; m aRKuS mülleR-chen, Die Crux mit dem Eigentum an Kunst, AJP 2003, S. 1267 ff.; Pichonnaz, ComRom, N 62 ff. zu Art. 934 ZGB; FloRian Schmidt-gabain, Verkaufen verboten! – Bemerkungen zu den zivilrechtlichen Folgen des Art. 16 Abs. 1 KGTG, AJP 2007, S. 575 ff.; KuRt SiehR, Das Sachenrecht der Kulturgüter – Kulturgütertransfergesetz und das schweizerische Sachenrecht, in: Heinrich Honsell et al. (Hrsg.), Aktuelle Aspekte des Schuld- und Sachenrechts, FS Heinz Rey, Zürich/Basel/Genf 2003, S. 127 ff.; m aRc WebeR, Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer, ZSR NF 124/2004 I, S. 495 ff.; chaRlotte WieSeR (zitiert in Nr. 1140), S. 267 ff. Vgl. dazu auch BGE 131 III 418 ff. (427 f.), E. 3.2.2; 139 III 305 ff. (307), E. 3.2.1.

§ 21 Erwerb und Verlust des Fahrniseigentums

327

– menne maRtin, Der Eigentumsvorbehalt bei Warenlieferungen in die Schweiz, ZVglRWiss 98/1999, S. 284 ff. – ottRubay StePhan, Die Eintragung des Eigentumsvorbehalts …, Diss. Freiburg 1980 (AISUF Band 50). – R abl chRiStian, Eigentumsvorbehalt und Verarbeitung, Eine durch das ZGB inspirierte Neudeutung des österreichischen Rechts, in: Wiegand Wolfgang/Koller Thomas/Walter Hans Peter (Hrsg.), Tradition mit Weitsicht, FS für Eugen Bucher zum 80. Geburtstag, Bern 2009, S. 611 ff. – Rochat FRédéRic mobilière, Lausanner Diss., Zürich 2002. – Sandoz Suzette, L’inscription du pacte de réserve de propriété: une solution «géniale» … diabolique, ZSR NF 106/1987 I, S. 535 ff. – SutteR-Somm, Nr. 933 ff. – vocK dominiK /hitz luca, Der Eigentumsvorbehalt und seine Besonderheiten in der Zwangsvollstreckung, in: Sprecher Thomas (Hrsg.), Sanierung und Insolvenz von Unternehmen VII, Kreditsicherheiten, Zürich 2016 (Europa Institut Zürich, Band 168), S. 149 ff. – WieSeR chaRlotte, Gutgläubiger Fahrniserwerb und Besitzesrechtsklage, Unter besonderer Berücksichtigung «entarteter» Kunstgegenstände, Basler Diss., Basel/ Genf/München 2004 (Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Band 73). , Die Ersitzung einer rechtsgrundlos geleis– teten beweglichen Sache nach schweizerischem Recht, in: FS Kurt Siehr – Liber discipulorum et amicorum, Zürich 2001, S. 303 ff. – zobl/thuRnheRR, BeKomm, Kommentar Fahrnispfand, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1698 ff. (zum Eigentumsvorbehalt).

V.

Fälle

1. BGE 93 III 96 ff. Eigentumsvorbehalt (Leading Case). 2. BGE 106 II 197 ff. Eigentumsvorbehalt; Ordre-public-Charakter des Eintrags im Eigentumsvorbehaltsregister. Vgl. dazu jetzt auch Art. 102 Abs. 2 und 3 IPRG sowie BGE 131 III 595 ff. (599), E. 2.3.2. 3. BGE 132 IV 5 ff. zeiaktion entzogen werden, weder derivativ noch originär Eigentum an den Betäubungsmitteln. 4. BGE 100 II 8 ff. Fund von Goldmünzen bei Abbruch eines Speichers. – Begriff des Schatzes, der Fahrnisbaute und der anvertrauten Sache im Sinn von Art. 933 ZGB.

1141

328

Das Fahrniseigentum

5. BGE 115 IV 104 ff. Die Bereitstellung von Altpapier am Strassenrand zur Abholung durch eine bestimmte Organisation stellt keine Dereliktion dar. Das Papier ist demzufolge für einen unberechtigten Dritten eine fremde Sache.

§ 22 Inhalt und Beschränkungen des Fahrniseigentums

329

§ 22 Inhalt und Beschränkungen des Fahrniseigentums Einführende Literatur: – SteinaueR, Band II, Nr. 1988 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 103 N 2.

1142

Das Gesetz regelt Inhalt und Beschränkungen beim Fahrniseigentum sehr viel weniger ausführlich als beim Grundeigentum. Immerhin ist die allgemeine Regel von Art. 641 Abs. 1 ZGB anwendbar, wonach der Eigentümer in den Schranken der Rechtsordnung über die Sache verfügen kann.

1143

I.

Der Inhalt

Fahrniseigentum ist das dingliche Vollrecht an beweglichen Sachen. Der Eigentümer kann gemäss Art. 641 ZGB über die Sache verfügen, sie herausverlangen, wenn sie ihm ohne Rechtsgrund vorenthalten wird, und fremde Eingriffe abwehren – in den Schranken der Rechtsordnung (vorne Nr. 657 ff.). Neben den Behelfen von Art. 641 ZGB stehen dem besitzenden Fahrniseigentümer auch die Behelfe des Besitzesrechts zu (vorne Nr. 209 ff. und 276 ff.).

1144

II. Die Beschränkungen 1.

Die gesetzlichen Schranken

Gesetzliche Schranken des Fahrniseigentums können auf Privatrecht oder auf öffentlichem Recht beruhen:

1145

1. Im Privatrecht vor allem von Bedeutung ist die allgemeine rechtliche Schranke des Rechtsmissbrauchsverbots von Art. 2 Abs. 2 ZGB.1

1146

2. Die meisten Schranken des Fahrniseigentums ergeben sich aus öffentlichem Recht. Zu beachten sind vor allem Spezialgesetze, die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Beschränkung anordnen (vgl. auf Bundesebene zum Beispiel Kernenergiegesetz, Betäubungsmittelgesetz, Chemikaliengesetz, Sprengstoffgesetz, Kriegsmaterialgesetz, Tierschutzgesetz, Waffengesetz).

1147

Vgl. ausserdem den unechten Vorbehalt in Art. 6 Abs. 2 ZGB, wonach die Kantone den Verkehr mit Fahrnis regeln können.2 Derartige Bestimmungen bestehen etwa zum Schutz der Gesundheit oder im Interesse von Natur- und Heimatschutz.3

1 2 3

Zu weiteren Schranken siehe SteinaueR, Band II, Nr. 1999 f. Dazu hüRlimann-K auP/Schmid, Nr. 416. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 103 N 2; SteinaueR, Band II, Nr. 2002.

330

2. 1148

Das Fahrniseigentum

Die rechtsgeschäftlichen Schranken

1. Eine Beschränkung des Fahrniseigentums kann der Eigentümer auf Grund der Privatautonomie aber auch selber (zu seinen eigenen Lasten) vornehmen: – durch Einräumen eines beschränkten dinglichen Rechts: einer Nutzniessung (Art. 745 ff. ZGB; hinten Nr. 1335 ff.) oder eines Fahrnispfandrechts (Art. 884 ff. ZGB; hinten Nr. 1863 ff.); – durch Einräumen eines obligatorischen Rechts: Leihe, Miete, Vorkaufsrecht, Kaufs- und Rückkaufsrecht usw.

1149

2. Die entsprechenden Verträge (zum Beispiel Vorkaufsvertrag) sind formfrei gültig. Eine dingliche Sicherung des obligatorischen Rechts, wie sie beim Grundeigentum mit der Vormerkung im Grundbuch bewerkstelligt werden kann (Art. 959 ZGB und Art. 216a OR; vorne Nr. 475 ff.), ist beim Fahrniseigentum ausgeschlossen.

1150

3. Vorbehalten bleiben Sonderregeln für gewisse Schiffe und Luftfahrzeuge sowie für Wertpapiere (vorne Nr. 1081 ff.).

4. Kapitel: Die beschränkten dinglichen Rechte § 23 Die beschränkten dinglichen Rechte im Allgemeinen Einführende Literatur: – Piotet deniS, SPR V/2, Nr. 1 ff. – Piotet Paul, SPR V/1, S. 521 ff. – R iemeR, S. 30 ff. – SteinaueR, Band II, Nr. 2133 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 104–106.

I.

1151

Begriff und Arten 1152

droits réels», in der Lehre gelegentlich auch als «les droits réels limités» oder «les droits réels restreints» bezeichnet1). Diese Rechte sind in der zweiten Abteilung des vierten Teils des Zivilgesetzbuchs (Art. 730–915 ZGB) geregelt und damit dem Eigentum (dem dinglichen Vollrecht, normiert in der ersten Abteilung des vierten Teils) gegenübergestellt (vorne Nr. 30 ff.). Nach eugen hubeR umfassen die beschränkten dinglichen Rechte «alle die Erscheinungen des Sachenrechtes ausserhalb des Eigentums, dingliche Lasten sowohl als dingliche Gerechtigkeiten, die der Eigentümer über die Grenzen seines Eigentums hinaus und zwar nicht als Nachbarrecht, sondern als eigene, in dem Wesen des Eigentums durchaus nicht begründete Berechtigungen haben kann».2

1.

Der Begriff

1. Fasst man die beschränkten dinglichen Rechte als Gegenbegriff zum Eigentum auf, so lassen sie sich umschreiben als dingliche Rechte, die dem Berechtigten nicht ein umfassendes Herrschaftsrecht an einer Sache (wie beim Eigentum), sondern nur eine begrenzte Zahl einzelner Herrschaftsbefugnisse gewähren.3 Die beschränkten dinglichen Rechte vermitteln dem Berechtigten also lediglich die Herrschaft über die Sache in bestimmter (beschränkter) Hinsicht. Der Begriff umfasst damit folgende Elemente:

1153

– Es geht einerseits um dingliche Rechte. Das bedeutet nach den allgemeinen, bereits bekannten Grundsätzen:

1154

1 2 3

SteinaueR, Band II, Nr. 2134; Paul Piotet, SPR V/1, S. 522. eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 28. Ähnlich liveR, ZüKomm, Einleitung Dienstbarkeiten (vor Art. 730 ZGB), N 4.

332

Die beschränkten dinglichen Rechte

• Die Rechte beziehen sich grundsätzlich auf Sachen, also auf unpersönliche, körperliche, für sich bestehende Gegenstände, die der menschlichen Herrschaft unterworfen werden können (vorne Nr. 4 ff.). Ausnahmsweise beziehen sich beschränkte dingliche Rechte nicht auf Sachen, sondern auf Rechte.4 Beispiel: Art. 899 ZGB (Pfandrecht an Forderungen und anderen Rechten).

• Dingliche Rechte gehören zu den absoluten Rechten: Sie wirken «erga omnes», sind also von jedermann zu respektieren (vorne Nr. 18 ff.). Beispiele: a. Die Nutzniessung (Art. 745 ff. ZGB) an einem Grundstück geht im Fall der Zwangsvollstreckung gegen die Eigentümerin grundsätzlich nicht unter, sondern wird der Ersteigerin überbunden (hinten Nr. 1174). – b. Die Pfandgläubigerin hat im Konkurs der Schuldnerin Anspruch darauf, vorweg (also vor den bloss persönlich berechtigten Gläubigerinnen) aus dem Verwertungserlös der Pfandsache befriedigt zu werden (Art. 198 und 219 Abs. 1 SchKG; vgl. auch Art. 816 Abs. 1 und Art. 891 Abs. 1 ZGB; hinten Nr. 1465 und 1557 ff.).

– Andererseits sind diese dinglichen Rechte beschränkt: Im Gegensatz zum Eigentum (als dem unbeschränkten dinglichen Recht, das sowohl Nutzung und Gebrauch als auch die Verfügungsmacht beinhaltet; vorne Nr. 655) vermitteln beschränkte dingliche Rechte dem Berechtigten nur die Sachherrschaft in bestimmter Richtung, namentlich die Nutzung und den Gebrauch oder (unter bestimmten Voraussetzungen) die Verwertung.

1155

Über das Verhältnis der beschränkten dinglichen Rechte (an fremder Sache) zum Eigentum bestehen zwei Theorien: Nach der Teilungstheorie werden bestimmte im Eigentum enthaltene Befugnisse ausgeschieden und auf einen Dritten übertragen, wodurch sie zum beschränkten dinglichen Recht werden.5 Die (in der Schweiz inzwischen wohl einhellig vertretene) Belastungstheorie dagegen besagt, dass das beschränkte dingliche Recht als unabhängige Berechtigung das Eigentum von aussen her einschränkt; mit dem Untergang des beschränkten dinglichen Rechts erlangt das Eigentum demzufolge ipso iure seine Universalität zurück (sogenannte Elastizität des Eigentums).6 1156

1157

2. Dogmatisch kann man das Eigentum (das Vollrecht) als das stärkere bzw. umfassendere Recht ansehen. Praktisch hat jedoch das beschränkte dingliche Recht den Vorrang, denn es beschneidet die Befugnisse des Eigentümers – genauer: jene Befugnisse, die der Eigentümer ohne die Belastung der Sache hätte.7 Wer Eigentümer ist, hat namentlich die Befugnisse und Behelfe aus Art. 641 Abs. 1 und 2 ZGB (vorne Nr. 657 ff.). Sein Abwehrrecht nach Art. 641 Abs. 2 ZGB beschränkt sich aber auf «ungerechtfertigte» Einwirkungen (und mit den Behelfen des Besitzesschutzes nach Art. 926 ff. ZGB lässt sich nur eine «verbotene Eigenmacht» bekämpfen [vorne Nr. 220]). Wer indessen ein beschränktes dingliches Recht an einer fremden Sache hat und dessen Schranken beachtet, handelt rechtmässig. Der Eigentümer muss demnach die entsprechende Rechtsausübung dulden,

4

5 6

7

Zur Kontroverse bezüglich der Rechtsnatur dieser Rechte vgl. liveR, ZüKomm, Einleitung Dienstbarkeiten (vor Art. 730 ZGB), N 21; deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 62 ff.; SteinaueR, Band II, Nr. 2139, und Band I, Nr. 119 mit Hinweisen. SimoniuS/SutteR, Band II, S. 31. Vgl. zu den beiden Theorien Paul Piotet, SPR V/1, S. 523 f.; deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 8 f.; SteinaueR, Band II, Nr. 2142 ff. SteinaueR, Band II, Nr. 2140 f.; liveR, ZüKomm, Einleitung Dienstbarkeiten (vor Art. 730 ZGB), N 36.

§ 23 Die beschränkten dinglichen Rechte im Allgemeinen

333

mag sie auch mit fremden Eingriffen verbunden sein, die seine Genussbefugnisse schmälern. Beispiel: Die Nutzniessung an einer Sache, die dem Berechtigten nach Art. 745 Abs. 2 ZGB grundsätzlich den vollen Genuss des Gegenstands verleiht (hinten Nr. 1337 ff.), kann bewirken, dass der Eigentümerin (während der Dauer der Nutzniessung; Art. 749 ZGB) nur noch das «nackte Eigentum» («nuda proprietas») verbleibt. Dennoch muss die Eigentümerin die Nutzniessung dulden, solange und soweit die Nutzniesserin ihr beschränktes dingliches Recht nicht überschreitet.

3. Zur Terminologie bleibt klarzustellen (vorne Nr. 32): Da das Recht selbst (und nicht die Dinglichkeit) beschränkt ist, handelt es sich um beschränkte dingliche Rechte.8

1158

4. Die beschränkten dinglichen Rechte geniessen den verfassungsrechtlichen Schutz der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV).9

1159

2.

Die Arten

1. Für die beschränkten dinglichen Rechte gilt ein Numerus clausus: Zulässig sind nur die vom Gesetz vorgesehenen Arten.10

1160

Bei den Grundpfandrechten schreibt Art. 793 ZGB dieses Prinzip ausdrücklich fest (hinten Nr. 1487 ff.); es gilt jedoch für alle beschränkten dinglichen Rechte, ja sogar für alle dinglichen Rechte überhaupt11 (vorne Nr. 71 ff.).

Innerhalb dieses geschlossenen Rahmens besteht aber immerhin eine sehr weit gehende Gestaltungsfreiheit (vgl. zum Beipiel Art. 730 und 781 ZGB).12 2. Das ZGB gliedert die beschränkten dinglichen Rechte (Art. 730–915 ZGB) wie folgt:

1161

– 21. Titel: Die Dienstbarkeiten und Grundlasten (Art. 730 ff. ZGB); – 22. Titel: Das Grundpfand (Art. 793 ff. ZGB); – 23. Titel: Das Fahrnispfand (Art. 884 ff. ZGB). Praktisch bedeutsam sind vor allem die Dienstbarkeiten und die Pfandrechte. Hinzu kommt der viel seltenere Sonderfall der Grundlast. Im Einzelnen: – Die Dienstbarkeiten (Servituten, «les servitudes»; Art. 730–781a ZGB) vermitteln dem Berechtigten die Befugnis, die Sache zu nutzen und zu gebrauchen (Nutzungs- und Gebrauchsrechte; vorne Nr. 36). Dienstbarkeiten bestehen hauptsächlich an Grundstücken, nur ausnahmsweise an Fahrnis:

8

9 10 11 12

liveR, ZüKomm, Einleitung (vor Art. 730 ZGB), N 4. Vgl. auch SteinaueR, Band II, Nr. 2134: «Ce qui est ‹limité› n’est … pas l’effet réel produit par le droit, mais le contenu de la maîtrise qu’il confère sur la chose.» BGE 120 Ia 120 ff. (121), E. 1b; BGer vom 5. April 1994, in ZBGR 77/1996, S. 53 ff. (55), E. 2a. Vgl. etwa liveR, ZüKomm, Einleitung Dienstbarkeiten (vor Art. 730 ZGB), N 12. BGE 108 II 278 ff. (284), E. 4b. liveR, ZüKomm, Einleitung Dienstbarkeiten (vor Art. 730 ZGB), N 64.

1162

334

Die beschränkten dinglichen Rechte

• Bei den Dienstbarkeiten an Grundstücken lassen sich Grund- und Personaldienstbarkeiten unterscheiden (hinten Nr. 1211 ff.). Beispiele: a. Fusswegrecht oder Fahrwegrecht nach Art. 730 Abs. 1 ZGB (Grunddienstbarkeit). – b. Nutzniessung an einem Grundstück nach Art. 745 Abs. 1 und Art. 768 ff. ZGB (Personaldienstbarkeit). – c. Baurecht nach Art. 779 Abs. 1 ZGB (Personaldienstbarkeit; vgl. immerhin hinten Nr. 1373).

• An Fahrnis kennt das ZGB nur eine einzige Art von Dienstbarkeit, nämlich die Nutzniessung (Art. 745 Abs. 1 ZGB; hinten Nr. 1335 ff.). Nutzniessung kann also als einziges beschränktes dingliches Recht an einem Grundstück oder an Fahrnis bestehen (Art. 745 Abs. 1 ZGB).

– Bei den Pfandrechten («les droits de gage»; Art. 793–915 ZGB) ist die Sache dem Berechtigten «verhaftet»; er hat ein Verwertungsrecht, um persönliche Ansprüche zu sichern (Sicherungs- oder Verwertungsrechte; vorne Nr. 38). Der Berechtigte kann mit anderen Worten unter gewissen Voraussetzungen die Verwertung der Sache durchsetzen, um sich aus dem Erlös zu befriedigen (Art. 816 Abs. 1 und Art. 891 Abs. 1 ZGB).13

1163

Beispiel: Zur pfandrechtlichen Sicherstellung einer Geldforderung wird eine Grundpfandverschreibung auf einem Grundstück errichtet (vgl. Art. 824 ZGB). Zahlt die Schuldnerin die Forderung nicht, so kann die Gläubigerin die Verwertung des Grundstücks (Pfandverwertung) verlangen und sich aus dem Erlös bezahlt machen (Art. 816 Abs. 1 ZGB).

Es lassen sich – je nach dem Pfandgegenstand – Grundpfand und Fahrnispfand unterscheiden (hinten Nr. 1468 ff.). • Die Grundpfandrechte teilen sich auf in Grundpfandverschreibung und Schuldbrief (Art. 793 Abs. 1 ZGB). Vgl. hinten Nr. 1487 ff. Bis zum 31. Dezember 2011 stand als dritte Art von Grundpfandrechten die Gült zur Verfügung (vgl. aArt. 847 ff. ZGB und hinten Nr. 1853 ff.).

• Bei den Fahrnispfandrechten regelt das Gesetz in Art. 884 ff. ZGB verschiedene Unterarten, etwa das Faustpfand (Art. 884–894 ZGB) und das Retentionsrecht (Art. 895–898 ZGB). Vgl. hinten Nr. 1869. – Als Sonderfall zu nennen sind die Grundlasten («les charges foncières»; Art. 782–792 ZGB; vorne Nr. 40 ff. und hinten Nr. 1440 ff.): Sie vermischen Möglichkeiten des Gebrauchs mit einem Sicherungsrecht. Vom Gesetz werden sie im Zusammenhang mit den Dienstbarkeiten (21. Titel) geregelt.

1164

Beispiel: ten Landwirtschaftsbetrieb.14 Wird die geschuldete Leistung nicht erbracht, hat die Gläubigerin nach Art. 791 Abs. 1 ZGB ein Recht auf Befriedigung aus dem Wert des belasteten Grundstücks (beachte aber Art. 791 Abs. 2 ZGB).

13 14

liveR, ZüKomm, Einleitung Dienstbarkeiten (vor Art. 730 ZGB), N 5. SimoniuS/SutteR, Band II, S. 294.

335

§ 23 Die beschränkten dinglichen Rechte im Allgemeinen

3. Demnach ergibt sich (im Anschluss an Nr. 43) folgendes Schema:

1165

Art. 730 – 915

an Grundstücken

Nutzungsrechte

Dienstbarkeiten Art. 730 –781a

Grunddienstbarkeiten Art. 730 ff.

Verwertungsrechte

Grundlasten Art. 782 –792

Personaldienstbarkeiten Art. 745 ff.

Grundpfandrechte Art. 793 – 875

Grundpfandverschreibung Art. 824 ff.

Schuldbrief Art. 842 ff.

an Fahrnis

Nutzungsrecht(e)

Verwertungsrechte

Dienstbarkeit(en)

Fahrnispfandrechte Art. 884 – 915

Nutzniessung Art. 745 ff.

Faustpfand und Retentionsrecht Art. 884 ff.

Andere Fahrnispfandrechte Art. 899 ff.

II. Die Rangordnung der beschränkten dinglichen Rechte 1.

Das Problem

mehrere beschränkte dingliche Rechte (und nicht nur ein einziges) auf einer Sache. Zwei Situationen kommen in Betracht:

1166

1. Zunächst ist denkbar, dass diese verschiedenen Rechte einander nicht tangieren,

1167

So können – je nach Situation – etwa mehrere Wegrechte oder ein Wegrecht in Verbindung mit einem 15

2. Oftmals liegt jedoch eine Unvereinbarkeit (Unverträglichkeit) vor – in dem Sinn, dass das eine Recht wegen der Existenz des anderen nicht (oder nicht vollständig) ausgeübt werden kann. Kollisionen treten insbesondere auf:16

15 16

R ey SteinaueR, Band II, Nr. 2146. Vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 2147; ausführlich R ey, BeKomm, System. Teil (vor Art. 730 ZGB), N 247.

1168

336

Die beschränkten dinglichen Rechte

– zwischen zwei Dienstbarkeiten, zum Beispiel zwischen einem Quellenrecht und einem Lehmausbeutungsrecht,17 zwischen einem Mitbenützungsrecht mehrerer Personen an einem Hofraum und einem ausschliesslichen Recht einer Person auf einen Autoabstellplatz im selben Hofraum,18 zwischen einem Baurecht und einer Bauverbotsservitut, zwischen einem Kiesausbeutungsrecht und einem Kiesabbaurecht19; – zwischen zwei Pfandrechten, wenn der Verwertungserlös nicht ausreicht, um beide gesicherten Forderungen zu tilgen; – zwischen einer Dienstbarkeit und einem Pfandrecht, wenn im Zeitpunkt der Verwertung deshalb ein geringerer Erlös erlangt wird, weil die Sache mit einer Dienstbarkeit belastet ist;20 – zwischen einer Dienstbarkeit und einem im Grundbuch vorgemerkten persönlichen Recht, zum Beispiel einem Baurecht und einem vorgemerkten Vorkaufsrecht.21

2.

Die grundsätzliche Lösung: Das Prinzip der Alterspriorität

1169

Als Grundsatz ges der beschränkten dinglichen Rechte ist das Prinzip der Alterspriorität («le principe de la priorité dans le temps») anwendbar. Es besagt, dass das früher errichtete beschränkte dingliche Recht vor dem später errichteten Vorrang hat («prior tempore, potior iure»; vorne Nr. 77).22 Die Rangordnung unter beschränkten dinglichen Rechten bestimmt sich mit anderen Worten grundsätzlich nach dem Errichtungsdatum. Im Einzelnen:

1170

1. Das Gesetz nennt das Prinzip der Alterspriorität zwar nicht ausdrücklich als allgemeinen Grundsatz für das Rangverhältnis. Es nimmt aber an verschiedenen Stellen darauf Bezug; so in Art. 972 Abs. 1 und Art. 812 Abs. 2 ZGB für das Immobiliarsachenrecht und in Art. 893 Abs. 2 ZGB für das Fahrnispfand. In Lehre und Rechtsprechung ist der Grundsatz der Alterspriorität anerkannt;23 vorbehalten bleiben gesetzliche Ausnahmen. Das Prinzip beruht seinerseits auf dem Grundsatz, dass kein dingliches Recht ohne die Zustimmung des Berechtigten aufgehoben oder eingeschränkt werden darf (sofern die Rechtsordnung nichts anderes vorschreibt). Daraus folgt namentlich, dass ein Eigentümer nicht mehrmals über dieselbe

17 18 19 20 21

BGE 57 II 258 ff. BGE 131 III 345 ff. (352), E. 2.3.1. BGE 137 III 444 ff. BGE 119 III 32 ff. (35), E. 1b. BGE 85 II 474 ff. (488), E. 6.

22 23

Vgl. schon eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 257; ferner etwa m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil (vor Art. 641 ZGB), N 95; liveR, ZüKomm, Einleitung Dienstbarkeiten (vor Art. 730 ZGB), N 37 ff.; R ey, BeKomm, System. Teil (vor Art. 730 ZGB), N 239 ff.; SteinaueR, Band II, Nr. 2148 f., 345 ff. (352), E. 2.3.1.

§ 23 Die beschränkten dinglichen Rechte im Allgemeinen

337

Sache in gleicher Weise verfügen kann.24 In diese Richtung zielt auch die Begründung von BGE 57 aus dem allgemein gültigen Satz, dass man von seinem Auktor nicht mehr Rechte erwerben kann, als dieser selbst (noch) hat …».

2. Massgebender Zeitpunkt ist der Moment der Errichtung des jeweiligen Rechts (vgl. auch Art. 893 Abs. 2 ZGB hinsichtlich des Faustpfands). Bei beschränkten dinglichen Rechten an Grundstücken kommt es demnach auf die Eintragung in das Grundbuch an (verstanden als Eintragung in das Hauptbuchblatt, die jedoch zeitlich auf das Datum der Tagebucheinschreibung zurückbezogen wird: Art. 972 Abs. 1 und 2 ZGB; vorne Nr. 573 f.).25

1171

3. Die Durchführung des Grundsatzes der Alterspriorität gestaltet sich unterschiedlich je nachdem, welche Rechte miteinander kollidieren. So führt die Unvereinbarkeit zwischen zwei Dienstbarkeiten dazu, dass das spätere Recht nicht oder nur eingeschränkt ausgeübt werden darf, solange das frühere Recht existiert. Denkbar ist aber auch, dass der vorgehende Berechtigte vom nachgehenden Berechtigten die Zustimmung zur Löschung von dessen Recht verlangen kann, so namentlich im Verhältnis zwischen einem vorgemerkten persönlichen Recht und einer Dienstbarkeit. Für den Fall einer möglichen Unverträglichkeit zwischen einem früheren Grundpfandrecht und einer später errichteten Dienstbarkeit oder Grundlast sieht das Gesetz in Art. 812 ZGB ein spezielles Vorgehen vor (Nr. 1173 ff.).26

1172

Beispiele: a. Ein Grundstück wird zunächst mit einer Bauverbotsservitut und dann mit einem Baurecht belastet. Die aus der Bauverbotsservitut Berechtigte kann verhindern, dass die Baurechtsberechtigte gestützt auf ihr Baurecht ein Gebäude auf dem belasteten Grundstück errichtet.27 – b. Wird nach der Vormerkung eines Vorkaufsrechts im Grundbuch ein Baurecht auf das betreffende Grundstück gelegt und tritt der Vorkaufsfall ein (in casu: weil der Baurechtsvertrag unter den gegebenen Umständen als Umgehung des Vorkaufsfalls gewertet werden muss; hinten Nr. 1409), so kann die Vorkaufsberechtigte, die ihr Recht ausgeübt hat, von der Baurechtsberechtigten die Löschung des Baurechts verlangen und diesen Anspruch nötigenfalls mit der Grundbuchberichtigungsklage durchsetzen.28

4. Wie gesagt, fusst auch Art. 812 ZGB auf dem Grundsatz der Alterspriorität. Für Immobilien lässt sich aus dieser Bestimmung in Bezug auf das Verhältnis der Grundpfandrechte zu den Dienstbarkeiten (und Grundlasten; zu den vorgemerkten persönlichen Rechten vgl. Nr. 1179) folgende Lösung gewinnen:

1173

– Erster Fall: Vorrang der (älteren) Dienstbarkeit. Wird ein mit einer Dienstbarkeit belastetes Grundstück verpfändet, so kann es bei einer Pfandverwertung nach dem Grundsatz der Alterspriorität nur zusammen mit der Dienstbarkeit (die bestehen bleibt) versteigert werden, auch wenn dadurch ein geringerer Erlös erzielt und die pfandgesicherte Forderung nicht abgedeckt wird.29

1174

24

25

26 27 28

29

liveR, ZüKomm, Einleitung Dienstbarkeiten (vor Art. 730 ZGB), N 37; SteinaueR, Band II, Nr. 2149. m eieR-h ayoz, BeKomm, System. Teil (vor Art. 641 ZGB), N 95; R ey, BeKomm, System. Teil (vor Art. 730 ZGB), N 241. Ausführlich zum Ganzen h anS-PeteR FRiedRich (zitiert in Nr. 1198), S. 327 ff. Vgl. auch h anSJöRg PeteR (zitiert in Nr. 1198), S. 384. BGE 85 II 474 ff. (488), E. 6; zur Übernahme nachträglich errichteter Grundpfandschulden durch den rückkaufsberechtigten Käufer vgl. ZBGR 81/2000, S. 312 ff. (Luzerner Obergericht). BGE 119 III 32 ff. (35), E. 1b, unter anderem mit Hinweis auf SteinaueR, Band II, Nr. 2153.

338

Die beschränkten dinglichen Rechte

Die früher errichtete Dienstbarkeit ist also «stärker» als das später errichtete Pfandrecht.

– Zweiter Fall: Vorrang des (älteren) Pfandrechts. Wird ein verpfändetes Grundstück nachträglich mit einer Dienstbarkeit belastet, so geht nach Art. 812 Abs. 2 ZGB das Grundpfandrecht der späteren Belastung vor – es sei denn, die Pfandgläubigerinnen hätten zugestimmt, dass der neu zu errichtenden Dienstbarkeit im Verhältnis zum Pfandrecht Priorität zukommen soll (dazu hinten Nr. 1182). Dieser Vorrang äussert sich aber erst im Zeitpunkt der Zwangsverwertung des belasteten Grundstücks, und auch dann nur, wenn feststeht, dass die nachträglich errichtete Dienstbarkeit den Wert des Grundstücks mindert (und damit das Pfandrecht beeinträchtigt).30 Im Einzelnen: Die Errichtung einer neuen Dienstbarkeit ist zwar durchaus zulässig (vgl. Art. 812 Abs. 1 ZGB); die Servitut wird jedoch gelöscht, wenn die vorgehende Pfandgläubigerin bei der Pfandverwertung durch ihren Bestand geschädigt wird. Um eine allfällige Schädigung feststellen zu können, wird bei der Verwertung nach dem Prinzip des Doppelaufrufs («la double mise à prix») verfahren (zu den Voraussetzungen für den Doppelaufruf vgl. Art. 142 Abs. 1 und 2 SchKG; ferner Art. 56 und 104 VZG):31

1175

1176

• Das Grundstück wird zuerst mit der Dienstbarkeit ausgerufen. Erfolgt daraufhin ein Angebot, das die Pfandrechte abdeckt, wird das Grundstück mit der Dienstbarkeit zugeschlagen.

1177

In diesem Fall steht fest, dass die nachträglich errichtete Dienstbarkeit das früher errichtete Pfandrecht nicht beeinträchtigt (den Wert des Grundstücks nicht zum Nachteil der Grundpfandgläubigerinnen gemindert) hat. Gleiches gilt, wenn ein allfälliger Fehlbetrag vom Dienstbarkeitsberechtigten sofort bar bezahlt wird (Art. 56 lit. a VZG).32

• Erfolgt kein Angebot, das die Pfandrechte abdeckt, so können die Pfandgläubigerinnen ein zweites Ausgebot verlangen, diesmal ohne die Dienstbarkeit. Offeriert bei diesem zweiten Aufruf ein Bieter mehr als beim ersten, so wird die Dienstbarkeit gelöscht (Art. 142 Abs. 3 SchKG; Art. 56 lit. b VZG). Ein allfälliger Überschuss nach Befriedigung der Pfandgläubigerinnen ist laut Art. 812 Abs. 3 ZGB (und Art. 142 Abs. 3 SchKG) dem Dienstbarkeitsberechtigten bis zur Höhe des Wertes der Belastung als Entschädigung zuzuweisen.33 Erfolgt hingegen (auch bei diesem zweiten Aufruf) kein höheres Angebot, so wird das Grundstück demjenigen zugeschlagen, der beim ersten Aufruf am meisten geboten hat, und zwar mit der Dienstbarkeit (Art. 56 lit. c VZG), da die Pfandgläubigerinnen durch die Belastung ja offensichtlich nicht geschädigt werden.

1178

30

31

32 33

Vgl. dazu schon eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 258; ferner etwa Botschaft zum Baurecht, BBl 1963 I, S. 969 ff. (993). BGE 81 III 61 ff.; 121 III 242 ff. (243), E. 1; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 106 N 10 ff.; SteinaueR, Band II, Nr. 2154 ff.; FRitzSche/WaldeR, Band I, S. 448 ff.; a monn/WaltheR, § 28 N 55 ff.; ingRid Jent-SøRenSen, Die Rechtsdurchsetzung bei der Grundstückverwertung in der Spezialexekution, Habil. Zürich 2003, Nr. 751 ff. BGE 81 III 61 ff. (63), E. 1. Vgl. dazu BGE 132 III 539 ff.

339

§ 23 Die beschränkten dinglichen Rechte im Allgemeinen

• Die Bestimmungen über den Doppelaufruf gelten nach Art. 142 Abs. 1 SchKG (und Art. 104 VZG) nicht bloss mit Bezug auf Dienstbarkeiten und Grundlasten, sondern auch für im Grundbuch vorgemerkte persönliche Rechte.34

1179

Wurde also beispielsweise auf einem verpfändeten Grundstück ein Mietverhältnis gemäss Art. 261b OR im Grundbuch vorgemerkt, kann die dadurch geschädigte Pfandgläubigerin im Rahmen der Zwangsverwertung die Löschung der Vormerkung verlangen. Zur Möglichkeit, darüber hinaus für den Mietvertrag als solchen den Doppelaufruf zu beantragen, vgl. hinten Nr. 1180a f.

Nach dem Gesagten ergibt sich für das Verfahren des Doppelaufrufs folgendes Schema:

1. Aufruf

Last

Angebot deckt Pfandrecht ab

Angebot deckt Pfandrecht

(bzw. Fehlbetrag wird vom Berechtigten bezahlt)

(und Fehlbetrag wird vom Berechtigten nicht bezahlt)

Zuschlag Art. 56 lit. a VZG

Last

2. Aufruf

ab

Last

Art. 56 lit. b VZG

höheres Angebot Last wird gelöscht; Überschuss an Berechtigten Art. 142 Abs. 3 SchKG, Art. 56 lit. b VZG

höheres Angebot Zuschlag an Meistbietenden des 1. Aufrufs Last Art. 56 lit. c VZG

– Bei öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen kommt ein Doppelaufruf nicht in Frage, da ihr Bestand durch die Zwangsverwertung nicht erschüttert wird. Dies gilt selbst dann, wenn die Beschränkungen durch einen privatrechtlichen Vertrag ausgelöst wurden.35 5. Spezielle Fragen stellen sich mit Bezug auf das Verhältnis zwischen einem (nicht vorgemerkten) Miet- bzw. Pachtvertrag und vorbestehenden Grundpfandrechten in der Zwangsverwertung. Gemäss Art. 261 Abs. 1 und Art. 290 OR sowie Art. 14 LPG gehen Miet- und Pachtverträge bei der Zwangsverwertung auf den Erwerber des Grundstücks über. Diese Regelung dient dem Schutz des Mieters oder

34 35

1179a

Vgl. schon BGE 43 III 140 ff. (142 f.). BGE 121 III 242 ff.; vgl. immerhin beRnhaRd SchnydeR, BR/DC 1996, S. 53.

1180

1180a

340

Die beschränkten dinglichen Rechte

Pächters. Gleichzeitig beeinträchtigt sie aber die Position der Pfandgläubigerinnen: Diese können zu Schaden kommen, wenn die Liegenschaft, die ihnen an und für sich ausreichende Sicherheit bieten würde, langfristig zu einem niedrigen Zins vermietet oder verpachtet wird und dadurch der Erlös bei einer Zwangsverwertung geringer ausfällt, als wenn kein derartiger Vertrag bestände. Das Bundesgericht hat insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der massgebenden Bestimmungen des Miet- und Pachtrechts geschlossen, es spreche nichts für eine bewusste Bevorzugung von Mietern bzw. Pächtern mit langfristigen Verträgen gegenüber prioritären Grundpfandgläubigerinnen in der Zwangsvollstreckung.36 Vielmehr liegt eine echte Lücke vor (Art. 1 Abs. 2 ZGB), die das Bundesgericht im Sinn einer zwischen den verschiedenen Interessen vermittelnden Lösung geschlossen hat: Es lässt bei nicht im Grundbuch vorgemerkten langfristigen Miet- und Pachtverträgen den Doppelaufruf zu, soweit eine analoge Anwendung von Art. 142 SchKG möglich ist.37 Der Vertrag geht zwar auch bei erwiesener Schädigung der Grundpfandgläubigerinnen auf den Erwerber über. Dieser kann ihn aber auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen, ohne die in Art. 261 Abs. 2 lit. a OR bzw. Art. 15 LPG vorgesehenen Gründe (namentlich dringenden Eigenbedarf) nachweisen zu müssen.38 Der Mieter kann allerdings auch in diesem Fall unter den Voraussetzungen der Art. 272 ff. OR die Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen.39

1180b

Beispiel: Ein Grundstück, auf dem ein Einfamilienhaus steht, ist mit einem Pfandrecht belastet. Die Eigentümerin schliesst nun über das Haus mit einer Verwandten einen langjährigen Mietvertrag zu einem günstigen Mietzins ab. Da bei Fälligkeit der pfandgesicherten Forderung keine Zahlung erfolgt, wird das Grundstück zwangsverwertet. Beim von der Pfandgläubigerin verlangten Doppelaufruf wird für das Grundstück ohne den Mietvertrag ein höherer Preis geboten als mit dem Vertrag. Das Mietverhältnis geht in diesem Fall zwar trotzdem auf die ersteigernde Bank über, sie kann aber ohne Weiteres (d.h. auch wenn sie keinen dringenden Eigenbedarf geltend macht) auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen. Die Mieterin hat immerhin die Möglichkeit, die Erstreckung des Mietverhältnisses zu verlangen, wenn die Beendigung der Miete für sie eine Härte zur Folge hätte, die durch die Interessen der Vermieterin nicht zu rechtfertigen ist (vgl. Art. 272 OR).

36 37

38

39

BGE 124 III 37 ff. (39), E. 2; 125 III 123 ff. (128), E. 1d. BGE 124 III 37 ff. (39 f.), E. 2 (landwirtschaftliche Pacht); 125 III 123 ff. (128), E. 1d (Miete); in Bezug auf die Massgeblichkeit der verbleibenden Mietdauer präzisiert in BGE 126 III 290 ff. (292), E. 2a und b. BGE 125 III 123 ff. (129 f.), E. 1e; zum Zeitpunkt der Kündigung vgl. ZBGR 83/2002, S. 276 ff. (Kantonsgericht Waadt). BGE 128 III 82 ff. (87 ff.), E. 2d. – Vgl. zum Ganzen aus der neueren Literatur etwa PieRReRobeRt gilliéRon, Analyse critique de trois arrêts du Tribunal fédéral sur la question de la double «mise à prix», RJN 2000, S. 329 ff.; hüRlimann-K auP, Grundfragen, Nr. 841 ff.; chaRleS JacqueS, L’opposabilité des baux aux titulaires de droits de gage, SJZ 96/2000, S. 79 ff.; thomaS PietRuSzaK / JöRg zachaRiae, Der Schutz des Mieters von Wohn- und Geschäftsräumen in der Zwangsverwertung, recht 2000, S. 41 ff.; Jean-PieRRe tSchudi, MRA 2001, S. 61 ff. (Kommentar zu BGE 126 III 290 ff.).

§ 23 Die beschränkten dinglichen Rechte im Allgemeinen

3.

341

Ausnahmen

Durchbrechungen des Prinzips der Alterspriorität kommen aus mehreren Gründen vor:40

1181

1. Zunächst kann sich eine andere Rangfolge aus Rechtsgeschäft der Beteiligten ergeben; der Grundsatz der Alterspriorität stellt mit anderen Worten dispositives Recht dar.41 Der an sich (kraft Gesetzes) vorrangige Berechtigte kann sich also rechtswirksam damit einverstanden erklären, dem Inhaber eines später errichteten Rechts im Rang nachzugehen.

1182

2. Ausserdem sieht das Gesetz selber Ausnahmen vor, so etwa bei mehreren auf einem Grundstück lastenden Pfandrechten – also beim System der festen Pfandstelle nach Art. 813 ff. ZGB (hinten Nr. 1568 ff.) – oder bei unmittelbaren gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen (vorne Nr. 928).

1183

Nach der Lehre haben darüber hinaus Legalservituten (Nr. 1220 ff.) Vorrang vor allen rechtsgeschäftlich begründeten beschränkten dinglichen Rechten, die bereits auf dem Grundstück lasten (vgl. hinten Nr. 1226).

III. Beschränkte dingliche Rechte an eigener Sache 1. Grundsätzlich besteht ein beschränktes dingliches Recht nur an einer fremden Sache: einer Sache, die einem anderen gehört (vgl. dazu die Umschreibung der beschränkten dinglichen Rechte im römischen Recht als «iura in re aliena»). Aus dem römischen Recht stammt auch der Grundsatz, dass bei Zusammentreffen der Eigenschaften des Eigentümers einer Sache und des Inhabers eines beschränkten dinglichen Rechts in einer Person das beschränkte dingliche Recht erlischt (Prinzip der Konsolidation; «nulli res sua servit» [Niemandem dient seine eigene Sache.]).

1184

Diese Lösung fusst auf der Überlegung, dass der Eigentümer ja bereits die unbeschränkte ausschliessliche Herrschaft über die Sache hat und für ihn daher regelmässig kein Interesse besteht, darüber hinaus noch Träger eines beschränkten dinglichen Rechts an derselben Sache zu sein.42

2. Nach schweizerischem Recht ist es jedoch in bestimmten Fällen zulässig, dass ein Eigentümer ein beschränktes dingliches Recht an seiner eigenen Sache hat («le droit réel limité du propriétaire sur sa propre chose»). In diesem Zusammenhang wird unterschieden in teilweise (nachfolgend 1.) oder vollständige (2.) Konsolidation – je nachdem, ob das beschränkte dingliche Recht des Eigentümers anderen auf der Sache lastenden dinglichen Rechten vorgeht oder nicht.43 Genau genommen kann nur dann von Konsolidation gesprochen werden, wenn die Eigenschaft des Eigentümers und jene des Inhabers eines beschränkten dinglichen Rechts an derselben Sache

40

41 42 43

Vgl. im Einzelnen R ey, Band I, Nr. 557 ff.; Paul Piotet, SPR V/1, S. 526 ff.; SteinaueR, Band II, Nr. 2158 ff. BGE 119 III 32 ff. (35), E. 1c; SteinaueR, Band II, Nr. 2162. SteinaueR, Band II, Nr. 2163. SteinaueR, Band II, Nr. 2163.

1185

342

Die beschränkten dinglichen Rechte

zusammenfallen, nachdem sie zunächst voneinander getrennt waren. Der Begriff wird im Folgenden jedoch auch dann verwendet, wenn bereits von Anfang an Einheit besteht.44

1. 1186

Teilweise Konsolidation

Bei nur teilweiser Konsolidation (also wenn das beschränkte dingliche Recht, dessen Träger der Eigentümer ist, anderen beschränkten dinglichen Rechten an der Sache vorgeht) bleibt das beschränkte dingliche Recht an eigener Sache bestehen. Der Eigentümer hat an der Beibehaltung durchaus ein Interesse, da ihm dadurch eine bestimmte Teilherrschaft an der Sache zukommt, die sonst möglicherweise von den anderen auf der Sache lastenden Rechten in Frage gestellt würde.45 Beispiel: An einer Fahrnissache wird zunächst eine Nutzniessung, später dann noch ein Pfandrecht begründet. Die Nutzniessung bleibt auch dann bestehen, wenn die Nutzniesserin Alleinerbin der Eigentümerin wird.46 Das ist bei der Pfandverwertung von Bedeutung: Die Sache wird dann nämlich mit der darauf lastenden Nutzniessung verwertet, und die Erbin behält die Nutzniessung weiterhin.47

2. 1187

Von vollständiger Konsolidation ist die Rede, wenn das beschränkte dingliche Recht, dessen Träger der Eigentümer ist, keinen anderen beschränkten dinglichen Rechten an der Sache vorgeht. Die Rechtslage stellt sich unterschiedlich dar – je nachdem, ob die belastete Sache beweglich oder unbeweglich ist:

A. 1188

Vollständige Konsolidation

Bei Fahrnis

Bei Fahrnis führt das Zusammenfallen der Eigenschaften des Eigentümers und des Inhabers eines beschränkten dinglichen Rechts in einer Person zum Untergang des beschränkten dinglichen Rechts.48 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass das Bestehen eines beschränkten dinglichen Rechts des Eigentümers bei Fahrnis für einen Dritten nicht erkennbar ist (Publizitätsprinzip; vgl. vorne Nr. 63 ff.) und – anders als bei bloss teilweiser Konsolidation – das Interesse des Eigentümers auch nicht dermassen überwiegt, dass es sich rechtfertigen würde, von diesem Grundsatz abzuweichen.49 Beispiele: a. Eine Fahrnissache ist nur mit einer Nutzniessung belastet. Erwirbt nun die Nutzniessungsberechtigte die belastete Sache zu Eigentum, so geht die Nutzniessung unter.50 – b. Erwirbt die Pfandgläubigerin das Eigentum an der Pfandsache, erlischt das Pfandrecht durch Konfusion51 (hinten Nr. 1875).

44 45 46 47 48 49 50 51

Vgl. Paul Piotet, SPR V/1, S. 532 f. SteinaueR, Band II, Nr. 2164. Paul Piotet, SPR V/1, S. 534. SteinaueR, Band II, Nr. 2165. R ey, BeKomm, System. Teil (vor Art. 730 ZGB), N 156; SteinaueR, Band II, Nr. 2166. Paul Piotet, SPR V/1, S. 535. Vgl. auch deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 45. SteinaueR, Band II, Nr. 2166. Vgl. auch BGer 4A_141/2007, E. 4.3.

§ 23 Die beschränkten dinglichen Rechte im Allgemeinen

B.

343

Bei Grundstücken

Im Gegensatz zur Fahrnis wird das Publizitätsprinzip bei Grundstücken durch die Eintragung in das Grundbuch gewahrt. Daher kann es auch bei vollständiger Konsolidation vorkommen, dass der Eigentümer eines Grundstücks beschränkte dingliche Rechte an eigener Sache hat und behält.52 Das Gesetz sieht zwei Möglichkeiten vor, nämlich die Eigentümerdienstbarkeit (nachfolgend a.) und das Eigentümergrundpfandrecht (b.). Im Einzelnen: a.

1189

Die Eigentümerdienstbarkeit

1. Bei der Eigentümerdienstbarkeit («la servitude du propriétaire»; hinten Nr. 1247) fallen Eigentümer und Dienstbarkeitsberechtigter zusammen. Zwei Situationen sind zu unterscheiden:

1190

– Der Eigentümer errichtet gestützt auf Art. 733 ZGB auf seinem Grundstück zu Gunsten eines anderen ihm gehörenden Grundstücks eine Dienstbarkeit (zum Beispiel Wegrecht, Näherbaurecht).

1191

– Der Dienstbarkeitsberechtigte wird Eigentümer des belasteten Grundstücks. Nach Art. 735 Abs. 2 ZGB bleibt die Dienstbarkeit weiter bestehen, solange sie nicht (auf Verlangen des Berechtigten) im Grundbuch gelöscht wird.

1192

Eine Eigentümerdienstbarkeit ist nicht notwendigerweise eine Grunddienstbarkeit. Die Art. 733 und 735 Abs. 2 ZGB gelten analog auch für Personaldienstbarkeiten und für Grundlasten.53

2. Die Eigentümerdienstbarkeit hat vor allem folgende Vorteile:

1193

– Der Eigentümer erhält die Möglichkeit, im Fall einer Abparzellierung die Beziehung zwischen den Grundstücken vor einem allfälligen Verkauf (also durch einseitigen Akt) zu regeln, indem etwa der Zugang zur Strasse mittels eines Fussund Fahrwegrechts gesichert wird.54 Illustrativ eugen hubeR: «Wirkung der Eintragung an dem eigenen Grundstücke des Berechtigten muss … sein, dass, sobald das Eigentum am dienenden von demjenigen am herrschenden Grundstücke sich trennt, die materielle Rechtskraft der Dienstbarkeit zur Geltung kommt.»55

– Die Dienstbarkeit entsteht nach Art. 972 ZGB mit der Eintragung in das Grundbuch. Dieses Datum (im Einzelnen vorne Nr. 573 f.) ist entscheidend für den Rang, den die Dienstbarkeit im Vergleich zu den anderen auf dem Grundstück lastenden beschränkten dinglichen Rechten einnimmt.56 b.

Das Eigentümergrundpfandrecht

1. Beim Eigentümergrundpfandrecht («le droit de gage du propriétaire sur sa propre chose»; hinten Nr. 1832 ff.) fallen die Eigenschaft des Eigentümers und jene

52 53

54

55 56

SteinaueR, Band II, Nr. 2167. liveR, ZüKomm, N 43 zu Art. 733 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 2171; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 105 N 7. Die Zulässigkeit einer Eigentümergrundlast verneinend deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 737 ff.; JacqueS-daniel noveRRaz (zitiert in Nr. 1460), Nr. 176 ff. SteinaueR, Band II, Nr. 2173: deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 220 f. Vgl. zum Beispiel BGer 5A_841/2014, Sachverhalt A.a. eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 142. Vgl. dazu auch deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 48 ff. SteinaueR, Band II, Nr. 2174.

1194

344

Die beschränkten dinglichen Rechte

des Pfandgläubigers (und unter Umständen auch des Schuldners) in einer Person zusammen. Wiederum sind zwei Grundkonstellationen zu beachten:57 – Im ersten Fall, der Drittpfandverhältnisse betrifft (hinten Nr. 1606 ff.), sind wohl Eigentümer und Pfandgläubiger dieselbe Person, doch unterscheiden sich Gläubiger und Schuldner der pfandgesicherten Obligation. Dies kommt dann vor, wenn ein Grundeigentümer, der sein Grundstück für die Schuld eines Dritten verpfändet hat, durch Abtretung oder Subrogation (Art. 827 Abs. 2 ZGB und Art. 110 Ziff. 1 OR; dazu Nr. 1609) die pfandversicherte Forderung erwirbt oder wenn umgekehrt der Pfandgläubiger das pfandbelastete Grundstück erwirbt. Das Pfandrecht bleibt bestehen, solange der Grundeigentümer nicht die Löschung im Grundbuch verlangt (vgl. Art. 801 Abs. 1 ZGB).58

1195

Die Lehre spricht in diesem Fall von forderungsbekleidetem (auch: uneigentlichem, unechtem oder unvollkommenem) Eigentümergrundpfandrecht («le droit de gage du propriétaire au sens impropre»), dessen Merkmal eben im Zusammenfallen von Eigentümerschaft und Pfandgläubigerstellung, jedoch im Getrenntsein von Gläubiger- und Schuldnerschaft besteht. Von «forderungsbekleidet» ist die Rede, weil eine Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner nach wie vor besteht.59

– Im zweiten Fall fallen nicht nur Eigentümerschaft und Pfandgläubigerstellung zusammen, sondern auch Gläubiger und Schuldner sind ein und dieselbe Person. Diese doppelte Vereinigung kommt vor:60

1196

• von Anfang an, wenn der Eigentümer auf seinem Grundstück ein Pfandrecht zu seinen eigenen Gunsten errichtet, indem er sich selbst als Gläubiger bezeichnet (Art. 857 Abs. 2 und Art. 860 Abs. 2 ZGB); beim Papier-Schuldbrief hat er ausserdem die Möglichkeit, einen Inhaberschuldbrief ausstellen zu lassen (Art. 860 Abs. 2 ZGB), den er einstweilen bei sich behält (hinten Nr. 1832 ff.). Solange beim Register-Schuldbrief kein neuer Gläubiger eingetragen wird (vgl. Art. 858 Abs. 1 ZGB) oder beim Papier-Schuldbrief der Eigentümer den Titel bei sich behält, führt die Forderung nur eine formelle Existenz.61

• nachträglich, wenn der Grundeigentümer, der sein Grundstück für eine eigene Schuld verpfändet hat, diese tilgt und vom Gläubiger verlangt, dass er der Übertragung des Register-Schuldbriefs auf den Namen des Schuldners zustimmt bzw. den Pfandtitel des Papier-Schuldbriefs unentkräftet herausgibt (Art. 853 ZGB; hinten Nr. 1842b und 1838b). In den beiden genannten Fällen einer doppelten Vereinigung spricht man von forderungsentkleidetem (auch: eigentlichem, echtem oder vollkommenem) Eigentümergrundpfandrecht («le droit de gage du propriétaire au sens propre»).62 – Das echte Eigentümergrundpfandrecht widerspricht dem Prinzip der Konfusion, wonach eine Forderung erlischt, wenn die Eigenschaften des Gläubigers und des Schuldners in einer Person zusammentreffen (Art. 118 Abs. 1 OR). Das

57 58 59

60 61 62

tuoR /SchnydeR /Schmid, § 105 N 13 ff. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 105 N 14 f.; SteinaueR, Band II, Nr. 2176. SteinaueR, Band II, Nr. 2177; Staehelin, BaKomm, N 11 zu Art. 857 ZGB; dieteR zobl, Probleme (zitiert in Nr. 1851), S. 200 ff. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 105 N 16; SteinaueR, Band II, Nr. 2178 f. Vgl. zum Papier-Schuldbrief BGE 107 III 128 ff. (134), E. 5: «Papierexistenz». SteinaueR, Band II, Nr. 2179; Staehelin, BaKomm, N 11 zu Art. 857 ZGB; dieteR zobl, Probleme (zitiert in Nr. 1851), S. 200.

§ 23 Die beschränkten dinglichen Rechte im Allgemeinen

345

Gesetz behält aber in Art. 118 Abs. 3 OR die besonderen Vorschriften über das Grundpfandrecht ausdrücklich vor.63 Über die dogmatische Erfassung dieser Ausnahme bestehen verschiedene Theorien;64 die Bezeichnung «forderungsentkleidet» wird von Rechtsprechung und Lehre mit guten Gründen teilweise als missverständlich kritisiert.65

2. Das Eigentümergrundpfandrecht hat – bezogen auf die Schuldbrieferrichtung nach Art. 857 Abs. 2 und Art. 860 Abs. 2 ZGB (hinten Nr. 1832 ff.) – vor allem folgende Vorteile:66

1197

– Der Eigentümer des Grundstücks beschafft sich gewissermassen Pfandrechte auf Vorrat, die er im Zeitpunkt der Kreditaufnahme an Dritte weitergeben kann, ohne dass zur Errichtung eines Grundpfandrechts noch ein Vertrag abgeschlossen werden muss. Das in diesem Zusammenhang bisher genannte Argument des Kostenvorteils ist mit Inkrafttreten der Revision des Immobiliarsachenrechts allerdings weggefallen, da nach Art. 799 Abs. 2 ZGB neu jedes Rechtsgeschäft auf Errichtung eines Grundpfandes (also auch die einseitige Errichtungserklärung) der öffentlichen Beurkundung bedarf.

– Weiter besteht die Möglichkeit, am Pfandtitel (verstanden als Wertpapier) ein Fahrnispfandrecht zu errichten (hinten Nr. 1847a). Auch der Register-Schuldbrief kann verpfändet werden (vgl. Art. 859 Abs. 1 ZGB), obwohl es hier an einem Pfandtitel (und damit an einer Sache) fehlt (hinten Nr. 1847b). Das fällt insbesondere in Betracht, wenn ein Kredit nur vorübergehend aufgenommen werden soll oder der von der kantonalen Gesetzgebung festgelegte Zinsfuss für das Grundpfand (vgl. Art. 795 Abs. 2 ZGB; hinten Nr. 1508) als zu tief empfunden wird. In der Praxis spielt die Faustverpfändung von Eigentümerschuldbriefen allerdings keine grosse Rolle mehr; zu den Gründen vgl. hinten Nr. 1847a.

– Das Grundpfandrecht erhält schliesslich seinen Rang grundsätzlich mit der Eintragung in das Grundbuch (vgl. aber Art. 815 ZGB und dazu hinten Nr. 1579).

IV. Weiterführende Literatur – dRuey Jean nicolaS, Das forderungsentkleidete Grundpfand und das Nachrückungsrecht, ZBGR 60/1979, S. 201 ff. – FRiedRich hanS-PeteR, Der Rang der Grundstücksrechte, ZBGR 58/1977, S. 321 ff. – leemann, Einleitung zu Art. 730–918 ZGB. – liveR, ZüKomm, Einleitung Dienstbarkeiten (vor Art. 730 ZGB), N 1 ff. – looSeR maRtin, Beschränkte dingliche Rechte in der Zwangsvollstreckung, AJP 2004, S. 445 ff. – meSSeRli beat, Die Verpfändung von Eigentümerschuldbriefen – Nachruf und Ausblick, AJP 2000, S. 440 ff.

63 64 65

66

gauch /SchlueP/emmeneggeR, Nr. 3183; kritisch a ePli, ZüKomm, N 42 f. zu Art. 118 OR. Einzelheiten bei tuoR /SchnydeR /Schmid, § 105 N 21 ff. BGE 130 III 681 ff. (683), E. 2.3, unter Hinweis auf Sidney K ameRzin (zitiert in Nr. 1851), S. 60, Fn. 322; theo guhl, Die Verselbständigung der dinglichen Rechte im schweizerischen ZGB, in: FS Eugen Huber, Bern 1919, S. 77. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 105 N 25; SteinaueR, Band II, Nr. 2182 ff.

1198

346

Die beschränkten dinglichen Rechte

– möcKli uRS PeteR, Das Eigentümergrundpfandrecht, Diss. Bern 2001 (ASR Heft 651). – PeteR hanSJöRg, Le rang des droits réels et la réalisation des immeubles, ZBGR 78/1997, S. 377 ff. – Piotet deniS, Le rôle du rang des droits de gage immobilier dans l’exécution forcée, in: Hottelier Michel/Foëx Bénédict (Hrsg.), Les gages immobiliers – Constitution volontaire et réalisation forcée, Basel/Genf/München 1999, S. 155 ff. – R ey, BeKomm, System. Teil (vor Art. 730 ZGB), N 20 ff., 147 ff. und 239 ff. – Schmid-tSchiRRen chRiStina, Rechte an eigener Sache, Überlegungen zur Eigentümerdienstbarkeit und zum Eigentümergrundpfandrecht nach schweizerischem Sachenrecht, in: Fankhauser Roland et al. (Hrsg.), Das Zivilrecht und seine Durchsetzung, Festschrift für Professor Thomas Sutter-Somm, Zürich/Basel/Genf 2016, S. 1039 ff. (zitiert: Schmid-tSchiRRen, Rechte an eigener Sache). – dieSelbe, «Prior tempore, potior iure» – Ausführungen zum sachenrechtlichen Prinzip der Alterspriorität, BN 75/2014, S. 316 ff. (zitiert: Schmid-tSchiRRen, Alterspriorität).

V. 1199

Fälle

1. BGE 119 III 32 ff. Prinzip der Alterspriorität (als dispositives Recht). Vereinbarung über den Rangvorgang. 2. BGE 107 III 128 ff. Faustpfandrecht an Eigentümerschuldbriefen, die ein Grundeigentümer zur Sicherstellung der Darlehensschuld eines Dritten verpfändet hat. – Stellung des Faustpfandgläubigers im Konkurs des Verpfänders. 3. BGE 125 III 123 ff. (vgl. auch BGE 126 III 290 ff.; 128 III 82 ff.) Zulässigkeit des Doppelaufrufs sowohl beim vorgemerkten als auch beim nicht eingetragenen langfristigen Mietvertrag. Übergang des Mietvertrags auf den Erwerber. Kündigungsmöglichkeit des Erwerbers auch ohne Nachweis dringenden Eigenbedarfs.

§ 24 Die Dienstbarkeiten im Allgemeinen

347

1. Abschnitt: Die Dienstbarkeiten und Grundlasten § 24 Die Dienstbarkeiten im Allgemeinen 1. Nach dem Gesagten (Nr. 1162) sind Dienstbarkeiten (Servituten; «les servitudes») beschränkte dingliche Rechte an einer Sache, die dem Berechtigten die Befugnis vermitteln, die Sache in bestimmter Hinsicht zu nutzen und zu gebrauchen. Es handelt sich also um Nutzungs- und Gebrauchsrechte. In diesem einleitenden Paragrafen soll aufgezeigt werden,

1200

– dass Servituten nicht die einzigen Nutzungsrechte sind, sondern dass Nutzungsmöglichkeiten sich auch anders ausgestalten lassen (nachfolgend I.); – was Inhalt, Gegenstand und Arten der Dienstbarkeiten im Allgemeinen ausmachen (II.); – was unter dem Begriff «Legalservituten» zu verstehen ist (III.); und – wie das ZGB den Inhaber einer Dienstbarkeit schützt (IV.). Diese Ausführungen konzentrieren sich auf den praktisch wichtigen Fall der Dienstbarkeit. Vereinzelt wird jedoch auch auf den in der Praxis weniger bedeutsamen Fall der Grundlast hingewiesen.

2. Die Revision des Immobiliarsachenrechts vom 11. Dezember 2009 hat auch für das Dienstbarkeitsrecht wichtige Neuerungen gebracht. Als zentraler Punkt lässt

1200a

nennen. Die Einzelheiten der verschiedenen Änderungen werden an den einschlägigen Stellen dargestellt. Zur Literatur vgl. hinten Nr. 1237a.

I.

Verschiedene rechtliche Gestaltungen von Nutzungen an einer Sache

Für eine Sachnutzung sind neben dem Einräumen eines beschränkten dinglichen Rechts (Dienstbarkeit) auch andere rechtliche Konstruktionen denkbar. Einige von ihnen führen zu Nutzungsrechten (verstanden als Rechte im subjektiven Sinn), andere bieten nur Nutzungsmöglichkeiten. Folgende Gestaltungen kommen in Betracht:

1201

– Prekaristische Gestattung: Eine Person erlaubt einer anderen auf Zusehen hin und mit dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs, eine Sache zu benutzen. Nach der Lehre wird dem Benutzer dadurch kein subjektives Recht, sondern eine blosse Nutzungsmöglichkeit eingeräumt. Solange der Eigentümer die Nutzung jedoch zulässt, ist sie immerhin nicht widerrechtlich.1

1202

1

liveR, ZüKomm, N 57 zu Art. 730 ZGB und N 99 zu Art. 732 ZGB; vgl. auch BGE 136 III 261 ff. (266), E. 3.2; 136 III 130 ff. (138), E. 5.1 und 5.2; 127 III 506 ff. (513 f.), E. 4a.

348

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Die prekaristische Gestattung beruht in dieser Konzeption auf einseitiger Erlaubnis des Eigentümers und nicht auf Vertrag (namentlich nicht auf Gebrauchsleihe).2 Der Eigentümer gestattet einem anderen die Benutzung «aus blosser Gefälligkeit, auf Zusehen hin, ohne Einräumung eines Rechtes».3 1203

– Obligatorisches (persönliches) Rechtsverhältnis, namentlich Gebrauchsleihe oder Miete, allenfalls ein Innominatkontrakt (zum Beispiel Leasingvertrag): Rechte mungen des Obligationenrechts festgelegt. Der Entlehner oder Mieter geniesst hier ein Nutzungsrecht, das sich – als obligatorisches Recht – allerdings einzig gegen den Vertragspartner (den Verleiher oder Vermieter) richtet. Immerhin können sich gewisse Abwehrrechte gegen Dritte aus den Vorschriften über den Besitzesschutz (Art. 926–929 ZGB) und allenfalls über den Besitzesrechtsschutz (Art. 930–937 ZGB) ergeben. Fällt jedoch der Eigentümer der Sache in Konkurs, so muss sich der Gläubiger in der Regel mit einer Konkursdividende zufrieden geben (vgl. Art. 219 Abs. 4 SchKG), da obligatorische Rechte in der Zwangsvollstreckung grundsätzlich nicht privilegiert sind; Ausnahmen bestehen etwa im Mietrecht zum Schutz der Mieter (vgl. Art. 261 OR und vorne Nr. 1180a f.).

Im vorliegenden Zusammenhang (be-)merkenswert ist der Grundsatz, dass jedes Rechtsverhältnis, das Inhalt einer Dienstbarkeit – also eines beschränkten dinglichen Rechts – sein kann, sich auch als bloss obligatorisches Rechtsverhältnis begründen lässt.4 1204

– Vorgemerktes obligatorisches Verhältnis: Gemäss Art. 959 Abs. 1 ZGB können persönliche (obligatorische) Rechte im Grundbuch vorgemerkt werden, wenn ihre Vormerkung durch das Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist (vorne Nr. 475 ff.). Das trifft namentlich auf die Miete und die Pacht zu (Art. 261b und 290 lit. c OR). Die Vormerkung hat eine Verstärkung des obligatorischen Rechts zur Folge; sie wirkt «gegenüber jedem später erworbenen Rechte» (Art. 959 Abs. 2 ZGB; ähnlich Art. 261b Abs. 2 OR). Lehre und Rechtsprechung bezeichnen das entstehende Rechtsverhältnis als Realobligation5 (vgl. im Übrigen vorne Nr. 478). Der Gläubiger verfügt damit über eine gewisse dingliche Sicherung, wenn der Eigentümer die Sache weiterveräussert oder in Konkurs fällt. Im Mietrecht bewirkt die Vormerkung gemäss Art. 261b Abs. 2 OR, «dass jeder neue Eigentümer dem Mieter gestatten muss, das Grundstück entsprechend dem Mietvertrag zu gebrauchen».6 Die vorgemerkte Miete wirkt mit anderen Worten nicht bloss gegenüber dem Vermieter (Vertragspartner), sondern gegenüber jeder Person, die später ein dingliches Recht an der Mietsache erwirbt; namentlich ist es (nach Massgabe des vorgemerkten Mietverhältnisses) dem Erwerber der Mietsache verwehrt, gemäss Art. 261 Abs. 2 OR das Mietverhältnis zu kündigen.7 Zu den Voraussetzungen der grundbuchlichen Vormerkung eines Mietverhältnisses vgl. auch Art. 78 Abs. 3 GBV.8

2 3

4

5 6 7

8

BGer 5A_710/2013, E. 4.3. BGE 83 II 141 ff. (146), E. 3b; vgl. auch BGE 131 III 345 ff. (352), E. 2.3.2; 99 Ib 481 ff. (484), liveR Nr. 10, S. 13 ff. (14 f.), E. 2 (Luzerner Obergericht). SutteR-Somm, Nr. 50; higi, ZüKomm, N 13 zu Art. 261b OR; BGE 113 II 121 ff. (129), E. 4. Kritisch zum Wortlaut dieser Bestimmung hüRlimann-K auP, Grundfragen, Nr. 838 f. higi, ZüKomm, N 14 zu Art. 261b OR, mit Hinweis auf BGE 113 II 121 ff. (129), E. 4. Ausführlich zu den Wirkungen der Vormerkung hüRlimann-K auP, Grundfragen, Nr. 769 ff. Siehe ausserdem BGE 119 II 16 ff.; higi, ZüKomm, N 4 ff. zu Art. 261b OR; hüRlimann-K auP, Grundfragen, Nr. 753 ff.; chRiStian eichenbeRgeR /a Rmin zucKeR, Die Vormerkung des Mietverhältnisses im Grundbuch – ausgewählte praktische Fragen, AJP 2010, S. 834 ff.

§ 24 Die Dienstbarkeiten im Allgemeinen

349

– Beschränkte dingliche Berechtigung: Die stärkste Rechtsstellung (abgesehen vom Eigentum) erhält der Sachbenutzer, dem ein beschränktes dingliches Nutzungsrecht eingeräumt wird. Hauptfall der Sachnutzung in Form eines beschränkten dinglichen Rechts ist die Dienstbarkeit. Als dingliches Recht gilt die Dienstbarkeit grundsätzlich auch dann weiter, wenn die Sache veräussert oder in eine Zwangsvollstreckung einbezogen wird (mit Ausnahmen, etwa beim Doppelaufruf; vorne Nr. 1176 ff.).

1205

Auch die Grundlast stellt ein beschränktes dingliches Recht dar. Hier muss jedoch beachtet werden, dass nicht das Nutzungsrecht dinglich ist, da es dem Berechtigten keine entsprechende unmittelbare Sachherrschaft einräumt und als solches nicht «erga omnes» wirkt. Die Grundlast ist vielmehr nur (aber immerhin) insofern dinglich, als sie ein Wertrecht darstellt9 (hinten Nr. 1452a).

II. Inhalt, Gegenstand und Arten der Dienstbarkeiten 1.

Inhalt und Gegenstand

1. Inhalt jeder Dienstbarkeit ist – aus der Sicht des Belasteten – entweder ein Dulden oder ein Unterlassen (vgl. für die Grunddienstbarkeiten Art. 730 Abs. 1 ZGB). Die Dienstbarkeit sein («servitus in faciendo consistere nequit»). lässt sich immerhin mit einer Dienstbarkeit verbinden, sofern sie im Verhältnis zu dieser lediglich nebensächlich ist (Art. 730 Abs. 2 ZGB für Grunddienstbarkeiten und hinten Nr. 1264 f.).10 einem Tun handelt es sich um eine Realobligation, da der Schuldner (und allenfalls auch der Gläubiger) durch sein Eigentum an einer Sache bestimmt wird11 (vorne Nr. 21 ff.). Voraussetzung dafür ist nach dem mit der Revision des Immobiliarsachenrechts neu eingeführten Satz 2 von Art. 730 Abs. 2 ZGB allerdings, dass gemäss Beleg Nr. x»); die blosse Erwähnung im Dienstbarkeitsvertrag reicht mit anderen Worten nicht aus. Diese Rechtslage bestand gemäss Rechtsprechung und Lehre bereits nach bisherigem Recht.12 Gemäss Art. 21 Abs. 2 SchlT ZGB können nun aber mit Dienstbarkeiten nebensächlich verbunbuchbelegen ergeben, gutgläubigen Dritten entgegengehalten werden.13 – Schuldner einer solchen belasteten Grundstücks sein. Daran ändert auch nichts, dass der neu eingefügte Satz 2 von Art. 730 Abs. 2

9 10

11

12

13

tuoR /SchnydeR /Schmid, § 110 N 5. liveR, ZüKomm, N 154 zu Art. 730 ZGB; R ey, BeKomm, System. Teil (vor Art. 730 ZGB), N 9 ff., und N 148 zu Art. 730 ZGB. liveR, ZüKomm, N 225 zu Art. 730 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 2220. Vgl. in diesem Zusammenhang auch BGE 137 III 444 ff. (452), E. 4.2.5. BGE 124 III 289 ff.; liveR, ZüKomm, N 230 zu Art. 730 ZGB; R ey, BeKomm, N 185 zu Art. 730 ZGB. Kritisch dazu hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, S. 43. Vgl. auch SteinaueR, Band II, Nr. 2220b; deniS Piotet (zitiert in Nr. 1237a), S. 69.

1206

350

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

denjenigen des berechtigten Grundstücks für verbindlich erklärt.14 Damit kann insbesondere die Gegenleistung, die der Dienstbarkeitsberechtigte dem Belasteten gemäss vertraglicher Vereinbarung periodisch zu leisten hat, nicht gestützt auf Art. 730 Abs. 2 ZGB mit realobligatorischer Wirkung ausgestattet werden15 (vgl. immerhin Art. 779a Abs. 2 und Art. 779b Abs. 2 ZGB mit Bezug auf den Baurechtszins und dazu hinten Nr. 1395). 1207

2. Im Übrigen können Dienstbarkeiten sehr verschiedene Inhalte haben. In Betracht kommen etwa Wegrechte, Baurechte, Bauverbote usw. (Einzelheiten siehe bei der Behandlung der jeweiligen Servitut, zum Beispiel Nr. 1274). Lehre und Rechtsprechung verwenden folgende Zweiteilung:16

1208

– Eine (auch: positive) Dienstbarkeit liegt vor, wenn der Belastete sich bestimmte Eingriffe des Berechtigten gefallen lassen muss (vgl. Art. 730 Sicht – die Sache in gewisser Hinsicht effektiv nutzen. Beispiel: Die Eigentümerin eines mit einem Wegrecht belasteten Grundstücks muss dulden, dass die Wegberechtigte das Grundstück betritt.17

– Mit einer negativen Dienstbarkeit hat man zu tun, wenn der Belastete die Ausübung seines Eigentumsrechts in gewisser Hinsicht zu unterlassen hat. Der Berechtigte darf also etwas verbieten (vgl. Art. 730 Abs. 1 ZGB, 2. Variante).

1209

Beispiele: a. Verbot, auf dem belasteten Grundstück eine Bäckerei und Konditorei zu betreiben.18 – b. Verbot, auf dem belasteten Grundstück zu bauen (Bauverbotsservitut).19

Weiter lässt sich mit Bezug auf den Inhalt danach differenzieren, ob die Dienstbarkeit (oder ihre Ausübung) räumlich und/oder funktionell begrenzt ist oder nicht. Im ersten Fall liegt eine gemessene, im zweiten eine ungemessene Dienstbarkeit vor.20 Diese Unterscheidung spielt namentlich eine Rolle für die Ermittlung von Inhalt und Umfang der Servitut (hinten Nr. 1279 f.) sowie für die Frage, ob im konkreten Fall eine Mehrbelastung im Sinn von Art. 739 ZGB vorliegt (hinten Nr. 1283).

1209a

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16

17 18 19 20

Vgl. dazu hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, S. 42; cyRil galland (zitiert in Nr. 1316), Nr. 717 ff.; SteinaueR, Band II, Nr. 2220, Fn. 64; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 108 N 22; JöRg Schmid/dominic buttligeR (zitiert in Nr. 1316), S. 129 f.; noch zum alten Recht: BGer 5A_229/2010, E. 4.1.2 und 4.3; R ey, BeKomm, N 150 f. zu Art. 730 ZGB. A.M. Roland PFäFFli / daniela byland, Zur Revision des Immobiliarsachenrechts, SJZ 107/2011, S. 225 ff. (229); deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 124; a Rnold F. RuSch (zitiert in Nr. 1316), S. 10 f. A.M. PatRizia loRenzi /PeteR guRtneR, Die dingliche Absicherung von Energieversorgungs- und Contractinganlagen, in: Stephan Wolf (Hrsg.), Dienstbarkeiten im Wandel – von «Weg und Steg» zum Energie-Contracting …, Bern 2014 (INR 16), S. 133 ff. (154 f.). – Zur Absicherung der Gegenleistung vgl. m aRySe PRadeRvand -K eRnen, Les moyens de garantir la contre-prestation des servitudes, in: Alexandra Rumo-Jungo et al. (Hrsg.), Une empreinte sur le Code civil, Mélanges en l’honneur de Paul-Henri Steinauer, Bern 2013 ff., S. 563 ff.; a Rnold F. RuSch (zitiert in Nr. 1316), S. 11 ff. Vgl. etwa liveR, ZüKomm, N 4 zu Art. 730 ZGB; BGE 106 II 315 ff. (317), E. 2a; 115 IV 26 ff. (29 unten), E. 3a. FZR 1995, S. 19 ff. (21), E. 2 (Freiburger Kantonsgericht). BGE 114 II 314 ff. BGE 139 II 363 ff. (370), E. 3.2. BGE 117 II 536 ff. (538), E. 4a; BGer 5C.225/2003, E. 4.2; BJM 2013, S. 183 ff. (186), E. 4.2 (Appellationsgericht Basel-Stadt); liveR, ZüKomm, N 19 zu Art. 737 ZGB.

§ 24 Die Dienstbarkeiten im Allgemeinen

351

Beispiele: a. Fahrwegrecht von 2,7 m Breite; Fusswegrecht zu Gunsten einer bestimmten Person einmal täglich in jede Richtung;21 Quellenrecht für 60 Minutenliter (gemessene Dienstbarkeiten). – b. Wegrecht; Benutzungsrecht an Hofraum22 (ungemessene Dienstbarkeiten).

3. In Bezug auf den Gegenstand einer Dienstbarkeit ist Folgendes zu beachten: Die Nutzniessung kann als einzige Dienstbarkeit sowohl Grundstücke als auch Fahrnis belasten. Sämtliche anderen Dienstbarkeiten betreffen immer nur Grundstücke, nicht auch Fahrnis.

1210

Beispiel: Abfallcontainer sind Fahrnisgegenstände, zumal sie nicht Bestandteile des Grundstücks darstellen, auf dem sie aufgestellt sind. Eine Grunddienstbarkeit, die ein Benutzungsrecht an solchen Containern vorsieht, ist ausgeschlossen.23

2.

Arten

Die grundlegende gesetzliche Unterteilung der Dienstbarkeiten beruht auf dem Kriterium, ob neben dem belasteten Grundstück («le fonds servant») ein sogenanntes herrschendes Grundstück («le fonds dominant») besteht oder nicht:

1211

1. Bei den Grunddienstbarkeiten (Prädialservituten, «les servitudes foncières»; Art. 730–743 ZGB) existiert ein solches herrschendes Grundstück. Nach Art. 730 Abs. 1 ZGB kann nämlich ein Grundstück «zum Vorteil eines andern Grundstückes in der Weise belastet werden, dass sein Eigentümer sich bestimmte Eingriffe des Eigentümers dieses andern Grundstückes gefallen lassen muss oder zu dessen Gunsten nach gewissen Richtungen sein Eigentumsrecht nicht ausüben darf». Berechtigt aus der Dienstbarkeit ist also der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundstücks.

1212

2. Bei den Personaldienstbarkeiten (Personalservituten, «les servitudes personnelles»; Art. 745–781a ZGB; das Gesetz spricht von «Nutzniessung und andere Dienstbarkeiten») fehlt ein herrschendes Grundstück. Berechtigt ist eine beliebige Person, die nicht Grundeigentümerin sein muss. Zu den Personaldienstbarkeiten gehören die Nutzniessung (Art. 745 ff. ZGB), das Wohnrecht (Art. 776 ff. ZGB), das Baulenrecht (Art. 780 ZGB) sowie die sogenannten anderen Dienstbarkeiten (Art. 781 ZGB).24 Unter diesen Personaldienstbarkeiten wird weiter wie folgt unterschieden:25

1213

– Reguläre (das heisst nicht übertragbare) Personaldienstbarkeiten («les servitudes personnelles proprement dites») sind die Nutzniessung (vgl. immerhin Art. 758 ZGB; hinten Nr. 1343) sowie das Wohnrecht (vgl. Art. 776 Abs. 2 ZGB). Hier ist die Dienstbarkeit untrennbar mit der Person des Berechtigten verknüpft.

1214

21 22 23 24

25

Paul Piotet, SPR V/1, S. 586. BGE 131 III 345 ff. (358), E. 4.3.2. FZR 1993, S. 294 ff. (295), E. 1 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch). Immerhin können Bau- und Quellenrechte auch als Grunddienstbarkeiten nach Art. 730 ZGB (d.h. zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers eines Grundstücks) begründet werden; hinten Nr. 1274 und 1373. Vgl. auch BGE 133 III 311 ff. (316), E. 3.2.2.

352

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

– Irreguläre (das heisst übertragbare) Personaldienstbarkeiten («les servitudes personnelles irrégulières») sind demgegenüber das Baurecht, das recht und das Quellenrecht. Hier ist die Dienstbarkeit nicht untrennbar an die

1215

also grundsätzlich übertragbar und vererblich. Immerhin können die Parteien etwas anderes vereinbaren (vgl. Art. 779 Abs. 2 und Art. 780 Abs. 2 ZGB). Bisweilen wird die Bezeichnung «irreguläre Personaldienstbarkeit» nur für die sogenannten anderen Dienstbarkeiten gemäss Art. 781 ZGB verwendet.26 Eine solche Servitut ist nach Art. 781 Abs. 2 ZGB im Zweifel (wenn es nicht anders vereinbart wird) unübertragbar. 1216

3. Für die genannte gesetzliche Unterteilung ergibt sich damit folgendes Schema:

Dienstbarkeiten Art. 730 –781a ZGB

Grunddienstbarkeiten Art. 730 –743 ZGB

Personaldienstbarkeiten Art. 745 –781a ZGB und Art. 678 Abs. 2 ZGB

Sie bestehen «zum Vorteil eines andern Grundstückes» (Art. 730 Abs. 1 ZGB).

Sie bestehen zu Gunsten einer bestimmten Person; ein «herrschendes» Grundstück fehlt.

Reguläre PDK Nutzniessung Art. 745 ff. ZGB Wohnrecht Art. 776 ff. ZGB

Sie sind nicht übertragbar, d.h. untrennbar mit der Person des Berechtigten verknüpft.

26

Irreguläre PDK Baurecht Art. 779 ff. ZGB Pflanzungsrecht Art. 678 Abs. 2 ZGB Quellenrecht Art. 780 ZGB Sie sind übertragbar und vererblich (solange nichts Abweichendes vereinbart ist).

Andere PDK «Dienstbarkeiten anderen Inhaltes» Art. 781 ZGB

Sie sind im Zweifel (solange nichts Abweichendes vereinbart ist) nicht übertragbar (Art. 781 Abs. 2 ZGB).

Vgl. etwa BGE 116 II 281 ff. (289), E. 4d; BGer 5A_944/2012, E. 2. So auch der Titel der Dissertation von Felix zuRbRiggen (zitiert in Nr. 1438).

§ 24 Die Dienstbarkeiten im Allgemeinen

3.

353

Das Fehlen eines «allgemeinen Teils» des Dienstbarkeitsrechts

Das ZGB enthält im 21. Titel («Die Dienstbarkeiten und Grundlasten») keinen allgemeinen Teil mit generellen Aussagen über alle Dienstbarkeiten.27 Doch lassen sich die Regeln, die das Gesetz für die beiden gesetzlichen Grundkategorien von Dienstbarkeiten aufstellt, nicht strikt trennen:28

1217

– Die im Recht der Grunddienstbarkeiten enthaltenen Prinzipien sind analog auch für Personaldienstbarkeiten zu beachten, soweit keine Sonderregeln vorhanden sind. Das ergibt sich für die anderen Dienstbarkeiten im Sinn von Art. 781 ZGB ausdrücklich aus dem Gesetz (Art. 781 Abs. 3 ZGB), hat aber generell Gültigkeit.

1218

So sind neben Art. 730 Abs. 2 ZGB (vgl. vorne Nr. 1206 und hinten Nr. 1320) namentlich Art. 73729 und 738 ZGB30 auf alle Dienstbarkeiten anwendbar.

– Die gesetzlichen Regeln über das Baurecht und das Quellenrecht (Art. 779–780 ZGB) sind auf die als Grunddienstbarkeiten (also nach Art. 730 ZGB) begründeten Bau- und Quellenrechte analog anwendbar.

1219

III. Die Legalservituten 1. Dienstbarkeiten beruhen im Normalfall auf Vertrag (hinten Nr. 1242 ff.); den Parteien steht es nach dem Prinzip der Privatautonomie grundsätzlich frei, einen solchen Dienstbarkeitsvertrag abzuschliessen. In Ausnahmesituationen kann aber jemand darauf angewiesen sein, dass ihm eine Dienstbarkeit eingeräumt wird, weil er sonst in eine Notlage geraten würde. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Grundeigentümer keinen genügenden Weg von seinem Grundstück zu einer öffentlichen Strasse hat und sein Nachbar nicht bereit ist, ihm ein Wegrecht zu gewähren. Für solche (genau umschriebenen) Fälle sieht das Gesetz einen obligatorischen Anspruch auf Einräumen einer Dienstbarkeit vor.31 Der Belastete ist also bei Vorliegen der vom barkeitsvertrags Hand zu bieten und gestützt darauf die Anmeldung zur Eintragung in das Grundbuch vorzunehmen.32 Da derartige Dienstbarkeiten – wenn auch nur mittelbar – ihren Entstehungsgrund im Gesetz haben, werden sie als Legalservituten bezeichnet. Einen Anspruch auf Einräumen einer Dienstbarkeit sieht das ZGB in mehreren Fällen vor: – das Überbaurecht nach Art. 674 Abs. 3 ZGB (Nr. 900); – das Durchleitungsrecht nach Art. 691 ZGB (Nr. 980); – den Notweg nach Art. 694 ZGB (Nr. 981 ff.); – den Notbrunnen nach Art. 710 ZGB (Nr. 980);

27 28 29

30 31 32

Zu den Gründen siehe eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 139. Zum Folgenden vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 2193; Paul Piotet, SPR V/1, S. 550 ff. BGE 88 II 331 ff. (339), E. 6, mit Hinweis auf liveR, ZüKomm, Einleitung Dienstbarkeiten (vor Art. 730 ZGB), N 57. BGE 132 III 651 ff. (655), E. 8; 137 III 444 ff. (446), E. 2.2. SutteR-Somm, Nr. 692. liveR, ZüKomm, Einleitung Dienstbarkeiten (vor Art. 730 ZGB), N 97.

1220

354

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

– das befristete Wohnrecht des geschiedenen Ehegatten nach Scheidungsrecht genen Partnerschaft nach dem Partnerschaftsgesetz (Art. 32 Abs. 3 PartG); sowie – die Nutzniessung oder das Wohnrecht des überlebenden Ehegatten nach Eheund Erbrecht (Art. 219 Abs. 1, Art. 244 Abs. 2 und Art. 612a Abs. 2 ZGB)33 und des überlebenden eingetragenen Partners nach Erbrecht (Art. 612a Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 ZGB). Hingegen räumt Art. 36 des Fernmeldegesetzes vom 30. April 1997 (FMG)34 den Konzessionärinnen von Fernmeldediensten für den Bau und den Betrieb ihrer Anlagen weder ausdrücklich noch sinngemäss eine Legalservitut zu Lasten privater Grundstücke ein.35 1221

2. Eine Legalservitut stellt eine gesetzliche Eigentumsbeschränkung dar (vgl. vorne Nr. 918 ff.). Diese Beschränkung ist mittelbar, das heisst das Gesetz gibt dem Berechtigten lediglich einen Anspruch darauf, dass ihm das Recht eingeräumt wird; die Dienstbarkeit selber entsteht grundsätzlich erst mit der Eintragung in das Grundbuch, die gestützt auf die Anmeldung durch den Eigentümer des belasteten Grundstücks erfolgt (Ausnahme: Art. 691 Abs. 3 ZGB). Weiter ist beizufügen:

1222

– Der Anspruch richtet sich – nach Massgabe des Gesetzes – gegen den jeweiligen Eigentümer eines bestimmten (zu belastenden) Grundstücks. So geht beispielsweise der Anspruch auf Errichtung eines Notwegs gemäss Art. 694 Abs. 1 und 2 ZGB gegen den oder die jeweiligen Eigentümer des Nachbargrundstücks (der keit einzuräumen, stellt damit eine Realobligation dar (vorne Nr. 985). Geht es (wie beim Notwegrecht) um eine Grunddienstbarkeit, so wird auch die Person des Berechtigten durch die Eigentümerstellung am (berechtigten) Grundstück bestimmt.

1223



kann der Berechtigte die gerichtliche Zusprechung der Dienstbarkeit erwirken. Zu beachten ist, dass ein rechtskräftiges gerichtliches Gestaltungsurteil – analog Art. 665 Abs. 2 ZGB (vorne Nr. 849a und 851) – konstitutive Wirkung hat.36 Das Bundesgericht hat allerdings in BGE 86 II 235 ff. (239), E. 2, mit Bezug auf den Notweg die Frage offengelassen, ob eine Gestaltungsklage in diesem Zusammenhang überhaupt zulässig ist.

– Da die Befugnisse, die der belastete Eigentümer aufgeben muss, zum normalen Inhalt des Eigentums gehören, werden Legalservituten nur gegen Entschädigung eingeräumt;37 das Gesetz schreibt entweder eine «angemessene» (vgl. Art. 674 Abs. 3 ZGB) oder aber eine «volle» (vgl. Art. 691 Abs. 1, Art. 694 Abs. 1 und Art. 710 Abs. 1 ZGB) Entschädigung vor.

1224

Bei den im Ehe- bzw. im Erbrecht sowie im Partnerschaftsrecht vorgesehenen Legalservituten erfolgt die Errichtung «auf Anrechnung» (vgl. Art. 219 Abs. 1, Art. 244 Abs. 1 und Art. 612a

33

34 35 36 37

Vgl. dazu auch BGE 116 II 281 ff. (285 ff.), E. 3d; 119 II 323 ff.; SimoniuS/SutteR, Band II, S. 48 und 91 ff. SR 784.10. BGE 132 III 651 ff. (657), E. 9. R iemeR, S. 61 f.; vgl. auch liveR, ZüKomm, Einleitung Dienstbarkeiten (vor Art. 730 ZGB), N 98 f. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 64 zu Art. 680 ZGB.

§ 24 Die Dienstbarkeiten im Allgemeinen

355

Abs. 1 ZGB); Art. 121 Abs. 3 ZGB und Art. 32 Abs. 3 PartG sehen wahlweise eine angemessene Entschädigung oder eine Anrechnung auf die Unterhaltsbeiträge vor.

– Die Legalservituten unterscheiden sich von den gewöhnlichen Dienstbarkeiten

1225

rechtlichen Natur des zu begründenden Rechts; es handelt sich vielmehr auch bei den Legalservituten um Dienstbarkeiten.38 3. Anstelle einer Legalservitut können die Parteien auch eine gewöhnliche Dienstbarkeit mit gleichem Inhalt begründen (zur grundsätzlichen Unzulässigkeit von Inhalt haben, vgl. hinten Nr. 1267). Das hat für den Berechtigten insbesondere den Vorteil, dass die Dienstbarkeit zeitlich nicht befristet ist, sofern die Parteien nicht etwas anderes vereinbart haben; eine Löschung gegen den Willen des Berechtigten ist grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen von Art. 736 ZGB (hinten Nr. 1308 ff.) zulässig.39 Eine Legalservitut dauert hingegen lediglich so lange, wie ihre gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind;40 sie hat allerdings Vorrang vor allen älteren beschränkten dinglichen Rechten am Grundstück.41 Im Vertrag und im Grundbuch sollte deshalb zum Ausdruck gebracht werden, ob es sich beim vereinbarten beschränkten dinglichen Recht um eine gewöhnliche Dienstbarkeit oder um eine Legalservitut handelt (vgl. auch Art. 98 Abs. 2 lit. d Ziff. 1 GBV).42 Fehlt ein entsprechender Hinweis im Grundbuch und erwirbt ein gutgläubiger Dritter das berechtigte Grundstück, bleibt es dem Eigentümer des belasteten Grundstücks auf Grund von Art. 973 Abs. 1 ZGB verwehrt, die Löschung der Servitut zu verlangen, sobald die Wegnot weggefallen ist (vgl. auch hinten Nr. 1276 f.).43 – Nach der hier vertretenen Auffassung unterliegt der Vertrag, mit dem sich der Eigentümer des belasteüber die Errichtung einer Dienstbarkeit gemäss Art. 732 Abs. 1 ZGB grundsätzlich der öffentlichen Beurkundung (vgl. dazu auch hinten Nr. 1245).44 Einerseits nimmt das Gesetz die Legalservituten nicht vom Formerfordernis aus. Andererseits ist in diesem Fall eine Beratung durch eine Urkundsperson besonders angezeigt, da es den Parteien nach dem Gesagten offensteht, anstelle einer Legalservitut eine gewöhnliche Dienstbarkeit zu errichten – mit den dargelegten unterschiedlichen Konsequenzen, die einem juristischen Laien in der Regel nicht bekannt sind.45 Art. 70 Abs. 2 GBV lässt allerdings die Schriftform genügen, wenn sich aus dem Rechtsgrundausweis ergibt, dass es sich um eine Legalservitut handelt.46

38 39 40

41

42

43

44 45

46

liveR, ZüKomm, Einleitung Dienstbarkeiten (vor Art. 730 ZGB), N 96. BGer 5C.201/2002, E. 2.3 = ZBGR 85/2004, S. 306 ff. R ey, BeKomm, N 64 f. zu Art. 730 ZGB; vgl. auch m eieR-h ayoz, BeKomm, N 65 zu Art. 680 ZGB und liveR, ZüKomm, N 98 zu Art. 730 ZGB. liveR, ZüKomm, Einleitung Dienstbarkeiten (vor Art. 730 ZGB), N 102 f.; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 106 N 4; SteinaueR, Band II, Nr. 2161. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 65 zu Art. 680 ZGB. Vgl. auch BGer 5C.201/2002, E. 2 = ZBGR 85/2004, S. 306 ff. BGer 5A_412/2009, E. 5 = ZBGR 92/2011, S. 196 ff.; 5A_521/2013, E. 2.3; 5A_740/2014, E. 5.5. Vgl. auch Roland PFäFFli /daniela byland, Aktuelles aus dem Bundesgericht: Zur Löschung eines Notwegrechts im Grundbuch, Jusletter vom 22. Februar 2010. A.M. etwa Roland PFäFFli, ZBGR (zitiert in Nr. 1237a), S. 361; SteinaueR, Band II, Nr. 2232. Vgl. dazu auch hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, S. 30 f. A.M. deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 151 ff. Unter dem Gesichtspunkt des mit der Einführung der öffentlichen Beurkundung bezweckten Schutzes der Vertragsparteien kritisch SteinaueR, Band II, Nr. 2232.

1226

356

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

IV. Der rechtliche Schutz des Dienstbarkeitsberechtigten 1227

Der Inhaber einer Dienstbarkeit, der in der Ausübung seines Nutzungsrechts in irgendeiner Weise gestört wird, verfügt über verschiedene Abwehrbehelfe.47 In Betracht kommen einerseits Behelfe des Besitzesschutzes (nachfolgend 1.), andererseits solche des Rechtsschutzes (2.). Überdies steht dem Dienstbarkeitsberechtigten – bei widerrechtlicher Schädigung und unter den übrigen Voraussetzungen – die Möglichkeit einer Schadenersatzklage nach Art. 41 OR48 oder Art. 679 ZGB offen. Zwischen diesen beiden Normen besteht Anspruchskonkurrenz.49

1228

1.

Besitzesschutz

A.

Selbsthilfe

Art. 737 Abs. 1 ZGB gibt dem Berechtigten die Befugnis, alles zu tun, was zur Erhaltung und Ausübung der Dienstbarkeit notwendig ist («prendre toutes les mesures nécessaires pour la conserver et pour en user»; dazu hinten Nr. 1286). Er ist also unter Umständen auch zu Selbsthilfehandlungen befugt.50 Die Lehre stützt dieses Selbsthilferecht auf Art. 926 ZGB.51 Beispiel: Eine Wegrechtsberechtigte darf das Trassee durch Reutung und Zurückschneiden von Sträuchern, Baumästen und Zweigen freimachen.52

1229

Heikel kann der Entscheid darüber sein, ob der Dienstbarkeitsberechtigte im konkreten Fall zur Selbsthilfe berechtigt ist oder ob er die (nachfolgend zu behandelnden) gerichtlichen Rechtsschutzbehelfe ergreifen, also klagen muss. Nach der hier vertretenen Meinung sollte die Selbsthilfe nur in engem Rahmen zulässig sein.53

B. 1230

Besitzesschutzklagen

1. Der Berechtigte hat bei den (also wenn er gewisse Nutzungsrechte ausüben darf) die tatsächliche Gewalt über die Sache (vgl. Art. 919 Abs. 1 ZGB; vorne Nr. 96 ff. und 120a).54 Es stehen ihm daher gegen verbotene Eigenmacht ohne Weiteres sämtliche Behelfe des Besitzesschutzes nach Art. 926– 929 ZGB (vorne Nr. 209 ff.) zur Verfügung, also (zusätzlich zur Selbsthilfe; Nr. 1228 f.) auch die Besitzesschutzklagen.

47 48 49 50 51 52

53

54

Ausführlich SteinaueR, Band II, Nr. 2301 ff.; deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 361 ff. Beispiel: BGE 73 II 27 ff. (34 f.), E. 2. BGE 96 II 337 ff. (347), E. 5a. BGE 115 IV 26 ff. (30), E. 3a; 118 IV 291 ff. (292), E. 2a; BGer 5A_212/2008, E. 6.2. liveR, ZüKomm, N 146 zu Art. 737 ZGB; R ey, BeKomm, System. Teil (vor Art. 730 ZGB), N 133. BGE 115 IV 26 ff. (29), E. 3a, ohne Bezugnahme auf Art. 926 ZGB, jedoch mit Hinweis auf liveR, ZüKomm, N 13 zu Art. 737 ZGB. Vgl. auch BGE 118 IV 291 ff. (292), E. 2a, wo auf Art. 926 ZGB Bezug genommen wird. Vgl. auch JöRg Schmid, Urteilsanmerkung zu BGE 115 IV 26 ff. (30), E. 3a, BR/DC 1992, Nr. 85, S. 42 f. (43), Ziff. 3. liveR, ZüKomm, Einleitung Dienstbarkeiten (vor Art. 730 ZGB), N 71; R ey, BeKomm, System. Teil (vor Art. 730 ZGB), N 119.

§ 24 Die Dienstbarkeiten im Allgemeinen

357

Beispiele: a. Lässt die Eigentümerin eines mit einem Wegrecht belasteten Grundstücks schlechtes Erdmaterial und Steine auf den Weg auftragen, um die Berechtigte bei der Ausübung der Servitut zu behindern, so kann Letztere Klage aus Besitzesstörung nach Art. 928 ZGB erheben.55 – b. Vereitelt die Eigentümerin durch bauliche Massnahmen ein Durchgangsrecht, so kann die Berechtigte mit der Klage aus Besitzesentziehung (Art. 927 ZGB) die Wiederherstellung des früheren Zustands verlangen.56 Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung beurteilt sich im Besitzesschutzprozess zwischen dem Inhaber einer Grunddienstbarkeit und dem Eigentümer des belasteten Grundstücks die verbotene Eigenmacht im Sinn von Art. 928 Abs. 1 ZGB nicht am Inhalt der Servitut gemäss Rechtslage, sondern an der bisherigen tatsächlichen Ausübung der Dienstbarkeit.57

2. Bei den negativen Dienstbarkeiten seines Eigentumsrechts in gewisser Hinsicht unterlassen muss) hat der Berechtigte hingegen keine tatsächliche Gewalt über die Sache.58 Das Gesetz setzt jedoch in Art. 919 Abs. 2 ZGB für die Grunddienstbarkeiten (und die Grundlasten) die tatsächliche Ausübung des Rechts mit dem Sachbesitz gleich (zum Rechtsbesitz im Allgemeinen und zur Ausdehnung dieser Bestimmung etwa auf Personaldienstbarkeiten vgl. vorne Nr. 119 ff.). Auch hier stehen damit dem Berechtigten die Behelfe des Besitzesschutzes zur Verfügung, also (neben der Selbsthilfe) auch die Besitzesschutzklagen.59

1231

Beispiel: dass die Ruine nicht verändert werden darf. Beginnt die belastete Eigentümerin nun damit, die Ruine als Steinbruch zu nutzen, so steht der Berechtigten eine Klage aus Besitzesstörung nach Art. 928 ZGB zu.60

2.

Rechtsschutz

Beim Eigentum sieht das Gesetz einen besonderen Rechtsschutz durch die Klagen nach Art. 641 Abs. 2 ZGB explizit vor (vorne Nr. 659 ff.). Im Recht der Dienstbarkeiten ist eine solche Befugnis hingegen nicht ausdrücklich verankert; immerhin ist der Grunddienstbarkeitsberechtigte nach Art. 737 Abs. 1 ZGB befugt, «alles zu tun, was zur Erhaltung und Ausübung der Dienstbarkeit nötig ist». Nach herrschender Auffassung verfügt der Dienstbarkeitsberechtigte namentlich über folgende Schutzbehelfe:61

55

56 57

58

59 60 61

Vgl. BGE 115 IV 26 ff. (29 f.), E. 3a, mit Erwägungen zur Abgrenzung von Selbsthilferecht und Klagerecht der Berechtigten. Siehe auch BGer 4C.7/2005, E. 4.1. BGE 73 II 27 ff. (35), E. 2; vgl. auch BGE 118 IV 291 ff. (292), E. 2a. BGer 5A_944/2012, E. 4; 5A_59/2010, E. 2.1; ebenso StaRK /lindenmann, BeKomm, N 5 zu Differenzierend liveR, ZüKomm, N 139 zu Art. 737 ZGB. A.M. hombeRgeR, ZüKomm, N 14 zu Art. 928 ZGB. liveR, ZüKomm, Einleitung Dienstbarkeiten (vor Art. 730 ZGB), N 72; kritisch R ey, BeKomm, System. Teil (vor Art. 730 ZGB), N 120 ff. Einzelheiten bei liveR, ZüKomm, N 130 ff. zu Art. 737 ZGB. Vgl. liveR, ZüKomm, N 142 zu Art. 737 ZGB. Zu den Abwehrmöglichkeiten des Servitutsberechtigten im Baubewilligungsverfahren vgl. m aRc h äuSleR /PatRicK FReudigeR, Bauen auf einem dienstbarkeitsbelasteten Grundstück …, Jusletter vom 14. Juni 2010.

1232

358 1233

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

– Eine Feststellungsklage («l’action en constatation de la servitude») zur Feststellung einer bestrittenen Dienstbarkeit62 (vgl. zur Feststellungsklage allgemein Art. 88 ZPO). Voraussetzung dafür ist ein Feststellungsinteresse. Ein solches liegt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung vor, wenn der Kläger ein wichtiges und schutzwürdiges Interesse an der sofortigen Feststellung der Rechtslage hat. Angesprochen ist namentlich der Fall, in dem die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien ungewiss sind, die Fortdauer dieses Zustands für den Kläger unzumutbar ist und die Ungewissheit durch die gerichtliche Feststellung behoben werden kann.63 Kann die Unsicherheit über die Rechtslage durch eine Leistungs- oder Gestaltungsklage behoben werden, fehlt es regelmässig an einem Feststellungsinteresse; insofern ist die Feststellungsklage zu einer Leistungs- oder Gestaltungsklage grundsätzlich subsidiär.64 Beispiele: a. Im Jahr 1902 wurde ein Wegrecht mit folgendem Wortlaut errichtet: «Unbedingtes Fuss- und Fahrwegrecht in der Breite von drei Metern für Ein- und Zweispänner.» Die Parteien waren sich nicht einig, ob das Recht auch das Befahren mit einem Auto umfasste; der Dienstbarkeitsberechtigte klagte daher auf Feststellung, dass ihm die Durchfahrt mit einem Auto gestattet sei.65 – b. Klage auf Feststellung der streitigen Breite eines Fuss- und Fahrwegrechts.66

1234

– Eine der eigentumsrechtlichen Herausgabeklage (vorne Nr. 660 ff.) nachgebildete Vindikationsklage («l’action en revendication de la servitude») bezüglich der Dienstbarkeit, wenn der Berechtigte an der Ausübung seines dinglichen Rechts völlig gehindert wird. Beispiel: Die Nutzniesserin hat einen Herausgabeanspruch gegenüber jedem, der ihr die Nutzniessungssache ohne Rechtsgrund vorenthält.67

1235

– Eine der eigentumsrechtlichen Negatorienklage (vorne Nr. 670 ff.) nachgebildete Abwehrklage, die «actio confessoria» («l’action confessoire») oder Dienstbarkeitsklage (vgl. auch § 1027 BGB).68 Dieser Schutzbehelf ist gegen jede Person möglich, welche die Ausübung der Dienstbarkeit beeinträchtigt (stört), also auch gegen den Eigentümer des belasteten Grundstücks (vgl. Art. 737 Abs. 3 ZGB).69

62

63

64

65

66 67 68

69

SteinaueR, Band II, Nr. 2304; a Rgul, ComRom, N 8 zu Art. 737 ZGB. – Nach der Rechtsprechung kann auch der Eigentümer auf Feststellung des streitigen Inhalts einer Dienstbarkeit klagen; BGer 5A_325/2011, E. 2.1.2; BJM 1995, S. 129 ff. (133), E. 3c/cc (Obergericht Basel-Land). BGE 135 III 378 ff. (380), E. 2.2 mit Hinweisen. Vgl. dazu auch BGE 131 III 345 ff. (357 f.), E. 4.2: Das Feststellungsinteresse für das subeventuell erhobene Feststellungsbegehren wurde in casu verneint, weil das Rechtsverhältnis, um dessen Feststellung es ging, zwischen den Parteien gar nicht streitig war. – Das Vorhandensein eines Feststellungsinteresses beurteilte sich bereits vor Inkrafttreten der ZPO nach Bundesrecht; vgl. BGE 135 III 378 ff. (379 f.), E. 2.2 mit Hinweisen. BGE 135 III 378 ff. (380), E. 2.2 mit Hinweisen. Die Subsidiarität im Verhältnis zur «actio confessoria» (hinten Nr. 1235) relativierend ZBGR 89/2008, S. 144 ff. (148 f.), E. II mit Hinweisen (Schiedsgerichtsentscheid); BJM 1995, S. 129 ff. (131 ff.), E. 3c (Obergericht Basel-Land). ZR 26/1927, Nr. 112, S. 226 ff. (Zürcher Obergericht). Vgl. auch AR GVP 2007, S. 94 ff. (Kantonsgericht Appenzell-Ausserrhoden). Vgl. BGer 5A_66/2013, Sachverhalt C. und E. 5.3 (nicht publiziert in BGE 139 III 404 ff.). liveR, ZüKomm, Einleitung Dienstbarkeiten (vor Art. 730 ZGB), N 76. BGE 91 II 339 ff. (341), E. 2; 142 III 551 (555), E. 2.4; ZWR 21/1986, S. 199 ff. (201 f.), E. 3a (Walliser Kantonsgericht). SteinaueR, Band II, Nr. 2306. Einzelheiten bei liveR, ZüKomm, N 180 ff. zu Art. 737 ZGB (mit N 173 über die Herkunft der «actio confessoria»). Vgl. auch BGer 4C.7/2005, E. 4.4. – Zur Aktivlegitimation der Stockwerkeigentümergemeinschaft, wenn die Durchsetzung der auf der Stamm-

§ 24 Die Dienstbarkeiten im Allgemeinen

359

Beispiele: a. Ein Grundstück ist mit der Dienstbarkeit belastet, dass ein zur Errichtung einer Strasse bestimmter Streifen von 4,5 m frei gelassen werden muss. Der Eigentümer des belasteten Grundstücks errichtet in der Folge Autoboxen, die 2,4 m in diesen Streifen hineinragen. Die Dienstbarkeitsberechtigten können die Beseitigung des hineinragenden Teils der Boxen verlangen.70 – b. Ein Grundstück ist mit der Dienstbarkeit belastet, «niemals eine Fabrik, ein Haus mit lärmendem Getriebe oder eine Mietskaserne zu erstellen» (sogenannte Villendienstbarkeit).71 Falls eine Person gegen dieses Verbot verstösst, kann die Dienstbarkeitsberechtigte auf Unterlassung klagen. Passivlegitimiert ist jede Störerin; diese braucht «weder ein dingliches Verhältnis zum belasteten Grundstück noch ein obligatorisches zum Eigentümer dieses Grundstücks zu haben».72

Beruht die Störung der Dienstbarkeit indessen auf einer übermässigen Ausübung des Eigentums auf einem Nachbargrundstück, so hat die Klage aus Art. 679 ZGB als «lex specialis» Vorrang vor der «actio confessoria» (vorne Nr. 962). Der Dienstbarkeitsberechtigte ist aus Art. 679 ZGB aktivlegitimiert, wenn er die tatsächliche Herrschaft über das betroffene Grundstück ausübt73 (vorne Nr. 955). – Hinzu kommt der Besitzesrechtsschutz: Geht es um eine Dienstbarkeit an Fahrnis (also um eine Nutzniessung; vorne Nr. 1210), kann sich der Dienstbarkeitsberechtigte als unselbständiger Besitzer auf die in Art. 931 ZGB enthaltenen Vermutungen berufen (vorne Nr. 269 ff.). Darüber hinaus steht ihm die Fahrnisklage offen, wenn ihm die bewegliche Sache gegen seinen Willen abhanden gekommen ist (Art. 934 und 936 ZGB; vorne Nr. 303 ff. und 312 ff.). Ist ein Grundstück Gegenstand der Dienstbarkeit, kann sich der Berechtigte, der als solcher im Grundbuch eingetragen ist, auf Art. 937 Abs. 1 ZGB berufen.74 Diese Norm ermöglicht es ihm, die Vermutung des zu seinen Gunsten eingetragenen Rechts geltend zu machen, und legitimiert ihn zu einem der Fahrnisklage entsprechenden Vorgehen (dazu vorne Nr. 600 ff. und Nr. 608).

3.

2. BGE 73 II 27 ff. Schadenersatz bei Vereitelung eines Durchgangsrechts aus Art. 927 ZGB und Art. 41 OR.

71 72 73

74

1236a

Fälle

1. LGVE 1985 I Nr. 28 und 1987 I Nr. 41 (Luzerner Obergericht) Beeinträchtigung eines Wegrechts durch den Eigentümer der Parzelle; Besitzesschutz und Klage aus dem Recht.

70

1236

parzelle eingetragenen Dienstbarkeit zur gemeinschaftlichen Verwaltungstätigkeit gehört, vgl. BGE 142 III 551 ff. (555 f.), E. 2.4 (beschränkte Kognition). BGE 83 II 201 ff. (206 ff.), E. 3 = Pra 46/1957, Nr. 118, S. 394 ff. Vgl. auch liveR, ZüKomm, N 190 zu Art. 730 ZGB. BGE 91 II 339 ff. (341), E. 2. Vgl. auch BGer 4C.7/2005, E. 4.4. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 50 zu Art. 679 ZGB; BGE 109 II 304 ff. (309), E. 2; 119 II 411 ff. (415), E. 4a. SteinaueR, Band II, Nr. 2305.

1237

360

V. 1237a

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Literatur zur Revision vom 11. Dezember 2009

– hüRlimann-K auP bettina, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, in: Schmid Jürg (Hrsg.), Die Dienstbarkeiten und das neue Schuldbriefrecht, Einblick in die Revision des Immobiliarsachenrechts – Les servitudes et les cédules hypothécaires à la lumière des nouvelles dispositions du Code civil …, Zürich/Basel/Genf 2012, S. 25 ff. – Jeandin etienne er tions du Code civil entrées en vigueur le 1 janvier 2012, Genf/Zürich/Basel 2012, S. 53 ff. – mooSeR michel (Hrsg.), Die Dienstbarkeiten und das neue Schuldbriefrecht, Einblick in die Revision des Immobiliarsachenrechts – Les servitudes et les cédules hypothécaires à la lumière des nouvelles dispositions du Code civil …, Zürich/Basel/Genf 2012, S. 169 ff. – PFäFFli Roland, Dienstbarkeitsvertrag und grundbuchlicher Vollzug, in: Schmid Jürg (Hrsg.), Die Dienstbarkeiten und das neue Schuldbriefrecht, Einblick in die Revision des Immobiliarsachenrechts – Les servitudes et les cédules hypothécaires à la lumière des nouvelles dispositions du Code civil …, Zürich/Basel/Genf 2012, S. 79 ff. (zitiert: PFäFFli, Dienstbarkeitsvertrag). – deRSelbe, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, in: Wolf Stephan (Hrsg.), Revision des Immobiliarsachenrechts …, Bern 2011, S. 109 ff. (zitiert: PFäFFli, Neuerungen). – deRSelbe, Dienstbarkeiten: Neuerungen mit besonderer Berücksichtigung des Bereinigungsverfahrens, ZBGR 91/2010, S. 357 ff. (zitiert: PFäFFli, ZBGR). – Piotet deniS, Les nouvelles dispositions relatives aux servitudes, in: Schmid Jürg (Hrsg.), Die Dienstbarkeiten und das neue Schuldbriefrecht, Einblick in die Revision des Immobiliarsachenrechts – Les servitudes et les cédules hypothécaires à la lumière des nouvelles dispositions du Code civil …, Zürich/Basel/Genf 2012, S. 59 ff. – Schmid-tSchiRRen chRiStina, Überblick über die Immobiliarsachenrechtsrevision, in: Schmid Jürg (Hrsg.), Die Dienstbarkeiten und das neue Schuldbriefrecht, Einblick in die Revision des Immobiliarsachenrechts – Les servitudes et les cédules hypothécaires à la lumière des nouvelles dispositions du Code civil …, Zürich/ Basel/Genf 2012, S. 1 ff.

§ 25 Die Grunddienstbarkeiten

361

§ 25 Die Grunddienstbarkeiten Einführende Literatur: – PFäFFli Roland 70/2009, S. 1 ff. – Piotet deniS, SPR V/2, Nr. 71 ff. – Piotet Paul, SPR V/1, S. 543 ff. – R iemeR, S. 41 ff. – SteinaueR, Band II, Nr. 2194 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 108.

1238

Das Gesetz regelt die Grunddienstbarkeiten (Prädialservituten; «les servitudes foncières») in den Art. 730–743 ZGB. Im Folgenden werden behandelt die Errichtung (I.), der Inhalt (II.), die Ausübung (III.) sowie die Änderung und der Untergang (IV.) der Grunddienstbarkeiten. Den Abschluss bilden Hinweise auf weiterführende Literatur (V.) sowie Fälle (VI.).

1239

I.

Die Errichtung

Das Gesetz behandelt die Errichtung («la constitution») der Grunddienstbarkeiten in den Art. 731–733 ZGB. Wie beim Erwerb von Grundeigentum wird auch hier unterschieden zwischen dem Erwerbsgrund (dem Titel, auf dem der Erwerb beruht) und dem Erwerbsakt (dem Vorgang, der die Dienstbarkeit als dingliches Recht entstehen lässt). Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten dafür gemäss Art. 731 Abs. 2 ZGB die Bestimmungen über das Grundeigentum (also die Art. 656 ff. ZGB; siehe dazu vorne Nr. 831 ff.). Nach Art. 731 Abs. 1 ZGB bedarf es für die Errichtung der Grunddienstbarkeiten grundsätzlich der Eintragung in das Grundbuch (nachfolgend 1.); ausnahmsweise ist jedoch eine Entstehung auch ohne Eintragung möglich (2.).

1.

Die Errichtung durch Eintragung in das Grundbuch

1. Art. 731 Abs. 1 ZGB verlangt für die Errichtung einer Grunddienstbarkeit die Eintragung in das Grundbuch (konstitutive Wirkung der Eintragung).1 Dieses absolute Eintragungsprinzip (vorne Nr. 572 ff. und 835) gilt – wie beim Erwerb von Grundeigentum – für jene Dienstbarkeiten, die durch Rechtsgeschäft (zum Beispiel Vertrag oder Vermächtnis) begründet werden.2 Die Grunddienstbarkeit entsteht also erst mit der Eintragung in das Grundbuch (beachte aber die Sonderregelungen für Leitungen in den Art. 676 Abs. 3 und Art. 691 Abs. 3 ZGB). Diese Eintra-

1 2

1240

Vgl. auch BGE 135 III 496 ff. (499), E. 4.1; 133 III 311 ff. (316), E. 3.2.3. R ey, BeKomm, N 7 und 12 zu Art. 731 ZGB.

1241

362

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

gung erfolgt auf Anmeldung des Eigentümers des belasteten Grundstücks (Art. 963 Abs. 1 ZGB; Art. 46 ff. GBV). Der Eintrag im Grundbuch hat die essenziellen Bestandteile des dinglichen Rechts zu umfassen. Auf dem Grundbuchblatt des belasteten Grundstücks muss somit neben dem Inhalt des Rechts auch das berechtigte Grundstück bezeichnet werden (Art. 98 Abs. 2 lit. e GBV). Eine blosse Verweisung auf den Beleg genügt nicht. Enthält der Eintrag diese für die Entstehung einer Dienstbarkeit erforderlichen Mindestelemente nicht, fehlt es an einem gültigen Eintrag, was im Ergebnis einer Nichteintragung des dinglichen Rechts gleichkommt; die Dienstbarkeit ist in diesem Fall nicht entstanden.3 – Gemäss Art. 968 ZGB ist die Grunddienstbarkeit auf dem Blatt des berechtigten und des belasteten Grundstücks einzutragen (vgl. auch Art. 98 Abs. 1 GBV). Die Eintragung auf dem Blatt des herrschenden Grundstücks ist allerdings kein Gültigkeitserfordernis, sondern nur eine Ordnungsvorschrift.4 1242

2. Die Eintragung in das Grundbuch setzt einen gültigen Rechtsgrund voraus (Kausalitätsprinzip; Art. 965 und 974 Abs. 2 ZGB). Hauptfall der Begründung einer Grunddienstbarkeit durch Rechtsgeschäft ist der Dienstbarkeitsvertrag.5 Dazu ist festzuhalten:

1243

– Der Dienstbarkeitsvertrag ist ein Schuldvertrag: Formrichtig abgeschlossen (Nr. 1245 f.), lässt er zwischen den Parteien nur (aber immerhin) ein obligatorisches Rechtsverhältnis entstehen. Es enthält namentlich die Forderung des einer Dienstbarkeit. Der Schuldner erfüllt diese Forderung dadurch, dass er die Grunddienstbarkeit zur Eintragung in das Grundbuch anmeldet.6 Verweigert der Schuldner die Anmeldung, kann der Gläubiger nach Art. 665 Abs. 1 ZGB i.V.m. Art. 731 Abs. 2 ZGB auf Zusprechung der Grunddienstbarkeit klagen.7 – Der Dienstbarkeitsvertrag ist ein Innominatkontrakt (Vertrag sui generis),8 der nach Art. 732 Abs. 1 ZGB öffentlich zu beurkunden ist (hinten Nr. 1245). Zu seinen wesentlichen Punkten gehören die Bezeichnung (oder Bestimmbarkeit) des herrschenden und des dienenden Grundstücks sowie der Wille der Parteien, auf dem dienenden Grundstück eine Grunddienstbarkeit (also ein beschränktes ding-

1244

3 4

5

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8

BGE 135 III 496 ff. (499 f.), E. 4.1; 124 III 293 ff. (295 f.), E. 2a und b. BGE 135 III 496 ff. (499 f.), E. 4.1; 133 III 311 ff. (316 f.), E. 3.2.3; 97 II 37 ff. (41 f.), E. 3, mit Hinweis auf liveR, ZüKomm, N 55 zu Art. 731 ZGB; ferner SteinaueR, Band II, Nr. 2234 mit weiteren Hinweisen. – Zur Anwendbarkeit von Art. 968 ZGB auf Dienstbarkeiten, die vor 1912 entstanden und in einer kantonalen Publizitätseinrichtung enthalten sind, vgl. BGE 135 III 496 ff. (501), E. 4.2.1; mit Bezug auf denselben Streitfall hingegen zu Recht anders BGer 5A_741/2010, E. 3.3; siehe dazu auch bettina hüRlimann-K auP, Die sachenrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2009, ZBJV 147/2011, S. 463 ff. (482 f.). Zur Abgrenzung zwischen privatrechtlichem Dienstbarkeitsvertrag und verwaltungsrechtlichem Enteignungsvertrag vgl. BGer 4A_116/2010, E. 4. liveR, ZüKomm, N 2 zu Art. 732 ZGB; ZBGR 77/1996, S. 22 ff. (23 f.), E. III./2 (Bezirksgericht Meilen). BGE 117 II 26 ff. (29), E. 3; BGer 5C.96/2006, E. 1; BGer 5C.275/2005, E. 3.2; ZBGR 77/1996, S. 22 ff. (23 f.), E. III./2 (Bezirksgericht Meilen); liveR, ZüKomm, N 29 zu Art. 731 ZGB. liveR, ZüKomm, N 54 zu Art. 732 ZGB; Paul Piotet, SPR V/1, S. 558; offengelassen (für den entgeltlichen Dienstbarkeitsvertrag) in BGE 93 II 185 ff. (188), E. 4. Vgl. immerhin h anS michael R iemeR, Die Verträge des ZGB, insbesondere jene des Sachenrechts, aus der Sicht des OR, in: Heinrich Honsell et al. (Hrsg.), Aktuelle Aspekte des Schuld- und Sachenrechts, FS für Heinz Rey zum 60. Geburtstag, Zürich/Basel/Genf 2003, S. 83 ff. (84 f.).

§ 25 Die Grunddienstbarkeiten

363

liches Recht) zu errichten.9 Sodann müssen Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit aus dem Vertrag hervorgehen, doch stellt die Praxis an die Umschreibung des Inhalts keine allzu hohen Anforderungen.10 Er hat aber auch für Dritte hinreichend klar zu sein.11 Ist eine Gegenleistung vereinbart, so gehört nach der hier vertretenen Meinung auch sie zu den objektiv wesentlichen Punkten. Ob nämlich das beschränkte dingliche Recht entgeltlich oder unentgeltlich eingeräumt wird, müssen die Parteien unter allen Umständen selber festlegen; eine gerichtliche Lückenfüllung scheidet in diesem Punkt aus.12 Ausgehend von der bundesgerichtlichen Formel, nach der alle wesentlichen Punkte eines formbedürftigen Vertrags beurkundungsbedürftig sind,13 wird daher die Vereinbarung einer Gegenleistung vom Formzwang des Dienstbarkeitsvertrags mitumfasst, muss also beim Vertrag über die Begründung der Servitut öffentlich beurkundet sein.14 Für das Baurecht vgl. auch hinten Nr. 1396. Sollen Inhalt oder Umfang der Dienstbarkeit geändert werden, müssen die Parteien einen entsprechenden Vertrag abschliessen, der grundsätzlich ebenfalls öffentlich zu beurkunden ist.15 Entsprechendes gilt, wenn die bei Errichtung vereinbarte, periodisch zu bezahlende Gegenleistung nachträglich angepasst werden soll.16

1244a

«clausula rebus sic stantibus» grundsätzlich Anwendung.17

– Nach Art. 732 Abs. 1 ZGB bedarf der Dienstbarkeitsvertrag seit dem 1. Januar 2012 der öffentlichen Beurkundung (vgl. auch Art. 680 Abs. 2 ZGB und

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BGE 124 III 293 ff. (295), E. 2a; 122 III 150 ff. (157 f.), E. 3b; 95 II 605 ff. (615), E. 4; liveR, ZüKomm, N 16 ff. zu Art. 732 ZGB. BGE 122 III 150 ff. (158), E. 3b. Vgl. nun aber BGer 5A_641/2008, E. 4.1 («indiquer de façon précise le contenu de la servitude»), sowie SteinaueR, Band II, Nr. 2227; zum Umfang der Dienstbarkeit siehe ausserdem ZBGR 78/1997, S. 329 ff. (330), E. 2a (Aargauer Verwaltungsgericht). BGer 5A_641/2008, E. 4.1, u.a. mit Hinweis auf liveR, ZüKomm, N 23 zu Art. 732 ZGB; 5D_190/2014, E. 8.2.1. Vgl. auch BGE 134 III 341 ff. (347), E. 4: Der Begriff «unsittliches Gewerbe» ist hinreichend bestimmt. gauch /SchlueP/Schmid, Nr. 332 ff., insbesondere Nr. 337; vgl. auch viKtoR mülleR (zitiert in Nr. 1365), S. 16; ZBGR 86/2005, S. 291 ff. (293), E. B.2c/cc (Zürcher Handelsgericht). Vgl. etwa BGE 135 III 295 ff. (299), E. 3.2; 119 II 135 ff. (138), E. 2a. Ebenso Paul Piotet, SPR V/1, S. 563; deniS Piotet (zitiert in Nr. 1237a), S. 71; deRSelbe, SPR V/2, Nr. 174 ff.; nicolaS Jeandin (zitiert in Nr. 1316), S. 118 ff. und 129 f.; a lFRed KolleR, Dienstbarkeiten (zitiert in Nr. 1316), S. 356; vgl. auch m aRtin geRmann (zitiert in Nr. 1316), Nr. 365 ff.; a.M. liveR SteinaueR, Band II, Nr. 2229; wohl auch BGer 5A_171/2008, E. 3.2. Einzelheiten bei hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, S. 34 f. Vgl. etwa auch deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 230. bettina hüRlimann-K auP, Die sachenrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2010, ZBJV 148/2012, S. 261 ff. (298). Vgl. BGE 127 III 300 ff. (302 ff.), E. 5a (in casu: Baurechtsvertrag) sowie die Besprechung dieses Entscheids von WolFgang Wiegand, ZBJV 139/2003, S. 803 ff. (insbesondere S. 810 f.); BGer 4A_375/2010, E. 3.1; m aRKuS W. Stadlin, Die Bindung der Vertragsparteien in langfristigen Vertragsverhältnissen (so bei selbständigen und dauernden Baurechten) – die Voraussetzungen der nachträglichen Anpassung des Baurechtszinses, Jusletter vom 16. Februar 2009. Siehe auch BGE 131 III 345 ff. (351), E. 2.2.3 (Frage nach der Zulässigkeit der Anpassung des Erwerbgrunds an veränderte Verhältnisse offengelassen); BGer 5C.165/2006, E. 5.1 (nicht publiziert in BGE 133 III 311 ff.).

1245

364

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Art. 243 Abs. 2 OR).18 Von dieser Neuerung ist eine Erhöhung der Rechtssicherheit zu erwarten, da es Aufgabe der Urkundsperson ist, die Parteien zu beraten und deren Willen umfassend und klar in der Urkunde wiederzugeben. Die EinDienstbarkeitsstreitigkeiten in den letzten Jahren (hinten Nr. 1275) zu begrüssen, auch wenn Kosten und Aufwand im Einzelfall dadurch steigen können.19 Vorbehalten bleibt der Fall, dass die Dienstbarkeit im Rahmen eines Erbteilungsvertrags errichtet wird; hier genügt die für den Erbteilungsvertrag in Art. 634 Abs. 2 ZGB vorgeschriebene Form (einfache Schriftlichkeit). Soll die Servitut durch Erbvertrag errichtet werden, müssen die Formvorschriften von Art. 512 ZGB eingehalten werden.20

– Beschränkt sich die Ausübung der Dienstbarkeit auf einen Teil des Grundstücks und ist die örtliche Lage im Vertrag nicht genügend bestimmbar umschrieben, muss diese nach dem neu eingeführten Art. 732 Abs. 2 ZGB in einem «Auszug des Planes für das Grundbuch» zeichnerisch dargestellt werden. Hierbei handelt es sich um einen graphischen «Auszug aus dem Grunddatensatz, der die Grundstücke voneinander abgrenzt und am öffentlichen Glauben des Grundbuches teilhat».21 Dieser Plan bildet Bestandteil des Rechtsgrundausweises.22 Da er einen wesentlichen Punkt des Dienstbarkeitsvertrags wiedergibt, ist er beurkundungsbedürftig.23

1246

Anders als nach früherem Recht genügt ein privat erstellter Plan (zum Beispiel ein Architektenplan) nun grundsätzlich nicht mehr. Immerhin ist nicht erforderlich, dass der Grundbuchplan vom Geometer ausgestellt und unterzeichnet wird; eine aus dem Internet heruntergeladene Kopie genügt, sofern sie die Lage der Gebäude und die Grundstücksgrenzen zeigt. Ist das betreffende Gebiet noch nicht vermessen, reicht eine Planskizze aus.24 Letzteres dürfte auch bei dreidimensionalen (Querschnitts-)Plänen gelten, etwa bei Überbaurechten oder Baurechten betreffend eine Tiefgarage. – Die Parteien können die örtliche Lage der Dienstbarkeit selber einzeichnen (vgl. auch Art. 70 Abs. 3 GBV). Diese privaten Einzeichnungen nehmen allerdings nicht am öffentlichen Glauben des Grundbuchs teil.25 1247

3. Nach Art. 733 ZGB ist der Eigentümer befugt, auf seinem Grundstück eine Dienstbarkeit zu Gunsten eines anderen ihm gehörenden Grundstücks zu errichten (Eigentümerdienstbarkeit). Auch dieses Rechtsgeschäft bedarf seit dem 1. Januar 2012

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25

Zur vor dem 1. Januar 2012 geltenden Rechtslage (einfache Schriftlichkeit) vgl. Nr. 1245 f. der hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, S. 35 mit Hinweisen. Vgl. dazu etwa hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, S. 31 f. SteinaueR, Band II, Nr. 2232. BGE 138 III 742 ff. (744), E. 2.2. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5310. hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, S. 37. Vgl. auch a lFRed KolleR, Dienstbarkeiten (zitiert in Nr. 1316), S. 356. Nach Ansicht von deniS Piotet (zitiert in Nr. 1237a), S. 62 unten und 63 f., muss es möglich sein, dass das Gericht im Streitfall durch Ergänzung des Vertrags die örtliche Lage der Dienstbarkeit präzisiert, sofern sich die Parteien im Grundsatz darüber geeinigt haben; vgl. auch ZBGR 90/2009, S. 19 ff. (21 f.), E. 5c (Kantonsgericht Waadt). Vgl. zum Ganzen Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5310; BGE 138 III 742 ff. (744 f.), E. 2.2. – Kritisch zu Art. 732 Abs. 2 ZGB m einRad huSeR, Darstellung von Grenzen zur Sicherung dinglicher Rechte, ZBGR 94/2013, S. 238 ff. (249 f.); JüRg Schmid, ZBGR 94/2013, S. 280 (Bemerkung zu BGE 138 III 742 ff.). BGE 138 III 742 ff. (744 f.), E. 2.2.

§ 25 Die Grunddienstbarkeiten

365

gemäss Art. 732 Abs. 1 ZGB der öffentlichen Beurkundung (Einzelheiten zur Eigentümerdienstbarkeit vorne Nr. 1190 ff.). Erfolgt die Errichtung in einem eigenhändigen Testament, müssen die Formvorschriften von Art. 505 Abs. 1 ZGB eingehalten werden.26

4. Hinzuweisen bleibt auf einen Sonderfall: Eine im Grundbuch auf dem herrschenden und dem belasteten Grundstück eingetragene Grunddienstbarkeit, die in Wirklichkeit nicht besteht, kann auf Grund der Gutglaubensschutzwirkung des Grundbuchs (Art. 973 Abs. 1 ZGB; vorne Nr. 592) zu Gunsten eines gutgläubigen Erwerbers entstehen.27

2.

1248

Die Entstehung ohne Eintragung in das Grundbuch

1. Wie das Grundeigentum können auch Grunddienstbarkeiten in Ausnahmefällen ohne Eintragung in das Grundbuch entstehen; die Eintragung hat dann rein deklaratorischen Charakter (relatives Eintragungsprinzip; vorne Nr. 576 ff. und 837). Dies gilt für Grunddienstbarkeiten, die nicht auf Rechtsgeschäft beruhen.28 Das Gesetz erwähnt lediglich die Ersitzung (Art. 731 Abs. 3 ZGB). Die allgemeine Verweisung auf die Bestimmungen über das Grundeigentum in Art. 731 Abs. 2 ZGB deckt aber auch die anderen Entstehungsarten ohne Grundbucheintragung ab, wie etwa Aneignung, Enteignung, Urteil usw.29

1249

2. In Bezug auf die Ersitzung besteht eine lange Kontroverse zwischen Lehre und Rechtsprechung.30 Nach dem Wortlaut von Art. 731 Abs. 3 ZGB ist die Ersitzung «nur zu Lasten von Grundstücken möglich, an denen das Eigentum ersessen werden kann» («… à l’égard des immeubles dont la propriété elle-même peut s’acquérir de cette manière»). Dies darf allerdings nicht so verstanden werden, dass die Ersitzung von Grunddienstbarkeiten nur bei Grundstücken zulässig ist, die keinen Eigentümer haben; dadurch würde die ordentliche Ersitzung für Grunddienstbarkeiten praktisch ausgeschlossen. Die Bestimmung will vielmehr darauf hinweisen, dass eine Grunddienstbarkeit unter den gleichen Voraussetzungen wie das Grundeigentum ersessen werden kann.31 Art. 731 Abs. 3 ZGB hat also keine selbständige Bedeutung.32 Eine Grunddienstbarkeit kann demnach, wie das Grundeigentum, auf zwei Arten ersessen werden:33

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26 27 28 29

30 31 32 33

SteinaueR, Band II, Nr. 2230. SteinaueR, Band II, Nr. 2237. R ey, BeKomm, N 8 und 95 zu Art. 731 ZGB. Zu diesen und weiteren Fällen vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 2243 ff.; R ey, BeKomm, N 97 ff. zu Art. 731 ZGB. Zur ausserbuchlichen Errichtung von Grunddienstbarkeiten durch Verwaltungsakt vgl. etwa BGer 1A.14/2006, E. 2.4. R ey, BeKomm, N 148 zu Art. 731 ZGB. BGE 105 II 329 ff. (331) unter Hinweis auf liveR, ZüKomm, N 120 zu Art. 731 ZGB. SteinaueR, Band II, Nr. 2239 mit Hinweisen. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 100 N 21 ff. und § 108 N 6 ff. Vgl. auch BGer 5C.40/2006, E. 9.

1251

366

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

1252

– Durch ordentliche Ersitzung (Tabularersitzung) für den Fall, dass eine Dienstbarkeit – wenn auch zu Unrecht – im Grundbuch eingetragen ist (Art. 661 und 663 ZGB analog; vgl. dazu vorne Nr. 858 f.).34

1253

– Durch ausserordentliche Ersitzung (Extratabularersitzung) für den Fall, dass das belastete Grundstück nicht in das Grundbuch aufgenommen ist oder offenbar keinen (eingetragenen) Eigentümer hat (Art. 662 und 663 ZGB analog; vgl. dazu vorne Nr. 860 ff.).35 Eine Kontratabularersitzung (also eine Ersitzung «gegen» den Grundbucheintrag) ist demgegenüber ausgeschlossen.36

II. Der Inhalt 1.

Art. 730 Abs. 1 ZGB als Grundnorm

1254

Gemäss Art. 730 Abs. 1 ZGB kann ein Grundstück «zum Vorteil eines andern Grundstückes in der Weise belastet werden, dass sein Eigentümer sich bestimmte Eingriffe des Eigentümers dieses andern Grundstückes gefallen lassen muss oder zu dessen Gunsten nach gewissen Richtungen sein Eigentumsrecht nicht ausüben darf». Im Einzelnen:

1255

1. Bei einer Grunddienstbarkeit sind immer zwei Grundstücke betroffen: auf der einen Seite das dienende Grundstück («le fonds servant»), auf der anderen Seite das herrschende Grundstück («le fonds dominant»). Gegenstand einer Grunddienstbarkeit kann grundsätzlich jedes Grundstück im Sinn von Art. 655 Abs. 2 ZGB sein; praktisch sind hauptsächlich Liegenschaften betroffen.37 Entgegen dem Wortlaut von Art. 655a Abs. 1 ZGB muss es auch möglich sein, eine unselbständige Liegenschaft (vorne Nr. 725) separat mit einer Dienstbarkeit zu belasten.38 – Unzulässig ist eine Grunddienstbarkeit an Fahrnis.39

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35

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38

39

SteinaueR, Band II, Nr. 2241 ff.; R ey, BeKomm, N 162 ff. zu Art. 731 ZGB. Vgl. auch BGer 5C.122/2006, E. 2.2.1; JdT 2011 III, S. 161 ff. (166), E. 5, (Kantonsgericht Waadt) mit kritischen Bemerkungen von deniS Piotet, Quelques questions de droit vaudois des servitudes publiques et d’introduction du Registre foncier fédéral non traitées dans la jurisprudence du Tribunal cantonal, JdT 2011 III, S. 168 ff. SteinaueR, Band II, Nr. 2242 ff.; R ey, BeKomm, N 217 ff. zu Art. 731 ZGB; BGer vom 6. November 1992, in ZBGR 75/1994, S. 80 ff.; BGE 122 III 150 ff. (155 f.), E. 2c; 105 II 329 ff.; BVR 2008, S. 332 ff. (344 f.), E. 6.2.1 (Berner Verwaltungsgericht); ZBGR 97/2016, S. 401 ff. (Walliser Kantonsgericht). SteinaueR, Band II, Nr. 2240; vgl. auch BJM 1996, S. 73 ff. (78 f.; Appellationsgericht Basel-Stadt). Vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 2200 ff. – Zur Möglichkeit der Belastung von Grundstücken des Verwaltungsvermögens des Staates mit Grunddienstbarkeiten vgl. SteinaueR, Band II, Nr. 2200a; m aRKuS zanola, Die Errichtung von beschränkten dinglichen Rechten an Liegenschaften im Verwaltungsvermögen …, Diss. Zürich 2005, S. 92 ff. SteinaueR, Band II, Nr. 1521h und 2200c; Roland PFäFFli /daniela byland, Zur Revision des Immobiliarsachenrechts, SJZ 107/2011, S. 225 ff. (226 f.). FZR 1993, S. 294 ff. (295), E. 1 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch, mit Bezug auf ein Benutzungsrecht an Abfallcontainern).

§ 25 Die Grunddienstbarkeiten

367

2. Das dienende Grundstück wird zum Vorteil des herrschenden Grundstücks belastet, und zwar in der Weise, dass sein Eigentümer entweder bestimmte Eingriffe des Eigentümers des anderen Grundstücks dulden muss keit) oder zu dessen Gunsten in gewisser Hinsicht sein Eigentumsrecht nicht ausüben darf (negative Grunddienstbarkeit; zum Ganzen vorne Nr. 1206 ff.).

1256

Ein Verzicht auf Einsprachen gegen Baugesuche und Zonenpläne kann nicht Gegenstand einer ein Instrument des Verfahrensrechts darstellt.40 – Die Dienstbarkeit belastet immer das dienende Grundstück als Ganzes, auch wenn sie – wie etwa ein Wegrecht oder ein Quellenrecht – nur an bestimmten Stellen ausgeübt werden kann und im Sinn von Art. 742 Abs. 2 ZGB «im Grundbuch auf eine bestimmte Stelle gelegt worden ist». Ebenso besteht jede Grunddienstbarkeit zu Gunsten des ganzen herrschenden Grundstücks. Mit anderen Worten: «Alle Eintragungen berechtigen und belasten die ganze Parzelle».41

3.

Berechtigung beim jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks; die Grunddienstbarkeit richtet sich (in erster Linie) gegen den jeweiligen Eigentümer des dienenden Grundstücks.42 Darin liegt das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zur Personaldienstbarkeit, bei der eine bestimmte Person berechtigt ist (hinten Nr. 1322).

1257

Recht und Last sind bei der Grunddienstbarkeit mit anderen Worten direkt mit dem betreffenden (herrschenden oder dienenden) Grundstück verknüpft. Nur zusammen mit diesem Grundstück – nicht aber für sich allein – kann eine Grunddienstbarkeit übertragen werden; darüber hinaus ist es unzulässig, eine bestehende Grunddienstbarkeit mit einem beschränkten dinglichen Recht zu belasten.43 – Die Ausgestaltung einer Grunddienstbarkeit zu einem selbständigen und dauernden Recht ist nicht möglich (Art. 655 Abs. 3 Ziff. 1 ZGB; vorne Nr. 418 und hinten Nr. 1328).

4. Die Wendung «zum Vorteil eines andern Grundstückes» («en faveur d’un autre immeuble») darf nicht restriktiv ausgelegt werden. Mit dieser (missverständlichen) Formulierung ist nämlich nicht das sogenannte Utilitätsprinzip angesprochen, wonach die Dienstbarkeit für das Grundstück als solches nützlich sein muss; es genügt vielmehr, dass der Grundeigentümer einen Nutzen daraus hat.44 Illustrativ eugen hubeR: «Die Grunddienstbarkeit besteht nur von Grundstück zu Grundstück und ist also dazu bestimmt, die Beziehungen, die unter Nachbarn gegeben sein können, zu dinglicher Wirksamkeit zu erheben, wobei aber nicht auf eine Leistung aus dem Grundstück und für die Bewirtschaftung des Grundstückes in engerem Sinne geschaut wird, sondern in allen Beziehungen, in denen ein Grundeigentümer von einem andern einen Vorteil erwarten kann, auch eine Dienstbarkeit errichtet werden darf. Mag es sich um einen Vorteil in der Bewirtschaftung selber handeln, wie die Gewährung einer Zufahrt für die Einheimsung der Ernte, oder um die Annehmlichkeit, die der

40 41

42 43

44

BGE 131 III 414 ff. (insbesondere S. 417, E. 2.3). liveR, ZüKomm, N 17 zu Art. 743 ZGB; ähnlich deRSelbe, N 24 zu Art. 730 ZGB und N 1 zu Art. 742 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 2200; vgl. bereits eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 147. Vgl. auch BGE 138 III 742 ff. (743), E. 2.1. SteinaueR, Band II, Nr. 2189. BGE 131 III 345 ff. (354), E. 3.1; 100 II 105 ff. (113), E. 3a; liveR, ZüKomm, N 40 zu Art. 730 ZGB; R ey, BeKomm, N 6 zu Art. 730 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 2198 f. BGE 131 III 345 ff. (355), E. 3.2.1; 130 III 554 (556), E. 2; eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 132 ff.; liveR, ZüKomm, Vorbem. Grunddienstbarkeiten, N 7 ff., und N 103 zu Art. 730 ZGB; Paul Piotet, SPR V/1, S. 547 f.; m aRia conSuelo a Rgul gRoSSRiedeR, Diss. (zitiert in Nr. 1316), Nr. 218 ff. Teilweise abweichend aber R ey, BeKomm, Vorbem. zu den Art. 730–736 ZGB, N 7 ff., der verlangt, die Grunddienstbarkeit müsse dem jeweiligen Eigentümer in seiner Eigenschaft als Grundeigentümer von Vorteil sein (a.a.O., N 10).

1258

368

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Eigentümer in der Bewohnung seines Hauses sucht und die vielleicht wohl für ihn persönlich einen Vorteil darbietet, nicht aber nach der Natur des Grundstückes auch für jeden künftigen Eigentümer, an dem Grundstücke verbunden sei.»45

1259

2.

Der zulässige Inhalt

A.

Der Grundsatz: freie Gestaltung

Als Grundsatz gilt, dass die Parteien den Inhalt einer Grunddienstbarkeit frei festlegen können (vgl. auch Art. 19 OR).46 Der bereits erwähnte Numerus clausus bezieht sich lediglich auf die zulässigen Arten von beschränkten dinglichen Rechten. Innerhalb dieses geschlossenen Rahmens bestehen für die Parteien sehr weit gehende Gestaltungsmöglichkeiten.47

B.

Die Schranken

1260

Der Grundsatz der Inhaltsfreiheit erfährt einige wichtige Einschränkungen:

1261

1. Zunächst gelten die allgemeinen Schranken der Inhaltsfreiheit: Ein Dienstbarkeitsvertrag darf keinen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt haben und nicht gegen die guten Sitten verstossen (Art. 20 Abs. 1 OR).48 Gewisse Schranken ergeben sich namentlich aus dem (vorne Nr. 73):

1262

– Dienstbarkeiten, die ihrem Inhalt nach eine Nutzniessung oder ein Wohnrecht darstellen, können nicht als Grunddienstbarkeiten errichtet werden, da sie von Gesetzes wegen (zwingend) reguläre Personaldienstbarkeiten sind49 (vgl. auch hinten Nr. 1343 und 1358).

1263

– Demgegenüber können Bau- und Quellenrechte, obwohl vom Gesetz unter den Personaldienstbarkeiten geordnet (Art. 779–780 ZGB), durchaus auch Inhalt einer Grunddienstbarkeit sein.50 Gleiches gilt für die anderen Dienstbarkeiten im Sinn von Art. 781 ZGB.51

45 46 47 48

49

50

51

eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 137. BGE 139 III 404 ff. (407), E. 7.3. BGE 116 II 281 ff. (289 f.), E. 4d; 108 II 39 ff. (43), E. 3b; SteinaueR, Band II, Nr. 2209. liveR, ZüKomm, N 82 ff. zu Art. 730 ZGB; bettina hüRlimann-K auP, Schranken (zitiert in Nr. 1316), S. 58 ff. Vgl. aus der Rechtsprechung etwa BGE 133 III 311 ff. (318 f.), E. 3.4.1 und 3.4.2 (Konversion eines Dienstbarkeitsvertrags mit einem unmöglichen Inhalt in ein gültiges Rechtsgeschäft), und BGE 134 III 341 (Bedeutung älterer Servituten im Dienst des öffentlichen Bau- und Planungsrechts mit Blick auf die neueren Entwicklungen in diesem Bereich des öffentlichen Rechts). BGE 88 II 331 ff. (339), E. 6, unter Hinweis auf liveR, ZüKomm, N 18 der Vorbem. zu Art. 730– 744 ZGB; 103 II 176 ff. (181 f.), E. 2; ZBGR 37/1956, S. 288 ff. (290), E. 1 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch), betreffend das Wohnrecht; SteinaueR, Band II, Nr. 2209; Paul Pio tet, SPR V/1, S. 549. BGE 133 III 311 ff. (316), E. 3.2.1; 88 II 331 ff. (339), E. 6; R iemeR, S. 52; für das Baurecht auch AGVE 1995, Nr. 5, S. 133 ff. (136), E. 3c/aa (Aargauer Verwaltungsgericht). Botschaft zum ZGB (1904), BBl 1904 IV, S. 71; liveR, ZüKomm, N 18 der Vorbem. zu Art. 730– 744 ZGB.

369

§ 25 Die Grunddienstbarkeiten

Von den Baurechten sind jedoch die Überbaurechte zu trennen. Ein Überbaurecht im Sinn von Art. 674 ZGB (vorne Nr. 898) kann nur als Grunddienstbarkeit errichtet werden, weil sein Zweck darin besteht, bei überragenden Bauteilen «auf unbegrenzte Zeit in Abweichung vom Akzessionsprinzip zu regeln, welche Bauteile zu welchem Grundstück gehören».52

2. Wie dargelegt, trifft den Eigentümer des belasteten Grundstücks nach Art. 730 Abs. 1 ZGB entweder eine Duldungs- oder eine Abs. 2 der Bestimmung hält ausserdem ausdrücklich den bereits genannten Grundsatz «servitus in faciendo consistere nequit» fest (vorne Nr. 1206): von Handlungen durch den Dienstbarkeitsbelasteten kann demnach nicht Inhalt der barkeit zu verknüpfen, sofern sie im Verhältnis zum beschränkten dinglichen Recht nur nebensächlich Tun lediglich dazu dient, die Ausübung der Servitut zu ermöglichen, zu erleichtern oder zu sichern, und wenn sie vom Umfang her keine schwerere Belastung als die Dienstbarkeit selber darstellt.53

1264

Pro memoria: ber des berechtigten oder belasteten Grundstücks nur verbindlich, wenn sie sich aus dem Eintrag im Grundbuch ergibt (vorne Nr. 1206).

Geht es den Parteien hingegen hauptsächlich um ein Tun, das dinglich abgesichert werden soll, müssen sie eine Grundlast nach Art. 782 ZGB (hinten Nr. 1440 ff.) begründen.54

1265

Beispiele: a. stücks verbunden sein, den Weg zu unterhalten und zu beleuchten.55 – b. Ein Verbot von SchallimWohnungsböden mit Spannteppichen belegen zu lassen.56 – c. teten Grundeigentümerin, einen Bahnübergang durch bediente Barrieren zu sichern, ist als Neben57 – d. 58

3. Der Berechtigte muss ein vernünftiges Interesse an der Dienstbarkeit haben59 (vgl. auch Art. 736 ZGB). Dieses Interesse bemisst sich nicht nach objektiven Kriterien, sondern wird vielmehr allein durch den Berechtigten beurteilt.60 Es muss jedoch insofern vernünftig sein, als es sich nicht um eine blosse Marotte des Berechtig-

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AGVE 1995, Nr. 5, S. 133 ff. (137 oben), E. 3c/bb (Aargauer Verwaltungsgericht); leemann, BeKomm, N 12 zu Art. 779 ZGB; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 25 zu Art. 674 ZGB, der auf eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 92, verweist; R iemeR, S. 52; PeteR iSleR (zitiert in Nr. 1365), S. 52. BGE 122 III 10 ff. (12), E. 1; 106 II 315 ff. (320), E. 2e; FZR 1995, S. 19 ff. (21), E. 2 (Freiburger Kantonsgericht); Einzelheiten bei liveR, ZüKomm, N 202 ff. zu Art. 730 ZGB. SteinaueR, Band II, Nr. 2218 ff. Vgl. auch BGer 2C_286/2015, E. 4.2. liveR, ZüKomm, N 214 zu Art. 730 ZGB. BGE 106 II 315 ff. (320), E. 2e; kritisch aber liveR, ZBJV 118/1982, S. 116 f. BGer vom 27. Mai 1982, in ZBGR 65/1984, S. 178 ff. (184 f.), E. 4 (speziell gelagerter Fall). BGE 93 II 290 ff. (294 ff.), E. 2–3; vgl. auch BGE 131 I 321 ff. (326), E. 5.2.2; 108 II 39 ff.; BGer 2C_286/2015, E. 4.2. – Weitere Beispiele bei cyRil galland (zitiert in Nr. 1316), Nr. 766 ff.; JöRg Schmid/dominic buttligeR (zitiert in Nr. 1316), S. 131 f. BGE 121 III 52 ff. (54), E. 2a mit Hinweisen; SteinaueR, Band II, Nr. 2214; deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 100 ff. BGE 70 II 96 ff. (102), E. 3.

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370

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

ten handeln darf.61 Nicht vorausgesetzt ist, dass es sich um ein rechtlich geschütztes Interesse handelt; ein tatsächliches Interesse genügt.62 teten bereits durch das Gesetz auferlegt werden, nicht Inhalt einer Grunddienstbarkeit sein; der Berechtigte hat nämlich kein (vernünftiges) Interesse daran, ein Recht, das ihm schon von Gesetzes wegen eindeutig zusteht, zusätzlich noch als Dienstbarkeit zu erwerben oder zu sichern.63 Die Errichtung einer Grunddienstbarkeit muss jedoch insoweit zulässig sein, als Ungewissheit darüber besteht, ob die Anwendung des Gesetzes zu dem Ergebnis führt, das mit der Dienstbarkeit erreicht werden soll.64

1267

Beispiel: Durch eine Grunddienstbarkeit werden gewisse von einem Nachbargrundstück ausgehende Einwirkungen ausgeschlossen, obwohl diese Immissionen ihrer Art nach unter Art. 684 ZGB fallen und daher bereits von Gesetzes wegen verboten sind. Die Berechtigte hat aber ein wesentliches Interesse an der Errichtung einer derartigen Dienstbarkeit, da es durchaus nicht sicher ist, ob das Gericht die Einwirkungen im konkreten Fall als «übermässig» im Sinn des Nachbarrechts ansieht. Ein solcher (klärender) Inhalt ist deshalb zulässig.65 1268

4. Inhalt einer Grunddienstbarkeit kann nur ein begrenztes Nutzungsrecht sein. Der Eigentümer des belasteten Grundstücks darf nach dem sogenannten Grundsatz der Beschränktheit der Belastung («le principe de la limitation des charges») nicht von jeder Nutzung ausgeschlossen66 und auch sonst in seiner Dispositionsfreiheit nicht übermässig eingeschränkt werden.67 Art. 730 Abs. 1 ZGB ordnet nämlich ausbestimmte Eingriffe gefallen lassen muss oder sein Eigentumsrecht in gewissen Richtungen nicht ausüben darf («certains actes d’usage» bzw. «certains droits inhérents à la propriété»).68 Beispiel: Eine Dienstbarkeit, die auf dem belasteten Grundstück nur den Betrieb einer Zimmerei erlaubt und eine andere industrielle Nutzung ausschliesst, verstösst nicht gegen den Grundsatz der Beschränktheit der Belastung, wenn neben der Zimmerei weitere wichtige (nicht industrielle) Nutzungsmöglichkeiten bestehen.69

Der Grund für diese Beschränkung liegt darin, dass die Dauer der Grunddienstbarkeiten gesetzlich nicht beschränkt ist. Im Gegensatz dazu endet die Nutznies-

1268a

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66 67 68 69

SteinaueR, Band II, Nr. 2214. BGE 123 III 337 ff. (345), E. 4b. BGE 99 II 28 ff. (33), E. 4; liveR, ZüKomm, N 93 zu Art. 730 ZGB. BGE 106 II 315 ff. (318 f.), E. 2c; liveR, ZüKomm, N 95 zu Art. 730 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 2214a; bettina hüRlimann-K auP, Schranken (zitiert in Nr. 1316), S. 69; vgl. immerhin cyRil galland (zitiert in Nr. 1316), Nr. 238 f. – Zur Unzulässigkeit von Dienstbarkeiten zu Gunsten des Gemeinwesens mit dem Zweck der Absicherung öffentlich-rechtlicher Eigentumsbeschränkungen siehe ZBGR 78/1997, S. 318 ff. (Aargauer Verwaltungsgericht). liveR, ZüKomm, N 95 zu Art. 730 ZGB; BGE 106 II 315 ff. (318), E. 2c, betreffend TrittschallImmissionen im Stockwerkeigentümerverhältnis. Vgl. auch BGer 5C.42/2007, E. 6.2 (nicht publiziert in BGE 134 III 341 ff.); siehe ausserdem BGer 5A_23/2008 (Sachverhalt und E. 4.2) bezüglich einer «servitude d’interdiction de tous dépôts qui seraient dangereux, nuisibles ou simplement désagréables pour le voisinage, soit notamment par un aspect inesthétique, par le bruit ou par l’odeur» (subsidiäre Verfassungsbeschwerde). BGE 116 II 275 ff. (277 f.), E. 3b; 116 II 281 ff. (290), E. 4d. ZBGR 64/1983, S. 268 ff. (270), E. 1a (Zürcher Obergericht). Ausführlich dazu cyRil galland (zitiert in Nr. 1316), Nr. 394 ff. BGE 123 III 337 ff. (343 f.), E. 3.

