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Greek, Modern (1453-) Pages [504] Year 2020
Kultur- und Sozialgeschichte Osteuropas / Cultural and Social History of Eastern Europe
Band 10
Herausgegeben von Dittmar Dahlmann, Anke Hilbrenner, Claudia Kraft, Julia Obertreis, Stefan Rohdewald und Frithjof Benjamin Schenk
Nikolas Pissis
Russland in den politischen Vorstellungen der griechischen Kulturwelt 1645–1725
V&R unipress
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Schroubeck-Fonds Östliches Europa, München und der Ernst-Reuter-Gesellschaft, Berlin. © 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Saadak aus dem »großen Gewand« (Köcher für Bogen und Pfeile mit Gurt) 1656, Osmanisches Reich, Istanbul. © State Historical and Cultural Museum-Preserve »The Moscow Kremlin«. Photograph: V. N. Seryogin 1977. Geschenk griechischer Kaufleute an den Zaren Aleksej Michajlovicˇ, 1656. (Zum Wortlaut der Inschrift siehe Seite 5) Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2365-8061 ISBN 978-3-7370-0873-0
ΑΝΑΞ ΧΡΙΣΤΕ ΠΑΜΒΑΣΙΛΕΥ ΒΡΑΒΕΥΣΟΝ ΟΥΡΑΝΟΘΕΝ / ΤΩ ΠΙΣΤΟΤΑΤΩ ΒΑΣΙΛΕΙ ΧΑΡΙΝ ΚΑΙ ΝΙΚΑΣ ΓΗΘΕΝ / ΣΗΝ ΟΠΛΟΙ ΤΟΙΣΔΕ ΠΡΟΣ ΦΘΟΡΑΝ ΕΧΘΡΩΝ ΕΞΕΡΧΟΜΕΝΩ / ΚΑΙ ΚΡΑΤΑΙΑΝ ΕΠΑΝΟΔΟΝ ΕΛΘΕΙΝ ΔΕΔΟΞΑΣΜΕΝΩ. Herr Christus, Kaiser des Universums, schenk aus dem Himmel Gnade und Siege auf Erden dem frommsten Kaiser, der mit diesen Waffen ins Feld zieht, um die Feinde zu vernichten; und lass ihn mit Macht und Glorie zurückkehren. ΩΣΠΕΡ ΠΟΤΕ ΤΩ ΒΑΣΙΛΕΙ ΜΕΓΑΛΩ ΚΩΝΣΤΑΝΤΙΝΩ / ΟΥΤΩ ΚΑΙ ΝΥΝ ΤΩ ΒΑΣΙΛΕΙ ΚΑΙ ΚΝΕΖΗ ΑΛΕΞΙΩ / ΒΡΑΒΕΥΣΟΝ ΔΙΑ ΤΟΥ ΣΤΑΥΡΟΥ ΝΙΚΑΣ ΚΑΤ ΕΝΑΝΤΙΩΝ / ΕΞΕΡΧΟΜΕΝΩ ΣΩΤΕΡ ΜΟΥ ΜΕΘ ΟΠΛΩΝ ΕΞΑΙΣΙΩΝ. Wie einst Konstantin dem Großen, dem Kaiser, so auch jetzt dem Kaiser und Knez Alexios, schenk – mein Erlöser – durch das Kreuz Siege gegen die Gegner, dem Kaiser, der mit herrlichen Waffen ins Feld zieht. (Inschrift der Umschlagabbildung)
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Grundlagen 1. Die orthodoxe Kirche im Osmanischen Reich . . . . . . . . . . . . . .
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2. Loyalitätsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
3. Vom »Dritten Rom« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
4. Russen und Griechen nach 1453 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Orthodoxie als Konfession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Der Aufstieg Russlands und die griechische Kulturwelt 1. Projektemacherei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
115
ˇ yhyryn zum Pruth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Von C
159
3. Akteure, Texte und Kontexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
199
8
Inhalt
III. Denkfiguren und Vorstellungen 1. Politische Orthodoxie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Translatio Imperii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
273
3. Das »blonde Volk« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
311
4. Das »veränderte Russland« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
349
Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
389
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
395
Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
413
Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort
Das vorliegende Buch ist die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Juni 2017 vom Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften der Freien Universität Berlin angenommen wurde. Begonnen habe ich das Dissertationsprojekt an der Ludwig-MaximiliansUniversität München und es gilt zu allererst Prof. Edgar Hösch herzlich zu danken. Er hat die Aufnahme der Arbeit am Thema ermöglicht und auch nach meinem Umzug nach Berlin diese mit stetem (und wohltuend diskretem) Interesse sowie mit wertvollen Hinweisen begleitet. Besonders danke ich ihm für die gründliche Lektüre des finalen Manuskripts. Prof. Miltos Pechlivanos, der die Betreuung der Arbeit in Berlin übernommen hat, danke ich für den stetigen gedanklichen Ansporn, sowie für sein unerschütterliches Vertrauen und seine, zugegebenermaßen mitunter überstrapazierte, Geduld. Für die Übernahme des Zweitgutachtens sowie für zahlreiche methodische, inhaltliche und bibliographische Hinweise gilt mein spezieller Dank Prof. Nikolaos A. Chrissidis. Den Mitgliedern der Promotionskommission, Prof. Bernd Roling, Prof. Gyburg Uhlmann, Prof. Johannes Niehoff-Panajotides sowie Manolis Ulbricht danke ich für ihr Wohlwollen und für die anregende Diskussion. In Moskau verdanke ich Prof. Boris L. Fonkicˇ freundlichen Rat und Unterstützung bei der Archivforschung sowie mehrere stets informative und inspirierende Gespräche. Dafür, dass er mir eigene Quellenabschriften und Notizen großzügig überlassen hat, danke ich ihm ganz herzlich, ebenso Djamilja N. Ramazanova für hilfreiche Hinweise zum Umgang mit den Moskauer Archivbeständen. Vera G. Tchentsova ist stets eine besonders engagierte und kundige Ansprechpartnerin gewesen, an die ich mich jederzeit während der Archivforschung und danach mit Fragen wenden konnte. Constantin Katsakioris war in der Moskauer Zeit in mehrfacher Hinsicht eine große Stütze. Den Mitarbeitern der Moskauer Bibliotheken und Archiven, insbesondere des Russischen Staatsarchivs der Alten Akten (RGADA), stellvertretend seien Azar D. Sˇachova und Evgenij E. Rycˇalovskij genannt, bin ich wegen ihrer Hilfsbereitschaft
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Vorwort
und ihres vielfachen Entgegenkommens verbunden. Ljudmila K. und Eduard F. Olejnik danke ich für ihre herzliche Gastfreundschaft. In Athen gilt mein Dank Prof. Olga Alexandropoulou für ein kaum zu überschätzendes, ermutigendes Gespräch in der Frühphase dieser Arbeit. Von Prof. Olga Katsiardi-Hering habe ich über die Jahre Ermutigung und Interesse am Fortschritt und Abschluss dieser Arbeit erfahren, ebenso von Prof. Paschalis M. Kitromilides, der die Arbeit stets mit freundlicher Anteilnahme begleitet hat. Triantafyllos Sklavenitis danke ich für manch rechtzeitigen kritischen Hinweis. Ein spezieller Dank geht an Prof. Nassia Yakovaki für ihr beständiges Interesse, ihre Zuhörerschaft sowie ihre konstruktive Kritik in verschieden Phasen dieser Arbeit. Prof. Marie-Elisabeth Mitsou danke ich für ihre liebevolle Unterstützung während der Münchner Jahre und danach. Denise Klein danke ich für die Übersetzung osmanischer Quellenpassagen, Raimondo Tocci für paläographischen Beistand, Michail Leivadiotis für Rat bei venezianischen Drucken, Stephanos Boulasikis, Kostis Papanastasis, Ovidiu Olar und Konrad Petrovszky für unzählige anregende Gespräche. Für das Teilen von Quellenfunden bzw. für den Einblick in mitunter schwer zugängliches Quellenmaterial bin ich Lidia Cotovanu, Venetia Chatzopoulou, Chariton Karanasios, Alexandros Kariotoglou und Ioli Vingopoulou zu Dank vepflichtet. Beenden konnte ich meine Arbeit in Berlin als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Sonderforschungsbereichs 980 »Episteme in Bewegung. Wissenstransfer von der Alten Welt bis in die Frühe Neuzeit«, von dessen kollegialer Atmosphäre und den mannigfaltigen theoretischen Anregungen ich sehr profitiert habe. Viel verdanke ich außerdem den Colloquien, in denen ich Aspekte und Ergebnisse meiner Arbeit präsentieren und diskutieren konnte, so an der LMU München, der FU Berlin, der Humboldt Universität zu Berlin, der Justus-LiebigUniversität Gießen, der Universität Wien, am Doktorandenforum der Universität Kreta in Rethymnon, sowie den Foren der EMNE/Zeitschrift Mnimon in Athen und des Study Group on Eighteenth-Century Russia in London. Für die Förderung meiner Arbeit durch Stipendien möchte ich mich beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und der Griechischen Stiftung Staatlicher Stipendien (IKY) bedanken, ebenso für die Gewährung von Druckkostenzuschüssen beim Schroubek-Fonds Östliches Europa an der LMU München und der Ernst-Reuter Gesellschaft an der FU Berlin, letzterer auch und in besonderem Maße für die Verleihung des Ernst-Reuter-Preises 2018. Für die freundliche, stets reibungslose Zusammenarbeit danke ich Carla Schmidt und Susanne Köhler vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, sowie den Kommissionsmitgliedern der Reihe »Sozial- und Kulturgeschichte Osteuropas«, insbesondere Prof. Frithjof Benjamin Schenk und Prof. Stefan Rohdewald für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe. Der Direktorin des Moskauer Kreml-
Vorwort
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Museums Elena J. Gagarina sowie dem Mitarbeiter des Museums Georgij Titorenko danke ich für die Genehmigung, das Umschlagsbild zu verwenden. Schließlich geht der größte Dank an meine Familie, ohne deren uneingeschränkte Unterstützung, dieses Buch ganz sicher nicht enstanden wäre. Berlin, 20. Februar 2020
Nikolas Pissis
Einleitung
Als Emmanuil Xanthos, einer der Gründer der »Gesellschaft der Freunde« (Φιλική Εταιρεία), jenes Geheimbundes, der den griechischen Aufstand gegen die osmanische Herrschaft 1821 organisierte, 1845 seine Memoiren zu Papier brachte, kam er auf einen besonderen Umstand bei den Planungen seiner Mitstreiter zu sprechen: Sie hätten vorgehabt, von einem »jahrhundertealten Aberglauben der unterjochten Griechen« zu profitieren, nämlich dass Russland »ihre Befreiung aus der türkischen Tyrannei« bewerkstelligen würde.1 Xanthos’ Zeugnis scheint einen Gemeinplatz der griechischen Nationalhistoriographie zu bestätigen. Die in christliche Mächte und zuletzt in die russischen Glaubensbrüder investierten Hoffnungen stellen in der Regel eine Art Vorgeschichte des Unabhängigkeitskriegs dar, der ja erst dann möglich geworden sein soll, als die desillusionierten Griechen auf die eigenen Kräfte setzten. Bei näherer Betrachtung fällt jedoch auf, dass Xanthos und seinen Mitstreitern zufolge zum einen am Vorabend des Aufstands jener Aberglaube offenbar keineswegs überwunden war, zum anderen, dass dieser viel weiter in die Vergangenheit zurückreichte als bis zum ersten Türkenkrieg Katharinas II. und der sogenannten Orlov-Revolte auf der Peloponnes (1770). Auf die Periodisierungsfragen, welche diese Feststellung aufwirft, wird unten zurückzukommen sein. Sollte man aber erwartet haben, dass derartige aus den Quellen zu destillierende Befreiungshoffnungen der jungen griechischen Nationalhistoriographie ein willkommenes Argument zur Verfügung stellten – bewiesen sie doch die Freiheitsliebe der Griechen über die dunklen Jahrhunderte
1 »…και διότι ήθελον ωφεληθή οι Αρχηγοί αυτής εκ της προλήψεως, την οποίαν προ αιώνων οι δουλωθέντες Έλληνες είχον, ότι εκ της Ρωσσίας, ως ομοθρήσκου, θέλει προέλθει η ελευθέρωσίς των από την Τουρκικήν τυραννίαν«, E. Xanthos, Απομνημονεύματα περί της Φιλικής Εταιρείας [Memoiren über die Philiki Etairia], Athen 1845, 12. Es handelt sich dabei um Xanthos’ Auftrag, Ioannis Kapodistrias, damals Außenminister des Zaren, zur Übernahme der Führung des Geheimbundes zu überreden.
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Einleitung
hinweg, wie es Xanthos selbst als Auftakt seiner Schrift formulierte –,2 so bestätigt sich diese Erwartung kaum. Eher überwiegt die Verlegenheit ob der Manipulierbarkeit der leichtgläubigen Vorfahren durch die russische Propaganda. Konstantinos Sathas (1869) spricht von den »albernen Ansprüchen« der Moskauer Fürsten auf den byzantinischen Kaiserthron und verurteilt den »schauerlichen Wunsch« mancher Griechen, die osmanische Herrschaft gegen die russische auszutauschen.3 Konstantinos Palaiologos (1889) äußert sein Bedauern über den Verfall des griechischen Klerus, der den Zaren politische Dienste leistete,4 während Pantelis Kontogiannis (1903) in der ersten systematischen Monographie zur Orlov-Revolte und dem russisch-osmanischen Krieg von 1768– 1774 glaubt, an den Beispielen von Gerasimos Vlachos (1657) und Sofronios Leichoudis (1696) unterstreichen zu müssen, dass »die Unseren« in Wahrheit niemals ein russisches Joch anstelle des osmanischen gewünscht hätten und dass die Lektüre ihrer Huldigungen des Zaren nur Abscheu und Betrübnis auszulösen vermöge.5 Schließlich sieht Evlogios Kourilas (1934) in der Verbreitung der Orakel über die kommende Eroberung Konstantinopels durch das »blonde Volk« der Russen unter den Griechen die niederste Stufe ihres Verfalls. Diese hätten sich eher als Russen denn als Griechen benommen. Bei der panegyrischen Rede von Leichoudis empfindet er gleichfalls »Überdruss und Ekel«; sie stelle »ein ewiges Monument der abscheulichen Schmeichelei des griechischen Intellektuellen«6 dar. 2 »Η Ελλάς καθ΄όλην την διάρκειαν της Οθωμανικής τυραννίας καίτοι σκληρώς καταπιεζομένη πανταχόθεν, δεν έλειψε του να αναδεικνύη κατά καιρούς φιλελευθέρους και τολμηρούς άνδρας επιθυμούντας την ελευθέρωσίν της.«, Xanthos, Απομνημονεύματα, 1. 3 »…τας επί του θρόνου των Παλαιολόγων γελοίας αξιώσεις των δουκών της Μοσχοβίας«, K. N. Sathas, Τουρκοκρατουμένη Ελλάς. Ιστορικόν δοκίμιον περί των προς αποτίναξιν του οθωμανικού ζυγού επαναστάσεων του ελληνικού έθνους [Griechenland unter der Türkenherrschaft. Historischer Versuch über die Revolutionen der griechischen Nation zur Befreiung vom osmanischen Joch], Athen 1869, ND: Athen 1995, 448, 468. 4 K. A. Palaiologos, »Επιστολή Αρχιεπισκόπου Θεσσαλίας τω τζάρω Αλεξίω Μιχαϊλοβιτζ« [Brief eines (angeblichen) Erzbischofs von Thessalien an Zar Aleksej Michajlovicˇ], Παρνασσός 12 (1888/89), 37–41. Er äußert auch seine Scham angesichts von Archimandrit Amfilochios’ Bitte, seine Spionagedienste zu entlohnen: »Υπό αίσχους δε κατελήφθημεν και ερυθριώντες ανέγνωμεν τας ακολούθους ικεσίας αυτού περί αμοιβής«, ebenda, 39. 5 »…οι ημέτεροι, την ομοδοξίαν έχοντες προ οφθαλμών και υπό των περιαδομένων προφητειών παραφερόμενοι, αείποτε προσεδόκησαν παρά των Ρώσσων την συντριβήν του τουρκικού κράτους και την ανάστασιν της αρχαίας ελληνικής βασιλείας, ουδέποτε δε ουδαμώς επόθησαν ή επεζήτησαν τον ρωσσικόν ζυγόν […]. Τη αληθεία θλίβεταί τις την καρδίαν αναγιγνώσκων τοιαύτα αηδή κατασκευάσματα, ταύτα και μόνο δηλωτικά της κακοδαιμονίας, εν η ήτο βεβυθισμένον το ταλαίπωρον έθνος«, P. M. Kontogiannis, Οι Έλληνες κατά τον πρώτον επί Αικατερίνης Β΄ ρωσσοτουρκικόν πόλεμον (1768–1774) [Die Griechen im ersten russisch-türkischen Krieg unter Katharina II. (1768–1774)], Athen 1903, ND: Athen 1989, 11, 23. 6 »Κόρον και αηδίαν προξενεί […] μνημείον αιώνιον της αηδούς αυλοκολακείας του Έλληνος διανοουμένου«, E. Kourilas Lavriotιs, »Θεόκλητος Πολυείδης και το λεύκωμα αυτού εν Γερμανία (εξ ανεκδότου κώδικος). Ο φιλελληνισμός των Γερμανών« [Theoklitos Polyeidis und sein Album in
Einleitung
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Gewiss sind solche Stellungnahmen im zeitgenössischen Kontext der Panslavismus-Panik in der Öffentlichkeit des griechischen Königreichs im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zu lesen, die aus Russland statt der orthodoxen Schutzmacht die Antreiberin des bulgarischen Erzfeindes machte.7 Bei Kourilas und späteren Kommentatoren spielte wohl auch die Gleichsetzung von sowjetischem Kommunismus mit Panslavismus eine zusätzliche Rolle. Gemeinplätze, wie jene Vorstellung von der Rolle Russlands während der osmanischen Zeit, sind stets mit Verkürzungen und Projektionen verbunden, die mehr über die jeweilige Gegenwart als über die frühneuzeitlichen Sachverhalte aussagen. Dennoch ist auch die immanente Ambiguität zu beachten, welche die Erwartung eines fremden Befreiers an sich mit einer nationalgeschichtlichen Deutung von Fremdherrschaft und Befreiungskampf nur bedingt vereinbaren lässt.8 Von einer derartigen Verlegenheit ist – erwartungsgemäß – die Beschreibung des Phänomens in der gegenwärtigen Historiographie größtenteils frei. In einem der wenigen historischen Werke zur Geschichte Südosteuropas, die über den Fachkreis hinaus Resonanz gefunden haben und zu internationalen Bestsellern avancierten, der Geschichte Salonikis von Mark Mazower (2004), wird das Phänomen in knapper, aber auch für die Ansichten der griechischsprachigen Historiographie repräsentativer Form zusammengefasst: »The growth of Russia offered the Ottoman Greeks more than just prosperity and new trading opportunities. After the string of defeats suffered by Venice in the seventeenth century, the rise of a Christian Orthodox power also carried the promise of liberation and redemption from the Turks. Greek monks spread the ›Russian expectation‹ from the time of Peter the Great. ›The Greeks are persuaded‹, a French Jesuit observed 1712, ›that the Czar will deliver them one day from the domination of the Turks‹. Apocalyptic visions foretold the downfall of the empire at the hands of ›another Lord, another Macedonian, the monarch of the Russians‹ in the words of the most popular of these, a collection of prophecies known as the Agathangelos.«9
Deutschland (aus einem unveröffentlichten Codex). Der deutsche Philhellenismus], Θρακικά 3 (1932), 84–149, 4 (1933), 129–199, 5 (1934), 68–162, hier 87, 98, 6 (1935), 182–201, 7 (1936), 83– 143. 7 Vgl. A. Skordos, »Das panslawische Feindbild im Griechenland des 19. und 20. Jahrhunderts«, SOF 71 (2012), 78–107; A. Dialla, »Russian Nationalism and the Eastern Question. The case of Panslavism (1856–1878)«, MGSY 24–25 (2008–09), 73–90. 8 Vgl. die Analyse, der Nikos Rotzokos die Darstellungen der Orlov-Revolte in der griechischen Nationalhistoriographie von Konstantinos Sathas bis Apostolos Vakalopoulos unterzieht: N. V. Rotzokos, Εθναφύπνιση και εθνογένεση: Ορλωφικά και ελληνική ιστοριογραφία [Nationserwachen und Nationsbildung: Der Orlofika-Aufstand und die griechische Historiographie], Athen 2007, 84–170. 9 M. Mazower, Salonica, City of Ghosts. Christians, Muslims and Jews 1430–1950, London u. a. 2004, 130f.
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Einleitung
Trotz der Datierung des Phänomens auf die Zeit Peters des Großen (immerhin) und dem obligatorischen, aber problematischen Verweis auf die »Vision des Agathangelos« gibt das Zitat manche der grundlegenden Aspekte des Phänomens wieder: die Bedeutung des Aufstiegs einer orthodoxen Großmacht in der Gestalt Russlands, die Rolle griechischer Mönche bei der Diffusion der Vorstellungen von deren Sendung, die Konstatierung (und Deutung) dieser Vorstellungen durch aufmerksame ausländische Beobachter und deren Untermauerung durch apokalyptisches Gedankengut. Zu diesen und zu einer Reihe weiterer Aspekte, die den Themenkomplex der russisch-griechischen Beziehungen ausmachen, möchte die vorliegende Studie eine vertiefende Untersuchung beitragen, mit dem vorrangigen Ziel einer Historisierung des Phänomens: der überzeugenden Einordnung in seine wechselnden historischen Kontexte. Freilich erschöpft sich, das sei vorausgeschickt, eine Geschichte der russisch-griechischen Beziehungen in der Frühen Neuzeit keineswegs in Russophilie, »ekelhaften Schmeicheleien« oder Visionen von gottgesandten Zaren und »blonden Völkern«. Die Stereotypenforschung hätte am Beispiel der russischen und griechischen Alteritätsmuster, besonders im an einschlägigem Quellenmaterial reichen 17. Jahrhundert, paradigmatisches Anschauungsmaterial für die Bildung, Verbreitung und Überlieferung zäher Vorurteile zur Verfügung. Hier die hinterlistigen, korrupten, geldgierigen und arroganten Griechen, dort die zwar frommen, aber im Grunde barbarischen, einfältigen und groben Russen.10 Nikolaos A. Chrissidis hat die frühneuzeitlichen russisch-griechischen Beziehungen treffend als »a lovehate relationship«11 charakterisiert. Von diesen wechselhaften Seiten und widersprüchlichen Aspekten der Thematik wird auch in dieser Arbeit gelegentlich die Rede sein. Doch ihr Fokus ist ein anderer. Am hilfreichsten ist es, entlang der Begrifflichkeit des Titels mit der Erläuterung der hier verfolgten Fragestellung anzusetzen.
10 Vgl. E. Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert. Russisch-griechische Beziehungen und metabyzantinischer Einfluß 1619–1694, Stuttgart 1995, 47–55; E. Hösch, »Probleme der russischgriechischen (balkanischen) Beziehungen im 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts«, FOG 38 (1986), 257–275, hier 263; Th. G. Stavrou, Russian Interests in Palestine 1882– 1914. A Study of Religious and Educational Enterprise, Thessaloniki 1963, 10, 15; I. Gruber, »Lexical Daring: Muscovite Russian Experimentation with Greek Language as a Reflection of Underlying Civilizational Rivalry«, in: Σλάβοι και ελληνικός κόσμος [Slaven und griechische Welt], Athen 2015, 131–147. 11 N. A. Chrissidis, »The World of Eastern Orthodoxy«, in: The Oxford Handbook of Early Modern European History, 1350–1370, Bd. 1: Peoples and Place, hg. von H. Scott, Oxford u. a. 2015, 626–651, hier 647: »Early modern Orthodoxy was also permeated by a love-hate relationship between Greeks and Russians.« Vgl. ders., An Academy at the Court of the Tsars. Greek Scholars and Jesuit Education in Early Modern Russia, DeKalb 2016, 34 und 17, 26 zu den gegenseitigen Stereotypen.
Einleitung
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Russland, das ist das Reich des Moskauer Zaren, das am Ende der hier behandelten Periode (1722) zum »Russischen« oder »Russländischen« Imperium avancierte.12 Für das gesamte 17. Jahrhundert lassen sich beide Begriffe, »Moskauer Reich« bzw. »Moskau« und »Russland«, verwenden, vollzog sich doch der Wandel in der Selbstbezeichnung des Reiches und seiner Bevölkerung seit 1654 sukzessiv. Seit der Wende zum 18. Jahrhundert begann sich »Russland« auch als Fremdbezeichnung zu etablieren. Auch im griechischen Sprachgebrauch ist eine vergleichbare Tendenz zu erkennen. Noch bis zum späten 17. Jahrhundert unterschied man üblicherweise, aber nicht zwingend, zwischen »Moskowitern« (Μοσχόβοι) und »Russen« (Ρούσσοι), wobei mit letzterem Begriff die Ruthenen, die ostslavischen Orthodoxen Polens (in der heutigen Ukraine und Belarus), gemeint waren. Gerade weil hier die Herrschaftszeit Peters des Großen miteinbezogen wird, erscheint es letztlich sinnvoll, im Titel des Buchs von »Russland« zu sprechen, während in der Darstellung selbst die Begriffe je nach Zusammenhang variieren werden.13 Erklärungsbedürftig ist auf jeden Fall der Begriff »griechische Kulturwelt«. Es sei zunächst betont, dass damit keine Projektion moderner nationaler Kategorien auf die vornationale Vergangenheit impliziert wird. Kollektive Selbst- und Fremdbezeichnungen bilden sich relational zueinander im Zuge funktionaler Kommunikationsbedürfnisse in bestimmten, historisch variablen Kontexten. Im vorliegenden Zusammenhang ist einerseits zu bedenken, dass der wohl grundlegendste Identitätsbezug, der religiöse bzw. konfessionelle, in der Kommunikation zwischen orthodoxen Russen und Griechen, aber auch Moldauern, Walachen, Serben und Bulgaren ebenjener Funktionalität verlustig ging, die er etwa im osmanischen Kontext (Muslime, Christen und Juden) in der Regel besaß. Andererseits haben wir es im 17. und im frühen 18. Jahrhundert noch nicht im selben Ausmaß mit dem etwas später (besonders im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts) einsetzenden Ausdehnung griechischer Identität zu tun, im Sinne eines kulturellen Kapitals (durch griechischsprachige Lehranstalten) oder noch mehr einer sozialen Berufskategorie, welche die urbanen orthodoxen Kauf12 »Russländisch« hat sich im letzten Jahrzehnt in der deutschsprachigen Osteuropaforschung als Äquivalent zu »rossijskij« in seiner Unterscheidung von »russkij« (russisch) zunehmend etabliert. Es handelt sich dabei um die Differenzierung zwischen einem ethnisch-russischen und einem staatlichen – auch nichtrussische Ethnien umfassenden – Begriff. Ohne damit zum zweifellos begründeten Sinn der Begriffsbildung Stellung zu beziehen – andere Wissenschaftssprachen wie Englisch kommen dagegen ohne sie aus –, spielt sie, da grundsätzlich auf die Zeit nach Peter dem Großen angewandt, in dieser Arbeit keine Rolle. 13 Vgl. zur Thematik E. Hösch, Geschichte Rußlands. Vom Kiever Reich bis zum Zerfall des Sowjetimperiums, Stuttgart u. a. 1996, 14–16; A. Kappeler, Kleine Geschichte der Ukraine, München 20002, 36–40; D. Ostrowski, Muscovy and the Mongols. Cross-cultural influences on the steppe frontier, 1304–1589, Cambridge 1998, 17, der »Late Muscovy« von 1589 bis 1722 reichen sieht.
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Einleitung
mannsschichten im gesamten Balkanraum umfasste.14 Dies spricht übrigens gegen eine allzu lineare, evolutionäre Sichtweise auf die Nationsbildungsprozesse im südosteuropäischen Raum, die von einer im Laufe der Zeit immer deutlicheren Herausbildung nationaler Identitäten ausginge. Wie auch immer die spätere Entwicklung zu interpretieren ist, grundsätzlich lässt sich kaum leugnen, dass »Griechen« und »griechisch« als kollektive Kategorien auch im 17. Jahrhundert von einer diachron wirksamen Ambivalenz durchzogen waren. Eine der anschaulichsten Formulierungen dieser Ambivalenz findet sich in einem Brief von Kyrillos Loukaris (damals, 1613, noch Patriarch von Alexandria) an den niederländischen Arminianer Johannes Wtenbogaert: Loukaris gemäß umfasst »Graeca ecclesia« mehrere Völker, »in plures nationes dividitur, in Hyberos, Cholcos, Arabes, Chaldaeos, Aethiopes, Aegyptios, Moscovitas, Ruthenos, Bulgaros, Servos vel Sclavos, Albanenses, Caramanos, Valachos, Moldavos et Graecos«15. Dieselbe Ambivalenz, »Griechen« als pars pro toto, als Teilmenge der orthodoxen Gemeinschaft und als Namensgeber ihres Ganzen, besteht auch im russischen Sprachgebrauch.16 »Griechen« (Greki), das sind mal alle Orthodoxen aus dem osmanischen Machtbereich bzw. dem »griechischen« oder »türkischen Land« (grecˇeskaja zemlja / tureckaja zemlja), mal eben ist es eine ethnische Teilmenge in ihrer Unterscheidung von anderen: grecˇenija, serbenija, volosˇenija.17 In ähnlicher Weise ist es der »griechische Glaube« (grecˇeskaja vera / grecˇeskij zakon), an dem man in Russland besonders fest und treu zu hängen meint, treuer sogar als die »Griechen« selbst, die ihn verraten hätten und dafür mit der muslimischen Herrschaft bestraft worden seien. Oder umgekehrt: Von den Griechen als Hüter der Urquellen des Glaubens erwarte man weiterhin Rat und Beistand, oder noch besser: Sanktionierung und Legitimierung der eigenen Orthodoxie. Die russischen archivalischen Quellen, zu einem Teil auf Griechisch verfasste Bittschriften, Berichte oder panegyrischer Reden an die Zaren, übersetzt auf Russisch durch Beamte des Posolskij Prikaz, des Moskauer Außenamtes, bieten hierzu aufschlussreiches Material. Die übliche Selbstbezeichnung Ρωμαίος (»Rhomäer«, eigentlich »Römer«) wird dort stets als »Grieche« (Grek / Grecˇanin; γένος των Ρωμαίων = grecˇeskij rod) übersetzt. In den wenigen Fällen – zumeist, aber nicht ausschließlich in gelehrteren Texten –, wo von »Hellenen« (Έλληνες) die Rede ist, wechselt man zum Terminus ellin (ellinskij rod). Russische Gesandte 14 I. Zelepos, »Kulturtransfer und europäische Identität. Zur Bedeutung des Griechischen im vornationalen Südosteuropa«, in: Chr. Voß – W. Dahmen (Hg.), Babel Balkan? Politische und soziokulturelle Kontexte von Sprache in Südosteuropa, München u. a., 2014, 19–28. 15 É. Legrand, Bibliographie hellénique ou description raisonnée des ouvrages publiés par les Grecs au XVIIe siècle, Bd. 4, Paris 1896, 303. 16 Vgl. Chrissidis, Academy, 24f. 17 T. A. Oparina, Inozemcy v Rossii XVI–XVII vv., Moskau 2007, 12.
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im Osmanischen Reich waren sich der ethnischen Diversität der dortigen orthodoxen Bevölkerung durchaus bewusst und drückten dies in ihren Berichten explizit aus. So beschrieb Vasilij Poznjakov 1560 eine Liturgie in der Kirche des Heiligen Grabes in Jerusalem, wo »Griechen, Syrer, Serben, Georgier, Russen, Albaner und Walachen«18 teilnahmen. Und der erste Chef einer permanenten russischen Botschaft in Konstantinopel zu Beginn des 18. Jahrhunderts, Petr Andreevicˇ Tolstoj, schilderte die Lage der Griechen (greki), um gleich darauf die »anderen christlichen Völker«, die den Osmanen untertan waren, zu erwähnen: »Serben, Walachen, Moldauer, Araber und andere«19. Trotz der grundlegenden Bedeutung, die der Religionszugehörigkeit im osmanischen Verwaltungssystem zukam, war auch in den Augen der Muslime die orthodoxe Gemeinschaft keineswegs einheitlich.20 Hierin drückt sich eine bei aller Flexibilität und Situativität der Bezeichnungen – die etwa den Anspruch auf ein symbolisches Kapital mit sich bringen, ob dieses nun auf die byzantinische oder die antike Vergangenheit verweist – gewisse Konsequenz in der Wahrnehmung der Zeitgenossen aus, die ebenjener Funktionalität der Kommunikation diente. Dass die Entscheidung für eine und gegen eine andere Begrifflichkeit konventioneller Natur ist, braucht nicht eigens thematisiert werden. Im Gegensatz zu Ansätzen, die das konfessionelle Moment in den Vordergrund stellen, wie die »Orthodox Commonwealth« von Paschalis M. Kitromilides,21 eine imaginierte Gemeinschaft, die auch die Russen (wie alle orthodoxen Ostslaven sowie die Georgier) umfasste, oder solchen, die die Orthodoxen Südosteuropas als multiethnisches Kollektiv zusammenfassen,22 sind hier gerade die Differenzierungen 18 »A kres’tjane sut’: greki, sir’jane, serby, iviry, rus’, arnapiti, volochi.«, »Chozˇdenie na Vostok gostja Vasilija Poznjakova s tovarisˇcˇi«, in: Biblioteka Drevnej Rusi, Bd. 10, St. Petersburg 2000, 48–93, hier 50. 19 »A drugie narody christijanskie poddannye ich, serby, mut’jane, volochi, arapy, i protcˇie…«, M.R. Arunova und S. F. Oresˇkina (Hg.), Russkij posol v Stambule. Petr Andreevicˇ Tolstoj i ego opisanie Osmanskoj imperii nacˇala XVIII v., Moskau 1985, 38. 20 R. Gradeva, »The Ottoman Balkans: A Zone of Fractures or a Zone of Contacts?«, in: A. Bues (Hg.), Zones of Fractures in Modern Europe: the Baltic Countries, the Balkans, and Northern Italy, Wiesbaden 2005, 61–75, hier 69f.; M. Greene, The Edinburgh History of the Greeks, 1453 to 1768. The Ottoman Empire, Edinburgh 2015, 43; St. Rohdewald, »Beschreibungen von Uneinheitlichkeit im ›Osmanischen Europa‹ am Beispiel von Evliya Çelebis Bericht über Albanien und Makedonien«, GWU 68 (2017), 265–277, hier 274f. zur Unterscheidung zwischen »bulgarischen und griechischen (Rum) Ungläubigen«. 21 P. M. Kitromilides, »Introduction«, in: ders., An Orthodox Commonwealth. Symbolic Legacies and Cultural Encounters in Southeastern Europe, Nr. III (Variorum Reprints), Aldershot 2007, ix–xvi; ders., »From Orthodox Commonwealth to National Communities: Greek-Russian intellectual and ecclesiastical ties in the Ottoman Era«, in: ebenda, Nr. VI. 22 Vgl. R. Detrez, »Pre-national Identities in the Balkans«, in: R. Daskalov, T. Marinov (Hg.), Entangled Histories of the Balkans. Bd. 1: National Ideologies and Language Policies, Leiden u. a. 2013, 13–65. Der in der russischsprachigen Forschung nach wie vor übliche Terminus »orthodoxer Osten« bzw. »christlicher Osten« (Pravoslavnyj Vostok / Christianskij Vostok) ist
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von Interesse. Eine Untersuchung der Vorstellungen von Russland unter den orthodoxen Balkanchristen bzw. (und damit nicht identisch) den Orthodoxen des Osmanischen Reiches insgesamt wäre sinnvoll und, soweit man über die linguistische Kompetenz verfügt, auch machbar. Nur würde sie unweigerlich komparative Züge aufweisen, wollte sie nicht der Diversität historischer Sachverhalte uniforme Hypothesen aufzwingen. Für eine Fragestellung, die gerade den Legitimationsmomenten, den Traditionskonstruktionen, den Selbstdarstellungen und -stilisierungen nachspüren möchte, kommt dieser Diversität entscheidende Bedeutung zu. Das serbische Beispiel ist hierfür sprechend: Im Gegensatz zu Ansprachen griechischen Ursprungs an die Zaren nehmen serbische Geistliche in konsequenter Weise auf die gemeinsame slavische Abstammung und Sprache Bezug, während sich ihre historischen Referenzen auf das mittelalterliche Reich Stefan Dusˇans bzw. seiner Vorgänger und Nachfolger beschränken.23 Die Topoi der griechischen Textproduktion – das kaiserliche oströmische Erbe, die offene Schuld der Christianisierung, manchmal auch der Glanz griechischer, »hellenischer« Bildung – fehlen allesamt. Das soll bedeuten, dass die Fragestellung für die Wahl der Begrifflichkeit ausschlaggebend ist. Wie es in jüngeren Arbeiten, die einen anderen Zugang gewählt haben, wie Ioannis Zelepos am Beispiel einer »Balkanorthodoxie« oder »osmanischen Orthodoxie«24 und Konrad Petrovszky anhand eines »osmanisch-
insofern problematisch, als ihm, abgesehen davon, dass er zumeist auf die griechische Komponente statt die südslavische oder die arabische fokussiert, eine dezidierte Abhängigkeit vom russischen Imperialismus und Orientalismus des späten 19. Jahrhunderts anhaftet, vgl. A. Dialla, »Η χριστιανική Ανατολή και η ρωσική διπλωματία: λόγοι και πρακτικές (β΄ήμισυ του 19ου αιώνα)« [Christlicher Orient und russische Diplomatie: Diskurse und Praktiken (zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts)], in: O. Katsiardi-Hering u. a. (Hg.), Russia and the Mediterranean. Proceedings of the First International Conference, Bd. 1, Athen 2011, 381–395; D. Stamatopoulos, »From the Vyzantism of K. Leont’ev to the Vyzantinism of I. I. Sokolov: The Byzantine Orthodox East as a Motif of Russian Orientalism«, in: O. Delouis u. a. (Hg.), Héritages de Byzance en Europe du Sud-Est à l’époque moderne et contemporaine, Athen 2013, 329–348. 23 Vgl. etwa die Dokumentensammlungen von A. L. Narocˇinskij und N. Petrovicˇ, Politiceskie i kul’turnye otnosˇenija Rossii s jugoslavjanskimi zemljami v XVIII v. Dokumenty, Moskau 1984, sowie S. Dolgova u. a. (Hg.), Moskva-Serbija, Belgrad-Rossija. Sbornik dokumentov i materialov, Bd. 1, Belgrad-Moskau 2009. Vgl. ferner L. Hadrovics, Le peuple serbe et son église sous la domination turque, Paris 1947, 124–126; E. Kraft, »Die Säkularisierung der serbisch-russischen Beziehungen an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert«, SOF 47 (1988), 87–108, hier 93. 24 I. Zelepos, »Unser orientalisch-christliches Geschlecht – Zur Formierung eines osmanischorthodoxen Identitätskonzepts in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts«, in: M. Oikonomou, M. A. Stassinopoulou, I. Zelepos (Hg.), Griechische Dimensionen südosteuropäischer Kultur seit dem 18. Jahrhundert. Verortung, Bewegung, Grenzüberschreitung, Wien 2011, 111– 124, hier 113f.