§ 25 Die Grunddienstbarkeiten

371

sung, die dem Berechtigten nach Art. 745 Abs. 2 ZGB grundsätzlich den vollen tas» (das «nackte Eigentum») belässt, gemäss Art. 749 ZGB zwingend mit dem Tod nach hundert Jahren.70 Das Wohnrecht und das selbständige Baurecht sind ebenfalls geeignet, das Eigentumsrecht stark zu beschneiden, weshalb das Gesetz auch für sie eine zeitliche Befristung vorsieht (Art. 776 Abs. 2 und Art. 779l Abs. 1 ZGB).71 Wird ein Baurecht (nicht als Personal-, sondern) als Grunddienstbarkeit errichtet, lässt es die Lehre in Anlehnung an die in Art. 779l Abs. 1 ZGB enthaltene Regelung zu, dass die Servitut zur Überbauung des gesamten Grundstücks berechtigt (und dem Grundeigentümer damit nur die «nuda proprietas» belässt), sofern sie auf 100 Jahre befristet ist. In diesem Fall wird also die in Art. 730 Abs. 1 ZGB vorgesehene Beschränkung des Inhalts oder des Umfangs durch eine Beschränkung der Dauer ersetzt.72

5. Durch die Grunddienstbarkeit muss der Eigentümer des belasteten Grundstücks in der Ausübung von Eigentumsbefugnissen eingeschränkt werden. Eine blosse Einschränkung in der Betätigung seiner persönlichen Handlungsfreiheit genügt nicht.73 Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 730 Abs. 1 ZGB. Das Problem stellt sich vor allem bei den negativen Grunddienstbarkeiten, und zwar insbesondere im Zusammenhang mit Gewerbeverboten.74 Derartige Servituten sind nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nur zulässig, wenn die Tätigkeit, auf die der Eigentümer verzichtet, den körperlichen Zustand, die äussere Erscheinung oder den wirtschaftlichen bzw. sozialen Charakter des Grundstücks betrifft (sogenannte Prägungsformel).75 Das ist regelmässig nicht der Fall, wenn mit der Dienstbarkeit lediglich die Veräusserung bestimmter Produkte oder Produkte bestimmter Marken, Lieferanten oder Hersteller verboten werden soll.76 Hingegen lässt das Bundesgericht sowohl umfassende als auch beschränkte Gewerbeverbote mit der Begründung zu, die «Nutzung eines Grundstücks zu gewerblichen Zwecken und demzufolge auch das Unterlassen einer gewerblichen Tätigkeit präg[t]en die äussere Erscheinungsform und den wirtschaftlichen sowie sozialen Charakter des betroffenen Grundstücks in jedem Fall»;77 es bejaht die Zulässigkeit selbst dann, wenn es darum geht, mit Hilfe der Dienstbarkeit ein Konkurrenzverbot dinglich abzusichern.78

70 71 72 73 74

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liveR, ZüKomm, N 8 zu Art. 730 ZGB. bettina hüRlimann-K auP, Schranken (zitiert in Nr. 1316), S. 71. cyRil galland (zitiert in Nr. 1316), Nr. 524 mit Hinweisen. BGE 123 III 337 ff. (341), E. 2c/aa mit Hinweisen. Zu weiteren problematischen Konstellationen vgl. JöRg Schmid/dominic buttligeR (zitiert in Nr. 1316), S. 124 ff. BGE 123 III 337 ff. (342), E. 2c/bb mit Hinweisen. In der Lehre ist die Prägungsformel umstritten; vgl. die Hinweise bei bettina hüRlimann-K auP, Schranken (zitiert in Nr. 1316), S. 74 f. luKaS cotti, Das vertragliche Konkurrenzverbot – Voraussetzungen, Wirkungen, Schranken, Diss. Freiburg 2001 (AISUF Band 207), Nr. 919 mit Hinweisen. Vgl. auch BGE 114 II 314 ff. (318), E. 4. Unklar hingegen BGer 5A_171/2008, E. 3.1 (Verbot des Verkaufs von Treibstoffen, Schmiermitteln etc.). Zur Frage, ob das Produktsegment dem Grundstück ein Gepräge gibt, vgl. a Rnold F. RuSch (zitiert in Nr. 1316), S. 4. BGE 114 II 314 ff. (317), E. 3c. Ausführlich dazu BGE 114 II 314 ff. (316 ff.), E. 3. Die Verdinglichung eines Konkurrenzverbots grundsätzlich ablehnend etwa liveR, ZüKomm, N 118 ff. zu Art. 730 ZGB. Vgl. zur Zulässigkeit von Gewerbebeschränkungen (namentlich von Konkurrenzverboten) auch R ey, BeKomm, N 85 ff. zu

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372

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Beispiele: a. Brauerei auszuschenken, kann nicht Inhalt einer Dienstbarkeit sein, da hier lediglich die persönliche Handlungsfreiheit der Wirtin (und nicht die Ausübung ihrer Eigentumsbefugnisse) beschränkt wird.79 – b. Zulässig ist hingegen eine Dienstbarkeit, die auf dem belasteten Grundstück nur den Betrieb einer Zimmerei erlaubt und eine andere industrielle Nutzung ausschliesst, da dadurch der wirtschaftliche und soziale Charakter des Grundstücks bestimmt wird.80 Nach einem unpublizierten Entscheid des Bundesgerichts ist die Eintragungsfähigkeit einer Dienstbarkeit rein anhand der dinglichen Vereinbarung zu beurteilen; allfällige schuldrechtliche Zusatzabmachungen sind hierfür nicht heranzuziehen.81 Dieser Entscheid eröffnet den Parteien den Weg, eine Sicherungsdienstbarkeit). Dafür errichten die Parteien eine Dienstbarkeit, mit der der Vertrieb bestimmter Waren auf dem belasteten Grundstück untersagt wird. Gleichzeitig vereinbaren sie schuldrechtlich eine Ausnahme von diesem Verbot, solange der Eigentümer des belasteten Grundstücks die entsprechende Ware ausschliesslich beim Dienstbarkeitsberechtigten bezieht. Aus diesem Vorgehen ergibt sich ohne Weiteres, dass die Parteien an der Dienstbarkeit selber nur so weit ein Interesse haben, als sie ihnen dazu dient, die realobligatorisch mit einer Dienstbarkeit verbunden werden, wenn sie «nebensächlich» im Sinn von Art. 730 Abs. 2 ZGB ist (vorne Nr. 1264), was hier gerade nicht der Fall ist. Die von den Parteien einer Sicherungsdienstbarkeit gewählte rechtliche Konstruktion stellt damit eine Gesetzesumgehung dar. Die ganz überwiegende Lehre lehnt es denn auch ab, die Frage nach der Zulässigkeit der Dienstbarkeit losgelöst von allfälligen obligatorischen Zusatzvereinbarungen zu beantworten.82 1270

6. Eine Dienstbarkeit ist eine auf Dauer angelegte Belastung. Einmalige Benutzungshandlungen können daher grundsätzlich nicht Inhalt einer Dienstbarkeit sein.83 Ausnahmsweise kann nach der Lehre eine Dienstbarkeit indessen doch eine einmalige Nutzung des Grundstücks zum Inhalt haben, wenn dafür ein schützenswertes Interesse gegeben ist. Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn jemand sich das Recht sichern will, für einen zukünftigen Hausbau einem fremden Grundstück Steine zu entnehmen; durch die Errichtung einer Grunddienstbarkeit kann er sicherstellen, dass er im gegebenen Zeitpunkt nicht einem Dritterwerber gegenübersteht, der 84

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Art. 730 ZGB; JüRg Schmid (zitiert in Nr. 1316), S. 273 ff.; m aRtin geRmann (zitiert in Nr. 1316), Nr. 250 ff.; cyRil galland (zitiert in Nr. 1316), Nr. 266 ff.; deRSelbe, Les servitudes de concurrence – un instrument à manier avec précaution, ZBGR 95/2014, S. 145 ff. SteinaueR, Band II, Nr. 2217a. Vgl. auch FZR 2000, S. 257 ff. bezüglich einer «Automatendienstbarkeit», die dem Eigentümer des belasteten Grundstücks untersagt, in seinem Lokal andere Automaten als die des Berechtigten aufzustellen (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch). BGE 123 III 337 ff. (343), E. 2c/cc. BGer 5A_171/2008, E. 3.1, unter Hinweis auf R ey, BeKomm, N 98 zu Art. 730 ZGB, und liveR, ZüKomm, N 73 ff. zu Art. 730 ZGB. Vgl. etwa JöRg Schmid, BR/DC 2008, S. 173 f.; JöRg Schmid/dominic buttligeR (zitiert in Nr. 1316), S. 121 ff.; a lFRed KolleR, Sachenrecht, Entwicklungen 2008, Bern 2009, S. 41 f.; chRiStina Schmid -tSchiRRen, Gewerbe- und konkurrenzbeschränkende Dienstbarkeiten – kein Abrücken des Bundesgerichts von seiner bisherigen Praxis, Jusletter vom 6. Juli 2009, Rz. 42 ff.; bettina hüRlimann-K auP, Die sachenrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2008, ZBJV 146/2010, S. 295 ff. (315 f.); dieSelbe, Schranken (zitiert in Nr. 1316), S. 77 ff.; cyRil galland (zitiert in Nr. 1316), Nr. 332. Vgl. nun auch FZR 2014, S. 210 ff., wo das Kantonsgericht Freiburg in einem BGer 5A_171/2008 gleichgelagerten Fall die Eintragungsfähigkeit der Dienstbarkeit verneint; zu diesem Entscheid bettina hüRlimann-K auP, Unzulässigkeit sog. Sicherungsdienstbarkeiten, BR/DC 2015, S. 163 f. A.M. a Rnold F. RuSch (zitiert in Nr. 1316), S. 5 ff. liveR, ZüKomm, N 91 zu Art. 730 ZGB; R ey, BeKomm, N 45 ff. zu Art. 730 ZGB. liveR, ZüKomm, N 92 zu Art. 730 ZGB.

§ 25 Die Grunddienstbarkeiten

373

Die Dauer kann aber durch Rechtsgeschäft beschränkt werden, zum Beispiel auf 5 oder 30 Jahre.85 7. Schliesslich stellt sich die Frage, ob eine Grunddienstbarkeit unter einer Bedingung stehen kann. Hier sind vor allem die im Grundbuchrecht massgebenden Grundsätze der Klarheit, Sicherheit, Übersichtlichkeit und Vollständigkeit grundbuchlicher Eintragungen zu beachten:86

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– Die Eintragung aufschiebend (suspensiv) bedingter Grunddienstbarkeiten in das Grundbuch ist nach der Lehre nicht zulässig87 (vgl. auch den Gedanken in Art. 217 OR).

1272

– Die Eintragung aufhebend (resolutiv) bedingter Dienstbarkeiten wird von der neueren Praxis für Wohnrechte unter gewissen Voraussetzungen zugelassen.88 Nachdem das Bundesgericht die Frage, ob dies für alle Dienstbarkeiten (also auch für Grunddienstbarkeiten) gelte, in BGE 115 II 213 ff. noch offengelassen hatte,89 hat es nun in einem unpublizierten Entscheid mit Bezug auf ein Wegrecht unter Hinweis auf BGE 87 I 311 ff. festgehalten, die Eintragung einer resolutivbedingten Dienstbarkeit in das Grundbuch sei unzulässig, allerdings ohne auf seine Rechtsprechung zu den Wohnrechten Bezug zu nehmen.90

1273

Die Parteien können – statt die Dienstbarkeit einer Resolutivbedingung zu unterstellen – auch bloss eine Resolutivklausel mit rein obligatorischer Wirkung vereinbaren.91 Eine solche Klausel einer Schuldübernahme) nicht durchgesetzt werden.92

C.

Beispiele von Grunddienstbarkeiten

Als Grunddienstbarkeiten kommen in der Praxis namentlich folgende Rechte vor93 (vgl. die – keineswegs erschöpfende – Aufzählung in Art. 740 ZGB):

85

86

87

88

89

90

91

92 93

SteinaueR, Band II, Nr. 2197; vgl. auch liveR, ZüKomm, N 62 f. zu Art. 730 ZGB; R ey, BeKomm, N 137 zu Art. 730 ZGB. Zum Beispiel BGE 87 I 311 ff. (316), E. 2; 115 II 213 ff. (217), E. 4a = ZBGR 71/1990, S. 51 ff. (54), E. 4a. liveR, ZüKomm, N 64 zu Art. 730 ZGB; R ey, BeKomm, N 119 und 123 zu Art. 730 ZGB, unter Hinweis auf das Eintragungsprinzip; cyRil galland (zitiert in Nr. 1316), Nr. 83 ff. BGE 106 II 329 ff. = ZBGR 64/1983, S. 300 ff. (volle Kognition); BGE 115 II 213 ff. = ZBGR 71/1990, S. 51 ff. (beschränkte Kognition). Mit Bezug auf die Nutzniessung vgl. BGE 116 II 281 ff. BGE 115 II 213 ff. (217), E. 4 = ZBGR 71/1990, S. 51 ff. (54), E. 4; siehe dazu ausserdem ZBJV 140/2004, S. 225 ff. (229 f.), E. 4 (Walliser Kantonsgericht). BGer 5A_740/2014, E. 3.3. Anders hingegen ein Teil der Lehre; vgl. etwa liveR, ZüKomm, N 66 ff. zu Art. 730 ZGB; R ey, BeKomm, N 131 ff. zu Art. 730 ZGB; a Rgul, ComRom, N 6 zu Art. 730 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 2197a; cyRil galland (zitiert in Nr. 1316), Nr. 91 ff.; m aRia conSuelo a Rgul gRoSSRiedeR , Diss. (zitiert in Nr. 1316), Nr. 312 ff. BGer 5A_175/2007, E. 2.3.1, unter Hinweis auf liveR, ZüKomm, N 73 ff. zu Art. 730 ZGB (nicht publiziert in BGE 133 III 641 ff.) = ZBGR 89/2008, S. 297 ff.; ZBJV 140/2004, S. 225 ff. (229 f.), E. 4 (Walliser Kantonsgericht). BGer 5A_740/2014, E. 3.4 mit Hinweisen. liveR, ZüKomm, N 167 ff. zu Art. 730 ZGB.

1274

374

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

– Wegrechte: Fuss- und Fahrwegrechte, Rechte auf Winterschlittelweg, Uferweg, Durchgang durch Haus und Hof, Viehtrieb; – «Ausbeutungsrechte»: Holzschlagrechte, Rechte zur Kies- und Lehmausbeutung, Fischereirechte; – Quellenrechte (im vorliegenden Zusammenhang verstanden als Grunddienstbarkeiten; vgl. vorne Nr. 1263): Rechte zum Wasserbezug aus einer Quelle; – Durchleitungsrechte: Rechte zur Führung von Röhren oder zur Mitbenützung einer Kanalisation; – Baurechte (im vorliegenden Zusammenhang verstanden als Grunddienstbarkeiten; vgl. vorne Nr. 1263): Näherbaurechte, Baubeschränkungen («ius altius non tollendi»); – Gewerbebeschränkungen: die Vereinbarung, keine Wirtschaft oder keine Autogarage zu führen (im Interesse des Nachbargrundstücks, dessen Eigentümer selber einen solchen Betrieb führt). Pro memoria: Einzelne dieser Rechte (Baurechte, Quellenrechte) kommen auch als Personalservituten vor (hinten Nr. 1365 ff. und 1410 ff.). Dort sind sie jedoch zu Gunsten einer bestimmten Person begründet, während sie hier zu Gunsten eines bestimmten Grundstücks bestehen (vorne Nr. 1212 und 1257).

3. 1275

In den letzten Jahren hat sich das Bundesgericht in zahlreichen Fällen mit der Frage nach Inhalt und Umfang einer Dienstbarkeit auseinandersetzen müssen.94 Wie sie ermittelt werden, hängt zunächst davon ab, welche Personen am Rechtsstreit beteiligt sind (nachfolgend A. und B.).95 Sodann spielt in diesem Zusammenhang nach neuerer bundesgerichtlicher Rechtsprechung die sogenannte natürliche Publizität eine Rolle (C.).

A. 1275a

Die Feststellung des Inhalts

Bei einem Streit zwischen den Vertragsparteien oder einer Vertragspartei und einem bösgläubigen Dritten

1. Im Verhältnis zwischen den Parteien des Dienstbarkeitsvertrags (bzw. ihren Universalsukzessoren) hat nicht der Eintrag, sondern der Erwerbsgrund die Wirkung inhaltlicher Gestaltung.96 Für die Auslegung des Vertrags ist in erster Linie – wie bei jedem Vertrag – der übereinstimmende wirkliche Wille massgebend. Lässt sich dieser nicht mehr feststellen, kommt das Vertrauensprinzip zum Zug (objektivierte

94

95

96

Vgl. dazu etwa michel mooSeR, Des servitudes – une revue d’arrêts récents, ZBGR 88/2007, S. 420 ff. (428 ff.); Roland PFäFFli, Das Bundesgericht und seine Praxis zum Dienstbarkeitsrecht, Jusletter vom 22. Januar 2007; Paul-h enRi SteinaueR (zitiert in Nr. 1316), S. 6 ff. bettina hüRlimann-K auP, Zweck (zitiert in Nr. 1316), S. 6 f.; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 108 N 30; BGE 137 III 145 ff. (148), E. 3.2. Nach einer anderen Meinung muss die Auslegung unabhängig von den beteiligten Personen nach einheitlichen Kriterien erfolgen; vgl. etwa deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 319; beat eSchmann (zitiert in Nr. 1316), S. 76 f. – Zur Problematik, wann Tatfrage und wann Rechtsfrage vorliegt, vgl. das Schema bei Fabienne hohl (zitiert in Nr. 1316), S. 75. BGE 123 III 461 ff. (465), E. 2c, unter Hinweis auf liveR, ZüKomm, N 23 zu Art. 738 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 2291a.

§ 25 Die Grunddienstbarkeiten

375

Auslegung).97 Das Gericht soll ermitteln, welchen Sinn und Zweck die Dienstbarkeit zum Zeitpunkt der Errichtung für das herrschende Grundstück hatte.98 Hierbei kommt dem klaren Wortlaut Vorrang vor weiteren Auslegungsmitteln zu, sofern er sich nicht auf Grund anderer Vertragsbedingungen, dem von den Parteien verfolgten Zweck oder weiterer Umstände als nur scheinbar klar erweist.99 Zu beachten bleibt überdies, dass eine Grunddienstbarkeit restriktiv auszulegen ist und die Rechte des Eigentümers des belasteten Grundstücks nicht stärker eingeschränkt werden dürfen, als es die normale Ausübung der Dienstbarkeit erfordert.100 Weil primär der übereinstimmende wirkliche Wille massgebend ist, sollten die Parteien den Inhalt im Dienstbarkeitsvertrag möglichst genau umschreiben und namentlich den von ihnen verfolgten Zweck angeben.101

2. Entspricht die Umschreibung der Servitut im Grundbuch nicht dem Erwerbsgrund, kann sich die beeinträchtigte Partei mit der Grundbuchberichtigungsklage nach Art. 975 ZGB (vorne Nr. 614 ff.) oder allenfalls im Verfahren nach Art. 977 ZGB (vorne Nr. 637 ff.) dagegen zur Wehr setzen.102

1275b

3. Das Gesagte gilt auch im Verhältnis zu einem Dritten, der nicht gutgläubig war oder gemäss Art. 3 Abs. 2 ZGB nicht gutgläubig sein konnte (vgl. dazu auch hinten Nr. 1281a).103

1275c

B.

Bei einem Streit unter Beteiligung eines gutgläubigen Dritten

War der gegenwärtige Eigentümer des belasteten oder des berechtigten Grundstücks am Vertragsschluss nicht beteiligt und hat er das dingliche Recht seinerzeit im Vertrauen auf den Grundbucheintrag erworben (Art. 973 Abs. 1 ZGB; vorne Nr. 583 ff.), sieht das Gesetz für die Feststellung des Inhalts der Dienstbarkeit in den Art. 738 und 740 ZGB eine Stufenordnung vor:104

1275d

1.

Grundbucheintrag deutlich ersichtlich sind, bestimmt sich der Inhalt der Dienstbarkeit gemäss Art. 738 Abs. 1 ZGB ausschliesslich nach diesem Eintrag.105 Das ist insbesondere für den gutgläubigen Dritterwerber des belasteten Grundstücks von Bedeutung, da er auf den Eintrag vertrauen darf (Art. 973 Abs. 1 ZGB) und sich davon abweichende Dokumente nicht

1276

97

BGE 139 III 404 ff. (406), E. 7.1; 137 III 145 ff. (148), E. 3.2.1; 130 III 554 ff. (557), E. 3.1; BGer 5C.240/2004, E. 2. – Allgemein zur Auslegung von Verträgen siehe Jäggi /gauch /h aRtmann, ZüKomm, N 314 ff. zu Art. 18 OR; gauch /SchlueP/Schmid, Nr. 1200 f. BGE 117 II 536 ff. (537), E. 4; 115 II 434 ff. (436), E. 2b mit Hinweisen; 113 II 506 ff. (508), E. 2; BJM 1995, S. 129 ff. (134 ff.), E. 7–8 (Obergericht Basel-Land). BGE 128 III 265 ff. (267), E. 3a; 132 III 651 ff. (655), E. 8. Vgl. als Beispiel BGer 5C.240/2004, E. 3: Der Begriff «zweigeschossig» ist nur scheinbar klar. BGE 109 II 412 ff. (414), E. 3, unter Hinweis auf liveR, ZüKomm, N 14 zu Art. 738 ZGB. Vgl. etwa nicolaS Jeandin (zitiert in Nr. 1316), S. 132 ff.; bettina hüRlimann-K auP, Zweck (zitiert in Nr. 1316), S. 9. liveR, ZüKomm, N 26 zu Art. 738 ZGB. zobl, Grundbuchrecht, Nr. 244; bettina hüRlimann-K auP, Zweck (zitiert in Nr. 1316), S. 7. Vgl. statt vieler BGE 138 III 650 ff. (655), E. 5.3; 137 III 145 ff. (147 f.), E. 3.1; 131 III 345 ff. (347), E. 1.1. Vgl. etwa BGE 132 III 651 ff. (655), E. 8; 131 III 345 ff. (347), E. 1.1; 130 III 554 ff. (556 f.), E. 3.1.

98

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100 101

102 103 104

105

376

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

entgegenhalten lassen muss.106 Für den Dritterwerber heisst das aber auch, dass es ihm bei einem klaren Grundbucheintrag im Rahmen von Art. 738 ZGB verwehrt bleibt, sich auf den Erwerbsgrund zu berufen, um daraus einen für ihn vorteilhafteren Inhalt als den im Grundbuch eingetragenen abzuleiten; stimmt der Grundbucheintrag mit dem Erwerbsgrund nicht überein, bleibt dem Erwerber nach der Rechtsprechung allenfalls die Möglichkeit, mit einer Grundbuchberichtigungsklage nach Art. 975 ZGB (vorne Nr. 614 ff.) die Löschung oder Abänderung des Eintrags zu verlangen.107 Ob der Grundbucheintrag eindeutig ist, muss im Einzelfall anhand der sich konkret stellenden Frage entschieden werden.

1277

Beispiele: a. Der Eintrag einer 1998 mit dem Stichwort «Fusswegrecht» in das Grundbuch eingeschriebenen Dienstbarkeit ist insofern eindeutig, als er nicht das Recht umfasst, den Weg mit einem Fahrrad zu befahren; anders wäre allenfalls zu urteilen, wenn die Servitut aus einer Zeit stammen würde, in der ein Fahrrad noch kein alltägliches Verkehrsmittel war. Hingegen ist fraglich, ob sich aus dem Stichwort die (Un-)Zulässigkeit des Befahrens mit Dreirad, Trottinett, Rollstuhl, Kinderwagen oder Rollschuhen deutlich ergibt.108 – b. Das Stichwort «Fahrwegrecht» ist insofern eindeutig, als die Dienstbarkeit ein Recht zum Befahren, nicht aber zum Begehen des belasteten Grundstücks verleiht.109 – c. Das Stichwort «Baubeschränkung» ist insofern nicht eindeutig, als sich daraus erfahrungsgemäss indirekt auch Einschränkungen in der Nutzungsart oder -intensität ergeben können. So enthält die im Servitutenprotokoll aufgeführte Beschränkung, «nur bessere Einfamilienhäuser zu Wohnzwecken mit maximal zwei Wohngeschossen» zu erstellen, mittelbar auch das Verbot, mehr als zwei Geschosse zu Wohnzwecken zu nutzen.110 – d. Lautet das Stichwort lediglich «Fahrwegrecht», ohne auf weitere Belege zu verweisen oder eine Notsituation zu vermerken, ist es insofern eindeutig, als der gutgläubige Erwerber des berechtigten Grundstücks davon ausgehen darf, dass ein gewöhnliches Fahrwegrecht (und kein Notwegrecht) besteht.111 1278

2. Meistens steht im Grundbuch nur ein kurzes Stichwort (vgl. Art. 98 Abs. 2 lit. c GBV), zum Beispiel «Fusswegrecht» oder «Fusswegrecht gemäss Beleg», aus dem Art. 738 Abs. 2 ZGB weitere Erkenntnismittel beizuziehen; zulässig ist dies allerdings nur «im Rahmen des Eintrages» («dans les limites de l’inscription»). Je genauer also ein Eintrag formuliert ist, desto weniger Raum bleibt für eine Auslegung nach anderen Kriterien.112 Ist der Inhalt einer Dienstbarkeit in Bezug auf einen Aspekt umstritten und gibt der Grundbucheintrag in dieser Hinsicht keinerlei Hinweise, darf nicht auf den im Grundbuch erwähnten Beleg zurückgegriffen werden, um den geltend gemachten Inhalt «nachzuschieben», da der Inhalt des

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111 112

BGE 86 II 243 ff. (250), E. 4, wo namentlich festgehalten wird, der Grundstückerwerber brauche bei deutlichem Grundbucheintrag nicht nach Belegen und anderen Auslegungsmitteln zu forschen. BGE 123 III 461 ff. (465), E. 2c, unter Hinweis auf liveR, ZüKomm, N 26 zu Art. 738 ZGB; BGer 5C.116/2006, E. 1; 5A_657/2014, E. 6.1. Vgl. ZBGR 88/2007, S. 89 ff. (Thurgauer Obergericht). Zum Inhalt einer als «chemin selon plan» im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeit vgl. ZBGR 90/2009, S. 32 ff. (36 f.), E. 13 (Freiburger Kantonsgericht). BGer 5A_449/2014, E. 4.3. BGer 5A_617/2009, E. 4; vgl. dazu auch bettina hüRlimann-K auP, Die sachenrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2010, ZBJV 148/2012, S. 281 ff. (295 f.). BGer 5A_412/2009, E. 5. BGE 115 II 434 ff. (436 f.), E. 2b, unter Hinweis auf liveR, ZüKomm, N 36, 103 und 109 zu Art. 738 ZGB. Beispiel: BGer 5A_657/2014, E. 6.1 (Diskrepanz zwischen dem Grundbucheintrag und dem Dienstbarkeitsvertrag hinsichtlich der räumlichen Festlegung eines Benutzungsrechts an einem Autoabstellplatz).

§ 25 Die Grunddienstbarkeiten

377

Rechts eben nur im Rahmen des Eintrags nachgewiesen werden kann.113 – Eine den Umfang einer Dienstbarkeit beschränkende Vereinbarung, die beim Grundbuchamt eingereicht wird, ohne dass der Grundbuchverwalter den Eintrag der Dienstbarkeit ändert, hat lediglich obligatorischen Charakter.114

Das Gesetz sieht folgende weitere Auslegungsmittel vor: – Zunächst wird nach dem Erwerbsgrund («son origine») gefragt, also namentlich nach dem Dienstbarkeitsvertrag, der sich als Beleg bei den Grundbuchaklung des Inhalts zu den vertragsrechtlichen Auslegungsregeln (vorne Nr. 1275a) das sachenrechtliche Prinzip des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs gemäss Art. 973 ZGB hinzu. Das bedeutet, dass individuelle persönliche Umstände und Motive, die für die Willensbildung der Vertragsparteien bestimmend waren, aber aus dem Vertrag selber nicht hervorgehen und für Dritte normalerweise auch nicht erkennbar sind, gegenüber gutgläubigen Dritten, die im Vertrauen auf das Grundbuch ein dingliches Recht erworben haben, nicht berücksichtigt werden.115

1279

Haben die Parteien eine ungemessene Dienstbarkeit (vorne Nr. 1209a) vereinbart, richten sich deren Inhalt und Umfang nach den Bedürfnissen des berechtigten Grundstücks.116 – Der Dienstbarkeitsvertrag kann neben den Bestimmungen dinglicher Natur ausnahmsweise auch solche mit bloss obligatorischer Wirkung enthalten; in diesem Fall muss aber klar zum Ausdruck gebracht werden, dass die Abrede lediglich unter den Vertragsparteien wirksam sein soll.117 – Öffentlichhaben, sofern der Dienstbarkeitsvertrag darauf verweist oder die Servitut vor dem Hintergrund einer öffentlich-rechtlichen Regelung errichtet wird; unter bestimmten Voraussetzungen dürfen sogar Empfehlungen einer privaten Vereinigung (in casu: Empfehlungen der Vereinigung der Schweizerischen Strassenfachleute [VSS-Normalien]) herangezogen werden.118

– Hilft der Erwerbsgrund nicht weiter, so kann sich der Inhalt aus der Art ergeben, wie die Dienstbarkeit während längerer Zeit unangefochten und im guten Glauben ausgeübt worden ist («par la manière dont la servitude a été exercée pendant longtemps, paisiblement et de bonne foi»).119 Hier lässt sich von der normativen Kraft des Faktischen sprechen. Die Art der Ausübung eignet sich bei einer ungemessenen Dienstbarkeit (vorne Nr. 1209a) zur Bestimmung des Inhalts nur beschränkt. Sie kann ein Beleg dafür sein, dass der Inhalt oder Umfang der Servitut nicht enger begrenzt ist, sie schliesst aber nicht aus, dass die Berechtigung

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BGE 124 III 293 ff. (296), E. 2b (in casu gab der Grundbucheintrag weder ein herrschendes Grundstück noch eine berechtigte Person an). BGer vom 11. November 1999, in ZBGR 81/2000, S. 272 ff.; einschränkend Paul Piotet, contenu (zitiert in Nr. 1316), S. 285 f., wonach dies nur für Punkte gelten kann, die im Grundbucheintrag aufgeführt werden. BGE 139 III 404 ff. (406 f.), E. 7.1; 130 III 554 ff. (557), E. 3.1; BGer 5C.13/2007, E. 5.2; 5C.240/2004, E. 2; vgl. auch BGE 128 III 265 ff. (267), E. 3a. Zu dieser «objektiven» Vertragsauslegung vgl. bettina hüRlimann-K auP, Zweck (zitiert in Nr. 1316), S. 8. BGE 139 III 404 ff. (407), E. 7.3; 131 III 345 ff. (358), E. 4.3.2. BGE 128 III 265 ff. (267), E. 3a, unter Hinweis auf liveR, ZüKomm, N 78 zu Art. 730 ZGB. In casu hatten sich die Parteien gegenseitig ein gemeinsames dingliches Nutzungsrecht an fünf Autoabstellplätzen eingeräumt und die Parkplatzbenutzung vertraglich beschränkt. BGE 139 III 404 ff. (408 f.), E. 7.4.2 mit Hinweisen; BGer 1C_255/2015, E. 3.4 (hinsichtlich der VSS-Normalien). Vgl. statt vieler BGE 138 III 650 ff. (655), E. 5.3; 132 III 651 ff. (655), E. 8; 131 III 345 ff. (347), E. 1.1.

1280

378

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

bisher nur teilweise ausgeschöpft worden und der Inhalt dementsprechend umfassender ist.120 – Da die Art der Ausübung einen Hinweis auf den Parteiwillen gibt und damit lediglich als Auslegungsmittel dient, ändert sie an Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit gemäss Eintrag oder Erwerbsgrund nichts; die langjährige Ausübung kann daher nicht die Erweiterung der Servitut durch Ersitzung zur Folge haben.121 – Die Nutzung in einer bestimmten Weise während einiger weniger Jahre stellt keine Ausübung «während längerer Zeit» dar;122 hingegen erfüllt das Befahren eines mit einem Wegrecht belasteten Grundstücks während vierzig Jahren diese Voraussetzung.123 1281

3. Für bestimmte Arten von Grunddienstbarkeiten wie Fusswege, Weiderechte usw. verweist Art. 740 ZGB auf das kantonale Recht und den Ortsgebrauch, sofern die Parteien nicht etwas anderes bestimmt haben. Auch hier kann der Inhalt der Grunddienstbarkeit aber nur im Rahmen des Grundbucheintrags bestimmt werden.124 Art. 740 ZGB stellt einen echten Vorbehalt zu Gunsten des kantonalen Rechts dar125 (vgl. Art. 5 Abs. 1 ZGB).

C. 1281a

Die Bedeutung der natürlichen Publizität

1. Art. 973 Abs. 1 und Art. 738 ZGB setzen nach dem Gesagten voraus, dass sich der Erwerber in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen hat. Gemäss Art. 3 Abs. 2 ZGB kann sich jedoch nicht auf den guten Glauben berufen, wer die nach den Umständen erforderliche Aufmerksamkeit nicht aufgebracht hat. Das ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (unter Vorbehalt von Ausnahmefällen) namentlich dann gegeben, wenn der Erwerber eines Grundstücks, zu dessen Gunsten eine Servitut eingetragen ist, die Örtlichkeiten vor dem Kauf nicht besichtigt. Wird der Inhalt oder der Umfang der Dienstbarkeit durch die örtlichen Gegebenheiten (etwa durch eine bauliche Anlage) für jedermann sichtbar beschränkt, hat sich der Erwerber dies grundsätzlich entgegenhalten zu lassen.126 Rechtsprechung und Lehre sprechen hier von natürlicher Publizität.127 Beispiel: Ein Katasterplan weist nach seiner Digitalisierung eine Mauer, die die Grundstücke A und B voneinander abgrenzt, über die ganze Länge als gemeinschaftlich aus. Gemäss dem Originalplan ist jedoch nur ein Teil der Mauer gemeinschaftlich, während sich der restliche Teil vollständig auf talisierung im Vertrauen auf den Katasterplan erwerben, dürfen sich nicht auf ihren guten Glauben

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BGer 5C.199/2002, E. 3, unter Hinweis auf liveR, ZüKomm, N 117 zu Art. 738 ZGB = ZBGR 84/2003, S. 305 ff. BGE 131 III 345 (352), e. 2.3.2 liveR, ZüKomm, N 119 f. zu Art. 738 ZGB, und SteinaueR, Band II, Nr. 2295. BGE 92 II 89 ff. (94 f.), E. 4 (in casu etwa vier Jahre). BGer 5C.82/2002, E. 3.2.3. Vgl. dazu auch a Rgul, ComRom, N 14 f. zu Art. 738 ZGB. BGer 5C.137/2004, E. 4.4; 5A_856/2014, E. 3.3.1; liveR, ZüKomm, N 9 zu Art. 740 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 2296. liveR, ZüKomm, N 1 zu Art. 740 ZGB. BGE 137 III 145 ff. (149), E. 3.3.3; 137 III 153 ff. (157), E. 4.2.3; BGer 5C.71/2006, E. 2.3.1; 5A_117/2013, E. 3.3.3; 5A_856/2014, E. 3.3.3. Vgl. etwa BGE 137 III 145 ff. (149), E. 3.3.3; 137 III 153 ff. (157), E. 4.2.3; PeteR liveR (zitiert in Nr. 1316), S. 11.

§ 25 Die Grunddienstbarkeiten

379

berufen, wenn sie auf Grund der örtlichen Gegebenheiten nicht davon ausgehen können, dass die Mauer über die ganze Länge gemeinschaftlich ist.128 Die natürliche Publizität hat lediglich im Zusammenhang mit Leitungsrechten Eingang in das ZGB gefunden: Nach Art. 676 Abs. 3 ZGB entsteht die Leitungsdienstbarkeit (das Bestehen eines formgültigen Vertrags vorausgesetzt) mit der Erstellung der Leitung, sofern diese äusserlich wahrnehmbar ist (dazu vorne Nr. 904). Einen allgemeinen Grundsatz, wonach die natürliche Publizität Auswirkungen auf den Bestand des dinglichen Rechts haben kann, enthält das Gesetz hingegen nicht.129

2. Damit sich die Frage nach dem guten Glauben überhaupt stellt, muss ein Rechtsmangel vorliegen (vorne Nr. 289). Voraussetzung ist mit anderen Worten eine Diskrepanz zwischen dem Grundbucheintrag und der tatsächlichen Rechtslage.130 Eine solche kann sich ergeben, wenn dem Grundbuchamt bei der Eintragung der Dienstbarkeit ein Fehler unterläuft. Denkbar ist aber auch, dass die Differenz erst nachträglich entsteht. Als Beispiel lässt sich hier der (Teil-)Verzicht auf das beschränkte dingliche Recht (hinten Nr. 1315) nennen, durch den nach Rechtsprechung und überwiegender Lehre die Dienstbarkeit (ganz oder teilweise) mit sofortiger Wirkung untergeht.131 Der Verzicht kann auch stillschweigend erfolgen, wobei er sich aus dem Verhalten des Berechtigten eindeutig ergeben muss.132 Unterlässt es der frühere Berechtigte in der Folge, beim Grundbuchamt die Löschung zu beantragen, stimmt das Grundbuch nicht mehr mit der materiellen Rechtslage überein. Müssen dem Erwerber in einem derartigen Fall wegen der örtlichen Gegebenheiten Zweifel kommen, dass die Dienstbarkeit tatsächlich noch besteht, bleibt es ihm verwehrt, sich auf den guten Glauben zu berufen. Beispiel: Ein Grundstück ist seit 1978 mit einem Wegrecht belastet, das im Grundbuch mit dem Stichwort «Fahrwegrecht von drei Metern Breite» eingetragen ist. 1995 lässt der Eigentümer der belasteten Parzelle eine Baute erstellen, wodurch das Wegrecht nicht mehr auf seiner ganzen Länge die Breite von drei Metern erreicht; als Folge davon kann der Weg nur noch mit Personenwagen, nicht aber mit Lastwagen befahren werden. Die Eigentümer des berechtigten Grundstücks akzeptieren diese Einschränkungen und verzichten damit implizit auf einen Teil der Dienstbarkeit. Eine Änderung im Grundbuch erfolgt nicht. Trotzdem können die späteren Erwerber des herrschenden Grundstücks nicht verlangen, dass die Baute entfernt wird, soweit sie eine dem Grundbucheintrag entsprechende Ausübung der Dienstbarkeit unmöglich macht, da sich aus den baulichen Anlagen ergibt, dass der Grundbucheintrag nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht.133

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BGer 5A_431/2011, E. 4. Kritisch dazu PeteR liveR (zitiert in Nr. 1316), S. 11 f., unter Hinweis auf die Regelungen im deutschen und im österreichischen Recht (namentlich § 1028 BGB). Ob in BGE 137 III 145 ff. eine solche Differenz bestand oder ob die natürliche Publizität in diesem Fall nur zur Auslegung der Dienstbarkeit herangezogen wurde, lässt sich dem Sachverhalt nicht schlüssig entnehmen. Vgl. dazu auch JöRg Schmid/daRiJa beeleR-Suta, Die Auslegung von Wegrechten: öffentlicher Glaube des Grundbuchs und «natürliche Publizität» baulicher Anlagen, BR/DC 2011, S. 194 f. (195). Vgl. etwa BGE 128 III 265 ff. (269 f.), E. 4a; 127 III 440 ff. (442), E. 2a; BGer 5A_898/2015, E. 3.2; SteinaueR, Band II, Nr. 2252; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 108 N 13; deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 253. Nach einer anderen Meinung erlischt das Recht erst mit der Löschung des Grundbucheintrags, so zum Beispiel m aRia conSuelo a Rgul gRoSSRiedeR, Diss. (zitiert in Nr. 1316), Nr. 439 ff. und 586. Vgl. etwa BGE 127 III 440 ff. (442), E. 2a; BGer 5A_898/2015, E. 3.2. Vgl. den Sachverhalt von BGer 5C.71/2006 und dazu a lFRed KolleR, Das rechtliche Schicksal von Überbauten, AJP 2011, S. 939 ff. (945), nach dessen Ansicht es sich allerdings nicht rechtfertigt, (einseitigen) Teilverzicht und (zweiseitige) Abänderung des Dienstbarkeitsvertrags mit Bezug auf die erforderliche Form unterschiedlich zu behandeln. Statt von einem (formfreien) Teilverzicht auszugehen, seien derartige Fälle vielmehr durch eine analoge Anwendung von Art. 674 Abs. 3 ZGB

1281b

380

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Das Bundesgericht stützt sich allerdings auch dann auf den guten Glauben, wenn der Grundbucheintrag der ursprünglichen Vereinbarung zwar entspricht, die Parteien aber im Lauf der Zeit eine Änderung (zum Beispiel des Verlaufs der Dienstbarkeit) vornehmen, ohne diese beim Grundbuchamt zur Eintragung anzumelden oder zu hinterlegen.134 Auch wenn die neue Vereinbarung einen Widerspruch zwischen dem Grundbucheintrag und den tatsächlichen Gegebenheiten zur Folge hat, liegt bei dieser Konstellation nach den allgemeinen Grundsätzen des Sachenrechts gerade kein Rechtsmangel vor, da die Änderung mangels Eintragung oder Hinterlegung rein obligatorische Wirkung hat (hinten Nr. 1291) und den Erwerber eines

1281c

davon, ob er von der Änderung Kenntnis hat, da blosses Wissen von einer Vereinbarung noch keine Übernahme bedeutet.135 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verschafft nun aber die natürliche Publizität einer nur inter partes geltenden Änderung der Dienstbarkeit dingliche Wirkung; das soll offenbar unabhängig davon gelten, ob die für den Vertrag über die Änderung der Dienstbarkeit grundsätzlich erforderliche Form (dazu vorne Nr. 1244a) eingehalten worden ist.136 Für dieses Vorgehen fehlt es jedoch an einer gesetzlichen Grundlage. Es ist zuzugeben, dass es im Einzelfall zu unbilligen Ergebnissen führen mag, wenn die natürliche Publizität bei derartigen Konstellationen nicht herangezogen werden kann. Nach der hier vertretenen Ansicht lässt sich de lege lata jedoch eine Korrektur nur vornehmen, wenn die Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 2 ZGB erfüllt sind,137 hat sich der Gesetzgeber doch dagegen entschieden, die Entstehung von Dienstbarkeiten rein auf Grund der aus der körperlichen Gestaltung des Grundstücks folgenden Publizität zuzulassen.138 Ein Rechtsmissbrauch ist namentlich zu bejahen, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen den Interessen der Parteien vorliegt, etwa weil eine für

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137

138

zu lösen. – Vgl. zum Verzicht auch den von PeteR liveR (zitiert in Nr. 1316), S. 19, unter Hinweis auf BGE 95 II 605 ff. geschilderten Fall sowie BGE 127 III 440 ff. (442), E. 2a zur «Gestattung der Verbauung eines Wegrechts» (unter Hinweis auf liveR bestätigt in BGE 128 III 265 ff. (269 f.), E. 4a. Vgl. den Sachverhalt von BGE 137 III 153 ff. auf S. 154. Siehe ausserdem BGer 5C.71/2006, stücks der Errichtung der den Umfang der Dienstbarkeit einschränkenden Baute zugestimmt hat oder nicht. bettina hüRlimann-K auP, Die sachenrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2010, ZBJV 148/2012, S. 261 ff. (291) mit Hinweisen. Vgl. auch die Bemerkung von JüRg Schmid zu BGE 137 III 153 ff., ZBGR 93/2012, S. 262; chRiStina Schmid -tSchiRRen, Aspekte des sachenrechtlichen Publizitätsprinzips, Insbesondere zu Anwendungen und Auswirkungen dieses Prinzips im Dienstbarkeitsrecht, in: Alexandra Rumo-Jungo et al. (Hrsg.), Une empreinte sur le Code civil, Mélanges en l’honneur de Paul-Henri Steinauer, Bern 2013, S. 605 ff. (616 f.). Vgl. den Sachverhalt von BGE 137 III 153 ff. auf S. 154. – Art. 722 Abs. 2 des Entwurfs des ZGB von 1904 sah zwar eine solche Regelung vor, indem er bei Grunddienstbarkeiten, «für die eine körperliche Einrichtung allgemein erkennbar und unzweideutig hergestellt ist», eine formlose Vereinbarung genügen liess. Diese Bestimmung wurde aber nicht Gesetz; vgl. dazu PeteR liveR (zitiert in Nr. 1316), S. 11. So war etwa die Vorinstanz in BGer 5C.71/2006 von einem Rechtsmissbrauch ausgegangen (vgl. den Sachverhalt E.c–E.e), ebenso die erste Instanz beim in BGE 137 III 153 ff. zu beurteilenden Fall (vgl. Roland PFäFFli /daniela byland, Aktuelles aus dem Bundesgericht: Der gute Glaube des Grundbuchs und dessen Auswirkungen auf die Auslegung eines Wegrechts, Jusletter vom 27. Juni 2011, Rz. 14 f.). Vgl. dazu ausführlich und kritisch liveR, ZüKomm, N 50 ff. zu Art. 733 ZGB.

§ 25 Die Grunddienstbarkeiten

381

den Beklagten kostspielige Rückverlegung dem Kläger nur wenige Vorteile bringen würde.139 Beispiel: Die Eigentümer der Grundstücke A und B errichten aus Anlass der geplanten Überbauung des Grundstücks B zu Gunsten und zu Lasten der beiden Grundstücke ein gegenseitiges Fahr- und Fusswegrecht über eine noch zu erstellende Strasse. Deren Verlauf ist in einem dem Dienstbarkeitsvertrag beigefügten Plan eingezeichnet, auf den auch der Grundbucheintrag verweist. Tatsächlich wird die Strasse dann aber anders geführt als im Vertrag vorgesehen, und zwar gestützt auf einen weiteren, einige Zeit nach Abschluss des Dienstbarkeitsvertrags erstellten Plan. Weder wird der neue Plan beim Grundbuchamt hinterlegt, noch erfolgt eine Änderung des Grundbucheintrags. 20 Jahre später erwirbt X. im Rahmen eines Erbvorbezugs das Grundstück A von seiner Mutter und klagt gegen den Eigentümer des Grundstücks B, die Strasse sei so zu verlegen, dass sie dem gemäss Grundbuch vereinbarten Verlauf entspreche. Da der Vorteil von X. (Gewinn einer Fläche von etwa 40 m2) in keinem Verhältnis steht zu den Nachteilen, die dem Beklagten aus der Verlegung erwachsen würden (hohe Kosten, Verlust der Zufahrt bis vor das Haus), ist das Begehren als rechtsmissbräuchlich einzustufen.140

4.

Das Verbot der Mehrbelastung

Die Bedürfnisse des berechtigten Grundstücks können sich im Lauf der Zeit ändern. Für diesen Fall sieht Art. 739 ZGB keine Mehrbelastung («une aggravation») zugemutet werden darf. Das ist wie folgt zu verdeutlichen:

1282

1. Eine Mehrbelastung im Sinn von Art. 739 ZGB liegt vor, wenn sie auf eine Überschreitung des Umfangs der Dienstbarkeit zurückzuführen ist.141 Für die Beurteilung, wann dies der Fall ist, muss zwischen gemessenen und ungemessenen Dienstbarkeiten unterschieden werden:142

1282a

– Bei einer gemessenen Dienstbarkeit (vorne Nr. 1209a) lässt sich anhand der Umschreibung der Servitut ohne Weiteres feststellen, ob der Umfang überschritten wird.143

1282b

Beispiel: Besteht ein Quellenrecht für 100 Minutenliter, liegt eine Mehrbelastung in dem Moment vor, in dem der Berechtigte, dessen Bedarf sich erhöht hat, mehr als diese Menge Wasser ableitet. Hat er bislang hingegen nur 50 Minutenliter bezogen und erhöht er die Menge nun auf 100 Minutenliter, kommt Art. 739 ZGB nicht zum Zug.144

– Problematisch ist hingegen die Beurteilung bei einer ungemessenen Dienstbarkeit (vorne Nr. 1209a), da sich der Umfang hier nach den Bedürfnissen des berechtigten Grundstücks richtet (vorne Nr. 1279). Lehre und Rechtsprechung verlangen in diesem Zusammenhang, dass die Mehrbelastung erheblich sein muss,

139

140

141 142 143 144

Zum krassen Missverhältnis der Interessen als Anwendungsfall von Art. 2 Abs. 2 ZGB vgl. etwa hüRlimann-K auP/Schmid, Nr. 298 f. Vgl. den Sachverhalt von BGer 5A_287/2010 sowie die E. 3, die die Begründung der Vorinstanz wiedergibt. Siehe zu diesem Fall auch bettina hüRlimann-K auP, Die sachenrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2010, ZBJV 148/2012, S. 261 ff. (291 f.). liveR, ZüKomm, N 5 zu Art. 739 ZGB; BGer 5A_602/2012 und 5A_625/2012, E. 4.2. JöRg SchWaRz (zitiert in Nr. 1316), S. 113. Paul Piotet, SPR V/1, S. 586; BJM 2013, S. 183 ff. (187), E. 4.2 (Appellationsgericht Basel-Stadt). hüRlimann-K auP, Änderung, S. 116.

1283

382

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

145

Gewisse Schwankungen in der Ausübung einer Dienstbarkeit sind normal und daher hinzunehmen. Ob eine erhebliche Mehrbelastung vorliegt, beurteilt sich anhand einer Interessenabwägung (Ermessensentscheid; vgl. Art. 4 ZGB). Dafür wird das Interesse, das die Dienstbarkeit zum Zeitpunkt ihrer Errichtung für das herrschende Grundstück hatte, mit dem heute bestehenden Interesse verglichen.146 Letzteres ist auf Grund objektiver Gegebenheiten festzustellen. Massgebend sind demzufolge nicht etwa die individuellen Bedürfnisse, Neigungen und Launen des gegenwärtigen Eigentümers des herrschenden Grundstücks; es kommt vielmehr auf den Nutzen an, den die Dienstbarkeit für das Grundstück hat.147 Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist dem Belasteten bei einer eine objektive Veränderung der Verhältnisse (zum Beispiel die Entwicklung der Technik) zurückführen lässt, nicht auf einer willentlichen Änderung der bisherigen Zweckbestimmung beruht (vgl. Nr. 1284) und die Benutzung des dienenden Grundstücks nicht behindert oder wesentlich stärker als bisher beschränkt.148 Unzumutbar ist eine Mehrbelastung aber dann, wenn die Erhöhung der Bedürfnisse nicht vorhersehbar war oder von den Parteien nicht zumindest in Kauf genommen wurde.149 Beispiele: a. 1875 wurde zu Lasten eines in einem Kurgebiet (Bürgenstock) liegenden Grundstücks eine Dienstbarkeit begründet, wonach die Berechtigten (die Betreiber eines Hotels) das Recht haben, die über das belastete Grundstück führende Strasse «nach Belieben durch Dritte brauchen zu lassen». Seinerzeit umfasste der Verkehr auf dem Bürgenstock Fussgänger, Vieh sowie Pferdefuhrwerke. Mit Aufkommen des Privatverkehrs fahren neu Tausende von Personen aus dem In- und Ausland in das Kurgebiet. Der Eigentümer des belasteten Grundstücks ist nicht stück fahren zu lassen, da 1875 niemand mit einer solchen Entwicklung gerechnet hat.150 – b. Auf einem Grundstück lastet ein «jederzeitiges ungehindertes Fuss- und Fahrwegrecht». Nun sollen auf dem herrschenden Grundstück acht neue Personalparkplätze erstellt werden. Trotz der intensiver in Anspruch genommenen Zufahrt verneint das Zürcher Obergericht eine Mehrbelastung im Sinn von Art. 739 ZGB.151

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150 151

BGE 122 III 358 ff. (359), E. 2c; BGer 5A_756/2008, E. 4.1; liveR, ZüKomm, N 31 ff. zu Art. 739 ZGB. BGE 122 III 358 ff. (359), E. 2c; BGer 5A_756/2008, E. 4.1; ZBGR 90/2009, S. 32 ff. (37), E. 14 (Freiburger Kantonsgericht). BGE 100 II 105 ff. (118), E. 3c; BGer vom 26. Mai 1992, in Semjud 114/1992, S. 597 ff. (601), E. 3b = ZBGR 77/1996, S. 49 ff. BGE 139 III 404 ff. (407 f.), E. 7.3; 138 III 650 ff. (657), E. 6.4; 131 III 345 ff. (359), E. 4.3.2; 117 II 536 ff. (538), E. 4b. Zur Frage nach der analogen Anwendung dieser Grundsätze auf die negativen Dienstbarkeiten vgl. BGE 91 II 339 ff. (342 f.), E. 4b. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 108 N 34; vgl. auch BGE 139 III 404 ff. (408), E. 7.3; 131 III 345 ff. (359), E. 4.3.2; Semjud 121/1999, S. 389 ff. (395), E. 6 (Genfer Cour de Justice Civile) = ZBGR 81/2000, S. 130 ff. (137 f.). BGE 70 II 31 ff. (46 f.), E. 2b. ZR 90/1991, Nr. 21, S. 70 ff. = ZBGR 77/1996, S. 17 ff.; ähnlich BGE 122 III 358 ff., wo es bei einem «unbedingten Fuss- und Fahrwegrecht» auf dem dienenden Grundstück um einen Ausbau von zwei auf fünf Wohnungen im bestehenden Wohnhaus des herrschenden Grundstücks ging, sowie FZR 2012, S. 1 ff. (7 ff.), E. II/3.3, wo eine Erhöhung von vier auf acht Wohneinheiten zu beurteilen war.

§ 25 Die Grunddienstbarkeiten

383

2. Bei der Beurteilung stets zu beachten ist der Grundsatz der Identität der Dienstbarkeit («le principe de l’identité de la servitude»), wonach die Dienstbarkeit nicht zu einem anderen Zweck aufrechterhalten werden darf als zu jenem, zu dem sie errichtet worden ist.152 Identität liegt nicht schon bei gleicher Art der Benutzung des dienenden Grundstücks vor. Vielmehr wird vorausgesetzt, dass das jetzige Bedürfnis des Berechtigten im Rahmen des ursprünglichen Bedürfnisses liegt.153 Eine Benutzung zu einem anderen Zweck ist in jedem Fall unzulässig, also auch dann, wenn daraus für den Eigentümer des dienenden Grundstücks keine höhere Belastung resultiert.154

1284

Beispiel: Auf einem Grundstück lastet seit 1880 ein Fuss- und Fahrwegrecht zu Gunsten eines anderen Grundstücks, auf dem ein Landwirtschaftsbetrieb mit Wohnhaus steht. Ursprünglicher Zweck der Dienstbarkeit war in erster Linie, die Zufahrt zum Zentrum dieses landwirtschaftlichen Betriebs zu ermöglichen. Das Ökonomiegebäude, das inzwischen nur noch als Einstellraum benutzt wird, soll in ein Zweifamilien-Wohnhaus mit dazugehörenden Garagen umgebaut werden. Der Eigentümer des belasteten Grundstücks muss nicht dulden, dass der Dienstbarkeitsberechtigte die Strasse als Zufahrt zu den Garagen (und damit zu einem anderen Zweck als urspünglich vorgesehen) nutzt. Das gilt unabhängig davon, ob diese Nutzung zu einer im Vergleich zur früheren Nutzung erhöhten Belastung führt.155 In neueren bundesgerichtlichen Entscheiden ist immerhin eine Tendenz festzustellen, die Zweckbestimmung in dem Sinn als «offen» anzusehen, dass spätere Entwicklungen, an welche die Begründungsparteien bei Errichtung der Dienstbarkeit nicht gedacht haben, vom Zweck abgedeckt sind, sofern dies im Dienstbarkeitsvertrag nicht ausgeschlossen worden ist.156 Wollen die Parteien das verhindern, ist ihnen zu raten, im Begründungsvertrag einerseits die von ihnen gewünschte Nutzungsmöglichkeit festzuschreiben und andererseits weitere, für die Zukunft denkbare Nutzungsarten ausdrücklich auszuschliessen.157

3. Ein Sonderfall, bei dem die Frage nach der Mehrbelastung eine Rolle spielt, ist in Art. 974b Abs. 3 ZGB geregelt. Nach dieser Bestimmung kann die Vereinigung von Grundstücken eines Eigentümers, zu deren Gunsten Dienstbarkeiten bestehen, nur vorgenommen werden, wenn die Eigentümer der dienenden Grundstücke ihre Zustimmung geben oder wenn sich die Belastung durch die Vereinigung nicht vergrössert. Die Zustimmung muss nach Lehre und Rechtsprechung vorliegen, sobald die blosse Möglichkeit besteht, dass die Vereinigung zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Mehrbelastung im Sinn von Art. 739 ZGB führt.158

152

153 154

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157

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BGE 130 III 554 ff. (556), E. 2; 117 II 536 ff. (538), E. 4b; BGer vom 26. Mai 1992, in Semjud 114/1992, S. 597 ff. (599 f.), E. 2 = ZBGR 77/1996, S. 49 ff. BGE 132 III 651 ff. (656), E. 8.1, unter Hinweis auf liveR, ZüKomm, N 155 zu Art. 736 ZGB. BGE 94 II 145 ff. (149 f.), E. 7; 117 II 536 ff. (540 f.), E. 5b; bettina hüRlimann-K auP, Änderung (zitiert in Nr. 1316), S. 117. BGE 117 II 536 ff. Gegenbeispiel: FZR 2012, S. 1 ff. (4 ff.), E. II/3.2. BGE 138 III 650 ff. (657), E. 6.2 (Errichtung einer Fotovoltaikanlage auf einem Dach, für das ein Überbaurecht besteht); BGer 5A_602/2012 und 5A_625/2102, E. 3.4.3 (Überbauung eines wegrechtsberechtigten Grundstücks); kritisch zu diesen Entscheiden bettina hüRlimann-K auP, Die sachenrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2012, ZBJV 150/2014, S. 383 ff. (415 f. und 420 ff.). Ebenso JöRg Schmid/m aRlène beRnaRdi, Auslegung eines Überbaurechts: Zulässigkeit einer Photovoltaikanlage als Dachgestaltung, BR/DC 2013, S. 127 f. (128). Vgl. auch JöRg SchWaRz (zitiert in Nr. 1316), S. 120. Vgl. bettina hüRlimann-K auP, Änderung (zitiert in Nr. 1316), S. 117 f. mit Hinweisen.

1284a

384

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

III. Die Ausübung der Grunddienstbarkeiten 1285

1. Das Gesetz äussert sich in Art. 737 ZGB über die Art der Ausübung einer Grunddienstbarkeit: Der deutschsprachige Randtitel «C. Inhalt I. Umfang 1. Im Allgemeinen» ist missverständlich. Deutlicher sind die romanischen Marginalien (französisch: «C. Effets des servitudes I. Etendue 1. En général»; italienisch: «C. Effeti I. Estensione 1. In genere»).

– Nach Art. 737 Abs. 1 ZGB darf der Berechtigte alles tun, was zur Erhaltung und Ausübung der Dienstbarkeit notwendig ist («prendre toutes les mesures nécessaires pour la conserver et pour en user»). Er kann also sein Recht voll und ganz ausnützen und ist unter Umständen auch zu Selbsthilfehandlungen befugt159 (zur Selbsthilfe vorne Nr. 1228 f.). Zu beachten bleibt, dass zunächst der Inhalt der Dienstbarkeit ermittelt werden muss (vorne Nr. 1275 ff.), um feststellen zu können, wie weit die Befugnis des Berechtigten im konkreten Fall reicht.160

1286

Beispiele: a. Die Quellenrechtsberechtigte darf nicht nur das Wasser der Quelle fassen und sich zuleiten, sondern auch auf dem belasteten Grundstück die notwendigen Anlagen errichten, unterhalten, erneuern und gegebenenfalls erweitern. – b. Die Wegrechtsberechtigte, die ein Recht zur Benutzung eines gebahnten Fahrwegs hat, ist befugt, diesen Weg so auszubauen und zu unterhalten, dass er den Zweck des Wegrechts erfüllt.161

Art. 737 Abs. 2 ZGB hält den Berechtigten allerdings dazu an, sein Recht möglichst schonend auszuüben («servitus civiliter exercenda»; «d’exercer son droit de la manière la moins dommageable»; vgl. auch Art. 2 Abs. 1 ZGB).162 Stehen ihm verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, um die Dienstbarkeit im vollen Ausmass auszuüben, hat er mit anderen Worten diejenige zu wäh163 insbesondere muss er eine Rechtsausübung unterlassen, die unnütz ist oder bei der ein krasses Missverhältnis zwischen den Interessen der Parteien besteht.164 Doch ist zu beachten, dass der Grundsatz der schonenden Ausübung nicht den Umfang der vereinbarten Dienstbarkeit einschränkt, sondern lediglich eine missbräuchliche Ausübung untersagt.165

1287

Grundsätzlich kann die Dienstbarkeit nur vom Berechtigten (also vom jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks) ausgeübt werden. Räumt dieser aber einem Dritten ein (dingliches oder obligatorisches) Nutzungsrecht am Grundstück als solchem ein, erstreckt sich dieses Nutzungsrecht auch auf die zu Gunsten des Grundstücks bestehenden Grunddienstbarkeiten.166 Besteht also etwa ein Wegrecht zu Gunsten eines Grundstücks, so ist auch der Pächter dieses Grundstücks befugt, den Weg zu benutzen. Inwieweit Gäste, Familienangehörige, Kunden oder Personen, die Zubringerdienste wie Taxifahrten oder Möbeltransporte leisten, ebenfalls zur Nut-

159 160 161

162 163 164 165 166

BGE 115 IV 26 ff. (30), E. 3a; 118 IV 291 ff. (292), E. 2a. liveR, ZüKomm, N 2 zu Art. 738 ZGB. Vgl. zum Ganzen BGE 115 IV 26 ff. (29), E. 3a, unter Hinweis auf liveR, ZüKomm, N 10 und 12 zu Art. 737 ZGB. Vgl. ausserdem BGE 115 IV 26 ff. (30), E. 3a; BGer 5A_212/2008, E. 6.4. BGE 100 II 195 ff. (197), E. 4a, unter Hinweis auf liveR, ZüKomm, N 45 ff. zu Art. 737 ZGB. BGE 137 III 145 ff. (152), E. 5.4; 100 II 195 ff. (197), E. 4a. BGE 137 III 145 ff. (152), E. 5.5; 113 II 151 ff. (153 f.), E. 4 mit Hinweisen. BGE 131 III 345 ff. (354), E. 3.1; 100 II 105 ff. (115), E. 3a, unter Hinweis auf liveR, ZüKomm, N 40 f. zu Art. 730 ZGB und N 25 ff. zu Art. 739 ZGB.

§ 25 Die Grunddienstbarkeiten

385

zung berechtigt sind, ergibt sich zunächst aus dem Erwerbsgrund und – sofern dieser dazu nichts sagt – aus den Bedürfnissen des berechtigten Grundstücks (bzw. von dessen Eigentümer).167

– Nach Art. 737 Abs. 3 ZGB darf der Belastete die Ausübung der Dienstbarkeit nicht verhindern oder erschweren («empêcher ou rendre plus incommode l’exercice de la servitude»). Mit anderen Worten: «Was der Berechtigte zu tun befugt ist, darf der Belastete nicht hindern».168 Aus dem Grundsatz «servitus civiliter exercenda» (vorne Nr. 1287) folgt jedoch, dass der Belastete dem Berechtigten in gewisser Hinsicht Beschränkungen auferlegen kann, solange dadurch die Ausübung der Dienstbarkeit nicht wirklich beeinträchtigt wird.169 Der Belastete hat insbesondere nur diejenigen Schädigungen zu dulden, die mit der Rechtsausübung unvermeidbar verbunden sind. Die Frage, welche Beschränkungen allenfalls zulässig sind, entscheidet sich (mangels Vereinbarung) auf Grund einer Interessenabwägung.170 Der Grundeigentümer bleibt zur Ausübung aller Eigentumsbefugnisse berechtigt, die keine Erschwerung im Sinn von Art. 737 Abs. 3 ZGB nach sich ziehen.171

1288

1289

Beispiele: a. Die Eigentümerin eines mit einem Wegrecht belasteten Grundstücks lässt eine Barriere errichten, die Personen, die mit einem Fahrzeug zum herrschenden Grundstück fahren wollen, dazu zwingt, vor der Barriere anzuhalten, sie zu öffnen, durchzufahren und noch einmal anzuhalten, um sie wieder zu schliessen. Dadurch wird die Ausübung der Dienstbarkeit im Sinn von Art. 737 Abs. 3 ZGB erschwert, sofern nicht überwiegende Interessen der Belasteten (etwa das Interesse, Tiere am Weglaufen zu hindern) dieses Vorgehen gebieten.172 – b. Die Eigentümerin eines Grundstücks, das mit einem Fahrwegrecht auf einer Wegbreite von 2,5 m belastet ist, rammt links und rechts des Fahrwegs Eisenpfosten ein. Dadurch wird die Befahrbarkeit mit Landwirtschaftsfahrzeugen, die 2,5 m breit sind, in unzulässiger Weise eingeschränkt. In casu lich.173

2. Gehört zur Ausübung der Dienstbarkeit eine Vorrichtung («un ouvrage») wie etwa eine Leitung, eine Wasserfassung oder ein Weg, geht ihr Unterhalt gemäss Art. 741 Abs. 1 ZGB zu Lasten des Berechtigten. Dient die Vorrichtung auch dem Belasteten, tragen nach Art. 741 Abs. 2 ZGB beide Parteien die Last des Unterhalts im Verhältnis ihrer Interessen.174 175

(zu den Realobligationen vgl. vorne Nr. 21 ff.).

167 168 169 170

171 172

173 174 175

BGE 131 III 345 ff. (355 f.), E. 3.2.2; BGer 5A_740/2014, E. 6.4. liveR, ZüKomm, N 73 zu Art. 737 ZGB. BGE 137 III 145 ff. (152), E. 5.4; SteinaueR, Band II, Nr. 2287. BGE 113 II 151 ff. (155), E. 5. Vgl. auch BGer 6B_471/2007, E. 3.4 bezüglich der Sanierung einer Brunnstube bei einem Quellenrecht: Bestehen verschiedene gleichwertige Sanierungsmöglichkeiten, ist die für den Belasteten günstigste Variante zu wählen. BGer 5A_212/2008, E. 6.4, unter Hinweis auf liveR, ZüKomm, N 57 und 75 zu Art. 737 ZGB. riere. Vgl. auch BJM 2013, S. 183 ff. (191), 5.4 (Appellationsgericht Basel-Stadt): verschliessbares Tor auf einem mit einem Wegrecht belasteten Grundstück; in casu überwogen die Sicherheitsinteressen der wegrechtsbelasteten Personen die Interessen des Wegrechtsberechtigten an einem unkomplizierten Zugang. LGVE 1988 I Nr. 9, S. 12 f. = ZBGR 72/1991, S. 132 ff. (Luzerner Obergericht). Vgl. dazu BGE 127 III 10 ff. (14 f.), E. 4 = ZBGR 83/2002, S. 184 ff. (188 f.). BGE 124 III 289 ff. (291), E. 1c.

1290

1290a

386

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Art. 741 ZGB stellt dispositives Recht dar;176 die Parteien können also etwa vereinbaren, dass der Unterhalt vollständig zu Lasten des Eigentümers des dienenden Grundstücks geht.177 Eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung hat nach dem mit der Revision des Immobiliarsachenrechts neu eingeführten Satz 2 von Art. 741 Abs. 2 ZGB unter der Voraussetzung realobligatorischen Charakter, dass «sie sich aus den Belegen des Grundbuchs erschliessen lässt». Anders als die Nebenleistungslich zu sein.178 Nach der Botschaft handelt es sich damit um eine gesetzliche Realobligation.179 1290b

Auf die Erstellung dung. Errichtet der Eigentümer des belasteten Grundstücks ein Werk, aus dem auch die Eigentümerin des berechtigten Grundstücks einen Nutzen zieht, kann er deshalb von ihr nur dann einen Beitrag an die Kosten verlangen, wenn die Parteien dies vertraglich vereinbart haben.180 Im Übrigen steht es der Dienstbarkeitsberechtigten gestützt auf Art. 737 Abs. 1 ZGB (vorne Nr. 1286) frei, auf ihre Kosten die für die Ausübung ihres Rechts erforderlichen Anlagen auf dem dienenden Grundstück zu erstellen.181

1290c

3. Im Zusammenhang mit Vorrichtungen für die Ausübung einer Dienstbarkeit ist die Praxis namentlich bei Gesamtüberbauungen bisweilen mit folgender Situation konfrontiert: Auf einem der Grundstücke in der Gesamtüberbauung steht eine Anlage (zum Beispiel eine Strasse oder eine Wasseraufbereitungsanlage), die den verschiedenen anderen Grundstücken dient und deren Eigentümer deshalb an diesem Grundstück jeweils selbständige gleich lautende Dienstbarkeiten im selben Rang innehaben. Diese Konstellation wird seit dem 1. Januar 2012 durch Art. 740a ZGB geregelt. Nach Abs. 1 der Norm sind die für Miteigentümer geltenden Regelungen sinngemäss anwendbar, sofern nichts anderes vereinbart ist. Das Recht, durch Verzicht auf die Servitut aus der Gemeinschaft auszuscheiden, kann nach Abs. 2 durch Vereinbarung auf höchstens 30 Jahre ausgeschlossen werden; die Vereinbarung ist öffentlich zu beurkunden und kann im Grundbuch vorgemerkt werden. Dadurch lässt sich verhindern, dass einzelne Berechtigte (oder ihre Rechtsnachfolger) vorzeitig auf ihr Recht verzichten und die verbliebenen Berechtigten übermässige Unterhaltskosten für eine nunmehr überdimensionierte Anlage tragen müssen.182

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Vgl. dazu auch cyRil galland, L’entretien des ouvrages en servitude: les pièges à éviter, BR/DC 2013, S. 106 ff. BGE 132 III 545 ff. (548), E. 3.3.1 = Pra 96/2007, Nr. 42, S. 264 ff.; SteinaueR, Band II, Nr. 2285. Kritisch dazu hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, S. 44 f. – Zum Verhältnis zwischen Art. 741 und 730 Abs. 2 ZGB vgl. cyRil galland (zitiert in Nr. 1316), Nr. 1157 ff. ses Lehrbuchs. BGE 132 III 545 ff., E. 3 = Pra 96/2007, Nr. 42, S. 264 ff. Vgl. auch FZR 1995, S. 19 ff. (21 f.), E. 3 (Freiburger Kantonsgericht). liveR, ZüKomm, N 28 zu Art. 741 ZGB. Vgl. auch BGE 132 III 545 ff. (547 f.), E. 3.3.1 = Pra 96/2007, Nr. 42, S. 264 ff. Ausführlich dazu JöRg Schmid (zitiert in Nr. 1316), S. 28 ff. Vgl. ausserdem hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, S. 45 ff.; deniS Piotet (zitiert in Nr. 1237a), S. 64 ff.

§ 25 Die Grunddienstbarkeiten

387

IV. Änderung und Untergang der Grunddienstbarkeiten 1.

Die Änderung der Grunddienstbarkeiten

Die Änderung einer Grunddienstbarkeit ist jederzeit zulässig. Sie setzt immerhin grundsätzlich das Einverständnis beider Parteien, also einen Vertrag der Beteiligten (zum Formerfordernis vorne Nr. 1244) sowie eine Anpassung des Grundbucheintrags oder – sofern der Eintrag selbst davon nicht betroffen ist – die Hinterlegung des Vertrags beim Grundbuchamt voraus;183 erforderlich ist ausserdem die Zustimmung derjenigen Personen, die nach der Errichtung der Dienstbarkeit ein dingliches Recht am berechtigten Grundstück erworben haben, sofern dieses Recht durch die Änderung beeinträchtigt wird.184 Das Gesetz sieht nun aber in den Art. 742 und 743 ZGB für bestimmte Fälle auch die Möglichkeit einer Änderung ohne die Zustimmung der berechtigten Partei (oder allfälliger anderer Personen) vor. Im Einzelnen:

1291

1. Mit der Verlegung («Transport de la charge») befasst sich Art. 742 ZGB: Wird für die Ausübung der Dienstbarkeit nur ein Teil des Grundstücks beansprucht, kann der Eigentümer des belasteten Grundstücks nach Art. 742 Abs. 1 ZGB die Verlegung der Dienstbarkeit verlangen, sofern er ein Interesse nachweist und die Kosten übernimmt; in der Regel handelt es sich um ein wirtschaftliches Interesse, aber auch ein ästhetisches oder anderes immaterielles Interesse genügt, sofern es die Verlegung zu rechtfertigen vermag.185 Das Gesetz setzt weiter voraus, dass die Dienstbarkeit auf eine «für den Berechtigten nicht weniger geeignete Stelle» verlegt wird, wobei Rechtsprechung und Lehre kleinere Verschlechterungen zu Lasten des Berechtigten immerhin als zumutbar ansehen.186 ZGB enthaltenen Gebots der schonenden Ausübung der Dienstbarkeiten (vorne Nr. 1287).187 Ein Verlegungsbegehren ist insbesondere bei Weg- und Leitungsrechten aktuell (weniger bei Quellenrechten). Das Recht zur Verlegung steht dem Ver-

1292

Grundbuch auf eine bestimmte Stelle gelegt wurde. Beispiel: Der Eigentümer des mit einem Wegrecht belasteten Grundstücks verlangt die Verlegung des Wegs, der so nahe an seinem Haus liegt, dass ein grosser Teil des Eingangsbereichs vor dem Haus nicht genutzt werden kann. Der Belastete hat durch entsprechende bauliche Massnahmen sicherzustellen, dass der Eigentümer des berechtigten Grundstücks durch die Verlegung nicht benachteiligt wird.188 Mit der Revision des Immobiliarsachenrechts wurde Art. 742 Abs. 3 ZGB aufgehoben, der für die Verlegung von Leitungen auf die nachbarrechtlichen Vorschriften (Art. 691–693 ZGB) verwies und damit die Kosten der Verlegung in diesen Fällen dem Dienstbarkeitsberechtigten auferlegte.189

183 184

185 186 187 188 189

Paul Piotet, contenu (zitiert in Nr. 1316), S. 285 f. liveR, ZüKomm, N 89 f. zu Art. 732 ZGB. Ausführlich zum Ganzen bettina hüRlimann-K auP, Änderung (zitiert in Nr. 1316), S. 110 ff. BGer 5A_178/2011, E. 4.1 mit Hinweisen. BGer 5C.91/2004, E. 5; 5C.275/2000, E. 3a; liveR, ZüKomm, N 32 zu Art. 742 ZGB. BGE 88 II 150 ff. (154), E. 4; BGer 5C.91/2004, E. 5; eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 147. AR GVP 2004, S. 118 ff. (Kantonsgericht Appenzell-Ausserrhoden). Zur Begründung vgl. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5311 f. Zum Übergangsrecht vgl. Roland PFäFFli /FabRizio a ndRea liechti, Kostentragung bei Verlegung von Leitungsdienstbarkeiten – Eine intertemporale Betrachtung, Jusletter vom 11. November 2013, Rz. 10 ff.

388 1293

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

2. Mit der Revision des Immobiliarsachenrechts wurden die bis anhin in Art. 743 und 744 ZGB geregelten Fälle der Teilung («division») eines der beiden beteiligten Grundstücke in einer einzigen Bestimmung (Art. 743 ZGB) zusammengefasst. Grundsätzlich besteht die Grunddienstbarkeit bei einer Teilung für alle Teile weiter (Art. 743 Abs. 1 ZGB). Die Dienstbarkeiten der Teile entsprechen notwendigerweise denjenigen des Grundstücks vor der Teilung; ebenso sind sie untereinander identisch. Die Vervielfachung der Dienstbarkeit durch die Teilung des berechtigten Grundstücks darf allerdings nicht zu einer Mehrbelastung des dienenden Grundstücks führen.190

Beschränkt sich die Ausübung der Servitut jedoch nach den Belegen oder den Umständen auf einzelne Teile, muss sie nach Art. 743 Abs. 2 ZGB auf den nicht betroffenen Teilen gelöscht werden.191

1294

Beispiel: Zu Gunsten eines Gebäudes auf dem berechtigten Grundstück Nr. 499 besteht zu Lasten der östlich angrenzenden Parzelle Nr. 500 ein Näherbaurecht. Wird Nr. 499 alsdann in eine westliche (gebäudefreie) und eine östliche Hälfte geteilt, so kann die Belastete verlangen, dass das Näherbaurecht mit Bezug auf das neue (westliche) Grundstück gelöscht wird.192

Art. 743 Abs. 3 ZGB verweist für das Bereinigungsverfahren auf die Bestimmungen über die Löschung und Änderung der Grundbucheinträge. Massgebend sind damit die Art. 974a ff. ZGB. Das bedeutet insbesondere, dass der Eigentümer des zu teilenden Grundstücks gemäss Art. 974a Abs. 2 ZGB dem Grundbuchamt beantragen muss, welche Einträge auf die Teilstücke zu übertragen und welche zu löschen sind (vorne Nr. 497b).

1295

[entfällt]

1296

2. 1297

Der Untergang der Grunddienstbarkeiten

Das Gesetz befasst sich in den Art. 734 –736 ZGB mit dem Untergang («l’extinction») der Grunddienstbarkeiten (nachfolgend A.). Daneben gibt es aber noch andere, vom Gesetz nicht explizit genannte Untergangsgründe (B.). Zu beachten ist, dass eine Dienstbarkeit jedenfalls nicht durch blosse (dauernde) Nichtausübung untergeht.193 Nichtgebrauch ist also höchstens ein Indiz dafür, dass die Dienstbarkeit für das berechtigte Grundstück alles Interesse verloren hat (Art. 736 Abs. 1 ZGB; hinten Nr. 1309 f.), nicht aber ein selbständiger Untergangsgrund der Dienstbarkeit.194

190

BGer 5C.38/2001, E. 3c; 5A_602/2012 und 5A_625/2012, E. 4.1. Vgl. auch BGer 5C.201/2002, E. 3.2.3 = ZBGR 85/2004, S. 306 ff.

191 192

193

194

Vgl. auch BGer 5C.311/2006, E. 3.2; liveR, ZüKomm, N 56 zu Art. 743 ZGB mit weiteren Beispielen. BGE 95 II 605 ff. (610), E. 2a; BGer 5A_478/2007, E. 3.3; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 108 N 12; SteinaueR, Band II, Nr. 2246 f.; liveR, ZüKomm, N 181 ff. und 196 ff. zu Art. 734 ZGB. eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 144 f.; BGer 5A_360/2014, E. 4.1.1 mit Hinweisen und E. 4.3.2.1.

§ 25 Die Grunddienstbarkeiten

A.

389

Die Untergangsgründe nach Art. 734–736 ZGB

Das Gesetz nennt als Gründe für den Untergang einer Grunddienstbarkeit die Löschung des Grundbucheintrags (nachfolgend a.), den Untergang des herrschenden oder des dienenden Grundstücks (b.), die Vereinigung (c.) sowie die Ablösung durch das Gericht (d.). a.

1298

Die Löschung des Grundbucheintrags

Nach Art. 734 ZGB in initio geht eine Grunddienstbarkeit unter mit der Löschung des Grundbucheintrags («la radiation de l’inscription»). Dazu bedarf es gemäss Art. 964 Abs. 1 ZGB der schriftlichen Erklärung der aus dem Eintrag berechtigten Personen (vorne Nr. 508), also in erster Linie der Erklärung des Eigentümers des herrschenden Grundstücks. Beizufügen bleibt:

1299

– Die Löschungserklärung ist einseitig; sie geht ausschliesslich von den aus dem Eintrag berechtigten Personen aus. Der Mitwirkung des Eigentümers des belasteten Grundstücks bedarf es nicht; der Grundbuchverwalter hat ihm lediglich von der vorgenommenen Löschung Anzeige gemäss Art. 969 Abs. 1 ZGB zu machen.195

1300

Bestehen jedoch am berechtigten Grundstück Rechte Dritter (zum Beispiel Grundpfandrechte), die durch den Untergang der Dienstbarkeit beeinträchtigt werden, so ist für die Löschung ausserdem die Zustimmung dieser Personen erforderlich.196



gen, namentlich also auf Grund eines (nach Art. 115 OR formfreien) Vertrags auf Aufhebung der Grunddienstbarkeit. Möglich ist aber auch, dass sich die Löschungs197 tung) stützt.

1301

Grundbuchrechtlich richtet sich die Löschungsanmeldung nach Art. 964 ZGB. Die Beilage eines Rechtsgrundes im Sinn von Art. 965 Abs. 1 ZGB ist nicht erforderlich198 (vorne Nr. 532).

– Der Grundbuchverwalter muss die Löschung sowohl auf dem Blatt des berechtig-

1302

den Untergang der Dienstbarkeit ist aber lediglich die Löschung auf dem Blatt des belasteten Grundstücks199 b.

Der Untergang eines Grundstücks

Nach Art. 734 ZGB vollständigen Untergang des belasteten oder des berechtigten Grundstücks («la perte totale du fonds servant ou du fonds dominant»). Die Dienstbarkeit geht von selbst unter; der noch bestehende Grundbucheintrag hat keinerlei Bedeutung mehr.200

195 196 197

198 199 200

BGE 67 I 124 ff. (126), E. 2. SteinaueR, Band II, Nr. 2259 f.; FZR 1997, S. 78 ff. (81), E. 1a/aa (Freiburger Kantonsgericht). Einzelheiten bei SteinaueR, Band II, Nr. 2257 ff. und 2261 ff.; liveR, ZüKomm, N 10 ff. zu Art. 734 ZGB. BGE 112 II 26 ff. (31 f.), E. 3. SteinaueR, Band II, Nr. 2260, unter Hinweis auf liveR, ZüKomm, N 55 zu Art. 731 ZGB. SteinaueR, Band II, Nr. 2254a.

1303

390

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Beispiel: Das Land wird durch Wassermassen vom Ufer abgerissen und weggeschwemmt.201

c.

Die Vereinigung

1304

Unter «Vereinigung» («la réunion des fonds») versteht Art. 735 ZGB den Fall, dass der Berechtigte Eigentümer des belasteten Grundstücks wird. Folgendes muss beachtet werden:

1305

– Der Eigentümer kann nach Abs. 1 die Dienstbarkeit löschen lassen. Solange diese Löschung nicht erfolgt ist, bleibt gemäss Abs. 2 der Bestimmung die Dienstbarkeit bestehen (sogenannte Eigentümerdienstbarkeit; siehe vorne Nr. 1192). Die Vereinigung hat für sich allein also nicht die Wirkung des Untergangs der Grunddienstbarkeit durch Konsolidation.202 Nach eugen hubeR behält der Eigentümer der beiden Grundstücke «das formale Recht [an der Dienstbarkeit] in dem Sinne, dass, sobald während der Existenz des letztern aus irgend einem Grunde die Trennung des Eigentums wieder eintritt, die Dienstbarkeit auch wiederum materielle Bedeutung erhält».203

1306

– Stehen Drittpersonen beschränkte dingliche Rechte am herrschenden Grundstück zu, die durch den Untergang der Dienstbarkeit beeinträchtigt werden, so kann die Löschung nur mit Zustimmung der Betroffenen vorgenommen werden (vgl. Art. 964 ZGB).204

1307

– Trotz des missverständlichen deutschen Gesetzeswortlauts deckt Art. 735 ZGB auch den (umgekehrten) Fall ab, dass der Eigentümer des belasteten Grundstücks das berechtigte Grundstück erwirbt.205 Vgl. dazu auch die Formulierung des französischen Gesetzestextes: «Lorsque les deux fonds sont réunis dans la même main …». Der italienische Text entspricht hingegen der deutschen Fassung: «L’utente della servitù che diventa proprietario del fondo serviente …».

1307a

Zu beachten bleibt, dass das Gesetz den Begriff «Vereinigung» in Art. 945 Abs. 2 und Art. 974b ZGB (sowie in Art. 158 GBV) in einem anderen Sinn als in Art. 735 ZGB verwendet. In den genannten Bestimmungen geht es um die Konstellation, dass «mindestens zwei benachbarte (im Eigentum der gleichen Person stehende) Liegenschaften, welche wenigstens einen gemeinsamen Berührungspunkt haben, zu einer Liegenschaft vereinigt werden».206

d.

Die Ablösung durch das Gericht

1308

1. Art. 736 ZGB sieht zwei Fälle der Ablösung einer Grunddienstbarkeit durch das Gericht («la libération judiciaire») vor:

1309

– Nach Art. 736 Abs. 1 ZGB kann der Belastete die Löschung verlangen, wenn die Dienstbarkeit für das berechtigte Grundstück alles Interesse verloren hat («qui a perdu toute utilité pour le fonds dominant»). Massgebend ist in diesem Zusammenhang nicht das Interesse des herrschenden Grundstücks als solchen,

201 202 203 204 205 206

liveR, ZüKomm, N 113 zu Art. 734 ZGB. liveR, ZüKomm, N 2 zu Art. 735 ZGB. eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 142. SteinaueR, Band II, Nr. 2262. liveR, ZüKomm, N 3 zu Art. 735 ZGB. Roland PFäFFli, Die Auslegung von Dienstbarkeiten, Zum Urteil des Bundesgerichts vom 20. November 2007 (5A_478/2007), BR/DC 2008, S. 58 ff. (59).

391

§ 25 Die Grunddienstbarkeiten

sondern dasjenige des Grundeigentümers.207 Dieser darf kein vernünftiges Interesse mehr an der Dienstbarkeit haben.208 Überdies muss es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der Lebenserfahrung als ausgeschlossen erscheinen, dass die Dienstbarkeit in absehbarer Zeit wieder ausgeübt wird;209 das Gericht verfügt in diesem Zusammenhang über ein gewisses Ermessen.210 Die Beweislast trifft nach Art. 8 ZGB den Belasteten. Da es hier um den Nachweis einer negativen Tatsache – das Fehlen eines Interesses auf Seiten des Berechtigten – geht, ist der Eigentümer des herrschenden Grundstücks immerhin nach 211

Beispiele: a. Ein Wegrecht ist für die Eigentümerin des herrschenden Grundstücks nicht mehr von Interesse, sofern der damit erfüllte Zweck inzwischen vollumfänglich durch eine öffentliche Strasse gewährleistet wird. Ob dies der Fall ist, muss für jeden einzelnen Sachverhalt geprüft werden, da die öffentliche Strasse in aller Regel einen anderen Inhalt oder Umfang als das Wegrecht aufweist. Das gilt immerhin dann nicht, wenn die Servitut den Charakter eines Notwegrechts hat; bei dieser Konstellation verliert sie ihre Existenzberechtigung, sobald die Notlage durch den Anschluss an das öffentliche Wegnetz behoben wird.212 – b. Vor Inkrafttreten des ZGB wurde zu Gunsten des Gemeinwesens eine Dienstbarkeit begründet, die den Betrieb eines unsittlichen Gewerbes auf dem belasteten Grundstück untersagt. Die Tatsache, dass der Gegenstand der Servitut heute auch im öffentlichen Bau- und Planungsrecht geregelt ist, bedeutet nicht, dass das Gemeinwesen alles Interesse an der Dienstbarkeit verloren hat.213

Beizufügen bleibt ein Zweifaches: • Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, so kann der Belastete die Löschung verlangen, ohne dafür eine Entschädigung bezahlen zu müssen. Es besteht auch die Möglichkeit einer bloss partiellen Ablösung ohne Entschädigung, wenn nur ein Teil der Dienstbarkeit dem Berechtigten nicht mehr von Nutzen ist.214 • Art. 736 Abs. 1 ZGB kommt auch dann zum Zug, wenn die Ausübung der Dienstbarkeit unmöglich geworden ist.215 Beispiel: Über die drei hintereinander gelegenen Grundstücke A, B und C führt eine Strasse zum Grundstück D. Zu dessen Gunsten und zu Lasten der Grundstücke A und C besteht ein Wegrecht. Da das Grundstück B nicht mit einem Wegrecht belastet ist, lässt sich die Dienstbarkeit auf den Grundstücken A und C nicht ausüben. Das gilt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung auch dann, wenn der Eigentümer des Grundstücks B dem Wegrechtsberechtigten auf Zusehen hin die Durchfahrt erlaubt (prekaristische Gestattung; vorne Nr. 1202), weil dadurch keine rechtlich gesicherte Verbindung zwischen den Grundstücken hergestellt wird.216 Die Eigentümer der belasteten Grundstücke A und C können damit gestützt auf

207 208 209

210 211

212

213 214 215 216

BGE 130 III 554 ff. (556), E. 2; SteinaueR, Band II, Nr. 2267. BGE 89 II 370 ff. (383), E. 3; 130 III 554 ff. (556), E. 2. BGE 130 III 393 ff.; 81 II 189 ff. (194), E. 2; 89 II 370 ff. (383), E. 3. Instruktiv das Beispiel in ZBGR 90/2009, S. 24 ff. (27 ff.), E. 4 (Bezirksgericht Meilen). BGer 5A_216/2011, E. 3.3.1. BGer 5D_3/2009, E. 3.3 = ZBGR 92/2011, S. 186 ff. Vgl. allgemein zum Beweis negativer Tatsachen hüRlimann-K auP/Schmid, Nr. 473. BGE 130 III 554 ff. (559 f.), E. 3.3. In casu wurde die Löschung verweigert, weil die bisherige private Wegverbindung vorteilhafter war als die neu erstellte öffentliche Verbindung. BGE 134 III 341 ff. (345 f.), E. 3. BGE 91 II 190 ff. (196), E. 5. BGE 121 III 52 ff. (54 f.), E. 3a; BGer 5A_158/2016, E. 2.1.1. BGer 5A_158/2016, E. 3.2.

1310

392

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Art. 736 Abs. 1 ZGB die Löschung des Wegrechts verlangen.217 Vorbehalten bleibt immerhin der Fall, dass in absehbarer Zeit mit der Errichtung eines Wegrechts auf dem Grundstück B gerechnet werden kann, etwa weil eine Wegnot vorliegt (Art. 694 ZGB).218 Beruht die Unmöglichkeit der Ausübung auf der Teilung des herrschenden oder dienenden Grundstücks, sieht das Gesetz in Art. 743 und 974a ZGB ein besonderes Verfahren vor (vorne Nr. 1293 ff.).219 Ausnahmsweise ist gestützt auf Art. 976 Ziff. 3 ZGB eine Löschung von Amtes wegen möglich, wenn die eingetragene Dienstbarkeit das Grundstück wegen der örtlichen Lage nicht betreffen kann; darüber hinaus kommt auch das Verfahren nach Art. 976a und 976b ZGB in Betracht, sofern der Eintrag höchstwahrscheinlich keine Bedeutung mehr hat (dazu vorne Nr. 626 ff.).220

– Gemäss Art. 736 Abs. 2 ZGB kann die Dienstbarkeit gegen Entschädigung ganz oder teilweise abgelöst werden, wenn ein Interesse des Berechtigten zwar noch besteht, aber im Vergleich zur Belastung von unverhältnismässig geringer Bedeutung ist («qui ne conserve qu’une utilité réduite, hors de proportion avec les charges imposées au fonds servant»). Eine Ablösung ist einerseits möglich, wenn sich das Interesse des Berechtigten unverhältnismässig vermindert hat. Andererseits deckt Art. 736 Abs. 2 ZGB aber auch den Fall ab, dass sich

1311

Interesse des Berechtigten übermässig erschwert hat.221 Die Tatsachen, welche die Belastung des dienenden Grundstücks erschweren, müssen nach Errichtung der Dienstbarkeit eingetreten sein; ein von vornherein bestehendes Missverhältnis kann nicht auf diese Weise korrigiert werden.222 Die Erhöhung der Belastung darf ausserdem nicht auf Gründe zurückgehen, die der Eigentümer des dienenden Grundstücks selber herbeigeführt hat.223 Die Ablösung ist nur gegen Entschädigung zulässig (die Entschädigungs-

1312

genannt). Es handelt sich hier um eine Art Privatexpropriation; für die Berechnung der Höhe der Entschädigung sind daher die Regeln für die Bemessung einer Expropriationsentschädigung analog anwendbar.224 Beispiele: a. Ein Stück Wiese darf – obwohl es in die Bauzone umgezont wurde – nicht bebaut werden, da auf ihm ein Weiderecht für ein paar Ziegen lastet, dessen Wert im Verhältnis zum dadurch verursachten Wertverlust des Grundstücks minim ist.225 Die Eigentümerin des belasteten

217

218 219 220

221

222 223 224

225

S. 297 ff.; BGer 5A_158/2016, E. 2.1.1 und 2.1.2. BGer 5A_158/2016, E. 2.2. SteinaueR, Band II, Nr. 2254b. Vgl. auch deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 264. Nach BGE 121 III 52 ff. (54 f.), E. 3a, kann der Grundbuchverwalter eine Löschung gemäss aArt. 976 ZGB vornehmen, wenn die Ausübung der Dienstment et à l’évidence impossible»). BGE 107 II 331 ff. (338 f.), E. 4, der sich kritisch mit der früheren Rechtsprechung auseinandersetzt, die nur den ersten Fall zuliess; vgl. dazu auch liveR, ZüKomm, N 106 ff. zu Art. 736 ZGB. Siehe ausserdem BGer 5C.152/2005, E. 5.1. SteinaueR, Band II, Nr. 2274. BGE 107 II 331 ff. (339), E. 4. SteinaueR, Band II, Nr. 2276; vgl. auch liveR, ZüKomm, N 181 zu Art. 736 ZGB; Paul Piotet, SPR V/1, S. 579. Zur Berechnung siehe ausserdem BGer 5C.152/2005, E. 6. liveR, ZüKomm, N 160 zu Art. 736 ZGB.

§ 25 Die Grunddienstbarkeiten

393

Grundstücks kann die Ablösung der Dienstbarkeit gegen Entschädigung verlangen.226 – b. Eine im Jahr 1945 zum Schutz einer Quelle errichtete Baubeschränkung kann teilweise aufgehoben werden, wenn sie sich hinsichtlich ihres Umfangs für diesen Zweck heute als unnötig erweist.227

2. Für die Beurteilung des Interesses ist in beiden Fällen der Grundsatz der Identität der Dienstbarkeit zu beachten, wonach eine Servitut nicht zu einem anderen Zweck aufrechterhalten werden darf als zu jenem, zu dem sie errichtet wurde228 (vgl. vorne Nr. 1284).

1313

Die Tatsache, dass die Dienstbarkeit zu einem anderen als dem ursprünglichen Zweck ausgeübt wird, genügt, um ein ausreichendes Interesse des Belasteten an der Ablösung zu begründen.229

3. Was den Zeitpunkt des Untergangs der Dienstbarkeit angeht, spricht der Gesetzestext missverständlich von «Ablösung durch das Gericht» («Libération judiciaire»). Es handelt sich hier jedoch lediglich um ein Feststellungsurteil: Die Dienstbarkeit erlischt im Fall des Art. 736 Abs. 1 ZGB von Gesetzes wegen, soweit an ihr kein Interesse mehr besteht; in Bezug auf Art. 736 Abs. 2 ZGB geht sie von Gesetzes wegen unter, sobald die Entschädigung bezahlt ist.230

B.

Weitere Untergangsgründe

Das Gesetz zählt die Gründe für den Untergang einer Grunddienstbarkeit in den Art. 734 –736 ZGB nicht abschliessend auf. Ausser den vom Gesetz genannten Gründen können Prädialservituten erlöschen durch:231 – Enteignung oder andere Gründe des öffentlichen Rechts;232 – Zwangsverwertung; – (Gestaltungs-)Urteil; – Verzicht des Berechtigten (auch implizit, wenn die Ausübung der Dienstbarkeit mit späteren, durch Dienstbarkeitsvertrag eingeräumten Rechten unvereinbar ist);233 – Dereliktion des herrschenden Grundstücks; – Zeitablauf bei zeitlich befristeten Grunddienstbarkeiten (vgl. auch Art. 976 Ziff. 1 ZGB).

226

227 228 229 230

231

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1314

Zur Frage, inwieweit bei Bauverbotsdienstbarkeiten die Erhöhung der Belastung rein auf Grund des Ansteigens der Baulandpreise als Grund für eine Ablösung nach Art. 736 Abs. 2 ZGB anerkannt werden darf, vgl. BGE 107 II 331 ff. (341 f.), E. 5b; BGer 5A_340/2013, E. 5.3.2. ZBGR 77/1996, S. 25 ff. (28 ff.), E. 6 = BN 54/1993, S. 25 ff. (Berner Obergericht). BGE 130 III 554 ff. (556), E. 2; 121 III 52 ff. (54), E. 2a; 114 II 426 ff. (428), E. 2a. BGer 5A_560/2009, E. 4.1 = ZBGR 92/2011, S. 190 ff. SteinaueR, Band II, Nr. 2272 und 2277; liveR, ZüKomm, N 103 und 176 f. zu Art. 736 ZGB; Paul Piotet, SPR V/1, S. 577 (mit Bezug auf Art. 736 Abs. 1 ZGB). A.M. leemann, BeKomm, N 16 zu Art. 736 ZGB; PetitPieRRe, BaKomm, N 23 zu Art. 736 ZGB. SteinaueR, Band II, Nr. 2250a ff. sowie (für die nicht im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeiten) Nr. 2256 ff. Zum Beispiel Ablösung einer Dienstbarkeit im Rahmen eines Quartierplanverfahrens: BGer vom 5. April 1994, in ZBGR 77/1996, S. 53 ff. (57), E. 2e; BGer vom 26. Juni 1998, in ZBGR 81/2000, S. 142 ff. Zum Verhältnis zwingender Vorschriften des Bau- und Planungsrechts zu bestehenden Dienstbarkeiten vgl. BGer 5C.213/2002, E. 3.2; BGE 134 III 341 ff. (345), E. 2.2. Vgl. dazu etwa BGE 128 III 265 ff. (269 f.), E. 4a; 127 III 440 ff. (442 f.), E. 2a und b.

1315

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V. 1316

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

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§ 25 Die Grunddienstbarkeiten

395

– PFäFFli Roland, Errichtung, Auslegung und Löschung von Dienstbarkeiten, in: Wolf Stephan (Hrsg.), Dienstbarkeiten im Wandel – von «Weg und Steg» zum Energie-Contracting, Bern 2014 (INR 16), S. 1 ff. – Piotet deniS, Propriété collective, servitudes, droit de voisinage et restrictions de droit public: tour d’horizon du chapelet de perles entourant la révision du droit des gages immobiliers et de la tenue du registre foncier après 2005, ZBGR 87/2006, S. 12 ff. – Piotet Paul tection de la bonne foi, ZBGR 81/2000, S. 284 ff. (zitiert: Paul Piotet, contenu). – deRSelbe, L’usucapion d’une propriété ou d’une servitude et le registre foncier, ZBGR 75/1994, S. 65 ff. (zitiert: Paul Piotet, usucapion). – R ey heinz, Funktionen des Dienstbarkeitsvertrages, ZBGR 64/1983, S. 257 ff. – RuSch aRnold F., Der Inhalt von Dienstbarkeiten – Gewerbebeschränkungen, Dienstbarkeiten, Referate der Luzerner Weiterbildungsveranstaltung vom 13. September 2016, Zürich 2017 (LBR Band 115), S. 1 ff. – Schmid JöRg, Dienstbarkeitsanlagen – Fragen zu Art. 740a ZGB und darüber hinaus, in: Schmid Jörg (Hrsg.), Dienstbarkeiten, Referate der Luzerner Weiterbildungsveranstaltung vom 13. September 2016, Zürich 2017 (LBR Band 115), S. 17 ff. – Schmid JöRg/buttligeR dominic, Zwei Fragen aus dem Dienstbarkeitsrecht: Prä– Schmid JüRg, Dienstbarkeitsrecht im Wandel, ZBGR 84/2003, S. 269 ff. – Schmid-tSchiRRen chRiStina, Aktuelle Tendenzen im Grunddienstbarkeitsrecht – Bemerkungen zu neuen Anwendungsformen und Entwicklungslinien eines alten sachenrechtlichen Institutes, BN 60/1999, S. 1 ff. – SchWaRz JöRg, Änderungen bei Dienstbarkeiten – Insbesondere Fragen der Identität und Mehrbelastung, in: Schmid Jörg (Hrsg.), Dienstbarkeiten, Referate der Luzerner Weiterbildungsveranstaltung vom 13. September 2016, Zürich 2017 (LBR Band 115), S. 93 ff. – SteinaueR Paul-henRi récents, in: Foëx Bénédict/Hottelier Michel (Hrsg.), Servitudes, droit de voisinage, responsabilités du propriétaire immobilier, Genf/Zürich/Basel 2007, S. 1 ff. – temPeRli alFRed, Die Problematik bei der Aufhebung und Ablösung von Grunddienstbarkeiten (ZGB 736), Diss. Zürich 1975. – tonella mattia, Die Löschung einer bedeutungslos gewordenen Dienstbarkeit, ZBGR 84/2003, S. 198 ff. – WaltiSbeRg hanS, Die Vereinigung von Liegenschaften im Privatrecht, Diss. Freiburg 1996 (AISUF Band 154). – zobl manFRed, Der zulässige Inhalt von Dienstbarkeiten, Diss. Zürich 1976.

396

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

VI. Fälle 1317

1. BGE 123 III 337 ff. (= Pra 87/1998, Nr. 8, S. 46 ff.) Zulässigkeit einer Dienstbarkeit, welche die gewerbliche Tätigkeit beschränkt. Voraussetzung der Beschränkung in der Ausübung von Eigentumsbefugnissen. Grundsatz der Beschränktheit der Belastung. Voraussetzung des vernünftigen Interesses. Voraussetzungen für die Verletzung von Art. 27 Abs. 2 ZGB bei vertraglicher Beschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit. 2. BGE 106 II 315 ff. Dienstbarkeit auf Unterlassen bestimmter Schallimmissionen (unter Stockwerkeigentümern)? 3. BGE 137 III 444 ff. Umfasst eine im Grundbuch mit dem Stichwort «Kiesausbeutungsrecht» eingetragene Dienstbarkeit das Recht zur Wiederauffüllung und Humusierung des abgeist deshalb der Rechtsgrund heranzuziehen. Gleichzeitig sind öffentlich-rechtliche Vorschriften zu berücksichtigen, da die Dienstbarkeit mit Blick auf eine öffentlichrechtliche Kiesabbaubewilligung eingeräumt wurde, die ihrerseits die Wiederinstandstellung und Begrünung der abgebauten Fläche zur Bedingung machte. 4. BGE 131 III 345 ff. «Benützungsrecht an Hofraum»: Auslegung der Dienstbarkeit, die bei der Grundbucheinführung bereinigt wurde. Bedürfnisse des herrschenden Grundstücks. Unzumutbare Mehrbelastung (in casu verneint). 5. BGE 134 III 341 ff. Wirkung einer vor Inkrafttreten des ZGB zu Gunsten eines Gemeinwesens errichteten Dienstbarkeit, deren Gegenstand heute auch im öffentlichen Bau- und Planungsgesetz geregelt ist. Hinreichende Bestimmtheit des Begriffs «unsittliches Gewerbe». 6. BGE 130 III 554 ff. Ermittlung des Zwecks eines Wegrechts. Löschung der Dienstbarkeit nach Art. 736 Abs. 1 ZGB, wenn das Grundstück durch eine öffentliche Strasse erschlossen wird? 7. BGE 137 III 145 ff. (vgl. auch BGE 137 III 153 ff.) Bedeutung der natürlichen Publizität für Inhalt und Umfang einer Dienstbarkeit bei Erwerb des berechtigten Grundstücks durch einen Dritten, der sich auf das Grundbuch verlassen hat: Ausschluss des guten Glaubens gestützt auf Art. 3 Abs. 2 ZGB. Gebot der schonenden Ausübung einer Dienstbarkeit. 8. BGE 122 III 150 ff. Ersitzung einer Grunddienstbarkeit nach Art. 731 Abs. 3 ZGB (in casu verneint). 9. BGE 122 III 358 ff. Mehrbelastung bei einem «unbedingten Fuss- und Fahrwegrecht».

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten

397

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten Das Gesetz regelt die Personaldienstbarkeiten (Personalservituten; «les servitudes personnelles») in den Art. 745–781a (und 678 Abs. 2) ZGB, und zwar unter dem Titel «Nutzniessung und andere Dienstbarkeiten» («Des autres servitudes, en particulier de l’usufruit»). Nach einigen allgemeinen Bemerkungen (I.) sind die einzelnen Personaldienstbarkeiten zu behandeln: Nutzniessung (II.), Wohnrecht (III.), Baurecht (IV.),

1318

Art. 781 ZGB (VII.). Den Abschluss bilden Hinweise auf weiterführende Literatur (VIII.) sowie Fälle (IX.).

I.

Allgemeines

1.

Inhalt und Gegenstand

1. Inhalt einer Personaldienstbarkeit ist – wie bei den Grunddienstbarkeiten – entweder ein Dulden oder ein Unterlassen; der Belastete darf also sein Eigentumsrecht in bestimmter Hinsicht nicht ausüben bzw. muss bestimmte Tätigkeiten unterlassen (vorne Nr. 1206).

1319

Beispiel: Das Einräumen eines Wohnrechts auf Lebenszeit an eine nahe Verwandte hat zur Folge, dass die Belastete die Berechtigte in den dafür vorgesehenen Räumen des Hauses dulden muss und nicht selber dort wohnen kann.

Der in Art. 730 Abs. 2 ZGB für die Grunddienstbarkeiten ausgesprochene Grundkeit nur nebensächlich verbunden sein kann (vorne Nr. 1264), ist von allgemeiner Tragweite; er gilt demnach auch für die Personaldienstbarkeiten (vgl. auch vorne Nr. 1206).

1320

2. Mit einer Personalservitut belastet ist regelmässig ein Grundstück. Nur eine einzige Art von Personaldienstbarkeit, nämlich die Nutzniessung, kann auch an Fahrnis (oder an Rechten oder an einem Vermögen) bestellt werden (Art. 745 Abs. 1 ZGB; hinten Nr. 1342).

1321

3. Berechtigt durch die Personaldienstbarkeit ist stets eine bestimmte Person. Sie muss jedoch nicht Eigentümerin eines bestimmten Grundstücks sein. Im Unterschied zu den Grunddienstbarkeiten gibt es bei den Personaldienstbarkeiten also kein zweites (herrschendes) Grundstück, keinen «fonds dominant» (vorne Nr. 1257).

1322

Pointiert ausgedrückt: Personaldienstbarkeiten sind jene Dienstbarkeiten, bei denen ein herrschendes Grundstück fehlt.

Personaldienstbarkeiten können sowohl zu Gunsten einer einzigen Person als auch zu Gunsten mehrerer (bestimmter) Personen errichtet werden.1

1

BGE 133 III 311 ff. (321), E. 4.2.2.

398

2. 1323

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Arten

1. Für die Personaldienstbarkeiten gilt – wie für alle anderen beschränkten dinglichen Rechte – ein Numerus clausus. Zulässig sind also nur die vom Gesetz vorgesehenen Typen, und zwar: – die Nutzniessung («l’usufruit»; Art. 745–775 ZGB; Nr. 1335 ff.); – das Wohnrecht («le droit d’habitation»; Art. 776–778 ZGB; Nr. 1354 ff.); – das Baurecht

l ZGB; Nr. 1365 ff.);

– das ZGB; Nr. 1409a ff.); – das Quellenrecht («le droit de source»; Art. 780 ZGB; Nr. 1410 ff.); sowie – die «anderen» Dienstbarkeiten («les autres servitudes»; Art. 781 ZGB; Nr. 1426 ff.). In letzter Zeit ist das Interesse namentlich von Elektrizitätswerken gestiegen, auf im Eigentum von Dritten stehenden Gebäudedächern Fotovoltaikanlagen zu erstellen und zu betreiben. Insbesondere zur Sicherstellung der Finanzierung solcher Projekte sind die Parteien einer derartigen Vereinbarung an einer dinglichen Regelung interessiert. Die sachenrechtlichen Normen geben ihnen hierfür allerdings nicht in jedem Fall die geeigneten Instrumente in die Hand.2 Um die Errichtung solcher Anlagen mit Blick auf die Energiewende zu fördern, wurde deshalb 2014 im Nationalrat eine Motion (Nr. 14.4035) eingereicht, wonach der Bundesrat beauftragt werden soll, eine Vorlage zu erarbeiten, die im Sachenrecht eine Dienstbarkeit für Solaranlagen vorsieht. Der Bundesrat beantragte in seiner Antwort vom 18. Februar 2015 die Ablehnung der Motion. 1324

2. Ein Zweifaches muss beigefügt werden: – Einerseits hat der Gesetzgeber Art. 781 ZGB inhaltlich sehr offen formuliert, so dass den Parteien eine genügend grosse Freiheit bleibt, eben auch andere Perrecht zu errichten. – Andererseits geht mit dem Typenzwang (Numerus clausus) auch eine rung einher (vgl. vorne Nr. 73).

-

Daraus (und aus Art. 776 Abs. 2 ZGB) folgt beispielsweise, dass die Parteien auch unter dem Gesichtspunkt von Art. 781 ZGB keine Personaldienstbarkeit vereinbaren können, die auf ein übertragbares und vererbliches Wohnrecht hinausläuft3 (hinten Nr. 1429). 1325

3. Die einzelnen Typen von Personaldienstbarkeiten werden nach ihrer Übertragbarkeit in zwei Kategorien eingeteilt (siehe dazu schon vorne Nr. 1213 ff.): – Nicht übertragbare (reguläre) Personaldienstbarkeiten sind die Nutzniessung und das Wohnrecht. Hier ist die Servitut untrennbar mit der Person des Berechtigten verknüpft. – Übertragbare (irreguläre) Personaldienstbarkeiten sind – unter Vorbehalt einer

2 3

Ausführlich dazu der Aufsatz von bettina hüRlimann-K auP/diana oSWald (zitiert in Nr. 1438). BGE 103 II 176 ff. (179 ff.), E. 2; 113 II 146 ff. (149), E. 3; 116 II 281 ff. (290), E. 4d; AGVE 2004, S. 489 ff. (Departement des Innern des Kantons Aargau).

399

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten

Die Servitut ist also nicht untrennbar an die Person des Berechtigten gebunden, sondern grundsätzlich übertragbar und vererblich. Die übertragbaren Personaldienstbarkeiten werden auch als «irreguläre Personaldienstbarkeiten i.w.S.» bezeichnet. Der Begriff «irreguläre Personaldienstbarkeiten i.e.S.» wird dann für die Dienstbarkeiten gemäss Art. 781 ZGB verwendet, die im Zweifel nicht übertragbar sind (Art. 781 Abs. 2 ZGB). Das Begriffspaar «regulär/irregulär» ist demnach mehrdeutig.

4. Somit ergibt sich (im Anschluss an Nr. 1216) folgendes Schema:

1326

Art. 745 – 781a und Art. 678 Abs. 2 ZGB

(reguläre) Nutzniessung Art. 745 ff. ZGB Wohnrecht Art. 776 ff. ZGB andere PDK i.S.v. Art. 781 ZGB, sofern Übertragbarkeit vereinbart (Art. 781 Abs. 2 ZGB)

3.

(irreguläre) Baurecht Art. 779 ff. ZGB Pflanzungsrecht Art. 678 Abs. 2 ZGB Quellenrecht Art. 780 ZGB andere PDK i.S.v. Art. 781 ZGB, sofern Übertragbarkeit vereinbart (Art. 781 Abs. 2 ZGB)

Zu den selbständigen und dauernden Rechten

1. Gewisse Personaldienstbarkeiten, namentlich das Baurecht, das und das Quellenrecht, können als selbständige und dauernde Rechte («les droits distincts et permanents») vereinbart werden. Dafür müssen sie folgende Voraussetzungen erfüllen (siehe dazu schon vorne Nr. 418; Art. 655 Abs. 3 ZGB und Art. 22 GBV):4

1327

– Eine Dienstbarkeit ist dann selbständig, wenn sie weder zu Gunsten eines herrschenden Grundstücks noch ausschliesslich zu Gunsten einer bestimmten Person errichtet wird (Art. 655 Abs. 3 Ziff. 1 ZGB; Art. 22 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 GBV). Grunddienstbarkeiten und unübertragbare Personaldienstbarkeiten (Nutzniessung, Wohnrecht) scheiden damit aus.

1328

4

Vgl. BGE 133 III 311 ff. (320), E. 4.2.1; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 20 ff. zu Art. 655 ZGB; homZüKomm, N 10 f. zu Art. 943 ZGB; als Beispiel für ein Quellenrecht: ZBGR 61/1980, S. 228 ff. (231), E. 1 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch). beRgeR ,

400

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Das Erfordernis der Selbständigkeit ist nicht mehr gewährleistet, wenn sich der Grundeigentümer zu jeder Veräusserung seine Zustimmung vorbehält, die er nach Gutdünken erteilen oder verweigern kann. Ein Zustimmungsvorbehalt ist hingegen mit der Selbständigkeit eines Rechts vereinbar, sofern die Genehmigung nur aus genau umschriebenen oder wichtigen Gründen verweigert werden darf bzw. unter bestimmten Bedingungen erteilt werden muss.5 Beispiel: Die Grundeigentümerin kann die Genehmigung zur Übertragung eines Baurechts verweigern, wenn würdig ist.6 1329

– Eine Dienstbarkeit ist dauernd, wenn sie auf wenigstens 30 Jahre oder auf unbestimmte Zeit begründet wird (Art. 655 Abs. 3 Ziff. 2 ZGB; Art. 22 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 GBV).

1330

2. Die selbständigen und dauernden Rechte sind zunächst einmal nichts anderes als beschränkte dingliche Rechte, die einer Person eine bestimmte Nutzung des belasteten Grundstücks erlauben (eben: Personaldienstbarkeiten). Sie können aber auf schriftliches Begehren des Berechtigten gemäss Art. 22 Abs. 1 GBV als Grundstücke in das Grundbuch aufgenommen werden (vgl. Art. 655 Abs. 2 Ziff. 2, Art. 779 Abs. 3, Art. 780 Abs. 3 und Art. 943 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB). Im Einzelnen:

1331

– Die Aufnahme eines selbständigen und dauernden Rechts als Grundstück in das Grundbuch setzt ein Mehrfaches voraus.7 Erforderlich sind: • die Eintragung einer entsprechenden Personaldienstbarkeit in das Grundbuch (auf dem Blatt des belasteten Grundstücks); • die Ausgestaltung dieser Dienstbarkeit als selbständig und dauernd (im beschriebenen Sinn; Nr. 1328 f.); • das schriftliche Begehren der zurzeit aus der Dienstbarkeit berechtigten Person, diese Dienstbarkeit sei als Grundstück in das Grundbuch aufzunehmen (Art. 22 Abs. 1 GBV).8 Der Berechtigte ist frei, ein solches Begehren zu stellen. Tut er es nicht, so bleibt sein Recht eine gewöhnliche Dienstbarkeit und erhält keinen Grundstückscharakter.

Nicht erforderlich ist demgegenüber die Zustimmung des Eigentümers des belasteten Grundstücks oder der Inhaber anderer dinglicher Rechte.9 • Beizufügen bleibt immerhin, dass auch andere Rechte als Personaldienstbarkeiten unter bestimmten Voraussetzungen als Grundstücke in das Grundbuch aufgenommen werden können, sofern sie selbständig und dauernd sind, zum Beispiel Wasserrechtsverleihungen (Art. 22 Abs. 1 lit. a Ziff. 2 und Abs. 3 GBV).10

5

6 7 8

9 10

BGE 72 I 233 ff. (236 f.), E. 2; den Entscheid referierend BGE 135 III 103 ff. (108), E. 4.1; vgl. auch ZBGR 60/1979, S. 233 ff. (Eidg. Grundbuchamt); LGVE 1989 I Nr. 7, S. 13 ff. = ZBGR 77/1996, S. 37 ff. (Luzerner Obergericht). Vgl. den Sachverhalt von BGE 135 III 103 ff. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 14 ff. zu Art. 655 ZGB; hombeRgeR, ZüKomm, N 9 ff. zu Art. 943 ZGB. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 27 zu Art. 655 ZGB; FZR 1994, S. 289 ff. (293), E. 6 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch). m eieR-h ayoz, BeKomm, N 30 zu Art. 655 ZGB; hombeRgeR, ZüKomm, N 13 zu Art. 943 ZGB. Vgl. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 45 ff. zu Art. 655 ZGB. Zu einem ehehaften Wasserrecht, das als selbständiges und dauerndes Recht ausgestaltet ist, vgl. ZBGR 87/2006, S. 310 ff. (312 f.), E. 3 (Berner Verwaltungsgericht).

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten

401

– Die Aufnahme als Grundstück geschieht alsdann durch Eröffnung eines Blattes im Hauptbuch und durch eine Grundstücksbeschreibung, wobei die Bezeichnung des belasteten Grundstücks und allenfalls die Dauer des Rechts anzugeben sind (Art. 22 Abs. 2 GBV).

1332

– Die Aufnahme als Grundstück bewirkt, dass das betreffende Recht grundsätzlich den Bestimmungen über das Grundeigentum unterliegt. Insbesondere kann es mit öffentlich beurkundetem Vertrag (Art. 216 Abs. 1 OR) verkauft oder mit Grundpfandrechten belastet werden.11

1333

Zur Verpfändung eines im Grundbuch als Grundstück aufgenommenen Baurechts, das auf einer dem BGBB unterstellten Liegenschaft lastet, vgl. hinten Nr. 1525.

Immerhin bleibt es dabei, dass solche Rechte grundsätzlich Dienstbarkeiten sind und lediglich vom Gesetz in bestimmter Hinsicht wie Liegenschaften behandelt werden.12 recht ist mit anderen Worten den Liegenschaften nicht vollkommen gleichgestellt. So kann ein selbständiges und dauerndes Baurecht beispielsweise nicht wie eine Liegenschaft derelinquiert werden mit der Folge, dass es im Grundbuch als herrenlos bezeichnet werden müsste.13

11

12 13

BGE 92 I 539 ff. (543), E. 1; BGer 2C_704/2013, E. 4.2; SteinaueR, Band II, Nr. 1514 f.; m eieRh ayoz, BeKomm, N 5 und 35 ff. zu Art. 655 ZGB. BGE 127 III 300 ff. (303), E. 5a/aa. Vgl. auch BGer 2C_704/2013, E. 4.6. BGE 118 II 115 ff.

402 1334

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

3. Somit ergibt sich (in Anlehnung an Nr. 1326) folgendes Schema:

Personaldienstbarkeiten Art. 745 – 781a ZGB

Nicht übertragbare (reguläre) PDK Nutzniessung Wohnrecht andere PDK i.S.v. Art. 781 ZGB, sofern nicht als übertragbar vereinbart

Übertragbare (irreguläre) PDK Art. 655 Abs. 3 Ziff. 1 ZGB Baurecht, Pflanzungsrecht Quellenrecht andere PDK i.S.v. Art. 781 ZGB, sofern als übertragbar vereinbart

Nicht dauernde PDK

Keine Aufnahme als Grundstück ins Grundbuch (kein Begehren des Berechtigten)

Dauernde PDK Art. 655 Abs. 3 Ziff. 2 ZGB: «auf wenigstens 30 Jahre oder auf unbestimmte Zeit begründet», somit selbständiges und dauerndes Recht

Aufnahme als Grundstück ins Grundbuch, gestützt auf ein schriftliches Begehren des Berechtigten (Art. 22 Abs. 1 und 2 GBV); vgl. dazu: Art. 779 Abs. 3 ZGB (Baurecht) Art. 780 Abs. 3 ZGB (Quellenrecht) Art. 56 SchlT ZGB Art. 655 Abs. 2 Ziff. 2 und Abs. 3, Art. 943 Abs. 1 Ziff. 2 sowie Abs. 2 ZGB

4. 1334a

Richterliche Massnahmen

Nach Art. 781a ZGB (in Kraft seit 1. Januar 2012) kommen für im Grundbuch eingetragene Berechtigte einer Personaldienstbarkeit die Bestimmungen über die richterlischriebenen Organe einer juristischen Person oder einer anderen Rechtsträgerin analog

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten

403

zur Anwendung (vgl. Art. 666a und 666b ZGB sowie vorne Nr. 870a); das Gericht kann damit insbesondere einen Vertreter ernennen (Art. 666a Abs. 2 ZGB).14

II. Die Nutzniessung Einführende Literatur: – Piotet deniS, SPR V/2, Nr. 496 ff. – Piotet Paul, SPR V/1, S. 608 ff. – R iemeR, S. 74 f. – SteinaueR, Band III, Nr. 2401 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 109 N 3 ff.

1335

Der Gesetzgeber hat die Nutzniessung («l’usufruit») in den Art. 745–775 ZGB relativ ausführlich geregelt (vgl. auch Art. 712c Abs. 2 ZGB; das BGB spricht statt von Nutzniessung in §§ 1030 ff. von Niessbrauch). Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich auf den Begriff und die Kennzeichen der Nutzniessung (1.), auf ihre Entstehung und ihren Untergang (2.) sowie auf ausgewählte Einzelfragen (3.).

1336

1.

Begriff und Kennzeichen

1. Mit dem Inhalt der Nutzniessung befasst sich in allgemeiner Form Art. 745 Abs. 2 ZGB. Die Einzelheiten werden in den Art. 755 ff. ZGB geregelt (vgl. auch den Randtitel zu Art. 755 ZGB). Aus diesen Normen ergibt sich folgende Begriffsbestimmung: Nutzniessung ist die Dienstbarkeit, die einer bestimmten Person den vollen Genuss einer Sache oder eines Rechts (Besitz, Gebrauch und Nutzung, «usus» und «fructus») verleiht, jedoch unter Wahrung der Substanz.15 Im Einzelnen:

1337

– Nutzniessung als Personaldienstbarkeit ist ein beschränktes dingliches Recht. Beteiligt sind als berechtigte Person der Nutzniesser («l’usufruitier») und als «belastete» Person der Eigentümer («le propriétaire»). Die Nutzniessung kann auch zu Gunsten mehrerer Personen errichtet werden. Im Verhältnis zwischen den einzelnen Berechtigten kommen die Bestimmungen über das Miteigentum (Art. 646 ff. ZGB; vorne Nr. 723 ff.) analog zur Anwendung, sofern zwischen den Beteiligten nicht eine gesamthänderische Gemeinschaft im Sinn von Art. 652 ZGB besteht (vorne Nr. 791 ff.).16

1338

Die französischsprachige Doktrin spricht im ersten Fall von «co-usufruit», im zweiten von «usufruit commun».17

– Art. 745 Abs. 2 ZGB hält fest, dass die Nutzniessung dem Berechtigten den vollen Genuss des Gegenstandes («un droit de jouissance complet sur la chose»)

14 15 16 17

Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5314. Ähnlich BGE 122 V 394 ff. (401), E. 6a. BGE 133 III 311 ff. (321), E. 4.2.2 mit Hinweisen auf die Lehre. BGE 133 III 311 ff. (321), E. 4.2.2.

1339

404

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

verleiht, sofern nicht etwas anderes abgemacht wird. Abs. 3 der Norm (in Kraft seit 1. Januar 2004) sieht die Möglichkeit vor, die Nutzniessung an einem Grundstück auf einen bestimmten Teil eines Gebäudes oder einen bestimmten Teil des Grundstücks zu beschränken.18 – Gemäss Art. 755 Abs. 1 ZGB hat der Nutzniesser insbesondere das Recht auf den Besitz, den Gebrauch und die Nutzung der Sache («la possession, l’usage et la jouissance de la chose»). Er entscheidet selber über die Art der Bewirtschaftung und Verwaltung der Nutzniessungsobjekte und kann die Sache ohne Zustimmung des Eigentümers vermieten19 oder einen Dritten mit der Verwaltung betrauen.20 Dem Eigentümer verbleibt also nur noch die «nuda proprietas» (das «nackte Eigentum»; vgl. auch die französische Bezeichnung des Eigentümers im Randtitel zu Art. 759 ZGB als «le nu-propriétaire»).

1340

Zum Anspruch des Nutzniessers auf natürliche Früchte und Zinse vgl. die Sonderregeln in Art. 756 f. ZGB.21

– Der Berechtigte ist nach Art. 764 Abs. 1 ZGB zur Erhaltung des Gegenstandes Verwaltung der Sache nach den Regeln einer sorgfältigen Wirtschaft (Art. 755 Abs. 2 und 3 ZGB) und trägt die Auslagen für den gewöhnlichen Unterhalt sowie die Bewirtschaftung (Art. 765 Abs. 1 ZGB); unter bestimmten Voraussetzungen muss er den Gegenstand versichern (Art. 767 ZGB). Kommt der Nutzniesser

1341

vom Gericht gestützt auf Art. 98 Abs. 1 OR ermächtigen lassen, die erforderlichen Arbeiten auf Kosten des Nutzniessers von einem Dritten vornehmen zu lassen.22 Unter gewissen Voraussetzungen ist der Nutzniesser gehalten, die Kosten der Drittvornahme vorzuschiessen.23 Der Eigentümer trägt alle Lasten, die nicht gemäss Art. 765 Abs. 1 ZGB dem Nutzniesser zufallen (vgl. Art. 765 Abs. 3 ZGB: «alle andern Lasten»). Müssen wichtigere Arbeiten oder Vorkehrungen zum Schutz des Gegenstands vorgenommen werden, hat der Nutzniesser den Eigentümer nach Art. 764 Abs. 2 ZGB zu benachrichtigen und die Vornahme zu gestatten. Der Eigentümer ist allerdings 24 Lässt er die Arbeiten ausführen, darf er – sofern der Nutzniesser ihm auf Verlangen nicht die nötigen Geldmittel unentgeltlich vorschiesst – gemäss Art. 765 Abs. 3 ZGB Gegenstände der Nutzniessung verwerten, um die Kosten zu decken. Verzichtet er darauf, tätig zu werden, räumt Art. 764 Abs. 3 ZGB dem Nutzniesser das Recht ein, sich auf Kosten des Eigentümers selbst zu helfen; in diesem Fall steht auch ihm das Verwertungsrecht zu.25

1341a

18

19 20 21 22 23 24 25

Kritisch zu dieser Regelung JüRg Schmid, ZBGR 85/2004, S. 71 ff. (72 f.); zur Frage der Aufteilung der Lasten vgl. auch a lexandRa FaRine FabbRo, L’usufruit sur une partie d’immeuble, ZBGR 84/2003, S. 75 ff. (89). BGE 113 II 121 ff. (125), E. 2b/aa; BGer 9C_599/2014, E. 4.1. LGVE 1994 I Nr. 6, S. 8 ff. (8 f.), E. 7 (Luzerner Obergericht); SimoniuS/SutteR, Band II, S. 104. Dazu SteinaueR, Band III, Nr. 2431 ff. BGE 130 III 302 ff. BGE 130 III 302 ff. (306), E. 3.4, unter Hinweis auf BGE 128 III 416 ff. BGer 5C.194/2003, E. 1, unter Hinweis auf leemann, BeKomm, N 6 zu Art. 764 ZGB. BGer 5C.194/2003, E. 1 mit Hinweisen.

405

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten

Bevor der Eigentümer Gegenstände der Nutzniessung verwerten darf, um sich die erforderlichen Mittel zu beschaffen, muss er dem Nutzniesser Gelegenheit geben, das nötige Kapital vorzuschiessen. Die Entscheidung über die Vorgehensweise liegt damit beim Nutzniesser; der Eigentümer hat keinen selbständigen Anspruch auf Bevorschussung.26

– An verbrauchbaren Sachen erhält der Nutzniesser nach Massgabe von Art. 772 27 Die Dokt28 rin spricht hier von «Quasi-Nutzniessung» («quasi-usufruit»). 2. Gemäss Art. 745 Abs. 1 ZGB kann die Nutzniessung nicht nur Grundstücke, sondern auch bewegliche Sachen, Rechte oder ein Vermögen (dazu hinten Nr. 1353) zum Gegenstand haben. Art. 859 Abs. 3 ZGB sieht als Spezialnorm die Möglichkeit vor, eine Nutzniessung an einem Register-Schuldbrief zu errichten (hinten Nr. 1841c).

1341b

1342

Wie bereits gesagt, unterscheidet sich die Nutzniessung dadurch von sämtlichen anderen Dienstbarkeiten, die immer nur Grundstücke betreffen (vgl. vorne Nr. 1321).

3. Die Nutzniessung ist eine reguläre Personaldienstbarkeit, das heisst sie ist als solche nicht übertragbar. Die Ausübung der Nutzniessung kann jedoch nach Art. 758 Abs. 1 ZGB übertragen werden, sofern es sich nicht um ein höchstpersönliches Recht handelt;29 das Recht ist namentlich dann höchstpersönlich im Sinn dieser Bestimmung, wenn die Parteien die Übertragbarkeit der Ausübung im Errichtungsakt ausgeschlossen haben.30 Die Übertragung lässt sich im Übrigen nur in obligatorischer Form vereinbaren (insbesondere durch Abschluss eines Miet- oder Pachtvertrags); die Bestellung eines dinglichen Rechts an der Nutzniessung fällt mit anderen Worten ausser Betracht.31 Die Nutzniessung ist ausserdem unvererblich; sie endet gemäss Art. 749 Abs. 1 ZGB mit dem Tod des Berechtigten (bei juristischen Perso-

1343

32

2.

Entstehung und Untergang

1. Das Gesetz regelt die Entstehung («la constitution») der Nutzniessung in Art. 746 ZGB grundsätzlich unter Hinweis auf die Vorschriften über den Erwerb von Eigentum. Auch bei der Nutzniessung ist zu unterscheiden zwischen dem Erwerbsgrund (dem Titel, auf dem der Erwerb beruht) und dem Erwerbsakt (dem Vorgang, der die Dienstbarkeit als dingliches Recht entstehen lässt):

1344

– Im Normalfall ist der Erwerbsgrund ein Rechtsgeschäft (regelmässig ein Vertrag). Für den Erwerb sowie für die Eintragung verweist Art. 746 Abs. 2 ZGB bei beweglichen Sachen und bei Grundstücken auf die Bestimmungen über das

1345

26 27 28 29 30

31 32

BGer 5C.194/2003, E. 1. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 109 N 10. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 109 N 10; SteinaueR, Band III, Nr. 2411 und 2484 ff. BGE 113 II 121 ff. (125), E. 2b/aa; BGer 4C.235/2005, E. 3.2. SteinaueR, Band III, Nr. 2438b. Die von Gesetzes wegen bestehenden höchstpersönlichen Nutzungsrechte, die ursprünglich in erster Linie angesprochen waren, spielen auf Grund von Gesetzesänderungen heute keine Rolle mehr; vgl. dazu deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 90 und 516. baumann, ZüKomm, N 8 zu Art. 758 ZGB mit Hinweisen. Vgl. auch BGE 133 III 311 ff. (321 unten), E. 4.2.2.

406

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Eigentum (vgl. Art. 714 ff. und 656 ff. ZGB), falls das Gesetz nicht etwas anderes vorsieht. Soweit also eine Nutzniessung an Grundstücken bestellt wird, ist öffentliche Beurkundung erforderlich (Art. 657 Abs. 1 ZGB). Ein Vertrag über die Vereinbarung einer Nutzniessung, die erst nach dem Tod des Eigentümers entstehen soll, bedarf der Form der Verfügung von Todes wegen.33 Die überwiegende Lehre bejaht die Möglichkeit der Errichtung einer Nutzniessung als Eigentümerdienstbarkeit (vgl. Art. 733 ZGB).34 Seit dem 1. Januar 2012 bedarf dieses Rechtsgeschäft der öffentlichen Beurkundung (vgl. Art. 732 Abs. 1 ZGB und vorne Nr. 1191).35 Bis zu diesem Datum genügte als Rechtsgrundausweis die schriftliche Anmeldung des Eigentümers beim Grundbuchamt (Art. 20 Abs. 1 aGBV). – Für die unmittelbar kraft Gesetzes entstehende Nutzniessung gelten besondere Vorschriften36 (zu den Legalservituten allgemein siehe vorne Nr. 1220 ff.).

– Art. 746 Abs. 1 ZGB verlangt in Bezug auf den Erwerbsakt für bewegliche Sachen oder Forderungen die Übertragung auf den Berechtigten.37 Bei Grundstücken ist die Eintragung des Berechtigten in das Grundbuch erforderlich; diese erfolgt auf Grund einer Anmeldung durch den Eigentümer (Art. 963 Abs. 1 ZGB). Die Nutzniessung an einem Register-Schuldbrief entsteht nach der Spezialnorm von Art. 859 Abs. 3 ZGB mit der Einschreibung (Eintragung) in das Grundbuch.

1346

Die Bestellung einer Nutzniessung an Bucheffekten kann per Kontogutschrift, durch Abschluss einer Kontrollvereinbarung oder durch Abschluss einer Vereinbarung zwischen Kontoinhaber und Verwahrungsstelle erfolgen38 (Art. 24–26 BEG und dazu hinten Nr. 1961d ff.). 1347

2. Ähnlich wie bei der Entstehung regelt das Gesetz in Art. 748 ZGB den Untergang («l’extinction») in Anlehnung an die Bestimmungen über das Eigentum. Es nennt folgende Untergangsgründe:

1348

– Nach Art. 748 Abs. 1 ZGB erlischt die Nutzniessung unmittelbar mit dem vollständigen Untergang ihres Gegenstandes, bei Grundstücken ausserdem mit der Löschung des Eintrags, sofern dieser zur Bestellung erforderlich war39 (siehe auch vorne Nr. 532). trotzdem, so ist auch die Nutzniessung wiederhergestellt. Wird für die untergegangene Sache Ersatz geleistet, besteht die Nutzniessung am Ersatzgegenstand fort (Art. 750 ZGB; Grundsatz der dinglichen Surrogation). Letzteres gilt auch bei einer Nutzniessung an einem Miteigentumsanteil, wenn das Miteigentum gestützt auf Art. 650 ZGB aufgehoben wird (vgl. dazu vorne Nr. 783). Die Nutzniessung setzt sich in diesem Fall «an demjenigen fort, was bei der Auseinandersetzung auf den Miteigentümer gefallen ist».40

– Art. 748 Abs. 2 ZGB bestimmt, dass andere Untergangsgründe, wie Zeitablauf, Verzicht oder Tod des Berechtigten, bei Grundstücken dem Eigentümer

1349

33 34

35

36 37

38 39

40

BGer vom 19. Oktober 1990, in ZBGR 76/1995, S. 243 f. (244), E. 3. SteinaueR, Band III, Nr. 2417a; baumann, ZüKomm, N 9 ff. zu Art. 745 ZGB; deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 527. A.M. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 109 N 7, Fn. 5. Vgl. auch deniS Piotet dieses Lehrbuchs. Vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 2425 ff. Zu Einzelheiten des Erwerbsaktes bei Forderungen oder Vermögen vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 2421 ff. Botschaft zum FinfraG, S. 7622. Zum Verzicht auf eine Nutzniessung vgl. LGVE 1996 I Nr. 14, S. 23 ff. (24), E. 3 (Luzerner Obergericht). BGer 5A_174/2015, E. 4 und 5.4.

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten

407

lediglich einen Anspruch auf Löschung des Eintrags geben. Die Bestimmung ist insofern missverständlich, als diese Gründe materiellrechtlich regelmässig zum Untergang der Nutzniessung führen; die Löschung im Grundbuch hat deshalb nur deklaratorische Wirkung.41 Wurde die Nutzniessung zu Gunsten mehrerer Personen errichtet und stirbt einer der Berechtigten, wächst sein Anteil den Verbleibenden an. Die Nutzniessung erlischt erst mit dem Tod des letzten Nutzniessers (sofern nicht vorher ein anderer Untergangsgrund eintritt).42 Zur Höchstdauer von 100 Jahren bei juristischen Personen siehe Art. 749 Abs. 2 ZGB. – Gemäss Art. 748 Abs. 3 ZGB hört sodann die gesetzliche Nutzniessung mit dem Wegfall ihres Grundes auf. Diese Norm ist allerdings praktisch bedeutungslos.43

Die Beendigung der Nutzniessung hat verschiedene Folgen:44 So muss der Berechtigte gemäss Art. 751 ZGB die Sache dem Eigentümer zurückgeben. Sofern er sich nicht exkulpieren kann, haftet er nach Art. 752 ZGB für den Minderwert, der durch nicht ordnungsgemässen Gebrauch eingetreten ist, sowie für den Untergang der Sache. Er hat nach Art. 753 ZGB im Umfang eines Geschäftsführers ohne Auftrag Anspruch auf Ersatz von Verwendungen oder Neuerungen, zu denen er nicht men, für die der Eigentümer keinen Ersatz leisten will, muss aber den vorherigen Stand wiederherstellen.45

3.

1350

Einzelfragen

1. Das Gesetz räumt dem Eigentümer in den Art. 759 ff. ZGB verschiedene Aufsichtsund Sicherstellungsbehelfe ein. So kann er etwa nach Art. 759 ZGB gegen jeden widerrechtlichen oder der Sache nicht angemessenen Gebrauch Einspruch erheben. Weist er eine Gefährdung seiner Rechte nach, ist er gemäss Art. 760 Abs. 1 ZGB befugt, vom Nutzniesser Sicherheit zu verlangen. Leistet der Nutzniesser die Sicherheit nicht innert Frist oder lässt er trotz des Einspruchs des Eigentümers nicht vom widerrechtlichen Gebrauch der Sache ab, entzieht ihm das Gericht nach Art. 762 ZGB den Besitz des Gegenstands bis auf Weiteres und ordnet eine Beistandschaft an.46

1351

2. Das ZGB enthält ausserdem für bestimmte Arten von Nutzniessungen verschiedene Sonderregeln,47 und zwar in Bezug auf:

1352

– Grundstücke, insbesondere auch Wälder und Bergwerke (Art. 768 ff. ZGB);

41 42 43 44 45 46

47

mülleR, BaKomm, N 3 zu Art. 748 ZGB mit Hinweisen. BGE 133 III 311 ff. (321 f.), E. 4.2.2. Vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 2469c. Vgl. auch BGE 130 III 302 ff. (305), E. 3.3. Einzelheiten zu den Folgen der Beendigung bei SteinaueR, Band III, Nr. 2470 ff. Vgl. dazu aus der Praxis etwa PKG 2007, S. 71 ff. (Kantonsgerichtspräsidium Graubünden). Einzelheiten zum Schutz des Eigentümers bei SteinaueR, Band III, Nr. 2452 ff. Dazu tuoR /SchnydeR /Schmid, § 109 N 9 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2479 ff. Zu den geschätzten Sachen vgl. ausserdem michel mooSeR, L’usufruit de disposition immobilier, ZBGR 95/2014, S. 299 ff.

408

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

– verbrauchbare und geschätzte Sachen (Art. 772 ZGB); sowie – Forderungen (Art. 773 ff. ZGB). 1353

3. Gemäss Art. 745 Abs. 1 ZGB kann eine Nutzniessung auch an einem Vermögen bestellt werden (vgl. ausserdem Art. 766 ZGB). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das Vermögen keine (objektive) Einheit im sachenrechtlichen Sinn darstellt; Gegenstand der Nutzniessung sind – entsprechend dem Spezialitätsprinzip (vorne Nr. 70) – daher die einzelnen Sachen und Rechte, aus denen sich das Vermögen zusammensetzt.48 Das Vermögen als Einheit spielt jedoch eine Rolle, wenn der Eigentümer zum Zeitpunkt der Errichtung der Nutzniessung mit Schulden belastet ist; das Nutzungsrecht besteht dann nur am Nettovermögen.49

1353a

4. Hauptanwendungsfall in der Praxis ist die Nutzniessung zu Gunsten des überlebenden Ehegatten (vgl. Art. 473, 612a Abs. 2, Art. 219 Abs. 1 und Art. 244 Abs. 2 ZGB sowie Art. 11 Abs. 3 BGBB); sie hat also in erster Linie Versorgungscharakter.50

III. Das Wohnrecht 1354

Einführende Literatur: – Piotet deniS, SPR V/2, Nr. 698 ff. – Piotet Paul, SPR v/1, S. 642 ff. – R iemeR, S. 75 ff. – SteinaueR, Band III, Nr. 2496 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 109 N 25 ff.

1. 1355

Begriff und Kennzeichen

1. Das Gesetz regelt das Wohnrecht («le droit d’habitation») in den Art. 776–778 ZGB (vgl. auch Art. 712c Abs. 2 ZGB). Gemäss Art. 776 Abs. 1 ZGB ist das Wohnrecht die dingliche Befugnis, in einem Gebäude oder in einem Teil eines solchen Wohnung zu nehmen («le droit de demeurer dans une maison ou d’en occuper une partie»). Das Wohnrecht steht der Nutzniessung relativ nahe; soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, kommen daher nach Art. 776 Abs. 3 ZGB die Bestimmungen über die Nutzniessung zur Anwendung.51 Immerhin bestehen doch wesentliche Unterschiede:

48

49 50

51

BGE 86 II 451 ff. (460), E. 6; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 109 N 13; SteinaueR, Band III, Nr. 2493; Einzelheiten bei baumann, ZüKomm, N 6 ff. zu Art. 766 ZGB. Vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 2494 f. baumann, ZüKomm, Vorbem. vor Art. 745–778 ZGB, N 63 ff. und 70. Ausführlich dazu a lexandRa Rumo -Jungo, Nutzniessung in der Erbteilung, successio 2011, S. 5 ff. Zum Umfang dieser Verweisung siehe baumann, ZüKomm, N 33 ff. zu Art. 776 ZGB.

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten

409

– Ein Wohnrecht kann nur zu Lasten eines Grundstücks (nicht zu Lasten beweglicher Sachen) eingeräumt werden (anders für die Nutzniessung Art. 745 Abs. 1 ZGB; vorne Nr. 1342).

1356

– Das Wohnrecht vermittelt dem Berechtigten lediglich eine beschränkte Nutzung, nämlich nur die Befugnis, in einem Gebäude oder einem Teil davon zu wohnen. Dagegen verleiht die Nutzniessung dem Berechtigten wie gesagt grundsätzlich den vollen Genuss der Sache (Art. 745 Abs. 2 und Art. 755 Abs. 1 ZGB).

1357

– Das Wohnrecht ist nach der zwingenden Vorschrift von Art. 776 Abs. 2 ZGB strikt unübertragbar und unvererblich; es stellt also eine reguläre (ja sogar höchstpersönliche) Personaldienstbarkeit dar. Im Gegensatz zur Nutzniessung (vorne Nr. 1343) kann nicht einmal die Ausübung eines Wohnrechts auf einen Dritten übertragen werden; das Recht, die Wohnung zu vermieten, kann der Eigentümer dem Berechtigten nur mit obligatorischer Wirkung einräumen.52 Ebenso wenig ist nach der Rechtsprechung die Errichtung einer dem Wohnrecht angenäherten irregulären Personaldienstbarkeit im Sinn von Art. 781 ZGB zulässig53 kann daher nur in Form von Stockwerkeigentum begründet werden.54

1358

Auf Grund der höchstpersönlichen Natur des Wohnrechts ist eine Errichtung zu Gunsten juristischer Personen nicht möglich; berechtigt ist somit notwendigerweise eine natürliche Person.55 – Aus der Unübertragbarkeit folgt, dass das Wohnrecht auch nicht pfändbar ist.56

2. Inhalt und Umfang des Wohnrechts bemessen sich gemäss Art. 777 Abs. 1 ZGB im Allgemeinen anhand der persönlichen Bedürfnisse des Berechtigten. Nach Abs. 2 der Bestimmung darf der Berechtigte aber im Zweifelsfall seine Familienangehörigen57 und Hausgenossen zu sich nehmen, deren Bedürfnisse dann ebenfalls zu berücksichtigen sind. Dies schliesst auch die gelegentliche Beherbergung von Gästen ein, nicht aber die Aufnahme von Pensionären.58 Ist das Wohnrecht auf einen Teil des Gebäudes beschränkt, so kann der Berechtigte nach Art. 777 Abs. 3 ZGB die zum gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmten Einrichtungen (wie etwa Treppenhaus, Waschküche, Aufzug etc.) mitbenutzen.

2.

Entstehung und Untergang

Entstehung und Untergang werden im Rahmen der Bestimmungen über das Wohnrecht nicht speziell geregelt; nach Art. 776 Abs. 3 ZGB kommen demzufolge die Vorschriften über die Nutzniessung zur Anwendung (vorne Nr. 1344 ff.). Für die Entstehung durch Vertrag ist also die öffentliche Beurkundung und die Eintragung in das Grundbuch erforderlich.

52

53 54 55 56 57 58

1359

BGE 116 II 281 ff. (289), E. 4c; baumann, ZüKomm, N 27 ff. zu Art. 776 ZGB. Vgl. auch BGer 5A_57/2007, E. 3.2.2; 9C_599/2014, E. 4.1.1. BGE 113 II 146 ff. (149), E. 3; vgl. auch SteinaueR, Band III, Nr. 2498. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 109 N 29. BGE 116 II 281 ff. (289), E. 4c; SteinaueR, Band III, Nr. 2498. Vgl. dazu baumann, ZüKomm, N 32 zu Art. 776 ZGB. BGer 5A_710/2013, E. 4.1. Paul Piotet, SPR V/1, S. 644.

1360

410

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Nach Art. 121 Abs. 3 ZGB kann das Gericht einem Ehegatten im Fall der Scheidung ein befristetes 59 – Zur Zulässigkeit der Eintragung eines resolutiv bedingten Wohnrechts in das Grundbuch vgl. vorne Nr. 1273. Ob ein Wohnrecht vorzeitig abgelöst werden kann, wenn die Verhältnisse für den Eigentümer unzumutbar geworden sind, ist in der Lehre umstritten.60 – Die überwiegende Lehre und die Rechtsprechung bejahen zu Recht die Möglichkeit der Errichtung eines Eigentümerwohnrechts.61

3.

Einzelfragen

1361

1. Gemäss Art. 778 ZGB muss der Wohnberechtigte die Lasten des gewöhnlichen Unterhalts tragen, sofern ihm ein ausschliessliches Wohnrecht zusteht (Abs. 1).62 Hat er nur ein Mitbenutzungsrecht, fallen die Unterhaltskosten dem Eigentümer an (Abs. 2). Die Bestimmung kommt allerdings nur zum Tragen, wenn die Parteien nicht etwas anderes vereinbart haben.63

1362

2. Da das ZGB dem Wohnrecht nur wenige Bestimmungen widmet, stellt sich allgemein das Problem der Rechtsanwendung. Anerkannt ist, dass sich auf das Wohnrecht Vorschriften anderer Institute analog anwenden lassen:

1363

– In Betracht kommen zunächst gewisse Bestimmungen über die Grunddienstbarkeiten. So ist namentlich Art. 737 Abs. 3 ZGB zu beachten, wonach der Belastete nichts tun darf, was die Ausübung der Dienstbarkeit verhindert oder erschwert (vgl. vorne Nr. 1288).

1364

– Sodann ist das Mietrecht zu berücksichtigen; Miete und Wohnrecht unterscheiden sich nämlich hauptsächlich dadurch, dass Erstere auf einem obligatorischen, Letzteres auf einem dinglichen Rechtsverhältnis beruht.64 des Mietverhältnisses oder zur Anfechtung eines missbräuchlichen Mietzinses, nicht anwendbar.65

1364a

3. Beim Wohnrecht steht (noch deutlicher als bei der Nutzniessung) der Versorgungszweck im Vordergrund, geht es doch um die Befriedigung eines menschli-

59

60

61

62 63 64

65

Vgl. dazu bettina deillon-Schegg, Die gerichtliche Zusprechung eines dinglichen Wohnrechts an der «Wohnung der Familie» nach dem revidierten Scheidungsrecht, recht 2000, S. 14 ff.; PatRicK blaSeR /m aRyam KohleR-vaudaux, Le sort du logement de la famille et du logement commun en cas de désunion, FamPra.ch 2009, S. 339 ff. (351 und 358 ff.). Befürwortend etwa baumann, ZüKomm, N 21 f. zu Art. 776 ZGB; ablehnend zum Beispiel Wieland, ZüKomm, N 2 zu Art. 776 ZGB. Das Bundesgericht hat die Frage in BGer 5C.33/2002, E. 3a, offengelassen. Vgl. etwa michel mooSeR, Diss. (zitiert in Nr. 1438), S. 159 f.; liveR, ZüKomm, N 41 f. zu Art. 733 ZGB; WeRmelingeR, ComRom, N 11 zu Art. 776 ZGB; ZBJV 151/2015, S. 613 ff. (614 f.), E. 4.3 = ZBGR 96/2015, S. 228 ff. (Obergericht Luzern). BGer 5A_710/2013, E. 4.2. BGE 52 II 124 ff. (132), E. 2; vgl. dazu auch BGE 115 II 344 ff. Vgl. zum Ganzen BGE 88 II 331 ff. (339 f.), E. 6. Zur rechtlichen Besserstellung des Mieters gegenüber dem Wohnrechtsberechtigten im Rahmen eines Doppelaufrufs vgl. etwa hüRlimann-K auP, Grundfragen, Nr. 894. Vgl. auch mooSeR, BaKomm, N 18 zu Art. 776 ZGB.

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten

411

den Ehegatten eingeräumt, damit ihm die gemeinsame Wohnung erhalten bleibt (vgl. Art. 219 Abs. 1, Art. 244 Abs. 2 und Art. 612a Abs. 2 ZGB sowie Art. 11 Abs. 3 BGBB).66

IV. Das Baurecht Einführende Literatur: – mooSeR michel

– – – – –

Basel 2011, S. 1 ff. Piotet deniS, SPR V/2, Nr. 374 ff. Piotet Paul, SPR v/1, S. 594 ff. R iemeR, S. 77 ff. SteinaueR, Band III, Nr. 2513 ff. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 109 N 31 ff.

Weitere wichtige Literatur: – bachmann dominiK, Verfügungsbeschränkungen bei gebuchten selbständigen und dauernden Rechten, insbesondere Baurechten, Zürcher Diss., Bern 1993 (ASR Heft 552). – balliF alban droits personnels annotés, Lausanner Diss., Zürich 2004. – eggen geRhaRd, Das Bundesgesetz vom 19. März 1965 über das Baurecht und den Grundstückverkehr, ZBGR 46/1965, S. 269 ff. – Foëx bénédict d’actualités, Basel/Neuenburg 2016, S. 23 ff. – deRSelbe

– – –



66

Genf/Zürich/Basel 2011, S. 49 ff. FReimülleR hanS-ulRich, Die Stellung der Baurechtsdienstbarkeit im System der dinglichen Rechte, Diss. Bern 1967 (ASR Heft 380). FRiedRich hanS-PeteR, Die Neuordnung des Baurechtes im Zivilgesetzbuch, BJM 1966, S. 1 ff. henggeleR benno, Die Beendigung der Baurechtsdienstbarkeit infolge Zeitablaufs und der vorzeitige Heimfall (Art. 779c ff. ZGB), Freiburger Diss., Zürich/Basel/ Genf 2005 (AISUF Band 235). iSleR PeteR, Der Baurechtsvertrag und seine Ausgestaltung, Diss. Bern 1973 (ASR Heft 423).

baumann, ZüKomm, Vorbem. vor Art. 745–778 ZGB, N 70, und Vorbem. vor Art. 776–778 ZGB, N 3.

1365

412

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

– iSleR PeteR R./SchilteR-heubeRgeR evelyn, Der funktionale Ansatz im Sachenrecht, dargestellt anhand des Baurechts, in: Honsell Heinrich et al. (Hrsg.), Liber amicorum Nedim Peter Vogt – Privatrecht als kulturelles Erbe, Basel 2012, S. 161 ff. – mülleR viKtoR, Der Baurechtszins und seine grundpfandrechtliche Sicherung, Diss. Zürich 1968. – PRadeRvand-K eRnen maRySe par étages: la prise de décisions, AJP 2016, S. 1290 ff. – dieSelbe

– –

– – –







d’actualités, Basel/Neuenburg 2016, S. 87 ff. dieSelbe Diss., Zürich/Basel/Genf 2007 (AISUF Band 265). R iemeR hanS michael, Das Baurecht (Baurechtsdienstbarkeit) des Zivilgesetzbuches und seine Behandlung im Steuerrecht, Diss. Zürich 1968 (zitiert: R iemeR, Das Baurecht). Ruedin Roland Schmid JüRg, Ausgewählte Fragen zum Baurecht, Unterbaurecht und zum Überbaurecht, ZBGR 79/1998, S. 289 ff. SPycheR StePhan, Errichtung und Verlängerung des Baurechts, in: Wolf Stephan (Hrsg.), Dienstbarkeiten im Wandel – von «Weg und Steg» zum Energie-Contracting, Bern 2014 (INR 16), S. 85 ff. SteinaueR Paul-henRi tiques et d’actualités, Basel/Neuenburg 2016, S. 121 ff. (zitiert: SteinaueR deRSelbe, Aktuelle Themen zur Notariatspraxis, 2. Schweizerischer Notarenkongress, Muri bei Bern 2013, S. 129 ff. (zitiert: SteinaueR, contrat). deRSelbe

S. 67 ff. – WeRmelingeR a médéo, Neues und Altes zum Baurecht, in: Schmid Jürg (Hrsg.), Die Dienstbarkeiten und das neue Schuldbriefrecht, Einblick in die Revision des Immobiliarsachenrechts – Les servitudes et les cédules hypothécaires à la lumière des nouvelles dispositions du Code civil …, Zürich/Basel/Genf 2012, S. 139 ff. 1366

Art. 674– 676 (vgl. vorne Nr. 896 ff.) und 779–779l ZGB. Vereinzelte weitere Normen (etwa Art. 655 Abs. 2 Ziff. 2, Art. 943 Abs. 1 Ziff. 2 und Art. 682 Abs. 2 ZGB; Art. 22, 76, 118 und 120 GBV) sind ebenfalls von Bedeutung. Ursprünglich enthielt das ZGB bei den Dienstbarkeiten nur eine einzige Bestimmung zum Baurecht (Art. 779 ZGB a.F.). Nach dem ersten Weltkrieg kam indessen dieses Rechtsinstitut vermehrt zum Einsatz, einerseits bei privaten Grundeigentümern, andererseits bei der öffentlichen Hand als Mittel der Bodenreservepolitik.67 Die bisherige gesetzliche Regelung erwies sich als ungenügend.68 Durch das BG

67 68

Vgl. zum Beispiel h anS michael R iemeR, Das Baurecht (zitiert in Nr. 1365), S. 9 ff. Vgl. etwa h anS michael R iemeR, Das Baurecht (zitiert in Nr. 1365), S. 51 ff.

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten

413

über die Änderung der Vorschriften des Zivilgesetzbuches und des Obligationenrechtes betreffend das Baurecht und den Grundstückverkehr vom 19. März 1965 wurden die Art. 779a–779l ZGB eingefügt, in Kraft seit 1. Juli 1965.69 Mit der Revision des Immobiliarsachenrechts vom 11. Dezember 2009 (in Kraft seit 1. Januar 2012) wurden Art. 779a und 779b ZGB abgeändert sowie Art. 779e ZGB aufgehoben.70

Die folgende Darstellung befasst sich mit dem Begriff und den Arten des Baurechts (1.), dem Objekt der Belastung (2.), dem Inhalt des Baurechts (3.), der Entstehung, der Übertragung und dem Untergang (4.), dem Baurechtszins (5.) sowie mit ausgewählten Einzelfragen (6.).

1.

Begriff und Arten

A.

Der Begriff

Nach Art. 779 Abs. 1 ZGB ist ein Baurecht die Dienstbarkeit, welche einer Person (oder mehreren Personen)71 das dingliche Recht gibt, auf oder unter einer im fremden («le droit d’avoir ou de faire des constructions soit sur le fonds grevé, soit au-dessous»). Im Einzelnen:

1367

1. Das (gültig zustande gekommene) Baurecht bewirkt nach Art. 675 Abs. 1 ZGB, dass Bauwerkeigentümer und Bodeneigentümer nicht identisch sind: Eigentümer

1368

Baurechts. Das Akzessionsprinzip (Art. 667 und 671 ZGB; vorne Nr. 888 ff.) wird mit anderen Worten durchbrochen.72 Der Bauberechtigte nimmt demnach eine Doppelstellung ein:73 – Er ist einerseits Dienstbarkeitsberechtigter mit Bezug auf das Baugrundstück. Die für Dienstbarkeiten geltenden allgemeinen Regeln sind anwendbar; namentlich haben die vor Bestellung des Baurechts auf dem Grundstück errichteten beschränkten dinglichen Rechte grundsätzlich den Vorrang vor dem Baurecht (Prinzip der Alterspriorität; allgemein vorne Nr. 1169 ff.).74

1369

– Er ist andererseits Eigentümer des kraft des Baurechts errichteten Bauwerks und verfügt damit «über die Rechtsbehelfe des Eigentümers, mit Einschluss derjenigen aus Besitz … Dem Bauberechtigten steht namentlich die Befugnis zu, das Bauwerk zu erneuern, d.h. gänzlich abzutragen und neu aufzubauen».75 Er

1370

namentlich den Schranken des Grundeigentums nach Art. 684 ff. ZGB, der Ver-

69

70 71 72 73 74 75

AS 1965, S. 445 ff.; zur Neuerung vgl. insbesondere die bundesrätliche Botschaft zum Baurecht (BBl 1963 I, S. 969 ff.) und Paul Piotet, SPR V/1, S. 597 ff. Zum intertemporalen Recht siehe h anSPeteR FRiedRich (zitiert in Nr. 1365), S. 25 f.; PeteR iSleR (zitiert in Nr. 1365), S. 164 ff.; ludovic chabod AS 2011, S. 4641. BGE 133 III 311 ff. (321), E. 4.2.2. BGE 133 III 311 ff. (315 f.), E. 3.2.1; 111 II 134 ff. (139 oben), E. 2; 89 I 253 ff. (268), E. 12a. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 13 ff. zu Art. 675 ZGB. Vgl. auch BGer 5A_239/2015, E. 4. BGE 85 II 474 ff. (488), E. 6; leemann, BeKomm, N 34 zu Art. 779 ZGB. BGE 111 II 134 ff. (139), E. 3.

414

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

antwortlichkeit des Grundeigentümers nach Art. 679 ZGB und der Haftung des Werkeigentümers nach Art. 58 OR unterworfen76 (vgl. dazu auch vorne Nr. 952 ff.). Das Eigentum an der Baute ist untrennbar mit der Dienstbarkeit verbunden, teilt also «notwendigerweise das rechtliche Schicksal dieses beschränkten dinglichen Rechts am Boden».77 Der Eigentümer des belasteten Grundstücks kann deshalb nur (Mit-)Eigentümer der Baute sein, wenn er gleichzeitig (Mit-)Inhaber des Baurechts ist.78 1370a

2. Zu klären bleibt die Frage, was unter einem Bauwerk im Sinn von Art. 779 Abs. 1 ZGB zu verstehen ist. Art. 675 Abs. 1 ZGB erwähnt neben den Bauwerken auch «andere Vorrichtungen» («autres ouvrages») und verlangt, dass diese Bauten «auf fremdem Boden eingegraben, aufgemauert oder sonstwie dauernd auf oder unter Gebäude oder gebäudeähnliche Werke, sondern zum Beispiel auch Mauern, Treppenanlagen und Leitungen als Bauwerke.79 Hingegen fallen nach überwiegender Lehre und nach der Rechtsprechung blosse Umgestaltungen des Bodens (zum Beispiel Strassen und Plätze) nicht unter den Begriff, weshalb für sie kein Baurecht errichtet werden kann.80 Auch für Fahrnisbauten im Sinn von Art. 677 ZGB (vorne Nr. 905) ist die Errichtung eines Baurechts unzulässig, weil es an der in Art. 675 Abs. 1 ZGB geforderten dauernden Verbindung mit dem Boden 81

B.

Die Arten

1371

Die Baurechte lassen sich nach verschiedenen Kriterien gliedern:

1372

1. Nach der Beziehung von Baute und belastetem Grundstück sind zu unterscheiden: – das gewöhnliche Baurecht (Art. 675 und 779 ff. ZGB), von dem hier hauptsächlich die Rede sein wird; – das Überbaurecht bei überragenden Bauten (also bei solchen, die nur teilweise auf fremdem Boden stehen; Art. 674 ZGB); – das Leitungsbaurecht bei Leitungen (Art. 676 ZGB).

76

77 78 79 80

81

Vgl. etwa BGE 132 III 689 ff. (692 f.), E. 2.2.1 mit Hinweisen; leemann, BeKomm, N 63 f. zu Art. 779 ZGB; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 15 zu Art. 675 ZGB. m eieR-h ayoz, BeKomm, N 10 zu Art. 675 ZGB. Vgl. auch BGE 133 III 311 ff. (318), E. 3.4.1. BGE 133 III 311 ff. (318), E. 3.4.1. Vgl. etwa JüRg Schmid (zitiert in Nr. 1365), S. 291 f.; h aab, ZüKomm, N 14 zu Art. 667 ZGB. h aab, ZüKomm, N 14 zu Art. 667 ZGB; iSleR /gRoSS, BaKomm, N 17 zu Art. 779 ZGB; balliF, ComRom, N 28 zu Art. 779 ZGB; JüRg Schmid (zitiert in Nr. 1365), S. 292; JöRg Schmid (zitiert in Nr. 1316), S. 23; BGE 98 II 191 ff. (195), E. 2 (mit Bezug auf eine Strasse). A.M. liveR, ZüKomm, N 37 f. zu Art. 743 ZGB (mit Bezug auf Strassen). BGE 98 II 199 ff. (202 f.), E. 3; 92 II 227 ff. (234), E. 2d; h aab, ZüKomm, N 5 zu Art. 675 ZGB; iSleR /gRoSS, BaKomm, N 13 zu Art. 779 ZGB; balliF, ComRom, N 29 zu Art. 779 ZGB; SteinaueR, Band II, Nr. 1635b; A.M. etwa leemann, BeKomm, N 9 zu Art. 779 ZGB.

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten

415

Während die Lehre ganz überwiegend davon ausgeht, dass es sich bei den Dienstbarkeiten nach Art. 676 Abs. 2 ZGB um eine spezielle Art von Baurechten handelt,82 scheint die Praxis anhand des mit der Dienstbarkeit im Einzelfall verfolgten Zwecks darüber zu entscheiden, ob ein Baurecht oder eine Dienstbarkeit nach Art. 781 ZGB (hinten Nr. 1426 ff.) vorliegt.83 Nach der hier vertretenen Ansicht steht es den Parteien zwar frei, hinsichtlich einer Leitung eine Dienstbarkeit nach Art. 781 ZGB zu vereinbaren. In diesem Fall verbleibt das Eigentum an der Leitung aber beim Grundeigentümer; es ist mit anderen Worten nicht möglich, die Leitung zusammen mit dem Werk zu veräussern oder zu verpfänden, wie Art. 676 Abs. 1 ZGB es vorsieht84 (dazu vorne Nr. 902).

2. Nach der Kerngliederung des Dienstbarkeitsrechts lassen sich sodann – auch bei den Baurechten – Grunddienstbarkeiten und Personaldienstbarkeiten trennen:85

1373

– Im vorliegenden Zusammenhang wird das als Personaldienstbarkeit errichtete Baurecht behandelt. – Das Baurecht kann aber auch als Grunddienstbarkeit (also zu Gunsten des Eigentümers eines bestimmten herrschenden Grundstücks) im Sinn der Art. 730 ff. ZGB bestellt werden86 (vorne Nr. 1274). Steht die Baute nur zum Teil auf fremdem Boden, so ist ein Überbaurecht im Sinn von Art. 674 Abs. 1 und 2 ZGB (vorne Nr. 898) aktuell. Dieses kann nur als Grunddienstbarkeit bestellt werLeitungsbaurechte nach Art. 676 ZGB können nur als Personaldienstbarkeiten errichtet werden.87

3. Baurechte lassen sich sodann danach gliedern, ob sie selbständig und dauernd sind oder nicht, ferner (wenn Ersteres der Fall ist) danach, ob sie als Grundstück in das Grundbuch aufgenommen sind oder nicht (vgl. zum Ganzen vorne Nr. 1327 ff.): – Das Baurecht als Personalservitut ist entweder selbständig (das heisst, es besteht nicht ausschliesslich zu Gunsten einer bestimmten Person) oder unselbständig. Wird das Baurecht zu Gunsten mehrerer Personen errichtet, steht es den Parteien frei, die Berechtigung eines der Beteiligten als übertragbar, diejenige eines anderen als unübertragbar auszugestalten.88 – Als Grunddienstbarkeiten ausgestaltete Baurechte sind immer an das herrschende Grundstück gebunden und folglich zum Vornherein unselbständig (vgl. auch Art. 655 Abs. 3 Ziff. 1 ZGB).

– Das Baurecht kann ausserdem als dauerndes Recht begründet werden (das heisst wenigstens auf 30 Jahre oder auf unbestimmte Zeit). Beträgt die Dauer weniger als 30 Jahre, so spricht man von einem einfachen Baurecht.

82

83

84

85 86 87 88

Vgl. etwa h aab, ZüKomm, N 8 zu Art. 676 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2514; Paul Piotet, SPR V/1, S. 597; bettina hüRlimann-K auP (zitiert in Nr. 910), S. 71 ff. Siehe auch BGE 97 II 37 ff. (40), E. 3 = Pra 60/1971, Nr. 196, S. 637 ff. A.M. immerhin liSe FavRe (zitiert in Nr. 910), S. 250 ff.; benno h enggeleR (zitiert in Nr. 1365), S. 26 f. BN 69/2008, S. 315, Nr. 25 (Berner Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion); vgl. auch (allerdings ohne Begründung) ZBGR 63/1982, S. 279 ff. (280), E. 1 (Kantonsgericht Graubünden) sowie RJJ 2009, S. 310 ff. (316 f.), E. 5.2 (jurassisches Kantonsgericht). bettina hüRlimann-K auP (zitiert in Nr. 910), S. 76. Zur Frage, inwieweit öffentlich-rechtliche NordieSelbe , a.a.O., S. 85 ff. Vgl. auch BGE 133 III 311 ff. (316), E. 3.2.1. BGE 88 II 331 ff. (339), E. 6. bettina hüRlimann-K auP BGE 133 III 311 ff. (322), E. 4.2.3 und 4.3.1.

1374

416

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Nach Art. 779l Abs. 1 ZGB kann das Baurecht als selbständiges Recht auf höchstens 100 Jahre begründet werden. Den Parteien steht es frei, während der Baurechtsdauer in einer öffentlichen Urkunde eine Verlängerung des Baurechts um höchstens 100 Jahre zu vereinbaren; erfolgt die Eintragung in das Grundbuch vor Ablauf der ursprünglich vereinbarten Zeitdauer, behält das Baurecht seinen bisherigen Rang bei.89 Gesetz hingegen in Art. 779l Abs. 2 ZGB für unverbindlich.

In der Praxis ist das Baurecht regelmässig selbständig und dauernd; in diesem Fall kann es (muss aber nicht) als Grundstück in das Grundbuch aufgenommen werden (Art. 779 Abs. 3, Art. 655 Abs. 2 Ziff. 2 und Art. 943 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB sowie Art. 22 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 und Abs. 2 GBV; vorne Nr. 1330 ff.).90 Die Aufnahme in das Grundbuch hat insbesondere zur Folge, dass das Baurecht grundsätzlich wie eine Liegenschaft behandelt wird und namentlich mit öffentlich beurkundetem Vertrag verkauft sowie mit Grundpfandrechten belastet werden kann (vorne Nr. 1333).91

1375

2.

Das Objekt der Belastung

1376

Objekt, auf dem die Baurechtsdienstbarkeit lastet, ist stets ein Grundstück (Art. 779 Abs. 1 ZGB). Das Baurecht kann, muss aber nicht die Inanspruchnahme der gan92 (Art. 779b Abs. 1 ZGB; vgl. auch Art. 682

1377

1. Art. 675 Abs. 2 ZGB schliesst die Bestellung eines Baurechts an einzelnen Stockwerken eines Gebäudes aus. Generell ist die Begründung an Teilen von Gebäuden nicht gestattet.93 Aus der Befugnis des Bauberechtigten, das Bauwerk (das ja in seinem Eigentum steht) zu erneuern, das heisst auch gänzlich abzutragen und neu aufzubauen, folgt gemäss Bundesgericht, «dass die Begründung eines Baurechts ein bestimmtes Mass an baulicher und funktioneller Eigenständigkeit des Bauwerks voraussetzt; Bestand und Gebrauch dürfen nicht von einer andern Baute und deren Eigentümer in dem Sinne abhängig sein, dass der Abbruch des Bauwerks notwendigerweise den Einsturz des Nachbarobjektes zur Folge hätte bzw. ohne Einwilligung des Nachbarn nicht durchgeführt werden könnte»94.

89

90 91 92

93 94

Ausführlich zur Verlängerung des Baurechts StePhan SPycheR (zitiert in Nr. 1365), S. 124 ff.; SteinaueR Fall, dass das als Grundstück im Grundbuch eingetragene selbständige und dauernde Baurecht die Grundlage für die Errichtung von Stockwerkeigentum bildet, vgl. die Ausführungen von a médéo WeRmelingeR, Verlängerung (zitiert in Nr. 1069). Vgl. auch BGE 133 III 311 ff. (320), E. 4.2.1. Vgl. dazu im Einzelnen leemann, BeKomm, N 75 ff. zu Art. 779 ZGB. BGE 133 III 311 ff. (316), E. 3.2.1; Botschaft zum Baurecht, BBl 1963 I, S. 969 ff. (985); leemann, BeKomm, N 18 und 40 zu Art. 779 ZGB; ZBGR 90/2009, S. 124 ff. (126), E. 3a (Kantonsgericht Graubünden). m eieR-h ayoz, BeKomm, N 18 f. zu Art. 675 ZGB. BGE 111 II 134 ff. (139), E. 3; vgl. auch JüRg Schmid (zitiert in Nr. 1365), S. 294 ff.; iSleR /gRoSS, BaKomm, N 15 zu Art. 779 ZGB.

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten

417

Beispiele: a. Unzulässigkeit eines Baurechts an der Hälfte einer Doppelgarage, die baulich und funktionell ein einheitliches Bauwerk bildet.95 – b. Unzulässigkeit eines Baurechts an einem Schutzraum, der baulich in eine Tiefgarage integriert ist.96

2. «Grundstück» und damit taugliches Belastungsobjekt ist auch ein als Grundstück in das Grundbuch aufgenommenes selbständiges und dauerndes Recht (Art. 655 Abs. 2 Ziff. 2 und Art. 943 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB; vorne Nr. 418 und 1333). Ein solches Baurecht kann deshalb seinerseits mit einem oder mehreren Baurechten belastet werden; alsdann spricht man von einem Unterbaurecht oder von einem Baurecht zweiten Grades.97

1378

Illustrativ dazu die Botschaft zum Baurecht: «Dass die Errichtung von Unterbaurechten nach geltendem Recht zulässig ist, steht ausser Zweifel und ist nicht bestritten. Sie könnte nur durch eine Ausnahmebestimmung untersagt oder beschränkt werden. Angesichts der Tatsache, dass diese Rechtsgestaltung einem erheblichen Bedürfnis entspricht, rechtfertigt die Befürchtung, dass sich aus ihr recht komplizierte Verhältnisse ergeben können, den Erlass von Ausnahmebestimmungen nicht.»98

3. Die Frage, ob auch Gesamtbaurechte zulässig sind, ist umstritten.99 Hier geht es um die Konstellation, dass sich eine Baurechtsbaute (zum Beispiel ein Einkaufszentrum) über mehrere Grundstücke erstrecken soll. Die rechtliche Konstruktion des Gesamtbaurechts sieht den Abschluss eines einzigen Baurechtsvertrags zwischen sämtlichen betroffenen Grundeigentümern als Baurechtsgeber auf der einen Seite und dem Baurechtsnehmer auf der anderen Seite vor. Zwar wird für jedes Grundstück ein Baurecht errichtet, die Baurechtsgeber können für die Dauer des Baurechts die Rechte aus dem Baurechtsvertrag gegenüber dem Baurechtsberechtigten aber nur gemeinsam geltend machen.100 Das Gesamtbaurecht ist unter dem Gesichtspunkt von Art. 675 Abs. 2 ZGB problematisch, weil sich das Gebäude über mehrere Grundstücke erstreckt und das einzelne Baurecht damit den auf dem teil betrifft (vgl. vorne Nr. 1377). Als Alternative wird in der Lehre vorgeschlagen, eines der zu überbauenden Grundstücke mit einem selbständigen und dauernden Baurecht zu belasten und zu Gunsten dieses im Grundbuch als Grundstück eingetragenen Baurechts und zu Lasten der übrigen für die Erstellung der Baute erforderlichen Grundstücke Überbaurechte nach Art. 674 ZGB zu errichten.101

95 96

BGE 111 II 134 ff. (139 ff.), E. 3 und 4. ZBGR 77/1996, S. 40 ff. (Departement des Innern des Kantons Aargau).

97

98

99

100

101

SteinaueR, Band III, Nr. 2529, mit Hinweis auf BGE 92 I 539 ff. (543 ff.), E. 2. BBl 1963 I, S. 969 ff. (994). Zur Gefahr unübersichtlicher Verhältnisse bei Unterbaurechten vgl. auch BGE 92 I 539 ff. (545), E. 2. Botschaft zum Baurecht, BBl 1963 I, S. 969 ff. (995); h anS michael R iemeR, Das Baurecht (zitiert in Nr. 1365), S. 42 ff.; PeteR iSleR (zitiert in Nr. 1365), S. 25; deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 415; a ndRé bRitSchgi (zitiert in Nr. 1799), S. 129 f.; JüRg Schmid (zitiert in Nr. 1365), S. 296 f. iSleR /gRoSS, BaKomm, N 35 zu Art. 779 ZGB. Die Zulässigkeit eines solchen Gesamtbaurechts bejahend BN 76/2015, S. 1 ff. (7 f.), E. 16 (Berner Obergericht). iSleR /gRoSS, BaKomm, N 35 zu Art. 779 ZGB. Vgl. auch JüRg Schmid (zitiert in Nr. 1365), S. 297.

1379

418

3.

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Der Inhalt des Baurechts

1379a

1. Das Gesetz regelt den Inhalt des Baurechts in Art. 779 ZGB nur sehr allgemein. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem Baurechtsvertrag.102 Nach Art. 779b Abs. 1 ZGB sind die vertraglichen Bestimmungen über den Inhalt und Umfang des Baurechts (etwa in Bezug auf Lage, Gestalt, Ausdehnung und Zweck der Bauten, aber auch hinsichtlich der Benutzung nicht überbauter Flächen, die mit der Ausübung des Baurechts in Anspruch genommen werden) für jeden Erwerber des Baurechts und des belasteten Grundstücks verbindlich.103

1379b

2. Nicht alle Abmachungen im Rahmen eines Baurechtsvertrags haben jedoch diese dingliche Wirkung. In der Regel enthält der Vertrag auch zahlreiche obligatorische Bestimmungen, die zunächst einmal nur (den Grundeigentümer und) den ersten Baurechtsnehmer binden.104 Als Beispiel lässt sich neben der Zahlung eines Baueiner festgesetzten Frist eine bestimmte Baute zu errichten und sie in gutem Zustand zu erhalten.105 Seit dem 1. Januar 2012 können die Parteien gestützt auf Art. 779b Abs. 2 ZGB die Vormerkung derartiger vertraglicher Bestimmungen im Grundbuch vereinbaren mit der Konsequenz, dass sie jedem Erwerber des Baurechts oder des belasteten Grundstücks entgegengehalten werden können (Realobligation; vorne Nr. 472);106 Abs. 2 ZGB zu ihrer Gültigkeit öffentlich beurkundet werden. In der Praxis scheint die Tendenz dahin zu gehen, nicht bloss einzelne Vertragsbestimmungen, sondern den ganzen Baurechtsvertrag als Einheit im Grundbuch vorzumerken.107 Begründet wird dies mit praktischen Überlegungen.108 Die Anmeldung, sämtliche vertraglichen Bestimmungen des Baurechtsvertrags seien vorzumerken, ist allerdings mit Blick auf das Antragsprinzip problematisch (vgl. Art. 47 Abs. 2 GBV und vorne Nr. 512); auch verträgt sich die Vormerkung des gesamten Vertrags schwer mit dem Grundsatz der Klarheit des Grundbuchs.109 Darüber hinaus kann ein Baurechtsvertrag Klauseln enthalten, die der Vormerkung nicht zugänglich sind. Das gilt nach der hier vertretenen Ansicht etwa für Vereinbarungen über die Freizeichnung des Baurechtsgebers: Diese wirken naturgemäss nur auf der Grundlage des Vertrags zwischen Baurechtsgeber und (erstem) Baurechtsnehmer; veräussert der Baurechtsnehmer sein Baurecht seinerseits weiter, gilt für die Gewährleistung gegenüber dem Erwerber dieser zweite Vertrag. In jedem Fall separat anzumelden und vorzumerken ist eine Vereinbarung gestützt auf Art. 681b Abs. 1 Satz 2 ZGB, mit der das gesetzliche

102 103 104 105

106

107 108 109

Zur Frage, ob ein Baurechtsvertrag oder ein Mietvertrag vorliegt, vgl. BGer 4C.345/2005, E. 1. SteinaueR, Band III, Nr. 2536 f. Vgl. auch BGer 5A_251/2010, E. 6.3; 5A_239/2015, E. 5. Vgl. dazu auch BGer vom 11. Februar 2000, in ZBGR 84/2003, S. 35 ff. Vgl. dazu im Einzelnen leemann, BeKomm, N 41 und 56 zu Art. 779 ZGB; SimoniuS/SutteR, Band II, S. 132; SteinaueR, Band III, Nr. 2538; PeteR iSleR (zitiert in Nr. 1365), S. 93 ff. und 111 ff.; h anS michael R iemeR, Das Baurecht (zitiert in Nr. 1365), S. 77 ff. Zur Frage, welche vertraglichen Bestimmungen des Baurechtsvertrags vorgemerkt werden können, vgl. etwa deniS Piotet (zitiert in Nr. 1237a), S. 73 f.; michel mooSeR (zitiert in Nr. 1365), S. 9; a médéo WeRmelingeR (zitiert in Nr. 1365), S. 155 ff. – Zum Verhältnis zwischen Art. 779b Abs. 2 und Art. 730 Abs. 2 ZGB vgl. deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 431 ff. Vgl. etwa Roland PFäFFli (zitiert in Nr. 1237a), S. 95. a médéo WeRmelingeR (zitiert in Nr. 1365), S. 153 f. Ablehnend deshalb deniS Piotet (zitiert in Nr. 1237a), S. 74; deRSelbe, Les limitations de l’annotation de l’Art. 779b CC à la lumière de la théorie générale de l’annotation de droits personnels, ZBGR 94/2013, S. 361 ff. (369); SteinaueR, contrat (zitiert in Nr. 1365), S. 144 f.; StePhan SPycheR, Die Vormerkung von weiteren vertraglichen Bestimmungen des Baurechtsvertrags, BN 75/2014, S. 343 ff. (354 ff.).

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten

419

Vorkaufsrecht des Baurechtsberechtigten oder des Grundeigentümers nach Art. 682 Abs. 2 ZGB gesetzliche Grundlage nicht in den Art. 779a und 779b ZGB (vgl. auch lit. f von Art. 78 Abs. 1 GBV mit lit. h der Norm). Andererseits können die Parteien die betreffende Abrede für eine kürzere Dauer vereinbaren, als sie für das Baurecht verabredet haben.

4.

Entstehung, Übertragung und Untergang

A.

Die Entstehung 1380

grundsätzlich die Regeln über die Entstehung von Grunddienstbarkeiten sinngemäss Anwendung.110 Das bedeutet: 1. Das Baurecht entsteht als dingliches Recht erst mit der Eintragung in das Grundbuch (Art. 731 Abs. 1 ZGB).111

1381

Für Leitungsbaurechte gilt die Sonderbestimmung von Art. 676 Abs. 3 ZGB: Ist die Leitung äusserlich wahrnehmbar, so entsteht die Dienstbarkeit mit der Leitungserstellung, sonst mit der Eintragung in das Grundbuch.112

2. Der Vertrag auf Errichtung eines Baurechts, der als Rechtsgrund für die Grundbucheintragung dient, ist ein Innominatkontrakt.113 Seit dem 1. Januar 2012 bestimmt Art. 779a Abs. 1 ZGB, dass jedes Rechtsgeschäft über die Errichtung einer solchen Servitut der öffentlichen Beurkundung bedarf.114

B.

1382

[entfällt]

1383

[entfällt]

1384

Die Übertragung

Gemäss Art. 779 Abs. 2 ZGB ist das Baurecht, sofern es nicht anders vereinbart wird, übertragbar und vererblich.115 In Bezug auf die Übertragung muss Folgendes beachtet werden:

1385

1. Bei einem Baurecht, das nicht als Grundstück im Grundbuch aufgenommen ist, können nach der hier vertretenen Auffassung die Regeln des Abtretungsrechts (Art. 165 OR) oder die Bestimmungen über die Errichtung von beschränkten dinglichen Rechten an Rechten (Art. 745 und 899 ff. ZGB) analog angewendet werden.

1386

110

111 112 113

leemann, BeKomm, N 21 ff. zu Art. 779 ZGB (durch die Revisionen teilweise überholt); SteinaueR, Band III, Nr. 2521. Vgl. auch BGE 133 III 311 ff. (316), E. 3.2.3. Vgl. dazu bettina hüRlimann-K auP (zitiert in Nr. 910), S. 80 f. LGVE 1988 I Nr. 10, S. 13 ff. (14), E. 2 (Luzerner Obergericht).

114 115

Vgl. auch BGE 133 III 311 ff. (321), E. 4.2.2.

420

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Für die Übertragung ist demzufolge eine schriftliche Erklärung des Bauberechtigten erforderlich, und die Übertragung vollzieht sich ausserhalb des Grundbuchs.116 1387

2. Ist ein Baurecht als Grundstück im Grundbuch aufgenommen (Art. 779 Abs. 3 ZGB), so folgt die Übertragung den auf das Grundeigentum anwendbaren Regeln.117 Somit ist nach den allgemeinen Grundsätzen die öffentliche Beurkundung (Art. 657 Abs. 1 ZGB) und die Eintragung des Erwerbers in das Grundbuch (Art. 656 Abs. 1 ZGB) vorausgesetzt.118 Nach dem Gesagten (vorne Nr. 1328) können die Parteien bei einem selbständigen Baurecht die Zustimmung des Grundeigentümers zur Übertragung der Servitut in gewissen (engen) Grenzen vorbehalten. Umstritten ist, inwieweit und mit welcher Wirkung eine solche Vereinbarung gestützt auf Art. 779b Abs. 2 ZGB im Grundbuch vorgemerkt werden kann. Nach überwiegender Lehre lässt die Bestimmung die Vormerkung einer Verfügungsbeschränkung im Sinn von Art. 960 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB nicht zu, die zur Konsequenz hätte, dass das Grundbuchamt bei einer Veräusserung des Baurechts den Erwerber nur bei Vorliegen der Zustimmung des Grundeigentümers eintragen dürfte.119 Ein Teil der Lehre hält jedoch eine Vormerkung im Sinn von Art. 959 ZGB für zulässig mit der Folge, dass das Grundbuchamt das Vorliegen der Zustimmung zwar nicht zu prüfen, dem Grundeigentümer aber die erfolgte Eigentumsänderung gestützt auf Art. 969 Abs. 1 ZGB anzuzeigen hat.120 Bei auf Grund des gesetzlichen Vorkaufsrechts nach Art. 682 Abs. 2 ZGB (siehe sogleich Nr. 1388).

1388

3. Im Fall der Übertragung eines selbständigen und dauernden Baurechts (oder eines Grundstücks, das mit einem solchen Baurecht belastet ist) muss ausserdem das gesetzliche Vorkaufsrecht gemäss Art. 682 Abs. 2 ZGB berücksichtigt werden121 (zu den gesetzlichen Vorkaufsrechten im Allgemeinen vgl. vorne Nr. 935 ff.). Beschränkt sich die Ausübung des Baurechts auf einen bestimmten Teil des belasteten Grundstücks, besteht auch ein Vorkaufsrecht des Baurechtsberechtigten nur an diesem Teil (vgl. Art. 682 Abs. 2 ZGB, letzter Halbsatz).122

116

117

118 119

120 121 122

leemann, BeKomm, N 48 zu Art. 779 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2527; balliF, ComRom, N 34 zu Art. 779 ZGB; thomaS J. WengeR /beRnhaRd blum, Formvorschriften bei der Übertragung von Baurechtsdienstbarkeiten, ZBGR 97/2016, S. 153 ff. (154 ff.); ZWR 21/1986, S. 199 ff. (203), E. 4b (Walliser Kantonsgericht); offengelassen in BGE 72 I 233 ff. (236 oben), E. 2; vgl. nun BGE 133 III 311 ff. (321 oben), E. 4.2.1. A.M. m aRc WolFeR (zitiert in Nr. 1438), S. 39 ff.; iSleR /gRoSS, BaKomm, N 26d zu Art. 779 ZGB; BN 50/1989, S. 411, Ziff. 32 (Meinungsäusserung des Eidg. Grundbuchamtes vom 8. Februar 1989, wo generell öffentliche Beurkundung verlangt wird). Vgl. auch BGE 135 III 103 ff. (111), E. 4.5. Das Bundesgericht spricht hier (verkürzt) nur von der «Übertragung eines selbständigen und dauernden Baurechts»; aus der unveröffentlichten E. 1 dieses Entscheids (= BGer 5A_614/2008) lässt sich aber schliessen, dass es im vorliegenden Fall um selbständige und dauernde Baurechte geht, die als Grundstücke im Grundbuch eingetragen sind. iSleR /gRoSS, BaKomm, N 26d zu Art. 779 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2528. Vgl. etwa bettina hüRlimann-K auP, Die sachenrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2009, ZBJV 47/2011, S. 463 ff. (475 f.); dieSelbe ters (zitiert in Nr. 565), S. 13 f.; deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 435; m aRc WolFeR (zitiert in Nr. 1438), S. 43; a médéo WeRmelingeR (zitiert in Nr. 1365), S. 163; Frage offengelassen in BGE 135 III 103 ff. (111), E. 4.4. A.M. etwa RobeRto/h RubeSch-millaueR, Nr. 565. Vgl. etwa Roland PFäFFli (zitiert in Nr. 1237a), S. 95. SteinaueR, Band III, Nr. 2530 ff.; PeteR iSleR (zitiert in Nr. 1365), S. 150 ff. ZBGR 90/2009, S. 124 ff. (126 ff.), E. 3 und 4 (Kantonsgericht Graubünden).

421

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten

C.

Der Untergang

1. Auf den Untergang eines Baurechts sind ebenfalls die Regeln über die Grunddienstbarkeiten anwendbar (vgl. Art. 734 ff. ZGB).123

1389

– Ist das Baurecht zu Gunsten mehrerer Personen errichtet worden und stirbt ein Berechtigter, dessen Anteil als nicht übertragbar ausgestaltet wurde, erhöhen sich die Anteile der übrigen Inhaber entsprechend. Die Servitut erlischt erst mit dem Tod des letzten Berechtigten (sofern sämtliche Anteile unübertragbar sind) oder mit Eintritt eines anderen Untergangsgrundes.125 124

2. An «Folgen des Ablaufs der Dauer» (Randtitel zu Art. 779c ff. ZGB; «Effets à l’expiration de la durée») lassen sich nennen:

1390

– Die bestehenden Bauwerke werden nach Art. 779c ZGB Bestandteile des belasteten Grundstücks (sogenannter Heimfall; «le retour des constructions»); die Akzession lebt also wieder auf.126

1391

Der Heimfall einer vermieteten Baute ist keine Veräusserung im Sinn von Art. 261 Abs. 1 OR. Hat der Baurechtsberechtigte die Baute über die Dauer des Baurechts hinaus vermietet, geht das Mietverhältnis deshalb nicht mit dem Heimfall von Gesetzes wegen auf den Grundeigentümer über. Auch eine analoge Anwendung von Art. 261 OR auf diese Konstellation fällt jedenfalls dann ausser Betracht, wenn der Heimfall für den Mieter vorhersehbar war.127

– Nach Art. 779d Abs. 1 ZGB hat der Grundeigentümer für die heimfallenden Bauwerke eine angemessene Entschädigung zu zahlen.128 Die Parteien können diesbezüglich Vereinbarungen treffen. Sollen diese gestützt auf Art. 779b Abs. 2 ZGB im Grundbuch vorgemerkt werden, bedürfen sie gemäss Art. 779a Abs. 2 ZGB der öffentlichen Beurkundung (vorne Nr. 1379b).

1392

War das Baurecht verpfändet, so haftet die Entschädigung den Gläubigern für noch bestehende Forderungen; sie darf ohne deren Zustimmung dem bisherigen Bauberechtigten nicht ausbezahlt werden (Art. 779d Abs. 1 ZGB).129 Das erklärt sich dadurch, dass mit dem Untergang des Baurechts auch die zu dessen Gunsten und Lasten errichteten Grundpfandrechte untergehen.130

– Wird die Entschädigung nicht bezahlt oder sichergestellt, so kann der bisherige Bauberechtigte oder ein Gläubiger, dem das Baurecht verpfändet war, nach Art. 779d Abs. 2 ZGB zur Sicherung der Entschädigungsforderung die Eintragung eines Grundpfandrechts im selben Rang wie das gelöschte Baurecht ver-

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128 129

130

BGE 133 III 311 ff. (321), E. 4.2.1. Zur Löschung eines Baurechts gestützt auf Art. 736 Abs. 1 ZGB vgl. etwa ZR 106/2007, Nr. 47 (Bezirksgericht Meilen). Zum Verzicht auf ein im Grundbuch als Grundstück eingetragenes selbständiges und dauerndes Baurecht vgl. BGE 118 II 115 ff.; 129 III 216 ff. (223), E. 3.3.1. BGE 133 III 311 ff. (321), E. 4.2.1; SteinaueR, Band III, Nr. 2557. Ausführlich dazu benno h enggeleR (zitiert in Nr. 1365), S. 31 ff. BGE 133 III 311 ff. (322), E. 4.2.3. BGE 133 III 311 ff. (321), E. 4.2.1; Botschaft zum Baurecht, BBl 1963 I, S. 969 ff. (985 unten); leemann, BeKomm, N 69 zu Art. 779 ZGB; m eieR-h ayoz , BeKomm, N 16 zu Art. 675 ZGB; benno h enggeleR (zitiert in Nr. 1365), S. 91 ff. BGE 142 III 329 ff. (Vorhersehbarkeit im konkreten Fall auf Grund der vom Mieter angemeldeten Vormerkung des Mietvertrags im Grundbuch bejaht). Ausführlich dazu benno h enggeleR (zitiert in Nr. 1365), S. 96 ff. Botschaft zum Baurecht, BBl 1963 I, S. 969 ff. (986: «Surrogationsprinzip»); dazu Paul Piotet, SPR V/1, S. 602. leemann, BeKomm, N 74 zu Art. 779 ZGB.

1393

422

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

langen. Die Eintragung muss spätestens drei Monate nach Untergang des Baurechts erfolgen (Art. 779d Abs. 3 ZGB; zur Eintragung des Grundpfandrechts vgl. auch Art. 76 Abs. 2 lit. a und Art. 120 lit. c GBV sowie hinten Nr. 1670).131 Durch die Rangwahrung will das Gesetz verhindern, dass der Grundeigentümer, der sich der Zahlung der Entschädigung zu entziehen sucht, das Grundstück so belastet, dass die Entschädigungsforderung im Zwangsvollstreckungsverfahren ungedeckt bleibt.132 – Ist die Höhe der pfandgesicherten Forderung streitig, so kann bis zur Erledigung des Hauptprozesses eine vorläu133

5.

Der Baurechtszins

1394

1. Der Bauberechtigte verspricht dem Grundeigentümer regelmässig als Gegenleistung für das Einräumen des Baurechts einen sogenannten Baurechtszins («la rente 134 Zu diesem Thema sind zahlreiche Fragen streitig. Wir greifen folgende Punkte heraus:

1395

– Die Zinsschuld stellt eine persönliche Schuld des Bauberechtigten dar: Sie verbleibt bei einer Übertragung des Baurechts beim ehemaligen Bauberechtigten, sofern sie nicht (mit Zustimmung des Gläubigers) vom neuen Bauberechtigten übernommen wird135 oder – was seit dem 1. Januar 2012 die Regel sein wird – gestützt auf Art. 779b Abs. 2 ZGB im Grundbuch vorgemerkt ist (vorne Nr. 1379b). rechts der ganz überwiegenden Auffassung.136 – Der Geldwert eines Baurechtszinses kann mit Hilfe einer Indexklausel gesichert werden.137

– Die Vereinbarung des Baurechtszinses gehört nach der hier vertretenen Meinung zu den objektiv wesentlichen Punkten des entgeltlich eingeräumten Baurechts (vgl. dazu bereits vorne Nr. 1244). Regelmässig dürfte die Zinsvereinbarung auch subjektiv wesentlich sein.138 Die Zinsabrede wird also vom Formzwang des

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134 135 136

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Vgl. zum Ganzen benno h enggeleR (zitiert in Nr. 1365), S. 139 ff. Botschaft zum Baurecht, BBl 1963 I, S. 969 ff. (987). Vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 2564a, und ZBGR 77/1996, S. 43 ff. (48 f.), E. 5d (Kantonsgericht Wallis). Vgl. auch BGE 101 Ib 329 ff. (331 und 335), E. 1 und 5. So auch BGE 127 III 300 ff. (303), E. 5a/bb mit Hinweisen; BGer 7B.64/2005, E. 2.1. BGE 49 III 180 ff. (183); 52 II 27 ff. (36 ff.), E. 1; Botschaft zum Baurecht, BBl 1963 I, S. 969 ff. (981 f. und 989); leemann, BeKomm, N 54 zu Art. 779 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2546, Fn. 79; h anS-PeteR FRiedRich (zitiert in Nr. 1365), S. 15, 22 und 24; SutteR-Somm, Nr. 50; h anS-ulRich FReimülleR (zitiert in Nr. 1365), S. 75 f. und 78 f.; viKtoR mülleR (zitiert in Nr. 1365), S. 31 ff. (37 f.); PeteR iSleR (zitiert in Nr. 1365), S. 46 f.; h anS michael R iemeR, Das Baurecht (zitiert in Nr. 1365), S. 58 ff.; Roland Ruedin (zitiert in Nr. 1365), S. 109; a.M. SimoniuS/SutteR, Band II, S. 138, nach denen der Baurechtszins eine Realobligation darstellt. iSleR /gRoSS, BaKomm, N 32 f. zu Art. 779a ZGB; ZBGR 77/1996, S. 32 ff. (Bezirksgericht Arlesheim). – Zur Frage der späteren Anpassung des Baurechtszinses, wenn die Parteien dazu nichts vereinbart haben, vgl. m aRKuS W. Stadlin, Die Bindung der Vertragsparteien in langfristigen Vertragsverhältnissen (so bei selbständigen und dauernden Baurechten) – die Voraussetzungen der nachträglichen Anpassung des Baurechtszinses, Jusletter vom 16. Februar 2009. viKtoR mülleR (zitiert in Nr. 1365), S. 16; ZBGR 86/2005, S. 291 ff. (294), E. B.2c/dd (Zürcher Handelsgericht); vgl. auch BGer 4C.247/2001, E. 2a; 5A_251/2010, E. 6.3.

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten

423

Baurechtsvertrags mitumfasst, sie muss mit anderen Worten beim Vertrag über die Begründung eines Baurechts (Art. 779a Abs. 1 ZGB) öffentlich beurkundet sein;139 Entsprechendes gilt, wenn der Baurechtszins nachträglich angepasst werden soll.140 Am Gesagten ändert auch die missverständliche Formulierung des mit der Revision des Immobiliarsachenrechts neu eingeführten Art. 779a Abs. 2 ZGB nichts («Sollen der Baurechtszins und … weitere vertragliche Bestimmungen … vorgemerkt werden, so bedürfen sie … ebenfalls der öffentlichen Beurkundung»), da die Entstehungsgeschichte der Norm zeigt, dass es gerade nicht darum ging, den Baurechtszins dem Grundsatz nach von der Beurkundungs141

2. Unter gewissen Voraussetzungen gewährt das Gesetz dem Grundeigentümer zur Sicherung des Baurechtszinses in Art. 779i ZGB den Anspruch, ein Pfandrecht zu errichten142 (mittelbares gesetzliches Pfandrecht; siehe dazu hinten Nr. 1670). Folgendes ist festzuhalten:143

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– Das Baurecht muss als Grundstück im Grundbuch aufgenommen sein (Art. 779i Abs. 1 ZGB).144

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– Der Anspruch auf Errichtung des Pfandrechts richtet sich gegen den jeweiligen Bauberechtigten (Art. 779i Abs. 1 ZGB), selbst wenn dieser nicht persönlich für den Zins haftet. Der Pfanderrichtungsanspruch stellt also eine Realobligation dar (hinten Nr. 1677 ff.).145 Das Pfandrecht entsteht mit der Eintragung in das Grundbuch und erhält seinen Rang nach dem Errichtungsdatum (vgl. Art. 972 ZGB; zum Rechtsgrundausweis vgl. Art. 76 Abs. 2 lit. c GBV).146

1399

– Die Sicherung erstreckt sich auf drei Jahreszinse (Art. 779i Abs. 1 ZGB) oder – falls es an gleichmässigen Jahresleistungen fehlt – auf den Betrag, der bei gleichmässiger Verteilung auf drei Jahre entfällt (Abs. 2). Das Pfandrecht stellt eine Maximalhypothek dar (vgl. Art. 794 Abs. 2 ZGB und hinten Nr. 1507),147 welche – «im Höchstbetrag von drei Jahresleistungen» – auch die im Moment der

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viKtoR mülleR (zitiert in Nr. 1365), S. 14 ff.; deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 425; nicolaS Jeandin (zitiert in Nr. 1316), S. 118 ff. und 129 f.; JöRg Schmid, Baurechtszins und Formzwang – Bemerkungen zum Urteil des Bundesgerichts Nr. 5A_251/2010 vom 19. November 2010, ZBJV 147/2011, S. 392 ff. (396 ff.); JüRg Schmid, ZBGR 92/2011, S. 408 f.; hüRlimann-K auP, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, S. 38 ff.; michel mooSeR (zitiert in Nr. 1365), S. 16; balliF, ComRom, N 7 zu Art. 779a ZGB; im Ergebnis ebenso PeteR iSleR (zitiert in Nr. 1365), S. 170. A.M. etwa BGer 5A_251/2010, E. 6 = ZBGR 92/2011, S. 399 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2546a; vgl. auch deRSelbe (zitiert in Nr. 1316), S. 17 f.; h anS-ulRich FReimülleR (zitiert in Nr. 1365), S. 45 und 75; iSleR / gRoSS, BaKomm, N 6 zu Art. 779a ZGB; ZBGR 77/1996, S. 30 ff. = BN 53/1992, S. 464 ff. (Berner Appellationshof). ZBGR 86/2005, S. 291 ff. (296 ff.), E. B.3 (Zürcher Handelsgericht). Vgl. auch BGer 4A_500/2011, E. 3.5 (Frage der Formbedürftigkeit im konkreten Fall offengelassen). Vgl. dazu deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 427 mit Hinweisen; JüRg Schmid, ZBGR 92/2011, S. 408 f. Vgl. auch BGE 135 III 103 ff. (109), E. 4.3. Ausführlich viKtoR mülleR (zitiert in Nr. 1365), S. 47 ff. und 66 ff. SteinaueR, Band III, Nr. 2520 und 2553 f.; Paul Piotet, SPR V/1, S. 605 unten. SteinaueR, Band III, Nr. 2551; sinngemäss auch BGE 106 II 183 ff. (186 unten), E. 1. SteinaueR, Band III, Nr. 2555. Botschaft zum Baurecht, BBl 1963 I, S. 969 ff. (982 f. und 989); PeteR iSleR (zitiert in Nr. 1365), S. 143.

424

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Eintragung noch nicht verfallenen Jahreszinsen sichert; Art. 779k Abs. 1 ZGB nimmt dieses Pfandrecht deshalb von der Löschung im Zwangsverwertungsverfahren aus.148 rung regelmässig dem Erwerber überbunden.149

– Das Pfandrecht zur Sicherung des Baurechtszinses ist dem Bauhandwerkerpfandrecht (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB und hinten Nr. 1692 ff.) nachgebildet (vgl. Art. 779k Abs. 2 ZGB, der ausdrücklich darauf verweist). Namentlich kann das Baurechtszinspfand durch Leistung hinreichender Sicherheit abgewendet werden (Art. 839 Abs. 3 ZGB und hinten Nr. 1741 ff.).150 Dieses Pfandrecht wird allerdings – anders als das Bauhandwerkerpfandrecht – regelmässig schon von Anfang an in das Grundbuch eingetragen.151 Ausserdem bestehen in rechtlicher Hinsicht wichtige Unterschiede zum Bauhandwerkerpfandrecht: So gilt beim Pfandrecht zur Sicherung des Baurechtszinses keine Frist für die Eintragung; diese ist nach Art. 779k Abs. 1 ZGB jederzeit möglich, solange das Baurecht besteht.152 Das Pfandrecht für den Baurechtszins ist – anders als das Bauhandwerkerpfandrecht (vgl. Art. 841 ZGB und hinten Nr. 1786 ff.) – auch nicht mit einem Vorrecht ausgestattet.153

1401

Für die Modalitäten der Eintragung des Pfandrechts in das Grundbuch siehe Art. 120 lit. b GBV. –

– Den Parteien bleibt es unbenommen, im Baurechtsvertrag (also auf vertraglicher Basis) die Errichtung eines Grundpfandrechts vorzusehen.154 Auch ein solches vertragliches Pfandrecht dürfte aber mit Bezug auf drei Jahresleistungen wie ein gesetzliches zu behandeln und insoweit von der Löschung im Zwangsvollstreckungsverfahren auszunehmen sein.155

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Botschaft zum Baurecht, BBl 1963 I, S. 969 ff. (990); differenzierend BGE 106 II 183 ff. (195), E. 3f; Paul Piotet, SPR V/1, S. 606 f.; SimoniuS/SutteR, Band II, S. 138; SteinaueR, Band III, Nr. 2552a und 2555 f.; viKtoR mülleR (zitiert in Nr. 1365), S. 85 f. und 93 ff. BGer 7B.64/2005, E. 2.2 mit Hinweisen. – Zur Behandlung des Baurechtszinses im Verfahren der Zwangsvollstreckung vgl. BGE 129 III 90 ff. (92 f.), E. 3, und deniSe K Reutz/chRiStoPh mutti, Baurechte im Zwangsverwertungsverfahren, BlSchK 2009, S. 85 ff. (88 ff.). viKtoR mülleR (zitiert in Nr. 1365), S. 76 ff. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 109 N 43. SteinaueR PeteR iSleR (zitiert in Nr. 1365), S. 143. Botschaft zum Baurecht, BBl 1963 I, S. 969 ff. (989); SteinaueR, Band III, Nr. 2555; viKtoR mülleR (zitiert in Nr. 1365), S. 53. Botschaft zum Baurecht, BBl 1963 I, S. 969 ff. (983 oben), wo die Möglichkeit einer vertraglichen Maximalhypothek genannt wird. So die Botschaft zum Baurecht, BBl 1963 I, S. 969 ff. (990); ebenso h anS-PeteR FRiedRich (zitiert in Nr. 1365), S. 24; SteinaueR, Band III, Nr. 2556b; h anS-ulRich FReimülleR (zitiert in Nr. 1365), S. 80; relativierend PeteR iSleR (zitiert in Nr. 1365), S. 144 f.

425

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten

6.

Einzelfragen

[entfällt]

1403

1. Für den Fall, dass der Bauberechtigte sein dingliches Recht in grober Weise überArt. 779f ZGB den sogenannten vorzeitigen Heimfall («le retour anticipé») vor:156 Der Grundeigentümer kann die Übertragung des Baurechts mit allen Rechten und Lasten auf sich selber verlangen. Das Baurecht wird dadurch zur Eigentümerdienstbarkeit (vorne Nr. 1190 ff.). Folgendes muss beachtet werden:

1404

– Der Tatbestand von Art. 779f ZGB setzt zunächst voraus, dass der Bauberech«in grober Weise» («gravement») verletzt hat; eine gering-

1405

157

Die Nichtbezahlung des Baurechtszinses dürfte für sich allein nicht als

1406

in das Grundbuch aufgenommenen Baurecht, wo dem Grundeigentümer kraft Art. 779i f. ZGB (vorne Nr. 1397 ff.) der Anspruch auf Errichtung eines besonderen Pfandrechts offensteht.158 Art. 779h ZGB schreibt vor, dass jedes Recht, das sich der Grundeigentümer zur vorzeitigen (etwa ein von den Parteien so genanntes Kaufs-, Rückkaufs-, Rücktritts- oder Kündigungsrecht),159 den Vorschriften über die Ausübung des Heimfallsrechts unterliegt. Die materiellen Voraussetzungen der Art. 779f und 779g ZGB stellen demnach zwingendes Recht dar. Dies soll verhindern, dass sich der Grundeigentümer den vorzeitigen Heimfall, der eine einschneidende Sankausbedingen kann.160

156 157

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159 160

161

– Das Heimfallsrecht kann gemäss Art. 779g Abs. 1 ZGB nur gegen eine angemessene Entschädigung ausgeübt werden; bei ihrer Bemessung kann das schuldhafte Verhalten des Bauberechtigten als Herabsetzungsgrund berücksichtigt werden.161 Die Übertragung des Baurechts auf den Grundeigentümer erfolgt erst mit Zahlung oder Sicherstellung der Entschädigung (Art. 779g Abs. 2 ZGB).

1407

– Sind die Voraussetzungen des vorzeitigen Heimfalls erfüllt und ist die Entschädigung bezahlt oder sichergestellt, so muss der Bauberechtigte das Baurecht «mit allen Rechten und Lasten» (also namentlich auch mit den darauf lastenden

1408

Vgl. auch BGE 135 III 103 ff. (109), E. 4.3. Vgl. auch SteinaueR, Band III, Nr. 2540, mit Hinweis auf ZBGR 60/1979, S. 233 ff. (Eidg. Grundbuchamt, betreffend die Abrede des Heimfalls als Folge der Nichterfüllung einer BewirtschaftungsVgl. auch Paul Piotet, SPR V/1, S. 604; SteinaueR, Band III, Nr. 2540a; PeteR iSleR (zitiert in Nr. 1365), S. 129; benno h enggeleR (zitiert in Nr. 1365), S. 167 f.; unklar ZBGR 62/1981, S. 143 ff. (Kantonsgericht Graubünden). Botschaft zum Baurecht, BBl 1963 I, S. 969 ff. (988). Botschaft zum Baurecht, BBl 1963 I, S. 969 ff. (977 ff.); h anS-PeteR FRiedRich (zitiert in Nr. 1365), S. 4; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 109 N 40; SteinaueR, Band III, Nr. 2542a; zur Vereinbarung eines Kaufsrechts des Grundeigentümers vgl. Paul Piotet, SPR V/1, S. 603 f., und PeteR iSleR (zitiert in Nr. 1365), S. 148 f. ZBGR 62/1981, S. 143 ff. (Kantonsgericht Graubünden). Zur Festlegung der Entschädigungshöhe vgl. auch benno h enggeleR (zitiert in Nr. 1365), S. 181 ff.

426

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Pfandrechten) auf den Grundeigentümer übertragen (Art. 779f ZGB).162 Bietet der Bauberechtigte dazu nicht freiwillig Hand, so kann der Grundeigentümer auf Übertragung klagen.163 Das Baurecht geht mit dem vorzeitigen Heimfall demnach nicht von Gesetzes wegen unter, sondern besteht weiter. Will der Grundeigentümer diese Eigentümerdienstbarkeit löschen lassen, braucht er die Zustimmung jener Personen, die ein beschränktes dingliches Recht (zum Beispiel ein Grundpfandrecht) am Baurecht erworben haben (Art. 964 ZGB; vorne Nr. 532).164 1409

2. In gewissen Sachverhaltskonstellationen kann die Bestellung eines Baurechts oder der blosse Abschluss eines Baurechtsvertrags ein Umgehungsgeschäft darstellen. Einzelne dieser Fälle werden ausdrücklich vom Gesetz erfasst (zum Beispiel Art. 4 Abs. 1 lit. a BewG); andere fallen möglicherweise unter gesetzliche Generalklauseln (Art. 216c Abs. 1 OR [dazu vorne Nr. 939]; Art. 29 Abs. 1 lit. a und 61 Abs. 3 Gericht aufgerufen, von Fall zu Fall die Umgehungsabsicht der Parteien zu prüfen und die sachgerechten Folgen anzuordnen.165 Beispiele: a. Abschluss eines Baurechtsvertrags (statt eines Grundstückkaufs) zur Umgehung eines Vorkaufsrechts166 (vgl. jetzt auch die gesetzliche Umschreibung des Vorkaufsfalls in Art. 216c Abs. 1 OR). – b. Abschluss eines Baurechtsvertrags zur Umgehung des Veräusserungsverbots von Art. 23 BGBB.167 – c. Abschluss eines Baurechtsvertrags als Veräusserung eines landwirtschaftlichen Gewerbes oder Grundstücks, die den Gewinnanspruch der Miterben auslöst (Art. 28 und 29 Abs. 1 lit. a BGBB).168 – d. Bestellung eines Baurechts zur Umgehung des Realteilungsverbots nach Art. 58 BGBB.169 – e. Erwerb (Art. 61 Abs. 3 BGBB).170

1409a

Einführende Literatur: – R ey, Band I, Nr. 1088 ff. – SteinaueR, Band II, Nr. 1673 ff., und Band III, Nr. 2515. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 109 N 44 f.

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166

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168

169 170

Zur Form vgl. PeteR iSleR (zitiert in Nr. 1365), S. 131. geRhaRd eggen (zitiert in Nr. 1365), S. 280; SteinaueR, Band III, Nr. 2543. Vgl. zum Ganzen auch Botschaft zum Baurecht, BBl 1963 I, S. 969 ff. (987 f.); PeteR iSleR (zitiert in Nr. 1365), S. 131. Vgl. auch h anS-PeteR FReimülleR (zitiert in Nr. 1365), S. 118 ff.; h anS michael R iemeR, Das Baurecht (zitiert in Nr. 1365), S. 99 ff. BGE 85 II 474 ff. (482 ff.), E. 4; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 174 f. zu Art. 681 ZGB; deRSelbe, Der Vorkaufsfall, ZBGR 45/1964, S. 257 ff. (271); PeteR iSleR (zitiert in Nr. 1365), S. 61 f. michael hunziKeR, Das Veräusserungsverbot und das Kaufsrecht der Miterben im bäuerlichen Erbrecht, Diss. Zürich 1997, S. 113 f. loRenz StRebel/Jean-michel h enny, in: Schweizerischer Bauernverband (Hrsg.), Das bäuerliche Bodenrecht (…), 2. A., Brugg 2011, N 7–9c zu Art. 29 BGBB; zum alten Recht vgl. auch BGE 114 II 421 ff. m aRgRet h eRRenSchWand/chRiStoPh bandli, a.a.O., N 4 zu Art. 58 BGBB. BGer 2C_562/2009, E. 2; beat StaldeR, a.a.O., N 22 zu Art. 61 BGBB.

427

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten

1409b

war vor der Einführung des ZGB in zahlreichen kantonalen Gesetzgebungen vorgesehen. Das ZGB schloss dann aber in aArt. 678 Abs. 2 die Begründung von SondereiBoden wurden gemäss Art. 20 SchlT ZGB jedoch weiterhin nach kantonalem Recht anerkannt.171 Im Rahmen des Reformpakets «Agrarpolitik 2007» wurde Art. 678 Abs. 2 ZGB Nr. 907a). Damit soll der Pächter des Bodens geschützt werden, der die für die Kultu172

entsprechen (Art. 17 und 43 Abs. 1 SchlT ZGB).173

1.

Der Begriff

Nach Art. 678 Abs. 2 ZGB kann eine dem Baurecht entsprechende Dienstbarkeit für 174 auf mindestens 10 und auf höchstens Merkmale: – Es wird in Durchbrechung des Akzessionsprinzips begründet.175 –

dauernden Verbindung mit dem Boden Reben).176 Die Begründung von Sondereigentum an Wald bleibt allerdings ausgeschlossen.177

– Das Gesetz sieht – wie bei der Nutzniessung (Art. 749 Abs. 2 ZGB) und beim selbständigen Baurecht (Art. 779l Abs. 1 ZGB) – eine Höchstdauer von 100 Jahren vor. Darüber hinaus legt es eine Mindestdauer fest; die Begründung von Sondereigen178

den; wurde eine solche Vereinbarung jedoch zum Voraus eingegangen, ist sie unverbindlich (vgl. Art. 779l Abs. 2 ZGB).179

171 172

173 174 175 176 177 178

179

R ey/StRebel, BaKomm, N 5a zu Art. 678 ZGB. Botschaft des Bundesrates zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik (Agrarpolitik 2007) vom 29. Mai 2002, Teil III, BBl 2002, S. 4938 ff. (4953). R ey/StRebel, BaKomm, N 5 zu Art. 678 ZGB; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 109 N 45. benno StudeR (zitiert in Nr. 1438), S. 275 f. R ey, Band I, Nr. 1088; deniS Piotet (zitiert in Nr. 1438), S. 348. R ey/StRebel, BaKomm, N 5 zu Art. 678 ZGB; R ey, Band I, Nr. 1088. BBl 2002, S. 4953. Differenzierend deniS Piotet (zitiert in Nr. 1438), S. 347. R ey/StRebel, BaKomm, N 6c zu Art. 678 ZGB. Kritisch dazu benno StudeR (zitiert in Nr. 1438), S. 277. Vgl. etwa benno StudeR (zitiert in Nr. 1438), S. 277.

1409c

428

2. 1379d

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Entstehung, Übertragung und Untergang

1. Das Gesetz regelt die Errichtung nicht ausdrücklich, sondern begnügt sich mit einem allgemeinen Verweis auf das Baurecht. Die Servitut kann gestützt auf einen Dienstbarkeitsvertrag als blosse Dienstbarkeit oder als selbständiges und dauerndes Recht begründet werden.180 Das kundung (vgl. Art. 779a Abs. 1 ZGB). Wird die Dienstbarkeit als selbständiges und dauerndes Recht ausgestaltet und als Grundstück in das Grundbuch eingetragen, kann sie mit einem Grundpfand belastet werden. Das ist insofern von Bedeutung, Mittel kaum aufzubringen sind.181

1409e

2. Für die Übertragung und den Untergang men über das Baurecht analoge Anwendung.182 Das gilt auch für die Art. 779c–779k ZGB über den Heimfall.183 Art. 678 Abs. 3 ZGB räumt dem belasteten Eigentümer ausserdem die Möglichkeit einer vorzeitigen Ablösung ein, wenn er mit dem Dienstbarkeitsberechtigten einen Pachtvertrag über die Nutzung des Bodens abgeschlossen hat und dieser Vertrag beendet wird; das Gericht legt die vermögensrechtlichen Folgen unter Würdigung sämtlicher Umstände fest.184 gabe von Art. 682 Abs. 2 ZGB ein gesetzliches Vorkaufsrecht.185

VI. Das Quellenrecht 1410

Einführende Literatur: – liveR, SPR V/1, S. 291 ff. – R iemeR, S. 82 f. – SteinaueR, Band III, Nr. 2567 ff. – SutteR-Somm, Nr. 876 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 101 N 41 f.

180

181 182

183 184 185

R ey/StRebel, BaKomm, N 6b zu Art. 678 ZGB; Paul-h enRi SteinaueR (zitiert in Nr. 1316), S. 15. – Zur Frage, ob die in Art. 678 Abs. 2 ZGB vorgesehene Mindestdauer von 10 Jahren der für ein dauerndes Recht in Art. 655 Abs. 3 Ziff. 2 ZGB vorgeschriebenen Dauer von 30 Jahren vorgeht, vgl. JüRg Schmid, ZBGR 85/2004, S. 71. JüRg Schmid, ZBGR 85/2004, S. 71. R ey/StRebel, BaKomm, N 6b zu Art. 678 ZGB; vgl. auch Paul-h enRi SteinaueR (zitiert in Nr. 1316), S. 15. R ey/StRebel, BaKomm, N 6b zu Art. 678 ZGB; deniS Piotet (zitiert in Nr. 1438), S. 352 f. Vgl. dazu auch deniS Piotet (zitiert in Nr. 1438), S. 366 ff. Paul-h enRi SteinaueR (zitiert in Nr. 1316), S. 15; deniS Piotet (zitiert in Nr. 1438), S. 353.

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten

1.

429

Begriff und Arten

1. Das Gesetz befasst sich mit dem Quellenrecht («le droit à une source sur fonds d’autrui»; kurz: «le droit de source») in den Art. 704 Abs. 2 (vorne Nr. 909) und Art. 780 ZGB. Gemäss Art. 780 Abs. 1 ZGB geht es um das dingliche Recht an einer Quelle auf fremdem Grundstück, das heisst also um die Befugnis, sich auf fremdem Grund und Boden Wasser anzueignen und es abzuleiten. Diese Tätigkeiten des Berechtigten muss der Grundstückeigentümer dulden (deutlich der französische Text: «… oblige le propriétaire de ce fonds à permettre l’appropriation et la dérivation de l’eau»). Folgendes ist beizufügen:

1411

– Das durch das Quellenrecht belastete Objekt ist stets ein Grundstück, auf dem eine oder mehrere Quellen entspringen (Art. 780 Abs. 1 ZGB: «Quellengrundstück»).

1412

Dem Quellenrecht gleichgestellt ist das Recht am Grundwasser (Art. 704 Abs. 3 ZGB).186 Grosse Grundwasserströme fallen allerdings unter das öffentliche Wasserrecht der Kantone.187

– Das Quellenrecht, verstanden als dingliches Nutzungsrecht an einer Quelle auf einem fremden Grundstück,188 verschafft dem Berechtigten («Quellenberechtigten») mehrere Befugnisse:

1413

• Im Vordergrund steht für den Berechtigten die in Art. 780 Abs. 1 ZGB ausdrücklich genannte Befugnis, sich das Quellwasser anzueignen und es abzuleiten. • Darin eingeschlossen ist nach herrschender Auffassung das Recht, das hervorquellende Wasser ordnungsgemäss (in technisch korrekter Weise) zu fassen und auf dem belasteten Grundstück die dazu erforderlichen Anlagen (Fassungen, Zuleitungsschächte, Brunnenstuben und dergleichen) zu errichten.189 Durch den Inhalt eines Quellenrechts nicht mehr gedeckt wird jedoch das Recht auf Errichtung zusätzlicher Gebäude, etwa eines Reservoirs. Hierfür ist demnach ein zusätzlicher (oder ein mit dem Quellenrechtsvertrag kombinierter) Baurechtsvertrag erforderlich.190

• Zur Wasserfassung und -ableitung, zum Bau der notwendigen Anlagen sowie zu deren Unterhalt darf der Quellenberechtigte das fremde Grundstück auch betreten.191 – Der Quellenberechtigte wird nicht Eigentümer der Quelle; das Quelleneigentum verbleibt beim Grundeigentümer (Art. 667 Abs. 2 und Art. 704 Abs. 1 ZGB; eine dem Art. 675 Abs. 1 ZGB entsprechende Bestimmung fehlt).192

186 187

188 189

190 191

192

leemann, BeKomm, N 6 zu Art. 780 ZGB. BGE 131 I 321 ff. (324), E. 5.1.2. Vgl. dazu auch R ey, Band I, Nr. 1092 ff.; R ey/StRebel, BaKomm, N 12 ff. zu Art. 704 ZGB. leemann, BeKomm, N 1 zu Art. 780 ZGB. BGE 115 IV 26 ff. (29), E. 3a; leemann, BeKomm, N 16 f. zu Art. 780 ZGB; liveR, ZüKomm, N 10 zu Art. 737 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2571. PeteR iSleR (zitiert in Nr. 1365), S. 54; SimoniuS/SutteR, Band II, S. 80. leemann, BeKomm, N 18 zu Art. 780 ZGB; liveR, ZüKomm, N 10 zu Art. 737 ZGB; SteinaueR, leemann, BeKomm, N 20 zu Art. 780 ZGB; h aab/SimoniuS, ZüKomm, N 14 zu Art. 704 ZGB, mit Hinweis u.a. auf BGE 42 II 438 ff. (440 f.), E. 2 und 3. Vgl. auch BGE 131 I 321 ff. (324), E. 5.1.2.

1414

430

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Der Quellenberechtigte wird aber Eigentümer des abgeleiteten Wassers (Fahrniseigentum) und ist ausserdem – auch ohne die Errichtung einer zusätzlichen Baurechtsdienstbarkeit – Eigentümer der baulichen Anlagen, die für die Ausübung des Quellenrechts erforderlich sind.193 1415

2. Ähnlich wie beim Baurecht (vorne Nr. 1373 f.) sind verschiedene Arten von Quellenrechten denkbar:

1416

– Ein Quellenrecht kann einerseits als Grunddienstbarkeit (also zu Gunsten des Eigentümers eines bestimmten herrschenden Grundstücks) im Sinn der Art. 730 ff. ZGB (vorne Nr. 1274)194 und andererseits als Personaldienstbarkeit begründet werden. Als Personaldienstbarkeit, die hier im Vordergrund steht, ist es gemäss Art. 780 Abs. 2 ZGB grundsätzlich übertragbar und vererblich.

1417

– Ein als Personaldienstbarkeit konstituiertes Quellenrecht kann selbständig und dauernd sein oder nicht (vorne Nr. 1327 ff.). Ist es selbständig und dauernd, besteht nach Art. 780 Abs. 3 ZGB die Möglichkeit, es als Grundstück in das Grundbuch aufzunehmen mit der Konsequenz, dass es wie eine Liegenschaft (also mittels eines öffentlich beurkundeten Vertrags195) verkauft sowie mit Grundpfandrechten belastet werden kann196 (dazu Art. 22 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 GBV; vorne Nr. 1333).

2.

Entstehung, Übertragung und Untergang

1418

1. In Bezug auf die Entstehung des Quellenrechts kommen die Regeln über die Grunddienstbarkeiten (Art. 731 f. ZGB) zur Anwendung.197 Das bedeutet:

1419

– Als (beschränktes) dingliches Recht entsteht das Quellenrecht mit der Eintragung in das Grundbuch (Art. 704 Abs. 2 und Art. 731 Abs. 1 ZGB).198

1420

– Art. 780 ZGB sagt nichts über die für das Rechtsgeschäft auf Errichtung des Quellenrechts erforderliche Form. Es ist davon auszugehen, dass (wie bereits vor der Revision vom 11. Dezember 2009)199 Art. 732 ZGB auf diese Frage analoge 200 zulegen. Es gibt aber keine Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber das Quellenrecht mit der Revision in Bezug auf die Form anders behandeln wollte als

193

194

leemann, BeKomm, N 20 f. zu Art. 780 ZGB; h aab/SimoniuS, ZüKomm, N 19 zu Art. 704 ZGB; liveR, ZüKomm, N 106 zu Art. 737 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2571b; Max. XI, Nr. 10, S. 16 ff. (17 und 19), E. 1 und 3 = SJZ 60/1964, S. 256 f. (Luzerner Obergericht). Beispiel: BGE 100 II 195 ff. Vgl. auch BGE 131 I 321 ff. (325), E. 5.1.2.

195 196 197 198

leemann, BeKomm, N 27 ff. zu Art. 780 ZGB. leemann, BeKomm, N 7 zu Art. 780 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2570. Zur Rechtslage bei Quellenrechten, die vor dem Inkrafttreten des ZGB entstanden sind, vgl. BGE 131 I 321 ff. (324 f.), E. 5.1.2.

199 200

Vgl. etwa gauch /SchlueP/Schmid, Nr. 496.

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten

431

die übrigen Dienstbarkeiten.201 Damit unterliegt das Rechtsgeschäft seit dem 1. Januar 2012 der öffentlichen Beurkundung.202 – Eine Höchstdauer sieht das Gesetz (anders als Art. 779l ZGB für das selbständige Baurecht) nicht vor. Die Errichtung eines «ewigen» (zeitlich unbegrenzten) Quellenrechts ist daher zulässig.203

1421

Zu beachten ist, dass die Kantone nach Art. 705 Abs. 1 ZGB zur Wahrung des Allgemeinwohls die Fortleitung von Quellen ordnen, beschränken oder untersagen können; dies hat gegebenenfalls Konsequenzen für die Zulässigkeit eines Quellenrechts.

2. Sofern es nicht anders vereinbart wurde, ist das Quellenrecht nach Art. 780 Abs. 2 ZGB als selbständiges Recht ausgestaltet, mithin übertragbar und vererblich. Die Übertragung erfolgt (wie beim Baurecht; vorne Nr. 1385 ff.) je nach Art des Quellenrechts unterschiedlich:

1422

– Ist das Quellenrecht nicht als Grundstück im Grundbuch aufgenommen, sind die Regeln über die Abtretung von Forderungen (Art. 165 OR) analog anwendbar; damit genügt eine schriftliche Erklärung des Berechtigten.204

1423

– Wurde das Quellenrecht als Grundstück in das Grundbuch aufgenommen, so folgt die Übertragung den auf das Grundeigentum anwendbaren Regeln. Somit ist nach den allgemeinen Grundsätzen öffentliche Beurkundung (Art. 657 Abs. 1 ZGB) und die Eintragung des Erwerbers in das Grundbuch (Art. 656 Abs. 1 ZGB) vorausgesetzt.205

1424

Haben die Parteien die Übertragbarkeit des Quellenrechts vertraglich ausgeschlossen, so kann – je nach Auslegung der Abrede – die Überlassung an einen Dritten zur Ausübung dennoch zulässig sein.206

3. Auch auf den Untergang eines Quellenrechts sind die Regeln über die Grunddienstbarkeiten sinngemäss anwendbar (vgl. Art. 734 ff. ZGB). Im Vordergrund steht der Untergang durch Löschung des Grundbucheintrags (Art. 734 ZGB).207 Als Besonderheit ist zu beachten, dass die Anlagen, die der Quellenberechtigte für die Ausübung seines Rechts auf dem belasteten Grundstück errichtet hat, bei Untergang des Quellenrechts zu Bestandteilen des Grundstücks werden; sofern die Parteien nicht etwas anderes vereinbart haben, muss der Grundeigentümer dem

201

202 203 204

205 206 207

Vgl. insbesondere Amtl.Bull. StR 2009, S. 937, wo die Auffassung vertreten wurde, «es sei aus Gründen der Rechtssicherheit richtig, im Immobiliarsachenrecht die öffentliche Beurkundung ganz grundsätzlich als Regelfall vorzusehen» (Votum Bundesrätin WidmeR-SchlumPF). Vgl. auch Amtl. Bull. StR 2008, S. 411 (Votum FRicK). Ebenso Roland PFäFFli (zitiert in Nr. 1237a); R ey/StRebel, BaKomm, N 22 zu Art. 780 ZGB. SteinaueR, Band III, Nr. 2570; wohl auch leemann, BeKomm, N 23 zu Art. 780 ZGB. leemann, BeKomm, N 25 zu Art. 780 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2570b; ZWR 21/1986, S. 199 ff. (203), E. 4b (Walliser Kantonsgericht); a.M. BN 50/1989, S. 411, Ziff. 32 (Meinungsäusserung des Eidg. Grundbuchamtes vom 8. Februar 1989, wo generell öffentliche Beurkundung verlangt wird). SteinaueR, Band III, Nr. 2570b. Ähnlich leemann, BeKomm, N 26 zu Art. 780 ZGB. Zum Untergang des Quellenrechts, wenn die Quelle kein Wasser mehr führt, vgl. BGE 131 I 321 ff. (325 f.), E. 5.2.1 und 5.2.2.

1425

432

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Berechtigten dafür eine angemessene Entschädigung leisten (Art. 779b Abs. 2 sowie Art. 779c und 779d ZGB analog; vorne Nr. 1390 ff.).208

VII. Die «anderen» Dienstbarkeiten nach Art. 781 ZGB 1426

Einführende Literatur: – SteinaueR, Band III, Nr. 2572 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 109 N 46 ff.

1.

Der Begriff

1427

Die sogenannten «anderen» Personaldienstbarkeiten («les autres servitudes personnelles») im Sinn von Art. 781 ZGB nehmen eine Zwischenstellung zwischen den Grundund den Personaldienstbarkeiten ein. Nach Art. 781 Abs. 1 ZGB lassen sie sich zu Gunsten einer beliebigen Person oder Gemeinschaft an Grundstücken bestellen, so oft diese in bestimmter Hinsicht jemandem zum Gebrauch dienen können («à la condition que le fonds se prête à une jouissance déterminée»). Im Einzelnen:

1428

1. Grundsätzlich kann jede Belastung, die als Grunddienstbarkeit möglich ist, auch als Dienstbarkeit im Sinn von Art. 781 ZGB begründet werden.209 Als Inhalt einer solchen Personaldienstbarkeit kommt also jede Gebrauchsmöglichkeit eines Grundstücks, jedes Duldenmüssen des Grundeigentümers in Betracht. Insofern entsprechen die «anderen» Dienstbarkeiten (inhaltlich) den Grunddienstbarkeiten.210 Die Anlehnung an die Grunddienstbarkeiten kommt auch durch die Verweisung in Art. 781 Abs. 3 ZGB (hinten Nr. 1434 ff.) zum Ausdruck.211 Die in Art. 781 Abs. 1 ZGB genannten Nutzungen («für die Abhaltung von Schiessübungen oder für Weg und Steg») sind lediglich Beispiele.

Eine solche Dienstbarkeit darf allerdings (dem Grundsatz der Beschränktheit der Belastung folgend; vorne Nr. 1268) nicht so ausgestaltet werden, dass das Eigentum völlig seines Gehalts entleert wird. Namentlich bezieht sich die Dienstbarkeit – anders als die Nutzniessung – nur auf einzelne bestimmte Nutzungs- und Gebrauchsrechte.212 Wann das Eigentum am belasteten Grundstück übermässig tangiert ist, beurteilt sich nach der Ausgestaltung der gesetzlich umschriebenen Dienstbarkeiten; was der Gesetzgeber dort ausgeschlossen hat, weil er es als eine übermässige Eigentumsbeschränkung ansah, kann nicht Gegenstand einer Dienstbarkeit nach Art. 781 ZGB sein.213

1429

Es ist daher beispielsweise unzulässig, ein zeitlich unbefristetes und übertragbares Nutzungsrecht an bestimmten Räumen eines Hauses als Dienstbarkeit nach Art. 781 ZGB zu begründen, da damit

208 209 210 211 212

213

Vgl. dazu SteinaueR, Band III, Nr. 2570c. leemann, BeKomm, N 1 zu Art. 781 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2573. Botschaft zum ZGB (1904), BBl 1904 IV, S. 71. eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 133 und 137 f. leemann, BeKomm, N 2 und 29 zu Art. 781 ZGB; AGVE 2004, S. 489 ff. (493), E. 4a (Departement des Innern des Kantons Aargau). BGE 116 II 281 ff. (290), E. 4d.

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten

433

Nr. 1261 f., 1324 und 1358). Möglich ist nach der Rechtsprechung hingegen die Begründung eines auf einzelne Gebäudeteile beschränkten Nutzungsrechts in Form einer Dienstbarkeit nach Art. 781 ZGB;214 diese Art der Ausgestaltung hat allerdings mit der Einführung von Art. 745 Abs. 3 ZGB (vorne Nr. 1339) an Bedeutung verloren.

2. Der Unterschied zu den Grunddienstbarkeiten liegt in der Umschreibung des Berechtigten: Die «anderen» Dienstbarkeiten stehen nicht dem jeweiligen Eigentümer eines Grundstücks, sondern regelmässig einer bestimmten Person (oder Personengruppe) zu; es handelt sich daher um Personaldienstbarkeiten.215

1430

– Berechtigt kann einerseits eine bestimmte (natürliche oder juristische) Privatperson sein.

1431

Beispiele: a. Recht eines Fussballvereins, im Herbst und im Frühling auf einer Wiese zu spielen.216 – b. Recht eines Schiessvereins, Grundstücke zu überschiessen.217

– Eine Dienstbarkeit nach Art. 781 ZGB kann andererseits auch zu Gunsten einer Gemeinschaft («une collectivité») bestellt werden. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die sogenannten Gemeindedienstbarkeiten von Bedeutung; hier geht es um Befugnisse, die eigentlich einer Gemeinde zustehen, im Endeffekt aber jedem einzelnen Destinatär die Ausübung des Dienstbarkeitsrechts ermöglichen. Wer im konkreten Fall zum Destinatärskreis gehört, muss durch Auslegung ermittelt werden.218

1432

Beispiele: a. Wegrecht der Gemeinde für den Kirchgang.219 – b. Weide- und Tränkrecht für die Viehbesitzer.220 – c. Recht, einen Park für das Publikum offen zu halten.221 – d. «Quartierservitut», die insbesondere das Betreiben unsittlicher Gewerbe verbietet, zu Gunsten eines Gemeinwesens.222

3. Der Inhalt der Dienstbarkeit bemisst sich gemäss Art. 781 Abs. 2 ZGB nach den gewöhnlichen Bedürfnissen des Berechtigten («les besoins ordinaires de l’ayant droit»). Massgebend sind die Bedürfnisse im Moment der Errichtung der Dienstbarkeit; das Verbot der Mehrbelastung nach Art. 739 ZGB ist anwendbar223 (siehe vorne Nr. 1282 ff.).

214 215

216 217 218

219 220 221 222 223

Vgl. zum Ganzen BGE 116 II 281 ff. (289 f.), E. 4d. Vgl. die Umschreibung bei tuoR /SchnydeR /Schmid, § 109 N 47, als «persönliche Servituten mit ‹Grunddienstbarkeitsähnlichkeit›». tuoR /SchnydeR /Schmid, § 109 N 48. Felix zuRbRiggen (zitiert in Nr. 1438), S. 47. Vgl. etwa BGer 5A_181/2011, E. 3: Das mit dem Stichwort «Öffentliches Wegrecht z.G. Einwohnergemeinde A.» im Grundbuch eingetragene Wegrecht steht nicht nur den direkten Anwohnern der Gemeinde A. oder den Einwohnern dieser Gemeinde, sondern generell Dritten für den Durchgangsverkehr zu. – Vgl. zum Ganzen auch JöRg Schmid/oliveR zbinden, Popularservituten, in: Roland Fankhauser et al. (Hrsg.), Das Zivilrecht und seine Durchsetzung, Festschrift für Thomas Sutter-Somm, Zürich/Basel/Genf 2016, S. 1023 ff.; leemann, BeKomm, N 18 zu Art. 781 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2575a; Felix zuRbRiggen (zitiert in Nr. 1438), S. 46. SteinaueR, Band III, Nr. 2575a. leemann, BeKomm, N 18 zu Art. 781 ZGB. leemann, BeKomm, N 18 zu Art. 781 ZGB. BGE 134 III 341 ff. leemann, BeKomm, N 41 ff. zu Art. 781 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2577.

1433

434

2.

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Entstehung, Übertragung und Untergang

1434

1. Art. 781 Abs. 3 ZGB legt fest, dass «im Übrigen» die Bestimmungen über die

1435

– Die Errichtung der «anderen» Personaldienstbarkeit erfolgt durch die Eintragung in das Grundbuch (Art. 731 Abs. 1 ZGB). Das Rechtsgeschäft auf Errichtung bedarf seit dem 1. Januar 2012 der öffentlichen Beurkundung (vgl. Art. 732 Abs. 1 ZGB); ist die Ausübung auf einen Teil des Grundstücks beschränkt, muss sie in einem Auszug aus dem Grundbuchplan zeichnerisch dargestellt werden, sofern die örtliche Lage im Rechtsgrundausweis nicht genügend bestimmbar umschrieben ist (Art. 732 Abs. 2 ZGB und vorne Nr. 1246).224 Eine Dienstbarkeit nach Art. 781 ZGB kann ersessen werden.225

1436

– In Bezug auf den Untergang der «anderen» Personaldienstbarkeiten gelten die Art. 734 ff. ZGB,226 einschliesslich Art. 736 ZGB über die Ablösung der Dienstbarkeit durch das Gericht227 (vorne Nr. 1308 ff.).

1437

2. Die «anderen» Dienstbarkeiten sind gemäss Art. 781 Abs. 2 ZGB grundsätzlich unübertragbar; die Parteien können aber etwas anderes vereinbaren.228 Wird eine Dienstbarkeit als selbständige (das heisst übertragbare) und dauernde begründet, so kann sie nach Massgabe von Art. 22 GBV als Grundstück in das Grundbuch aufgenommen werden229 (vgl. dazu vorne Nr. 1327 ff.). Art. 781 ZGB werden auch als «irreguläre Personaldienstbarkeiten i.e.S.» bezeichnet, obwohl sie – anders als die irregulären Personaldienstbarkeiten i.w.S. – im Zweifel nicht übertragbar sind.

VIII. 1438

Weiterführende Literatur

– baadeR-Schüle K ezia, Praktische Probleme der Nutzniessung an Stockwerkeigentums-Anteilen, Diss. Zürich 2006. – baumann max, Den Nutzen geniessen – Hinweise zur Regelung von Wohnrechtsund Nutzniessungsverhältnissen, ZBGR 83/2002, S. 193 ff. – bichSel maRtin/maueRhoFeR K aSPaR, Wie wirkt sich die Dauer eines Nutzniessungsverhältnisses auf Unterhalt und Rückgabe einer nutzniessungsbelasteten Liegenschaft aus?, BN 68/2007, S. 77 ff. – FaRine FabbRo alexandRa, L’usufruit immobilier, Diss. Freiburg 2000 (AISUF Band 193).

224 225 226 227

228 229

tuoR /SchnydeR /Schmid, § 109 N 51 mit Hinweisen; Felix zuRbRiggen (zitiert in Nr. 1438), S. 85 ff. FZR 1997, S. 78 ff. (81), E. 1a/aa (Freiburger Kantonsgericht). Siehe dazu BGE 95 II 14 ff. (18), E. 2; leemann, BeKomm, N 55 zu Art. 781 ZGB; Felix zuRbRiggen (zitiert in Nr. 1438), S. 121 ff. leemann, BeKomm, N 49 ff. zu Art. 781 ZGB; Felix zuRbRiggen (zitiert in Nr. 1438), S. 98 ff. leemann, BeKomm, N 58 ff. zu Art. 781 ZGB; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 46 zu Art. 655 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2574; Felix zuRbRiggen (zitiert in Nr. 1438), S. 175 ff.

§ 26 Die Personaldienstbarkeiten

435

– dieSelbe, Quelques problèmes liés à l’usufruit immobilier, ZBGR 82/2001, S. 201 ff. – hüRlimann-K auP bettina /oSWald diana, Die Fotovoltaikdienstbarkeit – ausgewählte sachenrechtliche Fragen, ZBJV 150/2014, S. 679 ff. – méRot StéPhane, Les sources et les eaux souterraines, Etude des législations fédérales et vaudoises, Diss. Lausanne 1996. – mooSeR michel – deRSelbe, Le droit d’habitation – Présentation générale fondée sur le droit d’habitation constitué à l’occasion d’actes translatifs de propriété convenus dans un contexte familial, Freiburger Diss., Bulle 1997 (zitiert: michel mooSeR, Diss.). – Piotet deniS

– – – –

un retour vers le futur du domaine utile?, ZSR NF 123/2004 I, S. 343 ff. StudeR benno FS 100 Jahre Aargauischer Anwaltsverband, Zürich/Basel/Genf 2005, S. 271 ff. SutteR thomaS/Schöbi Felix, Personaldienstbarkeiten an Teilen einer Liegenschaft, recht 1991, S. 139 ff. WolFeR maRc, Zur Übertragung von Personaldienstbarkeiten: Übertragungsvorgang und Übertragungsbeschränkungen, AJP 2010, S. 37 ff. zuRbRiggen Felix, Die irregulären Personaldienstbarkeiten (Art. 781 ZGB), Freiburger Diss., Bern usw. 1981 (Europäische Hochschulschriften, Reihe II, Rechtswissenschaft; Band 283).

IX. Fälle 1. BGE 113 II 146 ff. Vererbliches und übertragbares Benützungsrecht an einer Wohnung als Inhalt einer Dienstbarkeit im Sinn von Art. 781 ZGB? 2. BGE 133 III 311 ff. Begriff und Entstehung des Baurechts als Personaldienstbarkeit. Konversion einer Klausel mit unmöglichem Inhalt in ein gültiges Rechtsgeschäft. Wirkung des Todes eines Mitinhabers des Baurechts. 3. BGE 118 II 115 ff. Dereliktion eines selbständigen und dauernden Baurechts? 4. BGE 127 III 300 ff. Anwendung des Grundsatzes der clausula rebus sic stantibus auf einen Baurechtsvertrag. 5. BGer 5A_251/2010, E. 6 Der Baurechtszins ist kein objektiv wesentlicher Punkt des Baurechtsvertrags. Ist er im konkreten Fall auch nicht subjektiv wesentlich, kann er formlos vereinbart werden, sofern die Parteien nicht die Vormerkung im Grundbuch vereinbaren.

1439

436

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

§ 27 Die Grundlasten 1440

Einführende Literatur: – Piotet deniS, SPR V/2, Nr. 727 ff. – Piotet Paul, SPR V/1, S. 646 ff. – R iemeR, S. 181 ff. – SteinaueR, Band III, Nr. 2578 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 110.

I.

Begriff und Inhalt

1441

1. Das Gesetz regelt die Grundlasten («les charges foncières») in den Art. 782–792 ZGB. Nach Art. 782 Abs. 1 ZGB wird der jeweilige Eigentümer eines Grundstücks durch die Grundlast zu einer ausschliesslich mit dem Grundstück haftet.1 Die Grundlast umfasst also zwei Eletümers eines Grundstücks) und andererseits die Belastung dieses Grundstücks mit einer Haftung.2 Im Einzelnen:

1442

– Bei der Grundlast besteht die (Art. 782 Abs. 1 ZGB). Die geschuldete Leistung beschränkt sich nicht auf ein Unterlassen oder Dulden, sondern beinhaltet grundsätzlich ein positives Tun.3 Beispiele: a. Unterhalt einer Weide oder eines Staudamms. – b. jeweiligen Eigentümerin eines Quellengrundstücks.4 – c.

5

1443

– Schuldner dieser Leistung ist der jeweilige Eigentümer des belasteten Grundstücks. Wechselt das Grundstück den Eigentümer, so wird nach Art. 792 Abs. 1 ZGB der Erwerber automatisch Schuldner der Grundlast. Da die Schuldnereigenschaft demnach durch das Eigentumsrecht am Grundstück bestimmt wird, kann das Verhältnis als Realobligation (vorne Nr. 21 ff.) bezeichnet werden.

1444

– In Bezug auf den Berechtigten ist eine unterschiedliche Ausgestaltung denkbar:6 Entweder handelt es sich um eine beliebige Person (Personalgrundlast; «charge foncière personnelle») oder aber um den jeweiligen Eigentümer eines anderen Grundstücks (vgl. Art. 782 Abs. 2 ZGB, prädiale Grundlast oder Realgrundlast; «charge foncière réelle»).

1

2 3 4 5 6

Französisch: «La charge foncière assujettit envers un tiers le propriétaire actuel d’un fonds à certaines prestations pour lesquelles il n’est tenu que sur son immeuble.» tuoR /SchnydeR /Schmid, § 110 N 2. Paul Piotet, SPR V/1, S. 653. Vgl. etwa BGE 124 III 196 ff.; 131 I 321 ff. (326), E. 5.2.2. Vgl. zum Ganzen R iemeR, S. 182; SteinaueR, Band III, Nr. 2580. leemann, BeKomm, N 7 ff. zu Art. 782 ZGB.

§ 27 Die Grundlasten

437

Eine Personalgrundlast kann übertragen werden, sofern es sich nicht um ein höchstpersönliches Recht handelt oder die Parteien die Übertragbarkeit ausgeschlossen haben.7 Umstritten ist die Frage, ob eine selbständige und dauernde Grundlast als Grundstück in das Grundbuch aufgenommen werden kann (vgl. auch den neuen Art. 655 Abs. 3 ZGB sowie Art. 22 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 GBV, die in diesem Zusammenhang nur die Dienstbarkeiten nennen).8

– Die Verbindlichkeit ist besonderer Natur: Der Gläubiger der Grundlast hat keine persönliche Forderung gegen den Schuldner, kann also namentlich nicht auf (Real-)Erfüllung klagen.9 Er hat nur (aber immerhin) ein Recht auf Befriedigung aus dem Wert des belasteten Grundstücks (Art. 791 Abs. 1 ZGB; «seulement le droit d’être payé sur le prix de l’immeuble grevé»; vgl. auch Art. 782 Abs. 1 ZGB: «Leistung …, für die er ausschliesslich mit dem Grundstücke haftet»); er darf also bei Nichterfüllung die Zwangsvollstreckung mit Bezug auf das belastete Grundstück einleiten.10 Es liegt mit anderen Worten (grundsätzlich) eine blosse Sachhaftung vor. Der Erlös aus der Zwangsvollstreckung des belasteten Grundstücks kommt – wie beim Grundpfandrecht – vorrangig dem aus der Grundlast Berechtigten (und erst nach dessen Befriedigung den nicht pfandgesicherten Gläubigern) zu.

1445

Allerdings muss zwischen dem Gesamtverhältnis (also der Belastung als solcher) und der einzelnen Leistung unterschieden werden. Die blosse Sachhaftung gilt zwar sowohl für das Gesamtverhältnis als auch für die Einzelleistung, für Letztere aber nur zeitlich begrenzt: Mit Ablauf von drei Jahren seit Eintritt der Fälligkeit wird die einzelne Leistung gemäss Art. 791 Abs. 2 ZGB zur persönlichen Schuld desjenigen, der in diesem Moment Eigentümer ist; das Grundstück haftet hingegen nicht mehr dafür.11

2. Art. 782 Abs. 3 ZGB schränkt den zulässigen Inhalt einer Grundlast – unter Vorbehalt der öffentlich-rechtlichen Grundlasten – ein:

1446

– Es kann sich einerseits um eine Leistung handeln, die sich aus der wirtschaftlichen Natur des belasteten Grundstücks ergibt («en corrélation avec l’économie du fonds grevé»).

1447

Beispiel: Lieferung von Früchten. Unter der genannten Voraussetzung kommen auch Geldleistungen als Inhalt einer Grundlast in Betracht.12 Das trifft dann zu, wenn das Grundstück direkt Geld abwirft (etwa bei einem Mietshaus), aber auch dann, wenn ein Gelderlös nur indirekt (durch den Verkauf von auf dem Grundstück hergestellten Produkten) erzielt wird.13 Unzulässig ist es nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung jedoch, einen Baurechtszins durch eine Grundlast dinglich zu sichern (vgl. dazu auch Art. 779i und 779k ZGB sowie vorne Nr. 1397 ff.).14

7

8

9 10 11 12 13

14

Vgl. leemann, BeKomm, N 37 f. zu Art. 783 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2591 und 2595b; deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 804. Bejahend etwa leemann, BeKomm, N 44 zu Art. 783 ZGB; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 47 zu Art. 655 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2591a; verneinend zum Beispiel eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 78; deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 794; Paul Piotet, SPR V/1, S. 660. leemann, BeKomm, N 5 zu Art. 791 ZGB. SteinaueR, Band III, Nr. 2602 ff. Vgl. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 110 N 4; deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 767. BGE 53 II 382 ff. (386 ff.), E. 2 und 3; leemann, BeKomm, N 3 ff. zu Art. 785 ZGB. Paul Piotet, SPR V/1, S. 655. Ablehnend ZBGR 96/2015, S. 26 ff. (32 f.), E. 3.4.1 (Kantonsgericht Glarus). BGE 93 II 71 ff. (81), E. 3d. A.M. deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 759 und 787; kritisch zu diesem Entscheid auch SteinaueR, Band III, Nr. 2599a, Fn. 22.

438

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

– Inhalt einer Grundlast kann andererseits auch eine Leistung sein, die für die wirtschaftlichen Bedürfnisse eines berechtigten Grundstücks bestimmt ist («se rattacher aux besoins de l’exploitation du fonds dominant»).

1448

Beispiel: merin eines anderen Grundstücks ist.15

-

1449

– Nicht Inhalt einer Grundlast kann nach den allgemeinen Grundsätzen das sein, was schon von Gesetzes wegen ohne Zweifel geschuldet ist.16 Zur entsprechenden Regel bei Dienstbarkeiten vgl. vorne Nr. 1267.

1450

3. Die Grundlast nimmt auf Grund ihrer gesetzlichen Ausgestaltung eine Zwischenstellung zwischen Dienstbarkeit und Pfandrecht ein (vgl. dazu schon vorne Nr. 40 ff.). Sie lässt sich wie folgt von diesen beiden Rechtsinstituten abgrenzen:17

1451

– Die Grundlast stimmt mit der Dienstbarkeit insofern überein, als auch bei ihr eine Nutzung gewährt wird (dieses Nutzungsrecht ist bei der Grundlast allerdings nicht dinglich; es räumt dem Berechtigten keine unmittelbare Sachherrschaft ein). Die Grundlast wird ausserdem wie die Dienstbarkeit regelmässig wiederholt ausgeübt.18 Grundlast und Dienstbarkeit unterscheiden sich aber in ihrem Inhalt: Bei einer Dienstbarkeit geht es um ein Dulden oder Unterlassen, nie um ein Tun; positive Handlungen können lediglich mit der Servitut verbunden werden, sofern sie nebensächlich sind (Art. 730 ZGB und vorne Nr. 1206). Demgegenüber richtet sich die Grundlast auf ein Tun des Belasteten (positive Leistung). Zur Frage, wann eine positive Leistung nur nebensächlich ist, vgl. vorne Nr. 1264 f.

– Die Grundlast ähnelt dem Grundpfandrecht insofern, als auch sie einen Anspruch auf Befriedigung aus dem Wert des belasteten Grundstücks gibt, wenn der

1452

Gegensatz zum Pfandrecht nicht ein reines Sicherungsrecht, sondern nützt dem Berechtigten während der Laufzeit (also vor der Zwangsvollstreckung) in ähnlicher Weise wie eine Dienstbarkeit. Im Fall der Zwangsvollstreckung bestehen erhebliche Parallelen zum Pfandrecht: So umfasst der Ausdruck «Grundpfand» im Sinn des SchKG ausdrücklich auch die Grundlast (Art. 37 Abs. 1 SchKG; hinten Nr. 1467).

Die Grundlast ist mit anderen Worten als dingliches Recht ein Wertrecht, kein Nutzungsrecht.19 Solange sie ordnungsgemäss erbracht wird, gleicht sie der Dienstbarkeit. Bleibt die Leistung aber aus, so wird die Grundlast wie ein Grundpfandrecht behandelt.20

1452a

15

tuoR /SchnydeR /Schmid, § 110 N 15.

16

17 18 19 20

Bewirtschaftung ohne Zaun die Nachbarn schädigen würde. Vgl. auch leemann, BeKomm, Vorbem. zu den Grundlasten (vor Art. 782 ZGB), N 6 ff. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 110 N 6 f. leemann, BeKomm, Vorbem. zu den Grundlasten (vor Art. 782 ZGB), N 4. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 110 N 8.

§ 27 Die Grundlasten

439

II. Entstehung und Untergang 1. Die Grundlast entsteht als dingliches Recht mit der Eintragung in das Grundbuch (Eintragungsprinzip; Art. 783 Abs. 1 ZGB; zu den Einzelheiten des Eintrags vgl. Art. 100 GBV).21 Vorbehalten bleiben die öffentlich-rechtlichen Grundlasten (Art. 784 Abs. 1 ZGB und hinten Nr. 1458).

1453

Bei der Eintragung ist nach Art. 783 Abs. 2 ZGB ein bestimmter Betrag als Gesamtwert in Landesmünze anzugeben, bei zeitlich wiederkehrenden Leistungen mangels anderer Abrede der zwanzigfache Betrag der Jahresleistung (vgl. auch Art. 100 Abs. 2 lit. h GBV). Der eingetragene Betrag ist in verschiedener Hinsicht von Bedeutung: Er begrenzt den Umfang der Haftung des Grundstücks, ist maximale Ablösesumme im Sinn von Art. 789 ZGB und bestimmt das Mass der Konkurrenz der Grundlast mit nachgehenden dinglichen Rechten.22

Für den Erwerb gelten grundsätzlich die Regeln über das Grundeigentum (vgl. die Verweisung in Art. 783 Abs. 3 ZGB). Der Vertrag auf Errichtung einer Grundlast bedarf demnach der öffentlichen Beurkundung.23 Aus Art. 783 Abs. 3 ZGB ergibt sich ausserdem, dass eine Grundlast ersessen werden kann.24

1453a

Umstritten ist, welcher Formvorschrift die Errichtung einer Eigentümergrundlast (vorne Nr. 1192) unterliegt. Nach der hier vertretenen Ansicht muss das Rechtsgeschäft öffentlich beurkundet werden. Zwar ist Art. 783 Abs. 3 ZGB bei der Revision des Immobiliarsachenrechts vom 11. Dezember 2009 nicht geändert worden. Da der Gesetzgeber nunmehr aber sowohl bei den Dienstbarkeiten (Art. 732 Abs. 1 und Art. 779a Abs. 1 ZGB) als auch bei den Grundpfandrechten (Art. 799 Abs. 2 ZGB) auch für einseitige Rechtsgeschäfte die öffentliche Beurkundung verlangt, muss das ebenfalls bei der Grundlast gelten, die nach dem Gesagten ja eine Zwischenstellung zwischen diesen beiden beschränkten dinglichen Rechten einnimmt.25

2. Das Gesetz regelt den Untergang der Grundlast in den Art. 786 ff. ZGB. Nach Art. 786 Abs. 1 ZGB erlischt die Grundlast mit der Löschung des Eintrags im Grundbuch sowie mit dem vollständigen Untergang des belasteten Grundstücks. Aus Verzicht oder Ablösung (nachfolgend Nr. 1455) sowie aus anderen Untergangsgründen hat der Belastete hingegen nach Art. 786 Abs. 2 ZGB gegenüber dem Berechtigten lediglich einen Anspruch auf Löschung des Eintrags.26 Art. 786 Abs. 2 ZGB ist insofern missverständlich, als er den Anschein erweckt, die Löschung des Grundbucheintrags erfordere – abgesehen vom Fall des Untergangs des belasteten Grundstücks – immer entweder die Zustimmung des Berechtigten oder ein gerichtliches Urteil. Gibt der Untergangsgrund jedoch zu keinen Diskussionen Anlass (etwa bei Ablauf der vereinbarten Dauer), muss dem Belasteten die Möglichkeit zugestanden werden, gestützt auf Art. 963 Abs. 2 ZGB die Löschung von sich aus zu beantragen.27

21

22 23 24 25

26

27

Zur Entstehung einer Grundlast, die vor Einführung des ZGB errichtet wurde, vgl. BGE 131 I 321 ff. (326 f.), E. 5.2.2 und 5.3. leemann, BeKomm, N 26 ff. zu Art. 783 ZGB. BGE 124 III 196 ff. (199), E. 2b; 93 II 290 ff. (299), E. 6a. BGE 124 III 196 ff. (199 f.), E. 2b mit Hinweisen. Die öffentliche Beurkundung ebenfalls bejahend Jenny, BaKomm, N 7 zu Art. 783 ZGB; sie verneinend deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 740, der im Übrigen die Errichtung einer Eigentümergrundlast für unzulässig hält. Die Zulässigkeit einer Eigentümergrundlast ebenfalls verneinend noveRRaz, ComRom, N 3 zu Art. 783 ZGB. Zur Frage, wann die Löschung des Eintrags nur deklaratorische Wirkung hat, vgl. etwa SteinaueR, Band III, Nr. 2607 ff. SteinaueR, Band III, Nr. 2608a; SimoniuS/SutteR, Band II, S. 300. A.M. leemann, BeKomm, N 8 ff. zu Art. 786 ZGB.

1454

440 1455

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

3. Das Gesetz sieht in den Art. 787 ff. ZGB als Besonderheit der Grundlast bestimmte Möglichkeiten zur Ablösung («le rachat», also die Aufhebung der Grundlast gegen Erstattung des Wertes an den Berechtigten) sowohl durch den Gläubiger als auch durch den Schuldner vor. Namentlich kann der Schuldner gemäss Art. 788 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB nach 30-jährigem Bestand der Grundlast einseitig deren Ablösung verlangen – und zwar auch dann, wenn eine längere Dauer oder die Unablösbarkeit verabredet worden ist. Diese Bestimmung gehört zum schweizerischen Ordre public im Sinn von Art. 2 SchlT ZGB. Dahinrechtliche Grundlasten Anwendung.28 Eine Ablösung ist nach Art. 788 Abs. 3 ZGB aber dann ausgeschlossen, wenn die Grundlast mit einer unablösbaren Grunddienstbarkeit verbunden ist; dies gilt allerdings nur, wenn Grundlast und Grunddienstbarkeit auf demselben Grundstück ruhen.29

Die Ablösung erfolgt gemäss Art. 789 ZGB um den im Grundbuch eingetragenen Betrag der Grundlast; dem Schuldner steht jedoch der Nachweis offen, dass die Grundlast in Wirklichkeit weniger wert ist.30

III. Einzelfragen 1456

1. Die Grundlast selber unterliegt nach Art. 790 Abs. 1 ZGB keiner Verjährung. Hingegen verjähren die einzelnen Leistungen von dem Zeitpunkt an, in dem sie zur pervon drei Jahren seit ihrer Fälligkeit (Art. 791 Abs. 2 ZGB). Man wird hier nach Art. 128 Ziff. 1 OR von einer Verjährungsfrist von fünf Jahren ausgehen müssen.31 Berechnet man die fünf Jahre ab Ende der dinglichen Sicherung, so verjährt die einzelne Leistung erst nach acht Jahren seit Fälligkeit.32

1457

2. Bis zum 31. Dezember 2011 stand eine Grundlast zum Zweck der Sicherung einer Kapitalforderung gemäss aArt. 785 ZGB unter den Bestimmungen über die Gült. Infolge der Aufhebung der Gült wurde diese Norm ersatzlos gestrichen. Nach geltendem Recht fallen Grundlasten, die zur Sicherung einer solchen Forderung begründet werden, einzig unter die Art. 782 ff. ZGB.33 Damit kann eine Kapitalforderung nunmehr durch eine Grundlast gesichert werden, sofern die Forderung mit der wirtschaftlichen Natur des belasteten Grundstücks oder mit den wirtschaftli-

28

29

30

31 32 33

BGE 93 II 71 ff. (75 f. und 79), E. 1 und 3c. Vgl. auch BGE 131 I 321 ff. (328), E. 5.4 und (330), E. 6.2. Zur analogen Anwendung auch auf andere, den Grundlasten ähnliche Wasserrechte vgl. BGer 2P.3/2006, E. 4. BGE 93 II 71 ff. (77), E. 3, und 97 II 390 ff. (401), E. 8; vgl. auch BGer vom 21. Februar 1963, in ZBGR 48/1967, S. 354 ff. (361 f.), E. 3. Zur Ablösung einer altrechtlichen Grundlast, deren Wert nicht im Grundbuch eingetragen ist, vgl. BGE 131 I 321 ff. (330 ff.), E. 6. SteinaueR, Band III, Nr. 2603. Paul Piotet, SPR V/1, S. 652. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5314 f. – Zum Übergangsrecht vgl. deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 756.

§ 27 Die Grundlasten

441

chen Bedürfnissen des berechtigten Grundstücks im Zusammenhang steht (Art. 782 Abs. 3 ZGB; vorne Nr. 1446 ff.).34 3. Das Gesetz befasst sich in Art. 784 ZGB mit den öffentlich-rechtlichen Grundlasten, indem es auf die Bestimmungen über die gesetzlichen Pfandrechte des kantonalen Rechts verweist. Massgebend ist damit Art. 836 ZGB, dessen sinngemässe Anwendung zu folgender Regelung führt: Eine Grundlast, auf die das Gesetz dem Gläubiger nur einen Anspruch einräumt, entsteht erst mit der Eintragung in das Grundbuch (vgl. Art. 836 Abs. 1 ZGB). Grundlasten, die auf Grund des kantonalen Rechts ohne Eintragung entstehen, können gutgläubigen Dritten nicht mehr entgegengehalten werden, wenn ihr Gesamtwert Fr. 1000.– überschreitet und sie nicht innert der in Art. 836 Abs. 2 ZGB umschriebenen Frist in das Grundbuch eingetragen worden sind. Die Kantone haben immerhin die Möglichkeit, einschränkendere Bestimmungen zu erlassen (Art. 836 Abs. 3 ZGB). Zu Art. 836 ZGB vgl. auch hinten Nr. 1656 ff. Die öffentlich-rechtlichen Grundlasten unterstehen im Weiteren dem Verwaltungsrecht; das Zivilrecht ist aber allenfalls subsidiär anwendbar.35

1458

Nach Art. 782 Abs. 3 ZGB gelten die Beschränkungen hinsichtlich des Inhalts einer Grundlast für die öffentlich-rechtlichen Grundlasten nicht. – Öffentlich-rechtliche Grundlasten dienen zum Beispiel 36

4. Neben den Art. 782–792 ZGB sind für die Grundlasten noch weitere Bestimmungen zu berücksichtigen: Soweit es um das Wertrecht geht, kommen subsidiär die allgemeinen Normen über die Grundpfandrechte zum Zug. Hinsichtlich der Forderung fällt die Grundlast unter die allgemeinen Regeln des OR, insbesondere die Art. 68 ff. und 97 ff. OR (aber wegen Art. 791 Abs. 1 ZGB unter Ausschluss des Anspruchs auf Realerfüllung). Schliesslich können gewisse Bestimmungen über die Wirkungen der Dienstbarkeiten, namentlich Art. 738 und 739 ZGB, analog angewendet werden.37

1459

IV. Weiterführende Literatur – eggen geRhaRd, Die Verbreitung von Grundlast und Gült, SJZ 63/1967, S. 285 ff. – galland cyRil, Le contenu des servitudes foncières – Aspects de droits réels et obligations de faire rattachées à la servitude, Freiburger Diss., Genf/Zürich/Basel 2013 (AISUF Band 325), Nr. 1166 ff. und 1327 ff. – liveR PeteR, Die Ablösung von Grundlasten und die Aufhebung entsprechentonomie, Eigentum und Verantwortung, FS für Hermann Weitnauer, Berlin 1980, S. 181 ff. – noveRRaz JacqueS-daniel, Constitution et contenu de la charge foncière, Diss. Lausanne 2005. 34

35 36 37

deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 757. Die Möglichkeit, eine Kapitalforderung durch eine Grundlast abzusichern, verneinend Jenny, BaKomm, N 12 zu Art. 782 ZGB. Vgl. deniS Piotet, SPR V/2, Nr. 750 f.; Jenny, BaKomm, N 5 zu Art. 784 ZGB. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5314. Vgl. zum Ganzen leemann, BeKomm, N 56 ff. zu Art. 782 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2601.

1460

442

V. 1461

Die Dienstbarkeiten und Grundlasten

Fälle

1. BGE 99 II 28 ff. last? – Ausserordentliche Ersitzung einer Grundlast? (Frage offengelassen.) 2. BGE 108 II 39 ff. rechts, an einem bestimmten Punkt einer Fassungsleitung Wasser zu liefern: Dienstbarkeit oder Grundlast? 3. ZBJV 149/2013, S. 1009 ff. = ZBGR 96/2015, S. 26 ff. (Kantonsgericht Glarus) Zulässigkeit der Eintragung im konkreten Fall mit der Begründung verneint, der derliche besondere Bezug zum dienenden oder zum herrschenden Grundstück. 4. BGE 124 III 196 ff. Ordentliche Ersitzung einer Grundlast. 5. BGE 131 I 321 ff. Kündigung einer altrechtlichen Grundlast.

§ 28 Einleitung und Übersicht

443

2. Abschnitt: Die Pfandrechte § 28 Einleitung und Übersicht Einführende Literatur: – R iemeR, S. 29 ff., 86 ff. und 162 f. – SteinaueR, Band II, Nr. 2133 ff., und Band III, Nr. 2617 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 104 N 1 ff., § 111 und § 117. – von mooS Paul, Das Grundpfandrecht des ZGB, 3. A., Luzern 1991. – Wiegand, S. 63 ff.

1462

1. In der zweiten Abteilung über die beschränkten dinglichen Rechte regelt das ZGB nicht nur die Dienstbarkeiten und Grundlasten (21. Titel, Art. 730 ff. ZGB), sondern auch die Pfandrechte («les droits de gage»), nämlich einerseits das Grundpfand (22. Titel, Art. 793 ff. ZGB) und andererseits das Fahrnispfand (23. Titel, Art. 884 ff. ZGB). Pfandrechte sichern eine Forderung und lassen sich allgemein wie folgt charakterisieren:

1463

– Pfandrechte sind beschränkte dingliche Rechte. Sie beziehen sich entweder auf eine unbewegliche oder auf eine bewegliche Sache; ausnahmsweise kann auch ein Recht verpfändet werden (Art. 899 ff. ZGB).

1464

Als (beschränkte) dingliche Rechte gehören die Pfandrechte zu den absoluten Rechten, denn sie wirken gegenüber jedermann (vorne Nr. 18 ff. und 1154).1

– Pfandrechte sind Sicherungsrechte (Verwertungsrechte, auch Wertrechte2 genannt): Die Berechtigte hat die Befugnis, im Fall der Nichtzahlung einer Schuld die verpfändete Sache (ausnahmsweise: das verpfändete Recht) verwerten zu lassen und sich aus dem Erlös bezahlt zu machen (Art. 816 Abs. 1 und Art. 891 Abs. 1 ZGB; im Einzelnen hinten Nr. 1549 ff. und 1903). Das Recht der Pfandgläubigerin geht mit anderen Worten auf den Verwertungserlös (Nr. 1549), (Nr. 1557 ff.). Insofern kann das Pfandrecht als «Recht auf Vorabbefriedigung aus dem Verwertungserlös eines Gegenstandes» bezeichnet werden.3 Die Sachherrschaft besteht hier im Recht der Pfandgläubigerin, die Verwertung der Sache durchzusetzen, um sich aus dem Erlös bezahlt zu machen. Diese Sachherrschaft ist nach liveR4 unmittelbar, «weil sie ausgeübt werden kann, ohne dass eine Handlung des Schuldners oder des Pfandeigentümers erforderlich ist».5

1 2

3 4 5

zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 151 f. «Wertrechte» im hier verstandenen Sinn sind zu unterscheiden von den (wertpapierrechtlichen) Wertrechten nach Art. 973c OR (zu den Letzteren vgl. hinten Nr. 1953a). KuRt a monn (zitiert in Nr. 1592), S. 2. liveR, ZüKomm, Einleitung (vor Art. 730 ZGB), N 5. Ähnlich leemann, BeKomm, Vorbem. vor Art. 793 ZGB, N 1; vgl. auch SteinaueR, Band III, Nr. 2620.

1465

444

Die Pfandrechte

In terminologischer Hinsicht ist Folgendes beizufügen: Der Ausdruck «Pfand» wird einerseits für die verpfändete Sache (das Pfandobjekt, gelegentlich auch als «Unterpfand» bezeichnet), andererseits für das Pfandrecht (im subjektiven Sinn, also für die Berechtigung der Pfandgläubigerin) verwendet.6

1466

Im erstgenannten Sinn (also als «Pfandobjekt») zu verstehen ist der Ausdruck «Grundpfand» beispielsweise in Art. 816 Abs. 2 ZGB. Im zweitgenannten Sinn (also im Sinn von «Grundpfandrecht») spricht das ZGB zum Beispiel in der Überschrift des 22. Titels vom «Grundpfand», ferner etwa in Art. 793, 794 Abs. 1, Art. 796 Abs. 1, Art. 797 Abs. 1 sowie Art. 799 ZGB. – Im Folgenden meint der Ausdruck «Pfand» die Pfandsache, der Ausdruck «Pfandrecht» die Berechtigung der Pfandgläubigerin. 1467

2. Das Gesetz enthält keinen Abschnitt mit allgemeinen Bestimmungen, die auf alle Pfandrechte anwendbar wären, sondern unterscheidet sogleich – nach dem Sicherungsobjekt – zwischen Grundpfand und Fahrnispfand (dazu nachfolgend Nr. 1468 ff.). Dennoch lassen sich folgende allgemeine Aussagen machen: – Wie für alle dinglichen Rechte gilt auch für die Pfandrechte ein Numerus clausus: Zulässig sind nur jene Pfandrechtsarten, welche das Gesetz vorsieht. Was für die Grundpfandrechte in Art. 793 Abs. 2 ZGB ausdrücklich festgehalten wird (hinten Nr. 1487), gilt mit anderen Worten für alle Pfandrechte. – Der allgemeine Grundsatz der Alterspriorität wird bei den Grundpfandrechten (teilweise) durch das System der festen Pfandstelle (Art. 813 ff. ZGB) durchbrochen (hinten Nr. 1568 ff.). – Pfandrechte können einen vertraglichen oder einen gesetzlichen Entstehungsgrund haben. – Das Vorhandensein eines Pfandrechts bewirkt, dass die Gläubigerin sich über die Frage der Verjährung der (pfandgesicherten) Forderung weniger Sorgen machen muss als eine Gläubigerin ohne Pfandsicherheit. Grundpfandgesicherte Forderungen unterliegen keiner Verjährung (Art. 807 ZGB). Das Bestehen eines Fahrnispfandes schliesst zwar die Verjährung nicht aus; doch kann die Gläubigerin trotz Verjährung das Pfandrecht geltend machen (Art. 140 OR).

– Pfandrechte bestehen (aus der Sicht des Berechtigten) grundsätzlich an fremden Sachen. Grundpfandrechte können jedoch ausnahmsweise auch an eigenen Sachen bestehen (Eigentümergrundpfandrechte; vorne Nr. 1194 ff.). Bei den Fahrnispfandrechten ist demgegenüber ein Eigentümerpfandrecht grundsätzlich ausgeschlossen (hinten Nr. 1875). – Grundpfandrechte weisen inhaltliche Bezugspunkte zu den Grundlasten (vorne Grundstücke haftet» (Art. 782 Abs. 1 ZGB), der Gläubiger mit anderen Worten «ein Recht auf Befriedigung aus dem Werte des belasteten Grundstückes» hat (Art. 791 Abs. 1 ZGB; «le droit d’être payé sur le prix de l’immeuble grevé»). In der Terminologie des SchKG gehört die Grundlast denn auch zu den Grundpfandrechten (Art. 37 Abs. 1 SchKG).

6

tuoR /SchnydeR /Schmid, § 111 N 14 (Fn. 11).

§ 28 Einleitung und Übersicht

445

3. Wie erwähnt, nimmt das Gesetz – je nach Pfandgegenstand – eine Zweiteilung der Pfandrechte vor und hält Grund- und Fahrnispfandrechte auseinander (vgl. auch Art. 37 Abs. 3 SchKG). In beiden Gruppen unterscheidet es jeweils mehrere Arten. Im Einzelnen:

1468

– Der Titel über das Grundpfand (22. Titel, Art. 793 ff. ZGB; «Du gage immo-

1469

vor den Sonderregeln über die Ausgabe von Anleihenstiteln mit GrundpfandArt. 793 Abs. 1 ZGB): • einerseits die Grundpfandverschreibung (Art. 824 ff. ZGB; «l’hypothèque»); • andererseits den Schuldbrief (Art. 842 ff. ZGB; «la cédule hypothécaire»). Die Bestimmungen über die Gült (aArt. 847 ff. und 854 ff. ZGB; «la lettre de rente») wurden mit Wirkung auf den 1. Januar 2012 aufgehoben, da die Gült als Rechtsinstitut wirtschaftlich bedeutungslos geblieben ist.7 Zum Übergangsrecht vgl. Art. 33a SchlT ZGB.

– Im Titel über das Fahrnispfand (23. Titel, Art. 884 ff. ZGB; «Du gage mobilier») sind folgende Arten von Fahrnispfandrechten geregelt: • das Faustpfand (Art. 884 ff. ZGB; «le nantissement»); • das Retentionsrecht (Art. 895 ff. ZGB; «le droit de rétention»); • das Pfandrecht an Forderungen und andern Rechten (Art. 899 ff. ZGB; «le gage sur les créances et autres droits»); • das Versatzpfand (Art. 907 ff. ZGB; «le prêt sur gages»). Demgegenüber ist der Pfandbrief («la lettre de gage»; ursprünglich durch Art. 916 ff. ZGB normiert) seit 1931 in einem Spezialgesetz geregelt, nämlich im Pfandbriefgesetz (PfG) vom 25. Juni 19308 (hinten Nr. 1970 ff.).

7 8

Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5295, 5315 und 5342. SR 211.423.4, in Kraft seit 1. Februar 1931.

1470

446 1471

Die Pfandrechte

4. Fasst man die Hauptarten der Pfandrechte zusammen, so ergibt sich – im Anschluss an Nr. 1165 – folgendes Schema:

(22. Titel) Art. 793 ff. ZGB Pfandobjekt ist ein Grundstück Allgemeine Bestimmungen: Art. 793 – 823 ZGB

1472

(23. Titel) Art. 884 ff. ZGB Pfandobjekt ist eine bewegliche Sache (oder eine Forderung)

Grundpfandverschreibung

Schuldbrief

Faustpfand

Retentionsrecht

Andere Fahrnispfandrechte

Art. 824 ff. ZGB

Art. 842 ff. ZGB

Art. 884 ff. ZGB

Art. 895 ff. ZGB

Art. 899 ff. und 907 ff. ZGB; PfG; BEG

5. Der gesetzlichen Zweiteilung in Grund- und Fahrnispfandrechte folgt auch die nachfolgende Darstellung des Stoffes: – Im 1. Unterabschnitt kommen die Grundpfandrechte zur Sprache (hinten Nr. 1473 ff.). An allgemeine Aussagen (Nr. 1473 ff.) schliesst sich die Untersuchung von Grundpfandverschreibung (Nr. 1594 ff.) und Schuldbrief (Nr. 1801 ff.) an. Im Paragrafen über die Grundpfandverschreibung ist namentlich das praktisch wichtige Bauhandwerkerpfandrecht untergebracht (hinten Nr. 1692 ff.).

– Im 2. Unterabschnitt werden die Fahrnispfandrechte erläutert (Nr. 1863 ff.). Hier werden sodann auch fahrnispfandähnliche Sicherungsgeschäfte angesprochen (Nr. 1983 ff.).

447

§ 29 Allgemeines

1. Unterabschnitt: Die Grundpfandrechte § 29 Allgemeines Einführende Literatur: – R iemeR, S. 86 ff. – SteinaueR, Band III, Nr. 2617 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 111.

I.

Grundlagen: Begriff, Rechtsquellen und Aufgaben des Grundpfandrechts

1.

Der Begriff des Grundpfandrechts

1473

Der Begriff des Grundpfandrechts – verstanden als subjektives Recht – geht nicht ausdrücklich aus dem ZGB hervor. Nach dem Inhalt der Art. 793 ff. ZGB sowie nach Lehre und Rechtsprechung ist das Grundpfandrecht jenes beschränkte dingliche Recht, das seiner Inhaberin unter gewissen Voraussetzungen die Befugnis verleiht, das Grundstück, welches Gegenstand des Pfandrechts bildet, zu verwerten bzw. verwerten zu lassen, um aus dem Erlös die Bezahlung der sichergestellten Forderung (die der Schuldner nicht erfüllt hat) zu erhalten. Diese Umschreibung enthält folgende Elemente:

1474

1. Das Pfandrecht dient der Sicherung einer Forderung. In den meisten Fällen handelt es sich um die Forderung auf Verzinsung und Rückzahlung eines auf lange Zeit gewährten Darlehens.

1475

Illustrativ eugen hubeR: «Das Grundpfand stellt sich juristisch als ein beschränktes dingliches Recht dar, das dazu bestimmt ist, für eine Forderung akzessorisch Sicherheit zu bieten.»1

2. Zur Sicherung dieser Forderung ist ein Pfandrecht an einem Grundstück begründet worden. Pfandobjekt ist also ein Grundstück im Sinn von Art. 655 Abs. 2 ZGB (vorne Nr. 416 ff. und 807 ff.); auf ihm lastet ein beschränktes dingliches Sicherungsrecht (Verwertungsrecht).

1476

Demgegenüber gewährt das Grundpfandrecht der Gläubigerin kein Recht auf die Nutzung des Pfandobjekts oder auf den Besitz daran.2

3. Dieses Verwertungsrecht aktualisiert sich gemäss Art. 816 Abs. 1 ZGB «im Falle der Nichtbefriedigung» («Faute par le débiteur de satisfaire à ses obligations»), also dann, wenn der Schuldner die gesicherte Forderung trotz Fälligkeit nicht erfüllt. Dann hat die pfandgesicherte Gläubigerin «ein Recht darauf, … sich aus dem Erlöse

1 2

eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 167. leemann, BeKomm, Vorbem. vor Art. 793 ZGB, N 1; SteinaueR, Band III, Nr. 2619; StaRK /lindenmann, BeKomm, N 76 zu Art. 919 ZGB; R iemeR , S. 92.

1477

448

Die Grundpfandrechte

des Grundstückes bezahlt zu machen» («le créancier a le droit de se payer sur le prix de l’immeuble»). Beizufügen bleibt: – Das Verwertungsrecht ist geradezu «Wesensmerkmal» des Pfandrechts: «Ein Pfandrecht wäre ohne die Möglichkeit der Zwangsverwertung des belasteten Grundstücks seines Sinnes beraubt.»3 – Das Verwertungsrecht richtet sich einzig auf den Verwertungserlös («le prix»), nicht aber darauf, das Eigentum am verpfändeten Grundstück zu erhalten (Art. 816 Abs. 2 ZGB; hinten Nr. 1552 ff.). Die Gläubigerin muss also die Verwertung durchführen (lassen). Sie tut dies regelmässig durch Betreibung auf Pfandverwertung (Art. 41 und 151 ff. SchKG). Immerhin ist die Abrede der privaten (also durch die Gläubigerin organisierten) Verwertung zulässig (hinten Nr. 1553).

– Die Pfandgläubigerinnen haben im Zwangsvollstreckungsverfahren gegen den Schuldner in mehrfacher Hinsicht den Vorrang vor den übrigen Gläubigerinnen (hinten Nr. 1557 ff.).

2. 1478

Die Rechtsquellen des Grundpfandrechts

1. Für das Grundpfandrecht spielt eine Mehrzahl von Rechtsquellen eine Rolle: – Im Vordergrund steht das ZGB (Art. 793 ff. ZGB). Für die wertpapierrechtlichen Fragen sind die OR-Vorschriften anwendbar (Art. 965 ff. OR), soweit das ZGB im Recht des Schuldbriefs nichts Abweichendes vorsieht (hinten Nr. 1813). Zum intertemporalen Recht vgl. vor allem Art. 17 und 22 ff. SchlT ZGB.

Auf Grund des BG vom 11. Dezember 2009 (Register-Schuldbrief und weitere Änderungen im Sachenrecht) sind auf den 1. Januar 2012 mehrere wichtige Änderungen grundpfandrechtlicher Normen in Kraft getreten, namentlich beim Bauhandwerkerpfandrecht (Grundpfandverschreibung) und beim Schuldbrief.4 Darauf ist an den einschlägigen Stellen zurückzukommen. – Wichtige Bestimmungen enthält die Grundbuchverordnung (GBV). – Da das Pfandrecht mit den formellen Vorschriften des Zwangsverwertungsrechts in engem Zusammenhang steht, sind die Vorschriften des SchKG und der VZG5 bedeutsam. – Schliesslich sind auch Sondergesetze zu berücksichtigen, wie namentlich das BGBB (vgl. etwa Art. 798a ZGB und besonders Art. 73 ff. BGBB) und das Enteignungsgesetz (vgl. etwa Art. 94 ff. EntG).

3 4

5

BGE 103 II 227 ff. (235 unten), E. 4; ähnlich schon leemann, BeKomm, N 2 zu Art. 816 ZGB. Zur Entstehungsgeschichte vgl. vor allem Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5288 ff. und 5315 ff.; Schmid, Neuerungen im Grundpfandrecht, S. 205 ff.; SteinaueR, ZüKomm, Vorbem. zu Art. 842– 865 ZGB, N 13 ff. Verordnung des Bundesgerichts über die Zwangsverwertung von Grundstücken vom 23. April 1920, SR 281.42; vgl. dazu BGE 117 III 33 ff. (34 f.), E. 2.

§ 29 Allgemeines

2.

449

europaweit vereinheitlichten Grundpfandrecht zur Sicherung von Darlehen angestellt.6 Sie haben bisher zu gewissen Zwischenresultaten, aber noch nicht zu konkreten Regeln geführt.7 Die Internationale Union des Lateinischen Notariats (Kommission für Angelegenheiten der Europäischen Gemeinschaft) schlug im Jahr 1987 unter anderem vor, ein in den EG-Mitgliedstaaten einheitlich geltendes Grundpfandrecht («Eurohypothek») einzuführen und es weitgehend nach dem Vorbild des schweizerischen Schuldbriefs auszugestalten.8 An der Idee eines nicht akzessorischen Pfandrechts (nach dem Vorbild des schweizerischen Schuldbriefs und der deutschen Grundschuld) wurde in der Folge weitergearbeitet, was unter anderem zu den «Basic Guidelines for a Eurohypothec» (2005) der Polnischen Stiftung für Hypothekarkredit führte.9 In ihrem Grünbuch «Hypothekarkredite in der EU» vom 19. Juli 2005 kündigte die Kommission der europäischen Gemeinschaften zwar an, die erarbeiteten Vorschläge zu prüfen, bat jedoch vorerst um Stellungnahme zur Frage, ob die (nicht akzessorische) Eurohypothek als praktikabel und wünschenswert angesehen werde.10 Im Weissbuch über die Integration der EU-Hypothekarkreditmärkte vom 18. Dezember 2007 war 11

Rechtsetzungsbedarf wurde vor allem bei den vorvertraglichen Informationen, bei der verantwortungsvollen Kreditvergabe und bei der vorzeitigen Rückzahlung sowie im Zwangsvollstreckungs-

6

7

Vgl. edmond gReSSeR, L’eurohypothèque, ZBGR 74/1993, S. 337 ff.; RudolF K aindl, Die Eurohypothek, Österreichische Notariatszeitung 125/1993, S. 277 ff.; otmaR StöcKeR, Die «Eurohypothek» […], Würzburger Diss., Berlin 1992; m athiaS h abeRSacK, prinzip der europäischen Zivilrechte und eines künftigen europäischen Grundpfandrechts, dt. JZ 52/1997, S. 857 ff.; bénédict Foëx, L’Eurohypothèque, in: Franz Werro (Hrsg.), L’Européanisation deRSelbe , L’eurohypothèque: une cantatrice chauve au registre foncier?, in: Margareta Baddeley et al. (Hrsg.), Le droit civil dans le contexte international, Journée de droit civil 2011, Genf 2012, S. 169 ff.; thomaS WachteR, Die Eurohypothek – Grenzüberschreitende Kreditsicherung an Grundstücken im Europäischen Binnenmarkt, WM (Wertpapier-Mitteilungen, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht) 53/1999, S. 49 ff.; h anS WolFSteineR /otmaR StöcKeR, Nicht-akzessorisches Grundpfand für Mitteleuropa, Deutsche Notar-Zeitschrift 1999, S. 451 ff.; gabRiele WunSch, Möglichkeiten und Grenzen eines nenmarktes für Grundpfandrechte unter Berücksichtigung des deutschen, englischen, schwedischen und spanischen Rechts, Berliner Diss., Frankfurt a.M. 2009. Vgl. auch Wiegand/bRunneR, S. 13 f.; Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung, Der Registerschuldbrief im Rechtsvergleich (zitiert in Nr. 1592), S. 4 ff. mit zahlreichen Hinweisen. Aus der neueren internationalen Literatur vgl. etwa h anS g. WehRenS, Real Security regarding Immovable Civil Code, 3. A., Nijmegen 2004, S. 769 ff.; JohanneS Köndgen/otmaR StöcKeR, Die Eurohypo-

8

9 10

11

S. 112 ff.; SeRgio naSaRRe-a znaR, The Eurohypothec: A common mortgage for Europe, The Conveyancer and Property Lawyer (London) 69/2005, S. 32 ff.; gaRy Watt, The Eurohypothec and the english mortgage, Maastricht Journal of European and Comparative Law 13/2006, S. 173 ff.; PeteR SPaRKS, European Land Law, Oxford/Portland 2007, S. 377 ff.; K aRin SchmidbaueR, Nationale und internationale Aspekte der Kredithypothek – Kredithypothek, Grundschuld und Schuldbrief im Vergleich als Basis für die Eurohypothek, Salzburger Diss., München 2012, besonders S. 170 ff.; caRo line S. RuPP (zitiert in Nr. 1651), S. 11 ff. und passim. edmond gReSSeR a.a.O., S. 341 und 349; RudolF K aindl a.a.O., S. 278 und 280; otmaR StöcKeR a.a.O., S. 228 ff. und zusammenfassend S. 296 f.; thomaS WachteR a.a.O., S. 56 ff. (Hrsg.), Basic Guidelines for a Eurohypothec, Warschau 2005. Kommission der europäischen Gemeinschaften, KOM(2005) 327 endgültig, http://eur-lex.europa. eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52005DC0327&qid=1491204314018&from=EN (besucht am 15. April 2017). Kommission der europäischen Gemeinschaften, KOM(2007) 807 endgültig, http://eur-lex.europa. eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2007:0807:FIN:DE:PDF (besucht am 15. April 2017).

1479

450

Die Grundpfandrechte

und Grundbuchrecht gesehen.12 Die Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher will einen funktionierenden Binnenmarkt für Hypothekarkredite fördern, allerdings vorwiegend durch Verbraucherschutznor13 Von einem verSicherungsgrundschuld als mögliches Vorbild eines europäischen Grundpfandrechts betrifft, bleibt sodann zu beachten, dass der deutsche Gesetzgeber im Jahr 2008 einen neuen § 1192 Abs. 1a BGB geschaffen hat, der es dem Eigentümer erlaubt, dass «Einreden, die dem Eigentümer auf Grund des Sicherungsvertrags mit dem bisherigen Gläubiger gegen die Grundschuld zustehen oder sich aus dem Sicherungsvertrag ergeben, auch jedem Erwerber der Grundschuld entgegengesetzt werden» (dazu hinten Nr. 1604c).

3.

Die Aufgaben des Grundpfandrechts

1480

1. Mit dem Grundpfandrecht kann der Gesetzgeber zwei (Haupt-)Aufgaben anstreben:14

1481

– Im Vordergrund steht die Sicherungsfunktion: Eine Forderung soll durch ein beschränktes dingliches Recht (Verwertungsrecht) gesichert werden.

1482

– Hinzutreten kann jedoch der Gedanke der Mobilisierung des Bodenwerts: Ein Teil des Bodenwerts soll in einem Titel (Wertpapier mit öffentlichem Glauben) oder einem Buchrecht (Wertrecht) verkörpert («verselbständigt») und dadurch anderen Personen als dem Grundeigentümer als Kapitalanlage zugänglich gemacht werden.15 «Auf solche Weise wird der Wert des Bodens, mit oder ohne persönliche Garantie des Eigentümers oder Schuldners, in ein Forderungspapier gekleidet, das abstrakt lautet, für jeden gutgläubigen Erwerber zuverlässig ist, die Einreden aus der materiellen Unterlage und aus der Person der Vormänner des Erwerbers ausschliesst, durch Vereinigung der Gläubiger- und Schuldnereigenschaft in einer Person nicht untergeht und auf den Wert, und nur auf diesen, Anspruch verschafft, der ihm mit bestimmtem Rang im Verhältnis zu andern Titeln am gleichen Grundstück angewiesen worden ist.»16

1483

2. eugen hubeR versuchte bei der Schaffung des ZGB, den unterschiedlichen Aufgaben – in Anlehnung an die geschichtliche Entwicklung – durch die Bereitstellung dreier Grundpfandarten (Grundpfandverschreibung, Schuldbrief und Gült) gerecht zu werden17 (vgl. hinten Nr. 1487 ff.). Durch die ZGB-Änderung vom 11. Dezember 2009 sind diese Ideen weiterentwickelt und den wirtschaftlichen Realitäten angepasst worden. Seit dem 1. Januar 2012 sind noch zwei Grundpfandarten möglich, die in der Praxis denn auch von grosser Bedeutung sind: Grundpfandverschreibung und Schuldbrief.

12

13

14

15 16 17

Kommission der europäischen Gemeinschaften, KOM(2007) 807 endgültig (a.a.O.), Ziffer 4.1 und 4.2. Richtlinie 2014/17/EU, ABl. L 60 (vom 28. Februar 2014), S. 34 ff., http://eur-lex.europa.eu/legalcontent/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014L0017&from=DE (besucht am 15. April 2017); dazu etwa caRoline S. RuPP (zitiert in Nr. 1651), S. 16. leemann, BeKomm, Vorbem. vor Art. 793 ZGB, N 4 ff.; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 111 N 2 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2623 ff.; SimoniuS/SutteR, Band II, S. 156 f.; düRR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 793 ZGB), N 374 ff. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 111 N 3; SteinaueR, Band III, Nr. 2627. eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 192. eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 199 ff.

§ 29 Allgemeines

451

3. Die Ausgestaltung des Grundpfandrechts ist einer von mehreren Faktoren, welche die Bodenverschuldung pfandgesicherten Kredite machten im Jahr 2015 für die ganze Schweiz mehr als 925 Milliarden Franken aus.18

1484

Auch für die einzelne Person ist ein pfandgesichertes Darlehen von grosser Tragweite. Es lässt sich Jahrzehnte erstrecken können».19

4.

Die Gliederung des ZGB und die Darstellung des Stoffs

1. Das ZGB unterteilt das Grundpfandrecht in vier Abschnitte:

1485

– 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen (Art. 793–823 ZGB); – 2. Abschnitt: Die Grundpfandverschreibung (Art. 824–841 ZGB); – 3. Abschnitt: Der Schuldbrief (Art. 842–865 ZGB); – 4. Abschnitt: Ausgabe von Anleihenstiteln mit Grundpfandrecht (Art. 875 ZGB). Durch das BG vom 11. Dezember 2009 wurden neben den Regeln über die Gült per 1. Januar 2012 keine Bedeutung erlangt hatten.20 Übergangsrechtlich ist Art. 33a SchlT ZGB zu beachten.

2. Die nachfolgende Darstellung lehnt sich an diese gesetzliche Systematik an: – Zunächst (nachfolgend II.) kommt der Numerus clausus der Grundpfandrechte zur Sprache, und die zwei Arten von Grundpfandrechten werden im Überblick erläutert. – Dann (III.) ist aufzuzeigen, dass Grundpfandrechte auf rechtsgeschäftlicher oder gesetzlicher Grundlage beruhen können. – Anschliessend (IV.) werden die «Allgemeinen Bestimmungen» (Art. 793 ff. ZGB) behandelt. – In den folgenden Paragrafen sind sodann die besonderen Regeln über die Grundpfandverschreibung (§ 30) und den Schuldbrief (§ 31) zu erläutern. Die Regeln über die Gült (§ 32) haben nur noch intertemporale Bedeutung und kommen ganz kurz zur Sprache. Nicht eingegangen wird demgegenüber auf die in Art. 875 ZGB geregelte Ausgabe von Anleihenstiteln mit Grundpfandrecht («Des émissions de titres fonciers»), die in der Praxis eine bescheidene Rolle spielt.21

18 19

20 21

Schweizerische Nationalbank, Die Banken in der Schweiz 2015, Zürich/Bern 2016, S. 10 und 12. Kommission der europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über Wohnimmobilienkreditverträge vom 31. März 2011, S. 3 der Begründung KOM(2011) 142 endgültig, http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2009_2014/documents/ com/com_com(2011)0142_/com_com(2011)0142_de.pdf (besucht am 15. April 2017). Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5329. Dazu eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 310 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 3070 ff.; deRSelbe, ZüKomm, N 1 ff. zu Art. 875 ZGB; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 116 N 1 ff.

1486

452

Die Grundpfandrechte

II. Der Numerus clausus der Grundpfandrechte: Grundpfandverschreibung und Schuldbrief (Übersicht) 1487

1. Nach der Grundbestimmung von Art. 793 ZGB kann ein Grundpfandrecht nur als Grundpfandverschreibung oder als Schuldbrief bestellt werden (Abs. 1). Die Bestellung anderer Arten des Grundpfandrechts ist nicht gestattet (Abs. 2). Insbesondere ist seit dem 1. Januar 2012 die Errichtung einer Gült nicht mehr möglich (hinten Nr. 1493). Es besteht mit anderen Worten ein Numerus clausus der möglichen Grundpfandrechte. Doch sind zwei Einschränkungen beizufügen:

1488

– Auf Grund der intertemporal-rechtlichen Bestimmungen (Art. 22 ff. SchlT ZGB) müssen auch jene Pfandrechte anerkannt werden, die vor dem Inkrafttreten des ZGB begründet wurden. Neu (nach Inkrafttreten des ZGB) können solche kantonalen Formen aber nicht mehr errichtet werden. Das gilt namentlich für kantonale Nutzungspfandrechte («Antichrese»), welche der Gläubigerin den Besitz der Pfandsache und deren Nutzung an Stelle der Zinsen ihrer Forderung gewährten.22 Seit dem 1. Januar 2012 ist sodann die Neuerrichtung einer Gült nicht mehr möglich (zur Gült nach früherem Recht vgl. hinten Nr. 1853 ff.); die vor diesem Datum errichteten Gülten bleiben jedoch im Grundbuch eingetragen (Art. 33a Abs. 1 SchlT ZGB) und damit wirksam.

1489

– Sicherungsformen ausserhalb des Pfandrechts – namentlich die sogenannte Sicherungsübereignung eines Grundstücks – stellen nach heutiger Auffassung keinen Verstoss gegen Art. 793 Abs. 2 ZGB dar23 (für Mobilien vgl. hinten Nr. 1983 ff.).

1490

Innerhalb der vom ZGB vorgesehenen Formen sind die Parteien frei, jene Pfandrechtsart zu wählen, die ihnen für die angestrebte Sicherheit als am besten geeignet erscheint.24 Die Grundpfandarten des ZGB stehen namentlich unabhängig davon zur Verfügung, ob und wieweit das eidgenössische Grundbuch in einem bestimmten Kanton eingeführt ist.25 Hat allerdings ein Bauhandwerker den Beginn des Werks im Grundbuch anmerken lassen, so dürfen gemäss Art. 841 Abs. 3 ZGB zu Lasten des betreffenden Grundstücks bis zum Ablauf der Eintragungsfrist für Bauhandwerkerpfandrechte (Art. 839 Abs. 2 ZGB) allfällige Pfandrechte nur als Grundpfandverschreibungen eingetragen werden (hinten Nr. 1755 und 1797).

1491

2. Die Grundpfandverschreibung (Hypothek; «l’hypothèque») bildet die klassische Pfandrechtsart, der nur Sicherungsfunktion zukommt (sogenanntes «Sicherungsgrundpfandrecht»).26 Vorweg festzuhalten sind hier folgende Grundmerkmale (im Einzelnen hinten Nr. 1594 ff.): – Die Grundpfandverschreibung dient der pfandrechtlichen Sicherstellung einer beliebigen, gegenwärtigen oder zukünftigen oder bloss möglichen Forderung (Art. 824 Abs. 1 ZGB).

22

leemann, BeKomm, N 39 ff. zu Art. 793 ZGB; StePhan WolF, Zum Nutzungspfandrecht und seinen

23

römischen Rechts, FS für Bruno Huwiler, Bern 2007, S. 725 ff., besonders S. 736 ff., wo mit Bezug auf Grundstücke auch weitere (und somit alle) Varianten von Nutzungspfandrechten als unzulässig angesehen werden. BGE 86 II 221 ff.; 56 II 444 ff.; generell SteinaueR, Band III, Nr. 2628a und 3098 ff. SteinaueR, Band III, Nr. 2629; leemann, BeKomm, N 32 zu Art. 793 ZGB. leemann, BeKomm, N 51 zu Art. 793 ZGB. Vgl. auch leemann, BeKomm, Vorbem. vor Art. 793 ZGB, N 6.

24 25 26

§ 29 Allgemeines

453

– Das verpfändete Grundstück braucht nicht Eigentum des Schuldners zu sein (Art. 824 Abs. 2 ZGB). – Ein Pfandtitel wird (regelmässig) nicht ausgestellt, zumal die Grundpfandverschreibung nicht die Mobilisierung des Bodenwerts zum Ziel hat. Die Hypothek ist kein Wertpapier; regelmässig ist auch die gesicherte Forderung nicht in einem Wertpapier enthalten.27 – Als Entstehungsgrund für eine Grundpfandverschreibung kommen Rechtsgeschäft oder Gesetz in Betracht. Die Grundpfandverschreibung ist demnach «die blosse Verschreibung, bei der keine Urkunde, kein Pfandtitel ausgegeben wird. Materiell ist dabei das Pfandrecht abhängig von der Existenz der Forderung, die sichergestellt wird. Formell besteht es mit der Eintragung in die öffentlichen Register bis zur Löschung».28

3. Der Schuldbrief («la cédule hypothécaire») ist – über den Sicherungszweck hinaus – ein sogenanntes «Verkehrsgrundpfandrecht».29 Er lässt sich in Stichworten wie folgt umschreiben (im Einzelnen hinten Nr. 1801 ff.): – Durch den Schuldbrief wird eine persönliche Forderung begründet, die grundpfändlich sichergestellt ist (Art. 842 Abs. 1 ZGB). Mit der Schuldbrief-Errichtung entsteht demnach eine (neue) Obligation, und der Schuldner haftet dafür nicht bloss mit dem verpfändeten Grundstück, sondern mit seinem ganzen Vermögen. –

weder auf das Grundverhältnis (das Rechtsverhältnis, aus dem die sicherzustellende Geldforderung entstanden ist, namentlich ein Darlehensvertrag) beziehen, noch Bedingungen oder Gegenleistungen enthalten (Art. 846 Abs. 1 ZGB). Das ändert nichts daran, dass bei Lebensverhältnissen, in denen Schuldbriefe eine Rolle spielen, regelmässig zwei Forderungen bestehen: einerseits die Forderung aus dem Grundverhältnis (namentlich aus Darlehensvertrag), andererseits die Schuldbriefforderung (die mit der Schuldbrief-Errichtung entstandene neue Forderung). Vgl. ausführlich hinten Nr. 1808 ff. und 1843a ff.

– Das Gesetz verbindet mit dem Schuldbrief (als Register- oder Papier-Schuldbrief) einen besonderen Schutz des guten Glaubens: Die Schuldbriefforderung und das Pfandrecht bestehen dem Eintrag gemäss für jede Person zu Recht, die sich in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen hat (Art. 848 ZGB). Die Einreden des Schuldners sind beschränkt (Art. 842 Abs. 3, Art. 849 und 852 Abs. 3 ZGB). – Im Fall des Papier-Schuldbriefs wird nicht nur das Grundpfandrecht in das Grundbuch eingetragen, sondern stets auch ein Pfandtitel ausgestellt (Art. 860 Abs. 1 ZGB). Dieser Pfandtitel ist ein Wertpapier, das zugleich die Forderung und das Pfandrecht verkörpert. Dies äussert sich wie folgt: •

der verbunden.

27 28 29

SteinaueR, Band III, Nr. 2632. eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 201. Vgl. auch leemann, BeKomm, Vorbem. vor Art. 793 ZGB, N 6.

1492

454

Die Grundpfandrechte

• Das Gesetz sieht nicht nur für den Grundbucheintrag (Art. 848 ZGB), sondern auch für den Pfandtitel (Art. 862 Abs. 1 ZGB) einen besonderen Gutglaubensschutz Dritter vor. – Es ist möglich, dass Eigentümerschaft am belasteten Grundstück (Pfandobjekt) und Schuldnerschaft hinsichtlich der Schuldbriefforderung auseinanderfallen (Art. 844 ZGB). Insofern besteht Übereinstimmung mit der Grundpfandverschreibung. – Als Entstehungsgrund für den Schuldbrief kommt ausschliesslich ein Rechtsgeschäft (nie unmittelbar das Gesetz) in Betracht. Der Schuldbrief ist demnach laut eugen hubeR «das einer persönlichen Forderung beigegebene Grundpfand, bei dem eine Urkunde, ein Pfandtitel erstellt wird, der dem Gläubiger ein begebbares Recht am Boden, der zu Pfand gesetzt ist, verschafft, während ein persönliches Schuldverhältnis damit verbunden ist».30 Seit dem 1. Januar 2012 ist neben dem Papier-Schuldbrief (bei dem ein Wertpapier ausgestellt wird) allerdings auch der Register-Schuldbrief zulässig (bei dem ein Wertpapier fehlt; Art. 857 ff. ZGB; hinten Nr. 1839 ff.). 1493

4. Die Gült («la lettre de rente»), die nach der Vorstellung des Gesetzgebers von 1907 ebenfalls ein «Verkehrsgrundpfandrecht» hätte werden sollen, hat im Wirtschaftsleben nie eine Rolle gespielt und wurde als Rechtsinstitut auf den 1. Januar 2012 aufgehoben.31

30 31

eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 201. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5295, 5315 und 5329. Zu den Kennzeichen der Gült vgl. Nr. 1493

455

§ 29 Allgemeines

5. Das Gesagte lässt sich in folgendem Schema zusammenfassen:

1494

Allgemeine Bestimmungen: Art. 793 – 823 ZGB

Art. 824 – 841 ZGB

Art. 842 – 865 ZGB

Sicherungsfunktion

Sicherungs- und Verkehrsfunktion

Beweisurkunde, kein Wertpapier (mit Ausnahmen)

Wertpapier (Papier-Schuldbrief) oder Buchrecht (Register-Schuldbrief)

Sicherung einer beliebigen Forderung

Sicherung nur ganz bestimmter Forderungen

Drittpfandverhältnisse möglich

Drittpfandverhältnisse möglich

persönliche Haftung des Schuldners (neben der Sachhaftung)

persönliche Haftung des Schuldners (neben der Sachhaftung)

kein besonderer öffentlicher Glaube

besonderer öffentlicher Glaube

Entstehungsgrund: Rechtsgeschäft oder Gesetz

Entstehungsgrund: nur Rechtsgeschäft

III. Rechtsgeschäftliche und gesetzliche Grundpfandrechte Die hier zu behandelnde Unterscheidung betrifft die Entstehungsart (und den Entstehungsgrund) der Grundpfandrechte:

1495

1. Gewöhnlich werden Grundpfandrechte durch Rechtsgeschäft (Art. 799 Abs. 2 ZGB) begründet. Dies geschieht in der Regel durch Vertrag, ausnahmsweise durch einseitiges Rechtsgeschäft (etwa die Erstellung eines Schuldbriefs auf den Namen

1496

Abs. 2 ZGB; hinten Nr. 1534). 2. Gewisse Grundpfandrechte (nämlich Grundpfandverschreibungen) können jedoch auch ohne Rechtsgeschäft entstehen, das heisst eine gesetzliche Grundlage haben. Zwei verschiedene Konstellationen sind möglich:

1497

– Das Gesetz kann vorsehen, dass ein Grundpfandrecht – beim Eintreten bestimmter Tatsachen – unmittelbar kraft Gesetzes entsteht. Dann sprechen wir von einem unmittelbaren gesetzlichen Grundpfandrecht. Die Eintragung in das Grundbuch ist in diesem Fall für die Entstehung des Pfandrechts nicht erforderlich (vgl. Art. 836 Abs. 2 ZGB; im Einzelnen hinten Nr. 1656 ff.).

1498

– Das Gesetz kann jedoch auch nur (aber immerhin) vorsehen, dass eine Person unter bestimmten Voraussetzungen einen – obligatorischen – Anspruch (eine

1499

456

Die Grundpfandrechte

Forderung) auf Errichtung eines Grundpfandrechts, also auf Eintragung in das Grundbuch hat. In diesen Fällen liegt ein mittelbares gesetzliches Grundpfandrecht vor. Das Pfandrecht entsteht in solchen Fällen erst dann, wenn der Berechtigte dessen Eintragung in das Grundbuch erreicht hat. Die Eintragung kann ihrerseits regelmässig nur dann erfolgreich verlangt werden, wenn der Berechtigte ganz bestimmte (materielle und formelle) Voraussetzungen erfüllt hat (im Einzelnen hinten Nr. 1664 ff.). Mittelbare gesetzliche Grundpfandrechte sind namentlich die Pfandrechte gemäss Art. 837 ZGB, also insbesondere das Bauhandwerkerpfandrecht gemäss Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB (im Einzelnen hinten Nr. 1692 ff.). 1500

1501

– Gesetzliche Grundpfandrechte kommen nur als Grundpfandverschreibungen vor, nie als Schuldbriefe (Sonderfälle: Art. 808 Abs. 3, Art. 810 Abs. 2 und Art. 819 Abs. 1 ZGB; dazu hinten Nr. 1655). 3. Aus dem Gesagten ergibt sich folgendes Schema:

Grundpfandverschreibung oder Schuldbrief

nur Grundpfandverschreibung (Art. 836 – 841 ZGB)

durch Eintragung in das Grundbuch (Art. 799 Abs. 1 ZGB)

unmittelbar von Gesetzes wegen, also ohne Eintragung in das Grundbuch (Art. 836 Abs. 2 ZGB)

unterschiedlich ...

durch Eintragung in das Grundbuch Der Berechtigte hat unter bestimmten Voraussetzungen einen (obligatorischen) Anspruch auf Eintragung (Art. 836 Abs. 1 und Art. 837 ff. ZGB).

§ 29 Allgemeines

457

IV. Allgemeine Bestimmungen (Art. 793–823 ZGB) Im Folgenden geht es um Regeln, die auf beide Grundpfandarten – Grundpfandverser Arten aber noch durch Spezialvorschriften ergänzt werden). Diese allgemeinen Bestimmungen regeln hauptsächlich die folgenden Fragen:

1502

– Welche Voraussetzungen müssen einerseits die Forderung, die durch das Pfandrecht gesichert werden soll, und andererseits das Grundstück, das belastet werden soll, erfüllen (nachfolgend 1.)? – Wie entsteht das Grundpfandrecht, und wie geht es wieder unter (2.)? – Welche Wirkung entfaltet ein Grundpfandrecht (3.)? – Welche (weiteren) Einzelfragen stellen sich (4.)?

1.

Anforderungen an die gesicherte Forderung und an das belastete Grundstück

Unter den Voraussetzungen (Randtitel zu Art. 793 ff. ZGB; «Conditions») befasst sich das ZGB gemäss den Marginalien einerseits mit der Gestalt der Forderung, andererseits mit dem zu belastenden Grundstück. Beide Themenkomplexe regelt das Gesetz in Anwendung des Spezialitätsprinzips32 (zu diesem Prinzip allgemein vgl. vorne Nr. 70):

A.

1503

Die gesicherte Forderung

Auf die Forderung, die durch das Grundpfandrecht gesichert werden soll («Créance garantie»), gehen die Art. 794 und 795 ZGB ein. Sie legen namentlich ein Bestimmtheitsgebot fest (vgl. auch hinten Nr. 1532):

1504

1. Das Pfandrecht kann nur für eine bestimmte Forderung errichtet werden (deutlich der französische Text: «pour une créance déterminée»); das Gesetz verlangt die Angabe eines bestimmten Forderungsbetrags in Landesmünze («en monnaie suisse»; Art. 794 Abs. 1 ZGB). Zwei Möglichkeiten sind auseinanderzuhalten:

1505

– Wird ein bestimmter Schuldbetrag angegeben, so liegt eine sogenannte Kapitalhypothek («une hypothèque en capital») vor.

1506

– Steht ein genauer Forderungsbetrag nicht fest, so ist die Errichtung eines Grundpfandrechts (in Form der Grundpfandverschreibung) dennoch möglich. Doch haben die Parteien in diesem Fall einen Höchstbetrag anzugeben, bis zu dem das Grundstück für alle Ansprüche des Gläubigers haftet (Art. 794 Abs. 2 ZGB).

1507

32

eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 227 und 231; leemann, BeKomm, Vorbem. vor Art. 793 ZGB, N 12 ff.; ferner deRSelbe, BeKomm, N 1 ff. zu Art. 794 ZGB und N 1 zu Art. 797 ZGB; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 112 N 21 ff.

458

Die Grundpfandrechte

Dann liegt eine sogenannte Maximalhypothek («une hypothèque maximale») vor.33 Beim Schuldbrief wird demgegenüber die Möglichkeit der Errichtung als Maximalpfand ausgeschlossen.34 Dieser Ausschluss widerspricht zwar der systematischen Stellung von Art. 794 Abs. 2 ZGB, geschieht jedoch im Blick auf Art. 846 Abs. 1 ZGB (vgl. dazu hinten Nr. 1811).35 1507a

– Zur Wahl der Hypothekenart bleibt Folgendes nachzutragen: Nach der dem ZGB zugrunde liegenden Idee ist für die Sicherung variabler Forderungen eine Maximalhypothek zu errichten.36 Die (Luzerner) Praxis hat indessen zugelassen, dass auch eine betragsmässig unbestimmte Forderung durch eine Kapitalhypothek gesichert wird.37

1508

2. Die Zinsen können innerhalb der Schranken, welche das Recht gegen Missbräuche im Zinswesen aufstellt, beliebig festgelegt werden (Art. 795 Abs. 1 ZGB). Das kantonale Recht kann jedoch einen Höchstzinsfuss bestimmen (Art. 795 Abs. 2 ZGB). Weiter ist zu unterscheiden:

1509

– Im Fall einer Kapitalhypothek (Art. 794 Abs. 1 ZGB) sind die Zinsen nach Massgabe von Art. 818 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 ZGB pfandgesichert (hinten Nr. 1566 f.). Da eine nachträgliche Vereinbarung eines fünf Prozent übersteigenden Zinses nur mit Zustimmung der nachgehenden Grundpfandgläubigerinnen möglich ist (Art. 818 Abs. 2 ZGB),38 wird dass die Gläubigerin den jeweils massgebenden Zins einseitig nach Massgabe des Hypothekarmarktes festlegt.39 Schuldbrief gilt seit dem 1. Januar 2012 eine Ergänzung von Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB, wonach nur die tatsächlich geschuldeten Zinsen pfandgesichert sind, freilich nur bis zur Höhe des im Grundbuch eingetragenen Höchstzinsfusses (hinten Nr. 1566 und 1810a).40 Diese Regelung ist gemäss Art. 26 Abs. 2 SchlT ZGB auch auf die unter dem alten Recht errichteten Schuldbriefe anwendbar.41

– Im Fall einer Maximalhypothek sind die Zinsen (und die weiteren Kosten) innerhalb der im Grundbuch eingetragenen (Maximal-)Summe pfandgesichert.42 Die Eintragung eines Zinses in das Grundbuch ist in diesem Fall nicht zulässig.43

1510

33

34 35

36

37

38 39 40

41

42

43

leemann, BeKomm, N 12 ff. zu Art. 794 ZGB; BGE 115 II 349 ff. (359), E. 4c; 126 III 467 ff. (473), E. 4b; BGer 5A_109/2011, E. 4.2.1. SimoniuS/SutteR, Band II, S. 162 f.; m aRKuS F. vollenWeideR (zitiert in Nr. 1851), S. 36 f. Zur Umwandlung einer Maximal- in eine Kapitalhypothek vgl. BGE 110 II 37 ff. (41), E. 4b; Schmid tSchiRRen, BaKomm, N 10 zu Art. 794 ZGB. So auch Bundesrat, Antwort vom 6. September 2000 auf die Motion JoSSen, Amtl.Bull. NR 2001 (Beilagen, Frühjahrssession), S. 205 f.; vgl. auch leemann, BeKomm, N 5 zu Art. 794 ZGB. Max. X (1952) Nr. 94, S. 68 ff.; kritisch dazu dieteR zobl, Ablösung (zitiert in Nr. 1651), S. 198 f., und Wiegand/bRunneR, S. 8. BGE 101 III 74 f. (75); vgl. auch BGE 115 II 349 ff. (358 f.), E. 4b. BGE 107 II 440 ff. (457), E. 6; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 112 N 25; SteinaueR, Band III, Nr. 2648. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5316 f., mit Hinweis auf die gegenteilige Praxis des Bundesgerichts zum bisherigen Recht (BGE 115 II 349 ff. [356 ff.], E. 4); ausführlich SteinaueR, ZüKomm, N 209 ff. zu Art. 842 ZGB; deRSelbe, Band III, Nr. 2795a; Staehelin, BaKomm, N 21 ff. zu Art. 846 ZGB. BGE 140 III 180 ff. (185), E. 5.1.2 = Pra 2014, Nr. 113, S. 895 ff.; BGer 5A_676/2013, E. 5.1.2; SteinaueR, ZüKomm, N 27 der Vorbem. zu Art. 842–865 ZGB. BGE 115 II 349 ff. (359), E. 4c; SteinaueR, Band III, Nr. 2794c und 2795; leemann, BeKomm, N 22 zu Art. 818 ZGB. BGE 75 I 337 ff. (339 f.); 126 III 467 ff. (473), E. 4b; leemann, BeKomm, N 12 ff. zu Art. 794 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2649.