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orthodoxen Kommunikationsraums«25 festgehalten haben, wirken solche Identitätskonzepte und Klassifizierungen gegenüber etwa ethnisch-sprachlichen eher komplementär als exklusiv und schließen alternative Ordnungen nicht aus. Das illustriert etwa auch die Kategorie der »Slavia Orthodoxa«, welche über die Balkanorthodoxie hinausgeht, indem sie gleichzeitig die Nichtslaven ausschließt.26 Undifferenziert von einer homogenen (und solidarischen) orthodoxen Glaubensgemeinschaft zu sprechen, unterschlägt die tiefen Brüche innerhalb dieser, entlang von Linien, die man als »ethnisch« bezeichnen könnte.27 Die Unterscheidung von Ethnien oder ethnischen Gruppen hat sich als eine sinnvolle Konvention in der Nationalismusforschung etabliert, um die qualitative Differenz zwischen vormodernen vornationalen und modernen nationalen kollektiven Identitäten zu wahren.28 Dennoch dürfte die Betonung ethnischer Abstammung, obwohl die Forschung sprachliche, kulturelle und soziale Faktoren mitberücksichtigt, einen essentialistischen Beigeschmack haben, der die Unschärfe, die fließenden Übergänge, die Wandlungsfähigkeit und auch die Optionalität der »multiplen Identitäten« der Frühen Neuzeit mitunter überdeckt.29 Wenn hier stattdessen der Begriff »griechische Kulturwelt« verwendet wird, dann geschieht es in bewusstem Bezug auf die Wahrnehmungsebene der historischen Akteure, sowie in Anbetracht dessen, dass Kulturwelten und -landschaften »aus der Sicht des Historikers nicht als feste und eindeutig abgrenzbare Bezugsgrößen zu verstehen sind, sondern als komplexe Einheiten, die in den jeweiligen zeitgeschichtlichen Koordinaten einem ständigen Wandel unterliegen«30. Unter diesen Prämissen dürfte es auch plausibel erscheinen, dass Akteure wie Nikolaos Spatharios und Dimitrie Cantemir, insofern sie auch an einer solchen imaginierten Gemeinschaft, neben der moldauischen, teilhaben bzw. teilzuhaben beanspruchen und ihre Texte teilweise denselben hier interessierenden argumentativen und symbolischen Zusammenhängen zugehören, 25 K. Petrovszky, Geschichte schreiben im osmanischen Südosteuropa. Eine Kulturgeschichte orthodoxer Historiographie des 16. und 17. Jahrhunderts, Wiesbaden 2014, 27–30; ders., »›Wir die armen Rhomäer‹. Selbstverortungen christlicher Geschichtsschreiber im Osmanischen Reich«, GWU 68 (2017), 250–264. 26 Vgl. I. Dujcˇev, Slavia Orthodoxa. Collected Studies in the History of the Slavic Middle Ages, London 1970; J. Erdeljan, Chosen Places: Constructing New Jerusalems in Slavia Orthodoxa, Leiden u. a. 2017. 27 Vg. Chrissidis, Academy, 22–34. 28 Vgl. M. Hroch, Das Europa der Nationen. Die moderne Nationsbildung im europäischen Vergleich, Göttingen 2005, 59–74. 29 Vgl. etwa zu den Donaufürstentümern L. Cotovanu, »›Chasing away the Greeks‹: The PrinceState and the Undesired Foreigners (Wallachia and Moldavia between the 16th and 18th Centuries)«, in: O. Katsiardi-Hering, M. A. Stassinopoulou (Hg.), Across the Danube. Southeastern Europeans and Their Travelling Identities (17th–19th C.), Leiden u. a. 2017, 215– 252. 30 E. Hösch, »Kulturgrenzen in Südosteuropa«, Südosteuropa 47 (1998), 601–623, hier 608.
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ebenfalls zu Wort kommen. Ihr Ausschluss wäre viel problematischer als ihre partielle Inklusion. »Politisch« sind die zu präsentierenden Vorstellungen insofern, als in Anlehnung an Ansätze der »Kulturgeschichte des Politischen« von einem dezidiert neuzeitlichen Verständnis von Politik Abstand genommen wird und stattdessen der Fokus auf »symbolischen Repräsentationen, semantischen Arsenalen und Diskursen«31 liegt; ferner unter der Annahme, dass sich politische Herrschaft mit durch Legitimationsmuster und symbolische Gesten festgelegter Kommunikation und Repräsentation, etwa durch Huldigungen und ihre inhärente Reziprozität, nicht bloß dekoriert, sondern konstituiert wird.32 Dass im frühneuzeitlichen Kontext Religion »als integrierender Bestandteil der Politik von geradezu ontologischer Qualität«33 erscheint, wird in einem solchen Verständnis von Politik umso einleuchtender. Die Untersuchung von »politischen Vorstellungen« orientiert sich ihrerseits am Ansatz der »Vorstellungsgeschichte«, den Hans-Werner Goertz entworfen hat.34 Im Gegensatz sowohl zum holistischen Anspruch der Mentalitätengeschichte als auch zum exklusiven der Ideengeschichte zielt eine Geschichte der Vorstellungen auf eine Rekonstruktion der »verarbeiteten Wirklichkeit der Zeitgenossen«,35 indem sie den »kommentierenden Menschen in diesem [historischen] Geschehen zu erfassen« sucht und eine »Einordnung der Gedanken des Quellenverfassers in die Vorstellungen seiner Zeit, also die Feststellung, ob seine Vorstellungen von weiteren Kreisen getragen werden«, beabsichtigt.36 Die Anknüpfungen an die Geschichte der Repräsentationen, die in der Tradition der 31 B. Jussen, »Diskutieren über Könige im vormodernen Europa. Einleitung.«, in: ders. (Hg.), Die Macht des Königs. Herrschaft in Europa vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit, München 2005, xi–xxiv, hier xv. 32 B. Stollberg-Rilinger, »Was heißt Kulturgeschichte des Politischen? Einleitung«, in: dies. (Hg.), Was heißt Kulturgeschichte des Politischen? [ZHF, Bh. 35], Berlin 2005, 9–24, hier 14. 33 W. Reinhard, Glaube und Macht. Kirche und Politik im Zeitalter der Konfessionalisierung, Freiburg u. a. 2004, 84. Vgl. M. Pohlig, »Drawing Boundaries between Politics and Religion: Early Modern Politics Revisited«, in: W. Steinmetz u. a. (Hg.), Writing Political History Today, Frankfurt a.M. u. a. 2013, 155–173. 34 H.-W. Goertz, »Vorstellungsgeschichte: Menschliche Vorstellungen und Meinungen als Dimension der Vergangenheit«, Archiv für Kulturgeschichte 61 (1979), 253–271; ders., Vorstellungsgeschichte. Gesammelte Schriften zu Wahrnehmungen, Deutungen und Vorstellungen im Mittelalter, hg. von A. Aurast u. a., Bochum 2007; J. Sarnowsky, »Einleitung«, in: ders. (Hg.), Vorstellungswelten der mittelalterlichen Überlieferung. Zeitgenössische Wahrnehmungen und ihre moderne Interpretation, Göttingen 2012, 9–12. 35 Es handelt sich um »ein Arbeitsfeld, das persönliche Anschauungen ebenso wie gruppenspezifische Mentalitäten, die epochemachenden Ideen ebenso wie rein private Interpretationen von Fakten, Vorgängen, Gegenständen und Abläufen umfaßt und das ich, von seinem Gegenstand her, als Vorstellungsgeschichte, als Geschichte der Vorstellungen bezeichnen möchte.«, Goertz, »Vorstellungsgeschichte«, 256. 36 Goertz, »Vorstellungsgeschichte«, 260, 262.
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Annales-Schule ebenfalls die Abgrenzung von der älteren Mentalitätenforschung vollzog, sind dabei vielfältig.37 Reflexionen und Aussagen über die Stellung des russischen Zaren in den Begriffen der politischen Theologie, des imperialen Messianismus, der Apokalyptik und auch des Reformabsolutismus lassen sich somit viel angemessener in einer breiten Kategorie der politischen Vorstellungen, der politischen Imagination oder des französischen »imaginaire politique« unterbringen als unter den Stichwörtern Mentalitäten- oder Ideengeschichte.38 Insofern, als es sich dabei in wesentlichem Maße um Vorstellungen von Zeitlichkeit handelt, um Berufungen auf historische Kontinuitäten und Erbschaften oder Projektionen auf eine nahe oder nicht allzu ferne Zukunft ist der Rekurs auf Reinhart Kosellecks Theorie der historischen Zeiten und auf das von ihm entwickelte Instrumentarium unentbehrlich, auch wenn dieser Rekurs nicht immer wieder in Erinnerung gebracht wird. Insbesondere dem Begriffspaar »Erfahrungsraum« und »Erwartungshorizont« zur Definition einer »gegenwärtigen Vergangenheit« und einer »vergegenwärtigten Zukunft«39 bzw. von der heutigen Warte einer »vergangenen Zukunft«, kommt für die Einordnung der hier untersuchten Vorstellungen grundlegende Bedeutung zu. Allerdings interessiert hier weniger die von Koselleck postulierte Divergenz von Erfahrung und Erwartung als Chiffre der Neuzeit gegenüber ihrer Konvergenz in der Vormoderne (die anhand der hier diskutierten Beispiele nicht zu leugnen wäre), als ihre ständige Interdependenz. Letztere, gewährleistet durch die Kategorie der Imagination nach einer reflektierten Modifikation des Koselleck’schen Schemas durch Anders Schinkel,40 steht im Vordergrund des Interesses. Auch Kosellecks »Zeitschichten«-Metaphorik wird eher im Sinne einer Theorie von »mehreren Zeitebenen verschiedener Dauer und unterschiedlicher Herkunft, die dennoch gleichzeitig vorhanden und wirksam sind«41, denn als Periodisierungstheorie verstanden.
37 Vgl. R. Chartier, »Die Welt als Repräsentation«, in: M. Middell, St. Sammler (Hg.), Alles Gewordene hat Geschichte. Die Schule der Annales in ihren Texten 1929–1992, Leipzig 1994, 320–347. 38 Vgl. R. Chartier, »Intellektuelle Geschichte und Geschichte der Mentalitäten«, in: U. Raulff (Hg.), Mentalitäten-Geschichte, Berlin 1987, 69–96. 39 R. Koselleck, »›Erfahrungsraum‹ und ›Erwartungshorizont‹ – zwei historische Kategorien«, in: ders., Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt a.M. 20004, 349– 375, hier 354f. 40 A. Schinkel, »Imagination as a Category of History: An Essay concerning Koselleck’s Concepts of Erfahrungsraum and Erwartungshorizont«, History and Theory 44 (2005), 42–54. 41 R. Koselleck, »Einleitung«, in: ders., Zeitschichten. Studien zur Historik, Frankfurt a.M. 2000, 9–16, hier 9. Vgl. H. Jordheim, »Against Periodization: Koselleck’s Theory of Multiple Temporalities«, History and Theory 44 (2012), 151–171; L. Raphael, »Jenseits von Strukturwandel oder Ereignis? Neuere Sichtweisen und Schwierigkeiten der Historiker im Umgang mit Wandel und Innovation«, Historische Anthropologie 17 (2009), 110–120.
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Obwohl es bei der Diskussion der titelgebenden Vorstellungen vornehmlich um die Einbettung von (wiederholten) Aussagen in Argumentationszusammenhänge geht, eine Einbettung, die einzelne Texte als Fragmente eines übergreifenden Ganzen verstehen ließe, wird darauf verzichtet, das Material in Form einer Diskursanalyse zu behandeln. Dies auch dann, wenn der Begriff »Diskurse« in der Bedeutung von Sinnzusammenhängen, die Vorstellungen und Aussagen bündeln, hin und wieder fallen mag. Ohne auf die machttheoretischen Prämissen der Diskurstheorie zu bauen und Kultur als Text zu begreifen, erscheint es sinnvoller, es nochmal mit Koselleck zu halten: »Anders [als der Philologe] der Historiker: Er bedient sich grundsätzlich der Texte nur als Zeugnisse, um aus ihnen eine Wirklichkeit zu eruieren, die hinter den Texten liegt«42. Oder ausführlicher mit Jürgen Osterhammel: »Mögen Texte für Literaturwissenschaftler die elementaren Gegebenheiten ihres Faches sein, so sind sie für den Historiker die Resultate individueller Erschaffung im gesellschaftlichen Rahmen. Es ist die Genese von Texten, die zunächst interessieren soll. Vor dem einzelnen Text stehen Erfahrung und Absicht, Wahrnehmung und Einbildung, Sehen und Hören, Konvention und Innovationswille. Der Text selbst, obwohl der meist unhintergehbare Stoff der Untersuchung, ist erst ein relativ spätes Ergebnis komplexer Vorgänge.«43
Auch ist die Arbeit nicht primär imagologisch ausgerichtet.44 Im Vordergrund stehen nicht, wie bereits angekündigt, Selbst- und Fremdbilder; der Fokus wird nicht auf griechische Russlandbilder oder gar »das« Russlandbild in griechischen Texten gelegt, sondern vielmehr auf den historischen Prozess des Aufstiegs Russlands zur orthodoxen Führungsmacht und seine Auswirkungen, seine Resonanz, d. h. Rezeption und Deutung in der zeitgenössischen griechischen Kulturwelt im Kontext der gesamteuropäischen wie osmanischen Realitäten in der untersuchten Zeitspanne. Schließlich, die Eckdaten 1645–1725. Als konventionelle Zäsuren definieren sie sich durch die Herrschaftszeiten der Zaren Aleksej Michajlovicˇ (1645–1676) 42 R. Koselleck, »Historik und Hermeneutik«, in: ders., Zeitschichten. Studien zur Historik, Frankfurt a.M. 2000, 97–118, hier 116. 43 J. Osterhammel, Die Entzauberung Asiens. Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert, München 1998, 23–29, hier 27. Für eine dennoch sehr anregende Anwendung der historischen Diskursanalyse auf das Thema Aussagen über Russland in der Frühen Neuzeit vgl. Chr. Roll, »Barbaren? Tabula rasa? Wie Leibniz sein neues Wissen über Russland auf den Begriff brachte«, in: Fr. Beiderbeck, I. Dingel, W. Li (Hg.), Umwelt und Weltgestaltung. Leibniz’ politisches Denken in seiner Zeit, Göttingen 2015, 307–358. 44 Vgl. M. Beller, J. Leerssen (Hg.), Imagology. The Cultural Construction and Literary Representation of National Characters, Amsterdam u. a. 2007; K. Alenius u. a. (Hg.), Imagolology and Cross-cultural Encounters in History, Rovaniemi 2008. Als Beispiel einer einschlägigen Studie vgl. A. Blome, Das deutsche Rußlandbild im frühen 18. Jahrhundert, [FOG 57], Wiesbaden 2000.
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und Peter I. (1682/89–1725), wobei leichte Überschreitungen in beiden Richtungen, um bestimmte Sachverhalte einzuholen, nicht zu vermeiden sein werden. Darüber hinaus stellt dieser Zeitabschnitt von acht Jahrzehnten in aktuellen Debatten der Russlandforschung, die sich um eine Überwindung des gängigen »Petrine Divide« bemühen – des Bruchs, den die Reformen Peters des Großen zeitigten –, eine eigenständige Periode dar. Der kulturelle Wandel, der mit Russlands machtpolitischem Erstarken einherging, ist demnach als ein Kontinuum über den Thronantritt des Reformzaren hinweg zu fassen.45 Was die Periodisierung des hier untersuchten Gegenstandes angeht, ist auf eine manifeste Diskrepanz hinzuweisen, die auch den Übergang zu einer knappen Skizzierung des Forschungsstandes ermöglichen soll. Während die russische Historiographie seit dem Beginn der Erforschung der Thematik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und bis heute davon ausgeht, dass historisch relevante, quellenmäßig reichhaltige, da äußerst dichte und intensive Beziehungen zwischen Russen und Griechen besonders in einem langen 17. Jahrhundert, von 1589 (Errichtung des Moskauer Patriarchats) bis 1721 (Abschaffung desselben) bzw. 1725 (Tod Peters), zu verorten sind, kommt für die griechische Historiographie, trotz Ausnahmen, Russland als relevanter Faktor erst ab etwa 1770 infrage. Dies hat nur teilweise mit Sprachbarrieren und mangelndem wissenschaftlichem Austausch während des Kalten Krieges zu tun.46 Vielmehr wirkte das Verständnis der osmanischen Zeit, der »Turkokratie«, als Vorgeschichte von 1821 auch nach der Historisierung der neugriechischen Geistesgeschichte durch die Schule der »neugriechischen Aufklärung« um K. Th. Dimaras retardierend auf die Einordnung historisch früherer Personen, Texte und Sachverhalte, die sich nur schwer einer teleologischen Entwicklung akkommodieren lassen. Wenn die Datierung des Phänomens um mehrere Jahrzehnte zurück als Korrektiv gegenüber der gängigen Auffassung in der griechischen Historiographie verstanden wird, so gilt Gleiches für ein weiteres, anachronistisches Stereotyp der griechischen Historiographie. In der Folge der eingangs angesprochenen Verlegenheit, war diese lange Zeit, Ausdrücke von Russophilie in Quellen des 17. und frühen 18. Jahrhunderts nur als Produkte einer unterstellten, aber nie näher untersuchten russischen Propaganda unter 45 »Early modern Russia certainly did experience at least a period of dramatic cultural change in the time of Peter the Great and the immediately preceding generation, more or less 1650– 1725. […] In European terms, Russian culture in the time of Tsar Aleksei and Peter the Great made changes equivalent to those that took the whole of the later Middle Ages and Renaissance in Western Europe.«, P. Bushkovitch, »Change and Culture in Early Modern Russia«, Kritika 16 (2015), 291–316, hier 304; vgl. J. Hennings, Russia and Courtly Europe: Ritual and the Culture of Diplomacy 1648–1725, Cambridge 2016, 9; E. Sashalmi, »Rusia as a FiscalMilitary and a Composite-Dynastic State, 1654–1725. An Outline«, in: G. Svák (Hg.), State and Nation in Russia and Central-East-Europe, Budapest 2019, 1–13. 46 Vgl. E. Hösch, »Die Nezˇiner Griechen«, FOG 52 (1996), 57–68, hier 60f.
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den Balkanchristen, anzusehen bereit. Auch hier steht inzwischen der Konsens der Fachforschung für das Gegenteil, für das Herantragen imperialer Ansprüche und außenpolitischer Ambitionen gen Süden erst von außen an die lange zögerliche und überaus vorsichtige Moskauer Regierung.47 Daher sei für beides auf die Darstellung verwiesen, statt hier weiter zu argumentieren. Eine Bemerkung sei jedoch vorausgeschickt, die mit dem Beitrag der vorliegenden Studie zum Thema ›Russlands Orientpolitik‹ zusammenhängt. In der Abschätzung der außenpolitischen Entscheidungsfindung der Zaren »zwischen Ideologie und Staatsräson«48 hat die Forschung zu Recht angemerkt, dass diese sich kaum von der orthodoxen Kreuzzugsrhetorik zum Verkennen ihrer eigentlichen Interessen und Spielräume verleiten ließ; auch dann nicht, als die programmatische Konfrontation mit dem Osmanischen Reich in der Tagesordnung stand. Dennoch wäre es verfehlt, ideologischen Faktoren und Diskursen eine lediglich deklamatorische Funktion zuzuschreiben. Wie in der Folge argumentiert wird, spricht sowohl die Aufnahme der ideologischen Angebote von griechischen Kirchenmännern ins Selbstbild der russischen Monarchie, als auch die Übernahme derer Diskurse in die eigene Legitimation für eine Revision allzu strikter Unterscheidungen. Gerade solche, von außen an Russland herangetragene Diskurse, die ihm eine antiosmanische Mission aufbürdeten, spielten eine Schlüsselrolle bei der Integration Russlands als eigenständiger Akteur in die europäische Staatenwelt seit der Mitte des 17. Jahrhunderts. Außerdem wäre es zu überlegen – und in den einschlägigen Kapiteln werden solche Überlegungen angestellt – in wieweit nicht nur die Legitimation der ersten russischen ›Türkenkriege‹, sondern auch ihre strategische Planung (Pruthfeldzug) wirklich ohne Bezug zu jenen Diskursen adäquat zu erklären ist. Dieses Buch beruht maßgeblich auf deutschsprachige Vorarbeiten etwa von Helmut Neubauer49 und Edgar Hösch. Besonders profitierte es von zwei jüngeren Dissertationen bzw. Monographien, die, aus unterschiedlichen Blickwinkeln und 47 Vgl. etwa Hösch, »Probleme«, 269; ders., Orthodoxie und Häresie im alten Rußland, Wiesbaden 1975, 12f.; ders., »Die Stellung Moskoviens in den Kreuzzugsplänen des Abendlandes. Bemerkungen zur griechischen Emigration im Moskau des ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts«, JGO 15 (1967), 321–340; A. Pippidi, »Russia’s Centripetal Policy and the Romanian Reactions or Aspirations«, in: E. Siupiur, A. Pippidi (Hg.), Les relations de la Russie avec les Roumains et avec le Sud-est de l’Europe du XVIIIe au XXe siècle, Bukarest 2011, 91–98, hier 91; V. Taki, »Limits of Protection: Russia and the Orthodox Coreligionists in the Ottoman Empire«, The Carl Beck Papers in Russian and East European Studies, nr. 2401, Pittsburgh 2015, URL: http://carlbeckpapers.pitt.edu/ojs/index.php/cbp/article/view/201/211 [07. 07. 2016], 4, 6. 48 E. Hösch, »Die Balkanpolitik der russischen Zaren zwischen Ideologie und Staatsräson«, in: Sl. Terzic´ (Hg.), Islam, the Balkans and the Great Powers (XIV–XX Century), Belgrad 1997, 245–259. 49 H. Neubauer, Car und Selbstherrscher. Beiträge zur Geschichte der Autokratie in Rußland, Wiesbaden 1964.
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jeweils auf der Basis einer systematischen Auswertung des publizierten russischen Quellenmaterials, eine Gesamtbilanz der Thematik ziehen: zum einen Ekkehard Krafts Moskaus griechisches Jahrhundert (1995),50 der die Periode 1619–1694 nicht als ein bloß vorpetrinisches, sondern auch, aufgrund des massiven »metabyzantinischen Einflusses« auf Moskau, als ein griechisches Jahrhundert definiert. Außerdem widmet Kraft unter Nutzung der griechischsprachigen Forschungsliteratur neben den sonst prominenter fungierenden kirchlichen Beziehungen (Nikons Kirchenreform nach »griechischen« Vorbildern) auch den politischen Aspekten breiten Raum und arbeitet Tendenzen und kausale Zusammenhänge heraus. Zum anderen, Wolfram von Schelihas Studie Russland und die Universalkirche (2004)51, in der er die »Patriarchatsperiode« (1589–1721) der russischen Kirchengeschichte als Rahmen auswählt, um die Bedeutung des griechischen Einflusses für den kulturellen Wandel in Russland zu diskutieren. Er zeigt auf, dass diese nicht in einem imaginären Scheideweg zwischen einer postbyzantinisch-griechischen und einer westeuropäisch-lateinischen Richtung, sondern im Aufbrechen der kulturellen Isolation Moskaus bestand und somit weniger in Kontrast als in Synergie mit Peters Reformen stand. Für den konzeptionellen Zugang zur Thematik, besonders für ein funktionales Verständnis der Wirkung byzantinischer Tradition oder eher der Berufung auf dieselbe im russischen Kontext des 17. Jahrhunderts, waren die zwei einschlägigen Aufsätze von Edgar Hösch52 und Ihor Sˇevcˇenko53 die entscheidenden Impulsgeber. Da sowohl Kraft als auch von Scheliha jeweils einen Überblick zum Forschungsstand besonders hinsichtlich der russlandbezogenen Aspekte bieten, soll hier, der Schwerpunkt auf den Vorarbeiten hinsichtlich der Bedeutung jener Beziehungen für die frühneuzeitliche griechische Welt liegen. Das Standardwerk bleibt weiterhin Nikolai F. Kapterevs Charakter der Beziehungen Russlands zum orthodoxen Osten im 16. und 17. Jahrhundert (1885/1914).54 Trotz der unüberhörbaren antigriechischen Vorurteile des Verfassers – mit denen er sich, obwohl sie mit den obigen antirussischen Vorurteilen seiner griechischen Kollegen in spiegelbildlicher Weise vergleichbar sind, seine wissenschaftliche Karriere im 50 Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert; vgl. die Rezensionen von E. Hösch in SOF 55 (1996), 362–364 und N. A. Chrissidis in Kritika 2 (2001), 427–433. 51 W. von Scheliha, Russland und die orthodoxe Universalkirche in der Patriarchatsperiode 1589–1721 [FOG 62], Wiesbaden 2004; vgl. die Rezension von G. B. Michels in Journal of Modern History 78 (2006), 1004f. 52 E. Hösch, »Byzanz und die Byzanzidee in der russischen Geschichte«, Saeculum 20 (1969), 6– 17. 53 I. Sˇevcˇenko, »Byzantium and the East Slavs after 1453«, in: ders., Ukraine between East and West. Essays on Cultural History to the Early Eighteenth Century, Edmonton–Toronto 1996, 92–111, hier 94 [Erstausgabe: HUS 2 (1978), 5–25]. 54 N. F. Kapterev, Charakter otnosˇenij Rossii k pravoslavnomu vostoku v XVI i XVII stoletijach, Sergiev Posad 1914, ND: The Hague–Paris 1968.
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spätzaristischen Russland verbaute –55 widmete er sich in erheblichem Umfang den griechischen Akteuren, ihren Aktivitäten, Aspirationen und Argumenten, wenn auch nur, sofern die russischen Übersetzungen ihrer Berichte im Archiv vorhanden waren. Kapterev steht stellvertretend für die intensive Beschäftigung der vorrevolutionären russischen Historiographie mit dem »orthodoxen Osten«.56 In der Sowjetunion hingegen ging das Interesse an der Thematik aus verschiedenen ideologischen wie kontingent-personellen Gründen zurück. Erst ab den 1970er Jahren legte Boris L. Fonkicˇ ein auf paläographischen Methoden basierendes, systematisches und umfangreiches Schrifttum vor, das praktisch für die Wiederaufnahme der einschlägigen Forschung in Russland sorgte. Neben den zahlreichen Arbeiten von Fonkicˇ selbst sind für die Fragestellung dieser Studie die zahlreichen Publikationen von Boris N. Florja sowie der jüngeren Nadezˇda P. ˇ esnokova57 und Djamilja N. Ramazanova von Bedeutung. Hervorgehoben solC len besonders die Arbeiten von Vera G. Tchentsova, die in einer fast unübersichtlichen Reihe von Einzeluntersuchungen, kommentierten Quelleneditionen sowie einer synthetischen Monographie58 nicht nur unbekanntes Material zutage förderte, sondern auch bislang unerkannte Verbindungen aufdeckte. Griechische Russlandspezialisten haben sich in den Jahrzehnten des Kalten Kriegs größtenteils auf die Auswertung der einschlägigen russischsprachigen Forschung beschränkt. Doch ausgehend von der Untersuchung griechischer Akteure und ihrer Profile und unter Nutzung von Archivmaterial in beiden Sprachen haben jüngere griechische Historikerinnen und Historiker inhaltlich und methodisch grundlegende Werke vorgelegt: Olga Alexandropoulou rekonstruierte am Beispiel des Dionysios Iviritis den Kontext der russisch-griechischen kulturellen Begegnung zum Zeitpunkt ihrer Hochphase.59 Nikolaos A. Chrissidis zeigte am Beispiel der Leichoudis-Brüder und ihrer Lehrtätigkeit in Moskau, dass die griechischen Gelehrten des 17. Jahrhunderts in Moskau entgegen weitverbreiteter Stereotypen nicht als Exponenten einer zeitlosen byzantinischen Tradition fungierten, sondern als Akteure eines Wissenstransfers von der barocken, 55 Vgl. Scheliha, Universalkirche, 12f.; Chrissidis, An Academy, 21. 56 Kapterevs Vorurteile sind keineswegs singulär. Vgl. etwa die Ansichten seiner Zeitgenossen Pavel F. Nikolaevskij, »Iz istorii snosˇenii Rossii s Vostokom v polovine XVII stoletija«, Christianskoe Cˇtenie 1882/1, 245–267, 732–775, hier: Sonderdruck mit eigener Paginierung; sowie Sergej A. Belokurov, Arsenij Suchanov, Moskau 1891–1894, 2 Bde. Zu den zeitgenössischen griechischen Reaktionen gegen Kapterevs Thesen vgl. Kitromilides, »From Orthodox Commonewealth«, 17, Anm. 38. ˇ esnokova, Christianskij Vostok i Rossija. Politicˇeskoe i kul’turnoe vzaimodejstvie v 57 N. P. C seredine XVII veka, Moskau 2011. 58 V. G. Tchentsova, Ikona Iverskoj Bogomateri. (Ocˇerki istorii otnosˇenij Grecˇeskoj Cerkvi s Rossiej v seredine XVII v. po dokumentam RGADA), Moskau 2010. 59 O. Alexandropoulou, Ο Διονύσιος Ιβηρίτης και το έργο του »Ιστορία της Ρωσίας« [Dionysios Iviritis und sein Werk »Geschichte Russlands«], Herakleion 1994.
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westeuropäischen (hier italienisch-jesuitischen) in die russische Wissenskultur. Somit stellte er ihre historische Kontextualisierung auf eine neue Basis.60 Iannis Carras hat in seiner Dissertation (2010)61 zum Verhältnis von Handel und Politik am Beispiel der griechischen Präsenz in Moskau und Nezˇin im 18. Jahrhundert (besonders in den Zeitabschnitten 1700–1715, 1760–1774)62 mikrohistorische Analysen mit einer historisch sensiblen Annäherung an die Lebenswelten und die Wahrnehmungen der Akteure verbunden. Das Phänomen, das im Mittelpunkt dieser Studie steht, die auf Russland projizierten Erwartungen in der griechischen Kulturwelt, hat Paschalis M. Kitromilides in seiner Harvard-Dissertation (1978), die 1996 auf Griechisch und 2013 auf Englisch publiziert wurde, als solches konzipiert und mit dem Begriff »Russian expectation« (ρωσική προσδοκία) definiert.63 Obwohl Kitromilides das Thema überblicksartig angeht und sich auf das 18. Jahrhundert beschränkt, sind die von ihm erkannten Konturen des Phänomens, die Interaktion apokalyptischen und frühaufklärerischen Gedankenguts, der europäische Hintergrund der Russlandfaszination der Griechen, die Rezeption neuartiger Modelle durch vertraute kulturelle Deutungsmuster, für diese Arbeit richtungsweisend gewesen.64 Die Fragestellung der Arbeit richtet sich auf bestimmte, längst, etwa von Edgar Hösch65 oder Boris L. Fonkicˇ66, formulierte Desiderata, wie die nähere Unter-
60 Chrissidis, Academy; ders., »A Jesuit Aristotle in Seventeenth-Century Russia: Cosmology and the Planetary System in the Slavo-Greco-Latin Academy«, in: M. Poe und J. Kotilaine (Hg.), Modernizing Muscovy: Reform and Social Change in Seventeenth-Century Russia, London 2004, 391–416. 61 I. Carras, Εμπόριο, Πολιτική και Αδελφότητα: Ρωμιοί στη Ρωσία 1700–1774 [Handel, Politik und Bruderschaft: Rhomäer in Russland 1700–1774], Diss. Univ. Athen 2010. 62 Obwohl dies an die gängige Periodisierung in der griechischen Historiographie anknüpft (Anfänge der russisch-griechischen Kontakte unter Peter I., Blüte unter Katharina II.), bestätigt es indirekt, durch die interne Fokussierung auf zwei Querschnitte, eher den Eindruck eines Bruchs dazwischen. 63 »The Russian expectation, which emerged out of these reorientations and became a dominant political force in Greek life throughout the eighteenth century, had already a distinguished history […]. The entire society looked in unanimity to Orthodox imperial Russia as the bastion of its hopes. These Russian prospects were soon very effectively interwoven with the rising tide of popular millenarianism. The Russian mirage was probably the only part of eighteenth-century European thought that was met with the receptivity of familiarity and intimacy in traditional Greek consciousness.«, P. M. Kitromilides, Enlightenment and Revolution. The Making of Modern Greece, Cambridge Mass. 2013, 121, 125. 64 Erwähnt seien jeweils für die frühere und die spätere Zeit auch die knappen, aber dichten Aufsätze von Chr. A. Maltezou, »Les Grecs devant Moscou – ville Impériale«, Studia slavicobyzantina et mediaevalia europensia, Bd. 1, Sofia 1988, 68–74, und J. Nicolopoulos, »From Agathangelos to Megale Idea: Russia and the Emergence of Modern Greek Nationalism«, BS 26 (1985), 41–56. 65 Vgl. Hösch, Rezension zu Kraft, 364; ders., »Die Nezˇiner Griechen«, 68.
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suchung der personellen Träger der Beziehungen und ihrer Netzwerke sowie auf die Genese und die Funktion der Vorstellungen vom Zaren als Schutzherrn der Ostkirche und Erlöser seiner Glaubensbrüder. Ihre Zielsetzung ist dreifach. Zunächst soll eine genealogische Untersuchung die Entstehung ebenjenes Topos von Russland als orthodoxe Führungsmacht ermitteln und durch die Rekonstruktion der einschlägigen Sachverhalte seine Etablierung in der Fremd- und Selbstwahrnehmung der russischen Monarchie sowie seine politische Wirkung eruieren. Dann ist eine möglichst umfassende historische Kontextualisierung des Phänomens zu leisten. Schließlich soll die Analyse der artikulierten Vorstellungen, der aktivierten Denkfiguren, Symbole und Legitimationsmuster ihren Wandel in der untersuchten Zeitspanne beleuchten und an konkrete Fallbeispiele festmachen. Es gilt, den postulierten Wandel in Interpretationskategorien zu fassen, die jenseits sowohl einer linearen Entwicklung als auch eines Szenarios des »Durchbruchs der Neuzeit« liegen. Das Instrumentarium dafür bieten die Methodik und die Leitgedanken des Sonderforschungsbereichs 980 an der Freien Universität Berlin. Demnach wird Wissenstransfer in der Vormoderne im Grunde als Neukontextualisierung von auf der räumlichen oder der zeitlichen Achse (bzw. auch in immanenten Prozessen) in Bewegung gesetzten Wissensbeständen verstanden. Auch oder gerade dort, wo Stabilität und Traditionstreue behauptet werden, soll den Spuren von langfristigen, subkutanen, selten manifesten Veränderungen nachgespürt werden. Nicht zuletzt sind es solche Traditionssuggestionen und Stabilisierungsbemühungen, die Wissenswandel hervorbringen.67 Aussagekräftig sollten die Ergebnisse der Studie sowohl für die neugriechische als auch für die russische und die gesamteuropäische Kulturgeschichte sein, gebündelt um die Frage nach der Legitimation der aufstrebenden russischen Monarchie innerhalb der post-westfälischen europäischen Staatenwelt. Die Quellenbasis der Arbeit bilden in erster Linie die Bestände der »griechischen Sammlung« des Russischen Staatsarchivs der Alten Akten in Moskau (RGADA), welche Korrespondenz sowie Akten, Protokolle und Urkunden zum gesamten 17. Jahrhundert bis 1722 enthalten. Insbesondere das 2. Findbuch (opis’), in dem die griechischen Originale katalogisiert sind, wurde für diese Arbeit in erheblichem Maße ausgewertet.68 Die Typologie der hauptsächlich an 66 Vgl. B. L. Fonkicˇ, »Russia and the Christian East from the 16th to the first Quarter of the 18th century«, MGSY 7 (1991), 439–461, hier 449. 67 Vgl. A. J. Johnston, G. Uhlmann, »Zum Geleit«, in: E. Cancik-Kirschbaum, A. Traninger (Hg.), Wissen in Bewegung. Institution – Iteration – Transfer, Wiesbaden 2015 [Episteme in Bewegung; 1], v–vi; E. Cancik-Kirschbaum, A. Traninger, »Institution – Iteration – Transfer. Zur Einführung«, in: ebenda, 1–13; vgl. Raphael, »Jenseits von Strukturwandel«. 68 Zur Archiveinheit vgl. Fonkicˇ, »Russia and the Christian East«; V. G. Tchentsova, »Les fonds des documents, grecs (f. 52. ›Relations de la Russie avec la Grèce‹) de la Collection des
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den Zaren adressierten Briefe umfasst neben Bittschriften und echten oder fingierten Empfehlungsschreiben, auch politische Berichte, Denkschriften und Appelle.69 Ihre Absender sind Patriarchen, Metropoliten und Bischöfe, aber auch einfache Mönche und Kaufleute, die oft ihre Dienste als Agenten dem russischen Hof anbieten. Der Großteil der Schreiben ist in Konstantinopel und in den Donaufürstentümern gefertigt worden, praktisch aber ist das gesamte osmanische Territorium vertreten. Die Editionsgeschichte der Sammlungen reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück.70 Während die Bände von A. N. Murav’ev sich bis zum Jahr 1645 erstrecken,71 sind in den Arbeiten von Kapterev zahlreiche russischsprachige Dokumente aus der gesamten Zeitspanne bis zum Tod Peters I. publiziert.72 Abgesehen von einzelnen Ausnahmen73 begann die Edition von griechischen Originalen aus dem Moskauer Staatsarchiv durch B. L. Fonkicˇ, der außerdem einschlägige Ausstellungskataloge mit Faksimilen und Exzerpten zu den Dokumenten sowie das erste Findbuch der griechischen Sammlung samt begleitenden Texten und Registern herausgab.74 In den Arbeiten von V. G. Tchentsova ist eine große Anzahl von griechischen und russischen Dokumenten ediert worden, während
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Archives Nationales des Actes Anciens de la Russie et leur valeur pour l’histoire de l’Empire ˇ esnokova, Christianskij Vostok i Rossija, 11–24; O. Ottomane«, Turcica 30 (1998), 383–396; C Alexandropoulou, »Η ελληνική μονή του Αγίου Νικολάου στη Μόσχα. Στοιχεία από την ιστορία των ελληνορωσικών σχέσεων στο δεύτερο μισό του 17ου αιώνα« [Das griechische Kloster des Hl. Nikolaus in Moskau. Aus der Geschichte der griechisch-russischen Beziehungen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts], Μεσαιωνικά και Νέα Ελληνικά 6 (2000) 111–154, hier 115–121; dies., »Ζητήματα διερεύνησης και έκδοσης αρχειακού υλικού (RGADA Μόσχας, ενότητα 52) και η χρησιμότητα των επιτομών« [Probleme der Erforschung und Edition von Archivmaterial (RGADA Moskau, fond 52) und die Nützlichkeit der Regesten], in: Σεμινάριο εργασίας 2: Μεθοδολογία έκδοσης, κατάσταση και προοπτικές της έρευνας των μεταβυζαντινών αρχείων. Η ανάγκη και η τεχνική των επιτομών [Arbeitsseminar 2: Editionsmethodik, Stand und Perspektiven der Forschung zu den postbyzantinischen Archiven. Die Notwendigkeit und die Technik der Regesten], Venedig 2003, 73–93; B. L. Fonkicˇ, »Ο ρόλος των περιλήψεων (Regestes) στα πλαίσια της καταλογογράφησης των ελληνικών εγγράφων των συλλογών της Μόσχας« [Die Rolle der Regesten im Kontext der Katalogisierung der griechischen Dokumente der Moskauer Sammlungen], in: ebenda, 95–103. V. G. Tchentsova, »The correspondence of Greek church leaders with Russia«, CMR, Bd. 10, hg. von D. Thomas, J. Chestworth, Leiden u. a. 2017, 485–491. Sobranie Gosudarstvennych Gramot i Dogovorov (SGGD), 4 Bde, Moskau 1813–28. A. N. Murav’ev’, Snosˇenija Rossii s Vostokom po delam cerkovnym, 2 Bde, St. Petersburg 1858– 60. Kapterev, Charakter, Appendix; ders., Snosˇenija ierusalimskogo patriarcha Dosifeja s russkim pravitel’ stvom (1669–1707 g.), Moskau 1891, Appendix. W. Regel, Analecta Byzantino-Russica, St. Petersburg 1891. B. L. Fonkicˇ, Graeco-Russian Contacts from the Middle of the XVI. Century up to the Beginning of the XVIII. Century. The Greek Documents in Moscow Archives, Moskau 1991; ders. Greek documents and manuscripts, icons and applied art objects from Moscow depositories, Moskau 1995; N. N. Bantysˇ-Kamenskij, Reestry grecˇeskim delam Moskovskogo archiva Kollegii inostrannych del (RGADA Fond 52, Opis’.1), hg. von B. L. Fonkicˇ, Moskau 2001.
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Dimitris A. Jalamas die Edition der Korrespondenz des Patriarchen Dositheos von Jerusalem mit dem Zarenhof unter Peter I. in Angriff genommen hat.75 Über die Moskauer Archivbestände hinaus stützt sich die Arbeit auf gedruckte und handschriftlich überlieferte Texte verschiedener Gattungen, die im Zusammenhang der Fragestellung herangezogen werden. Panegyrik und Apokalyptik sind die am stärksten vertretenen Gattungen aber auch historiographische Texte, wie Kirchengeschichten oder die griechischen Biographien Peters, Reise- und Gesandtenberichte oder konfessionelle Polemik wurden unter anderem ausgewertet. Der erste Teil der Arbeit, unter der Überschrift »Grundlagen« mag etwas weitschweifig anmuten. Da sich aber das Buch an unterschiedliche, sich nur teils überschneidende, Fachpublika wendet, ist eine gründliche Einführung in für die weitere Darstellung grundlegende Sachverhalte geboten. Dieser erste Teil setzt sich zum einen mit der orthodoxen Kirche unter osmanischer Herrschaft und ihren Loyalitätsdilemmata auseinander. Zum anderen gibt er einen Überblick über den Verlauf der Kontakte zwischen Konstantinopel und Moskau vom Ende des Byzantinischen Reiches bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts. Dazu gehört ein Exkurs zur Vorstellung vom »Dritten Rom« und zur historiographischen Revision von älteren, doch immer noch einflussreichen Deutungen. Im zweiten Teil folgt eine auf dem Quellenmaterial beruhende, im Grunde ereignisgeschichtliche Darstellung der russisch-griechischen Kontakte, derer Trägergruppen, der involvierten Akteure und Netzwerke, der Kommunikationswege und der wechselnden Kontexte im Zeitraum vom Herrschaftsantritt des Zaren Aleksej Michajlovicˇ (1645) bis zum Tod Peters des Großen (1725). Besonderes Augenmerk wird dabei auf die politischen Aktivitäten griechischer Kirchenmänner gelegt, auf ihre an die Zaren adressierten Projekte und Memoranda, auf ihren Beitrag zur Herrschaftslegitimation und ideologischen Begründung der russischen Monarchie sowie auf die ersten russisch-osmanischen Kriege und ihre vielfachen Auswirkungen auf die griechische Kulturwelt. In diesem Zusammenhang wird auch die naheliegende Frage nach der Wirkung der an die Zaren herangetragenen Ideologeme auf die Gestaltung ihrer Orientpolitik erörtert. 75 D. A. Jalamas, »Gramota Ierusalimskogo patriarcha Dosifeja ob izdanii grecˇeskich knig v Moskve«, in: Slavjane i ich sosedy, Bd. 6, Moskau 1996, 228–239; ders., »Ierusalimskij patriarch Dosifej i Rossija. 1700–1706 gg. Po materialam Rossijskogo Gosudarstvennogo Archiva ˇ ast’ 2 (1701 g.)«, Rossija i Christianskij Vostok 2–3 (2004), 472–492; ders., Drevnich Aktov. C »Ierusalimskij patriarch Dosifej i Rossija. 1700–1706 gg. Po materialam Rossijskogo Gosuˇ ast’1 (1700 g.)«, Rossija i Christianskij Vostok 4–5 darstvennogo Archiva Drevnich Aktov. C (2014), 593–647; ders., »Ierusalimskij patriarch Dosifej i Rossija 1700–1706 gg. Po materialam ˇ ast’ 3 (1702 g.)«, Montfaucon 4 Rossijskogo Gosudarstvennogo Archiva Drevnich Aktov C (2017), 367–387.
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Der dritte Teil der Arbeit ist der titelgebenden Vorstellungwelt gewidmet: Abschnitte zur Stilisierung der Zaren als Schutzherren der Ostkirche und der orthodoxen Glaubensgemeinschaft in den Begriffen der byzantinischen politischen Theologie, zur Vorstellung einer heilsgeschichtlich untermauerten translatio imperii von Konstantinopel auf Moskau, zur apokalyptischen Figur des »blonden Volkes« als Chiffre für die Moskauer Glaubensbrüder sowie zur Deutung, Vermittlung und Rezeption des unter Peter dem Großen »veränderten Russlands« in zeitgenössischen griechischen Texten sollen das Spektrum der Vorstellungen über Russland abdecken sowie deren Wandel nachspüren. Im Anhang werden einzelne Dokumente aus dem Russischen Staatsarchiv der Alten Akten (RGADA) im griechischen Original ediert. Der Sinn dieser Edition ist weder eine bloße Illustration der Untersuchung, noch viel weniger ein für sich stehender Nachweis für deren Argumentation. Wenn diese Studie etwas mit Nachdruck demonstrieren möchte, so ist es, dass die Texte in ihren multiplen historischen Kontexten zu lesen und zu deuten sind. Abgesehen von der Absicht die Fußnoten von langen Quellenzitaten zu entlasten, soll der Anhang den Zugang zu ausgewählten, in verschiedener Hinsicht aussagekräftigen Texten als Ganzes ermöglichen. Daher werden die zur Verfügung gestellten Texte gemäß dem philologischen Editionsprinzip in ihrer orthographischen Eigenform, im Mehrakzentsystem (polytonisch) mit den üblichen, minimalen Eingriffen (Interpunktion, Kapitalbuchstaben) ediert, während griechische Quellenzitate im Haupttext und in den Fußnoten, abgesehen von wenigen Ausnahmen bei biblischen oder byzantinischen Texten, im Einakzentsystem (monotonisch) übertragen werden. Quellenzitate im Original, unabhängig von der Sprache, werden kursiv wiedergegeben, während Übertragungen ins Deutsche – die, wenn nicht anders vermerkt von mir stammen – in regulärer Schrift stehen. Dasselbe gilt für Zitate aus der Sekundärliteratur. Eine Anmerkung schließlich zur Transliteration: Russische Eigennamen, Begriffe und Quellenzitate werden nach dem in der deutschsprachigen Osteuropaforschung üblichen Transliterationsmodell (DIN) ins lateinische Alphabet übertragen. Griechische Eigennamen, auch Autorennamen in der Sekundärliteratur, werden nach dem Transliterationsmodell ISO 843 transliteriert. Griechische Quellenzitate und Literaturtitel werden dagegen im griechischen Alphabet belassen. Bei Autorinnen und Autoren, deren Namen, insbesondere auch der Anfangsbuchstabe, je nach Publikationssprache stark variieren, wird die von ihnen verwendete Schreibweise im lateinischen Alphabet ˇ encova, Carras statt Karras, durchgehend übernommen (z. B. Tchentsova statt C Hassiotis statt Chasiotis). Alle Zeitangaben folgen, wenn nicht anders vermerkt, dem Julianischen Kalender (alter Stil), der im 17. Jahrhundert zehn, im 18. elf Tage vom Gregorianischen abweicht.
I. Grundlagen
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Die orthodoxe Kirche im Osmanischen Reich
Das Fortleben unter einer nichtchristlichen, islamischen Souveränität nach der osmanischen Eroberung Konstantinopels 1453 bedeutete an sich für die orthodoxe Kirche keinen genuin neuen Zustand. Bereits im 7. Jahrhundert waren im Zuge der arabischen Expansion die drei östlichen Patriarchate Alexandria, Antiochia und Jerusalem unter die Herrschaft der Kalifen geraten. Dem Muster des damals geschaffenen modus vivendi zwischen der islamischen Herrschaft und der christlichen Hierarchie folgten später die Sultanate der Seldschuken in Kleinasien und der Mamluken in Ägypten und Syrien.1 Die Osmanen selbst hatten während ihrer vorangegangenen Eroberungen auf dem Balkan Bischöfe und Mönchsgemeinschaften, etwa jene der Athosklöster, unter ihre Schutzherrschaft genommen.2 Neu war jetzt indessen die Ablösung des oströmischen Kaisers durch den osmanischen Sultan und die Tatsache, dass Letzterer, Mehmed II., das seit 1451 vakante Ökumenische Patriarchat durch die Investitur des Gennadios Scholarios im Januar 1454 quasi »aus dem Nichts«3 wiedererrichtete und in die osmanischen Verwaltungsstrukturen integrierte. Die politische Motivation dieser Entscheidungen hing in der einen oder anderen Weise mit der Konsolidierung und Legitimation der osmanischen Herrschaft gegenüber der christlichen Bevölkerung zusammen.4 Die herkömmliche Auffassung vom Umgang der osmanischen Ver1 Vgl. Sp. Vryonis Jr., The Decline of Medieval Hellenism in Asia Minor and the Process of Islamization from the eleventh through the fifteenth centuries, Berkeley u. a. 1971, 194–244, 288–350; C. A. Panchenko, Arab Orthodox Christians under the Ottomans: 1516–1831, übers. von B. Pfeiffer Noble und S. Noble, New York 2016, 1–69. 2 Vgl. K.-P. Matschke, »Der Übergang vom byzantinischen Jahrtausend zur Turkokratie und die Entwicklung der südosteuropäischen Region«, JGKS 1 (1999), 11–38, hier 29–31; E. A. Zachariadou, »Mount Athos and the Ottomans c. 1350–1550«, in: The Cambridge History of Christianity, Bd. 5: Eastern Christianity, hg. von M. Angold, Cambridge 2006, 154–168. 3 Nach dem Ausdruck von Gennadios selbst: »εκ του μη όντος«, Œuvres complètes de Gennade Scholarios, hg. von L. Petit, X. A. Siderides, M. Jugie, Bd. 1, Paris 1928, 292. 4 Vgl. G. Hering, »Das islamische Recht und die Investitur des Gennadios Scholarios (1454)«, BS 2 (1961), 231–256; H. Inalcik, »The Status of the Greek Orthodox Patriarch under the Ott-
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Die orthodoxe Kirche im Osmanischen Reich
waltung mit den Religionsgemeinschaften ihrer nichtmuslimischen Untertanen, als »Millet-System« in die Historiographie eingegangen, wird jedoch seit Langem in Zweifel gezogen.5 Obwohl die einschlägige Debatte nicht als abgeschlossen gelten kann, dürfte inzwischen feststehen, dass zumindest im Kontext des islamischen Rechts bis zu den Tanzimat-Reformen des 19. Jahrhunderts der Sultan nicht die Kirche als Institution betrachtete, sondern die Patriarchen und Metropoliten als ihm gegenüber persönlich verantwortliche Amtsträger. Noch wichtiger ist die Erkenntnis, dass es sich dabei nicht um eine starre, vom 15. bis zum 19. Jahrhundert unveränderte Struktur handelt.6 So konnte etwa nachgewiesen werden, dass der Patriarch von Konstantinopel schrittweise erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von der osmanischen Zentrale als Haupt einer einheitlichen Religionsgemeinschaft der orthodoxen Christen anerkannt wurde.7 Es ist freilich zu bemerken, dass diese vornehmlich von den osmanischen Ernennungsurkunden (Berât) abzulesenden Sichtweisen nicht unbedingt mit dem Selbstverständnis der Kirche übereinstimmten.8 Das soll nicht heißen, dass
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omans«, Turcica 21–23 (1991), 407–436. Zur Politik Mehmeds gegenüber der Kirche und den Christen, deren Zusammenhang mit seiner Übernahme oströmischer kaiserlicher Traditionen unter dem Einfluss christlicher Konvertiten aus seinem Umfeld sowie zur Reaktion der alteingesessenen osmanischen Elite vgl. T. Krstic´, Contested Conversions to Islam. Narratives of Religious Change in the Early Modern Ottoman Empire, Stanford 2011, 62f.; Greene, Edinburgh History, 22f., 29–42. Vgl. B. Braude, »Foundation Myths of the Millet System«, in: B. Braude, B. Lewis (Hg.). Christians and Jews in the Ottoman Empire. The Functioning of a Plural Society, Bd. 1, New York u. a. 1982, 69–88; T. Papademetriou, Render unto the Sultan. Power, Authority, and the Greek Orthodox Church in the Early Ottoman Centuries, Oxford 2015, 19–62; K. Barkey, Empire of Difference. The Ottomans in Comparative Perspective, Cambridge 2008, besonders 115f., 130–137. Vgl. M. Ursinus, »Zur Diskussion um ›millet‹ im Osmanischen Reich«, SOF 48 (1989), 195–207; vgl. die Lexikonartikel desselben Autors zum Begriff ›millet‹ in EI2, Bd. 8, Leiden u. a. 1993, 61– 64, sowie im Lexikon zur Geschichte Südosteuropas, hg. von E. Hösch, K. Nehring, H. Sundhausen, Wien u. a. 2004, 442–444; S. Faroqhi, »The Ottoman Ruling Group and the Religions of its Subjects in the Early Modern Age: a Survey of Current Research«, JEMH 14 (2010), 239–266; E. Gara, »Conceptualizing Interreligious Relations in the Ottoman Empire: the Early Modern Centuries«, Acta Poloniae Historica 116 (2017), 57–91, hier 66–72. Vgl. P. Konortas, »From Tâife to Millet: Ottoman Terms for the Ottoman Greek Orthodox Community«, in: D. Gonticas, Ch. Issawi (Hg.), Ottoman Greeks in the Age of Nationalism. Politics, Economy and Society in the Nineteenth Century, New Jersey 1999, 169–179; ders., Οθωμανικές θεωρήσεις για το Οικουμενικό Πατριαρχείο. Βεράτια για τους προκαθήμενους της Μεγάλης Εκκλησίας (17ος–αρχές 20ου αιώνα) [Osmanische Betrachtungen des Ökumenischen Patriarchats. Berât-Urkunden für die Patriarchen der Großen Kirche (17.–Anfang des 20. Jahrhunderts)], Athen 1998, 295–361; S. Petmézas, »L’organisation ecclésiastique sous les Ottomans«, in: P. Odorico (Hg.), Conseils et Mémoires de Synadinos, prêtre de Serrès en Macédonie (XVIIe siècle), Paris 1996, 487–569, hier 487–492. Auch in seinen Außenbeziehungen mit der westlichen Christenheit und nicht zuletzt mit Moskau wurde dem Patriarchen oft die sogenannte Ethnarchen-Rolle zugeschrieben. Siehe etwa die Bezeichnung »Patriarca di Constantinopoli, Capo di tutta la natione Greca« im
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der neue Rahmen keine Rückwirkungen auf die Funktion der Kirche hatte. Der flexible Umgang mit der kirchlichen Tradition und die Rechtfertigung der unumgänglichen Veränderungen und Anpassungen unter Berufung auf das Prinzip der flexiblen Nachsicht, der Oikonomia, sollten aber zumindest den Anschein vermitteln, dass die alte Ordnung weiterhin existierte.9 Kontinuitätsbehauptung und Stabilitätssuggestion sind wesentliche Merkmale von Institutionen. Obwohl sie darauf zielen, Wandel zu verbergen, sind es gerade Stabilisierungsmassnahmen, die diesen mitbewirken.10 Die Einbindung der kirchlichen Hierarchie in den staatlichen Verwaltungsapparat vollzog sich in erster Linie über ihre fiskalischen Verpflichtungen.11 Die hierfür sowie für weitere Abgaben aufzubringenden Geldsummen wurden vom Patriarchen über die Metropoliten auf das Kirchenvolk in Form von Kirchensteuern umverteilt. Die Zahlung der Kirchensteuer war ein wirksamer Ausdruck der Macht der Kirchenhierarchie über die Gläubigen sowie des Patriarchen über die Metropoliten.12 Konnte jedoch der Patriarch nicht fristgerecht die versprochene Summe aufbringen, so wurde er in der Regel abgesetzt. Aus der Not halfen ihm meistens nur Darlehen von wohlhabenden Laien, den sogenannten Archonten (άρχοντες του γένους). Auf ihr Kapital waren jedoch auch Anwärter auf das Patriarchenamt angewiesen, die als dem Sultan meistbietende Konkurrenten den amtierenden Patriarchen ablösen konnten. Die immer wieder beklagten, häufigen Thronwechsel besonders während des 17. Jahrhunderts sind daher kaum überraschend, sie entsprachen ohnehin dem bewährten ›Rotationsprinzip‹
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Schreiben von Grigorios Malaxos an den venezianischen Rat der Zehn 1570: V. Lamansky, Secrets d’État de Venise. Documents extraits notices et études, St. Petersburg 1884, 088. Vgl. M. H. Blanchet, Georges-Gennadios Scholarios (vers 1400–vers 1472). Un intellectuell orthodoxe face à la disparition de l’empire byzantin, Paris 2008, 149–154, 163–168; Petmézas, »L’organisation ecclésiastique«, 538–540; M. Maropoulou, »L’économie: moyen de transgression ou d’adaptation sociale ? Le témoignage de Gennadios Scholarios«, in: Économies méditerranéennes. Équilibres et intercommunications, XIIIe–XIXe siècles, Bd. 3, Athen 1986, 257–268; G. Tzedopoulos, Ορθόδοξοι νεομάρτυρες στην Οθωμανική Αυτοκρατορία [Orthodoxe Neomärtyrer im Osmanischen Reich], Diss. Univ. Athen 2012, 101–111. Zur theologischen Bedeutung des Oikonomia-Begriffes vgl. J. Meyendorff, Byzantine Theology. Historical Trends and Doctrinal Themes, New York 19832, 88–90; G. Richter, Oikonomia. Der Gebrauch des Wortes Oikonomia im Neuen Testament, bei den Kirchenvätern und in der theologischen Literatur bis ins 20. Jahrhundert, Berlin u. a. 2005. Cancik-Kirschbaum, Traninger, »Institution«, 2–4. Vgl. Konortas, Οθωμανικές θεωρήσεις, 165–208, 345–350. Vgl. Chrissidis, »The World of Eastern Orthodoxy«, 644; E. A. Zachariadou, »The Great Church in Captivity 1453–1586«, in: The Cambridge History of Christianity, Bd. 5: Eastern Christianity, hg. von M. Angold, Cambridge 2006, 169–186, hier 179; Konortas, Οθωμανικές θεωρήσεις, 457, Anm. 139; ders., »Relations financières entre le patriarcat orthodoxe de Constantinople et la Sublime Porte (1453– fin du XVIe siècle)«, in: Le Patriarcat Œcuménique de Constantinople aux XIVe – XVIe siècles: Rupture et Continuité [Dossiers Byzantins 7], Paris 2007, 299–318.
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in der osmanischen Verwaltung.13 Außerdem gehörten Kirchenmänner und Archonten gemeinsamen Netzwerken und Interessengruppen an, die wiederum häufig von bestimmten osmanischen Würdenträgern protegiert wurden. Und bevor man Ämterkäuflichkeit und Nepotismus in orientalistischer Weise mit osmanischer Korruption wegerklärt, sollte man bedenken, dass sie in derselben Zeit Grundmerkmale der päpstlichen Kirchenverwaltung waren.14 Den Patriarchen lediglich als Steuereintreiber anzusehen, hieße jedoch, die Sicht der osmanischen Bürokratie zu verabsolutieren und die historische Erkenntnis zu verengen.15 Die vielfältige Verflechtung der Kirche mit dem osmanischen Staat, aber auch der orthodoxen Oberschicht erklärt sich aus ihren in der neuen Lage über den geistlichen Bereich hinausgewachsenen Kompetenzen. Als Institution von zentraler Bedeutung in rechtlicher, wirtschaftlicher, sozialer und besonders symbolischer Hinsicht bot sie nicht nur den Kirchenmännern Karrieremöglichkeiten, sondern auch jener Oberschicht einen Spielraum für ihre Ambitionen und Interessen. Einflussreiche, mit der osmanischen Obrigkeit vertraute Archonten waren schon an der Ernennung von Gennadios Scholarios sowie an der Einbettung der Kirche in die fiskalischen Reichsmechanismen beteiligt.16 Ihre Nachfolger, oft Lieferanten des Sultanshofes oder selber Steuerpächter, sahen in der Einflussnahme auf die Kirche die Möglichkeit, ihr Ansehen und ihren Führungsanspruch gegenüber den Glaubensgenossen durchzusetzen. Sichtbar wurde dieser Einfluss in der Praxis, solche Archonten mit ursprünglich Klerikern vorbehaltenen Würden der Patriarchatsverwaltung zu bekleiden (οφφικιάλιοι άρχοντες).17 Diese Würdenträger wurden, genauso wie niedere Be13 Vgl. P. Stathi, »Αλλαξοπατριαρχείες στον θρόνο της Κωνσταντινούπολης (17ος–18ος αι.)« [Patriarchenwechsel auf dem Thron Konstantinopels (17.–18. Jahrhundert)], Μεσαιωνικά και Νέα Ελληνικά 7 (2004), 37–65; R. G. Pa˘un, »Well-born of the Polis. The Ottoman Conquest and the Reconstruction of the Greek Orthodox Elites under Ottoman Rule (15th–17th Centuries)«, in: R. Born, S. Jagodzinski (Hg.), Türkenkriege und Adelskultur in Ostmitteleuropa vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, Ostfildern 2014, 59–85. Zum ›Rotationsprinzip‹ vgl. K. Barkey, »In Different Times: Scheduling and Social Control in the Ottoman Empire, 1550 to 1650«, CSSH 38 (1996), 460–483. 14 Vgl. W. Reinhard, »Nepotismus. Der Funktionswandel einer papstgeschichtlichen Konstante«, Zeitschrift für Kirchengeschichte 86 (1975), 145–185; ders., Glaube und Macht, das Kapitel »Wie man Papst wird«, 36–65. 15 So etwa bei Papademetriou, Render unto the Sultan, insbesondere Kapitel 3: »The All-Holy Tax Farmer«, 107–138. Vgl. hingegen Greene, Edinburgh History, 33. 16 Vgl. D. G. Apostolopoulos, »Les mécanismes d’une Conquête : adaptations politiques et statut économique des conquis dans le cadre de l’Empire Ottoman«, in: Économies méditerrannéennes. Équilibres et intercommunications, XIIIe–XIXe siècles, Bd. 3, Athen 1986, 191– 204; E. A. Zachariadou, »Les notables laïques et le Patriarcat œcuménique après la chute de Constantinople«, Turcica 30 (1998), 119–134; Blanchet, Georges-Gennadios Scholarios, 74–78 ; Papademetriou, Render unto the Sultan, 179–213. 17 Vgl. Th. H. Papadopoullos, Studies and documents relating to the History of the Greek Church and People under Turkish Domination, Brüssel 1952, 60–85.
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amte, in den Alltagsgeschäften der Kirche immer notwendiger, nicht zuletzt bei der Ausübung ihrer breiten zivilrechtlichen Kompetenzen. Mittels Androhung oder gar Vollstreckung der Exkommunikation wurde hier ein relativ autarkes strafrechtliches System entwickelt.18 Das symbolische Kapital, das die Kirche als einzig erhaltene byzantinische Institution besaß, war nicht allein für den Sultan oder die Konstantinopler Archonten von Bedeutung. Die Verflechtung der kirchlichen Hierarchie mit den orthodoxen Fürstendynastien der autonomen, dem Sultan tributpflichtigen Donaufürstentümer Walachei und Moldau gründete sich auf diesem Fundament. Ähnlich wie den Archonten konnte die Kirche den Fürsten als Gegenleistung für deren finanzielle Unterstützung und Stiftungstätigkeit ihr symbolisches Legitimationspotential bieten. Dasselbe Verhältnis, die Vermittlung bzw. Sanktionierung der transzendenten Legitimation in den Begriffen der orthodoxen, byzantinischen Herrschaftstradition, bestimmte im 17. Jahrhundert die Beziehungen der Ostkirche mit den georgischen Königen, den ukrainischen Kosakenhetmanen und besonders mit den Moskauer Zaren. Dass sich besonders die Ökumenischen Patriarchen Konstantinopels teilweise selbst das symbolische Erbe der oströmischen Kaiser innerhalb der orthodoxen Kirche aneigneten, stellte dazu keinen Widerspruch dar; eher begünstigte es ihren Anspruch, die Quelle der Legitimation, das Gottesgnadentum, zu definieren und zu verwalten. Eine gewisse Stärkung des Patriarchen von Konstantinopel auf Kosten der Patriarchatssynode und der Metropoliten erfolgte im Zusammenhang mit der osmanischen Währungskrise ab 1584/85. Die angesichts der zwingenden Finanznot der Kirche – 1587 wurde die Pammakaristos-Kirche, Sitz des Patriarchats, wegen dessen Schulden beschlagnahmt und in eine Moschee (Fethiye Cami) umgewandelt – vom Patriarchen übernommenen Sonderrechte beschleunigten einen – von der osmanischen Obrigkeit ohnehin begünstigten – Zentralisierungsprozess. Der Patriarch konnte sich sogar an die staatlichen Organe wenden, um Kleriker und Laien zur Zahlung ihrer Abgaben zu zwingen.19
18 Vgl P. D. Michailaris, Αφορισμός. Η προσαρμογή μιας ποινής στις αναγκαιότητες της Τουρκοκρατίας [Exkommunikation. Die Anpassung einer Strafe an die Bedürfnisse der Türkenherrschaft], Athen 20042; Petmézas, »L’organisation ecclésiastique«, 503–506, 546f. Den Christen stand jedoch für ihre zivilrechtlichen Angelegenheiten mit dem Kadigericht eine zweite, gar nicht selten bevorzugte Option zur Verfügung, vgl. E. Kermeli, »The right to choice: Ottoman, ecclesiastical and communal justice in Ottoman Greece«, in: Chr. Woodhead (Hg.), The Ottoman World, London u. a. 2014, 347–361. 19 Vgl. P. Konortas, »Η οθωμανική κρίση του τέλους του 16ου αιώνα και το Οικουμενικό Πατριαρχείο« [Die osmanische Krise am Ende des 16. Jahrhunderts und das Ökumenische Patriarchat], Τα Ιστορικά 2 (1985), 45–76; Ph. P. Kotzageorgis, »About the Fiscal Status of the Greek Orthodox Church in the 17th Century«, Turcica 40 (2008), 67–80; vgl. Greene, Edinburgh History, 65f.
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Auch gegenüber den 1516/17 unter osmanischer Herrschaft dazugekommenen Amtsbrüdern von Alexandria, Antiochia und Jerusalem genoss nun der Konstantinopler Patriarch eine Vorrangsstellung, auch wenn diese in der Forschungsliteratur oft überspitzt dargestellt worden ist.20 Die Machtverhältnisse hingen gewiss mitunter von den amtierenden Personen ab. Manch ein Kirchenpolitiker vom Schlag eines Meletios Pigas, Patriarch von Alexandria (1590– 1601), konnte eine führende Rolle innerhalb der gesamten Ostkirche spielen. Im 17. Jahrhundert waren es die Patriarchen von Jerusalem, die einen Macht- und Einflusszuwachs erfuhren, der nicht zuletzt auf die wachsende symbolische (und finanzielle) Bedeutung der Heiligen Stätten bzw. deren Rolle als Pilgerstätten zurückging.21 Eine unterschwellige Konkurrenz zu den Patriarchen von Konstantinopel war dabei nicht ausgeschlossen. Die Patriarchen von Jerusalem Dositheos (1669–1707) und Chrysanthos (1707–1731) besaßen sogar eine ihren Konstantinopler Amtsbrüdern deutlich überlegene Bedeutung, reisten aber während ihrer Amtszeiten bezeichnenderweise nur selten nach Palästina. Die längeren, von den beim ökumenischen Thron ständigen Patriarchenwechseln ungestörten Amtszeiten der übrigen Patriarchen gewährten ihnen ohnehin eine solidere Basis für längerfristige Kirchenpolitik. Auch die Bildung von familiären Netzwerken und die Nachfolge auf dem Patriarchenthron zwischen Onkel und Neffe – ein übliches Muster in der kirchlichen Hierarchie – waren dort eher möglich. Die von der osmanischen Zentrale gebilligte De-facto-Oberhoheit des Patriarchen von Konstantinopel prägte sich erst im 18. Jahrhundert deutlicher aus,22 obwohl diese – mangels einer systematischen orthodoxen Ekklesiologie –
20 Vgl. Panchenko, Arab Orthodox Christians; H. Çolak, The Orthodox Church in the Early Modern Middle East: Relations between the Ottoman Central Administration and the Patriarchates of Antioch, Jerusalem and Alexandria, Ankara 2015; Konortas, Οθωμανικές θεωρήσεις, 225–227. Sowohl die Abhängigkeit der drei übrigen Patriarchen von ihrem Konstantinopler Amtsbruder als auch die Gewohnheit, in Konstantinopel zu verweilen, gehen teilweise auf die spätbyzantinische Zeit zurück, H.-G. Beck, Geschichte der orthodoxen Kirche im byzantinischen Reich [Die Kirche in ihrer Geschichte D1], Göttingen 1980, 238–239. Zu Konstantinopel als dem in der osmanischen Periode nach wie vor politischen, kirchlichen und wirtschaftlichen Zentrum der griechischen Kulturwelt vgl. A. Angelou, »Η Κωνσταντινούπολη εκ των κάτω και εκ των έσω« [Konstantinopel von unten und von innen], Σύγχρονα Θέματα 78–79 (Juli–Dezember 2001), 52–87; E. Drakopoulou, »Représentations de Constantinople après la chute : Prolongements idéologiques«, The Historical Review / La Revue Historique 1 (2004), 89–112; R. Pa˘un, »Well-born of the Polis«, 69f.; Greene, Edinburgh History, 101. 21 Vgl. Chrissidis, »The World«, 629. 22 Greene, Edinburgh History, 175–183; Çolak, The Orthodox Church, 129–144; E. B. Tellan, The Patriarch and the Sultan: The Struggle for Authority and the Quest for Order in the EighteenthCentury Ottomam Empire, Diss. Univ. Ankara 2011, 123–169.