§ 29 Allgemeines

459

3. Untersteht das Grundstück dem BGBB, so sind Sonderregeln zu beachten (vgl. den Vorbehalt in Art. 798a ZGB). So wird namentlich das Spezialitätsprinzip in Einzel-

1511

des Pfandbetrags») durchbrochen,44 und es gelten bestimmte Belastungsgrenzen (Art. 73 ff. BGBB).45

B.

Das belastete Grundstück

Bezüglich des Grundstücks, das mit einem Grundpfandrecht belastet werden soll («Objet du gage»), legen die Art. 796 ff. ZGB Folgendes fest:

1512

1. Ein Grundpfandrecht kann nur auf einem Grundstück errichtet werden, welches in das Grundbuch aufgenommen ist (Art. 796 Abs. 1 ZGB). Das ist wie folgt zu präzisieren:

1513

– Der Grundstücksbegriff bestimmt sich nach Art. 655 Abs. 2 ZGB. Grundpfandrechte können mit anderen Worten nicht bloss auf Liegenschaften (Art. 655 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB) errichtet werden, sondern auch auf in das Grundbuch als Grundstücke aufgenommenen selbständigen und dauernden Rechten, Bergwerken und Miteigentumsanteilen an Grundstücken (Art. 655 Abs. 2 Ziff. 2–4 ZGB; dazu vorne Nr. 416 ff. und 809).46

1514

– Die Kantone können bezüglich der Verpfändung öffentlich-rechtlicher Grundstücke besondere Vorschriften aufstellen (Art. 796 Abs. 2 ZGB). Diese Vorschriften werden ergänzt durch das Bundesgesetz über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden und andere Körperschaften des kantonalen öffentlichen Rechts vom 4. Dezember 1947.47 Auch ohne besondere kantonale Vorschriften gilt indessen Folgendes:

1515

– An öffentlichen Grundstücken, die zum Verwaltungsvermögen des Staates (Bund, Kanton, Gemeinde) gehören, kann kein Pfandrecht errichtet werden, da eine Verwertung mit dem Zweck des Verwaltungsvermögens unvereinbar wäre; das Gemeinwesen soll nicht durch zivilrechtliche Ansprüche in der Erfüllung öffentlicher Aufgaben behindert werden.48 Diese Rechtsprechung ist vor allem für Bauhandwerkerpfandrechte von Subunternehmern bei zahlungsunfähigem Generalunternehmer bedeutsam; seit 1. Januar 2012 ist die Stellung der Subunternehmer hier freilich verbessert worden (hinten Nr. 1724a ff.).

1516

E. 2d–i. Danach ist die Errichtung eines (Bauhandwerker-)Pfandrechts an Liegenschaften zuläs-

44 45 46 47 48

tuoR /SchnydeR /Schmid, § 112 N 27. Zur Belastungsgrenze im Allgemeinen vgl. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 112 N 87 ff. Dazu auch m aRKuS lötScheR (zitiert in Nr. 1592), S. 15 ff. SR 282.11; ausführlich zum Ganzen düRR, ZüKomm, N 45 ff. zu Art. 796 ZGB. Grundlegend BGE 103 II 227 ff. (235 ff.), E. 4; ferner BGE 108 II 305 ff.; 120 II 321 ff. (323 f.), E. 2b, mit einer Zusammenfassung der Rechtsprechung; BGer vom 3. April 1997, in ZBGR 81/2000, S. 194 ff. (196), E. 2b; SteinaueR, Band III, Nr. 2653a f.

460

Die Grundpfandrechte

che Tätigkeit ausübt und Leistungen anbietet, wie sie von privater Seite zu gleichen Bedingungen erbracht werden49 (im Einzelnen hinten Nr. 1724).

Demgegenüber ist die Bestellung eines Grundpfandrechts an einem im Finanzvermögen des Staates stehenden Grundstück zulässig.50 1517

2. Das Grundstück, das verpfändet wird, ist bei der Errichtung des Grundpfandrechts bestimmt anzugeben (Art. 797 Abs. 1 ZGB; «L’immeuble grevé doit être spécialement désigné …»). Ausgeschlossen ist somit die sogenannte Generalhypothek des römisch-gemeinen Rechts.51 Ferner können Teile eines Grundstücks (Liegenschaft) nicht verpfändet werden, solange dessen Teilung im Grundbuch nicht erfolgt ist (Art. 797 Abs. 2 ZGB). Das Pfandrecht belastet mit anderen Worten das Grundstück als Ganzes.

1518

3. Mit der Verpfändung mehrerer Grundstücke (zur Sicherung einer einzigen Forderung) befasst sich Art. 798 ZGB, der zwei Fälle unterscheidet: einerseits das Gesamtpfandrecht, andererseits die Aufteilung der Pfandhaft:

1519

– Unter einem Gesamtpfandrecht («un droit de gage collectif») wird die Verpfändung mehrerer Grundstücke in einem einzigen Pfandrecht für ein und dieselbe Forderung verstanden, wobei jedes der Grundstücke die Gesamtsumme der Forderung sichert. Weder die Forderung noch die Pfandsicherung sind aufgeteilt.52 Art. 798 Abs. 1 ZGB lässt ein Gesamtpfandrecht nur zu, wenn die belasteten Grundstücke demselben Eigentümer gehören oder im Eigentum solidarisch verdet sich in Art. 74 BGBB. Zur grundbuchlichen Behandlung des Gesamtpfandrechts vgl. Art. 110 ff. GBV. Ein Gesamtpfandrecht kann namentlich dadurch entstehen, dass ein Grundstück geteilt wird, die neu entstandenen Parzellen jedoch im Eigentum derselben Person verbleiben (vgl. auch Art. 115 GBV).53

– In allen anderen Fällen (also wenn die Voraussetzungen für die Errichtung eines Gesamtpfandrechts nicht erfüllt sind oder wenn die Parteien kein Gesamtpfandrecht wünschen) ist gemäss Art. 798 Abs. 2 ZGB jedes der Grundstücke mit einem bestimmten Teilbetrag zu belasten.54 Es erfolgt mithin eine Aufteilung der Pfandhaft. Ist es nicht anders vereinbart, so muss die Belastung nach dem Wertverhältnis der Grundstücke vorgenommen werden (Art. 798 Abs. 3 ZGB).55 Zur grundbuchlichen Behandlung vgl. Art. 113, 115 und 155 GBV.

1520

Nur die Pfandhaft wird aufgeteilt, nicht auch die gesicherte Forderung. Diese Letztere bleibt unverändert und kann namentlich als Ganze abgetreten werden.56

49

50 51 52 53 54 55

56

BGE 120 II 321 ff. (329 f.), E. 2i betreffend ein Bauhandwerkerpfandrecht an einem Grundstück der Aargauischen Kantonalbank; dazu R aineR SchumacheR, BR/DC 1995, S. 98 (Anm. 4); ausführlich deRSelbe , Bauhandwerkerpfandrecht, Nr. 620 ff.; düRR , ZüKomm, N 68 ff. zu Art. 796 ZGB. SteinaueR, Band III, Nr. 2653b. Dazu tuoR /SchnydeR /Schmid, § 112 N 29; chRiStina Schmid -tSchiRRen (zitiert in Nr. 1592), S. 5. SteinaueR, Band III, Nr. 2662. BGE 119 II 421 ff. (423 unten), E. 2; SteinaueR, Band III, Nr. 2660b und 2664b. BGE 138 III 182 ff. (186 ff.), E. 4. Dazu BGE 138 III 182 ff. (186 ff.), E. 4.4; SteinaueR, Band III, Nr. 2668 ff.; düRR, ZüKomm, N 148 ff. zu Art. 798 ZGB. SteinaueR, Band III, Nr. 2666.

§ 29 Allgemeines

461

4. Besonderheiten ergeben sich im Fall von Miteigentum (gewöhnlichem Miteigentum oder Stockwerkeigentum): Ist ein Grundstück in Miteigentumsanteile aufgeteilt, so kommen als Pfandobjekte einerseits das Grundstück selber (die Stammparzelle) und andererseits die einzelnen Anteile (genauer: jeder einzelne Anteil) in Betracht. Folgendes ist zu beachten:57

1521

– Seinen Anteil kann jeder Eigentümer selbständig verpfänden (Art. 646 Abs. 3 und Art. 800 Abs. 1 ZGB; vorne Nr. 736). Diese Befugnis jedes Miteigentümers bleibt auch dann bestehen, wenn die im Miteigentum stehende Sache (also die Stammparzelle) bereits als solche verpfändet worden ist.58

1522

Wird ein Miteigentumsanteil (gewöhnliches Miteigentum) mit einem Grundpfandrecht belastet, in das Grundbuch aufzunehmen (Art. 23 Abs. 1 lit. a GBV). Stockwerkeigentumsanteile sind stets als Grundstücke in das Grundbuch aufzunehmen (Art. 23 Abs. 1 lit. b GBV). Auf die Verpfändung wird von Amtes wegen durch eine Anmerkung auf dem Grundbuchblatt der Stammparzelle hingewiesen (Art. 116 GBV).

– Bestehen Grundpfandrechte (oder Grundlasten) an Miteigentumsanteilen eines Grundstücks, so können die Miteigentümer gemäss Art. 648 Abs. 3 ZGB die Stammparzelle selber nicht mehr mit solchen Rechten belasten59 (zur entsprechenden Anmerkung auf dem Grundbuchblatt der Stammparzelle vgl. auch Art. 116 GBV). Diese Regelung gilt auch beim Stockwerkeigentum.60

1523

Immerhin lässt es das Bundesgericht zu, dass dennoch an der Stammparzelle ein Pfandrecht errichtet wird, welches den bereits vorhandenen Pfandrechten an Miteigentumsanteilen vorgeht; Voraussetzung dafür ist jedoch, dass alle Beteiligten, insbesondere die Gläubigerinnen der Pfandrechte an den Anteilen, damit einverstanden sind.61

– Sollen bei der Schaffung von Stockwerkeigentum Grundpfandrechte, welche auf der Stammparzelle lasten, auf die einzelnen Stockwerkeigentumsanteile verlegt werden, so ist das hierfür einzuschlagende Vorgehen umstritten. Erforderlich ist jedenfalls die Zustimmung der Pfandgläubigerinnen.62 Für die Verlegungsvereinbarung (Verteilungsvereinbarung) zwischen Eigentümern und Pfandgläubigerinnen fordert die kantonale Praxis bisweilen öffentliche Beurkundung nach Art. 799 Abs. 2 ZGB,63 während ein Teil der Lehre die einfache Schriftform genügen lässt.64

57 58

59 60 61 62 63 64

Zur inneren Rechtfertigung der gesetzlichen Regelung vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 2655a. BGE 95 I 568 ff. (570 f.), E. 1; Kreisschreiben des EJPD an die kantonalen Aufsichtsbehörden über das Grundbuch betreffend die grundbuchliche Behandlung des Stockwerkeigentums und des gewöhnlichen Miteigentums vom 24. November 1964, BBl 1964 II, S. 1198 ff. (1199), Ziff. 4; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 69 zu Art. 646 ZGB. SteinaueR, Band III, Nr. 2655 ff.; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 40 ff. zu Art. 648 ZGB. BGE 113 II 157 ff. (161), E. 1c; ZR 87/1988, Nr. 16, S. 40 ff. (41 f.), E. II./1a (Zürcher Obergericht). BGE 95 I 568 ff. (575 ff.), E. 3b–d; 113 II 157 ff. (161 f.), E. 1d. m eieR-h ayoz/R ey LGVE 1985 I Nr. 9, S. 21 f. (Luzerner Obergericht). m eieR-h ayoz/R ey dieSelben, BeKomm, N 41 ff. zu Art. 712d ZGB mit Hinweisen.

1524

462 1525

Die Grundpfandrechte

5. Vorbehalten bleiben Sonderregeln, etwa für die Verpfändung von landwirtschaftlichen Grundstücken (zu beachten ist gemäss Art. 798a ZGB namentlich das BGBB)65 oder von Eisenbahngrundstücken.66 Es kommt vor, dass auf einer landwirtschaftlichen Liegenschaft ein selbständiges und dauerndes Recht (namentlich ein Baurecht) lastet, das seinerseits als Grundstück in das Grundbuch aufgenommen worden ist (Art. 943 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB; vgl. vorne Nr. 418 und 1327 ff.). Gilt die Belastungsgrenze von Art. 73 ff. BGBB für die Liegenschaft (Stammparzelle), so ist sie nach der hier vertretenen Auffassung auch auf das Baurechtsgrundstück anwendbar. Die gegenteilige Praxis des Bundesgerichts, welche separat prüft, ob die Baurechtsparzelle dem BGBB untersteht,67 führt beim Untergang des Baurechts zu kaum lösbaren Problemen und öffnet ein Tor für die Umgehung des BGBB.68

2. 1526

Entstehung und Untergang von Grundpfandrechten

Mit der Entstehung und dem Untergang («Constitution et extinction») von Grundpfandrechten befassen sich die Art. 799 ff. ZGB. Eine besondere Rolle spielt hier das Publizitätsprinzip69 (zu diesem Prinzip allgemein vgl. vorne Nr. 63 ff.). Spezielle Vorschriften über die Behandlung der Grundpfandrechte bei Güterzusammenlegungen («réunions parcellaires») enthalten die Art. 802 ff. ZGB, die hier ausser Betracht bleiben.70

A. 1527

Die Entstehung

Regelmässig entsteht ein Grundpfandrecht erst, wenn es im Grundbuch eingetragen ist (nachfolgend a.); Ausnahmen kommen jedoch vor (b.). a.

Die Entstehung durch Eintragung in das Grundbuch

1528

Ein Grundpfandrecht entsteht grundsätzlich erst mit der Eintragung in das Grundbuch (Art. 799 Abs. 1 ZGB; zu den Einzelheiten der Eintragung vgl. Art. 101 ff. GBV). Die Eintragung setzt einen Rechtsgrund, eine schriftliche Anmeldung sowie das Verfügungsrecht des Anmeldenden voraus (Art. 963 Abs. 1 und Art. 965 ZGB; vgl. vorne Nr. 503 ff.).

1529

1. Als Rechtsgründe in Betracht kommen Rechtsgeschäfte und Gesetz:71 – Als Rechtsgrund im Vordergrund steht in der Praxis ein Vertrag (Vertrag auf Errichtung eines Grundpfandrechts; Pfandbestellungsvertrag; «le contrat de gage immobilier»). Er ist ein zwischen dem derzeitigen oder künftigen Grundstückeigentümer (Pfandbesteller; Verpfänder) und der Gläubi-

1530

65 66

67 68 69 70 71

Dazu ausführlich SteinaueR, Band III, Nr. 2672 ff. Dazu auch SteinaueR, Band III, Nr. 2658a; düRR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 793 ZGB), N 37 f. BGE 128 III 229 ff. (231 f.), E. 3a und b. JöRg Schmid, BR/DC 2002, Nr. 443, S. 187. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 112 N 35 ff. Dazu tuoR /SchnydeR /Schmid, § 112 N 81 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2707d ff. SteinaueR, Band III, Nr. 2688.

§ 29 Allgemeines

463

ein Grundpfandrecht zu errichten; der Vertrag muss demnach den Verpfänder, die Berechtigte, die Pfandforderung und das Pfandobjekt bezeichnen.72 Beizufügen bleibt: • Der Vertrag (ist «Rechtsgeschäft» und) bedarf gemäss Art. 799 Abs. 2 ZGB der öffentlichen Beurkundung. Beurkundungsbedürftig sind alle wesentlichen Vertragspunkte. Als objektiv wesentlich sind anzusehen: die Parteien (im Fall eines Drittpfandes [hinten Nr. 1606 ff.] auch die Identität des Schuldners);

1531

Art des Pfandrechts; das Pfandobjekt; die gesicherte Forderung.73 Hinzu kommen Abreden, welche für die Parteien subjektiv wesentlich sind, etwa Vereinbarungen über Rückzahlungen, Kündigung, Amortisation der Pfandschuld oder Nachrücken der Pfandgläubigerin.74 Die Formvorschrift gilt auch für alle Änderungen des Pfandvertrags in wesentlichen Punkten, jedoch mit Ausnahme solcher Abreden, welche die Belastung mindern, wie etwa Pfandentlassung oder Herabsetzung der gesicherten Forderung.75 Ob die öffentliche Beurkundung personell zweiseitig oder einseitig (beschränkt auf die Erklärung des Pfandbestellers) sei, ist umstritten: Nach der hier vertretenen Auffassung muss nicht nur die Willenserklärung des Pfandbestellers, sondern auch jene der Pfandgläubigerin durch die öffentlich beurkundete Form gedeckt sein.76 Abweichend lautet jedoch die Praxis in mehreren Kantonen77 und wohl die mehrheitliche Meinung in der Lehre.78

• Die Pfandforderung (also die Forderung, welche durch das Grundpfandrecht gesichert werden soll) muss im Pfandbestellungsvertrag grundsätzlich so angegeben werden, dass sie bestimmt oder bestimmbar ist.79 Auch wenn für die Sicherstellung zukünftiger,80 bloss möglicher oder im Betrag wechselnder Forderungen (Art. 824 Abs. 1 und Art. 825 Abs. 1 ZGB) Einschränkungen von diesem Grundsatz hinzunehmen sind, müssen doch in jedem Fall die

72

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80

BGE 123 III 97 ff. (98 f.), E. 2; ZBGR 49/1968, S. 87 ff. (90 f.), E. 2a (Zürcher Obergericht); leemann, BeKomm, N 32 ff. zu Art. 799 ZGB. SteinaueR, Band III, Nr. 2697a und 2697d f.; weiter gehend chRiStian bRücKneR (zitiert in Nr. 1651), S. 223 f.; vgl. auch BGE 123 III 97 ff. (98 f.), E. 2; ZBGR 49/1968, S. 87 ff. (90 f.), E. 2a (Zürcher Obergericht). FRanziSKa m. betSchaRt (zitiert in Nr. 1592), Nr. 999 und 1066 ff.; ähnlich leemann, BeKomm, N 46 f. zu Art. 799 ZGB (mit Relativierungen); a.M. düRR, ZüKomm, N 209 und 228 f. zu Art. 799 ZGB. BGE 123 III 97 ff. (99 f.), E. 2; 75 I 337 ff. (340) mit Hinweis auf leemann, BeKomm, N 52 ff. zu Art. 799 ZGB. Zur Rangangabe vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 2697f; chRiStian bRücKneR (zitiert in Nr. 1651), S. 224; leemann, BeKomm, N 44 zu Art. 799 ZGB sowie N 7 zu Art. 813/814 ZGB. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 112 N 37, Fn. 44; JöRg Schmid, Die öffentliche Beurkundung von Schuldverträgen (…), Diss. Freiburg 1988 (AISUF Band 83), Nr. 539 ff. mit Fn. 356; SteFan WeiSS, Diss. (zitiert in Nr. 1851), Nr. 310 ff.; FRanziSKa m. betSchaRt (zitiert in Nr. 1592), Nr. 953 ff.; Max. IX, Nr. 654, S. 562 f. (Luzerner Obergericht unter Berufung auf kantonales Recht). chRiStian bRücKneR (zitiert in Nr. 1651), S. 219 ff. Namentlich SteinaueR, Band III, Nr. 2697a mit Hinweisen; deRSelbe (zitiert in Nr. 1592), S. 295 ff.; deRSelbe , ZüKomm, N 101 ff. zu Art. 857 ZGB; Staehelin, BaKomm, N 20 zu Art. 842 ZGB; Sid ney K ameRzin (zitiert in Nr. 1851), Nr. 788 ff. Wiegand, S. 80 ff.; wohl auch düRR, ZüKomm, N 197 f. zu Art. 799 ZGB; anders wohl leemann, BeKomm, N 15 f. zu Art. 824 ZGB. Vgl. auch BGE 142 III 746 ff. (752 ff.), E. 2.2. Zur Sicherstellung künftiger Forderungen vgl. etwa dal molin-K Ränzlin, Nr. 241 ff. und 332 ff. (Wiederauszahlungsklauseln).

1532

464

Die Grundpfandrechte

Schranken der Vertragsfreiheit beachtet werden, namentlich Art. 19 Abs. 2 OR und Art. 27 Abs. 2 ZGB.81 Eine Pfandklausel, die alle nur denkbaren gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen der Bank gegen ihren Kunden einschliesst, stellt eine übermässige Bindung im Sinn von Art. 27 ZGB dar.82 1533

– Als rechtsgeschäftlicher Rechtsgrund denkbar ist sodann eine Verfügung von Todes wegen (Vermächtnis).

1534

– Eine einseitige Erklärung kommt als Rechtsgrund für die Errichtung von Eigentümer- sowie Inhaberschuldbriefen in Betracht. Diese Erklärung muss jedoch seit dem 1. Januar 2012 nach Art. 799 Abs. 2 ZGB («das Rechtsgeschäft») ebenfalls öffentlich beurkundet sein; die Regelung soll namentlich der Rechtssicherheit dienen.83 Es fragt sich, ob eine Inhaberobligation mit Grundpfandverschreibung ebenfalls durch einseitige Erklärung (statt durch Vertrag) errichtet werden kann (hinten Nr. 1643).84

– Als Rechtsgrund kommt schliesslich in den Fällen eines mittelbaren gesetzlichen Grundpfandrechts (vorne Nr. 1499) das Gesetz in Betracht (vgl. namentlich Art. 837, 712i, 779d, 779i–k ZGB sowie Art. 523 OR). Zu den unmittelbaren gesetzlichen Grundpfandrechten vgl. vorne Nr. 1498 und hinten Nr. 1654 ff.

1535

Ein mangelhafter Rechtsgrund keinem wirksamen Grundpfandrecht. Dem Verpfänder steht vielmehr in der Regel die Grundbuchberichtigungsklage auf Löschung des Pfandrechts offen. Diese Klage muss allerdings dann abgewiesen und das Pfandrecht als gültig behandelt werden, wenn die Berufung auf den Formmangel der (und Darlehensschuldner) gestützt auf das formungültige Pfandrecht das fragliche Darlehen erhalten hat.85 Weiter ist denkbar, dass ein gutgläubiger Dritter gestützt auf Art. 973 Abs. 1 ZGB ein (ursprünglich nicht wirksam bestehendes) Pfandrecht originär erwirbt.86 1536

2. Der Grundbuchverwalter trägt das Grundpfandrecht nur auf schriftliche Anmeldung hin in das Grundbuch ein (Art. 963 Abs. 1 ZGB und Art. 46 ff. GBV; vorne Nr. 503 ff.). Unterlässt bzw. verweigert der Eigentümer entgegen dem Pfandbestellungsvertrag die Anmeldung an das Grundbuchamt, so kann die Gläubigerin auf Eintragung klagen; Art. 665 Abs. 1 ZGB ist analog anwendbar.87

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84 85

86 87

SteinaueR, Band III, Nr. 2644a und 3133 f.; für das Fahrnispfandrecht vgl. oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 127a ff. zu Art. 884 ZGB; zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 379 ff. und 445 ff. zu Art. 884 ZGB. BGE 108 II 47 ff. (48 f.), E. 2; 142 III 746 ff. (755), E. 2.3; teilweise anders Wiegand, S. 83 f. Relativierend für die Bestimmbarkeit der gesicherten Forderung bei der Bürgschaft BGE 128 III 434 ff. (439 f.), E. 3.4. Zur Entstehungsgeschichte vgl. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5315 f.; Schmid, Neuerungen im Grundpfandrecht, S. 210 f. Zur Rechtslage vor dem 1. Januar 2012 (Genügen der einfachen SchriftVgl. dazu SteinaueR, Band III, Nr. 2697b i.V.m. 2632; PeteR moSeR (zitiert in Nr. 1651), S. 82 ff. BGer 5C.98/2002, E. 3.3 = ZBGR 85/2004, S. 134 ff. für einen Schuldbrief; vgl. auch Paul-h enRi SteinaueR (zitiert in Nr. 1592), S. 300 f.; Sidney K ameRzin (zitiert in Nr. 1851), Nr. 831; FRanziSKa m. betSchaRt (zitiert in Nr. 1592), Nr. 1083 ff. und 1087 ff.; allgemein zur Rechtsmissbrauchsschranke bei Formmängeln gauch /SchlueP/Schmid, Nr. 550 ff. SteinaueR, Band III, Nr. 2689a; leemann, BeKomm, Vorbem. vor Art. 793 ZGB, N 10. SteinaueR, Band III, Nr. 2699a i.V.m. 2690c; zurückhaltend eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 245 f.

§ 29 Allgemeines

465

3. Die Grundbucheintragung setzt voraus, dass der Anmeldende verfügungsberechtigt ist. Das trifft (namentlich) zu, wenn der Eigentümer die Eintragung eines Pfandrechts zu Lasten seines Grundstücks anmeldet (Art. 963 Abs. 1 ZGB). Für gemeinschaftliches Eigentum ordnet das ZGB Folgendes an:

1537

– Steht ein Grundstück im Miteigentum, so kann jeder Eigentümer seinen Anteil selbständig verpfänden (Art. 646 Abs. 3 und Art. 800 Abs. 1 ZGB; vgl. vorne Nr. 736 und 1522). – Steht ein Grundstück im Gesamteigentum, so kann es nur insgesamt und im Namen aller Eigentümer verpfändet werden (Art. 653 Abs. 2 und Art. 800 Abs. 2 ZGB; vorne Nr. 797). Beim Sonderfall von Art. 169 ZGB (Familienwohnung) und Art. 14 PartG (gemeinsame Wohnung) ist die Handlungsfähigkeit einer verheirateten oder in eingetragener Partnerschaft lebenden Person beschränkt,88 was sich auch auf die Pfandbestellung auswirken kann.89 Die Zustimmung des Partners oder der Partnerin zur Errichtung eines Grundpfandrechts ist nach der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre nicht generell notwendig, sondern nur (aber immerhin) dann, wenn die Pfandbestellung nach den Umständen eine Gefahr für die Familienwohnung darstellt; das trifft regelmässig dann zu, wenn die Pfandbelastung mehr beträgt als ca. zwei Drittel des Verkehrswerts (bei landwirtschaftlichen Grundstücken mehr als die durch Art. 73 BGBB festgesetzte Belastungsgrenze).90 Vorbehalthekarzinsen nicht aufbringen kann oder ein Umgehungs- oder Missbrauchsgeschäft vornimmt.91

In Betracht kommt indessen auch die Anmeldung der Eintragung eines Grundpfandrechts durch eine Behörde, namentlich die Anmeldung der Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts durch das Gericht (Art. 839 Abs. 3 ZGB; vorne Nr. 528). b.

Die Entstehung ohne Eintragung in das Grundbuch

Die in Art. 799 Abs. 1 ZGB gegenüber dem Eintragungsprinzip vorbehaltenen gesetzlichen Ausnahmen betreffen in erster Linie die Fälle eines unmittelbaren gesetzlichen Grundpfandrechts (vor allem kantonale Grundpfandrechte kraft Art. 836 Abs. 2 ZGB; ferner Art. 808 Abs. 3, Art. 810 Abs. 2 und Art. 819 Abs. 1 ZGB).92 Zusätzlich kann ein Grundpfandrecht schon vor Eintragung in das Grundbuch kraft eines rechtskräftigen Urteils entstehen.93

88 89

90

91 92 93

1538

Vgl. tuoR /SchnydeR /Jungo, § 28 N 22 und § 37 N 3. h auSheeR h einz/R euSSeR Ruth /geiSeR thomaS, Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Band II: Familienrecht, 1. Abteilung: Das Eherecht, 2. Teilband: Die Wirkungen der Ehe im allgemeinen, Artikel 159–180 ZGB, Bern 1999, N 46 f. zu Art. 169 ZGB; bRäm veRena / h aSenböhleR FRanz, Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch (Zürcher Kommentar), II. Band: Familienrecht, 1. Abteilung: Das Eherecht (Art. 90–251 ZGB), Teilband II 1c: Die Wirkungen der Ehe im allgemeinen, Art. 159–180 ZGB, 3. A., Zürich 1998, N 53 ff. zu Art. 169 ZGB; h enRi deSchenaux /Paul-h enRi SteinaueR /m aRgaReta baddeley, Les effets du mariage, 2. A., Bern 2009, Nr. 216. Grundlegend BGE 142 III 720 ff. (727 ff.), E. 5.2, mit Hinweisen auf die Lehre, vor allem auf deSchenaux /SteinaueR /baddeley und h auSheeR /R euSSeR /geiSeR. BGE 142 III 720 ff. (730), E. 5.2.4, mit Hinweisen. SteinaueR, Band III, Nr. 2691 ff. BGE 78 I 443 ff. (446 ff.), E. 2 und 3; leemann, BeKomm, N 6 f. zu Art. 799 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2690 und 2690c, der insoweit die analoge Anwendbarkeit von Art. 656 Abs. 2 ZGB bejaht; vgl. auch eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 245 f.

1539

466

B.

Die Grundpfandrechte

Der Untergang

1540

Das Gesetz nennt in Art. 801 ZGB verschiedene Vorgänge, die zum Untergang des Pfandrechts führen. Der Untergang vollzieht sich teilweise durch grundbuchliche Löschung, teilweise auf Grund anderer Umstände. Allerdings ist die gesetzliche Regelung lückenhaft. Im Einzelnen:

1541

1. Das Grundpfandrecht geht hauptsächlich durch die Löschung des Eintrags im Grundbuch unter (Art. 801 Abs. 1 ZGB). Beizufügen bleibt:

1542

– Die Löschung setzt eine schriftliche Erklärung «der aus dem Eintrage berechtigten Personen» voraus (Art. 964 Abs. 1 ZGB; vorne Nr. 532). Die Pfandgläubigerin muss also (schriftlich) zustimmen bzw. die schriftliche Löschungsanmeldung abgeben.94 Mit der Löschung des Pfandrechts muss auch der Grundeigentümer einverstanden sein. Für den Schuldbrief ergibt sich das Zustimmungserfordernis direkt aus Art. 854 ZGB; diese Vorschrift gilt jedoch auch für die Grundpfandverschreibung, jedenfalls wenn die Wiederverwendung des Pfandrechts («Pfanderneuerung»; hinten Nr. 1638c) in Betracht kommt.95

1543

– Grund für die grundbuchliche Löschung ist hauptsächlich der Untergang der gesicherten Forderung: Wird die Forderung getilgt oder geht sie auf andere Weise unter, so erlöschen gemäss Art. 114 Abs. 1 OR «alle ihre Nebenrechte, wie namentlich die … Pfandrechte». Doch behält Art. 114 Abs. 3 OR die besonderen Vorschriften über das Grundpfandrecht vor. Ob diese Vorschriften an die Tilgung der Forderung unmittelbar den (materiellen) Untergang des Pfandrechts knüpfen oder darin bloss einen Rechtsgrund sehen, welcher dem Pfandeigentümer einen Anspruch auf Löschung verleiht, ist kontrovers.96 Auf alle Fälle gilt aber Folgendes:

1544

– Ist die Forderung getilgt worden, kann nach Art. 826 ZGB der Eigentümer des belasteten Grundstücks von der Pfandgläubigerin verlangen, dass sie die Löschung des Eintrags bewillige. Verweigert die Pfandgläubigerin diese Zustimmung, so kann der Grundstückeigentümer in analoger Anwendung von Art. 665 Abs. 1 ZGB auf Löschung klagen.97 Trotz des Wortlauts von Art. 826 ZGB braucht die Forderung im Klagezeitpunkt nicht schon getilgt zu sein. Der Grundstückeigentümer kann gegen die Pfandgläubigerin klagen auf gerichtliche Anordnung, dass das Pfandrecht nach Bezahlung des offenen Forderungsbetrags durch den Kläger im Grundbuch zu löschen sei.98 Es obliegt dann dem Grundbuchverwalter zu prüfen, ob der vom Pfandeigentümer vorgelegte Beleg die Tilgung der Forderung nachweist.99

94

95 96 97 98 99

BGer vom 22. Februar 1995, in Semjud 117/1995, S. 665 ff. (668), E. 2c; BGE 104 Ib 257 ff. (259), E. 2; zur Terminologie SteinaueR, Band III, Nr. 2706a. SteinaueR, Band III, Nr. 2707. Vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 2704 f.; offengelassen in BGE 102 II 1 ff. (6 oben), E. 2c. leemann, BeKomm, N 7 zu Art. 801 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2706b. BGE 102 II 1 ff. (4 ff.), E. 2b–d; SteinaueR, Band III, Nr. 2706c. BGE 102 II 1 ff. (5 f.), E. 2c und d.

§ 29 Allgemeines

467

2. Ohne die Löschung des Eintrags im Grundbuch kann ein Grundpfandrecht untergehen:100 –

1545

ZGB);101

– im Fall der Enteignung nach Massgabe der Enteignungsgesetzgebung des Bundes und der Kantone (Art. 801 Abs. 2 ZGB); – mit Rechtskraft eines gerichtlichen Urteils, welches anordnet, dass das Pfandrecht zu löschen ist; – im Fall der Zwangsverwertung des belasteten Grundstücks (auf Grund dieses oder eines im Rang vorgehenden Pfandrechts) – selbst dann, wenn durch den Verwertungserlös die gesicherte Forderung ganz oder teilweise ungedeckt geblieben ist.102 Die betreibende Pfandgläubigerin erhält für ihren Ausfall einen Pfandausfallschein (Art. 158 Abs. 1 SchKG); den übrigen Pfandgläubigerinnen wird lediglich eine Bescheinigung ausgestellt, dass ihre Forderungen ungedeckt geblieben sind (Art. 120 VZG). Von der Löschung im Zwangsverwertungsverfahren ausgenommen ist gemäss Art. 779k Abs. 1 ZGB das Pfandrecht für den Baurechtszins103 (vgl. vorne Nr. 1400 f.).

In allen diesen Fällen hat die Löschung des Grundpfandrechts im Grundbuch bloss deklaratorische Wirkung; der Grundeigentümer kann das Löschungsbegehren gestützt auf Art. 963 Abs. 2 ZGB selber stellen.104

1546

3. Sonderregeln über den Untergang von Grundpfandrechten gelten für die Zerstückelung (Art. 833 ZGB; «Parcellement») des belasteten Grundstücks und für die einseitige Ablösung (Art. 828 ff. ZGB; «Purge hypothécaire»).105

1547

3.

Die Wirkung des Grundpfandrechts

Mit der Wirkung («Effets») des Grundpfandrechts befassen sich die Art. 805 ff. ZGB (Randtitel). Zu unterscheiden sind Haupt- und Nebenwirkungen:

A.

Die Hauptwirkungen: Pfandhaftung und Verwertungsrecht

Die Hauptwirkung des Grundpfandrechts liegt in der Haftung des Grundstücks zur Sicherung einer Forderung, mithin im Verwertungsrecht der Gläubigerin: Diese hat gemäss Art. 816 Abs. 1 ZGB «ein Recht darauf, im Falle der Nichtbefriedigung sich

100 101 102

103 104 105

1548

SteinaueR, Band III, Nr. 2707a. Ausführlich und de lege ferenda kritisch dal molin-K Ränzlin, Nr. 418 ff. BGE 125 III 252 ff. (254 f.), E. 2a–b; 122 III 432 ff. (434 unten), E. 5; 121 III 432 ff. (434), E. 2a (unter anderem mit Hinweis auf Art. 110 f. VZG); 106 II 183 ff. (187 f.), E. 2; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 159 und 693. Dazu differenzierend BGE 106 II 183 ff. (195 f.), E. 3f; SteinaueR, Band III, Nr. 2707a und 2555 ff. SteinaueR, Band III, Nr. 2707b. Vgl. dazu tuoR /SchnydeR /Schmid, § 112 N 77 ff. und § 113 N 20; SteinaueR, Band III, Nr. 2708 ff. und 2713 ff.

1549

468

Die Grundpfandrechte

aus dem Erlöse des Grundstückes bezahlt zu machen» («le droit de se payer sur le prix d’immeuble»).106 1550

Pfandhaftung und Verwertungsrecht der Gläubigerin werfen eine Vielzahl an materiell- und vollstreckungsrechtlichen Fragen auf, von denen die Folgenden herauszugreifen sind: – Wann und wie übt die Gläubigerin ihr Verwertungsrecht aus (nachfolgend a.)? – Worin besteht der Umfang der Pfandhaft? Was macht – anders gefragt – das Haftungssubstrat aus (b.)? – Für welche Forderungen und Kosten bietet dieses Haftungssubstrat der Gläubigerin Sicherheit (c.)? – Welches ist das Verhältnis einer Pfandgläubigerin zu den übrigen Pfandgläubigerinnen? Was ist – anders gefragt – unter dem vom Gesetz vorgesehenen Pfandstellensystem zu verstehen (d.)? a.

Das Verwertungsrecht im Allgemeinen

1551

1. Voraussetzung für die Aktualisierung des Grundpfandrechts ist die «Nichtbefriedigung» der Gläubigerin, also die Nichterfüllung der gesicherten und fälligen Forderung durch den Schuldner.107 Die Forderung muss demnach fällig sein und vom Schuldner nicht erfüllt werden; dann – und erst dann – kann die Pfandgläubigerin die Verwertung verlangen. Hingegen ist Schuldnerverzug (Art. 102 OR) nicht erforderlich.108

1552

2. Die Gläubigerin übt dieses Verwertungsrecht grundsätzlich durch Einleitung (und Fortsetzung) der Betreibung auf Pfandverwertung (Art. 41 und 151 ff. SchKG) aus.109 Folgendes bleibt beizufügen:

1553

– Zulässig ist die Abrede, dass die Gläubigerin selber das verpfändete Grundstück privat – also ausserhalb des staatlichen Zwangsvollstreckungsverfahrens – verwertet.110 Sie hat in diesem Fall bei der Verwertung sorgfältig vorzugehen und dem Schuldner (Pfandbesteller) einen allfälligen Überschuss des Verwertungserlöses herauszugeben.111

1554

– Unzulässig («ungültig»; «nulle») ist demgegenüber nach Art. 816 Abs. 2 ZGB die «Abrede, wonach das Grundpfand dem Gläubiger, wenn er nicht befriedigt wird, als Eigentum zufallen soll» (Verfallabrede/Verfallklausel, «pacte commissoire»).

106

107 108

109 110

111

BGE 106 II 183 ff. (187), E. 2; 107 III 40 ff. (42), E. 3; vgl. auch BGE 122 III 432 ff. (434 unten), E. 5; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 156. leemann, BeKomm, N 5 zu Art. 816 ZGB. SteinaueR, Band III, Nr. 2782; illustrativ für das Fahrnispfand: oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 18 und 57 zu Art. 891 ZGB; zobl, BeKomm, N 7 zu Art. 891 ZGB. Zum Beispiel BGE 138 III 132 ff. (133 f.), E. 4.1. leemann, BeKomm, N 3 zu Art. 816 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2784 f.; SimoniuS/SutteR, Band II, S. 182 f.; für das Fahrnispfand zobl, BeKomm, N 28 zu Art. 891 ZGB; BGE 119 II 344 ff.; ZR 95/1996, Nr. 48, S. 143 ff. (146 f.), E. II./B. 1.2. (Zürcher Handelsgericht). BGE 119 II 344 ff. (346), E. 2b.

§ 29 Allgemeines

469

Mit dieser Vorschrift soll – im Blick darauf, dass der Wert des Grundstücks die gesicherte Forderung regelmässig deutlich übersteigt – eine «wucherähnliche Ausbeutung des Verpfänders» verhindert werden.112

– Der Schuldner hat für pfandgesicherte Forderungen grundsätzlich Anspruch darausverwertung des Pfandes; ); gegen eine andere Betreibungsart kann er sich mit Beschwerde an die SchKG-Aufsichtsbehörden zur Wehr setzen (Art. 41 Abs. 1 und 1bis SchKG).113 Nicht anwendbar ist dieser Grundsatz indessen in der Wechselbetreibung.114 Diese Regel der Vorausverwertung des Pfandes ist jedoch dispositiver Natur: Die Gläubigerin kann mit dem Schuldner eine abweichende Abrede treffen oder auf ihr Pfandrecht verzichten; ebenso kann der Schuldner darauf verzichten (oder es schlicht unterlassen), sich gegen die «falsche» Betreibungsart zu wehren.115

1555

1556

Soweit es um grundpfandgesicherte Zinsen oder Annuitäten geht, hat die Gläubigerin nach Massgabe von Art. 41 Abs. 2 SchKG das Recht, die Betreibungsart zu bestimmen.

3. Die pfandgesicherten Gläubigerinnen geniessen im Zwangsvollstreckungsverfahren gegen den Schuldner in mehrfacher Hinsicht den Vorrang vor den übrigen Gläubigerinnen:

1557

– Für Betreibungen auf Pfändung und Pfandverwertung gilt nach Art. 142a (und Art. 156) i.V.m. Art. 126 SchKG das Deckungsprinzip: Ein Zuschlag darf nur erfolgen, «sofern das Angebot den Betrag allfälliger dem betreibenden Gläubiger im Range vorgehender pfandgesicherter Forderungen übersteigt» (Art. 126 Abs. 1 SchKG; dazu hinten Nr. 1628).

1558

Können bei der Verteilung des Verwertungserlöses nicht sämliche Gläubigerinnen befriedigt werden, erstellt das Betreibungsamt einen Plan für die Rangordnung der Gläubigerinnen (Kollokationsplan) und eine Verteilungsliste; hierbei erhalten die Gläubigerinnen den Rang, den sie nach Art. 219 SchKG im Konkurs des Schuldners einnehmen würden (Art. 146 SchKG). Im Konkursfall sieht Art. 219 SchKG seinerseits den Vorrang der Pfandgläubigerinnen vor (dazu sogleich Nr. 1559).

– Bei Betreibungen auf Konkurs haben bei Verteilung des Verwertungserlöses die Pfandgläubigerinnen den Vorrang vor den übrigen Gläubigerinnen (Art. 198 und 219 Abs. 1 SchKG; Art. 113 VZG).116 Die nicht pfandgeschützten Gläubigerinnen erhalten aus der Verwertung mit anderen Worten erst dann etwas, wenn die Pfandgläubigerinnen bezahlt sind (Art. 219 Abs. 1 und 4 SchKG). Art. 113 Abs. 2 VZG hält dazu überdies fest: «Solange die Pfandgläubiger nicht vollständig gedeckt sind, darf, soweit die Pfändungsgläubiger diesen im Rang nicht vorgehen, der Erlös des verpfändeten Grundstückes weder für die Kosten der Pfändungsbetreibung noch für die Forderungen der Pfändungsgläubiger in Anspruch genommen werden.»

112

113 114 115

116

BGE 119 II 344 ff. (345 unten), E. 2b, für das Fahrnispfand; leemann, BeKomm, N 17 zu Art. 816 ZGB. BGE 140 III 180 ff. (187), E. 5.1.4; 120 III 105 f. (106), E. 1; 117 III 74 ff. (75), E. 1. BGE 136 III 110 ff. (111 f.), E. 4. BGE 120 III 105 f. (106), E. 1; 110 III 5 ff. (7), E. 2; 97 III 49 ff. (50 f.), E. 1; SteinaueR, Band III, Nr. 2785a; a monn/WaltheR, § 9 N 18 und § 32 N 8 ff. leemann, BeKomm, N 1 zu Art. 817 ZGB; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 712.

1559

470 1560

Die Grundpfandrechte

4. Weitere Bestimmungen über die Verwertung und über die Verteilung des Erlöses sind namentlich in Art. 812 Abs. 2, Art. 816 Abs. 2 und Art. 817 ZGB, im SchKG (insbesondere Art. 151–158 und 133–143b) sowie in der VZG enthalten.117 Aus materiell-rechtlicher Sicht verdient Art. 817 Abs. 1 ZGB Erwähnung. Danach ist der Verwertungserlös unter den Grundpfandgläubigerinnen nach ihrem Rang zu verteilen (hinten Nr. 1568 ff.). Zum Doppelaufruf vgl. insbesondere Art. 812 Abs. 2 ZGB und Art. 142 SchKG (vorne Nr. 1173 ff. und hinten Nr. 1626 ff.).118

b.

Der Umfang der Pfandhaft

1561

Mit dem Umfang der Pfandhaft («Etendue du droit du créancier») befassen sich die Art. 805 f. ZGB. Haftungssubstrat für die beschriebene Verwertung sind demnach:

1562

1. das verpfändete Grundstück mit allen seinen Bestandteilen (Art. 805 Abs. 1 ZGB).119 Beizufügen bleibt: – Bestandteile eines Grundstücks sind nach Art. 667 Abs. 2 ZGB grundsätzlich alle – Bei subjektiv-dinglich verknüpftem Eigentum wird von der Pfandhaft des «Hauptgrundstücks» gemäss Art. 655a Abs. 1 Satz 2 ZGB (vorne Nr. 725) auch das Anmerkungsgrundstück erfasst.120

1563

2. die Zugehör (Art. 805 Abs. 1 ZGB; vorne Nr. 705 ff.):121 – Die Verfügung über das Grundstück bezieht sich, wenn keine Ausnahme gemacht wird, auch auf die beweglichen Sachen, die dessen Zugehör darstellen (Art. 644 Abs. 1 ZGB). Welche beweglichen Sachen Zugehör zum Grundstück darstellen, ergibt sich aus Art. 644 und 645 ZGB.122 Art. 805 Abs. 2 ZGB ergänzt diese Regelung, indem bei Anmerkung gewisser beweglicher Sachen im Grundbuch die Zugehöreigenschaft vermutet wird.123 – Nach Art. 805 Abs. 3 ZGB bleiben die Rechte Dritter an der Zugehör vorbehalten. Das Bundesgericht legt diese Bestimmung so aus, dass Rechte Dritter den Rechten der Grundpfandgläubigerinnen stets vorgehen.124

1564

3. gewisse Miet- und Pachtzinsforderungen, wenn das Grundstück vermietet oder verpachtet ist (Art. 806 Abs. 1 ZGB; Art. 91 VZG).125

117 118

119 120

121 122 123 124

125

SteinaueR, Band III, Nr. 2786 ff. Zu den besonderen Problemen bei der Zwangsvollstreckung eines Miteigentumsanteils vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 2789 ff. Dazu SteinaueR, Band III, Nr. 2722 ff. BGE 112 III 102 ff. (105), E. 1; 100 II 310 ff. (312 f.), E. 3a; m eieR-h ayoz, BeKomm, N 9 und 57 zu Art. 646 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2721 und 2660e. SteinaueR, Band III, Nr. 2724 ff. BGE 80 II 228 ff. (230 oben), E. 3. leemann, BeKomm, N 61 ff. zu Art. 805 ZGB. BGE 60 II 191 ff. (195 ff.), E. 2 (betreffend unter Eigentumsvorbehalt verkaufte Möbel); kritisch SteinaueR, Band III, Nr. 2728 f.; ausführlich Fabienne hohl (zitiert in Nr. 1592), S. 158 ff. BGer 4C.179/2003, E. 2 (mit Ausführungen insbesondere zu Art. 806 Abs. 3 ZGB); SteinaueR, Band III, Nr. 2730 ff.

§ 29 Allgemeines

471

4. Nach Art. 57 Abs. 1 VVG erstreckt sich das Pfandrecht an der versicherten Sache schliesslich «sowohl auf den Versicherungsanspruch des Verpfänders als auch auf die aus der Entschädigung angeschafften Ersatzstücke».126 Zu Art. 822 ZGB vgl. hinten Nr. 1586. c.

1565

Der Umfang der Sicherheit

1. Das beschriebene Haftungssubstrat (Grundstück, Bestandteile, Zugehör, Miet- und Pachtzinsforderungen; vorne Nr. 1561 ff.) bietet gemäss Art. 818 ZGB – für Kapitalhypotheken (sogleich Nr. 1567) – der Gläubigerin Sicherheit («Etendue de la garantie») für:

1566

– die Kapitalforderung (Art. 818 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB); – für Betreibungskosten und Verzugszinsen (Art. 818 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB; vgl. auch Art. 219 Abs. 3 SchKG); Der gesetzliche Verzugszins – gemäss Art. 104 Abs. 1 OR fünf Prozent – ist demnach von Gesetzes wegen pfandgesichert,127 und zwar ohne zeitliche Limitierung.128

– sowie in gewissem Umfang für verfallene Jahreszinsen und für den laufenden Zins (Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB; vgl. auch Art. 219 Abs. 3 SchKG).129 Seit dem 1. Januar 2012 ordnet Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 Satz 2 ZGB ausdrücklich an, dass beim Schuldbrief nur die tatsächlich geschuldeten Zinsen pfandgesichert sind (vorne Nr. 1509 und hinten Nr. 1810a). Die Pfandhaft für vertraglich vereinbarte Zinsen besteht nur, wenn der Zinsfuss im Grundbuch eingetragen ist.130 Zum Eintrag vgl. Art. 101 Abs. 2 lit. e GBV. – Keinen Zins im Sinn von Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB stellt eine Kreditkommission dar, die quartalsweise auf dem jeweiligen Quartalshöchstdebet berechnet wird; sie ist daher nicht grundpfandgesichert.131

2. Zur Klarstellung bleiben mehrere Punkte nachzutragen: – Die dargestellte Regelung von Art. 818 ZGB bezieht sich nur auf die Grundpfandrechte mit festem Betrag im Sinn von Art. 794 Abs. 1 ZGB (Kapitalhypotheken).132 Für Maximalhypotheken vgl. vorne Nr. 1510. – Art. 819 Abs. 1 ZGB erstreckt die Pfandhaft unter gewissen Voraussetzungen auch auf Auslagen, welche die Pfandgläubigerin zur Sicherung des verpfändeten Grundstücks getätigt hat. Ist der Betrag dieses Pfandrechts höher als 1000 Franken und wird es nicht innert vier Monaten nach Vornahme der Ersatzhandlung in das Grundbuch eingetragen, so kann es nach Art. 819

126 127 128 129 130

131 132

SteinaueR, Band III, Nr. 2733 f. leemann, BeKomm, N 5 zu Art. 818 ZGB. BGE 121 III 445 ff. (447), E. 5a; 142 III 738 ff. (741 f.), E. 4.4.2. ZR 108/2009, Nr. 16, S. 61 ff. (63), E. II./4c/cc (Zürcher Kassationsgericht). leemann, BeKomm, N 8 zu Art. 818 ZGB (und N 14 ff. zu Art. 794 ZGB); SteinaueR, Band III, Nr. 2646; a.M. Schmid -tSchiRRen, BaKomm, N 10 zu Art. 818 ZGB, unter Hinweis auf die Berner Praxis. BGer vom 21. November 1990, in ZBGR 77/1996, S. 268 f. leemann, BeKomm, N 22 zu Art. 818 ZGB.

1567

472

Die Grundpfandrechte

Abs. 2 ZGB Dritten, die sich in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen (haben), nicht entgegengehalten werden.133

– Bei der Zwangsverwertung – namentlich in der Betreibung auf Pfandverwertung – ist für die Anrechnung des Erlöses Art. 85 Abs. 1 OR anwendbar; der Verwertungserlös muss deshalb zunächst auf die Betreibungskosten und die Verzugszinsen und erst dann auf das Kapital angerechnet werden.134 d. 1568

Das Pfandstellensystem

Die nachfolgenden Ausführungen über das Pfandstellensystem beziehen sich auf die Stellung der Pfandgläubigerin im Verhältnis zu anderen Pfandgläubigerinnen. Grundpfandrechte stehen immer auf einer besonderen Pfandstelle (in einem besonderen Rang; «case hypothécaire»). Die pfandrechtliche Sicherung ist auf die bei der Eintragung angegebene Pfandstelle beschränkt (Art. 813 Abs. 1 ZGB). Mit dem in Art. 813 ff. ZGB als Grundsatz angeordneten System der festen Pfandstelle («le eine Lösung entschieden, welche den sachenrechtlichen Grundsatz der Alterspriorität durchbricht.135 Im Einzelnen:

1569

1. Der Rang eines (rechtsgeschäftlich begründeten) Grundpfandrechts bestimmt sich nicht nach dem Errichtungsdatum, sondern – unter Vorbehalt bereits vorhandener Pfandrechte – nach dem Parteiwillen:136 bei vertraglicher Grundlage durch den Pfandvertrag, bei einseitiger Willenserklärung durch die Anmeldung an das Grundbuchamt.137 Sonderregeln gelten jedoch für den Rang gesetzlich begründeter Grundpfandrechte; so entsteht beispielsweise das Bauhandwerkerpfandrecht (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB) mit der Eintragung in das Grundbuch und erhält folglich seinen Rang nach Massgabe dieses Datums (Alterspriorität; vorne Nr. 77 und 1169), während die aus Art. 808 Abs. 3, Art. 810 Abs. 2 und Art. 819 Abs. 1 ZGB entstandenen Pfandrechte jeder eingetragenen Belastung vorgehen138 (hinten Nr. 1584).

Möglich ist sodann, mehrere Grundpfandrechte im gleichen Rang zu errichten (vgl. auch Art. 817 Abs. 2 ZGB).139 Sie werden als «Nebenpfandrechte» oder «Parallelpfandrechte»140 bezeichnet. 1570

2. Bei der Eintragung eines Grundpfandrechts kann ein bestimmter Betrag als Vorgang vorbehalten werden (Art. 813 Abs. 2 ZGB; Art. 117 GBV).141 So lässt sich namentlich ein Grundpfandrecht auch bei einem noch unbelasteten Grundstück auf den zweiten Rang setzen. Der erste Rang bleibt damit (vorerst) offen und kann später durch ein anderes (im Fall der Verwertung dannzumal vorgehendes) Pfandrecht belegt werden. Wirtschaftlich ist dies deshalb interessant, weil der Schuldner versuchen kann, im zweiten Rang ein Pfandrecht «ver-

133

134 135

136 137 138 139 140 141

Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5317 f.; Amtl.Bull. StR 2008, S. 414 f. (Votum JaniaK); Schmid, Neuerungen im Grundpfandrecht, S. 221 ff. (mit Hinweisen zum Übergangsrecht). BGE 121 III 432 ff. (435), E. 2b. Zu den Systemen, welche dem Gesetzgeber zur Verfügung stehen, vgl. leemann, BeKomm, N 2 ff. zu Art. 813/814 ZGB; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 112 N 59 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2749 ff. leemann, BeKomm, Vorbem. vor Art. 793 ZGB, N 19, ferner N 6 f. zu Art. 813/814 ZGB. SteinaueR, Band III, Nr. 2762. Im Einzelnen SteinaueR, Band III, Nr. 2759 ff. SteinaueR, Band III, Nr. 2768, mit Hinweis auf BGE 71 I 460 ff. Schmid -tSchiRRen, BaKomm, N 7 zu Art. 813 ZGB. BGE 116 II 580 ff. (582), E. 4a; SteinaueR, Band III, Nr. 2766 ff.

§ 29 Allgemeines

473

ständnisvoller» Gläubiger (etwa naher Verwandter) zu errichten, während im ersten Rang die Errichtung eines Pfandrechts für ein Bankdarlehen offen bleibt, das regelmässig zu einem tieferen Zinssatz verzinst werden muss.142 Ausserdem geht ein Grundpfandrecht, das später in die leere Pfandstelle gelegt worden ist, nach herrschender Auffassung allen Dienstbarkeiten und Grundlasten (sowie vorgemerkten persönlichen Rechten) vor, welche nach der Schaffung dieser Pfandstelle errichtet worden sind.143

3. Die Ränge der Grundpfandrechte bleiben grundsätzlich konstant – gleichgültig, ob neue Pfandrechte auf dem Grundstück errichtet oder bisherige Pfandrechte gelöscht werden. Auch beim Freiwerden eines vorangehenden Ranges besteht dem-

1571

(Art. 814 Abs. 1 ZGB); die Pfandstelle bleibt vielmehr frei und kann vom Grund144 det werden (Art. 814 Abs. 2 ZGB). sind Art. 814 Abs. 1 und 2 ZGB analog anwendbar: Die übrig gebliebenen Grundpfandgläubigerinnen des betreffenden Ranges können nicht verlangen, diesen Rang inskünftig allein einzunehmen; vielmehr darf der Grundeigentümer ohne Zustimmung der Grundpfandgläubigerinnen ein Pfandrecht im gleichen Rang und Betrag wie das gelöschte neu errichten.145

4. Besondere Abreden, die dieses System der festen Pfandstelle durchbrechen, sind jedoch möglich:

1572

– Die Errichtung eines Grundpfandrechts, das vorhandenen Pfandrechten vorgehen soll, ist zulässig (auch abgesehen vom Fall des vorbehaltenen Vorgangs, Art. 813 Abs. 2 ZGB). Sie setzt jedoch voraus, dass die Inhaberinnen der vorhandenen Pfandrechte ihre Zustimmung dazu erteilen,146 also eine sogenannte Rangrücktrittserklärung (auch: Nachgangserklärung; «le consentement à postposition») abgeben. Diese Rangrücktrittserklärung der Pfandgläubigerinnen ist formfrei gültig.147 Die Änderung der Rangordnung wirkt jedoch erst dinglich, wenn sie im Grund-

1573

142 143

144 145 146 147

SteinaueR leemann, BeKomm, N 14 zu Art. 813/814 ZGB. leemann, BeKomm, N 11, 19 und 38 zu Art. 813/814 ZGB; deSchenaux, SPR V/3, S. 618; liveR, ZüKomm, Einleitung Dienstbarkeiten (vor Art. 730 ZGB), N 45; h anS-PeteR FRiedRich, Der Rang (zitiert in Nr. 1592), S. 345; SteinaueR, Band III, Nr. 2766a; h anSJöRg PeteR, Le rang (zitiert in Nr. 1592), S. 400 f.; Schmid -tSchiRRen, BaKomm, N 4 und 18 zu Art. 813 ZGB sowie N 9 zu Art. 814 ZGB; m aRtin looSeR (zitiert in Nr. 1592), S. 451; a.M. thieRRy duboiS, du rang (zitiert in Nr. 1592), Nr. 95 ff. Vgl. auch BGE 116 II 580 ff. (582), E. 4a. BGE 71 I 460 ff. (462), E. 1. leemann, BeKomm, N 65 zu Art. 813/814 ZGB; vgl. auch BGE 126 III 309 ff. (312 f.), E. 2b. BGE 119 III 32 ff. (35 unten), E. 1c; 90 II 393 ff. (403), E. 5; liveR, ZüKomm, Einleitung Dienstbarkeiten (vor Art. 730 ZGB), N 46; ausführlich thieRRy duboiS, Nr. 1592), Nr. 207 ff.

1573a

474

Die Grundpfandrechte

buch eingetragen ist; zur Anmeldung bedarf es der Erklärung in einfacher Schriftform148 oder eines gerichtlichen Urteils.149 – Ebenso kann für den Fall des Freiwerdens einer vorgehenden Pfandstelle ein Nachrückungsrecht -

1574

vor, denn die Pfandgläubigerin hat daran ein erhebliches Interesse: Ihr Nachrücken erhöht die Pfandsicherheit, weil der Höchstbetrag der vorgehenden Pfandrechte (Pfandvorgang) abnimmt.150 Solche Nachrückungsvereinbarungen müssen öffentlich beurkundet sein (Art. 78 Abs. 1 lit. g GBV)151 und haben gemäss Art. 814 Abs. 3 ZGB nur dann dingliche Wirkung, wenn sie im Grundbuch vorgemerkt sind (vgl. auch Art. 101 Abs. 3 und Art. 123 Abs. 3 lit. c GBV). Das ist wie folgt zu verdeutlichen:

1575

• Ein (öffentlich beurkundetes) Nachrückungsrecht stellt für sich allein eine Forderung der Pfandgläubigerin dar. Die Forderung richtet sich darauf, dass der Grundeigentümer im Fall des Freiwerdens einer Pfandstelle diese nicht durch ein Pfandrecht eines Dritten belegt, sondern das Pfandrecht der nachrückungsberechtigten Gläubigerin auf diese Stelle (vor-)verlegt, diese Gläubigerin also «nachrücken» lässt.152 Zur Bewerkstelligung des Nachrückens im Grundbuch muss der Grundeigentümer eine entsprechende Erklärung an das Grundbuchamt abgeben; verweigert der Eigentümer die geschuldete Anmeldung, steht der berechtigten Pfandgläubigerin eine Klage in Analogie zu Art. 665 ZGB zu.153

1576

1577

Nachrückungsrecht nur die Pfandgläubigerin und den Schuldner (Eigentümer). Der genaue Inhalt des Rechts ergibt sich aus der Vereinbarung der Parteien;154 im Zweifel ist anzunehmen, das Nachrückungsrecht beziehe sich auf alle frei werdenden Pfandstellen.155 • Die «dingliche Wirkung» («effet réel»), die nach Art. 814 Abs. 3 ZGB erst mit der Vormerkung des Nachrückungsrechts im Grundbuch entsteht, besteht in

1578

148

149

150 151 152 153

154 155

BGE 110 II 37 ff. (41), E. 4a; BGer 7B.238/2005, E. 2.4 = ZBGR 87/2006, S. 347 ff.; SteinaueR, Band II, Nr. 2162 f.; deRSelbe, Band III, Nr. 2764; h anS-PeteR FRiedRich, Der Rang (zitiert in Nr. 1592), S. 354; thieRRy duboiS, Art. 122 Abs. 1 GBV sowie leemann, BeKomm, N 17 zu Art. 812 ZGB und N 71 f. zu Art. 813/814 ZGB. Zum Sonderfall des Rangabtausches vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 2765 f.; leemann, BeKomm, N 66 zu Art. 813/814 ZGB; thieRRy duboiS, BGE 71 I 460 ff. (463), E. 2a. SteinaueR, Band III, Nr. 2770. Vgl. auch leemann, BeKomm, N 42 zu Art. 813/814 ZGB. SteinaueR, Band III, Nr. 2774; deSchenaux, SPR V/3, S. 660 f.; hombeRgeR, ZüKomm, N 54 zu Art. 959 ZGB; leemann, BeKomm, N 55 zu Art. 813/814 ZGB. leemann, BeKomm, N 42 ff. zu Art. 813/814 ZGB. SteinaueR, Band III, Nr. 2771 f.; leicht abweichend hombeRgeR, ZüKomm, N 48 zu Art. 959 ZGB. Nebenpfandrechts kein neues errichtet wird (sogenanntes «Nachrücken in den Nebenrang»), vgl. BGE 71 I 460 ff.

§ 29 Allgemeines

475

einem Doppelten156 (zur Vormerkung im Allgemeinen vgl. vorne Nr. 468 ff.): Einerseits wirkt das Nachrückungsrecht der Pfandgläubigerin auch gegenüber einem Dritten, dessen Pfandrecht vom Eigentümer – in Verletzung der Nachrückungsabrede – auf der freien Stelle errichtet worden ist; die nachrückungsberechtigte Pfandgläubigerin kann auf Berichtigung des Grundbuchs (Eintragung ihres Pfandrechts im betreffenden Rang) klagen (vgl. auch Art. 959 Abs. 2 ZGB).157 Andererseits gilt das Nachrückungsrecht auch gegenüber jedem Erwerber des belasteten Grundstücks. 5. Im Fall der Pfandverwertung wird der Erlös auf die Grundpfandgläubigerinnen nach ihrem Rang verteilt (Art. 817 Abs. 1 ZGB):158 Solange die Gläubigerinnen eines vorgehenden Ranges durch den Verwertungserlös nicht gedeckt sind, erhalten die Gläubigerinnen eines nachgehenden Ranges nichts.159 Gläubigerinnen, die im gleichen Rang stehen, haben untereinander Anspruch auf gleichmässige Befriedigung (Art. 817 Abs. 2 ZGB); reicht also der für diese Gläubigerinnen bestimmte Betrag nicht zur vollen Deckung, so erhält jede einen zur Höhe ihrer Forderung proportionalen Anteil.160

1579

Leere Pfandstellen (vorne Nr. 1570) bleiben bei der Pfandverwertung nach Massgabe von Art. 815 ZGB ausser Betracht; der Verwertungserlös wird «ohne Rücksicht auf die leeren Pfandstellen den wirklichen Pfandgläubigern zugewiesen» (vgl. auch Art. 35 Abs. 1 VZG).161

B.

Nebenwirkungen

Neben die Hauptwirkungen tritt eine ganze Reihe von Nebenwirkungen. Erwähnt seien hier nur die folgenden:

1580

1. Die Art. 808 ff. ZGB sehen verschiedene Sicherungsbefugnisse («Sûretés») der Grundpfandgläubigerin bei Wertverminderungen des Grundstücks vor.162 Das Gesetz unterscheidet, ob die Wertverminderung mit oder ohne Verschulden des Eigentümers eintritt (Randtitel zu Art. 808–810 ZGB). Drei Punkte seien herausgegriffen:

1581

– Vermindert der Eigentümer schuldhaft den Wert des Pfandgrundstücks, steht der Pfandgläubigerin eine Unterlassungsklage zu (Art. 808 Abs. 1 ZGB). Die Gläubigerin darf auch die nötigen Schutzvorkehren treffen, grundsätzlich nur mit gerichtlicher Ermächtigung, bei Gefahr im Verzug auch durch Selbsthilfe (Art. 808 Abs. 2 ZGB).

1582

– Ist eine Wertverminderung eingetreten, bietet das verpfändete Grundstück der Gläubigerin weniger Sicherheit. Für die Möglichkeit, Sicherung der Ansprüche zu verlangen, ist zu unterscheiden: Trifft den Grundstückeigentümer ein Ver-

1583

156

157 158 159 160 161 162

SteinaueR, Band III, Nr. 2773 ff.; vgl. auch deSchenaux, SPR V/3, S. 660 f.; leemann, BeKomm, N 50 zu Art. 813/814 ZGB. hombeRgeR, ZüKomm, N 52 zu Art. 959 ZGB. BGE 119 III 32 ff. BGE 119 III 32 ff. (35), E. 1a; SteinaueR, Band III, Nr. 2792. BGE 119 III 32 ff. (35), E. 1a; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 112 N 18. BGE 129 III 246 ff. (249), E. 3.2. Ausführlich SteinaueR, Band III, Nr. 2735 ff.

476

Die Grundpfandrechte

schulden, so kann die Pfandgläubigerin Sicherung und Wiederherstellung des früheren Zustands verlangen (Art. 809 Abs. 1 ZGB). Trifft den Eigentümer kein Verschulden (ist etwa die Wertverminderung durch Naturkatastrophen verursacht), so hat die Pfandgläubigerin «nur insoweit ein Recht auf Sicherstellung oder Abzahlung, als der Eigentümer für den Schaden gedeckt wird» (Art. 810 Abs. 1 ZGB). – Die Pfandgläubigerin hat unter gewissen Voraussetzungen hinsichtlich ihrer Auslagen für Schutzvorkehren ein (unmittelbares) gesetzliches Pfandrecht, «das jeder eingetragenen Belastung vorgeht» (Art. 808 Abs. 3 und Art. 810 Abs. 2 ZGB).

1584

Ob die Pfandgläubigerin für ihre Aufwendungen auch eine persönliche Ersatzforderung gegen den Eigentümer hat, hängt davon ab, ob ihn an der Wertverminderung ein Verschulden trifft Eigentümers»]). 1584a

Seit dem 1. Januar 2012 enthalten die Art. 808 Abs. 3 und 4 sowie Art. 810 Abs. 2 und 3 ZGB Vorschriften zum Schutz des gutgläubigen Dritten, falls das (ausserbuchlich entstandene) Pfandrecht mehr als 1000 Franken beträgt und nicht innert vier Monaten nach Abschluss der Schutzvorkehren in das Grundbuch eingetragen worden ist.163 Damit wird gleichzeitig die Publizitätswirkung des Grundbuchs hinsichtlich der gesetzlichen Pfandrechte verbessert.164

1585

2. Gemäss Art. 807 ZGB unterliegen Forderungen, für die ein Grundpfandrecht eingetragen ist, keiner Verjährung. Das gilt indessen nur, wenn das Grundpfandrecht im Grundbuch eingetragen ist;165 die Existenz eines nicht eingetragenen unmittelbaren gesetzlichen Grund166 Zur Unterbrechung der Verjährung durch Pfandbestellung vgl. auch Art. 135 Ziff. 1 OR. Anders als in Art. 807 ZGB ist die Verjährungsfrage in Art. 140 OR für das Fahrnispfand geregelt (hinten Nr. 1911).167

1586

3. Eine fällig gewordene Versicherungssumme darf nur mit Zustimmung aller Grundpfandgläubigerinnen an den Eigentümer des versicherten Grundstücks ausbezahlt werden (Art. 822 Abs. 1 ZGB; vgl. auch Art. 57 VVG).

4. 1587

Einzelfragen

Das Gesetz regelt in den Art. 793–823 ZGB verschiedene, bis anhin nicht behandelte Einzelfragen. Folgende seien herausgegriffen:

163

164 165 166 167

Zur Entstehungsgeschichte vgl. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5316 (der bundesrätliche Entwurf hatte eine Sechsmonatsfrist vorgesehen); Amtl.Bull. StR 2008, S. 414 (Votum JaniaK); Amtl. Bull. NR 2009, S. 621 f.; Schmid, Neuerungen im Grundpfandrecht, S. 221 ff. (mit Hinweisen zum Übergangsrecht); SteinaueR, Band III, Nr. 2740a und 2746a. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5316. Französischer Text: «L’inscription d’un gage immobilier rend la créance imprescriptible.» SteinaueR, Band III, Nr. 2715a; leemann, BeKomm, N 7 zu Art. 807 ZGB. Zu den Gründen für eine unterschiedliche Regelung bei Grund- und Fahrnispfand vgl. eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 252 f.; vgl. ferner dal molin-K Ränzlin, Nr. 352 ff.

§ 29 Allgemeines

477

1. Obwohl das Grundpfandrecht das gesamte Grundstück belastet (Art. 805 f. ZGB), muss die Pfandgläubigerin die Abtrennung kleinerer Stücke von diesem Grundstück («Aliénation de petites parcelles») unter den Voraussetzungen von Art. 811 ZGB dulden.

1588

Die Bestimmung – im Gesetz unter den «Sicherungsbefugnissen» eingeordnet – ermöglicht es namentlich, das für die Abtrennung kleiner Parzellen schwerfällige Verfahren nach Art. 833 ZGB (sowie Art. 155 GBV) zu vermeiden.168

Verweigert die Gläubigerin trotz erfüllter Voraussetzungen die Einwilligung zur Pfandentlassung, steht dem Eigentümer eine darauf abzielende Klage zu; das rechtskräftige gerichtliche Urteil ersetzt die fehlende Einwilligung.169 2. Ein Verzicht des Eigentümers auf das Recht, weitere Lasten auf das verpfändete Grundstück zu legen («Constitution ultérieure de droits réels»), ist nach Art. 812 Abs. 1 ZGB unverbindlich. Die Bestimmung (Art. 812 Abs. 2 und 3 ZGB) regelt das Rangverhältnis – entsprechend dem Grundsatz der Alterspriorität (vgl. ausführlich vorne Nr. 1173 ff.).

1588a

1589

Art. 812 ZGB bezieht sich jedoch nur auf die Belastung mit Dienstbarkeiten, Grundlasten und im Grundbuch vorgemerkten persönlichen Rechten, die einer Pfandbelastung nachfolgt. Für das Verhältnis zwischen mehreren Grundpfandrechten sind die Art. 813 ff. ZGB massgebend.

3. Die Art. 820 f. ZGB enthalten Sonderregeln für Bodenverbesserungen.170

1590

4. Art. 823 ZGB sieht seit 1. Januar 2012 im Fall des

1591

das Gericht die erforderlichen Massnahmen anordnet.171 Das Gericht kann namentlich einen Vertreter ernennen oder eine erforderliche Zustimmung (zu einer Rangänderung oder einer Pfandentlassung) selber erteilen.172 Art. 962a Ziff. 3 ZGB schafft dazu einen neuen grundbuchlichen Anmerkungstatbestand.

5. Hinzuweisen bleibt schliesslich darauf, dass die Sicherung einer Forderung durch ein Grundpfandrecht zum Ausschluss der Schutzbestimmungen des Konsumkreditrechts führt: Auf Kreditverträge oder Kreditversprechen, die direkt oder indirekt grundpfandgesichert sind, ist das Konsumkreditgesetz nicht anwendbar (Art. 7 Abs. 1 lit. a KKG).

V.

Weiterführende Literatur

– aebi viviane, Poursuite en réalisation de gage et procédure de mainlevée, JdT 2012 II, S. 24 ff. – amonn KuRt, Ausgewählte Probleme der Zwangsverwertung von Grundstücken, BlSchK 49/1985, S. 1 ff. und 41 ff.

168 169 170 171 172

1591a

SteinaueR, Band III, Nr. 2746b. leemann, BeKomm, N 13 zu Art. 811 ZGB. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 112 N 57 f.; SteinaueR, Band III, Nr. 2800 ff. Zum früheren Recht vgl. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 112 N 73 f.; SteinaueR, Band III, Nr. 2801 f. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5318.

1592

478

Die Grundpfandrechte

– betSchaRt FRanziSKa maRtha, Der Grundpfandvertrag und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, Luzerner Diss., Zürich 2011 (LBR Band 58). – dal molin-K Ränzlin alexandRa, Die Verknüpfung zwischen gesicherter Forderung und grundpfandbezogenen Sicherungsrechten – Eine Untersuchung zur Akzessorietät und zum Akzessorietätsersatz bei Immobiliarsicherheiten, Luzerner Diss., Zürich 2016 (LBR Band 110). – deillon-Schegg bettina, Übergang des Grundeigentums und Untergang von Grundpfandrechten infolge Zwangsversteigerung, ZBGR 81/2000, S. 89 ff. – duboiS thieRRy, convention de postposition, Lausanner Diss., Zürich 2003 (zitiert: duboiS, La modi– deRSelbe, 91/2010, S. 201 ff. (zitiert: duboiS, Le rang). düRR, ZGB. – FRiedRich hanS-PeteR, Der Rang der Grundstücksrechte, ZBGR 58/1977, S. 321 ff. – hohl Fabienne, Les accessoires et les droits de gage immobiliers, Diss. Freiburg 1986 (AISUF Band 72). – iSleR PeteR, Der Umfang der Pfandhaft im Grundpfandrecht, ZBGR 63/1982, S. 193 ff. – lötScheR maRKuS, Das Grundstück als Gegenstand von Grundpfandrechten, Diss. Freiburg 1988 (AISUF Band 86). – looSeR maRtin, Beschränkte dingliche Rechte in der Zwangsvollstreckung, AJP 2004, S. 445 ff. – möcKli uRS PeteR, Das Eigentümerpfandrecht, Diss. Bern 2001. – moSeR Robin, Die Behandlung von nachrangigen Grundpfandrechten in der Zwangsverwertung aufgrund von Betreibung auf Pfandverwertung, AJP 2011, S. 1 ff. – mühl doRothee/PeteReit WolFgang, in: Hadding Walther und Schneider Uwe H. (Hrsg.), Recht der Kreditsicherheiten in europäischen Ländern, Teil V: Schweiz, Berlin 1983, S. 239 ff. – PeteR hanSJöRg, Le rang des droits réels et la réalisation des immeubles, ZBGR 78/1997, S. 377 ff. – PFäFFli Roland, Theorie und Praxis zum Grundpfandrecht, recht 1994, S. 263 ff. Schmid JöRg, Neuerungen im Grundpfandrecht, S. 205 ff. (zitiert: Schmid, Neuerungen im Grundpfandrecht). Schmid JüRg, Neuerungen bei den Grundpfandrechten, in: Wolf Stephan (Hrsg.), Revision des Immobiliarsachenrechts, Bern 2011, S. 39 ff. (zitiert: JüRg Schmid, Neuerungen bei den Grundpfandrechten). – Schmid-tSchiRRen chRiStina, Perspektiven des sachenrechtlichen Spezialitätsprinzips: insbesondere zur Bedeutung dieses Prinzips bei Pfandrechten, ZBGR 97/2016, S. 1 ff. – Schulin heRmann, Zur Entwicklung des Grundpfandrechts in der Schweiz, Diss. Zürich 1979. – Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung, Der Registerschuldbrief im Rechtsvergleich, Etudes Suisses de Droit Comparé Nr. 10, Lausanne 2007.

§ 29 Allgemeines

479

– SteinaueR Paul-henRi, A propos de la constitution des cédules hypothécaires, ZBGR 78/1997, S. 289 ff. – Wiegand WolFgang, Die Grundpfandrechte – Die Konzeption des ZGB und ihre Entwicklung in der Praxis, in: Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Theorie und Praxis der Grundpfandrechte, Berner Bankrechtstag 1996, Bern 1996, S. 63 ff. – Wiegand WolFgang/bRunneR chRiStoPh, Vorschläge zur Ausgestaltung des Schuldbriefes als papierloses Registerpfand, Basel 2003 (ZSR-Beiheft 39).

VI. Fälle 1. BGE 95 I 568 ff. Miteigentum an einem Grundstück; Verpfändung der Miteigentumsanteile und der im Miteigentum stehenden Sache selber. 2. BGE 142 III 720 ff. Errichtung eines Grundpfandrechts zu Lasten eines Grundstücks, auf dem sich Zustimmung des Ehemannes erforderlich? 3. BGE 122 III 432 ff. Untergang des Grundpfandrechts bei der Zwangsverwertung des Grundstücks, auch wenn die gesicherte Forderung ganz oder teilweise ungedeckt geblieben ist (vgl. auch BGE 121 III 432 ff.; 125 III 252 ff.). 4. BGE 97 III 49 ff. dispositive Natur von Art. 41 Abs. 1 SchKG.

1593

480

Die Grundpfandrechte

§ 30 Die Grundpfandverschreibung 1594

Einführende Literatur: – R iemeR, S. 127 ff. – SteinaueR, Band III, Nr. 2803 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 113.

1595

Die Grundpfandverschreibung, auch als «Hypothek» bezeichnet («l’hypothèque»), ist in Art. 824–841 ZGB geregelt. Stets im Auge zu behalten bleiben jedoch auch die «Allgemeinen Bestimmungen» von Art. 793–823 ZGB (vorne Nr. 1502 ff.). Die folgende Darstellung knüpft zunächst an den Entstehungsgrund an und unterscheidet demgemäss (I.) die vertragliche und (II.) die gesetzliche Grundpfandverschreibung. Dann wird (III.) auf das Bauhandwerkerpfandrecht eingegangen – ein praktisch sehr wichtiges Anwendungsbeispiel einer (mittelbaren) gesetzlichen Grundpfandverschreibung.

1596

I.

Die vertragliche Grundpfandverschreibung

1.

Kennzeichen

Wesentliche Kennzeichen der Grundpfandverschreibung lassen sich aus Art. 824 ZGB gewinnen, der sich mit «Zweck und Gestalt» (Randtitel; «but et nature») der Hypothek befasst. Danach erweist sich die Grundpfandverschreibung als Mittel zur Sicherung einer beliebigen Forderung (nachfolgend A.), und Drittpfandverhältnisse sind möglich (B.). Im Einzelnen:

A.

Die zu sichernde Forderung im Allgemeinen

1597

Nach Art. 824 Abs. 1 ZGB kann durch die Grundpfandverschreibung «eine beliebige, gegenwärtige oder zukünftige oder bloss mögliche Forderung pfandrechtlich sichergestellt werden».1 Beizufügen ist Folgendes:

1598

1. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers stellt die Grundpfandverschreibung jenes Grundpfandrecht dar, das einen reinen Sicherungszweck verfolgt («Sicherungspfandrecht»). Zu einer Mobilisierung des Bodenwerts kommt es (grundsätzlich) nicht.2

1599

– Über die errichtete Grundpfandverschreibung kann zwar ein Grundbuchauszug ausgestellt oder ein Vermerk auf der Vertragsurkunde angebracht werden; diese Vorkehren haben jedoch nur die Wirkung eines Beweismittels, nicht hingegen eines Wertpapiers (Art. 825 Abs. 2 und 3 ZGB; Art. 149 i.V.m. 144 GBV).

1

2

Französisch: «L’hypothèque peut être constituée pour sûreté d’une créance quelconque, actuelle, future ou simplement éventuelle.» leemann, BeKomm, N 2 zu Art. 824 ZGB.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

481

Zum Sonderfall der sogenannten Obligation mit Grundpfandverschreibung vgl. hinten Nr. 1641 ff.

– Der Grundbucheintrag schafft nach Art. 937 Abs. 1 ZGB nur (aber immerhin) eine Vermutung für den Bestand des Pfandrechts, nicht aber den Nachweis der gesicherten Forderung.3 Bezüglich der Forderung besteht auch kein Gutglaubensschutz im Sinn von Art. 973 Abs. 1 ZGB4 (zur Akzessorietät vgl. hinten Nr. 1602 ff.).

1600

Art. 813 Abs. 3 des bundesrätlichen Entwurfs von 19045 lautete: «Der Bestand der Forderung wird durch den Eintrag nicht erwiesen.» Obwohl nicht formell Gesetz geworden, trifft diese Aussage nach einhelliger Auffassung noch immer zu.6

2. Gesichert werden kann eine beliebige Forderung, namentlich auch eine bloss (künftig) mögliche Forderung oder eine solche mit unbestimmtem oder wechselndem Betrag (Art. 825 Abs. 1 ZGB). In Betracht kommen sowohl eine Kapital- als auch eine Maximalhypothek (Art. 794 Abs. 1 und 2 ZGB; vorne Nr. 1506 f.).

1601

Wird eine Grundpfandverschreibung zur Sicherung einer (künftig) möglichen, beispielsweise einer aufschiebend bedingten Forderung eingetragen, so hat das Pfandrecht einstweilen eine rein formelle Existenz (Buchexistenz); materielle Wirkung (Sicherungswirkung) bekommt es erst, wenn die Forderung tatsächlich entsteht.7 Art. 825 Abs. 1 ZGB («… behält ungeachtet aller Schwankungen ihren Rang nach dem Eintrag») stellt indessen klar, dass das System der festen Pfandstelle auch bei Grundpfandverschreibungen gilt, welche eine unbestimmte, bedingte oder betraglich wechselnde Forderung sichern.

3.

1602

«akzessorisch» bezeichnet. Damit ist gemeint, dass das Pfandrecht grundsätzlich der gesicherten Forderung folgt und in mehrfacher Hinsicht von ihr abhängig ist: 8

3

4 5 6 7

8

9 10

– Im Fall der Abtretung der gesicherten Forderung stellt die Grundpfandverschreibung ein Nebenrecht dar, das auf den Zessionar übergeht (Art. 170 Abs. 1 OR; hinten Nr. 1614 ff.). Diese Rechtslage wird bisweilen als «Übertragungsakzessorietät» bezeichnet.9

1603

– Geht die gesicherte Forderung unter, so erlöschen grundsätzlich auch die Pfandrechte, die zur Sicherung dieser Forderung dienen (Art. 114 Abs. 1 OR).10 Der Forderungsuntergang bewirkt, dass der Eigentümer des belasteten Grundstücks von der ehemaligen Gläubigerin die Zustimmung zur Löschung des Grundbuch-

1604

eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 269; leemann, BeKomm, N 5 zu Art. 824 ZGB; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 113 N 12; SteinaueR , Band III, Nr. 2807. BGE 88 II 422 ff. (425), E. 2a; leemann, BeKomm, N 3 zu Art. 824 ZGB. Botschaft zum ZGB (1904), BBl 1904 IV, S. 322. Vgl. auch eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 269. leemann, BeKomm, N 23 zu Art. 824 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2806; dal molin-K Ränzlin, Nr. 241 ff. Zum Beispiel BGE 88 II 422 ff. (425), E. 2a; R iemeR, S. 129; SteinaueR, Band III, Nr. 2808; düRR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 793 ZGB), N 230; ausführlich und differenzierend dal molinK Ränzlin, Nr. 111 ff., 137 ff. und passim. Wiegand, S. 81; dal molin-K Ränzlin, Nr. 127 und 446 ff. BGE 120 III 18 ff. (20), E. 4; LGVE 1995 I Nr. 18, S. 31 ff. (32 f.), E. b (Luzerner Obergericht).

482

Die Grundpfandrechte

eintrags verlangen kann (Art. 826 ZGB; Nr. 1544). In diesem Zusammenhang ist bisweilen von «Untergangsakzessorietät» die Rede.11 1604a

Die Untergangsakzessorietät hat freilich dort Grenzen, wo es um die hypothekarische Sicherstellung zukünftiger oder bloss möglicher Forderungen (Art. 824 Abs. 1 ZGB) oder solcher von unbestimmtem oder wechselndem Betrag geht (Art. 825 Abs. 1 ZGB). Aus diesen Bestimmungen folgert das Bundesgericht, «dass die Grundpfandverschreibung nicht in allen Fällen vom Bestehen einer bestimmten Forderung abhängig ist. Wird im Rahmen eines dem Umfang nach wechselnden Kreditverhältnisses (Baukredit, Kontokorrentkredit) der Kredit abbezahlt, so geht das Pfandrecht daher nicht ohne weiteres unter. Vielmehr kann es im gleichen Rahmen zur Sicherstellung eines neuen Kredites verwendet werden, ohne dass eine Pfandrechtserneuerung erfolgen müsste»12 (hinten Nr. 1637 ff.).

1604b

Die (Untergangs-)Akzessorietät hat Vor- und Nachteile: Für den Schuldner bedeutet sie, dass er sich auf die (ganze oder teilweise) Tilgung der pfandgesiDamit wird der Schuldner, der die pfandgesicherte Schuld ganz oder teilweise abbezahlt hat, vor einer erneuten Inanspruchnahme durch einen Dritten geschützt, selbst dann, wenn dieser Dritte gutgläubig ist13 (vgl. Nr. 1820c zur abweichenden Rechtslage beim Schuldbrief). Doch kann ein solches Grundpfandrecht nach Tilgung der gesicherten Schuld grundsätzlich nicht wieder verwendet werden; es muss vielmehr neu errichtet werden, was erhebliche Kosten (Beurkundungs- und Grundbuchgebühren) verursacht.14 In rechtsvergleichender Hinsicht ist festzuhalten, dass die Mehrheit der europäischen Rechts-

1604c

Ausnahmen gelten neben der Schweiz (Schuldbrief) etwa in Österreich (§ 469 ABGB) und in Deutschland (§§ 1191 ff. BGB: Grundschuld). Doch hat der deutsche Gesetzgeber zur Grundschuld im Jahr 2008 einen neuen § 1192 Abs. 1a BGB geschaffen;16 nach dieser Bestimmung können dann, wenn die Grundschuld zur Sicherung eines Anspruchs verschafft worden ist (Sicherungsgrundschuld), «Einreden, die dem Eigentümer auf Grund des Sicherungsvertrags mit dem bisherigen Gläubiger gegen die Grundschuld zustehen oder sich aus dem Sicherungsvertrag ergeben, auch jedem 15

11

12

13 14

15

16

Wiegand, S. 81; dal molin-K Ränzlin, Nr. 130 und 299 ff. – Beispiel: BGer 5A_527/2012, E. 2.2.2 (Erlöschen der gesicherten Handwerkerforderung bewirkt den Untergang des Bauhandwerkerpfandrechts). BGE 108 II 47 ff. (48), E. 2; ähnlich BGer vom 15. Mai 1998, in ZBGR 81/2000, S. 316 ff. (319), E. 3b; BGE 142 III 746 ff. (754), E. 2.2.2; vgl. auch Wiegand, S. 84 f.; dal molin-K Ränzlin, Nr. 325 f. dal molin-K Ränzlin, Nr. 143; rechtsvergleichend caRoline S. RuPP (zitiert in Nr. 1651), S. 563 ff. Vertiefend dal molin-K Ränzlin, Nr. 145 ff., die als Vorteile nicht-akzessorischer Sicherungsrechte caRoline S. RuPP (zitiert in Nr. 1651), S. 564 ff. chRiStian von baR /ulRich dRobnig (zitiert in Nr. 1651), S. 354 ff.; m athiaS h abeRSacK, Die Grundpfandrechts, dt. JZ 52/1997, S. 857 ff.; Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung, Der Registerschuldbrief im Rechtsvergleich, Etudes Suisses de Droit Comparé Nr. 10, Lausanne 2007, S. 2 ff. und 7 ff.; düRR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 793 ZGB), N 460 ff.; caRoline S. RuPP (zitiert in Nr. 1651), S. 508 ff. Vgl. auch die Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5299, nach welcher ein akzessorisches Grundpfandrecht in Europa im Hinblick auf eine mögliche Harmonisierung grössere Chancen auf Akzeptanz hat als ein nicht akzessorisches. Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) vom 12. August 2008, in Kraft seit 19. August 2008, Bundesgesetzblatt I 2008, S. 1666 ff. (1670).

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

483 -

dung. …».17

4. In der Praxis eignet sich die Grundpfandverschreibung besonders zur Sicherung eines Bau- oder Hauskaufkredits, eines Kontokorrentkredits, einer Konventionalstrafe oder einer Rückgriffsforderung aus privat- oder öffentlich-rechtlicher Verantwortlichkeit.18

1605

Im Übrigen wurde die Grundpfandverschreibung als praktisch ausschliessliches vertragliches 201219 Mit Wirkung auf das genannte Datum sind solche kantonale Legiferierungskompetenzen durch das BG vom 11. Dezember 2009 gestrichen worden.20

B.

Die Sicherung einer fremden Schuld insbesondere (Drittpfandverhältnisse)

Nach Art. 824 Abs. 2 ZGB braucht das verpfändete Grundstück nicht im Eigentum des Schuldners zu stehen. Sogenannte Drittpfandverhältnisse 21 derfallen von Schuldnerschaft und Eigentum an der Pfandsache, die zur Sicherung der

1606

Gleiches gilt gemäss Art. 844 ZGB auch für den Schuldbrief.

Drittpfandverhältnisse werfen zahlreiche Rechtsfragen auf.22 Hier seien nur einzelne Punkte herausgegriffen: 1. Aus dem Drittpfandverhältnis allein besteht tümers, die Forderung des Schuldners zu bezahlen; hierzu ist und bleibt einzig ckung in das Grundstück – also die Befriedigung der Gläubigerin aus dem Verwertungserlös des Grundstücks – dulden, wenn der Schuldner die Gläubigerin nicht befriedigt (Art. 816 Abs. 1 ZGB).23 Will der Pfandeigentümer diese Zwangsvollstreckung abwenden, ist er daher «faktisch» zur Zahlung gezwungen.

17

18

Vgl. dazu an Stelle vieler a ndRé m eyeR, Einwendungen und Einreden des Grundstückseigentümers gegen den Grundschuldgläubiger nach neuem Recht, Jura 31/2009, S. 561 ff.; PhiliPP R edeKeR, Renaissance der Hypothek durch Abschaffung des gutgläubigen Erwerbs bei der Grundschuld?, ZIP 30/2009, S. 208 ff.; R alPh-Roman bachneR, Notarrelevante Änderungen durch das Risikobegrentung, DNotZ 2008, S. 644 ff.; caRoline S. RuPP (zitiert in Nr. 1651), S. 195 ff. Vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 2805; m aRKuS F. vollenWeideR (zitiert in Nr. 1851), S. 31 f., 51 f. und 120.

19 20

21 22

23

Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5295 (Aufhebung von aArt. 843 und 844 Abs. 2 ZGB) und 5340 (Aufhebung von aArt. 32 SchlT ZGB). Zum Beispiel BGE 140 III 36 ff. (40), E. 4. Im Einzelnen SteinaueR, Band III, Nr. 2815 ff.; SimoniuS/SutteR, Band II, S. 200 ff.; PaScal Simo niuS, Das Drittpfand neben anderen Pfändern (zitiert in Nr. 1651), S. 113 ff.; deRSelbe , Probleme des Drittpfandes (zitiert in Nr. 1651), S. 359 ff.; vgl. aus der fahrnispfandrechtlichen Literatur ferner oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 385 ff. zu Art. 884 ZGB; zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 921 ff. zu Art. 884 ZGB. leemann, BeKomm, N 2 zu Art. 827 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2815.

1607

484

Die Grundpfandrechte

1608

2. Um die Gefahr der Verwertung einer eigenen Sache abzuwenden, gewährt Art. 827 Abs. 1 ZGB dem Drittpfandeigentümer (also dem Pfandeigentümer, der nicht Schuldner ist) die Befugnis, das Pfandrecht unter den gleichen Voraussetzungen abzulösen, unter denen der Schuldner zur Tilgung der Forderung berechtigt ist.

1609

3. Befriedigt der Drittpfandeigentümer die Gläubigerin, so geht die Forderung von Gesetzes wegen (Subrogation) auf ihn über (Art. 827 Abs. 2 ZGB; Art. 110 Ziff. 1 OR).24 vollstreckungsverfahren verwertet wird.25 Trotz Ablösungsrecht und Subrogation verbleibt jedoch dem Drittpfandeigentümer, der die Forderung der Gläubigerin getilgt hat, nach wie vor das Insolvenzrisiko des Schuldners. Zum Doppelzahlungsrisiko des Bauherrn im Fall des Bauhandwerkerpfandrechts der Subunternehmer vgl. insbesondere hinten Nr. 1715 ff.

1610

4. Überdies sind für Drittpfandverhältnisse folgende Vorschriften zu beachten: – die durch kantonales Recht mögliche einseitige Ablösungsbefugnis (Art. 828 ff. ZGB); – die Sondervorschriften über die Kündigung der Forderung (Art. 831 ZGB);26 – die Regel von Art. 844 Abs. 2 ZGB, die auch für die Grundpfandverschreibung gilt.27 Demnach stehen die Einreden des Schuldners auch dem Pfandeigentümer zu.28 – die Sondervorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts (insbesondere des SchKG und der VZG).29 So hat zum Beispiel die auf Pfandverwertung betreibende Gläubigerin im Betreibungsbegehren auch den Namen des Drittpfandeigentümers anzugeben (Art. 151 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 67 Abs. 2 SchKG), und das Betreibungsamt muss diesem ebenfalls einen Zahlungsbefehl zustellen (Art. 153 Abs. 2 lit. a SchKG; Art. 88 f. [und 100 Abs. 1] VZG).30 Der Drittpfandeigentümer 31 Unter den Voraussetzungen von Art. 90 VZG darf die betreibende Pfandgläubigerin verlangen, dass das Betreibungsamt eine Verfügungsbeschränkung nach Art. 960 ZGB zur Vormerkung im Grundbuch anmeldet; ohne ein solches Begehren meldet das Betreibungsamt diese Vormerkung von Amtes wegen (erst) an, nachdem das Verwertungsbegehren gestellt ist (Art. 97 Abs. 1 VZG).32

24

25 26 27

28 29

30 31

32

zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 967 ff. zu Art. 884 ZGB, u.a. mit Hinweis auf BGer vom 5. Juli 1976, in ZBGR 57/1976, S. 244 ff. (247 f.); ferner BGer 4C.15/2004, E. 5.1; 4A_70/2013, E. 2.3 = ZBGR 96/2015, S. 277 ff.; BGer 5A_549/2014, E. 2.3.1. BGE 95 III 47 ff. (55), E. 5; 108 II 188 ff. (189 f.), E. 1b mit Hinweisen. BGer 4A_513/2010, E. 6.3. SteinaueR leemann, BeKomm, N 12 zu Art. 816 ZGB; SimoniuS/SutteR, Band II, S. 200. Im Einzelnen zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 983 f. zu Art. 884 ZGB. Vgl. FRitzSche/WaldeR, Band I, S. 479 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2809; clauS SchellenbeRg, Die Rechtsstellung des Dritteigentümers in der Betreibung auf Pfandverwertung, Diss. Zürich 1968, S. 50 ff. und 84 ff.; vgl. auch zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 626 ff. Vgl. auch BGE 42 III 1 ff. (3 ff.); 121 III 28 ff. (30), E. 2b; 127 III 115 ff. (116), E. 3. FRitzSche/WaldeR, Band I, S. 480 f.; SchellenbeRg, a.a.O., S. 100 ff.; aus der Rechtsprechung grundlegend: BGE 38 I 648 ff. (650 ff.), E. 2. SchellenbeRg, a.a.O., S. 120 f. und 140; vgl. dazu auch Art. 88 Abs. 2 sowie Art. 100 Abs. 2 VZG; BGE 78 III 3 ff. (5 ff.), E. 3.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

2.

485

Entstehung und Untergang

1. Für die Entstehung der (vertraglichen) Grundpfandverschreibung gilt Art. 799 ZGB (dazu ausführlich vorne Nr. 1528 ff.). Pro memoria:

1611

– Das beschränkte dingliche Recht entsteht mit der Eintragung in das Grundbuch (Art. 799 Abs. 1 ZGB). – Das Rechtsgeschäft auf Errichtung des Grundpfandrechts bedarf zu seiner Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung (Art. 799 Abs. 2 ZGB). 2. Für den Untergang der Grundpfandverschreibung ist neben Art. 801 auch 826 ZGB zu beachten. Ist also die ehemals gesicherte Forderung untergegangen, so hat der Eigentümer des belasteten Grundstücks Anspruch darauf, dass die Gläubigerin der Löschung zustimmt (Abgabe einer Willenserklärung; vorne Nr. 1544).

1612

Immerhin darf angenommen werden, dass das Pfandrecht materiell schon mit dem Erlöschen der Schuld untergeht.33 Doch ist angesichts der formalen Buchexistenz des Pfandrechts (nach dem Untergang der gesicherten Forderung) zu betonen, dass Forderung und Grundpfandverschreibung unabhängig voneinander existieren: Die Forderung entsteht ausserbuchlich und geht ebenso ausserbuchlich unter; der Grundbucheintrag bezieht sich nur auf das Pfandrecht. Art. 937 Abs. 1 ZGB gilt mithin nur für das Pfandrecht, nicht auch für den Bestand der gesicherten Forderung (vorne Nr. 1600). Ebenso erstreckt sich der öffentliche Glaube des Grundbuchs (Art. 973 Abs. 1 ZGB) nur auf die Grundpfandverschreibung, nicht auch auf die ihr zugrunde liegende Forderung (vorne Nr. 1600).

3.

Der Wechsel eines Beteiligten

Art. 832–835 ZGB tragen den Randtitel «Wirkung» («Effets de l’hypothèque»). Die Hauptwirkung – das Verwertungsrecht der Gläubigerin – ist indessen schon in den «Allgemeinen Bestimmungen» geregelt (nämlich in Art. 816 ZGB) und wurde bereits behandelt (vorne Nr. 1549 ff.); dort war auch von verschiedenen Nebenwirkungen die Rede (Nr. 1580 ff.). Unter dem Gesichtspunkt des Wechsels eines Beteiligten werden im Folgenden nur noch behandelt:

1613

– die Abtretung der pfandgesicherten Forderung (Randtitel zu Art. 835 ZGB: «Übertragung der Forderung»; «cession de la créance»; nachfolgend A.); – die Veräusserung des pfandbelasteten Grundstücks (Art. 832 ZGB; «aliénation totale»; B.); und – die Zwangsverwertung des pfandbelasteten Grundstücks (C.).

A.

Die Abtretung der pfandgesicherten Forderung

1. Die Abtretung einer Forderung, verstanden als Verfügungsvertrag,34 vollzieht sich nach den Regeln von Art. 164 ff. OR; gemäss Art. 165 Abs. 1 OR ist für die Verfügung die schriftliche Form erforderlich.35

33 34 35

SteinaueR, Band III, Nr. 2813 f.; offengelassen in BGE 102 II 1 ff. (6), E. 2c. gauch /SchlueP/emmeneggeR, Nr. 3407 ff. gauch /SchlueP/emmeneggeR, Nr. 3415 ff.

1614

486

Die Grundpfandrechte

1615

2. Art. 835 ZGB stellt klar, dass die Abtretung einer grundpfandgesicherten Forderung keiner Eintragung in das Grundbuch bedarf (vgl. auch Art. 103 Abs. 1 lit. a GBV).36 Die Grundpfandverschreibung folgt als «Nebenrecht» im Sinn von Art. 170 Abs. 1 OR vielmehr der abgetretenen Forderung:37 Die neue Gläubigerin (Zessionarin) wird von Gesetzes wegen ohne Weiteres Berechtigte aus dem Pfandrecht.38 Beizufügen bleibt:39

1616

– Da die Abtretung der Forderung ohne Grundbucheintragung erfolgt und von Gesetzes wegen das Pfandrecht auf die Zessionarin übergehen lässt, geht aus dem Grundbuch nicht in zuverlässiger Weise hervor, wer bei einer Grundpfandverschreibung die jeweilige Gläubigerin ist.40 Immerhin spielt das sogenannte Gläubigerregister beim Papiergrundbuch eine erhebliche Rolle (vgl. Art. 12 und 103 Abs. 1 lit. a GBV). Die Angabe der Gläubigerin in diesem Hilfsregister hat jedoch keine Grundbuchwirkung (Art. 103 Abs. 1 und 4 GBV)41 (allgemein vorne Nr. 447), sonAbs. 3 GBV).42

– Dass eine Abtretung der gesicherten Forderung das Pfandrecht von Gesetzes wegen auf die Zessionarin übergehen lässt, gilt auch im Fall des Bauhandwerkerpfandrechts, da auch dieses Recht nicht (im Sinn von Art. 170 Abs. 1 OR) «untrennbar mit der Person des Abtretenden verknüpft» ist43 (dazu hinten Nr. 1718 f.).

1617

1618

B.

Die Veräusserung des pfandbelasteten Grundstücks

a.

Die gesetzliche Grundregel (Art. 832 Abs. 1 ZGB)

Der Eigentümer eines pfandbelasteten Grundstücks kann – wie jeder Grundeigentümer – sein Grundstück grundsätzlich frei veräussern. Die Übertragung des Grundstücks (für sich allein) ändert nichts an der pfandgesicherten Forderung oder an der Existenz des Pfandrechts. Nach Art. 832 Abs. 1 ZGB bleiben vielmehr die Haftung des Grundpfandes und des Schuldners unverändert, «wenn es nicht anders verabredet ist».44

36

37

38 39 40 41

42 43 44

BGer 5C.13/2002, E. 2a = Pra 2002, Nr. 170, S. 917 ff. = ZBGR 84/2003, S. 45 ff.; BGE 112 III 26 ff. (29), E. 3; 87 III 64 ff. (69), E. 2. gauch /SchlueP/emmeneggeR, Nr. 3458 f.; SPiRig, ZüKomm, N 30 ff. zu Art. 170 OR; dal molinK Ränzlin, Nr. 127 und 446 ff. («Übertragungsakzessorietät»); stillschweigend auch BGE 88 II BGE 105 II 183 ff. (186 f.), E. 4; BGer vom 20. August 1979, in ZBGR 61/1980, S. 55 ff. (58), E. 2. SteinaueR, Band III, Nr. 2817 ff. BGE 104 Ib 257 ff. (259), E. 2; 87 III 64 ff. (69), E. 2. BGer 5C.13/2002, E. 2a = Pra 2002, Nr. 170, S. 917 ff. = ZBGR 84/2003, S. 45 ff.; BGE 108 II 47 ff. (50), E. 4; 104 Ib 257 ff. (259), E. 2; 87 III 64 ff. (69), E. 2. BGE 40 II 591 ff. (597 f.), E. 2; leemann, BeKomm, N 4 zu Art. 835 ZGB. LGVE 1987 I Nr. 9, S. 24 f. (Luzerner Obergericht); gauch /SchlueP/emmeneggeR, Nr. 3459. Vgl. auch BGE 132 III 166 ff. (170), E. 6.4.1; 121 III 256 ff. (257 f.), E. 3a; 101 II 329 ff. (330), E. 2; SteinaueR, Band III, Nr. 2819.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

487

War der Pfandeigentümer bis anhin selber Schuldner und veräussert er sein Grundstück, so bleibt er Schuldner der pfandgesicherten Forderung; das Grundstück haftet weiterhin für die pfandgesicherte Schuld, auch wenn es jetzt im Eigentum eines Dritten steht (Drittpfand).45

b.

Die vertragliche Schuldübernahme

Abreden betreffend eine Schuldübernahme sind möglich und sie zielen darauf ab, Drittpfandverhältnisse zu verhindern und den bar zu zahlenden Teil des Kaufpreises zu vermindern. Von den allgemeinen Vorschriften über die Schuldübernahme (Art. 175 ff. OR) behält Art. 183 OR die Sonderbestimmungen bei Veräusserung verpfändeter Grundstücke ausdrücklich vor. Die Art. 832 Abs. 2 und Art. 834 ZGB fördern denn auch die Schuldübernahme. Im Einzelnen:

1619

1. Nach den allgemeinen Regeln von Art. 175 ff. OR46 setzt ein Schuldnerwechsel durch Schuldübernahme einen Vertrag zwischen dem Übernehmer und dem Gläubiger voraus (Art. 176 f. OR; «externe Schuldübernahme»). Diesem Vertrag geht regelmässig ein Vertrag zwischen dem Schuldner und dem Schuldübernehmer voran (Art. 175 OR; Schuldbefreiungsversprechen, «interne Schuldübernahme»). Doch bewirkt erst die «externe Schuldübernahme» den Schuldnerwechsel.47

1620

2. Art. 832 Abs. 2 ZGB knüpft an diese allgemeinen Regeln an: Ausgangspunkt ist regelmässig die Abrede zur (internen) Schuldübernahme (Art. 175 OR) zwischen dem Alteigentümer des verpfändeten Grundstücks (Verkäufer) und dem Käufer des Grundstücks. Nach Art. 216 Abs. 1 OR (und Art. 657 Abs. 1 ZGB) muss diese Abrede – als wesentlicher Vertragspunkt des Grundstückkaufvertrags – öffentlich beurkundet sein; regelmässig wird der Käufer dem Verkäufer (Alteigentümer) versprechen, «dass er sich an seiner Statt mit Zustimmung des Gläubigers zu dessen 48 Der Käufer des Grundstücks wird mit anderen Worten regelmässig versprechen, an die Pfandgläubigerin eine Willenserklärung auf Abschluss eines externen Schuldübernahmevertrags abzugeben.

1621

3. Diese von Seiten des Erwerbers dem Verkäufer geschuldete Willenserklärung (also die Offerte zum Abschluss eines externen Schuldübernahmevertrags) hat nun gemäss Art. 834 Abs. 1 ZGB der Grundbuchverwalter der Pfandgläubigerin mitzuteilen.49 Zwei Reaktionen der Letzteren kommen in Betracht:

1622

– Die Pfandgläubigerin kann die Offerte zum externen Schuldübernahmevertrag annehmen. Dann kommt dieser Vertrag und damit der Schuldnerwechsel zustande.50 Die Annahmeerklärung kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen (Art. 1 Abs. 2 OR). Sie kann auch dadurch geschehen, dass die Gläubigerin binnen eines Jahres seit der Mitteilung des Grundbuchamtes (Art. 834 Abs. 2 ZGB)

1623

45 46 47

48 49 50

BGE 132 III 166 ff. (170), E. 6.4.1. gauch /SchlueP/emmeneggeR, Nr. 3579 ff. BGE 121 III 256 ff. (258), E. 3b; ZBGR 77/1996, S. 255 ff. (Walliser Kantonsgericht); gauch / SchlueP/emmeneggeR, Nr. 3567 und 3579 ff.; leemann, BeKomm, N 7 zu Art. 832 ZGB. SteinaueR, Band III, Nr. 2822c. leemann, BeKomm, N 19 zu Art. 832 ZGB. Zum genauen Zeitpunkt SteinaueR, Band III, Nr. 2823a; BGE 121 III 256 ff. (259 oben), E. 3b in

488

Die Grundpfandrechte

keine schriftliche Beibehaltungserklärung an den bisherigen Schuldner abgibt. Art. 832 Abs. 2 ZGB sieht nämlich die Befreiung des früheren Schuldners (mithin den Schuldnerwechsel) vor, «wenn der Gläubiger diesem gegenüber nicht binnen Jahresfrist schriftlich erklärt, ihn beibehalten zu wollen». Für den Fall des Stillschweigens der Gläubigerin ordnet Art. 832 Abs. 2 ZGB mit anderen Worten (anders als im gewöhnlichen Schuldübernahmerecht, Art. 177 Abs. 1 OR) die Zustimmung zum Schuldnerwechsel an. Daran – und an Art. 834 Abs. 1 ZGB – zeigt sich, dass das Gesetz bei Grundstückveräusserungen die Schuldübernahme durch den Käufer fördern will.51

– Die Pfandgläubigerin kann die Offerte zum externen Schuldübernahmevertrag (schriftlich) ablehnen, also eine Beibehaltungserklärung abgeben. Alsdann kommt kein Schuldnerwechsel zustande (Art. 832 Abs. 2 ZGB e contrario). Kraft

1624

den Verkäufer «zu befreien» (Art. 175 Abs. 1 OR), das heisst bei Fälligkeit die Schuld an die Gläubigerin zu zahlen.52 Die Erklärung der Pfandgläubigerin, den bisherigen Schuldner beibehalten zu wollen, macht die von Verkäufer und Käufer in Aussicht genommene externe Schuldübernahme undurchführbar53 und wirft eine Reihe von Streitfragen auf. Zwei von ihnen seien herausgegriffen: a. Welche Rechtslage tritt ein, wenn der Käufer (und neue Grundstückeigentümer), der sich intern gegentungserklärung der Gläubigerin dieser – entgegen Art. 175 Abs. 1 OR – nicht leistet und der Verkäufer selber die Zahlung vornimmt (vornehmen muss)? § 1164 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnet für diesen Fall an: «Befriedigt der persönliche Schuldner den Gläubiger, so geht die Hypothek insoweit auf ihn über, als er von dem Eigentümer oder einem Rechtsvorgänger des Eigentümers Ersatz verlangen kann.» Das Bundesgericht hat für das schweizerische Recht eine Gesetzeslücke angenommen und eine entsprechende Subrogation des zahlenden Alteigentümers bejaht;54 demnach tritt der von der Grundpfandgläubigerin beibehaltene persönliche Schuldner, der das Grund-

1625

Gläubigerrechte ein.55 – b. Tritt der Käufer (und neue Grundstückeigentümer), der nach der Beibehaltungserklärung die pfandgesicherte Schuld an die Gläubigerin erfüllt, nach Art. 827 Abs. 2 ZGB und Art. 110 Ziff. 1 OR in die Gläubigerrechte ein? Dies ist zu verneinen: Als «Dritter» im Sinn von Art. 110 Ziff. 1 OR gilt nur eine Person, «die nicht in irgendeiner Eigenschaft in die Obligation verstrickt ist».56 Das trifft auf den Käufer nicht zu: Er hat sich gegenüber dem Verbiger nicht bloss die Zwangsvollstreckung von seinem Grundstück ab, sondern erfüllt gleichzeitig eine eigene Schuld. Die Bejahung einer Subrogation würde zu seiner Bereicherung führen.

C.

Die Zwangsverwertung des pfandbelasteten Grundstücks

1626

des pfandbelasteten Grundstücks nicht unmittelbar Anwendung. Massgebend hier-

51

52

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81/2000, S. 312 ff. (Luzerner Obergericht). Zum Zeitpunkt SteinaueR, Band III, Nr. 2823b; vgl. zum Ganzen auch BGE 65 II 110 ff. (115 f.), E. 2; zu einem Sonderfall auch BGer 4C.329/2002, E. 2.1. BGE 65 II 110 ff. (116 oben), E. 2. BGE 60 II 178 ff. (186 ff.), E. 5. Ebenso eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 241 oben; SimoniuS/SutteR, Band II, S. 224; SteinaueR, Band III, Nr. 2823b; a.M. leemann, BeKomm, N 23 zu Art. 827 ZGB und N 45 zu Art. 832 ZGB. BGE 60 II 178 ff. (183), E. 3, mit Hinweis auf 53 II 25 ff. (29), E. 1; BGer 4C.15/2004, E. 5.1; vgl. auch gauch /SchlueP/emmeneggeR, Nr. 2060; leemann, BeKomm, N 15 zu Art. 827 ZGB.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

489

für sind vielmehr die Regeln des Zwangsvollstreckungsrechts, also namentlich des SchKG und der VZG.57 Herausgegriffen seien folgende Punkte: 1. In der Betreibung auf Pfändung oder Pfandverwertung sind vor allem die Art. 135 und 142a i.V.m. 156 SchKG bedeutsam:58

1627

– Es gilt das Deckungsprinzip (Art. 126 und 156 Abs. 1 SchKG): Das Grundstück wird nach dreimaligem Aufruf nur dann dem Meistbietenden zugeschlagen, wenn «das Angebot den Betrag allfälliger dem betreffenden Gläubiger im Range vorgehender pfandgesicherter Forderungen übersteigt» (Art. 126 Abs. 1 SchKG); wenn kein solches Angebot erfolgt, «so fällt die Betreibung in Hinsicht auf diesen Gegenstand dahin» (Art. 126 Abs. 2 SchKG).59 Damit werden die (vorgehenden) Pfandgläubiger im Verwertungsverfahren geschützt.60

1628

– Fällige grundpfandgesicherte Schulden – dazu gehört namentlich auch die in Betreibung gesetzte pfandgesicherte Forderung – werden vorweg aus dem Verwertungserlös bezahlt (Art. 135 Abs. 1 Satz 3 SchKG und Art. 81 VZG);61 die entsprechenden Pfandrechte sind im Grundbuch zu löschen (Art. 150 Abs. 3 und Art. 156 Abs. 1 Satz 3 SchKG). Die grundpfandgesicherten Schulden, die nicht fällig sind, werden bei der Versteigerung dem Erwerber überbunden (Überbindungsprinzip); der Schuldner einer überbundenen Schuld aus Grundpfandverschreibung oder aus Schuldbrief wird frei, wenn ihm die Gläubigerin nicht innert einem Jahr nach dem Zuschlag erklärt, ihn beibehalten zu wollen (Art. 156 Abs. 1 SchKG i.V.m. 135 Abs. 1 Satz 1 und 2 SchKG, wo auf Art. 832 ZGB verwiesen wird; Art. 45 ff. VZG).

1629

– Nach Massgabe von Art. 142 SchKG und Art. 104 VZG kommt es zum Doppelaufruf (vorne Nr. 1173 ff.).

1630

2. In der Betreibung auf Konkurs sind vor allem die Art. 258 f. SchKG wichtig, die ihrerseits auf gewisse Bestimmungen der Pfändung oder Pfandverwertung verweisen (zum Beispiel auf Art. 135 sowie 142 Abs. 1 und 3 SchKG, nicht jedoch auf Art. 126 SchKG). Demnach gilt Folgendes:62

1631

– Das Deckungsprinzip ist im Konkurs nicht anwendbar. Das Grundstück wird nach dreimaligem Aufruf dem Meistbietenden zugeschlagen (Art. 258 Abs. 1 SchKG).63

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Dazu FRitzSche/WaldeR, Band I, S. 437 ff. und 473 ff., sowie Band II, S. 340 ff.; a monn/WaltheR , § 27 N 23 und § 28 N 1 ff.; leemann, BeKomm, N 52 ff. zu Art. 832 ZGB; R iemeR , S. 118 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2786 f. und 2824 ff.; SimoniuS/SutteR, Band II, S. 190 ff. Vgl. FRitzSche/WaldeR, Band I, S. 418 f., 439 ff. und 488 ff.; a monn/WaltheR, § 28 N 1 ff. und N 54 ff. BGE 107 III 122 ff. (124), E. 1; 104 III 79 ff. (81), E. 2; für das Fahrnispfand zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 687 und 709. Vgl. etwa FRitzSche/WaldeR, Band I, S. 418 f., 447, 473 und 488 f.; ulRich K. Fehlmann, Die EinBGE 106 II 183 ff. (188 und 190), E. 2 und 3a. Im Einzelnen FRitzSche/WaldeR, Band II, S. 339 ff.; a monn/WaltheR, § 47 N 14 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2824d ff. BGE 118 III 52 ff.; 72 III 27 ff. (30), E. 1; FRitzSche/WaldeR, Band II, S. 339 f.; a monn/WaltheR, § 47 N 20 ff.

490

Die Grundpfandrechte

– Fällige grundpfandgesicherte Schulden werden vorweg aus dem Verwertungserlös bezahlt (Art. 259 i.V.m. 135 Abs. 1 Satz 3 SchKG).

1633

Nach Art. 208 Abs. 1 Satz 1 SchKG bewirkt die Konkurseröffnung «gegenüber der Konkursgen, die durch seine Grundstücke pfandrechtlich gedeckt sind». Für jede grundpfandrechtlich gesicherte Schuld muss demnach auf Grund der amtlichen Schätzung des Grundstücks bestimmt werden, ob sie gedeckt ist oder nicht.64 1634

– Die grundpfandgesicherten Schulden, die nicht fällig sind, werden bei der Versteigerung dem Erwerber überbunden (Überbindungsprinzip). Die Möglichkeit einer Beibehaltungserklärung nach Art. 832 Abs. 2 ZGB (vorne Nr. 1629) scheidet im Konkurs aus (Art. 130 Abs. 4 VZG).65 Der Schuldner wird insofern «frei», zumal alle seine Schulden – auch die pfandgesicherten – liquidiert werden (Generalexekution).

1635

– Der ungedeckte Betrag der pfandgesicherten Forderungen (Pfandausfallbetrag) wird in der dritten (letzten) Klasse kolloziert (Art. 219 Abs. 4 SchKG).

1636

3. Betrifft die Zwangsverwertung ein landwirtschaftliches Gewerbe oder Grundstück, so bleiben die Sondervorschriften des BGBB vorbehalten (Art. 30 Abs. 2 SchKG; namentlich Art. 67 und 69 BGBB).66

1637

4.

Einzelfragen

A.

Die Auswechslung der pfandgesicherten Forderung («Pfanderneuerung»)

Anders als das deutsche Recht (§ 1180 Abs. 1 BGB) spricht sich das ZGB nicht über die Frage aus, ob – bei weiter bestehendem Pfandrecht – eine Auswechslung der pfandgesicherten Forderung («Pfanderneuerung»; «le remploi de l’hypothèque») zulässig ist. Das Bundesgericht hat die Frage lange Zeit offengelassen,67 bejaht sie nun aber in jüngerer Zeit.68 Auch die kantonale Praxis69 und die Mehrheit der Lehre halten eine Pfanderneuerung für zulässig.70 Nach dieser Auffassung kann der Eigentümer des

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FRitzSche/WaldeR, Band II, S. 340 f.; SteinaueR Forderungen vgl. Art. 61 der Verordnung über die Geschäftsführung der Konkursämter (KOV) vom 13. Juli 1911 (SR 281.32). Gemäss Art. 130 Abs. 4 VZG ist Art. 135 Abs. 1 Satz 2 SchKG im Konkursverfahren nicht anwendbar (BBl 1991 III, S. 155; a monn/WaltheR, § 28 N 53 und § 47 N 23; bettina deillon-Schegg [zitiert in Nr. 1592], S. 93 und 106 f.; SteinaueR, Band III, Nr. 2824f.; vgl. bereits BGE 47 III 141 ff. [144 ff.], E. 1, und FRitzSche/WaldeR, Band II, S. 340). m anuel mülleR, Die Bestimmungen über die Zwangsverwertung von landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken nach BGBB, BlSchK 59/1995, S. 81 ff.

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61/1980, S. 55 ff. (58), E. 2; eher befürwortend BGE 108 II 47 ff. (48), E. 2. BGer vom 15. Mai 1998, in ZBGR 81/2000, S. 316 ff. (319), E. 3b; BGer 5C.13/2002, E. 2d = Pra 2002, Nr. 170, S. 917 ff. = ZBGR 84/2003, S. 45 ff. ZBGR 39/1958, S. 354 ff. (358 f.), E. 2 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch). leemann, BeKomm, N 24 zu Art. 824 ZGB und N 12 zu Art. 825 ZGB; liveR, ZBJV 117/1981, S. 113 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2814 ff.; zogg, BaKomm, N 41 ff. zu Art. 824 ZGB; eigenmann, ComRom, N 18 ff. zu Art. 825 ZGB; dal molin-K Ränzlin, Nr. 378 ff.; für den Fall der Zwangsvoll-

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

491

pfandbelasteten Grundstücks, wenn er nach dem Untergang der einen Forderung den Grundbucheintrag hat weiter bestehen lassen, diese Grundpfandverschreibung (ohne neue Grundpfanderrichtung) zur Sicherung einer neuen Schuld verwenden. Dadurch behält das Pfandrecht seinen Vorrang gegenüber den seither errichteten Dienstbarkeiten und Grundlasten (Art. 812 ZGB; vorne Nr. 1169 ff.). Zudem lassen sich (teilweise) die Kosten der Löschung und Neuerrichtung eines Pfandrechts sparen.71 Folgendes ist beizufügen: 1. In der Auswechslung der pfandgesicherten Forderung liegt eine (wesentliche) Änderung des ursprünglichen Pfandvertrags. Erforderlich ist deshalb gemäss Art. 799 Abs. 2 ZGB ein öffentlich beurkundeter Vertrag zwischen Pfandeigentümer und Pfandgläubigerin.72

1638

Nach der Rechtsprechung vollzieht sich der Forderungswechsel «in der Weise, dass der Gläubiger auf das Pfandrecht für die bisherige Forderung verzichtet und der Eigentümer das Pfandrecht mit einer neuen Forderung verbindet».73

2. In gewissen Sonderfällen ist indessen eine öffentliche Beurkundung entbehrlich:

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1638a

– Dies gilt zunächst im Blick auf Art. 824 Abs. 1 und Art. 825 Abs. 1 ZGB für Forderungen mit wechselndem Betrag, insbesondere für Kontokorrentforderungen: Wird im Rahmen eines dem Umfang nach wechselnden Kreditverhältnisses die Schuld abbezahlt, geht das Pfandrecht nicht ohne Weiteres unter; vielmehr «kann es im gleichen Rahmen zur Sicherstellung eines neuen Kredites verwendet werden, ohne dass eine Pfandrechtserneuerung erfolgen müsste».74

1638b

– Nach kantonaler Praxis und einem Teil der Lehre erübrigt sich sodann eine erneute öffentliche Beurkundung, wenn der ursprüngliche, öffentlich beurkundete Grundpfandvertrag die spätere Auswechslung der pfandgesicherten Forderung ausdrücklich vorsieht. Eine solche Abrede wird als «Wiederauszahlungsklausel» (Pfandbestellers), «im Falle einer teilweisen Rückzahlung und anschliessenden Wiedererhöhung der Schuld das Grundpfandrecht auch für den wieder erhöhten Darlehensvertrag anzuerkennen».75 Das Bundesgericht hat sich zur Zulässigkeit

1638c

streckung vgl. auch chaRleS JaqueS (zitiert in Nr. 1799), S. 210 und 225 ff.; anders aber SimoniuS/ SutteR, Band II, S. 194; kritisch zur praktischen Handhabung zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 217 zu Art. 884 ZGB («systemwidrige Praxis»). Vgl. etwa § 8 Ziff. 4 der luzernischen Verordnung über die Grundbuchgebühren (Grundbuchgebührentarif) vom 18. Mai 2015 (SRL Nr. 228); zur Vorgängerbestimmung LGVE 1995 I Nr. 18, S. 31 ff. (Luzerner Obergericht). BGer 5C.13/2002, E. 2d = Pra 2002, Nr. 170, S. 917 ff. = ZBGR 84/2003, S. 45 ff.; BGer vom 15. Mai 1998, in ZBGR 81/2000, S. 316 ff. (319), E. 3b; BGE 108 II 47 ff. (50), E. 3; 105 II 183 ff. (58), E. 2; leemann, BeKomm, N 17 zu Art. 825 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2814 und 2814b; PeteR liveR, ZBJV 117/1981, S. 113. BGer 5C.13/2002, E. 2d = Pra 2002, Nr. 170, S. 917 ff. = ZBGR 84/2003, S. 45 ff. BGE 108 II 47 ff. (48), E. 2, mit Hinweis auf h anS hubeR, ZBGR 39/1958, S. 348 ff. (zitiert in So der Bundesrat in seiner Antwort vom 6. September 2000 auf die Motion JoSSen (Nr. 00.3236), Amtl.Bull. NR 2001 (Beilagen, Frühjahrssession), S. 206; ähnlich h anS hubeR (zitiert in Nr. 1651), S. 350 f.; Wiegand, S. 84 ff.; vgl. auch eigenmann, ComRom, N 29 zu Art. 824 ZGB.

492

Die Grundpfandrechte

solcher Klauseln indessen – soweit ersichtlich – noch nicht geäussert. Auf jeden Fall ist die Schranke von Art. 27 ZGB zu beachten (vorne Nr. 1532). 1639

3. Wechselt die Gläubigerin der gesicherten Forderung (wird also nicht bloss die bisherige Forderung durch eine neue Forderung der gleichen Gläubigerin ersetzt), so muss die ehemalige Gläubigerin der Auswechslung des Pfandrechts ausdrücklich zustimmen.76

1639a

4. Die Pfanderneuerung kann nach Lehre und (kantonaler) Praxis mit einer Änderung der Pfandart verbunden werden, namentlich mit einer Umwandlung einer Grundpfandverschreibung in einen Schuldbrief.77 Zur Zulässigkeit eines solchen Wechsels richt, soweit ersichtlich, bis anhin ebenfalls nicht geäussert. Die bejahenden Auffassungen gehen davon aus, dass ein einheitlicher Pfandrechtsbegriff – in den verschiedenen Erscheinungsformen des Grundpfandrechts – besteht, so dass für den Wechsel der Pfandart keine Löschung und Neuerrichtung notwendig ist.78 Der Vertrag auf Umwandlung muss öffentlich beurkundet sein (Art. 73 Abs. 1 lit. c GBV).79

1640

5. Hat der Pfandeigentümer mit Pfandgläubigerinnen hinterer Ränge ein Nachrückungsrecht vereinbart (vorne Nr. 1574 ff.), so liegt darin vermutungsweise eine zu unterlassen.80 Die Nachrückungsvereinbarung hat immerhin nur dann «dingliche Wirkung», wenn sie im Grundbuch vorgemerkt ist (Art. 814 Abs. 3 ZGB und vorne Nr. 1578).81

1640a

6. Die Auswechslung der pfandgesicherten Forderung (Pfanderneuerung) bezweckt nach dem Gesagten, eine bisher nicht gesicherte Forderung (der gleichen oder einer neuen Gläubigerin) in die Pfandsicherheit einzubeziehen; dazu bedarf es grundsätzlich der öffentlichen Beurkundung. Von der Pfanderneuerung zu unterscheiden ist die blosse Zession der pfandgesicherten Forderung: Hier wird ein Grundpfandrecht von einer alten Gläubigerin auf eine neue übertragen – und zwar als Nebenrecht der zedierten Forderung (Art. 170 Abs. 1 OR; vorne Nr. 1614 ff.). Am schriftlichen Abtretungsvertrag (Art. 165 Abs. 1 OR) sind nach Art. 164 Abs. 1 OR lediglich Zedentin und Zessionarin beteiligt, nicht aber der Schuldner («debitor cessus»). Zessionen sind in der Bankpraxis verbreitet, wenn ein Hypothekarschuldner die Bank wechseln will (sogenannte «Ablösung»).82 Doch muss Folgendes beachtet werden:

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leemann, BeKomm, N 17 zu Art. 825 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2814b, mit Hinweis auf ZBGR 39/1958, S. 354 ff. (359 unten), E. 2 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch). leemann, BeKomm, N 13 und 22 ff. zu Art. 825 ZGB; ZBGR 41/1960, S. 159 ff. (163), E. 3 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch). leemann, BeKomm, N 31 zu Art. 793 ZGB und N 22 zu Art. 825 ZGB; ZBGR 41/1960, S. 159 ff. (163), E. 3 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch). leemann, BeKomm, N 56 zu Art. 799 ZGB und N 24 zu Art. 825 ZGB; Staehelin, BaKomm, N 6 zu Art. 843 ZGB. SteinaueR leemann, BeKomm, N 19 zu Art. 825 ZGB. BGer 5C.13/2002, E. 2a = Pra 2002, Nr. 170, S. 917 ff. = ZBGR 84/2003, S. 45 ff., mit Hinweis auf m aRKuS Rubin (zitiert in Nr. 1651), S. 29.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

493

– Die Abtretung bezieht sich nur auf die abgetretene Forderung, nicht auf das gesamte Vertragsverhältnis.83 Sowohl der Darlehensvertrag als auch der Grundpfandvertrag zwischen alter Gläubigerin und Schuldner (Verpfänder) sind demnach von der Zession nicht betroffen.

1640b

– Durch die Abtretung erwirbt die Zessionarin die aktuelle Forderung mit der aktuellen Pfandsicherheit (Grundsatz der Identität der abgetretenen Forderung). Abgetreten ist also die im Abtretungszeitpunkt der Zedentin gegen den Schuldner zustehende Forderung. Damit wird nach der hier vertretenen Auffassung – entsprechend dem Grundsatz der Spezialität der Verfügungsgeschäfte – die Forderung, welche die Zessionarin erwirbt, durch die Rechtslage zwischen Zedentin und Schuldner in diesem Zeitpunkt festgeschrieben.

1640c

Dies gilt auch dann, wenn sich das Grundverhältnis zwischen Zedentin und Schuldner auf eine variable Forderung (zum Beispiel Kontokorrentforderung) gerichtet hat; diese Abrede geht durch die Abtretung nicht auf die Zessionarin über. Will die Letztere also Kontokorrentgläubigerin sein, muss sie mit dem Schuldner einen neuen Kontokorrentvertrag abschliessen. Eine solche neue Kontokorrentforderung ist nur dann pfandgesichert, wenn Zessionarin und Verpfänder einen neuen, öffentlich beurkundeten Pfandvertrag eingehen.84

– Auch die Pfandsicherheit geht so auf die Zessionarin über, wie sie im Abtretungszeitpunkt zu Gunsten der Zedentin bestanden hat. Wurde also etwa die pfandgesicherte Forderung schon vor der Abtretung durch die Zedentin (mit dem Verpfänder) wirksam ausgewechselt, geht diese neue Pfandsicherheit auf die Zessionarin über.

1640d

Das trifft jedoch nicht zu für allfällige Klauseln, welche die Zedentin mit dem Verpfänder im ursprünglichen Pfandvertrag zur Wiederverwendung des Pfandrechts vereinbart hatte («Wiederauszahlungsklauseln»; «generelle Pfandklauseln»). Zum Übergang solcher Abreden wäre eine Übertragung des Pfandvertrags erforderlich, die nach der hier vertretenen Auffassung (unter Einbezug aller Parteien) öffentlich zu beurkunden ist.85 Eine teilweise andere Auffassung vertreten indessen zobl/thuRnheRR:86 Sie betrachten den Pfandvertrag als Nebenvertrag, der mit allen rin übergeht, ohne dass eine besondere Vertragsübernahme erforderlich ist («Vertragseintritt von Rechts wegen»).

– Ob im konkreten Fall eine Ablösung (bei welcher die blosse Zession genügt) oder eine Pfanderneuerung (Auswechslung der pfandgesicherten Forderung, wofür öffentliche Beurkundung erforderlich ist) vorliegt, ist durch Auslegung der Abreden zwischen der neuen Gläubigerin (also der «ablösenden Bank») und dem Schuldner zu ermitteln.87 Akzentuiert wird dieses Auslegungsproblem dann, wenn die ablösende Bank und der Hypothekarschuldner Änderungen des übernommenen Hypothekarkredits hinsichtlich der Verzin-

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87

gauch /SchlueP/emmeneggeR, Nr. 3451 ff. und 3547 ff. Zur Vertragsübertragung vgl. PaScal g. FavRe, Zürich 2005 (AISUF Band 246), besonders Nr. 527 ff. So offenbar auch die Bündner Bankpraxis; beRnhaRd tRauFFeR (zitiert in Nr. 1651), S. 18. Vgl. auch h anS hubeR (zitiert in Nr. 1651), S. 353 f. zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 289 ff. und 341 zu Art. 884 ZGB; dieteR zobl, Ablösung (zitiert in Nr. 1651), S. 205 f. m aRKuS Rubin (zitiert in Nr. 1651), S. 30; zu einem solchen Fall vgl. BGer 5C.13/2002, E. 2b–d = Pra 2002, Nr. 170, S. 917 ff. = ZBGR 84/2003, S. 45 ff.

1640e

494

Die Grundpfandrechte

sung, Amortisation oder Zusatzdeckung vereinbaren, was in der Praxis offenbar die Regel ist.88 Dadurch entsteht nach der hier vertretenen Meinung wertungsmässig die gleiche Situation wie bei Abänderung des ursprünglichen Pfandvertrags in einem subjektiv wesentlichen Punkt – was eine öffentliche Beurkundung (Art. 799 Abs. 2 ZGB) unausweichlich macht.

B. 1641

Zur «Obligation mit Grundpfandverschreibung»

Nach dem Gesagten (vorne Nr. 1599) wird bei der Grundpfandverschreibung kein Wertpapier ausgestellt (Art. 825 Abs. 2 ZGB). Doch lässt es die Gerichtspraxis zu, papiers gekleidet und mittels einer Grundpfandverschreibung sichergestellt werden.89 Dadurch entsteht eine sogenannte Obligation mit Grundpfandverschreibung («Hypothekarobligation»; «obligation hypothécaire»). Obwohl seit dem Inkrafttreten der Sachenrechtsrevision am 1. Januar 2012 die Gründe für die Neuerrichtung solcher Obligationen mit Grundpfandverschreibung im Wesentlichen dahingefallen sind (hin90

1642

1. Im Tatbestand setzt sich die Hypothekarobligation aus zwei Elementen zusammen:

1643

– Über eine Forderung stellt der Schuldner eine Urkunde (Schuldbekenntnis, Schuldanerkennung) aus, die er mit der Wertpapierklausel verbindet; er verspricht demnach im Sinn von Art. 965 OR, nicht ohne Vorweisung dieser Urkunde zu leisten, so dass das Forderungsrecht nicht ohne die Urkunde geltend gemacht werden kann.91 Verspricht der Schuldner, die verurkundete Summe (gegen Vorweisung der Urkunde) an den Inhaber der Urkunde zu zahlen, spricht man von einer «Inhaberobligation mit Grundpfandverschreibung» («obligation hypothécaire au porteur»).92

Bezüglich der Form der Schuldanerkennung (verstanden als einseitige Willenserklärung, die als Rechtsgrund für die Errichtung der Grundpfandverschreibung dienen soll) war unter dem alten Recht umstritten, ob öffentliche Beurkundung erforderlich war oder in analoger Anwendung von Art. 20 aGBV einfache Schriftform genügte. Seit dem 1. Januar 2012 muss öffentliche Beurkundung verlangt werden, weil mit der Schuldanerkennung das Versprechen der Pfanderrichtung verbunden ist (sogleich Nr. 1644) und Art. 799 Abs. 2 ZGB die Beurkundung für jedes Rechtsgeschäft auf Errichtung eines Grundpfandrechts vorschreibt (vorne Nr. 1534). – Sodann wird die verurkundete Forderung durch eine Grundpfandverschreibung gesichert; der Eigentümer des Pfandgrundstücks erklärt in der Forderungsur-

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m aRKuS Rubin (zitiert in Nr. 1651), S. 30. BGE 100 II 319 ff. (322), E. 1; LGVE 1975 I Nr. 245, S. 295 ff. (Luzerner Obergericht); ZBGR 77/1996, S. 259 ff. (262), E. 2, und S. 265 ff. (266), E. 2a (jeweils Walliser Kantonsgericht). Vgl. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 113 N 26 f.; SteinaueR, Band III, Nr. 2633a und 2810c; leemann, BeKomm, N 11 zu Art. 825 ZGB; düRR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 793 ZGB), N 314 ff.; PeteR moSeR (zitiert in Nr. 1651), S. 69 ff. BGE 103 IV 87 ff. (89), E. 1, und 100 II 319 ff. (322), E. 1, jeweils mit Hinweis auf Jäggi, ZüKomm, N 285 zu Art. 965 OR. So zum Beispiel BGE 93 II 82 ff. (85), E. 2.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

495

kunde selber, eine Grundpfandverschreibung zu bestellen. Nach Entstehung des Pfandrechts (durch Eintragung in das Grundbuch, Art. 799 Abs. 1 ZGB) bescheinigt der Grundbuchverwalter die Eintragung auf der Schuldurkunde (Art. 825 Abs. 3 ZGB). Da eine Forderung durch eine Grundpfandverschreibung im Sinn von Art. 824 ff. ZGB gesichert wird, liegt in der Hypothekarobligation kein Verstoss gegen den Numerus clausus der Grundpfandrechte (Art. 793 ZGB).93

2. Die Rechtsfolge besteht in einer als Wertpapier ausgestalteten Forderung, die hypothekarisch gesichert ist. Als Wertpapier ist die Hypothekarobligation verkehrsfähig. Sie kann demnach wirtschaftlich ähnliche Aufgaben erfüllen wie ein Schuldbrief. Doch ist sie diesem Letzteren in verschiedener Hinsicht unterlegen. Folgendes muss beachtet werden:

1645

– Die «Verkehrstauglichkeit» der Hypothekarobligation ergibt sich aus der Wertpapiernatur der Urkunde (Schuldanerkennung), nicht aus dem Pfandrecht.

1646

Die in der Urkunde enthaltenen Bedingungen, von denen die Leistung abhängig gemacht wird (Art. 825 Abs. 1 ZGB, zum Beispiel auch für die Zinsen und die Kündigungsmodalitäten), können sodann die Umlaufseignung des Titels mindern.94

– Anders als beim Schuldbrief nach altem Recht (aArt. 855 Abs. 1 ZGB) wurde durch die Errichtung einer Hypothekarobligation die zugrunde liegende Forderung nicht noviert.95 Seit 1. Januar 2012 kommt es allerdings auch beim Schuldbrief nach Art. 842 Abs. 2 ZGB grundsätzlich nicht zur Novation der Forderung

1647

(hinten Nr. 1843 ff.). – Das Pfandrecht (die Grundpfandverschreibung) selber ist – anders als beim Papier-Schuldbrief (Art. 860 f. ZGB) – nicht in der Urkunde verkörpert. Der gutgläubige Erwerber der Urkunde wird mit anderen Worten nicht in seinem guten Glauben in den Bestand des Pfandrechts geschützt.96

1648

– Die Forderung ist zwar als Wertpapier ausgestaltet, nimmt jedoch nicht am öffentlichen Glauben des Grundbuchs teil.97

1649

Ist die Hypothekarobligation als Inhaberpapier ausgestaltet, so kommt der gutgläubige Erwerber immerhin in den Genuss von Art. 935 ZGB, erwirbt bei gutem Glauben also das Papier auch dann, wenn es dem Besitzer gegen seinen Willen abhanden gekommen ist (vorne Nr. 310). Dem Schuldner stehen ausserdem nur die gemäss Art. 979 OR zugelassenen Einreden zu.98 Dieser Schutz des Erwerbers ergibt sich jedoch nicht aus dem Pfandrecht, sondern aus der Wertpapierklausel der Schuldurkunde.

3. Von den Parteien wurde die (Inhaber-)Obligation mit Grundpfandverschreibung in

93 94 95

liveR, ZBJV 112/1976, S. 90 f. LGVE 1975 I Nr. 245, S. 295 ff. (Luzerner Obergericht). BGE 100 II 319 ff. (325), E. 5; ZWR 1999, S. 301 ff. (303), E. 3a (Walliser Kantonsgericht).

96 97

98

Obergericht); ZBGR 77/1996, S. 259 ff. (265), E. 5 (Walliser Kantonsgericht). BGE 135 III 378 ff. (383), E. 2.4; SteinaueR, Band III, Nr. 2633a; relativierend jedoch LGVE 1975 I Nr. 245, S. 295 ff. (Luzerner Obergericht).

1650

496

Die Grundpfandrechte

an kantonalen Belastungsgrenzen scheiterte (aArt. 843 Abs. 2 ZGB). Nicht zu verkennen war jedoch eine gewisse Täuschungsgefahr, weil dem Publikum die Nachwaren.99 Da es für kantonale Belastungsgrenzen für Schuldbriefe seit 1. Januar 2012 keine Grundlage im ZGB mehr gibt (hinten Nr. 1835), dürfte die Hauptmotivation für die Errichtung einer (Inhaber-)Obligation mit Grundpfandverschreibung dahingefallen sein.

5. 1651

Weiterführende Literatur

– bRücKneR chRiStian, Rechtsgeschäftliche Errichtung von Grundpfandrechten – Umfang des Formzwangs und zeitlicher Beginn der Pfandsicherheit, ZBGR 77/1996, S. 217 ff. – dRuey Jean nicolaS, Das forderungsentkleidete Grundpfand und das Nachrückungsrecht, ZBGR 60/1979, S. 201 ff. – hubeR hanS, Aktuelle Fragen aus dem Grundpfandrecht, ZBGR 39/1958, S. 193 ff. und 342 ff. – Jent-SøRenSen ingRid, Die Rechtsdurchsetzung bei der Grundstückverwertung in der Spezialexekution, Habil. Zürich 2003. – K naPP chaRleS, Le transfert de la propriété immobilière et la reprise des dettes garanties par les immeubles transférés, in: Vom Kauf nach schweizerischem Recht, FS für Theo Guhl, Zürich 1950, S. 165 ff. – moSeR PeteR, Die Verpfändung von Grundpfandtiteln, Diss. Zürich 1989. – PFäFFli Roland, Grundpfandverschreibung: Auswechslung der Forderung (Urteilsanmerkung Zivilrecht, BGE 108 II 47 = Pra 71 Nr. 150), recht 1985, S. 35 ff. – Rubin maRKuS, Grundpfandgesicherte Kredite in der Bankpraxis – Zur Wahl des Sicherungsverfahrens, in: Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Theorie und Praxis der Grundpfandrechte, Berner Bankrechtstag 1996, Bern 1996, S. 19 ff. – RuPP caRoline S., Grundpfandrechte zwischen Flexibilität und Schutz – Ein kontinentaleuropäischer Rechtsvergleich und neue Gedanken zu einer «Eurohypothek», Würzburger Diss., Tübingen 2015. – SimoniuS PaScal, Das Drittpfand neben anderen Pfändern, BJM 1982, S. 113 ff. (zitiert: SimoniuS, Das Drittpfand neben anderen Pfändern). – deRSelbe, Probleme des Drittpfandes, ZSR NF 1979 I, S. 359 ff. (zitiert: SimoniuS, Probleme des Drittpfandes). – tRauFFeR beRnhaRd, Die Grundpfandverschreibung im Rechtsverkehr, ZBGR 79/1998, S. 3 ff. (auch in: 1949–1998 – Festschrift 50 Jahre Verband Schweizerischer Grundbuchverwalter, Wädenswil 1998, S. 143 ff.). – von baR chRiStian/dRobnig ulRich, The Interaction of Contract Law and Tort and Property Law in Europe – A Comparative Study, München 2004. – zobl dieteR, Die Ablösung von durch Grundpfandverschreibung sichergestellten Forderungen, in: Vogt Nedim Peter/Zobl Dieter (Hrsg.), Der Allgemeine Teil

99

Vgl. auch LGVE 1986 I Nr. 15, S. 28 f. (Luzerner Obergericht).

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

497

und das Ganze: Liber Amicorum für Hermann Schulin, Basel/Genf/München 2002, S. 195 ff. (zitiert: zobl, Ablösung).

6.

Fälle

1. BGer vom 15. Mai 1998, in ZBGR 81/2000, S. 316 ff. Grundpfandverschreibung; Auswechslung der gesicherten Forderung. Illustrativ dazu auch ZBGR 39/1958, S. 354 ff. (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch).

1652

2. BGE 108 II 47 ff. Akzessorietät der Grundpfandverschreibung; Pfandklausel für einen unbegrenzten Kreis zukünftiger Forderungen; Auswechslung einer Forderung; Wirkung des Gläubigerregisters. 3. BGE 121 III 256 ff. Grundstückkauf mit Schuldübernahme. 4. BGE 100 II 319 ff. Obligation mit Grundpfandverschreibung.

II. Die gesetzliche Grundpfandverschreibung Nach dem Gesagten (vorne Nr. 1497 ff.) können Grundpfandverschreibungen nicht nur auf rechtsgeschäftlicher, sondern auch auf gesetzlicher Grundlage beruhen. Ein Pfandvertrag als Rechtsgrund ist in diesen Fällen entbehrlich. Zu unterscheiden sind zwei Arten: die unmittelbaren und die mittelbaren gesetzlichen Grundpfandrechte (vgl. schon das Schema vorne in Nr. 1501).

1653

Gesetzliche Grundpfandrechte verfolgen nur Sicherungszwecke (keine Verkehrszwecke) und bestehen daher immer in der Form der Grundpfandverschreibung, nie als Schuldbrief 100 (vorne Nr. 1500). Wenn im Folgenden – der üblichen deutschen Terminologie folgend (Randtitel zu Art. 836 ff. ZGB) – von «gesetzlichen Grundpfandrechten» die Rede ist, sind demnach immer Grundpfandverschreibungen gemeint. Genauer sind der französische und der italienische Randtitel zu Art. 836 ff. ZGB, die von «Hypothèques légales»/«Ipoteche legali» sprechen. Zu Sonderregeln bei landwirtschaftlichen Grundstücken (Art. 798a ZGB) vgl. Art. 75 ff. BGBB (Ausnahmen von der Belastungsgrenze).

1.

Die unmittelbaren gesetzlichen Grundpfandrechte

Unmittelbare gesetzliche Grundpfandrechte («les hypothèques légales directes») kennzeichnen sich dadurch, dass das Gesetz ihre Entstehung ohne Eintragung in das Grundbuch anordnet. Sie kommen sowohl auf bundesrechtlicher wie auch auf kantonaler Stufe vor:

100

eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 274.

1654

498

A. 1655

Die Grundpfandrechte

Nach Bundesrecht

1. Auf bundesrechtlicher Stufe sehen namentlich die Art. 808 Abs. 3, Art. 810 Abs. 2 und Art. 819 Abs. 1 ZGB ein unmittelbares gesetzliches Grundpfandrecht vor. Üblicherweise wird auch Art. 818 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB betreffend die Pfandsicherung der Betreibungskosten und der Verzugszinsen zur Kategorie der unmittelbaren gesetzlichen Pfandrechte gezählt.101

1655a

2. Seit dem 1. Januar 2012 hat der Gesetzgeber jedoch einen besonderen Schutz gutgläubiger Dritter geschaffen: Ist der Betrag des Pfandrechts höher als 1000 Franken und wird dieses nicht innert vier Monaten nach Abschluss der Vorkehrungen (Art. 808 Abs. 4 und Art. 810 Abs. 3 ZGB) bzw. nach Vornahme der Ersatzhandlung (Art. 819 Abs. 2 ZGB) in das Grundbuch eingetragen, so kann es Dritten, die sich in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen (haben), nicht entgegengehalten werden (vgl. vorne Nr. 1567 und 1584a).102

B.

Nach kantonalem Recht

1656

Mit gesetzlichen Grundpfandrechten des kantonalen Rechts befasst sich Art. 836 ZGB, rechte «für Forderungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem belasteten Grundstück stehen» (hinten Nr. 1662). Sodann sind zwei Fälle zu unterscheiden:

1656a

1. Art. 836 Abs. 1 ZGB betrifft den Fall, da das kantonale Recht dem Gläubiger für Forderungen der genannten Art einen Anspruch auf ein Pfandrecht einräumt. Die Bestimmung bezieht sich demnach auf die mittelbaren gesetzlichen Pfandrechte (dazu hinten Nr. 1664 ff.) und ordnet an, dass in diesem Fall das Pfandrecht erst mit der Eintragung in das Grundbuch entsteht. Damit wird dem Publizitätsbedürfnis Dritter entsprochen.103

1657

2. Art. 836 Abs. 2 ZGB betrifft hingegen die unmittelbaren gesetzlichen Pfandrechte des kantonalen Rechts, also solche, die ohne Eintragung in das Grundbuch entstehen. Die Kantone sehen namentlich Grundpfandrechte zur Sicherung ihrer Grundstückgewinnsteuer-Forderungen (und anderer grundstücksbezogener Abgaben) vor.104 Art. 836 ZGB «sagt nicht etwa, dass die Kantone berechtigt seien, gesetzliche Grundpfandrechte zu schaffen und sie gesetzgeberisch auszugestalten; vielmehr stellt er lediglich fest, dass es solche kantonalen gesetzlichen Pfandrechte schon vor dem ZGB gab und neben den Grundpfandrechten des ZGB weiterhin geben wird, ohne dass sie wie diese an die Voraussetzung der Eintragung im Grund-

101 102 103 104

SteinaueR, Band III, Nr. 2828; R iemeR, S. 102 f. Zum Übergangsrecht vgl. Schmid, Neuerungen im Grundpfandrecht, S. 223. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5318. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 112 N 43 und 45; eRnSt blumenStein/PeteR locheR, System des schweizerischen Steuerrechts, 7. A., Zürich 2016, S. 394 ff.; vgl. etwa BGE 84 II 91 ff.; 118 Ib 60 ff. (64 f.), E. 3a; BGer 2C_798/2011, E. 2–4 = ZBGR 97/2016, S. 35 ff.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

499

buch gebunden sind. Art. 836 ZGB ist ein Anwendungsfall von Art. 6 [ZGB], wonach die Kantone in ihren öffentlichrechtlichen Befugnissen durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt werden.»105

Nach Lehre und Rechtsprechung darf das kantonale Recht auch den Rang dieser gesetzlichen Grundpfandrechte festlegen, ja ihnen sogar den Vorrang vor anderen Grundpfandrechten einräumen.106

1658

Als Beispiel vgl. § 32 des Luzerner Gesetzes über die Grundstückgewinnsteuer vom 31. Oktober 1961107: «Für die Steuerforderung samt Verzugszins besteht vom Zeitpunkt der Veräusserung an ein den übrigen Pfandrechten im Rang vorgehendes gesetzliches Pfandrecht, jedoch längstens für die Dauer von zwei Jahren seit Eintritt der Fälligkeit [Abs. 1; Abs. 2 ist aufgehoben]. Wer ein konkretes Kaufsinteresse an einem Grundstück nachweist, kann von der Veranlagungsbehörde Auskunft über den Bestand und die mutmassliche Höhe der auf dem Grundstück haftenden Pfandrechte für Grundstückgewinnsteuerforderungen verlangen [Abs. 3].»108

3. Für diese Zulässigkeit unmittelbarer gesetzlicher Pfandrechte der Kantone stellt das Bundesrecht jedoch gewisse Schranken auf:109

1659

– Für das kantonale Pfandrecht erforderlich ist stets eine gesetzliche Grundlage im kantonalen Recht.110

1660

– Aus Art. 836 ZGB ergibt sich sodann, «dass diese kantonalen Pfandrechte für öffentlich-rechtliche Forderungen den Pfandtypus der Grundpfandverschreibung des ZGB benützen müssen, da sie doch berufen sind, in ihrer Wirkung mit den privaten Grundpfandrechten in Konkurrenz zu treten».111

1661

– Schliesslich sind solche Pfandrechte nur zur Sicherung von Forderungen zulässig, die eine besondere Beziehung zum belasteten Grundstück haben.112 Art. 836 Abs. 1 ZGB bezieht sich seit dem 1. Januar 2012 wörtlich auf «Forderungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem belasteten Grundstück stehen», und stellt damit ein Erfordernis auf, das auch für die Fälle von Abs. 2 gelten muss (vgl. bereits vorne Nr. 1656).

1662

105

106

107

108

109

110 111

112

BGE 84 II 91 ff. (100), E. 2; ähnlich 122 I 351 ff. (354), E. 1e; BGer vom 28. September 1998, in ZBGR 81/2000, S. 242 ff. (246), E. 2a und b = Pra 88/1999, Nr. 30, S. 179 ff.; BGer 2C_674/2011, E. 3.4.1, und 2C_798/2011, E. 4.3 = ZBGR 97/2016, S. 35 ff. BGE 85 I 32 ff. (37 f.), E. 3; BGer vom 23. April 1993, in ZBGR 76/1995, S. 315 ff. = ASA 62/1993– 94, S. 570 ff.; leemann, BeKomm, N 15 zu Art. 836 ZGB; PeteR Stähli, Diss. (zitiert in Nr. 1690), S. 176 ff. SRL Nr. 647. Zu den einzelnen Kantonen vgl. auch die Übersicht bei PeteR Stähli, Diss. (zitiert in Nr. 1690), S. 72 f. Vgl. dazu louiS bochud, Notar und Steuern, ZBGR 76/1995, S. 1 ff. (7 ff.); LGVE 1999 I Nr. 41, S. 85 ff. (Luzerner Obergericht); BGer 2C_798/2011, E. 2 und 3 = ZBGR 97/2016, S. 35 ff. Zum Ganzen vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 2831 und 2842 ff.; zum bisherigen Recht a Rmin zucKeR (zitiert in Nr. 1690), S. 17 ff. und 35 ff. BGE 117 III 36 ff. (37 unten), E. 2. BGE 84 II 91 ff. (100 f.), E. 2 (kursiv von den Verfassern); ähnlich 85 I 32 ff. (37 unten), E. 3; 110 II 236 ff. (237 f.), E. 1; BGer vom 23. April 1993, in ZBGR 76/1995, S. 315 ff. = ASA 62/1993–94, S. 570 ff. Zum bisherigen Recht vgl. BGE 62 II 24 ff. (29); 85 I 32 ff. (37 f.), E. 3; 110 II 236 ff. (237 f.), E. 1; 62/1993–94, S. 570 ff.; BGE 122 I 351 ff. (355 und 357), E. 2a und d; BGer vom 28. September 1998, in ZBGR 81/2000, S. 242 ff. (246), E. 2b/aa = Pra 88/1999, Nr. 30, S. 179 ff. Vgl. zum Ganzen auch PeteR Stähli, Diss. (zitiert in Nr. 1690), S. 49 ff. und 87 ff.

500

Die Grundpfandrechte

Unzulässig wäre namentlich ein Grundpfandrecht für Forderungen auf Rückerstattung von Fürsorgeleistungen.113 Zur Sicherung der Liquidationsgewinnsteuer ist ein kantonales Steuerpfandrecht insoweit zulässig, als der Liquidationsgewinn auf eine Wertsteigerung des Grundstücks zurückgeht, nicht aber, soweit er auf andere Faktoren zurückzuführen ist.114 Entscheidend ist also, dass die pfandgesicherte Abgabe ihre Grundlage ausschliesslich im Grundeigentum hat; das trifft nur (aber immerhin) für gewisse Anteile der Einkommens- und Vermögenssteuern sowie für Bussen wegen Fiskaldelikten und Steuerhinterziehungen zu.115 1662a

Gesetzliche Grundpfandrechte zur Sicherung von Steuerforderungen machen zwar den Hauptteil der zu Art. 836 ZGB publizierten Entscheidungen aus. Nach Massgabe der kantonalen Gesetzgebung kommt aber auch die Sicherung anderer, sich auf ein bestimmtes Grundstück beziehender öffentlich-rechtlicher Forderungen in Betracht, etwa: Abgaben für den Unterhalt von Strassen, Trottoirs, Kanalisations- oder Wasserversorgungsanlagen, obligatorische Feuerversicherungsprämien oder Abgaben im Zusammenhang mit Bodenverbesserungen.116

1663

4. Pfandrechte, die ohne Eintragung in das Grundbuch entstehen, stellen einen Einbruch in das sachenrechtliche Publizitätsprinzip dar und bringen Gefahren mit sich: Einerseits haben sie «eine gewisse Rechtsunsicherheit zur Folge … und [können] den Wert der vertraglichen Pfandrechte unter Umständen beeinträchtigen».117 Andererseits riskiert der Käufer einer Liegenschaft, dass der Staat die Grundstückdie Zwangsvollstreckung nun gegen dieses Grundstück (als Drittpfand) richtet;118 der Kaufsinteressent muss deshalb danach trachten, sich namentlich durch eine besondere Vertragsgestaltung gegen unliebsame «Überraschungen» zu schützen.119 In einem Entscheid des Jahres 1993120 hat das Bundesgericht eine Vereitelung von Bundeszivilrecht durch das zürcherische Steuerpfandrecht verneint – immerhin mit dem Hinweis, dem (durch massive Pfandrechte möglicherweise gefährdeten) Grundstückerwerber ständen nach zürcherischem Recht umfassende Informationsmöglichkeiten zu, verbunden mit der Berechtigung, vom Veräusserer für den mutmasslichen Betrag der Grundstückgewinnsteuer Sicherstellung zu verlangen.

113

114 115

R iemeR, S. 103, u.a. mit Hinweis auf ZBGR 42/1961, S. 105 ff. (Ansichtsäusserung des Eidgenössischen Grundbuchamtes). Zu Art. 109b lit. b EG ZGB BE (Bernische Rechtssammlung Nr. 211.1) vgl. m aRc h äuSleR /PetRa h änni, Grundpfandrechtliche Sicherstellung von Sozialhilfeleistungen, Jusletter vom 7. Dezember 2015. BGE 122 I 351 ff.; FZR 1995, S. 355 ff. (356), E. 2a (Freiburger Verwaltungsgericht). Im Einzelnen BGer vom 28. September 1998, in ZBGR 81/2000, S. 242 ff. (247 und 249 f.), E. 2b/ bb und 3e/bb = Pra 88/1999, Nr. 30, S. 179 ff. Vgl. auch PeteR Stähli, Diss. (zitiert in Nr. 1690), S. 92 ff. und 118 ff. Für die Einkommenssteuern generell ablehnend Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5319.

116

117 118 119

120

Nr. 30, S. 179 ff.; vgl. ferner etwa leemann, BeKomm, N 6 f. zu Art. 836 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2831. BGE 85 I 32 ff. (38), E. 3. Beispiel: BGE 122 I 351 ff. Dazu thomaS KolleR (zitiert in Nr. 1690), S. 42 ff., der bei fehlender Risikoaufklärung auch eine Haftung des Notars in Betracht zieht (vgl. auch louiS bochud, ZBGR 76/1995, S. 12; PeteR Stähli, Diss. [zitiert in Nr. 1690], S. 239 ff.; JöRg Schmid, Grundlagen zur notariellen Belehrungs- und Bera2006, S. 3 ff., besonders S. 26 f.). BGer vom 23. April 1993, in ZBGR 76/1995, S. 315 ff. (318), E. 2b = ASA 62/1993–94, S. 570 ff.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

501

Diese Gefahren haben den Bundesgesetzgeber zum Erlass von Art. 836 Abs. 2 und 3 ZGB veranlasst (in Kraft seit 1. Januar 2012), die gutgläubige Dritte schützen: Lauten solche kantonalen (unmittelbaren) gesetzlichen Grundpfandrechte auf einen Betrag von über 1000 Franken und werden sie nicht innert vier Monaten nach der Fälligkeit der zugrunde liegenden Forderung, spätestens jedoch innert zwei Jahren seit der Entstehung der Forderung, in das Grundbuch eingetragen, so können sie nach Ablauf der Eintragungsfrist Dritten, die sich in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen (haben), nicht mehr entgegengehalten werden (Abs. 2).121 Das kantonale Recht kann weiter gehende Einschränkungen vorsehen (Abs. 3).122

1663a

Die vor dem 1. Januar 2012 entstandenen, nicht im Grundbuch eingetragenen gesetzlichen Pfandrechte des kantonalen Rechts können nach Art. 44 Abs. 3 SchlT ZGB Dritten, die sich in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen (haben), noch während zehn Jahren nach dem Inkrafttreten entgegengehalten werden.123 – Nach dem Gesagten schützen diese Bestimmungen nur den (gutgläubigen) Dritten. Der Erwerber (Käufer) des Grundstücks ist mit Bezug auf die aus diesem Erwerb herrührende Grundstückgewinnsteuerforderung und das entsprechende gesetzliche Pfandrecht nicht Dritter. Ihm gegenüber (wie auch gegenüber seinen Erben und allen bösgläubigen Dritten) entstehen und wirken unmittelbare gesetzliche Pfandrechte – wie erläutert – ohne Eintragung in das Grundbuch (vorne Nr. 1657).

2.

Die mittelbaren gesetzlichen Grundpfandrechte

Bei den mittelbaren gesetzlichen Grundpfandrechten («les hypothèques légales indirectes») entsteht das Pfandrecht erst mit der Eintragung in das Grundbuch, doch hat eine bestimmte Person unter den gesetzlich umschriebenen Voraussetzungen einen (obligatorischen) Anspruch auf Eintragung. Zuerst (A.) ist zu prüfen, wo das Gesetz dies vorsieht; anschliessend (B.) sind allgemeine Aussagen über die Rechtslage bei mittelbaren gesetzlichen Grundpfandrechten zu machen. Der praktisch wichtigste Anwendungsfall des mittelbaren gesetzlichen Grundpfandrechts, nämlich das Bauhandwerkerpfandrecht, wird separat behandelt (hinten Nr. 1692 ff.).

1664

Auch die Kantone können (statt unmittelbare) mittelbare gesetzliche Grundpfandrechte vorsehen. Seit 1. Januar 2012 erwähnt Art. 836 Abs. 1 ZGB diese Möglichkeit explizit (vorne Nr. 1656a).124 Davon ist im Folgenden, wo nur die bundesrechtlichen mittelbaren gesetzlichen Pfandrechte erläutert werden, nicht mehr die Rede.

A.

Die wichtigsten Fälle (im Bundesrecht)

Einen Anspruch einer Person auf Eintragung eines gesetzlichen Pfandrechts sieht das Bundesrecht namentlich in folgenden Fällen vor:

1665

1. für die Forderung des Verkäufers am verkauften Grundstück (Verkäuferpfandrecht; Art. 837 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB);

1666

121 122

123 124

BGer 8C_634/2014, E. 6.5 und 6.6. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5319. Die eidgenössischen Räte haben die sechsmonatige Frist des bundesrätlichen Entwurfs auf vier Monate verkürzt (Amtl.Bull. StR 2008, S. 415; Amtl.Bull. NR 2009, S. 622). Vgl. auch Schmid, Neuerungen im Grundpfandrecht, S. 223 ff. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5319. Zur (gleichen) Rechtslage vor dem 1. Januar 2012 vgl. leemann, BeKomm, N 1 zu Art. 836 ZGB; Beispiel: ZBGR 63/1982, S. 164 ff. (Solothurner Obergericht).

502

Die Grundpfandrechte

Das Pfandrecht sichert mit anderen Worten den Kaufpreis bzw. dessen Restanz aus dem Grundstückkaufvertrag.125 1667

2. für die Forderung der Miterben und Gemeinder aus Teilung an den Grundstücken, die der Gemeinschaft gehörten (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB); Zu Sonderfällen der Sicherung des Gewinnanspruchs der Miterben im bäuerlichen Bodenrecht vgl. Art. 34 BGBB und hinten Nr. 1671a.

1668

3. für die Forderungen der Handwerker oder Unternehmer, die zu Bauten oder anderen Werken auf einem Grundstück Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben (Bauhandwerkerpfandrecht; Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB; dazu ausführlich hinten Nr. 1692 ff.);

1669

4. für Beitragsforderungen der Stockwerkeigentümergemeinschaft (Art. 712i ZGB; vorne Nr. 1048 ff.);

1670

5. für gewisse Forderungen im Baurechtsverhältnis, nämlich – für die Entschädigungsforderung des Baurechtsberechtigten (oder eines Gläubigers, dem das Baurecht verpfändet war) beim Heimfall (Art. 779d Abs. 2 und 3 ZGB; vorne Nr. 1393); – für die Baurechtszinsforderung des Grundeigentümers (Art. 779i und 779k ZGB; vorne Nr. 1397 ff.);

1671

6. für die Forderungen des Pfründers, der dem Pfrundgeber ein Grundstück übertragen hat (Art. 523 OR).

1671a

Ein besonderes mittelbares gesetzliches Grundpfandrecht gilt sodann für gewisse Gewinnansprüche nach bäuerlichem Bodenrecht (Art. 34, 37 Abs. 4, Art. 41 Abs. 1 Satz 2 und Art. 53 Abs. 2 BGBB).126

B. 1672

Die Rechtslage

Über die mittelbaren gesetzlichen Grundpfandrechte lassen sich folgende allgemeine Aussagen machen: a.

Das Recht auf Eintragung als Forderung

1673

Das Recht auf Eintragung eines mittelbaren gesetzlichen Pfandrechts ist ein obligatorischer (persönlicher, schuldrechtlicher) Anspruch, eine Forderung.

1674

1. Diese Forderung hat ihren Ursprung im Gesetz: Sind die im Gesetz umschriebenen Voraussetzungen erfüllt, entsteht die Forderung auf Eintragung.127 Eines Pfandvertrags bedarf es gerade nicht.

1675

2. Inhaltlich richtet sich die Forderung auf Eintragung des Pfandrechts. Soweit die Eintragung der Mitwirkung des Schuldners bedarf (Art. 839 Abs. 3 ZGB und

125

126 127

BGE 51 II 284 ff. (292), E. 4; beRnhaRd SchnydeR (zitiert in Nr. 1690), § 4 N 59 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2835 f. Vgl. tuoR /SchnydeR /Schmid/Jungo, § 84 N 92 und § 113 n 37. SteinaueR, Band III, Nr. 2844.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

503

Art. 76 Abs. 2 GBV), schuldet dieser die Abgabe einer Willenserklärung, nämlich der Anmeldungserklärung an das Grundbuchamt (Art. 963 Abs. 1 ZGB). 3. Die (hier beschriebene) Forderung auf Eintragung des gesetzlichen Pfandrechts ist zu unterscheiden von der Geldforderung, die durch das Pfandrecht gesichert werden soll (Geldforderung des Verkäufers, der Miterben, der Bauhandwerker usw.). b.

1676

Die Verknüpfung mit dem Grundstück («Realobligation»)

Die Forderung auf Eintragung des Pfandrechts ist derart mit einem bestimmten Grundstück verknüpft, dass der Anspruch gegen den Eigentümer dieses Grundstücks geltend gemacht werden muss. Mit anderen Worten:

1677

1. Schuldner der Forderung auf Eintragung ist der jeweilige Eigentümer des betreffenden Grundstücks (sogenannte Realobligation, «obligation propter rem»; vorne Nr. 21 ff.).

1678

Das kommt deutlich zum Ausdruck in Art. 712i Abs. 1 ZGB («gegenüber jedem jeweiligen Stockwerkeigentümer») und Art. 779i Abs. 1 ZGB («gegenüber dem jeweiligen Bauberechtigten»), gilt jedoch nach Lehre und Rechtsprechung für alle mittelbaren gesetzlichen Pfandrechte.128

2. Der Berechtigte hat demnach die Forderung auf Eintragung des Pfandrechts gegen den jeweiligen (aktuellen) Eigentümer des betreffenden Grundstücks zu richten. Dieser muss die Eintragung erlauben/dulden. Das gilt nach überwiegender Auffassung selbst dann, wenn der betreffende Eigentümer nicht Schuldner der sicherzustellenden Forderung ist, sondern beispielsweise das Grundstück von diesem Schuldner erworben und seine Gegenleistung bereits erbracht hat. Auch der gutgläubige Erwerber eines Grundstücks riskiert also, dass dieses Grundstück mit einem Pfandrecht für eine fremde Schuld belastet wird (Drittpfandverhältnis).

1679

Die realobligatorische Natur ist vom Bundesgericht insbesondere für das Bauhandwerkerpfandrecht anerkannt worden.129 Man muss sich indessen fragen, ob diese Lösung – die sich nicht zwingend aus dem Gesetzeswortlaut ergibt – in allen Fällen sachgerecht ist: Soll beispielsweise das Risiko, dass Bauhandwerker (namentlich Subunternehmer) von ihrem Werkvertragspartner (Generalunternehmer) nicht bezahlt worden sind, vom gutgläubigen Erwerber des Grundstücks oder aber vom Handwerker getragen werden (vgl. hinten Nr. 1732)?

c.

Die Entstehung des Pfandrechts

Das Pfandrecht entsteht (als beschränktes dingliches Recht) nicht schon mit der Geltendmachung des Anspruchs, sondern erst mit der Eintragung in das Grundbuch.130 Der Berechtigte muss also die Eintragung des Pfandrechts in das Grundbuch erwirken. Dazu ist wie folgt vorzugehen:

1680

1. Der Ausweis für die Eintragung eines gesetzlichen Grundpfandrechts wird gemäss Art. 76 Abs. 1 GBV «durch die Urkunden erbracht, die zur Begründung der Forderungen nötig sind, für die das Grundpfandrecht eingetragen werden soll». Diese

1681

128 129 130

SteinaueR, Band III, Nr. 2845; BGE 120 Ia 240 ff. (245 unten), E. 3c. Grundlegend BGE 92 II 227 ff. (229 f.), E. 1; ferner etwa BGE 134 III 147 ff. (150), E. 4.3. So schon eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 277 f.; illustrativ BGE 40 II 452 ff. (456 f.), E. 2; 125 III 248 ff. (249), E. 2b.

504

Die Grundpfandrechte

Bestimmung enthält den Grundsatz und besagt, dass der Berechtigte die Errichtung des Pfandrechts von sich aus – ohne Zustimmung des Grundeigentümers – beim Grundbuchamt erwirken kann (Art. 963 Abs. 2 ZGB).131 Der französische Wortlaut des Ingresses zu Art. 837 ZGB lautet denn auch: «Peuvent requérir l’inscription d’une hypothèque légale …». So kann beispielsweise der Grundstückverkäufer unter Vorlage des öffentlich beurkundeten Kaufvertrags selber beim Grundbuchamt die Eintragung des Verkäuferpfandrechts (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB) verlangen.132 Dem Grundeigentümer, der die Voraussetzungen des gesetzlichen Pfandrechts bestreitet, steht nach der Eintragung die Grundbuchberichtigungsklage offen (Art. 975 ZGB).133 1682

2. Zum genannten Grundsatz sind jedoch folgende wichtige Einschränkungen zu beachten:

1683

– Die mittelbaren gesetzlichen Pfandrechte oder der Anspruch auf ihre Geltendmachung werden vom Gesetz regelmässig befristet: Innert der vom Gesetz vorgeschriebenen Frist muss (grundsätzlich) das Pfandrecht im Grundbuch eingetragen sein, sonst verwirkt der Anspruch auf Errichtung. Diese Befristung gilt freilich nicht für alle gesetzlichen Pfandrechte, so dass die Rechtslage für jede einzelne Pfandrechtsart geprüft werden muss:

1684

• Die Befristung bildet die Regel: Für den Verkäufer, die Miterben und die Gemeinder muss die Eintragung spätestens drei Monate nach Übertragung des Eigentums (Art. 838 ZGB),134 für die Bauhandwerker spätestens vier Monate nach der Vollendung der Arbeit (Art. 839 Abs. 2 ZGB) erfolgen (im Einzelnen hinten Nr. 1752 ff.). Das Pfandrecht des Bauberechtigten für seine Entschädigungsforderung muss spätestens drei Monate nach dem Untergang des Baurechts eingetragen werden (Art. 779d Abs. 3 ZGB; vorne Nr. 1393). Es fällt auf, dass diese Fristen uneinheitlich lang sind, seit der Gesetzgeber mit Wirkung auf den 1. Januar 2012 die Eintragungsfrist für das Bauhandwerkerpfandrecht von drei auf vier Monate verlängert hat (hinten Nr. 1752 ff.). Das schadet der Rechtsklarheit.

• Keine Befristung des Rechts auf Eintragung gilt (trotz der Verweisung auf das Bauhandwerkerpfandrecht in Art. 712i Abs. 3 ZGB) für das Pfandrecht der Stockwerkeigentümergemeinschaft nach Art. 712i ZGB; doch ist es auf die Beitragsforderungen beschränkt, die auf die letzten drei Jahre entfallen135 (vgl. vorne Nr. 1051). Auch Art. 779k Abs. 1 ZGB ordnet an, das Pfandrecht für den Baurechtszins könne «jederzeit» eingetragen werden, so dass hier ebenfalls keine Befristung besteht136 (vorne Nr. 1401).

1685

131

132

133 134

135 136

Jeweils unter Bezugnahme auf die alte Grundbuchverordnung (Art. 22 Abs. 1 aGBV) leemann, BeKomm, N 15 zu Art. 837 ZGB; deSchenaux, S. 285 ff.; R iemeR, S. 105. leemann, BeKomm, N 4 zu Art. 838 ZGB; beRnhaRd SchnydeR (zitiert in Nr. 1690), § 4 N 75; SteinaueR, Band III, Nr. 2848; thuRnheRR, BaKomm, N 17 f. zu Art. 837/838 ZGB; bovey, ComRom, N 3 f. zu Art. 838 ZGB; bettina deillon-Schegg (zitiert in Nr. 565), S. 261 f.; Ruth a Rnet (zitiert in Nr. 1690), S. 444; vgl. auch PeteR R eetz/daniel SyKoRa, Eintragung eines Verkäuferpfandrechtes durch den Einzelrichter im summarischen Verfahren, Jusletter vom 30. Juni 2008. leemann, BeKomm, N 9 zu Art. 838 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2852. Dazu BGE 74 II 231 ff. (232 f.), E. 3: Berechnung ab Tagebucheinschreibung; bestätigt in BGE 138 III 512 ff. (516), E. 3.4.1. SteinaueR, Band I, Nr. 1352a; m eieR-h ayoz/R ey, BeKomm, N 45 zu Art. 712i ZGB. SteinaueR, Band III, Nr. 2554.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

505

– Die Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts (im Einzelnen hinten Nr. 1765 ff.) kann gemäss Art. 839 Abs. 3 ZGB (und Art. 76 Abs. 2 GBV) nur dann erfolgen, wenn «die Pfandsumme vom Eigentümer anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist». Bei Bauhandwerkerpfandrechten ist demnach die Mitwirkung des Eigentümers (oder eine gerichtliche Anordnung) für die Entstehung des Pfandrechts unentbehrlich. Da die Fristen zur Eintragung recht kurz sind,

1686

durch den Grundbuchverwalter vorzunehmen, der den Eigentümer des belasteten Grundstücks zu benachrichtigen hat (Art. 969 ZGB). Diese Regelung gilt gemäss Art. 76 Abs. 2 GBV auch für die Pfandrechte nach Art. 779d, 779i und 779k sowie 712i ZGB.

– Die Eintragung des gesetzlichen Pfandrechts kann auch nach einer Pfändung des Grundstücks oder nach der Konkurseröffnung über den Eigentümer verlangt werden.137 d.

1687

Einzelfragen

1. Auf die gesetzlichen Pfandrechte von Art. 837 ZGB «kann der Berechtigte nicht zum Voraus verzichten» (Art. 837 Abs. 3 ZGB).138 Dieses Verbot des Vorausverzichts auf den Anspruch gilt kraft gesetzlicher Verweisungen auch für weitere mittelbare gesetzliche Grundpfandrechte.139 Es rechtfertigt sich für alle derartigen Pfandrechte.140

1688

2. Einmal eingetragen, hat das gesetzliche Pfandrecht grundsätzlich die gleichen Wirkungen wie ein rechtsgeschäftlich begründetes. Der Rang der Hypothek bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln (Prinzip der Alterspriorität, Art. 972 Abs. 1 und 2 ZGB); immerhin gelten einzelne Besonderheiten (vgl. Art. 779d Abs. 2 und Art. 840 f. ZGB).141

1689

3. Beim Bauhandwerkerpfandrecht sieht das Gesetz ausdrücklich die Möglichkeit vor, das gesetzliche Pfandrecht durch Leistung hinreichender Sicherheit abzuwehren (Art. 839 Abs. 3 ZGB; dazu hinten Nr. 1741 ff.). Diese Regel lässt sich indessen nach der hier vertretenen Auffassung auf alle mittelbaren gesetzlichen Pfandrechte ausdehnen, da die Pfandrechte in jedem Fall ein subsidiäres Sicherungsmittel darstellen. Auch die übrigen gesetzlichen Pfandrechte können demnach durch die Leistung hinreichender Sicherheit abgewehrt werden.142

1689a

137

138

139 140 141 142

SteinaueR, Band III, Nr. 2845b; für den Konkursfall: BGE 119 III 124 ff. (125), E. 2; 95 II 31 ff. (36 f.), E. 4. BGE 132 III 226 ff. (239), E. 3.3.7. Der seit 1. Januar 2012 geltende Wortlaut («Auf gesetzliche Grundpfandrechte nach diesem Artikel ...») stellt laut dem Bundesrat eine redaktionelle VerdeutliRuth a Rnet (zitiert in Nr. 1690), S. 445 ff. Vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 2846 ff. eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 281. leemann, BeKomm, N 16 zu Art. 837 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2853 f. Vgl. auch thuRnheRR, BaKomm, N 28 zu Art. 837/838 ZGB; a.M. Ruth a Rnet (zitiert in Nr. 1690), S. 445.

506

3. 1690

Weiterführende Literatur

abbet StéPhane, L’hypothèque légale en garantie des créances de droit public, RDAF 65/2009 II, S. 405 ff. – aRnet Ruth,

– –

– – –

– –



4. 1691

Die Grundpfandrechte

Schmid Jürg (Hrsg.), Der Grundstückkauf, La vente immobilière, Zürich 2010, S. 427 ff. heSS toni, Das gesetzliche Steuerpfandrecht des bündnerischen Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch (Teil 1), ZGRG 13/1994, S. 89 ff. KolleR thomaS, Gesetzliche Grundpfandrechte zur Sicherung von Steuerforderungen – Probleme für Grundstückkäufer und Banken, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), Theorie und Praxis der Grundpfandrechte, Berner Bankrechtstag 1996, Bern 1996, S. 33 ff. PedRoli andRea, L’ipoteca legale per crediti d’imposta, RDAT 1995, S. 529 ff. Piotet Paul, Les hypothèques légales de droit public vaudois, ZBGR 44/1963, S. 65 ff. SchnydeR beRnhaRd, Vertragserfüllung und deren Sicherung in sachenrechtlicher Sicht, in: Koller Alfred (Hrsg.), Der Grundstückkauf, 2. A., Bern 2001, § 4 (S. 131 ff.), besonders N 59 ff. betreffend das Verkäuferpfandrecht. Stähli PeteR, Das Steuerpfandrecht nach Art. 241 StG – ein kurzer Blick hinter die Kulissen, BN 63/2002, S. 273 ff. (zitiert: Stähli, Steuerpfandrecht). deRSelbe, Das Steuergrundpfandrecht unter besonderer Berücksichtigung des bernischen Rechts, Diss. Bern 2006 (zitiert: Stähli, Diss.). zollingeR daniel, Die gesetzlichen Zusatzpfandrechte an Grundstücken gemäss der Revision des Schweizerischen Zivilgesetzbuches 2009, Diss. Zürich 2011. zucKeR aRmin, Das Steuerpfandrecht in den Kantonen, Diss. Zürich 1988.

Fälle

1. BGE 85 I 32 ff. Unmittelbares gesetzliches Grundpfandrecht des Kantons Zürich (mit Vorrang vor allen übrigen Pfandrechten) zur Sicherung der Grundstückgewinnsteuern (vgl. auch BGer 2C_798/2011, E. 4.3 = ZBGR 97/2016, S. 35 ff. [Kanton Luzern]). 2. BGer vom 28. September 1998, in ZBGR 81/2000, S. 242 ff. = Pra 88/1999, Nr. 30, S. 179 ff. Unmittelbares gesetzliches Grundpfandrecht des Kantons Neuenburg zur Sicherung von Einkommens- und Vermögenssteuern sowie von Bussen. Schranken der Zulässigkeit. 3. BGE 51 II 284 ff. Gesetzliches Grundpfandrecht des Verkäufers (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB).

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

507

III. Das Bauhandwerkerpfandrecht insbesondere Einführende Literatur: – R iemeR, S. 146 ff. – SteinaueR, Band III, Nr. 2855 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 113 N 38 ff.

1692

Wichtige Spezialliteratur: – de halleR Jean-claude, L’hypothèque légale de l’entrepreneur, Des solutions nouvelles à de vieux problèmes?, ZSR NF 101/1982 II, S. 189 ff. – gauch PeteR, Der Werkvertrag, 5. A., Zürich 2011 (besonders Nr. 183 ff. und 1300 ff.). – liveR PeteR, Die Begründung des Bauhandwerkerpfandrechts, ZBJV 98/1962, S. 209 ff. – SchumacheR R aineR, Das Bauhandwerkerpfandrecht, Systematischer Aufbau, 3. A., Zürich 2008 (zitiert: SchumacheR).

1693

tematische Darstellung der Praxis, 2. A., Zürich 1982) werden zitiert: SchumacheR (2. A.).

deRSelbe, 2011 (zitiert: SchumacheR, Ergänzungsband). – zobl dieteR, Das Bauhandwerkerpfandrecht de lege lata und de lege ferenda, ZSR NF 101/1982 II, S. 1 ff. (zitiert: zobl, Bauhandwerkerpfandrecht).

1.

Allgemeines

1. Das praktisch wichtigste mittelbare gesetzliche Grundpfandrecht ist das in Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB und in weiteren Bestimmungen geregelte Pfandrecht für gewisse Forderungen «der Handwerker oder Unternehmer» («l’hypothèque légale des artisans et entrepreneurs»), kurz als Bauhandwerkerpfandrecht bezeichnet (gelegentlich auch als Baupfand oder Baupfandrecht; vgl. Art. 120 lit. a GBV). Es beruht auf folgenden gesetzgeberischen Überlegungen:143

1694

– Handwerker und Unternehmer (kurz: Bauhandwerker) tragen regelmässig zu einer Wertvermehrung von Grundstücken bei, indem sie für Neubauten, Umbauten oder Ausbesserungen Arbeit leisten und Material liefern. Wegen des Akzessionsprinzips (Art. 667 ZGB) wird das eingebaute Material unmittelbar Bestandteil des Grundstücks und fällt damit in das Eigentum des Grundeigentümers; ein Faustpfand- oder Retentionsrecht der Bauhandwerker an den eingebauten Teilen ist demnach nicht möglich.144

1695

– Im Werkvertragsrecht des Obligationenrechts von 1881 sah die (dispositive) Bestimmung von Art. 363 Abs. 1 aOR vor, der Besteller habe «den Lohn bei der Ablieferung des Werkes zu zahlen». Das gilt nach Art. 372 Abs. 1 OR auch heute noch. Mangels einer anderen Abrede ist der Unternehmer demnach hinsicht-

1696

143 144

SteinaueR, Band III, Nr. 2855 ff.; SchumacheR, Nr. 216 ff. BGE 116 II 677 ff. (682), E. 4a; 103 II 33 ff. (35), E. 2a; 95 II 87 ff. (90), E. 3.

508

Die Grundpfandrechte

lich der ganzen Werkherstellung

145

Nach den wirtschaftli-

Bauhandwerkern sodann faktisch unmöglich, für ihre Werklohnforderung Vorauszahlung oder eine besondere Sicherstellung zu verlangen.146 Auch wenn es dennoch ausnahmsweise zu einer Sicherstellung durch vertragliche Grundpfandverschreibung kam, erwies sich die Einbringlichkeit der Werklohnforderung als fraglich: Bevor die Bauhandwerker überhaupt mit ihren Arbeiten begannen, war nämlich das betreffende Grundstück regelmässig mit Grundpfandrechten zu Gunsten anderer Gläubigerinnen (einer privaten Geldgeberin oder einer Bank) belastet worden.147 eugen hubeR148 nimmt bei der Erläuterung des Bauhandwerkerpfandrechts Bezug auf die Ausdehnung der Städte und auf die damit zusammenhängenden Bauschwindel. Er beschreibt auch ein damals typisches Manöver, «das von gewissenlosen Spekulanten gemacht wird, um wohlfeil in den Besitz eines Hauses zu gelangen. Der Spekulant gibt einem Strohmann das Geld, womit dieser gegen Verpfändung einen Bauplatz kaufen kann. Auf diesem wird nun der Bau auf Kredit errichtet, und zwar mit dem Effekt, dass das Grundstück mit jedem Tag wertvoller wird, während die Bauhandwerker für ihre geleistete Arbeit und gelieferten Materialien mit ihrer persönlichen ungedeckten Forderung an den Strohmann gewiesen bleiben. Dann geht in einem günstigen Moment der Spekulant gegen diesen mit seiner wirklichen oder auch oft auf und der Spekulant greift vermöge seines Pfandrechtes auf das einzig vorhandene Aktivum, auf die Liegenschaft, um sie an der Zwangsversteigerung als halbfertigen Bau meistens um billiges Geld selbst zu ersteigern. Die Handwerker aber kommen in die unprivilegierte, letzte Klasse und gehen mit ihren Forderungen leer aus.»

– Zusammenfassend verlangten nach der Meinung des Bunderates «die Verhältnisse … nach einem Schutz für die redliche Arbeit» der Bauhandwerker.149

1697

Weniger weit geht demgegenüber nach deutschem Recht die Sicherungshypothek des Bauunternehmers gemäss § 648 Abs. 1 BGB.150 Vgl. nun auch § 648a BGB (Bauhandwerkersicherung). 1698

2. Zum Schutz der Bauhandwerker stellte der Gesetzgeber in Art. 837 ff. ZGB spezielle Regeln auf, die folgende Kennzeichen aufweisen:

1699

– Die Bauhandwerker erhalten ein besonderes (mittelbares) gesetzliches Grundpfandrecht; unter bestimmten Voraussetzungen haben sie demnach zur Sicherung ihrer Forderungen einen gesetzlichen Anspruch auf Eintragung eines Pfandrechts (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB; dazu hinten Nr. 1703 ff.). Der durch das Forderungen der Bauhandwerker schützen, welche durch ihre Leistungen zur Wertvermehrung beigetragen haben.151

145 146 147

148 149 150

151

gauch, Nr. 1154. eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 277; Botschaft zum ZGB (1904), BBl 1904 IV, S. 81. Vgl. auch SchumacheR (2. a.), Nr. 57, mit Hinweis auf ZR 79/1980, Nr. 12, S. 19 ff. (20), E. II./1, und Nr. 128, S. 270 ff. (272), E. III (Zürcher Obergericht). eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 276 f. Botschaft zum ZGB (1904), BBl 1904 IV, S. 81. FRitz bauR /JüRgen F. bauR /RolF StüRneR, Sachenrecht, 18. A., München 2009, § 41 N 7 und § 53 N 6; SchumacheR (2. a.), Nr. 18 ff. BGE 119 II 421 ff. (423 und 425), E. 2 und 3b; 117 II 563 ff. (568), E. 3b; 116 II 677 ff. (682), E. 4a. rechts vgl. SchumacheR, Nr. 105 ff.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

509

Der Anspruch auf Pfanderrichtung ist zwingend; der Bauhandwerker kann nicht zum Voraus auf das gesetzliche Pfandrecht verzichten (Art. 837 Abs. 2 ZGB).152 Aus Gründen der Rechtssicherheit ist der Anspruch auf Eintragung des Pfandrechts immerhin befristet: Die Eintragung in das Grundbuch muss «bis spätestens vier Monate nach der Vollendung» der Arbeit des betreffenden Bauhandwerkers erfolgen (Art. 839 Abs. 2 ZGB; dazu hinten Nr. 1752 ff.).

– Die verschiedenen Bauhandwerker werden bezüglich des Rangs ihrer gesetzlichen Grundpfandrechte untereinander gleichgestellt (Art. 840 ZGB; dazu hinten Nr. 1784).

1700

– Kommen Bauhandwerker bei der Pfandverwertung zu Verlust, so haben sie unter gewissen Voraussetzungen gegen die vorrangigen Pfandgläubigerinnen – in der Praxis regelmässig gegen eine Bank – ein besonderes Vorrecht (Art. 841 ZGB; dazu hinten Nr. 1786 ff.). Diese Bevorzugung rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass die Bauhandwerker durch Arbeit und Material einen Mehrwert geschaffen haben, «der ihnen ohne unbillige Benachteiligung der schon bestehenden Pfandrechte überlassen werden muss».153

1701

Ob die vom Gesetzgeber im Jahr 1907 angenommene Schutzbedürftigkeit der Bauhandwerker in gleicher Weise auch heute noch besteht (und wie weit der Schutz reichen soll), ist de lege ferenda Abs. 1 OR unter den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen jedenfalls nicht mehr bejahen.154 werden Akontozahlungen vereinbart, so auch in Art. 144 ff. der SIA-Norm 118, «Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten».155 Sicherheitsleistungen des Bestellers für die Werklohnschuld kommen ebenfalls vor. In den Beratungen des BG vom 11. Dezember 2009 (Register-Schuldbrief und weitere Änderungen im Sachenrecht) haben die eidgenössischen Räte am Institut des Bauhandwerkerund damit deren Schutzbedürftigkeit nach wie vor bejaht.

3. Die nachfolgende Darstellung umschreibt zunächst (2.) die Voraussetzungen für die Errichtung des Pfandrechts. Dann werden (3.) die Errichtung und (4.) die Wirkungen des Bauhandwerkerpfandrechts erläutert. Anschliessend (5.) kommt das Vorrecht nach Art. 841 ZGB zur Sprache. Den Abschluss bilden (6.) Hinweise auf weiterführende Literatur und (7.) Fälle.

2.

Die Voraussetzungen für die Errichtung des Bauhandwerkerpfandrechts

Nach Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB besteht der Anspruch auf Errichtung eines gesetzlichen Grundpfandrechts «für die Forderungen der Handwerker oder Unternehmer, die auf einem Grundstück zu Bauten oder andern Werken, zu Abbrucharbeiten, zum Gerüstbau, zur Baugrubensicherung oder dergleichen Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben, an diesem Grundstücke, sei es, dass sie den Grundeigentümer, einen Handwerker oder Unternehmer, einen Mieter, einen Pächter oder eine andere am

152 153 154 155

1702

BGE 132 III 226 ff. (239), E. 3.3.7. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 113 N 42. A.M. Ständerat JaniaK in der parlamentarischen Beratung: Amtl.Bull. StR 2008, S. 416. Relativierend SchumacheR, Nr. 219.

1703

510

Die Grundpfandrechte

Grundstück berechtigte Person zum Schuldner haben». Gemäss Art. 839 Abs. 3 ZGB kann die Eintragung dann «nicht verlangt werden, wenn der Eigentümer für die angemeldete Forderung hinreichende Sicherheit leistet». Als materielle Voraussetzungen für die Errichtung eines Bauhandwerkerpfandrechts (ausserhalb von Frist- und Verfahrensfragen) lassen sich somit nennen: – eine (bestimmte) Forderung eines Bauhandwerkers (dazu nachfolgend A.); – ein (bestimmtes) Grundstück als Pfandobjekt (B.); und – (negativ) das Fehlen einer anderen «hinreichenden Sicherheit» (C.).

A. 1704

Die Forderung eines Bauhandwerkers

Durch das Bauhandwerkerpfandrecht soll eine Forderung gesichert werden. Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB verlangt nun jedoch eine ganz bestimmte Forderung: Das Pfandrecht kommt nur in Betracht für die Forderungen der Handwerker oder Unternehmer, die zum beschriebenen Zweck (namentlich zu Bauten oder anderen Werken auf einem Grundstück) Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben. Nach allgemeinen Aussagen (nachfolgend a.) ist auf die Rechtsstellung des Subunternehmers (b.) und auf den Fall der Forderungsabtretung (c.) speziell einzugehen. a.

Im Allgemeinen

1705

1. Anlass («Grund») der durch das Bauhandwerkerpfandrecht zu sichernden Forderung ist die Lieferung von Arbeit oder von Material und Arbeit für eine Baute oder ein anderes Werk bzw. für weitere vom Gesetz umschriebene Tätigkeiten auf dem betreffenden Grundstück.

1706

– Über den Rechtsgrund der Arbeitsleistungen äussert sich das Gesetz nicht. Praktisch im Vordergrund stehen Werkvertragsforderungen. Dass der Grundeigentümer die Arbeiten als Bauherr bestellt hat, verlangt Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB ausdrücklich nicht. Ein Anspruch auf Pfanderrichtung kommt vielmehr auch dann in Betracht, wenn ein (anderer) Handwerker oder Unternehmer (dazu hinten Nr. 1713 ff.) oder ein Mieter, Pächter oder eine andere am Grundstück berechtigte Person (etwa ein Wohnberechtigter oder Nutzniesser, aber auch ein künftiger Erwerber156) Besteller der Werkvertragsarbeiten ist.157 Hat ein Mieter, Pächter oder eine andere am Grundstück berechtigte Person die Arbeiten bestellt, so besteht der Anspruch auf ein Bauhandwerkerpfandrecht nach Art. 837 Abs. 2 ZGB jedoch nur, wenn der Grundeigentümer seine Zustimmung zur Ausführung der Arbeiten erteilt hat.158

156 157

158

Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5320. So bereits zum alten Recht BGE 116 II 677 ff.; 126 III 505 ff.; 134 III 147 ff. (150), E. 4.2; BGer 5A_608/2007, E. 2.3 (referierend); vgl. auch SchumacheR, Nr. 151, 429 f. und 904 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2883 ff. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5320, mit dem Hinweis, dass beim Beizug von Subunternehmern der Pfandrechtsanspruch nicht von einer solchen Zustimmung abhängt; ausführlich dazu SchumacheR , Ergänzungsband, Nr. 211 ff. Vgl. auch BGer 5C.208/2004, E. 3 und 4 = ZBGR 88/2007, S. 220 ff., wonach die Zustimmung des Grundeigentümers zu den vom Mieter veranlassten Bauarbeiten nicht schriftlich sein muss.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

511

Unter gewissen Voraussetzungen lassen sich auch Forderungen der Bauhandwerker aus anderen Rechtsgründen mit dem Pfandrecht sichern, namentlich Forderungen aus Einbau nach Art. 672 ZGB (dazu vorne Nr. 895a).159 – Im Vordergrund stehen gemäss Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB nach wie vor Material und Arbeit oder Arbeit allein zu Bauten oder anderen Werken. Die Baute («le bâtiment») muss dauerhaft mit dem Boden verbunden sein, darf also keine blosse Fahrnisbaute im Sinn von Art. 677 ZGB darstellen.160 Der Begriff «andere Werke» («autres ouvrages») umfasst alles, was von Men-

1707

gebaut wird, zum Beispiel Strassen und Wege161 oder Tunnels.162 – Seit dem 1. Januar 2012 führt das Gesetz unter den pfandberechtigten Leistungen zudem Material und Arbeit oder Arbeit allein «zu Abbrucharbeiten, zum Gerüstbau, zur Baugrubensicherung oder dergleichen» auf. Es klärt damit hinsichtlich der Abbrucharbeiten die Rechtslage163 gerichtspraxis zum alten Recht164 schutz. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit ist demgegenüber die Formulierung «oder dergleichen» («ou à d’autres travaux semblables»; «o lavori simili») heikel. Sie erstreckt den Pfandrechtsschutz auf Arbeiten, die den anderen vom Gesetz speziell genannten Kategorien (Abbrucharbeiten, Gerüstbau und Baugrubensicherung) ähnlich sind.165 Das verlangt nach einer Wertung des Rechtsanwenders für jede in Frage stehende Leistung. Es kann jedoch nach der hier vertretenen Auffassung nicht der Sinn dieser gesetzlichen Formulierung sein, dass seit dem 1. Januar 2012 sämtliche Arbeiten, welche mit einem konkreten Bauwerk im Zusammenhang stehen, pfandgeschützt sein sollen.166 SchumacheR plädiert mit überzeugenden Gründen dafür, der Pfandrechtsschutz solle «weiterbeschränkt sein»; er zieht die Grenze zwischen den Bauarbeiten, die in den individuellen Herstellungsprozess integriert sind (sie geniessen Pfandschutz), und der Logistik der Baustelle (welche Arbeiten nicht pfandgeschützt sind, wie etwa Transportarbeiten oder intellektuelle Bauleistun-

159 160 161 162

BGE 95 II 221 ff. (228 ff.), E. 3; 134 III 147 ff. (149), E. 4; SchumacheR, Nr. 433 ff. und 484 ff. BGE 105 II 264 ff.; sinngemäss auch BGE 92 II 227 ff. (230 ff.), E. 2; SteinaueR, Band III, Nr. 2872b. BGE 76 II 134 ff. (138), E. 1. SteinaueR, Band III, Nr. 2872 f.

163 164

BGE 131 III 300 ff. (304 ff.), E. 4; 136 III 6 ff. (10 ff.), E. 5; kritisch zu dieser Rechtsprechung SchuNr. 321 ff.; vgl. schon denSelben, BR/DC 2005, S. 163 ff. Zur Entstehung der Norm vgl. Amtl.Bull. StR 2008, S. 416 (Votum JaniaK); zum Ganzen SchumacheR , Ergänzungsband, Nr. 113 ff., besonders Nr. 149 ff.; Schmid, Neuerungen im Grundpfandrecht, S. 227 ff. – Die sprachlich unklare Wendung «oder dergleichen» wird von SteinaueR (Band III, Nr. 2874) nur auf den Gerüstbau und die Baugrubensicherung bezogen. Wie hier: thuRnheRR, ZBGR 93/2012 (zitiert in Nr. 1799), S. 77. Missverständlich das Obiter dictum in BGE 136 III 6 ff. (13), E. 6, das nur dazu diente, eine Praxisänderung unter dem alten Recht abzulehnen. Zu Recht kritisch dazu SchumacheR, Ergänzungsband, m atthiaS StReiFF (zitiert in Nr. 1799), S. 47 ff. macheR ,

165

166

1707a

1707b

512

Die Grundpfandrechte

gen von Architekten und Ingenieuren).167 In den parlamentarischen Beratungen kamen als pfandgeschützte Leistungen etwa Aushubarbeiten zur Sprache.168 Weiter ist an Entsorgungsarbeiten zu denken, die wertungsmässig den Abbrucharbeiten gleichzustellen sind.169 Auch der Auf- und Abbau des Baukrans kommt als pfandgeschützte Leistung in Betracht.170 Nicht pfandgeschützt sind nach der hier vertretenen Auffassung demgegenüber Baureinigungsarbeiten.171 1708

2. Handwerker oder Unternehmer («artisans et entrepreneurs»; kurz: Bauhandwerker) im Sinn des Gesetzes sind Personen, die in selbständiger Stellung – regelmässig auf Grund eines Werkvertrags – Arbeiten (allein oder zusammen mit der Lieferung von Material) auf dem Grundstück leisten, etwa Maurer, Gipser, Installateure, aber auch Bau- oder Generalunternehmungen.172 Daraus folgt:

1709

– Die Angestellten (Gesellen, Handlanger) der Bauhandwerker sind nicht gezwungen, auf längere Zeit Kredit zu gewähren; überdies werden sie durch das Konkursprivileg geschützt (Art. 219 Abs. 4 und Art. 146 SchKG). Deshalb steht ihnen kein Anspruch auf Pfanderrichtung zu.173

1710

– «Arbeit» ist stets erforderlich; hinzutreten kann eine Materiallieferung. Keinen Anspruch auf Pfanderrichtung besitzen jedoch grundsätzlich blosse Verkäufer (Lieferanten), also jene Gläubiger, die für den Bau nur vertretbare Sachen geliefert haben;174 dies gilt sogar dann, wenn sie die genannten Sachen selbst hergestellt haben.175 Doch ist zu beachten: Sind Sachen eigens für einen bestimmten Bau angefertigt worden und aus diesem Grund sonst nicht oder nur sehr schwer verwertbar (Werklieferungsvertrag), so bejaht die Rechtsprechung einen Anspruch auf Pfanderrichtung; dass der Lieferant die speziell angefertigten Sachen selber einbaut, ist nicht erforderlich.176

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174

175 176

SchumacheR, vgl. bereits SchumacheR, Nr. 314 ff.; ausführlich deRSelbe, Ergänzungsband, Nr. 153 ff. und 175 f.; ähnlich thuRnheRR, ZBGR 93/2012 (zitiert in Nr. 1799), S. 78 ff. Amtl.Bull. NR 2009, S. 624 (Votum a mheRd). ZR 104/2005, Nr. 48, S. 184 ff. (184 f.), E. 2 (Zürcher Handelsgericht zum alten Recht); tamaRa beRchtold (zitiert in Nr. 1799), S. 85; differenzierend SchumacheR, Ergänzungsband, Nr. 171 ff. So PeteR R eetz (zitiert in Nr. 1799), S. 122 (rechte Spalte oben); SteinaueR, Band III, Nr. 2874a; bovey, ComRom, N 13 zu Art. 839 ZGB; m atthiaS StReiFF (zitiert in Nr. 1799), S. 45 f.; a.M. wohl SchumacheR, Ergänzungsband, Nr. 176; thuRnheRR, BaKomm, N 6 zu Art. 839/840 ZGB; deRSelbe , ZBGR 93/2012 (zitiert in Nr. 1799), S. 80. Unter dem bisherigen Recht ist die Pfandberechtigung des Kranauf- und -abbaus verneint worden: SchumacheR, Nr. 326; BGE 136 III 6 ff. (11), E. 5.2. Ebenso SchumacheR, Nr. 292 und 400, sowie deRSelbe, Ergänzungsband, Nr. 160; thuRnheRR, richt Zürich, Urteil HE 150517-O vom 14. Januar 2016, E. 4, für Spezialarbeiten der Baureinigung mit Spezialmaschinen). SteinaueR, Band III, Nr. 2864. eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 280; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 113 N 48; SteinaueR, Band III, Nr. 2864b. eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 280; Botschaft zum ZGB (1904), BBl 1904 IV, S. 81; BGE 97 II 212 ff. (215), E. 1; BGer 5D_116/2014, E. 5.2.1 = ZBGR 97/2016, S. 338 ff. BGE 103 II 33 ff. (35), E. 2a; 131 III 300 ff. (303), E. 3. BGE 103 II 33 ff. (35), E. 2a betreffend speziell gefertigte Armierungseisen; 104 II 348 ff. (351), E. II./1, und 97 II 212 ff. (215), E. 1 betreffend Frischbeton, dazu auch 125 III 113 ff. (115), E. 2a; 72 II 347 ff. (349 f.) betreffend speziell angefertigte Betonbalken. Referierend auch BGE 131 III 300 ff. (303 f.), E. 3, und BGer 5D_116/2014, E. 5.2.1 = ZBGR 97/2016, S. 338 ff.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

513

Verneint wurde der Pfandrechtsanspruch beispielsweise für die Lieferung einer Mischung von Sand und unzerstampftem Kies.177 Hingegen besteht ein Pfandrechtsanspruch auch für (an sich nicht pfandgeschützte) Materiallieferungen, sofern diese von einem Bauunternehmer geliefert wurden, der zugleich auch typisch pfandgeschützte Leistungen erbracht hat.178

– Die Arbeitsleistung muss sich grundsätzlich «materialisieren», also mit dem Bau körperlich verbunden oder zu einer solchen Verbindung bestimmt sein. Daher hat der Architekt für seine Honorarforderung keinen Anspruch auf Pfanderrichtung, zumal auch seine soziale Stellung gegenüber dem Bauherrn eine andere ist als die der Bauhandwerker.179

1712

Vorbehalten bleiben jedoch die Arbeiten, die Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB seit dem 1. Januar 2012 ausdrücklich als pfandberechtigt erklärt (etwa Abbrucharbeiten oder Arbeiten zum Gerüstbau), obwohl eine «Materialisierung» der Arbeitsleistung ausscheidet.180

b.

Die Rechtsstellung des Subunternehmers im Besonderen

Als Bauhandwerker kommen auch Subunternehmer (Unterakkordanten; «sous-traitants») in Betracht. Sie werden vom Gesetzeswortlaut ebenfalls erfasst. Art. 837 bezeichnet es nämlich als gleichgültig, ob die Bauhandwerker den Grundeigentümer oder einen Unternehmer – also namentlich den Generalunternehmer – zum Schuldner haben.181 Folgendes ist zu beachten:

1713

1. Soweit der Subunternehmer Material und Arbeit oder Arbeit allein liefert und damit die Voraussetzungen von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB selber erfüllt, hat er einen eigenständigen Anspruch auf Pfanderrichtung, unabhängig vom entsprechenden Anspruch des Generalunternehmers.182 Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber gerade verhindern, dass der Bauherr einen Generalunternehmer als Strohmann einschalten und damit Bauhandwerkerpfandrechte der Handwerker, welche wertvermehrende Leistungen erbringen, eliminieren kann.183 Der Umstand, dass der Grundeigentümer vom Subunternehmer nichts wusste oder im Vertrag mit dem Generalunternehmer gar den Beizug eines Subunternehmers ausgeschlossen hatte, steht dem Anspruch des Letzteren auf Pfanderrichtung nicht entgegen.184

1714

Lässt also der Generalunternehmer (GU) ein Bauhandwerkerpfandrecht für seine Werklohnforderung (Forderung GU–Besteller) eintragen, so hindert dies den Subunternehmer (SU) nicht, für seine

177 178

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180 181 182

183 184

RJJ 1993, S. 165 ff. (169 f.), E. 2b (jurassisches Kantonsgericht). BGE 125 III 113 ff. (115), E. 2a, mit Hinweis auf SchumacheR (2. A.), Nr. 145 und 194 f., betreffend Auffüllmaterial. Ausführlich und differenzierend SchumacheR, Nr. 327 ff. BGE 65 II 1 f.; 119 II 426 ff. (428), E. 2b; 131 III 300 ff. (303 und 305), E. 2.2 und 4.2; LGVE 1994 I Nr. 7, S. 11 f. (Luzerner Obergericht); ZR 113/2014, Nr. 80, S. 271 ff. (272 ff.), E. IV./4b (Zürcher Obergericht); SteinaueR, Band III, Nr. 2865; gauch, Nr. 1308; SchumacheR, Nr. 307; thuRnheRR, ZBGR 93/2012 (zitiert in Nr. 1799), S. 82 f. SchumacheR, Ergänzungsband, Nr. 327 ff. Französischer Text: «que leur débiteur soit le propriétaire foncier, un artisan ou un entrepreneur ...». BGE 95 II 87 ff. (90), E. 3; SteinaueR, Band III, Nr. 2868; gauch, Nr. 183 f.; R aineR SaxeR (zitiert in Nr. 1799), S. 141 ff. BGE 95 II 87 ff. (90), E. 3, mit Hinweis auf 56 II 163 ff. (167), E. 2. BGE 105 II 264 ff. (267), E. 2; SchumacheR, Nr. 902, mit Hinweis auf die eigene einschränkende Auffassung, wonach der Pfandrechtsanspruch vom guten Glauben des Subunternehmers abhängt (a.a.O. Nr. 883 ff.); SteinaueR, Band III, Nr. 2868; vgl. auch Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5320, wonach für den Pfandrechtsanspruch die Zustimmung des Bauherrn zum Beizug des Subunternehmers nicht erforderlich ist.

514

Die Grundpfandrechte

Werklohnforderung (Forderung SU–GU) ebenfalls die Eintragung eines Pfandrechts zu verlangen.185 Analoges gilt für den «Sub-Subunternehmer».186 – Der Pfandrechtsanspruch des Subunternehmers ändert aber nichts daran, dass zwischen dem Bauherrn (Erst-Besteller) und dem Subunternehmer kein Werkvertragsverhältnis besteht187 und folglich der Subunternehmer gegen den Bauherrn keine Forderung auf Zahlung des Werklohns hat.188 1715

2. Nach der bundesgerichtlichen Praxis hat ein Subunternehmer selbst dann einen Anspruch auf Pfanderrichtung, wenn der Grundstückeigentümer den Generalunternehmer bereits bezahlt hat.189 Aus dieser durch die bundesgerichtliche Praxis konkretisierten Rechtslage ergibt sich für den Bauherrn (Grundeigentümer), der die Vergütung an den Generalunternehmer leistet, ein Doppelzahlungsrisiko: die Gefahr, zur Abwendung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück (Drittpfand; vgl. vorne Nr. 1606 ff.) dem Subunternehmer die geleistete Summe ganz oder teilweise nochmals zahlen zu müssen.190 Nach Meinung des Bundesgerichts191 ist diese Rechtsfolge, die einzelne Autoren 192 für den Bauherrn (der Grundeigentümer ist) ausserordentlich hart und sollte de lege ferenda vom Gesetzgeber überprüft werden. De lege lata wurde das Doppelzahlungsrisiko laut Bundesgericht vom Gesetzgeber in Kauf genommen; es lasse sich nur durch eine sorgfältige Ausgestaltung des Generalunternehmervertrags mindern, beispielsweise durch die Abrede, dass der Bauherr die Subunternehmer direkt (nach den Weisungen des Generalunternehmers) bezahlt oder dass ein Treuhänder beigezogen wird, der die Zahlungen erledigt.193 Beizufügen ist jedoch ein Doppeltes:

1716

– Ob die beschriebene bundesgerichtliche Auffassung zu gerechten Lösungen (und sachgerechten Risikoverteilungen) führt, ist diskutabel.194 Namentlich stellt sich die Frage, ob nicht billigerweise der Subunternehmer das Insolvenzrisiko des Generalunternehmers – als sein Vertragsrisiko – jedenfalls dann selber tragen müsste, wenn der Grundeigentümer (Bauherr) den Generalunternehmer gutgläubig bereits ausbezahlt hat. PeteR gauch schlägt vor, den pfandberechtigten Betrag um die vom Bauherrn an den Generalunternehmer bezahlte Summe zu kürzen.195

185 186

187 188 189 190 191 192 193

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BGE 95 II 87 ff. (90), E. 3. ZR 79/1980, Nr. 12, S. 19 ff. (Zürcher Obergericht); SchumacheR, Nr. 900. Einen solchen Fall stellt auch BGE 142 III 738 ff. dar. gauch, Nr. 162 ff., insbesondere Nr. 173. RJJ 1993, S. 165 ff. (167 f.), E. 1 (jurassisches Kantonsgericht). BGE 95 II 87 ff. (90), E. 3; BGer 5A_282/2016, E. 3.2.2 und 3.2. Zum Beispiel BGE 105 II 264 ff. (267), E. 2. BGE 95 II 87 ff. (90 ff.), E. 4. gauch, Nr. 185. BGE 95 II 87 ff. (91), E. 3; 109 II 445 f. (446); 136 III 14 ff. (19), E. 2.3; ausführlich SchumacheR, Nr. 963 ff.; zobl, Bauhandwerkerpfandrecht (zitiert in Nr. 1693), S. 101 ff.; ferner gauch, Nr. 186; daniel baumann (zitiert in Nr. 1799), S. 295 ff.; R aineR SaxeR (zitiert in Nr. 1799), S. 153 ff. Kritisch zum Beispiel dieteR zobl, Bauhandwerkerpfandrecht (zitiert in Nr. 1693), S. 107 ff.; Jeanclaude de h alleR (zitiert in Nr. 1693), S. 289 ff.; gauch, Nr. 185; dem Bundesgericht de lege lata zustimmend SteinaueR, Band III, Nr. 2869b; R aineR SchumacheR, «guter Glaube» (zitiert in Nr. 1799), S. 542 ff. gauch, Nr. 185. Frage offengelassen in LGVE 2006 I Nr. 13, S. 22 ff. (24), E. 3.2 = ZBJV 143/2007, S. 293 ff. (Luzerner Obergericht).

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

515

Zu einer Praxisänderung, welche auch die Interessen des (redlichen) Bauherrn – und nicht bloss die Interessen des Subunternehmers – billigerweise berücksichtigt, besteht umso mehr Anlass, als das Bundesgericht die Doppelzahlung nunmehr als stossendes Ergebnis bezeichnet: Sprach es im Jahr 1969196 noch von «conséquences extrêmement rigoureuses pour le propriétaire», so anerkannte es in einem Entscheid des Jahres 1978197, der Doppelzahlungseffekt sei «non seulement rigoureux mais choquant». Von diesem Punkt wäre es nach der hier vertretenen Meinung nur noch ein kleiner Schritt, den Wortlaut von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB durch Annahme einer unechten Lücke oder durch teleologische Reduktion einzugrenzen.198 – Das Walliser Kantonsgericht hat im Jahr 1997 in einem Fall, in welchem der Generalunternehmer den Subunternehmer nicht bezahlt hatte, entschieden, das Pfandrecht des Ersteren sei zu kürzen um den Betrag des Pfandrechts, das der Subunternehmer erwirkt habe.199

– Die Situation des Bauherrn (der Grundeigentümer ist) entschärft sich dann etwas, wenn er den Generalunternehmer noch nicht (vollständig) ausbezahlt hat: Liefert der Generalunternehmer ein Werk ab, das mit Bauhandwerkerpfandrechten der Subunternehmer belastet ist, so muss er sich nach der bundesgerichtlichen Praxis200 eine vertragliche Schlechterfüllung vorwerfen lassen. Diese berechtigt den Besteller, einen den Forderungen der Subunternehmer entsprechenden Abzug am Werklohn des Generalunternehmers vorzunehmen oder nach erfolgter Befriedigung der Pfandgläubiger (Subunternehmer) die durch Subrogation (Art. 110 Ziff. 1 OR; Art. 827 Abs. 2 ZGB; vorne Nr. 1609) auf ihn übergegangenen Forderungen der Subunternehmer mit der Werklohnforderung des Generalunternehmers zu verrechnen.201 3. In den parlamentarischen Beratungen zum Bundesgesetz vom 11. Dezember 2009 (Register-Schuldbrief und weitere Änderungen im Sachenrecht) wurden sowohl der Pfandrechtsanspruch des Subunternehmers als auch das Doppelzahlungsrisiko des Bauherrn ausführlich thematisiert.202 In der Interessenabwägung zwischen Bauherr/Käufer und Subunternehmer sah die Mehrheit der eidgenössiPartei an und behielt die bisherige Regelung bei.203 Die Diskussion betraf allerdings nur das «Alles-oder-Nichts» des Pfandrechtsschutzes des Subunternehmers, während differenziertere Zwischenlösungen nicht besprochen wurden. Daher stellen bers dar, welches der hier vorgeschlagenen einschränkenden Auslegung entgegenstände (Nr. 1716).

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200 201

202

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BGE 95 II 87 ff. (92), E. 4. BGE 104 II 348 ff. (354), E. III./3b. Zum methodischen Vorgehen vgl. etwa BGE 121 III 219 ff. (224 ff.), E. 1d/aa. Vgl. aber auch Nr. 1717a. ZWR 32/1998, S. 122 ff. (124), E. 5b; dazu nicolaS Saviaux, La double garantie …, BR/DC 1999, S. 91 ff.; vgl. auch SchumacheR, Nr. 947 f.; R aineR SaxeR (zitiert in Nr. 1799), S. 157 f. BGE 116 II 533 ff. (537 f.), E. 2a/aa/ccc; 104 II 348 ff. (355), E. III./3b/bb. Dazu SchumacheR, Nr. 957 und 1649 ff.; dieteR zobl, Bauhandwerkerpfandrecht (zitiert in Nr. 1693), S. 105 f.; gauch, Nr. 184 und 1457. Amtl.Bull. StR 2008, S. 415 ff.; Amtl.Bull. NR 2009, S. 622 ff. Zum Ganzen auch Schmid, Neuerungen im Grundpfandrecht, S. 229 f. Amtl.Bull. StR 2008, S. 415 ff.

1717

1717a

516 c.

Die Grundpfandrechte

Die Abtretung der Forderung im Besonderen

1718

1. Einen Anspruch auf Pfanderrichtung hat nur die Person, welcher die genannte Forderung (namentlich auf Werklohn) zusteht. In den allermeisten Fällen ist dies der Gläubiger der Werklohnforderung (ausnahmsweise der Gläubiger einer Forderung aus Einbau). Der Anspruch auf Pfanderrichtung stellt – wie das später eingetragene Pfandrecht – ein Nebenrecht der Forderung dar (vorne Nr. 1614 ff.).

1719

2. Das Gesagte klingt banal, wird aber im Fall der Abtretung der Werklohnforderung äusserst bedeutsam: Tritt der Bauhandwerker vor der Geltendmachung des Anspruchs auf Pfanderrichtung seine Werklohnforderung an eine andere Person ab (Art. 164 ff. OR), so geht der Anspruch auf Pfanderrichtung auf den Zessionar über, zumal dieser Anspruch nicht untrennbar mit der Person des Bauhandwerkers verknüpft ist (Art. 170 Abs. 1 OR).204 Stellt alsdann der Bauhandwerker trotz der Forderungsabtretung ein Begehren um gerichtliche Anordnung der Eintragung des Pfandrechts, so ist dieses vom Gericht mangels Aktivlegitimation abzuweisen.205 Hat also der Bauhandwerker seine Werklohnforderungen – namentlich an eine Bank – abgetreten (Sicherungszession; hinten Nr. 2021 ff.), beantragt er (nach der Zession) selber die Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts und «wird die fehlende Aktivlegitimation nicht vor Ablauf der Dreimonatsfrist [Art. 839 Abs. 2 ZGB, heute Viermonatsfrist; dazu hinten Nr. 1752 ff.] entdeckt und geheilt, nämlich durch eine zweite Anmeldung durch den Zessionar selber oder durch den Unternehmer nach einer Rückzession, geht der Anspruch auf ein Bauhandwerkerpfandrecht unwiederbringlich verloren».206

B. 1720

Das Grundstück

Der Anspruch auf Pfanderrichtung besteht nach Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB «an diesem Grundstück» – also am Grundstück, für das die Arbeiten und allenfalls das Material geliefert worden sind.207 Zunächst (a.) ist die Rechtslage im Allgemeinen darzustellen; anschliessend (b.) sind Sonderfälle zu untersuchen. Vorweg sei immerhin Folgendes betont: Die Belastung des «richtigen» Grundstücks ist besonders im Hinblick auf die Verwirkungsfrist von Art. 839 Abs. 2 ZGB von zentraler Bedeutung: Nach Ablauf der Viermonatsfrist ist der Anspruch auf Pfanderrichtung verwirkt (dazu hinten Nr. 1753) und eine Änderung oder Umlegung des Pfandrechts auf das «richtige» Grundstück nicht mehr möglich.208

a. 1721

Im Allgemeinen

1. Der hauptsächliche gesetzgeberische Grund für die Schaffung des Bauhandwerkerpfandrechts bestand nach dem Gesagten (vorne Nr. 1694 ff.) darin, dass die Bau-

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207

208

LGVE 1987 I Nr. 9, S. 24 f. (Luzerner Obergericht); hombeRgeR, ZüKomm, N 35 zu Art. 961 ZGB; gauch /SchlueP/emmeneggeR, Nr. 3559; SPiRig, ZüKomm, N 32 zu Art. 170 OR; SchumacheR, Nr. 541. LGVE 1987 I Nr. 9, S. 24 f. (Luzerner Obergericht); leemann, BeKomm, N 56 zu Art. 837 ZGB; SchumacheR, Nr. 543 f. LGVE 1987 I Nr. 9, S. 24 f. (Luzerner Obergericht), mit Hinweis auf SchumacheR (2. A.), Nr. 314 (= SchumacheR [3. A.], Nr. 543 f.). Französisch: «sur l’immeuble pour lequel ils ont fourni des matériaux et du travail ou du travail seulement». richt).

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

517

handwerker als schutzbedürftig angesehen wurden mit Bezug auf Arbeiten, die zu einer Wertvermehrung des Grundstücks führen. Das Bauhandwerkerpfandrecht muss daher auf einem ganz bestimmten Grundstück eingetragen werden. Nach dem Wortlaut von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB besteht der Anspruch auf Pfanderrichtung «an diesem Grundstück». Das Pfandrecht ist mit anderen Worten auf jenem Grundstück einzutragen, dem die Bauarbeiten zugute gekommen sind, auf welchem also der Mehrwert entstanden ist.209 Als Grundstücke kommen die Liegenschaften sowie die in Art. 655 Abs. 2 ZGB (sowie Art. 943 Abs. 1 ZGB) genannten Rechte, also namentlich auch Baurechtsparzellen und Miteigentumsanteile an einem Grundstück, in Betracht. Auf drei Sonderfälle wird in Nr. 1726 ff. zurückzukommen sein, nämlich auf die Veräusserung des Grundstücks, auf das Pfandobjekt bei Miteigentum (und Stockwerkeigentum) und bei Gesamtüberbauungen.

2. Das Grundstück muss sodann nach den allgemeinen Grundsätzen als Pfandobjekt tauglich sein (vgl. dazu schon Art. 796 Abs. 2 ZGB und vorne Nr. 1512 ff.). Es ergibt sich mithin eine Sonderordnung für gewisse Fälle, in denen ein öffentliches Gemeinwesen der Bauherr ist:

1722

– Gehört das fragliche Grundstück zum Finanzvermögen des Staates, so ist die Errichtung eines Bauhandwerkerpfandrechts möglich210

1723

– Dagegen kann nach den allgemeinen Regeln (vorne Nr. 1516) an öffentlichen Grundstücken, die zum Verwaltungsvermögen des Staates (Bund, Kanton, Gemeinde) gehören oder im Gemeingebrauch stehen, kein Pfandrecht bestellt werden.211 Nach neuerer Praxis212 ist immerhin die Errichtung eines Bauhandwerker-

1724

tungen anbietet, wie sie von privater Seite zu gleichen Bedingungen erbracht werden.213 Dieser Entscheid kann als teilweise «stille Praxisänderung» aufgefasst werden und lässt sich allenfalls auch auf staatliche Gebäudeversicherungsanstalten, Schwimmbäder, Theater, Elektrizitätswerke, Spitäler und dergleichen übertragen.214 Soweit nach dieser Praxis ein Bauhandwerkerpfandrecht an Grundstücken des Gemeinwesens ausgeschlossen ist, wirkte dies in der Vergangenheit (zur heutigen Rechtslage vgl. sogleich Nr. 1724a ff.) zum Nachteil der Subunternehmer, welche die Pfandsicherheit verloren und damit zu Schaden kamen, wenn sie vom Generalunternehmer, der den Werklohn vom Gemeinwesen

209

210 211

212 213

214

BGE 119 II 421 ff. (423 und 425), E. 2 und 3b; 117 II 563 ff. (568), E. 3b; 116 II 677 ff. (682), E. 4a; SchumacheR, Nr. 604 ff.; SteinaueR cken vgl. a ndRé bRitSchgi (zitiert in Nr. 1799), S. 119 ff.; tamaRa beRchtold (zitiert in Nr. 1799), S. 114 ff. SchumacheR, Nr. 626; SteinaueR, Band III, Nr. 2653b und 2879. Grundlegend BGE 103 II 227 ff. (235 ff.), E. 4; ferner 108 II 305 ff.; 120 II 321 ff. (323 f.), E. 2b; BGer vom 3. April 1997, in ZBGR 81/2000, S. 194 ff. (196), E. 2b; BGer vom 13. März 2000, in ZBGR 82/2001, S. 300 ff. (301), E. 1; einlässlich SchumacheR, Nr. 620 ff. BGE 120 II 321 ff. (325 ff.), E. 2d–i. BGE 120 II 321 ff. (329 f.), E. 2h–i, betreffend ein Bauhandwerkerpfandrecht an einem Grundstück der Aargauischen Kantonalbank. R aineR SchumacheR, BR/DC 1995, S. 98; ausführlich deRSelbe, Nr. 650 ff.

518

Die Grundpfandrechte

erhalten hatte, nicht bezahlt wurden.215 Das Bundesgericht lehnte es ab, dieses stossende Ergebnis zu korrigieren;216 es verneinte namentlich eine subsidiäre Staatshaftung gegenüber dem unbeOR, auch wenn dieses es unterlassen hatte, durch geeignete Vorkehren für die Bezahlung des Subunternehmers zu sorgen.217 Diese Rechtsprechung stiess auf erhebliche Kritik der Doktrin.218 In einem Urteil des Jahres 1998 hielt das Bundesgericht – nach Auseinandersetzung mit dieser Kritik – an seiner Auffassung fest und erklärte, die Änderung der Rechtslage sei Sache des Gesetzgebers.219 1724a

3. Mit dem BG vom 11. Dezember 2009 (Register-Schuldbrief und weitere Änderungen im Sachenrecht) hat sich der Gesetzgeber dieser Frage angenommen und in 221 gen220

1724b

– Der Grundsatz, wonach an Grundstücken des Verwaltungsvermögens des Staableibt unangetastet.222 In solchen Situationen erhält der Subunternehmer jedoch einen besonderen Schutz: Er kann eine kraft Gesetzes geschaffene einfache Bürgschaft des Staates beanspruchen. Grundvoraussetzung dafür ist stets, dass der Subunternehmer), die eine vertragliche Werklohnforderung gegen den Staat haben, sind demgegenüber auf diese Vertragsforderung verwiesen und können keine Bürgschaft geltend machen (eine solche wäre angesichts der Vertragsforderung gegen den Staat in der Tat unnötig).223 Sodann unterscheidet das Gesetz danach, ob die Zugehörigkeit des fraglichen Grundstücks zum Verwaltungsvermögen streitig ist oder nicht:224 • Ist das Grundstück unbestrittenermassen Verwaltungsvermögen, so haftet -

1724c

oder gerichtlich festgestellten Forderungen nach den Bestimmungen über die einfache Bürgschaft, sofern die Forderung ihm gegenüber spätestens vier Monate nach Vollendung der Arbeit schriftlich unter Hinweis auf die gesetzliche Bürgschaft geltend gemacht worden war» (Art. 839 Abs. 4 ZGB). Ist ein Subunternehmer demnach vom Generalunternehmer nicht bezahlt worden, hat er eine Personalsicherheit in Gestalt einer auf Gesetz beruhen-

1724d

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223

224

Beispiele: BGE 103 II 227 ff.; 108 II 305 ff.; 124 III 337 ff. Vgl. immerhin den oben genannten BGE 120 II 321 ff. BGE 103 II 227 ff. (238 ff.), E. 5; 108 II 305 ff. (307 ff.), E. 1 und 2; 116 Ib 367 ff. (376 f.), E. 6. Zum Beispiel SchumacheR, Nr. 683 ff.; liveR, ZBJV 120/1984, S. 276 ff.; gauch, Nr. 187 f. BGE 124 III 337 ff. (341), E. 6c; SchumacheR, Nr. 655 ff. und 683 ff. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5320 und 5354. Vgl. zum Folgenden Schmid, Neuerungen im Grundpfandrecht, S. 234 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2878 ff. Ebenso PeteR R eetz (zitiert in Nr. 1799), S. 132 (Ziff. 24); SteinaueR, Band III, Nr. 2653 ff. und 2878. Zutreffend PeteR R eetz (zitiert in Nr. 1799), S. 125 (rechte Spalte bei Ziff. 14b); SchumacheR, Ergänzungsband, Nr. 311; SteinaueR, Band III, Nr. 2878c. Zum Folgenden ausführlich PeteR R eetz (zitiert in Nr. 1799), S. 125 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2878d ff.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

519

den Bürgschaftsforderung gegenüber dem Gemeinwesen, welches Eigentümer des fraglichen Grundstücks ist. Diese Sicherheit steht ihm allerdings nur zu, wenn er sie fristgerecht, schriftlich und unter Hinweis auf die gesetzliche Bürgschaft gegenüber dem Staat geltend gemacht hat.225 Ist dies geschehen, so muss der Subunternehmer in der Folge zunächst seinen Vertragspartner (den Generalunternehmer) ins Recht fassen und kann erst dann, wenn dieses Vorgehen nach Massgabe der Regeln über die einfache Bürgschaft (Art. 495 Abs. 1 OR) erfolglos war, auf den Staat (Grundeigentümer) greifen.226 Die neue Regelung wird den Staat motivieren, seine Handwerker (Generalunternehmer) erst dann auszuzahlen, wenn sichergestellt ist, dass diese ihrerseits die Subunternehmer bezahlen.

• Ist die Zuordnung des Grundstücks zum Verwaltungsvermögen demgegenüber streitig Aufgaben an private Träger «ausgelagert» hat227

1724e

Eintragung des Pfandrechts im Grundbuch verlangen» (Art. 839 Abs. 5 ZGB; vgl. dazu hinten Nr. 1770 ff.). Damit ist vorsorglicher Rechtsschutz erreicht, und über die Zugehörigkeit des Grundstücks zum Verwaltungs- oder FinanzPfandrechts.228 tragung des Pfandrechts nicht mit der Begründung verweigern, das Grundstück gehöre zum Verwaltungsvermögen.229

Steht auf Grund des Gerichtsurteils die Zugehörigkeit zum Verwaltungsvermögen (und damit die Unzulässigkeit des Pfandrechts) fest, ist die vorläu-

1724f

Pfandrechts «tritt die gesetzliche Bürgschaft, sofern die Voraussetzungen Pfandrechts als gewahrt» (Art. 839 Abs. 6 ZGB). – Nachzutragen bleibt für beide Fälle, dass die gesetzliche Haftung des Staates als Bürge nur «für die anerkannten oder gerichtlich festgestellten Forderungen» der Handwerker zum Tragen kommt (Art. 839 Abs. 4 ZGB). Entweder anerkennt das Gemeinwesen gegenüber dem betreffenden Bauhandwerker (namentlich gegenüber dem Subunternehmer), dass die Forderung aus staatlicher Sicht gegen den (vom Staat verschiedenen) Werklohnschuldner zu Recht besteht, oder der Subunternehmer muss gegen das Gemeinwesen auf gerichtliche Feststellung klagen, dass seine (des Subunternehmers) Werklohnforderung gegen den (vom Staat verschiedenen) Werklohnschuldner besteht.230

225

226 227 228 229 230

Zu dieser Geltendmachung detailliert PeteR R eetz (zitiert in Nr. 1799), S. 127 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2878f (Zugangsprinzip). Amtl.Bull. NR 2009, S. 628 (Votum hubeR). Amtl.Bull. NR 2009, S. 628 (Voten hubeR und Bundesrätin WidmeR-SchlumPF). Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5320. PeteR R eetz (zitiert in Nr. 1799), S. 129 (bei Ziff. 19); SteinaueR Illustrativ PeteR R eetz (zitiert in Nr. 1799), S. 126 (bei Ziff. 14d), unter Hinweis auf die (umfassenden) Einreden und Einwendungen des Staates sowie auf die Möglichkeit der objektiven Klagenhäufung (Klage gegen den Staat einerseits auf Feststellung der Werklohnforderung gegenüber dem Drittschuldner und andererseits auf Leistung aus einfacher Bürgenhaftung).

1724g

520 1725

Die Grundpfandrechte

4. Der Vorbehalt des BGBB (Art. 798a ZGB) bezieht sich auch auf das Bauhandwerkerpfandrecht. Diesbezüglich sind mithin die Bestimmungen über die Belastungsgrenze (Art. 73 ff. BGBB) zu beachten (vgl. aber auch Art. 75 Abs. 2 BGBB). b.

Sonderfälle

aa.

Die Veräusserung des Grundstücks

1726

Zu untersuchen ist zunächst die Rechtslage bei Veräusserung des Grundstücks. Nach dem Wortlaut von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB besteht der Anspruch auf Pfanderrichtung «an diesem Grundstücke, sei es, dass … [die Bauhandwerker] den Grundeigentümer, einen Handwerker oder Unternehmer oder ... eine andere am Grundstück berechtigte Person zum Schuldner haben». Daraus leitet die heute herrschende Auffassung ab, der Anspruch auf Errichtung eines Bauhandwerkerpfandrechts stelle eine Realobligation dar, welche der Eigentümerschaft am Grundstück folge. Im Einzelnen:

1727

1. Der Anspruch auf Pfanderrichtung ist nach herrschender Meinung nicht an die Person des Bauherrn (Werkvertragspartners) gebunden, sondern an das Grundstück und die darauf erbrachten Arbeiten.231 Schuldner des Anspruchs auf Errichtung eines Bauhandwerkerpfandrechts ist mit anderen Worten der jeweilige Eigentümer des Grundstücks.232 Das ist in der Rechtsprechung seit BGE 92 II 227 ff. anerkannt, wo der Anspruch auf Errichtung eines Bauhandwerkerpfandrechts vom Bun234 desgericht erstmals233 als Realobligation

1728

2. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass bei gerichtlicher Geltendmachung die Klage auf gegen jene Person gerichtet werden muss, die in diesem Zeitpunkt – also bei Einreichung des Rechtsbehelfs – als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen ist.235 Daraus folgt weiter:

1729

– Wechselt der Eigentümer vor Klageeinreichung (Litispendenz), so ist die Klage (nur noch) gegen den neuen Eigentümer zu richten.236 Das gilt nach herrschender Lehre nicht nur für die Universalsukzession, sondern auch und namentlich für den Fall der Veräusserung des Grundstücks: Dann ist das Begehren gegen den Erwerber (den im Grundbuch als neuen Eigentümer eingetragenen Käufer) zu richten – auch wenn der Veräusserer die Bauarbeiten veranlasst hat.237 Auch bei Vorliegen eines Gerichtsurteils hat der Grundbuchverwalter, bei dem die Eintragung des Pfandrechts angemeldet wird, zu prüfen, ob die Eintragung gegen die «richtige» (durch das

231 232

233 234

235

236

237

eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 280. SchumacheR, Nr. 852 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2882a; dieteR zobl, Bauhandwerkerpfandrecht (zitiert in Nr. 1693), S. 76 ff. und 100. Vgl. immerhin schon BGE 41 I 284 ff. (293), E. 2. Ferner etwa BGE 120 Ia 240 ff. (245 unten), E. 3c; 134 III 147 ff. (150), E. 4.3. Vgl. auch SchumacheR , Nr. 858 ff. SchumacheR, Nr. 852 ff. und 1363 ff.; dieteR zobl, Bauhandwerkerpfandrecht (zitiert in Nr. 1693), S. 78; SteinaueR, Band III, Nr. 2882b; FZR 1994, S. 294 ff. (297 f.), E. 3 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch). SteinaueR, Band III, Nr. 2882b. Für den Eigentumswechsel ist Art. 972 Abs. 1 und 2 ZGB massgebend (vgl. vorne Nr. 514, 573 f. und 840); gestützt auf Abs. 2 stellt die Praxis für die Legitimation auf das Datum der Tagebucheinschreibung ab (BGE 138 III 512 ff. [517 ff.], E. 3.5). BGE 95 II 221 ff. (228), E. 3; SteinaueR, Band III, Nr. 2882c.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

521

Grundbuch als Eigentümerin ausgewiesene) Person angeordnet worden ist; trifft diese Voraussetzung nicht zu, so muss die Anmeldung abgewiesen werden.238

– Ein Eigentümerwechsel nach Klageeinreichung (Litispendenz) führt nicht «eo ipso» zu einem Parteiwechsel, sondern nur dann, wenn der Erwerber des Grundstücks nach Art. 83 Abs. 1 ZPO in den Prozess eintritt.239 Dazu wird es indessen kaum je kommen. Alsdann muss die Klage gegen den Verkäufer, der nicht (mehr) passivlegitimiert ist, abgewiesen werden.240 Dem Bauhandwerker muss in dieser Situation die Möglichkeit offenstehen, gestützt auf die provisorische Eintra-

1730

gegen den neuen Grundeigentümer;241 das Gericht hat dem Handwerker dazu eine neue Frist zu setzen.242 – Fällt der Grundeigentümer in Konkurs (oder unter andere Zwangsvollstreckungsmassnahmen), so kann nach herrschender Auffassung das Bauhandwerkerpfandrecht dennoch eingetragen werden.243

1731

3.

tion vermag als «dogmatisch-gedankliches Hilfsmittel» viele Fragen, die sich zum Bauhandwerkerpfandrecht stellen, vernünftig zu lösen. Die Figur der Realobligation darf aber nicht unkritisch verwendet, nicht verabsolutiert und nicht zur Herleitung begriffsjuristischer Konstruktionen gebraucht werden.244 Das gilt besonders für die Beantwortung der Frage, ob der Bauhandwerker auch einen Anspruch auf Pfanderrichtung gegen den gutgläubigen Erwerber des Grundstücks obligation», sondern eine Lösung unter Wertungsgesichtspunkten gefragt. Nach der hier vertretenen Meinung führt die bisherige Praxis zu einem nicht sachgerechten Doppelzahlungsrisiko des Käufers, das geradezu stossend sein kann.245 Es gibt näm-

1732

238

BGer vom 15. Juni 1995, Nr. 5A.4/1995, zusammengefasst von Roland PFäFFli in SJZ 93/1997, S. 45, Ziff. 6 = BR/DC 1997, S. 132 f., Nr. 337 mit Anmerkung von R aineR SchumacheR; FZR 1994, S. 294 ff. (297 f.), E. 3, und 1992, S. 248 ff. (250), E. 2 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch); SchumacheR, Nr. 1543 f. Zur Rechtslage unter dem kantonalen Zivilprozessrecht ZWR 32/1998, S. 112 (Walliser Kantonsgericht); SchumacheR oScaR vogel, BR/DC 1999, S. 74, Nr. 106; SchumacheR, Nr. 1474 f.; anders noch Nr. 1730 der behörde über das Grundbuch). So zur Rechtslage vor Inkrafttreten der ZPO oScaR vogel, BR/DC 1999, S. 74, Nr. 106; zustimmend thuRnheRR, BaKomm, N 24a zu Art. 839/840 ZGB; chRiStian PRaPlan (zitiert in Nr. 1799), S. 43 f. So zur Rechtslage vor Inkrafttreten der ZPO das nicht publizierte Urteil des Berner Appellationshofs vom 10. November 1999 i.S. M. c. H., S. 4 f., mit Hinweis auf eine schriftliche Stellungnahme von R aineR SchumacheR; ferner SchumacheR, Nr. 1475; unter dem neuen Recht auch SteinaueR, Band III, Nr. 2882b, Fn. 82. BGE 95 II 31 ff. (34 ff.), E. 3 und 4; 95 II 221 ff. (228 f.), E. 3; SchumacheR, Nr. 1704 ff. Kritisch namentlich gauch, Nr. 1306; ferner SchumacheR, Nr. 860 f.; vgl. schon denSelben, Nomina

239

240

241

242

243 244

245

(150), E. 4.3: «Der Anspruch auf Errichtung eines gesetzlichen Grundpfandes ist realobligatorischer Natur und richtet sich somit [sic!] gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks …» Ausführlich SchumacheR, Nr. 240 ff. mit Stellungnahme.

522

Die Grundpfandrechte

lich vernünftige Gründe, den Pfandrechtsanspruch gegen einen gutgläubigen Dritterwerber nicht zuzulassen.246 bb.

Das Pfandobjekt bei Miteigentum und Stockwerkeigentum

1733

Besondere Probleme werfen sodann Miteigentumsverhältnisse auf, bestehe nun gewöhnliches Miteigentum nach Art. 646 ff. ZGB oder – im vorliegenden Fall praktisch bedeutsamer – Stockwerkeigentum nach Art. 712a ff. ZGB. Auf welchem Grundstück soll hier das Pfandrecht lasten: auf der Stammparzelle (Gesamtliegenschaft) oder auf dem Miteigentumsanteil (Stockwerkeigentumsanteil)? Wegleitend ist auch hier der Grundsatz, das Bauhandwerkerpfandrecht auf dem Grundstück einzutragen, das durch die Arbeiten und Materiallieferungen einen Mehrwert erfahren hat (vorne Nr. 1721). Das führt nach heute vorherrschender Auffassung zu folgender Lösung:247

1734

1. Dienen die Leistungen des Bauhandwerkers ausschliesslich der Ausstattung von im Sonderrecht eines Stockwerkeigentümers stehenden Gebäudeteilen, so ist das Bauhandwerkerpfandrecht zu Lasten dieses Stockwerkeigentumsanteils (und nicht zu Lasten der Stammparzelle) einzutragen.248 Die Rechtsprechung begrenzt diese Lösung als «Ausnahme von der Regel» allerdings auf den Fall, da «die bauliche Ausstattung der im Sonderrecht stehenden Räume ein wesentliches Element des dem gemeinschaftlichen Eigentum entgegenstehenden Sonderrechts ausmacht».249

1735

dann zu wählen, wenn der Bauhandwerker gestützt auf einen einzigen Werkvertrag Arbeiten (und sei es auch ähnlichen Inhalts) an mehreren Anteilen verrichtet hat; ein Gesamtpfand kommt nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich dann, wenn die Voraussetzungen von Art. 798 Abs. 1 ZGB (vorne Nr. 1519) erfüllt sind.250 1736

2. Beziehen sich die Arbeiten auf ein Grundstück, das im gewöhnlichen Miteigentum steht, oder betreffen sie gemeinschaftliche Teile eines in Stockwerkeigentum aufgeteilten Grundstücks, so hat der Bauunternehmer grundsätzlich die Wahl: Er kann das Bauhandwerkerpfandrecht entweder zu Lasten der Stammparzelle eintragen lassen oder aber nach Massgabe der Bruchteile (Wertquoten) auf die einzelnen Miteigentumsanteile (Stockwerkeigentumsanteile) verteilen.251 Doch muss einschränkend Folgendes beigefügt werden:

246

Vgl. gauch, Nr. 1307; Frage mangels Gutgläubigkeit des Erwerbers offengelassen in BGE 126 III 505 ff. (511), E. 5; a.M. R aineR SchumacheR, «guter Glaube» (zitiert in Nr. 1799), S. 542 ff.; thuRnheRR

247

248

Vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 2880 ff.; SchumacheR, Nr. 742 ff. (gewöhnliches Miteigentum) und 766 ff. (Stockwerkeigentum); deRSelbe, Bauhandwerkerpfandrecht und Stockwerkeigentum (zitiert in Nr. 1799), S. 5 ff. und passim; a ndRé bRitSchgi (zitiert in Nr. 1799), S. 137 ff. (gewöhnliches Miteigentum) und 157 (Stockwerkeigentum). BGE 126 III 462 ff. (464), E. 2b; 125 III 113 ff. (117), E. 3a; 112 II 214 ff. (217), E. 2, mit Hinweisen, namentlich auf SchumacheR (2. A.), Nr. 379, und dieteR zobl, Bauhandwerkerpfandrecht (zitiert in Nr. 1693), S. 127; ferner SteinaueR, Band III, Nr. 2880a; differenzierend SchumacheR, Nr. 778 ff.

249

250 251

(464), E. 2b («zum Zweck der individuellen Ausgestaltung der Stockwerkeinheit»). SteinaueR, Band III, Nr. 2880b. BGE 126 III 462 ff. (464), E. 2b; 125 III 113 ff. (117), E. 3a; wohl auch SchumacheR, Nr. 746 ff. und 756; SteinaueR, Band III, Nr. 2880c; a.M. dieteR zobl, Bauhandwerkerpfandrecht (zitiert in

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

523

3. Art. 648 Abs. 3 ZGB ist auch bei Bauhandwerkerpfandrechten zu beachten.252 Die soeben beschriebene Belastung der Stammparzelle kommt deshalb nur in Betracht, wenn noch auf keinem Miteigentumsanteil (Stockwerkeigentumsanteil) ein Pfandrecht (oder eine Grundlast) errichtet worden ist.253 Bestehen auch nur auf einem Anteil bereits Pfandrechte (oder Grundlasten), so muss der Bauhandwerker seinerseits die Pfandsumme auf die einzelnen Anteile aufteilen; ein Gesamtpfand ist wiederum nur nach Massgabe von Art. 798 Abs. 1 ZGB möglich.254 Die Aufteilung der Pfandsumme auf die einzelnen Anteile hat nach Massgabe der Bruchteile (Wertquoten) zu erfolgen.255 Sie muss durch den Bauhandwerker selber in seinem Begehren geschehen; eine «Umlegung» durch das Gericht ist auf Grund der Dispositions- und Verhandlungsmaxime unzulässig (und würde nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gar Befangenheit begründen).256 Die dargestellte Rechtslage wird bei Bauarbeiten an gemeinschaftlichen Teilen eines zu StockwerkWertquoten) auf sämtliche Miteigentumsanteile umgelegt wird.257 Das Bundesgericht wendet diese Lösung auch dann an, wenn auf einem grossen, unparzellierten Stammgrundstück mehrere Häuser errichtet und die Wohnungen zu Stockwerkeigentum ausgestaltet worden sind. Mit dem Bauhandwerkerpfandrecht sind in diesem Fall laut Bundesgericht anteilsmässig sämtliche Miteigentumsanteile zu belasten – selbst dann, wenn die Bauarbeiten nur ein einziges Haus (in casu: Kanalisationsanschluss eines Gebäudes) betreffen.258 «Allein die Tatsache, dass eine Überbauung mehrere Baukörper umfasst, rechtfertigt auch unter dem Gesichtspunkt des berechtigten Schutzes der Stockwerkeigentümer keine weitere [sic!] Durchbrechung des Akzessionsprinzips. Der einzelne Eigentü259 (zum Fristenlauf vgl. allerdings hinten Nr. 1760 f.). Diese Lösung weckt Bedenken: Sie setzt die Stockwerkeigentümer der von den Bauarbeiten nicht betroffenen Häuser einem erheblichen Risiko aus, untergräbt die reglementaHaus), und verschafft dem Bauhandwerker unverdiente Vorteile (Pfandrechtssubstrat auch an Stockwerkeigentumsanteilen, zu deren Gunsten er nicht gearbeitet hat).260 Ein Ausweg bestände darin, die Formulierung «an diesem Grundstück» (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB) teleologisch zu reduzieren oder eine unechte Gesetzeslücke anzunehmen.261 Bleibt es hingegen bei dieser Rechtsprechung, so ist allen Beteiligten von einer derartigen Ausgestaltung des Stockwerkeigentums dringend abzuraten.

Nr. 1693), S. 122 ff., der unter Hinweis auf moRitz ottiKeR, Pfandrecht und Zwangsvollstreckung bei Miteigentum und Stockwerkeigentum, Zürcher Diss., Bern 1972 (ASR Heft 416), S. 66 ff., für eine sofortige Aufteilung der Pfandhaft auf die einzelnen Miteigentumsanteile plädiert. 252

253 254 255 256

257 258 259 260

261

97/2016, S. 136 ff. BGE 113 II 157 ff. (161), E. 1c. SteinaueR, Band III, Nr. 2880c. ZBJV 113/1977, S. 315 ff. (317 f.), E. 2 (Berner Appellationshof); ebenso SchumacheR, Nr. 750 ff. BGer 5A_462/2013, E. 3.3; BGer 5A_299/2014, E. 4 = ZBGR 97/2016, S. 136 ff., dazu R aineR SchumacheR, Bauhandwerkerpfandrecht: Schranken der gerichtlichen Kreativität, BR/DC 2015, S. 68 ff. Zum Beispiel BGE 125 III 113 ff. (117), E. 3a. BGE 125 III 113 ff. (117 f.), E. 3a. BGE 125 III 113 ff. (118 oben), E. 3a. Sehr kritisch auch R aineR SchumacheR, BR/DC 1999, S. 158 ff., Nr. 291, besonders Anmerkung 14. Vgl. auch denSelben, Nr. 798 ff. R aineR SchumacheR, BR/DC 1999, S. 158 ff., Nr. 291, Anmerkung 2–3, geht von einer echten Lücke aus.

1737

1737a

524 cc.

Die Grundpfandrechte

Das Pfandobjekt bei Gesamtüberbauungen

1738

Ähnliche Fragen stellen sich mit Bezug auf Gesamtüberbauungen («constructions par lotissement»), also in Situationen, in welchen der Bauhandwerker gestützt auf einen einzigen Werkvertrag Arbeiten für mehrere, auf verschiedenen (benachbarten) Grundstücken stehenden Bauten leistet.262 Auch hier kommt – neben der Bestimmung von Art. 798 ZGB – der Grundsatz zur Anwendung, dass das Pfandrecht auf den Grundstücken errichtet werden muss, die durch die Bauarbeiten einen Mehrwert erfahren haben. Demnach gilt Folgendes:

1739

1. Ein Gesamtpfand auf sämtlichen betroffenen Grundstücken, mit dem die Werkvertragsforderung insgesamt gesichert werden soll, ist nur unter den Voraussetzungen von Art. 798 Abs. 1 ZGB zulässig (vorne Nr. 1519). Diese Voraussetzungen dürften in der Praxis bloss ausnahmsweise erfüllt sein. Immerhin lässt BGE 102 Ia 81 ff. (85 f.), E. 2b, die Frage nach der Zulässigkeit eines Gesamtpfandes für den Sonderfall offen, in welchem die verschiedenen Grundstücke auf Grund der ausgeführten Arbeiten zu einer wirtschaftlichen Einheit verschmelzen.263

1740

2. In allen anderen Fällen – und damit in der Regel – ist ein Gesamtpfand ausgeschlossen.264 Die Pfandsumme muss demnach aufgeteilt werden. Jedes der Grundstücke ist mit einem eigenen Bauhandwerkerpfandrecht zu belasten; die jeweilige Pfandsumme bestimmt sich nach den auf dem betreffenden Grundstück geleisteten Arbeiten.265 Da diese Aufteilung oftmals schwierig ist und das Gesuch um (super-)provisorische Eintragung unter grossem Zeitdruck eingereicht werden muss (hinten Nr. 1752 ff.), lässt die Praxis in dieser Verfahrensphase (Vormerkung) eine «Sicherheitsmarge» von 10 bis 20 Prozent auf den einzelnen Teilbeträgen zu,266 die im Ver-

C.

Das Fehlen anderer hinreichender Sicherheit

1741

Nach Art. 839 Abs. 3 ZGB kann die Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts «nicht verlangt werden, wenn der Eigentümer für die angemeldete Forderung hinreichende Sicherheit leistet». Im Einzelnen:267

1742

1. Das Bauhandwerkerpfandrecht ist ein subsidiäres Sicherungsmittel. Das Fehlen einer (anderen) hinreichenden Sicherheit ist eine negative Voraussetzung dafür, dass ein Anspruch auf Pfanderrichtung entsteht oder weiter besteht. Um das Pfandrecht abzuwehren, muss freilich die Sicherheit «geleistet» sein; es genügt nicht, dass sie

262 263

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267

SteinaueR, Band III, Nr. 2881. Vgl. dazu auch SchumacheR, Nr. 598 f.; a ndRé bRitSchgi (zitiert in Nr. 1799), S. 107 ff.; BGE 119 II 421 ff.; FZR 1994, S. 294 ff. (298), E. 4 (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch); AGVE 1995, S. 534 ff. (537 ff.), E. 2–4 (Aargauer Departement des Innern). BGE 102 Ia 81 ff. (85 f.), E. 2b; 119 II 421 ff. (424 oben), E. 2; LGVE 1986 I Nr. 5, S. 6 f. (Luzerner Obergericht); SchumacheR, Nr. 594 f.; SteinaueR, Band III, Nr. 2881; a ndRé bRitSchgi (zitiert in Nr. 1799), S. 104 f. BGer 5A_683/2010, E. 3.2; SteinaueR, Band III, Nr. 2881. BGer 5A_924/2014, E. 4.1.4; 5A_933/2014, E. 3.3.2 = ZBGR 97/2016, S. 333 ff. (20 Prozent), jeweils unter Hinweis namentlich auf SchumacheR, Nr. 850. Vgl. SchumacheR, Nr. 1237 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2884 ff.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

525

erst angeboten worden ist.268 Diese anderweitige Sicherstellung kann dadurch erfolgen: – dass der Eigentümer eine (andere und hinreichende) Sicherheit leistet, welche die Parteien (Bauhandwerker und Grundstückeigentümer) von Anfang an vertraglich vereinbart haben, oder

1743



1744

es durch eine Hilfsperson (namentlich eine Bank).269 Dies kann zu verschiedenen Zeitpunkten erfolgen: • Der Eigentümer kann einerseits die Sicherheit leisten, bevor das Bauhandwerdiesem Fall hat der Bauhandwerker keinen Anspruch auf Pfanderrichtung. Ist ein gerichtliches Verfahren auf Eintragung hängig (und zieht der Bauhandwerker seinen Antrag auf Eintragung nicht zurück), muss das Gericht das Begehren abweisen. • Der Eigentümer kann andererseits die Sicherheit nach der (provisorischen Bauhandwerker schuldet dem Eigentümer die zuhanden des Grundbuchamts erforderliche schriftliche Löschungsbewilligung im Sinn von Art. 964 Abs. 1 ZGB. Wird diese Bewilligung verweigert, kann der Eigentümer auf gerichtliche Löschung klagen.270 Anerkennt das Gericht während des Verfahrens (also vor dem rechtskräftigen Urteil über die Grundbuch anzuordnen.271

– Beizufügen bleibt, dass der Grundeigentümer ein Recht darauf hat, durch Sicherheitsleistung das Bauhandwerkerpfandrecht abzuwenden. Hingegen hat der Bauhandwerker kein Recht, alternativ zur Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts eine (andere) Sicherheitsleistung zu verlangen.272 Vorbehalten bleibt der Fall, da auf einem Grundstück gebaut wurde, welches im Verwaltungsverhandwerkers durch eine einfache Bürgschaft vor (vorne Nr. 1724a ff.).

268 269

270 271

272

LGVE 1992 I Nr. 10, S. 20 f. (Luzerner Obergericht). Hat ein Subunternehmer die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts beantragt, so kommt es in der Praxis auch vor, dass ein General- oder Totalunternehmer zur Verhinderung oder Ablösung des Pfandrechts eine Bankgarantie stellt (Beispiel: BGE 142 III 738 ff.: Stellung der Bankgarantie durch den Totalunternehmer). SchumacheR, Nr. 1238 und 1567. SchumacheR, Nr. 1238; ZR 86/1987, Nr. 58, S. 147 ff. (149), E. 9 (Zürcher Kassationsgericht); wohl auch BGer 5A_838/2015, E. 1.2.3 (insoweit nicht in BGE 142 III 738 ff.). SchumacheR, Nr. 1244.

1745

526

Die Grundpfandrechte

1746

2. Die Sicherheit vermag jedoch den Anspruch auf Pfanderrichtung nur dann zu zer273 Das gilt in doppelstören, wenn sie hinreichend ter Hinsicht:

1747

– Inhaltlich ist die Sicherheit hinreichend, wenn sie nach menschlichem Ermessen umfassend ist, also die Forderung «voll und ganz» sichert,274 nach anderer, ähnlicher Umschreibung «qualitativ und quantitativ die gleiche Sicherheit ... [bietet] wie das Bauhandwerkerpfandrecht»275. Zu diesem Zweck muss die Sicherheit insbesondere auch die Verzugszinsen der gesicherten Forderung unbefristet abdecken.276 Dafür kommt namentlich eine andere Realsicherheit, eine Bürgschaft oder eine Garantie solventer Personen in Betracht.277 In der Praxis üblich sind Bankbürgschaften oder Bankgarantien. Nach überwiegender Lehre und einem Teil der kantonalen Rechtsprechung sind bei Bürgschaften nur Solidarbürgschaften hinreichend.278 Bestreitet der Bauhandwerker, dass die vom Grundeigentümer geleistete Sicherheit hinreichend sei, so hat das Gericht (und nicht der Grundbuchverwalter) über diese Frage zu entscheiden.279

– Verfahrensrechtlich ist die Sicherheit hinreichend, wenn im Vergleich zum Bauhandwerkerpfandrecht bezüglich prozessualer Fragen (Erkenntnis- und Zwangsvollstreckungsverfahren) keine für den Bauhandwerker ungünstigere Situation eintritt.280 Eine relative, nicht kalendermässige Befristung der Sicherheit – deren Ende von einem oder mehreren zukünftigen Ereignissen (etwa von einem rechtskräftigen Gerichtsurteil) abhängt – ist zulässig, wenn sie es dem Bauhandwerker ermöglicht, nach Eintritt des Ereignisses «innerhalb einer angemessenen Reaktionszeit die Sicherheit rechtswirksam für sich zu beanspruchen».281

1748

Gestattet die «andere» Sicherheit die Verlegung des Gerichtsstands, so ist sie nicht hinreichend. Eine Personalsicherheit eines Bürgen oder Garanten mit auswärtigem Sitz oder Wohnsitz ist daher nach der hier vertretenen Meinung ungenügend, sofern nicht gleichzeitig Eigentümer und Sicherheitsleistender sich dem Gerichtsstand am Ort des Grundstücks (Art. 17 ZPO) unterwerfen.282 1749

3. Die Wirkungen der Sicherheitsleistung erschöpfen sich in der beschriebenen Zerstörung des Pfandrechtsanspruchs. Weiter gehende Wirkungen hat die Sicherheit ohne besondere Zusatzabrede der Parteien nicht, auch nicht mit Bezug auf das Ver-

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279

280 281 282

Allgemein: zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1099 ff.; SchumacheR, Nr. 1249 ff. BGE 97 I 209 ff. (215), E. 2 («garantir pleinement la créance»); SchumacheR, Nr. 1249 und 1254. BGE 142 III 738 ff. (741), E. 4.4.2 (im Original teilweise Kursivdruck). BGE 121 III 445 ff. (447), E. 5a (besprochen von R aineR SchumacheR in BR/DC 1996, S. 124 f., Nr. 258); BGE 142 III 738 ff. (741 f.), E. 4.4.2 und 4.4.3; Max. XII (1973), Nr. 134, S. 157 ff. (158 f.), E. 2b (Luzerner Obergericht); SchumacheR, Nr. 1254 ff. SchumacheR, Nr. 1268 ff. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1100; SchumacheR, Nr. 1288, mit Hinweis auf die Analogie zu Art. 277 Satz 2 SchKG. Aus der Rechtsprechung ZH HE 150483 = BR/ DC 2016, Nr. 691, S. 371 (Zürcher Handelsgericht), mit Anmerkung von bettina hüRlimann-K auP. A.M. StePhan duSil (zitiert in Nr. 1799), S. 221 ff. und 228. hombeRgeR, ZüKomm, N 32 zu Art. 961 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2885; SchumacheR, Nr. 1314 ff. Ebenso SchumacheR, Nr. 1263. Ausführlich BGE 142 III 738 ff. (743 ff.), E. 5.4 und 5.5. SchumacheR, Nr. 1264 ff.; a.M. StePhan duSil (zitiert in Nr. 1799), S. 220 f. und 228.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

527

fahren. Leistet also der Eigentümer eine andere hinreichende Sicherheit, so bleibt – unter Vorbehalt einer gegenteiligen Abmachung der Parteien – der Streit in jenem Stadium, in dem er sich vor der Leistung der Sicherheit befand; nur wird das Bauhandwerkerpfandrecht durch die andere Sicherheit ersetzt.283 Hat also der Grundeigentümer die Sicherheit im Verfahren auf provisorische Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts geleistet und wird die Sicherheit vom Bauhandwerker als hinreichend anerkannt, so obliegt es nach wie vor dem Bauhandwerker nachzuweisen, dass ihm ein Anspruch auf Pfanderrichtung in der beantragten Höhe zustand und dass er die Viermonatsfrist nach Art. 839 Abs. 2 ZGB gewahrt hat.284

3.

Die Errichtung des Bauhandwerkerpfandrechts

Unter den vorne (Nr. 1703 ff.) umschriebenen Voraussetzungen steht dem Bauhandwerker ein Anspruch auf Errichtung eines Pfandrechts zu. Damit ist jedoch das Pfandrecht als beschränktes dingliches Recht noch nicht errichtet (entstanden). Hierfür bedarf es (A.) der Eintragung in das Grundbuch. Für die Eintragung sind (B.) eine besondere Frist und (C.) bestimmte verfahrensrechtliche Regeln zu beachten. Im Einzelnen:

A.

1750

Die Entstehung durch Eintragung in das Grundbuch 1751

das Grundbuch.285 Massgebend ist gemäss Art. 972 Abs. 1 ZGB die Eintragung in das Hauptbuch; doch wird ihre Wirkung nach Massgabe von Art. 972 Abs. 2 ZGB auf den Zeitpunkt der Einschreibung in das Tagebuch zurückbezogen (vorne Nr. 573 f.). Die Eintragung des Pfandrechts in das Grundbuch (Randtitel zu Art. 839 ZGB; «Inscription») setzt ein Doppeltes voraus: – erstens dass der Bauhandwerker sie rechtzeitig erwirkt – nicht zu früh (Art. 839 Abs. 1 ZGB) und insbesondere nicht zu spät (Art. 839 Abs. 2 ZGB; nachfolgend B.); und – zweitens dass die Verfahrensvoraussetzungen von Art. 839 Abs. 3 ZGB eingehalten werden (nachfolgend C.). 286

Verwirkung verhindert (Art. 76 Abs. 3 GBV; hinten Nr. 1764 und 1770 ff.).287

283

284

285

286 287

BGE 110 II 34 ff. (36), E. 1b; ZR 86/1987, Nr. 58, S. 147 ff. (148 f.), E. 8 (Zürcher Kassationsgericht); ZR 75/1976, Nr. 16, S. 46 ff. (49), E. 4c (Zürcher Obergericht); ZWR 2011, S. 260 ff. (261), E. 2a/aa; SchumacheR, Nr. 1302 f. Vgl. auch BGer 5A_838/2015, E. 1.2 (insoweit nicht in BGE 142 III 738 ff.). BGE 110 II 34 ff. (36), E. 1b; ZWR 1985, S. 99 ff. (100), E. 4a (Walliser Kantonsgericht); SchumacheR , Nr. 1303. Illustrativ BGE 40 II 452 ff. (456 f.), E. 2; 125 III 248 ff. (249), E. 2b; ferner BGE 138 III 132 ff. (135), E. 4.2.1 = Pra 2012, Nr. 89, S. 597 ff.; eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 277 f. BGE 125 III 248 ff. (249), E. 2b. BGE 125 III 248 ff. (249), E. 2b.

528

B. 1752

Die Grundpfandrechte

Die Frist

Frühestmöglicher Termin der Eintragung in das Grundbuch ist der Zeitpunkt, an dem einer solch frühen Eintragung kommt es praktisch nie.288 Viel «kritischer» ist in der Praxis denn auch der spätestmögliche Eintragungstermin, wie ihn Art. 839 Abs. 2 ZGB regelt. Nach dieser Bestimmung hat die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts «bis spätestens vier Monate nach der Vollendung der Arbeit zu erfolgen». Das bedarf der Erläuterung bezüglich der Rechtsnatur und des Zwecks der Frist (nachfolgend a.), des Fristbeginns (b.) und der Fristwahrung (c.). Die Viermonatsfrist gilt erst seit dem 1. Januar 2012.289 Vorher betrug die Frist drei Monate, was bei der Konsultation von Judikatur und Literatur zu beachten ist. 290

a.

Rechtsnatur und Zweck der Frist von Art. 839 Abs. 2 ZGB

1753

1. Art. 839 Abs. 2 ZGB stellt eine Verwirkungsfrist auf, die weder gehemmt noch unterbrochen werden kann.291 Wird sie nicht gewahrt (dazu hinten Nr. 1762 ff.), so erlischt der Anspruch auf Errichtung des Pfandrechts.

1754

2. Der gesetzgeberische Zweck der Frist «besteht im Schutz Dritter (namentlich eines Erwerbers), um deretwillen drei [heute: vier] Monate nach Vollendung der Bauarbeit Gewissheit über den Stand der Pfandrechte bestehen muss».292 Illustrativ eugen hubeR: «Wer also einen Neubau erwirbt, weiss, dass er noch drei [heute: vier] Monate nach der Vollendung des Werkes solcher Eintragungen gewärtig sein muss, und wird sich zur Vermeidung von Schaden darnach richten.»293

1755

3. Eine weitere Bedeutung kann der Frist von Art. 839 Abs. 2 ZGB nach Massgabe von Art. 841 Abs. 3 ZGB für die Eintragbarkeit anderer Pfandrechte zukommen (hinten Nr. 1797).294 b.

1756

Der Fristbeginn

1. Die Viermonatsfrist beginnt ab Vollendung der Arbeiten der Bauhandwerker zu laufen («dans les quatre mois qui suivent l’achèvement des travaux»). «Vollendung» liegt nach der Rechtsprechung dann vor, wenn alle Arbeiten, die Gegenstand des Werkvertrags bilden, ausgeführt worden sind und das Werk abgeliefert wer-

288 289

290

291

292

293 294

Vgl. auch SteinaueR, Band III, Nr. 2888 ff. Amtl.Bull. StR 2008, S. 419; Amtl.Bull. NR 2009, S. 625 ff. (Abstimmung S. 629), wo ein weiter gehender Antrag auf sechs Monate abgelehnt wurde. Zum intertemporalen Recht bezüglich der Eintragungsfrist BGer 5A_282/2016, E. 6.2, unter Hinweis auf SchumacheR, Ergänzungsband, Nr. 469 ff.; deRSelbe, Intertemporales Recht (zitiert in Nr. 1799), S. 12 ff. BGE 126 III 462 ff. (465 oben), E. 2c/aa; 119 II 429 ff. (431), E. 3a; 89 II 304 ff. (306), E. 3; SchumacheR , Nr. 1092. So bezüglich der Dreimonatsfrist (Rechtslage vor dem 1. Januar 2012) BGE 89 II 304 ff. (306), E. 3; vgl. auch BGE 112 II 214 ff. (218 unten), E. 4a. eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 280 f. Vgl. dazu BGE 43 II 606 ff. (610 f.), E. 2.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

529

den kann.295 Wann dieser Zeitpunkt eingetreten ist, hat das Tatsachengericht zu entscheiden (Tatfrage),296 dem die Praxis eine reiche Kasuistik zum Vollendungsbegriff anbietet.297 Illustrativ BGE 102 II 206 ff. (208 oben), E. 1a: «Il y a achèvement des travaux quand tous les travaux qui constituent l’objet du contrat d’entreprise ont été exécutés et que l’ouvrage est livrable. Ne sont considérés comme travaux d’achèvement que ceux qui doivent être exécutés en vertu du contrat d’entreprise et du descriptif, non les prestations commandées en surplus sans qu’on puisse les considérer comme entrant dans le cadre élargi du contrat. Des travaux de peu d’importance ou accessoires différés intentionnellement par l’artisan ou l’entrepreneur, ou bien encore des retouches (remplacement de parties livrées mais défectueuses, correction de quelque autre défaut) ne constituent pas des travaux d’achèvement (…).»298

2. Folgende Sonderfälle der Arbeitsvollendung sind zu erwähnen:

295

296 297 298

299

300 301

302

303

1757

– Wird der Werkvertrag vorzeitig aufgelöst, indem der Besteller dem Unternehmer die Arbeiten entzieht oder der Letztere die Weiterarbeit verweigert, so beginnt die Viermonatsfrist mit diesem Zeitpunkt zu laufen.299 Verlangt indessen der Besteller, nachdem er den Werkvertrag vorzeitig aufgelöst hat, vom Bauhandwerker ausdrücklich noch einzelne unentbehrliche Arbeiten, so bildet die Beendigung dieser Arbeiten den Ausgangspunkt des Fristenlaufs.300

1758

– Hat der Bauhandwerker – gestützt auf einen einzigen Werkvertrag oder mehrere Werkverträge – auf mehreren Grundstücken Arbeiten verrichtet (Gesamtüberbauung), so ist der Fristbeginn für jedes dieser Grundstücke separat zu berechnen.301

1759

– Der gleiche Grundsatz gilt nach der hier vertretenen Meinung auch dann, wenn auf dem gleichen Grundstück Arbeiten für mehrere Bauten oder andere Werke geleistet werden – es sei denn, die verschiedenen Arbeiten liessen sich unter praktischen Gesichtspunkten als einheitliche Bauleistung zusammenfassen.302

1760

– Bei Bauarbeiten an einem in Stockwerkeigentum aufgeteilten Grundstück ist für Arbeiten an den gemeinschaftlichen Teilen von einem einheitlichen Fristbeginn auszugehen.303 Beziehen sich hingegen die Arbeiten auf die einzelnen Stockwerkeinheiten, beginnt nach der bundesgerichtlichen Praxis die Frist mit dem

1761

Grundlegend BGE 102 II 206 ff. (208 oben), E. 1a; ferner BGE 125 III 113 ff. (116), E. 2b; BGer 5D_116/2014, E. 5.2.2 = ZBGR 97/2016, S. 338 ff.; 5A_420/2014, E. 3.1. BGE 102 II 206 ff. (208 oben), E. 1a. SteinaueR, Band III, Nr. 2890 ff.; SchumacheR, Nr. 1100 ff. Bestätigt unter anderem in BGer 5A_475/2010, E. 3.1.1 = Semjud 133/2011, S. 173 f.; 5A_282/2016, E. 4.1. BGE 120 II 389 ff. (391), E. 1a; 102 II 206 ff. (208 f.), E. 1a; BGer 5D_116/2014, E. 5.2.2 = ZBGR 97/2016, S. 338 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2890c; zum Ganzen auch SchumacheR, Nr. 1121 ff. BGE 120 II 389 ff. (392), E. 1c. BGer 5A_282/2016, E. 7.1; ZR 79/1980, Nr. 128, S. 270 ff. (275), E. IV./1 (Zürcher Obergericht); SchumacheR, Nr. 1204 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2890f, unter Hinweis auf RudolF K aPPeleR (zitiert in Nr. 1799), S. 257 ff. BGE 111 II 343 ff. (345 ff.), E. 2c und d (einheitliche Bauleistung bejaht bei sukzessiven Lieferungen von Frischbeton für zwei zusammengehörige Bauten auf einem einzigen Grundstück), ebenso BGE 125 III 113 ff. (118 f.), E. 3b; BGer 5D_116/2014, E. 5.2.3 = ZBGR 97/2016, S. 338 ff.; 5A_282/2016, E. 7.1; vgl. auch SchumacheR, Nr. 1199 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2890g. SteinaueR, Band III, Nr. 2890h; ebenso BGE 125 III 113 ff. (118 f.), E. 3b; BGer 5A_282/2016, E. 7.1; vgl. dazu R aineR SchumacheR, BR/DC 1999, S. 161, Nr. 292; ferner deRSelbe, Nr. 1220.

530

Die Grundpfandrechte

Abschluss der Leistungen in den jeweiligen Einheiten (mithin gesondert) zu laufen.304 c.

Die Wahrung der Frist

1762

Innerhalb dieser Frist muss nach Art. 839 Abs. 2 ZGB die Eintragung (in das Grundbuch) erfolgen («L’inscription doit être obtenue …»).305 Nur die Eintragung des Pfandrechts innerhalb der Viermonatsfrist schafft jene Rechtsklarheit, die das Gesetz mit der Befristung anstrebt. Das bedeutet:

1763

1. Die Einreichung der Forderungsklage auf Werklohnzahlung, die Klage auf Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts, die gerichtliche Bewilligung der Eintragung oder das Begehren um Eintragung beim Grundbuchamt wahren die Viermonatsfrist nicht. Erforderlich und ausreichend ist nur die Eintragung des Pfandrechts innerhalb der Frist von Art. 839 Abs. 2 ZGB durch den Grundbuchverwalter.306

1764

2. Doch ist unter «Eintragung» immerhin nicht nur die in das Grundbuch, sondern auch die provisorische Einschreibung in Gestalt einer Vormerkung) zu verstehen,307 was seit 1. Januar 2012 in Art. 76 Abs. 3 GBV ausdrücklich festgeschrieben wird. Nach der zutreffenden herrschenden Meinung genügt – entsprechend den allgemeinen Regeln (vorne Nr. 573 f.) – die innert der Verwirkungsfrist vorgenommene Tagebucheinschreibung, sofern es später zu einer Eintragung auf dem Hauptbuchblatt kommt,308 falls mit anderen Worten die Voraussetzungen für den Vollzug der Anmeldung erfüllt sind.309 Nach JüRg Schmid310 soll es entgegen der zitierten Rechtsprechung zur Fristwahrung genügen, wenn die schriftliche Grundbuchanmeldung innert der Frist auf dem Grundbuchamt eingegangen ist. Demgegenüber muss nach der hier vertretenen Meinung (mindestens) die Tagebucheinschreibung innert der Viermonatsfrist erfolgen. Das führt zur Frage, wann die Anmeldung als «ans Tagebuch genommen» angesehen werden kann. Nach verbreiteter Grundbuchpraxis ist eine physische Einschreibung in das Tagebuch (in Papier- oder informatisierter Gestalt) nicht in jedem Fall erforderlich; ein Eingangsvermerk des Grundbuchamtes kann genügen (vorne Nr. 446).

304

305

306

307 308

309

310

BGE 112 II 214 ff. (218 ff.), E. 4 (anders das Luzerner Obergericht als Vorinstanz in LGVE 1985 I Nr. 6, S. 12 ff.); BGer 5A_282/2016, E. 7.1 (mit einer leichten Einschränkung); weitgehend zustimmend nun SchumacheR, Nr. 1221 ff. Durch das BG vom 11. Dezember 2009 (in Kraft seit 1. Januar 2012) wurde die ursprünglich missverständliche Formulierung des französischen Gesetzestextes («L’inscription doit être requise …») geändert; vgl. zum Vorrang des (von Anfang an «richtig» lautenden) deutschsprachigen Textes BGE 126 III 462 ff. (464 f.), E. 2c/aa; 119 II 429 ff. (431), E. 3a; vgl. auch BGer 5P.344/2005, E. 3.1. BGE 137 III 563 ff. (566), E. 3.3; 119 II 429 ff. (431), E. 3a; BGer 5P.344/2005, E. 3.1; ZR 87/1988, Nr. 16, S. 40 ff. (42), E. II./2 (Zürcher Obergericht); SchumacheR, Nr. 1095 und 1319. BGE 137 III 563 ff. (566), E. 3.3; 126 III 462 ff. (465), E. 2c/aa; 119 II 429 ff. (431), E. 3a. BGer 5P.344/2005, E. 3.4; hombeRgeR, ZüKomm, N 33 zu Art. 961 ZGB; SchumacheR, Nr. 1099 und 1538 ff.; SteinaueR Insoweit gleicher Meinung JüRg Schmid, Redaktionelle Anmerkung, ZBGR 76/1995, S. 165, letzter Absatz. JüRg Schmid, a.a.O., S. 165, zweiter Absatz.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

C.

531

Das Verfahren zur Eintragung

Zur Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts in das Grundbuch kommt es nur, wenn der Berechtigte eine entsprechende Anmeldung an das Grundbuchamt richtet (Art. 46 ff. GBV; vorne Nr. 503 ff.). Nach den allgemeinen Regeln muss der Eigentümer die Eintragung des Pfandrechts schriftlich beim Grundbuchamt anmelden (Art. 963 Abs. 1 ZGB) – es sei denn, es liege ein rechtskräftiges Urteil vor (Art. 963 Abs. 2 ZGB). Art. 839 Abs. 3 ZGB ergänzt hierzu, dass die Eintragung nur erfolgen darf, «wenn die Pfandsumme vom Eigentümer anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist» (vgl. auch Art. 76 Abs. 2 GBV). Zwei Fälle sind demnach auseinanderzuhalten: die Anerkennung der Pfandsumme durch den Grundeigentümer (nachfolgend a.) und die gerichtliche Feststellung der Pfandsumme (b.).

1765

Die für die Bauhandwerkerpfandrechte geltenden besonderen Regeln mit Bezug auf die Grundbucheintragung gelten gemäss Art. 76 Abs. 2 lit. a, c und d GBV auch für die Pfandrechte nach Art. 779d Abs. 2 und 3, Art. 779i und 779k sowie Art. 712i ZGB.

a.

Die Anerkennung der Pfandsumme durch den Grundeigentümer

Der Eigentümer kann die Pfandsumme – jenen Betrag, für den das Grundstück haften soll – anerkennen (Art. 839 Abs. 3 ZGB und Art. 76 Abs. 2 GBV). Das bedeutet nach der hier vertretenen Auffassung: Er erklärt sich zuhanden des zuständigen Grund311 tiv) mit einem Pfandrecht bis zu einem bestimmten Betrag belastet wird. Beizufügen bleibt:

1766

1. Die Anerkennung bezieht sich nicht auf die Werklohnforderung (die der Grundeigentümer dem Bauhandwerker ja nicht in jedem Fall schuldet) und stellt daher keine Schuldanerkennung im Sinn von Art. 82 Abs. 1 SchKG dar. Die Anerkennung nach Art. 839 Abs. 3 ZGB betrifft vielmehr nur (aber immerhin) die Pfandsumme.312

1767

Der Grundeigentümer anerkennt also keine Geldforderung, sondern lediglich das Pfandrecht und pfand gegen eine Drittperson) als bestehend herausstellt (hinten Nr. 1780).

2. In der so verstandenen Anerkennung der Pfandsumme durch den Eigentümer liegt die Bewilligung der Eintragung in das Grundbuch (Art. 963 Abs. 1 ZGB). Der letzte Teilsatz von Art. 76 Abs. 2 GBV («… oder die Eintragung bewilligt») hat demnach keine eigenständige Bedeutung.313

1768

3. Die praktische Bedeutung der aussergerichtlichen Anerkennung der Pfandsumme

1769

311

312

313

Ähnlich SchumacheR, Nr. 1334 ff. und 1345 f., sowie SteinaueR, Band III, Nr. 2891 ff., die jedoch zwischen Anerkennung der Pfandsumme und Eintragungsbewilligung des Grundeigentümers unterscheiden. Durch das BG vom 11. Dezember 2009 (in Kraft seit 1. Januar 2012) wurde der Wortlaut von Art. 839 Abs. 3 ZGB in diesem Sinn präzisiert (Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5320); zur missverständlichen früheren Formulierung (Anerkennung der «Forderung») vgl. Nr. 1767 Fn. 304 der Im Ergebnis gl.M. SteinaueR, Band III, Nr. 2893.

532

Die Grundpfandrechte

kommt die gerichtliche Feststellung vor (nachfolgend Nr. 1770 ff.), die damit den Regelfall bildet. b.

Die gerichtliche Feststellung der Pfandsumme

1770

Verweigert der Grundeigentümer die Anerkennung einer Pfandsumme (oder versucht der Bauhandwerker gar nicht erst, diese Anerkennung aussergerichtlich einzuholen), so ist die Eintragung in das Grundbuch nur dann möglich, wenn die Pfandsumme gerichtlich festgestellt ist (Art. 839 Abs. 3 ZGB; Art. 76 Abs. 2 GBV). Erforderlich ist somit ein rechtskräftiges Gerichtsurteil, das die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts anordnet. Da ein Zivilprozess regelmässig nicht innert vier Monaten abgeschlossen ist und daher die Viermonatsfrist von Art. 839 Abs. 2 ZGB (Verwirkungsfrist!) unbegung vor. Damit lässt sich die Frist wahren (vorne Nr. 1764). Folgender Verfahrensab-

1771

1. Art. 76 Abs. 3 GBV sieht vor, dass die Viermonatsfrist «durch Vormerkung einer (Art. 961 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB)» wird. Die Wahrung der Frist wird daher durch eine provisorische Eintragung in Gestalt einer Vormerkung erreicht. Folgendes ist beizufügen:

1772

– Die Einordnung der provisorischen Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts unter Art. 961 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB ist erstaunlich, zumal das Gesetz (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB) dem Bauhandwerker nicht ein unmittelbares Pfandrecht, sondern nur einen (obligatorischen, wenn auch realobligatorischen) Anspruch auf Pfanderrichtung gewährt. Unter diesem Gesichtspunkt erschiene vielmehr eine Verfügungsbeschränkung im Sinn von Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB als angebracht. Angesichts des klaren Wortlauts von Art. 76 Abs. 3 GBV (wie schon Art. 22 Abs. 4 aGBV) gehen jedoch Rechtsprechung und Lehre von der Anwendaus.314

1773

– Für das Verfahren gilt demnach Art. 961 Abs. 3 ZGB: Der Bauhandwerker hat glaubhaft zu machen, dass die Voraussetzungen für das Bestehen eines Pfandrechts hinsichtlich einer bestimmten Pfandsumme erfüllt sind. Ihrer Natur nach stellt die beantragte provisorische Eintragung eine vorsorgliche Massnahme (zur Fristwahrung) dar.315 Anwendbar ist daher das summarische Verfahren (Art. 248 lit. d und Art. 249 lit. d Ziff. 5 sowie 11 ZPO).316 Heisst das Gericht das Gesuch um provisorische Eintragung gut, so tut es ein Doppeltes:317

314

315

316 317

BGE 126 III 462 ff. (465), E. 2c/aa; 119 II 429 ff. (431), E. 3a; 95 II 22 ff. (25), E. 1; vgl. schon SchumacheR, Nr. 1347; SteinaueR, Band III, Nr. 2895a, und Band I, Nr. 779 f.; leicht abweichend immerhin dieteR zobl, Bauhandwerkerpfandrecht (zitiert in Nr. 1693), S. 157 f., der eine echte Gesetzeslücke annimmt und sich für die analoge Anwendung von Art. 961 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB ausspricht; vgl. auch leemann, BeKomm, N 5 zu Art. 839 ZGB, und liveR, ZüKomm, N 80 zu Art. 731 ZGB. BGE 137 III 563 ff. (567), E. 3.3; 137 III 589 ff. (591 f.), E. 1.2.3; SchumacheR, Ergänzungsband, Nr. 548. Zur geringfügigen Änderung von Art. 961 Abs. 3 ZGB durch die ZPO vgl. vorne Nr. 491. SchumacheR, Nr. 1406 und 1413 ff.

533

§ 30 Die Grundpfandverschreibung



merkung) in das Grundbuch eingeschrieben werden kann (Art. 262 lit. c ZPO). In seinem Entscheid erteilt das Gericht dem Grundbuchamt eine entsprechende Anweisung, oder es erklärt den gesuchstellenden Bauhandwerker zur Anmeldung als ermächtigt (Art. 963 Abs. 2 ZGB; Art. 124 Abs. 1 GBV). Diese gerichtliche oder private Anmeldung hat der Grundbuchverwalche Anmeldung Art. 77 Abs. 3 und Art. 85 GBV).

• Andererseits setzt das Gericht dem Bauhandwerker (nötigenfalls) Frist zur 318

An die Glaubhaftmachung sind angesichts der drohenden Fristverwirkung keine hohen AnfordePfandrechts als ausgeschlossen erscheint oder höchst unwahrscheinlich ist; im Zweifelsfall, bei unklarer oder unsicherer Rechtslage, ist die Eintragung dagegen zu bewilligen und die Entscheidung dem ordentlichen Richter zu überlassen».319 Hat das Gericht indessen keine solchen Zweifel und hält es etwa auf Grund der eingereichten Beweismittel die Fristwahrung für sehr unwahrscheinlich, so fehlt es an der Glaubhaftmachung, und das Gesuch um provisorische Eintragung ist abzuweisen.320 dann möglich, wenn streitig ist, ob es sich beim betreffenden Grundstück um Verwaltungsvermögen handelt (vorne Nr. 1724e).

– Der Entscheid der obersten kantonalen Instanz, welcher das Gesuch um provisorische Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts gutheisst, ist gemäss der Rechtsprechung ein Zwischenentscheid im Sinn von Art. 93 BGG; da die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG (nicht wieder gutzumachender Nachteil oder Möglichkeit des sofortigen Endentscheides unter Einsparung eines weitBeschwerde in Zivilsachen 321 nicht zulässig.

1774

Wird demgegenüber die provisorische Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts von der obersten kantonalen Instanz verweigert, liegt ein Endentscheid im Sinn von Art. 90 BGG vor, gegen den die Beschwerde in Zivilsachen in Betracht kommt. 322



318

319

320 321 322

1774a

Pfandrechts superprovisorisch anordnen – also ohne vorherige Anhörung der Gegenpartei (Art. 265 Abs. 1 ZPO). Anschliessend hat das Gericht dem Beklagten das rechtliche Gehör zu gewähren und im Entscheid über die provisorische

Ausführlich SchumacheR, Ergänzungsband, Nr. 672 ff.; WolFgang eRnSt (zitiert in Nr. 1799), S. 468 ff. Zur (fehlenden) Befristung der Vormerkung im Grundbuch vgl. LGVE 2013 I Nr. 40 gericht geführt werden kann, vgl. BGE 141 III 444 ff. (462 f.), E. 4.2.2; SchumacheR, Nr. 1463. Zur Zulässigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung vgl. LGVE 2015 I Nr. 14 = ZBJV 152/2016, S. 588 ff. Grundlegend BGE 86 I 265 ff. (270), E. 3, bestätigt in BGE 102 Ia 81 ff. (86), E. 2b/bb; BGer 5A_475/2010, E. 3.1.2 = Semjud 133/2011, S. 173 f.; BGer 5A_933/2014, E. 3.3.2 = ZBGR 97/2016, S. 333 ff.; ebenso SchumacheR, Nr. 1394 f.; SteinaueR, Band III, Nr. 2897. BGer 5P.291/2002, E. 3; 5D_116/2014, E. 5.3 = ZBGR 97/2016, S. 338 ff.; 5A_426/2015, E. 3.4. BGE 137 III 589 ff. (591 f.), E. 1.2.3; BGer 5A_21/2014, E. 1.2. BGE 137 III 589 ff. (591), E. 1.2.2; BGer 5A_21/2014, E. 1.2.

534

Die Grundpfandrechte

Eintragung zu entscheiden, ob der superprovisorisch angeordnete Eintrag bestehen bleibt oder wieder gelöscht wird (Art. 265 Abs. 2 ZPO).323 1775

2. An das für den Bauhandwerker erfolgreiche Verfahren auf provisorische Eintragung (Vormerkung) schliesst sich der tragung des Bauhandwerkerpfandrechts an.324 Hier hat der Bauhandwerker seinen Anspruch auf Pfanderrichtung nicht bloss glaubhaft zu machen, sondern strikte zu beweisen, wofür ihm alle Beweismittel zur Verfügung stehen. Im Blick auf die Vergung auf das Grundstück beziehen, auf dem das Pfandrecht provisorisch eingetragen worden ist.325 Für den Prozessausgang bestehen zwei Möglichkeiten:326

1776

– Entweder bejaht das Gericht den Anspruch auf Pfanderrichtung und ordnet die handwerker zur Anmeldung ermächtigen (Art. 963 Abs. 2 ZGB; Art. 344 Abs. 2 ZPO).327 gung (Vormerkung) in das Tagebuch erhält (Art. 972 Abs. 2 ZGB; vorne Nr. 573 und 835). Das Pfandrecht ist damit als beschränktes dingliches Recht entstanden (Art. 972 Abs. 1 und 2 ZGB) und kann seine Wirkungen entfalten (nachfolgend Nr. 1778 ff.). Die Vormerkung hat ihren Zweck (Fristwahrung) erfüllt und ist von Amtes wegen zu löschen.328

– Oder das Gericht weist die Klage des Bauhandwerkers ab. In diesem Fall weist tritt der Rechtskraft des Urteils zu löschen.

1777

1777a

3. Zu Gesuch und Klage sind zwei Punkte nachzutragen:

1777b

– Nach der Rechtsprechung hat der Handwerker, der seine Bauleistungen bereits erbracht hat, die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts als Kapitalhypothek im Sinn von Art. 794 Abs. 1 ZGB zu beantragen. Eine Maximalhypothek nach Art. 794 Abs. 2 ZGB steht ihm nur offen, wenn die Eintragung vor Beginn der Arbeiten verlangt wird (Art. 839 Abs. 1 ZGB), der Bauhandwerker also noch über keine Werklohnforderung verfügt.329

1777c



323

324 325 326 327

328 329

der Handwerker nicht mit einer Leistungsklage auf Zahlung des ausstehen-

Zur Rechtslage vor Inkrafttreten der ZPO SchumacheR pfandrechts nicht rechtzeitig dem zuständigen Grundbuchamt zustellt, vgl. BR/DC 2002, S. 183, Nr. 429 (Berner Verwaltungsgericht), mit Anmerkung von R aineR SchumacheR. Vgl. BGE 137 III 589 ff. (591 f.), E. 1.2.3; 105 II 149 ff. (152), E. 2b; SchumacheR, Nr. 1452 ff. BGE 126 III 462 ff. (465), E. 2c/bb. Vgl. auch SchumacheR, Nr. 1511 ff. LGVE 1992 I Nr. 9, S. 16 ff. (Luzerner Obergericht), mit Anmerkung von R aineR SchumacheR, BR/ DC 1994, S. 112 f.; SchumacheR, Nr. 1512 ff. BGE 126 III 462 ff. (465), E. 2c/aa. BGE 126 III 467 ff. (474 f.), E. 4d; Paul-h enRi SteinaueR, BR/DC 2001, S. 85.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

535

den Werklohns zu verbinden.330 Sind Grundeigentümer und Werklohnschuldner 331 bunden. Das ist in aller Regel auch zweckmässig. In der Betreibung auf Pfandverwertung kann der Betreibende nämlich den gegen den Zahlungsbefehl erhobenen Rechtsvorschlag nur dann beseitigen lassen, wenn er für die Pfandsumme und die gesicherte Forderung einen Rechtsöffnungstitel vorlegt.332 lung der Werklohnforderung, so spricht sich das Gericht zur Forderung (Schuldsumme) nicht mehr nur vorfrageweise mit der Forderungssumme, um die Höhe der Pfandsumme («l’étendue de la garantie hypothécaire») festzulegen.333

4. Für den Gerichtsstand ist Art. 29 Abs. 1 lit. c ZPO massgebend: Für die Klage eines Bauhandwerkerpfandrechts ist grundsätzlich das Gericht am Ort zuständig, an dem das fragliche Grundstück im Grundbuch aufgenommen ist oder aufzunehmen wäre334 (zum Ganzen vgl. vorne Nr. 80a ff.). Da diese Bestimmung keinen zwingenden Charakter hat, ist eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 ZPO zulässig.335

1777d

Das Gesuch um provisorische Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts untersteht demgegenüber als vorsorgliche Massnahme dem zwingenden Art. 13 ZPO: Zuständig ist das Gericht am Ort, an dem die Zuständigkeit für die Hauptsache gegeben ist, oder am Ort, an dem die Massnahme vollstreckt werden soll.336

4.

Die Wirkungen des Bauhandwerkerpfandrechts

Mit der Eintragung in das Grundbuch wird das Bauhandwerkerpfandrecht als beschränktes dingliches Recht (Sicherungs- oder Verwertungsrecht) begründet. Die damit entstandene (mittelbare gesetzliche) Grundpfandverschreibung entfaltet grundsätzlich die gleichen Wirkungen wie eine vertraglich begründete Grundpfandverschreibung; immerhin sind einzelne Besonderheiten zu berücksichtigen:

1778

1. Als Grundpfandverschreibung sichert das Bauhandwerkerpfandrecht die Forderung der Bauhandwerker (Art. 824 Abs. 1 ZGB) im Sinn eines Verwertungsrechts: Wird die Forderung nicht getilgt, so hat der Bauhandwerker die Befugnis, das belastete Grundstück verwerten zu lassen und sich aus dem Erlös zu befriedigen (Art. 816 Abs. 1 ZGB; vorne Nr. 1549 ff.). Es sind die für die Grundpfandverschreibung geltenden Regeln (Art. 793 ff. und 824 ff. ZGB) anwendbar.337 Drei Punkte verdienen besondere Erwähnung:

1779

330

BGE 126 III 467 ff. (473), E. 3b/dd; 138 III 471 ff. (480), E. 5.1; BGer 5A_282/2016, E. 3.2.2; SchuNr. 579 und 1415. SchumacheR, Nr. 1478 ff. Ausführlich BGE 138 III 132 ff. (134 ff.), E. 4.2 = Pra 2012, Nr. 89, S. 597 ff.; ferner BGer 5A_282/2016, E. 3.2.2. BGE 138 III 132 ff. (135), E. 4.2.2 = Pra 2012, Nr. 89, S. 597 ff.; BGer 5A_282/2016, E. 3.2.2. SchumacheR, Ergänzungsband, Nr. 550 ff. Vgl. dazu SchumacheR, Ergänzungsband, Nr. 553 ff. Vgl. dazu SchumacheR, Nr. 1354 ff.; denSelben, Ergänzungsband, Nr. 558 ff. BGE 119 II 421 ff. (423), E. 2; SchumacheR, Nr. 3, 557 ff. und 1584 ff. macheR ,

331 332

333 334 335 336 337

536

Die Grundpfandrechte

– Das Bauhandwerkerpfandrecht ist «akzessorisch» im Verhältnis zur gesicherten Forderung (vorne Nr. 1602 ff.): Es dient zu deren Sicherung und hat nur Bestand, wenn und soweit diese Forderung zu Recht besteht.338 Wird die Forderung getilgt, kann der Grundstückeigentümer vom Gläubiger die Löschungsbewilligung verlangen (Art. 826 ZGB; vorne Nr. 1544 und 1604).

1780

Bestand und Höhe der Werklohnforderung können zwischen den Werkvertragsparteien streitig sein. Vor der Zwangsvollstreckung in das Grundstück müssen deshalb diese Fragen gerichtlich geklärt werden (vgl. auch vorne Nr. 1777c). 1781

– Der Umfang der Pfandhaft richtet sich nach Art. 805 ff. ZGB (vorne Nr. 1561 ff.). Das Bauhandwerkerpfandrecht beschlägt namentlich das gesamte Grundstück (mit allen Bestandteilen, Zugehör usw.) und beschränkt sich nicht auf den vom betreffenden Bauhandwerker geschaffenen Mehrwert.339 Nach Art. 818 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB sichert das Bauhandwerkerpfandrecht die Verzugszinsen ohne zeitliche Beschränkung.340

1782

– Ist der Eigentümer des belasteten Grundstücks nicht mit dem Besteller der Werkvertragsarbeiten (Werklohnschuldner) identisch, besteht ein Drittpfandverhältnis (Art. 824 Abs. 2 ZGB; vorne Nr. 1606 ff.). Der Grundstückeigentümer riskiert mit anderen Worten, dass sein Grundstück für eine fremde Schuld in eine Zwangsvollstreckung einbezogen wird. Vom Doppelzahlungsrisiko (des Bauherrn, der einen Generalunternehmer beigezogen hat, oder des Erwerbers des Grundstücks) war bereits die Rede (vorne Nr. 1715 ff. und 1732). Zu betonen bleibt, dass das Bauhandwerkerpfandrecht für sich allein keine Werklohnforderung des Bauhandwerkers gegen den Grundeigentümer begründet.341

1783

2. Immerhin bleiben im Vergleich zum allgemeinen Recht der Grundpfandverschreibungen Besonderheiten zu beachten, die sich auf das Stadium der Pfandverwertung beziehen:

1784

– Das Bauhandwerkerpfandrecht nimmt seinen Rang nach dem Datum seiner Eintragung (Art. 972 Abs. 1 und 2 ZGB) ein (vorne Nr. 1776),342 schliesst sich also an alle vorhandenen Pfandrechte an.343 Werden jedoch mehrere Bauhandwerkerpfandrechte auf einem Grundstück eingetragen, haben sie gemäss Art. 840 ZGB «untereinander den gleichen Anspruch auf Befriedigung aus dem Pfande» («concourent entre eux à droit égal»), und zwar auch dann, «wenn sie von verschiedenem Datum sind». Alle durch ein Bauhandwerkerpfandrecht gesicherten Personen erhalten folglich den gleichen Prozentsatz ihrer Forderungen ausbezahlt.344 Illustrativ BGE 115 II 136 ff. (142 oben), E. 5a: «Mit dieser Gleichstellung sollte allfälligen Benachteiligungen der Bauhandwerker, die in der arbeitsteiligen, zeitlich gestaffelten Ausfüh-

338 339 340

341 342 343 344

BGer 5A_527/2012, E. 2.2.2; SchumacheR, Nr. 580 ff. BGE 119 II 421 ff. (423), E. 2; SchumacheR, Nr. 706. BGE 121 III 445 ff. (447), E. 5a, mit dem Vorbehalt der Maximalhypothek; BGE 142 III 738 ff. (741 f.), E. 4.4.2. SchumacheR, Nr. 865. BGE 63 III 1 ff. (3 f.). tuoR /SchnydeR /Schmid, § 113 N 75; SteinaueR, Band III, Nr. 2853, 2861 und 2902 ff. ZBGR 76/1995, S. 155 ff. (157) = SJZ 89/1993, S. 69 f. (Bezirksgericht Affoltern); SchumacheR, Nr. 1744 ff.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

537

rung des Bauwerks gründeten, wirksam begegnet werden. In der Tat würde es jeglichem Gerechchen Anspruchsbegründung abhängig gemacht würde, obwohl der den Bodenwert übersteigende

– Kommen Bauhandwerker mit ihren Forderungen bei der Pfandverwertung zu Verlust, so haben sie nach Massgabe von Art. 841 ZGB ein besonderes Vorrecht (dazu nachfolgend Nr. 1786 ff.).

5.

Das Vorrecht nach Art. 841 ZGB

Art. 841 ZGB sieht für das Stadium der Pfandverwertung ein besonderes Vorrecht («Privilège») der Bauhandwerker vor, das an den von ihnen geschaffenen Mehrwert und dessen gerechte Verteilung anknüpft.345 Zu behandeln sind einerseits (A.) die Voraussetzungen des Vorrechts, andererseits (B.) seine Wirkungen:346

A.

1785

1786

Die Voraussetzungen

Art. 841 Abs. 1 ZGB setzt für das Vorrecht ein Dreifaches voraus, nämlich zwei objektive Elemente und ein subjektives Element:

1787

1. Erstens müssen in objektiver Hinsicht die Bauhandwerker bei der Pfandverwertung zu Verlust gekommen sein («… subissent une perte lors de la réalisation de leurs gages»). Das trifft zu, wenn sie bei einer Zwangsverwertung für ihre Forderungen nicht oder nicht im vollen Umfang befriedigt werden.347 Ein Pfandausfall genügt; nicht erforderlich ist die Auspfändung (Zwangsvollstreckung bis zur Ausstellung eines Pfändungsverlustscheins) oder der Konkurs des Bauherrn (Grundeigentümers).348

1788

2. Zweitens ist (ebenfalls in objektiver Hinsicht) vorausgesetzt, dass dieser Verlust wegen der Pfandrechte der vorgehenden Pfandgläubigerinnen entstanden ist: Das Grundstück, für welches die Bauhandwerker Leistungen erbracht haben, muss also zu deren «Nachteil … belastet worden» sein. Vorgehende Pfandgläubigerinnen sind in der Praxis vor allem die Banken, die dem Grundeigentümer einen Baukredit gewährt haben. Eine Benachteiligung der Bauhandwerker wird vom Bundesgericht – in weiter Auslegung von Art. 841 ZGB – in zwei Fällen bejaht:349

1789

– Sie ist einerseits bei Zweckentfremdung der Mittel (namentlich des Baukredits) gegeben, also dann, wenn die vorgehende Pfandgläubigerin (insbesondere die

1790

345 346

347 348 349

BGE 119 II 421 ff. (423), E. 2; 115 II 136 ff. (140), E. 4; 43 II 606 ff. (611 unten), E. 3. Ausführlich SchumacheR, Nr. 1766 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2905 ff.; a ndRea eRmotti (zitiert in Nr. 1799), Nr. 52 ff. und passim. BGE 112 II 493 ff. (496), E. 8. BGE 43 II 606 ff. (608 f.), E. 1. BGE 115 II 136 ff.; 43 II 606 ff. (612 f.), E. 3; ZBGR 71/1990, S. 342 ff. (Walliser Kantonsgericht); SteinaueR, Band III, Nr. 2909e ff.; a ndRea eRmotti (zitiert in Nr. 1799), Nr. 74 ff.

538

Die Grundpfandrechte

Bank als Baukreditgeberin) «andere Forderungen als solche von mehrwertschaffenden Bauhandwerkern beglichen» hat.350 Keine Zweckentfremdung liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn der Baukredit auch zur Bezahlung anderer Baugläubiger als der pfandberechtigten Bauhandwerker verwendet worden ist, da auch jene Baugläubiger (Architekten, Ingenieure, Materiallieferanten) zur über den Bodenwert hinausgehenden Wertsteigerung des Grundstücks beigetragen haben.351

– Zu einer Benachteiligung einzelner Bauhandwerker kann es andererseits kommen, wenn die Bank (als vorgehende Pfandgläubigerin) das Gleichbehandlungsgebot verletzt, wenn sie also bei der Auszahlung des Baukredits einzelne Bauhandwerker bevorzugt – mit der Folge, dass andere Bauhandwerker dadurch ihre Deckung verlieren.352

1791

aus») aus dem Schutzzweck der Art. 840 und 841 ZGB herleitet und als «Chancengleichheit der Bauhandwerker» bezeichnet,353 wird von einem erheblichen Teil der Lehre kritisiert.354 1792

3. In subjektiver Hinsicht ist Erkennbarkeit der Benachteiligung erforderlich: Die für die Bauhandwerker nachteilige Belastung muss in einer für die vorgehenden Pfandgläubigerinnen «erkennbaren Weise» geschehen sein («ces créanciers pouvaient reconnaître que la constitution de leurs gages porterait préjudice …»). Zweckenthenden Pfandgläubigerin (namentlich: der Bank, welche den Baukredit gewährt) anlässlich der Pfandbestellung oder der Auszahlung des Baukredits an die Baugläubiger erkennbar gewesen sein.355 «Durch dieses zusätzliche subjektive Erfordernis [der Erkennbarkeit] kann in hinreichendem und den konkreten Umständen des Einzelfalles angepasstem Masse auch dem Schutzbedürfnis des Baukreditgebers Rechnung getragen werden».356 – Um zu verhindern, dass Art. 841 ZGB toter Buchstabe bleibt, stellt die bundesgerichtliche Praxis allerdings strenge Anforderungen an die Aufmerkdigen und gegebenenfalls für deren Befriedigung aus dem Baukredit zu sorgen.357

1793

4. Nicht erforderlich für den Schutz von Art. 841 Abs. 1 ZGB ist, dass der Bauhandwerker den Beginn des Werks nach Abs. 3 der Norm im Grundbuch hat anmerken lassen.358

350 351

352

353 354

355

BGE 115 II 136 ff. (141), E. 4a und b; BGer 5C.261/2000, E. 4a = ZBGR 85/2004, S. 100 ff. SteinaueR, Band III, Nr. 2909f; a ndRea eRmotti (zitiert in Nr. 1799), Nr. 76 ff. BGE 115 II 136 ff. (141), E. 4a und b; BGer 5C.136/2001, E. 2a; a ndRea eRmotti (zitiert in Nr. 1799), Nr. 83 ff. BGE 115 II 136 ff. (141 ff.), E. 5a und b. Zum Beispiel h eidi PFiSteR-ineichen (zitiert in Nr. 1799), S. 132 ff.; daniel baumann (zitiert in Nr. 1799), S. 329 ff.; SchumacheR, Nr. 1873 ff.; a ndRea eRmotti (zitiert in Nr. 1799), Nr. 161 ff.; weitere Hinweise bei tuoR /SchnydeR /Schmid, § 113 N 62. BGE 115 II 136 ff. (145), E. 6b; BGer 5C.261/2000, E. 4b = ZBGR 85/2004, S. 100 ff.; 5C.136/2001, E. 2a; SteinaueR, Band III, Nr. 2910 ff.; a ndRea eRmotti (zitiert in Nr. 1799), Nr. 166 ff.; vgl. schon Botschaft zum ZGB (1904), BBl 1904 IV, S. 81 f.

356 357 358

BGE 76 II 134 ff. (140 f.), E. 2; vgl. auch BGer 5C.261/2000, E. 4b = ZBGR 85/2004, S. 100 ff. BGE 43 II 606 ff. (610 f.), E. 2.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

B.

539

Die Wirkungen

Sind die beschriebenen Voraussetzungen gegeben, so ist den Bauhandwerkern gemäss Art. 841 Abs. 1 ZGB «der Ausfall aus dem den Wert des Bodens übersteigenden Verwertungsanteil der vorgehenden Pfandgläubiger zu ersetzen» («les créanciers de rang antérieur les indemnisent sur leur propre part de collocation, déduction faite de la valeur du sol»). Den Bauhandwerkern, die einen Pfandausfall erlitten haben, steht mithin eine Forderung gegen die vorgehenden Pfandgläubigerinnen (welche die Benachteiligung erkennen konnten) zu.359 Beizufügen bleibt:

1794

1. Massgebend für die Forderung ist nach Art. 841 Abs. 1 ZGB der Anteil des Verwertungserlöses, der den Wert des Bodens übersteigt. Darin zeigt sich der Grundgedanke der Regelung, der darin besteht, dass – bei gegebenen Voraussetzungen – «der durch die Verwendungen der Handwerker geschaffene Mehrwert eines Grundstückes nicht aufgrund eines vorrangigen Pfandrechts zugunsten anderer Grundpfandgläubiger vorweggenommen werden … [darf], sondern den Handwerkern als gemeinsames Pfand vorbehalten» bleiben muss.360 Das Vorrecht der Bauhandwerker richtet sich mit anderen Worten nur (aber immerhin) auf Befriedigung aus dem von ihnen geschaffenen Mehrwert.361 Daraus folgt weiter:

1795

– Haben die Bauhandwerker nicht Leistungen für einen Neubau auf unbebautem Boden, sondern für Reparaturen oder Umbauten eines bereits vorhandenen Gebäudes erbracht, so ist als Berechnungsgrundlage der Forderung nicht der reine Bodenwert zu nehmen, sondern der Wert, den der Boden samt dem vorbestehenden Gebäude (vor Beginn der Reparatur- oder Umbauarbeiten) aufwies.362 – Sind mehrere Bauhandwerker vorhanden, hat der Einzelne nur Anspruch auf Ausfallersatz in dem Verhältnis, in welchem er durch seine Arbeit zur Schaffung des Mehrwerts beigetragen hat.363 2. Prozessual hat der Bauhandwerker sein Vorrecht (Forderung auf Ausfallentschädigung) durch Klage gegen die vorgehenden Grundpfandgläubigerinnen geltend zu machen (vgl. auch Art. 117 VZG).364

1796

3.

1797

ZGB einen besonderen Schutz des gutgläubigen Dritten anordnet, der vor den BauArt. 841 Abs. 2 ZGB eine besondere Rechtsfolge vor: Veräussert die vorgehende Pfandgläubige-

359

360 361 362

363 364

Zur umstrittenen Rechtsnatur des Vorrechts vgl. Botschaft zum ZGB (1904), BBl 1904 IV, S. 81 («Anfechtungsrecht»); SteinaueR, Band III, Nr. 2904a; a ndRea eRmotti (zitiert in Nr. 1799), Nr. 51; vgl. auch SchumacheR, Nr. 1782 ff. und 1950 ff. mit Hinweisen auf das ZwangsvollstreZBGR 81/2000, S. 120 ff. (Obergericht Basel-Landschaft); dazu R aineR SchumacheR, BR/DC 2001, S. 174 f. BGE 115 II 136 ff. (140), E. 4a. BGE 82 II 15 ff. (18 oben), E. 2; ausführlich a ndRea eRmotti (zitiert in Nr. 1799), Nr. 189 ff. BGE 82 II 15 ff. (18 oben), E. 2; ZBGR 71/1990, S. 342 ff. (Walliser Kantonsgericht); SteinaueR, Band III, Nr. 2909c. BGE 115 II 136 ff. (146), E. 7b. BGE 110 III 75 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 2906 ff. und 2913 ff.; SchumacheR, Nr. 1782 ff. und 1950 ff.; a ndRea eRmotti (zitiert in Nr. 1799), Nr. 383 ff.

540

Die Grundpfandrechte

rin einen solchen Pfandtitel, so haben die Bauhandwerker gegen sie eine Schadenersatzforderung auf jenen Betrag, der ihnen durch die Veräusserung entzogen worden ist. Im Zusammenhang mit dieser Bestimmung ist denn auch die Möglichkeit zur Anmerkung des Werkbeginns im Grundbuch nach Art. 841 Abs. 3 ZGB zu sehen,365 die dazu führt, dass bis zum Ablauf Bestimmung spricht für diese Lösung.366 1798

4. Die Rechtsprechung billigt dem vorgehenden Pfandgläubiger, der den Bauhandwerker nach Art. 841 ZGB befriedigt, in Analogie zu Art. 110 Ziff. 1 OR den gesetzlichen Übergang der Bauhandwerkerforderung im Umfang der geleisteten Zahlung zu.367

6. 1799

Weiterführende Literatur

– baumann daniel, Der Baukredit, 2. A., Zürich 1997. – beRchtold tamaRa, Zur Revisionsbedürftigkeit des Bauhandwerkerpfandrechts – und ein Vorschlag zur Neuformulierung von Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB, Diss. Zürich 2008. – bRitSchgi andRé, Das belastete Grundstück beim Bauhandwerkerpfandrecht, Luzerner Diss., Zürich 2008 (LBR Band 30). – duSil StePhan, Die Bürgschaft als Sicherheit? – Überlegungen zur Sicherheitsleistung insbesondere beim Bauhandwerkerpfandrecht nach neuem ZGB, ZSR 131/2012 I, S. 209 ff. – eRmotti andRea, neurs – crédit de construction et surveillance du chantier, Freiburger Diss., Genf/ Zürich/Basel 2012 (AISUF Band 319). – eRnSt WolFgang, Fristenprobleme beim Bauhandwerkerpfandrecht – zugleich zum Bedeutungsschwund von Art. 961 Abs. 3 ZGB, in: Rumo-Jungo Alexandra et al. (Hrsg.), Une empreinte sur le Code civil, Mélanges en l’honneur de Paul-Henri Steinauer, Bern 2013, S. 463 ff. FRacheboud henRi, L’hypothèque légale des artisans et entrepreneurs dans la poursuite et la faillite, JdT 158/2010 II, S. 63 ff. – gaPany PieRRe, civil du 11 décembre 2009, JdT 2013 II, S. 72 ff. – JaqueS chaRleS, La réutilisation des cédules hypothécaires et le remploi des hypothèques dans le cadre d’une exécution forcée, ZBGR 86/2005, S. 209 ff. – K aPPeleR RudolF, Das Bauhandwerkerpfandrecht bei Gesamtüberbauungen, insbesondere die Dreimonatsfrist nach Art. 839 Abs. 2 ZGB, ZBGR 57/1976, S. 257 ff.

365 366 367

BGE 43 II 606 ff. (610 f.), E. 2. Ebenso SteinaueR, Band III, Nr. 2923, Fn. 226; thuRnheRR, BaKomm, N 24 zu Art. 841 ZGB. BGE 43 II 606 ff. (608), E. 1.