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nicht institutionalisiert wurde.23 Auf das Patriarchat von Antiochia (seit den Kreuzzügen in Damaskus residierend) war der Einfluss Konstantinopels bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts vergleichsweise geringer, wohl auch aufgrund seines dominanten arabischen Charakters. Ihrerseits hielten sich die dortigen, meist arabischstämmigen Patriarchen in der Regel von der zentralen Kirchenpolitik fern.24 Dagegen bekleideten in der osmanischen Periode die Patriarchenämter von Alexandria (Sitz in Kairo) und Jerusalem griechische Patriarchen, jeweils aus Kreta und der Peloponnes, obwohl die Mehrheit ihres zahlenmäßig geringen Kirchenvolks, wie in Antiochia, aus arabischen Christen bestand.25 Griechisch dominiert war ebenfalls die Hierarchie im autokephalen Erzbistum Ochrid, im Gegensatz zu demjenigen von Pec´, das nach seiner Wiedererrichtung 1557 vom Einfluss Konstantinopels weitgehend emanzipiert war.26 Die griechische Dominanz in der Kirchenhierarchie, besonders des Ökumenischen Patriarchats, hatte gewiss keinen ›nationalkirchlichen‹ Charakter.27 Die vorrangige Aufgabe der Kirche war die Bewahrung der Orthodoxie; nationale Aspirationen wurden ihr erst von der modernen Historiographie zugeschrieben, indem spätere Verhältnisse in die Vergangenheit zurückprojiziert wurden. Die Bedeutung der griechischen Kirchensprache und Kultur trat jedoch besonders deutlich als Voraussetzung für die Besetzung von hohen kirchlichen Ämtern hervor.28 Dass ethnische Abstammung keine Voraussetzung dafür war, griechische Bildung dagegen schon, belegen einzelne Beispiele gräzisierter Ökumeni23 Vgl. Meyendorff, Byzantine Theology, 79–90. Zum grundsätzlichen Problem, die Institution der orthodoxen Kirche in den Begriffen der westlichen Kirchengeschichte zu beschreiben, vgl. Beck, Das byzantinische Jahrtausend, 241f.; ders., Geschichte der orthodoxen Kirche, 3f. 24 Vgl. Panchenko, Arab Orthodox Christians, 244, 153–171, 253–262, 308. 25 Vgl. Panchenko, Arab Orthodox Christians, 131–140; ders., »Greki vs. araby v Ierusalimskoj Cerkvi XIII–XVIII v.«, in: ders., Pravoslavnye araby. Put’ ˇcerez veka, Moskau 2013, 152–182. 26 Vgl. E. Kraft, »Von der Rum Milleti zur Nationalkirche. Die orthodoxe Kirche in Südosteuropa im Zeitalter des Nationalismus«, JGO 51 (2003), 392–408, hier 401f., 406f. 27 Vgl. P. M. Kitromilides, »Imagined Communities and the Origins of the National Question in the Balkans«, European History Quarterly 19 (1989), 149–192, hier 177f.; ders., »Orthodox identities in a world of Ottoman Power«, in: ders., An Orthodox Commonwealth. Symbolic Legacies and Cultural Encounters in Southeastern Europe, Nr. III (Variorum Reprints), Aldershot 2007, 3–5. 28 Vgl. I. K. Hassiotis, »From ›Refledging‹ to the ›Illumination of the Nation‹: Aspects of Political Ideology in the Greek Church under Ottoman Domination«, BS 40 (1999), 41–55; vgl. die Bemerkungen von Papadopoullos, Studies, 122–158, insbes. 129f., 149–151. Man sollte sich trotzdem diesen Vorrang der griechischen Kirchensprache und Bildung nicht als eine seit jeher immer konfliktlose Gegebenheit vorstellen. Auch innerhalb des Jurisdiktionsbereichs des Ökumenischen Patriarchats sind Reibungen zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen, besonders unter den Klostergemeinschaften des Athos, lange vor dem 19. Jahrhundert dokumentiert, vgl. G. Podskalsky, »Das Verhältnis von Griechen und Bulgaren. Nach einem Brief des Patriarchen Ieremias I. (1541) an das Athoskloster Kutlumus«, Byzantinoslavica 39 (1978), 29–43; Fr. Kämpfer, »Ivan Groznyj und Hilandar«, JGO 19 (1971), 499– 519, hier 501.
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scher Patriarchen.29 Die Verwendung der griechischen Hochsprache, der kirchlichen Koine, diente auch der symbolischen Abgrenzung der kirchlichen Hierarchie vom gemeinen, ungebildeten Volk, diese Abgenzung verlief aber nicht entlang ethnischer Trennungslinien. Ohnehin schufen das Institutionengeflecht der Kirche, das Netz der Klöster und ihrer Dependancen (Metochia), fromme Praktiken wie die Stiftungstätigkeit und die institutionalisierte Mobilität der Almosenreisen einen Kommunikationsraum, der ethnische und sprachliche Barrieren überwand.30 Andererseits zeigt das Phänomen der Bildungsmigration, dass auch die Reichsgrenzen zwischen osmanischen und venezianischen Territorien die Mobilität von Kirchenmännern nicht beschränkten. Griechische Patriarchen und Metropoliten aus venezianischen Gebieten, etwa aus Kreta oder den Ionischen Inseln, waren im 17. Jahrhundert üblich. Die Bedürfnisse der Kirche im Bereich der höheren Bildung waren, neben der Finanznot, der Grund für eine relative Öffnung gegenüber dem Westen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Zwar setzte die Konstantinopler Patriarchalakademie mit längeren Unterbrechungen und Schwankungen ihre Lehrtätigkeit fort, doch für den Nachwuchs von Lehrern und gelehrten Hierarchen waren die italienischen Bildungszentren, allen voran die Universität Padua, auf der venezianischen Terraferma bedeutender. Hinzu kam das 1577 von Papst Gregor XIII. gegründete und erst später (1591–1604 und 1622–1773) vom Jesuitenorden geleitete St.-Athanasios-Kolleg (Collegio Greco) in Rom.31 Die partielle Überwindung der historisch bedingten Ressentiments und des Misstrauens gegenüber der lateinischen Kirche unter den gelehrten Patriarchen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, Dionysios II. (1546–1556) und seinen Nachfolgern, ermöglichte trotz mitunter heftiger Reaktionen vorsichtige Annäherungsversuche.32 Auf der anderen Seite erkannten im Zeitalter der Reforma29 Vgl. Hassiotis, »Aspects of Political Ideology«, 44f. 30 Vgl. Petrovszky, Geschichte schreiben, 17–30; S. Faroqhi, Kultur und Alltag im Osmanischen Reich: Vom Mittelalter bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts, München 1995, 80–82; E. Angelomati-Tsougkaraki, »Tο φαινόμενο της ζητείας κατά τη μεταβυζαντινή περίοδο« [Das Phänomen der Almosenreise während der postbyzantinischen Periode], Ιονιος Λόγος 1 (2007), 247–293. 31 Vgl. G. Podskalsky, Griechische Theologie in der Zeit der Türkenherrschaft (1453–1821). Die Orthodoxie im Spannungsfeld der nachreformatorischen Konfessionen des Westens, München 1988, 46–62; St. Runciman, The Great Church in Captivity. A Study of the Patriarchate of Constantinople from the Eve of the Turkish Conquest to the Greek War of Independence, Cambridge 1968, 208–225; Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 28–32; Z. N. Tsirpanlis, Το Eλληνικό Kολλέγιο της Ρώμης και οι μαθητές του (1576–1700). Συμβολή στη μελέτη της μορφωτικής πολιτικής του Βατικανού [Das Collegio Greco in Rom und seine Schüler (1576– 1700). Beitrag zur Erforschung der Bildungspolitik des Vatikans], Thessaloniki 1980. 32 Vgl. P. S¸. Na˘sturel, I. Mures¸an, »Denys II de Constantinople (1546–1556) et les débuts de la politique européenne du Patriarcat Œcuménique«, in: Le Patriarcat Œcuménique de Constantinople aux XIVe–XVIe siècles : Rupture et Continuité [Dossiers Byzantins 7], Paris 2007,
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tion und der Gegenreformation sowohl Rom als auch die reformatorischen Kirchen in ihrer Auseinandersetzung das Potential von engeren Kontakten und einer Einflussnahme auf die Ostkirche. Der bekannte Briefwechsel des Patriarchen Ieremias II. (1572–79/1580–84/1587–95) mit den Tübinger Theologen gehört in diesen Zusammenhang.33 Auch im politischen Bereich suchten die europäischen Mächte die Verbindung zum Ökumenischen Patriarchat, um ihre Interessen im Osmanischen Reich effektiver zu verfolgen. In den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts sollte die Einmischung Roms sowie europäischer Gesandter in Konstantinopel die Kirchenintrigen um die Besetzung des Patriarchenthrons verschärfen und ihren Charakter verändern. Als Ergebnis dieser Kontakte aber wurde das Ökumenische Patriarchat nachhaltig in die internationale Politik verwickelt. Seine Kirchenmänner begannen, selbstbewusster zu agieren, nicht ausschließlich auf der Suche nach finanziellen Mitteln in westeuropäischen Staaten und in Moskau, sondern im Laufe der Zeit auch bei der Verfolgung von längerfristigen Zielen.34 Es stellt sich die Frage, ob diese Entwicklung das Verhältnis der kirchlichen Hierarchie zum Sultan beeinflussen konnte.
319–367, hier 340–365; Hassiotis, »Aspects of Political Ideology«, 50–52; ders., Μεταξύ Οθωμανικής κυριαρχίας και Ευρωπαϊκής πρόκλησης. Ο ελληνικός κόσμος στα χρόνια της Τουρκοκρατίας [Zwischen osmanischer Herrschaft und europäischer Herausforderung. Die griechische Welt während der Türkenherrschaft], Thessaloniki 2001, 86–103; A. Angelou, Πλάτωνος τύχαι. Η λόγια παράδοση στην Τουρκοκρατία [Schicksale Platons. Die gelehrte Tradition während der Türkenherrschaft], Athen 19852, 47–55. 33 Vgl. P. M. Kitromilides, »Orthodoxy and the West: Reformation to Enlightenment«, in: The Cambridge History of Christianity, Bd. 5: Eastern Christianity, hg. von M. Angold, Cambridge 2006, 187–209, hier 188–191; vgl. die entsprechenden Kapitel (The Church and the Churches) bei Runciman, The Great Church, 226–320; G. Hering, »Orthodoxie und Protestantismus«, in: Nostos. Gesammelte Schriften zur südosteuropäischen Geschichte, hg. von M. A. Stassinopoulou, Frankfurt a.M. u. a. 1995, 73–130, bes. 78–93 [Erstdruck JÖB 31/2 (1981) 823–874]; Podskalsky, Griechische Theologie, 21–30. 34 Vgl. G. Hering, Ökumenisches Patriarchat und europäische Politik (1620–1638), Wiesbaden 1968, 7–11, 322–327.
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In ihrer Funktion als Teil der osmanischen Ordnung diente die Kirche, deren Vertreter gegenüber dem Sultan die Verantwortung für das Wohlverhalten der orthodoxen Untertanen trugen, in erster Linie der osmanischen Herrschaftssicherung. Gehorsam und Loyalität waren gewiss eine vorrangige Notwendigkeit, sollte die Kirche ihre wesentlichen Aufgaben, die Bewahrung der Orthodoxie und die Seelsorge für die Gläubigen, weiterhin erfüllen. Darüber hinaus erkannten die Kirchenmänner im neuen Rahmen, trotz der inhärenten Diskriminierungen und Demütigungen, bestimmte handfeste Vorteile, von der staatlichen Garantie ihrer Autorität (etwa in der Steuereintreibung) bis hin zur faktischen Erweiterung des Jurisdiktions- oder Einflussbereichs des Ökumenischen Patriarchats mit jeder Expansion des osmanischen Territoriums. Dieses ohne Übertreibung als Interessengemeinschaft zu beschreibende Verhältnis wurde allein schon von der gemeinsamen Einstellung gegenüber Rom in der Zeit nach der Eroberung Konstantinopels geprägt.1 Der Vergleich bezüglich der Freiräume, welche die islamische Herrschaft einerseits und die lateinische Kirche in den venezianischen und genuesischen Besitzungen andererseits der orthodoxen Kirche gewährten, von späteren Nachrichten von den europäischen Religionskriegen ganz zu schweigen, konnte diese Haltung nur bestätigen.2 1 Vgl. P. Konortas, »Ορθόδοξοι Ιεράρχες στην υπηρεσία της Υψηλής Πύλης« [Orthodoxe Hierarchen im Dienste der Hohen Pforte], in: Ρωμιοί στην υπηρεσία της Υψηλής Πύλης [Rhomäer im Dienste der Hohen Pforte], Athen 2002, 103–134, hier 124–128; C. G. Patrinelis, Συμβιβασμοί και προσδοκίες. Οι ηγετικές ομάδες του ελληνισμού της Τουρκοκρατίας απέναντι στο εθνικό πρόβλημα [Kompromisse und Hoffnungen. Die Führungsgruppen des Griechentums während der Türkenherrschaft im Angesicht der Nationalfrage], Thessaloniki 1988, 5–12; Hassiotis, Μεταξύ Οθωμανικής κυριαρχίας, 127–129, 133–138; Hering, Ökumenisches Patriarchat, 39–41. 2 Siehe etwa den Brief des Ökumenischen Patriarchen Maximos III. an den venezianischen Dogen Giovanni Mocenigo (Januar 1480), worin die osmanische Duldsamkeit den Verfolgungen in venezianischen Gebieten gegenübergestellt wird: »[…] ει ουν ο μέγας και υψηλότατος αυθέντης ετέρας πίστεως ων, τους Χριστιανούς και πάντας αφίησιν εις την ελευθερίαν της γνώμης και πίστεως πάντας«, F. Miklosich, I. Müller, Acta et diplomata graeca medii aevi sacra et profana, Bd. 5, Wien 1887, 281–285, hier 284.
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Gestützt war sie auf Prinzipien, die bereits in frühchristlicher Zeit von den christlichen Gemeinden geschaffen worden waren und ihr Verhältnis zum heidnischen römischen Kaisertum regelten. Die diesbezüglichen Schriftstellen, etwa »So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!« (Mt 22,21), »Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet.« (Röm 13,1), »…fürchtet Gott, ehrt den König!« (1 Petr 2,17),3 wurden in der gesamten osmanischen Periode immer wieder in diesem Zusammenhang zitiert. Das »unstabile Ambivalenzverhältnis« der »politischen Orthodoxie«4, das seit den Tagen Konstantins des Großen und Eusebios von Kaisareia das Zusammenleben von Kirche und christlicher Kaisermacht bestimmte, konnte dank ebenjener Ambivalenzen das Βyzantinische Reich überdauern und die Legitimation der neuen Ordnung unterstützen. Die Kirche hatte nämlich die Autorität der Kaiser nur so lange uneingeschränkt akzeptiert, wie ihre gegenseitigen Interessen nicht divergierten. In spätbyzantinischer Zeit hatten die Unionsbemühungen der bedrängten Kaiser und womöglich noch die Ansätze zu einem entsakralisierten Verständnis des Reichs eine Distanzierung und Verselbständigung der Kirche initiiert, die den Verzicht auf den christlichen Kaiser nicht mehr undenkbar machte und seine Ablösung durch den islamischen Sultan vorbereitete.5 Die gewiss zögerliche und schrittweise Anerkennung der Legitimität des andersgläubigen Herrschers lässt sich an der Terminologie kirchlicher Quellen des 15. und 16. Jahrhunderts ablesen. Über »άρχων«, »αυθέντης« und »κρατών« wird er schließlich als »βασιλεύς« tituliert, freilich ohne die Attribute der Heiligkeit und Frömmigkeit (etwa »άγιος« oder »ευσεβέστατος«) und in der Regel auch ohne den Genitiv »ημών« (unser).6 3 Alle Bibelzitate im Deutschen stammen aus der Lutherbibel in der Fassung von 2017 (LUT 17), URL: https://www.bibleserver.com/bible/LUT [04. 05. 2018]. 4 Beck, Geschichte der orthodoxen Kirche, 5f.; vgl. ders., Das byzantinische Jahrtausend, München 19942, 87–108. 5 Vgl.T. Kioussopoulou, Βασιλεύς ή Οικονόμος. Πολιτική εξουσία και ιδεολογία πριν την Άλωση [Basileus oder Oikonomos. Politische Herrschaft und Ideologie vor der Eroberung Konstantinopels], Athen 2007, 58–77, 235–244; Beck, Das byzantinische Jahrtausend, 108; P. Guran, »From Empire to Church and back. In the Aftermath of 1204«, RESEE 44 (2006), 59–69; D. Angelov, Imperial Ideology and Political Thought in Byzantium 1204–1330, Cambridge 2007, 351–416. 6 Vgl. Konortas, »Ορθόδοξοι Ιεράρχες«, 121; D. G. Apostolopoulos, Οι ιδεολογικοί προσανατολισμοί του Πατριαρχείου Κωνσταντινουπόλεως μετά την Άλωση [Die ideologischen Ausrichtungen des Patriarchats nach der Eroberung Konstantinopels], Athen 1995, 22f.; ders., »Du Sultan au Basileus? Dilemmes politiques du conquérant«, in: Le Patriarcat Œcuménique de Constantinople aux XIVe–XVIe siècles: Rupture et Continuité [Dossiers Byzantins 7], Paris 2007, 241–251, hier 244–247; K. Moustakas, »Ottoman Greek Views of Ottoman Rule (15th–16th Centuries). The Perspective of the Patriarchate Associates«, in: M. Sariyiannis (Hg.), Political Thought and Practice in the Ottoman Empire, Rethymnon 2019, 311–317.
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Eine übermäßige Bedeutung sollte man jedoch der Verwendung des Basileustitels nicht beimessen.7 Abgesehen davon, dass er in Byzanz auch für ausländische, nichtchristliche Herrscher verwendet wurde, kam seine Übertragung auf den Sultan nicht einer Identifizierung mit dem osmanischen Staat gleich.8 Wenn sie dessen Legitimität zum Ausdruck brachte, dann handelte es sich weniger um eine normative als um eine pragmatische, oft unbefangene Einstellung, die im Allgemeinen für die Loyalität der christlichen Bevölkerung gegenüber der nichtchristlichen Herrschaft sorgte.9 Der Glaube an die grundsätzliche Gerechtigkeit des Monarchen – im fast notwendigen Kontrast zu seinen eigennützigen Beratern und den korrupten bzw. ausbeuterischen lokalen Machthabern – stellte eine mentale Konstante, ein jahrhundertelanges Wahrnehmungsmuster in den vormodernen Reichen dar, und vielleicht nicht ausschließlich dort. Aufgrund der zentralen Bedeutung der Gerechtigkeit, des adalet-Prinzips, in der osmanischen Herrschaftsideologie, kann man in dessen Aneignung durch die Christen einen Erfolg der imperialen osmanischen Propaganda erkennen.10 Als Kronzeuge 7 Vgl. Petrovszky, Geschichte schreiben, 119f. 8 Der Gebrauch des Titels allein lässt Aussagen zur Loyalität oder Illoyalität der Zeugen nicht zu. So findet sich in einem Brief des Erzbischofs von Mani Neofytos an den spanischen König Philipp III. (September 1612) die Bezeichnung »του ασεβεστάτου βασιλέως Τούρκου« (etwa »des überaus gottlosen türkischen Basileus«) neben seiner üblichen Beschimpfung als Hund, »ο σκύλος«. Vgl. M. Th. Laskaris, »Εκκλήσεις του επισκόπου Μάνης Νεοφύτου προς τους Ισπανούς (1612–1613) διά την απελευθέρωσιν της Πελοποννήσου« [Appelle des Bischofs von Mani Neofytos an die Spanier (1612–1613) zur Befreiung der Peloponnes], Ελληνικά 15 (1957), 293–310, hier 307; J. M. Floristán Imízcoz, Fuentes para la politica oriental de los Austrias. La Documantación Griega del Archivo de Simancas (1571–1621), 2 Bde, Leon 1988, hier Bd. 1, 340f. Zum Gebrauch des Titels in Byzanz vgl. The Oxford Dictionary of Byzantium, hg. von A. P. Kazhdan, Bd. 1, Oxford 1991, 264. 9 Vgl. die Unterscheidung zwischen »normative legitimacy« und »tolerated legitimacy« und die Beschreibung Letzterer als den Nichtmuslimen eigen bei H. T. Karateke, »Legitimizing the Ottoman Sultanate: A Framework for Historical Analysis«, in: H. T. Karateke, M. Reinkowski (Hg.), Legitimizing the Order. The Ottoman Rhetoric of State Power, Leiden u. a. 2005, 13–52, hier 33f. 10 Vgl. M. Kurz, »Gracious Sultan. Grateful Subjects: Spreading Ottoman Imperial ›Ideology‹ throughout the Empire«, Wiener Zeitschrift zur Kunde des Morgenlandes 102 (2012), 135–156; M. Koller, »Vom Reich der Osmanen zum Osmanischen Reich. Herrschaft, Macht und Gewalt vom 16. bis zum 18. Jahrhundert«, in: A. Helmedach u. a. (Hg.), Das Osmanische Europa. Methoden und Perspektiven der Frühneuzeitforschung zu Südosteuropa, Leipzig 2014, 53–72, hier 57f.; S. Faroqhi, »Introduction«, in: dies., Another Mirror of Princes. The Public Image of the Ottoman Sultan and its Reception, Istanbul 2009, 13f.; E. Gara, »Popular Protest and the Limitations of Sultanic Justice«, in: dies., M. E. Kabadayi, Chr. K. Neumann (Hg.), Popular Protest and Political Participation in the Ottoman Empire. Studies in Honor of S. Faroqhi, Istanbul 2011, 90–104; Barkey, Empire of Difference, 100f.; M. Sariyannis, »The Princely Virtues as Presented in Ottoman Political and Moral Literature«, Turcica 43 (2011), 121–144. Indessen war es ohnehin naheliegend, dass die christlichen Untertanen in erster Linie die Gerechtigkeit am andersgläubigen Herrscher schätzen konnten – abgesehen davon, dass sie nicht nur in der osmanischen politischen Kultur zu den wichtigsten Herrschertugenden gehörte.
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hierfür fungiert, besonders in der osmanistischen Forschung, seit der modernen Edition und der französischen Übersetzung seiner Chronik (welche die Jahre 1598–1642 umfasst) der Priester Papasynadinos aus Serres mit seinem lebendigen, frischen Erzählton und besonders mit seinem Lob auf die Sultane Osman II. und Murad IV.11 Doch zur Einstellung der christlichen Untertanen gegenüber dem Sultan konnten gleichzeitig sowohl Akzeptanz als auch Abgrenzung gehören, ein Umstand, der diese Sachverhalte komplexer, aber auch spannender macht. Wie es Andreas Helmedach und Markus Koller formulierten: »Natürlich dachten nicht alle südosteuropäischen Christen wie Synadinos. Das Spektrum ihrer Einstellungen gegenüber dem Osmanischen Reich umfasste die ganze Skala vom Legitimitätsdenken über den Opportunismus bis zum Widerstand. Wohl die meisten Christen des osmanischen Europas konnten sich eine andere Herrschaft vorstellen.«12 Es kann nämlich kaum überschätzt werden, dass die pragmatische Abfindung mit der neuen Herrschaft nicht zuletzt durch die geschichtstheologische Deutung der osmanischen Eroberung rationalisiert wurde, dass diese nämlich als Strafe Gottes der Sünden der Gläubigen wegen zustandegekommen sei: »παραχωρήσει Θεού διά τας αμαρτίας ημών«.13 Gemäß dem maßgeblich vom Vorbild der Erb11 Odorico (Hg.), Conseils et Μémoires de Synadinos. Vgl. J. Strauss, »Ottoman Rule experienced and remembered: Remarks on some local greek chronicles of the Tourkokratia«, in: F. Adanir, S. Faroqhi (Hg.), The Ottomans and the Balkans. A discussion of historiography, Leiden u. a. 2002, 193–221; D. Kołodziejczyk, »The ›Turkish Yoke‹ revisited: The Ottoman Non-Muslim Subjects between Loyalty, Alienation, and Riot«, Acta Poloniae Historica 93 (2006), 177–195, hier 185f.; O. Todorova, »The Ottoman State and its Orthodox Christian subjects: the legitimistic discourse in the seventeenth-century ›Chronicle of Serres‹ in a new perspective«, Turkish Historical Review 1 (2010), 86–110; Petrovszky, Geschichte schreiben, 180–193; ders., »›Wir die armen Rhomäer‹«; O. Olar, »Synadinos«, CMR, Bd. 10, hg. von D. Thomas, J. Chestworth, Leiden u. a. 2017, 248–254. 12 A. Helmedach, M. Koller, »Herrschaft, Macht und Gewalt«, in: dies. u. a. (Hg.), Das Osmanische Europa. Methoden und Perspektiven der Frühneuzeitforschung zu Südosteuropa, Leipzig 2014, 27–51, hier 49. Vgl. die Analyse des »orthodoxen Legitimismus« und seiner Komplexität, die Beschreibung der »mixed feelings« der christlichen Untertanen des Sultans bei Todorova, »The Ottoman State«; vgl. die Überlegungen von Tzedopoulos, Ορθόδοξοι νεομάρτυρες, 154f. sowie Gara, »Conceptualizing Interreligious », 73–75. 13 Nur exemplarisch sei hier auf die Verwendung des Topos in anonymen Kleinchroniken, im populären Chronographen und in Texten der bekanntesten Patriarchen der osmanischen Periode, Gennadios Scholarios und Kyrillos Lukaris, hingewiesen. Siehe jeweils: Sp. Lampros, Βραχέα Χρονικά [Kleinchroniken], hg. von K. I. Amantos, Athen 1932, 10, 22, 30, 42, 69, 74; ders., »Ενθυμήσεων ήτοι χρονικών σημειωμάτων συλλογή πρώτη« [Erste Sammlung von Erinnerungen d. h. chronographischen Marginalnotizen], Νέος Ελληνομνήμων 7 (1910), 113–313, hier 160f.; Βιβλίον Ιστορικόν περιέχον εν συνόψει διαφόρους και εξόχους ιστορίας [Geschichtsbuch, verschiedene und herrliche Geschichten enthaltend], Venedig 1631, φμζ΄–φμθ΄; Œuvres complètes de Gennade Scholarios, Bd. 4, 213f., 219–221, 511; A. Papadopoulos-Kerameus, Ιεροσολυμιτική Βιβλιοθήκη [Katalog der Patriarchatsbibliothek von Jerusalem], Bd. 2, St. Petersburg 1894, 513. Vgl. Petrovszky, Geschichte schreiben, 120–123.
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sünde geprägten alttestamentarischen Denkschema konnte sich die göttliche Vorsehung sehr wohl auch ungläubiger Völker bedienen, um die Gläubigen zu züchtigen und zu prüfen: »die Knechtschaft als Prüfung des Glaubens«14. Aus der Sicht der traditionsreichen byzantinischen »Reichseschatologie«15 und der darin implizierten Verschmelzung von Diesseits und Jenseits, vom Römischen Reich und Reich Christi bekam die osmanische Eroberung für ihre Zeitgenossen darüber hinaus noch eine weitere Dimension. Der von der Orakeltradition angekündigte und vorprogrammierte Fall Konstantinopels und des Reichs, des Katechons (2 Thess 2,6–7), welches ja bis zum Ende der Zeiten bestehen sollte, bedeutete den Anbruch der Endzeit.16 So kann es nicht überraschen, wenn nach 1453 kein Geringerer als Gennadios Scholarios selbst in der osmanischen Eroberung die Bestätigung der verbreiteten Erwartungen sah und das kommende Weltende im Jahr 7000 (= 1492/93 oder 1493/94) vermutete.17 Umso dringender war, als die Endzeit verschoben werden musste, das Theodizeeproblem, welches die Erfolge der osmanischen Macht und ihre Konsolidierung unterstrichen. Das darauf entwickelte heilsgeschichtliche Deutungsmodell, das die osmanische Eroberung und Herrschaft als Instrument Gottes legitimierte, barg in sich die Hoffnung auf Restauration nach der Buße und Sühne der begangenen Sünden, nicht unbedingt im Jenseits. Die gottgewollte Herrschaft des ungläubigen Sultans – gleich ob der Antichrist oder (noch) nicht – über die Gläubigen konnte doch keinen permanenten Charakter besitzen. Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stützte die Umdeutung altüberlieferter byzantinischer Orakel dieses Wunschdenken.18 Dazu wird Ausführlicheres im entsprechenden Kapitel im dritten Teil dieser Arbeit zu sagen sein. Es sei hier jedoch vorausgeschickt, dass die Berufung auf eschatologische Schemata sowohl der Loyalität gegenüber der 14 »Δουλεῖα πίστεως γυμνάσιον« nach dem Ausdruck von Gennadios Scholarios: Œuvres complètes de Gennade Scholarios, Bd. 3, 290. 15 Vgl. G. Podskalsky, Byzantinische Reichseschatologie. Die Periodisierung der Weltgeschichte in den Vier Großreichen (Daniel 2 und 7) und dem Tausendjährigen Friedensreiche (Apok. 20). Eine motivgeschichtliche Untersuchung, München 1972, bes. 70–76, 101–103; ders., »Der Fall Konstantinopels in der Sicht der Reichseschatologie und der Klagelieder«, Archiv für Kulturgeschichte 57 (1975), 71–86; W. Brandes, »Der Fall Konstantinopels als apokalyptisches Ereignis«, in: S. Kolditz, R. C. Müller (Hg.), Geschehenes und Geschriebenes. Studien zu Ehren von Günther S. Henrich und Klaus-Peter Matschke, Leipzig 2005, 453–469. 16 Vgl. C. Mango, Byzantium. The Empire of New Rome, London 1980, 201–217; M.-H. Congourdeau, »Byzance et la fin du monde. Courants de pensée apocalyptiques sous le Paléologues«, in: B. Lellouch, St. Yerasimos (Hg.), Les traditions apocalyptiques au tournant de la chute de Constantinople, Paris 1999, 56–73; P. Magdalino, »The End of Time in Byzantium«, in: W. Brandes, F. Schmieder (Hg.), Endzeiten. Eschatologie in den monotheistischen Weltreligionen, Berlin 2008, 119–133. 17 Vgl. Œuvres complètes de Gennade Scholarios, Bd. 1, 211, Bd. 4, 510–512; Blanchet, GeorgesGennadios Scholarios, 125–133. 18 Vgl. Patrinelis, Συμβιβασμοί και προσδοκίες, 36–44; Kitromilides, Enlightenment and Revolution, 120f.
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osmanischen Herrschaft als auch deren Infragestellung, je nach Situation, Interesse und Motivation der handelnden Personen, dienen konnte.19 Des Weiteren sollte man die Anerkennung der Legitimität der osmanischen Herrschaft und die damit einhergehende Loyalität seitens der Kirche und ihres Kirchenvolks nicht als eine pauschale Identifizierung mit dem Staat verstehen, die im osmanischen System, im »Empire of difference«20, ohnehin nicht angestrebt wurde. Trotz der oben beschriebenen Interessengemeinschaft wurde die osmanische Herrschaft gleichzeitig als Bürde empfunden und in alttestamentarischer Begrifflichkeit als »Gefangenschaft« (αιχμαλωσία) beschrieben.21 Die Rede von der »türkischen Sklaverei« oder »Tyrannei« und dem »barbarischen Joch« ist bei allem inflationären Missbrauch durch die griechische und die anderen südosteuropäischen Nationalhistoriographien keine Erfindung der Aufklärung oder des Nationalismus. Diese Begrifflichkeiten finden sich in der osmanischen Periode ubiquitär wieder, nicht nur als stereotype Wendung in der Korrespondenz griechischer Kirchenmänner mit westeuropäischen Herrschern, sondern etwa auch in fast neutralem, sachlichem Ton in Patriarchenschreiben (Enzykliken) oder in ›unverdächtigen‹ gedruckten Werken von griechischen Patriarchen.22 Die Situativität und Kontextualität der jeweiligen Aussagen und 19 Vgl. Sp. Asdrachas, Ιστορικά απεικάσματα [Historische Betrachtungen], Athen 1995, 105–111. 20 Barkey, Empire of Difference, besonders 110, 119–123.. Vgl. A. Rodrique, »Difference and Tolerance in the Ottoman Empire« (Interview with N. Reynolds), Stanford Humanities Review 5/1 (1995), 81–92; C. Imber, The Ottoman Empire 1300–1650. The Structure of Power, London 2002, 3. 21 Vgl. P. M. Kitromilides, »From common history to national histories – and beyond«, in: P. M. Kitromilides, A. Tabaki (Hg.), Relations Gréco-Roumaines. Interculturalité et identité nationale, Athen 2004, 83–92, hier 91; Hassiotis, »Aspects of Political Ideology«, 47f.; ders., Μεταξύ Οθωμανικής κυριαρχίας, 112–114; Konortas, »Ορθόδοξοι Ιεράρχες«, 134. Die bereitwillige Übernahme der protestantischen Deutung des zweiköpfigen Antichrist (Papst und Türke) in der orthodoxen Exegetik vom frühen 17. Jahrhudert an ist hierfür bezeichnend, z. B. im Glaubensbekenntnis (1625) von Mitrofanis Kritopoulos (Patriarch von Alexandria 1636– 1641): J. Michalcescu, Die Bekenntnisse und die wichtigsten Glaubenszeugnisse der griechischorientalischen Kirche, Leipzig 1904, 183–252, hier 250. 22 Etwa in einem Schreiben des Patriarchen von Konstantinopel Gavriil (1706): M. I. Gedeon, Πατριαρχικαί Εφημερίδες. Ειδήσεις εκ της ημετέρας εκκλησιαστικής ιστορίας 1500–1912 [Patriarchikai Efimerides. Nachrichten aus unserer Kirchengeschichte], Athen, 1935–1938, 209; oder im Geschichtswerk des Patriarchen Dositheos von Jerusalem, Ιστορία περί των εν Ιεροσολύμοις πατριαρχευσάντων, διηρημένη εν δώδεκα βιβλίοις. Άλλως καλουμένη Δωδεκάβιβλος Δοσιθέου [Geschichte der Patriarchen von Jerusalem, unterteilt in zwölf Bücher, daher auch Dositheos’ Dodekavivlos genannt], Bd. 6, Bukarest 1715, ND: Thessaloniki 1983, Bd. 6, 19, 147, und bei seinem Neffen und Nachfolger Chrysanthos Notaras in dessen Συνταγμάτιον περί των οφφικίων, κληρικάτων και αρχοντικίων της του Χριστού Αγίας Εκκλησίας [Traktat über die Würden und Ämter der Heiligen Kirche Christi], Tirgovis¸te 1715, ξστ΄. Für Beispiele slavischer Quellen vgl. R. G. Pa˘un, »The Barbarian Emperor. Empire and Power Hierarchies in the Slavic Orthodox Lands during the Ottoman Era (15th–17th Centuries)«, in: R. Born, A. Puth (Hg.), Osmanischer Orient und Ostmitteleuropa. Perzeptionen und Interaktionen in den Grenzzonen zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert, Stuttgart 2014, 75–106; Kr. Nikolovska, »Tsar or Son of
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ihrer Konnotationen sollten gewiss nicht übersehen werden.23 Auch sollten diese nicht als verbindliche, ideologische Positionen und Überzeugungen missverstanden werden, wie es gelegentlich der Fall ist, wenn Texte aus späteren Zeiten ohne Rücksicht auf ihre Zeitgebundenheit zur Frage nach der Haltung der orthodoxen Kirche im Osmanischen Reich herangezogen werden. Die Verhältnisse des 18. Jahrhunderts, als die engere Verflechtung von Kirchenführung und osmanischem Staat auch eine deutlichere politische Orientierung an der Pforte mit sich brachte, sind nicht ohne Weiteres auf die frühere Zeit zurückzuprojizieren. So anachronistisch es daher ist, Beispiele von nationalgesinnten griechischen Hierarchen des 19. oder gar des frühen 20. Jahrhunderts als Argumente für eine vermeintlich nationale Verpflichtung der Kirche in der osmanischen Periode anzuführen, so wenig ergiebig erweisen sich als Nachweise der Identifizierung von Kirche und Pforte, losgelöst von ihrem Kontext, Texte wie die berüchtigte Patriarchiki Didaskalia (1798),24 die fast unvermeidlich zitiert wird, wenn von diesen Sachverhalten die Rede ist. Darüber hinaus war Illoyalität gewiss eine Ausnahme, zumindest als Option war sie aber nicht per se undenkbar. Es scheint zudem, dass sie eher für die Kirchenmänner als etwa für die Archonten infrage kam.25 In bestimmten Perioden haben mehrere Metropoliten sowie einzelne Patriarchen an antiosmanischen Projekten und Verhandlungen mit Vertretern christlicher Mächte teilgenommen. Das betrifft nicht nur die in der vorliegenden Arbeit untersuchten Beziehungen zum orthodoxen Moskau, sondern auch Kontakte mit westeuropäischen, katholischen Rivalen des Osmanischen Reichs, auf deren energisches Eingreifen im Osten zeitweilig Aussicht bestand. Dieses letztgenannte Ziel teilten entschieden jene griechischen Gelehrten, die unmittelbar vor und nach der Eroberung Konstantinopels Zuflucht im Westen, vorwiegend in italienischen Städten, gefunden hatten und fortan bei verschiedenen europäischen Potentaten für Kreuzzugsprojekte gegen die Osmanen warben.26 Diesen ersten Emigranten – und weiteren, in den folgenden Jahrzehnten
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Perdition. South Slavic Representations of Ottoman Imperial Authority in Church Slavonic Paratextual Accounts (1466–1710)«, RESEE 54 (2016), 71–86. Vgl. S. Anagnostopoulou, »L’historicité des termes. Les Grecs et la domination Ottomane XVIe–XIXe s.«, in: M. Chehab u. a. (Hg.), Méditerranée : Ruptures et Continuités, Lyon 2003, 187–196. Vgl. R. Clogg, »The Dhidhaskalia Patriki (1798): an Orthodox reaction to French revolutionary propaganda«, in: ders., Anatolica. Studies in the Greek East in the 18th and 19th Centuries, Nr. V (Variorum Reprints), Aldershot 1996; Papadopoulos, Studies and Documents, 142–146. Zur Bedeutung des historischen Kontextes vgl. Zelepos, »Unser orientalisch-christliches Geschlecht«, 113, 121. Vgl. Pa˘un, »Enemies within«, 235, Anm. 78. Vgl. R. Binner, Griechische Gelehrte in Italien (1453–1535) und der Türkenkrieg, München 1981; J. Harris, Greek Emigres in the West 1400–1520, Camberley 1995; M. I. Manousakas,
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Ausgewanderten – war ihre griechische Herkunft ein bedeutendes kulturelles Kapital im humanistischen Milieu der Renaissance, in dem viele von ihnen als Griechischlehrer, Kopisten, Manuskriptehändler oder Verleger tätig waren. In der Regel waren sie auch der lateinischen Kirche beigetreten. In gewissem Sinne setzten sie sowohl die gescheiterten Versuche der Paläologenkaiser fort, westliche Hilfe für die Abwehr der osmanischen Expansion anzuwerben, als auch spätbyzantinische Geistesströmungen, in welchen das antike hellenische Erbe als Element der Selbstbeschreibung unter den Eliten immer deutlicher gegenüber der Orthodoxie und dem Reichsgedanken in den Vordergrund trat.27 Kreuzzugsappelle an die Christenheit finden sich bereits in manchen der in diesen Kreisen entstandenen Klagelieder zur Eroberung Konstantinopels.28 Politisch relevant war aber besonders die Aktivität der engagiertesten Propagandisten des Türkenkriegs, Kardinal Bessarion (1403–1472) und, etwas später, Janus Laskaris (1445–1535).29 In Briefen, Reden und Denkschriften, adressiert an aufeinanderfolgende Päpste, Dogen, deutsche Kaiser und französische Könige, warnten sie vor der drohenden osmanischen Gefahr für die gesamte Christianitas, malten die osmanische Herrschaft in ihrer alten Heimat in den dunkelsten Farben und versuchten, die divergierenden Interessen ihrer Adressaten zu versöhnen und sie von der dringenden Notwendigkeit eines Kreuzzuges zu überzeugen. Im Laufe der Zeit rückten derartige Projekte immer ferner von der Realität ab, einerseits aufgrund der fehlenden Kontakte zu den zu befreienden Landsleuten im Osten, andererseits wegen der stetig sinkenden Kreuzzugsstimmung im Europa des Reformationszeitalters und des habsburgisch-franzö»Εκκλήσεις των Ελλήνων λογίων προς τους ηγεμόνες της Ευρώπης για την απελευθέρωση της Ελλάδος« [Appelle der griechischen Gelehrten an die Herrscher Europas zur Befreiung Griechenlands], Πρακτικά της Ακαδημίας Αθηνών 59 (1984), 196–249, hier 199–215; Patrinelis, Συμβιβασμοί και προσδοκίες, 23–35. 27 Aus der umfangreichen Literatur vgl. Sp. Vryonis Jr., »Byzantine Cultural Self-Consciousness ´ urcˇic´, D. Mouriki (Hg.), The Twilight of Byzantium. Aspects in the Fifteenth Century«, in: Sl. C of Cultural and Religious History in the Late Byzantine Empire, Princeton 1991, 5–14; G. Page, Being Byzantine. Greek Identity before the Ottomans, Cambridge 2008; Kioussopoulou, Βασιλεύς ή Οικονόμος, 201–234; J. Harris, »Being a Byzantine after Byzantium: Hellenic Identity in Renaissance Italy«, Κάμπος. Cambridge Papers in Modern Greek 8 (2000), 25–44; T. Glaser, »The remnants of the Hellenes. Problems of Greek identity after the fall of Constantinople«, in: E. Konstantinou (Hg.), Der Beitrag der byzantinischen Gelehrten zur abendländischen Renaissance des 14. und 15. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 2006, 199–209. 28 Vgl. E. Fenster, Laudes Constantinopolitanae [Miscellanea Byzantina Monacensia 9], München 1968; Asdrachas, Ιστορικά απεικάσματα, 141–144. 29 Vgl. Binner, Griechische Gelehrte, 23–110, 129–185; ders., »Griechische Emigration und Türkenkrieg. Anmerkungen zu einer Denkschrift von Janus Laskaris aus dem Jahre 1531«, SOF 30 (1971), 37–50; J. Whittaker, »Janus Laskaris at the Court of the Emperor Charles V.«, Thesaurismata 14 (1977), 87–107; R. Schwoebel, The Shadow of the Crescent: The Renaissance Image of the Turk (1453–1517), Nieuwkoop 1967, 153–165; N. Bisaha, Creating East and West. Renaissance Humanists and the Ottoman Turks, Philadephia 2006, 109–117.
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sischen Gegensatzes. Sich an europäische Herrscher richtende Appelle hatten zunehmend philologischen Charakter, was sich in manchem gelehrten Epigramm oder in Widmungen und Vorworten in Editionen antiker Autoren ausdrückte.30 Erst an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert, grob gesagt: vom Zypernkrieg und der Seeschlacht von Lepanto (1570/71) bis zum Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs (1618), nahmen antiosmanische Projekte realere Züge an: »Ein ganzes Feuerwerk von Projekten und Hoffnungen [wurde] abgebrannt«,31 wie Fernand Braudel dieses letzte Wiederaufleben der alten Kreuzzugsidee um 1600 darstellte. Wohl die meisten der nennenswerten Aufstände oder Verschwörungen unter Beteiligung von Vertretern der ostkirchlichen Hierarchie in der osmanischen Herrschaftszeit vor dem 19. Jahrhundert fallen in diese Periode. Ein Grund dafür ist bestimmt in der erwähnten Verstärkung der Beziehungen der Ostkirche zum Westen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu suchen. Noch entscheidender war, dass diese Öffnung parallel zur sich verschärfenden Krise des Osmanischen Reiches eintrat. Diese vielfältigen Auflösungserscheinungen sieht man zwar in der Forschung längst nicht mehr als Beginn eines jahrhundertelangen, unaufhaltsamen Niedergangs an, sondern inzwischen eher als Katalysator eines strukturellen Wandels des Reiches und seiner Institutionen, der seine Erneuerung und sein Überleben ermöglichte.32 Ungeachtet dessen stellten in den Augen vieler Zeitgenossen innerhalb und außerhalb des Reiches die interne Instabilität und die ersten schwerwiegenden militärischen Rückschläge unverkennbare Zeichen dar, dass die osmanische Vormacht endgültig dahin war. Der Sieg der vereinten Flotte der Sacra Liga in der Seeschlacht von Lepanto (1571) und der »lange Türkenkrieg« der Habsburger (1593–1606) schürten eine Reihe von Verschwörungen und Aufständen in verschiedenen Balkanprovinzen des Reiches.33 Waren früher die für Türkenkriegsprojekte griechischen Ur30 Vgl. Hassiotis, Μεταξύ Οθωμανικής κυριαρχίας, 142–146. 31 F. Braudel, Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II., übers. von G. Osterwald und G. Seibt, 3 Bde, Frankfurt a.M. 1990, hier Bd. 2, 663. 32 Vgl. S. Faroqhi, »Crisis and Change 1590–1699«, in: H. Inalcik, D. Quataert (Hg.), An Economic and Social History of the Ottoman Empire 1300–1914, Cambridge 1994, 411–636; dies., »The Ottoman Empire: the age of ›political households‹ (eleventh–twelfth/seventeenth–eighteenth centuries)«, in: The New Cambridge History of Islam, Bd. 2: The Western Islamic World. Eleventh to Eighteenth Centuries, hg. von M. Fierro, Cambridge 2011, 366–410, hier 400–402; Imber, The Ottoman Empire, 66–86; Barkey, Empire of Difference, 22f.; B. Tezcan, »The Second Empire: The Transformation of the Ottoman Polity in the Early Modern Era«, Comparative Studies of South Asia, Africa and the Middle East 29 (2009), 556–572; Koller, »Vom Reich der Osmanen«. Für die herkömmliche Darstellung des »Verfalls« vgl. J. Matuz, Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte, Darmstadt 19943, 132–137. 33 Vgl. P. Bartl, Der Westbalkan zwischen spanischer Monarchie und osmanischem Reich. Zur Türkenkriegsproblematik an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert, Wiesbaden 1974, Teil III; N. Malcolm, Agents of Empire. Knights, Corsaires, Jesuits and Spies in the Sixteenth-
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sprungs infrage kommenden Ansprechpartner das Papsttum und die Republik Venedig gewesen, so nahmen jetzt, abgesehen von Glücksrittern wie Charles de Gonzague Herzog von Nevers,34 besonders die ›Katholischen Könige‹ Spaniens Philipp II. (1556–1598) und Philipp III. (1598–1621) die Rolle der Erzrivalen des Sultans und damit, in interessierten Kreisen, der potentiellen Befreier des griechischen Ostens ein.35 Neapel, Sitz der spanischen Vizekönige und zugleich ›spanische Pforte zum Balkan‹, entwickelte sich in diesen Jahren zum Zentrum einer intensiven Spionageaktivität und Projektemacherei, in welche Emigranten von der ganzen westbalkanischen Küste, von Dalmatien bis zur Peloponnes, Piraten, Matrosen, Söldner, Kaufleute sowie besonders um Almosen reisende Hierarchen und Mönche, verwickelt waren.36 Die edierte Korrespondenz der Agenten Spaniens, von Epirus und Thessalien bis zur Peloponnes und Zypern, gibt ein gutes Bild ihrer Aktivitäten und Aspirationen wieder.37 Vergleicht man die einzelnen Aufstände und Aufstandsplanungen dieser Zeit miteinander, die von der griechischen und von anderen nationalen Historiographien oft unkritisch zu breiten nationalen Befreiungsbewegungen stilisiert
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Century Mediterranean World, London 2015, 400–414; St. Papadopoulos, Απελευθερωτικοί αγώνες των Ελλήνων επί Τουρκοκρατίας [Befreiungskämpfe der Griechen während der Türkenherrschaft]. Heft 1 (1453–1669), Thessaloniki 1969, 62–106; A. E. Vakalopoulos, Ιστορία του Νέου Ελληνισμού [Geschichte des Neuen Griechentums], Bd. 3, Thessaloniki 1968, 251–273, 328–363; Ph. Kotzageorgis, »Εξεγέρσεις στην Ελληνική χερσόνησο τον 16ο αιώνα και Οθωμανικές πηγές: Μια πρώτη προσέγγιση« [Aufstände auf der griechischen Halbinsel im 16. Jahrhundert und osmanische Quellen: Eine erste Annäherung], ΚΘ΄ Πανελλήνιο Ιστορικό Συνέδριο. Πρακτικά [Referate des 29. Griechischen Historikertages], Thessaloniki 2009, 21–31. Mit Ausnahme der Bewegung des Hospodaren der Walachei, Michael des Tapferen (Mihai Viteazul), sind dabei kaum Zusammenhänge und Koordinierungsversuche zwischen griechischen Projekten und jenen anderer Balkanchristen festzustellen, wie Peter Bartl konstatierte, vgl. Bartl, Der Westbalkan, 197; vgl. Hassiotis, »Aspects of Political Ideology«, 49. Vgl. Papadopoulos, Απελευθερωτικοί αγώνες, 99–106. Vgl. I. K. Hassiotis, Σχέσεις Ελλήνων και Ισπανών στα χρόνια της Τουρκοκρατίας [Beziehungen zwischen Griechen und Spaniern während der Türkenherrschaft], Thessaloniki 1969, 34ff. Vgl. Bartl, Der Westbalkan, 37–43; Hassiotis, Μεταξύ Οθωμανικής κυριαρχίας, 159–162; ders., Οι Έλληνες στις παραμονές της ναυμαχίας της Ναυπάκτου. Εκκλήσεις, επαναστατικές κινήσεις και εξεγέρσεις στην ελληνική χερσόνησο από τις παραμονές ως το τέλος του κυπριακού πολέμου (1568–1571) [Die Griechen am Vorabend der Seeschlacht von Lepanto. Appelle, revolutionäre Bewegungen und Aufstände auf der griechischen Halbinsel bis zum Ende des Zypernkriegs (1568–1571)], Thessaloniki 1970, 27–37; P. Bádenas, »Η διστακτική πολιτική της ισπανικής μοναρχίας στην Ανατολή. Διπλωματία και κατασκοπεία στον ΙΣΤ΄ και ΙΖ΄ αι.« [Die zögernde Politik der spanischen Monarchie im Orient. Diplomatie und Spionage im 16. und 17. Jahrhundert], in: Βαλκάνια και Ανατολική Μεσόγειος, 12ος–17ος αιώνες. Πρακτικά του Διεθνούς Συμποσίου στη μνήμη Δ. Α. Ζακυθηνού [Balkan und östliches Mittelmeer, 12.–17. Jahrhundert. Referate der internationalen Tagung zum Gedenken an D. A. Zakythinos], Athen 1998, 11–23, hier 14–15. Vgl. Floristán Imízcoz, Fuentes.
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worden sind, so weisen sie in ihrer Typologie38 bestimmte gemeinsame Merkmale auf: zum einen der lokal begrenzte Radius der Bewegung, zumeist um traditionelle Unruheherde wie z. B. die Halbinsel Mani in der südlichen Peloponnes, zum anderen die Verschlechterung der Lebensbedingungen der bäuerlichen Bevölkerung (hohe Sondersteuer, Unsicherheit, Auflösungserscheinungen der Lokalverwaltung) als Voraussetzung für ihre, in der Regel trotzdem geringe, Mobilisierung.39 Das gegenseitige Misstrauen bestätigte sich nach jedem gescheiterten oder abgekühlten Projekt. Auf spanischer oder venezianischer Seite ging es lediglich darum, die Osmanen von den eigentlichen Kriegsschauplätzen abzulenken. Daher konnte und wollte man den griechischen Partnern keine Schutzgarantien vor den befürchteten osmanischen Strafaktionen gewähren. Für jene waren sie jedoch unabdingbare Voraussetzung jedes riskanten Engagements.40 Das größte Hindernis – und darin sollte letzten Endes der Vorteil des orthodoxen Russlands gegenüber den katholischen Mächten bestehen – stellte jedoch der konfessionelle Gegensatz dar. Es ist daher kein Zufall, wenn in den Projektdarlegungen und bei den Verhandlungen der involvierten Personen mit christlichen Mächten – wie zumeist schon in den früheren Appellen – die Abneigung überwiegt, unbequeme Fragen, wie die zum künftigen Status der orthodoxen Kirche unter dem neuen Herrscher, anzusprechen. Über das Ziel eines Herrschaftswechsels, d. h. von der osmanischen zu einer christlichen, etwa spanischen Herrschaft unter Wahrung lokaler Autonomieprivilegien wie der Steuerbefreiung, gehen diese Projekte ohnehin nicht hinaus.41 Besonders erhellend wirkt in diesem Zusammenhang »eine Reihe von merkwürdigen Texten«, die nach Fernand Braudel »die erstaunliche Position der Griechen des 16. Jahrhunderts gegenüber dem römischen Katholizismus« und ihre große »Verweigerung«42 erklären. Es handelt sich in erster Linie um zwei Memoranda, die der griechische Buchredakteur Grigorios Malaxos im April 1570 dem venezianischen Rat der Zehn vorlegte. Es ging um den Plan Venedigs, als Reaktion auf den osmanischen Angriff gegen Zypern Aufstände auf der Pelo38 Vgl. O. Katsiardi-Hering, »Von den Aufständen zu den Revolutionen christlicher Untertanen des Osmanischen Reiches in Südosteuropa (ca. 1530–1821). Ein Typologisierungsversuch«, SOF 68 (2009), 96–137; Malcolm, Agents of Empire, 124f. 39 Vgl. Hassiotis, Μεταξύ Οθωμανικής κυριαρχίας, 164–166; Bartl, Der Westbalkan, 194–199. 40 Besonders deutlich ist diesbezüglich ein anonymes Memorandum, adressiert an den spanischen König um 1606, das auch sonst für die hier erörterte Problematik beispielhaften Charakter besitzt: Floristán Imízcoz, Fuentes, Bd. 1, 179–187. 41 Vgl. Sp. Asdrachas, »Τουρκοκρατία – Λατινοκρατία. Οι γενικοί χαρακτήρες της ελληνικής ιστορίας 1453–1770« [Turkokratie – Latinokratie. Die Grundmerkmale der griechischen Geschichte 1453–1770], in: V. Panagiotopoulos (Hg.), Ιστορία του Νέου Ελληνισμού 1770–2000 [Geschichte des Neuen Griechentums 1770–2000], Bd. 1, Athen 2003, 17–38, hier 37; Hassiotis, Μεταξύ Οθωμανικής κυριαρχίας, 132f., 167–170; Patrinelis, Συμβιβασμοί και προσδοκίες, 32– 35. 42 Braudel, Das Mittelmeer, Bd. 2, 567–569. Vgl. Malcolm, Agents of Empire, 128.
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ponnes zu schüren. Laut Malaxos könne dies nur unter konkreten Bedingungen gelingen, wenn man aus der Vergangenheit die richtigen Lehren ziehe. Ohne feste Garantien, dass die griechische Bevölkerung nach der Erhebung nicht schutzlos der osmanischen Rache ausgeliefert sein würde und, insbesondere, dass der orthodoxe Ritus (li sui ritti greci sotto il Patriarca di Constantinopoli) und die orthodoxe Hierarchie in den gewonnenen Gebieten respektiert werden würden, sei ihr berechtigtes Misstrauen und ihre Angst (grandissimo dubio et timore) nicht zu überwinden.43 Die Griechen, so Malaxos’ pathetisches Diktum, würden eher sterben, als ihren Ritus preiszugeben.44 Er selbst biete sich der venezianischen Regierung an, um eine Verbindung zum Patriarchen von Konstantinopel (Mitrofanis III.) herzustellen. Venedig solle die entsprechenden Garantien erteilen, damit der Patriarch seinen Einfluss auf Klerus und Kirchenvolk der Peloponnes einsetzt. Die daraufhin, Anfang Mai, unternommenen Schritte, die Schreiben des Dogen und des Rats der Zehn an Mitrofanis sowie an den Moskauer Zaren Ivan IV., zeigen, dass man die Argumente von Malaxos ernst nahm.45 In Bezug zur Fragestellung dieses Unterkapitels ist die Beteiligung einzelner Hierarchen an solchen Initiativen von besonderer Bedeutung. Es fällt auf, dass sie in der Regel in Eparchien amtierten, die aufgrund historischer Bedingungen und geographischer Nähe traditionell enge Beziehungen zu Venedig und allgemein zur italienischen Welt pflegten. Das gilt etwa für die Hierarchen des Erzbistums Ochrid oder der Peloponnes.46 Mitunter handelt es sich um Kirchenmänner, die zuvor im Westen studiert hatten und der lateinischen Kirche gegenüber zumindest nicht feindlich eingestellt waren.47 Auch die Ökumenischen Patriarchen, deren Beteiligung an politischen Kontakten zu Venedig (Mitrofanis III., 1565–
43 Lamansky, Secrets d’État de Venise, 083–087 (erstes Memorandum). 44 »Et sapendo io essere la detta natione Greca in rissolutione fermissima di più presto morire, che di non vivere nelli suoi ritti.«, Lamansky, Secrets d’État de Venise, 087–089 (zweites Memorandum). 45 Vgl. Lamansky, Secrets d’État de Venise, 077–083 ; vgl dazu: Hassiotis, Οι Έλληνες στις παραμονές, 125–127; Z. N. Tsirpanlis, Το κληροδότημα του Καρδινάλιου Βησσαρίωνος για τους φιλενωτικούς της βενετοκρατούμενης Κρήτης (1439–17ος αι.) [Das Vermächtnis von Kardinal Bessarion für die Unionsfreude aus dem venezianischen Kreta (1439–17. Jahrhundert)], Thessaloniki 1967, 160–163. 46 Vgl. Hassiotis, Μεταξύ Οθωμανικής κυριαρχίας, 172f.; ders., »Ο Αρχιεπίσκοπος Αχρίδος Ιωακείμ και οι συνωμοτικές κινήσεις στη Βόρειο Ήπειρο« [Der Erzbischof von Ochrid Ioakeim und die konspirativen Bewegungen in Nordepirus], Μακεδονικά 6 (1964/65), 236–255; Bartl, Der Westbalkan, 124–131; Greene, Edinburgh History, 144–146; C. G. Patrinelis, »Το σχέδιο αντιτουρκικής εκστρατείας του Μητροπολίτη Τιμοθέου (1572) και άλλα σχετικά κείμενα« [Das Projekt eines antitürkischen Feldzugs von Metropolit Timotheos (1572) und weitere einschlägige Texte], Μεσαιωνικά και Νέα Ελληνικά 6 (2000), 9–35. Zur Peloponnes vgl. Hassiotis, Οι Έλληνες στις παραμονές, 133, Anm. 3 (Hinrichtung von Germanos Metr. von Patras), 101f. (zu Makarios, Metr. von Monemvasia); Laskaris, »Εκκλήσεις του επισκόπου Μάνης Νεοφύτου«. 47 Vgl. Patrinelis, Συμβιβασμοί και προσδοκίες, 12–15.
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1572 und 1579–1580)48 oder zu Spanien (Theoliptos II., 1585–1587; Matthaios II., 1596 und 1598–1601; Rafail II., 1603–1607, und besonders Neofytos II., 1601– 1603, 1607–1612)49 belegt ist, sind zu den unionsfreundlichen Patriarchen der Zeit zu zählen. Daran und an mehreren Beispielen aus dem zweiten Teil dieser Arbeit ist die oft entscheidende Rolle sowohl der kirchlichen Fraktionen als auch der einzelnen Persönlichkeiten festzustellen, deren Bedeutung mitunter unterschlagen wird, wenn nur allgemein und undifferenziert von der Kirche und ihrer Haltung gegenüber dem Sultan oder der westlichen Christenheit die Rede ist. Ungeachtet der unterschiedlichen Haltungen gegenüber dem Eingreifen einer katholischen Macht war die Verurteilung von Einzelaktionen rebellischer Hierarchen seitens des Ökumenischen Patriarchats selbstverständlich. Der Fall der beiden Bewegungen des Metropoliten von Larissa Dionysios Filosofos, spöttisch Skylosofos (σκύλος = Hund) genannt, 1600 in Thessalien und erneut 1611 in Ioannina, ist dafür bezeichnend. Die vorangegangenen Verhandlungen von Dionysios, der selbst in Italien studiert hatte, mit dem Papst und dem spanischen König (Dionysios bewegte sich von 1600 bis 1609 zwischen Rom, Neapel und Spanien), die Berufung auf Divination und astrologische Vorzeichen, die soziale Komponente seiner Bauernbewegung und die anschließenden schweren Repressalien machen trotz der mitunter fragmentarischen Informationen aus dem Fall ein Paradebeispiel.50 Die Patriarchatssynode verurteilte seine Aktivitäten und setzte ihn 1601 ab, während ihm sein Widersacher, der Priestermönch Maximos, nach dem Niederschlagen des Aufstandes von 1611 und Dionysios’ unmittelbar darauffolgender Hinrichtung eine heftige Schmähschrift widmete.51 Darin werden nicht nur die unrealistischen Erfolgsaussichten der Bewegung und überhaupt die diesseitigen Ambitionen von Geistlichen kritisiert, sondern noch 48 Vgl. Hassiotis, Οι Έλληνες στις παραμονές, 60, 67, 76–79, 124–134; Ch. de Clerq, »Le patriarche de Constantinople Métrophanes III (1580) et ses sympathies unionistes«, in: Mélanges J. Dauvilliers, Toulouse 1979, 193–206. 49 Vgl. I. K. Hassiotis, »Spanish Policy towards the Greek Insurrectionary Movements of the Early Seventeenth Century«, in: Actes du IIe Congrès international des études du Sud-est européen, Bd. 3, Athen 1978, 313–329, hier 319; ders., Σχέσεις Ελλήνων και Ισπανών, 41. Siehe die Edition eines Briefs von Neofytos II. an Philip III. (April 1609), worin neben einem Appell an den spanischen König zur Befreiung Konstantinopels auch die Agenten des Patriarchen am spanischen Hof erwähnt werden: Bádenas, »Η διστακτική πολιτική«, 21; vgl. Floristán Imízcoz, Fuentes, Bd. 1, 220–225. 50 Vgl. E. Gara, »Prophecy, Rebellion, Suppression: Revisiting the Revolt of Dionysios the Philosopher in 1611«, in: G. Salinero u. a. (Hg.), Paradigmes rebelles. Pratiques et cultures de la désobéissance à l’époque moderne, Brüssel 2018, 335–363 ; Papadopoulos, Απελευθερωτικοί αγώνες, 91–96; Bartl, Der Westbalkan, 146–153. 51 Vgl. D. M. Sarros, »Μαξίμου ιερομονάχου του Πελοποννησίου λόγος στηλιτευτικός κατά Διονυσίου του επικληθέντος Σκυλοσόφου και των συναποστησάντων αυτώ εις Ιωάννινα εν έτει 1611« [Schmähschrift des Priestermönchs Maximos des Peloponnesiers gegen Dionysios, genannt Skylosofos, und seine Gefolgschaft beim Aufstand von 1611 in Ioannina], Ηπειρωτικά Χρονικά 3 (1928), 169–210.
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einmal die Stellung der osmanischen Herrschaft in Gottes Heilsplan unterstrichen. Letztere wird hier sogar jener der byzantinischen Kaiser vorgezogen, begünstige ja das Leiden die Erlösung der Seelen der Gläubigen.52 Konsequenterweise hatte Maximos in seiner Offenbarungsexegese (um 1598–1600), die erste dieser Gattung in der osmanischen Periode, jeglichen eschatologisch fundierten Befreiungsvisionen eine eindeutige Absage erteilt.53 Nicht nur aus der Argumentation von Maximos lässt sich dabei feststellen, dass, neben der gebotenen Loyalität, die romfeindliche Einstellung für die Abneigung gegenüber derartigen Projekten sorgte. Maximos gehörte dem Kreis der Patriarchen von Alexandria Meletios Pigas und Kyrillos Loukaris an, den Vertretern jener militanten antipäpstlichen Orthodoxie, die sich als Reaktion auf die Union von Brest (1596) formierte, von der noch im Folgenden die Rede sein wird. Diese bedeutete mehr oder weniger das Ende der relativ milden Beziehungen zwischen Konstantinopel und Rom in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und den Beginn stürmischer Auseinandersetzungen auch innerhalb der orthodoxen Kirche. In beispielhafter Weise werden wesentliche Aspekte der in diesem Kapitel erörterten Problematik gegenüber der osmanischen Herrschaft in einem in handschriftlicher und gedruckter Form verbreiteten und viel rezipierten Gedicht, dem Klagelied eines weiteren Gelehrten aus dem selben Kreis, des Metropoliten Matthaios von Myra, zusammengefasst.54 In dem wohl 1618 verfassten Werk, das übrigens auch der »loyale« Papasynadinos seiner Chronik voranstellte,55 werden das heilsgeschichtliche Deutungsmodell der osmanischen Eroberung wiederholt, die eigenen Sünden als Ursache angeführt, die Erwartung einer Erlösung durch Gottes Gnade geäußert56, aber zugleich die auf Orakel und »Pseudoprophezeiungen« sowie auf das Eingreifen christlicher Mächte gestützten Hoffnungen höhnisch widerlegt. Aus einem weiteren Grund ist das Werk hier zu zitieren. 52 »…δεικνύντος, οίμαι, του Θεού, ως μάλλον διά της τουτωνί τυραννίδος, ή της εκείνων επάρσεως σωθήναι δύνανται οι ορθόδοξοι. Πλείους γαρ, ως εμαυτόν πείθω, νύν ή τότε σώζονται. Ει γαρ αι θλίψεις προς Θεόν συνάγουσιν, αι ανέσεις πάντως Θεού χωρίζουσιν«, Sarros, »Λόγος«, 193 und ähnlich 203. 53 Vgl. A. Argyriou, Les exégèses grecques de l’Apocalypse à l’époque turque (1453–1821). Esquisse d’une histoire des courants idéologiques au sein du peuple grec asservi, Thessaloniki 1982, 127–157. Zu Maximos allgemein vgl. Podskalsky, Griechische Theologie, 154–156. 54 Ediert bei: É. Legrand, Bibliothèque grecque vulgaire, Bd. 2, Paris 1881, 231–333. Zu Matthaios und seinem Gedicht vgl. A. Vincent, »Byzantium Regained? The History, Advice and Lament by Matthew of Myra«, Thesaurismata 28 (1998), 275–347; N. Panou, »Greek-Romanian Symbiotic Patterns in the Early Modern Period: History, Mentalities, Institutions – I«, The Historical Review 3 (2006), 71–110, hier 75–85; Petrovszky, Geschichte schreiben, 177–193; O. Olar, »Matthaios of Myra«, CMR, Bd. 10, hg. von D. Thomas, J. Chestworth, Leiden u. a. 2017, 146–153. 55 Odorico (Hg.), Conseils et Mémoires, 56–66. 56 Verse 2317–2322, 2477–2500.
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Denn wohl zum ersten Mal in einem griechischen Text taucht im Zusammenhang mit den bespotteten Hoffnungen die explizite Identifizierung der Moskowiter mit dem legendären »blonden Volk« der Orakeltradition auf.57
57 Verse 2328–2340.
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Die Frage nach dem Umgang mit byzantinischen Vorbildern in Moskau nach 1453 ist in der Forschung unterschiedlich beantwortet worden. Es ist zwar eine längst revidierte bzw. relativierte Auffassung, mit der Eroberung Konstantinopels, des »Neuen Roms«, und dem Ende des Byzantinischen Reiches habe das aufstrebende Moskau als »Drittes Rom« dessen Nachfolge angetreten und dessen imperiales Selbstverständnis geerbt. Dennoch sollte nicht von einer entschiedenen Abkehr von byzantinischen Modellen ausgegangen werden, denn das hieße, ihr Fortwirken nach 1453 gerade in der Ausformung der Selbständigkeitsbestrebungen Moskaus zu übersehen. Es ist eher der funktionale Charakter der verschiedenen Byzanzvorstellungen und -bezüge, der ihre Wirkung in Russland bestimmte. Waren schon bei der Taufe der Rus’ (988) politische Überlegungen des Fürsten Vladimir von Kiev ausschlaggebend gewesen, so blieben nach 1453 Grad des griechischen Einflusses und Gewicht der Beziehungen Moskaus zur postbyzantinischen griechischen Kulturwelt durch innerrussische Entwicklungen und Interessen bedingt.1 Gemäß Dimitri Obolenskys klassischem Konzept gehörte Altrussland seit seiner Christianisierung jener von byzantinischen kulturellen Normen und religiösen Überzeugungen bzw. Praktiken geprägten Gemeinschaft an, die er als »Byzantine Commonwealth« apostrophierte.2 Somit teilte es eine Weltanschauung, deren zentrale Bezugspunkte die Reichszentrale Konstantinopel, die orthodoxe Kirche und die zumindest symbolische Oberhoheit (»meta-political jurisdiction«)3 des oströmischen Kaisers waren. Über die praktische Wirksamkeit der Bindungen, insbesondere was die russische Eigenwahrnehmung angeht, ließe sich streiten.4 Auch den byzantinisch-russischen Kulturtransfer sollte man sich 1 Vgl. Hösch, »Byzanz und die Byzanzidee«, 6–17. 2 D. Obolensky, The Byzantine Commonwealth. Eastern Europe 500–1453, London 1971. 3 Obolensky, Commonwealth, 201 und ähnlich J. Meyendorff, Byzantium and the Rise of Russia. A Study of Byzantino-Russian relations in the fourteenth century, Cambridge 1981, 15–17. 4 Vgl. S. Franklin, »The Empire of the Rhomaioi as viewed from the Kievan Russia: Aspects of Byzantino-Russian Cultural Relations«, Byzantion 53 (1983), 507–537; C. Raffensperger,
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gewiss als vielfach eingeschränkt vorstellen. Das Kirchenslavische in Übersetzungen meist südslavischer Herkunft wirkte aufgrund der geringen Verbreitung von Griechischkenntnissen in Altrussland gleichermaßen als Brücke und als Barriere zu einer eigen- und vollständigen Begegnung, es spielte daher nicht nur eine vermittelnde Rolle.5 Rezipiert wurden gemäß den Aufnahmebedingungen und den Bedürfnissen der altrussischen Gesellschaft allenfalls Teilaspekte der byzantinischen Schriftkultur, wobei kirchliches Gebrauchsschrifttum im Allgemeinen theologischer Literatur vorgezogen wurde, ganz zu schweigen von profaner, klassischer Literatur.6 Schon von daher entwickelte sich in Altrussland ein spezifisches Verständnis der Orthodoxie, das sich in besonderem Maße auf die bedingungslose Bewahrung des einmal Ererbten und Überlieferten richtete.7 Auf der Ebene der Herrschaftspraktiken, sosehr die altrussischen Fürsten dem hohen Vorbild des christlichen Kaisers nacheiferten, entwickelte sich die Herrschaft des Familienverbands der Rjurikiden unabhängig von byzantinischen Modellen.8 Doch die Beziehung zu Konstantinopel war für Altrussland in mehrfacher Hinsicht prägend. Seit den wiederholten Angriffen der gefürchteten Ρως auf die Kaiserstadt im 9. und im 10. Jahrhundert regelten die daraufhin geschlossenen Verträge den Handelsaustausch auf dem die Ostsee mit dem Schwarzen Meer verbindenden Wasserweg, der berühmten Handelsroute ›von den Warägern zu
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»Revisiting the Idea of the Byzantine Commonwealth«, Byzantinische Forschungen 28 (2004), 159–174; ders., Reimagining Europe: Kievan Rus’ and the Medieval World, Cambridge Mass. 2012, Kapitel 1: »The Byzantine Ideal«; vgl. dazu das Diskussionsforum in Russian History 42 (2015). Obolensky hat selbst ausdrücklich den Vorrang der Perspektive des Historikers gegenüber der Wahrnehmung der historischen Akteure in seinem Ansatz unterstrichen, Obolensky, Commonwealth, 2; vgl. die Überlegungen von J. Shepard, »The Byzantine Commonwealth 1000–1550«, in: The Cambridge History of Christianity, Bd. 5: Eastern Christianity, hg. von M. Angold, Cambridge 2006, 3–52, hier 40f., 46–52. Vgl. Obolensky, Commonwealth, 324; E. Hösch, »Griechischkenntnisse im alten Rußland«, in: Serta slavica in memoriam Aloisii Schmaus. Gedenkschrift für Alois Schmaus, München 1971, 250–260; S. Franklin, »Greek in Kievan Rus’«, DOP 46 (1992), 69–81. Vgl. F. J. Thomson, The Reception of Byzantine Culture in Mediaeval Russia [Variorum Reprints], Aldershot u. a. 1999, insb. die Aufsätze I, IV, VII; zum ganzen Themenkomplex vgl. E. Hösch, Die Kultur der Ostslaven, Wiesbaden 1977, 23–41; ders., »Byzanz und die Kultur Altrußlands. Kritische Anmerkungen zum Stand der Forschungsdiskussion«, in: L. M. Hoffmann (Hg.), Zwischen Polis und Peripherie. Beiträge zur byzantinischen Geschichte und Kultur, Wiesbaden 2005, 515–530; G. P. Majeska, »Byzantine Culture in Russia: Doesn’t It Lose Something in Translation?«, in: O. Delouis u. a. (Hg.), Héritages de Byzance en Europe du Sud-Est à l’époque moderne et contemporaine, Athen 2013, 349–358. »At all times in Russia, there was a certain unconscious awareness, that Christianity had been ›imported‹«, Meyendorff, Byzantium and the Rise of Russia, 26; vgl. G. Podskalsky, Christentum und theologische Literatur in der Kiever Rus’ (988–1237), München 1982, 273–278; J. H. Billington, The Icon and the Axe. An Interpretive History of Russian Culture, New York 1970, 5f. Vgl. A. Kazhdan, »Byzanz und das östliche Europa«, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 2, München 1983, 1294–1304, hier 1297; Franklin, »The Empire of the Rhomaioi«, 529.