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

541

– mathiS aRthuR, Das Bauhandwerkerpfandrecht in der Gesamtüberbauung und im Stockwerkeigentum, St. Galler Diss., Bern/Stuttgart 1988. – meylan JacqueS-h., Patrimoine administratif et hypothèque légale des artisans et entrepreneurs: Le cas particulier du domaine ferroviaire, SJZ 97/2001, S. 69 ff. – PeRRen Ruben, Der Vorrechtsanspruch des Bauhandwerkers i.S.v. Art. 841 ZGB, AJP 2006, S. 702 ff. – PFiSteR-ineichen heidi, Das Vorrecht nach Art. 841 ZGB und die Haftung der Bank als Vorgangsgläubigerin, Diss. Freiburg 1991 (AISUF Band 102). Piotet deniS, L’hypothèque légale des artisans et entrepreneurs: les principes, JdT 158/2010 II, S. 3 ff. PRaPlan chRiStian, L’hypothèque légale des artisans et entrepreneurs: Mise en oeuvre judiciaire, JdT 158/2010 II, S. 37 ff. – R aSchein RolF, Das Bauhandwerkerpfandrecht in der Zwangsverwertung von Grundstücken, BlSchK 36/1972, S. 33 ff. R eetz PeteR, Bauhandwerkerpfandrecht, Verwaltungsvermögen und das neue Recht, BR/DC 2010, S. 120 ff. – SaxeR R aineR, Der Subunternehmer und sein Vertrag, Freiburger Diss., Zürich 1999 (zum Bauhandwerkerpfandrecht besonders S. 139 ff.). – Schmid JüRg, Bauhandwerkerpfandrecht: Praktische Hinweise zur Problemvermeidung, in: Alfred Koller (Hrsg.), Neue und alte Fragen zum privaten Baurecht, St. Galler Baurechtstagung 2004, S. 237 ff. – SchumacheR R aineR, Zur Revision des Bauhandwerkerpfandrechts: Intertemporales Recht, BN 72/2011, S. 1 ff. (zitiert: SchumacheR, Intertemporales Recht). – deRSelbe, Schützt «guter Glaube» vor dem Bauhandwerkerpfandrecht?, ZSR 132/2013 I, S. 539 ff. (zitiert: SchumacheR, «guter Glaube»). – deRSelbe, La Suisse plurilingue und das Bauhandwerkerpfandrecht, in: RumoJungo Alexandra et al. (Hrsg.), Une empreinte sur le Code civil, Mélanges en l’honneur de Paul-Henri Steinauer, Bern 2013, S. 621 ff. (zitiert: SchumacheR, La Suisse plurilingue). – deRSelbe, Bauhandwerkerpfandrecht und Stockwerkeigentum: eine besondere Herausforderung an den Grundbuchverwalter, ZBGR 95/2014, S. 1 ff. (SchumacheR, Bauhandwerkerpfandrecht und Stockwerkeigentum). StReiFF matthiaS, Recht, Wetzikon/Zürich 2011. – SutteR-Somm thomaS/SeileR benediKt, Gutglaubensschutz des Schuldbrieferwerbers und zeitliche Aspekte bei der Geltendmachung des Bauhandwerkerpfandrechts als heikle Fragen der Revision des Immobiliarsachenrechts, in: Rumo-Jungo Alexandra et al. (Hrsg.), Une empreinte sur le Code civil, Mélanges en l’honneur de Paul-Henri Steinauer, Bern 2013, S. 635 ff. – thuRnheRR chRiStoPh, sicht unter Berücksichtigung der Baukreditüberwachungspraxis, ZBJV 142/2006, S. 909 ff. (zitiert: thuRnheRR, ZBJV 142/2006). – deRSelbe, Das revidierte Bauhandwerkerpfandrecht – zu wenig Neues, aber noch mehr Problematisches?, ZBGR 93/2012, S. 73 ff. (zitiert: thuRnheRR, ZBGR 93/2012).

542

Die Grundpfandrechte

– tRauFFeR beRnhaRd, Bauhandwerkerpfandrecht: Die Rechtslage, in: Alfred Koller (Hrsg.), Neue und alte Fragen zum privaten Baurecht, St. Galler Baurechtstagung 2004, S. 197 ff. – vallat damien, L’hypothèque légale des artisans et entrepreneurs et l’exécution forcée, Diss. Lausanne 1998. – van’t dacK maRgot, Das Vorrecht der Handwerker und Unternehmer im Lichte der Gerichtspraxis, BJM 2007, S. 57 ff. – zanola maRKuS, Die Errichtung von beschränkten dinglichen Rechten an Liegenhandwerkerpfandrechts, Diss. Zürich 2005. – zobl dieteR /thuRnheRR chRiStoPh, Bauhandwerkerpfandrecht: Bemerkungen zum geltenden Recht sowie zum Revisionsentwurf, in: Hans Michael Riemer u.a. (Hrsg.), Schweizerisches und Internationales Zwangsvollstreckungsrecht, FS für Karl Spühler, Zürich 2005, S. 481 ff.

7. 1800

Fälle

1. BGE 92 II 227 ff. (vgl. auch BGE 134 III 147 ff.) Anspruch auf Errichtung des Bauhandwerkerpfandrechts als «Realobligation» (praxisändernde Grundsatzentscheidung). 2. BGE 95 II 87 ff. Bauhandwerkerpfandrecht des Subunternehmers. Doppelzahlungsrisiko des Bauherrn und Möglichkeiten, diese Gefahr zu mildern. 3. BGE 117 II 563 ff. Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts auf jenem Grundstück, das durch die Pfandrecht auf ein anderes («falsches») Grundstück eintragen lässt. 4. BGE 112 II 214 ff. (vgl. auch BGE 125 III 113 ff.) Pfandobjekt und Beginn des Fristenlaufs zur Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts bei Stockwerkeigentum. 5. BGE 119 II 429 ff. (vgl. auch BGE 137 III 563 ff.) Wie wird die Dreimonatsfrist [heute: Viermonatsfrist] von Art. 839 Abs. 2 ZGB gewahrt? 6. BGE 137 III 589 ff. Provisorische Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts. Rechtsmittel an das Bundesgericht. Endentscheid oder Zwischenentscheid? 7. BGE 142 III 738 ff. Wann ist eine geleistete Sicherheit «hinreichend» im Sinn von Art. 839 Abs. 3 ZGB?

§ 30 Die Grundpfandverschreibung

543

8. BGE 138 III 132 ff. = Pra 2012, Nr. 89, S. 597 ff. Beseitigung des Rechtsvorschlags in der Betreibung auf Pfandverwertung; Erforgung des Pfandrechts geklagt hat. 9. BGE 115 II 136 ff. Vorrecht der Bauhandwerker nach Art. 841 ZGB.

544

Die Grundpfandrechte

§ 31 Der Schuldbrief 1801

Einführende Literatur (zur Rechtslage seit dem 1. Januar 2012):1 – Schmid, Neuerungen im Grundpfandrecht, S. 211 ff. Schmid JüRg, Neuerungen bei den Grundpfandrechten, in: Wolf Stephan (Hrsg.), Revision des Immobiliarsachenrechts, Bern 2011, S. 39 ff. (zitiert: Schmid, Neuerungen bei den Grundpfandrechten). – SteinaueR Paul-henRi, Band III, Nr. 2925 ff. – deRSelbe, Les nouvelles dispositions générales sur les cédules hypothécaires, in: Schmid Jürg (Hrsg.), Die Dienstbarkeiten und das neue Schuldbriefrecht, Einblick in die Revision des Immobiliarsachenrechts – Les servitudes et les cédules hypothécaires à la lumière des nouvelles dispositions du Code civil …, Zürich/Basel/Genf 2012, S. 267 ff. (zitiert: SteinaueR, les cédules hypothécaires). – SteinaueR Paul-henRi /FoRnage anne-chRiStine, ComRom, Kommentar zu Art. 842–865 ZGB. – Staehelin, – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 114.

1802

Den Schuldbrief («la cédule hypothécaire») regelt das Gesetz in den ZGB. 1. Januar 2012 in Kraft und beinhalten wesentliche Änderungen im Vergleich zur früheren Rechtslage.2 Von der gesetzlichen Ausgestaltung her dient der Schuldbrief nicht nur der grundpfändlichen Sicherung einer Forderung (Art. 842 ZGB), sondern – als gesetzliches Wertpapier oder Registerpfandrecht, das Forderung und Pfandrecht verbindet – auch der Mobilisierung des Bodenwerts (vorne Nr. 1482). Insofern stellt der Schuldbrief ein «Verkehrsgrundpfandrecht» dar.3 Das Element der Sicherung bleibt allerdings zentral. Typischerweise besteht nämlich zwischen den Parteien bereits ein obligationenrechtliches Verhältnis («Grundverhältnis»; regelmässig ein Darlehensvertrag), und es geht den Beteiligten darum, eine Forderung aus diesem Grundverhältnis – (vorne Nr. 1474). Mit der Revision von 2009 bezweckte der Gesetzgeber, «die wirtschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen im Bereich der Grundpfandrechte nachhaltig zu verbessern».4 Die beiden wichtigsten Neuerungen seien vorweg erwähnt: Einerseits steht den Parteien neben dem traditionellen Papier-Schuldbrief (Wertpapier; Nr. 1813) ein Register-Schuldbrief (Buchrecht; hinten Nr. 1816) zur Verfügung. Anderer-

1

2

3 4

Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5283 ff. Die Gesetzesvorlage beruht weitgehend auf Wiegand/ bRunneR, S. 22 ff. Ausführliche und kritische Analyse bereits von SteFan WeiSS, Diss. (zitiert in Nr. 1851), Nr. 233 ff. Vgl. auch leemann, BeKomm, Vorbem. vor Art. 793 ZGB, N 6 (zum alten Recht). Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5284 und 5295 (Zitat); ähnlich Amtl.Bull. NR 2009, S. 613 (Votum Bundesrätin WidmeR-SchlumPF). Zur Revision vgl. auch SteinaueR, ZüKomm, N 13 ff. der Vorbem. zu Art. 842–865 ZGB.

§ 31 Der Schuldbrief

545

seits sieht das neue Recht nicht mehr die Novation der Grundforderung durch die Schuldbriefbegebung vor, sondern geht vom Modell der Sicherungsübereignung des Schuldbriefs aus (hinten Nr. 1843 ff.).5

Im Folgenden ist zunächst (I.) auf die Kennzeichen des Schuldbriefs als Verkehrsgrundpfandrecht und auf seine Verwendungsmöglichkeiten näher einzugehen. Dann (II.) sollen Entstehung, Änderung, Übertragung und Untergang des Schuldbriefs sowie (III.) das Verhältnis der Schuldbriefforderung zur Forderung aus dem Grundverhältnis dargestellt werden. Anschliessend (IV.) sind Einzelfragen zu erläutern. Den Abschluss bilden (V.) Hinweise auf weiterführende Literatur und (VI.) Fälle.

I.

Kennzeichen

Durch den Schuldbrief wird (nachfolgend 1.) eine persönliche Forderung begründet und gesichert sowie gleichzeitig (2.) ein Wertpapier oder Registerpfandrecht geschaffen, welches (3.) vom Gesetz mit einem besonderen Vertrauensschutz ausgestattet wird. All dies dient dazu, durch den Schuldbrief – der sich in der Praxis auf verschiedene Art einsetzen lässt (4.) – ein Verkehrsgrundpfandrecht zu schaffen. Im Einzelnen:

1.

1803

1804

Begründung und Sicherung einer persönlichen Forderung

1. Nach Art. 842 Abs. 1 ZGB wird durch den Schuldbrief «eine persönliche Forderung begründet, die grundpfändlich sichergestellt ist». Der französische Gesetzestext bringt noch deutlicher zum Ausdruck, dass der Schuldbrief (auch) eine Forderung beinhaltet: «La cédule hypothécaire est une créance personnelle garantie par un gage immobilier.»6 Das lässt sich wie folgt verdeutlichen:

1805

– Wie jedes Grundpfandrecht bezweckt der Schuldbrief die Sicherung einer Forderung. Wird die Gläubigerin nicht befriedigt, so hat sie das Recht, sich aus dem Erlös des verpfändeten Grundstücks bezahlt zu machen (Art. 816 Abs. 1 ZGB; vorne Nr. 1477 und 1549 ff.). Auf die Frage, welche Forderung durch den wie dies geschieht, ist zurückzukommen (hinten Nr. 1844 ff.).

1806

«Schuldbrief» meint in diesem Zusammenhang nicht notwendigerweise, dass stets ein «Brief» (Papier, Pfandtitel) vorliegt. Seit dem 1. Januar 2012 kann der Schuldbrief gemäss Art. 843 ZGB vielmehr entweder als Register- oder als Papier-Schuldbrief ausgestaltet werden.

– Die Schuldbriefforderung ist eine «persönliche» («une créance personnelle»). Für sie haftet sondern das gesamte Vermögen des Schuldners.

5

6

Schmid, Neuerungen im Grundpfandrecht, S. 212 ff. Zum alten Recht (Papier-Schuldbrief) vgl. auch BGE 132 III 166 ff. (168), E. 6.1 = ZBGR 89/2008, dito personale garantito da un pegno immobiliare».

1807

546

Die Grundpfandrechte

1808

– Die Forderung wird nach der gesetzlichen Formulierung «[d]urch den Schuldbrief … begründet».7 Dazu lässt sich Folgendes festhalten:

1809

• Mit der Schuldbrieferrichtung entsteht eine neue Forderung, die Schuldbriefforderung. Diese tritt – mangels gegenteiliger Vereinbarung – neben die zu sichernde Forderung, die der Gläubigerin gegenüber dem Schuldner aus dem Grundverhältnis (regelmässig einem Darlehensvertrag) gegebenenfalls zusteht (Art. 842 Abs. 2 ZGB). Auf dieses «Nebeneinander» ist zurückzukommen (hinten Nr. 1844 ff.). Auseinanderzuhalten sind demnach regelmässig zwei Forderungen: einerseits die Forderung aus dem Grundverhältnis (auch «Grundforderung», «créance de base» genannt8), oft die Rückzahlungsforderung aus einem Darlehensvertrag, um deren Sicherung es den Parteien geht, und andererseits die (durch die Schuldbrieferrichtung entstehende) Schuldbriefforderung.9 Die Grundpfandsicherheit bezieht sich dogmatisch ausschliesslich auf die Schuldbriefforderung, nicht auf die Forderung aus dem Grundverhältnis.10 Nur in Ausnahmefällen – etwa wenn der Schuldbrief von einem Grundeigentümer «auf Vorrat» errichtet wird – besteht (in diesem Zeitpunkt noch) keine Forderung aus dem Grundverhältnis. Da sich demnach die Grundpfandsicherheit nicht auf die Forderung aus dem Grundverhältnis Nr. 1585) auf sie keine Anwendung.11 Die Forderung aus dem Grundverhältnis kann mit anderen Worten verjähren, doch erlaubt die herrschende Lehre der Gläubigerin, das Pfand in analoger Anwendung von Art. 140 OR trotz der Verjährung geltend zu machen.12

1810

• Schuldbriefforderung und Pfandrecht sind untrennbar miteinander verbunden;13 sie werden gemeinsam im Pfandtitel (Papier-Schuldbrief) verkörpert (hinten Nr. 1823 ff.)14 oder im Registerpfandrecht (Register-Schuldbrief) durch den Grundbucheintrag zum Ausdruck gebracht (hinten Nr. 1816 und 1839).

1810a

– Der Umfang der Pfandhaft bezüglich der Zinsen wird beim Schuldbrief ausdrücklich und in Abweichung zur bisherigen bundesgerichtlichen Praxis gereSchuldbrief ... nur die tatsächlich geschuldeten Zinsen pfandgesichert» (vorne Nr. 1509 und 1566).

7 8 9

leemann, BeKomm, N 2 zu Art. 842 ZGB. SteinaueR, ZüKomm, N 45 und 48 ff. zu Art. 842 ZGB. Zum Beispiel BGE 140 III 180 ff. (184), E. 5.1.1 = Pra 2014, Nr. 113, S. 895 ff.; BGer 5A_549/2014, E. 2.3.2; SteinaueR, ZüKomm, N 1 f. der Vorbem. zu Art. 842–865 ZGB sowie N 5, 16 und 45 zu Art. 842 ZGB.

10

11 12

13 14

Grundforderung ihrerseits durch die Schuldbriefforderung gesichert werde («la créance causale est garantie par la créance cédulaire [ou abstraite]»). BGer 2C_267/2010, E. 6.3. düRR /zollingeR, ZüKomm, N 52 ff. zu Art. 807 ZGB; Staehelin, BaKomm, N 62 zu Art. 842 ZGB; SteinaueR, ZüKomm, N 29 und 213 zu Art. 842 ZGB; dal molin-K Ränzlin, Nr. 841 ff. Zum Beispiel SteinaueR, ZüKomm, N 41 ff. zu Art. 842 ZGB. BGE 140 III 180 ff. (184), E. 5.1 = Pra 2014, Nr. 113, S. 895 ff.; BGE 140 III 36 ff. (39), E. 4 («strikte Einheit», «notwendige Schicksalsgemeinschaft»); SteinaueR, Band III, Nr. 2938 ff. und 2942; so bereits zum alten Recht (das noch keinen Register-Schuldbrief kannte) BGE 130 III 681 ff. (683), E. 2.3; 134 III 71 ff. (75 oben), E. 3; 136 III 288 ff. (291), E. 3.1 = Pra 2010, Nr. 142, S. 941 ff.

§ 31 Der Schuldbrief

547

2. Die Schuldbriefforderung («La créance qui résulte de la cédule hypothécaire») darf sich nach Art. 846 Abs. 1 ZGB «weder auf das Grundverhältnis beziehen noch Bedingungen oder Gegenleistungen enthalten». Da sie das Grundverhältnis (den 15 net. Durch diese gesetzlichen Erfordernisse soll die Verkehrsfunktion so wenig wie möglich beeinträchtigt werden.16

1811

Art. 846 Abs. 1 ZGB bezieht sich ausschliesslich auf die Schuldbriefforderung. Von ihr ist nach dem Gesagten (vorne Nr. 1809) die Forderung aus dem Grundverhältnis (regelmässig eine Darlehens-Rückzahlungsforderung) zu unterscheiden; Letztere kann sehr wohl bedingt sein oder von Gegenleistungen abhängen. Wegen des Schutzes gutgläubiger Erwerber des Schuldbriefs (hinten Nr. 1819 ff. und 1845e ff.) droht dem Pfandschuldner (Pfandeigentümer) die Gefahr, dass ein gut862 ZGB). Für die Sicherung veränderlicher Forderungen ist demnach die Grundpfandverschreibung dem Schuldbrief vorzuziehen.17

3. Wie sich aus Art. 844 ZGB ergibt, können Eigentümerschaft am pfandbelasteten Grundstück und Schuldnerschaft bezüglich der gesicherten Forderung auseinanderfallen. Auch beim Schuldbrief sind mit anderen Worten Drittpfandverhältnisse möglich (dazu vorne Nr. 1606 ff.).18

2.

1812

Wertpapier oder Registerpfandrecht (Übersicht)

Der Schuldbrief kann (seit dem 1. Januar 2012) gemäss Art. 843 ZGB entweder als Register-Schuldbrief (Registerpfandrecht) oder als Papier-Schuldbrief (Wertpapier) ausgestaltet werden. Wir beginnen mit der letzteren Art, die schon vor der ZGB-Revi-

1812a

der Schuldbriefe darstellen dürfte:

A.

Der Papier-Schuldbrief

1. Bei der Errichtung eines Papier-Schuldbriefs «wird neben der Eintragung in das Grundbuch stets ein Pfandtitel ausgestellt» (Art. 860 Abs. 1 ZGB). Diesen Pfandtitel Wertpapier im Sinn von Art. 965 OR ausgestaltet.19 Das ergibt sich daraus, dass – gemäss Art. 863 Abs. 1 ZGB die Forderung aus dem Schuldbrief «nur in Verbindung mit dem Besitz des Pfandtitels veräussert, verpfändet oder überhaupt geltend gemacht werden» kann;

15 16

17 18

19

SteinaueR, ZüKomm, N 25 zu Art. 842 ZGB. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5322; SteinaueR, Band III, Nr. 2933 f.; deRSelbe, ZüKomm, N 25 f. zu Art. 842 ZGB; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 114 N 9; zum alten Recht schon leemann, BeKomm, N 1 f. zu Art. 854 ZGB. SteinaueR, Band III, Nr. 2933b. Zur Zahlung der Schuld durch den Drittpfandeigentümer und der daraus folgenden Subrogation vgl. etwa BGer 4A_70/2013, E. 2.3 = ZBGR 96/2015, S. 277 ff., und BGer 5A_549/2014, E. 2.3.1; SteinaueR, Band III, Nr. 3061a. BGE 129 III 12 ff. (16), E. 3.2.

1813

548

Die Grundpfandrechte

– gemäss Art. 864 Abs. 1 ZGB zur Übertragung der Schuldbriefforderung in allen Fällen die Übergabe des Pfandtitels an den Erwerber erforderlich ist (hinten Nr. 1837 ff.); – gemäss Art. 865 ZGB bei abhanden gekommenem oder versehentlich vernichtetem Papier-Schuldbrief ein besonderes Verfahren auf Kraftloserklärung des Pfandtitels vorgesehen ist. die sachenrechtlichen Vorschriften der Art. 842 ff. ZGB den Vorrang (Art. 973 OR).20 1814

2. Als Gläubiger des Papier-Schuldbriefs (Wertpapier) kann gemäss Art. 860 Abs. 2 ZGB entweder der Inhaber (Inhaberpapier) oder eine bestimmte Person (Ordrepapier) bezeichnet werden, namentlich auch der Grundeigentümer selber (Eigentümerschuldbrief).21

1815

3. Weil der Schuldbrief von Gesetzes wegen als Wertpapier ausgestaltet ist, anerkennt der Schuldner mit der Ausstellung (bzw. Begebung) des Schuldbriefs, dass er nur auf Vorweisung der Urkunde leisten wird – und dass er sich bei anderer Leistung nicht befreit (einfache Wertpapierklausel).22 Bei Inhaberschuldbriefen verspricht der Schuldner zudem, jede Person, welche den Titel besitzt (jede Inhaberin), als 23 Diese Anerkennungen gelten, obwohl der Schuldner die Schuldbriefurkunde nicht unterzeichnet (Art. 861 ZGB und Art. 144 Abs. 2 GBV).24 Nach Art. 144 Abs. 2 GBV muss im Schuldbrief nicht einmal der Name des Schuldners («Schuldner zur Zeit der Errichtung») aufgeführt werden. Diese Regelung ist zu Recht kritisiert worden, zumal der Schuldbrief ja (auch) eine Forderung verkörpert, zu welcher zwingend ein Schuldner gehört.25 Aus dem Fehlen des Namens des Schuldners können sich namentlich Probleme für das Rechtsöffnungsverfahren ergeben (dazu sogleich Nr. 1815a).

1815a

4. Zu erläutern bleibt, inwieweit ein (sicherungsübereigneter) Papier-Schuldbrief im Vollstreckungsverfahren einen provisorischen Rechtsöffnungstitel im Sinn von Art. 82 Abs. 1 SchKG darstellt:

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21 22

23 24 25

BGE 129 III 12 ff. (16 f.), E. 3.2 und 3.3 (wo der Schuldbrief als «atypisches» Wertpapier bezeichnet wird); ZBGR 49/1968, S. 87 ff. (92), E. 2c (Zürcher Obergericht); SteinaueR, Band III, Nr. 2946 f.; leemann, BeKomm, N 5 zu Art. 859 ZGB. Zur Frage, ob an einem verlorenen Inhaberschuldbrief der Finder originär Eigentum erwerben kann, vgl. BGE 124 III 241 ff. (= Pra 87/1998, Nr. 152, S. 814 ff.) mit Hinweisen. Zum Eigentümerschuldbrief vgl. ausführlich SteinaueR, ZüKomm, N 33 ff. zu Art. 842 ZGB. BGer 5A_226/2007 und 5A_228/2007, E. 5; 5C.51/2004, E. 6.1; SteinaueR, Band III, Nr. 2944 f.; deRSelbe , ZüKomm, N 13 ff. zu Art. 843 ZGB und N 13 ff. zu Art. 860 ZGB. BGer 5A_226/2007 und 5A_228/2007, E. 5; 5C.51/2004, E. 6.1; SteinaueR, Band III, Nr. 2944. SteinaueR, Band III, Nr. 2945. Staehelin, BaKomm, N 9 zu Art. 861 ZGB. Zu Art. 53 Abs. 2 aGBV bereits JüRg Schmid, ZBGR 78/1997, S. 70 f.; Staehelin, Der Schuldbrief in der aktuellen Revision (zitiert in Nr. 1851), S. 20; SteFan WeiSS, Diss. (zitiert in Nr. 1851), Nr. 112 ff., 229 und 653; vgl. auch BGE 129 III 12 ff. (17), E. 3.3: «Il est vrai qu’un papier-valeur qui n’énonce pas le nom du débiteur apparaît sur le plan juridique comme un curiosum.»

§ 31 Der Schuldbrief

549

– Für das Grundpfandrecht in der Betreibung auf Grundpfandverwertung stellt der Papier-Schuldbrief als öffentliche Urkunde nach Art. 9 ZGB stets einen Rechtsöffnungstitel dar.26 – Für die Schuldbriefforderung stellt der Schuldbrief demgegenüber nur dann eine Schuldanerkennung im Sinn von Art. 82 Abs. 1 SchKG – für den ganzen im Titel verurkundeten Betrag – dar, wenn der betriebene Schuldner im Titel aufgeführt ist.27 Fehlt der Name des Schuldners auf dem Titel (was heute meistens der Fall ist28), bedarf es einer anderweitigen Schuldanerkennung; in Betracht kommen etwa die unterzeichnete Sicherungsvereinbarung, in welcher die persönliden ist, oder (wenn kein Schuldnerwechsel stattgefunden hat) die beglaubigte Kopie des Errichtungsaktes, sofern dieser ein Schuldbekenntnis enthält.29 Beim Eigentümerschuldbrief (das heisst bei dem vom Grundeigentümer auf seinen Namen einseitig errichteten Schuldbrief oder beim Inhaberschuldbrief, dessen erster Inhaber der Eigentümer ist) stellt nach der Rechtsprechung die schriftliche Grundbuchanmeldung eine implizite Schuldanerkennung dar, die zur provisorischen Rechtsöffnung genügt.30 Bei Drittpfandverhältnissen (vorne Nr. 1812) kann die Anerkennung der Schuldbriefforderung durch den Drittpfandeigentümer nicht verlangt werden (sonst bestände gar kein Drittpfand mehr); aus dem Schuldbrief anerkannt hat, genügt diesbezüglich als Rechtsöffnungstitel.31

B.

Der Register-Schuldbrief

1. Der Schuldbrief kann (seit dem 1. Januar 2012) ausserdem als Register-Schuldbrief erstellt werden. Dieser entsteht gemäss Art. 857 Abs. 1 ZGB «mit der Eintragung in das Grundbuch» (vgl. auch Art. 799 Abs. 1 ZGB) und führt seine Existenz als reines Registerpfandrecht (Buchrecht). Ein Pfandtitel (Wertpapier) wird im Unterschied zum klassischen Papier-Schuldbrief gerade nicht ausgestellt. Der RegisterSchuldbrief kann insofern als «papierlos»32 oder als «entmaterialisiert»33 bezeichnet werden. Mit anderen Worten entfällt die «Verselbständigung» der Schuldbriefforderung und des Grundpfandrechts in einem Wertpapier.34 Die Schuldbriefforderung des Register-Schuldbriefs stellt ein «Buchrecht» dar: ein Recht, welches durch die Registereintragung (Eintragung in das Grundbuch)

26 27

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29

30

31 32 33 34

BGE 140 III 36 ff. (39), E. 4. BGE 140 III 180 ff. (184 unten), E. 5.1.2 = Pra 2014, Nr. 113, S. 895 ff.; 140 III 36 ff. (39 f.), E. 4; 134 III 71 ff. (73 f.), E. 3; 129 III 12 ff. (13 f.), E. 2.2; SteinaueR, ZüKomm, N 11 zu Art. 860 ZGB. Zur betreffenden, seit 1. Januar 1997 geltenden Änderung der (alten) Grundbuchverordnung vgl. BGE 129 III 12 ff. (14 f.), E. 2.4. BGE 140 III 36 ff. (39), E. 4; 134 III 71 ff. (73 f.), E. 3; 129 III 12 ff. (15 und 17), E. 2.5 und 3.3; SteinaueR, ZüKomm, N 10 zu Art. 860 ZGB; vgl. auch Staehelin, BaKomm, N 6 zu Art. 860 ZGB; Föex, Le nouveau droit (zitiert in Nr. 1851), S. 17 f. BGE 129 III 12 ff. (14 f.), E. 2.5; SteinaueR, ZüKomm, N 19 zu Art. 846 ZGB und N 10 zu Art. 860 ZGB. BGE 140 III 36 ff. (40 f.), E. 4. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5321. SteinaueR, ZüKomm, N 20 zu Art. 843 ZGB. SteFan WeiSS, Diss. (zitiert in Nr. 1851), Nr. 411.

1816

550

Die Grundpfandrechte

entsteht und durch Umbuchung im Register (Grundbuch) auf eine andere Person übertragen wird (hinten Nr. 1841 ff.).35 Teilweise wird der Register-Schuldbrief auch als «Wertrecht» bezeichnet.36 1817

2. Vom Register-Schuldbrief verspricht sich der Gesetzgeber wesentliche Erleichterungen im Geschäftsverkehr, indem nun «Banken- und Wirtschaftskreisen im Bereich des Kreditgeschäfts ein zeitgemässes und attraktives Rechtsinstitut zur Verfügung gestellt» wird.37 Alle Kosten für die Ausfertigung, Aufbewahrung und Übermittlung des Pfandtitels (typischerweise zwischen Notariat, Grundbuchamt und Bank) entfallen, ebenso das Verlustrisiko.38 Insbesondere die Weiterübertragung des Register-Schuldbriefs vom alten auf den neuen Gläubiger erfolgt rein registerrechtlich: Sie geschieht gemäss Art. 858 Abs. 1 ZGB «durch Eintragung des neuen Gläubigers in das Grundbuch aufgrund einer schriftlichen Erklärung des bisherigen Gläubigers». Der Register-Schuldbrief ist stets Namenschuldbrief oder «Eigentümer-Register-Schuldbrief»: Er wird auf den Namen der Gläubigerin oder des Grundeigentümers in das Grundbuch eingetragen (Art. 857 Abs. 2 ZGB). Mangels eines Wertpapiers gibt es keinen Titelinhaber, was einen «InhaberRegister-Schuldbrief» naturgemäss ausschliesst.39

1818

3. Die Stellung der Schuldbriefgläubigerin ist ähnlich wie beim Papier-Schuldbrief, doch übernimmt hinsichtlich der Frage, wann (durch Zahlung an wen) der Schuldner sich befreit, das Grundbuch die Rolle des Wertpapiers: Befreiende Wirkung haben von Gesetzes wegen nur Zahlungen des Schuldners an die Person, die im Zeitpunkt der Zahlung als Gläubigerin im Grundbuch eingetragen ist (Art. 858 Abs. 2 ZGB).

1818a

4. Ein (sicherungsübereigneter) Register-Schuldbrief kann im Vollstreckungsverfahren einen provisorischen Rechtsöffnungstitel im Sinn von Art. 82 Abs. 1 SchKG darstellen, doch sind im Vergleich zum Papier-Schuldbrief (vorne Nr. 1815a) die – Für das Grundpfandrecht in der Betreibung auf Grundpfandverwertung stellt ein Auszug aus dem Grundbuch (Art. 9 ZGB) einen Rechtsöffnungstitel dar.40 – Für die Schuldbriefforderung ist der Auszug aus dem Grundbuch als Rechtsöffnungstitel untauglich, da darin der Schuldner nicht genannt wird.41 Es bedarf daher (wie beim Papier-Schuldbrief; vorne Nr. 1815a) einer anderweitigen Schuldanerkennung. In Betracht kommen etwa die unterzeichnete Sicherungseigneten Schuldbrief anerkannt worden ist, oder (wenn kein Schuldnerwechsel

35 36

37

38 39 40 41

SteFan WeiSS, Diss. (zitiert in Nr. 1851), Nr. 412. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5321; SteinaueR, ZüKomm, N 22 zu Art. 843 ZGB («Wertrecht im weiteren Sinn», «droit-valeur au sens large»); a.M. SteFan WeiSS, Diss. (zitiert in Nr. 1851), Nr. 417 f.; kritisch auch bénédict Foëx, La cédule hypothécaire de registre (zitiert in Nr. 1851), S. 346. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5295 (Zitat) und 5321 f.; ähnlich Amtl.Bull. StR 2008, S. 405 (Votum JaniaK). Vgl. zum Ganzen auch SteinaueR, ZüKomm, N 33 ff. zu Art. 843 ZGB. Amtl.Bull. StR 2008, S. 405 (Voten JaniaK und Bundesrätin WidmeR-SchlumPF). Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5327. BGE 140 III 36 ff. (39), E. 4. Foëx, Le nouveau droit (zitiert in Nr. 1851), S. 19; Staehelin, BaKomm, N 5 zu Art. 857 ZGB.

§ 31 Der Schuldbrief

551

stattgefunden hat) die beglaubigte Kopie des Errichtungsaktes, sofern dieser ein Schuldbekenntnis enthält.42

3.

Besonderer Vertrauensschutz (Übersicht)

Schutz gutgläubiger Dritter leisten. Er gilt für beide Arten von Schuldbriefen (Register- und Papier-Schuldbriefe), doch geht der Schutz für Papier-Schuldbriefe noch weiter:

1819

1. Auf beide Schuldbriefarten (Register- und Papier-Schuldbriefe) ist Art. 848 ZGB anwendbar (Randtitel: «Schutz des guten Glaubens»): Die Schuldbriefforderung und das Pfandrecht bestehen dem Grundbucheintrag gemäss «für jede Person zu Recht, die sich in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen hat». Darauf ist zurückzukommen (hinten Nr. 1845e ff.). Dieser Vertrauensschutz (Schutz gutgläubiger Dritter) wird ergänzt durch Vorschriften, welche die Einreden des Schuldners beschränken, namentlich durch Art. 842 Abs. 3 ZGB (e contrario), der anordnet, dass sich der Schuldner gegenüber gutgläubigen Rechtsnachfolgern des Gläubigers nicht auf die persönlichen Einreden berufen kann, die sich aus dem Grundverhältnis ergeben (hinten Nr. 1845e).

1820

2. Dem formrichtig als Papier-Schuldbrief erstellten Pfandtitel kommt nach Art. 862 ZGB ein zusätzlicher Schutz zu: Der «Pfandtitel besteht seinem Wortlaut gemäss für jede Person zu Recht, die sich in gutem Glauben auf ihn verlassen hat» (Art. 862 Abs. 1 ZGB). Diese Regelung macht den Papier-Schuldbrief zu einem Wertpapier öffentlichen Glaubens (hinten Nr. 1845j).

1820b

1820a

Zu den Einreden des Schuldners im Allgemeinen vgl. hinten Nr. 1845 ff.

3. Wegen des gesetzlich vorgesehenen Vertrauensschutzes (ausführlich hinten Nr. 1845e ff.) erweist sich der Schuldbrief (Papier- und Register-Schuldbrief) im Verhältnis zur Forderung aus dem Grundverhältnis grundsätzlich als nicht-akzessorisches Grundpfand.43 Dies hat für den Schuldner Vor- und Nachteile (vgl. vorne Nr. 1604b zur Rechtslage bei der Grundpfandverschreibung): Einerseits kann er nach Rückzahlung der ursprünglich gesicherten Schuld den bisherigen Schuldbrief zur Sicherung einer anderen, neuen Forderung wieder verwenden, spart also die Kosten der Neuerrichtung eines Pfandrechts.44 Andererseits ist zur Gewährleistung der Verkehrsfähigkeit des Schuldbriefs vom Gesetz ein weitreichender Schutz gutgläubiger Erwerber vorgesehen, so dass der Schuldner (etwa wenn er Abzahlungen

42

43

44

Foëx, Le nouveau droit (zitiert in Nr. 1851), S. 19; mit Einschränkungen auch Staehelin, BaKomm, N 5 zu Art. 857 ZGB. Zum Beispiel Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5321; SteinaueR, ZüKomm, N 221 ff. zu Art. 842 ZGB; dal molin-K Ränzlin, Nr. 140 f. und passim (mit Differenzierungen). – Zur Akzessorietät des Grundpfandrechts (als Nebenrecht) im Verhältnis zur Schuldbriefforderung vgl. etwa SteinaueR, ZüKomm, N 31 f. zu Art. 842 ZGB. Ebenso der Bundesrat in der Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5321, 5326 («Darin liegt der grosse ökonomische Vorteil des Schuldbriefs gegenüber der Grundpfandverschreibung») und 5327; vgl. auch Wiegand/bRunneR, S. 3 f.; SteFan WeiSS, Diss. (zitiert in Nr. 1851), Nr. 90 ff.

1820c

552

Die Grundpfandrechte

nicht auf dem Titel und im Grundbuch hat nachtragen lassen; Art. 852 ZGB und dazu hinten Nr. 1836 ff. und 1840 f.) riskiert, trotz teilweiser oder gänzlicher Tilgung ein zweites Mal in Anspruch genommen zu werden.45 Wie bereits dargelegt (vorne Nr. 1604c), hat der deutsche Gesetzgeber unter dem Eindruck der Finanzkrise das Verhältnis von Verkehrssicherheit und Schuldnerschutz vor Doppelzahlung anders gelöst: Nach § 1192 Abs. 1a BGB können dann, wenn «die Grundschuld zur Sicherung eines Anspruchs verschafft worden [ist] (Sicherungsgrundschuld), ... Einreden, die dem Eigentümer auf Grund des Sicherungsvertrags mit dem bisherigen Gläubiger gegen die Grundschuld zustehen oder sich aus dem Sicherungsvertrag ergeben, auch jedem Erwerber der Grundschuld entgegengesetzt werden; ...» Damit geniesst nach deutschem Recht der Schuldner auch gegenüber gutgläubigen Dritkeinem Wort stattgefunden hat, und dies in den Jahren 2008 und 2009, als die Finanzkrise für jedermann klar erkennbar war.46

4.

Verwendungsmöglichkeiten des Schuldbriefs (Übersicht)

1820d

Im Rahmen der soeben dargelegten Kennzeichen (Nr. 1804 ff.) bleibt zu erläutern, wie der Schuldbrief (Papier- oder Register-Schuldbrief) als Sicherungsmittel verwendet werden kann. Auszugehen ist vom typischen Fall, bei welchem die Parteien eine Rückzahlungsforderung – meist einer Bank – aus einem Darlehensvertrag (Grundverhältnis) sichern wollen. Nach dem Gesagten entsteht mit der Schuldbrieferrichtung eine neue Forderung (Schuldbriefforderung), die grundpfändlich sichergestellt ist (Art. 842 Abs. 1 ZGB; vorne Nr. 1808 ff.). Die Parteien haben hierbei die Wahl, den Schuldbrief in verschiedener Art zu verwenden Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen der Darlehensforderung und der Schuldbriefforderung:47

1820e

1. Die Parteien können zunächst vereinbaren, dass die Gläubigerin den Schuldbrief (und damit die Schuldbriefforderung) erwirbt und gleichzeitig auf die Darlehensforderung (Forderung aus dem Grundverhältnis) verzichtet. In diesem Fall ersetzt die Schuldbriefforderung die erloschene Darlehensforderung (Novation, Neuerung), was auch als direkte Sicherung bezeichnet wird (dazu hinten Nr. 1846 ff.). Von diesem Modell ging das ZGB vor der Revision von 2009 als Regelfall aus. Es entsprach jedoch immer weniger der Bankenpraxis, die schon seit Jahren das nachfolgend erläuterte Modell der Sicherungsübereignung einsetzte (Nr. 1820f). Wirtschaftlich eignet sich die direkte Sicherung nur dann, wenn eine Forderung aus dem Grundverhältnis gesichert werden soll, deren Höhe mindestens der Schuldbriefforderung entspricht.48

1820f

2. Die Gläubigerin kann sodann den Schuldbrief (und damit die Schuldbriefforderung) erwerben, jedoch die Darlehensforderung (Forderung aus dem Grundverhältnis) behalten. Schuldbriefforderung und Darlehensforderung bestehen alsdann nebeneinander; 45

46 47

48

Vgl. dazu auch daniel Staehelin, Der Schuldbrief in der aktuellen Revision (zitiert in Nr. 1851), S. 13 ff. Schmid, Neuerungen im Grundpfandrecht, S. 214. Zum Folgenden illustrativ SteinaueR, Band III, Nr. 2953 ff., und deRSelbe, ZüKomm, N 3 ff. der Vorbem. zu Art. 842–865 ZGB sowie N 59 ff. zu Art. 842 ZGB; vgl. auch BGer 5A_402/2015, E. 4; tuoR /SchnydeR /Schmid, § 114, N 23 ff. SteinaueR, ZüKomm, N 64 zu Art. 842 ZGB.

553

§ 31 Der Schuldbrief

nicht – durch die Kumulation der beiden Forderungen – zu einer Bereicherung der Gläubigerin führen. Diese verspricht vielmehr dem Schuldner (Pfandbesteller), die Schuldbriefforderung nur zu verwenden, wenn und soweit es zur Durchsetzung ihrer Darlehensforderung nötig ist (sogenannte Sicherungsübereignung des Schuldbriefs Dieses Vorgehen, welches schon vor dem 1. Januar 2012 der überwiegenden Bankenpraxis entsprach, hat der Gesetzgeber anlässlich der ZGB-Revision von 2009 in Art. 842 Abs. 2 ZGB als Regelfall festgeschrieben: Die Sicherungsübereignung von Schuldbriefen ist das seit Langem übliche Modell und kommt zum Tragen, wenn die Parteien nichts anderes vereinbaren (ausführlich hinten Nr. 1843a ff.).

3. Schliesslich können die Parteien zu Gunsten der Gläubigerin der Darlehensforderung ein Fahrnispfand am Schuldbrief (als beweglicher Sache) errichten. Die Gläubigerin wird damit zwar nicht Schuldbriefgläubigerin. Sie kann aber dann, wenn die Darlehensforderung nicht erfüllt wird, den Schuldbrief als Fahrnispfand verwerten lassen (sogenannte indirekte Sicherung, mobiliarrechtliche Verpfändung oder «Fahrnisverpfändung»).

1820g

Diese Art der Verwendung von Schuldbriefen kommt heute in der Praxis nur noch selten vor. Sie ist jedoch rechtlich nach wie vor zulässig, und zwar nicht nur beim Papier-Schuldbrief (der als Wertpapier eine bewegliche Sache darstellt), sondern kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung auch beim Register-Schuldbrief (Art. 859 Abs. 1 ZGB; hinten Nr. 1847 ff.). Wirtschaftlich eignet sich die indirekte Sicherung vor allem für Forderungen aus dem Grundverhältnis, die schwankend sind (etwa Kontokorrent) und betragsmässig unter der Schuldbriefforderung liegen.49

4. Diese Verwendungsmöglichkeiten lassen sich in folgendem Schema darstellen:

Verwendungsmöglichkeiten des Schuldbriefs Ziel: Sicherung einer Forderung auf Darlehensrückzahlung (Darlehensvertrag als Grundverhältnis)

Gläubiger wird Grundpfand- Gläubiger wird Grundpfandgläubiger. gläubiger.

Gläubiger wird Fahrnispfandgläubiger (am Schuldbrief).

Forderung aus dem Grundverhältnis erlischt und wird durch Schuldbriefforderung ersetzt (Novation).

Forderung aus dem Grundverhältnis wird durch «Fahrnis» (Papier- oder RegisterSchuldbrief) gesichert.

Schuldbriefforderung tritt neben die Forderung aus dem Grundverhältnis (zwei Forderungen «nebeneinander»). Gemäss der Sicherungsabrede darf der Gläubiger den Schuldbrief nur verwerten, wenn die Forderung aus dem Grundverhältnis nicht bezahlt wird. gesetzlicher Regelfall nach Art. 842 Abs. 2 ZGB

49

SteinaueR, ZüKomm, N 115 zu Art. 842 ZGB.

1820h

554

Die Grundpfandrechte

II. Entstehung, Änderung, Übertragung und Untergang 1821

Wiederum ist im Folgenden zu unterscheiden zwischen (1.) dem Papier- und (2.) dem Register-Schuldbrief. Den Parteien des Grundpfandvertrags (bei einseitiger Errichtung dem Grundeigentümer) steht die freie Wahl zwischen diesen beiden Schuldbrief-Arten zu. Im Grundbuch wird in der Abteilung «Grundpfandrechte» eingetragen, ob es sich um einen Papier- oder einen Register-Schuldbrief handelt (Art. 101 Abs. 2 lit. c GBV). Die im Grundbuch vor dem 1. Januar 2012 eingetragenen, als Schuldbrief bezeichneten Grundpfandrechte sind Papier-Schuldbriefe, solange sie nicht nach Art. 33b SchlT ZGB (hinten Nr. 1839b) umgewandelt worden sind (Art. 163 GBV).

1.

Der Papier-Schuldbrief

A.

Die Entstehung

1822

1. Der Papier-Schuldbrief entsteht als Grundpfandrecht (beschränktes dingliches Recht) gemäss den allgemeinen Regeln mit der Eintragung in das Grundbuch (Art. 799 Abs. 1 ZGB; vorne Nr. 1528 ff.).

1823

2. Zusätzlich zu dieser Eintragung in das Grundbuch muss zwar stets ein Pfandtitel Abs. 1 ZGB; vorne Nr. 1813 ff.). Doch hat die Eintragung in das Grundbuch gemäss Art. 860 Abs. 3 ZGB schon vor der Ausstellung des Pfandtitels Schuldbriefwirkung.50 Weiter ist zum Schuldbrieftitel festzuhalten:

1824

– Der Pfandtitel wird durch das Grundbuchamt ausgestellt (Art. 861 Abs. 1 ZGB) und ist nur mit der Unterschrift des Grundbuchverwalters gültig (Art. 861 Abs. 2 ZGB). Im Übrigen weist Art. 861 Abs. 2 Satz 2 ZGB den Bundesrat an, die Form zu bestimmen (Art. 144 ff. GBV).51

1825

– Der Pfandtitel darf der Gläubigerin oder ihrem Beauftragten nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Schuldners und (bei Drittpfandverhältnissen) des Eigentümers des belasteten Grundstücks ausgehändigt werden (Art. 861 Abs. 3 ZGB; Art. 148 GBV).52 Weil die Ausfertigung des Pfandtitels durch das Grundbuchamt Zeit braucht, der Pfandschuldner hingegen den Kredit sofort beanspruchen möchte und der Gläubigerin deshalb eine vorübergehende (andere) Sicherheit bieten muss, hat die Notariats- und Grundbuchpraxis mehrerer Kantone sogenannte Interimstitel (Interimsurkunden, «titres intermédiaires», «avis d’instrumentation») entwi-

50

51

52

SteinaueR, ZüKomm, N 25 ff. zu Art. 860 ZGB; vgl. bereits leemann, BeKomm, N 5 ff. zu aArt. 856 ZGB. SteinaueR, Band III, Nr. 2993 ff.; deRSelbe, ZüKomm, N 12 ff. zu Art. 861 ZGB, sowie die Muster bei tuoR /SchnydeR /Schmid, § 114 N 28, SteinaueR, Band III, S. 553 f. (Anhang 5), und m eieRh ayoz/von deR cRone, S. 338. BGer 5A_210/2007, E. 4.6.1; SteinaueR, Band III, Nr. 2997 ff.

§ 31 Der Schuldbrief

555

ckelt.53 Diese bieten jedoch nach der Rechtsprechung nicht die gleiche Sicherheit wie ein Schuldbrief; namentlich ist Art. 862 Abs. 1 ZGB auf sie nicht anwendbar.54

3. Die Eintragung in das Grundbuch muss sich auf einen Rechtsgrund (Art. 965 Abs. 1 und 3 ZGB) und auf eine schriftliche Anmeldung (Art. 963 Abs. 1 ZGB; Art. 46 ff. GBV) stützen. Letztere muss vom Verfügungsberechtigten ausgehen (Art. 965 Abs. 1 und 2 ZGB). Zum Rechtsgrund ist Folgendes beizufügen:

1826

– Als Rechtsgrund kommt nach den allgemeinen Regeln ein Vertrag auf Errichtung eines Grundpfandrechts in Betracht.55 Dieser Vertrag muss öffentlich beurkundet sein (Art. 799 Abs. 2 ZGB; vorne Nr. 1530 ff.). Beizufügen bleibt Folgendes:

1827

• Der öffentlichen Beurkundung bedürfen nach den allgemeinen Regeln alle (objektiv und subjektiv) wesentlichen Vertragspunkte (vorne Nr. 1531).56 Zu den objektiv wesentlichen Punkten gehört nach der hier vertretenen Auffassung ebenfalls die Art des gewählten Schuldbriefs (Papier- oder RegisterSchuldbrief).57

1828

Das Bundesgericht hat sich zur Formbedürftigkeit der subjektiv wesentlichen Punkte beim Vertrag auf Errichtung eines Schuldbriefs indessen nicht deutlich geäussert. Nach seiner Rechtsprechung zur Rechtslage vor dem 1. Januar 2012 bildeten Vereinbarungen über Rückzahlungen, Kündigung und Amortisation der Pfandschuld «keinen notwendigen Bestandteil des Pfandvertrags».58 Separate Abreden in der Sicherungsabrede und auch der dortige Hinweis auf (nicht beurkundete) allgemeine Geschäftsbedingungen hat das Bundesgericht als zulässig bezeichnet.59 Die Änderung der Modalitäten der Pfandforderung (insbesondere der Kündigungsregelung) musste daher nach der Praxis nicht beurkundet werden.60

• An die soeben beschriebene Rechtsprechung knüpft seit dem 1. Januar 2012 Art. 846 Abs. 2 ZGB an: Nach dieser Bestimmung kann der Schuldbrief schuldrechtliche Nebenvereinbarungen über Verzinsung, Abzahlung und Kündigung sowie andere die Schuldbriefforderung betreffende Nebenbestimmungen enthalten und ist diesbezüglich eine Verweisung auf eine separate Vereinbarung zulässig.61

53

54

55 56 57

58 59

60 61

h anS-PeteR FRiedRich, «Interimstitel» im Hypothekarwesen, ZBGR 52/1971, S. 1 ff. (17 ff.); SteinaueR, Band III, Nr. 2997c; deRSelbe, ZüKomm, N 33 zu Art. 861 ZGB und N 129 f. zu Art. 857 ZGB; Staehelin, BaKomm, N 15 zu Art. 857 ZGB. So zum alten Recht (aArt. 866 ZGB) BGer vom 17. Dezember 1964, in ZBGR 47/1966, S. 301 ff. (303 f.), E. 3b und c. Dazu ausführlich Sidney K ameRzin (zitiert in Nr. 1851), Nr. 313 ff. Vgl. auch SteinaueR, ZüKomm, N 113 zu Art. 857 ZGB. R aPhaël h aaS (zitiert in Nr. 1851), S. 307; SteinaueR, ZüKomm, N 59 f. und 113 zu Art. 857 ZGB; a.M. SteFan WeiSS, Abs. 2 lit. c GBV. BGE 123 III 97 ff. (98 f.), E. 2, mit Hinweis auf leemann, BeKomm, N 47 zu Art. 799 ZGB. BGE 123 III 97 ff. (99), E. 2, mit Hinweis auf leemann, BeKomm, N 12 f. zu Art. 844 ZGB, dieteR zobl, Sicherungsübereignung (zitiert in Nr. 1851), S. 291, und m aRKuS F. vollenWeideR (zitiert in Nr. 1851), S. 101 f. BGE 123 III 97 ff. (99), E. 2, unter Hinweis auf leemann, BeKomm, N 60 zu Art. 799 ZGB. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5323, wo auf die «heute übliche Praxis im Bankgeschäft» verwiesen und ausgeführt wird, die getroffene Lösung biete den «Vorteil der Flexibilität» und erlaube namentlich eine einfache Anpassung von Nebenvereinbarungen an geänderte Bedürfnisse. Zu sol-

1829

556

Die Grundpfandrechte

Diese Regelung und ihre Entstehungsgeschichte deuten darauf hin, dass die bisher praktizierten Verweisungen auf Allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken unter Formgesichtspunkten weiterhin (weitgehend) zulässig sind.62 Doch bleibt es nach der hier vertretenen Auffassung beim Grundsatz, dass sich der Formzwang auf alle (objektiv und) subjektiv nach öffentlich beurkundet werden.63



1830

Aspekt hinzu: Da durch die Errichtung eines Schuldbriefs nach Art. 842 Abs. 1 ZGB (nebst dem Grundpfandrecht) eine persönliche Forderung begründet wird, muss der öffentlich beurkundete Pfandvertrag nach der hier vertretenen Auffassung ein konkretes Schuldversprechen des Schuldners gegenüber der Schuldbriefgläubigerin beinhalten.64 1831

• Zusätzlich zu den gesetzlichen Formvorschriften sind die gesetzlichen Inhaltsschranken an den Grundpfandvertrag zu beachten. Soweit Abreden formgültig in Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffen worden sind, müssen seit 1. Juli 2012 insbesondere die Schranken beachtet werden, die der neue Art. 8 UWG für vorformulierte Verträge mit Konsumentinnen und Konsumenten aufstellt.65

1832

– Ebenfalls möglich ist ein einseitiges Begehren des Grundeigentümers auf Errichtung eines Eigentümer- oder Inhaber(papier)schuldbriefs (den der Grundeigentümer später begeben wird). Für dieses einseitige Begehren ist seit dem 1. Januar 2012 ebenfalls die öffentliche Beurkundung erforderlich (vorne Nr. 1534). Es muss alle wesentlichen Elemente der Schuldbrieferrichtung enthalten, nämlich den Namen des Eigentümers, den Willen zur Errichtung eines Papier-Schuldbriefs, die Bezeichnung des Grundstücks sowie Betrag und Rang des Pfandrechts.66 Nachdem das Gesetz seit dem 1. Januar 2012 auch für die einseitige Schuldbrieferrichtung die öffentliche Beurkundung fordert, lassen sich der Rechtsgrund (öffentliche Urkunde) und die schriftliche Anmeldung an das Grundbuch (Art. 963 Abs. 1 ZGB und Art. 48 GBV) im Unterschied zum früheren Recht deutlich auseinanderhalten.67 Lässt der Eigentümer durch die beschriebene einseitige Erklärung einen Eigentümer- oder Inhaber(papier)schuldbrief errichten und sich aushändigen, so führen die darin verkörperten Rechte (Forderung und Pfandrecht) zunächst eine rein

1833

1834

62 63

64

65

66 67

chen Abreden vgl. etwa Paul-h enRi SteinaueR, les cédules hypothécaires (zitiert in Nr. 1801), S. 288 ff.; denSelben, ZüKomm, N 39 ff. zu Art. 846 ZGB. So wohl Staehelin, BaKomm, N 10 zu Art. 846 ZGB. Paul-h enRi SteinaueR, les cédules hypothécaires (zitiert in Nr. 1801), S. 289, Fussnote 80; Sidney K ameRzin (zitiert in Nr. 1851), Nr. 778 und 812. Ebenso SteinaueR, ZüKomm, N 12 ff. zu Art. 846 ZGB; Staehelin, BaKomm, N 13 zu Art. 842 R aPhaël h aaS (zitiert in Nr. 1851), S. 305. AS 2011, S. 4909 ff. Ausführlich dazu JöRg Schmid, Die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen (zitiert in Nr. 1851), S. 1 ff.; deRSelbe, Grundpfandverträge und der neue Art. 8 UWG (zitiert in Nr. 1851); vgl. auch Staehelin, BaKomm, N 53 zu Art. 842 ZGB; SteinaueR, ZüKomm, N 183 zu Art. 842 ZGB. BGE 116 II 291 ff. (293 oben), E. 2 = ZBGR 72/1991, S. 371 ff.

§ 31 Der Schuldbrief

557

formelle Existenz (zum Eigentümerpfandrecht allgemein vorne Nr. 1194 ff.). Sie aktualisieren sich erst dann, wenn der Titel «begeben» wird.68 4. Schliesslich sind bei landwirtschaftlichen Grundstücken für die Errichtung von Pfandbelastungsgrenzen des bäuerlichen Bodenrechts zu beachten (Art. 798a ZGB und Art. 73 ff. BGBB). Die Belastungsgrenzen gelten ebenfalls bei Bestellung eines Faustpfandes an einem Papier-Schuldbrief oder bei Wiederbelehnung eines abbezahlten solchen Titels, über den der Eigentümer verfügen kann (Art. 73 Abs. 2 lit. b und c BGBB).

1835

Hingegen sind die Kantone seit dem 1. Januar 2012 nicht mehr ermächtigt, allgemeine (kantonale) Belastungsgrenzen aufzustellen.69

B.

Die Änderung

Da nach dem Gesagten sowohl dem Grundbucheintrag als auch dem Pfandtitel ein besonderer Vertrauensschutz zukommt, stellt sich die Frage, wie Änderungen im Schuldbriefverhältnis zu behandeln sind. Besonders aktuell ist dies für Änderungen, die den Schuldner entlasten. Mit dieser Frage befasst sich Art. 852 ZGB:70

1836

1. Treten im Rechtsverhältnis Änderungen zu Gunsten des Schuldners (beispielsweise durch Abzahlung an die Schuld, Schulderleichterung oder Pfandentlassung) ein, so kann der Schuldner nach Art. 852 Abs. 1 ZGB vom Gläubiger verlangen, dass dieser der Einschreibung der Änderung in das Grundbuch zustimmt. Der Grundbuchverwalter hat die Änderung auf dem Pfandtitel zu vermerken (Art. 852 Abs. 2 ZGB; Art. 106 Abs. 2 und Art. 150 f. GBV).

1836a

Daraus folgt, dass der Grundbuchverwalter die Änderung in das Grundbuch nur eintragen darf, wenn ihm gleichzeitig auch der Schuldbrieftitel zum Vermerk der Änderung vorgelegt wird.71

2. Ohne diese Einschreibung oder diesen Vermerk auf dem Titel muss sich nach Art. 852 Abs. 3 ZGB «ein gutgläubiger Erwerber des Schuldbriefs die Wirkung der Änderung im Rechtsverhältnis nicht entgegenhalten lassen».72 tel regelmässig nicht nachgetragen werden. Der Gutglaubensschutz des Erwerbers (und allgemeiner die Einredenordnung des Schuldbriefrechts) führt dann zu einem Doppelzahlungsrisiko des Schuldners.73

68

69 70

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72

73

Zum Ganzen vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 2973 ff.; leemann, BeKomm, N 12 zu Art. 842 ZGB sowie N 11 zu Art. 859 ZGB; m eieR-h ayoz/von deR cRone, S. 340 und 342. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5295; Schmid, Neuerungen im Grundpfandrecht, S. 215. Zum Folgenden ausführlich SteinaueR, Band III, Nr. 3031 ff.; deRSelbe, ZüKomm, N 1 ff. zu Art. 852 ZGB. leemann, BeKomm, N 2 zu Art. 874 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 2979; deRSelbe, ZüKomm, N 43 und 54 zu Art. 852 ZGB. – Zur Teilung von Schuldbriefen vgl. StePhan WolF, Zur Teilung von Namenschuldbriefen, ZBJV 133/1997, S. 242 ff. SteinaueR, ZüKomm, N 45 f. zu Art. 852 ZGB; vgl. auch BGE 105 III 122 (128), E. II./5b; BGer vom 5. Februar 1981, in ZBGR 65/1984, S. 163 ff. (167 f.), E. 2a und b. Vgl. zum alten Recht auch BGer 5C.36/2006 und 5C.38/2006, E. 3.3 = ZBGR 89/2008, S. 51 ff.

1836b

558

C.

Die Grundpfandrechte

Die Übertragung

1837

1. Der Papier-Schuldbrief stellt nach dem Gesagten ein Wertpapier dar, welches Forderung und Pfandrecht verkörpert. Die Übertragung des Schuldbriefs (seine Veräusserung, aber auch seine Verpfändung) richtet sich folglich nach den wertpapierrechtlichen Regeln. Stets erforderlich ist die Übergabe des Titels an den Erwerber (Art. 864 ZGB; Art. 967 OR), die sich auf einen gültigen Rechtsgrund stützen muss.74 Ob zusätzliche Vorkehren zur rechtswirksamen Übertragung nötig sind, hängt von der Art des Pfandtitels ab:

1837a

– Lautet der Schuldbrief auf den Inhaber (Inhaberpapier), so genügt die Besitzübergabe.75

1837b

– Lautet der Schuldbrief auf einen bestimmten Namen, so ist zusätzlich ein Übertragungsvermerk auf dem Titel unter Angabe des Erwerbers notwendig (Art. 864 Abs. 2 ZGB). Der Erwerber muss mit anderen Worten namentlich genannt werden; ein Blankoindossament ist unzulässig.76 Der auf den Namen ausgestellte Schuldbrief ist kein Namenpapier, sondern ein Ordrepapier.77

1837c

– Dritten gegenüber unwirksam ist eine Sicherungsübereignung von PapierSchuldbriefen durch Besitzeskonstitut78 (hinten Nr. 2020).

1837d

Nicht erforderlich für die Übertragung des Papier-Schuldbriefs ist die Eintragung des neuen Berechtigten in das Grundbuch. Seit dem 1. Januar 2012 kann ein Gläubiger entweder im Gläubigerregister (vorne Nr. 447 und 1616) oder auf dem Hauptbuchblatt in der Abteilung «Grundpfandrechte» eingetragen werden, doch haben diese Einschreibungen keine Grundbuchwirkungen (Art. 12 und 103 GBV).79

1837e

2. War der Veräusserer nicht verfügungsberechtigt, so ist der gutgläubige Erwerber bei Inhaberschuldbriefen nach Art. 935 ZGB (sowie Art. 848 und 862 Abs. 1 ZGB; vorne Nr. 1819 ff.), bei Namenschuldbriefen nach Massgabe von Art. 1006 Abs. 2 OR geschützt.80

D. 1838

Der Untergang

1. Nach den allgemeinen Regeln geht der Papier-Schuldbrief als Pfandrecht mit der Löschung des Grundbucheintrags oder mit dem vollständigen Untergang des Grundstücks unter (Art. 801 Abs. 1 ZGB). Der Grundbucheintrag darf jedoch erst gelöscht werden, wenn der Pfandtitel entkräftet oder gerichtlich für kraftlos erklärt worden ist (Art. 855 ZGB; Art. 152 GBV).

74 75 76

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78

79 80

Für die Eigentumsübertragung an Schuldbriefen BGer 5A_210/2007, E. 4.5.1. Vgl. auch BGer 5C.11/2005, E. 3.1 = ZBGR 89/2008, S. 46 ff. BGE 81 II 112 ff. (115), E. 5b; SteinaueR, Band III, Nr. 3004; deRSelbe, ZüKomm, N 39 ff. zu Art. 864 ZGB. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 114 N 12 (Fn. 12); SteinaueR, ZüKomm, N 20 zu Art. 860 ZGB und N 40 f. zu Art. 864 ZGB. BGE 119 II 326 ff. (327 f.), E. 2a; zobl, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1301 und 1408. StePhan WolF/a lexandeR K eRnen (zitiert in Nr. 1851), S. 366 f. SteinaueR, Band III, Nr. 3004 und 3051 ff.

559

§ 31 Der Schuldbrief

Die Entkräftung geschieht gemäss Art. 152 Abs. 1 GBV dadurch, dass der Pfandtitel «mit einem Löschungsvermerk versehen und zerschnitten, perforiert oder diagonal durchgestrichen wird»; der Löschungsvermerk muss datiert und von der zuständigen Person des Grundbuchamts unterzeichnet werden. Bei Löschung des Schuldbriefs im Grundbuch ist der entkräftete Titel nach Art. 152 Abs. 4 GBV dem Grundeigentümer auf dessen Verlangen auszuhändigen. – Zur Kraftloserklärung vgl. Art. 865 ZGB.81

2. In Art. 853 f. ZGB regelt das Gesetz sodann die Möglichkeit des Grundeigentümers, das Pfandrecht löschen zu lassen oder den Titel weiterzuverwenden:82 –

1838a

1838b

er (Art. 853 Ziff. 2 ZGB). 83

Die Begleichung der Schuldbriefforderung führt mit anderen Worten «nicht zum Erlöschen der Schuld und berührt auch das Grundpfandrecht nicht in seinem Bestehen».84 Darin liegt einer der Vorteile des Schuldbriefs (vorne Nr. 1820c). Zu den Folgen der Tilgung der Forderung aus dem Grundverhältnis vgl. hinten Nr. 1844j.

– Ist keine Gläubigerin vorhanden oder verzichtet sie auf das Pfandrecht, so hat der Schuldner die Wahl, den Eintrag im Grundbuch löschen oder stehen zu lassen (Art. 854 Abs. 1 ZGB). Er ist befugt, den Pfandtitel weiterzuverwenden (Art. 854 Abs. 2 ZGB).

1838c

Bei landwirtschaftlichen Grundstücken muss immerhin für die Wiederbelehnung eines abbezahlten Schuldbrieftitels, über den der Eigentümer verfügen kann (Eigentümerschuldbrief), die Pfandbelastungsgrenze nach BGBB beachtet werden (Art. 73 Abs. 2 lit. c BGBB).

3. Zu einem Untergang des Pfandrechts durch Löschung des Schuldbriefs im Grundbuch und Kraftloserklärung des Pfandtitels kann es sodann in einem Verfahren bei unbekannter Gläubigerin nach Art. 856 ZGB kommen (hinten Nr. 1850).

2.

Der Register-Schuldbrief

A.

Die Entstehung

1.

1838d

1839

Eintragung in das Grundbuch (Art. 857 Abs. 1 und

Der Verzicht auf ein Wertpapier führt gemäss dem Bundesrat «generell zu einer Vereinfachung der rechtlichen Lage, indem die Dualität von Titel und Grundbucheintrag entfällt. Letzterer gewinnt an Bedeutung.»85

2. Die Eintragung in das Grundbuch muss sich nach den allgemeinen Regeln auf einen Rechtsgrund (Art. 965 Abs. 1 und 3 ZGB) und auf eine schriftliche Anmeldung

81 82 83 84 85

Dazu SteinaueR, Band III, Nr. 3011 ff.; deRSelbe, ZüKomm, N 1 ff. zu Art. 865 ZGB. SteinaueR, Band III, Nr. 3062 ff.; deRSelbe, ZüKomm, je N 1 ff. zu Art. 853 und 854 ZGB. BGE 130 III 681 ff. (684), E. 2.4. BGE 130 III 681 ff. (683), E. 2.3. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5322.

1839a

560

Die Grundpfandrechte

(Art. 963 Abs. 1 ZGB; Art. 46 ff. GBV) stützen.86 Der Rechtsgrund muss öffent(vorne Nr. 1826 ff.).87 Nach der hier vertretenen Auffassung (vorne Nr. 1828) muss die Schuldbrief-Art (hier: «RegisterSchuldbrief») in der öffentlichen Urkunde angegeben werden. 1839b

3. Um den Register-Schuldbrief zu fördern, sieht Art. 33b SchlT ZGB eine erleichterte Umwandlung der vor dem 1. Januar 2012 in das Grundbuch eingetragenen Papier-Schuldbriefe in Register-Schuldbriefe vor.88 Nach dieser Bestimmung genügt der gemeinsame schriftliche Antrag von Grundeigentümer und den am Schuldbrief verhältnissen ohne Mitwirkung des Schuldners.89 Zur grundbuchlichen Behandlung vgl. Art. 108 GBV. Ohne diese Umwandlung bleiben die vor dem 1. Januar 2012 eingetragenen, als Schuldbriefe bezeichneten Grundpfandrechte Papier-Schuldriefe (Art. 163 GBV; vorne Nr. 1821).

1839c

4. Auch für Register-Schuldbriefe sind bei landwirtschaftlichen Grundstücken die Pfandbelastungsgrenzen des bäuerlichen Bodenrechts zu beachten (Art. 798a ZGB und Art. 73 ff. BGBB).

B. 1840

Die Änderung

1. Änderungen des Register-Schuldbriefs sind grundsätzlich «teilweise Neuerrichtungen». Sie bedürfen der Eintragung in das Grundbuch, 90 grund voranzugehen hat. Bei einer Erhöhung der Schuldbriefforderung müssen demnach der Änderungsvertrag oder (bei Eigentümerschuldbriefen) die einseitige Änderungserklärung öffentlich beurkundet sein.91

1840a

2. Bei Änderungen im Schuldbriefverhältnis, die den Schuldner entlasten, kann dieArt. 852 Abs. 1 ZGB verlangen, dass der Gläubiger der Einschreibung der Änderung in das Grundbuch zustimmt.92 Da beim Register-Schuldbrief kein Pfandtitel vorhanden ist, entfällt der dortige Vermerk der Änderung (Art. 852 Abs. 2 ZGB).

86

87

88

89

90 91 92

Zur Anmeldung vgl. R aPhaël h aaS (zitiert in Nr. 1851), S. 316 ff.; SteinaueR, ZüKomm, N 118 ff. zu Art. 857 ZGB. Ausführlich SteFan WeiSS, Diss. (zitiert in Nr. 1851), Nr. 307 ff.; R aPhaël h aaS (zitiert in Nr. 1851), S. 302 ff. (mit Vertragsmustern auf S. 330 ff.); SteinaueR, ZüKomm, N 21 ff. (Vertrag) und N 140 ff. (einseitige Erklärung) zu Art. 857 ZGB. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5295; ausführlich SteinaueR, ZüKomm, N 49 ff. zu Art. 843 ZGB. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5340; ausführlich und kritisch SteFan WeiSS, Diss. (zitiert in Nr. 1851), Nr. 557 ff. SteinaueR, ZüKomm, N 171 ff. zu Art. 857 ZGB mit Hinweisen. SteinaueR, ZüKomm, N 189 zu Art. 857 ZGB. Ausführlich SteinaueR, ZüKomm, N 25 ff. und 10 zu Art. 852 ZGB.

561

§ 31 Der Schuldbrief

Ohne diese Einschreibung in das Grundbuch muss sich nach Art. 852 Abs. 3 ZGB «ein gutgläubiger Erwerber des Schuldbriefs die Wirkung der Änderung im Rechtsverhältnis nicht entgegenhalten lassen».

C.

Die Übertragung

Als Registerpfandrecht vollzieht sich die Übertragung des Register-Schuldbriefs gemäss Art. 858 f. ZGB durch einen blossen Registervorgang, nämlich durch die Eintragung der Erwerberin (neuen Gläubigerin) in das Grundbuch («Umbuchung»93).94 Im Hauptfall erwirbt die neue Gläubigerin Eigentum am Register-Schuldbrief (zur Sicherungsübereignung vgl. hinten Nr. 1844 ff.); möglich ist ferner die Übertragung zu einem beschränkten dinglichen Recht, nämlich zu «Fahrnispfand» oder zur Nutzniessung. Im Einzelnen:

1841

1. Die Übertragung des Register-Schuldbriefs zu Eigentum erfolgt gemäss Art. 858 Abs. 1 ZGB durch Eintragung der neuen Gläubigerin in das Grundbuch «aufgrund einer schriftlichen Erklärung des bisherigen Gläubigers» (Art. 858 Abs. 1 ZGB).

1841a

Da kein Pfandtitel besteht, scheidet eine wertpapierrechtliche Übergabe (wie beim Papier-Schuldbrief; Nr. 1823 ff.) aus.

Die vom Gesetz erwähnte «schriftliche Erklärung des bisherigen Gläubigers» (Verfügungsberechtigter) ist die Grundbuchanmeldung (Verfügungsgeschäft).95 Sie muss sich nach den allgemeinen Regeln (Kausalitätsprinzip) auf ein gültiges Ver-

1841b

96

den. Sie ist allerdings aus grundbuchrechtlicher Sicht systemwidrig und unterläuft die PrüfungsNr. 529 ff.).97

2. Für die Übertragung des Register-Schuldbriefs zu «Fahrnispfand» sieht Art. 859 Abs. 1 ZGB die «Eintragung des Fahrnispfandgläubigers» in das Grundbuch

93

94

95

96

97

StePhan WolF/a lexandeR K eRnen (zitiert in Nr. 1851), S. 368 und 372; vgl. auch Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5327. De lege ferenda kritisch zobl/K RameR (zitiert in Nr. 1851), S. 218, die diese «bürokratische RegeWolF/PFeuti (zitiert in Nr. 1851), S. 396 f. und 403 ff.; Staehelin, BaKomm, N 10a zu Art. 857 ZGB; Föex, L’inscription d’un «nominee» (zitiert in Nr. 1851). S. 20 f. und 27 ff. StePhan WolF/a lexandeR K eRnen (zitiert in Nr. 1851), S. 371; SteinaueR, ZüKomm, N 43 zu Art. 858 ZGB. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5327 (ohne Angaben darüber, wie der Grundbuchverwalter diesen Rechtsgrund soll prüfen können); zum Ganzen auch SteinaueR, ZüKomm, N 33 ff. zu Art. 858 ZGB. Gl.M. SteFan WeiSS, Diss. (zitiert in Nr. 1851), Nr. 524 und 551; StePhan WolF/a lexandeR K eRnen (zitiert in Nr. 1851), S. 370.

1841c

562

Die Grundpfandrechte

vor (dazu hinten Nr. 1847b).98 Die Übertragung zur Nutzniessung entsteht nach Art. 859 Abs. 3 ZGB ebenfalls mit der Eintragung in das Grundbuch.99 Auch bezüglich des Vertrags auf Bestellung eines Fahrnispfandrechts oder einer Nutzniessung an einem Register-Schuldbrief enthält Art. 859 ZGB keine Formvorschrift. In der Lehre wird teilweise die einfache Schriftlichkeit gefordert, für die Fahrnisverpfändung namentlich unter Berufung auf Art. 900 Abs. 1 ZGB.100 1841d

3. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass Art. 859 ZGB nicht nur die Übertragung des Register-Schuldbriefs regelt, sondern in Abs. 2 auch dessen Pfändung: Sie geschieht durch Eintragung der Verfügungsbeschränkung in das Grundbuch (Art. 960 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB).

D. 1842

1.

Der Untergang Löschung des Grundbucheintrags oder mit dem vollständigen Untergang des Grundstücks unter (Art. 801 Abs. 1 ZGB). Da (anders als beim Papier-Schuldbrief) kein Pfandtitel vorhanden ist, erübrigt sich dessen Entkräftung oder – im Verlustfall – dessen gerichtliche Kraftloserklärung (Art. 855 ZGB).

1842a

2. In Art. 853 f. ZGB regelt das Gesetz (ähnlich wie beim Papier-Schuldbrief; vorne Nr. 1838a ff.) die Möglichkeit des Grundeigentümers, das Pfandrecht löschen zu lassen oder den Titel weiterzuverwenden:101

1842b

– Ist die Schuldbriefforderung vollständig getilgt, so kann der Schuldner verlangen, dass die Gläubigerin der Übertragung des Register-Schuldbriefs auf den Namen des Schuldners zustimmt (Art. 853 Ziff. 1 ZGB). Die Begleichung der Schuldbriefforderung führt mit anderen Worten auch beim Register-Schuldbrief «nicht zum Erlöschen der Schuld und berührt auch das Grundpfandrecht nicht in seinem Bestehen».102

1842c

– Ist keine Gläubigerin vorhanden oder verzichtet sie auf das Pfandrecht, so hat der Schuldner die Wahl, den Eintrag im Grundbuch löschen oder stehen zu lassen (Art. 854 Abs. 1 ZGB). Er ist befugt, den Pfandtitel weiterzuverwenden (Art. 854 Abs. 2 ZGB).

1842d

3. Das Verfahren bei unbekannter Gläubigerin regelt Art. 856 ZGB ähnlich wie beim Papier-Schuldbrief (hinten Nr. 1850); die Kraftloserklärung des Titels entfällt.

98

99

100

101 102

Ausführlich und kritisch SteFan WeiSS, Diss. (zitiert in Nr. 1851), Nr. 602 ff.; ferner SteinaueR, ZüKomm, N 11 ff. zu Art. 859 ZGB. Ausführlich und kritisch SteFan WeiSS, Diss. (zitiert in Nr. 1851), Nr. 631 ff.; ferner SteinaueR, ZüKomm, N 52 ff. zu Art. 859 ZGB. SteFan WeiSS, Diss. (zitiert in Nr. 1851), Nr. 619 ff. und 636 i.V.m. 505 ff.; a.M. SteinaueR, ZüKomm, N 31 zu Art. 859 ZGB (Formfreiheit); offengelassen von StePhan WolF/a lexandeR K eRnen (zitiert in Nr. 1851), S. 375 und 378. SteinaueR, Band III, Nr. 3062 ff.; deRSelbe, ZüKomm, je N 1 ff. zu Art. 853 und 854 ZGB. Zum alten Recht BGE 130 III 681 ff. (683), E. 2.3.

§ 31 Der Schuldbrief

563

III. Das Verhältnis von Schuldbriefforderung und Forderung aus dem Grundverhältnis 1.

Vorbemerkungen zur früheren und heutigen Rechtslage

1. Die Rechtslage bis 31. Dezember 2011 verband die Schuldbrief-Errichtung mit einer (gesetzlich vermuteten) Novation: Mit der Errichtung des Schuldbriefs wurde nach aArt. 855 Abs. 1 ZGB «das Schuldverhältnis, das der Errichtung zu Grunde liegt, durch Neuerung getilgt». Der Schuldner schuldete demnach der SchuldbriefGläubigerin – meistens eine Bank – nicht mehr die Darlehensrückzahlung, sondern nur (aber immerhin) die Zahlung der Schuldbriefsumme. Die Novation bewirkte überdies einen Verzicht des Schuldners auf alle (ihm bekannten) Einreden aus dem Grundverhältnis.103

1843

und mehr dadurch wegbedungen (aArt. 855 Abs. 2 ZGB), dass für Schuldbriefe die Sicherungsübereignung gewählt wurde.104 Diesbezüglich ging das Bundesgericht schon unter dem alten Recht davon aus, die Sicherungsabrede beinhalte einen Novationsausschluss.105 Der Fiduziar sei «gleichzeitig Gläubiger der parallel bestehenden Forderung aus dem Grundverhältnis und der Grundpfandforderung».106 – Für Schuldbriefe, die vor dem 1. Januar 2012 sicherungsübereignet worden sind, ist dieser (vertragsrechtliche) Vorgang nach dem alten Recht zu beurteilen (Art. 1 Abs. 1 und Art. 26 Abs. 1 SchlT ZGB) – freilich entsprechend der vertraglichen Abrede ohne die Novation.107

2. Seit dem 1. Januar 2012 gilt die geänderte Rechtslage: Nach Art. 842 Abs. 2 ZGB tritt mangels anderer Abrede «[d]ie Schuldbriefforderung … neben die zu sichernde Forderung, die dem Gläubiger gegenüber dem Schuldner aus dem Grundverhältnis gegebenenfalls zusteht». Forderung aus dem Grundverhältnis und Schuldbriefforderung stehen demnach nebeneinander, und deren Verhältnis wird «durch die dem Schuldner aufgrund des Grundverhältnisses zustehenden Einreden geregelt».108 In der Botschaft führte der Bundesrat dazu aus: «Für das kommerzielle Hypothekargeschäft bedeutet dies nichts anderes als die gesetzliche Verankerung der Sicherungsübereignung von Schuldbriefen. Die Sicherungsabrede bestimmt einerseits den Sicherungsumfang (d.h. die zu sichernden Forderungen) und enthält meist weitere Regelungen hinsichtlich der schuldrechtlichen Nebenbestimmungen (wie z.B. Zins und Kündigung) sowie sonstiger Nebenbestimmungen (wie z.B. Verwertungsart). Die Sicherungsabrede ist formfrei (Art. 11 Abs. 1 OR) und kann auch nachträglich geändert werden.»109

103 104 105

106

107 108 109

BGE 136 III 288 ff. (291), E. 3.1 = Pra 2010, Nr. 142, S. 941 ff.; 134 III 71 ff. (73), E. 3; BGer 5A_79/2007, E. 2.5; 5A_226/2007 und 5A_228/2007, E. 5. BGE 134 III 71 ff. (73), E. 3; ähnlich BGE 136 III 288 ff. (291), E. 3.1 = Pra 2010, Nr. 142, S. 941 ff.; 140 III 180 ff. (184), E. 5.1.1 = Pra 2014, Nr. 113, S. 895 ff. BGE 140 III 180 ff. (183), E. 3 = Pra 2014, Nr. 113, S. 895 ff. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5321. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5321 (im Original ohne Fettdruck); fast gleich lautend schon Wiegand/bRunneR , S. 26; ähnlich daniel Staehelin, Der Schuldbrief in der aktuellen Revision (zitiert in Nr. 1851), S. 11; SteinaueR, ZüKomm, N 3 ff. und 13 ff. der Vorbem. zu Art. 842–865 ZGB; kritisch SteFan WeiSS, Sicherungsübereignung (zitiert in Nr. 1851), S. 128 ff.; deRSelbe, Diss. (zitiert in Nr. 1851), Nr. 232, 251 ff., 443 ff. und 655 ff.

1843a

564 1843b

Die Grundpfandrechte

3. Damit ist die Sicherungsübereignung neu zum gesetzlichen Grundmodell der Sicherung von Forderungen mittels Schuldbriefen geworden,110 das immer dann Das Grundmodell gilt für alle Arten von Schuldbriefen, mit anderen Worten für Papier- und Register-Schuldbriefe. Ebenso gilt es sowohl für das kommerzielle Hypothekargeschäft wie auch für andere Begebungen von Schuldbriefen.111 Einzugehen ist im Folgenden auf (2.) die Sicherungsübereignung, (3.) die Einreden des Schuldners und (4.) andere Sicherstellungsarten beim Schuldbrief. Zuzugeben ist freilich, dass die Bezeichnung (Sicherungs-)«Übereignung» für den Register-Schuldbrief schlecht passt, zumal es mangels eines Wertpapiers an einer Sache (die übereignet werden könnte) fehlt. Einzelne Autoren sprechen deshalb von «Sicherungseintragung»112 oder «Sicherungs113 . Im Folgenden wird aus Gründen der Einheittragung zu Vollrecht») verwendet.114

2.

Die Sicherungsübereignung

1844

Nach dem Gesagten (vorne Nr. 1843a f.) hat sich der Gesetzgeber mit der Revision für das Grundmodell der Vollrecht») des Schuldbriefs entschieden, auch wenn dies im Gesetzeswortlaut nicht oder nur andeutungsweise zum Ausdruck kommt. Durch die Sicherungsübereignung wird die Gläubigerin, welche die Forderung aus dem Grundverhältnis behält, «Vollberechtigte» am Schuldbrief; sie erhält daran mit anderen Worten das «Vollrecht» (beim Papier-Schuldbrief das Eigentum am Titel), ist jedoch durch die Sicherungsabrede recht nur den Gebrauch zu machen, den der Sicherungszweck des Geschäfts (Sicherung der Grundforderung) erfordert.115 Auf die Sicherungsübereignung im Allgemeinen wird im Rahmen der pfandrechtsähnlichen Sicherungsgeschäfte zurückzukommen sein (hinten Nr. 2012 ff.). Für die Sicherungsübereignung von Schuldbriefen ist auf folgende Kennzeichen und Besonderheiten hinzuweisen:

1844a

1. Die Sicherungsübereignung von Schuldbriefen ist zunächst einmal Übertragung zu Vollrecht (beim Papier-Schuldbrief Eigentumsübertragung am Wertpapier).116

110

111

112

113

BGE 140 III 180 ff. (184), E. 5.1.1 = Pra 2014, Nr. 113, S. 895 ff.; SteinaueR, ZüKomm, N 240 f. zu Art. 842 ZGB und passim. Insoweit missverständlich der bundesrätliche Hinweis in der Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5321, wonach die gesetzliche Verankerung der Sicherungsübereignung (nur?) für das kommerzielle Hypothekargeschäft gelte. daniel Staehelin, Der vinkulierte Register-Schuldbrief (zitiert in Nr. 1851), S. 210 und passim; deRSelbe , So namentlich SteinaueR, ZüKomm, N 3 ff. und 17 der Vorbem. zu Art. 842–865 ZGB sowie N 241 zu Art. 842 ZGB; deRSelbe, La cédule hypothécaire – Commentaire (zitiert in Nr. 1851), Remarques liminaire N 3 ff. und 17 sowie N 241 zu Art. 842 ZGB; SteinaueR /FoRnage, ComRom, N 24 ff. zu Art. 842 ZGB.

114

115 116

Ausführlich SteinaueR, ZüKomm, N 164 ff. zu Art. 842 ZGB. SteinaueR, ZüKomm, N 169 zu Art. 842 ZGB. Zu den Schwächen des Begriffs «Übereignung» beim Register-Schuldbrief vgl. vorne Nr. 1843b.

565

§ 31 Der Schuldbrief

Sie kann sowohl bei einem neu errichteten als auch bei einem bereits bestehenden Schuldbrief vorgenommen werden.117 Im ersten Fall muss der Schuldbrief zunächst nach den allgemeinen Bestimmungen (öffentlich beurkundetes Rechtsgeschäft und Eintragung in das Grundbuch; vorne Nr. 1528 ff.) errichtet werden.118 Sodann setzt die Übertragung zu Vollrecht ein Verfügungsgeschäft voraus, das sich seinerseits auf ein gültiges (Rechtsgrund) stützt: –

Sicherungsabrede

-

1844b

119

Die Abrede untersteht grundsätzlich keiner gesetzlichen Formvorschrift (vgl. immerhin vorne Nr. 1828 f.), wird jedoch in der Praxis aus Beweisgründen regelmässig in Schriftform gekleidet. Weiter schafft sie nicht nur den Rechtsgrund für das dingliche Verfügungsgeschäft, sondern legt zugleich die Grenze fest, innerhalb welcher die Gläubigerin (Fiduziarin, Erwerberin) ihre «besonders starke Rechtsstellung als Eigentümer[in] ausüben darf».121 Auf Letzteres ist sogleich zurückzukommen (Nr. 1844h ff.). 120

Ist die Sicherungsabrede in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten (was bei Banken regelmässig zutrifft), untersteht sie den üblichen Kontrollkategorien, die auf AGB anwendbar sind: der Konsens-, der Auslegungs- und der Inhaltskontrolle. Seit dem 1. Juli 2012 ist für die neue Art. 8 UWG zu beachten (vorne Nr. 1831).122

– Das Verfügungsgeschäft besteht grundsätzlich in der Anmeldung zur Eintragung in das Grundbuch (Art. 857 Abs. 1 sowie Art. 860 Abs. 1 und 3 ZGB).123

1844c

Der Besteller des Pfandrechts muss demnach die Gläubigerin zur Eintragung in das Grundbuch anmelden (Art. 963 Abs. 1 ZGB). Für den Papier-Schuldbrief sieht Art. 860 Abs. 3 ZGB vor, dass der Grundbucheintrag schon vor der Ausstellung des Pfandtitels Schuldbriefwirkung hat (vorne Nr. 1823). 1844d

Eigentümerschuldbrief sicherungsübereignet wird, hängt das Verfügungsgeschäft von der Art des Schuldbriefs ab (vgl. zu dieser Übertragung bereits vorne Nr. 1837 ff. und 1841 ff.): • Beim Papier-Schuldbrief bedarf es in jedem Fall der Übertragung des Besitzes am Pfandtitel an die Gläubigerin (Art. 864 Abs. 1 ZGB) zum Zweck der Eigentumsübertragung, bei Namenschuldbriefen zusätzlich eines Übertragungsvermerks auf dem Titel unter Angabe der Erwerberin (Art. 864 Abs. 2 ZGB).

117 118 119 120

121

122 123

SteinaueR, ZüKomm, N 165 zu Art. 842 ZGB; Staehelin, BaKomm, N 44 zu Art. 842 ZGB. SteinaueR, ZüKomm, N 171 i.V.m. N 66 ff. zu Art. 842 ZGB. Ausführlich SteinaueR, ZüKomm, N 173 ff. zu Art. 842 ZGB. SteFan WeiSS, Diss. (zitiert in Nr. 1851), Nr. 174; SteinaueR, ZüKomm, N 177 f. und 181 zu Art. 842 ZGB. BGer 5A_79/2007, E. 2.5; ähnlich SteFan WeiSS, Diss. (zitiert in Nr. 1851), Nr. 170 ff.; SteinaueR, ZüKomm, N 190 ff. zu Art. 842 ZGB. Ebenso SteinaueR, ZüKomm, N 183 zu Art. 842 ZGB. SteinaueR, ZüKomm, N 119 zu Art. 857 ZGB (für den Register-Schuldbrief).

1844e

566

Die Grundpfandrechte

• Beim Register-Schuldbrief erfolgt die Übertragung durch Eintragung der neuen Gläubigerin in das Grundbuch auf Grund einer schriftlichen Erklärung des Eigentümers (Art. 858 Abs. 1 ZGB, der für Weiterübertragungen anwendbar ist, spricht von der «schriftlichen Erklärung des bisherigen Gläubigers»). Die «Sicherungsübereignung» lässt sich hier präziser als «Sicherungseintragung» oder «Sicherungsverwendung» bezeichnen (vorne Nr. 1843b).

Als Folge des Verfügungsgeschäfts wird die Gläubigerin zur Vollberechtigten des Schuldbriefs; sie ist damit gleichzeitig Gläubigerin der Schuldbriefforderung und Inhaberin des Grundpfandrechts.124 Beim Papier-Schuldbrief wird die Gläubigerin auch Eigentümerin des (übergebenen) Pfandtitels.

1844f

Diese Rechtslage gilt einerseits, wenn ein neuer Schuldbrief errichtet wird (vorne Nr. 1844c), andererseits aber auch dann, wenn der Schuldner (Pfandbesteller) der Gläubigerin einen bereits vorhan125

1844g

2. Rechtsgrundlage der Vollrechtsübertragung bildet nach dem Gesagten (Nr. 1844b) die tet sich die Gläubigerin (Erwerberin des Schuldbriefs; Fiduziarin) gegenüber dem den Befugnissen nur insofern Gebrauch zu machen, als es der Sicherungszweck des Geschäfts – die Sicherung der weiter bestehenden Forderung aus dem Grundverhältnis – erfordert (hinten Nr. 2017).126 Zwischen dem Schuldner und der ersten Gläubigerin behält mit anderen Worten das Grundverhältnis den Vorrang (hinten Nr. 1845a). Dies gilt nicht nur für den Register-Schuldbrief, sondern auch für den Papier-Schuldbrief.127

1844h

3. Als hauptsächliche Rechtsfolge tumsübertragung) erhält der Fiduziar eine überschiessende Rechtsmacht: Er «kann» (auf Grund seiner Verfügungsmacht als Eigentümer/Vollberechtigter des Schuldbriefs) mehr, als er (auf Grund der Sicherungsabrede gegenüber seinem Vertragspartner) «darf» (hinten Nr. 2017). «Die wertpapierrechtliche Legitimation erlaubt ihm, gegenüber Dritten als unbeschränkter Rechtsträger aufzutreten. Aufgrund der Rechtsmacht nur im vereinbarten Rahmen Gebrauch zu machen».128 Insofern lässt sich zwischen einem externen und einem internen Verhältnis unterscheiden.129

1844i

4. Auf folgende typischen Kennzeichen der Sicherungsabrede ist besonders hinzuweisen:

124

125 126 127 128

129

SteinaueR, Band III, Nr. 2960, sowie ZüKomm, N 225 zu Art. 842 ZGB und N 136 zu Art. 857 ZGB; zum alten Recht BGE 134 III 71 ff. (73), E. 3; BGer 5A_226/2007 und 5A_228/2007, E. 5. Staehelin, BaKomm, N 49 f. zu Art. 842 ZGB. SteinaueR, ZüKomm, N 164, 190 ff. und 227 ff. zu Art. 842 ZGB. Zum alten Recht BGE 132 III 166 ff. (169), E. 6.2 = ZBGR 89/2008, S. 41 ff. BGE 119 II 326 ff. (328), E. 2b; ähnlich ZR 103/2004, Nr. 27, S. 97 ff. (103), E. 6.1 (Zürcher Handelsgericht); ausführlich m aRKuS F. vollenWeideR (zitiert in Nr. 1851), S. 9 ff. und 47 ff.; vgl. auch Staehelin, BaKomm, N 50 zu Art. 842 ZGB; bénédict Foëx, La cédule hypothécaire de registre (zitiert in Nr. 1851), S. 121 ff. BGer 5A_79/2007, E. 2.5; ähnlich schon BGE 71 II 99 ff. (100 f.), E. 2; aus der Lehre etwa oFtingeR /bäR , ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 241.

§ 31 Der Schuldbrief

567

SteinaueR geht bezüglich dieser Kennzeichen von einer echten Lücke des Gesetzes (Art. 1 Abs. 2 ZGB) aus, sodass die nachfolgenden generell-abstrakten Regeln eine Gesetzesergänzung darstellen; deren Anwendbarkeit wird vermutet, sie gelten mit anderen Worten, soweit die Parteien im Einzelfall nichts Abweichendes vereinbart haben.130



1844j

von seiner Rechtsmacht nur insoweit Gebrauch zu machen, als es der Sicheihm durch den Schuldbrief gewährten Rechte solange nicht geltend zu machen, erfüllt.131 Tut der Letztere dies nicht (mehr), ist der «Sicherungsfall» eingetreten, und der Gläubiger darf die Schuldbriefforderung durch Kündigung fällig stellen und alsdann verwerten.132 des Gläubigers nach der Rechtsprechung ein «pactum de non petendo» hinsichtlich jenes Teils der Schuldbriefforderung dar, der den sichergestellten Betrag aus dem Grundverhältnis (nebst Zinsen) übersteigt.133 Der Gläubiger, der keine Zahden offenen (effektiv noch geschuldeten) Betrag aus dem Grundverhältnis zu beschränken.134 Gegen ein weiter gehendes Begehren kann sich der Schuldner gestützt auf Art. 842 Abs. 3 und Art. 849 Abs. 1 ZGB auch im Verfahren auf provisorische Rechtsöffnung wehren, indem er glaubhaft macht, dass die gesicherte Schuld aus dem Grundverhältnis tiefer ist als die Schuldbriefschuld, für welche der Gläubiger Rechtsöffnung verlangt.135 Das Bundesgericht hat festgehalten, in solchen Fällen bestehe zwischen dem (sicherungsübereigneten) Schuldbrief und der Forderung aus dem Grundverhältnis eine Beziehung der «mittelbaren Akzessorietät».136 Insofern sind die Schuldbriefforderung und das Pfandrecht «in ihrer Durchsetzung an die Grundforderung gebunden».137 Schuldbriefforderung einziehen und müsse erst danach dem Schuldner einen Überschuss heraus-

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SteinaueR, ZüKomm, N 243 zu Art. 842 ZGB; im Ergebnis ähnlich Staehelin, BaKomm, N 49 zu Art. 842 ZGB. SteinaueR, ZüKomm, N 193 und 250 zu Art. 842 ZGB. Ausführlich SteinaueR, ZüKomm, N 206 ff., 255 ff. und 269 ff. zu Art. 842 ZGB. SJZ 101/2005, S. 430 ff. (431), E. 3.1 (Genfer Cour de Justice). BGE 140 III 180 ff. (185), E. 5.1.2 = Pra 2014, Nr. 113, S. 895 ff.; 136 III 288 ff. (291 f.), E. 3.2 = Pra 2010, Nr. 142, S. 941 ff.; BGer 5A_398/2010, E. 4.4; 5A_226/2007 und 5A_228/2007, E. 5.1; SJZ 101/2005, S. 430 ff. (431), E. 3.1 (Genfer Cour de Justice), mit Hinweis auf BGer vom 1. September 1978, in ZBGR 60/1979, S. 106 ff. (109), E. 1 («… verlangen, nur für den effektiv geschuldeten Betrag belangt zu werden»); vgl. ferner etwa dieteR zobl, Sicherungsübereignung (zitiert in Nr. 1851), S. 292; denSelben, BeKomm, N 161 zu Art. 901 ZGB; Wiegand, S. 115 und 119; Wiegand/bRunneR , S. 12 und 33; m aRKuS F. vollenWeideR (zitiert in Nr. 1851), S. 165; Sidney K ameRzin (zitiert in Nr. 1851), Nr. 199; Staehelin, BaKomm, N 57 zu Art. 842 ZGB; SteFan WeiSS, Diss. (zitiert in Nr. 1851), Nr. 173. BGE 140 III 180 ff. (185), E. 5.1.2 = Pra 2014, Nr. 113, S. 895 ff.; BGer 5A_226/2007 und 5A_228/2007, E. 5.1; m aRKuS F. vollenWeideR (zitiert in Nr. 1851), S. 165; zu den Einreden des Schuldners aus dem Grundverhältnis allgemein moniKa PFaFFingeR (zitiert in Nr. 1851), S. 258 f.; dal molin-K Ränzlin, Nr. 1006 ff. und 1029. BGE 132 III 166 ff. (169), E. 6.2 (insoweit in ZBGR 89/2008, S. 41 ff., unrichtig übersetzt), mit Hinweis auf Wiegand, S. 94 f., und (nur zum Teil einschlägig) Sidney K ameRzin (zitiert in Nr. 1851), Nr. 140 ff. Vgl. dazu auch dal molin-K Ränzlin, Nr. 155 f., 168 ff. («Akzessorietätsersatz»), 1001 ff. und 1029; caRoline S. RuPP (zitiert in Nr. 1851), S. 364. caRoline S. RuPP (zitiert in Nr. 1851), S. 343.

568

Die Grundpfandrechte

geben.138 Ob eine solche Abrede in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam getroffen werden kann, ist im Blick auf Art. 8 UWG (seit 1. Juli 2012) jedoch fraglich (vorne Nr. 1831 und 1844b). Erlischt die Forderung aus dem Grundverhältnis (namentlich durch Zahlung des Schuldners), ist 139

– Dem Fiduziar ist es (schuldrechtlich) grundsätzlich untersagt, den Schuldbrief zu veräussern (oder beschränkte dingliche Rechte daran zu errichten), da ein gutgläubiger Erwerber auf Grund der Gutglaubensschutzvorschriften (vorne Nr. 1819 ff. und hinten Nr. 1845e ff.) die Schuldbriefforderung ohne die in der Sicherungsabrede enthaltenen Einschränkungen geltend machen könnte.140

1844k

Ein Teil der Lehre sieht die Sicherungsabrede nicht als verletzt an, wenn der Schuldbrief zusammen mit der Abtretung der gesicherten Forderung aus dem Grundverhältnis weiterveräussert wird und sich dadurch die Stellung des Schuldners nicht verschlechtert.141 Zwischen den ursprünglichen Parteien wie auch zwischen dem Pfandbesteller und der Erwerberin (bei einer solchen kombinierten Weiterübertragung) bedeutet das Nebeneinander von Forderung aus dem Grundverhältnis und Schuldbriefforderung, dass der Pfandbesteller (Schuldner) dann, wenn eine der genannten beiden Forderungen vollständig getilgt ist, einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückübertragung der Schuldbriefforderung (und beim Papier-Schuldbrief auf Übergabe des Titels) hat (Art. 853 ZGB); er kann dann den Schuldbrief weiterverwenden (vorne Nr. 1838a ff. und 1842a ff.). Dennoch widerspricht nach der hier vertretenen Auffassung auch eine solche Weiterveräusserung dem typischen Inhalt der Sicherungsabrede und setzt, um vertragsrechtlich zulässig zu sein, eine klare Vereinbarung voraus.

– Kommt es wegen der Nichtleistung des Fiduzianten zur Verwertung von Schuldbrief und (allenfalls) Grundstück,142 sen Vorgang abzurechnen und dem Fiduzianten einen allfälligen Überschuss des -

1844l

143

Die Sicherungsabrede enthält gemäss der bundesgerichtlichen Praxis regelmässig die stillschweigende Abrede, dass die Gläubigerin im Verwertungsfall zunächst die Vollstreckung der Schuldbriefforderung anstrengen muss (Betreirealis» (vorne Nr. 1555) entspricht.144 Die Parteien können indessen das Gegen-

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Staehelin, BaKomm, N 58 zu Art. 842 ZGB; dal molin-K Ränzlin, Nr. 1009. SteinaueR, ZüKomm, N 199 ff. und 253 zu Art. 842 ZGB.

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Übereignungsaktes mit einer obligatorischen Verfügungsbeschränkung»); SteinaueR, Band III, Nr. 2963b, 3020 Ziffer 4 und Nr. 3050 ff.; deRSelbe, ZüKomm, N 196 ff. und 251 zu Art. 842 ZGB; m aRKuS F. vollenWeideR (zitiert in Nr. 1851), S. 84; allgemein oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 250; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1438. daniel Staehelin, Der Schuldbrief in der aktuellen Revision (zitiert in Nr. 1851), S. 12; vgl. auch SteinaueR, ZüKomm, N 197 f. zu Art. 842 ZGB. Zu den möglichen Arten der Verwertung vgl. SteinaueR, ZüKomm, N 257 ff. zu Art. 842 ZGB. BGE 119 II 326 ff. (328), E. 2c; SteinaueR, Band III, Nr. 3020 Ziffer 6, und ZüKomm, N 212, 232 und 279 ff. zu Art. 842 ZGB; allgemein oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 266; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1489.

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mit Hinweisen in E. 5.2 auf die Berücksichtigung der betreffenden Einrede des Betriebenen im Staehelin, BaKomm, N 59 zu Art. 842 ZGB; SteinaueR, ZüKomm, N 220 und 272 zu Art. 842 ZGB; dal molin-K Ränzlin, Nr. 994.

569

§ 31 Der Schuldbrief

teil vereinbaren, nämlich dass der Schuldner auf die Vorausverwertung des Pfandes verzichtet, die Gläubigerin mit anderen Worten die Wahl hat, sofort die ordentliche Betreibung (auf Pfändung oder Konkurs) einzuleiten.145 Ist die Forderung aus dem Grundverhältnis (namentlich Darlehensvertrag) grösser als der Nominalbetrag der Schuldbriefforderung, kann die Gläubigerin in der Betreibung auf Pfandverwertung den gesamten Betrag samt den Nebenpositionen von Art. 818 ZGB (vorne Nr. 1509, 1566 und 1810a) für sich beanspruchen.146 Für den noch offenen Betrag muss die Gläubigerin alsdann die gewöhnliche Betreibung (auf Pfändung oder Konkurs) einleiten.147 nes Eigentumsrechts und der daraus folgenden Verfügungsbefugnis (Art. 641 Abs. 1 ZGB; vorne Nr. 658)148 149 Dies gilt namentlich dann, wenn der Fiduziar den Schuldbrief in Verletzung der Sicherungsabrede einem gutgläubigen Dritten weitergibt und sich dadurch das Doppelzahlungsrisiko des Fiduzianten aktualisiert.150

1844m

5. Unterzieht man das gesetzliche System der Sicherungsübereignung (Sicherungseintragung) von Schuldbriefen einer kritischen Würdigung, so kommt man nicht umhin, es als «kompliziert, intransparent und für den Laien nur schwer verständlich» zu bezeichnen.151 Diesem Umstand ist bei der Auslegung und inhaltlichen -

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152

3.

Die Einreden des Schuldners

Mit den «Einreden» sind alle Verteidigungsmittel des Schuldners gegen die Schuldbriefforderung gemeint, das heisst Einreden im technischen Sinn und Einwendungen.153 Bezüglich dieser Verteidigungsmittel muss unterschieden werden, ob dem Schuldner die erste Gläubigerin («erste Nehmerin») oder Dritte («Rechtsnachfolger») gegenüberstehen:

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BGE 140 III 180 ff. (187 ff.), E. 5.1.5 = Pra 2014, Nr. 113, S. 895 ff.; SteinaueR, ZüKomm, N 220 zu Art. 842 ZGB. BGE 140 III 180 ff. (185), E. 5.1.2 = Pra 2014, Nr. 113, S. 895 ff. BGE 140 III 180 ff. (185), E. 5.1.2 = Pra 2014, Nr. 113, S. 895 ff.; BGE 136 III 288 ff. (292), E. 3.2 = Pra 2010, Nr. 142, S. 941 ff. BGE 91 III 104 ff. (107), E. 3; Paul-h enRi SteinaueR, les cédules hypothécaires (zitiert in Nr. 1801), S. 282, und ZüKomm, N 196 zu Art. 842 ZGB (mit dem Hinweis, dass dies auch gegenüber bösgläubigen Dritten gilt). A.M. daniel Staehelin, Der vinkulierte Register-Schuldbrief (zitiert in Nr. 1851), S. 213, der die Auffassung vertritt, die Einschränkung der Übertragbarkeit könne bösgläubigen Dritten entgegengehalten werden. BGE 91 III 104 ff. (107), E. 3; oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 250; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1439 (wo auch Art. 890 Abs. 2 ZGB als Haftungsgrundlage genannt wird); m aRKuS F. vollenWeideR (zitiert in Nr. 1851), S. 84. SteFan WeiSS, Diss. (zitiert in Nr. 1851), Nr. 169. Zutreffend daniel Staehelin, Der vinkulierte Register-Schuldbrief (zitiert in Nr. 1851), S. 212; deRSelbe , BaKomm, N 47 zu Art. 842 ZGB. Ebenso SteinaueR, ZüKomm, N 183 zu Art. 842 ZGB. Vgl. dazu etwa gauch /SchlueP/Schmid, Nr. 76 ff.

1845

570 1845a

Die Grundpfandrechte

1. Gegenüber der ersten Gläubigerin («erste Nehmerin»;154 Fiduziarin155) kann sich der Schuldner der Schuldbriefforderung gemäss Art. 842 Abs. 3 ZGB «auf die sich aus dem Grundverhältnis ergebenden persönlichen Einreden berufen».156 Zwischen dem Schuldner und der ursprünglichen Gläubigerin behält mit anderen Worten das Grundverhältnis den Vorrang.157 Der Schuldner kann namentlich geltend machen, die Forderung aus dem Grundverhältnis (meistens: gekommen, verstosse gegen Art. 8 UWG oder sei mit einer Gegenforderung verrechnet worden. Ausserdem stehen dem Schuldner alle Einwendungen aus der Sicherungsabrede zu, namentlich das Argument, er habe das Darlehen bereits (ganz oder teilweise) zurückbezahlt.158

1845b

2. Gleich zu behandeln wie die erste Gläubigerin («erste Nehmerin») sind gewisse Rechtsnachfolger, nämlich:

1845c

– Universalrechtsnachfolger der ersten Gläubigerin, namentlich seine Erben, aber auch Rechtsnachfolger kraft Fusion. Diese treten von Gesetzes wegen in die Rechtsstellung der ersten Gläubigerin ein (Art. 560 ZGB) und gelten nicht als Dritte; die Frage ihres guten oder bösen Glaubens stellt sich nicht.159

1845d

– Dritte, die sich nicht in gutem Glauben Das Bundesgericht hat unter dem alten Recht auch jene Person, die den vom Grundeigentümer durch einseitige Erklärung (Art. 20 Abs. 1 aGBV) errichteten Inhaberschuldbrief als Erste erwirbt, als «Dritte» (und nicht als «erste Nehmerin») angesehen, zumal jene Person an der Ausstellung nicht beteiligt ist.160

1845e

3. Anders verhält es sich mit Bezug auf gutgläubige Dritte:

reden, die sich aus dem Grundverhältnis ergeben, nicht entgegenhalten (Art. 842 Abs. 3 ZGB e contrario).161 Positiv formuliert Art. 848 ZGB diesen «Schutz des guten Glaubens» (Randtitel) wie folgt: «Die Schuldbriefforderung und das Pfandrecht bestehen dem Grundbucheintrag gemäss für jede Person zu Recht, die sich in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen hat.»

1845f

Dieser Schutz tritt zu Art. 973 Abs. 1 ZGB hinzu, welche Bestimmung bereits den Schutz des guten Glaubens mit Bezug auf die im Grundbuch eingetragenen dinglichen Rechte – also auch auf das Grundpfandrecht – vorsieht.162 Einschränkungen erfährt der Schutz indessen dort, wo das eidgenös-

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BGE 89 II 387 ff. (390), E. 2. SteinaueR, ZüKomm, N 299 zu Art. 842 ZGB. Zu beachten bleibt, dass Art. 842 Abs. 3 ZGB nur auf die Fälle der Sicherungsübereignung AnwenSteinaueR, ZüKomm, N 287 ff. zu Art. 842 ZGB). Paul-h enRi SteinaueR, les cédules hypothécaires (zitiert in Nr. 1801), S. 287 f.; deRSelbe, ZüKomm, N 313 ff. zu Art. 842 ZGB; vgl. auch BGer 5A_79/2007, E. 2.6. Zum Ganzen ausführlich SteFan WeiSS, Diss. (zitiert in Nr. 1851), Nr. 440 ff.; ferner Paul-h enRi SteinaueR, les cédules hypothécaires (zitiert in Nr. 1801), S. 287 f. SteinaueR, ZüKomm, N 301 zu Art. 842 ZGB. BGE 115 III 111 ff. (119), E. 6; anders wohl BGer vom 17. Dezember 1964, in ZBGR 47/1966, S. 301 ff. (302 f.), E. 3a, wonach diejenige Person als erste Nehmerin zu gelten habe, die den Schuldbrief vom Schuldner ausgehändigt erhalte; a.M. auch m eieR-h ayoz/von deR cRone, S. 342. SteinaueR, ZüKomm, N 303 zu Art. 842 ZGB und N 48 ff. zu Art. 849 ZGB. BGE 115 III 111 ff. (113), E. 3; SteinaueR, ZüKomm, N 29 ff. und 51 ff. zu Art. 848 ZGB.

§ 31 Der Schuldbrief

571

sische Grundbuch noch nicht eingeführt ist und keine ihm gleichgestellte kantonale Registereinrichtung besteht (Art. 48 Abs. 3 SchlT ZGB und vorne Nr. 581).163

Art. 842 Abs. 3 und Art. 848 ZGB werden durch weitere Vorschriften zur Einredenordnung (und zum Schutz gutgläubiger Dritter) ergänzt:

1845g

– Nach Art. 849 Abs. 1 ZGB kann der Schuldner nur Einreden geltend machen, die sich aus dem Grundbucheintrag ergeben, ihm persönlich gegen den ihn belangenden Gläubiger zustehen oder (beim Papier-Schuldbrief) aus dem Pfandtitel hervorgehen.

1845h

Vereinbarungen, die Nebenbestimmungen zur Schuldbriefforderung enthalten, können einem gutgläubigen Erwerber des Schuldbriefs gemäss Art. 849 Abs. 2 ZGB nur entgegengehalten werden, wenn sie sich aus dem Grundbuch und beim Papier-Schuldbrief zudem aus dem Titel ergeben.

– Ändert sich das Schuldbriefverhältnis zu Gunsten des Schuldners, namentlich durch teilweise Abzahlung der Schuld, und ist die Änderung nicht im Grundbuch oder beim Papier-Schuldbrief auf dem Pfandtitel vermerkt, so muss sich ein gutgläubiger Erwerber des Schuldbriefs nach Art. 852 Abs. 3 ZGB diese Wirkung nicht entgegenhalten lassen (vorne Nr. 1836 ff. und 1840a).

1845i

– Für den Papier-Schuldbrief ordnet schliesslich Art. 862 Abs. 1 ZGB an, dass der formrichtig erstellte Pfandtitel «seinem Wortlaut gemäss für jede Person zu Recht [besteht], die sich in gutem Glauben auf ihn verlassen hat». Anknüpfend an die als Wertpapier ausgestaltete «Urkunde» und an den guten Glauben dessen, der sich darauf verlassen hat, sieht das Gesetz mit anderen Worten einen erhöh-

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Pfandrecht inkorporiert. Insofern stellt der Papier-Schuldbrief ein Wertpapier öffentlichen Glaubens dar.164 übereinstimmen oder ein Grundbucheintrag fehlt, regelt Art. 862 ZGB. Der Vorrang kommt dem Grundbuch zu (Abs. 2), doch hat der gutgläubige Titelerwerber «nach den Vorschriften über das Grundbuch Anspruch auf Schadenersatz» (Abs. 3). Auf die Schadenersatzfrage ist folglich Art. 955 ZGB anwendbar.165

4. Für Dritte spielt es demnach eine zentrale Rolle, ob sie gutgläubig sind oder nicht ben berufen können oder nicht. Bei der letzteren Frage ist zu bedenken, dass seit dem 1. Januar 2012 die Sicherungsübereignung des Schuldbriefs nach Art. 842 Abs. 2 ZGB das gesetzliche Grundmodell darstellt (vorne Nr. 1843a ff.). Die Dritterwerberin eines Schuldbriefs muss demnach wissen, dass neben der Schuldbriefbei der früheren Gläubigerin näher nach diesem Grundverhältnis und nach allfälli-

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165

leemann, BeKomm, N 26 ff. zu Art. 865/866 ZGB. SteinaueR, Band III, Nr. 3045 und 3050 ff.; zum alten Recht BGE 115 III 111 ff. (113), E. 3; 107 II 440 ff. (450 f.), E. 3b; 89 II 387 ff. (391 ff.), E. 3. leemann, BeKomm, N 10 ff. zu Art. 867 ZGB; SteinaueR, ZüKomm, N 58 ff. zu Art. 862 ZGB.

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572

Die Grundpfandrechte

gen Einreden des Schuldners zu erkundigen sowie Einsicht in die entsprechenden Belege zu verlangen.166 Missachtet die Dritterwerberin diese Nachforschungsobliegenheiten, ist sie nach Art. 3 Abs. 2 ZGB nicht berechtigt, sich auf den guten Glauben zu berufen, wird also im Ergebnis wie eine bösgläubige Person behandelt,167 so dass ihr der Schuldner nach Art. 842 Abs. 3 ZGB die Einreden aus dem Grundverhältnis entgegenhalten kann (vorne Nr. 1845d). Für das Mass der gebotenen Sorgfalt verweist Art. 3 Abs. 2 ZGB auf die Umstände des Einzelfalls. Ist die Dritterwerberin des Schuldbriefs eine Bank oder eine andere Person, die sich professionell mit Schuldbriefen beschäftigt, muss von ihr ein hohes Mass an Aufmerksamkeit und Nachforschung verlangt werden.168 Damit hat der Gesetzgeber im Ergebnis die Verkehrsfähigkeit des Schuldbriefs erheblich eingeschränkt.169

1846

4.

Andere Sicherstellungsarten beim Schuldbrief

A.

Die Abrede der Novation

1. Das beschriebene (vorne Nr. 1843a ff.), seit dem 1. Januar 2012 geltende gesetzliche Grundmodell der Sicherungsübereignung von Schuldbriefen (Nebeneinander der Schuldbriefforderung und der Forderung aus dem Grundverhältnis) ist dispositiver Natur: Es gilt nach Art. 842 Abs. 2 ZGB nur, «wenn nichts anderes vereinbart ist». Die Parteien können mit anderen Worten eine Novation vereinbaren, das heisst vertraglich verabreden, dass die Schuldbriefforderung an die Stelle der Forderung aus dem Grundverhältnis treten soll (direkte Sicherung). Diese Möglichkeit steht ihnen sowohl für den Papier- wie auch für den Register-Schuldbrief offen, und deutlich vereinbart werden.170 In Anlehnung an das Grundmodell des Gesetzes vor dem 1. Januar 2012 (aArt. 855 Abs. 1 ZGB) bedeutet dies, dass die Schuldbrieferrichtung zu einer Neuerung (Novation) des zugrunde liegenden Schuldverhältnisses führt.171 Durch diese Neuerung – also gemäss Art. 116 Abs. 1 OR durch die «Tilgung einer alten Schuld durch Begründung einer neuen» – wird die Identität einer (vorausgehenden) Forderung aufgehoben, und «Einreden und Schwächen, die den dadurch abgelösten Ansprüchen anhafteten, gehen in der Regel unter».172 Die Neuerung des Schuldverhältnisses führt demnach zu einer Einredebeschränkung, die sich auf das Ver-

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daniel Staehelin, Der vinkulierte Register-Schuldbrief (zitiert in Nr. 1851), S. 212 f. und 218; ähnlich schon Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5321 (Bemerkungen zu Art. 842, letzter Absatz); Paul-h enRi SteinaueR, La nouvelle réglementation (zitiert in Nr. 1851), S. 68; deRSelbe, ZüKomm, N 311 f. zu Art. 842 ZGB; deniS Piotet, streng SteFan WeiSS, Diss. (zitiert in Nr. 1851), Nr. 470. Allgemein hüRlimann-K auP/Schmid, Nr. 345. Ebenso SteinaueR, ZüKomm, N 312 zu Art. 842 ZGB; SutteR-Somm /SeileR (zitiert in Nr. 1851), S. 645. Pointiert daniel Staehelin, Der vinkulierte Register-Schuldbrief (zitiert in Nr. 1851), S. 214, der festhält, der Schuldbrief sei «vom Verkehrspfandrecht, das der Mobilisierung des Bodenwertes dienen soll, zur vinkulierten Buch- oder Wertpapierforderung mutiert, deren Übertragbarkeit vermutungsweise eingeschränkt» sei. Vgl. auch denSelben, Zur Novation ausführlich SteinaueR, ZüKomm, N 76 ff. zu Art. 842 ZGB. Paul-h enRi SteinaueR, les cédules hypothécaires (zitiert in Nr. 1801), S. 274 ff.; deRSelbe, ZüKomm, N 76 ff. zu Art. 842 ZGB; zum alten Recht BGE 119 III 105 ff. (106 f.), E. 2a. BGE 105 II 273 ff. (277), E. 3a; gauch /SchlueP/emmeneggeR, Nr. 3149 f.

§ 31 Der Schuldbrief

573

hältnis zur ersten Gläubigerin («erste Nehmerin») bezieht und deren Tragweite bereits im alten Recht umstritten war. Nach der hier vertretenen Auffassung verzichtet der Schuldner gegenüber der Gläubigerin mit der Schuldbrieferrichtung auf Einreden und Einwendungen, die ihm in diesem Zeitpunkt schon bekannt gewesen sind; die dem Schuldner zur Zeit der Schuldbrieferrichtung unbekannten Einreden und Einwendungen bleiben ihm hingegen erhalten.173 Dieser Auffassung ist (bisher für das alte Recht; aArt. 855 Abs. 1 ZGB) nach der hier vertretenen Auslegung ebenfalls die Rechtsprechung gefolgt. Beispiele: a. Der Aussteller eines Schuldbriefs kann gegenüber der (wenn auch gutgläubigen) ersten Nehmerin einwenden, er sei bei der Errichtung handlungsunfähig gewesen.174 – b. Der Schuldbriefschuldner, der Besteller eines Werks (in casu: Reparatur eines Liebhaberfahrzeugs) ist, kann der Werkunternehmerin als Schuldbriefgläubigerin die Einreden aus Werkmängelgewährleistung entgegenhalten.175 – c. Der Kreditnehmer kann gegenüber der kreditgebenden Bank die Einwendungen aus der Sicherungsvereinbarung der Parteien oder aus dem Darlehensverhältnis erheben.176 d. Der Schuldner kann in der Zwangsvollstreckung die ganze oder teilweise Rückzahlung der Schuldbriefschuld einwenden.177

2. Ein gutgläubiger Dritter geniesst demgegenüber den Schutz des guten Glaubens nach Art. 848 ZGB und den weiteren Gutglaubensschutzbestimmungen (vorne Nr. 1820 und 1845e ff.).

1846b

3. Intertemporal-rechtlich sind nach der hier vertretenen Auffassung Art. 3 und Art. 26 Abs. 1 SchlT ZGB anwendbar: Für gesetzliche Wirkungen gilt grundsätz-

1846c

vertraglicher Art sind, bestimmen sie sich für die vor dem 1. Januar 2012 errichteten Schuldbriefe nach dem bisherigen Recht.178 Die im alten Recht vermutete Novationsabrede (aArt. 855 ZGB) stellt eine vertragsrechtliche Wirkung des Grundpfandrechts dar, so dass diesbezüglich das alte Recht weiterhin gilt (Art. 1 Abs. 1 und Art. 26 Abs. 1 SchlT ZGB).179 rungsübereignung gewählt180 und damit die Novationswirkung ausgeschlossen.181 Das alte Recht hielt in aArt. 855 Abs. 2 ZGB dazu ausdrücklich fest, eine solche Vereinbarung wirke nicht gegenüber gutgläubigen Dritten.182

173

SteinaueR, Band III, Nr. 2958b; deRSelbe, ZüKomm, N 97 f. zu Art. 842 ZGB; tuoR /SchnydeR / Schmid, § 114 N 31; SimoniuS/SutteR, Band II, S. 260 f.; gauch /SchlueP/emmeneggeR, Nr. 3149.

174

BGE 89 II 387 ff. (390), E. 2; BGer vom 17. Dezember 1964, in ZBGR 47/1966, S. 301 ff., E. 2–3. BGE 114 II 258 ff. (260), E. 5c. BGE 115 II 349 ff. (354), E. 3; 119 II 326 ff. (329), E. 2e; BGer vom 1. September 1978, in ZBGR 60/1979, S. 106 ff. (109), E. 1. BGE 130 III 681 ff. (685 f.), E. 2.7; ZR 108/2009, Nr. 16, S. 61 ff. (63), E. II./4c/dd (Zürcher Kassationsgericht); vgl. auch BGer vom 1. September 1978, in ZBGR 60/1979, S. 106 ff. (109), E. 1; BGer 5C.36/2006 und 5C.38/2006, E. 3.3 = ZBGR 89/2008, S. 51 ff.; ZR 103/2004, Nr. 27, S. 97 ff. (103), E. 6.2 (Zürcher Handelsgericht). Vgl. auch mutzneR, BeKomm, N 2 ff. zu Art. 3 SchlT ZGB. Ebenso BGE 140 III 180 ff. (183), E. 3 = Pra 2014, Nr. 113, S. 895 ff.; SteinaueR, ZüKomm, N 26 der Vorbem. zu Art. 842–865 ZGB; im Ergebnis gl.M. deniS Piotet, Nr. 1851), S. 13. BGE 132 III 166 ff. (169), E. 6.1 = ZBGR 89/2008, S. 41 ff.: «assai frequente». Zum Beispiel BGE 136 III 288 ff. (291), E. 3.1 = Pra 2010, Nr. 142, S. 941 ff.; 134 III 71 ff. (73), E. 3. BGE 119 III 105 ff. (107), E. 2a.

175 176

177

178 179

180 181

182

574

B. 1847

Die Grundpfandrechte

Die «Fahrnisverpfändung» des Schuldbriefs

1. als bewegliche Sache (oder als analoges Buchrecht) zu Pfand gegeben werden.183 Diese Art der Verpfändung wird gelegentlich als mobiliarpfandrechtliche Verpfändung oder als indirekte Sicherung (indirektes Hypothekargeschäft) bezeichnet. Sie ist freilich im Blick auf das Grundmodell von Art. 842 Abs. 2 ZGB nicht zu vermuten, sondern muss sich deutlich aus der Abrede der Parteien ergeben.184 Weiter geht in solchen Fällen der Wille der Beteiligten (ohne gegenteilige Abrede) nicht auf eine Novation der Forderung aus dem Grundverhältnis.185 Sodann sind wiederum Papier- und Register-Schuldbrief auseinanderzuhalten:

1847a

2. Für den Papier-Schuldbrief ergibt sich die Möglichkeit der Fahrnisverpfändung aus der Natur des Pfandtitels (Pfandtitel = bewegliche Sache). Sie geschieht durch zu Faustpfand und gestützt auf einen gültigen Rechtsgrund. Durch eine solche Übergabe wird die Nehmerin zur Faustpfandgläubigerin, nicht aber zur Gläubigerin der im Schuldbrief verkörperten Forderung.186 Bei landwirtschaftlichen Grundstücken ist Art. 73 Abs. 2 lit. b BGBB bezüglich der Belastungsgrenze zu beachten. In der Praxis hatte die Faustpfandverpfändung von Eigentümerschuldbriefen vor 1997 bisweilen zu stossenden Ergebnissen geführt: Zunächst ersteigerte die Faustpfandgläubigerin in der Betreibung auf (Faust-)Pfandverwertung den Schuldbrief (unter seinem Wert) und wurde damit Gläubigerin der im Titel verkörperten grundpfandgesicherten Forderung; hernach leitete sie die Betreibung auf (Grund-)Pfandverwertung ein und erzielte regelmässig den Nominalbetrag des Titels oder jedenfalls einen Verwertungserlös, der wesentlich höher lag als sein seinerzeitiger Steigerungspreis. Schliesslich stellte sich die Frage, ob dieser Verwertungserlös zu Gunsten des Schuldners auf die Forderung aus dem Grundverhältnis anzurechnen sei. Das Bundesgericht verneinte dies grundsätzlich; es sprach in diesem Zusammenhang zwar von schockierenden Gewinnen («gains vraiment scandaleux»), lehnte jedoch eine Lückenfüllung ab und erklärte, es sei Sache des Gesetzgebers, für Abhilfe zu sorgen.187 Dies geschah anlässlich der SchKG-Änderung vom 16. Dezember 1994, in Kraft seit 1. Januar 1997.188 Art. 156 Abs. 2 SchKG ordnet seither an: «Vom Grundeigentümer zu Faustpfand begebene Eigentümer- oder Inhabertitel werden im Falle separater Verwertung auf den Betrag des Erlöses herabgesetzt.»189 Seit Inkrafttreten dieser Regelung hat die Faustverpfändung von Schuldbriefen in der Praxis stark an Bedeutung verloren.190

183 184

185 186

187

188 189 190

Ausführlich SteinaueR, ZüKomm, N 114 ff. zu Art. 842 ZGB. Beispiel: BGer 5C.11/2005, E. 3.3 = ZBGR 89/2008, S. 46 ff. (Auslegung unter Einbezug der zum Inhaberschuldbriefs vgl. immerhin BGer 5A_210/2007, E. 4.3; 5C.11/2005, E. 3.2.1 = ZBGR 89/2008, S. 46 ff. BGE 132 III 166 ff. (169), E. 6.2 = ZBGR 89/2008, S. 41 ff. BGE 115 II 149 ff. (151), E. 2; BGer 5C.249/2004, E. 2.2; 5C.11/2005, E. 3.1 = ZBGR 89/2008, S. 46 ff. Ausführlich SteinaueR, ZüKomm, N 148 zu Art. 842 ZGB. BGE 115 II 149 ff. (153 und 155), E. 3 und 6a; vgl. auch BGE 119 III 105 ff. (107 f.), E. 2c («résultat choquant»). AS 1995, S. 1227 ff. Vgl. zum Ganzen SteinaueR, Band III, Nr. 2965a; zobl, BeKomm, N 157 ff. zu Art. 901 ZGB. Bundesrat in BBl 2007, S. 5315; Wiegand/bRunneR, S. 10 f.; SteinaueR, ZüKomm, N 122 und 162 f. zu Art. 842 ZGB.

§ 31 Der Schuldbrief

575

3. Für den Register-Schuldbrief (Registerpfandrecht; vorne Nr. 1816) erscheint eine Übergabe zu Fahrnispfand von der Natur her als zweifelhaft, da es an einer beweglichen Sache (Pfandtitel) fehlt. Dennoch besteht die Möglichkeit der «Fahrnisverpfändung» kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (Art. 859 Abs. 1 ZGB): Nach dieser Bestimmung erfolgt die (Fahrnis-)Verpfändung «durch Eintragung des Fahrnispfandgläubigers in das Grundbuch aufgrund einer schriftlichen Erklärung des im Grundbuch eingetragenen Gläubigers».191

1847b

IV. Einzelfragen 1.

Die Kündigung der Schuldbriefforderung

1. Nach Art. 847 Abs. 1 ZGB kann der Schuldbrief (Papier- oder Register-Schuldjährlichen Kündigungsfrist auf Ende jeden Monats gekündigt werden.

1848

2. Wie Art. 847 Abs. 1 ZGB ausdrücklich festhält, sind abweichende Abreden grundsätzlich zulässig. Doch setzt Art. 847 Abs. 2 ZGB der Parteiautonomie eine wichtige Schranke: Eine abweichende Vereinbarung darf «für den Gläubiger keine kürzere Kündigungsfrist als drei Monate vorsehen, ausser wenn sich der Schuldner mit destfrist schützt den Schuldner vor Klauseln, welche der Gläubigerin ein beliebigungsrecht einräumen.192

1848a

3. Übergangsrechtlich sind für die bei Inkrafttreten des neuen Rechts bereits bestehenden Schuldbriefe folgende Fälle zu unterscheiden (Art. 28 SchlT ZGB):193

1848b

– Haben die Parteien keine Kündigungsregel vereinbart, gilt die dispositive Regel des bisherigen Rechts (aArt. 844 Abs. 1 ZGB); eine ordentliche Kündigung ist demnach für Gläubiger und Schuldner «je nur auf sechs Monate und auf die üblichen Zinstage» möglich.194

1848c

– Haben die Parteien vertraglich eine kürzere Kündigung vorgesehen (die allfälligen bisherigen kantonalen Beschränkungen standhält), so gilt auch hinsichtlich bisheriger Pfandrechte für die Kündigung durch die Gläubigerin jedenfalls die Minimalfrist von drei Monaten, da es sich bei Art. 847 Abs. 2 ZGB um eine

1848d

191

192

193

194

Zur Entstehungsgeschichte vgl. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5328; SteinaueR, ZüKomm, N 11 ff. zu Art. 859 ZGB. Ähnlich Amtl.Bull. StR 2008, S. 419, Votum JaniaK, binnen (vertraglich vereinbarter) weniger Tage wäre unbillig für einen Schuldner, der seinen ZahVgl. zum Folgenden bereits Schmid, Neuerungen im Grundpfandrecht, S. 215 f.; ferner SteinaueR, ZüKomm, N 21 und 26 zu Art. 847 ZGB. deniS Piotet, deRSelbe , Le droit transitoire (zitiert in Nr. 1851), S. 230 f.; Staehelin, BaKomm, N 4 f. zu Art. 847 ZGB.

576

Die Grundpfandrechte

Schutz des Schuldners handelt.195

2. 1849

Die Vollmachterteilung nach Art. 850 ZGB

1. Bei der Errichtung eines Schuldbriefs kann einer Person eine Vollmacht erteilt werlen als «Pfandhalter» bezeichnet196 und Eigentümers «mit aller Sorgfalt und Unparteilichkeit zu wahren», namentlich Zahlungen zu leisten und zu empfangen, Mitteilungen entgegenzunehmen und Pfandentlassungen zu gewähren (Art. 850 Abs. 1 Satz 2 ZGB).197 Der Name der bevollmächtigten Person ist im Grundbuch und (beim Papier-Schuldbrief) auf dem Pfandtitel aufzuführen (Art. 850 Abs. 2 ZGB).

1849a

2. Fällt die Vollmacht dahin und können sich die Beteiligten nicht einigen, trifft das Gericht die nötigen Anordnungen (Art. 850 Abs. 3 ZGB).

3. 1850

Das Verfahren bei unbekannter Gläubigerin regelt Art. 856 ZGB: Ist die Gläubigerin eines Schuldbriefs seit zehn Jahren unbekannt und sind während dieser Zeit keine Zinse gefordert worden, kann der Pfandeigentümer verlangen, dass die Gläubigerin durch das Gericht öffentlich aufgefordert wird, sich innert sechs Monaten zu melden (Abs. 1). Meldet sie sich nicht innert dieser Frist und ergibt die Untersuchung mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass die Schuldbriefforderung nicht mehr zu Recht besteht, wird auf Anordnung des Gerichts der Papier-Schuldbrief für kraftlos erklärt und im Grundbuch gelöscht (Abs. 2).198

V. 1851

Die Aufrufung einer unbekannten Gläubigerin

Weiterführende Literatur

düRR david, Der neue Register-Schuldbrief und sein Einsatz, SJZ 108/2012, S. 133 ff. – düRR david/K auFmann thomaS, Der neue Register-Schuldbrief und weitere Änderungen des Grundpfandrechts, Bern 2012.

195

196 197

198

deniS Piotet, deRSelbe , Le droit transitoire (zitiert in Nr. 1851), S. 231 (missverständlich) und S. 233, 4. Absatz; Staehelin, BaKomm, N 6 zu Art. 847 ZGB; SteinaueR, ZüKomm, N 28 der Vorbem. zu Art. 842–865 ZGB sowie N 21 und 26 zu Art. 847 ZGB. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 112 N 75 und § 114 N 12; Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5324. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5324; zum alten Recht (aArt. 860 ZGB) vgl. BGer 5C.51/2004, E. 4; leemann, BeKomm, N 1 ff. zu Art. 860 ZGB. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5326 f.; ausführlich SteinaueR, ZüKomm, N 1 ff. zu Art. 856 ZGB.

§ 31 Der Schuldbrief

577

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578













– –



Die Grundpfandrechte

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§ 31 Der Schuldbrief

579

Wiegand WolFgang, Der Papierlose Schuldbrief – Einführung eines Registergrundpfandrechts in der Schweiz und die Auswirkungen auf die Bankpraxis, in: Grundmann u.a. (Hrsg.), FS für Klaus J. Hopt, Band II, Berlin/New York 2010, S. 3339 ff. – Wiegand WolFgang/bRunneR chRiStoPh, Vorschläge zur Ausgestaltung des Schuldbriefes als papierloses Registerpfand, Basel 2003 (ZSR-Beiheft 39). WolF StePhan/K eRnen alexandeR, Übertragung, Verpfändung und weitere praktische Verwendungsmöglichkeiten des Register-Schuldbriefs, in: Schmid Jürg (Hrsg.), Die Dienstbarkeiten und das neue Schuldbriefrecht, Einblick in die Revision des Immobiliarsachenrechts – Les servitudes et les cédules hypothécaires à la lumière des nouvelles dispositions du Code civil …, Zürich/Basel/Genf 2012, S. 363 ff. – WolF StePhan/PFeuti anJa, Aktuelles aus der Praxis zum Schuldbrief: EinliefeSchuldbriefen, BN 2014, S. 394 ff. – zobl dieteR, Probleme bei der Verpfändung von Eigentümerschuldbriefen, ZBGR 59/1978, S. 193 ff. (zitiert: zobl, Probleme). – deRSelbe, Zur Sicherungsübereignung von Schuldbriefen, ZBGR 68/1987, S. 281 ff. (zitiert: zobl, Sicherungsübereignung). – zobl dieteR /K RameR SteFan, Treuhänderische Verwaltung und Übertragung von Registerschuldbriefen, ZBGR 94/2013, S. 217 ff.

VI. Fälle 1. BGE 123 III 97 ff. Änderung eines Schuldbriefs. Formvorschriften. 2. BGE 130 III 681 ff. Schuldbrief als untrennbare Einheit von Forderung und Grundpfand. Herausgabeanspruch nach aArt. 873 ZGB (heute Art. 853 ZGB). Einreden des Schuldners. 3. BGE 89 II 387 ff. (390), E. 2 (zum gleichen Fall auch BGer vom 17. Dezember 1964, in ZBGR 47/1966, S. 301 ff.) Einwendung der Handlungsunfähigkeit. Erster Nehmer oder gutgläubiger Dritterwerber? 4. BGE 134 III 71 ff. (vgl. auch BGE 119 II 326 ff.) Sicherungsübereignung von Schuldbriefen. Provisorischer Rechtsöffnungstitel für Forderung und Pfandrecht? 5. BGE 136 III 288 ff. = Pra 2010, Nr. 142, S. 941 ff. Sicherungsübereignung von Schuldbriefen; Nebeneinander von Forderung aus dem Grundverhältnis und Schuldbriefforderung. Zwangsvollstreckung; Vorgehen der Gläubigerin, wenn die gesicherte Forderung aus dem Grundverhältnis kleiner ist als die Schuldbriefforderung.

1852

580

Die Grundpfandrechte

6. BGE 140 III 180 ff. = Pra 2014, Nr. 113, S. 895 ff.199 Sicherungsübereignung von Schuldbriefen (altes und neues Recht). Zwangsvollstreckung; stillschweigende Abrede der Vorausverwertung der Schuldbriefforderung (Betreibung auf Pfandverwertung); mögliche abweichende Abreden (in casu 7. BGE 140 III 36 ff. Wann ist ein Schuldbrief ein Rechtsöffnungstitel nach Art. 82 Abs. 1 SchKG? Besonderheiten beim Drittpfandverhältnis.

199

Vgl. dazu bettina hüRlimann-K auP, ZBJV 152/2016, S. 438 ff., und FRidolin WaltheR, ZBJV 152/2016, S. 458 f.

§ 32 Die Gült (aufgehoben)

581

§ 32 Die Gült (aufgehoben) Einführende Literatur: – R iemeR, S. 143 f. – SimoniuS/SutteR, Band II, S. 283 ff. – SteinaueR – tuoR /SchnydeR /Schmid

1853

Die Gült («la lettre de rente») wurde bis 31. Dezember 2011 in aArt. 847–853 ZGB (für sich allein) und in aArt. 854–874 ZGB (gemeinsam mit dem Schuldbrief) geregelt. In der Lebenswirklichkeit hat die Gült jedoch eine verschwindend kleine Rolle gespielt. Das BG vom 11. Dezember 2009 hat sie daher mit Wirkung auf 1. Januar 2012 als Rechtsinstitut abgeschafft.1 Intertemporal-rechtlich sind die genannten Bestimmungen aber nach wie vor von einer gewissen Bedeutung: Vorhandene Gülten bleiben im Grundbuch eingetragen und unterstehen weiterhin den Vorschriften des bisherigen Rechts (Art. 33a Abs. 1 und 2 SchlT ZGB).2

1854

skizziert. Auseinanderzuhalten sind (I.) die (damaligen) Gemeinsamkeiten mit dem Schuldbrief und (II.) die eigenständigen Regeln der Gült. Den Abschluss bilden (III.) Hinweise auf weiterführende Literatur. Nach Art. 33a Abs. 3 SchlT ZGB kann das kantonale Recht die Umwandlung von Gülten, die gestützt auf Bundesrecht oder früheres (kantonales) Recht errichtet wurden, in Pfandarten nach geltendem Recht Grundstücks beinhalten.3

I.

Die Gemeinsamkeiten der Gült mit dem Schuldbrief

In aArt. 854–874 ZGB enthielt das Gesetz gemeinsame Bestimmungen über Schuldbrief und Gült. Wie der Schuldbrief war die Gült ein Verkehrsgrundpfandrecht. Auch bei der Gült wurde demnach ein Pfandtitel ausgestellt, der Wertpapiercharakter hatte, und das Grundverhältnis wurde durch die Gülterrichtung grundsätzlich noviert. Damit verbunden waren die Einredebeschränkung des Schuldners und der besondere Vertrauensschutz.4

1 2 3 4

Zur bundesrätlichen Begründung vgl. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5285, 5295 und 5315. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5340. Botschaft Register-Schuldbrief, S. 5340.

1855

582

Die Grundpfandrechte

II. Die eigenständigen Regeln der Gült 1856

An eigenständigen Vorschriften für die Gült (also an Abweichungen zum Schuldbrief) sind die Folgenden zu nennen:

1857

1. Durch die Gült wurde gemäss aArt. 847 Abs. 1 ZGB eine Forderung als Grundlast auf ein Grundstück gelegt. Das Gesetz sah also für die Gült eine reine Sachhaftung (ohne persönliche Haftung eines bestimmten Schuldners) vor und machte sie damit zur Reallast.5 Eine persönliche Haftbarkeit des Schuldners bestand nicht (aArt. 847 Abs. 3 ZGB).

1858

2. Bei der Gült waren Drittpfandverhältnisse ausgeschlossen: Gültschuldner war nach aArt. 851 Abs. 1 ZGB immer der jeweilige Eigentümer des belasteten Grundstücks («le propriétaire actuel de l’immeuble grevé»). Veräusserte er dieses Grundstück, so wurde der Erwerber «unter Entlastung des bisherigen Eigentümers ohne weiteres Schuldner der Gültforderung» (aArt. 851 Abs. 2 ZGB). Für die Zinsen enthielt aArt. 851 Abs. 3 ZGB immerhin eine Einschränkung.

1859

3. Das Gesetz versuchte durch verschiedene Regeln, die Gült zu einer besonders sicheren Geldanlage zu machen,6 nämlich dadurch, dass – die Gült nur auf landwirtschaftlichen Grundstücken, Wohnhäusern und Baugebiet (aArt. 847 Abs. 2 ZGB) und nur bis zu einer bestimmten Belastungsgrenze errichtet werden konnte (aArt. 848 ZGB); – die Belastungsgrenze durch eine amtliche Schätzung ermittelt wurde (aArt. 848 (Staatshaftung; aArt. 849 Abs. 1 ZGB). Auffassung ein Verschulden der Beamten voraus.7

1860

4. Aus den Regeln von aArt. 850 ZGB über die Ablösbarkeit (Kündbarkeit) folgte sodann, dass die Gült als langfristige Geldanlage gedacht ist.8

1861

5. Altrechtliche kantonale Gülten («Altgülten») wurden in aArt. 853 ZGB ausdrücklich vorbehalten.9

5 6 7 8 9

tuoR /SchnydeR /Schmid, § 115 N 3 f. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 115 N 8 ff. leemann, BeKomm, N 1 ff. zu Art. 849 ZGB. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 115 N 12. mutzneR, BeKomm, N 5 ff. zu Art. 22 SchlT ZGB; leemann, BeKomm, N 2 f. zu Art. 853 ZGB; SimoniuS/SutteR, Band II, S. 285; h eRmann Schulin (zitiert in Nr. 1592), S. 5 ff.

§ 32 Die Gült (aufgehoben)

583

III. Weiterführende Literatur (zur Rechtslage vor dem 1. Januar 2012) – eggen geRhaRd, Die Verbreitung von Grundlast und Gült, SJZ 63/1967, S. 285 ff. – hubeR eugen, System und Geschichte des Schweizerischen Privatrechtes, 3. Band, Basel 1889, S. 438 ff. – deRSelbe, Erläuterungen II, S. 285 ff. – K RiegeR KonRad, Gült und Schuldbrief im Kanton Luzern (Rechtliche Probleme aus dem Luzerner Hypothekarwesen), Diss. Bern 1937. – SidleR otto, Die Gült nach Luzerner Recht, Berner Diss., Luzern 1897.

1862

584

Die Fahrnispfandrechte

2. Unterabschnitt: Die Fahrnispfandrechte § 33 Allgemeines 1863

1864

Einführende Literatur: – Kuhn, § 12. – R iemeR, S. 159 ff. – SteinaueR, Band III, Nr. 3075 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 117 und 118.

I.

Begriff und Arten

1.

Der Begriff

Wie schon beim Grundpfandrecht (vorne Nr. 1474) verzichtet das ZGB auch für das einem Fahrnispfandrecht das beschränkte dingliche Recht, «vermöge dessen eine fremde bewegliche Sache oder ein Recht in der Weise belastet ist, daß die Erfüllung einer Forderung durch die Befugnis des Gläubigers zur Verwertung der Sache oder des Rechts gesichert wird».1 Diese Umschreibung enthält folgende Elemente:

1865

1. Das Fahrnispfandrecht dient (wie das Grundpfandrecht) der Sicherung einer Forderung, die die Gläubigerin dem Schuldner gegenüber hat. Nicht vorausgesetzt ist, dass die verpfändete Sache (bzw. das verpfändete Recht) dem Schuldner der gesicherten Obligation gehört; Drittpfandverhältnisse sind also möglich (vgl. auch Art. 887 ZGB).2

1866

2. Zur Sicherung dieser Forderung ist das Pfandrecht an Fahrnis (im weitesten Sinn) begründet worden. Fahrnispfandrecht in der Terminologie des ZGB ist jedes Pfandrecht, das nicht ein Grundpfandrecht darstellt.3 Der Fahrnisbegriff ist in diesem Zusammenhang also weiter gefasst als derjenige des Art. 713 ZGB (dazu vorne Nr. 1075); insbesondere fallen neben den beweglichen körperlichen Sachen auch Forderungen und andere Rechte darunter (vgl. Art. 899 Abs. 1 ZGB).4 Seit dem 1. Januar 2012 ist es nach Art. 859 Abs. 1 ZGB ausserdem möglich, ein Fahrnispfandrecht an einem Register-Schuldbrief zu errichten (vgl. dazu vorne Nr. 1841c und 1847b).

1

2

3 4

oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 22; ähnlich BGE 107 III 40 ff. (42), E. 3; SteinaueR, Band III, Nr. 3077. Ausführlich zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 922 ff. zu Art. 884 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 3174c ff. oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 9. Zur Verpfändbarkeit von Naturkräften siehe oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 17 zu Art. 884 ZGB; zobl/ thuRnheRR, BeKomm, N 137 ff. zu Art. 884 ZGB.

§ 33 Allgemeines

585

3. Die Berechtigte hat die Befugnis, im Fall der Nichtzahlung der Schuld die verpfändete Sache (bzw. das verpfändete Recht) verwerten zu lassen und sich aus dem Erlös zu befriedigen (vgl. Art. 891 Abs. 1 ZGB).5 Nach Art. 219 Abs. 1 SchKG hat sie bei der Verteilung des Verwertungserlöses Vorrang vor den übrigen (nicht pfandgesicherten) Gläubigern.

1867

Gemäss Art. 894 ZGB ist jede Abrede ungültig, wonach die Pfandsache der Gläubigerin im Fall der Nichtbefriedigung als Eigentum zufallen soll (Verbot der Verfallabrede; hinten Nr. 1905).

2.

Die Arten von Fahrnispfandrechten

1. Obwohl es das Gesetz (anders als bei den Grundpfandrechten; Art. 793 Abs. 2 ZGB und vorne Nr. 1487) nicht ausdrücklich sagt, besteht auch bezüglich der Fahrnispfandrechte ein Numerus clausus; sie können nur in einer der vom Gesetz ausdrücklich zur Verfügung gestellten Formen begründet werden6 (vgl. immerhin den französischen Gesetzestext von Art. 884 Abs. 1 ZGB: «En dehors des exceptions prévues par la loi, les choses mobilières ne peuvent être constituées en gage que sous forme de nantissement.»).

1868

2. Das ZGB sieht im 23. Titel mehrere Arten von Fahrnispfandrechten in folgender Gliederung vor:

1869

– im ersten Abschnitt: das Faustpfand (Art. 884 und 886–894 ZGB), das Retentionsrecht (Art. 895–898 ZGB) und die Viehverpfändung als eine Erscheinungsform der Fahrnisverschreibung (Art. 885 ZGB); Zum Retentionsrecht existieren weitere Normen im ZGB und im OR; vgl. hinten Nr. 1920.

– im zweiten Abschnitt: das Pfandrecht an Forderungen und anderen Rechten (Art. 899–906 ZGB); und – im dritten Abschnitt: das Versatzpfand (Art. 907–915 ZGB). 3. Ausserhalb des ZGB bestehen Sondernormen für: – die Fahrnisverschreibung an Schiffen und Luftfahrzeugen (vgl. auch hinten Nr. 1944 f.); – die Pfandbriefe, geregelt durch das Pfandbriefgesetz (PfG) vom 25. Juni 19307, das die Art. 916–918 ZGB ersetzt hat; – die Errichtung von Pfandrechten an Bucheffekten nach Art. 24 ff. BEG (hinten Nr. 1961a ff.); – weitere Sonderfälle, etwa gesetzliche Pfandrechte, wie sie in verschiedenen Bundesgesetzen und kantonalen Erlassen vorgesehen sind (vgl. zum Beispiel Art. 57 und 60 VVG).8

5 6 7 8

Vgl. BGE 123 III 367 ff. (370), E. 3c. BGE 142 III 746 ff. (751), E. 2.1; SteinaueR, Band III, Nr. 3081. SR 211.423.4. Weitere Hinweise bei SteinaueR

1869a

586 1870

Die Fahrnispfandrechte

4. Neben dieser Gliederung lassen sich die Fahrnispfandrechte nach weiteren Kriterien einteilen, zum Beispiel: – nach ihrem Entstehungsgrund: in gewillkürte (regelmässig vertraglich bestellte) und von Gesetzes wegen bestehende Pfandrechte; Letztere entstehen in den meisten Fällen unmittelbar kraft Gesetzes (unmittelbare gesetzliche Fahrnispfandrechte).9

– nach der Art der Publizität, also danach, ob die Gläubigerin den Besitz an der Pfandsache hat: in Besitzpfandrechte und Mobiliarhypotheken (besitzlose Pfandrechte; Fahrnisverschreibung).10 1871

5. Von den Fahrnispfandrechten im technischen Sinn zu unterscheiden sind andere die der Gläubigerin einer Forderung ebenfalls eine dingliche Sicherung geben sollen. Als Hauptbeispiele für diese pfandrechtsähnlichen Sicherungsgeschäfte sind zu nennen (Einzelheiten hinten Nr. 1983 ff.): – der Eigentumsvorbehalt («la réserve de propriété»); – der Leasingvertrag («le leasing»); – das irreguläre Pfandrecht («pignus irregulare»; «le droit de gage irrégulier»); – die Sicherungsübereignung – die Sicherungszession – die Sicherungshinterlegung («la consignation à titre de sûreté»).

II. Allgemeine Grundsätze des Fahrnispfandrechts 1872

Anders als für das Grundpfandrecht (Art. 793–823 ZGB; vorne Nr. 1502 ff.) stellt das ZGB für das Fahrnispfandrecht keine allgemeinen Bestimmungen auf. Lehre und Rechtsprechung haben jedoch Grundsätze herausgearbeitet, die als Leitgedanken des Sachenrechts im Allgemeinen (vgl. dazu schon vorne Nr. 61 ff.) und des Fahrnispfandrechts im Besonderen zu gelten haben.11 Hier sind neben dem bereits erwähnten Prinzip des Numerus clausus insbesondere zu nennen:

1873

1. Das Akzessorietätsprinzip («le principe de l’accessoriété»; vgl. für das Grundpfandrecht schon vorne Nr. 1602 ff.): Das Fahrnispfandrecht ist vom Bestand der Forderung abhängig, zu deren Sicherung es errichtet wurde. Das Pfandrecht setzt mit anderen Worten grundsätzlich eine gültige Forderung voraus.12 Es geht ausserdem bei der Zession der Pfandforderung von Gesetzes wegen auf den Zessionar

9 10 11

12

Vgl. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 461 f. SteinaueR, Band III, Nr. 3086 ff. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 240; oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 25 f. BGE 139 III 297 ff. (303 f.), E. 2.4; BGE 142 III 746 ff. (754), E. 2.2.1.

587

§ 33 Allgemeines

über (vgl. Art. 170 Abs. 1 OR) und erlischt mit dem Untergang der Pfandforderung (Art. 889 Abs. 1 ZGB und Art. 114 Abs. 1 OR).13 Unklar und in der Lehre umstritten ist, ob das Akzessorietätsprinzip auf die Verpfändung von Buch14

2. Das Publizitätsprinzip («le principe de publicité»; vgl. allgemein schon vorne Nr. 63 ff.): Das Fahrnispfandrecht muss – ebenso wie das Grundpfandrecht – äusserlich erkennbar sein, da es als absolutes Recht gegenüber jedermann wirksam ist. Während über die Grundpfandrechte grundsätzlich das Grundbuch Auskunft gibt, knüpft man beim Fahrnispfandrecht regelmässig an den Besitz an. In Ausnahmefällen sieht das Gesetz auch für die Verpfändung von Fahrnis als Publizitätsmittel einen Registereintrag vor (so etwa bei der Viehverpfändung).15 Im Blick auf das Publizitätsprinzip sind beim Fahrnispfandrecht – anders als beim Grundpfandrecht – Eigentümerpfandrechte grundsätzlich ausgeschlossen: Werden Fahrnispfandrecht und Eigentum in einer Hand vereinigt (sogenannte Konfusion), so erlischt das Pfandrecht; das gilt immerhin nur bei einer vollständigen Konsolidation, also wenn das Pfandrecht, dessen Träger der Eigentümer ist, keinen anderen beschränkten dinglichen Rechten an der Sache vorgeht (vorne Nr. 1187 f.).16 Für diesen Fall lässt sich sagen, dass Fahrnispfandrechte stets an fremden, also dem Schuldner oder einem Dritten gehörenden Sachen bestehen.17

1874

1875

Bei bloss teilweiser Konsolidation (vorne Nr. 1186), namentlich wenn auf der Sache ein nachgehendes Faustpfandrecht lastet, geht das beschränkte dingliche Recht hingegen nicht unter.18 Vgl. dazu auch § 1256 Abs. 2 BGB über das Zusammentreffen von Pfandrecht und Eigentum bei Pfandrechten an beweglichen Sachen: «Das Pfandrecht gilt als nicht erloschen, soweit der Eigentümer ein rechtliches Interesse an dem Fortbestehen des Pfandrechts hat.»

3. Eine Konkretisierung des Publizitätsprinzips (Nr. 1874) stellt das Faustpfandprinzip (auch: Verbot der Mobiliarhypothek) dar. Nach diesem Grundsatz setzt die Pfandbegründung die Besitzübergabe voraus (vgl. Art. 884 Abs. 1 ZGB: «Fahrnis kann, wo das Gesetz keine Ausnahme macht, nur dadurch verpfändet werden, dass dem Pfandgläubiger der Besitz an der Pfandsache übertragen wird»; siehe auch § 1205 Abs. 1 BGB).19 Solange der Verpfänder die ausschliessliche Gewalt über die Sache behält, ist nach Art. 884 Abs. 3 ZGB das Pfandrecht nicht begründet. Das

13

14

15

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17 18

19

Zu den Ausnahmen vom Akzessorietätsprinzip beim Fahrnispfand vgl. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 250 ff.; ausserdem hinten Nr. 1913. Zur Gefahr der Aushöhlung des Akzessorietätsprinzips vgl. WolFgang Wiegand, Mobiliarsicherheiten (zitiert in Nr. 1916), S. 112 f. Vgl. etwa emch /R enz/a RPagauS, Nr. 1370; FloRian louiS SteineR (zitiert in Nr. 1962), S. 152 ff.; Kuhn, § 26 N 59 f.; dieteR zobl/dieteR geRicKe, Kommentar zum BEG (zitiert in Nr. 1962), Syst. Teil, N 80 ff.; R aShid bahaR /m aRtin PeyeR, BaKomm zum BEG (zitiert in Nr. 1962), N 23 ff. zu Art. 25 BEG. Zu den (gesetzlichen) Pfandrechten ohne Besitz bzw. Registereintrag vgl. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 275 und 458 ff. oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 73 f. zu Art. 884 ZGB und N 11 zu Art. 888 ZGB; zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 102 zu Art. 884 ZGB; zobl, Vorbem. zu Art. 888–890 ZGB, N 41. Vgl. BGE 105 III 122 ff. (130), E. II./5d. BGer 4A_141/2007, E. 4.3; zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 102 zu Art. 884 ZGB, und Vorbem. zu Art. 888–890 ZGB, N 42; oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 12 zu Art. 888 ZGB; bénédict Foëx, contrat (zitiert in Nr. 1916), Nr. 404; SteinaueR, Band III, Nr. 3161b. Vgl. auch BGE 132 III 155 ff. (165), E. 7.1.1.

1876

588

Die Fahrnispfandrechte

Faustpfandprinzip schliesst somit das Besitzeskonstitut für die Pfandbegründung aus:20 Der Verpfänder darf nicht auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses im Besitz der Sache verbleiben (siehe dazu Art. 924 Abs. 1 ZGB und vorne Nr. 178 ff.; vgl. auch Art. 717 ZGB). Nach einer Formulierung des Bundesgerichts soll die Übertragung des Besitzes verhindern, «dass derjenige, der seine fahrende Habe verpfändet, sich auch nachher noch damit umgebe und den Schein einer kreditwürdigen Person errege».21 Ausserdem hindert die Besitzübertragung den Schuldner an einer weiteren Verfügung über den Pfandgegenstand.22 Das Faustpfandprinzip kommt bei der Verpfändung von beweglichen Sachen, Wertpapieren und Geld zur Anwendung (vgl. Art. 884 Abs. 1 und 3, Art. 901 f. sowie 909 ZGB); bei Forderungen und Rechten ohne Wertpapiercharakter muss immerhin (soweit vorhanden) der Schuldschein übergeben werden (Art. 900 Abs. 1 ZGB).23 Das Prinzip gilt jedoch nicht absolut (vgl. Art. 884 Abs. 1 ZGB: «wo das Gesetz keine Ausnahme macht»); die Mobiliarhypothek ist im ZGB und in Spezialgesetzen für bestimmte Fälle vorgesehen.24 1877

4. Das Prinzip des öffentlichen Glaubens («le principe de la foi publique»): Ein Dritter, der sich im guten Glauben auf den durch den Besitz geweckten Rechtsschein verlassen und im Vertrauen darauf ein Fahrnispfandrecht erworben hat, wird in seinem Erwerb geschützt, auch wenn der Verpfänder nicht befugt war, über die Sache zu verfügen (vgl. Art. 884 Abs. 2 ZGB sowie vorne Nr. 302).25 Dieser Schutz wird ihm lediglich dann versagt, wenn die Sache dem früheren Besitzer gestohlen wurde, verloren ging oder sonst wider seinen Willen abhanden gekommen ist (Art. 934 Abs. 1 ZGB, beachte aber Art. 935 ZGB). Vgl. in Bezug auf den Erwerb von Fahrniseigentum die entsprechende Regelung in Art. 714 Abs. 2 ZGB (vorne Nr. 1135).

1878

5. Das Spezialitätsprinzip («le principe de spécialité»; vgl. schon vorne Nr. 70): Ein Fahrnispfand kann nur an einzelnen individualisierten Sachen (bzw. Rechten) bestellt werden;26 Sach- oder Rechtsgesamtheiten sind damit als Gegenstand eines Fahrnispfandes grundsätzlich ausgeschlossen.27 Es ist zwar möglich, im obligatorisch wirkenden Pfandvertrag einen Inbegriff von Sachen (etwa ein Warenlager) in einer Gesamtbezeichnung zusammenzufassen; das Pfandrecht entsteht aber nur soweit, als für jeden einzelnen Gegenstand die Verpfändungsvoraussetzungen – regelmässig also die Besitzübertragung – erfüllt sind.28 In der Lehre wird verschiedentlich die Einführung von generellen Registerpfandrechten zur Mobilisierung von bisher der Kreditsicherung nicht zugänglichen Vermögenswerten wie Warenlager oder Vorräte gefordert.29 – Das BEG weicht insofern vom Spezialitätsprinzip ab, als sich nach Art. 25

20 21 22 23 24 25

26 27 28 29

BGE 119 II 326 ff. (327 f.), E. 2a. BGE 43 II 15 ff. (22), E. 1. BGE 99 II 34 ff. (37), E. 1. Zur Bedeutung des Faustpfandprinzips beim Retentionsrecht vgl. BGer 4A_134/2007, E. 3.3. Vgl. zum Ganzen zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 284 f. und 361 ff. Vgl. BGE 131 III 418 ff. (421 ff.), E. 2.3, mit Ausführungen zum Mass der Aufmerksamkeit, das vom Pfandgläubiger verlangt wird. Ausführlich zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 764 ff. zu Art. 884 ZGB. BGE 142 III 746 ff. (753), E. 2.2. Vgl. dazu WolFgang Wiegand, Mobiliarsicherheiten (zitiert in Nr. 1916), S. 110 f. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 259. Vgl. beRnhaRd beRgeR (zitiert in Nr. 1882), S. 239 ff.; baRbaRa gRaham-SiegenthaleR, Habil. (zitiert in Nr. 1882), S. 726 f. und 749 ff.

§ 33 Allgemeines

589

Abs. 2 BEG das Pfandrecht nicht notwendigerweise auf bestimmte Bucheffekten (lit. a) oder auf alle Bucheffekten, die einem Effektenkonto gutschrieben sind (lit. b), beziehen muss, sondern auch nur einen wertmässig bestimmten Anteil dieser Effekten betreffen kann (lit. c).30

6. Das Prinzip der Unteilbarkeit der Pfandhaftung («l’indivisibilité du droit de gage»): Der Pfandgegenstand haftet der Pfandgläubigerin einerseits ungeteilt für alle ihre pfandgesicherten Ansprüche. Leistet der Schuldner also Abzahlungen und reduziert damit die Forderung, so bleibt das Pfandrecht für die Restforderung dennoch unvermindert bestehen (vgl. auch Art. 889 Abs. 2 ZGB).31 Entsprechendes gilt, wenn das Pfand mehrere Forderungen sichert: Das Pfandrecht erlischt erst mit Tilgung der letzten Forderung.32 Andererseits erfasst die Pfandhaft die ganze Sache mit ihren Bestandteilen und ihrer Zugehör (Art. 892 Abs. 1 ZGB).33 In Bezug auf die Zugehör kann das Pfandrecht allerdings ausgeschlossen werden.34

1879

Die Gläubigerin hat grundsätzlich die natürlichen Früchte der Pfandsache herauszugeben, sobald sie nicht mehr Bestandteile der Sache sind (Art. 892 Abs. 2 ZGB). Diejenigen Früchte, die zur Zeit der Pfandverwertung Bestandteile der Sache sind, unterliegen gemäss Art. 892 Abs. 3 ZGB der Pfandhaft. In Bezug auf Pfandrechte an Forderungen vgl. Art. 904 ZGB (hinten Nr. 1959).

7. Das Prinzip der Alterspriorität («le principe de la priorité dans le temps»; vgl. vorne Nr. 77 und 1169 ff.): Bestehen an einer Sache mehrere Pfandrechte, so bestimmt sich ihr Rang nach ihrem Errichtungsdatum (Art. 893 Abs. 2 ZGB; vgl. auch Art. 30 Abs. 1 BEG). Die Parteien können jedoch etwas anderes vereinbaren.35

1880

III. Die Darstellung des Stoffes Im Folgenden werden – in teilweiser Anlehnung an die gesetzliche Systematik – zunächst das Faustpfandrecht (§ 34, Nr. 1883 ff.) und das Retentionsrecht (§ 35, Nr. 1918 ff.) erläutert. Dann fassen wir unter dem Titel «Besondere Fahrnispfandrechte» (§ 36) die Fahrnisverschreibung (Nr. 1941 ff.), das Pfandrecht an Forderungen und anderen Rechten (Nr. 1947 ff.), das Versatzpfand (Nr. 1963 ff.) sowie die Pfandbriefe (Nr. 1970 ff.) zusammen. Schliesslich wenden wir uns den pfandrechtsähnlichen Sicherungsgeschäften zu (§ 37), nämlich dem Eigentumsvorbehalt (Nr. 1985 ff.), dem Leasingvertrag (Nr. 1992 ff.), dem irregulären Pfandrecht (Nr. 2003 ff.), der Sicherungsübereignung (Nr. 2012 ff.), der Sicherungszession (Nr. 2021 ff.) sowie der Sicherungshinterlegung (Nr. 2031 ff.).

30

31 32 33

34 35

Vgl. dazu Botschaft zum BEG, S. 9370 f. Inwieweit diese Bestimmung das Spezialitätsprinzip durchbricht, ist in der Lehre umstritten; vgl. dazu FloRian louiS SteineR (zitiert in Nr. 1962), S. 158 ff. mit Hinweisen; Joël leibenSon (zitiert in Nr. 1962), S. 314 ff.; chRiStina Schmid -tSchiRRen (zitiert in Nr. 1592), S. 14 ff. Gemäss Botschaft zum FinfraG, S. 7624, schliesst die Norm «das sachenrechtliche Spezialitätsprinzip bei Verfügungen über Bucheffekten aus». BGer 4A_435/2009, E. 3.3.2. BGE 142 III 746 ff. (755), E. 2.2.4. Nach Ansicht von zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 313, fällt dies nicht unter das Prinzip der Unteilbarkeit der Pfandhaftung. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 118 N 29. Siehe dazu oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 24 ff. zu Art. 893 ZGB.

1881

590

Die Fahrnispfandrechte

IV. Weiterführende Literatur 1882

– aeSchlimann lionel/Foëx bénédict, Sûretés mobilières: Limites et réforme du

– –



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– –

– –



2006, S. 17 ff. beRgeR beRnhaRd, Registrierung von Mobiliarsicherheiten, Vorschläge zu einer Reform des Kreditsicherungsrechts, ZBJV 138/2002, S. 197 ff. eggen miRJam, Bemerkungen zur Verpfändung von Wertpapieren, Geltungsbereich und Auswirkungen von Spezialitäts-, Surrogations- und Faustpfandprinzip, GesKR 2009, S. 540 ff. eigenmann antoine, L’effectivité des sûretés mobilières, Etude critique en droit suisse au regard du droit américain et propositions législatives, Diss. Freiburg 2001 (AISUF Band 206). emch /R enz/aRPagauS, Nr. 1204 ff. Foëx bénédict, Le «numerus clausus» des droits réels en matière mobilière, Genfer Diss., Lausanne 1987 (zitiert: Foëx, Diss.). deRSelbe, Sûretés bancaires et droits réels, in: Iynedjian Nicolas (Hrsg.), Sûretés et garanties bancaires, Lausanne 1997, S. 121 ff. deRSelbe, Sûretés mobilières: propositions pour une réforme, ZSR NF 126/2007 II, S. 287 ff. (zitiert: Foëx, propositions). giRSbeRgeR daniel, Ist das Faustpfandprinzip noch zeitgemäss?, SJZ 93/1997, S. 97 ff. (zitiert: giRSbeRgeR, Faustpfandprinzip). deRSelbe, Mobiliarhypothek gestern und morgen, in: Daniel Girsberger/Michele Luminati, ZGB gestern – heute – morgen, Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 2007, Zürich 2007 (LBR Band 20), S. 247 ff. (zitiert: giRSbeRgeR, Mobiliarhypothek). gRaham-SiegenthaleR baRbaRa, Mobiliarsicherheiten im internationalen Rechtsverkehr – ein Schutz vor Betrugsstraftaten?, in: Ackermann Jürg-Beat (Hrsg.), Strafrecht als Herausforderung …, Zürich 1999, S. 249 ff. (zitiert: gRaham-SiegenthaleR, Mobiliarsicherheiten). dieSelbe, Kreditsicherung bei internationalen Rechtsgeschäften, AJP 2004, S. 1560 ff. (zitiert: gRaham-SiegenthaleR, Kreditsicherung). dieSelbe, Kreditsicherungsrechte im internationalen Rechtsverkehr, Eine rechtsvergleichende und international-privatrechtliche Untersuchung, Zürcher Habil. 2003, Bern 2005 (Berner Bankrechtliche Abhandlungen, Band 13; zitiert: gRaham-SiegenthaleR, Habil.). , Die allgemeine Mobiliarhypothek – unentbehrlich fürs Schweizer Recht?, AJP 2009, S. 1435 ff. K Ren KoStKieWicz Jolanta, Verwertung von Mobiliarsicherheiten – nationale und kollisionsrechtliche Aspekte, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), Mobiliarsicherheiten …, Berner Bankrechtstag 1998, Bern 1998, S. 199 ff. moSKRic eliSabeth, Der Lombardkredit, Diss. Zürich 2003 (Schweizer Schriften zum Bankrecht, Heft 74), insbesondere S. 124 ff.

§ 33 Allgemeines

591

– mühl doRothee/PeteReit WolFgang, in: Hadding Walther/Schneider Uwe H. (Hrsg.), Recht der Kreditsicherheiten in europäischen Ländern, Teil V: Schweiz, Berlin 1983, S. 105 ff. – oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 22 ff. – Roth uRS PhiliPP, Pfandrechte in der Praxis der Banken, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), Mobiliarsicherheiten …, Berner Bankrechtstag 1998, Bern 1998, S. 137 ff. – WalteR geRhaRd, Sicherungsrechte heute – Probleme und Lösungsansätze, in: Aktuelle Aspekte des Schuld- und Sachenrechts, FS für Heinz Rey, Zürich/Basel/ Genf 2003, S. 141 ff. – zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 148 ff.

592

Die Fahrnispfandrechte

§ 34 Das Faustpfandrecht 1883

Einführende Literatur: – Kuhn, § 13. – R iemeR, S. 164 ff. – SteinaueR, Band III, Nr. 3125 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 118 N 2 ff.

1884

Das Faustpfandrecht (das Gesetz spricht von Faustpfand; «le nantissement») wird geregelt in den Art. 884 und 886–894 ZGB (vgl. schon Art. 210–223 aOR). Es ist jenes Fahrnispfandrecht, das die Parteien auf rechtsgeschäftlicher Grundlage und durch Besitzübertragung auf die Gläubigerin an einer beweglichen Sache bestellen.1 Es stellt die Grundform der Fahrnisverpfändung und «die regelmässige Ordnung des Fahrnispfandes» dar.2 Im Folgenden werden die Entstehung (I.), die Übertragung und der Untergang (II.), die Wirkung (III.) sowie Einzelfragen (IV.) behandelt. Im Anschluss daran erfolgen Hinweise auf weiterführende Literatur (V.) und Fälle (VI.).

I. 1885

Das Gesetz regelt die Entstehung des Faustpfandrechts in den Art. 884 und 886 f. ZGB unter der Marginalie «Bestellung» («Constitution») nur unter ganz bestimmten Teilaspekten. Für die Begründung eines Faustpfandrechts kommen daher grundsätzlich die allgemeinen Regeln über die Entstehung von dinglichen Rechten zur Anwendung.3 Erforderlich ist demzufolge ein Zweifaches: ein Erwerbsgrund und ein Erwerbsakt.4 Im Einzelnen:

1. 1886

Die Entstehung

Der Erwerbsgrund

1. Der Erwerbsgrund hat regelmässig die Gestalt eines Pfandvertrags (Faustpfandvertrag; «le contrat de nantissement», «le contrat constitutif de droit de gage mobilier»), verstanden als Der Verpfänder – sei es der Schuldner oder der Drittpfandeigentümer – und die Gläubigerin vereinbaren, dass für eine Forderung eine bestimmte Pfandsache als Sicherheit dienen soll. Dieser PfandverRecht zu errichten.5

1 2 3 4 5

Ähnlich zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 1 f. zu Art. 884 ZGB. eugen hubeR, Erläuterungen II, S. 323. SteinaueR, Band III, Nr. 3126. BGE 142 III 746 ff. (751), E. 2.1. BGE 117 Ia 504 ff. (505), E. 3; 142 III 746 ff. (751), E. 2.1; zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 326 f. zu Art. 884 ZGB.

593

§ 34 Das Faustpfandrecht

2. Der Pfandvertrag ist gesetzlich nicht besonders geregelt, stellt also einen Innominatkontrakt dar.6 An objektiv wesentlichen Punkten muss der Konsens der Parteien seits das Pfandobjekt und die pfandgesicherte Forderung erfassen.7 8

1887

oder ob

des Pfandrechts zu belassen (Dauerschuldverhältnis)9. Das Bundesgericht hat die Frage offengelassen.10 – Gemäss Art. 11 Abs. 1 OR bedarf der (Faust-)Pfandvertrag keiner besonderen Form, kann also auch mündlich vereinbart werden.11 In der Bankpraxis wird er jedoch meist schriftlich und als Formularvertrag (also unter Beifügung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen) abgeschlossen.12 Formvorschriften gelten jedoch für den Vertrag auf Verpfändung einer Forderung (Art. 900 ZGB; hinten Nr. 1951).

3. Im Blick auf das Kausalitätsprinzip (vorne Nr. 74 ff.) muss der Pfandvertrag als Rechtsgrund der Pfandbestellung gültig sein, sonst kommt kein Pfandrecht zustande.13

2.

1888

Der Erwerbsakt

1. Zum Erwerbsgrund hinzutreten muss sodann der Erwerbsakt (Begründungsakt), das Verfügungsgeschäft.14 Das dingliche Recht entsteht nach Art. 884 Abs. 1 ZGB erst mit der Übertragung des Besitzes an der Pfandsache (der französische Text spricht schlicht von «nantissement»). Darin liegt gleichzeitig die Erfüllung des im

1889

15

Solange der Verpfänder die ausschliessliche Gewalt über die Sache behält, ist gemäss Art. 884 Abs. 3 ZGB das Pfandrecht nicht begründet (Faustpfandprinzip; Verbot der Mobiliarhypothek; vorne Nr. 1876). Dies schliesst das Besitzeskonstitut für die Begründung eines Faustpfandrechts aus (Nr. 1876).16 Auch der Besitzeserwerb durch Übertragung der offenen Besitzlage genügt für die Pfandbestel-

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BGE 142 III 746 ff. (752), E. 2.2; zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 342 zu Art. 884 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 3146; vgl. immerhin bénédict Foëx, contrat (zitiert in Nr. 1916), Nr. 120 ff. SteinaueR, Band III, Nr. 3147a; zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 357 ff. zu Art. 884 ZGB; BGE 142 III 746 ff. (752 f.), E. 2.2; BGer 4A_62/2016, E. 3. Vgl. etwa bénédict Foëx, contrat (zitiert in Nr. 1916), Nr. 115 und 125. oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 407 zu Art. 884 ZGB; zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 399 zu Art. 884 ZGB. BGer 4A_141/2007, E. 4.3. BGE 71 III 80 ff. (89 oben), E. 3; zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 355 zu Art. 884 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 3146. zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 355 und 402 ff. zu Art. 884 ZGB, mit Hinweisen (N 429 ff.) zur Inhaltskontrolle. BGE 142 III 746 ff. (751 f.), E. 2.1; zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 328 ff. zu Art. 884 ZGB. – Zur Bedeutung der Gesetzgebung eines fremden Staates im Bereich der Kulturgüterausfuhr für die Gültigkeit eines Vertrags zur Errichtung eines Pfandrechts an einem rechtswidrig ausgeführten Kulturgut vgl. BGE 131 III 418 ff. (425 ff.), E. 3.2. zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 630 zu Art. 884 ZGB. zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 399 und 639 zu Art. 884 ZGB. Zur Frage, ob das Pfandrecht in diesem Fall analog Art. 717 Abs. 1 ZGB nicht zumindest «inter partes» Wirkung entfaltet, vgl. zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 722 ff. zu Art. 884 ZGB.

1890

594

Die Fahrnispfandrechte

lung nicht (vorne Nr. 157). Zulässig ist hingegen Mitbesitz von Pfandgläubigerin und Schuldner, solange der Schuldner nicht allein über die Sache verfügen kann (Gesamtbesitz; vorne Nr. 117a).17 Ebenso besteht die Möglichkeit, die Sache einem Dritten zu übergeben, sofern der Schuldner nicht berechtigt ist, sie nach seinem Willen abzurufen.18 Die Begründung des Pfandbesitzes durch Besitzanweisung (vorne Nr. 163 ff.) setzt eine Anzeige an den Dritten voraus, da nur so dem Verpfänder die ausschliessliche Gewalt über die Pfandsache entzogen wird19 (vgl. auch vorne Nr. 171). In der Lehre ist umstritten, ob für die Entstehung des Pfandrechts (neben dem Pfandbestellungsvertrag) ein dinglicher Vertrag erforderlich ist;20 das Bundesgericht scheint dies zu bejahen.21 Zur entsprechenden Frage bei der Übertragung von Fahrniseigentum vgl. vorne Nr. 1094. 1891

1892

2. Um eine Sache verpfänden zu können, muss der Verpfänder zur Besitzübertragung berechtigt sein. Die Entstehung des Pfandrechts hängt mit anderen Worten grundsätzlich vom Vorliegen der Verfügungsmacht ab.22 Fehlende Verfügungsmacht kann jedoch nach Art. 884 Abs. 2 ZGB in bestimmten Fällen durch den guten Glauben der Pfandgläubigerin ersetzt werden23 (Prinzip des öffentlichen Glaubens; siehe vorne Nr. 1877). Ob ein Faustpfandrecht auch ersessen werden kann, ist in der Lehre umstritten.24

3.

Zwei Sonderfälle

1893

Das Gesetz regelt in Art. 886 f. ZGB zwei Spezialfälle der Errichtung eines Faustpfandrechts:

1894

1. Art. 886 ZGB befasst sich mit der Nachverpfändung («le droit de gage subséquent»). Demzufolge kann ein nachgehendes Faustpfand bestellt werden, indem die Faustpfandgläubigerin schriftlich über die Nachverpfändung informiert und angewiesen wird, nach ihrer Befriedigung das Pfand der nachfolgenden Gläubigerin zu übergeben. Die Zustimmung der ersten Pfandgläubigerin ist für die Nachverpfändung nicht erforderlich.25 – Nach Art. 151 Abs. 2 SchKG muss die erste Pfandgläubigerin die nachgehende über die Einleitung der Betreibung informieren.

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BGE 89 II 314 ff. (319); 102 Ia 229 ff. (235), E. 2d mit Hinweisen; SteinaueR, Band III, Nr. 3151; zur Frage, wann die Sache ausreichend verschlossen ist, vgl. BGer 5C.172/2000, E. 2c = Pra 2001, Nr. 67, S. 388 ff. (391 ff.). BGE 89 II 192 ff. (200), E. 2; 102 Ia 229 ff. (235), E. 2d; 123 III 367 ff. (370 f.), E. 3c. BGE 132 III 155 ff. (165), E. 7.1.1; zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 698 zu Art. 884 ZGB mit Hinweisen. Bejahend etwa SteinaueR, Band III, Nr. 3148 f. Vgl. auch die Hinweise bei oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 300 ff. zu Art. 884 ZGB, und zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 643 ff. zu Art. 884 ZGB. BGE 142 III 746 ff. (751), E. 2.1. zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 731 und 756 zu Art. 884 ZGB. BGE 131 III 418 ff. (421 ff.), E. 2.3 (Verpfändung alter Goldmünzen); BGer 5C.50/2003, E. 3.1 (Verpfändung von Inhaberschuldbriefen). Befürwortend oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 82 zu Art. 884 ZGB, und SteinaueR, Band III, Nr. 3156d f.; ablehnend zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 919 f. zu Art. 884 ZGB. BGE 49 II 338 ff. (340), E. 2.

§ 34 Das Faustpfandrecht

595

2. Art. 887 ZGB behandelt die Verpfändung durch die Pfandgläubigerin (Weiterverpfändung; «l’engagement par le créancier»). Abgesehen von einer Zwangsverwertung im Fall der Nichtzahlung der Schuld ist die Pfandgläubigerin grundsätzlich nicht berechtigt, über die Sache zu verfügen. Daher setzt eine Weiterverpfändung die Zustimmung des Verpfänders voraus.

1895

Diese Zustimmung unterliegt keiner Formvorschrift (für Bucheffekten vgl. immerhin Art. 22 Abs. 2 BEG).26

II. Übertragung und Untergang 1.

Die Übertragung

Das Faustpfandrecht folgt als Nebenrecht der gesicherten Forderung. Mit deren Abtretung geht demnach auch das Pfandrecht auf den Zessionar über (Art. 170 Abs. 1 OR).27 Die Zustimmung des Verpfänders zur Zession der Pfandforderung ist nicht erfordertragbarkeit des Faustpfandrechts.28

1896

Zur entsprechenden Rechtslage bei der Grundpfandverschreibung vgl. vorne Nr. 1603 und 1614 ff.

2.

Der Untergang

1. Nach der Marginalie des Art. 888 ZGB behandelt das Gesetz den Untergang («l’extinction») des Faustpfandrechts in den Art. 888 ff. ZGB. In Bezug auf die Untergangsgründe liegt allerdings keine umfassende Regelung vor; so nennt das Gesetz lediglich den Besitzesverlust (Art. 888 Abs. 1 ZGB), die Tilgung der Forderung (Art. 889 Abs. 1 ZGB) und (indirekt) den Untergang der Pfandsache (vgl. Art. 890 Abs. 1 ZGB). Es gibt aber weitere Erlöschensgründe (vgl. auch Art. 889 Abs. 1 ZGB, wonach neben der Tilgung der Forderung der Untergang «aus anderem Grunde» vorbehalten wird). Im Einzelnen:

1897

– Nach Art. 888 Abs. 1 ZGB erlischt das Faustpfandrecht, «sobald der Gläubiger die Pfandsache nicht mehr besitzt und auch von dritten Besitzern nicht zurückverlangen kann». Der Untergang des Pfandrechts durch Besitzesverlust («la perte de la possession») ist notwendige Folge des Faustpfandprinzips (Art. 884 Abs. 1 ZGB; vorne Nr. 1876). Der Besitzesverlust muss sein; dies ist insbesondere bei Rückgabe der Pfandsache an den Verpfänder grundsätzlich der Fall. Zwar bestimmt Art. 888 Abs. 2 ZGB, dass das Pfandrecht lediglich wirkungslos ist, solange der Verpfänder mit Willen der Gläubigerin die ausschliessliche Gewalt über den Pfandgegenstand hat. Diese Norm ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung aber res-

1898

26 27

28

Vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 3159a. oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 162 zu Art. 884 ZGB; zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 279 zu Art. 884 ZGB. zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 287 zu Art. 884 ZGB.

596

Die Fahrnispfandrechte

triktiv auszulegen; sie kommt nur zur Anwendung, wenn die Übergabe an den 29 zer Frist wieder zurückzugeben. – Art. 889 Abs. 1 ZGB führt die Tilgung der Forderung («le paiement») als Untergangsgrund an. Auf Grund des Akzessorietätsprinzips (vorne Nr. 1873) geht das Faustpfandrecht jedoch ganz allgemein mit dem Erlöschen der Pfandforderung («l’extinction de la créance garantie») unter; neben der Tilgung kommen also auch Schulderlass, Neuerung, Vereinigung, Unmöglichwerden usw. in Betracht (vgl. Art. 114 ff. OR).

1899

Zur Verjährung einer durch ein Fahrnispfandrecht gesicherten Forderung vgl. hinten Nr. 1911.

Art. 889 Abs. 2 ZGB hält fest, dass die Gläubigerin vor ihrer vollen Befriedigung nicht gehalten ist, das Pfand ganz oder teilweise herauszugeben (Prinzip der Unteilbarkeit der Pfandhaftung; vgl. dazu vorne Nr. 1879). Das Pfandrecht geht also nicht unter, wenn die Forderung nur zum Teil getilgt wird. – Das Fahrnispfandrecht erlischt ausserdem mit dem Untergang («la perte») der verpfändeten Sache (Art. 801 Abs. 1 ZGB analog; vgl. auch Art. 890 Abs. 1 ZGB).

1900

Ist der Pfandgegenstand versichert, so erstreckt sich jedoch das Pfandrecht der Gläubigerin nach Art. 57 Abs. 1 VVG sowohl auf den Versicherungsanspruch des Verpfänders als auch auf die mit der Entschädigung erworbenen Ersatzstücke (Surrogation). Nach Abs. 2 der Norm darf der Versicherer die Entschädigung nur mit Zustimmung der Pfandgläubigerin oder gegen Sicherstellung derselben an den Versicherten auszahlen, sofern das Pfandrecht beim Versicherer angemeldet wurde. 1901

– Als weitere Untergangsgründe sind etwa zu nennen: Enteignung des Pfandgegenstandes, gutgläubiger Eigentumserwerb durch einen Dritten, Verzicht der Gläubigerin auf ihr Pfandrecht, vollständige Konsolidation, Zwangsverwertung.30

1902

2. Geht das Pfandrecht unter, so muss die Gläubigerin gemäss Art. 889 Abs. 1 ZGB die Sache dem Berechtigten herausgeben («le créancier doit restituer la chose à l’ayant droit»). «Berechtigter» ist regelmässig der Verpfänder; es kann sich aber auch um eine andere Person handeln, etwa um die nachgehende Pfandgläubigerin im Fall einer Nachverpfändung.31 Der Rückgabeanspruch aus Art. 889 Abs. 1 ZGB richtet sich gegen die jeweilige Pfandgläubigerin und ist (real-)obligatorischer Natur.32 Ist der Berechtigte Eigentümer des Pfandgegenstandes, so steht ihm neben dem obligatorischen Herausgabeanspruch auch die «rei vindicatio» nach Art. 641 Abs. 2 ZGB zu.33

29 30 31 32 33

BGE 99 II 34 ff. (36 f.), E. 1. Vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 3163b; oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 8 ff. zu Art. 888 ZGB. BGE 72 II 351 ff. (353 f.), E. 2. zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 11 zu Art. 889 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 3164b. zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 12 f. zu Art. 889 ZGB.

§ 34 Das Faustpfandrecht

597

III. Die Wirkung 1. Die Hauptwirkung des Faustpfandrechts besteht (analog zum Grundpfandrecht) in der Haftung der verpfändeten Fahrnissache zur Sicherung der Forderung der Gläubigerin, mithin im Verwertungsrecht der Pfandgläubigerin. Im Fall der Nichtbefriedigung kann sich die Gläubigerin nach Art. 891 Abs. 1 ZGB aus dem Erlös des Pfandes bezahlt machen («le créancier […] a le droit de se payer sur le prix provenant de la réalisation du gage»). Für das Grundsätzliche kann auf die Darstellung der Hauptwirkungen des Grundpfandrechts verwiesen werden (vorne Nr. 1549 ff.). Beizufügen bleibt:

1903

– Die Forderung muss fällig sein und vom Schuldner nicht erfüllt werden; erst dann kann die Pfandgläubigerin die Verwertung verlangen. Schuldnerverzug (Art. 102 OR) ist jedoch nicht erforderlich.34

1904

– Die Verwertung des Pfandes erfolgt regelmässig auf dem Weg der Zwangsvollstreckung (Betreibung auf Pfandverwertung; Art. 41 und 151 ff. SchKG; zum 35 Immerhin dürfen die 36 Parteien eine private Verwertung vereinbaren, was im Bankverkehr regelmässig der Fall ist.37 Ein solches privates Pfandverwertungsrecht kann nach Rechtsprechung und Lehre allerdings nicht mehr ausgeübt werden, sobald das Pfandobjekt im Rahmen einer Zwangsvollstreckung gepfändet oder verarrestiert worden ist.38

1905

Haben die Parteien eine private Verwertung vereinbart, muss die Pfandgläubigerin den Pfandbesteller nach Treu und Glauben informieren, wenn sie beabsichtigt, die Verwertung vorzunehmen. eine Abrechnung erstellen und dem Pfandbesteller den Teil des Erlöses aushändigen, der zu ihrer Befriedigung nicht erforderlich ist. Der Pfandbesteller hat ihr gegenüber eine persönliche Forderung auf Herausgabe dieses Betrags, die vertraglicher Natur ist und demzufolge nach Art. 127 OR verjährt.39 – Die Abrede, wonach die Pfandsache der Gläubigerin im Fall der Nichtbefriedigung als Eigentum zufallen soll (Verfallabrede, Verfallvertrag; «le pacte commissoire»), ist – wie beim Grundpfandrecht – ungültig (Art. 894 ZGB; vorne Nr. 1554). Zur speziellen Konstellation beim irregulären Pfandrecht vgl. hinten Nr. 2009.

– Gemäss Art. 891 Abs. 2 ZGB bietet das Pfandrecht Sicherheit für die Forderung mit Einschluss der Vertragszinsen, der Betreibungskosten und der Verzugszinsen (vgl. auch Art. 157 Abs. 2 SchKG). Anders als beim Grundpfandrecht (Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB und vorne Nr. 1566) gibt es hinsichtlich der Vertragszinsen keine zeitliche Beschränkung; das Fahrnispfandrecht haftet demzufolge für alle Vertragszinsen, die im Moment der Verwertung noch offen sind.40

34

oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 18 und 57 zu Art. 891 ZGB; zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 7 zu Art. 891 ZGB.

35

36

37 38 39 40

BGE 129 III 360 ff. (362), E. 2. Vgl. BGE 118 II 112 ff.; BGer 5A_924/2013, E. 4.2.1.1; ZR 95/1996, Nr. 48, S. 143 ff. (146 f.), E. II./B. 1.2. (Zürcher Handelsgericht); SteinaueR, Band III, Nr. 3173 ff. BGE 136 III 437 ff. (443), E. 3.3. BGE 136 III 437 ff. (443 f.), E. 3.3 mit Hinweisen; BGer 5A_348/2015, E. 2.4. Vgl. zum Ganzen BGer 5A_924/2013, E. 4.2.1.1 mit Hinweisen. BGE 102 III 89 ff. (93 f.), E. 3b; BGer 5A_702/2014, E. 3.6.3.

1906

598

Die Fahrnispfandrechte

1907

– Die (faust-)pfandgesicherten Gläubigerinnen geniessen im Zwangsvollstreckungsverfahren gegen den Schuldner in mehrfacher Hinsicht den Vorrang vor den übrigen Gläubigern (vgl. Art. 126, 146 Abs. 2 und Art. 219 Abs. 1 SchKG sowie vorne Nr. 1557 ff.).

1908

– Bestehen mehrere Pfandrechte an derselben Fahrnissache, so kommt grundsätzlich das Prinzip der Alterspriorität zur Anwendung (Art. 893 ZGB und vorne Nr. 1880).

1909

2. Unabhängig von der Aktualisierung (Verwertung bei Nichterfüllung des Schuldners) entfaltet das Faustpfandrecht mehrere Nebenwirkungen:

1910

– Der Pfandgläubigerin stehen als Besitzerin des Faustpfandes die Schutzbehelfe des Besitzesrechts zu, also der Besitzesschutz nach Art. 926–929 ZGB und der Rechtsschutz nach Art. 932–936 ZGB41 (siehe dazu vorne Nr. 209 ff. und 254 ff.). Sie ist ferner befugt, eine Feststellungsklage (bei Vorhandensein eines Feststellungsinteresses)42 und eine Klage in Analogie zu Art. 641 Abs. 2 ZGB zu erheben.43 Demgegenüber sind nach der Rechtsprechung die in Art. 808 ff. ZGB für das Grundpfandrecht vorgesehenen Sicherungsbefugnisse der Pfandgläubigerin bei Wertverminderung der Fahrnissache (vorne Nr. 1581 ff.) nicht analog anwendbar.44

– Mit Bezug auf die Verjährung ist Folgendes zu beachten:

1911

• Die durch ein Faustpfandrecht gesicherte Forderung kann nach Art. 140 OR zwar verjähren, doch wird die Gläubigerin dadurch nicht daran gehindert, das Pfandrecht geltend zu machen. Vgl. demgegenüber Art. 807 ZGB für die grundpfandgesicherten Forderungen und dazu vorne Nr. 1585.

• Nach Art. 135 Ziff. 1 OR wird die Verjährung durch die Bestellung eines Pfandes unterbrochen. Als «Pfandbestellung» gilt in diesem Zusammenhang entgegen dem üblichen Sprachgebrauch schon der Abschluss des Pfandvertrags, da hierin bereits die Anerkennung der Forderung liegt.45

IV. Einzelfragen 1912

1. Gegenstand eines Faustpfandrechts kann jede bestimmte bewegliche körperliche Sache im Sinn von Art. 713 ZGB sein, die verwertbar ist (vgl. auch Art. 896 Abs. 1 ZGB). Sie muss also einerseits einen wirtschaftlichen Wert haben, andererseits darf die Verwertbarkeit nicht durch eine Norm des privaten oder des öffentlichen Rechts beschränkt sein.46

41 42 43

44 45 46

zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 509 f. zu Art. 884 ZGB. Vgl. BGer 4A_548/2008, E. 2 (Feststellungsinteresse in casu verneint). Vgl. oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 408 f. zu Art. 884 ZGB; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 840 ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 3167. BGE 108 II 180 ff. (182 f.), E. 3b. oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 146 zu Art. 884 ZGB. Vgl. auch BGE 139 III 297 ff. (303), E. 2.4. zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 146 ff. zu Art. 884 ZGB; SteinaueR, Band III, Nr. 3137 ff.

§ 34 Das Faustpfandrecht

599 -

tionswert.47

2. Durch das Faustpfand kann eine beliebige gegenwärtige oder zukünftige oder bloss mögliche Forderung sichergestellt werden48 (vgl. Art. 824 Abs. 1 ZGB; zur daraus resultierenden Relativierung des Akzessorietätsprinzips vorne Nr. 1604a). Das Pfandrecht wird in jedem Fall mit der Übertragung des Besitzes errichtet; es erhält also auch bei einer zukünftigen Forderung seinen Rang bereits im Zeitpunkt der Pfandbestellung und nicht erst mit Entstehung der Forderung.49 Die gesicherte Forderung muss allerdings im Moment des Abschlusses des Pfandbestellungsvertrags bestimmt oder zumindest hinreichend bestimmbar sein,50 sonst liegt ein Verstoss gegen Art. 27 Abs. 2 ZGB und Art. 19 Abs. 2 OR vor.51

1913

1914

So ist es unzulässig, zu Gunsten einer Bank ein Faustpfandrecht zu errichten, durch das sämtliche zukünftigen Forderungen der Bank ihrer Kundin gegenüber gesichert werden sollen. Die Klausel «für alle noch erlaufenden Verbindlichkeiten» ist daher nur (aber immerhin) insoweit gültig, als es um Forderungen geht, an deren zukünftige Begründung die Parteien bei Abschluss des Pfandvertrags vernünftigerweise hatten denken können und müssen52 (zur gleichen Frage beim Grundpfandrecht vgl. vorne Nr. 1532). Durch das Pfandrecht können Forderungen vertraglicher, aber auch solche deliktsrechtlicher Natur gesichert werden, sofern es um Schadenersatz aus unerlaubter Handlung geht, auf den die Bank gegenüber ihrem Kunden im Zusammenhang mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag allenfalls Anspruch hat. Denkbar ist darüber hinaus, dass eine Forderung aus ungerechtfertigter Bereicherung abgedeckt wird, die aus dem Dahinfallen (Ungültigerklärung, Nichtigkeit oder Rücktritt) des zwischen den Parteien bestehenden Vertrags entsteht, sofern eine entsprechende ausdrückliche Parteiabrede vorliegt oder dies gestützt auf den hypothetischen Parteiwillen anzunehmen ist.53 Die blosse Aufnahme von Geschäftsbeziehungen kann nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht bedeuten, dass generell mit zukünftigen Forderungen aus ungerechtfertigter Bereicherung gerechnet werden muss. Da in einem solchen Kontext theoretisch jede Vermögensverschiebung ohne gültigen Rechtsgrund erfolgen kann, hätte die Pfandgläubigerin sonst das Recht, die Pfandgegenstände noch Jahre nach Beendigung der Geschäftsbeziehung zurückzubehalten, lässt sich das Pfandrecht gestützt auf Art. 140 OR doch auch noch nach Eintritt der absoluten Verjährung (vgl. Art. 67 Abs. 1 OR) geltend machen.54

3. Sofern die Parteien nicht etwas anderes abgemacht haben, darf die Gläubigerin die Pfandsache weder gebrauchen noch nutzen. Sie hat also einerseits nach Art. 890 Abs. 1 ZGB mit der Pfandsache sorgfältig umzugehen und haftet für den durch Wertverminderung oder Untergang der Sache entstandenen Schaden, sofern sie sich nicht exkulpieren kann. Für den Fall, dass sie das Pfand eigenmächtig veräussert oder weiterverpfändet hat, muss sie gemäss Abs. 2 der Bestimmung für jeden dar-

47 48 49 50

51

52

53 54

zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 164 ff. zu Art. 884 ZGB. Vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 3132; BGE 142 III 746 ff. (753), E. 2.2.1. BGE 51 II 273 ff. (278), E. 2; 142 III 746 ff. (754), E. 2.2.3; BGer 4A_540/2015, E. 3.4.2. BGE 142 III 746 ff. (753 f.), E. 2.2.1; SteinaueR, Band III, Nr. 3133; oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 138 zu Art. 884 ZGB, sprechen von loser Bestimmbarkeit. BGE 106 II 257 ff. (263), E. 5; 142 III 746 ff. (755), E. 2.3; SteinaueR, Band III, Nr. 3134 f. – Zur Bedeutung von Art. 27 Abs. 2 ZGB bei Drittpfandverhältnissen vgl. BGer 4A_141/2007, E. 4.3 und 4.4. Vgl. dazu BGE 106 II 257 ff. (263), E. 5; 120 II 35 ff. (38), E. 3a; 142 III 746 ff. (754), E. 2.2.2; BGer 4A_62/2016, E. 3; 4A_540/2015, E. 2.3.1; oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 127a ff. zu Art. 884 ZGB; zobl/thuRnheRR, BeKomm, N 445 ff. zu Art. 884 ZGB; kritisch zur Annahme einer Teilnichtigkeit WolFgang Wiegand, Mobiliarsicherheiten (zitiert in Nr. 1916), S. 118 f. BGE 142 III 746 ff. (753), E. 2.2.1; BGer 4A_62/2016, E. 3. BGer 4A_62/2016, E. 4.

1915

600

Die Fahrnispfandrechte

aus entstandenen Schaden einstehen. Die Haftung nach Art. 890 ZGB ist vertraglicher Natur.55 Andererseits ist die Gläubigerin nach Art. 892 Abs. 2 ZGB grundsätzzu übergeben, sobald sie aufhören, Bestandteile der Sache zu sein. Die Pfandgläubigerin hat nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag Anspruch auf entstanden sind. Zur Sicherung dieser Forderung steht ihr ein Retentionsrecht nach Art. 895 ZGB zu.56

V. 1916

Weiterführende Literatur

– eRne uRS, Mehrfache Verpfändung von Mobilien und Rechten, Diss. Zürich 1996. – Foëx bénédict, Le contrat de gage mobilier, Basel/Frankfurt am Main 1997 (zitiert: Foëx, contrat). – deRSelbe, Les actes de disposition sur les cédules hypothécaires, in: Hottelier Michel/Foëx Bénédict (Hrsg.), Les gages immobiliers – Constitution volontaire et réalisation forcée, Basel/Genf/München 1999, S. 113 ff. (131 ff.). – deRSelbe, La protection du créancier gagiste mobilier, in: Baddeley Margareta (Hrsg.), La protection de la personne par le droit, Journée de droit civil 2006 en l’honneur du Professeur Martin Stettler, Genf 2007, S. 149 ff. – Wiegand WolFgang, Eigentumsvorbehalt, Sicherungsübereignung und Fahrnispfand, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), Mobiliarsicherheiten …, Berner Bankrechtstag 1998, Bern 1998, S. 75 ff. (zitiert: Wiegand, Mobiliarsicherheiten).

VI. Fälle 1917

1. BGE 119 II 344 ff. Umfang des Verbots des Verfallsvertrags: Zulässigkeit des Selbsteintritts bei verpfändeten kotierten Aktien? 2. BGE 108 II 180 ff. Analoge Anwendung der Grundpfandbestimmungen bezüglich der Sicherungsbefugnisse bei Wertverminderung der Pfandsache auf das Fahrnispfandrecht? 3. BGE 89 II 314 ff. Übergabe der Sache an einen Dritten zur Ausübung des Pfandbesitzes: Kann ein Angestellter des Verpfänders diese Funktion übernehmen? 4. BGer 5A_315/2009 Verpfändung von Maschinen, die auf Grund ihrer Grösse und ihres Gewichts schwer zu bewegen sind: Das Faustpfand wurde gültig errichtet, obwohl die Maschinen bei

55 56

BGE 51 II 575 ff. (582), E. 3a; BGer 5A_924/2013, E. 4.2.1.2. SteinaueR, Band III, Nr. 3169.

§ 34 Das Faustpfandrecht

601

der Verpfänderin verblieben, da sie durch ein mannshohes, mit einer Kette und einem Vorhängeschloss gesichertes Gitter abgesperrt waren und sich der Schlüssel für das Vorhängeschloss bei der Pfandgläubigerin befand. – Problem der Doppelfunktion des Schlüsselinhabers (Verwaltungsratspräsident der Verpfänderin und Alleinaktionär der Pfandgläubigerin). 5. BGE 131 III 418 ff. Erwerb eines Pfandrechts, wenn der Pfandbesteller keine Verfügungsmacht über die Sache hat: Guter Glaube – Mass der Aufmerksamkeit einer Bank, die sich alte Goldstücke verpfänden lässt – Bedeutung der Gesetzgebung eines fremden Staates im Bereich der Kulturgüterausfuhr für die Gültigkeit des Pfandrechtsvertrags. 6. BGer 4A_141/2007 Kündigung eines Faustpfandvertrags gestützt auf Art. 27 Abs. 2 ZGB bei einem Drittpfandverhältnis? 7. BGE 142 III 746 ff. Faustpfandrecht zur Sicherung sämtlicher bestehender oder zukünftiger Forderungen, die einer Bank gegenüber ihrem Kunden aus der Geschäftsbeziehung zustehen oder zustehen könnten: Frage nach der Vorhersehbarkeit mit Bezug auf Forderungen Dritter, die gegen die Bank im Zusammenhang mit für den Kunden ausgeführten Bankgeschäften (Kauf und Verkauf von Anteilen verschiedener Anlagefonds) einmal erhoben werden könnten (Vorhersehbarkeit in casu verneint).

602

Die Fahrnispfandrechte

§ 35 Das Retentionsrecht 1918

Einführende Literatur: – Kuhn, § 17 und 18. – R iemeR, S. 169 ff. – SteinaueR, Band III, Nr. 3177 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 119 N 2 ff.

I. 1919

Begriff und gesetzliche Grundlagen

1. Das Retentionsrecht («le droit de rétention») kann als gesetzliches Fahrnispfandrecht bezeichnet werden.1 Es entsteht unter bestimmten Voraussetzungen von Gesetzes wegen (also auch ohne Zustimmung bzw. sogar gegen den Willen des Eigentümers der Sache) und beinhaltet ein Zweifaches: – einerseits die Befugnis, eine fremde Sache zur Sicherung einer Forderung zurückzubehalten (Art. 895 Abs. 1 ZGB); – andererseits das Recht, die zurückbehaltene Sache unter gewissen Voraussetzungen wie ein Faustpfand verwerten zu lassen (Art. 898 Abs. 1 ZGB). Das Retentionsrecht stellt aus diesen Gründen ein Sicherungs- und Druckmittel des Gläubigers dar,2 das jedoch seinerseits durch den Grundsatz von Treu und Glauben begrenzt wird.3

1920

2. «Sedes materiae» des Retentionsrechts sind die Art. 895–898 ZGB (vgl. schon Art. 224–228 aOR). Daneben ist jedoch eine Fülle von Sondernormen zu berücksichtigen, auf die grundsätzlich die allgemeinen Regeln des Retentionsrechts mutatis mutandis zur Anwendung kommen.4 Insbesondere haben folgende Personen ein spezielles Retentionsrecht:5 – der Grundeigentümer bei zugeführten Sachen (Art. 700 Abs. 2 ZGB); – der Grundstückbesitzer bei eingedrungenen Tieren (Art. 57 Abs. 1 OR); – der Frachtführer (Art. 451 OR), der Spediteur (Art. 439 i.V.m. Art. 434 OR) und der Lagerhalter (Art. 485 Abs. 3 OR); – der Kommissionär (Art. 434 OR); – der Beauftragte (Art. 401 Abs. 3 OR); – der Arbeitgeber bzw. der Arbeitnehmer (Art. 339a Abs. 3 OR); – der Agent (Art. 418o OR) und der Handelsreisende (Art. 349e und 350a Abs. 2 OR);

1 2 3 4 5

zobl, BeKomm, N 15 zu Art. 895 ZGB; vgl. aber JüRg R eichenbach (zitiert in Nr. 1938), Nr. 248 ff. BGE 122 IV 322 ff. (329 f.), E. 3c/cc. zobl, BeKomm, N 24 zu Art. 895 ZGB; oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 20 zu Art. 895 ZGB. SteinaueR, Band III, Nr. 3180. Vgl. oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 186 ff. zu Art. 895 ZGB; zobl, BeKomm, N 52 ff. zu Art. 895 ZGB; JüRg R eichenbach (zitiert in Nr. 1938), Nr. 207 ff.

§ 35 Das Retentionsrecht

603

– der Vermieter (Art. 268 ff. OR) und der Verpächter (Art. 299c OR) von Geschäftsräumen; – die Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer (Art. 712k ZGB); – der Gast- und der Stallwirt (Art. 491 OR). Zum Retentionsrecht einer Person, die ein rechtswidrig in die Schweiz eingeführtes Kulturgut gutgläubig erworben hat und gestützt auf das KGTG (allgemein dazu vorne Nr. 1139a f.) gegen Entschädigung zurückgeben muss, vgl. Art. 9 Abs. 6 KGTG.

II. Entstehung und Untergang 1.

Die Entstehung

Das Gesetz behandelt die Entstehung des Retentionsrechts in den Art. 895–897 ZGB. Die allgemeinen Voraussetzungen werden in Art. 895 Abs. 1 ZGB geregelt. Demzufolge kann der Gläubiger bewegliche Sachen und Wertpapiere, die sich mit Willen des behalten, sofern die Forderung fällig ist und ihrer Natur nach mit dem Retentionsgegenstand im Zusammenhang steht. Im Einzelnen:

1921

1. Gegenstand eines Retentionsrechts kann nur eine bewegliche Sache (Art. 713 ZGB) oder ein Wertpapier (Art. 965 OR) sein.

1922

Art. 895 ZGB schliesst nach dem Gesagten die Retention von nicht in Wertpapieren verbrieften Forderungen aus. Obwohl es bei einer Bucheffekte an einer Verkörperung in einem Wertpapier fehlt (vorne Nr. 1084a), sieht Art. 21 BEG im Sinn einer «lex specialis» ein Retentionsrecht der Verwahrungsstelle an Bucheffekten vor zur Sicherung von Forderungen aus der Verwahrung der Bucheffekten oder aus Vorleistungen für den Erwerb von Bucheffekten.

2. Grundsätzlich sind nur Sachen retinierbar, die im Eigentum des Schuldners stehen (vgl. den französischen Gesetzestext von Art. 895 Abs. 1 und Abs. 3 ZGB). Die Retention der Sache eines Dritten ist aber dann zulässig, wenn dieser der Übergabe an den Gläubiger zugestimmt hat6 oder der Gläubiger nach Art. 895 Abs. 3 ZGB in seinem guten Glauben geschützt wird.7

1923

Eine im Eigentum des Gläubigers stehende Sache ist hingegen nie nach Art. 895 ZGB retinierbar.8 Der Eigentümer darf also nicht gestützt auf diese Norm eine eigene, der Gegenpartei zu liefernde Sache wegen einer Gegenforderung zurückbehalten.9

3. Die Sache muss sich mit Willen des Schuldners im Besitz des Gläubigers den. Dies setzt einerseits voraus, dass der Gläubiger Besitzer im Sinn von Art. 919 ff. ZGB ist; das trifft beispielsweise zu für den Mieter, den Beauftragten, den Werk-

6 7 8 9

BGE 38 II 194 ff. (203), E. 4. Vgl. dazu BGer 5C.263/2001, E. 3. BGE 122 IV 322 ff. (327 oben), E. 3a. oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 39 zu Art. 895 ZGB. – Zum sogenannten obligatorischen Retentionsrecht vgl. BGE 122 IV 322 ff. (327 ff.), E. 3c; R aineR Wey (zitiert in Nr. 1938), Nr. 158; gauch / SchlueP/emmeneggeR, Nr. 2216 ff.; oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 202 zu Art. 895 ZGB; zobl, BeKomm, N 45 ff. zu Art. 895 ZGB; § 273 BGB.

1924

604

Die Fahrnispfandrechte

unternehmer oder den Nutzniesser.10 Blosse Besitzdienerschaft reicht nicht aus.11 Andererseits kann das Retentionsrecht nicht geltend gemacht werden, wenn der Gläubiger ohne oder gar gegen den Willen des Schuldners besitzt;12 nicht erforderlich ist jedoch, dass der Schuldner der Ausübung des Retentionsrechts zugestimmt hat.13 Bei einzelnen speziell geregelten Retentionsrechten kann der Besitz des Gläubigers an der Sache ohne den Willen des Schuldners entstanden sein (zum Beispiel Art. 700 ZGB und Art. 57 OR),14 oder Sachbesitz ist überhaupt entbehrlich (Art. 268 ff. und 299c OR)15. 1925

4. Der Berechtigte hat gegen den Eigentümer der Sache eine Forderung, die grundsätzlich fällig («exigible») sein muss (vgl. Art. 75 ff. OR), und zwar im Zeitpunkt, in dem das Retentionsrecht geltend gemacht wird.16 Bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners besteht das Retentionsrecht nach Art. 897 Abs. 1 ZGB jedoch auch dann, wenn die Forderung nicht fällig ist. Klagt der Eigentümer auf Rückgabe der Sache, hat das Gericht zu prüfen, ob eine Forderung besteht bzw. ob sie fällig ist. Sind sich die Parteien über die Höhe der Forderung nicht einig, muss das Gericht den geschuldeten Betrag ermitteln und den Beklagten verurteilen, die Sache gegen Zahlung der Schuld zurückzugeben; es kann sich nicht auf die Feststellung beschränken, dem Beklagten stehe eine Forderung und damit auch ein Retentionsrecht zu (Prinzip der Prozessökonomie).17 – Bei Verjährung der Forderung kann das Retentionsrecht dennoch geltend gemacht werden, sofern sie erst eintritt, nachdem der Gläubiger den Besitz erlangt hat (Art. 140 OR).18

1926

5. Zwischen der Forderung und dem retinierten Gegenstand muss sogenannte Konnexität («la connexité») vorhanden sein, das heisst, die Forderung muss ihrer Natur nach mit dem Gegenstand der Retention im Zusammenhang stehen («à la condition […] qu’il y ait un rapport naturel de connexité entre elle et l’objet retenu»). Dieses Erfordernis beruht auf dem Gedanken, dass dem Gläubiger dann (und nur dann) Treu und Glauben widersprechen würde.19 Der Begriff der Konnexität ist dementsprechend unscharf; letztlich muss im Einzelfall nach Treu und Glauben entschieden werden.20 Nicht erforderlich ist jedenfalls, dass Besitzeserwerb und Forderung auf Grund ein und desselben Rechtsverhältnisses entstanden sind; es genügt vielmehr, dass sie durch denselben Zweck verbunden sind oder sonst einen natürlichen Zusammenhang aufweisen.21

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

21

Kasuistik bei zobl, BeKomm, N 132 ff. zu Art. 895 ZGB. BGer 4A_134/2007, E. 2.1; SteinaueR, Band III, Nr. 3187; vgl. aber BGE 67 II 16 ff. (19 f.), E. 2. Vgl. dazu BGer 4A_134/2007, E. 3. SteinaueR, Band III, Nr. 3188. BGer 5C.97/2006, E. 2.1; zobl, BeKomm, N 80 ff. zu Art. 895 ZGB. zobl, BeKomm, N 70 ff. zu Art. 895 ZGB. zobl, BeKomm, N 175 zu Art. 895 ZGB. RJN 1998, S. 58 ff. (60 f.), E. 2 (Neuenburger Cour de cassation civile). BGE 86 II 355 ff. (358 f.), E. 2; zobl, BeKomm, N 35 und 173 zu Art. 895 ZGB. SteinaueR, Band III, Nr. 3190 mit Hinweisen; R aineR Wey (zitiert in Nr. 1938), Nr. 324 f. BGE 115 IV 207 ff. (213), E. 2b/bb; zu typischen Fallgruppen vgl. immerhin oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 87 ff. zu Art. 895 ZGB; zobl, BeKomm, N 188 ff. zu Art. 895 ZGB; R aineR Wey (zitiert in Nr. 1938), Nr. 328 ff. BGE 86 II 355 ff. (362), E. 4a.

§ 35 Das Retentionsrecht

605

Beispiele: a. Eine Arbeitnehmerin hat am Firmenwagen, der ihr im Rahmen des Arbeitsvertrags zur Verfügung gestellt wurde, ein Retentionsrecht für bestehende Lohnforderungen.22 – b. Die Anwältin, die für ihre Klientin nicht nur Rechtsberatung, sondern auch die Verwaltung eines Wertschriftendepots übernommen hat, darf die betreffenden Wertpapiere retinieren, wenn die Klientin die Zahlung des Honorars für die Rechtsberatung verweigert23 (zur Retinierung von Akten durch Anwälte oder Notare vgl. aber hinten Nr. 1937).

Art. 895 Abs. 2 ZGB stellt für («les commerçants») eine besondere Regel auf; man spricht hier von einem kaufmännischen Retentionsrecht – im Gegensatz zum gewöhnlichen (auch bürgerlichen) Retentionsrecht. Nach dieser Norm

1927

die Forderung aus ihrem geschäftlichen Verkehr stammen («dès que la possession de la chose et la créance résultent de leurs relations d’affaires»). Anders als beim gewöhnlichen Retentionsrecht ist also kein innerer Zusammenhang erforderlich. ten gewöhnlich nicht nur vereinzelt, sondern mit einer gewissen Regelmässigkeit chen Gegenständen des Schuldners ein Retentionsrecht haben.24 Immerhin müssen Besitz und Forderung aus Geschäften herrühren, die mit der Eigenart des Geschäftsbetriebs zusammenhängen, das heisst bei beiden Parteien zum Betrieb ihres Gewerbes gehören.25 Kaufmann im Sinn von Art. 895 Abs. 2 ZGB ist, «wer nach den gesetzlichen Bestimmungen vermännischer Art geführtes Gewerbe betreibt».26

6. Die Sache muss schliesslich gemäss Art. 896 Abs. 1 ZGB verwertbar («réalisable») sein. Erforderlich ist also einerseits, dass sie einen wirtschaftlichen Wert hat; andererseits darf ihre Verwertbarkeit nicht durch eine Norm des öffentlichen Rechts beschränkt oder ausgeschlossen sein.27 Des Weiteren sind die zwingenden Bestimmungen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts zu beachten, die die Retention selber ausschliessen (Art. 896 ist etwa bei eingetragenen Luftfahrzeugen und Schiffen der Fall).28 Das Retentionsoder durch eine vor oder bei Übergabe durch den Schuldner erteilte Anweisung für unzulässig erklärt werden. Dem Gläubiger steht aber gemäss Art. 897 Abs. 2 ZGB auch in diesen Fällen das Retentionsrecht zu, sofern die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners erst nach Übergabe der Sache eingetreten oder dem Gläubiger bekannt geworden ist.

22

23 24 25 26 27

28

R iemeR, S. 171 unter Hinweis auf BGE 104 III 8 ff.; zobl, BeKomm, N 198 zu Art. 895 ZGB; Roland mülleR /SteFan R iedeR (zitiert in Nr. 1938), S. 270 ff.; ZR 97/1998, Nr. 81, S. 193 ff. (Arbeitsgericht Zürich). BGE 86 II 355 ff.; zobl, BeKomm, N 199 zu Art. 895 ZGB. oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 114 zu Art. 895 ZGB; BGE 40 II 203 ff. (209), E. 3. BGE 105 II 188 ff. (194), E. 4b. Vgl. dazu auch R aineR Wey (zitiert in Nr. 1938), Nr. 373 ff. BGE 105 II 188 ff. (193), E. 4a. Kasuistik bei oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 5 zu Art. 896 ZGB, und zobl, BeKomm, N 5 zu Art. 896 ZGB. Zum Verbot, Haustiere zu retinieren, vgl. BGE 134 I 293 ff. (298 f.), E. 4.

1928

1929

606 1929a

7. Das Retentionsrecht entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Nicht erforderlich ist, dass der Gläubiger gegenüber dem Schuldner, der die Sache herausverlangt, die Retentionseinrede erhebt; gibt er ihm die Sache jedoch ohne Vorbehalt zurück, kann auf einen konkludenten Verzicht auf das Retentionsrecht geschlossen werden.29

2. 1930

Die Fahrnispfandrechte

Der Untergang

Der Gesetzgeber hat in Bezug auf den Untergang des Retentionsrechts keine besonderen Bestimmungen aufgestellt. Es gilt daher im Wesentlichen die gleiche Regelung wie beim Faustpfand (vorne Nr. 1897 ff.).30 Darüber hinaus erlischt das Retentionsrecht, wenn der Schuldner den Gläubiger hinreichend sicherstellt (hinten Nr. 1934).31 Umstritten ist, ob das Retentionsrecht bei unfreiwilligem Verlust des Besitzes in jedem Fall oder nur unter den Voraussetzungen von Art. 888 Abs. 1 ZGB untergeht.32 Art. 888 Abs. 2 ZGB, wonach das Pfandrecht keine Wirkung hat, solange sich das Pfand mit Willen des Gläubigers in der ausschliessli33 – Das Retentionsrecht bleibt bei Veräusserung der Sache an einen Dritten bestehen (Art. 924 Abs. 3 ZGB; vorne Nr. 174a).

III. Die Wirkungen 1931

Mit der «Wirkung» («Effets») des Retentionsrechts befasst sich Art. 898 ZGB. Abs. 1 hält fest, dass der Gläubiger die zurückbehaltene Sache nach vorgängiger Benachrichtigung des Schuldners wie ein Faustpfand verwerten darf, wenn der Schuldner seiner Dazu ist Folgendes festzuhalten:

1932

1. Der Gläubiger hat zunächst einmal nach Art. 895 Abs. 1 ZGB das Recht, die Sache zurückzubehalten, um den Schuldner zur Tilgung der Forderung (oder zur Sicherstellung; hinten Nr. 1934) zu bewegen. Er darf allerdings nur so viele Gegenstände retinieren, wie zu seiner Sicherstellung und Befriedigung erforderlich sind; da er nicht immer in der Lage ist, den Wert der Retentionsgegenstände genau zu beurteilen, steht ihm hierbei ein gewisser Ermessensspielraum zu.34 Der Grundsatz der Unteilbarkeit der Pfandhaftung nach Art. 889 Abs. 2 ZGB gilt für das Retentionsrecht nur in Bezug auf unteilbare Sachen.35 Es besteht für den Gläubiger grundsätzfür das Retentionsrecht von Vermieter und Verpächter); er kann vielmehr einfach -

29 30 31 32 33 34 35

zobl, BeKomm, N 257 zu Art. 895 ZGB; oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 36 zu Art. 895 ZGB. R iemeR, S. 173; zobl, BeKomm, N 290 ff. zu Art. 895 ZGB. SteinaueR, Band III, Nr. 3195. Vgl. die Hinweise bei tuoR /SchnydeR /Schmid, § 119 N 10. oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 176 zu Art. 895 ZGB. BGer 5C.263/2001, E. 4c; vgl. dazu auch ZR 97/1998, Nr. 81, S. 193 ff. (194; Arbeitsgericht Zürich). oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 141 zu Art. 895 ZGB.

607

§ 35 Das Retentionsrecht

ren.36 Ausserdem stehen ihm als Besitzer der Sache die Rechtsbehelfe des Besitzesrechts (Art. 926–929 und Art. 932–936 ZGB; vorne Nr. 210 ff. und 272 ff.) und allenfalls eine Feststellungsklage zu; er hat nach überwiegender Lehre hingegen keinen vindikatorischen oder negatorischen Anspruch.37 1933

keinen Schaden nimmt; Art. 890 ZGB ist analog anwendbar. Ausserdem haftet er, wenn er unberechtigterweise ein Retentionsrecht geltend macht und die Herausgabe der Sache verweigert, sie trotz hinreichender Sicherstellung nicht zurückgibt oder zu viele Gegenstände retiniert.39 38

2. Der Schuldner kann, wie sich aus Art. 898 Abs. 1 ZGB ergibt, die retinierte Sache gegen Sicherstellung des Gläubigers auslösen.40 Die Sicherheit muss jedoch – beispielsweise durch die Hinterlegung von Geld – effektiv geleistet sein; das blosse Angebot der Sicherheit reicht nicht, um die retinierte Sache freizubekommen.41

1934

3. Wird der Gläubiger weder befriedigt noch hinreichend sichergestellt, so kann er gemäss Art. 898 Abs. 1 ZGB den Retentionsgegenstand verwerten (lassen). Voraussetzung ist allerdings die vorgängige Benachrichtigung des Schuldners; diesem muss ausreichend Zeit für eine Sicherstellung eingeräumt werden.42 Die Verwertung erfolgt nach den Regeln über das Faustpfand (Art. 37 Abs. 2 und Art. 151 ff. SchKG; siehe dazu vorne Nr. 1903 ff.). Für Bucheffekten kommen die Art. 31 f. BEG zur Anwendung43 (dazu hinten Nr. 1961h f.).

1935

Art. 898 Abs. 2 ZGB bestimmt, dass in Bezug auf retinierte Namenpapiere anstelle des Schuldners der Betreibungs- oder Konkursbeamte das Erforderliche vorzunehmen hat. Diese Norm ist auf Ordrepapiere analog anzuwenden.44

IV. Einzelfragen 1. Als Nebenrecht der gesicherten Forderung geht das Retentionsrecht durch deren Abtretung auf den Zessionar über; eine Besitzübertragung am Retentionsgegenstand ist nicht erforderlich.45

1936

2. Von praktischem Interesse ist die Frage, ob Rechtsanwälte bis zum Erhalt des Honorars oder der Gebühren über ein Zurückbehaltungsrecht an den Akten ihrer

1937

36 37

38 39 40 41

42 43 44 45

SteinaueR, Band III, Nr. 3197. oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 150 ff. zu Art. 895 ZGB; Wieland, ZüKomm, N 2a zu Art. 895 ZGB; leemann, BeKomm, N 7 zu Art. 895 ZGB. A.M. zobl, BeKomm, N 294 zu Art. 895 ZGB. oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 159 ff. zu Art. 895 ZGB. oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 163 f. zu Art. 895 ZGB. zobl, BeKomm, N 124 zu Art. 895 ZGB und N 8 ff. zu Art. 898 ZGB. BGer vom 22. Juni 1983, in Semjud 106/1984, S. 23 f. (24), E. 3b; ZR 97/1998, Nr. 81, S. 193 ff. (194; Arbeitsgericht Zürich). oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 17 zu Art. 898 ZGB. daniel h aebeRli, Kommentar zum BEG (zitiert in Nr. 1962), N 33 zu Art. 21 BEG. BGE 43 II 755 ff. (769 f.), E. 5c. zobl, BeKomm, N 177 zu Art. 895 ZGB.

608

Die Fahrnispfandrechte

Klientschaft verfügen.46 Da Akten keine verwertbaren Sachen darstellen, scheidet ein Retentionsrecht im Sinn von Art. 895 ff. ZGB aus (Art. 896 Abs. 1 ZGB).47 Aus den gleichen Gründen entfällt ein obligatorisches Retentionsrecht.48 Fraglich ist, ob ein Zurückbehaltungsrecht von den Parteien vertraglich vereinbart werden kann. Sieht eine Auftrags- und Vollmachtsurkunde die Zurückbehaltung der Akten vor, muss eine solche Abrede bei formularmässiger Verwendung nach den Regeln über die Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen sowie – in jedem Fall – nach den anwendbaren öffentlich-rechtlichen Bestimmungen des Bundes und der Kantone (insbesondere BGFA und kantonale Anwaltsgesetze) überprüft werden.49 Verschiedene Kantone räumen den Notaren bis zur Bezahlung ihrer Gebühren und Auslagen ein (öffentlich-rechtliches) Zurückbehaltungsrecht an den ihnen anvertrauten Akten ein.50 Ein vertraglich vereinbartes Rückbehaltungsrecht für Notare hält die Lehre grundsätzlich für zulässig.51 Der Notar kann ausserdem für seine Honorarforderungen nach Massgabe von Art. 895 ZGB ein Retentionsrecht geltend machen, wenn der Klient ihm Wertpapiere oder andere verwertbare Sachen überlassen hat.52

V. 1938

Weiterführende Literatur

– bRücKneR chRiStian, Gutgläubiger Erwerb des kaufmännischen Retentionsrechts an Sachen Dritter, SJZ 93/1997, S. 64 ff. – giRoud RogeR, Retentionsrecht, in: Sprecher Thomas (Hrsg.), Sanierung und Insolvenz von Unternehmen VII, Kreditsicherheiten, Zürich 2016 (Europa Institut Zürich, Band 168), S. 49 ff. – mülleR Roland/R iedeR SteFan, Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber, AJP 2009, S. 267 ff. – R eichenbach JüRg, Das Retentionsrecht – Rechtsnatur und kollisionsrechtliche Band 31). – StudeR FRanz, Das Retentionsrecht in der Zwangsvollstreckung, Diss. Zürich 2000. – Wey R aineR, Das obligatorische Retentionsrecht, Luzerner Diss., Zürich/Basel/ Genf 2007 (LBR Band 23).

46 47 48 49

50

51 52

Dazu zobl, BeKomm, N 8 ff. zu Art. 896 ZGB; oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 9 ff. zu Art. 896 ZGB. BGE 122 IV 322 ff. (327), E. 3a. Vgl. dazu R aineR Wey (zitiert in Nr. 1938), Nr. 462 ff. BGE 122 IV 322 ff. (329), E. 3c/cc. Illustrativ LGVE 1974 I Nr. 225, S. 257 ff. (Luzerner Anwaltskammer), wo ein vertragliches Zurückbehaltungsrecht des Anwalts an Akten des Klienten für unzulässig erklärt wird. Vgl. ferner BGE 122 IV 322 ff. (331), E. 3d. Zum Ganzen siehe auch a ndReaS a begg, Zurückbehaltungsrecht, Retentionsrechte und Leistungsverweigerungsrechte des Rechtsanwaltes, AJP 2001, S. 862 ff. Vgl. etwa § 54 des luzernischen Gesetzes über öffentliche Beurkundungen (Beurkundungsgesetz) vom 18. September 1973 (SRL Nr. 255); Art. 32 des freiburgischen Gesetzes über das Notariat vom 20. September 1967 (SGF 261.1). Vgl. dazu auch chRiStian bRücKneR, Schweizerisches Beurkundungsrecht, Zürich 1993, Nr. 595 ff. zobl, BeKomm, N 11 zu Art. 896 ZGB mit Hinweisen. zobl, BeKomm, N 12 zu Art. 896 ZGB; oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 10 zu Art. 896 ZGB; FRanz mülleR /gian SandRo genna, in: Stephan Wolf (Hrsg.), Kommentar zum Notariatsrecht des Kantons Bern, Bern 2009, N 55 zu Art. 50 NG; BN 73/2012, S. 273 ff. (281 f.), E. 2.5 (Bernische Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion): Retention eines Eigentümerschuldbriefs.

§ 35 Das Retentionsrecht

609

VI. Fälle 1. BGE 105 II 188 ff. Kaufmännisches Retentionsrecht für eine Forderung aus Sanierungsbemühungen einer Treuhandgesellschaft an Aktien, die ihr die in Schwierigkeiten geratene Gesellschaft vor Konkurseröffnung zur Aufbewahrung übergeben hatte. 2. BGE 85 II 580 ff. Voraussetzungen, unter denen ein Gläubiger, der die Sache im Vertrauen auf betrügerische Angaben dem Schuldner ohne Tilgung der Forderung zurückgab, wieder retentionsberechtigt wird, wenn der Schuldner die Sache zurückbringt. – Verhältnis von Retentionsrecht und Eigentumsvorbehalt zu Gunsten eines Dritten. 3. BGE 80 II 109 ff. Übertragung des (bürgerlichen) Retentionsrechts durch Zession der gesicherten Forderung. 4. BGE 122 IV 322 ff. Dingliches bzw. obligatorisches Retentionsrecht an nicht verwertbaren Akten? Vgl. auch LGVE 1974 I Nr. 225, S. 257 ff. (Luzerner Anwaltskammer). 5. LGVE 2005 I Nr. 14, S. 38 ff. (Luzerner Obergericht) Ausdehnung eines Retentionsrechts auf eine bereits verfallene, aber im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht retentionsberechtigte Forderung?

1939

610

Die Fahrnispfandrechte

§ 36 Besondere Fahrnispfandrechte 1940

Neben dem Faustpfand und dem Retentionsrecht sieht das Gesetz weitere Arten des Fahrnispfandes vor, nämlich die Fahrnisverschreibung (I.), das Pfandrecht an Forderungen und anderen Rechten (II.), das Versatzpfand (III.) sowie die Pfandbriefe (IV.).

I.

Die Fahrnisverschreibung

1941

Einführende Literatur: – Kuhn, § 19. – R iemeR, S. 167 f. – SteinaueR, Band III, Nr. 3200 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 119 N 11 ff.

1942

Das Kennzeichen der Fahrnisverschreibung («l’hypothèque mobilière au sens étroit») besteht darin, dass die verpfändete Sache gerade nicht in den Besitz der Gläubigerin übergeht. Nach dem Faustpfandprinzip (vorne Nr. 1876) wäre das eigentlich nicht möglich (vgl. Art. 884 Abs. 1 und 3 ZGB). In bestimmten Fällen hat der Gesetzgeber jedoch dieses Prinzip (und damit das Verbot der Mobiliarhypothek) aus Gründen der Praktikabilität durchbrochen. Art. 884 Abs. 1 ZGB beschränkt denn auch das Faustpfandprinzip auf die Fälle, in denen «das Gesetz keine Ausnahme macht». Aus Gründen der Publizität (vorne Nr. 1874 f.) hat der Gesetzgeber in solchen Fällen regelmässig anstelle der Besitzübertragung die Eintragung in ein spezielles Register vorgesehen. Hier sind insbesondere zu nennen:

1943

1. Die Viehverpfändung («l’hypothèque sur le bétail») nach Art. 885 ZGB: Gemäss Abs. 1 kann ein Pfandrecht an Vieh ohne Übertragung des Besitzes durch Eintragung in ein Verschreibungsprotokoll und Anzeige an das Betreibungsamt bestellt werden. Mittels Viehverpfändung lassen sich allerdings nur Forderungen von Geldinstituten und Genossenschaften sicherstellen, die von der zuständigen Behörde ihres Wohnsitzkantons dazu ermächtigt sind, derartige Geschäfte abzuschliessen. Der Bundesrat hat gestützt auf Art. 885 Abs. 2 ZGB die Verordnung betreffend die Viehverpfändung vom 30. Oktober 19171 erlassen. Die Kantone können für die Eintragungen Gebühren erheben; sie bezeichnen überdies die Kreise, in denen die Verschreibungsprotokolle geführt werden, und die zuständigen Beamten (Art. 885 Abs. 3 ZGB). Beachte auch Art. 715 Abs. 2 ZGB, der den Eigentumsvorbehalt beim Viehhandel ausschliesst (vgl. vorne Nr. 1099).2

1 2

SR 211.423.1. Für Einzelheiten in Bezug auf die Viehverpfändung siehe die Kommentare von oFtingeR /bäR und zobl/thuRnheRR zu Art. 885 ZGB.

§ 36 Besondere Fahrnispfandrechte

611

2. Die Schiffsverschreibung («l’hypothèque sur les bateaux») nach dem Bundesgesetz über das Schiffsregister vom 28. September 19233 (insbesondere die Art. 38 ff.): An den in das Schiffsregister eingetragenen Schiffen kann weder ein Faustpfandrecht bestellt noch ein Retentionsrecht geltend gemacht werden (Art. 53 des Gesetzes).4

1944

3. Die Luftfahrzeugverschreibung («l’hypothèque sur les aéronefs») gemäss dem Bundesgesetz über das Luftfahrzeugbuch vom 7. Oktober 19595 (insbesondere die Art. 26 ff.): Auch an eingetragenen Luftfahrzeugen kann weder ein Faustpfand begründet noch ein Retentionsrecht geltend gemacht werden (Art. 51 des Gesetzes).6

1945

4. Neben den genannten Arten gibt es weitere Fälle der Mobiliarhypothek, so etwa bei der Bestellung von Pfandrechten auf Eisenbahnen.7

1946

II. Das Pfandrecht an Forderungen und anderen Rechten Einführende Literatur: – Kuhn, § 23, 24 und 26. – R iemeR, S. 175 ff. – SteinaueR, Band III, Nr. 3205 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 119 N 14 ff.

1947

Das Pfandrecht an Forderungen und anderen Rechten wird allgemein in den Art. 899 ff. ZGB geregelt (1.). Mit dem Inkrafttreten des Bucheffektengesetzes am 1. Januar 2010 hat der Gesetzgeber ein neues Vermögensobjekt («die Bucheffekte») geschaffen, das nach Massgabe des BEG verpfändet werden kann (2.). Den Abschluss bilden Hinweise auf weiterführende Literatur (3.).

1947a

3 4

5 6

7

SR 747.11. Einzelheiten bei oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 71 ff.; zobl/thuRnheRR , BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 366 ff. SR 748.217.1. Einzelheiten bei m aya mcnally, Recht der Sicherung und der Finanzierung von Luftfahrzeugen …, St. Galler Diss., Zürich/St. Gallen 2009 (CFAC-Schriften zur Luftfahrt, Band 3), S. 33 ff.; oFtingeR /bäR , ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 78 ff.; zobl /thuRnheRR , BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 382 ff.; bénédict Foëx, Les sûretés grevant les moyens de transport – La Convention du Cap et sa transposition en droit national, in: Lukas Heckendorn Urscheler (Hrsg.), Rapports suisses présentés aux XIXe Congrès international de droit comparé, Zürich 2014, S. 269 ff. (276 ff.). Vgl. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 409 ff.; oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 35 ff. – Zur Zulässigkeit kantonal vorgesehener Mobiliarhypotheken vgl. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 484 ff.; deniS Piotet, Le droit civil fédéral prohibe-t-il l’hypothèque légale mobilière de droit public cantonal?, ZSR NF 109/1990 I, S. 211 ff.; Suzette Sandoz, L’hypothèque mobilière légale de droit public cantonal est-elle compatible avec le droit fédéral?, ZSR NF 108/1989 I, S. 195 ff.

612

1. 1948

Die Fahrnispfandrechte

Im Allgemeinen

Das Gesetz regelt das Pfandrecht an Forderungen und anderen Rechten («le droit de gage sur les créances et autres droits») in den Art. 899–906 ZGB (vgl. schon Art. 214– 217 aOR). Pfandrechte beziehen sich zwar – wie alle beschränkten dinglichen Rechte – grundsätzlich auf Sachen (vorne Nr. 3 ff.). Der Gesetzgeber hat aber das Pfandrecht an Rechten zugelassen, da auch so der angestrebte Zweck (nämlich die Sicherung einer Gläubigerin) erreicht werden kann. Als Grundvoraussetzung der Verpfändbarkeit muss das betreffende Recht übertragbar sein, damit sich die Gläubigerin im Fall der Nichtbefriedigung aus dem Verwertungserlös des Pfandes überhaupt bezahlt machen kann (vgl. Art. 899 Abs. 1 ZGB). sequenzen hat die rechtliche Einordnung allerdings nicht.8

1949

Nach Art. 899 Abs. 2 ZGB steht das Pfandrecht an Rechten, sofern nicht etwas anderes bestimmt ist, unter den Bestimmungen über das Faustpfand (vgl. vorne Nr. 1883 ff.). Im Folgenden werden lediglich die vom Gesetz speziell geregelten Fragen behandelt, nämlich die Errichtung (A.) und die Wirkungen (B.). In der Lebenswirklichkeit, insbesondere in der Bankpraxis, ist die Forderungsverpfändung weitgehend durch die Sicherungszession (hinten Nr. 2021 ff.) verdrängt worden.

A.

Die Errichtung

1950

1. Das Gesetz regelt die (rechtsgeschäftliche) Errichtung in den Art. 900 ff. ZGB. Je nach Art des zu verpfändenden Rechts sind dafür unterschiedliche Voraussetzungen zu erfüllen:

1951

– Mit der Errichtung eines Pfandrechts an gewöhnlichen Forderungen (das heisst solchen ohne Wertpapiercharakter) befasst sich Art. 900 Abs. 1 ZGB (vgl. die Marginalie des französischen Gesetzestextes «Créances ordinaires»). Erforderlich ist hierfür ein schriftlicher Pfandvertrag und – soweit vorhanden – die Übergabe des Schuldscheins. Besteht kein Schuldschein, so ist der schriftliche Pfandvertrag in diesen Fällen zugleich Ver9 Das bedeutet insbesondere, dass der Verpfänder im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Verfügungsmacht über das zu verpfändende Recht haben muss.10 Verpfänder das Pfandrecht erst mit der Besitzübertragung des Schuldscheins (Verfügungsgeschäft) entstehen lässt.11

Gemäss Art. 900 Abs. 2 ZGB kann die Pfandgläubigerin oder der Verpfänder den Schuldner über die Pfandbestellung informieren, vorgeschrieben ist dies allerdings nicht (anders Art. 73 Abs. 1 VVG). Insbesondere die Pfandgläubigerin

1952

8

9

10 11

Vgl. oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 5 ff. zu Art. 899 ZGB; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 153a ff.; SteinaueR, Band III, Nr. 3205a. SteinaueR, Band III, Nr. 3208g; oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 13 zu Art. 900 ZGB; zobl, BeKomm, N 20 und 34 ff. zu Art. 900 ZGB. SteinaueR, Band III, Nr. 3208h; zobl, BeKomm, N 20 und 40 zu Art. 900 ZGB. zobl, BeKomm, N 75 zu Art. 900 ZGB.

§ 36 Besondere Fahrnispfandrechte

613

hat aber alles Interesse an einer Benachrichtigung, da sich der Schuldner sonst möglicherweise durch Zahlung an den Verpfänder befreit (vgl. Art. 906 Abs. 2 ZGB). – Art. 900 Abs. 3 ZGB regelt die Verpfändung anderer Rechte («les autres droits») wie etwa Mitgliedschaftsrechte (Aktien, Gesellschaftsanteile an einer GmbH, Partizipations- und Genussscheine etc.), Sachenrechte (zum Beispiel nicht im Grundbuch als Grundstück eingetragene selbständige Personaldienstbarkeiten) oder Immaterialgüterrechte (Patent-, Marken-, Design- oder Urheberrechte).12 Hierfür verlangt das Gesetz neben dem schriftlichen Pfandvertrag13 die Beobachtung der für die Übertragung vorgeschriebenen Form.

1953

Besteht für das Verfügungsgeschäft keine Formvorschrift oder ist lediglich einfache Schriftlichund Verfügungsgeschäft fallen wiederum zusammen.14



Wertrechte im Sinn von Art. 973c OR (vgl. Abs. 4 dieser Norm). Hier geht es um Rechte, die zwar die gleiche Funktion haben wie Wertpapiere, im Gegensatz zu diesen aber entmaterialisiert sind und lediglich buchmässig geführt werden (vgl. Art. 973c Abs. 1 und 2 OR).15 Wertrechte können namentlich nicht verbriefte Aktien oder Obligationen sein.16

1953a

In der Lehre ist umstritten, ob Wertrechte bei ihrer Verpfändung als gewöhnliche Forderungen (Art. 900 Abs. 1 ZGB) oder als «andere Rechte» (Art. 900 Abs. 3 ZGB) anzusehen sind.17 – Für Bucheffekten, die auf der Gutschrift von Wertrechten in einem Effektenkonto beruhen (Art. 6 Abs. 1 lit. c BEG), richtet sich die Verpfändung gemäss Art. 901 Abs. 3 ZGB ausschliesslich nach dem BEG (hinten Nr. 1961c ff.).

– Die Art. 901 f. ZGB behandeln die Verpfändung von Wertpapieren («les papiersvaleurs»).18 Für Inhaberpapiere (Art. 978 ff. OR) reicht nach Art. 901 Abs. 1 ZGB die Übertragung der Urkunde an die Pfandgläubigerin aus; bei Ordre- und Namenpapieren (Art. 1145 ff. bzw. 974 ff. OR) ist gemäss Abs. 2 zusätzlich ein Indossament oder eine Abtretungserklärung erforderlich. In Bezug auf Warenpapiere («les titres représentatifs de marchandises») stellt Art. 902 ZGB besondere Regeln auf. Für Bucheffekten, die auf der Gutschrift von Wertpapieren in einem Effektenkonto beruhen (Art. 6 Abs. 1 lit. a BEG), richtet sich die Verpfändung gemäss Art. 901 Abs. 3 ZGB ausschliesslich nach dem BEG (hinten Nr. 1961a ff.). – Zu beachten ist, dass Wertpapiere, für die keine Bucheffekten in einem Effektenkonto gutgeschrieben sind, immer auch nach Art. 900 Abs. 1 ZGB (also durch schriftlichen Pfandvertrag sowie allenfalls Übergabe des Schuldscheins) verpfändet

12 13 14 15 16 17

18

SteinaueR, Band III, Nr. 3208g; zobl, BeKomm, N 103 ff. zu Art. 900 ZGB. Vgl. dazu etwa BGer 5A_261/2008, E. 5.5. SteinaueR, Band III, Nr. 3208g. Botschaft zum BEG, S. 9394. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 531a. Vgl. dazu miRJam eggen, Sicherheiten an Wertrechten – eine Untersuchung der Rechtslage ab Inkrafttreten des Bucheffektengesetzes, SZW 2009, S. 116 ff. (117 f.); a ndRea zbinden (zitiert in Nr. 1962), S. 56 mit Hinweisen (in Bezug auf Aktien). Differenzierend offenbar zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 531a. Zur Frage, ob ein Schuldbrief zu Grundpfand übertragen oder als Faustpfand übergeben worden ist, vgl. BGer 5C.11/2005, E. 3. Siehe auch vorne Nr. 1847 ff.

1954

614

Die Fahrnispfandrechte

werden können.19 Auf Grund des einfacheren Vorgehens verfahren die Parteien aber regelmässig nach Art. 901 ZGB. – Zur Verpfändung von Papier-Schuldbriefen siehe vorne Nr. 1847a,20 zur Verpfändung von Register-Schuldbriefen siehe vorne Nr. 1847b. 1955

2. Eine Nachverpfändung («l’engagement subséquent de la créance») ist nach Art. 903 ZGB unter der Voraussetzung gültig, dass die vorgehende Pfandgläubigerin durch den Gläubiger der Forderung (bzw. eines anderen Rechts) oder die nachgehende Pfandgläubigerin schriftlich darüber informiert wird. Die vorgehende gebene Urkunde nach ihrer Befriedigung der nachfolgenden Gläubigerin auszuhändigen; dies lässt sich aus Art. 889 ZGB ableiten.21 Im Unterschied zur Nachverpfändung beim Faustpfand (Art. 886 ZGB) muss die vorgehende Gläubigerin jedoch nicht ausdrücklich dazu angewiesen werden.22

1956

3. Im ZGB nicht speziell geregelt ist die Entstehung gesetzlicher Forderungspfandrechte.23 Sie richtet sich nach der Gesetzesnorm, die das jeweilige Forderungspfandrecht anordnet. So sieht beispielsweise Art. 15 Abs. 1 des BG über die Verbesserung der Wohnverhältnisse in Berggebieten vom 20. März 197024 vor: «Handwerkern, Unternehmern, Lieferanten und Architekten, die für Verbesserungen oder Neubauten beitragsberechtigte Arbeiten ausgeführt oder Material geliefert haben, steht zur Sicherung ihrer Forderungen gegenüber dem Bauherrn oder einem Unternehmer ein gesetzliches Pfandrecht am Anspruch auf den Barbeitrag zu, der dem Bauherrn von den eidgenössowie in Art. 26 ff. der zugehörigen Verordnung vom 17. April 199125.

B. 1957

Die Wirkungen

1. Die Wirkungen des Pfandrechts an Rechten richten sich grundsätzlich nach den Bestimmungen über das Faustpfand (vgl. Art. 899 Abs. 2 ZGB). Die Grundregel ist in Art. 904 ff. ZGB unter der Marginalie «Wirkung» («Effets») nicht enthalten, sondern stillschweigend vorausgesetzt: Mit der Verpfändung wird die Forderung oder das andere Recht nicht (als Vollrecht) auf die Pfandgläubigerin übertragen; diese erhält lediglich die Befugnis, im Fall der Nichtbefriedigung das verpfändete Recht zu verwerten und sich aus dem Erlös bezahlt zu machen.26 Anwendbar ist namentlich auch das in Art. 894 ZGB enthaltene Verbot der Verfallabrede.27

19 20

21 22 23

24 25 26

27

BGE 42 III 286 ff. (297 ff.), E. 5. Einzelheiten zur Verpfändung von Eigentümerschuldbriefen bei oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 131 ff. zu Art. 901 ZGB; zobl, BeKomm, N 141 ff. zu Art. 901 ZGB. oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 5 zu Art. 903 ZGB. BGE 81 II 339 ff. (342), E. 2. Zur Zulässigkeit kantonaler gesetzlicher Forderungspfandrechte in Steuersachen vgl. thomaS KolleR (zitiert in Nr. 1962), S. 273 ff. SR 844. SR 844.1. BGE 64 II 415 ff. (417 f.); 128 III 366 ff. (368), E. 2b; oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 119 zu Art. 899 ZGB; zobl, BeKomm, N 191 zu Art. 899 ZGB i.V.m. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 561 ff. oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 123 zu Art. 899 ZGB; zobl, BeKomm, N 195 zu Art. 899 ZGB i.V.m. N 22 zu Art. 894 ZGB.

§ 36 Besondere Fahrnispfandrechte

615

2. Das Gesetz stellt in den Art. 904–906 ZGB einige zusätzliche Regeln zu folgenden Fragen auf:

1958

– Art. 904 Abs. 1 ZGB hält in Bezug auf den Umfang der Pfandhaft («l’étendue du droit du créancier») fest, dass bei verzinslichen Forderungen bzw. solchen mit anderen zeitlich wiederkehrenden Nebenleistungen grundsätzlich nur der laufende Anspruch («les prestations courantes») mitverpfändet ist, nicht aber die bereits verfallenen Leistungen.28 Bestehen für derartige Nebenrechte jedoch besondere Papiere (sogenannte Coupons), fallen sie gemäss Abs. 2 der Bestimmung vorbehältlich anderer Abmachung unter die Pfandhaft, sofern das Pfandrecht an ihnen formrichtig bestellt wurde.

1959

Unter dem Begriff «laufender Anspruch» ist der zum Zeitpunkt der Pfandverwertung noch nicht fällige Anspruch zu verstehen.29

– Die Vertretung verpfändeter Aktien («la représentation d’actions engagées») steht nach Art. 905 ZGB dem Aktionär und nicht der Pfandgläubigerin zu (vgl. demgegenüber Art. 755 ZGB und Art. 690 Abs. 2 OR in Bezug auf die Nutzniessung).

1960

Gemäss Art. 689a Abs. 1 und Art. 689b Abs. 2 OR kann der Aktionär die Pfandgläubigerin allerdings schriftlich zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte ermächtigen.

– Art. 906 ZGB regelt die Verwaltung und die Abzahlung («l’administration et le remboursement»). Gemäss Abs. 1 darf der Gläubiger der Forderung (also regelmässig der Verpfänder) die Forderung kündigen und einziehen, wenn die sorgfältige Verwaltung («l’intérêt d’une bonne gestion») es verlangt. Das Einziehungsrecht erlaubt es ihm auch, die Forderung auf dem Klageweg geltend zu machen;30 die Zustimmung der Pfandgläubigerin ist dazu nicht erforderlich.31 Art. 906 Abs. 1 ZGB räumt ausserdem der Pfandgläubigerin das Recht ein, unter der gleichen Voraussetzung die Vornahme dieser Handlungen zu verlangen. Nach herrschender Lehre erfasst die Norm über die genannten Verwaltungshandlungen hinaus die gesamte Verwaltungstätigkeit, also alle Massnahmen, die der Erhaltung des verpfändeten Rechts dienen.32 Demzufolge ist nach Gesetz der Gläubiger der Forderung für die Verwaltung zuständig (vgl. demgegenüber Art. 755 Abs. 2 und 3 ZGB in Bezug auf die Nutzniessung). Die Pfandgläubigerin kann hingegen nur handeln, wenn sie gestützt auf Art. 906 Abs. 1 ZGB durch das Gericht dazu ermächtigt wird;33 darüber hinaus ist es zulässig (und in der Bankpraxis üblich), dass der Verpfänder ihr das Recht einräumt, die verpfändete Forderung in eigenem Namen geltend zu machen.34

28

29 30 31 32 33 34

Zur Erstreckung der Pfandhaft auf die Miet- und Pachtzinse bei einem Fahrnispfandrecht an Eigentümerschuldbriefen vgl. BGE 132 III 437 ff. (441 f.), E. 4 (bei einem Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung); 106 III 67 ff. (beim Konkurs). Grundlegend BGE 41 III 453 ff., insbesondere E. 3. BGE 128 III 366 ff. (368 f.), E. 2b. BGE 128 III 366 ff. (369), E. 2c und d. zobl, BeKomm, N 8 f. zu Art. 906 ZGB. zobl, BeKomm, N 14 zu Art. 906 ZGB. BGE 97 III 119 ff. (120); BGer 5C.249/2004, E. 2.2; 5C.11/2005, E. 3.1; zobl, BeKomm, N 16 ff. zu Art. 906 ZGB; oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 35 ff. zu Art. 906 ZGB.

1961

616

Die Fahrnispfandrechte

Nach einer sorgfältigen Verwaltung ist die Kündigung bzw. die Einziehung dann erforderlich, wenn sie im Interesse der Werterhaltung geboten ist, also insbesondere wenn die Forderung als gefährdet erscheint.35 Vgl. auch § 1286 BGB.

Sobald der Schuldner über die Verpfändung informiert ist, darf er nach Art. 906 Abs. 2 ZGB Zahlungen an die eine Person (das heisst den Gläubiger der Forderung oder die Pfandgläubigerin) nur mit Zustimmung der anderen leisten. Wird diese nicht erteilt, muss er den geschuldeten Betrag hinterlegen (Abs. 3). Diese Regelung verhindert, dass das Forderungspfandrecht seiner Sicherungsfunktion beraubt wird, da mit der Erfüllung der Forderung auch das darauf lastende Pfandrecht untergeht36 (vgl. vorne Nr. 1873).

2. 1961a

Das Pfandrecht an Bucheffekten im Besonderen

1. Nach dem Gesagten verweist Art. 901 Abs. 3 ZGB für die Verpfändung von Bucheffekten auf das Bucheffektengesetz, das «ausschliesslich» anwendbar ist. Unter Bucheffekten («titres intermédiés») versteht Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 BEG auf Wertpapieren oder Wertrechten beruhende vertretbare Forderungs- und Mitgliedschaftsrechte gegenüber dem Emittenten, die einem Effektenkonto gutgeschrieben sind und über die der Kontoinhaber nach den Bestimmungen des BEG verfügen kann (vgl. dazu bereits vorne Nr. 1084a). Mit der Revision des BEG vom 19. Juni 2015 (in Kraft seit 1. Januar 2016)37 wurden unter anderem die Art. 24–26 hinsichtlich der Verfügung von Bucheffekten geändert. Diese Bestimmungen spielen namentlich für die Verpfändung von Bucheffekten eine Rolle. Die Änderungen sind bei der Konsultation der Literatur zu berücksichtigen.

1961b

2. Das BEG verwendet den Begriff «Pfandrecht» nicht, sondern regelt in den Art. 24–26 BEG allgemein die Verfügung über die Bucheffekten. Dieser Begriff umfasst sowohl die Übertragung von Vollrechten (inklusive Sicherungsübereignung) als auch die Bestellung von Teilrechten (namentlich Pfandrechte).38 Die folgenden Ausführungen befassen sich nur mit den Pfandrechten (zur Sicherungsübereignung vgl. hinten Nr. 2012 ff.).

1961c

3. Die Verpfändung von Bucheffekten kann auf verschiedene Arten erfolgen:

1961d

– Mittels Verfügung durch Gutschrift nach Art. 24 BEG: Das Pfandrecht entsteht in diesem Fall durch die Weisung des Kontoinhabers an die Verwahrungsstelle, die Bucheffekten zu übertragen, sowie die Gutschrift der Bucheffekten im Effektenkonto der Pfandgläubigerin (Art. 24 Abs. 1 und 2 BEG).

1961e

– Mittels Kontrollvereinbarung nach Art. 25 BEG: Der Kontoinhaber vereinbart gläubigerin ohne weitere Zustimmung oder Mitwirkung des Kontoinhabers aus-

35 36 37 38

oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 11 zu Art. 906 ZGB. Vgl. BGE 128 III 366 ff. (368 f.), E. 2b. AS 2015, S. 5339 ff. (5408 f.). Botschaft zum FinfraG, S. 7623. Mit der Revision von 2015 wurden die Art. 25 und 26 BEG, in denen bis anhin (anders als in Art. 24 BEG) von «Sicherheiten» statt von «Verfügung» die Rede war, sprachlich angepasst, um dies klarzustellen; Botschaft, a.a.O.

§ 36 Besondere Fahrnispfandrechte

617

zuführen hat (Art. 25 Abs. 1 BEG). In diesem Fall unterbleibt eine Übertragung der Bucheffekten auf das Konto der Pfandgläubigerin, sie unterstehen jedoch durch die zwischen den Parteien abgeschlossene Vereinbarung der Kontrolle der Pfandgläubigerin.39 Nach der Botschaft zum BEG ist Art. 25 BEG damit ohne Weiteres mit Art. 884 Abs. 3 ZGB (Verbot der Mobiliarhypothek; vorne Nr. 1876) vereinbar.40 Zinsen, Dividenden und Stimmrechte fallen dem Verpfänder zu.41

– Mittels Vereinbarung mit der Verwahrungsstelle nach Art. 26 BEG: Ein Pfandrecht an Bucheffekten eines Kontoinhabers kann auch zu Gunsten der Verwahrungsstelle errichtet werden. Es wird bestellt und Dritten gegenüber wirksam mit dem Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung zwischen Verpfänder und Pfandgläubigerin (Art. 26 Abs. 1 BEG); eine solche Vereinbarung kann auch in Form einer Pfandklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein. Eine Verfügung (in Form einer Buchung oder einer Anmerkung im Effektenkonto) ist nicht erforderlich.42

1961f

Nach Art. 26 BEG errichtete Pfandrechte der Verwahrungsstelle gehen solchen eines Dritten nach Art. 25 BEG nur dann vor, wenn die Verwahrungsstelle diesen ausdrücklich auf das ihr zustehende frühere Pfandrecht hingewiesen hat (Art. 30 Abs. 2 BEG).

4. Der Vertrag auf Errichtung eines Pfandrechts an Bucheffekten hat im BEG keine Regelung erfahren. Immerhin folgt aus dem Verweis in Art. 901 Abs. 3 ZGB, der das BEG für ausschliesslich anwendbar erklärt, in Verbindung mit Art. 11 Abs. 1 OR, dass der Vertrag formfrei abgeschlossen werden kann (vgl. demgegenüber Art. 900 Abs. 1 und 3 ZGB).43 auf den Pfanderrichtungsvertrag Anwendung.44

1961g

5. Die Verwertung des Pfandobjekts ist in Art. 31 f. BEG geregelt. Die Pfandgläubigerin hat ein grosses Interesse daran, eine Privatverwertung vornehmen zu dürfen. Da sich der Wert der Bucheffekten je nach Situation an den Finanzmärkten bereits innert weniger Tage erheblich verändern kann, birgt das langwierige Zwangsvollstreckungsverfahren nach SchKG nämlich das Risiko, dass der Wert des Pfandes im Moment seiner Verwertung von der gesicherten Forderung deutlich abweicht.45 Art. 31 Abs. 1 BEG sieht deshalb das Recht zur Privatverwertung vor.46 In der Lehre ist umstritten, ob die Verwertungsbefugnis bereits von Gesetzes wegen besteht oder ob eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Parteien erforderlich ist;47 in der

1961h

39 40 41 42 43 44 45 46

47

Kuhn, § 26 N 42. Botschaft zum BEG, S. 9370. A.M. etwa emch /R enz/a RPagauS, Nr. 1146. Botschaft zum BEG, S. 9370. Vgl. zum Ganzen Botschaft zum BEG, S. 9371. Vgl. auch Botschaft zum BEG, S. 9370. FloRian louiS SteineR (zitiert in Nr. 1962), S. 90. Kuhn, § 26 N 113 f. Mit der Revision des BEG wurde auf die bis anhin bestehende Beschränkung der Zulässigkeit der Privatverwertung auf Bucheffekten, die an einem repräsentativen Markt gehandelt werden, verzichtet; zu den Gründen vgl. Botschaft zum FinfraG, S. 7624. Das Erfordernis einer Vereinbarung verneinend etwa Kuhn, § 26 N 117 f.; luca dalla toRRe et al. (zitiert in Nr. 1962), S. 26; benediKt m auRenbRecheR /chRiStoPh baueR, Kommentar zum BEG (zitiert in Nr. 1962), N 30 ff. zu Art. 31 BEG; bejahend zum Beispiel FloRian louiS SteineR

618

Die Fahrnispfandrechte

Praxis ist eine solche Absprache regelmässig im Vertrag über die Verpfändung der Bucheffekten enthalten.48 Nach Art. 31 Abs. 2 BEG bleibt das Recht zur Privatverwertung auch in einem Zwangsvollstreckungsverfahren gegen den Verpfänder bestehen49 (anders die Rechtslage beim Faustpfand; vgl. vorne Nr. 1905).

Die Privatverwertung kann nach Art. 31 Abs. 1 BGE entweder durch Verkauf (lit. a) oder durch Selbsteintritt (lit. b) erfolgen, Letzteres allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Wert der Bucheffekten objektiv bestimmbar ist50. Art. 32

1961i

Verwertung anzukündigen (Abs. 1); darüber hinaus muss sie über die Verwertung abrechnen und dem Verpfänder einen allfälligen Überschuss herausgeben (Abs. 2). Das Verbot des Verfallvertrags (Art. 894 ZGB; vorne Nr. 1905) gilt auch für das Bucheffektengesetz.51

3. 1962

Weiterführende Literatur

– abegglen SandRo/bRönnimann thomaS m., Zulässigkeit der Bestellung eines Pfandrechts an Bucheffekten mittels Umbuchung nach Art. 24 BEG – eine dogmatische Einordnung, recht 2011, S. 112 ff. – baumgaRtneR FloRian, Reguläre Pfandrechte und pfandrechtsähnliche Sicherheiten an Bucheffekten, AJP 2011, S. 1355 ff. – beeleR luKaS, Bucheffekten, Übertragung, Stornierung und gutgläubiger Erwerb, Zürcher Diss., Zürich/St. Gallen 2013 (SSHW Band 317). – dalla toRRe luca /leiSingeR benJamin/moSimann olivieR /R ey matthiaS/Schott anSgaR /WebeR maRtin K aRl, Sicherheiten nach Bucheffektengesetz – theoretische und praktische Aspekte, recht 2010, S. 16 ff. (zitiert: dalla toRRe et al.). – heSS maRtin/StöcKli K atJa, Bestellung von Sicherheiten an Bucheffekten, SJZ 106/2010, S. 153 ff. – honSell heinRich /vogt nedim PeteR /WatteR RolF (Hrsg.), Basler Kommentar zum Wertpapierrecht, Art. 695–1186 OR, Bucheffektengesetz, Haager WertpapierÜbereinkommen, Art. 108a–108d IPRG, Basel 2012 (zitiert: beaRbeiteR, BaKomm zum BEG). – K ameRzin Sidney, Le contrat constitutif de cédule hypothécaire, Freiburger Diss., Zürich/Basel/Genf 2003 (AISUF Band 223), insbesondere Nr. 219 ff. – KolleR thomaS, Ein gesetzliches Faustpfandrecht an der Kaufpreisforderung zur Sicherung des Grundstückgewinnsteuerbezuges?, ZBGR 76/1995, S. 273 ff.

48

49 50

51

(zitiert in Nr. 1962), S. 169; R aShid bahaR /m aRtin PeyeR, BaKomm zum BEG (zitiert in Nr. 1962), N 14 ff. zu Art. 31 BEG; offenbar auch Botschaft zum BEG, S. 9370 f. benediKt m auRenbRecheR /chRiStoPh baueR, Kommentar zum BEG (zitiert in Nr. 1962), N 30 zu Art. 31 BEG. Vgl. auch BGE 136 III 437 f. (445 f.), E. 3.6. Zu dieser mit der Revision des BEG neu eingeführten Voraussetzung vgl. Botschaft zum FinfraG, S. 7624. Botschaft zum BEG, S. 9382; Botschaft zum FinfraG, S. 7624.

§ 36 Besondere Fahrnispfandrechte

619

– leibenSon Joël, Les actes de disposition sur les titres intermédiés, Genfer Diss., Genf/Zürich/Basel 2013. – maRtini claudia K., Doktrin und Praxis der Wertpapierverpfändung, Eine Untersuchung des deutschen und schweizerischen Rechts, Basler Diss., Basel/BadenBaden 2013 (Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Band 113). – oFtingeR /bäR, ZüKomm, Kommentar zu Art. 899–906 ZGB. – SteineR FloRian louiS, Besicherung nach dem Bucheffektengesetz, St. Galler Diss., Zürich/St. Gallen 2012 (St. Galler Schriften zum Finanzmarktrecht, Band 8). – zbinden andRea, Das Pfandrecht an Aktien, Ausgewählte dogmatische und praktische Aspekte des Pfandrechts an Aktien in der Form von Wertpapieren, Wertrechten und Bucheffekten, Diss. Bern 2010 (ASR Heft 773). – zbinden andRea /heSS maRtin, Das reguläre Pfandrecht an Bucheffekten, Ein Beitrag zur Frage der Errichtung des Pfandrechts an Bucheffekten nach Art. 24 Bucheffektengesetz (BEG), GesKR 2011, S. 346 ff. – zobl, BeKomm, Kommentar zu Art. 899–906 ZGB. – zobl dieteR /heSS maRtin/Schott anSgaR (Hrsg.), Kommentar zum Bucheffektengesetz (BEG) …, Zürich/Basel/Genf 2013 (zitiert: beaRbeiteR, Kommentar zum BEG).

III. Das Versatzpfand Einführende Literatur: – Kuhn, § 16. – R iemeR, S. 178 ff. – SteinaueR, Band III, Nr. 3218 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 119 N 24 ff.

1963

Das Versatzpfand («le prêt sur gages») wird in den Art. 907–915 ZGB geregelt. Bei dieser speziellen Art von Faustpfand gewährt die Pfandgläubigerin gewerbsmässig dem Verpfänder ein Darlehen zu einem festen Zinssatz mit der Besonderheit, dass für die Pfandschuld ausschliesslich der Pfandgegenstand haftet (reine Sachhaftung; Art. 910 Abs. 2 ZGB). Sofern nicht etwas anderes bestimmt ist, kommen auf das Versatzpfand die Normen über das Faustpfand zur Anwendung.52 Indessen sind namentlich folgende Abweichungen zu beachten:

1964

1. Gemäss Art. 907 Abs. 1 ZGB bedarf, wer das Pfandleihgewerbe betreiben will, einer Bewilligung («l’autorisation») der kantonalen Regierung. Die Kantone können vorsehen, diese nur öffentlichen Anstalten des Kantons oder der Gemeinden bzw. gemeinnützigen Unternehmungen zu erteilen (Art. 907 Abs. 2 ZGB). Privaten Anstalten wird die Bewilligung nur befristet gewährt; eine Erneuerung ist aber

1965

52

oFtingeR /bäR, ZüKomm, Vorbem. zum 3. Abschnitt, Art. 907–915 ZGB, N 2.

620

Die Fahrnispfandrechte

zulässig (Art. 908 Abs. 1 ZGB). Die Kantone können nach Art. 915 ZGB ausserdem weitere Vorschriften über das Pfandleihgewerbe aufstellen. 1966

2. Für die Begründung («la constitution») eines Versatzpfandrechts ist gemäss Art. 909 ZGB neben der Übergabe des Pfandgegenstands die Ausstellung eines Versatzscheins («un reçu») erforderlich.53

1967

3. Die Auslösung («le remboursement») des Pfandgegenstands erfolgt grundsätzlich gegen Rückgabe des Versatzscheins. Die Einzelheiten des Auslösungsverfahrens sind in den Art. 912 f. ZGB geregelt.

1968

4. Die Realisierung (der «Verkauf»; «la vente») des Pfandrechts erfolgt nicht über eine Betreibung auf Pfandverwertung, sondern durch amtlichen Verkauf (Art. 910 Abs. 1 ZGB; vgl. auch Art. 45 SchKG). Ergibt sich aus dem Verkaufserlös ein Überschuss über die Pfandsumme, so hat der Berechtigte Anspruch auf dessen Herausgabe (Art. 911 Abs. 1 ZGB). Reicht er hingegen für die Deckung der Forderung nicht aus, trägt die Pfandgläubigerin den Ausfall (vgl. Art. 910 Abs. 2 ZGB).

1969

5. Art. 914 ZGB stellt den gewerbsmässigen Kauf auf Rückkauf («ceux qui font métier d’acheter sous pacte de réméré») dem Versatzpfand gleich, da dieser wirtschaftlich gesehen denselben Zweck wie ein Versatzpfand verfolgen kann und so die Gefahr der Gesetzesumgehung besteht. Die Bestimmung verbietet deshalb implizit den gewerbsmässigen Kauf auf Rückkauf, was zur Nichtigkeit des betreffenden Vertrags führt. Stattdessen kommen die Normen über das Versatzpfand zur Anwendung.54 betreiben; eine Beschränkung auf die gemäss Art. 907 Abs. 1 ZGB zum Pfandleihgewerbe ermächtigten Darleiher entspricht nicht dem Schutzzweck der Norm.55 Die von oFtingeR /bäR postulierte Konversion des nichtigen Rechtsgeschäfts in eine Faustpfandbestellung56 ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht möglich, da das Faustpfand in seiner Wirkung über das Versatzpfand hinausgeht.57 Die praktische Bedeutung der Art. 907 ff. ZGB ist gering. In der Schweiz bestehen lediglich noch drei Versatzanstalten, nämlich die Pfandleihkasse der Zürcher Kantonalbank, die «Caisse publique de prêts sur gages de Genève» sowie das private Pfandleihhaus «Istituto Prestiti su Pegno di Lugano».58

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Die rechtliche Einordnung dieses Versatzscheins (Wertpapier?) ist umstritten; vgl. die Hinweise bei SteinaueR, Band III, Nr. 3219f. BGE 126 III 182 ff. (185), E. 3b; oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 6 f. zu Art. 914 ZGB; baueR, BaKomm, N 2 zu Art. 914 ZGB. BGE 126 III 182 ff. (185), E. 3b; a.M. leemann, BeKomm, N 2 zu Art. 914 ZGB; einschränkend oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 6 zu Art. 914 ZGB, welche die Anwendbarkeit der Vorschriften des Versatzpfandes auf Darleiher ohne Bewilligung verneinen. oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 7 zu Art. 914 ZGB. BGE 126 III 182 ff. (184 ff.), E. 3b. Kuhn, § 16 N 2 Fn. 4.

§ 36 Besondere Fahrnispfandrechte

621

IV. Die Pfandbriefe Einführende Literatur: – Kuhn, § 36 N 5 ff. – R iemeR, S. 180. – SteinaueR, Band III, Nr. 3215 ff. – tuoR /SchnydeR /Schmid, § 119 N 37 ff.

1970

Weitere Literatur: – hoRat RobeRt Schweizer Pfandbrief und seine Entwicklungschancen, Zürcher Diss., Bern/Stuttsondere S. 43 ff. – hunziKeR lauRa, Der schweizerische Pfandbrief, Diss. Zürich 1986. – K auFmann thomaS, Der Einsatz eines Hypothekenportfolios einer Bank als gage-backed Securities, Diss. Zürich 2006 (Schweizer Schriften zum Bankrecht, Band 81), insbesondere S. 102 ff. – meieR-hayoz/von deR cRone, S. 315 ff. – nobel PeteR, Schweizerisches Finanzmarktrecht und internationale Standards, 3. A., Bern 2010, § 14 N 1 ff. – zuFFeRey Jean-baPtiSte cière: droit privé et droit public, in: Rumo-Jungo Alexandra et al. (Hrsg.), Une empreinte sur le Code civil, Mélanges en l’honneur de Paul-Henri Steinauer, Bern 2013, S. 695 ff. 1. Die Pfandbriefe («les lettres de gages») waren ursprünglich in den Art. 916–918 ZGB geregelt. Diese Bestimmungen wurden jedoch durch das Pfandbriefgesetz (PfG) vom 25. Juni 193059 ersetzt (Art. 52 Abs. 2 PfG; siehe ausserdem die Pfandbriefverordnung [PfV] vom 23. Januar 193160). Zweck der Pfandbriefe ist es, Grundeigentümern «langfristige Grundpfanddarlehen zu möglichst gleichbleibendem und billigem Zinsfusse zu vermitteln» (Art. 1 Abs. 1 PfG). Zu diesem Zweck nimmt die Pfandbriefzentrale gegen Ausgabe von Pfandbriefen Geld von Anlegern (den Pfandbriefgläubigern) auf (Art. 7 ff. PfG). Die daraus gewonnenen Mittel stellt sie ihren Mitgliedern (Hypothekarbanken) als Darlehen zur Verfügung, die damit ihrerseits langfristige, stabile Hypothekarkredite an Grundeigentümer vergeben (Art. 11 und 13 PfG). Das Pfandbriefwesen ist wirtschaftlich sehr bedeutsam. Bei der Pfandbriefzentrale der schweizerischen Kantonalbanken betrug der Pfandbriefumlauf per 31. März 2017 48,009 Milliarden Franken,61

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SR 211.423.4. SR 211.423.41. Vgl. https://pfandbriefzentrale.ch/de/pfandbriefanleihen/ausstehende-anleihen.php (besucht am 15. April 2017).

1971

1972

622

Die Fahrnispfandrechte

bei der Pfandbriefbank schweizerischer Hypothekarinstitute per 31. Dezember 2016 65,127 Milliarden Franken.62 1973

2. Beim Pfandbrief handelt es sich in der Regel um ein Massenpapier; er ist festverzinslich und auf einen bestimmten Termin rückzahlbar.63 Pfandbriefe können die Form von Wertpapieren, Globalurkunden oder Wertrechten haben; in diesem Fall lauten sie auf den Namen oder auf den Inhaber (Art. 7 Abs. 1 PfG). Darüber hinaus sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, Pfandbriefe in Form von schriftlichen Darlehensverträgen auszugeben (Art. 7 Abs. 2 PfG). Bis zum Inkrafttreten des BEG am 1. Januar 2010 mussten Pfandbriefe verbrieft und mit einer Wertpapierklausel versehen sein. Der Gesetzgeber hat die Einführung des BEG zum Anlass genommen, auch das Pfandbriefgesetz «technologieneutral» auszugestalten und – auf Grund des Bedürfnisses der Praxis, die Ausgabe von Pfandbriefen zu vereinfachen – die möglichen Formen um den schriftlichen Darlehensvertrag ohne Wertpapierklausel zu erweitern.64 Die Pfandbriefzentrale führt für Pfandbriefe, die auf den Namen ausgegeben sind, ein nicht öffentliches Buch, in das die Eigentümer und Nutzniesser eingetragen werden (Art. 7 Abs. 3 PfG). Voraussetzung für die Eintragung ist ein Ausweis über den Erwerb des Pfandbriefs zu Eigentum oder über die Begründung einer Nutzniessung (Art. 7 Abs. 4 PfG). Wer im Buch eingetragen ist, gilt gegenüber der Pfandbriefzentrale als berechtigt (Art. 7 Abs. 5 PfG).

1974

3. Pfandbriefe zeichnen sich durch ihre hohe Sicherheit aus; sie gehören zu den im Sinn von aArt. 401 Abs. 1 ZGB «mündelsicheren» Anlagepapieren.65 Zum Schutz der Kreditgeber sieht das Gesetz insbesondere Folgendes vor:66

1975

– Die Pfandbriefgläubiger haben für ihre Kapitalforderung und die ausstehenden Zinsen ein gesetzliches Fahrnispfandrecht an den Darlehensforderungen der Pfandbriefzentrale gegen ihre Mitglieder (Mitgliedbanken). Im Gegensatz zum Pfandrecht an Forderungen nach Art. 899 ff. ZGB ist für die Entstehung weder ein Verpfändungsvertrag noch die Übergabe eines allfälligen Schuldscheins vorausgesetzt (Art. 18 PfG).67 Die Pfandbriefzentralen haben gemäss Art. 16 Abs. 1 PfG die bei ihnen liegende Deckung der Pfandbriefe – also hauptsächlich die Darlehen – in ein Pfandregister einzutragen (Art. 13 PfV). Das gesetzliche Fahrnispfandrecht von Art. 18 PfG entsteht mit dieser Eintragung und stellt demnach ein Registerpfandrecht dar.68 – Am Pfandrecht nehmen alle Pfandbriefe einer Zentrale ohne Rücksicht auf die Reihenfolge ihrer Ausgabe im gleichen Rang teil (Art. 29 PfG).

– Der Pfandbriefzentrale steht für ihre Darlehensforderungen und die ausstehenden Zinsen ein gesetzliches Fahrnispfandrecht zu an den (direkt oder indirekt durch Grundpfandrechte sicherzustellenden) Forderungen ihrer Mitglieder

1976

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67 68

Vgl. das Stichwort Pfandbriefbank Pool unter http://www.pfandbriefbank.ch (besucht am 15. April 2017). m eieR-h ayoz/von deR cRone, S. 315 ff.; Jäggi, ZüKomm, N 287 zu Art. 965 OR; SteinaueR, Band III, Nr. 3216b; lauRa hunziKeR (zitiert in Nr. 1970), S. 49 ff. Botschaft zum BEG, S. 9387. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 119 N 46; SteinaueR, Band III, Nr. 3217e; lauRa hunziKeR (zitiert in Nr. 1970), S. 65 f. Vgl. auch Art. 6 Abs. 1 lit. c der Verordnung vom 4. Juli 2012 über die Vermögensverwaltung im Rahmen einer Beistandschaft oder Vormundschaft (VBVV; SR 211.223.11). Ausführlich lauRa hunziKeR (zitiert in Nr. 1970), S. 125 ff.; vgl. auch die Skizze bei m eieR-h ayoz/ von deR cRone , S. 318, und bei thomaS K auFmann (zitiert in Nr. 1970), S. 107. m eieR-h ayoz/von deR cRone, S. 318 f.; lauRa hunziKeR (zitiert in Nr. 1970), S. 126 ff. m eieR-h ayoz/von deR cRone, S. 319; lauRa hunziKeR (zitiert in Nr. 1970), S. 126 ff.

§ 36 Besondere Fahrnispfandrechte

623

gegen die Grundeigentümer. Gemäss Art. 23 PfG ist auch hier für die Entstehung des Pfandrechts weder ein Verpfändungsvertrag noch die Übergabe der Deckung erforderlich;69 ebenso wenig muss bei der pfandbriefmässigen Verpfändas Grundbuch eingetragen werden70 (vgl. demgegenüber Art. 859 Abs. 1 ZGB und vorne Nr. 1847b). Die Mitglieder haben nach Art. 21 Abs. 1 PfG die bei ihnen liegende Deckung ihrer Darlehensbezüge in ein Pfandregister einzutragen (vgl. auch Art. 11 f. PfV). Das gesetzliche Fahrnispfandrecht von Art. 23 PfG entsteht mit dieser Eintragung und stellt ein Registerpfandrecht dar.71

– Die Mitgliedbanken der Pfandbriefzentrale müssen ihre Kredite gegenüber den Grundeigentümern vertraglich durch Grundpfand- oder Faustpfandrechte sicherstellen (Art. 19 Abs. 1 PfG).

1977

Die Sicherung soll «erstklassig» sein:72 Grundpfänder müssen in der Schweiz liegen, Faustpfänder in inländischen Grundpfandforderungen oder Pfandbriefen bestehen (Art. 19 Abs. 2 PfG; Art. 17 PfV). Darüber hinaus bestehen für die pfandrechtlich haftenden Grundstücke besondere Schätzungs- und Belehnungsvorschriften (Art. 32 ff. PfG).

Die Pfandbriefgläubiger werden durch diese gesetzlichen Vorschriften doppelt geschützt: einerseits direkt durch ihr eigenes Pfandrecht gegenüber der Pfandbriefzentrale, andererseits indirekt durch das Pfandrecht, das der Zentrale an den durch Grundpfand sichergestellten Forderungen der Mitglieder zukommt; damit sind die Pfandbriefgläubiger letztlich auch durch das Grundpfand selbst abgesichert.73 4. Weiter sind folgende Einzelpunkte festzuhalten: – Das Gesetz räumt das Recht zur Ausgabe von Pfandbriefen lediglich zwei Anstalten ein (Art. 1 Abs. 2 PfG). Es handelt sich hierbei um die Pfandbriefzentrale der Kantonalbanken und die Pfandbriefbank schweizerischer Hypothekarinstitute.74 Die Pfandbriefzentralen müssen eine von der Eidgenössischen Revisionsaufsichtsbehörde zugelassene Prüfgesellschaft mit einer Prüfung nach Art. 24 des Bundesgesetzes über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finanzmarktaufsichtsgesetz, FINMAG) vom 22. Juni 200775 beauftragen (Art. 38a PfG). Sie stehen unter der Aufsicht der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA; vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. a FINMAG). Der Gesetzgeber hat weitere Vorschriften zum Schutz der Anleger erlassen. So ist namentlich die Höhe der Pfandbriefausgabe beschränkt (Art. 10 PfG), die Fälligkeiten der Darlehen und der Pfandbriefe müssen übereinstimmen (Art. 12 PfG), die Deckung muss nötigenfalls erhöht werden (Art. 15, 20 und 25 PfG), und es gelten besondere Bilanzierungsvorschriften (Art. 38 PfG; Art. 18 ff. PfV).

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72 73 74 75

m eieR-h ayoz/von deR cRone, S. 319; lauRa hunziKeR (zitiert in Nr. 1970), S. 135 f. Vgl. dazu Botschaft des Bundesrates vom 12. Mai 2010 zur Änderung des Bankengesetzes (Sicherung der Einlagen), BBl 2010, S. 3993 ff. (4010 f.). m eieR-h ayoz/von deR cRone, S. 319; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 398; lauRa hunziKeR (zitiert in Nr. 1970), S. 135 f. m eieR-h ayoz/von deR cRone, S. 319 f. tuoR /SchnydeR /Schmid, § 119 N 48; m eieR-h ayoz/von deR cRone, S. 319. Ausführlich lauRa hunziKeR (zitiert in Nr. 1970), S. 72 ff. SR 956.1.

1978

1979 1980

624

Die Fahrnispfandrechte

– Kommen die Pfandbriefzentralen oder die Mitgliedbanken (soweit sie Aktienge-

1981

nach, so kann grundsätzlich nur die Betreibung auf Konkurs angehoben werden (Art. 27 PfG). Das Pfandrecht der Pfandbriefe kann mit anderen Worten erst im Konkurs der Pfandbriefzentralen geltend gemacht werden; die Betreibung auf Pfandverwertung ist ausgeschlossen.76 Gleiches gilt für das Pfandrecht der Zentralen gegenüber solchen Mitgliedbanken, die Aktiengesellschaften oder Genossenschaften sind; ist die Mitgliedbank jedoch eine öffentlich-rechtlich organisierte Kantonalbank, so bleibt die Betreibung auf Pfandverwertung möglich.77

– Wer gegen die Pfandbriefgesetzgebung verstösst, haftet nach Art. 44 PfG den Pfandbrief- oder Darlehensgläubigern für den daraus entstandenen Schaden. Das Gesetz enthält überdies Strafbestimmungen (Art. 45 f. PfG).

1982

Mit Art. 44 PfG wollte der Gesetzgeber immerhin keine Kausalhaftung einführen. Es gelten vielmehr die allgemeinen Haftungsregeln, namentlich Art. 41 OR.78

76 77 78

lauRa hunziKeR (zitiert in Nr. 1970), S. 134. lauRa hunziKeR (zitiert in Nr. 1970), S. 140. lauRa hunziKeR (zitiert in Nr. 1970), S. 86 ff.

§ 37 Pfandrechtsähnliche Sicherungsgeschäfte

625

§ 37 Pfandrechtsähnliche Sicherungsgeschäfte 1. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers erfolgt die dingliche Sicherung einer Forderung grundsätzlich über das Pfandrecht. Dieses entspricht jedoch nicht immer den Bedürfnissen der Parteien, etwa weil die Fahrnissache für den Schuldner unentbehrlich ist (ein Faustpfand wegen Art. 884 Abs. 1 ZGB folglich nicht in Betracht kommt) oder die Gläubigerin eine stärkere Rechtsstellung anstrebt, als das Pfandrecht ihr bietet. Im Gesetz selber ist mit dem Eigentumsvorbehalt (vorne Nr. 1095 ff. und hinten Nr. 1985 ff.) die Möglichkeit einer dinglichen Sicherung in Abweichung vom Faustpfandprinzip vorgesehen. Die Praxis hat – namentlich im Bankgeschäft – weitere Institute entwickelt, welche der Gläubigerin eine dingliche Sicherheit an einer Sache oder an einer Forderung bieten sollen. Im Folgenden werden deshalb ausser dem Eigentumsvorbehalt (I.) der Leasingvertrag (II.), das irreguläre Pfandrecht (III.), die Sicherungsübereignung (IV.), die Sicherungszession (V.) sowie die Sicherungshinterlegung (VI.) behandelt und durch Fälle (VII.) ergänzt. Im Vordergrund stehen die sachenrechtlichen Fragestellungen. Diese pfandrechtsähnlichen Sicherungsgeschäfte sind derart anerkannt, dass man ihre Zulässigkeit gestützt auf Gewohnheitsrecht bejahen kann.1 Sofern die prinzips dienen, verletzen sie den Grundsatz des Numerus clausus der beschränkten dinglichen Rechte; diese Frage und die allfällige Sanktion dieser Verletzung sind für jedes Institut gesondert zu prüfen.2

1983

2. Das im ZGB vorgesehene System der Mobiliarsicherheiten genügt immer weniger den heutigen Bedürfnissen der Kreditsicherung.3 Die zugrunde liegende Idee, dass Besitzer und Eigentümer identisch sind (vgl. Art. 930 ZGB), entspricht nicht mehr der Lebenswirklichkeit; das zeigt sich bereits sehr deutlich in der hohen Zahl der Leasingverträge, die dem Schuldner zwar den Besitz, nicht aber das Eigentum an der Sache verschaffen (dazu hinten Nr. 1992 ff.). In der neueren Lehre wird deshalb de lege ferenda die Zulassung besitzloser Sicherheiten diskutiert.

1984a

Im Vordergrund steht hier die Einführung eines einheitlichen Sicherungsrechts nach dem Vorbild von Art. 9 des US-amerikanischen Uniform Commercial Code (UCC).4 Gemäss dieser Regelung entsteht ein Sicherungsrecht unter folgenden Voraussetzungen (vgl. Section 9-203[b] UCC): 1. Es liegt eine Sicherheitsvereinbarung vor (die schriftlich abgefasst sein muss, wenn der Sicherungsgegenstand im Besitz des Sicherungsgebers bleibt); 2. Es existiert eine sicherzustellende Forderung; 3. Der Sicherungsgeber hat Rechte am Sicherungsobjekt erworben. Damit das Sicherungsrecht gegenüber Dritten wirksam ist, bedarf es zusätzlich einer «Perfection», namentlich der Besitzüber-

1 2

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zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1093. Vgl. auch SteinaueR, Band III, Nr. 3096; oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 171. Vgl. etwa die Kritik bei geRhaRd WalteR (zitiert in Nr. 1882), S. 142 f. und 148; daniel giRSbeRgeR , Faustpfandprinzip (zitiert in Nr. 1882), S. 99 ff.; baRbaRa gRaham-SiegenthaleR , Habil. (zitiert in Nr. 1882), S. 724 ff. Zu den Gründen für die Einführung des Verbots der Mobiliarhypothek vgl. daniel giRSbeRgeR, Mobiliarhypothek (zitiert in Nr. 1882), S. 251 ff. Der Text von Art. 9 UCC ist unter http://www.law.cornell.edu/ucc/9 abrufbar (besucht am 15. April 2017). Bei der Konsultation der Literatur ist zu beachten, dass Art. 9 UCC im Jahr 2010 verschiedene Änderungen erfahren hat.

1984

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Die Fahrnispfandrechte

vertraglich vereinbarten Sicherungsrechts (Sections 9-310 und 9-313 UCC). Die Registrierung hat gleichzeitig Bedeutung für den Rang des Sicherungsrechts. Sie kann bereits erfolgen, bevor das Sicherungsrecht überhaupt entstanden ist (Section 9-502[d] UCC). Der UCC lässt auch die Kreditsicherung durch Sach- und Rechtsgesamtheiten zu (vgl. beispielsweise Section 9-102[a][33] und [48] UCC). Die Begründung von generellen Sicherungsrechten mit wechselndem Bestand (sogenannte 5 – Die United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) hat am 14. Dezember 2007 den UNCITRAL Legislative Guide on Secured Transactions verabschiedet,6 der insbesondere die Einführung eines allgemeinen Registers 7 und in verschiedener Hinsicht für die Revision des schweizerischen Mobiliarsachenrechts herangezogen werden kann.8 – Anlässlich des Schweizerischen Juristentages vom 21./22. September 2007 in Luzern hat der Schweizerische Juristenverein zuhanden der eidgenössischen Räte eine Resolution mit folgendem Wortlaut gefasst: «1. Das Mobiliarsicherungsrecht im ZGB ist reformbedürftig. 2. Der Gesetzgeber wird eingeladen, die Einführung einer allgemeinen Mobiliarhypothek im ZGB zu prüfen.»9

Zu beachten bleibt, dass das Inkrafttreten des Bucheffektengesetzes am 1. Januar 2010 und die Einführung des Register-Schuldbriefs am 1. Januar 2012 die Kreditsicherung in verschiedener Hinsicht erleichtert hat (Bestellung von Sicherheiten an Bucheffekten, vorne Nr. 1961a ff.; Verpfändung des Register-Schuldbriefs, vorne Nr. 1847b).

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7 8

9

Vgl. zum Ganzen etwa a ntoine eigenmann (zitiert in Nr. 1882), Nr. 550 ff. und 846 ff. (mit einem ausformulierten Vorschlag für ein Bundesgesetz über Mobiliarsicherheiten und einer Verordnung betreffend ein Zentralregister für Mobiliarsicherheiten [Nr. 1156 ff.]); beRnhaRd beRgeR (zitiert in Nr. 1882), S. 202 ff.; WolFgang Wiegand, Mobiliarsicherheiten (zitiert in Nr. 1985), S. 127 ff.; geRhaRd WalteR (zitiert in Nr. 1882), S. 148 ff.; baRbaRa gRaham-SiegenthaleR, Habil. (zitiert in Nr. 1882), S. 724 ff.; bénédict Foëx, propositions (zitiert in Nr. 1882), S. 324 ff.; daniel giRSbeRgeR , Mobiliarhypothek (zitiert in Nr. 1882), S. 255 ff.; lionel a eSchlimann/bénédict Foëx (zitiert in Nr. 1882), S. 30 ff. Zurückhaltend mit Bezug auf die Einführung einer allgemeinen Mobiliarhypothek nataša (zitiert in Nr. 1882), S. 1451 f. Zu Projekten auf internationaler Ebene zur Harmonisierung des Kreditsicherungsrechts vgl. die Hinweise bei beRnhaRd beRgeR , S. 200 f.; baRbaRa gRaham-SiegenthaleR , Habil., S. 631 ff.; dieSelbe , Neuere Entwicklungen im internationalen Kreditsicherungsrecht, Das UNIDROIT/ICAO-Übereinkommen über internationale Sicherungsrechte an mobilen Ausrüstungsgegenständen, AJP 2004, S. 291 ff.; daniel giRSbeRgeR , Mobiliarhypothek, S. 264 ff.; h einz R ey, Sicherungsrechte im Entwicklungsprozess – Versuch einer Zwischenbilanz, in: Hans-Caspar von der Crone et al. (Hrsg.), Aktuelle Fragen des Bank- und Finanzmarktrechts, FS für Dieter Zobl, Zürich 2004, S. 301 ff. Aus der Sicht des Sanierungsrechts R amon m abillaRd, Gefährdung der Sanierung durch Mobiliarhypotheken?, Gedanken zur Neuordnung der Mobiliarhypothek unter Berücksichtigung der Revision des Sanierungsrechts, in: Alexandra Rumo-Jungo et al. (Hrsg.), Une empreinte sur le Code civil, Mélanges en l’honneur de PaulHenri Steinauer, Bern 2013, S. 495 ff. Der Text ist abrufbar unter http://www.uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/payments/Guide_securedtrans.html (besucht am 15. April 2017). Vgl. namentlich Recommendation 1, subparagraph f, und Recommendation 32. Vgl. dazu bénédict Foëx, Les types et la création de sûretés selon le Guide législatif de la CNUDCI, Quelques enseignements pour le droit suisse, in: Bénédict Foëx et al. (Hrsg.), Réforme des sûretés mobilières, Les enseignements du Guide législatif de la CNUDCI, Genf 2007, S. 63 ff.; vgl. auch denSelben, Opposabilité, registre et priorité, Les chapitres V à VII du guide législatif de la CNUDCI, a.a.O., S. 73 ff., und a ntoine eigenmann, Publicité et effets à l’égard des tiers des sûretés mobilières, a.a.O., S. 91 ff. SJZ 103/2007, S. 596.

§ 37 Pfandrechtsähnliche Sicherungsgeschäfte

I.

627

Der Eigentumsvorbehalt

Literatur: – bühleR theodoR, Sicherungsmittel im Zahlungsverkehr – Dokumentenakkreditiv, Bankgarantie, Eigentumsvorbehalt, Zürich 1997 (insbesondere S. 175 ff.). – haab, ZüKomm, N 145 ff. zu Art. 715, 716 ZGB. – Kuhn, § 20. – oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 173 ff. – SteinaueR, Band III, Nr. 3097 ff. – Wiegand WolFgang, Eigentumsvorbehalt, Sicherungsübereignung und Fahrnispfand, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), Mobiliarsicherheiten …, Berner Bankrechtstag 1998, Bern 1998, S. 75 ff. (zitiert: Wiegand, Mobiliarsicherheiten). – zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1698 ff.

1985

1. Der in Art. 715 f. ZGB geregelte Eigentumsvorbehalt («la réserve de propriété»; im Einzelnen vorne Nr. 1095 ff.) ersetzt in gewisser Hinsicht die fehlende Möglichkeit der Mobiliarhypothek; er ist allerdings auf Fälle beschränkt, in denen Eigentum erworben werden soll.10 Der Gesetzgeber hat hier zum Zweck der Kreditsicherung vorgesehen, dass das Eigentum an einer veräusserten Sache nicht mit der Besitzübertragung, sondern erst mit der vollständigen Bezahlung des Kaufpreises auf den Erwerber übergeht. Die Interessen allfälliger Dritter werden geschützt, indem für die Wirksamkeit des Eigentumsvorbehalts die Eintragung in ein besonderes Register vorgeschrieben ist (vorne Nr. 1097 und 1103 ff.).

1986

2. Die Begründung eines Eigentumsvorbehalts ist nur in den (engen) Grenzen der Art. 715 f. ZGB möglich. Das Institut darf nicht zur Umgehung des Verbots der Mobiliarhypothek missbraucht werden. Aus diesem Grund sind insbesondere folgende Absprachen unzulässig11 und machen den Eigentumsvorbehalt unwirksam:

1987

– die Abrede, wonach durch den Eigentumsvorbehalt eine andere Forderung als die Gegenforderung aus dem Veräusserungsgeschäft abgesichert werden soll;12

1988

– die nachträgliche Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts nach Übergabe der Sache an den Erwerber13 (dazu vorne Nr. 1102);

1989



1990

seinen Gläubiger verkauft und sie unter Errichtung eines Eigentumsvorbehalts zu Gunsten dieses Gläubigers unmittelbar wieder zurückkauft;

– die Abrede eines «verlängerten Eigentumsvorbehalts», durch die der Lieferant (als Eigentumsvorbehaltsverkäufer) und der Erwerber (als Eigentumsvorbe-

10 11

12

13

oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 174. Vgl. auch SteinaueR, Band III, Nr. 3097a ff.; oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 175 ff.; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1707 ff. BGE 102 III 150 ff. (152), E. 2; baueR, BaKomm, N 28 der Vorbem. zu Art. 884–894 ZGB. A.M. R ey, Band I, Nr. 1758. BGE 93 III 96 ff. (104), E. 5.

1991

628

Die Fahrnispfandrechte

haltskäufer und Verarbeiter) vereinbaren, der Vorbehalt beziehe sich auch auf die durch den Verarbeiter neu hergestellte Sache.14

II. Der Leasingvertrag (Finanzierungsleasing) 1992

Literatur: – amStutz maRc/moRin aRiane, Einleitung vor Art. 184 ff. OR, in: Honsell Heinrich/Vogt Nedim Peter/Wiegand Wolfgang (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I (Art. 1–529 OR), 6. A., Basel/Frankfurt am Main 2015. – emch /R enz/aRPagauS, Nr. 1114 ff. – giovanoli maRio, Le contrat de leasing et le droit suisse, JdT 1981 I, S. 34 ff. – giRSbeRgeR daniel, Grenzüberschreitendes Finanzierungsleasing – Internationales Vertrags-, Sachen- und Insolvenzrecht, Eine rechtsvergleichende Untersuchung, Habil. Zürich 1997 (zitiert: giRSbeRgeR, Habil.). – deRSelbe, Finanzierungsleasing als Kreditsicherheit: National – International, in: Koller Alfred (Hrsg.), Leasingrecht: Ausgewählte Fragen, Bern 2007, S. 1 ff. – hauSheeR heinz, Finanzierungs-Leasing beweglicher Investitionsgüter, ZBJV 106/1970, S. 209 ff. (zitiert: hauSheeR, Finanzierungs-Leasing). – deRSelbe, Leasing und Kreditsicherung, in: Berner Tage für die juristische Praxis 1981, Probleme der Kreditsicherung, Bern 1982, S. 157 ff. (zitiert: hauSheeR, Kreditsicherung). – deRSelbe, Urteilsanmerkung zum Leasing-Entscheid des Bundesgerichts vom 30. April 1992, ZBJV 128/1992, S. 480 ff. (zitiert: hauSheeR, Urteilsanmerkung). – honSell heinRich, Das Aussonderungsrecht des Leasinggebers im Konkurs des Leasingnehmers beim Investitionsgüterleasing, SJZ 95/1999, S. 21 ff. – Kuhn, § 21. – Schmid/StöcKli /K RauSKoPF, Nr. 2517 ff. – StaudeR beRnd, Das Finanzierungs-Investitionsgüterleasing von Mobilien durch eine Leasinggesellschaft: Offene Fragen, in: Kramer Ernst A. (Hrsg.), Neue Vertragsformen der Wirtschaft: Leasing, Factoring, Franchising, 2. A., Bern/Stuttgart/ Wien 1992, S. 71 ff. – SteinaueR, Band III, Nr. 3097g. – StöcKlin maRKuS, Der Leasingvertrag als Mittel der Umgehung zwingenden Rechts, Diss. Basel 1985. – teRcieR /bieRi /caRRon, Nr. 7126 ff. – WidmeR maRtin, Les normes impératives applicables au contrat de leasing, SJZ 74/1978, S. 106 f.

14

SteinaueR, Band III, Nr. 3097d; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1711; h aab/zobl, ZüKomm, N 58 zu Art. 726 ZGB; theodoR bühleR (zitiert in Nr. 1985), S. 199. A.M. (ohne Begründung) SutteR-Somm, Nr. 999; differenzierend WolFgang Wiegand, Mobiliarsicherheiten (zitiert in Nr. 1985), S. 100.

§ 37 Pfandrechtsähnliche Sicherungsgeschäfte

1.

629

Der Begriff

1. Der Begriff «Leasing» wird in der Literatur nicht einheitlich verwendet. Im Folgenden geht es ausschliesslich um das sogenannte Finanzierungsleasing («le leabeteiligt, nämlich die Leasinggeberin (Leasing-Gesellschaft; «le crédit-bailleur»), der Leasingnehmer («le preneur de leasing») sowie der Lieferant («le tiers-fournisseur»). Dem Finanzierungsleasing liegt folgendes Schema zugrunde: Die Leasingzierende Objekt beim Lieferanten und stellt es dem Leasingnehmer während der (regelmässig unkündbaren) Vertragsdauer zur Verfügung. Der Leasingnehmer kann es frei gebrauchen und nutzen, übernimmt dafür aber sämtliche Risiken und Lasten und zahlt der Leasinggeberin in der Regel monatliche Raten, deren Gesamtbetrag den Wert des Objekts inklusive Zinsen, Nebenkosten und Gewinnmarge deckt. Die Vertragsdauer richtet sich grundsätzlich nach der geschätzten wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Vertragsgegenstands; bei Vertragsende kann der Leasingnehmer regelmässig wählen, ob er das Objekt zurückgibt, den Vertrag verlängert, einen neuen Vertrag schliesst oder aber das Objekt kauft.15 Eine Sonderform des Finanzierungsleasings ist das sogenannte «Sale-and-leaseback», bei dem der Leasingnehmer die Sache, die er zuvor von einem Dritten zu Eigentum erworben hat, der Leasinggeberin verkauft und gleichzeitig mit ihr einen Leasingvertrag über eben diese Sache abschliesst.16

1993

1994

2. Beim Finanzierungsleasing liegen nach dem Gesagten grundsätzlich zwei voneinander unabhängige Vertragsverhältnisse vor:

1995

– Die Leasinggeberin schliesst mit dem Lieferanten einen Kaufvertrag ab. Da der Leasinggegenstand direkt an den Leasingnehmer geliefert wird, erwirbt die Leasinggeberin das Eigentum mittels Stellvertretung (vgl. Art. 923 ZGB).17

1996

– Die Leasinggeberin und der Leasingnehmer schliessen einen Leasingvertrag mit dem oben (Nr. 1993 f.) dargelegten Inhalt (Innominatkontrakt). Rechtliche Eigentümerin des Leasinggegenstands ist nach dem Willen der Parteien die Leasinggeberin, während das sogenannte wirtschaftliche Eigentum dem Leasingnehmer zukommt.

1997

Zwischen dem Lieferanten und dem Leasingnehmer besteht hingegen keinerlei Vertragsbezie-

15

16 17

Vgl. zum Ganzen an Stelle vieler BGE 118 II 150 ff. (153 f.), E. 4b; BGer 4A_404/2008, E. 4.1.1; ZBJV 149/2013, S. 552 ff. (553), E. 3.1 (Bezirksgericht Leuk); a mStutz/moRin, BaKomm (zitiert in Nr. 1992), Einleitung vor Art. 184 ff. OR, N 59 und 62. a mStutz/moRin, BaKomm (zitiert in Nr. 1992), Einleitung vor Art. 184 ff. OR, N 68. Zur Problematik der Stellvertretung bei nichtigen Leasingverträgen vgl. BlSchK 55/1991, S. 225 ff. (235 ff.), E. III./2. (Bezirksgericht Zürich), sowie ZBJV 120/1994, S. 98 ff. (101 f.), E. 3 (Berner Appellationshof).

630

2.

Die Fahrnispfandrechte

Leasing als Umgehung des Numerus clausus der beschränkten dinglichen Rechte?

1998

1. Der Leasingnehmer darf die Sache zwar bis zur (fast) vollständigen Entwertung benutzen. Eigentümerin im Rechtssinn ist aber wie gesagt die Leasinggeberin, die auf diese Weise – ähnlich wie bei einem Fahrnispfand – dinglich sichergestellt ist; insbesondere kann sie im Konkurs des Leasingnehmers die Sache als ihr Eigentum herausverlangen. Anders als beim Fahrnispfand wird diese Sicherung jedoch nicht offengelegt, weder durch Besitzübertragung noch durch einen Registereintrag. In der Lehre ist umstritten, ob ein solches dinglich wirkendes Sicherungsrecht ohne jede Publizität überhaupt zulässig ist, oder ob dadurch nicht vielmehr der Numerus clausus der beschränkten dinglichen Rechte verletzt wird. Es muss mit anderen Worten geprüft werden, ob auf den Leasingvertrag die zwingenden Bestimmungen über den Eigentumsvorbehalt (Art. 715 ZGB) oder über das Verbot der Umgehung des Faustpfandprinzips (Art. 717 ZGB) zur Anwendung kommen. Dazu ist Folgendes festzuhalten:

1999

– Art. 715 ZGB regelt lediglich solche Geschäfte, bei denen der Schuldner Eigentum erwerben will; der Zeitpunkt des Erwerbs ist bei Begründung eines Eigentumsvorbehalts allerdings aufgeschoben, bis der Kaufpreis vollständig bezahlt ist. Die Leasingabrede hat hingegen nach dem Willen der Parteien regelmässig keine Eigentumsübertragung (im Rechtssinn) zum Inhalt. Art. 715 ZGB kann daher beim Leasingvertrag nur zur Anwendung kommen, wenn die Abmachung objektiv gesehen seiner Umgehung dient. Das trifft dann zu, wenn die vereinbarte umfassende Nutzungsüberlassung durch die Leasinggeberin mit Überwälzung der Eigentümerrisiken auf den Leasingnehmer sachenrechtlich einer Veräusserung gleichzustellen ist.18 Dieser Wertungsentscheid obliegt de lege lata dem Gericht; keinesfalls kann der Parteiwille darüber entscheiden, da sonst ohne Weiteres zwingendes Recht umgangen werden könnte.19 Die überwiegende Lehre und Rechtsprechung verneint den Veräusserungscharakter der Nutzungsüberlassung des Leasingguts; sie geht beim Finanzierungsleasing vielmehr von einem Gebrauchsüberlassungsvertrag sui generis aus. Demzufolge liegt kein Umgehungsgeschäft vor, Art. 715 ZGB kommt nicht zur Anwendung.20

2000

Die Ansicht, dass der Leasingvertrag ein Veräusserungsvertrag sui generis sei, wird insbesondere von h auSheeR 21 vertreten. Das Eigentum verbleibt in diesem Fall nur dann beim Leasinggeber, wenn eine Eintragung in das Eigentumsvorbehaltsregister erfolgt.22 StöcKlin zufolge23 ist jeweils im Einzelfall zu ermitteln, ob die Parteien letztlich eine Gebrauchsüberlassung oder eine

18 19

20

21 22 23

beRnd StaudeR (zitiert in Nr. 1992), S. 89. Vgl. demgegenüber BGE 118 II 150 ff. (156), E. 6c; kritisiert von h einz h auSheeR, Urteilsanmerkung (zitiert in Nr. 1992), S. 482 f. Vgl. auch BGer 4A_404/2008, E. 4.1.2, der eine Zuordnung zu den Veräusserungsverträgen dann ausschliesst, wenn der Vertrag vorsieht, «dass das Leasingobjekt am Ende der Vertragsdauer der Leasinggeberin zurückgegeben wird». teRcieR /bieRi /caRRon, Nr. 7149 mit Hinweisen; h einRich honSell (zitiert in Nr. 1992), S. 25 ff.; vgl. auch BGE 118 II 150 ff. (156 f.), E. 6; 119 II 236 ff. (238 f.), E. 4; BGer 4A_404/2008, E. 4.1.2; SJZ 73/1977, S. 320 ff. (322 f.), E. 7 (Handelsgericht Zürich). h einz h auSheeR, Finanzierungs-Leasing (zitiert in Nr. 1992), S. 220 ff. Vgl. auch BJM 1997, S. 26 ff. (31 f.), E. 4a (Appellationsgericht Basel-Stadt). m aRKuS StöcKlin (zitiert in Nr. 1992), S. 95 ff.

§ 37 Pfandrechtsähnliche Sicherungsgeschäfte

631

Veräusserung des Leasingobjekts wollen.24 giovanoli25 schliesslich spricht von einem Kreditver26 trag sui generis,

– Art. 717 ZGB befasst sich (unter anderem) mit der Umgehung des Faustpfandprinzips: Bleibt eine verkaufte Sache auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses beim Veräusserer (Besitzeskonstitut; vorne Nr. 178 ff.), so ist der Eigentumsübergang Dritten gegenüber unwirksam, wenn die Parteien damit die Bestimmungen über das Faustpfand umgehen wollen (vgl. vorne Nr. 188 und 1093). Das Finanzierungsleasing fällt regelmässig nicht unter diese Norm, da die Leasinggeberin die Sache von einem Dritten (und nicht vom Leasingnehmer) erwirbt. Auf die Sonderform des «Sale-and-lease-back» (vorne Nr. 1994) ist Art. 717 ZGB hingegen anwendbar, da die Parteien damit keinen Güteraustausch, sondern die Sicherstellung einer Forderung beabsichtigen und insofern die Regeln über das Faustpfand umgehen.27 Da sich dieser Fall aber wirtschaftlich gesehen nicht vom regulären Finanzierungsleasing unterscheidet, wäre eine analoge Anwendung der Bestimmung denkbar, um die Interessen Dritter, die den Leasingnehmer als Eigentümer der Sache angesehen und ihn daher (zu Unrecht) für kreditwürdig gehalten haben, angemessen zu schützen.28

2001

2. Das Gesagte zeigt, dass in Bezug auf die Zulässigkeit des Leasings als Kreditsicherungsmittel eine gewisse Rechtsunsicherheit herrscht; eine Regelung des Leasingvertrags durch den Gesetzgeber wäre daher wünschenswert.29 In der Lehre wird de lege ferenda die Einrichtung eines Registers vorgeschlagen.30

2002

Das Konsumkreditgesetz zählt Leasingverträge über bewegliche, dem privaten Gebrauch des Leasingnehmers dienende Sachen zu den Konsumkreditverträgen, sofern sie für den Fall der vorzeilit. a KKG). über das internationale Finanzierungsleasing vom 28. Mai 1988.31 Das Übereinkommen sieht den Vorrang der dinglichen Rechte des Leasinggebers vor, lässt jedoch zu, dass das anwendbare Recht hierfür die Einhaltung von Publizitätsvorschriften verlangt (Art. 7 Abs. 1 und 2).32

24 25 26

27

28

29 30

31

32

Ebenso m aRtin WidmeR (zitiert in Nr. 1992), S. 107; BJM 1997, S. 26 ff. (29 ff.), E. 3b–d. m aRio giovanoli (zitiert in Nr. 1992), S. 55 ff. Vgl. die Zusammenfassung der verschiedenen Lehrmeinungen bei beRnd StaudeR (zitiert in Nr. 1992), S. 77 ff., und daniel giRSbeRgeR, Habil. (zitiert in Nr. 1992), Nr. 239 und 312. m aRKuS StöcKlin (zitiert in Nr. 1992), S. 155 f. mit Hinweisen; ablehnend jedoch daniel giRSbeRgeR, Habil. (zitiert in Nr. 1992), Nr. 263 ff. Vgl. dazu auch beRnd StaudeR (zitiert in Nr. 1992), S. 91 f.; ablehnend m aRKuS StöcKlin (zitiert in Nr. 1992), S. 153 f.; h einRich honSell (zitiert in Nr. 1992), S. 24 f.; wohl auch daniel giRSbeRgeR , Habil. (zitiert in Nr. 1992), Nr. 263 ff. h einz h auSheeR, Urteilsanmerkung (zitiert in Nr. 1992), S. 484. Vgl. etwa h einz h auSheeR, Kreditsicherung (zitiert in Nr. 1992), S. 171 f.; beRnhaRd beRgeR (zitiert in Nr. 1882), S. 235 f.; geRhaRd WalteR (zitiert in Nr. 1882), S. 147; ablehnend h einRich honSell (zitiert in Nr. 1992), S. 25. Der englische Originaltext ist zugänglich über http://www.unidroit.org/instruments/leasing/convention-leasing (besucht am 15. April 2017) oder (mit deutscher Übersetzung) in: Ernst A. Kramer (Hrsg.), Neue Vertragsformen der Wirtschaft: Leasing, Factoring, Franchising, 2. A., Bern/Stuttgart/ Wien 1992, S. 218 ff. und 228 ff. beRnd StaudeR (zitiert in Nr. 1992), S. 99; daniel giRSbeRgeR, Habil. (zitiert in Nr. 1992), Nr. 484 ff.; caRSten thomaS ebenRoth, Leasing im grenzüberschreitenden Verkehr, in: Ernst A.

632

Die Fahrnispfandrechte

III. Das irreguläre Pfandrecht 2003

Literatur: – Kuhn, § 15. – oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 182 ff. – SteinaueR, Band III, Nr. 3111 ff. – zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1105 ff.

2004

1. Beim irregulären Pfandrecht («pignus irregulare»; «le droit de gage irrégulier») überträgt der Schuldner (bzw. ein Dritter) dem Gläubiger zur Sicherung einer Forderung bestimmte vertretbare Sachen zu Eigentum mit der Absprache, dass der Gläubiger ihm bei Erlöschen der Forderung entsprechende Sachen in gleicher Menge und Qualität zurückzugeben hat.33 Im Einzelnen:

2005

– Das «pignus irregulare» dient der Sicherstellung einer (bereits bestehenden oder aber erst künftigen) Forderung. Zu nennen ist etwa der Fall, dass sich eine Anwältin ihr künftiges Honorar sicherstellen lässt, indem der Klient ihr eine Barkaution leistet.34 erbringt ein Angeschuldigter im Strafprozess eine Sicherheitsleistung in Form einer Barkaution, die an die Stelle von Untersuchungs- oder Sicherheitshaft tritt (Art. 237 Abs. 2 lit. a und Art. 238 ff. StPO).35 Derartige Barkautionen unterstehen nach der Praxis nur dann dem öffentlichen Recht, wenn sie durch dieses speziell geregelt werden. Die materiellen Vorschriften des Privatrechts sind aber in diesem Fall sinngemäss anwendbar.36

– Gegenstand des irregulären Pfandrechts sind vertretbare Sachen, also solche, «bei denen es nach allgemeiner Verkehrsanschauung nicht auf die besonderen Eigenschaften des einzelnen Stückes ankommt und die deshalb durch andere gleichartige Stücke ersetzt werden können».37 Gewöhnlich handelt es sich dabei um Geld (sogenannte Barkaution; «la caution»); in der Praxis beschränkt sich der Anwendungsbereich der Barkaution regelmässig auf die Sicherstellung künftiger ungewisser Forderungen.38

2006

Ein irreguläres Pfandrecht kann auch an Bucheffekten begründet werden.39 Verbrauchbare Sachen fallen ebenfalls in Betracht, sofern sie vertretbar sind.40

33

34

35

36 37 38 39 40

Kramer (Hrsg.), Neue Vertragsformen der Wirtschaft: Leasing, Factoring, Franchising, 2. A., Bern/ Stuttgart/Wien 1992, S. 117 ff. (205 f.). oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 183; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1106. Vgl. dazu und zu weiteren Beispielen zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1176 ff. Vgl. dazu und zu weiteren Beispielen zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1191 ff. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1172 ff. R ey, Band I, Nr. 153. oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 184. Kuhn, § 15 N 2; Botschaft zum FinfraG, S. 7623. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1113.

633

§ 37 Pfandrechtsähnliche Sicherungsgeschäfte

– Im Gegensatz zum regulären Pfandrecht geht das Eigentum an der Sache auf den Gläubiger über. Er kann frei darüber verfügen, ohne sich der Veruntreuung schuldig zu machen oder nach Art. 887 bzw. 890 Abs. 2 ZGB haftbar zu werden.41

2007

Die Parteien können selbstverständlich vereinbaren, dass das Eigentum nicht übertragen wird; dann liegt ein normales Fahrnispfand vor. Fehlt eine ausdrückliche Absprache in Bezug auf die Eigentumsverhältnisse, muss der Vertrag ausgelegt werden; bei offener Übergabe einer Geldsumme ist in analoger Anwendung von Art. 481 Abs. 2 OR die Bestellung eines irregulären Pfandrechts zu vermuten.42



ein der empfangenen Sache gleichwertiges Objekt zurückzugeben, wenn die Pfandforderung untergegangen ist bzw. die gesicherte künftige Forderung nicht mehr entstehen kann.43 Diese Rückerstatobligatorischer Natur.44

2008

Der Pfandgläubiger hat für andere Forderungen, die ihm gegen den Verpfänder zustehen, weder ein Retentionsrecht an der Sache noch die Möglichkeit der Verrechnung.45

– Im Fall der Nichtbefriedigung kann sich der Pfandgläubiger durch die bereits zu Eigentum empfangene Sache bezahlt machen, indem er sie entweder behält oder aber privat verwertet. Ein allfälliger Überschuss ist dem Verpfänder herauszugeben.46

2009

Damit das Pfandrecht geltend gemacht werden kann, muss die gesicherte Forderung fällig sein; 47

2. Die Rechtsnatur des irregulären Pfandrechts ist umstritten.48 Die Zulässigkeit dieses Sicherungsinstituts wird anerkannt.49 In Ermangelung einer gesetzlichen Regelung sind grundsätzlich die Bestimmungen über das Fahrnispfandrecht analog anzuwenden, da das «pignus irregulare» wirtschaftlich denselben Zweck erfüllt wie ein Fahrnispfand.50 Insbesondere ist für die Errichtung eines irregulären Pfandrechts neben einem (formlos gültigen) Pfandvertrag die Besitzübertragung erforderlich; das «constitutum possessorium» als Traditionssurrogat ist unzulässig.51

41

42 43 44

45

46

47 48 49

50

51

oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 186; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1116. Vgl. im Übrigen zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1119 ff. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1148. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil vor Art. 884 ZGB, N 1154 ff. Hinsichtlich der Verrechnung umstritten; vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 3114c, und zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1149 ff., je mit Hinweisen. SteinaueR, Band III, Nr. 3115; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1166 ff. oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 198. Vgl. dazu zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1123 ff. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1107 mit Hinweisen; wohl auch BGE 106 II 369 ff. (381), E. 5. BGE 23 I 689 ff. (699 f.), E. 3; zur Anwendbarkeit der einzelnen Normen vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 3114a. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1142.