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den Griechen‹. Im Zuge der Christianisierung kamen ein reger Personenverkehr von Kaufleuten, Geistlichen und Gesandten zwischen Kiev und Konstantinopel und nicht zuletzt dynastische Verbindungen zustande.9 Die politische und kulturelle Orientierung der Kiever Oberschicht am byzantinischen Vorbild hatte nachhaltige Wirkungen. Aus der altrussischen christlichen Kultur, ob Malerei und Architektur oder Denk- und Lebensweisen, ist der byzantinische Ausgangspunkt nicht wegzudenken. Dabei gehörten die Gebiete der Kiever Großfürsten nie dem byzantinischen Machtbereich an. Der Einfluss Konstantinopels wurde vornehmlich über die Kirchenorganisation geltend gemacht. Die Metropolie von Kiev gehörte seit ihrer Errichtung in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts zum jurisdiktionellen Verband des Ökumenischen Patriarchats. Sie umfasste nicht etwa eine Reichsprovinz nach dem Vorbild anderer Eparchien der orthodoxen Kirche, sondern das ganze Land der Rus’. Die Metropoliten, ob griechischer Herkunft oder nicht, wurden stets vom Patriarchen in Konstantinopel ernannt und geweiht, ohne jedoch deshalb einen kirchenpolitischen Sonderstatus zu genießen und als außenpolitische Vertreter Konstantinopels agieren zu müssen.10 Erst nach den für beide Seiten katastrophalen Ereignissen des Vierten Kreuzzugs (1204) und des Mongolensturms (1237–42) wuchs die kirchenpolitische Bedeutung der russischen Metropolie für Konstantinopel. In der selbstbewussten und groß angelegten Kirchenpolitik der Patriarchen des 14. Jahrhunderts nahmen die russische Metropolie und das große orthodoxe Volk des Nordens (τὸ πολυάνθρωπον ἔθνος ἐκεῖνο)11 einen besonderen Platz ein.12 Beim 9 Vgl. Obolensky, Commonwealth, 180–201. Zum byzantinischen Russenbild vgl. P. Schreiner, »Zum Bild der Russen in der byzantinischen Literatur«, in: A.-E. Tachiaos (Hg.), The Legacy of Saints Cyril and Methodius to Kiev and Mosow, Thessaloniki 1992, 417–425; A. Carile, »Byzantine Political Ideology and the Rus’ in the Tenth–Twelfth Centuries«, in: ders., Immagine e realtà nel mondo bizantino, Bologna 2000, 153–167; M. Gerolymatou, »Οι Ρώσοι μέσα από τη ματιά των Βυζαντινών του 9ου και 10ου αιώνα« [Die Russen aus der Sicht der Byzantiner des 9. und 10. Jahrhunderts], in: O. Katsiardi-Hering u. a. (Hg.), Russia and the Mediterranean. Proceedings of the First International Conference, Bd. 1, Athen 2011, 157–172. 10 Vgl. Meyendorff, Byzantium and the Rise of Russia, 73–95; L. Müller, »Russen in Byzanz und Griechen im Rus’ Reich«, Bulletin d’Information et de Coordination 5 (1971), 96–118; A. Pliguzov, »On the Title Metropolitan of Kiev and All Rus’«, HUS 15 (1991), 340–353; S. Plokhy, The Origins of the Slavic Nations. Premodern Identities in Russia, Ukraine, and Belarus, Cambridge 2006, 43. Bischöfe griechischer Herkunft dominierten nur in der Anfangsphase, vgl. E. Hösch, »Griechische Bischöfe in Altrußland«, in: E. Hübner u. a. (Hg.), Zwischen Christianisierung und Europäisierung. Beiträge zur Geschichte Osteuropas in Mittelalter und früher Neuzeit. Festschrift für Peter Nitsche zum 65. Geburtstag, Stuttgart 1998, 201–220; A.-E. Tachiaos, »The Greek Metropolitans of Kievan Rus’. An Evaluation of their Spiritual and Cultural Activity«, HUS 12/13 (1988–89), 430–445. 11 Miklosich, Müller, Acta, Bd. 1, 526. 12 Vgl. Beck, Geschichte der orthodoxen Kirche, 229f., 237–240; Meyendorff, Byzantium and the Rise of Russia, 96–118; Panou, »Greek-Romanian Symbiotic Patterns – I« , 94–97. In diesem
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langjährigen Streit rivalisierender Teilfürstentümer um die Metropolitenwürde ›der ganzen Rus’‹ sahen die Patriarchen im Erhalt der Einheit der Metropolie die Voraussetzung, ihre Einflussmöglichkeit und Autorität zu bewahren. Die Unterstützung Konstantinopels hat letztlich gewiss zur Durchsetzung Moskaus als Führungsmacht im ostslavischen Raum gegenüber Litauen oder etwa Tver’ beigetragen.13 Die Tatsache aber, dass im Gewirr der innerbyzantinischen »Bürgerkriege« nicht ohne Schwankungen auf die Karte Moskaus gesetzt wurde, dürfte gewisse Ressentiments gegen die verschlagenen, arroganten und hinterlistigen Griechen, die seit der Zeit der Christianisierung in latenter Form bestanden und immer wieder zum Ausdruck kamen, verstärkt haben.14 Auch im Lichte solcher Unterströmungen ist der tatsächliche Bruch zu sehen, den die Ablehnung der in Florenz unterzeichneten Kirchenunion in Moskau einleitete. Während vor dem 13. Jahrhundert, abgesehen von gelegentlichen antilateinischen Stellen in der Übersetzungsliteratur, von keinem ausgeprägten Lateinerhass in der Rus’ zu reden ist, sorgte dort nach dem Vierten Kreuzzug die Verbreitung zum einen der Schreckensnachrichten von der Plünderung der Kaiserstadt durch die Kreuzfahrer (1204), zum anderen der byzantinischen antilateinischen Polemik dafür, dass sich die Abneigung und das Misstrauen gegenüber der westlichen Christenheit verfestigten.15 Die Auseinandersetzungen mit den Schweden und den Rittern des Deutschen Ordens nordwestlich der Stadt Zusammenhang ist auch der berühmte und stets im Sinne einer unversehrten byzantinischen Weltanschauung zitierte Brief des Patriarchen Antonios IV. an den Moskauer Großfürsten Vasilij Ι. im Jahre 1393 zu lesen. Der Patriarch wandte sich an den Großfürsten, der die Kommemoration des byzantinischen Kaisers seitens des Metropoliten gestrichen hatte, mit der Mahnung, es sei unmöglich, dass die Christen eine Kirche ohne den Kaiser haben, denn beide seien nicht voneinander zu trennen: Miklosich, Müller, Acta, Bd. 2, 188–192, hier 191. Abgesehen davon, dass Antonios gemäß den »hierokratischen« Tendenzen der spätbyzantinischen Kirche die Rolle des Kaisers eher kleinschreibt und seine Stellung mehr oder weniger zu einem ihm von der Kirche verliehenen Privileg umdefiniert, ist zu berücksichtigen, dass es bei der Episode vermutlich nur um die Reaktion Vasilijs auf eine Neuerung ging, die der Metropolit Kyprian, ein Vertreter dieses sogenannten »politischen Hesychasmus«, in Moskau unlängst eingeführt hatte, vgl. Meyendorff, Byzantium and the Rise of Russia, 255f.; Beck, Jahrtausend, 97f. 13 Vgl. Meyendorff, Byzantium and the Rise of Russia, 145–178; Fr. Tinnefeld, »Byzantinischrussische Kirchenpolitik im 14. Jahrhundert«, BZ 67 (1974), 359–383; I. Sˇevcˇenko, »Nekotorye zamecˇanija o politike konstantinopol’skogo patriarchata po otnosˇeniju k Vostocˇnoj Evrope v XIV v.«, in: Grecˇeskij i slavjanskij mir v srednie veka i rannee novoe vremja [Slavjane i ich sosedi 6], Moskau 1996, 133–139; S. Senyk, »The Patriarchate of Constantinople and the Metropolitans of Rus’ 1300–1600«, in: Le Patriarcat Œcuménique de Constantinople aux XIVe – XVIe siècles: Rupture et Continuité [Dossiers Byzantins 7], Paris 2007, 91–101; Shepard, »The Byzantine Commonwealth 1000–1550«, 28–33, 41–46. 14 Vgl. Obolensky, Commonwealth, 263–267; Hösch, »Byzanz und die Byzanzidee«, 8; I. Sˇevcˇenko, »Byzantium and the East Slavs«, 94. 15 Vgl. A. M. Ammann SJ., Abriß der ostslawischen Kirchengeschichte, Wien 1950, 35, 61; Podskalsky, Christentum und theologische Literatur, 170–185.
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Novgorod (die Schlachten an der Neva und auf dem gefrorenen Peipussee 1240 und 1242) taten ein Übriges, obschon diese Vorfälle erst viel später zum Überlebenskampf der russischen Orthodoxie stilisiert wurden.16 Es ist daher wenig verwunderlich, dass man in den russischen Territorien kaum Verständnis für die Unionsbemühungen der durch das osmanische Vordringen bedrängten Kaiser aufbringen konnte. Die Entschlüsse des Unionskonzils von Ferrara und Florenz 1438/39 konnte der griechische Unionsfreund Isidoros, der als Haupt der russischen Metropolie (seit 1437) und der russischen Delegation am Unionskonzil teilgenommen hatte, in Moskau nicht durchsetzen. In seiner neuen Funktion als Kardinallegat des Papstes für Litauen, Livland und Russland im März 1441 nach Moskau zurückgekehrt, wurde er vom Großfürsten Vasilij II. der Häresie bezichtigt und in Klosterhaft genommen. Dass es bis 1448 dauerte, ehe der vakante Metropolitenthron besetzt wurde, hing mit dem jahrelangen hartnäckigen Thronstreit in Moskau zusammen. Als sich Vasilij gegen seine Widersacher durchsetzen konnte, ließ er den Bischof von Rjazan’ Iona von einer Bischofssynode in Moskau zum Metropoliten wählen. Die aus diesen eigenmächtigen Schritten resultierende Verlegenheit Moskaus gegenüber Konstantinopel ist jedoch evident. Isidoros ließ man stillschweigend, bevor ihm der Prozess gemacht wurde, bereits im September 1441 aus Moskau fliehen. Zwei 1441 und 1452 verfasste Briefe des Großfürsten nach Konstantinopel, die jeweils Isidoros’ Absetzung und Ionas Wahl rechtfertigten sowie um Duldung baten, wurden wahrscheinlich nicht abgeschickt, wenn sie überhaupt nicht erst nachträglich verfasst wurden.17 Erst die Eroberung Konstantinopels 1453 durch die Osmanen machte die Autokephalie der russischen Kirche zum fait accompli. Auf die Einwilligung des unter den Ungläubigen amtierenden Patriarchen konnte man sich jetzt ungeachtet der faktischen Annullierung der Kirchenunion (förmlich 1484) verzichten. War die Trennung von Konstantinopel seit 1448 de facto eingetreten, so wurde sie von einer zweiten Bischofssynode in Moskau 1459 auch de jure bestätigt. Im Spiegel des auch in der russischen Chronistik üblichen Kausalitätsmusters »um unserer Sünden willen« (grech radi nasˇich)18 lieferte der Untergang der Kaiser-
16 Vgl. E. Hösch, Geschichte Rußlands, 60–64. 17 Vgl. P. Nitsche, »Die Mongolenzeit und der Aufstieg Moskaus (1240–1538)«, in: HGR, Bd. I/1, Stuttgart 1981, 534–712, hier 631–633; K. Onasch, Grundzüge der russischen Kirchengeschichte [Die Kirche in ihrer Geschichte M1], Göttingen 1967, 26–30; H. Schaeder, Moskau, das Dritte Rom. Studien zur Geschichte der politischen Theorien in der slavischen Welt, Darmstadt 19572, 37–38; G. Alef, »Muscovy and the Council of Florence«, SR 20 (1961), 389–401; N. V. Sinicyna, Tretij Rim. Istoki i evoljucija russkoj srednevekovoj koncepcii (XV–XVI vv.), Moskau 1998, 63– 77; Ostrowski, Muscovy and the Mongols, 138–141. 18 Vgl. L. Steindorff, »Der fremde Krieg: Die Heerzüge der Mongolen 1237–1242 im Spiegel der altrussischen und lateinischen Chronistik«, in: K. Clewing, O. J. Schmitt (Hg.), Südosteuropa.
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stadt zudem einen überzeugenden Beweis für die Richtigkeit dieser Entscheidungen. Zum Ausdruck brachte ihn prägnant selbiger Metropolit Iona: Solange Konstantinopel an Frömmigkeit und Rechtgläubigkeit festhielt, habe es allen Angriffen standgehalten. Gefallen sei es wegen des in Florenz begangenen Glaubensabfalls. In Moskau aber seien die lateinischen Häresien abgewiesen und der rechte Glaube dank der Frömmigkeit des Großfürsten erhalten worden. Somit stieg Moskau in der eigenen Wahrnehmung zum wahren und einzigen Hort der »auf der ganzen Erde leuchtenden« Orthodoxie und der »gottgekrönte« Großfürst zu deren Schutzherrn auf.19 Diese Überzeugung mit einer translatio imperii gleichzusetzen, mit einem Anspruch also auf die Beerbung des untergegangenen Byzantinischen Reichs oder mit Moskaus Übernahme von dessen imperialem Selbstverständnis, wäre allerdings verfehlt. Die zur Untermauerung der Translationsthese in der älteren Literatur in Anspruch genommenen Texte, Sachverhalte und Ereignisse können bei näherer Betrachtung hierzu nicht dienen.20 So hat etwa die Ehe des Großfürsten Ivan III. (1462–1505) mit der Nichte des letzten byzantinischen Kaisers Zoi Palaiologina im Jahre 1472 nicht die ihr später zugeschriebenen weitreichenden Folgen gehabt. Den Initiatoren der Eheschließung, der päpstlichen Kurie, dem venezianischen Senat und dem Kardinal Bessarion, in dessen Schutz die verwaiste Prinzessin in Rom lebte, mag der Gedanke vom byzantinischen Erbe nicht fremd gewesen sein. Neben einer möglichen zweiten Chance für die gescheiterte Union ging es ihnen besonders darum, Moskau in eine große antiosmanische Koalition einzuspannen, welche im langen venezianisch-osmanischen Krieg (1463–1479) eine Wende herbeiführen würde. Der venezianische Senat hatte 1473 in einer Botschaft nach Moskau immerhin ausdrücklich klargemacht, dass durch die Ehe das östliche Kaiserreich rechtmäßig auf Ivan III. übergegangen sei.21 An der Anknüpfung diplomatischer Verbindungen zum Von vormorderner Vielfalt und nationalstaatlicher Vereinheitlichung. Festschrift für Edgar Hösch, München 2005, 93–118. 19 Es handelt sich um eine Reihe von Sendschreiben (1458–61) Ionas an die Bischöfe im litauischen Machtbereich, vgl. P. Hauptmann, G. Stricker (Hg.), Die Orthodoxe Kirche in Rußland. Dokumente ihrer Geschichte (860–1980), Göttingen 1988, 227–233; O. Alexandropoulou, »Η Άλωση της Πόλης στα μεσαιωνικά ρωσικά γράμματα. Σύμβολα και ιδέες« [Die Eroberung Konstantinopels in der mittelalterlichen russischen Literatur. Symbole und Ideen], Θέματα Λογοτεχνίας 12 (Juli–Oktober 1999), 173–192, hier 178; Sinicyna, Tretii Rim, 91– 100. 20 Zum ganzen Themenkomplex, die Forschungsergebnisse zusammenfassend, vgl. P. Nitsche, »Moskau – das Dritte Rom?«, GWU 42 (1991), 341–354; ders., »Romidee III. Moskau«, LexMa 7, 1010. 21 1519 wiederholte der Papst gegenüber Moskau diese Zusicherung des konstantinopolitanischen Erbes im Falle eines siegreichen antiosmanischen Kreuzzugs, vgl. Schaeder, Moskau, 52, Anm. 1 und 82–84; J. Meyendorff, »Was there ever a ›Third Rome‹? Remarks on the Byzantine Legacy in Russia«, in: J. Yiannias (Hg.) The Byzantine Tradition after the Fall of
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Westen und am Prestigegewinn, den die Ehe gewiss bedeutete, war Ivan III. offensichtlich interessiert. Zu den außenpolitischen Komplikationen, die eine Beanspruchung des oströmischen imperialen Erbes hätte nach sich ziehen können, zum Risiko eines Konflikts mit dem osmanischen Sultan oder dem diesem tributpflichtigen Krimchanat, ließ er sich jedoch nicht verleiten.22 Aus der Ehe mit Zoi, in Moskau in Sof ’ja umgetauft, hat er auch kein politisches Kapital zu schlagen versucht, als es ihm um den Beweis der Gleichrangigkeit gegenüber dem westlichen Kaiser ging. Mit jenen diplomatischen Kontakten zu den Habsburgern in den 1480er Jahren – und nicht etwa mit einem vermeintlichen Einfluss Sof ’jas auf ihren Ehemann, der sie sogar zeitweilig aus Moskau verbannte – hängen auch Neuerungen in Sachen Staatssymbolik, Hofzeremoniell und Titel zusammen. Sowohl bei der Übernahme des Doppeladlers als Staatswappen – solche Qualität besaß das Symbol in Byzanz nicht – als auch bei der Gestaltung des Gesandtschaftszeremoniells orientierte man sich in Moskau am habsburgischen Vorbild, um die beanspruchte Ebenbürtigkeit zu unterstreichen.23 Was insbesondere den Zarentitel betrifft, so kann seine Übernahme durch Moskau kaum als Anspruch auf die Beerbung Ostroms gedeutet werden. Der etymologisch auf den lateinischen caesar zurückgehende Titel (Car’) war im russischen Gebrauch, obwohl er dem griechischen βασιλεύς entspricht, nicht dem Kaiser vorbehalten. Die biblischen Herrscher in den kirchenslavischen Übersetzungen, aber auch die mongolischen Chane und die osmanischen Sultane wurden allesamt als Zaren bezeichnet. Selbst die russischen Teilfürsten wurden schon seit dem 11. Jahrhundert gelegentlich in Chroniken und besonders seitens des Klerus Zaren genannt. Ivan III., der nach der Abschaffung der Tributpflicht gegenüber der Goldenen Horde als erster Moskauer Großfürst den Titel offiziell – allerdings nur zögernd – benutzte, kann nur auf die Unterstreichung der Souveränität und der Gleichrangigkeit mit anderen Monarchen seiner Zeit gezielt haben.24 Weitere Zusätze wie gosudar’ (Herr, Herrscher) und samoderzˇec (SelbstConstantinople, Charlottesville u. a. 1991, 45–60, hier 59, Anm. 13; M. Hellmann, »Moskau und Byzanz«, JGO 17 (1969), 321–344, hier 323. 22 Vgl. Hösch, »Die Stellung Moskoviens«, 323–325. 23 Vgl. G. Alef, »The Adoption of the Muscovite Two-Headed Eagle: A Discordant View«, Speculum 41 (1966), 1–21; Hellmann, »Moskau und Byzanz«, 332–338; E. V. Pcˇelov, »Proiˇ 7 (2009), 37–53. schozˇdenie russkogo dvuglavnogo orla: vzgljad soglasnogo«, KC 24 Vgl. K. Günther-Hielscher, V. Glötzner, H.-W. Schaller, Real- und Sachwörterbuch zum Altrussischen. Neu bearbeitet von E. Kraft, Wiesbaden 1995, 31–32; P. Nitsche, »Zar. Moskauer Rus’«, LexMa 9, 476f.; V. Glötzner, »Das Moskauer Cartum und die Byzantinische Kaiseridee«, Saeculum 21 (1970), 393–418, hier 398f., 408f.; A. I. Filjusˇkin, Tituly russkich gosudarej, Moskau–St. Petersburg 2006, 71–81; M. Szeftel, »The Title of the Muscovite Monarch up to the End of the Seventeenth Century«, CASS 13 (1979), 59–81, hier 70–71; Wl. Vodoff, »Remarques sur la valeur du terme tsar’ appliqué aux princes russes avant le milieu du XVe siècle«, Oxford Slavonic Papers 11 (1978), 1–41, ders., »Le titre tsar’ dans la Russie du
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herrscher, Übersetzung des griechischen αὐτοκράτωρ) sollten äußere Unabhängigkeit und innere Souveränität des Moskauer Herrschers zum Ausdruck bringen.25 Ein Vergleich zwischen dem spätbyzantinischen Kaisertitel (ἐν χριστῷ τῷ θεῷ πιστὸς βασιλεὺς καὶ αὐτοκράτωρ ῥωμαίων) und jenem Ivans IV. (velikij gosudar’, bozˇieju milostiju car’ vseja Rusi i velikij knjaz’… , woran sich eine lange Reihe von Territorialtiteln anschließt) zeigt ohnehin deutlich, dass Ersterer in Moskau nicht kopiert wurde. Insgesamt ist die Moskauer ›Autokratie‹ an sich nicht als Import aus Byzanz zu verstehen.26 Abgesehen von Institutionen und machtpolitischen Strukturen, ist in diesem Zusammenhang die Divergenz im Herrschaftsverständnis von Bedeutung. Mit dem für das byzantinische Selbstverständnis konstitutiven Universalitätsanspruch fehlte eine grundlegende Voraussetzung für die Wahrnehmung des eigenen Staates als Erbe des untergegangenen Kaiserreichs. Vielmehr war das aus der historischen Lage herausgewachsene Sonderbewusstsein – in Moskau herrschte nun der einzige souveräne orthodoxe Monarch – auf Abgrenzung und Autarkie ausgerichtet. An der apokalyptisch aufgeladenen Wende nord-est vers 1440–1460 et la tradition littéraire vieux-russe«, in: Studia slavico-byzantina et mediaevalia europensia, Bd. 1, Sofia 1988, 54–60; M. Cherniavsky, »Khan or Basileus: An Aspect of Russian Mediaeval Political Theory«, Journal of the History of Ideas 20 (1959), 459– 476, hier 462–466; Ostrowski, Muscovy, 178–184. 25 Vgl. Real- und Sachwörterbuch, 86–88, 301–303. Gosudar’ wurde ähnlich wie Car’ erstmals durch Ivan III. verwendet, seit Ivan IV. ist es ein fester Bestandteil des Titels. Die Aufnahme von samoderzˇec erfolgte selten unter Ivan IV. und offiziell erst unter Fedor Ivanovicˇ. Ivan IV. hat selbst beide Titel im Sinne der unumschränkten Herrschaft des Monarchen im Gegensatz zum polnischen Wahlkönigtum und gegenüber den Machtansprüchen der Bojaren interpretiert, vgl. Glötzner, »Moskauer Cartum«, 402–407, 412–414; Szeftel, »The Title of the Muscovite Monarch«, 62–69; Filjusˇkin, Tituly russkich gosudarej, 55–70; R. Binner, »Zur Datierung des ›Samoderzˇec‹ in der russischen Herrschertitulatur«, Saeculum 20 (1969), 57– 68. 26 Vgl. G. Alef, »Byzantine and Russian Autocracy: A Comparison«, FOG 50 (1995), 9–27; E. Klug, »Wie entstand und was war die Moskauer Autokratie?«, in: E. Hübner u. a. (Hg.), Zwischen Christianisierung und Europäisierung. Beiträge zur Geschichte Osteuropas in Mittelalter und früher Neuzeit. Festschrift für Peter Nitsche zum 65. Geburtstag, Stuttgart 1998, 91–113; S. Plaggenborg, Pravda. Gerechtigkeit, Herrschaft und sakrale Ordnung in Altrussland, München 2018, 33–45; C. J. Halperin, »The Nature of the Muscovite State During the Reign of Ivan IV: The Tyranny of Concepts«, in: P. Bushkovitch (Hg.), The State in Early Modern Russia: New Directions, Bloomington IN 2019, 77–95; Neubauer, Car und Selbstherrscher, 20–29 ; Nitsche, »Die Mongolenzeit«, 703–707. Für einen Überblick der kontroversen Forschungsdiskussion zum mongolischen oder byzantinischen politischen Hintergrund Moskaus vgl. Ostrowski, Muscovy, 1–27. Ostrowski selbst apostrophiert in bewusster Vereinfachung: »In articulation of theory, Muscovy was Byzantine; in administrative practice, Mongol« (S. 10). In der Folge präzisiert er diese Sicht: Während die Großfürsten und die weltliche Verwaltung weiterhin mongolischen Herrschaftspraktiken folgten, vertrat die Mokauer Kirche eine an byzantinischen Vorbildern orientierte Ideologie, mit der sie sich schließlich auch durchsetzte und den »Chan zum Basileus« umzudefinieren vermochte, vgl. Hösch, »Byzanz und die Byzanzidee«, 12.
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zum neuen Millennium (7000 = 1492/93) kam diese Überzeugung einem neuartigen Sendungsbewusstsein gleich.27 In diesem Zusammenhang lässt sich die berüchtigte, doch keinesfalls zur Staatsdoktrin erhobene Denkfigur vom »Dritten Rom« einordnen. Bestimmend ist nämlich der religiöse und insbesondere eschatologische Kontext, in dem die Vorstellung in den Sendschreiben des Mönchs Filofej von Pskov im beginnenden 16. Jahrhundert erstmals artikuliert wurde: »Zwei Rome sind gefallen, aber das dritte steht, und ein viertes wird es nicht geben.«28 Nach dem Glaubensabfall der Griechen in Florenz – das alte Rom war schon wegen der Abhaltung des Gottesdienstes mit ungesäuertem Brot von der göttlichen Gnade verlassen worden – übernahm im Gedankengang Filofejs Moskau, oder korrekter das Reich des Großfürsten (carstvo nasˇego gosudarja), als drittes und letztes Rom eine heilsgeschichtliche Verantwortung, die er als vordringlichen Auftrag an den Großfürsten verstanden wissen wollte. Nur die Bewahrung des wahren Glaubens in seinem letzten Hort würde das bevorstehende Weltende verhindern, d. h. verschieben. Beruht diese Überzeugung auf der Vorstellung von Rom als letztem Reich der Danielprophetie (Dan 2 und 7 sowie 4 Esra,12) und auf seiner Funktion als Katechon, Bollwerk gegen den Antichrist (2 Thess 2,6), so scheint das von Filofej aufgegriffene Bild des vor dem Drachen in die Wüste fliehenden Weibes (Apk 12) – in der exegetischen Tradition als Symbol für die Kirche (ecclesia fugans) gedeutet – den geistlichen Charakter des Erbes zu unterstreichen. Eine Rekonstruktion und Kontextualisierung der Aussagen Filofejs zeigt zudem, dass es ihm eher darum ging, die Pflichten des Großfürsten gegenüber der Kirche zu
27 In der Vorrede des Metropoliten Zosima zur Ostertafel für das neue Millennium im Jahr 1492/ 7000 wird bei wiederholtem Hinweis auf das kommende Weltende der Großfürst Ivan III. als von Gott für die letzten Jahre auserwählter Selbstherrscher (samoderzˇec) und als »neuer Konstantin im neuen Konstantinopel« gefeiert. Konstantinopel wird im selben Zusammenhang in den überlieferten Handschriften unterschiedlich »Neues Rom« oder »Neues Jerusalem« genannt, vgl. M. S. Flier, »Till the End of Time. The Apocalypse in Russian Historical Experience before 1500«, in: V. A. Kivelson, R. H. Greene (Hg.), Orthodox Russia. Belief and Practice under the Tsars, University Park, Pennsylvania 2003, 127–158, hier 151–156; A. L. Gol’dberg, »K predystorii idei ›Moskva – Tretij Rim‹«, in: Kul’turnoe nasledie drevnej Rusi. Istoki, stanovlenie, tradicii, Moskau 1976, 111–116, hier 114f.; Sinicyna, Tretij Rim, 121–125; Ostrowski, Muscovy, 221f. 28 Sinicyna, Tretij Rim, 336–370, hier 345, dt. Übersetzung bei Schaeder, Moskau, 198–216, hier 204. Aus der umfangreichen Literatur zum Thema sei hingewiesen auf: D. Stremooukhoff, »Moscow the Third Rome: Sources of the Doctrine«, Speculum 28 (1953), 84–101; Fr. Kämpfer, »Beobachtungen zu den Sendschreiben Filofejs«, JGO 18 (1970), 1–46; ders., »Die Lehre vom Dritten Rom – pivotal moment, historiographische Folklore?«, JGO 49 (2001), 430– 441; E. Hösch, »Die Idee der Translatio Imperii im Moskauer Russland«, in: Europäische Geschichte Online (EGO), 2010-12-03. URL: http://www.ieg-ego.eu/hoesche-2010-de [25. 03. 2017]; Ostrowski, Muscovy, 219–230.
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definieren, als dessen Stellung zu überhöhen.29 Erst durch Herauslösung aus ihrem Kontext konnte seit dem späten 19. Jahrhundert in Filofejs Mahnbriefe ein Anspruch auf Weltherrschaft und eine Verheißung von ewiger Dauer für das »Dritte Rom« hineingelesen und zum Leitmotiv russischer Geschichte erklärt werden.30 Für das offizielle Selbstverständnis waren jedenfalls Formeln wie »Neues Israel« und »Neues Jerusalem« nicht weniger repräsentativ und ungachtet des byzantinischen Hintergrundes gegenüber der »Rom-Idee«31 noch besser geeignet, die direkte Gotterwähltheit zu demonstrieren und die griechische Vermittlung auszuklammern.32 Die Tendenzen, eine bodenständige Moskauer Tradition zu konstruieren, fanden ihren Höhepunkt in der Mitte des 16. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Zarenkrönung Ivans IV. (1547) durch den Metropoliten Makarij (1543–1564).33 Im selbstbewussten Programm des Metropoliten und 29 Ähnliches gilt für die »Erzählung von der weißen Mitra« (Povest’ o belom klobuke) aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die, ungeachtet einer Interpolation bei der Wendung vom »russischen Land« als »Drittem Rom«, darauf zielte, Novgorods kirchliche Autonomie gegenüber Moskau zu verteidigen, vgl. Ostrowski, Muscovy, 231–237; ders., »Ironies of the Tale of the White Cowl«, Palaeoslavica 10/2 (2002), 27–54; ders., »Images of the White Cowl«, in: V. Kivelson u. a. (Hg.), The New Muscovite Cultural History. A Collection in Honor of Daniel B. Rowland, Bloomington 2009, 271–284. 30 »It is the assumptions of historians of the last hundred years, not the situation of the sixteenth and seventeenth centuries, that have given the theory of the Third Rome its undeserved prominence«, P. Bushkovitch, »The Formation of a National Consciousness in Early Modern Russia«, HUS 10 (1986), 355–376, hier 361; vgl. M. Poe, »Moscow, the Third Rome: The Origins and Transformations of a ›Pivotal Moment‹«, JGO 49 (2001), 412–429; D. Ostrowski, »›Moscow the Third Rome‹ as Historical Ghost«, in: S. Brooks (Hg.), Byzantium: Faith and Power (1261–1557). Perspectives on Late Byzantine Art and Culture, New York 2007, 170–179; Chr. Roll, »Drittes Rom«, in: P. den Boer u. a. (Hg.), Europäische Erinnerungsorte, Bd. 2: Das Haus Europa, München 2012, 291–298; Sinicyna, Tretii Rim, 7–57. Obwohl noch zahlreiche Streitpunkte offen sind, von der Autorschaft und Datierung der einzelnen Mahnbriefe oder der paläographischen Absicherung der ursprünglichen Formulierungen bis zu den möglichen Quellen Filofejs, gehört die Revision der älteren Übertreibungen und Verzerrungen in der Osteuropaforschung längst zum Allgemeingut. Nicht so in der allgemeinen Geschichtswissenschaft, wo das Klischee weiterlebt, besonders wenn es strukturelle Dichotomien bedient, wie etwa bei H. A. Winkler, Geschichte des Westens. Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert, München 2009, 50f. 31 Vgl. E. Hösch, »Zur Rezeption der Rom-Idee im Rußland des 16. Jahrhunderts«, FOG 25 (1978), 136–145. 32 Vgl. J. Raba, »Moscow – The Third Rome or the New Jerusalem?«, FOG 50 (1995), 297–307; D. B. Rowland, »Moscow – The Third Rome or the New Israel?«, RR 55 (1996), 591–614; Erdeljan, Chosen Places, 196–221, wobei aber die Annahme, Moskau sei damit als universale Hauptstadt imaginiert worden (S. 215), irreführend ist. 33 Vgl. D. B. Miller, »The Coronation of Ivan IVof Moscow«, JGO 15 (1967), 559–574; ders., »The Velikie Minei Chetii and the Steppenaia Kniga of Metropolitan Makarii and the Origins of Russian National Consciousness«, FOG 26 (1979), 263–382; ders., »Creating Legitimacy: Ritual, Ideology and Power in Sixteenth-Century Russia«, Russian History 21 (1994), 289–315; Ammann, Abriß der ostslawischen Kirchengeschichte, 218–229; Onasch, Grundzüge der rus-
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seines Umkreises bot die Moskauer Kirche die nötigen Legitimationsgrundlagen für die Aufwertung der Moskauer Selbstherrschaft und sah den Zaren als Garanten einer eigenständigen russischen Orthodoxie. Einheimische, von der griechischen Praxis abweichende Bräuche und Formen des kirchlichen Ritus wurden in den Synoden von 1547, 1549 und 1551 (Stoglav, Hundertkapitelsynode) sanktioniert und als verbindliche Normen anerkannt, während mehrere russische Lokalheilige kanonisiert wurden. Von Makarij angeregte Kompilatioˇ et’i Minei (Große Lesemenäen, Monatslesungen), eine nen, wie die Velikie C Sammlung von Heiligenviten und weiteren Texten diverser Gattungen, darunter eines der Sendschreiben Filofejs, oder die Stepennaja kniga carskogo rodoslovija (Stufenbuch der zarischen Genealogie), eine von Olga bis Ivan IV. reichende Darstellung russischer dynastischer Kontinuität zwischen Kiev und Moskau, hatten in diesem Programm eine Schlüsselfunktion. In dieser »invention of tradition«34 ist die Bemühung unübersehbar, die Rolle Konstantinopels sowohl bei der Christianisierung als auch bezüglich der eigenen Herrschaftslegitimation herunterzuspielen. Man zog es konsequent vor, die Zarenwürde mit abenteuerlichen Legenden wie die der Abstammung der Rjurikiden-Dynastie von einem fiktiven Bruder des Kaisers Augustus zu begründen, anstatt sich auf die Ehe Ivans III. mit Zoi Palaiologina zu berufen.35 Ivan IV. selbst ging es, nicht anders als seinem Großvater, um die Behauptung der Ebenbürtigkeit mit den Monarchen seiner Zeit und nicht um die Beerbung eines Reiches, das ja in der eigenen Wahrnehmung durch Gottes Strafgericht untergegangen war. Das bekannte Diktum des Moskauer Zaren im Glaubensdisput mit dem päpstlichen Gesandten sischen Kirchengeschichte, 52f., 58f.; Fr. Kämpfer, G. Stökl, »Rußland an der Schwelle zur Neuzeit. Das Moskauer Zartum unter Ivan IV. Groznyj«, in: HGR, Bd. 1.1, Stuttgart 1988, 854– 960, hier 879–882, 887–889; P. Bushkovitch, Religion and Society in Russia. The Sixteenth and Seventeenth Centuries, New York u. a. 1992, 22–26, 75–87; Ch. Halperin, »Metropolitan Makarii and Muscovite Court Politics during the Reign of Ivan IV«, RR 73 (2014), 447–464. 34 Miller, »Creating Legitimacy«, 291f. 35 Auch in der Legende von der Übergabe der Krone und der kaiserlichen Herrschaftsinsignien von Kaiser Konstantin Monomachos (1042–1055) an den Großfürsten von Kiev Vladimir Monomach (1113–1125) und der anschließenden Krönung Vladimirs wird der Anspruch auf die Zarenwürde nicht wirklich auf eine Herrschaftsübertragung zurückgeführt, denn Byzanz bestand ja danach weiterhin. Erst im 17. Jahrhundert wurde sie gelegentlich in diesem Sinne umgedeutet, vgl. P. Nitsche, »Translatio Imperii? Beobachtungen zum historischen Selbstverständnis im Moskauer Zartum um die Mitte des 16. Jahrhunderts«, JGO 35 (1987), 321–338; G. P. Majeska, »Russia’s Perception of Byzantium after the Fall«, in: L. Clucas (Hg.), The Byzantine Legacy in Eastern Europe, New York 1988, 19–31; A. L. Gol’dberg, »K istorii rasskaza o potomkach Avgusta i o darach Monomacha«, TODRL 30 (1976), 204–216; H. Hecker, »Dynastische Abstammungslegende und Geschichtsmythos im Rußland des 16. Jahrhunderts«, in: P. Wunderli (Hg.), Herkunft und Ursprung. Historische und mythische Formen der Legitimation, Sigmaringen 1994, 119–132; A. Stender-Petersen, Geschichte der russischen Literatur, München 19864, 184–192; Sinicyna, Tretii Rim, 306–312; Schaeder, Moskau, 82–112; Ostrowski, Muscovy, 171–176; Plokhy, Origins, 135–151.
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Antonio Possevino (1582): »Nicht an die Griechen glaube ich, sondern an Christus«, fasst diese Entwicklung einprägsam zusammen. In seinen Sendschreiben führte der Zar zudem Byzanz und seinen Fall wiederholt als negatives Beispiel an, um pragmatisch die Notwendigkeit der Allgewalt des Monarchen gegenüber Machtansprüchen der Kirche und der Bojaren zu bekräftigen. In den politischen Schriften Ivan Peresvetovs tritt, in Form von Bittschriften an Ivan IV., diese Ansicht deutlicher zutage. Als Vorbild für den Moskauer Zaren bietet sich nun nicht der an den Eigeninteressen der Aristokratie gescheiterte oströmische Kaiser an, sondern der neue Herrscher am Bosporus, der osmanische Sultan.36
36 »Socˇinenija Ivana Semenovicˇa Peresvetova«, in: Biblioteka Drevnej Rusi, Bd. 9, St. Petersburg 2000, 428–451. Vgl. Stender-Petersen, Geschichte der russischen Literatur, 202–208; Majeska, »Russia’s Perception«, 28–29; Plaggenborg, Pravda, 132–151; S. A. Nefedov, »Reformy Ivana III i Ivana IV: osmanskoe vlijanie«, Voprosy Istorii 2002/11, 30–53, hier 40–47. Ivans Antwort an Possevino in: PDSDR, Teil 1/Bd. 10, nr. 174. Dort auch (Sp. 301) seine Absage an jeglichen Weltherrschaftsanspruch: »zdesˇnevo gosudarstva vselenskogo ne hotim«; vgl. P. Nitsche, ›Νicht an die Griechen glaube ich, sondern an Christus.‹ Russen und Griechen im Selbstverständnis des Moskauer Staates an der Schwelle zur Neuzeit, Düsseldorf 1991; I. Dujcˇev, »Vizantija i vizantijskaja literatura v poslanijach Ivana Groznogo«, TODRL 15 (1958), 159– 176, hier 166, 171.
4.
Russen und Griechen nach 1453
Bei aller Distanzierung vom einstigen Vorbild und bei aller Selbstverherrlichung des »heiligen Russlands« blieb nach 1453 das gewandelte und gesteigerte russische Selbstbewusstsein auf die von Byzanz übernommenen Legitimationsressourcen angewiesen. Wenn man sich bewusst bemühte, die Eigenständigkeit der Moskauer Selbstherrschaft und ihre Entfaltung unabhängig von Konstantinopel zu begründen, so beruhte ihre theoretische Fundierung auf den vorgegebenen byzantinischen Modellen, wie sie, allerdings auf vergleichsweise weniger subtile und differenzierte Formeln reduziert, in Russland rezipiert worden waren.1 Darüber hinaus wandte sich die Moskauer Führung in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, als es darum ging, Anerkennung und Legitimation für die Aneignung der Zarenwürde und für die anvisierte Erhebung der Moskauer Metropolie zum Patriarchat zu erhalten, an die Ökumenischen Patriarchen. Das war nur deshalb möglich, weil sich das ambivalente Verhältnis zur griechischen Orthodoxie keinesfalls in eine konsequente Ablehnung beschränkte und weiterhin seine Funktionalität behielt. Dies spiegelte sich nicht nur in der Überzeugung wider, in Moskau trotz allem rigoros am »griechischen Glauben« bzw. »Gesetz« (grecˇeskaja vera / grecˇeskij zakon) festzuhalten. Den griechischen Reisenden aus dem osmanischen Machtbereich, Almosenbettlern und Kaufleuten, wurde in Moskau trotz des verbreiteten Misstrauens die Rechtgläubigkeit in der Regel nicht abgesprochen.2 Griechische Emigranten haben in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, wenn auch in geringerem Umfang als in der italienischen Staatenwelt, in Moskau
1 »Dependence on Byzantium did not necessarily mean respect for the Byzantine Empire.«, Sˇevcˇenko, »Byzantium and the East Slavs«, 97; vgl. ders., »A Neglected Byzantine Source of Muscovite Political Ideology«, Harvard Slavic Studies 2 (1954), 141–179; Hösch »Byzanz und die Byzanzidee«, 11–13; Ostrowski, Muscovy, 199–218. 2 Vgl. Scheliha, Universalkirche, 235, 317–320; T. A. Oparina, »›Ispravlenie very grekov‹ v russkoj cerkvi pervoj poloviny XVII v.«, Rossija i Christianskij Vostok 2/3 (2004), 288–325.
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eine neue Wirkungsstätte finden können.3 Manche kamen im Gefolge der Großfürstin Zoi/Sof ’ja aus Rom und Venedig, andere direkt aus Konstantinopel oder Mistras. Aufgrund ihrer vornehmen Herkunft aus byzantinischen Adelsgeschlechtern, ihrer Sprachkenntnisse und Erfahrungen konnten Mitglieder der Familien Rallis, Trachaniotis, Laskaris, Chalkokondylis und Angelos Karriere am Moskauer Hof machen. Am erfolgreichsten war wohl die mit den Palaiologen verwandte Familie Trachaniotis. Georgios Trachaniotis (Jurij Trachaniot oder Jurij Grek in den russischen Quellen) etwa führte die langwierigen Verhandlungen um ein Bündnis mit den Habsburgern zwischen 1489–1493, während sein gleichnamiger Neffe (Jurij malyj) die wichtigen Ämter des Schatzmeisters (kaznacˇej) sowie des Siegelbewahrers (pecˇatnik) ausübte.4 Moskaus diplomatischer Verkehr mit den westlichen Staaten wurde unter Ivan III. in der Regel griechischen Diplomaten anvertraut. Auf ihren Gesandtschaftsreisen konnten sie nützliche Kontakte zu ihren Landsleuten in der westeuropäischen Emigration aufnehmen. Mit ihnen teilten sie nicht nur ähnliche Laufbahnen und Betätigungsfelder. Es scheint, dass die in den Kreisen von Kardinal Bessarion oder Janus Laskaris gepflegten Kreuzzugserwartungen die Besucher aus dem Norden mit erfassten und in ihrem Milieu unrealistische Wunschvorstellungen von der möglichen Rolle ihres Herrn, des Moskauer Großfürsten, entstehen ließen. Darin mag auch eine Erklärung für die wiederholt aufgenommenen Bemühungen und Verhandlungen westlicher Mächte um die Einbeziehung Moskaus in ein antiosmanisches Bündnis, über alle ernüchternden Erfahrungen hinweg, liegen.5 Doch nicht ausschließlich diplomatische und bürokratische Fertigkeiten brachten die griechischen Emigranten mit nach Moskau. Trotz der Vorbehalte blieb auch ihre theologische Kompetenz weiterhin gefragt, wie der Korrespon3 Vgl. G. Alef, »Diaspora Greeks in Moscow«, Byzantine Studies 6 (1979), 26–34; R. M. Croskey, »Byzantine Greeks in Late Fifteenth and Early Sixteenth Century Russia«, in: L. Clucas (Hg.), The Byzantine Legacy in Eastern Europe, New York 1988, 33–56; B. N. Florja, »Greki-emigranty v russkom gosudarstve vtoroj poloviny XV-nacˇala XVI v. Politicˇeskaja i kul’turnaja dejatel’nost’«, in: Russko-balkanskie kul’turnye svjazi v epochu srednevekov’ja, Sofia 1982, 123–143; M. N. Tichomirov, »Greki iz Morei v srednevekovoj Rossii«, Srednie Veka 25 (1964), 166–175; Hösch, »Die Stellung Moskoviens«, 328–337; W. K. Medlin, C. G. Patrinelis, Renaissance Influences and Religious Reforms in Russia. Western and Post-Byzantine Impacts on Culture and Education (16th–17th Centuries), Genf 1971, 42f.; Hösch, »Probleme«, 243. 4 Zu den Befugnissen der beiden Verwaltungsämter vgl. Günther-Hielscher, Glötzner, Schaller, Real- und Sachwörterbuch, 122f., 216. Auf Georgios Trachaniotis’ Darlegungen anlässlich einer Gesandtschaftsreise an den Hof des Herzogs von Mailand im Jahr 1486 basiert ein aufschlussreicher Bericht vom Großfürstentum Moskau, vgl. R. M. Croskey, E. C. Ronquist, »George Trachaniot’s Description of Russia in 1486«, Russian History 17 (1990), 55–64; Ja. S. Lur’e, »Trachaniot Dmitrij Manuilovicˇ«, in: SKKD Bd. 2.2, Leningrad 1989, 435–437; D. M. Bulanin, »Trachaniot Jurij Dmitrievicˇ«, ebenda, 437f.; ders., »Trachaniot Jurij Manuilovicˇ«, ebenda, 438f. 5 Vgl. Hösch, »Die Stellung Moskoviens«, 327–329, 336f.
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denz zwischen dem Erzbischof von Novgorod Gennadij und dem Diplomaten Dimitrios Trachaniotis (Dmitrij Trachaniot) zu entnehmen ist.6 Am berühmten Beispiel von Maksim Grek (gr. Maximos) (1470–1556) lässt sich deutlich die russische Widersprüchlichkeit im Umgang mit der griechischen Tradition aufzeigen.7 Bei ihrer Jagd auf häretische Strömungen hatte die russische Kirchenleitung zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Notwendigkeit von Textbereinigungen, Korrekturen älterer Übersetzungen und verbindlicher Vereinheitlichung kirchlicher Schriften erkannt. Auf Bitten des Moskauer Großfürsten nach einem für Übersetzungsarbeit geeigneten Mönch wurde der gelehrte Maximos aus dem Athoskloster Vatopedi nach Moskau entsandt. Der als Michail Trivolis geborene Mönch hatte in seinen italienischen Studienjahren eine solide philologische Ausbildung erhalten.8 Da er jedoch des Russischen und des Kirchenslavischen noch nicht mächtig war, musste er in Moskau die griechischen Texte erst ins Lateinische übersetzen und die Übertragung ins Kirchenslavische einem russischen Mitarbeiter überlassen. Der Verdacht auf häretische Neuerungen konnte dabei unschwer aufkommen. In seiner ambivalenten Position war gewissermaßen der unglückliche Ausgang schon angelegt. Denn schon die Erkenntnis der Korrekturbedürftigkeit russischer Kirchenbücher stand im Widerspruch zur Gewissheit, im Besitz der reinen und unverfälschten Orthodoxie zu sein. Manch höhnender Kommentar Maksims über die Kompetenz seiner Vorgänger machte ihn zunehmend unbequem. Zwei Mal, 1525 und erneut 1531 auf Drängen des Metropoliten Daniil, wurde er vor Gericht angeklagt und schließlich zu lebenslanger Klosterhaft verurteilt. Die diversen mit der Übersetzungsarbeit verbundenen Häresievorwürfe waren dabei nur ein Vorwand. Maksims kritische Äußerungen zu den Selbständigkeitsbestrebungen der Moskauer Kirche, der unkanonischen Loslösung von der Konstantinopler Mutter6 Vgl. Florja, »Greki-emigranty«, 136–139; Flier, »Till the End of Time«, 149. 7 Vgl. J. V. Haney, From Italy to Muscovy. The Life and Works of Maxim the Greek, München 1973; D. Obolensky, Six Byzantine Portraits, Oxford 1988, 201–219; N. V. Sinicyna, Maksim Grek v Rossii, Moskau 1977; E. Hösch, »Orthodoxie und ›Rechtgläubigkeit‹ im Moskauer Rußland«, in: U. Halbach u. a. (Hg.), Geschichte Altrußlands in der Begriffswelt ihrer Quellen. Festschrift zum 70. Geburtstag von G. Stökl, Stuttgart 1986, 50–68, hier 62–65; ders., Orthodoxie und Häresie, 129–136; ders., »Zur Rezeption der Rom-Idee«, 141–144, G. Podskalsky, »Der Beitrag der Griechen zur geistigen Kultur Rußlands nach dem Fall Konstantinopels (1453– 1821)«, in: J. Chrysostomides (Hg.), ΚΑΘΗΓΗΤΡΙΑ. Essays presented to Jean Hussey for her 80th birthday, London 1988, 527–543, hier 528–532; ders., Griechische Theologie, 89–97; Medlin, Patrinelis, Renaissance Influences, 20–27; A. A. Zimin, Rossija na poroge novogo vremeni. Ocˇerki politicˇeskoj istorii Rossii pervoj treti XVI. v., Moskau 1972, 267–294, 323–330; D. M. Bulanin, »Maksim Grek«, in: SKKDR Bd. 2.2, Leningrad 1989, 89–98. 8 Der Einfluss Girolamo Savonarolas auf Maksim Grek ist nur eine starke Vermutung, besser belegt ist sein Beitritt in den Dominikanerorden im Jahr 1502. Nach zwei Jahren verließ er den Orden und Florenz und wurde Mönch auf dem Athos, vgl. Haney, From Italy to Muscovy, 24– 26; A. I. Ivanov, »Maksim Grek i Savonarola«, TODRL 23 (1968), 217–226.
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kirche und der Missachtung der Rechte des Ökumenischen Patriarchen trafen ihre Legitimationsprinzipien. Durch seine Parteinahme für jene Kirchenkreise, die den kirchlichen Grundbesitz ablehnten,9 stand er noch dazu im kirchenpolitischen Abseits. Die Anklage lautete, er habe mit dem Gesandten des Sultans, einem zum Islam konvertierten Griechen, konspiriert, um einen Krieg zwischen Moskau und dem Osmanischen Reich anzuzetteln. Maksim hatte sich zwar im Vorwort der Übersetzung des Psalters an den Moskauer Großfürsten mit einem Appell zur Befreiung Konstantinopels von den Ungläubigen gewandt.10 Zum Verhängnis ist ihm wohl aber der Versuch geworden, durch die Vermittlung des osmanischen Gesandten seine Entlassung und Rückkehr auf den Athos zu erwirken. Er blieb erfolglos, wie noch die späteren Petitionen der Patriarchen von Alexandria und Konstantinopel an Ivan IV. (1545 und 1546) zeigen.11 Erst wenige Jahre vor seinem Tod wurde 1548 die Klosterhaft aufgehoben und er durfte in seinen letzten Lebensjahren im Kloster von Zagorsk wieder lesen und schreiben. Er blieb trotz allem in der Folgezeit eine in Moskau allgemein respektierte Autorität und wurde ein Jahrhundert nach seinem Tod unter Patriarch Nikon kanonisiert. Sein persönliches Schicksal konnte aber vorerst weder weitere Griechen zur Übersiedlung nach Moskau animieren noch ihre Anwerbung von russischer Seite fördern. Davon abgesehen, zeigt der Fall Maksims, dass die Beziehungen Moskaus zu den orthodoxen Patriarchaten und den Athosklöstern nach der osmanischen Eroberung nicht völlig abgerissen waren.12 Zwar ließ sich der jurisdiktionelle 9 Vgl. Onasch, Grundzüge der russischen Kirchengeschichte, 34–38. 10 »…da urazumejut ot nas i tamo prebyvajusˇcˇii bednii christijane, jako imejut esˇcˇe carja […] i nyne novago Rima, tjace volnuema ot bezbozˇnych agarjan, blagocˇestivejsˇeju derzˇavoju carstvia tvoego, da izvolit’ svoboditi i ot oteceskich tvoich prestol naslednika pokazˇet i svobody svet’ toboju da podast’ nam bednym, milostiju i ˇscˇedrotami ego…«, Socˇinenija prepodobnago Maksima Greka izdannyja pri Kazanskoj Duchovnoj Akademii, Bd. 2, Kazan 1860, 318f. Englische Übersetzungen bei Haney, From Italy to Muscovy, 163, und Obolensky, Six Byzantine Portraits, 218. Dunaev ist aufgrund von wenigen Andeutungen im vorhandenen Quellenmaterial davon ausgegangen, dass Maksim tatsächlich an konspirativen Planungen und Aktivitäten der griechischen Gemeinde in Moskau teilgenommen habe, deren Ziel es gewesen sei, einen Krieg zwischen Moskau und dem Osmanischen Reich zu provozieren, vgl. B. I. Dunaev, Maksim Grek i grecˇeskaja ideja na Rusi v XVI. v., Moskau 1916. 11 Die Patriarchenschreiben in den zeitgenössischen russischen Übersetzungen sind ediert in: Rossija i grecˇeskj mir v XVI veke, hg. von S. M. Kasˇtanov, Bd. 1, Moskau 2004, 352–358. 12 Zu den Kontakten Moskaus mit dem Patriarchat von Jerusalem während der Amtszeit des Patriarchen Germanos (1534–1579) vgl. N. F. Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov s russkim pravitel’stvom s poloviny XVI do konca XVIII stoletija«, Pravoslavnij Palestinskij Sbornik 15/1 (1895), 1–509, hier 7–11; Archim. Makarij (Beretennikov), »Gramota Ierusalimskogo Patriarcha Germana Novgorodskomu Archiepiskopu Makariju«, in: A. Batalov, A. Lidov (Hg.), Ierusalim v russkoj kul’ture, Moskau 1994, 205–211. Zu den slavischen Athosklöstern, dem »russischen« Panteleimon und dem »serbischen« Hilandar unterhielten die Moskauer Großfürsten schon seit Beginn des 16. Jahrhunderts regelmäßige Kontakte, vgl.
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Bruch mit Konstantinopel nicht mehr überbrücken, zumal die Ökumenischen Patriarchen nach 1467 die in Kiev ansässigen Metropoliten als zuständig für »die ganze Rus’« anerkannten.13 Bei Interesse konnten aber solche unbequemen Fragen umgangen werden. Der Großfürst Vasilij III. wandte sich etwa 1520 an Konstantinopel, um vom Patriarchen Theoliptos I. (1513–1522) die Erlaubnis für die Auflösung seiner kinderlosen Ehe zu erhalten, denn der Moskauer Metropolit Varlaam (1511–1522) war wohl nicht bereit, diese zu erteilen. Nach Konstantinopel wurde zu diesem Zweck der Bischof von Tver’ Nil, ein mit der TrachaniotisFamilie verwandter griechischer Geistlicher, geschickt. Der Wunsch des Großfürsten blieb aber anscheinend unerfüllt.14 Unter Ivan IV. gewannen die Beziehungen Moskaus zum Ökumenischen Patriarchat an Bedeutung und Intensität. Der Patriarch Dionysios II. (1546– 1556), mit dessen Amtszeit der Beginn außenpolitischer Initiativen des Patriarchats verbunden ist, eröffnete schon 1546 mittels eines Synodalschreibens die Korrespondenz mit Ivan IV. Er bat nicht nur um die Freilassung Maksims, sondern um finanzielle Unterstützung für die dringenden Bedürfnisse des Patriarchats.15 Waren bisher Mönche und Priestermönche die Vermittler und Briefträger, so markiert die Mission des Metropoliten Ioasaf von Evripos und Kyzikos nach Moskau als Gesandter des Patriarchen im Jahre 1556 eine neue Etappe der Moskauer Beziehungen zur Ostkirche.16 Auf der Rückreise nach Konstantinopel begleitete den Metropoliten im darauffolgenden Jahr der russische Archimandrit Feodorit, der den zarischen Auftrag hatte, vom neuen Patriarchen Ioasaf II. (1556–1565) – Dionysios II. war im Juli 1556 gestorben – bzw. von der Konstantinopler Synode eine Anerkennung der 1547 vollzogenen Zarenkrönung zu erhalten.17 Die Motive des Zaren dürften nicht ausschließlich darin gelegen haben, dem mangelnden internationalen Widerhall der Zarenkrönung und dem Legitimationsdefizit außerhalb Moskaus abzuhelfen.18 Dass er sich erst zehn Jahre nach der Krönung entschloss, die Einwilligung Konstantinopels einzuholen (in seinem Brief an Dionysios II. im Januar 1551 war davon
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Kämpfer, »Ivan Groznyj und Hilandar«, 500; V. G. Tchentsova, »Patronage et titulature: Chilandar et le tsar au XVIe siècle«, in: Το Άγιον Όρος στον 15ο και 16ο αιώνα. Πρακτικά συνεδρίου [Athos im 15. und 16. Jahrhundert. Tagungsreferate], Thessaloniki 2012, 181–190. Vgl. Ammann, Abriß der ostslawischen Kirchengeschichte, 158–162, 185–187; B. A. Gudziak, Crisis and Reform. The Kyivan Metropolitanate, the Patriarchate of Constantinople, and the Genesis of the Union of Brest, Cambridge Mass. 2001, 45–49; Senyk, »The Patriarchate of Constantinople«, 99f.; Pliguzov, »On the Title«, 343f., 352. Vgl. Haney, From Italy to Muscovy, 52. Zu Nil von Tver’ vgl. V. G. Brjusova, »Tverskoj episkop grek Nil i ego Poslanie knjazju Georgiju Ivanovicˇu«, TODRL 24 (1978), 180–187; vgl. Zimin, Rossija na poroge, 293f., der Nils Reise anzweifelt. Rossija i grecˇeskj mir, 173–175, 191–193, 206–209, 355–358. Vgl. Gudziak, Crisis and Reform, 95. Rossija i grecˇeskj mir, 210–214. Das ist die Meinung von Filjusˇkin, Tituly russkich gosudarej, 117–123.
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noch keine Rede), könnte auch auf innenpolitische Überlegungen des Zaren hinweisen, die seine Initiative diktierten. Was Sergei Bogatyrev in Anspielung auf die Zeit Katharinas II. als Ivans IV. »Greek Project« bezeichnet, führt er auf Sorgen um die dynastische Kontinuität in Moskau zurück.19 Die Bitte des Zaren begleitete eine Liste seiner Verwandten und Vorfahren seit der Kiever Zeit, die fortan in Konstantinopel kommemoriert werden sollten. Der Patriarch antwortete prompt und bestätigte die Aufnahme der Namen im Synodikon der Patriarchatskirche neben jenen der byzantinischen Kaiser (μετά των παλαιών ορθοδόξων βασιλέων).20 Die Bitte, die Mitglieder der zarischen Familie zu kommemorieren, richtete der Zar zusammen mit Almosen im darauffolgenden Jahr 1558 an die drei übrigen Patriarchate, Alexandria, Antiochia und Jerusalem, sowie an das Katharinenkloster auf dem Sinai und an die Laura des Hl. Savva in Jerusalem.21 Neben der Absicherung der Stellung des Nachfolgers Ivan Ivanovicˇ – manche Bojaren hatten sich 1553, als Ivan IV. schwer krank war, geweigert, den Nachfolger anzuerkennen – könnte das Projekt auch als ein Versuch des Zaren gedeutet werden, sich aus der engen Vormundschaft des Metropoliten Makarij zu lösen, sich Freiraum zu schaffen und das Kräfteverhältnis zwischen Staat und Kirche in Moskau unter Kontrolle zu bringen.22 So betrachtet, entspräche die Instrumentalisierung der östlichen Patriarchen durch Ivan IV. in gewissem Sinne einer Vorwegnahme des Prinzipienstreits bzw. seiner Lösung unter dem Zaren Aleksej und dem Patriarchen Nikon ein Jahrhundert später. Die Anerkennung der Zarenwürde erfolgte 1560 mit einem Brief Ioasafs II. in Form eines Synodalbeschlusses. Obwohl er die Krönung von 1547 durch den Metropoliten Makarij als ungültig bezeichnete – dieses Recht sei dem Papst und dem Patriarchen von Konstantinopel vorbehalten –, erklärte der Patriarch den Anspruch des Zaren für gerechtfertigt und gewährte ihm den kaiserlichen Rang als von ihm selbst »vorschriftsgemäß« gekrönt.23 In einem weiteren Schreiben an
19 S. Bogatyrev, »Reinventing the Russian Monarchy in the 1550s: Ivan the Terrible, the Dynasty, and the Church«, SEER 85 (2007), 271–293, hier 282–290 und 293: »The ›Greek Project‹ of Ivan the Terrible was a major step in turning the Muscovite monarchy into a dynastic state«. 20 Rossija i grecˇeskj mir, 214–221, 398–430 und 228–231 (die Antwort Ioasafs). Das griechische Original bei Regel, Analecta Byzantino-Russica, 72–75. 21 Rossija i grecˇeskj mir, 241–263 (darin auch die Antworten der Patriarchen und weitere relevante Dokumente). 22 Vgl. Bogatyrev, »Reinventing the Russian Monarchy«, 289; D. I. Mures¸an, »Penser Byzance à l’aube de la Russie impériale. D’Ivan Peresvetov à Ivan Vasil’evicˇ«, Istina 52 (2007), 466–478. 23 »…επιχορηγεί και επιβραβεύει τω ρηθέντι βασιλεί κυρίω Ιωἀννῃ, του είναι και ονομάζεσθαι αυτόν εις βασιλέα νόμιμον και ευσεβέστατον, εστεμμένον και παρ᾿ ημών νομίμως άμα και εκκλησιαστικώς«, Regel, Analecta 75–79. Nachgedruckt auch in: A.-E. Tachiaos, Πηγές Εκκλησιαστικής Ιστορίας των ορθοδόξων Σλάβων [Quellen zur Kirchengeschichte der orthodoxen Slaven], Heft 1, Thessaloniki 1990, 156–164, und B. L. Fonkicˇ, »Gramota Konstantinopol’skogo Patriarcha Ioasafa II. i sobora Vostocˇnoj Cerkvi, utverzˇdajusˇcˇaja carskij titul
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den Zaren schlug er ihm dennoch vor – wohl in Aussicht auf höhere Geldzuwendungen, durch welche Ivan IV. zum neuen Patron (νέος κτήτωρ) des Patriarchats avancieren würde –, sich von seinem Bevollmächtigten (Exarchen), dem gleichnamigen Metropoliten Ioasaf von Evripos und Kyzikos, segnen zu lassen.24 Dass darunter eine neue Krönung zu verstehen ist, scheint fraglich.25 Ivan IV. brauchte jedenfalls darauf nicht einzugehen, konnte er doch aus dem Briefwechsel mit Konstantinopel die Anerkennung des Zarentitels ableiten.26 Für das Ökumenische Patriarchat hatte die ganze Angelegenheit, von den finanziellen Erträgen abgesehen, vorerst keine unmittelbaren praktischen Folgen. Ohnehin sprach nicht nur Ioasaf ΙΙ. den Zaren schon 1557 mit dem Basileustitel an, sondern bereits sein Vorgänger Dionysios II. verwendete seit dem Synodalschreiben von 1546, übrigens noch vor der Zarenkrönung, diese Anrede.27 Außerdem hatte Ioasaf eigenmächtig agiert, ohne eine Synode einzuberufen, denn alle Unterschriften unter dem Synodalbeschluss von 1560 bis auf jene des Patriarchen und des Metropoliten von Evripos und Kyzikos waren gefälscht.28
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Ivana IV«, in: Rossija i grecˇeskj mir v XVI veke, hg. von S. M. Kasˇtanov, Bd. 1, Moskau 2004, 381–388. Regel, Analecta, 79–83. Es war nicht Makarij, den der Patriarch zu seinem Exarchen benannt hat, wie Dan Ioan Mures¸an den griechischen Text missverstanden hat, vgl. D. I. Mures¸an, »De la Nouvelle Rome à la Troisième«, in: A. Castaldini (Hg.), L’eredita di Traiano. La tradizione istituzionale romano-imperiale nella storia dello spazio romeno, Rom 2008, 123–166, hier 133. So dagegen die Annahme von Kapterev, Charakter, 29f.; Neubauer, Car und Selbstherrscher, 39f., und Scheliha, Universalkirche, 40. Die Forderung des Patriarchen nach einer neuen Krönung bedeutete dieser Lesart nach nichts weniger als die Preisgabe der Selbständigkeit der Moskauer Kirche. Ivan IV. konnte das nicht akzeptieren, ohne deren Legitimation insgesamt infrage zu stellen. Siehe das Antwortschreiben (1564) des Zaren an den Patriarchen: Rossija i grecˇeskj mir, 281– 284. Dass Ivan IV. unzufrieden war, weil ihm angeblich nicht der Titel eines »römischen Kaisers« zuerkannt wurde, wie Dan Ioan Mures¸an vermutet, ist unbegründet: Mures¸an, »De la Nouvelle Rome«, 156f. Na˘sturel und Mures¸an stellen daher die gewagte und kaum schlüssige Hypothese auf, die Verwendung des Titels durch Dionysios sei als ein angedeutetes Angebot des Patriarchen zu verstehen, Ivan IV. den kaiserlichen Rang zu gewähren, ein Angebot, auf das die Krönung durch Makarij zurückgehe. Als Gegenleistung habe Dionysios im selben Schreiben die Freilassung von Maksim Grek gefordert. Da Letzterer die Autokephalie und die kanonische Stellung der Moskauer Kirche bestritten hatte, käme das ganze Angebot einer Anerkennung des Primats des Patriarchen gleich. Ioasaf II. habe dann nur die offizielle Bestätigung geliefert: Na˘sturel, Mures¸an »Denys II de Constantinople«, 330–340; Mures¸an, »De la Nouvelle Rome«, 130, 133. Dabei hatte schon Theoliptos I. 1517 Vasilij III. offenbar als Basileus tituliert, vgl. Ostrowski, Muscovy, 175. Regel, Analecta, LIII–LVII; B. L. Fonkicˇ, »Grecˇeskie gramoty sovetskich chranilisˇcˇ«, in: Problemy paleografii i kodikologii v SSSR, Moskau 1974, 242–260, hier 247–251. Ioasafs eigenmächtiges Vorgehen und sein Umgang mit den Moskauer Almosen kosteten ihn den Patriarchenthron, D. G. Apostolopoulos, »Το Πατριαρχείο Κωνσταντινουπόλεως και ο νοτάριός του Θεοδόσιος Ζυγομαλάς στα χρόνια 1564–1565« [Das Patriarchat von Konstantinopel und sein Notar Theodosios Zygomalas in den Jahren 1564–1565], in: S. Perentidis, G. Steiris (Hg.),
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Wesentlich bedeutsamer im Zusammenhang dieser Arbeit sind die in Ioasafs Sendschreiben artikulierten Vorstellungen zur Stellung des Zaren und zur Legitimation seines Anspruchs. Letzteren, von Ivan in seinem Schreiben durch seine Zarenkrönung und durch die Eroberung der »ungläubigen« Chanate Kazan’ und Astrachan’ ( jeweils 1552 und 1556) untermauert, rechtfertigt der Patriarch mit Ivans edler Herkunft von kaiserlichem Geschlecht. Bezeichnenderweise wird dabei auf die Ehe Vladimirs mit Anna in 988, der Schwester der Kaiser Basileios II. und Konstantinos VIII. und nicht etwa auf die Ehe Ivans III. mit Zoi Palaiologina Bezug genommen.29 Außerdem ruft der Patriarch die angebliche Krönung Vladimirs in Erinnerung und beschwört den Nutzen für die gesamte orthodoxe Christenheit. Der Zar wird nicht nur als Schutzherr der orthodoxen Kirche gefeiert, als ihre einzige Zuflucht in der größten Not, sondern, erstmals solche Töne anschlagend, aufgefordert, mit Gottes Hilfe als neuer Moses die Orthodoxen aus der Gefangenschaft zu befreien.30 Im selben Sinne äußerte sich in dieser Zeit (1559) der Patriarch von Alexandria Ioakeim (1487–1565) gegenüber dem Händler und Gesandten des Zaren Vasilij Poznjakov, der die Almosen und die Bitte nach der Kommemoration der zarischen Familie überbrachte. Die auf den Zaren gesetzten Erwartungen bekräftigte Ioakeim in seinem Schreiben an Ivan IV.31 Einige Jahre später, 1570, zu Beginn des venezianisch-osmanischen Kriegs um Zypern , versuchte wiederum die venezianische Regierung, einen Kontakt zwischen dem Moskauer Zaren Ivan IV. und dem Patriarchen von Konstantinopel Ιωάννης και Θεοδόσιος Ζυγομαλάς. Πατριαρχείο – θεσμοί – χειρόγραφα [Ioannis und Theodosios Zygomalas. Patriarchat – Institutionen – Handschriften], Athen 2009, 187–195, hier 190–192; vgl. dagegen Mures¸an, »De la Nouvelle Rome«, 159. 29 D. G. Apostolopoulos, »Les dilemmes d’un héritier face aux ambitions d’un autre«, in: M. Koumanoudi, Chr. Maltezou (Hg.), Dopo le due caduti di Constantinopoli (1204, 1453): Eredi ideologici di Bizancio, Venedig 2008, 51–56, hier 55. Der ursprüngliche griechische Text wurde anscheinend in Moskau an dieser Stelle wegradiert und der Name des Kaisers Konstantinos IX. Monomachos hineingeschrieben, um die Legende von der Übergabe der Regalia zu untermauern, vgl. Regel, Analecta, lxx–xcviii und Faksimile I; V. G. Tchentsova, »Illjuzii i realii paleografii. O raznych podchodach k izucˇeniju grecˇeskich gramot XVI–XVII vv.«, Ocˇerki Feodalnoj Rossii 15 (2012), 370–433, hier 423–428. 30 »…δεόμεθα κυρίω τω θεώ, όπως δώσει σοι ρώσιν ψυχής και ρώσιν σώματος, και αποδώσει σοι ισχύν και δύναμιν του εξιλεώσαι και ελευθερώσαι πάντας τους ευσεβείς χριστιανούς υπό την δουλείαν της αιχμαλωσίας των ασεβών και φανείης άλλος Μωυσής νέος, ος ελυτρώσατο εκ δουλείας Φαραώ το γένος των Εβραίων«, Regel, Analecta, 82 und 83f. 31 »Chozˇdenie Poznjakova«, 50; Vgl. Kapterev, Charakter, 350f.; Panchenko, Arab Orthodox Christians, 297–299, dort auch zu ähnlichen Aussagen von Ioakeims Nachfolger Silvestros gegenüber dem russischen Gesandten Boris Blagoj 1585 in Konstantinopel; vgl. auch Vakalopoulos, Ιστορία, Bd. 3, 208f.; Patrinelis, Συμβιβασμοί και προσδοκίες, 42; Chr. Papadopoulos, »Ιωακείμ ο πάνυ εξ Αθηνών πάπας και πατριάρχης Αλεξανδρείας (1487–1567)« [Ioakeim der Große aus Athen, Patriarch von Alexandria (1487–1567)], ΕΕΒΣ 7 (1930), 159–179, hier 172f. Der Brief Ioakeims an Ivan IV. in: Rossija i grecˇeskj mir, 258–261.