2010 2011

634

Die Fahrnispfandrechte

IV. Die Sicherungsübereignung 2012

Literatur: – de gottRau nicolaS et applications dans le domaine bancaire, in: Iynedjian Nicolas (Hrsg.), Sûretés et garanties bancaires, Lausanne 1997, S. 173 ff. – emch /R enz/aRPagauS, Nr. 980 ff. – Foëx bénédict, Les actes de disposition sur les cédules hypothécaires, in: Hottelier Michel/Foëx Bénédict (Hrsg.), Les gages immobiliers – Constitution volontaire et réalisation forcée, Basel/Genf/München 1999, S. 113 ff. (121 ff.). – gammeteR alexandeR, Der Register-Schuldbrief und die Sicherungsübereignung, BN 72/2011, S. 129 ff. – gauch /SchlueP/Schmid – Jäggi /gauch /haRtmann Rechtsgeschäft). – K ameRzin Sidney, Le contrat constitutif de cédule hypothécaire, Freiburger Diss., Zürich/Basel/Genf 2003 (AISUF Band 223), insbesondere Nr. 188 ff. – K auFmann thomaS, Der Einsatz eines Hypothekenportfolios einer Bank als Sicher-

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backed Securities, Diss. Zürich 2006 (Schweizer Schriften zum Bankrecht, Band 81), insbesondere S. 35 ff. und 195 ff. K RameR Kuhn, § 14. oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 234 ff. SteinaueR, Band III, Nr. 3098 ff. thévénoz luc réforme, in: Schweizerischer Juristenverein, Referate und Mitteilungen 129/1995, S. 253 ff., besonders S. 302 ff. (= ZSR NF 114/1995 II, S. 253 ff.). vollenWeideR maRKuS F., Die Sicherungsübereignung von Schuldbriefen als Sicherungsmittel der Bank, Diss. Freiburg 1994 (AISUF Band 141). WatteR RolF, Die Treuhand im Schweizer Recht, in: Schweizerischer Juristenverein, Referate und Mitteilungen 129/1995, S. 179 ff. (= ZSR NF 114/1995 II, S. 179 ff.). WeiSS SteFan, unter besonderer Berücksichtigung des bundesrätlichen Entwurfs vom 27. Juni 2007, Luzerner Diss., Zürich/Basel/Genf 2009 (LBR Band 42), insbesondere Nr. 161 ff. deRSelbe, Die gesetzliche Verankerung der Sicherungsübereignung – eine kritische Auseinandersetzung mit dem bundesrätlichen Entwurf zum neuen Schuldbriefrecht, ZBJV 145/2009, S. 125 ff. Wiegand WolFgang, Fiduziarische Sicherungsgeschäfte, ZBJV 116/1980, S. 537 ff. deRSelbe, Eigentumsvorbehalt, Sicherungsübereignung und Fahrnispfand, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), Mobiliarsicherheiten …, Berner Bankrechtstag 1998, Bern 1998, S. 75 ff. (zitiert: Wiegand, Mobiliarsicherheiten).

§ 37 Pfandrechtsähnliche Sicherungsgeschäfte

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– zobl dieteR, Zur Sicherungsübereignung von Schuldbriefen, ZBGR 68/1987, S. 281 ff. – zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1299 ff. 1.

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handelt es sich um ein mit folgendem Inhalt: Der Schuldner bzw. ein Dritter (Fiduziant; « (Fiduziarin; « beweglichen Sache mit der Absprache, dass die Gläubigerin nur im Rahmen des für den Sicherungszweck Erforderlichen von der Sache Gebrauch macht und sie bei Erlöschen der Forderung auf den vorherigen Eigentümer zurücküberträgt.52 Im Einzelnen: – Die Sicherungsübereignung dient der Sicherstellung einer Forderung.

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Diese kann bereits bestehen oder aber zukünftig bzw. bloss möglich sein.53

– Als Gegenstand einer Sicherungsübereignung kommen alle beweglichen Sachen 54 delt es sich um Inhaber- oder Ordrepapiere. Auch Bucheffekten sind der Sicherungsübereignung zugänglich (vorne Nr. 1961b).

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Das Bundesgericht hat sich bisher insbesondere mit der Sicherungsübereignung von Schuldbriefen befasst (vgl. dazu ausführlich vorne Nr. 1844 ff.). – Zur Sicherungsübereignung von Grundstücken vgl. vorne Nr. 1489 mit Hinweisen.

– Anders als beim Pfandrecht geht das Eigentum an der Sache auf die Fiduziarin über;55 diese erhält die Stellung einer gewöhnlichen Eigentümerin im Sinn von Art. 641 ZGB56 und hat dementsprechend das Recht, über die Sache zu verfügen (vorne Nr. 657 ff. und 721).57 Sie kann sie namentlich gültig veräussern oder mit einem beschränkten dinglichen Recht belasten, selbst wenn der Dritte bösgläubig ist.58 Der Fiduziarin stehen ausserdem Nutzung und Gebrauch der Sache zu.59 Gerät sie in Konkurs, so fällt die Sache als ihr Eigentum in die Konkursmasse; der Fiduziant hat kein Aussonderungsrecht.60

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SteinaueR, Band III, Nr. 3098; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1300. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1400. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1395 f. Zur Zulässigkeit einer resolutiv bzw. suspensiv bedingten Eigentumsübertragung vgl. zobl/thuRnheRR , BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1413 ff. – Bezüglich der (von einer Minderheit vertretenen) Meinung, wonach die Eigentumsübertragung von den Parteien bei der Sicherungsübereignung lediglich simuliert wird, siehe zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1303 ff. BGE 117 II 429 ff. (430 f.), E. 3b; BGer 8C_642/2015, E. 6; 5A_738/2015, E. 3.3; 4A_242/2015, E. 2.4.3. Vgl. auch BGE 134 III 71 ff. (73), E. 3. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1359. Vgl. SteinaueR, Band III, Nr. 3103, und zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1427, je mit Hinweisen; a.M. oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 251. SteinaueR, Band III, Nr. 3103. BGE 117 II 429 ff. (431 f.), E. 3b; WolFgang Wiegand (zitiert in Nr. 2012), S. 565 f.; zobl/thuRnheRR , BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1466 (mit Hinweisen auf Ausnahmen in

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Die Fahrnispfandrechte

Das Sicherungseigentum ist im Verhältnis zur gesicherten Forderung gemäss überwiegender Lehrmeinung nicht akzessorisch.61 Daraus folgt einerseits, dass das Eigentum bei Abtretung der Forderung nicht als Nebenrecht im Sinn von Art. 170 Abs. 1 OR auf den Zessionar übergeht; nach einem Teil der Lehre ist der Zedent aber grundsätzlich gestützt auf die Sicherungsabrede obligatorisch 62 Andererseits fällt das Eigentum an der Sache bei Untergang der Forderung nicht automatisch an den Fiduzianten zurück; es ist vielmehr eine Rückübertragung erforderlich.63 –

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teien geschlossene Sicherungsabrede cie») hinzu; diese hat insbesondere folgenden Inhalt:

-

• Sie ist Rechtsgrund für den Eigentumsübergang auf die Fiduziarin.64 Die Sicherungsabrede kommt als reine Sicherungsabrede oder als Sicherungskauf (Verkauf der Sache an die Gläubigerin unter gleichzeitiger Vereinbarung eines Rückkaufsrechts) vor.65

• nissen nur insofern Gebrauch zu machen, als es der Sicherungszweck des Geschäfts erfordert. Die Fiduziarin kann mit anderen Worten rechtlich mehr, als sie darf (überschiessende Rechtsmacht).66 Sie ist – vorbehältlich ihres Verwertungsrechts – nicht befugt, die Sache zu veräussern; bei Zuwiderhandlung liegt eine Vertragsverletzung vor. Sie ist ausserdem zu sorgfältiger VerwalFrüchte dem Fiduzianten herausgeben.67

• Bei Erlöschen der gesicherten Forderung hat die Fiduziarin die Sache dem Fiduzianten zurückzugeben. gatorischer, nicht dinglicher Natur.68 Die Sicherungsabrede ist ein Innominatvertrag; sie untersteht daher grundsätzlich den allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts über die Verträge. Unter Vorbehalt anderer Vereinbarungen können ausserdem – soweit passend – bestimmte Normen des Faustpfandrechts und (sehr beschränkt) die Regeln über den einfachen Auftrag analog angewendet werden.69

– Im Fall der Nichtbefriedigung bei Fälligkeit der Forderung kann die Fiduziarin sich mit Hilfe der Sache bezahlt machen. Die Verwertung erfolgt durch freihän-

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N 1468 ff.); a.M. RolF WatteR (zitiert in Nr. 2012), S. 222 ff. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1369 ff. mit Hinweisen. So insbesondere zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1372 und 1406. A.M. etwa SteinaueR, Band III, Nr. 3103b. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1373 und 1443; SteinaueR, Band III, Nr. 3103a und 3105. BGE 86 II 221 ff. (227), E. 4; BGer 5A_79/2007, E. 2.5. Vgl. dazu zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1386 ff. Vgl. BGE 119 II 326 ff. (328), E. 2b; BGer 4A_474/2014, E. 5.1; 5A_79/2007, E. 2.5. Vgl. dazu SteinaueR, Band III, Nr. 3105. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1443. Vgl. zum Ganzen zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1376 ff.

§ 37 Pfandrechtsähnliche Sicherungsgeschäfte

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digen Verkauf, freiwillige Versteigerung oder Selbsteintritt.70 Die Fiduziarin ist hat sie dem Fiduzianten herauszugeben.71 Im Übrigen ist zu beachten, dass die Fiduziarin grundsätzlich72 nicht auf das Vermögen des Schuldners greifen darf, bevor sie den Sicherungsgegenstand verwertet hat.73 2. Die Sicherungsübereignung hat im Gesetz keine allgemeine Regelung gefunden; die Zulässigkeit dieser Art von Kreditsicherung wird jedoch seit jeher von Rechtsprechung und Lehre anerkannt.74 Für die Sicherung von Forderungen durch Schuldbriefe ist die Sicherungsübereignung immerhin seit dem 1. Januar 2012 gestützt auf Art. 842 Abs. 2 ZGB zum gesetzlichen Grundmodell erklärt worden75 (vorne Nr. 1843b). Eine Sicherungsübereignung durch Besitzeskonstitut ist allerdings gemäss Art. 717 ZGB (vorne Nr. 188 und 1093) Dritten gegenüber unwirksam, da dadurch die Bestimmungen über das Faustpfand umgangen werden.76

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Art. 717 Abs. 1 ZGB setzt zwar dem Wortlaut nach voraus, dass die Parteien das Faustpfandprinzip umgehen wollen («… beabsichtigt worden ist.»). Lehre und Rechtsprechung haben diese Formulierung aber insofern objektiviert, als eine Umgehung immer dann als gewollt gilt, wenn die Übereignung durch Besitzeskonstitut der Sicherung einer Forderung dient.77

V.

Die Sicherungszession

Literatur: – de gottRau nicolaS et applications dans le domaine bancaire, in: Iynedjian Nicolas (Hrsg.), Sûretés et garanties bancaires, Lausanne 1997, S. 173 ff. – emch /R enz/aRPagauS, Nr. 989 ff. – gauch /SchlueP/emmeneggeR, Nr. 3773.

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zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1488; baueR, BaKomm, N 36 der Vorbem. zu Art. 884–894 ZGB. BGE 119 II 326 ff. (328), E. 2c; oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 21 ff. zu Art. 894 ZGB. Vgl. dazu BGE 140 III 180 ff. (187 ff.), E. 5.1.5 = Pra 2014, Nr. 113, S. 895 ff. (Sicherungsübereignung von Schuldbriefen). BGE 140 III 180 ff. (185 ff. und 189), E. 5.1.3, 5.1.4 und 5.1.6 = Pra 2014, Nr. 113, S. 895 ff.; 134 III 71 ff. (73), E. 3; BGer 5A_295/2012, E. 4.2.3 (alle zur Sicherungsübereignung von Schuldbriefen); Staehelin, BaKomm, N 59 zu Art. 842 ZGB; baueR, BaKomm, N 36 der Vorbem. zu Art. 884– 894 ZGB; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1491. Vgl. etwa BGE 119 II 326 ff. (328), E. 2a mit Hinweisen; SteinaueR, Band III, Nr. 3099 f.; nicolaS de g ottRau (zitiert in Nr. 2012), S. 177 f.; zobl /thuRnheRR , BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 Sanktion».

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SteinaueR, Band III, Nr. 3100; vgl. auch BGE 119 II 326 ff. (327 f.), E. 2a. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1408; vgl. auch GVP SG 1996, Nr. 39, S. 96 f. (Handelsgericht St. Gallen); BlSchK 66/2002, S. 75 ff. (77), E. 2c (Appellationsgericht Basel-Stadt). Siehe ausserdem oFtingeR /bäR, ZüKomm, N 273 ff. zu Art. 884 ZGB. – In Deutschland lassen Rechtsprechung und Lehre die Sicherungsübereignung durch Besitzeskonstitut zu; vgl. StaRK /lindenmann, BeKomm, N 58a zu Art. 924 ZGB mit Hinweisen.

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Die Fahrnispfandrechte

– hänSeleR PeteR, Die Globalzession, Diss. Zürich 1991. – Koziol helmut, Sicherungszession und andere Mobiliarsicherheiten aus rechtsvergleichender Sicht, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), Mobiliarsicherheiten …, Berner Bankrechtstag 1998, Bern 1998, S. 19 ff. – Kuhn, § 23. – oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 270 ff. – R eetz PeteR, Die Sicherungszession von Forderungen unter besonderer Berücksichtigung vollstreckungsrechtlicher Probleme, Freiburger Habil. 2005, Zürich/ Basel/Genf 2006 (zitiert: R eetz, Habil.). – deRSelbe, Die Sicherungszession: Aktuelle Rechtsfragen, in: Emmenegger Susan (Hrsg.), Schweizerische Bankrechtstagung 2008, Basel 2008, S. 175 ff. (zitiert: R eetz, Sicherungszession). – deRSelbe, Die Anwendbarkeit von Art. 152 Abs. 3 OR im Rahmen der Sicherungszession, recht 2006, S. 233 (zitiert: R eetz, Anwendbarkeit). – deRSelbe, Die Form der Sicherungszession, in: Tercier Pierre et al. (Hrsg.), Gauchs Welt, Recht, Vertragsrecht und Baurecht, FS für Peter Gauch, Zürich 2004, S. 553 ff. (zitiert: R eetz, Form). – SPiRig, ZüKomm, Vorbem. zu Art. 164–174 OR, N 124 ff. – SteinaueR, Band III, Nr. 3106 ff. – WalteR hanS PeteR, Die Sicherungszession im schweizerischen Recht, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), Mobiliarsicherheiten …, Berner Bankrechtstag 1998, Bern 1998, S. 43 ff. – zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1506 ff.

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1. Rechtsgeschäft mit folgendem Inhalt dar: Der Schuldner bzw. ein Dritter (Fiduziant oder Zedent) tritt der Gläubigerin (Fiduziarin oder Zessionarin) zur Sicherstellung einer Hauptforderung eine ihm zustehende Forderung oder ein anderes Recht ab mit der Vereinbarung, dass die Gläubigerin nur im Rahmen des für den Sicherungszweck Erforderlichen von der übertragenen Forderung bzw. dem übertragenen Recht Gebrauch macht und nach Erlöschen der Hauptforderung eine Rückzession vornimmt.78 Die Sicherungszession entspricht in ihrer Ausgestaltung der Sicherungsübereignung – mit dem Unterschied, dass sie nicht bewegliche oder unbewegliche Sachen, sondern Forderungen und andere Rechte zum Gegenstand hat. Grundsätzlich kann daher auf das zur Sicherungsübereignung Gesagte verwiesen werden (vorne Nr. 2012 ff.). Im Folgenden geht es lediglich um die Besonderheiten der Sicherungszession:

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– Gegenstand einer Sicherungszession kann jede Forderung sein, die nach Art. 164 Abs. 1 OR abtretbar ist.79 Auch andere Rechte (wie Immaterialgüterrechte) kön-

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SteinaueR, Band III, Nr. 3106. Vgl. dazu etwa BGE 123 III 60 ff.

§ 37 Pfandrechtsähnliche Sicherungsgeschäfte

639

nen sicherungshalber zediert werden, sofern sie übertragbar sind (Art. 899 Abs. 1 ZGB analog). Ebenso bilden Namenpapiere mögliche Objekte einer Sicherungszession (vgl. auch Art. 967 Abs. 2 OR). Inhaber- und Ordrepapiere folgen nach überwiegender Lehre hingegen den Regeln über die Sicherungsübereignung.80 – Gegenstand der Hauptforderung kann sowohl eine Schuld des Zedenten als auch die Schuld eines Dritten sein.81

– Der Zedent tritt die Forderung bzw. das Recht an die Zessionarin ab (Verfügungsgeschäft). Die Sicherungszession besitzt volle Wirkung im Sinn von Art. 164 ff. OR, das heisst die Zessionarin wird vollberechtigte Gläubigerin. Sie hat die alleinige Verfügungsmacht und kann die Forderung im eigenen Namen gegen den Drittschuldner («debitor cessus») geltend machen.82 Insofern ist ihre Rechtsstellung stärker als bei blosser Verpfändung der Forderung zu ihren Gunsten83 (vgl. vorne Nr. 1957). Die Abtretung einer Forderung bedarf nach Art. 165 Abs. 1 OR zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form. Besteht für die Forderung ein Schuldschein, so muss dieser der Zessionarin übergeben werden. Die Übergabe ist für die Gültigkeit der Zession konstitutiv. Andernfalls würde Art. 900 Abs. 1 ZGB umgangen, der – wie die Besitzübertragung beim Faustpfand – eine gewisse Publizität schaffen soll; das Besitzeskonstitut ist also ausgeschlossen84 (vgl. Art. 717 ZGB; siehe ausserdem Art. 73 Abs. 1 VVG). Die Normen über die Zession von Forderungen sind auf die Übertragung anderer Rechte nicht direkt anwendbar; es ist jeweils zu prüfen, ob besondere Vorschriften in Bezug auf die Form bestehen bzw. ob die Übernahme des Schriftlichkeitserfordernisses aus Art. 165 Abs. 1 OR angezeigt ist.85

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Art. 73 Abs. 1 VVG); sie ist jedoch empfehlenswert, da sich der gutgläubige Schuldner sonst gemäss Art. 167 OR durch Leistung an den Zedenten befreien kann. Die Banken verzichten allerbeeinträchtigen. Vereinbaren die Parteien hingegen, dass die Zessionarin dem Schuldner («debiZweck – die Einziehung der Leistung durch die Zessionarin – ausgeschlossen wird.86 – Zu den Einreden des Drittschuldners gegen die Zessionarin vgl. Art. 169 OR.87 88 – Zur Zession kommt die Sicherungsabrede hinzu. Sie beinhaltet einerseits die interne Beschränkung der Rechtsmacht, die der Fiduziarin eingeräumt wird, und die Voraussetzungen, unter denen die abgetretene

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oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 256; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1396 und 1575; vgl. demgegenüber SteinaueR, Band III, Nr. 3108d, Fn. 69. Vgl. dazu h anS PeteR WalteR (zitiert in Nr. 2021), S. 51. SteinaueR, Band III, Nr. 3110c; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1553, 1600 ff. und 1640 ff. Vgl. auch BGE 130 III 417 ff. (427), E. 3.4. Vgl. auch BGE 142 III 746 ff. (752), E. 2.1. Vgl. dazu oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 304. oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 326. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1584 f. Siehe dazu gauch /SchlueP/emmeneggeR, Nr. 3475 ff. Für PeteR R eetz, Habil. (zitiert in Nr. 2021), Nr. 47 ff., ist der Begriff «Sicherungsabrede» zu eng,

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Die Fahrnispfandrechte

Forderung dem Zedenten zurückzediert werden muss.89 Auf Seiten des Zedenauf die Zessionarin zu übertragen («pactum de cedendo»). Sie bildet damit als «causa» für die Sicherungszession (Verfügungsgeschäft), sofern man die Zession als kausales Rechtsgeschäft begreift.90 Gemäss Art. 165 Abs. 2 OR untersteht das «pactum de cedendo» keiner Formvorschrift.91 Forderungen und anderen Rechten (Art. 899 ff. ZGB) analoge Anwendung. Auch die allgemeinen Normen des OR über die Verträge kommen zum Zug; denkbar ist sodann (in sehr beschränktem Umfang) die analoge Anwendung einzelner Bestimmungen über den einfachen Auftrag.92 – Ist unklar, ob die Parteien eine Verpfändung oder eine Sicherungszession gewollt haben, sind ihre Erklärungen nach den allgemeinen Regeln auszulegen (vgl. Art. 18 OR).93 2028

2. Obwohl die Sicherungszession gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt ist, steht ihre grundsätzliche Zulässigkeit ausser Frage.94 Ihre praktische Bedeutung ist enorm, unter anderem bei Spielarten des sogenannten Factoringvertrags.95 Im Bankgeschäft hat die Sicherungszession die Forderungsverpfändung nach Art. 899 ff. ZGB fast völlig verdrängt.96 Wichtig sind insbesondere folgende zwei Arten von Sicherungszessionen:

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– Die Globalzession («la cession globale»): Der Zedent tritt zur Sicherstellung von Krediten sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen aus seinem Geschäft an die Zessionarin – regelmässig eine Bank – ab.97 Zu beachten ist jedoch, dass die zukünftigen Forderungen in Bezug auf die Person des Drittschuldners, den Rechtsgrund und die Höhe hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar sein müssen.98 Die Globalzession ist ausserdem nicht unbeschränkt zulässig, da eine Vereinbarung, wonach sich der Zedent auf längere

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zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1374, 1556 und 1617 f. Umstritten; vgl. gauch /SchlueP/emmeneggeR, Nr. 3515 ff.; SPiRig, ZüKomm, Vorbem. zu Art. 164– 174 OR, N 106 f.; bucheR, AT, S. 554 ff.; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1566 und 1580 mit Hinweisen; h anS caSPaR von deR cRone, Zession: kausal oder abstrakt?, SJZ 93/1997, S. 249 ff.; h anS PeteR WalteR (zitiert in Nr. 2021), S. 61 ff. oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 303; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1564. A.M. PeteR R eetz, Habil. (zitiert in Nr. 2021), Nr. 96 ff.; deRSelbe , Form (zitiert in Nr. 2021), S. 555 ff. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1559 ff. Ausführlich dazu oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 284 ff.; PeteR R eetz, Habil. (zitiert in Nr. 2021), Nr. 430 ff. BGE 123 III 60 ff. (63 f.), E. 4c; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1508 mit Hinweisen; nicolaS de gottRau (zitiert in Nr. 2021), S. 222. Zum Beispiel a mStutz/moRin, BaKomm (zitiert in Nr. 1992), Einleitung vor Art. 184 ff. OR, N 93 ff.; teRcieR /bieRi /caRRon, Nr. 7442 ff.; h einz R ey, Die Behandlung des Factoringvertrages im schweizerischen Recht, in: Ernst A. Kramer (Hrsg.), Neue Vertragsformen der Wirtschaft: Leasing, Factoring, Franchising, 2. A., Bern/Stuttgart/Wien 1992, S. 289 ff. (303 ff.). zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1507. Zu den Gründen vgl. PeteR R eetz, Habil. (zitiert in Nr. 2021), Nr. 68 ff. Zu den Erscheinungsformen vgl. h anS PeteR WalteR (zitiert in Nr. 2021), S. 47 ff. BGE 142 III 746 ff. (752), E. 2.1. – Zur Praxis der Banken vgl. etwa nicolaS de gottRau (zitiert in Nr. 2021), S. 237 ff. BGE 113 II 163 ff. (165 ff.), E. 2; 142 III 746 ff. (755), E. 2.3; gauch /SchlueP/emmeneggeR, Nr. 3441 ff.; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1663 ff.; PeteR h änSeleR (zitiert in Nr. 2021), S. 85; h anS P eteR WalteR (zitiert in Nr. 2021), S. 55 ff.; P eteR R eetz ,

§ 37 Pfandrechtsähnliche Sicherungsgeschäfte

641

Zeit aller Ansprüche begibt, die ihm irgendwelchen Dritten gegenüber zustehen oder zustehen können, Art. 27 Abs. 2 ZGB sowie Art. 20 Abs. 1 OR widerspricht.99 Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt darin «eine mit dem Recht der Persönlichkeit nicht zu vereinbarende Beschränkung der wirtschaftlichen Freiheit und zugleich eine gegen die guten Sitten verstossende vertragliche Verfügung».100 Hingegen ist die Abtretung aller aus einem Geschäftsbetrieb resultierenden Forderungen grundsätzlich zulässig.101 – Die Lohnzession («la cession de salaire») nach Art. 325 OR: Der Arbeitnehmer kann gemäss Abs. 1 der Bestimmung zur Sicherung familienrechtlicher Unterten, als sie pfändbar sind (beachte aber Art. 331b OR bezüglich Forderungen auf künftige Vorsorgeleistungen). Auch in diesem Zusammenhang ist allerdings Art. 27 Abs. 2 ZGB zu berücksichtigen.102

2030

Andere als die genannten Verbindlichkeiten dürfen nicht durch Abtretung von Lohnforderungen sichergestellt werden (Art. 325 Abs. 2 OR).

VI. Die Sicherungshinterlegung Literatur: – oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 202 ff. – SteinaueR, Band III, Nr. 3116 ff. – teRcieR /bieRi /caRRon, Nr. 6005 ff. – zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1199 ff.

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100 101

102

Habil. (zitiert in Nr. 2021), Nr. 530 ff.; zurückhaltender bucheR, AT, S. 544; deRSelbe, Zur Gültigkeit von Globalzessionen …, recht 1989, S. 12 ff. BGE 112 II 433 ff. (436), E. 3 mit Hinweisen; 142 III 746 ff. (755), E. 2.3; PeteR R eetz, Habil. (zitiert in Nr. 2021), Nr. 519 ff. BGE 84 II 355 ff. (367), E. 3. BGE 113 II 163 ff. (165), E. 2a; die Bedeutung des Persönlichkeitsschutzes im Bereich der Sicherungszession relativierend h anS PeteR WalteR (zitiert in Nr. 2021), S. 59 f. – Zur Frage der Rechtsfolgen einer unsittlichen Globalzession (Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit?) vgl. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1685; nicolaS de gottRau (zitiert in Nr. 2021), S. 246 ff. – Zu den Rechtsfragen, welche die Globalzession im Konkurs des Sicherungszedenten aufwirft, vgl. PeteR R eetz, Habil. (zitiert in Nr. 2021), Nr. 695 ff. SteinaueR, Band III, Nr. 3107.

2031

642 2032

Die Fahrnispfandrechte

1. Der Sicherungshinterlegung (auch: Sicherheitshinterlegung, Hinterlegung sicherheitshalber oder Sicherheitsleistung; französisch «la consignation à titre de sûreté») liegt folgendes Schema zugrunde: Der Schuldner oder ein Dritter (Hinterleger, Deponent; «le consignant») übergibt zwecks Sicherung einer Forderung dem Aufbewahrer (Depositar; «le consignataire») einen Gegenstand zur Aufbewahrung mit der Weisung, diesen im Fall der Nichterfüllung der gesicherten Forderung der GläuZwangsverwertung zur Verfügung zu halten.103 Beteiligt sind demnach drei Parteien: Hinterleger (Deponent), Aufbewahrer (Depositar) und Gläubigerin (Begünstigte). Beispiel: Eine Kauffrau, die Kaffee importiert, lagert zur Sicherung eines Bankkredits den eingeführten Kaffee bei einer Lagerhausgesellschaft ein und übergibt der kreditgebenden Bank die auf ihren Namen ausgestellten Lagerscheine, die dieser die Dispositionsbefugnis über die Ware verleihen.104

2033

2. Folgende Arten der Sicherungshinterlegung werden unterschieden:105

2034

– Die reguläre Sicherungshinterlegung («la consignation régulière à titre de sûreté»): Der Deponent hinterlegt bewegliche Sachen oder Wertpapiere, deren Eigentümer er (bis zu einer allfälligen Verwertung) bleibt; der Depositar wird unselbständiger Besitzer der Gegenstände. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung stellt die reguläre Sicherungshinterlegung einen Anwendungsfall des gewöhnlichen Pfandrechts dar;106 daher kommen grundsätzlich die Regeln über das Faustpfand zur Anwendung107 (vgl. vorne Nr. 1883 ff.). Allerdings übt nicht die Gläubigerin, sondern ein Dritter den unmittelbaren Pfandbesitz aus.

2035

– Die irreguläre Sicherungshinterlegung («la consignation irrégulière à titre de sûreté»): Der Deponent hinterlegt vertretbare Sachen (insbesondere Geld), die gleichen Art und Menge (bzw. die entsprechende Summe) zur Verfügung zu halten oder herauszugeben. Die irreguläre Sicherungshinterlegung ist eine Variante des irregulären Pfandrechts.108 Grundsätzlich gilt daher das zum «pignus irregulare» Gesagte109 (vorne Nr. 2003 ff.). Der Rückforderungsanspruch richtet sich indessen gegen den Depositar und nicht gegen die Gläubigerin. – Die de sûreté»): Der Deponent überträgt dem Depositar bewegliche Sachen bzw. Forderungen oder andere Rechte zu Eigentum mit der Absprache, dass diesel-

2036

103

104 105 106

107 108

109

Ähnlich BGE 102 Ia 229 ff. (236), E. 2e; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1200. Vgl. BGE 43 II 639 ff. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1206 ff. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1238 mit Hinweisen. Vgl. auch BGer 4C.154/2003, E. 7.3 = MRA 2004, S. 21 ff.; unklar BGE 129 III 360 ff. (362), E. 2. SteinaueR, Band III, Nr. 3124. SteinaueR, Band III, Nr. 3122; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1207 und N 1242. SteinaueR, Band III, Nr. 3124.

643

§ 37 Pfandrechtsähnliche Sicherungsgeschäfte

ben Objekte dem Deponenten oder gegebenenfalls der Gläubigerin herausgegeben werden müssen. Spezialfall der Sicherungsübereignung bzw. der Sicherungszession.110 diesem Zusammenhang Gesagte Anwendung111 (vorne Nr. 2012 ff. und 2021 ff.). Der Anspruch auf Rückübertragung respektive auf Rückzession geht aber gegen den Depositar und nicht gegen die Gläubigerin. 3. Rechtsgrund der Sicherungshinterlegung ist regelmässig ein Sicherungshinterlegungsvertrag. Dieser umfasst – als Dreiparteiengeschäft – einerseits einen Pfandvertrag zwischen Deponent und Gläubigerin sowie andererseits eine Pfandhalterschaftsvereinbarung, die den Depositar sowohl dem Deponenten als auch der 112 In dieser Spielart sind also alle drei Beteilignent und Depositar – also ohne Mitwirkung der Gläubigerin – abgeschlossen; dann liegt ein echter Vertrag zu Gunsten Dritter gemäss Art. 112 Abs. 2 OR vor.113 Zur gehörigen Sicherung der Gläubigerin ist davon auszugehen, dass der Hinterleger

2037

verzichtet.114 Auf die Rechtsbeziehung zwischen Hinterleger und Aufbewahrer kommen die Regeln über den Hinterlegungsvertrag (Art. 472 ff. OR) analog zur Anwendung, unter Ausschluss des Art. 475 OR (Recht des Hinterlegers auf jederzeitige Rückgabe der Sache).115 Gibt der Depositar die hinterlegten Objekte einem Nichtberechtigten heraus, wird er der Gläubigerin (und allenfalls dem Deponenten) 116

Die Hinterlegung sicherheitshalber kann ausserdem auf Gesetz (vgl. etwa Art. 83 OR) oder auf einem obrigkeitlichen Hoheitsakt (vgl. etwa Art. 273 Abs. 1 SchKG) beruhen.117

2038

4. Im Fall der Nichtbefriedigung ist die Gläubigerin berechtigt, sich mit Hilfe des Pfandgegenstands bezahlt zu machen. Grundsätzlich erfolgt die Realisierung des Pfandrechts über eine Betreibung auf Pfandverwertung; die Parteien können im Sicherungshinterlegungsvertrag jedoch etwas anderes vorsehen. Die Gläubigerin hat dem Hinterleger einen aus der Verwertung resultierenden Überschuss herauszugeben.118

2039

110

111 112 113

114 115 116 117

118

zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1208; SteinaueR, Band III, Nr. 3124. SteinaueR, Band III, Nr. 3124. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1224 ff. SteinaueR, Band III, Nr. 3124b; zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1228, sprechen von einem «Pfandvertrag zugunsten Dritter mit Pfandhalterschaftsvereinbarung»; a.M. oFtingeR /bäR, ZüKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 214. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1228. SteinaueR, Band III, Nr. 3124d. zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1259. Einzelheiten bei zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1231 ff. und 1287 ff. Näheres zur Verwertung bei zobl/thuRnheRR, BeKomm, System. Teil (vor Art. 884 ZGB), N 1275 ff.

644

Die Fahrnispfandrechte

VII. Fälle 2040

1. BGE 118 II 150 ff. 2. BGE 119 II 236 ff. Klage einer Leasinggesellschaft auf Herausgabe des Vertragsgegenstands gegen die Konkursmasse einer Person, die den Gegenstand vom Leasingnehmer geliehen hat. 3. ZR 88/1989, Nr. 52, S. 166 ff. (Zürcher Obergericht), und BGE 115 II 349 ff. Sicherungsübereignung von Schuldbriefen. 4. ZR 103/2004, Nr. 27, S. 97 ff. (Zürcher Handelsgericht); vgl. auch BlSchK 73/2009, S. 22 ff. (Waadtländer Kantonsgericht) Sicherungsübereignung von Schuldbriefen an einem Grundstück, das im Eigentum einer AG steht und dem Alleinaktionär als Familienwohnung dient. Erfordernis der Zustimmung der Ehepartnerin des Alleinaktionärs gemäss Art. 169 Abs. 1 ZGB (in casu verneint)? 5. BGE 112 II 433 ff. Sicherungsabtretung in Form einer Globalzession zur Sicherung der Mietzinsforderung aus einer Automiete. 6. BGE 102 Ia 229 ff. Sicherungshinterlegung von verkauften Aktien zur Sicherung der Kaufpreisforderung.

Gesetzesregister Die Zahlen verweisen auf Randnummern. Die fetten Zahlen sind die Hauptfundstellen.

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV; SR 101) Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

3

52

26

93, 648, 1159

122

44

Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (ZGB; SR 210) Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

1 Abs. 2 1 Abs. 3 2 Abs. 1 2 Abs. 2

1844i 55 f. 1287 675, 681, 687, 1146, 1281b 347 288 292, 312, 347, 460, 589, 1111, 1275c, 1281a, 1845k 950, 1068, 1283 50, 921 51, 699, 705f 52, 436, 820, 1657 1147 1309 436, 443, 577, 599, 1815a, 1818a, 1824 603, 878 477, 1532, 1914 1061 1061 1061 1062 f. 1220, 1224, 1360 933, 1537, 1593 526 493 720, 729 737, 933 790, 801 1220, 1224, 1353a, 1364a 794 1224 1220, 1353a, 1364a 601, 720, 729 790 1974 537 687 1353a 1247

512 560 560 Abs. 2 560 Abs. 3 598–600 599 Abs. 1 602 Abs. 2 612a Abs. 1 612a Abs. 2 612a Abs. 4 626 634 Abs. 2 641 641 Abs. 1

1245 45 102, 132 340 685 340 794 1224 1220, 1353a, 1364a 1220 588 530, 843, 1245 35, 656, 1144 657 f., 689, 1143, 1844m 324, 338, 355, 659 ff., 739, 743, 887, 899, 962, 969a, 1910 6, 650, 1078 79, 701, 812, 1077 696 ff. 703 f. 700, 704, 1077 493, 1077 707 ff., 813, 1075, 1563 705, 705d 698a, 710 705c f. 716, 725, 1733 723, 731 733 735 f., 770, 1036, 1522, 1537 744, 764 1043 746 ff. 747a, 1045a 745, 754 751 752, 761 353

647c 647d 647d Abs. 2 647d Abs. 3 647e 647e Abs. 2 648 Abs. 1 648 Abs. 2 648 Abs. 3

754 755 757a 757a, 763 756, 757a 756, 763 742 f. 758, 761 736, 760, 1523, 1737 28, 762 ff. 493, 748 f., 1044 685, 773 ff., 1018a, 1035 779 685, 782 783 ff., 1348 1033 765, 788 f. 1136 6 717 791 795 ff. 663, 679 800 f. 722, 782, 802 807 705b, 809 f., 1076, 1255, 1476, 1514 8 734, 1016 372, 418, 809a, 1327, 1444 1257, 1328, 1374 1329 725, 1255, 1562 769, 772, 786 367, 835 f., 840, 1387 577, 837, 850 f., 989 843, 1387

3 3 Abs. 1 3 Abs. 2 4 5 Abs. 1 5 Abs. 2 6 6 Abs. 2 8 9 9 Abs. 2 27 66 67 Abs. 3 68 75 121 Abs. 3 169 169 Abs. 1 178 Abs. 3 200 Abs. 2 201 Abs. 2 205 Abs. 2 219 Abs. 1 222 Abs. 2 244 Abs. 1 244 Abs. 2 248 Abs. 2 251 401 Abs. 1 416 f. 470 ff. 473 505 Abs. 1

641 Abs. 2

641a 642 Abs. 1 642 Abs. 2 643 643 Abs. 3 644 644 Abs. 1 644 Abs. 2 644 Abs. 3 645 646–651a 646 Abs. 1 646 Abs. 2 646 Abs. 3 647–647e 647 647 Abs. 1 647 Abs. 1bis 647 Abs. 2 647a 647b 647c–e

649 649a 649b 649c 650–651 650 650 Abs. 1 651 651 Abs. 2 651a 652–654 652 653 653 Abs. 2 654 654a 655 Abs. 1 655 Abs. 2 655 Abs. 2 Ziff. 1 655 Abs. 2 Ziff. 4 655 Abs. 3 655 Abs. 3 Ziff. 1 655 Abs. 3 Ziff. 2 655a Abs. 1 655a Abs. 2 656 Abs. 1 656 Abs. 2 657 Abs. 1

646

Gesetzesregister

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

658 659 660 660a 660b 661–663 661 662 663 664 665 665 Abs. 1

818, 851 851 851 582, 878 582 851 f. 858 f. 860 ff. 855 807, 816 ff., 856 1576 842, 849a, 1243, 1536 837, 1223 865 ff. 870a, 1591 862, 1334a 1334a 417, 671 811, 886 79, 700, 812, 888 ff., 905, 907, 909, 1077, 1414, 1562 443, 605, 877 f. 685, 881 ff. 729, 884 893 ff. 79, 685, 700, 893 f. 812, 888 894, 1706 895 1366 896 ff., 1263, 1372 f., 1379 683, 1220 901, 1372 80, 1368, 1370a 1377, 1379 706, 902 ff., 1372 711a, 902 903 904, 1241, 1281a, 1381 812, 889, 905 f., 1077, 1370a, 1707 413, 700, 890, 907 f., 1077 1213 1409e 674, 685, 739 f., 820, 826, 953 ff., 1227, 1236, 1370 949b 952, 961 927 ff.

680 Abs. 2 680 Abs. 3 681 681 Abs. 1 681a 681a Abs. 2 681b Abs. 1

930, 944, 1245 923, 931 936 ff. 770, 999 771, 940 ff. 942 476, 772, 944, 1379b 772 688, 933, 937 737, 767 ff. 1379b, 1388, 1409e 737, 772, 933, 944 1370 686, 947 ff., 954, 1018 954, 965 896 966 678, 969 704 969 970 954 980 1220 980, 1224 980, 1221, 1241 28, 981 ff., 1220 1224 971 971 493, 928 972 973 704, 976 977, 1924 1920 978, 980 934 974 700, 909, 1411 ff. 812 1419 891 974, 1421 974 980, 1220 1224 716, 726, 1733 1013 ff. 1011 1040 1020 ff., 1027 1036 ff. 476, 772

712c Abs. 2 712d 712d Abs. 3 712e 712e Abs. 1 712f 712g

476, 1336, 1355 1025 ff. 1027, 1038 1027, 1030 1014 1032 ff. 493, 1018b, 1041 ff. 726, 744 747a, 1045a 764, 1047 933, 1048 ff., 1055, 1535, 1669, 1685, 1765 1052, 1055, 1920 1047, 1053 ff. 1059 ff. 1055, 1061, 1067 740, 744a, 1018b, 1062 1063 ff. 1018b, 1067 1018b, 1068 1065 f. 1066 807, 1074, 1076 f., 1079, 1912, 1922 82, 1090 ff., 1106 283, 332, 1135 1096 ff. 47 1943 1093 188 818, 1120 1120 28 1122 ff. 103 1124 308, 1123 6, 308, 323, 1123 6, 308, 323, 1123 1124 1124 1124 1124, 1134, 1139b 1125 1126 700, 1127 ff. 729, 733 82, 332, 1131 ff. 6, 1133 1133, 1139b 1137 37, 1212

665 Abs. 2 666 666a 666b 667 667 Abs. 1 667 Abs. 2

668 669 670 671–673 671 671 Abs. 1 672 673 674–676 674 674 Abs. 3 675 675 Abs. 1 675 Abs. 2 676 676 Abs. 1 676 Abs. 2 676 Abs. 3 677 678 678 Abs. 2 678 Abs. 3 679 679 Abs. 2 679a 680 Abs. 1

681b Abs. 2 682 682 Abs. 1 682 Abs. 2 682a 684 ff. 684 685 685 Abs. 2 686 687 687 Abs. 2 688 689–690 689 691–693 691 691 Abs. 1 691 Abs. 3 694 694 Abs. 1 695 696 696 Abs. 2 697 698 699 700 700 Abs. 2 701 702–703 704 ff. 704 704 Abs. 1 704 Abs. 2 704 Abs. 3 705 706–709 710 710 Abs. 1 712a–712t 712a 712a Abs. 1 712a Abs. 2 712b 712c 712c Abs. 1

712g Abs. 1 712g Abs. 4 712h 712i 712k 712l 712m–712p 712m Abs. 1 712m Abs. 2 712q–712t 712q 712r 712s 712t 713 714 Abs. 1 714 Abs. 2 715–716 715 715 Abs. 2 717 717 Abs. 1 718 719 720–721 720 720 Abs. 3 720a 722 722 Abs. 1bis 722 Abs. 1ter 722 Abs. 3 723 724 724 Abs. 1bis 725 726 727 727 Abs. 1 728 728 Abs. 1bis 728 Abs. 1ter 729 730–743

647

Gesetzesregister

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

730–781 730 730 Abs. 1

1162 1264 1206, 1208 f., 1212, 1254 ff., 1268 ff. 1206, 1218, 1264, 1269a, 1290a, 1320 367, 898, 1241, 1381, 1419 1240, 1243, 1249 1249, 1250 ff. 1420 530, 988, 1226, 1245, 1345, 1435, 1453a 397, 1246, 1435 1191 f., 1247, 1345 1299, 1303 1304 ff. 1192 1226 1309 f., 1314 1311, 1314 1228, 1232, 1286, 1290b 1287 1235, 1288 f., 1363 1218, 1275d, 1281a, 1459 575, 1276 445, 575, 1278 ff. 1209a, 1282 ff., 1459 1275d, 1281 1290c 1290, 1290b 1292 1256, 1292 497a, 1293 ff., 1310 37, 1213 1386 1076, 1321, 1342, 1353 1268a, 1337 ff. 1339, 1429 367, 1345 f. 82 1348 f. 1268a 1343 1349 1348 1350 1350 1350 1337 1340 f.

756–757 756 Abs. 1 758 758 Abs. 1 759 760 Abs. 1 762 764 Abs. 1 764 Abs. 2 764 Abs. 3 765 Abs. 1 765 Abs. 3 766 767 768–771 772 772 Abs. 1 773 ff. 773–775 776 Abs. 1 776 Abs. 2 776 Abs. 3 777 778 779–779l 779–780 779 779 Abs. 1 779 Abs. 2 779 Abs. 3 779a Abs. 1

1340 704 1214 1343 1351 1351 1351 1341 1341a 1341a 1341 f. 1341a 1353 1341 1352 1352 1341b 1076 1352 1355 1214, 1268a, 1358 367, 1360 1359 1361 80, 1366, 1372 1219, 1263 1379a 1367, 1370a, 1376 1215, 1385 1375, 1387 1382, 1396, 1409d, 1453a 476, 1206, 1379b, 1392, 1396 1376, 1379a 476, 1206, 1379b, 1387, 1392, 1395, 1425 1391, 1425 1392 f., 1425, 1535 933, 1670, 1765 1670, 1684, 1765 1404 ff., 1408 1407 1406 933, 1397 ff., 1406, 1447, 1535, 1670, 1765 1400 f., 1447, 1535, 1545, 1670, 1685, 1765 1374, 1409c 1268a 1420 1411 ff. 1215, 1422

780 Abs. 3 781

1417 1263, 1324 f., 1372, 1427 ff. 1437 1218, 1428, 1434 1334a 40, 1164, 1457 1265 40 ff., 1441 f., 1445, 1467 1444 1446, 1457 f. 42, 1453 f. 367, 1453 1453a 1453, 1458 1454 1455 1453, 1455 1456 1445 40 ff., 1459, 1467 41, 1443 1163 71, 1160, 1487 1469 1467, 1489 1505 ff. 1567, 1601, 1777b 1601, 1777b 1508 1197 1513 ff. 1722 1517 1050, 1518 ff. 1735, 1737, 1739 1478, 1511, 1525, 1653, 1725, 1835 1611 367, 1528, 1539, 1644, 1816, 1822, 1839 530, 1197, 1453a, 1496, 1524, 1531 f., 1534, 1638, 1640e, 1643, 1827, 1839a 1537 1036, 1522, 1842 1537 1540 ff., 1612 1195, 1838, 1900 1781 1562 f. 79, 701, 708, 1075 705f, 711

730 Abs. 2 731 Abs. 1 731 Abs. 2 731 Abs. 3 732 732 Abs. 1 732 Abs. 2 733 734 735 735 Abs. 2 736 736 Abs. 1 736 Abs. 2 737 Abs. 1 737 Abs. 2 737 Abs. 3 738 738 Abs. 1 738 Abs. 2 739 740 740a 741 742 742 Abs. 2 743 745–781a 745 745 Abs. 1 745 Abs. 2 745 Abs. 3 746 746 Abs. 1 748 749 749 Abs. 1 749 Abs. 2 750 751 752 753 755 ff. 755

779a Abs. 2 779b Abs. 1 779b Abs. 2 779c 779d 779d Abs. 2 779d Abs. 3 779f 779g 779h 779i 779k 779l 779l Abs. 1 780 780 Abs. 1 780 Abs. 2

781 Abs. 2 781 Abs. 3 781a 782–792 782 782 Abs. 1 782 Abs. 2 782 Abs. 3 783 783 Abs. 1 783 Abs. 3 784 786 788 789 790 791 791 Abs. 1 792 Abs. 1 793–915 793 793 Abs. 1 793 Abs. 2 794 794 Abs. 1 794 Abs. 2 795 795 Abs. 2 796 796 Abs. 2 797 798 798 Abs. 1 798a 799 799 Abs. 1 799 Abs. 2

800 800 Abs. 1 800 Abs. 2 801 801 Abs. 1 805 ff. 805 805 Abs. 1 805 Abs. 2

648 Artikel

806 Abs. 1 807

Gesetzesregister

Nummer

1564 1467, 1585, 1809, 1911 808 1581 ff. 808 Abs. 3 933, 1500, 1539, 1569, 1584 f., 1655 808 Abs. 4 1584a, 1655a 809 Abs. 1 1583 810 1584 f. 810 Abs. 2 933, 1500, 1539, 1569, 1584a, 1655 810 Abs. 3 1655a 811 1588 812 485, 658, 1173 ff., 1589 812 Abs. 2 77 f., 1170, 1560 813 ff. 78, 1467, 1589 813 Abs. 1 1568 813 Abs. 2 1570, 1573 814 Abs. 1 und 2 1571 814 Abs. 3 476, 1575 ff., 1640 815 1197, 1579 816 38 f., 1477 816 Abs. 1 19, 1465, 1549, 1607, 1779, 1806 816 Abs. 2 1554, 1560 817 1560, 1569, 1579 818 1509, 1566 f. 818 Abs. 1 1509, 1566, 1655, 1781, 1810a 818 Abs. 2 1509 819 1500, 1539, 1567, 1655 819 Abs. 3 1567, 1655a 820–821 1590 822 Abs. 1 1586 823 1591 824 1491 824 Abs. 1 1532, 1597, 1604, 1638b, 1779, 1913 824 Abs. 2 1606, 1782 825 Abs. 1 1532, 1601, 1604a, 1638b, 1646 825 Abs. 2 1599, 1641 825 Abs. 3 1599, 1644 826 1544, 1604, 1612, 1780 827 1608 f. 827 Abs. 2 1195, 1625, 1717 828–831 1547, 1610 832 1626 832 Abs. 1 1618 832 Abs. 2 1621 ff., 1634 833 497b, 1547, 1588 834 1622 f., 1626 835 601, 1615

Artikel

836

Nummer

1458, 1498, 1539, 1656 ff. 836 Abs. 1 1662, 1664 836 Abs. 2 934, 1657, 1662, 1663a 836 Abs. 3 1663a 837 ff. 490 837 933, 1499, 1535, 1666 ff. 837 Abs. 1 Ziff. 3 24, 80c, 1401, 1569, 1694 ff., 1737a 837 Abs. 2 1706 837 Abs. 3 1688, 1699 838 926, 1684 839 Abs. 1 926, 1752, 1777b 839 Abs. 2 490, 926, 1490, 1684, 1699, 1720, 1753 ff., 1770, 1775 839 Abs. 3 25, 1401, 1675, 1689a, 1741 ff., 1765, 1767 1724a ff., 1745, 1773 840 1700, 1784 841 1701, 1785 841 Abs. 1 1787 ff., 1794 f. 841 Abs. 2 1797 841 Abs. 3 493, 1490, 1755, 1793, 1797 842 Abs. 1 842 Abs. 2 842 Abs. 3 843 844 846 Abs. 1 846 Abs. 2 847 Abs. 1 847 Abs. 2 848 849 850 852 853 f. 853 854

Artikel

Nummer

855 856 857 Abs. 1 857 Abs. 2 858 f. 858 858 Abs. 1 859 859 Abs. 1 859 Abs. 3 860 f. 860 Abs. 1

1838 1838d, 1842d 1816, 1839, 1844c 1196 f., 1817 1841 ff. 1817 f., 1844e 1196 1841c f., 1847b 1820g, 1866 1342, 1346 1648 1492, 1813, 1823, 1844c 1196 f., 1814 1823, 1844c 1815, 1824 f. 606, 1492, 1797, 1811, 1820b, 1825, 1845j 1837 ff., 1844e 1813, 1838 1486 689, 1876 f., 1889 ff. 82, 189, 708, 1898, 1942 283, 302, 1877, 1892 189, 1942 47, 1099, 1943 177, 1894 1865, 1895 1897 f., 1930 189 1897 ff., 1955 1873 1879, 1932 1915, 1933 1900 1903 ff. 19, 1465, 1867 1879 701, 708 1915 701 1908 1170, 1880 39, 1867, 1905, 1957, 1961i 174a, 311, 1915, 1921 ff. 1919, 1932 1927 1928 f. 1912, 1937 1925

860 Abs. 2 860 Abs. 3 861 862 864 865 875 884 884 Abs. 1 884 Abs. 2

884 Abs. 3 885 886 887 1492, 1805 ff., 888 1820d, 1830 888 Abs. 2 1647, 1809, 1820f, 889 1843a ff., 1846, 889 Abs. 1 2019 889 Abs. 2 1492, 1820a, 1844j, 890 1845 ff. 890 Abs. 1 1806. 1812a 891 1492, 1606, 1610, 891 Abs. 1 1812 892 1492, 1507, 1811 892 Abs. 1 1829 892 Abs. 2 1848 f. 892 Abs. 3 1848a, 1848c 893 1492, 1811, 1820, 893 Abs. 2 1837e, 1845f 894 1844j, 1845h 1849 f. 895 1811, 1820c, 1836 ff., 1840 f., 895 Abs. 1 1845i 895 Abs. 2 1838a ff., 1842a ff. 896 1196, 1844k 896 Abs. 1 1542, 1838c, 1842c 897 Abs. 1

649

Gesetzesregister

Artikel

Nummer

Artikel

897 Abs. 2 898 898 Abs. 1 899 ff. 899 899 Abs. 1 899 Abs. 2 900 900 Abs. 1 901 f. 901 901 Abs. 3

1929 1931 ff. 1919 1076, 1386, 1464 1948 f. 1866 1957 1887, 1951 ff. 1841c, 1876, 1955 1876 1954 f. 1953a f., 1961a, 1961g 1954 1955 1879, 1959 1960 1961 1965, 1969 1965 1876, 1966 1968 39 1964 1968 1967 1969 1965 87 133 ff. 96 ff., 118, 1230 101, 119 ff., 1231 108 109 ff. 199 ff. 144 ff. 149, 151 ff. 148 f. 1113 163 ff., 178 ff., 1876 171 ff. 174 f. 192 ff. 197 739 210 ff., 223, 1018b, 1203, 1230, 1910, 1932 224 ff., 1228 f. 216 ff. 218 228, 233 ff., 338 216 ff., 251d 239 ff., 251d, 963 216 ff., 1230

929 929 Abs. 1 930–931 930–937 930 930 Abs. 1 930 Abs. 2 931 932 933–936 933

902 903 904 905 906 907 908 Abs. 1 909 910 910 Abs. 1 910 Abs. 2 911 Abs. 1 912–913 914 915 919–941 919 919 Abs. 1 919 Abs. 2 920 Abs. 1 920 Abs. 2 921 922 Abs. 1 922 Abs. 2 923 924 924 Abs. 1 924 Abs. 2 924 Abs. 3 925 Abs. 1 925 Abs. 2 926 ff. 926–929 926 926 Abs. 1 926 Abs. 2 927 927 Abs. 1 928 928 Abs. 1

Nummer

246 ff. 220 68, 258 255 ff., 666, 1203 213, 264 ff., 1984a 82 203 269 ff., 1236a 261, 272 ff. 282 ff., 1910, 1932 288, 290, 297 ff., 709, 1111 934 739 f., 1236a 934 Abs. 1 206, 303 ff., 308, 315, 323, 332 934 Abs. 1bis 311a, 323, 1139b 934 Abs. 2 288, 311, 314 934 Abs. 3 338 935 288, 310, 316, 1649, 1837e 936 288, 338, 739 f., 1236a 936 Abs. 1 313 ff., 323, 355 936 Abs. 2 317 937 68, 666 937 Abs. 1 259, 367, 577, 598 ff., 685, 1236a, 1600, 1612 937 Abs. 2 212, 609 938–940 238, 286, 336 ff., 685 938 350, 704 939 353 939 Abs. 3 704 940 354 ff. 941 855 942 Abs. 1 364 942 Abs. 2 379 f., 437 ff., 879 942 Abs. 3 388 942 Abs. 4 384 943 47, 417 943 Abs. 1 416 ff., 809, 1525 943 Abs. 1 Ziff. 4 734, 1016, 1026 944 807 944 Abs. 1 417 945 47 945 Abs. 1 380, 421, 439 946 Abs. 1 440, 467 946 Abs. 2 493, 705f 947 422, 439 948 380, 840 948 Abs. 1 446, 515 949 47, 375 949a 47, 382 949a Abs. 1 386 949a Abs. 3 390

Artikel

Nummer

950 950 Abs. 1 951 951 Abs. 2 952 953–954 953 Abs. 1 953 Abs. 2 954 Abs. 1 954 Abs. 2 955 955 Abs. 1 955 Abs. 2 und 3 956 956 Abs. 2 956a f.

443, 882 377, 395 428 421 429 378 428, 430 427 432 434 392, 593, 940 552 ff. 563 f. 430 f. 431 430 f., 544 ff., 611 ff. 430, 453, 541, 544, 546, 548, 611, 613, 630 612 365, 465 468 ff. 1006, 1204 475 470, 478, 1578 480 ff., 488, 849b, 1387, 1841d 470, 485 487 ff., 1393, 1401, 1686 470, 491 f. 1773 471, 485 493, 493b f. 493, 870a, 1068a 502, 507 ff. 25, 500, 572, 1241, 1346, 1528, 1536 f., 1675, 1765, 1768, 1833, 1839a 501, 576, 837, 1546, 1681, 1765, 1773, 1776 497, 511, 1033, 1301, 1408 508, 532, 1299, 1542, 1744 513, 517, 1242, 1528, 1643, 1839a 532, 1301 521 ff. 529 542, 612 1241

956a 956b 958 959–961a 959 959 Abs. 1 959 Abs. 2 960 Abs. 1 960 Abs. 2 961 Abs. 1 961 Abs. 2 961 Abs. 3 961a 962 f. 962a 963 963 Abs. 1

963 Abs. 2 964 964 Abs. 1 965 965 Abs. 1 965 Abs. 2 965 Abs. 3 966 968

650

Gesetzesregister

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

969

391, 633, 1068a, 1686 541, 940, 1002, 1300, 1387 448 ff. 368

974 Abs. 1 974 Abs. 2

589 75, 586, 588, 849, 858, 1092, 1242 589 371, 421, 497a ff., 1295 1310 1295 1284a 541, 588, 633, 685, 849, 859, 1275b, 1276, 1681 614 ff. 69, 622, 624 497b, 626 ff. 391, 627 ff. 1310 631 ff., 1310 634, 1310 638 ff., 1275b 1649 1843, 1846c 1455 1846c 45, 59 72, 410, 412, 1478 907a 1010, 1022 1010 1010 1206

22 ff. SchlT 26 Abs. 1 SchlT 26 Abs. 2 SchlT 28 SchlT 33a SchlT 33b SchlT 37 SchlT 38–48 SchlT 40 Abs. 1 SchlT 40 Abs. 2 SchlT 43–45 SchlT 43 Abs. 1 SchlT 43 Abs. 2 SchlT 44 SchlT 44 Abs. 3 SchlT 45 SchlT 45 Abs. 1 SchlT 46 SchlT 47 SchlT 48 SchlT 48 Abs. 1 SchlT 48 Abs. 2 SchlT 48 Abs. 3 SchlT

1478, 1488 1843, 1846c 1509 1848b f. 1469, 1854 1821, 1839b 88 372 395 400 409 410 411 412 1663a 72, 413, 907a 493 404 f., 452, 602 403 452, 602 406 407 f., 571 408, 581, 857, 1845f 44 44 54 427 430 847

969 Abs. 1 970–970a 970 970 Abs. 4 970a 971–972 971 971 Abs. 1 971 Abs. 2 972 972 Abs. 1 972 Abs. 2

973 973 Abs. 1

973 Abs. 2

368, 451, 459 ff., 463, 597, 1111 368, 454 ff. 367 1026 569 ff., 572, 840 445, 575 485, 520, 1193, 1399 441, 573, 840, 1170 f., 1751, 1776, 1784 446, 550, 574, 840, 1171, 1689, 1729 (Fn. 236), 1776, 1784 69, 579 ff., 1279 577, 579 ff., 590, 591 f., 624, 851, 857, 879, 1226, 1248, 1275d f., 1281a, 1535, 1600, 1612, 1845f 879

974 Abs. 3 974a ff. 974a 974a Abs. 2 974b Abs. 3 975 975 Abs. 1 975 Abs. 2 976 ff. 976 976 Ziff. 3 976a 976b 977 979 1 SchlT 2 SchlT 3 SchlT 17–48 SchlT 17 SchlT 20 SchlT 20bis SchlT 20ter SchlT 20quater SchlT 21 Abs. 2 SchlT

51 SchlT 52 ff. SchlT 52 SchlT 52 Abs. 3 SchlT 54 Abs. 2 SchlT 55 Abs. 1 SchlT

Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911 (OR; SR 220) Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

1 Abs. 2 6a 11 Abs. 1 18 19 19 Abs. 2 20 20 Abs. 1 32 ff. 41 ff.

1623 1137 1887, 1961g 2027 687, 1259 1532, 1913 687 1261 148 231, 238, 245, 358, 662a, 673, 678, 893, 1227, 1724 6 6 685 980 228, 229 104 685, 1924

57 Abs. 1 58 60 62 ff. 62 66 68 ff. 75 ff. 85 Abs. 1 97 ff. 98 Abs. 1 102 102 Abs. 2 104 Abs. 2 107 Abs. 2 108 Ziff. 3 110 Ziff. 1

1920 820, 826, 1370 349, 561, 957 893 662a 668a 1459 1925 1567 673, 1459, 1844m 1341 1551, 1904 1114 1566 1115 1114 1195, 1609, 1625, 1717, 1798 1899

114 114 Abs. 1 115 116 Abs. 1 127 128 Ziff. 1 135 140

1118, 1543 1604, 1873 1301 1846a 765, 1905 1456 561, 855, 1911 1467, 1585, 1809, 1911, 1925, 1932 939 1614, 1719 1640a 1386, 1423 1614, 1640a 1113, 1603 601, 1615, 1617, 1640a, 1719, 1873, 1896 1620

42 Abs. 3 43 Abs. 1bis 52 52 Abs. 2 52 Abs. 3 56 57

114 ff.

156 164 ff. 164 Abs. 1 165 165 Abs. 1 170 170 Abs. 1 175

651

Gesetzesregister

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

175 Abs. 1 176–177 177 Abs. 1 183 184 Abs. 1 187 Abs. 2 205 208 214 Abs. 3 216 ff. 216–216e 216 Abs. 1

1624 1620 1623 1619 514, 841 704 1092 1092 1098, 1100, 1116 1004 997 843, 841, 1333, 1621 998, 1006, 1038 843, 998, 1038 476, 1000, 1006, 1038 1001, 1180 770, 939, 999 1409 478, 1000 512 1098 f. 140, 330, 1119 176, 190

242 Abs. 2 242 Abs. 3 243 Abs. 2 243 Abs. 3 247 Abs. 2 261–261a 261 Abs. 1 261 Abs. 3 261b 261b Abs. 1 268 ff. 268–268b 272 ff. 275 290 290 lit. c 299c 339a Abs. 3 349e 350a Abs. 2 372 Abs. 1 401 Abs. 3 418o 419 ff. 434

45, 840 75 843, 1245 1092 476 174 1180a, 1391 1180b 1204 476 1920, 1924 1052 1180b 704 1180a 476, 1204 1920, 1924 1920 1920 1920 1696 1920 1920 893, 1121 1920

439 440 ff. 451 482 ff. 484 Abs. 2 485 Abs. 3 491 495 Abs. 1 523 544 Abs. 1 689a Abs. 1 689b Abs. 2 850 Abs. 3 965 ff. 965 967 Abs. 1 und 2 973 973a 973b 973c 974 ff. 979 1112 1145 ff. 1153 ff.

1920 193 1920 193 733 1920 1920 1724d 933, 1535, 1671 794 1960 1960 476 1478, 1813 1813, 1922 195 1813 1130b, 1130d 1130c f. 1953a 1954 1649 359 1954 194

216 Abs. 2 216 Abs. 3 216a 216b 216c 216c Abs. 1 216e 217 Abs. 1 217 Abs. 2 235 Abs. 1 242 Abs. 1

Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

51 72 Abs. 2 lit. b 74 Abs. 1 74 Abs. 1 lit. b 74 Abs. 2 lit. a 75 Abs. 2

546 431, 453, 546, 612 453 251c, 546, 612 251d 545

76 76 Abs. 1 lit. b 76 Abs. 2 90 93 Abs. 1 lit. a 98

548 548 546 251c, 1774 251c, 1774 251d

106 Abs. 2 111 112 113 ff.

251d 546, 548 546 251d, 546

Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare vom 18. Juni 2004 (PartG; SR 211.231) Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

14 19 Abs. 2

933 720, 729

22 24

493 790

32 Abs. 3

1220, 1224, 1360

Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht vom 4. Oktober 1991 (BGBB; SR 211.412.11) Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

1 11 ff. 11 Abs. 3 23 25 ff. 28 29 Abs. 1 34

993 994 1353a, 1364a 1409 933 1409 1409 1671a

34 Abs. 2 36 37 Abs. 4 39 40 41 Abs. 1 42 ff. 42

1511 994 1671a 476 933, 994 1671a 933, 944 994

47 49 53 Abs. 2 56 57 58 61 ff. 61

994 994 1671a 994 994 994 934 994, 1409

652

Gesetzesregister

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

67 69 70 ff.

1636 1636 994

73 ff.

934, 1478, 1525, 1537, 1725, 1835, 1839c 1835, 1847a

74 75 ff. 75 Abs. 2 86

1519 1653 1725 493

73 Abs. 2

Bundesgesetz über den Konsumkredit vom 23. März 2001 (KKG; SR 221.214.1) Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

1 Abs. 2

2002

7 Abs. 1

1591a

10 lit. d

1098, 1101

Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung vom 3. Oktober 2003 (FusG; SR 221.301) Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

22

837

53

837

73

576, 837

Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO; SR 272) Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

2 9 Abs. 1 13 17 29

80a 80f 80f, 251, 1777d 80f, 1748, 1777d 80b, 80f, 250b, 1777d 80c 80c f. 80d 80f, 870a 80b, 80f, 250b 80e 80f 80d

62 Abs. 1 63 83 84 88 93 179 197 ff. 208 Abs. 2 209 Abs. 3 243 ff. 248 lit. c 248 lit. d 248 lit. e

1062a 250a 1730 662, 849c 621, 1233 1730 599, 634 250b, 1062a 851 1062a 250b 251e 251, 1773 870a

249 lit. d

481, 491, 745, 864, 1039, 1773 250a f. 251e 251, 481, 488 493, 1773 251, 1773 1774a 251b 251b 849c 528, 1776 851

29 Abs. 1 29 Abs. 2 29 Abs. 3 29 Abs. 4 30 30 Abs. 1 30 Abs. 2 31

257 258 Abs. 1 261 ff. 262 263 265 308 ff. 319 ff. 344 344 Abs. 2 387

Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 1889 (SchKG; SR 281.1) Artikel

Nummer

Artikel

15 Abs. 2 30 Abs. 2 37 Abs. 1 37 Abs. 2 37 Abs. 3 41 41 Abs. 1 41 Abs. 1bis 41 Abs. 2 45 67 Abs. 1 67 Abs. 2 82 Abs. 1 92 Abs. 1 101 Abs. 1

47 1636 1452, 1467 1935 1468 1477, 1552, 1905 1555 1555 1556 1968 1914 744a, 1610 1767, 1815a, 1818a 6 482

106 ff. 126

Nummer

19, 685 1558, 1628, 1631, 1907 132 799 133–143b 1560 135 1627 ff. 135 Abs. 1 1633 f. 140 606, 1914 142 1180b, 1630 142 Abs. 1 und 2 1176, 1179 142 Abs. 3 1178, 1179a 142a 1558, 1627 146 1709 146 Abs. 2 1907 150 Abs. 3 1629

Artikel

Nummer

151–158

1477, 1552, 1560, 1905, 1935 1610 1610 606, 1558, 1627 ff. 1847a 1906 1545 481 481 493 1559 1633 1116 1709, 1558

151 Abs. 1 153 Abs. 2 156 156 Abs. 2 157 Abs. 2 158 Abs. 1 170 174 Abs. 3 176 Abs. 2 198 208 Abs. 1 212 219

653

Gesetzesregister

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

219 Abs. 1

19, 1559, 1867, 1907 1566 1203, 1635

242 258 Abs. 1 259 283 Abs. 3

19, 685, 1559, 1116 1632 1633 1932

293 Abs. 4 296

493 493

219 Abs. 3 219 Abs. 4

Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht vom 18. Dezember 1987 (IPRG; SR 291) Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

1 Abs. 2 97–108

45, 80a 45, 80a

100 ff. 102–103

1098 1098

149d

493, 495

Bundesgesetz über Geoinformation vom 5. Oktober 2007 (GeoIG; SR 510.62) Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

4 ff. 8 Abs. 3 16 17 f.

398 398 493a 493a

18 20 Abs. 1 21 Abs. 2 29 ff.

552 978a 493 396

29 Abs. 2 32 Abs. 1 34 Abs. 2

397 398a 402

Bundesgesetz über Bucheffekten vom 3. Oktober 2008 (Bucheffektengesetz, BEG; SR 957.1) Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

2 3 Abs. 1 4 6 6 Abs. 1

1084a 1084a, 1961a 1130d 1130d 1084a, 1953a f., 1961a

21 24–26 24 25 25 Abs. 2 26

1922 1346, 1961a ff. 1084a, 1961d 1961e f. 1878 1961f

29 30 30 Abs. 1 30 Abs. 2 31 f.

1084a 1084a 1880 1961f 1935, 1961h f.

Grundbuchverordnung vom 23. September 2011 (GBV; SR 211.432.1) Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

2 2 lit. a 2 lit. b 2 lit. c 2 lit. d 2 lit. e 2 lit. f 2 lit. g 4 5 6 6 Abs. 3 7 8 8 Abs. 2 8 Abs. 3 8 Abs. 4 8 Abs. 5 9 9 Abs. 1 10 11

376 8, 417, 811, 875 368 438 439 446 397, 443 445 430 431a 431 546 546 383 382, 384 443 380, 440, 447 380, 447 440, 467 468 380, 446 447

12 12 Abs. 2 13 13 Abs. 2 14 16 ff. 16 Abs. 1 16 Abs. 2 17 ff. 17 18 Abs. 1 18 Abs. 2 19 19 Abs. 1 19 Abs. 3 20 20 Abs. 2 21 22

447, 1616, 1837d 447 380, 447 381 383, 385 416 421, 428 429 422 1522 421 390, 421 421 390 390 444 444 417, 422, 443 416, 418, 1327, 1375, 1437

22 Abs. 1

418, 419, 1079, 1327 ff., 1417, 1444 418, 419, 1332 420, 1012, 1016, 1026, 1029, 1031 420, 1522 420 1522 1027 1027 527 448a, 451 450, 451 450 450a 450a 450a 450, 451 408 450, 451 458

22 Abs. 2 23 23 Abs. 1 23 Abs. 2 23 Abs. 3 23 Abs. 4 23 Abs. 5 24 26 26 Abs. 1 26 Abs. 2 27–30 27 Abs. 1 28 Abs. 2 31 31 Abs. 4 32 34

654

Gesetzesregister

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

37 46 ff.

445 467, 499, 840, 1241, 1536, 1765, 1826, 1839a 868 503 503 512, 514, 566, 840 512, 1379b 512 512 868, 1833 511 511 511 537 509, 524, 525 510 525 445 1539 493 493 493 493 493 493 493 495 493 493 493 493b 493 445, 513 530 849c 530 f., 576 849a 531, 576, 837 1027, 1029 1031 543 1022 1027, 1031 1031 1031 1032 530 988, 1226 1246 530 1639a 1681

76 Abs. 2

25, 491, 1051, 1393, 1399, 1675, 1686, 1765, 1766, 1768 490, 1393, 1686, 1751, 1764, 1771, 1772 468 481, 1773 476 1038, 1379b, 1575 1038, 1204 481 493 493, 749a 493, 1042, 1043 499 446 515 515 516 533, 534 523, 526, 527, 533, 535, 536, 537 525 500, 537 525 501, 525 528, 537, 538, 1773 542, 544, 612 542 542, 612 544, 612 527 541 574 496 541 734 725 725 734 793 420, 1012, 1016, 1026, 1029, 1031 1014, 1027 1241 1226, 1241, 1278 391 1528 1566, 1821, 1828 496 1837d 1615, 1616

103 Abs. 3 103 Abs. 4 104 Abs. 5 106 106 Abs. 2 107 Abs. 2 108 110 ff. 113 115 116 117 120 lit. a 120 lit. b 120 lit. c 122 Abs. 1 123 123 Abs. 1 123 Abs. 2 123 Abs. 3 124 124 Abs. 1 125 ff. 125 127 128 129 129 Abs. 3 130 131–139 131 Abs. 1 131 Abs. 2 140–143 140 Abs. 1 140 Abs. 2 141 142 143 144 ff. 144 144 Abs. 2 148 149 150 f. 152 152 Abs. 1 152 Abs. 4 153 ff. 155 158 159 160 161 163

1616 1616 496 496 1836a 1639a 1839b 1519 1520 1519, 1520 760, 1522, 1523 1570 1694 1401 1393 1573a 468 468 477 1575 468, 491 1773 493 705f, 749 493, 928, 971 493 493b 493b 440, 464, 496 497 497 532 638 638 638 640, 642 640, 641, 642 641, 642 1824 1599 1815, 1824 1825 1599 1836a 1838 1838 1838 497b 1520, 1588 497c 383, 386 386, 427 374 1821, 1839b

46 46 Abs. 1 46 Abs. 2 47 Abs. 1 47 Abs. 2 47 Abs. 3 47 Abs. 4 48 48 Abs. 1 48 Abs. 2 48 Abs. 4 49 49 Abs. 1 49 Abs. 2 50 51 52 53 ff. 54 Abs. 1 54 Abs. 3 54 Abs. 4 54 Abs. 5 55 ff. 55 55 Abs. 2 56 57 58 59 61 62 ff. 64 64 Abs. 1 65 65 Abs. 1 66 68 68 f. 68 Abs. 2 68 Abs. 3 69 69 Abs. 1 69 Abs. 3 69 Abs. 4 70 ff. 70 Abs. 2 70 Abs. 3 71 73 Abs. 1 76 Abs. 1

76 Abs. 3 77 ff. 77 Abs. 3 78 78 Abs. 1 78 Abs. 3 79 lit. a 80 80 Abs. 2 80 Abs. 3 81 ff. 81 81 Abs. 1 81 Abs. 3 82 83 Abs. 1 83 Abs. 2 84 ff. 84 84 Abs. 1 84 Abs. 2 85 87 Abs. 1 87 Abs. 2 87 Abs. 3 87 Abs. 4 88 89 ff. 89 Abs. 3 89 Abs. 4 93 94 Abs. 1 95 95 Abs. 1 96 96 Abs. 3 97 97 Abs. 2 98 Abs. 1 98 Abs. 2 98 Abs. 3 101 ff. 101 Abs. 2 102 103 103 Abs. 1

655

Gesetzesregister

(Alte) Verordnung betreffend das Grundbuch vom 22. Februar 1910 (aGBV; seit 1. Januar 2012 nicht mehr in Kraft) Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

Artikel

Nummer

7 20 Abs. 1 20 Abs. 2 22 Abs. 1 22 Abs. 2 22 Abs. 4

809a 1345, 1643, 1845d 375 1681, 491 490, 491, 1772

32 33a–33c 33c Abs. 1 33c Abs. 4 80 Abs. 10 85 ff.

725 1031 1031 1032 495 497a

91 f. 98 Abs. 1 98 Abs. 2 111q

497a 639 641 390

Sachregister Die Zahlen verweisen auf Randnummern. Die fetten Zahlen sind die Hauptfundstellen.

A Abänderung von Grundbucheinträgen s. Grundbucheintragung Abbrucharbeiten und Bauhandwerkerpfandrecht 1703, 1707a f., 1712 Abgegrenztheit 8 Abgeordneter s. Stockwerkeigentümergemeinschaft Abgeschlossenheitserfordernis 1021 f. Abgrenzungsklage 685, 882 881 ff. Abhanden gekommene Sache s. Sache Ablösung – einer Grunddienstbarkeit 1308 ff. – einer Grundlast 1455 – 1409e – einseitige – von Grundpfandrechten 1547 – durch den Drittpfandeigentümer 1608 – einer Gült 1860 Ablösungsbefugnis 1610 des Fiduziars 1844 Absolutes Eintragungsprinzip s. Eintragungsprinzip Abtretung (Zession) – einer pfandgesicherten Forderung 1614 ff., 1640a ff., 1896, 1936 – der Werklohnforderung 1719 Abtretungserklärung 1954 Abwehrinteresse 886 Abwehrrecht s. Besitzesschutz Abweisungsverfügung des Grundbuchverwalters 542 actio confessoria (Dienstbarkeitsklage) 1235 f. actio negatoria s. Eigentum s. Dienstbarkeit Akkreszenz (Anwachsung) 869 Aktien 1960 Akzessionsprinzip s. Prinzipien des Sachenrechts

Akzessorietät – des Bauhandwerkerpfandrechts 1780 – der Grundpfandverschreibung 1602 ff. – bei der Sicherungsübereignung? 1844j, 2016 – «mittelbare» 1844j – Vor- und Nachteile der Untergangsakzessorietät 1604b, 1820c – Rechtsvergleichung mit Bezug auf Grundpfandrechte 1604c Akzessorietätsprinzip s. Fahrnispfandrecht Alleinbesitz s. Besitz Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) – und Grundpfandvertrag 1831 – und Sicherungsabrede 1844b, 1844j Allgemeingüter 9 Alterspriorität s. Prinzipien des Sachenrechts Altertümer 1124 Altgült 1861 Amtssprache 431a Andere Dienstbarkeiten 1215, 1263, 1323, 1426 ff. – Begriff 1427 ff. – Entstehung, Übertragung und Untergang 1434 ff. Andere Rechte s. Forderungen und andere Rechte Aneignung (Okkupation) – von Grundeigentum 851 – von Fahrniseigentum s. Fahrniseigentumserwerb – von Grunddienstbarkeiten 1249 Anfechtungsklage im Stockwerkeigentum 1062 f. Anleihenstitel mit Grundpfandrecht 1469, 1485 f. Anmeldung im Grundbuch s. auch Grundbucheintragung – einer Grunddienstbarkeit 1241, 1243 – beim Erwerb von Grundeigentum 836 – eines Grundpfandrechts 1536 – eines Bauhandwerkerpfandrechts 1765 – eines Schuldbriefs 1826, 1841 ff., 1844c

– als Abgabe einer Willenserklärung 849c Anmeldungsprinzip s. Antragsprinzip Anmerkung s. auch Grundbucheintragung – einer Nutzungs- und Verwaltungsordnung im Grundbuch 493, 749 – eines Reglements über die Verwaltung und Benutzung im Grundbuch 493, 1042 – eines Verwalters im Stockwerkeigentum 1068a – von Zugehör im Grundbuch 493, 711 Anmerkungsgrundstück 1562 Annuitäten 1556 Anries 704, 969a Anstaltsfund 1124 Antichrese 1488 Antragsprinzip 503, 512 Anvertraute Sache s. Sache Anwachsung s. Akkreszenz Arbeit allein 1704 f. Architekt 1712 Aufbewahrer 2032 Aufhebungserklärung 1033 Aufhebungsvereinbarung 1033 Aufrufung einer unbekannten Gläubigerin beim Schuldbrief 1850 Aufsicht über das Grundbuch 430 f., 611 Auskunfts- und Einsichtsrecht s. Grundbuch Ausscheidung (räumliche) beim Stockwerkeigentum 1027 Ausschliessliches Nutzungsrecht 747a, 1023 Ausschluss – aus der Miteigentümergemeinschaft s. Miteigentümer – aus der Stockwerkeigentümergemeinschaft s. Stockwerkeigentümergemeinschaft – s. auch Novation, Ausschluss Ausschuss s. Stockwerkeigentümergemeinschaft Aussonderungsrecht 1116, 2016 Ausübungsinteresse 886 Ausweis, doppelter s. Grundbucheintragung

658 B

Baute 700, 812, 876, 885, 888 f., 892, 1562, 1707 – überragende – 896 ff. Bachquelle 891 Bedingung Bankbürgschaft 1747 – Eigentumsvorbehalt als – 1100 Barkaution 2006 – bei einer Grunddienstbarkeit Bauarbeiten, Störung des Nachbar1271 ff. grundstücks durch 961 – aufschiebende (suspensive) – Baugrubenarbeiten und Bauhand1272 werkerpfandrecht 1703, 1707a – aufhebende (resolutive) – 1273 Bauhandwerker (Handwerker oder – beim Schuldbrief 1492, 1811 Unternehmer) 1695 ff., 1704, – beim Wohnrecht 1360 1708 ff. Beherrschbarkeit 9 – Vorrecht der – 1785 ff. Beherrschungsinteresse 886 – Voraussetzungen 1787 ff. Behördenbeschwerde 546 – Wirkungen 1794 ff. Beistandschaft 1351 Bauhandwerkerpfandrecht (BauBeitragsforderung pfand, Baupfandrecht) 1692 ff. – bei Miteigentum 762 – Voraussetzungen 1703 ff. – bei Stockwerkeigentum 1044, – Errichtung 1750 ff. 1048 ff., 1055 – Entstehung durch Eintragung in – Errichtung eines Pfandrechts für das Grundbuch 1751 die – 1048 ff., 1669 – Frist 1752 ff. – Retentionsrecht für die – 1052 – Hypothekenart 1777b – Verfahren zur Eintragung 1765 ff. Belastungsgrenze – im bäuerlichen Bodenrecht – Gerichtsstand 1777d – beim Bauhandwerkerpfandrecht – Wirkungen 1778 ff. 1725 – Verwaltungsvermögen des Staates – beim Schuldbrief 1835, 1838c, 1839c, 1847a – ferner: 24 ff., 490, 1051, 1401, 1490, 1516, 1538, 1569, 1609, 1617, – beim Schuldbrief (aufgehoben) 1605, 1650, 1835 1668, 1679, 1686 Belastungstheorie 1155 Baukran und BauhandwerkerpfandBelege s. Grundbuch recht 1707b Bemerkung s. Grundbucheintragung Bauliche Massnahmen s. Verwaltungshandlungen (Vorausverwertung des Pfandes) Baupfand (Baupfandrecht) s. Bau1555, 1905 handwerkerpfandrecht – beim Schuldbrief 1844l Baurecht 901, 1215, 1263, 1323, Bereinigung 1327, 1365 ff. – beim Eigentumsvorbehaltsregister – Begriff 1367 ff. 1118 – Arten 1371 ff. – beim Grundbuch 411, 497a ff., 1295 – einfaches – 1374 Bergwerke 419, 809, 1352 – Gesamtbaurecht 1379 Berichtigung s. grundbuchrechtliche – gewöhnliches – 1372 Rechtsbehelfe – Leitungsbaurecht 1372 f., 1381 Berufung 251b – Überbaurecht s. dort Beschränkte dingliche Rechte 32 f., – Unterbaurecht 1378 1151 ff. – Baurecht zweiten Grades 1378 – Begriff 1153 ff. – Objekt der Belastung 1376 ff. – Arten 1160 ff. – Entstehung 1380 ff. – Rangordnung der – 1166 ff. – Übertragung 1385 ff. – an eigener Sache 1184 ff. – Untergang 1389 ff. – ferner: 1205, 1338, 1464, 1778 Baurechtsvertrag 1402 f., 1413 Beschränktheit der Belastung 1268, Baurechtszins 1394 ff. 1317 – Pfandrecht für den – 1397 ff., 1545, Beschwerde in Zivilsachen 251c, 1670 431, 453, 546, 612, 1774

Sachregister

Beseitigungsklage – beim Besitzesschutz 243 – bei der Eigentumsfreiheitsklage 678 Besitz 81 ff., 1874 – Bedeutung 81 ff. – gesetzliche Ordnung 86 ff. – Begriff 95 ff. – Abgrenzungen 104 ff. – Arten 107 ff. – Alleinbesitz – 115 – einfacher – 107, 265 – – Gesamtbesitz 117a, 1890 – mehrfacher (gestufter) – 108 ff. – Mitbesitz 115a ff., 265, 740, 1890 – mittelbarer – 114 – Rechtsbesitz 119 ff., 1231 – Sachbesitz 118 – selbständiger – 110 – unberechtigter – 337 ff. – unmittelbarer – 113 – unselbständiger – 111 – ununterbrochener und unangefochtener 858, 862 Besitzanweisung 163 ff., 1093, 1113 Besitzanweisungsvertrag 168, 172 f. Besitzdiener 105 f., 149, 214, 285, 664 Besitzdienerschaft 167, 180, 320, 1924 Besitzesentziehung 218, 233 – Klage aus – s. Besitzesschutz Besitzeserwerb 127 ff. – originärer (ursprünglicher, einseitiger) – 128, 133 ff. – derivativer (abgeleiteter) – 129, 140 ff. – durch Übergabe der Sache 143 ff. – ohne Übergabe der Sache 150 ff. – bei Warenpapieren 191 ff. – beim Erbgang 102, 132 – friedlicher – 858 – verdächtiger – 261 Besitzeskonstitut («constitutum possessorium») 178 ff., 1093, 1876, 1890, 2001, 2011, 2020, 2026 Besitzesrechtsklage (Fahrnisklage) 282 ff., 319 ff., 338, 1236a – Verhältnis zur Vindikation 325 ff., 659 Besitzesrechtsschutz 254 ff., 607, 1203, 1236a, 1910, 1932 – Vermutungen aus dem Besitz von Fahrnis 258 ff. – aus selbständigem Besitz 264 ff. – aus unselbständigem Besitz 269 ff.

659

Sachregister

– Vermutungen aus dem Grundbucheintrag 259, 600 f., 607 ff. – Defensivwirkung des Besitzes 272 ff. – Offensivwirkung des Besitzes 282 – Translativwirkung des Besitzes 302 – Besitzesrechtsklage s. dort Besitzesschutz 209 ff., 1018b, 1203, 1228 ff. – Abwehrrecht 224 ff. – Besitzesschutzklagen (possessorische Klagen) 232 ff., 609, 685, 1230 – Klage aus Besitzesentziehung 233 ff., 338, 1230 – Klage aus Besitzesstörung 239 ff., 963 – Passivlegitimation 214c – Verfahren 250 ff. – Geschützte Person bei mehrfachem Besitz 214a – Geschützte Person bei Mitbesitz 214b – Anspruch des Dienstbarkeitsberechtigten auf – 1227, 1230 f. – Anspruch des Fahrnispfandgläubigers auf – 1910 – Anspruch des Besitzers einer retinierten Sache auf – 1932 Besitzesstörung – im weiteren Sinn 211, 217 ff. – im engeren Sinn 219, 239 – Klage aus – s. Besitzesschutz Besitzesverlust 199 ff., 1898 Besitzkehr 227 ff. Besitzpfandrecht 1870 Besitzübertragung kurzer Hand (Besitzwandlung, «brevi manu traditio») 158 ff., 1093 Besitzübertragungssurrogat s. Traditionssurrogat Besitzvertrag 150, 155, 161, 184 Besitzwandlung s. Besitzübertragung kurzer Hand Besitzwehr 226 Besonderes Nutzungsrecht 1023 Besseres Recht zum Besitz 235 f., 241 Bestandteil s. Eigentum Bestimmtheitsgebot 1504 Betreibung – auf Konkurs 1559, 1631 ff., 1981 – auf Pfändung 1627 ff. – auf Pfandverwertung 1552, 1558, 1627 ff., 1777c; 1818a,1844l, 1905, 1981, 2039 Betreibungskosten 1566 f., 1906 Bewegliche Sache s. Sache

Beweislastumkehr 266, 711 Bienenschwarm 1125 Bildung neuen Landes 851 Blankoersitzung s. Ersitzung Blankoindossament 1837b Bleistiftnotiz 516 Bodenverbesserungen 1590 Bodenverschiebung 582, 851, 878 f. Böser Glaube – des Besitzerwerbers 308, 312 ff. – des unberechtigten Besitzers 347, 354 ff. – beim Grundbucheintrag 589, 1281a ff. – des Verarbeiters 1126 – des Erwerbers eines Schuldbriefs 1845d, 1845k «brevi manu traditio» s. Besitzübertragung kurzer Hand Bruchteil (Quote) 731, 798, 1736 f. Brunnen s. Nachbarrecht Bucheffekten – Begriff 1084a, 1961a – Nutzniessung an – 1346 – Pfandrecht an – 1953a f., 1961a ff. – ferner: 1095, 1869a, 1873, 1878, 1895, 1935, 2006, 2015 Buchrecht 1482, 1802, 1816 Buchungsgrundsatz s. Eintragungsprinzip Bürgschaft 1724a ff., 1747

Deklaratorische Wirkung – der gerichtlichen Entscheidung bei der ausserordentlichen Ersitzung 864 – der Grundbucheintragung – beim Erwerb von Grundeigentum 837 – bei der Entstehung von Grunddienstbarkeiten 1249 – der Löschung eines Grundpfandrechts im Grundbuch 1546 Deponent 2032 Depositar 2032 Dereliktion 868 f., 1137, 1315, 1333 Dienendes Grundstück s. Grundstück Dienstbarkeit (Servitut) 1162, 1200 ff. – Inhalt 1206 ff. – 1208, 1230, 1256 – negative – 120b ff., 1209, 1231, 1256, 1269 – Gegenstand 1210 – Arten 1211 ff. Dienstbarkeitsberechtigter 1212 f., 1369 – rechtlicher Schutz des – 1227 ff. – Besitzesschutz s. dort – Rechtsschutz 1227, 1232 ff. – Schadenersatzklage s. dort – Selbsthilferecht s. dort Dienstbarkeitsklage s. actio confessoria C Dienstbarkeitsvertrag 988, 1220, 1242 ff., 1261, causa s. Rechtsgrund – Auslegung des – 1275a, 1279 Clausula rebus sic stantibus 1244a Dingliche Rechte 15 ff. Computergeführtes Grundbuch – Arten 30 ff. s. Grundbuch Computerunterstütztes Grundbuch – Entstehungsdatum bei Eintragung in das Grundbuch 573 f. 381 – beschränkte dingliche Rechte als – «constitutum possessorium» 1154 s. Besitzeskonstitut – Eigentum als – 654 Coupons 1959 Dingliche Surrogation 1348 Dinglicher Vertrag 1094, 1890 Direkte Sicherung beim Schuldbrief D 1820e, 1846 Doppelaufruf 1176 ff., 1205, 1560, Datenmodell, einheitliches 390 1630 debitor cessus 2025 f. – bei im Grundbuch vorgemerkter Deckungsprinzip Miete 1179, 1199 – beim Grundpfandrecht im Allgemei– bei nicht im Grundbuch vorgemerknen 1558 ter Miete oder Pacht 1180b, 1199 – bei der Grundpfandverschreibung – bei im Grundbuch vorgemerkten 1628, 1632 persönlichen Rechten 1179 Defensivwirkung s. BesitzesrechtsDoppelnorm 923, 976 schutz

660 Doppelzahlungsrisiko – beim Bauhandwerkerpfandrecht 1715, 1717a, 1732 – beim Schuldbrief 1836b, 1844m Drittpfand 1531, 1663, 1715 Drittpfandeigentümer 1608 f., 1886 Drittpfandrecht 1050 Drittpfandverhältnisse – beim Fahrnispfand 1865 – bei der Grundpfandverschreibung 1606 ff., 1619, 1679, 1782 – beim Schuldbrief 1812, 1815a, 1825, 1839b Drittvornahme 1341 Durchleitungsrecht 1274; s. auch Notrechte

Eigentümerpfandrecht 1875 Eigentümerregister 447 Eigentümerschuldbrief 1467, 1814, 1815a, 1838c, 1844d, 1844f, 1847a – Faustpfandverpfändung von – 1847a, 1954 Eigentumsanmassung 206 Eigentumsbeschränkungen 686 ff. – gesetzliche – 686 ff. – mittelbare – 688, 1221 – unmittelbare – 688 – gewillkürte – 689 – Kataster der öffentlich-rechtlichen – 493a, 552 Eigentumsfeststellungsklage 883 Eigentumsfreiheitsklage s. Eigentum Eigentumsgarantie 648, 685, 826, 1159 Eigentumsklage s. Eigentum E Eigentumsrecht, Überschreitung des 954, 1236 EDV-Grundbuch s. Grundbuch Eigentumsvorbehalt 182, 709a, Eidgenössisches Grundbuch 1095 ff., 1998 f. s. Grundbuch Eigenmacht, verbotene 211, 216, 220, – Voraussetzungen 1099 ff. – Wirkungen 1112 ff. 222 f., 230, 233, 239, 1157, 1230 – Untergang 1118 Eigentum 31, 646 ff. – als pfandrechtsähnliches Siche– Inhalt 652 ff. rungsgeschäft 1871, 1985 ff. – Verfügungsrecht 657 ff. – verlängerter – 1991 – Herausgabeklage (Eigen– beim Viehhandel 1943 tumsklage, Vindikation, «rei vinEigentumsvorbehaltsregister dicatio») 338, 659 ff., 1902 1103 ff. – Eigentumsfreiheitsklage (Negatorienklage, actio negatoria) 659, – Wirkungen des Eintrags im – 1107 ff. 670 ff., 962, 1017a Einbau 893 ff., 1706 – weitere Rechtsbehelfe 685 Einfache Gesellschaft 794 – Umfang 692 ff. Einfriedung s. Nachbarrecht – Bestandteil 79, 694, 696 ff., 898, Einreden des Schuldners 1562, 1695, 1781, 1879 – bei Drittpfandverhältnissen 1610 – Zugehör 694, 705 ff., 813, 902, – bei der Hypothekarobligation 1649 1563, 1781, 1879 – beim Schuldbrief 1492, 1845 ff. – gemeinschaftliches – 713 ff. Eintragung, 487 ff., – Gesamteigentum s. dort 542, 643, 1724e – Miteigentum s. dort – beim Bauhandwerkerpfandrecht – wirtschaftliches – 1997 1686, 1764, 1770 ff. Eigentümerdienstbarkeit 1189 ff. – superprovisorische – 1774a – beim Baurecht 1404, 1408 – beim Baurecht 1393, 1401 – bei Grunddienstbarkeiten 1247, Eintragungsprinzip (Buchungs1305 grundsatz) 831, 834 ff., 1453 f. – bei der Nutzniessung 1345 – absolutes – 466, 500, 502, 507, 550, Eigentümergrundlast 1192, 1453a 570, 572 ff., 835 f., 1241 Eigentümergrundpfandrecht 1189, – relatives – 501, 525, 570, 576 ff., 1194 ff., 1467, 1834 837, 1249 – forderungsbekleidetes (uneigentliEinwirkungen s. Immissionen ches, unechtes oder unvollkommeElastizität des Eigentums 1155 nes) – 1195 – forderungsentkleidetes (eigentliches, Energie 1079 Energielieferungsvertrag 1080 echtes oder vollkommenes) – 1196

Sachregister

Enteignung 851, 870, 1136, 1249, 1315, 1545, 1901 – des nachbarrechtlichen Abwehranspruchs 960 – der negatorischen Ansprüche 887a Entschädigung – bei den überragenden Bauten 900 – beim Einbau 894 f. – bei Ablösung einer Grunddienstbarkeit 1310 ff. – beim Heimfall 1392 f. – beim vorzeitigen Heimfall 1407 f. – bei vorzeitiger Ablösung eines – bei einer Legalservitut 1224 – beim Notweg 984 ff. – beim Quellenrecht 1425 Entsorgungsarbeiten und Bauhandwerkerpfandrecht 1707b Entwässerung s. Nachbarrecht Entzug von Besonnung und Tageslicht 949b f., 957 Erbe 588, 939, 999 Erbengemeinschaft 794 Erneuerungsfonds 1055 Ersitzung – von Fahrnis 1131 ff. – von Faustpfandrechten 1892 – von Grunddienstbarkeiten 1249 ff., 1280 – ordentliche – (Tabularersitzung) 1250, 1252, 1461 – ausserordentliche – (Extratabularersitzung) 1253 – Kontratabularersitzung 1253 – von Grundstücken 622, 669, 851 ff., 1092 – ordentliche – (Tabularersitzung) 853, 858 f. – ausserordentliche – (Extratabularersitzung, Blankoersitzung) 853, 860 ff. – Kontratabularersitzung (Ersitzung «contra tabulas») 854 Erwerbsakt – beim Eigentumserwerb 836, 840, 849 – bei der Entstehung eines Faustpfandrechts 1889 ff. – bei der Errichtung von Grunddienstbarkeiten 1240 – bei der Errichtung einer Nutzniessung 1344, 1346 Erwerbsgrund – beim Eigentumserwerb 836, 841, 849

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Sachregister

– bei der Entstehung eines Faustpfandrechts 1886 ff. – bei der Errichtung von Grunddienstbarkeiten 1240, 1275a, 1279 – bei der Errichtung einer Nutzniessung 1344 f. Eurohypothek 1479 Europäisches Grundpfandrecht s. Eurohypothek Extratabularersitzung s. Ersitzung

– Numerus clausus s. Prinzipien des Sachenrechts – Prinzip des öffentlichen Glaubens s. Prinzipien des Sachenrechts – Publizitätsprinzip s. Prinzipien des Sachenrechts – Spezialitätsprinzip s. Prinzipien des Sachenrechts – Prinzip der Unteilbarkeit der Pfandhaftung 1879, 1899, 1932 890, 908, 1077 Fahrnisverpfändung (Faustpfandverpfändung) von Schuldbriefen F s. dort Fahrnisverschreibung 1869a, Factoringvertrag 2028 1941 ff. Fahrnisbaute 812, 889, 905 f., 1077, – an Luftfahrzeugen (Flugzeugver1707, 1370a pfändung) 1095, 1869a, 1945 Fahrniseigentum 1071 ff. – an Schiffen (Schiffsverpfändung) – Gegenstand 1073 ff. 1095, 1869a, 1944 – bewegliche körperliche Sachen – an Vieh (Viehverpfändung) 1095, 1074 ff. 1869, 1874, 1943 – Naturkräfte 1074, 1079 f., 1866 Familienangehöriger 1359 – Inhalt 1144 Faustpfand 1163, 1470, 1869, 1884, – Beschränkungen 1145 ff. 1919, 1935, 1945, 1949, 1957, 1964, – gesetzliche – 1145 ff. 2020, 2034 – rechtsgeschäftliche – 1148 ff. Faustpfandgläubiger 1847a f. Fahrniseigentumserwerb 1088 ff. Faustpfandprinzip s. Fahrnispfand– derivativer – 1088 ff. recht – durch Besitzübertragung 1090 ff. – unter Eigentumsvorbehalt 1095 ff. Faustpfandrecht 1695, 1883 ff., 1944, 2015 – ohne Besitzesübergang 1119 – Entstehung 1885 ff. – originärer – 1088, 1120 ff. – durch Besitzanweisung 177, 1890 – Aneignung 1120 – durch Besitzeskonstitut 189 – Ersitzung s. dort – Übertragung und Untergang 1896 ff. – Fund 1121 ff. – Wirkung 1903 ff. – von einem Unberechtigten 1135 Faustpfandverpfändung (Fahrnis– Verarbeitung 1126 verpfändung) von Schuldbriefen – Verbindung und Vermischung s. dort 1127 ff. Faustpfandvertrag 1886 – Zuführung 1125 Feststellungsinteresse 1233, 1910 Fahrniseigentumsverlust 1137 Feststellungsklage 274 Fahrnisklage s. Besitzesrechtsklage – zur Feststellung einer bestrittenen Fahrnispfandrecht 1163, 1197, Dienstbarkeit 1233 1863 ff., 2011 – des Faustpfandgläubigers 1910 – Begriff 1864 ff. – die Grundbuchberichtigungsklage – Arten 1868 ff. als – 621 – gesetzliches – 1870, 1919, 1975 f. – des Gläubigers in Bezug auf die reti– gewillkürtes – 1870 nierte Sache 1932 – allgemeine Grundsätze 1872 ff. – Akzessorietätsprinzip 1873, 1899 Feststellungsurteil 1314 Fiduziant 1844g, 2013, 2022 – Prinzip der Alterspriorität Fiduziar 1844b, 2013, 2022 s. Prinzipien des Sachenrechts Fiduziarisches Rechtsgeschäft – Faustpfandprinzip (Verbot der – Sicherungsübereignung als – 1844, Mobiliarhypothek) 1876, 1890, 2013 1898, 1942, 1961e, 1987, 1998, – Sicherungszession als – 2022 2001, 2020

recht von Schuldbriefen 1843b, 1844 f. Fiktion der Kenntnis des Grundbucheintrags s. Grundbuch Finanzierungsleasing s. Sicherungsgeschäfte, pfandrechtsähnliche Finanzmarktkrise 1479 Finanzvermögen s. Vermögen Flugzeugverpfändung s. Fahrnisverschreibung Forderungen, gewöhnliche 1951 Forderungen und andere Rechte 1866, 1951 ff., 2023, 2036 – Pfandrecht an – 1154, 1470, 1869, 1947 ff. – Errichtung 1950 ff. – Wirkungen 1957 ff. Forderungspfandrecht, gesetzliches 1956 Form, schriftliche – der Anmeldung zur Eintragung ins Grundbuch 511, 1536, 1542, 1765, 1825 – für die Aufnahme eines selbständigen und dauernden Rechts als Grundstück 418, 1330 f. – bei der Änderung eines RegisterSchuldbriefs 1840 – bei der Abtretung einer Forderung 1614, 2026 – bei Dereliktion von Grundeigentum 868 – beim Vertrag auf Errichtung eines Grundpfandrechts 1531 – bei der Rangrücktrittserklärung 1573a – bei einer Schuldanerkennung betreffend die Errichtung einer Grundpfandverschreibung 1643 – bei einer Verlegungsvereinbarung 1524 – beim Verzicht auf die Ausübung eines Vorkaufsrechts 772, 944 – beim Vorkaufsvertrag 998 Formmangel und Rechtsmissbrauch beim Grundpfandvertrag 1535 Freiheit des Abschlussortes 848 Freiwillige Gerichtsbarkeit 365 Früchte 2017 – natürliche – 700, 703 f., 1340, 1879, 1915 – zivile – 703 Fund s. Fahrniseigentumserwerb Fusion s. Gesetzesregister zum FusG –

662 G

Gestaltungsurteil – Eigentumserwerb durch – 851, 1136 – bei der Grenzscheidungsklage 883 Garantie als hinreichende Sicherheit beim Bauhandwerkerpfandrecht – bei einer Legalservitut 900, 985, 989, 1223 1747 Gewerbeverbot 1269a Gebrauchsüberlassungsvertrag sui Gläubigerregister 447, 1616, 1837d generis 2000 Gegenstände, wissenschaftliche 1124 Gleichbehandlungsgebot 1062b, 1791 f. Geld 310, 316, 1130a, 2006, 2035 Globalurkunde 1130c f., 1973 Geldleistung 1447 Globalzession 2029 Gemeindedienstbarkeit 1432 Grabungen und Bauten s. NachbarGemeinschaft zur gesamten Hand recht 717, 791 f. Grenzen Gemeinschaftliche Teile s. Stock– des Grundstücks 582, 605 werkeigentum – der Liegenschaft 877 ff. Gemeinschaftliches Eigentum – rechtliche – 877 s. Eigentum – tatsächliche – 877 Gemessene Grunddienstbarkeit Grenzscheidungsklage 685, 883 s. Grunddienstbarkeit Grenzverrückung 880 Generalunternehmer 1516, 1679, Grenzvorrichtungen 884 1713 ff., 1724 Grundbuch 363 ff. Gerichtliche Durchsetzung der For– Bedeutung 364 ff. derung auf Eigentumsübertragung s. Gesetzesregister zu Art. 665 ZGB – gesetzliche Ordnung 369 ff. – Form 379 ff. Gerichtliches Verbot 251e f. – Papiergrundbuch 380 f., 440, 447, Gerichtsstand 80a ff. 516 – bei beweglichen Sachen 80e – informatisiertes Grundbuch (EDV– bei Grundstücken 80c f., 1748 Grundbuch, computergeführtes – bei richterlichen Massnahmen im Grundbuch) 382 ff. Grundeigentum 870a – amtliche Vermessung 395 ff. – Gerichtsstandsvereinbarung 80f – Anlegung 402 ff. – Klage auf Eintragung eines Bau– eidgenössisches Grundbuch handwerkerpfandrechts 1777d 402 ff., 555, 571, 581, 602, 857, Gerüstbau und Bauhandwerkerpfand861, 1490, 1845f recht 1703, 1707a f., 1712 – kantonale Registereinrichtungen Gesamtbaurecht s. Baurecht 402, 405 ff., 452, 555, 571, 581, Gesamtbesitz s. Besitz 602, 861, 1845f Gesamteigentum 717, 791 ff. – Aufnahme (Immatrikulation) der – Voraussetzungen 791 ff. Grundstücke 416 ff. – Wirkungen 795 ff. – Bestandteile 437 ff. – Aufhebung 800 ff. – Belege 445, 575, 589 f., 639, 1278 – Verpfändung von – 1537 – Grundstücksbeschreibung 444 Gesamthänderische Gemeinschaft – Hauptbuch 438 ff., 572 f., 590, s. Gemeinschaft zur gesamten Hand 634, 835 f., 840, 1332, 1751 Gesamtpfand 1735, 1739 f. – Hilfsregister 447 Gesamtpfandrecht 1518 ff. – Pläne 443, 605, 877 ff., 1246 Gesamtüberbauung 1738 ff., 1759 – Tagebuch 446, 515 f., 574, 835 f., Gestaltungsklage 840, 1171, 1751, 1764, 1776 – Grundbuchberichtigungsklage als – – Öffentlichkeit 448 ff. 621 – Auskunfts- und Einsichtsrecht – beim Notwegrecht 989, 1223 449 ff. – «erweiterter Zugang» 450a – Veröffentlichung der Handänderungen 454 ff., 832 – Fiktion der Kenntnis des Eintrags 459 ff.

Sachregister

Grundbuchamt 430 Grundbuchauszug 590, 1599 Grundbuchberichtigungsklage s. grundbuchrechtliche Rechtsbehelfe Grundbuchbeschwerde s. grundbuchrechtliche Rechtsbehelfe Grundbucheintrag 391, 463, 495, 529, 570, 575, 1241 – ungerechtfertigter – 577, 586 ff., 597, 606, 614 ff., 639 Grundbucheintragung 462 ff. – Begriff 463 – Arten 464 – Anmerkung 493 ff., 590, 928, 971, 1797 – Bemerkung 496 – Eintragung im engeren Sinn 465 ff., 590 – Löschung oder Abänderung von Einträgen 497 ff. – erleichterte Löschung von Einträgen 626 ff. – Vormerkung 468 ff., 590, 624 – Verfahren 499 ff. – Anmeldung 502 ff. – Doppelter Ausweis 513, 517 ff. – konstitutive Wirkung der – s. dort – s. auch Anmeldung im Grundbuch Grundbuchgebühren 432 ff. Grundbuchkreise 428 f. Grundbuchrechtliche Rechtsbehelfe – Grundbuchberichtigungsklage 430, 470, 541, 562, 614 ff., 628, 631, 634, 639, 685, 849, 859, 1275b, 1276, 1578 – Legitimation zur – 620 – Grundbuchbeschwerde 453, 541, 544 f., 562, 611 ff., 635 – Legitimation zur – 548 – Verantwortlichkeitsklage 552 ff., 593, 643, 940 – Löschung eines Eintrags 626 ff. – Berichtigung eines unrichtigen Eintrags 637 ff. Grundbuchsperre (Kanzleisperre) 484 f., 495 Grundbuchverwalter 430 Grundbuchwirkungen 591 ff. – negative – s. Rechtskraft – negative Publizitätswirkung 597 – negative Rechtskraft s. Rechtskraft – positive Rechtskraft s. Rechtskraft – Wirkungen gemäss Art. 937 Abs. 1 ZGB 598 ff. – Richtigkeitsvermutung 599 ff. – Legitimationswirkung 607 ff.

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Sachregister

Grunddienstbarkeit (Prädialservitut) 1162, 1212, 1238 ff., 1373, 1416 – Errichtung 1240 ff. – durch Eintragung in das Grundbuch 1241 ff. – ohne Eintragung in das Grundbuch 1249 ff. – Inhalt 1254 ff. – Grundsatz 1259 – Schranken 1260 ff. – Feststellung 1275 ff. – Verbot der Mehrbelastung 1282 ff. – Ausübung 1285 ff. – Änderung 1291 ff. – Untergang 1297 ff. – gemessene – 1209a, 1282a f. – ungemessene – 1209a, 1279 f., 1283 Grundeigentum 806 ff. – Gegenstand 807 ff. – Umfang 873 ff. – horizontale Ausdehnung 875, 877 ff. – vertikale Ausdehnung 875, 885 ff. Grundeigentumsbeschränkungen 912 ff. – gesetzliche – 915, 918 ff. – öffentlich-rechtliche – 922 – privatrechtliche – 921 – mittelbare – 924, 926, 929 – unmittelbare – 924 f., 928 – Nutzungsbeschränkungen 917, 945 ff. – Verfügungsbeschränkungen 917, 932 ff. – gewillkürte – 916, 995 ff. – Nutzungsbeschränkungen 917, 995 – Verfügungsbeschränkungen 917, 995 Grundeigentumserwerb 831 ff. – originärer – 838, 851 – derivativer – 838 ff. – durch Eintragung ins Grundbuch 840 ff. – ohne Eintragung ins Grundbuch 577, 850 Grundeigentumsverlust 865 ff. Grundlast 1440 ff. – Begriff 1441 ff. – öffentlich-rechtliche – 1453, 1458 – Personalgrundlast 1444 – Realgrundlast (prädiale Grundlast) 1444 – Inhalt 1446 ff. – Zwitterstellung 40 ff., 1450 ff. – Entstehung und Untergang 1453 ff.

– ferner: 120c, 1164, 1265, 1467, 1493, 1737, 1857 Grundpfandrecht 1163, 1393, 1473 ff. – Begriff 1474 ff. – Rechtsquellen 1478 f. – Aufgaben 1480 ff. – gesetzliches – 1497 ff. – mittelbares – 1499, 1535, 1653, 1664 ff., 1699, 1751 – unmittelbares – 1498, 1585, 1653 ff. – rechtsgeschäftliches – 1496 – Entstehung 1527 ff. – durch Eintragung in das Grundbuch 1528 ff. – ohne Eintragung in das Grundbuch 1539 f. – Untergang 1540 ff. – Wirkungen 1548 ff. Grundpfandverschreibung (Hypothek) 1163, 1469, 1491, 1594 ff. – gesetzliche – 1653 ff. – vertragliche – 1596 ff. – Entstehung und Untergang 1611 f. – Pfanderneuerung 1637 ff. – Wechsel der Pfandart 1639a – Wechsel eines Beteiligten 1613 ff. Grundschuld nach BGB 1479, 1604c Grundstück 808 ff. – dienendes – 121, 1244, 1255 ff., 1311 – herrschendes – 418, 1211 ff., 1244, 1248, 1255 ff., 1274, 1275a, 1283, 1299, 1306, 1322, 1328, 1374 – im Gemeingebrauch 417, 817, 822 f., 1724 – als Pfandobjekt beim Bauhandwerkerpfandrecht 1720 ff. Grundstückgewinnsteuer 1657, 1663 Grundstückinformationssystem, elektronisches 390 Grundstücksbeschreibung s. Grundbuch eidgenössische 390, 421 Grundverhältnis beim Schuldbrief 1802, 1809, 1811, 1820a ff., 1843 ff., 1844j ff., 1845a, 1845k, 1846, 1847 Grundwasser 1412 Gült 1163, 1457, 1469, 1493, 1853 ff. – Gemeinsamkeiten der – mit dem Schuldbrief 1855 – eigenständige Regeln 1856 ff. – 1485, 1487 f., 1493, 1854

Gütergemeinschaft 794 Güterzusammenlegung 1526 Guter Glaube – Begriff 289 – bei den überragenden Bauten 899 f. – des Besitzerwerbers 288 ff., 308 – des unberechtigten Besitzers 347, 350 ff. – des Ersitzungsbesitzers 858, 863, 1132 f. – bei den unmittelbaren gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen 928, 941 – des Dritten bei Erwerb einer im Eigentumsvorbehaltsregister eingetragenen Sache 1111 – beim Einbau 894 – beim Erwerb von Fahrniseigentum 1092, 1135 – des Dritten beim Erwerb eines Fahrnispfandrechts 1877 – in Bezug auf den Grundbucheintrag 579, 583 ff., 622, 624, 634, 851, 1248, 1276, 1281a ff., 1535, 1833 – Zerstörung des – 460, 473, 495 – des Dritten bei einer Hypothekarobligation 1648 – des Dritten beim Schuldbrief 1492, 1845e ff., 1845k – in Bezug auf den Grundbucheintrag 1845f – in Bezug auf die Urkunde (PapierSchuldbrief) 1845j – bei gesetzlichen Grundpfandrechten 1663a – Verhältnis zum absoluten Eintragungsprinzip 572a Gutglaubensschutz 578, 582, 594, 941, 1248, 1492, 1600 Gutglaubenswirkung s. Rechtskraft H Handänderung, Veröffentlichung der s. Grundbuch Handlungsfähigkeit – bei der Anmeldung zur Eintragung in das Grundbuch 523, 537 – beim originären Besitzeserwerb 136 – bei Besitzesübertragung unter Anwesenden 147 – beim Besitzvertrag 155, 161, 168, 184 – beim Störer 221 – Einschränkung der – 526 Handschenkung – durch Besitzanweisung 176

664 – durch Besitzeskonstitut 190 Handwerker s. Bauhandwerker Hauptbuch s. Grundbuch Hauptbuchblatt 439 f., 467, 1171, 1764 Hauptsache s. Sache Hausgenosse 1359 Heimfall 1391 – vorzeitiger – 1404 ff. Herausgabeklage s. Eigentum Herrschendes Grundstück s. Grundstück Hinterleger 2032 Hinterlegung sicherheitshalber s. Sicherungsgeschäfte, pfandrechtsähnliche Hinterlegungsvertrag 2037 Höchstzinsfuss 1508 Hotelmobiliar 705f Hypothek s. Grundpfandverschreibung Hypothekarbank 1972 Hypothekargeschäft – kommerzielles – 1843a f. – indirektes – 1820g, 1847; s. auch indirekte Sicherung Hypothekarkredit 1972 Hypothekarobligation s. Obligation mit Grundpfandverschreibung I Identität der Dienstbarkeit 1284, 1313 Immissionen 947 ff. – ideelle – 949a – negative – 949b, 957 – positive – 949a – übermässige – 954 – durch Bauarbeiten 961 – Verhältnis zwischen privatrechtlichem und öffentlich-rechtlichem Immissionsschutz – 951 Indexklausel 1395 Indirekte Sicherung beim Schuldbrief 1820g, 1847 Individualitätsprinzip s. Prinzipien des Sachenrechts Indossament 1954 Informatisiertes Grundbuch s. Grundbuch Inhaberobligation mit Grundpfandverschreibung 1534, 1643 Inhaberpapiere 310, 316, 1649, 1814, 1837a, 2015, 2024 – Verpfändung von – 1954

Sachregister

Inhaberschuldbrief 1815, 1837e, 1845d Inhalt, nebensächlicher 1264, 1451 Inhaltsfreiheit 1261 Innominatkontrakt – Dienstbarkeitsvertrag als – 1244, 1382 – Leasingvertrag als – 1997 – Pfandvertrag als – 1887 – Sicherungsabrede als – 2017 Interesse, vernünftiges 1266 f., 1317 Interimstitel 1825 Interimsurkunde 1825 Irreguläre Personaldienstbarkeit s. Personaldienstbarkeit Irreguläres Pfandrecht s. Sicherungsgeschäfte, pfandrechtsähnliche K Kantonale Registereinrichtungen s. Grundbuch Kanzleisperre s. Grundbuchsperre Kapitalhypothek 1506, 1507a, 1509, 1567, 1601, 1777b Kapprecht 969a Kataster der öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen 493a, 552 Kauf auf Rückkauf, gewerbsmässiger 1969 311, 1927 Kaufsrecht 472, 476, 478, 485, 916, 1004 Kausalhaftung – bei der Verantwortlichkeit des nicht berechtigten Besitzers 348 – bei der Haftung der Kantone aus Grundbuchführung 552 – bei der Verantwortlichkeit des Grundeigentümers 957 Kausalitätsprinzip s. Prinzipien des Sachenrechts Klage auf Zusprechung des Eigentums 849a Klage aus dem Bucheintrag 608, 685 – bei einer im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeit 1236a Kognition (Überprüfungsbefugnis) – der Aufsichts- oder Rechtsmittelbehörde 539, 549 – des Grundbuchverwalters 533 ff. Konfusion 1196, 1875 Konkurrenzverbot 1269a Konnexität 1926 f. Konsolidation 1184, 1305

– teilweise – 1185 f., 1875 – vollständige – 1185, 1187 ff., 1901 – bei Fahrnis 1188, 1875 – bei Grundstücken 1189 ff. Konstitutive Wirkung – der Eintragung ins Eigentumsvorbehaltsregister 1108 – der Grundbucheintragung 500, 572, 835, 989 – des Gestaltungsurteils in Bezug auf eine Legalservitut 1223 – der Übergabe des Schuldscheins bei der Sicherungszession 2026 Konsumkreditgesetz 1098, 1101, 1591a, 2002 Kontokorrentforderung 1638b, 1640c Kontratabularersitzung s. Ersitzung Kontrollvereinbarung nach BEG 1961e Körper, menschlicher 5, 1075 Körperlichkeit 7 Kreditkauf 1095, 1099 Kreditvertrag sui generis 2000 Kulturgüter 292 f., 311a, 1133 f., 1138 ff., 1920 L Lastenverzeichnis 606 Leasingabrede 1999 Leasinggeber 1993 Leasingnehmer 1993 Leasingvertrag s. Sicherungsgeschäfte, pfandrechtsähnliche Legalservitut 1183, 1220 ff. Leichnam 5, 1075 Leistungsklage – Grundbuchberichtigungsklage als – 621 – Herausgabeklage als – 662 – auf Erfüllung des Grundstückkaufvertrags 849a Leistungsurteil 989 Leitung 902 ff., 1241, 1292 Leitungsbaurecht s. Baurecht Leitungsdienstbarkeit 903 f. «lex rei sitae» 848 Lieferant 1993 Liegenschaft 417, 809 ff., 875, 1255 Lohnzession 2030 «longa manu traditio» s. Übertragung der offenen Besitzlage Löschung von Grundbucheinträgen s. auch Grundbucheintragung sowie grundbuchrechtliche Rechtsbehelfe

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– Untergang einer Grunddienstbarkeit durch – 1299 ff., 1305 f., 1309 f. – Untergang einer Grundlast durch – 1454 – Untergang eines Grundpfandrechts durch – 1541 ff., 1834 – Untergang einer Nutzniessung durch – 1348 – Untergang eines Quellenrechts durch – 1425 Luftfahrzeuge 1083, 1088, 1150, 1929 Luftfahrzeugverschreibung s. Fahrnisverschreibung M Markenrechte 1953 Massnahmen, richterliche 1334a Material und Arbeit 1704 f. Maximalhypothek 1400, 1402, 1507 f., 1510, 1567, 1601, 1777b, 1781 Mehrbelastung s. Grunddienstbarkeit Mehrwert 1699, 1701, 1721, 1733, 1738, 1781, 1786, 1795 Miete 476, 478 Mieter 1706 Mitbesitz s. Besitz Miteigentum 716, 723 ff., 1521 – Erscheinungsformen 724 ff. – gewöhnliches – 725 – 1130b – tum) 726 – selbständiges – 769 – unselbständiges – 725, 769, 786 – Entstehung 727 ff. – Untergang 780 ff. – auf Verlangen eines Miteigentümers 783 ff. Miteigentümer – Stellung des – bezüglich seines Anteils 731 ff. – Klagebehelfe 738 ff. – Verfügungsrecht 736 f. – Stellung des – bezüglich der gemeinsamen Sache 741 ff. – Ausschluss aus der Gemeinschaft 773 ff. – Tragung der Kosten und Lasten 762 ff. – Nutzung und Verwaltung 744 ff. – rechtliche Verfügung und Zweckänderung 758 ff.

– Vertretung 742 f. – gesetzliches Vorkaufsrecht bei Grundstücken s. Vorkaufsrecht Miteigentumsanteil 731 ff. – Bauhandwerkerpfandrecht an einem – 1733 – an Grundstücken 420, 734, 809 – Verpfändung eines – 1521 f., 1537 Miteigentumsvermutung 720 Mitgliedbank 1977, 1981 Mobiliarhypothek 1870, 1876, 1946, 1986 – Verbot der – s. Fahrnispfandrecht Mobilisierung des Bodenwerts 1482, 1491, 1598, 1802

– Eigentumsvorbehalt als – zur Kaufpreisforderung 1113 – bei Forderungen 1959 – Anspruch auf Pfanderrichtung als – 1718 – Pfandrecht als – 1543, 1603, 1615, 1896 – Retentionsrecht als – 1936 – bei der Sicherungsübereignung 2016 Negative Dienstbarkeit s. Dienstbarkeit Negative Rechtskraft s. Rechtskraft Negatorienklage s. Eigentum Neuerung s. Novation Nichteintretensentscheid des Grundbuchverwalters 535 Notbrunnenrecht s. Notrechte Notrechte 979 ff. N – Durchleitungsrecht 980, 1220 – Notbrunnenrecht 980, 1220 Nachbar 948, 952, 955 – Notstand 980 Nachbarrecht 915, 946 ff. – Notwegrecht 971, 980, 981 ff., – materielle Grundlage 947 ff. 1220, 1222 f. – Immissionen s. dort – Notstand s. Notrechte – Rechtsbehelfe 685, 952 ff., 1236 – Klage auf Beseitigung der Schädi- – Notwegrecht s. Notrechte – Novation (Neuerung) gung 957 – bei der Hypothekarobligation 1647 – Klage auf Schutz gegen drohen– beim Schuldbrief nach altem Recht den Schaden 957 1843, 1846a – Schadenersatzklage 957 – beim Schuldbrief (nach neuem – Einfriedung 972 Recht) kraft Vereinbarung 1820e, – Grabungen und Bauten 964 ff. 1846 ff. – «nuda proprietas» 1157, 1268a, 1340 – Quellen und Brunnen 974 – Unterhalt von Vorrichtungen s. dort Numerus clausus s. Prinzipien des Sachenrechts – Wasserablauf und Entwässerung 970 Nutzniesser 1338 – Wegrecht 971 – Anwendung zwischen Stockwerkei- Nutzniessung 1335 ff. – Begriff und Kennzeichen 1337 ff. gentumsanteilen 1018 – an Forderungen 1352 Nachgangserklärung s. Rangrück– Zu Gunsten des überlebenden Ehetrittserklärung gatten 1353a Nachrückungsrecht 476, 1574 ff., – ferner: 1162, 1210, 1214, 1220, 1640 1262, 1268a, 1321, 1323, 1960 f. Nachverpfändung Nutzungsbeschränkungen s. Grund– beim Faustpfand 177, 1894, 1902 eigentumsbeschränkungen – beim Pfandrecht an Forderungen Nutzungs- und Gebrauchsrechte und andern Rechten 1955 36 f., 41, 1162, 1200, 1205, 1227, Namenpapier 1837b, 1935, 2024 1230, 1429, 1451 f. – Verpfändung von – 1954 Nutzungs- und Verwaltungsordnung Namenschuldbrief 1837e 746 ff., 1043 Naturkörper 1124 – Auslegung der – 749a Naturkräfte s. Fahrniseigentum Nebenabreden beim Schuldbrief 1829 Nebenpfandrecht 1569, 1577 Nebenrecht – dingliches 478 f.

666 O Obligation mit Grundpfandverschreibung (Hypothekarobligation) 1599, 1641 ff. Offenkundigkeit s. Prinzipien des Sachenrechts Offenlegungsprinzip s. Prinzipien des Sachenrechts Offensivwirkung s. Besitzesrechtsschutz Öffentliche Beurkundung 843 ff. – in Bezug auf den Dienstbarkeitsvertrag 988, 1245 f., 1247 – in Bezug auf das Baurecht 1382, 1386 f., 1396 – 1409d – in Bezug auf das Quellenrecht 1420 – in Bezug auf die «anderen» Dienstbarkeiten 1435 – in Bezug auf die Aufhebung oder Abänderung einer gesetzlichen Eigentumsbeschränkung 930 – bei rechtsgeschäftlichem Eigentumserwerb an Grundstücken 530, 843 – bei der Auswechslung der pfandgesicherten Forderung («Pfanderneuerung») 1638 ff. – in Bezug auf die Errichtung einer Grundlast 1453a – in Bezug auf die Aufhebung des Teilungsanspruchs beim Miteigentum 787 – in Bezug auf das Nachrückungsrecht 1575 – in Bezug auf Nutzniessung an einem Grundstück 1345 – in Bezug auf den Pfandbestellungsvertrag 1531, 1826 – in Bezug auf die Übertragung eines selbständigen und dauernden Quellenrechts 1424 – in Bezug auf ein Rückkaufsrecht 1006 – bei einer Schuldanerkennung in Bezug auf die Errichtung einer Grundpfandverschreibung 1643 – in Bezug auf Eigentümer- und Inhaberschuldbriefe 1534, 1827 – bei der Schuldübernahme 1621 – in Bezug auf die Begründung bzw. Aufhebung von Stockwerkeigentum 1027, 1033 – bei einer Verlegungsvereinbarung 1524

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– in Bezug auf Ausschluss oder Änderung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts 944 – in Bezug auf das Vorkaufsrecht beim Miteigentum 772 – in Bezug auf ein vertragliches Vorkaufsrecht 998 – in Bezug auf das Wohnrecht 1360 – in Bezug auf die Errichtung eines Schuldbriefs 1828 Öffentlicher Glaube s. Prinzipien des Sachenrechts Okkupation s. Aneignung Ordrepapier 1814, 1837b, 1935, 2015, 2024 – Verpfändung von – 1954 Ordre public 1455 Ortsgebrauch 51 – bei Bestandteilen 699 – bei Grunddienstbarkeiten 1281 – bei übermässigen Immissionen 950 – bei der Zugehör 705f P Pacht 476 Pachtvertrag 1409e Pactum de cedendo 2027 Pactum de non petendo 1844j s. Sicherungsabrede Papiergrundbuch s. Grundbuch Papier-Schuldbrief 1492, 1813 ff.; s. auch Schuldbrief Patentrechte 1953 Pensionär 1359 Personaldienstbarkeit (Personalservitut) 1318 ff. – Inhalt und Gegenstand 1319 ff. – Arten 1323 ff. – irreguläre (übertragbare) – 1215, 1325, 1358 – reguläre (nicht übertragbare) – 1214, 1262, 1325, 1343, 1358 – Entstehung und Untergang 1344 ff. – ferner: 1162, 1213 ff., 1274, 1373, 1416 Personalgrundlast s. Grundlast Personalservitut s. Personaldienstbarkeit Petitorium 215 Pfand 1466 Pfandausfallbetrag 1635 Pfandausfallschein 1545 Pfandbestellungsvertrag 1530 ff., 1536 Pfandbrief 1470, 1869a, 1970 ff.

Pfandbriefgläubiger 1972, 1975, 1978 Pfandbriefzentrale 1972, 1976, 1978, 1981 Pfandforderung 1532 Pfandhaft – Aufteilung der – 1520 – Umfang der – – beim Pfandrecht an Forderungen und andern Rechten 1959 – beim Grundpfandrecht 1561 ff., 1781 Pfandhalterschaftsvereinbarung 2037 Pfandleihgewerbe 1965 Pfandrecht 1163, 1462 ff. – für die Beitragsforderung s. dort – an Forderungen und andern Rechten s. dort – mittelbares gesetzliches 1397 – unmittelbares gesetzliches 1584 Pfandrechtsähnliche Sicherungsgeschäfte s. Sicherungsgeschäfte, pfandrechtsähnliche Pfandregister 1975 f. Pfandstelle – feste – s. System der festen Pfandstelle – leere 1579 Pfandsumme 1765 ff. – bei der Belastung von Stockwerkeigentum 1737 f. Pfandvertrag 1886, 1951, 1953, 2011, 2037 – Inhaltsschranken beim Grundpfandvertrag, insbesondere bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen 1831 Pfandverwertung – bei Kollision von Dienstbarkeiten und Grundpfandrechten 1174 ff. – beim Grundpfandrecht 1579 – beim Bauhandwerkerpfandrecht 1701, 1783 ff. 700, 812, 876, 885, 888, 890, 892, 907 f., 969, 1562 969c 907a, 1213, 1215, 1409a ff. – Begriff 1409c – Entstehung, Übertragung und Untergang 1409d f. pignus irregulare s. Sicherungsgeschäfte, pfandrechtsähnliche Pläne s. Grundbuch Positive Dienstbarkeit s. Dienstbarkeit Positive Rechtskraft s. Rechtskraft

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Possessorische Klagen s. Besitzesschutzklagen Possessorium 215 Prädialservitut s. Grunddienstbarkeit Prägungsformel 1269a Präventivklage 949b, 957 Prekaristische Gestattung 341, 689, 898, 982, 1202 Prinzipien des Sachenrechts 61 ff. – Akzessionsprinzip 79 f., 701, 704, 876, 888 ff., 894, 898, 901, 905, 909, 1368, 1391, 1409c, 1695 – Prinzip der Alterspriorität 77 f., 485, 492, 574, 1169 ff., 1369, 1467, 1568 f., 1589, 1689, 1880, 1908 – Kausalitätsprinzip 74 ff., 669, 1092, 1134, 1242, 1888 – Numerus clausus (Typengebundenheit) 71 ff., 462, 475, 1019, 1160, 1259, 1323 f., 1429, 1467, 1487 ff., 1644, 1868, 1872, 1984, 1998 – Prinzip des öffentlichen Glaubens 69, 408, 592, 1110, 1279, 1649, 1877, 1892 – Publizitätsprinzip (Offenlegungsprinzip, Grundsatz der Offenkundigkeit) 63 ff., 263, 364, 705e, 1188 f., 1526, 1663, 1874 f. – Spezialitätsprinzip (Individualitätsprinzip) 70, 694, 1353, 1503, 1511, 1878 – 73, 1019, 1261, 1324 Privatexpropriation 1312 probatio diabolica 666, 682 Publizität, natürliche 589, 904, 1281a ff. Publizitätsmittel 64 ff., 1874 – Wirkung 67 ff. Publizitätsprinzip s. Prinzipien des Sachenrechts Publizitätswirkung, negative s. Grundbuchwirkungen

Recht auf Zutritt und Abwehr 975 ff. Rechte – absolute – 17, 654, 1154, 1464 – andere – s. Forderungen und andere Rechte – beschränkte dingliche – s. dort – dingliche – s. dort R – relative (persönliche, obligatorische) – 16, 654, 1203 Rang der beschränkten dinglichen – persönliche Rechte mit verstärkter Rechte s. auch beschränkte dingliWirkung 474 ff. che Rechte – selbständige und dauernde s. dort – unter mehreren BauhandwerkerRechtsbesitz s. Besitz pfandrechten 1700, 1784 – eines Pfandrechts zur Sicherung des Rechtsgesamtheit 14, 1878 Rechtsgrund (causa) 75, 586, 589, Baurechtszinses 1399 615, 623, 628 – einer Eigentümerdienstbarkeit 1193 – beim Eigentumserwerb 1091 f., – eines Eigentümergrundpfandrechts 1095 1197 – bei der Begründung einer Grund– der Fahrnispfandrechte 1880 dienstbarkeit 1242 – eines Fahrnispfandrechts an einer – bei der Entstehung von Grundpfandzukünftigen Forderung 1914 rechten 1529 ff. – unmittelbarer gesetzlicher Grund– beim Schuldbrief 1826 f., 1833, pfandrechte 1658 1837, 1839a, 1844a f., 1847a – rechtsgeschäftlicher Grundpfand– bei der Sicherungsübereignung rechte 1560, 1568 ff., 1579 1844b, 2017 Rangrücktrittserklärung (Nach– bei der Sicherungszession 2027 gangserklärung) 1573 f. – bei der Sicherungshinterlegung 2037 Realfoliensystem 380, 439 – bei der Begründung von StockwerkRealgrundlast s. Grundlast eigentum 1027 Realobligation 21 ff., 1290a – Anspruch auf Eintragung eines Bau- – Ausweis über den – 517, 529 ff. Rechtskraft handwerkerpfandrechts als – 490, – negative – 1726 ff. – des Eigentumsvorbehaltsregis– Pfanderrichtungsanspruch zur ters 1108 Sicherung des Baurechtszinses als – – des Grundbuchs 407, 569 ff., 835 1399 – positive – (Gutglaubenswirkung) – Rückgabeanspruch beim Faust– keine – des Eigentumsvorbehaltspfandrecht als – 1902 registers 1109 – bei der Grundlast 1443 – des Grundbuchs 408, 579 ff., 624 – Anspruch auf Eintragung eines mitRechtsmacht, überschiessende telbaren gesetzlichen Grundpfand1844h ff., 2017 rechts als – 1677 ff. Rechtsmangel 289 f., 312, 585, – 1281b f. der Grunddienstbarkeit als – 1206 Rechtsmissbrauchsschranke 675, Q – Anspruch auf Einräumung einer 681, 687, 943, 1281c; s. auch FormLegalservitut als – 1222 mangel Quasi-Nutzniessung 1341b – beim Notwegrecht 985, 1222 Rechtsmissbrauchsverbot 1092, Quelle 700, 811 f., 876, 885, 888, 891, – Aufhebungsanspruch beim Mitei1146 909, 970, 1077, 1562; s. auch Nachgentum als – 783 Rechtsöffnung 1815, 1844j barrecht – Rechtsöffnungstitel Quellenberechtigter 1413 f. 762 – beim Papier-Schuldbrief 1815a Quellengrundstück 1412 – vorgemerkte persönliche Rechte – beim Register-Schuldbrief 1818a Quellenrecht 1215, 1263, 1323, 1327, als – 478, 1204, 1379b – ferner 1777c 1410 ff. – Anspruch auf Errichtung eines – Begriff und Arten 1411 ff. Gemeinschaftpfandrechts im Stock- Rechtsquellen des Sachenrechts 44 ff. werkeigentum 1050 – Entstehung, Übertragung und Untergang 1418 ff. Quellenrechtsvertrag 1413 Quellwasser 1413 Quote s. Bruchteil

668 – Bundesrecht 45 ff. – kantonales Recht 49 ff. Rechtsschutzinteresse 673 Registereinrichtungen, kantonale s. Grundbuch Registerpfandrecht 1975 f. Register-Schuldbrief 1492, 1802, 1816 ff.; s. auch Schuldbrief Reglement über die Verwaltung und Benutzung 1042 Reguläre Personaldienstbarkeit s. Personaldienstbarkeit rei vindicatio s. Eigentum Relatives Eintragungsprinzip s. Eintragungsprinzip Resolutivbedingung s. Bedingung Retentionsgegenstand 1921 f. Retentionsrecht 1918 ff. – Begriff und gesetzliche Grundlagen 1919 f. – Entstehung 1921 ff. – Untergang 1930 – gewöhnliches (bürgerliches) – 1927 – kaufmännisches – 1927 – obligatorisches – 1923, 1937 – für die Beitragsforderung s. dort – ferner: 174a, 311, 660, 1163, 1470, 1695, 1869, 1915, 1944 f., 2008 Rückgriff des Kantons auf fehlbare Grundbuchverantwortliche 563 f. Rückkaufsrecht 472, 476, 478, 916, 1005

– Zugehör 12 Sachgesamtheit 14, 1878 Sachhaftung, reine (blosse) 1445, 1857, 1964 Sachherrschaft 97, 118, 120 f., 655, 1155, 1205, 1451 – Intensität der – 112 ff. – Unmittelbarkeit der – 20 – Wille zur – 98 – des Pfandgläubigers 1465 Sale-and-lease-back 1994, 2001 Sammelverwahrung 1130b Schadenersatzklage – beim Besitzesschutz 231, 238, 245 – bei Schädigung des Dienstbarkeitsberechtigten 1227 – bei Störung des Eigentums 673, 678 – bei Überschreitung des Eigentumsrechts 957 Schatzfund 1124 Schenkung 302, 840, 1609 – Rückfallsrecht bei – 476 Schiffe 1082, 1088, 1150, 1929 Schiffsverpfändung s. Fahrnisverschreibung Schiffsverschreibung s. Fahrnisverschreibung Schreibfehler 638, 642 Schuldanerkennung 1767, 1815a, 1818a Schuldbefreiungsversprechen 1620 Schuldbrief 1163, 1469, 1492, 1801 ff. – Kennzeichen 1804 ff. – Begründung und Sicherung einer S persönlichen Forderung 1805 ff. – Schuldversprechen 1830 Sachbesitz s. Besitz – Ausstellung eines Pfandtitels mit Sache Wertpapiercharakter (beim Papier– Begriff 3 ff., 1154 Schuldbrief) 1813 ff., 1820b – Arten 10 ff. – besonderer Vertrauensschutz – abhanden gekommene – 147, 294, 1819 ff. 303 ff. – Papier-Schuldbrief 1492, 1813 ff. – anvertraute – 147, 294, 297 ff., – Entstehung 1822 ff. 1135 – Änderung 1836 ff. – bewegliche – 11, 60, 1921 f., – Übertragung 1813, 1837 ff. 2015, 2034, 2036; s. auch Fahrnis– Untergang 1838 ff. eigentum – Kraftloserklärung des Pfandtitels – geschätzte – 1352 1813, 1838, 1838d, 1850 – Hauptsache 12, 79 – als provisorischer Rechtsöff– herrenlose – 818, 856, 1120, 1333 nungstitel 1815a – öffentliche – 13, 819, 856 – Register-Schuldbrief 1492, 1816 ff., – unbewegliche – 11, 60 1839 ff. – verbrauchbare – 1341b, 1352, – Entstehung 1839 ff. 2006 – Änderung 1840 ff. – vertretbare – 2006, 2035 – Übertragung 1841 ff. – verwertbare – 1912, 1928, 1937 – Untergang 1842 ff. – zugeführte – 977

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– als provisorischer Rechtsöffnungstitel 1818a – Fahrnisverpfändung (Faustpfandverpfändung) von – 1820g, 1847 ff., 1947 ff. – Kündigung der Schuldbriefforderung 1848 ff. – Sicherungseintragung von Schuldbriefen 1843b, s. auch Sicherungsübereignung – Sicherungsübereignung von Schuldbriefen 1802, 1820f, 1843a ff., 2015 – Sicherungsverwendung von Schuldbriefen 1843b, s. auch Sicherungsübereignung – Verhältnis von Schuldbriefforderung und Forderung aus dem Grundverhältnis 1843 ff. – Verwendungsmöglichkeiten 1820d ff. – Verwertung des – 1844l – Vollmacht 1849 f. Schuldschein 1876, 1951, 1954, 2026 Schuldübernahme 1619 ff. – externe – 1620 ff. – interne – 1620 f., 1625 Schuldversprechen beim Schuldbrief 1830 Selbständige und dauernde Rechte 418, 809, 1257, 1327 ff., 1374 f., 1378, 1409d, 1417, 1437, 1444 Selbsteintritt 1844l, 2018 Selbsthilferecht – beim Besitz 225 ff., 233 – bei Dienstbarkeiten 1228 ff., 1286 – beim Grundpfandrecht 1582 – Kapprecht 969 Servitut s. Dienstbarkeit Sicherheit – hinreichende – 1741 ff. – besitzlose – 1984a Sicherheitshinterlegung s. Sicherungsgeschäfte, pfandrechtsähnliche Sicherheitsleistung s. Sicherungsgeschäfte, pfandrechtsähnliche Sicherheitsmarge beim Bauhandwerkerpfandrecht 1740 Sicherstellung beim Retentionsrecht 1930 ff. Sicherungsabrede – bei der Sicherungsübereignung 1844b, 1844i ff., 2017 – reine – 2017 – bei der Sicherungszession 2027 Sicherungsdienstbarkeit 1269a Sicherungsgeschäfte, pfandrechtsähnliche 1983 ff.

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Sachregister

– Eigentumsvorbehalt s. dort – Leasingvertrag (Finanzierungsleasing) 1871, 1992 ff. – irreguläres Pfandrecht (pignus irregulare) 1871, 2003 ff., 2035 – Sicherungshinterlegung (Sicherheitshinterlegung, Hinterlegung sicherheitshalber, Sicherheitsleistung) 1871, 2031 ff. – – irreguläre – 2035 – reguläre – 2034 – Sicherungsübereignung 1843 ff., 1871, 2012 ff., 2023 f., 2036 – Sicherungszession 1871, 2021 ff., 2036 Sicherungsgrundpfandrecht 1491 Sicherungsgrundschuld nach BGB s. Grundschuld Sicherungshinterlegung s. Sicherungsgeschäfte, pfandrechtsähnliche Sicherungshinterlegungsvertrag 2037, 2039 Sicherungskauf 2017 Sicherungsrechte s. Verwertungsrechte Sicherungsübereignung s. auch Sicherungsgeschäfte, pfandrechtsähnliche – eines Grundstücks 1489 – von Schuldbriefen s. dort Sicherungsverwendung von Schuldbriefen 1843b, 1844e Sicherungszession s. Sicherungsgeschäfte, pfandrechtsähnliche Skifahren 976 Sofortmassnahmen, notwendige 745 Sonderrecht s. Stockwerkeigentum Sondernutzungsrecht 1023 Spaltung s. Gesetzesregister zum FusG Spezialitätsprinzip s. Prinzipien des Sachenrechts Stammparzelle 1522 ff., 1733 f., 1736 f. Stellvertretung – bei Übertragung des Besitzes 148 f., 1996 – bei der Anmeldung zur Eintragung ins Grundbuch 509, 524 – beim Miteigentum 743 – beim Schuldbrief 1849 f. Stockwerkeigentum 1009 ff., 1358, 1521, 1523 f., 1761 – Inhalt 1013 ff. – Sonderrecht 1011, 1013, 1015, 1020 ff., 1734

– gemeinschaftliche Teile 1011, 1023, 1736 – Begründung 1025 ff. – Untergang 1032 – Anspruch auf Aufhebung 1034 Stockwerkeigentümer, Einspracherecht des – 476 Stockwerkeigentümergemeinschaft 1053 ff. – Rechtsnatur 1053 – beschränkte Vermögens- und Handlungsfähigkeit 1054 ff. – gemeinsame Verwaltung und Benutzung 1040 ff. – gemeinschaftliche Kosten und Lasten 1046 ff. – Organisation 1058 ff. – Abgeordneter 1058 – Ausschuss 1058 – Versammlung der Stockwerkeigentümer (Stockwerkeigentümerversammlung) 1058 ff., 1065 ff. – Verwalter 1049, 1058, 1063 ff. – Ausschluss aus der – 1018a, 1035 Stockwerkeigentümerversammlung s. Stockwerkeigentümergemeinschaft Stockwerkeigentumsanteil 1016, 1018 f. – Bauhandwerkerpfandrecht an einem – 1733 ff. – Verfügung über den – 1036 ff. Stockwerkeinheit 1047, 1052, 1761 Störer 214c, 220 ff., 227, 234, 241, 671, 675, 680 – mehrere – 959 Strahlung 950 Streitwertgrenze s. Gesetzesregister zu Art. 74 BGG Subrogation 1609, 1625, 1717 Sub-Subunternehmer 1714 Subunternehmer (Unterakkordant) 1516, 1679, 1713 ff., 1724, 1745 888, 1077 Surrogation 1900 Surrogationsprinzip 1392 Suspensivbedingung s. Bedingung System der festen Pfandstelle 1183, 1467, 1568 ff., 1601

Teilung eines Grundstücks 497b, 1293 ff. Teilungstheorie 1155 Tier 6, 308, 977, 1078, 1120, 1123 f. Time-Sharing 1019 Traditionssurrogat (Besitzübertragungssurrogat) 150 ff., 1093, 2011 Translativwirkung s. Besitzesrechtsschutz Treuhandvereinbarung s. Sicherungsabrede Trust 493, 495 s. Prinzipien des Sachenrechts Typengebundenheit s. Prinzipien des Sachenrechts U

Überbaurecht 896 ff., 1220, 1263, 1372 f., 1379 Überbindungsprinzip 1629, 1634 Überprüfungsbefugnis s. Kognition Überragende Baute s. Baute Übertragbarkeit – von Personalgrundlasten 1444 – selbständiger Rechte 418 – von Rechten als Voraussetzung für die Verpfändbarkeit 1948 Übertragung der offenen Besitzlage («longa manu traditio») 151 ff., 1093, 1890 Übertragungsakzessorietät 1603 ff. Übertragungsbeschränkung beim selbständigen Baurecht 1328, 1387 Umgehungsgeschäfte – durch Bestellung eines Baurechts 1409 – durch pfandrechtsähnliche Sicherungsgeschäfte 1984 Umwandlung, erleichterte, im Schuldbriefrecht 1839b Umweltschutz 951 Unbewegliche Sache s. Sache UNCITRAL Legislative Guide on Secured Transactions 1984a UNESCO-Konvention 1970 1139a Ungemessene Grunddienstbarkeit s. Grunddienstbarkeit Unidroit-Konvention über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte KulT turgüter 1138 Unidroit-Übereinkommen über das Tabularersitzung s. Ersitzung internationale Finanzierungsleasing Tagebuch s. Grundbuch 2002 Teile, gemeinschaftliche s. Stockwerkeigentum

670 Uniform Commercial Code (UCC) 1984a Universalsukzession 837, 1119 Universalsukzessor 895a, 1845c Unpersönlichkeit 5 Unteilbarkeit der Pfandhaftung s. Fahrnispfandrecht Unterakkordant s. Subunternehmer Unterbaurecht s. Baurecht Untergangsakzessorietät 1604 ff. Unterhalt – bei der Nutzniessung 1341 – von Vorrichtungen – bei Dienstbarkeiten 1290 – im Nachbarrecht 973 – beim Wohnrecht 1361 Unterlassungsklage – beim Besitzesschutz 244 – bei der Eigentumsfreiheitsklage 678 – bei der Wertverminderung eines Pfandgrundstücks 1582 Unternehmer s. Bauhandwerker Unterpfand 1466 Unvereinbarkeit (Unverträglichkeit) zwischen beschränkten dinglichen Rechten 1168 Unverträglichkeit s. Unvereinbarkeit Unvordenklichkeit 824 Urheberrechte 1953 Urkunde, öffentliche – bei der amtlichen Vermessung 398 – Grundbuchplan 443 Urteilsfähigkeit – beim originären Besitzeserwerb 136 – bei Besitzesübertragung unter Anwesenden 147 – beim Störer 221 Urteilsunfähigkeit beim Störer 229, 675 Utilitätsprinzip 1258 V Verantwortlichkeit – des unrechtmässigen Besitzers 286, 335 ff. – bei gutem Glauben 350 ff. – bei bösem Glauben 354 ff. – des Grundeigentümers 952 Verarbeitung s. Fahrniseigentumserwerb Veräusserungsvertrag sui generis 2000 Verbindung 700; s. auch Fahrniseigentumserwerb Verbot

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– der Mehrbelastung s. Grunddienstbarkeit – bei den anderen Dienstbarkeiten 1433 – der Mobiliarhypothek s. Fahrnispfandrecht – des Vorausverzichts s. Vorausverzicht Verbotene Eigenmacht s. Eigenmacht, verbotene Vereinigung von Grundstücken 497c, 1284a, 1304 ff. Verfallabrede (Verfallklausel, Verfallvertrag) 39, 1554, 1905, 1957 Verfallklausel s. Verfallabrede Verfallvertrag s. Verfallabrede Verfassungsbeschwerde 251d, 546 Verfügung von Todes wegen 1533 Verfügungsbefugnis s. Verfügungsberechtigung Verfügungsberechtigung (Verfügungsbefugnis) s. auch Verfügungsrecht – bei der Besitzübertragung 290, 302 – bei der Anmeldung zur Eintragung ins Grundbuch 506 ff., 524, 1537, 1826 Verfügungsbeschränkung s. Grundeigentumsbeschränkungen Verfügungsfähigkeit, Einschränkung der – 526 Verfügungsfreiheit, Einschränkung der – 992 Verfügungsgeschäft 74 f. – Anmeldung zur Eintragung ins Grundbuch als – 504, 514, 836 – bei der Sicherungsübereignung von Schuldbriefen 1844c – beim Faustpfand 1889 – beim Pfandrecht an Forderungen und andern Rechten 1951, 1953 – Sicherungszession als – 2025, 2027 Verfügungsmacht 1891, 2025 Verfügungsrecht s. auch Verfügungsberechtigung – Ausweis über das – 517, 521 ff. Verjährung – bei der Verantwortlichkeit des unberechtigten Besitzers 349 – bei der Eigentumsfreiheitsklage 681 – bei der Grundbuchberichtigungsklage 622, 634 – 957 – bei der Grundlast 1456 – bei Haftung des Kantons aus Grundbuchführung 561

– bei der Herausgabeklage 665, 1116 – des Aufhebungsanspruchs beim Miteigentum 783 – bei der Ersatzforderung des Miteigentümers 765 – bei Vorhandensein eines Pfandrechts 1467 – beim Grundpfandrecht 1585 – beim Fahrnispfandrecht 1911 – beim Retentionsrecht 1925 Verkauf – amtlicher – 1968 – freihändiger – 2018 Verkäuferpfandrecht 1666, 1681 Verkehrsfähigkeit 13, 1819 Verkehrsgrundpfandrecht 1492 f., 1802 ff., 1855 Verlegung 1292 Verlegungsvereinbarung 1524 Vermächtnis 1533 Vermessung, amtliche s. Grundbuch Vermischung 700; s. auch Fahrniseigentumserwerb Vermögen – Finanzvermögen 417, 821, 1516, 1723 – Verwaltungsvermögen – des Staates 417, 820, 1255, 1516, 1724 ff., 1745 – im Stockwerkeigentum 1055 – als Gegenstand einer Nutzniessung 1342, 1353 Vermögensübertragung s. Gesetzesregister zum FusG Vermutung – aus dem Besitz s. Besitzesrechtsschutz – aus dem Grundbucheintrag s. Besitzesrechtsschutz – für den Bestand eines Pfandrechts 1600 Verpfändungsvertrag 1975 f. 74 f. – Vertrag auf Eigentumsübertragung als – 836, 841, 849, 1092 – Pfandvertrag als – 1530, 1886, 1889, 1951, 1953 – Sicherungsabrede als – 1844a f., 1844g, 2017, 2027 Verrechnung 2008 Versatzanstalt 1969 Versatzpfand 1470, 1869, 1963 ff. Versatzschein 1966 f. Verschreibungsprotokoll 1943 Verschulden – bei der Verantwortlichkeit des unberechtigten Besitzers 348

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– bei Überschreiten des Eigentumsrechts 950 – bei der Haftung des Kantons aus Grundbuchführung 557 – des Miteigentümers für den Ausschluss aus der Gemeinschaft 775 – beim Rückgriff 563 – bei der Schadenersatzklage 238, 245 – des Störers 221, 675 Versteigerung – freiwillige – 1119, 2018 – öffentliche – 311, 777 – Zwangsversteigerung 851, 939, 999, 1117, 1136 Verteilungsvereinbarung 1524 Vertrag zu Gunsten Dritter 2037 Vertrauensprinzip 1275a Vertrauensschutz 1819 ff., 1836, 1855 Vertretbare Sache s. Sache Verwahrungsstelle 1130d Verwalter s. Stockwerkeigentümergemeinschaft Verwaltung, sorgfältige 1961 Verwaltungshandlungen 744 ff., 1041, 1961 – bauliche Massnahmen 753 ff., 1041 – notwendige – 745, 754 – nützliche – 755 – luxuriöse – 756 – dringliche – 745 – gewöhnliche – 751 – notwendige – 745, 754 – wichtigere – 752 Verwaltungsvermögen s. Vermögen Verwendungen 353, 360 Verwertbare Sache s. Sache Verwertungserlös 1477, 1553, 1558 f.,1567, 1607, 1629, 1633, 1795, 1948 – Verteilung des – 1559 f., 1579, 1867 Verwertungsrechte (Sicherungsrechte, Wertrechte) 30, 38 ff., 1163, 1205, 1452a, 1459, 1465, 1476 f., 1549, 1551 ff., 1778 f., 1903, 1984a Verwirkung – bei den Besitzesschutzklagen 248 – beim gesetzlichen Vorkaufsrecht 942 Verwirkungsfrist 1753 Verzicht – beim Eigentumsvorbehalt 1118 – auf ein Fahrnispfandrecht 1901 – auf eine Grunddienstbarkeit 1281b, 1315 – auf eine Grundlast 1454 – Untergang des Miteigentums durch – 781

– auf eine Nutzniessung 1349 – auf die Ausübung eines Vorkaufsrechts 772, 944 Verzugszinsen 1566 f., 1781, 1906 Viehhandel 1099 Viehverpfändung s. Fahrnisverschreibung Viehverschreibung s. Fahrnisverschreibung Vindikation s. auch Eigentum – Verhältnis zur Besitzesrechtsklage 325 ff. – bei einer Dienstbarkeit 1234 Vindikationszession – selbständige – 668 – unselbständige – 150, 668, 1093 Vollendung der Arbeiten 1756 ff. Vorausverwertung des Pfandes Vorausverzicht, Verbot des 1688, 1699 Vorbehalt – echter – 50, 921, 966, 969b, 971, 1281 – unechter – 52, 822, 1147 Vorgang 1570, 1827 Vorkaufsfall – beim gesetzlichen Vorkaufsrecht 767, 770 f., 935, 938 ff., 944 – beim rechtsgeschäftlichen Vorkaufsrecht 996, 999 Vorkaufsrecht 472, 476, 478 – gesetzliches – bei Grundstücken im Allgemeinen 935 ff. – bei einem selbständigen und dauernden Baurecht 1388 – bei einem selbständigen und dau-

– der Aufhebung des Teilungsanspruchs beim Miteigentum 787 – eines Nachrückungsrechts 1575, 1578, 1640 – eines persönlichen Rechts mit verstärkter Wirkung 474, 475 ff. – einer Verfügungsbeschränkung 470, 474, 480 ff., 643, 1610, 1772 – eines vertraglichen Vorkaufsrechts 1000, 1038 – 487 ff. Vorprüfungsverfahren beim EDVGrundbuch 386 Vorrang des Pfandgläubigers 1477, 1867, 1907 Vorrecht 1095, 1116, 1401 – der Bauhandwerker s. dort Vorrichtung 973, 1290, 1350 Vorzeitiger Heimfall s. Heimfall W

Wald 1352, 1409c Warenpapiere – Besitzeserwerb bei – s. dort – Verpfändung von – 1954 Wasserablauf s. Nachbarrecht Wasserrechtsverleihung 1331 Wegnot 981 Wegrecht s. Nachbarrecht Weiterverpfändung 1895 Werkzugehör 706, 711a Werterhaltungsprinzip 894 Wertpapier 1084, 1088, 1491, 1599, 1641, 1645, 1802, 1812a ff., 1921 f., 2034 – mit öffentlichem Glauben 1482, – bei Grundstücken im Miteigentum 1817 ff. 737, 767 ff., 915, 935 – Pfandbrief als – 1973 – bei Grundstücken im Stockwerk- – Schuldbrief als – 1492, 1802, 1804, eigentum 1037 1812a ff., 1823, 1837, 1845j – - – Verpfändung von – 1954 ständigen Miteigentum 769, 772 Wertpapierklausel 1643, 1815 – vertragliches 916, 996 ff., 1038 Wertquote 1014, 1027, 1030, 1047, – limitiertes 998 1736 f. – nicht limitiertes 998 Wertrechte s. auch Verwertungsrechte Vorkaufsvertrag 998 – nach Art. 973c OR 1953a, 1973 Vormerkung s. auch Grundbuchein– Register-Schuldbrief als Wertrecht tragung 1816 – eines Bauhandwerkerpfandrechts Wertvermehrung 1695, 1699, 1721 1751, 1764, 1771 Wertverminderung der Pfandsache – von unmittelbaren gesetzlichen 1581 ff., 1910, 1915 Eigentumsbeschränkungen 928 Wiederauszahlungsklausel 1638c, – vertraglicher Bestimmungen beim 1640d Baurecht 1379b, 1392

672 Wohnrecht 1214, 1262, 1323, 1354 ff. – Begriff und Kennzeichen 1355 ff. – Entstehung und Untergang 1360 – des geschiedenen Ehegatten nach Scheidungsrecht 1220, 1224, 1360 – des eingetragenen Partners bei Auflösung der Partnerschaft 1220, 1224, 1360 – des überlebenden Ehegatten bzw. eingetragenen Partners nach Eheund Erbrecht 1220, 1364a

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Z Zahlungsunfähigkeit 1925, 1929 Zerstückelung 1547 Zession s. Abtretung Zinsen 703, 1340, 1508, 1509 f., 1556, 1566, 1747, 1858 Zuführung s. Fahrniseigentumserwerb Zugehör s. Eigentum Zwangsversteigerung s. Versteigerung

Zwangsverwertung 1315, 1400, 1901 – des pfandbelasteten Grundstücks 1175, 1180, 1477, 1545, 1567, 1626 ff., 1788 – Übergang eines bestehenden Mietoder Pachtvertrags 1180b, 1199 Zwangsvollstreckung 19, 485, 606, 781 f., 799, 944, 1117, 1205, 1393, 1402, 1445, 1452, 1477, 1557, 1607, 1609, 1663, 1782, 1905, 1907 Zweckänderung beim Miteigentum 761 Zweckentfremdung 1790, 1792