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Mitrofanis III. zu vermitteln. Ihr Ziel war die Einbindung Moskaus in die zu organisierende Sacra Liga und die Vorbereitung von Aufständen durch den orthodoxen Klerus in osmanischen Provinzen. Am selben Tag, dem 3. Mai 1570, wurden zwei Briefe im Namen des Dogen an den Zaren und den Patriarchen verfasst, mit der Bitte um gegenseitige Kontaktaufnahme.32 In der Initiative engagierte sich zudem das griechische Humanistenmilieu der Serenissima. Als die Sacra Liga inzwischen ohne den Zaren zustande gekommen war, verfasste der Korfiot Antonios Eparchos »auf Bitte von hier [d. h. in Venedig] ansässigen Christen« am 27. September 1570 einen Brief an den Metropoliten von Moskau Kyrill (1568–1572). Der russische Hierarch wird darin gebeten, den Kaiser Russlands zum Kriegseintritt zu überreden. Ihm gebühre der kaiserliche Thron Konstantinopels, auf ihn weisen die altehrwürdigen Prophezeiungen und Orakel hin und die Zeit für deren Erfüllung sei gekommen.33 Trotz des nochmaligen Scheiterns des Projekts blieb das Interesse Venedigs an der stets überschätzten militärischen Schlagkraft des Zaren sowie an dessen potentiellem, strategischem Vorteil bezüglich der orthodoxen Bevölkerung des Osmanischen Reiches in den folgenden Jahren lebendig. Diesen letzten Aspekt unterstrichen wiederholt venezianische Würdenträger wie der Botschafter in Konstantinopel Giacomo Soranzo (1576) oder der Statthalter Kretas Alvise Grimani (1585) in ihren Berichten (Relazioni) an den Senat.34 Letzterer gab zu bedenken, es herrsche unter den Griechen der osmanischen Territorien der Wunsch, den Moskauer Großfürsten als Kaiser in Konstantinopel zu feiern, und die Bereitschaft, in seinem Namen die Waffen zu ergreifen, im Gegensatz zu ihrer Zurückhaltung in Bezug auf die Interessen Venedigs.
32 Lamansky, Secrets d’État de Venise, 078–080. Der Brief an den Patriarchen sollte sogar aus Sicherheitsgründen und um seine Geltung zu erhöhen vom Zaren selbst an den Patriarchen weitergeleitet werden, vgl. Hassiotis, Οι Έλληνες στις παραμονές, 124–134; Z. N. Tsirpanlis, Το κληροδότημα, 162–171. 33 »Έχει δε καλάς αφορμάς ο αοίδιος και κραταιός βασιλεύς Ρωσίας ίνα κινηθή κατά των ασεβών. Πρώτον μεν διά το βασιλικόν μεγαλείον· και γαρ αυτόν εγγίζει ο βασιλικός θρόνος της Κωνσταντινουπόλεως. Είτα και διά την δύναμιν την άπειρον των στρατευμάτων ένε ευκολώτατον ίνα κατορθωθή. Άδεται δε και παρά πολλών αρχαίων αγίων ανδρών, ουχ ήττον δε και παρά του Λέοντος του Σοφού, ότι αυτός μέλλει κατασταθήναι βασιλεύς της Κωνσταντινουπόλεως. Ιδού γαρ ήλθεν ο προφητευόμενος καιρός…«, E. Giotopoulou-Sisilianou, Αντώνιος ο Έπαρχος. Ένας Κερκυραίος ουμανιστής του ΙΣΤ΄αιώνα [Antonios Eparchos. Ein Korfioter Humanist des 16. Jahrhunderts], Athen 1978, 153f., 232–237 (kommentierte Edition des Briefes). Zum Brief Ivans IV. an Kaiser Maximilian, den Eparchos selbst ins Lateinische übersetzt hatte: ebenda, 154, Anm. 2. 34 E. Alberi (Hg.), Relazioni degli ambassadori Veneti al Senato, s. III, v. I, Florenz 1840, S. 206 (Soranzo). Dort auch Hinweise auf die Furcht der osmanischen Regierung vor den Moskauer Großfürsten in den Relazioni von Marcantonio Barbaro (1573), S. 337, und Matteo Zane (1594), S. 441; vgl. Tsirpanlis, Το κληροδότημα, 315–319 (Grimani).
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Im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts ist eine Steigerung sowohl von Zahl und Rang der nach Moskau zwecks Almosensammlung reisenden griechischen Geistlichen als auch der Geldsummen und Geschenke, die sie erhielten oder die zu den Patriarchaten oder den Athosklöstern geschickt wurden, zu beobachten.35 Ioakeim V. von Antiochia (1581–1592) war der erste Patriarch, der sich nach Moskau begab.36 Während seines Aufenthalts im Sommer 1586 teilte ihm der Bojare Boris Godunov, der spätere Zar (1598–1605), Schwager und einflussreichstes Mitglied der Regentschaft des geistig behinderten Zaren Fedor Ivanovicˇ (1584–1598), den ausdrücklichen Wunsch mit, ein eigenes Patriarchat in Moskau gründen zu wollen. Ioakeim konnte noch durch Hinweis auf seine mangelnde Befugnis und durch das Versprechen, in Konstantinopel für die Einberufung einer entsprechenden Synode zu vermitteln, eine Entscheidung aufschieben. Als aber der Patriarch von Konstantinopel Ieremias II. (1572–79/1580–84/1587–95)37 1588 unerwartet nach Moskau kam, konnte die Moskauer Führung die sich anbietende Gelegenheit nicht versäumen. Dass Ieremias zwecks der Errichtung des Patriarchats die Reise nach Moskau unternahm, ist unwahrscheinlich.38 So wie der Besuch eines Ökumenischen Patriarchen in Moskau einmalig war, war die Krise des Patriarchats in denselben Jahren akut, wenn nicht existenzgefährdend. Die Schulden des Patriarchats hatten ja 1587 infolge der häufigen Thronwechsel und der osmanischen Währungsabwertung den Verlust der Patriarchatskirche verursacht. Die Geldsummen, die der Patriarch für die Einrichtung der neuen Patriarchatskirche und 35 Vgl. Gudziak, Crisis and Reform, 100, 155. 36 Vgl. Scheliha, Universalkirche, 23f.; Chr. Papadopoulos, »Ο πατριάρχης Αντιοχείας Ιωακείμ Ε΄ εν Ρωσία« [Der Patriarch von Antiochia Ioakeim V. in Russland], ΕΕΒΣ 9 (1932), 213–218; Murav’ev’, Snosˇenija Rossii s Vostokom, Bd. 1, 169–182; Panchenko, Arab Orthodox Christians, 300; ders., »Rossija i Antiochijskij Patriarchat: nacˇalo dialoga (seredina XVI–pervaja polovina XVII v.)«, Rossija i Christianskij Vostok 2–3 (2004), 203–221, hier 206–209. 37 Vgl. Podskalsky, Griechische Theologie, 103–117; Ch. Hannick, K.-P. Todt, »Jérémie II Tranos«, in: C. G. Conticello, V. Conticello (Hg.), La Théologie Byzantine et sa Tradition, Bd. 2, Turnhout 2002, 551–615; K. N. Sathas, Βιογραφικόν σχεδίασμα περί του Πατριάρχου Ιερεμίου Β΄ (1572–1594) [Biographischer Entwurf über den Patriarchen Ieremias II. (1572–1594)], Athen 1870, ND: Thessaloniki 1989. 38 Vgl. Gudziak, Crisis and Reform, 165; G. Podskalsky, »Die Einstellung des Ökumenischen Patriarchen (Jeremias II.) zur Erhebung des Moskauer Patriarchats (1589)«, OCP 55 (1989), 421–437, hier 427; Sathas, Βιογραφικόν σχεδίασμα, οζ΄-πγ΄ und Appendix, 16f.; vgl. dagegen Medlin, Patrinelis, Renaissance Influences, 34f.; Scheliha, Universalkirche, 41f. Parallel zur Moskaureise von Ieremias begab sich auch dessen Vorgänger und Widersacher Theoliptos II. zur Almosensammlung nach Georgien gemäß der Aufforderung der Patriarchatssynode, O. Kresten, Das Patriarchat von Konstantinopel im ausgehenden 16. Jahrhundert. Der Bericht des Leontios Eustratios im Cod. Tyb. MB 10, Wien 1970, 50, 85. Auch der Patriarch von Konstantinopel Ioakeim I. (1498–1502, 1504) war nach Georgien gereist, um Almosen zu sammeln, vgl. Historia politica et patriarchica Constantinopoleos, hg. von I. Bekker, CSHB, Bonn 1849, 135f.
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-residenz benötigte, konnten nur vom orthodoxem Zaren Moskaus erzielt werden. Dass sich der ursprüngliche Plan des Patriarchen darauf beschränkte, zeigt der Verlauf der zähen und langen Verhandlungen in Moskau. Statt mit dem ihm untergeordneten Metropoliten oder den Bischöfen der Moskauer Kirche verhandelte Ieremias mit den einflussreichen Bojaren und insbesondere mit Godunov.39 Nachdem diverse alternative Ausweichmöglichkeiten bzw. Gegenvorschläge des Patriarchen und Godunovs, wie die Gründung eines autokephalen Erzbistums oder gar die Verlegung des Ökumenischen Patriarchats nach Moskau, ausgeschlossen worden waren, musste sich Ieremias dem Druck seiner Gastgeber schließlich beugen und Moskaus bisherigen Metropoliten Iov zum Patriarchen weihen (26. Januar/5. Februar 1589). Angesichts der finanziellen Not des Patriarchen und der Bedingungen seines Aufenthalts in Moskau – er wurde wiederholt verhört und musste mit seiner Gefolgschaft in strikter Isolation verbleiben, während ihm die Rückreise fast ein Jahr lang nicht gestattet wurde – glich die ganze Angelegenheit einer Erpressung.40 Zudem musste Ieremias vor Ort eine Gründungsurkunde in russischer Sprache unterzeichnen, ohne dass eine griechische Übersetzung davon angefertigt worden wäre. Die fast wörtliche Wiedergabe der Filofej-Formel von Moskau als dem »Dritten Rom«, die darin enthalten ist, wird in der Urkunde Ieremias selbst zugeschrieben.41 Reaktionen auf dieses Vorgehen und insgesamt auf den Verstoß gegen die kirchlichen Kanones hat es schon unter Ieremias’ Gefolge gegeben, glaubt man dem Bericht des Metropoliten von Monemvasia Ierotheos. Eingegangen in den beliebten Chronographen, den Bestseller unter den griechischen Geschichtsdrucken, machte er die seltsamen und etwas peinlichen Umstände in Moskau auch einer breiten Leser- und Hörerschaft bekannt.42 Aber auch die russische 39 Vgl. Gudziak, Crisis and Reform, 170; Neubauer, Car und Selbstherrscher, 44f. Ostrowski sieht darin nicht eine Vormundschaft der weltlichen Macht, sondern im Gegenteil ein Zeichen des Selbstbewusstseins der Moskauer Hierarchie, die sich auf dem Höhepunkt ihres Einflusses befand, Ostrowski, Muscovy, 238f. 40 »To put it simply, the Muscovites made him an offer he could not refuse […]. The elevation of the metropolitan of Moscow was not an act of patriarchal authority, but one of patriarchal submission.«, Gudziak, Crisis and Reform, 186; vgl. Scheliha, Universalkirche, 44–49, und die nachträglichen Angaben zu den Verhandlungen in: Posol’skaja kniga po svjazjam Rossii s Greciej (pravoslavnymi ierarchami i monastyrjami) 1588–1594 gg., hg. von V. I. Buganov, M. P. Lukicˇev, Moskau 1988, 32–39. 41 Vgl. Hauptmann, Stricker, Die Orthodoxe Kirche in Rußland, 293–299; Schaeder, Moskau, 126–128; Sinicyna, Tretij Rim, 299–305; Ostrowski, Muscovy, 239–241. 42 Vgl. Βιβλίον Ιστορικόν, 584–605; Sathas, Βιογραφικόν σχεδίασμα, Appendix 20–22; B. A. Gudziak, »The Sixteenth-Century Muscovite Church and Patriarch Jeremiah II’s Journey to Muscovy, 1588–1589: some Comments concerning the Historiography and Sources«, HUS 19 (1995), 200–225; V. G. Tchentsova, »Chronika Psevdo-Dorofeja o postavlenii pervogo russˇ tenija 2 (2004), 25–44; Ch. Hannick, »Le kogo patriarcha: zamecˇanija k izucˇeniju«, Zubovskie C Métropolite Hiérothée de Monembasie et son rôle dans l’érection du Patriarcat de Moscou«, Revue des Études Slaves 63 (1991), 207–215.
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Seite zeigte sich schnell mit dem Erreichten unzufrieden. Als 1591 die synodale Bestätigung der Patriarchatsgründung vom Mai 1590 aus Konstantinopel eintraf, stellte man in Moskau fest, dass entgegen der Erwartungen dem neuen Patriarchat nicht der dritte Platz in der Pentarchie,43 der hierarchischen Ordnung der Patriarchate, hinter Konstantinopel und Alexandria, sondern lediglich der fünfte und letzte Platz hinter Jerusalem zugewiesen wurde. Der Moskauer Patriarch wurde zudem aufgefordert, den Patriarchenthron von Konstantinopel als dessen Haupt anzuerkennen.44 Zusammen mit Almosen an Ieremias und die anderen Patriarchen wurde daher der ausdrückliche Wunsch des Zaren nach Revision dieser Entscheidungen übermittelt.45 Eine neue Synode wurde auf Drängen des Patriarchen von Alexandria Meletios Pigas (1590–1601, zeitweiliger Patriarchatsverweser in Konstantinopel 1596/97 und 1597/98)46 einberufen, der inzwischen das eigenmächtige Vorgehen von Ieremias kritisierte und die Gültigkeit der Synode von 1590, bei der er aufgrund der Vakanz des alexandrinischen Patriarchenthrons nicht vertreten war, bestritt.47 Darauf, dass die Synode von 1590 im Grunde der Absicht von Ieremias diente, die Frage des Moskauer Patriarchats unmittelbar nach seiner Rückkehr im Interesse Konstantinopels abzuschließen,
43 Vgl. F. R. Gahbauer, Die Pentarchietheorie. Ein Modell der Kirchenleitung von den Anfängen bis zur Gegenwart, Frankfurt a.M. 1993 (Zum Moskauer Patriarchat: 316–320). Wie Dan Ioan Mures¸an gezeigt hat, ging damit eine wohl erstmals explizite Festlegung des Ausschlusses Roms aus der Pentarchie und des Aufrückens Konstantinopels an die erste Stelle einher, vgl. D. I. Mures¸an, »Rome hérétique? Sur les décisions des conciles de Moscou et de Constantinople (1589, 1590 et 1593)«, Mélanges de l’École française de Rome-Italie et Méditerranée modernes et contemporaines 126/2 (2014), 275–288. 44 »…και κεφαλήν αυτού και πρώτον έχειν και νομίζειν τον αποστολικόν θρόνον Κωνσταντινουπόλεως«, Regel, Analecta, 85–91, hier 87 und bei Tachiaos, Πηγές Εκκλησιαστικής Ιστορίας, 210–214, hier 211. Deutsche Übersetzung bei Hauptmann, Stricker, Die Orthodoxe Kirche in Rußland, 299–302. 45 Vgl. Scheliha, Universalkirche, 49–53; Kapterev, Charakter, 55f.; vgl. die Briefe des Zaren und des Patriarchen Iov an Ieremias: Posol’skaja kniga, 106–116, bes. 110 und 126–135, bes. 132. Darin auch die Briefe des Zaren an die übrigen Patriarchen, 116–126. 46 Vgl. Podskalsky, Griechische Theologie, 128–135; Vakalopoulos, Ιστορία, Bd. 3, 437–447; Chr. Papadopoulos, Ιστορία της Εκκλησίας Αλεξανδρείας 62–1934 [Geschichte der Kirche von Alexandria 62–1934], Alexandria 1935, 612–668. 47 Vgl. I. Sakellion, »Μελετίου πατριάρχου Αλεξανδρείας επιστολαί προς τον οικουμενικόν πατριάρχην Ιερεμιάν Β΄« [Briefe von Meletios, Patriarch von Alexandria, an den Ökumenischen Patriarchen Ieremias II.], ΔΙΕΕΕ 1 (1883), 31–77; hier 50 (Brief von Meletios an Ieremias vom Jahr 1590); C. Tsirpanlis, »Church Relations between Moscow, Constantinople and Alexandria towards the End of the 16th Century«, in: Studia slavico-byzantina et mediaevalia europensia, Bd. 1, Sofia 1988, 79–83; Ch. Graves, »The Ecumenical Significance of the Role of Meletios Pigas in the Erection of the Moscow Patriarchate«, in: G. P. Dragas (Hg.), AksumThyateira. A Festschrift for Archbishop Methodios, London 1985, 409–422, hier 418f.
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weist die Tatsache hin, dass nur ein Teil der Unterschriften unter dem Synodalbeschluss echt ist.48 Die im Februar 1593 in Konstantinopel abgehaltene »Heilige und Große Synode« war dagegen einwandfrei und befasste sich neben der Gründung des Moskauer Patriarchats auch mit anderen dringenden Problemen, vom Kalenderstreit (Ablehnung des gregorianischen Kalenders und Berechnung des Ostertermins weiterhin nach dem julianischen) bis zu Fragen der kirchlichen Disziplin und des Bildungswesens.49 In Anwesenheit des Abgesandten des Zaren Grigorij Afanas’ev entschied die Synode unter der Regie von Meletios Pigas, die Errichtung des neuen Patriarchats gemäß den kirchlichen Kanones (Chalkedon 28) zu sanktionieren und Moskau endgültig den fünften Platz zuzuweisen. Von einer Funktion Konstantinopels als Haupt oder aber vom »Dritten Rom« war diesmal keine Rede.50 Die Errichtung des Moskauer Patriarchats bedeutete zwar eine Bestätigung der Selbständigkeitsbestrebungen Moskaus, indem Konstantinopel und die anderen ostkirchlichen Patriarchate die Autokephalie und die Gleichrangigkeit der russischen Kirche anerkannten. Doch darin eine Vollendung der »Lehre vom Dritten Rom« aufgrund der einschlägigen Wendung in der kirchenslavischen Gründungsurkunde von 1589 zu lesen, hieße, die Begleitumstände und die Motivation Moskaus zu verkennen. Die Hinwendung zu Konstantinopel und das Bemühen um Reintegration in die hierarchischen Strukturen der Ostkirche bedeuteten gleichzeitig eine Abkehr vom Autarkiekurs der vergangenen Jahrzehnte und eine Rückkehr in die orthodoxe Ökumene.51 Dieser Wunsch nach Aufgabe der Isolation kam für die Moskauer Führung nach den traumatischen Erfahrungen der letzten Jahre der Herrschaft Ivans IV. und des katastrophalen Ausgangs des langen Livländischen Kriegs (1558–1583) einer Kompensation gleich. Er signalisierte auch die Bereitschaft Moskaus, in stärkerem Maße Verpflich48 Fonkicˇ, »Grecˇeskie gramoty sovetskich chranilisˇcˇ«, 251–260; Podskalsky, »Die Einstellung des Ökumenischen Patriarchen«, 430–434. 49 B. L. Fonkicˇ, »Grecˇeskie gramoty sovetskich chranilisˇcˇ. 4. Akt Konstantinopolskogo sobora 1593 g. ob osnovanii Moskovskogo patriarchata«, Cyrillomethodianum 11 (1987), 9–31. Vgl. H. Ohme, »Die ›Heilige und Große Synode‹ der Orthodoxen Kirche vom Jahre 1593 und die Erhebung des Moskauer Patriarchates«, KiO 33 (1990), 70–90. 50 Vgl. Scheliha, Universalkirche, 54–56. Meletios übernahm in der Folgezeit die Korrespondenz mit Moskau, vgl. Regel, Analecta, 92–115. Schließt man aus seinen Klagen, so scheint die Flut der Almosen aus Moskau als Folge der enttäuschten Wünsche unterbrochen worden zu sein, vgl. hierzu auch K. D. Mertzios, Πατριαρχικά, ήτοι ανέκδοτοι πληροφορίαι σχετικαί προς τους πατριάρχας Κωνσταντινουπόλεως από του 1556–1702 [Unveröffentlichte Informationen bezüglich der Patriarchen Konstantinopels zwischen 1556 und 1702] [Πραγματείαι της Ακαδημίας Αθηνών 15/4], Athen 1951, 25. 51 Vgl. dazu die überzeugende Argumentation von Scheliha, Universalkirche, 26f.; ders., »Die Patriarchatsperiode (1589–1721) – Eine eigenständige Epoche der russischen Kirchengeschichte in der Frühen Neuzeit?«, FOG 58 (2001), 185–198.
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tungen gegenüber den unter osmanischer Herrschaft stehenden Orthodoxen einzugehen.52 Ob damit 1589 der Zar »auf universalkirchlicher Ebene zum weltlichen Pendant des ökumenischen Patriarchen«53 wurde, ist jedoch fraglich, auch wenn man die gleichzeitige offizielle Übernahme des samoderzˇec-Titels seitens des Zaren in diese Richtung interpretiert.54 Die im Konstantinopler Synodalbeschluss von 1593 festgelegte zusätzliche namentliche Kommemoration des Moskauer Zaren (ως ορθοδοξότατος βασιλεύς)55 sollte jedenfalls nicht im Sinne einer rechtlichen Fixierung seines neuen Status verstanden werden. Die Nachfolge des oströmischen Kaisers war im Verständnis der Kirche eine komplexere Frage. Zum einen hatte, ja ungeachtet aller Einschränkungen der osmanische Sultan diese Nachfolge angetreten. Seine offizielle Bezeichnung als Basileus in kirchlichen Quellen setzt just in der Amtszeit von Ieremias II. an.56 Ferner pflegten zunehmend, wenn auch gewiss auf einer anderen Ebene, die Ökumenischen Patriarchen selbst die Übernahme äußerer kaiserlicher Symbole, die ihre Führungsrolle innerhalb der orthodoxen Glaubensgemeinschaft unterstrichen.57 Dass Ieremias noch während seines Aufenthalts in Moskau die Patriarchatsgründung ausnahmsweise mit einer Goldsiegelurkunde (χρυσόβουλλον πατριαρχικόν), ein ausschließlich dem Kaiser reserviertes Vorrecht, bestätigte, dürfte als Andeutung auf diesen, nicht preisgegebenen, Anspruch des Patriarchats gelesen werden.58 Die unterschied-
52 Schon kurze Zeit nach der Errichtung des Moskauer Patriarchats, im Mai 1589, sprach der Zar in einem Brief an den Sultan die Bitte aus, die Stellung der Patriarchen in Konstantinopel weiterhin zu respektieren, vgl. Murav’ev’, Snosˇenija, Bd. 1, 226. 53 Scheliha, Universalkirche, 58f. 54 Vgl. Filjusˇkin, Tituly russkich gosudarej, 55–63; Binner, »Zur Datierung«, 62–67; Real- und Sachwörterbuch, 301–303; Glötzner, »Moskauer Cartum«, 412–414; Szeftel, »The Title of the Muscovite Monarch«, 65–69. 55 Fonkicˇ, »Grecˇeskie gramoty sovetskich chranilisˇcˇ 4.«, 21. 56 Vgl. Konortas, »Ορθόδοξοι Ιεράρχες«, 121. Im Bericht des Ieremias-Anhängers Leontios Efstratios wird Sultan Murad III. abwechselnd als Sultan und Basileus bezeichnet, was aber die Wahrnehmung (oder besser die Schilderung gegenüber dem Adressaten Martin Crusius) seiner Herrschaft als »tyrannisch« (τύραννα και ασεβή σκήπτρα) nicht beeinflusst, Kresten, Das Patriarchat von Konstantinopel, 67f. 57 Vgl. C. G. Pitsakis, »De la fin du temps à la continuité impériale: Constructions idéologiques post-byzantines au sein du Patriarcat de Constantinople«, in: Le Patriarcat Œcuménique de Constantinople aux XIVe–XVIe siècles: Rupture et Continuité [Dossiers Byzantins 7], Paris 2007, 213–239; vgl. die Formulierungen in der Patriarchenchronik (Πατριαρχική Ιστορία) bezüglich des Gehorsams der Bischöfe gegenüber dem Patriarchen Dionysios II.: »…οι δε αντίδικοι αυτού, οι αρχιερείς, μη έχοντες πλέον τι να κάμουν αυτού, επροσκύνησαν αυτόν ως αυθέντην αυτών και βασιλέαν και πατριάρχην«, Historia politica et patriarchica Constantinopoleos, 177; vgl. P. S¸. Na˘sturel, »Denys II de Constantinople, ›empereur et patriarche‹ (1546)«, Études Balkaniques – Cahiers Pierre Belon 4 (1997), 133–146. 58 Regel, Analecta, 86; M. Paizi-Apostolopoulou, »Χρυσόβουλλον πατριαρχικόν. Τα παράδοξα της διπλωματικής και η ίδρυση του Πατριαρχείου Μόσχας« [Chrysobull des Patriarchen. Die Pa-
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lichen Aussagen in den Quellen zur Frage der kaiserlichen Nachfolge behielten jedenfalls auch nach 1589 ihren situativen Charakter und sind nicht als verbindliche, exklusive Positionen zu verstehen. In diesem Sinne konnten griechische Geistliche, Patriarchen, Metropoliten und Mönche tatsächlich im Zaren den orthodoxen ökumenischen Kaiser sehen und ihn nach Bedarf auch als solchen feiern, ohne dass aber diese Entwicklung auf die Ergebnisse von 1589 zurückzuführen wäre. Außerdem wäre die Vorstellung vom Ökumenischen Patriarchat als einer homogenen Institution irreführend. Für die romfreundlichen Patriarchen etwa, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts nach Ieremias und Meletios Pigas und vor Kyrillos Loukaris in Konstantinopel amtierten, besaßen die Beziehungen zu Moskau keine Priorität. Ohnehin waren diese durch die »Zeit der Wirren« vorerst unterbrochen. Unbestreitbar ist aber der Unterschied zwischen der Gewichtigkeit des Zaren und der Moskauer Kirche unter den neuen Bedingungen. Während die griechischen Kirchenmänner grundsätzlich bereit waren, dem einzigen souveränen orthodoxen Herrscher die höchsten Ehren einzuräumen, betrachteten sie die Moskauer Kirche entschieden kritischer. Noch ein Jahrhundert nach der Errichtung des Patriarchats nörgelte der Jerusalemer Patriarch Dositheos, der sonst Peter I. als das von Gott bestimmte Haupt aller Orthodoxen feierte, in seinem Geschichtswerk über die Zweckmäßigkeit jenes Schrittes.59 In den Synodalbeschlüssen von 1590 und 1593 zur Gründung des neuen Patriarchats wurde diese bezeichnenderweise ausschließlich durch Moskaus Status als kaiserliche Residenzstadt und den Willen des Zaren gerechtfertigt, und nicht etwa durch die besondere Frömmigkeit des ›heiligen Russlands‹60. Es wäre überspitzt, die Anerkennung der Moskauer Patriarchenwürde und die Einbeziehung der russischen Kirche ins Modell der Pentarchie in allzu definitiver Weise als einen für die griechischen Kirchenmänner auf jeden Fall verbindlichen institutionellen Akt zu deuten. Quellenaussagen aus dem 17. Jahrhundert, sogar aus der Feder von Patriarchen, die in besonderem Maße der Verbindung mit dem Zaren und der russischen Kirche verpflichtet waren, lassen vermuten, dass die Erhebung der Moskauer Metropolie zum Patriarchat keine weiter reichenden institutionellen radoxien der Diplomatik und die Gründung des Moskauer Patriarchats], Μοσχοβία 1 (2001), 335–345. 59 »…Καλά δε ἠ παράλογα έκαμεν ο Ιερεμίας, ου του παρόντος καιρού«, Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 231. 60 Im Synodalbeschluss von 1590: »…η μετριότης ημών οικείοις οφθαλμοίς ιδούσα και πληροφορηθείσα το δεδομένον παρά θεού τη βασιλεία αυτού ταύτη πλάτος και μεγαλείον, και ότι μόνος αυτός σήμερον επί της γης βασιλεύς μέγας ομού και ορθόδοξος, ου δίκαιον έκρινε παριδείν την αίτησιν αυτού…«, Regel, Analecta, 86. In jenem von 1593: »…τον θρόνον της ευσεβεστάτης και ορθοδόξου πόλεως Μοσκόβου είναι τε και λέγεσθαι πατριαρχείον, διά το βασιλείας αξιωθήναι παρά Θεού την χώραν ταύτην…«, Fonkicˇ, »Grecˇeskie gramoty sovetskich chranilisˇcˇ. 4. Akt Konstantinopolskogo sobora 1593 g.«, 20.
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Folgen nach sich zog. Sie wurde betrachtet als das, was sie letztendlich war: ein besonderes Zugeständnis dem mächtigen Zaren gegenüber, auf dessen finanzielle Unterstützung man angewiesen war. Schon Kyrillos Loukaris zählte etwa 1613, noch als Patriarch von Alexandria, in einem Brief an den niederländischen, arminianischen Theologen Johannes Wtenbogaert die vier Patriarchen der orthodoxen Kirche auf, ohne jenen von Moskau zu erwähnen.61 Zwar könnte man neben der Absicht, die ungebrochene Kontinuität der eigenen Kirchenstrukturen zu betonen, die Smuta und die zeitweise prekäre Lage des Moskauer Patriarchats für diesen Verzicht verantwortlich machen. Doch einige Jahr später, 1625, d. h. sechs Jahr nach der Weihe von Filaret durch Theofanis von Jerusalem, ging der Schüler von Loukaris und spätere Patriarch von Alexandria (1636–1639), Mitrofanis Kritopoulos, in seinem in Helmstedt verfassten Glaubensbekenntnis nach wie vor von vier orthodoxen Patriarchen aus.62 Eindeutiger und heikler wird es bei Nektarios (1661–1669), dem Patriarchen von Jerusalem, in dessen postum 1682 in Ias¸i gedruckten Kontroversschrift gegen das Primat des Papstes: Zur Ostkirche gehören vier Patriarchate und weitere autokephale Kirchen, wie Zypern, Bulgarien (Ochrid), Iberien (Georgien) und Moskau. Letztere wurde »nicht nur bis zur Würde des Erzbistums, sondern vor kurzem in den Rang des Patriarchats [erhoben] und wird entsprechend geehrt und bezeichnet. Ob dies jedoch gerechtfertigt und vernünftig ist, das sei lieber übergangen.«63 Wichtiger sind wohl für die griechische Kulturwelt die längerfristigen Auswirkungen im mentalen Bereich. Die intensivierten Beziehungen zu Moskau, markiert unter anderem gewiss durch die Weihung eines fünften orthodoxen Patriarchats, prägten ein verändertes orthodoxes Selbstverständnis mit, das über die herkömmlichen byzantinischen und postbyzantinischen Formeln hinausging. Der Aufstieg Moskaus veränderte somit die Karte, die »mental map« der orthodoxen Welt.64 Im konfessionellen Europa war es für die Orthodoxen im 61 Vgl. É. Legrand, Bibliographie hellénique ou description raisonnée des ouvrages publiés par les Grecs au XVIIe siècle, Bd. 4, Paris 1896, 303: »Hae nationes [d. h. die orthodoxen Völker, dazu werden auch die Moskowiter explizit gezählt] habent 4 legitimos Patriarchas, inter quos primum locum tenet Constantinopolitanus, secundum Alexandrinus, tertium Antiochenus, ultimum Hierosolymitanus.« 62 Vgl. Michalcescu, Die Bekenntnisse, 251. 63 »…η δε Ανατολίς τους τέσσαρας πατριάρχας και άλλας έτι ήττονας μεν αρχάς αλλ’ ουδέν ήττον αρχάς, και θρόνους αυτοκεφάλους λεγομένους. Οίοι αρχαιότατοι και εξ αυτών των αποστόλων ο Κύπρου, ο Βουλγαρίας από Ιουστινιανού του μεγάλου, ο Ιβηρίας, και ο Μοσχοβίας, όστις ουκ εις Αρχιεπισκοπήν έτι, αλλ’εις Πατριαρχείον ήδει προ ολίγων χρόνων τετίμηταί τε και λέγεται. Το δ’ότι δικαίως και ευλόγως, τόγε νυν έχον, λέγειν παρίημι.«, Nektarios, Patr. von Jerusalem, Περί της αρχής του Πάπα αντίρρησις [Einwand gegen das Päpstliche Primat], Ias¸i 1682, 42; vgl. Gahbauer, Die Pentarchietheorie, 323–328 und 337f. (zu einer ähnlichen Aussage des Patriarchen von Antiochia Makarios). 64 Vgl. als Einführung in die Thematik den Beitrag von F. B. Schenk, »Mental Maps. Die Konstruktion von geographischen Räumen in Europa seit der Aufklärung«, Geschichte und Ge-
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Osmanischen Reich möglich, sich nicht mehr auf sich allein gestellt zu sehen oder auf die begrenzten Mittel von politisch mehr oder weniger machtlosen orthodoxen Teilfürsten angewiesen zu sein. Sie konnten nun in ihren Vorstellungen über einen »eigenen« orthodoxen Kaiser verfügen. Die Bedeutung und das Potential dieser Entwicklung zeigten sich in den nächsten Jahrzehnten, insbesondere in der groß angelegten Politik des Patriarchen von Konstantinopel Kyrillos I. Loukaris.
sellschaft 28/3 (2002), 493–514; ders., »Mental Maps: Die kognitive Kartierung des Kontinents als Forschungsgegenstand der europäischen Geschichte«, in: Europäische Geschichte Online (EGO), 2013-06-05. URL: http://www.ieg-ego.eu/schenkf-2013-de [25. 03. 2017].
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Die unverbindlichen Kontakte und Annäherungsversuche zwischen orthodoxen Hierarchen und Rom sowie Vertretern der reformatorischen Kirchen, welche die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts kennzeichnen, erwiesen sich als vorübergehende Erscheinung. Die erfolgreichen Bestrebungen der nachtridentinischen katholischen Kirche, ihren Einfluss im Osten zu stärken, um das verloren gegangene Terrain zu kompensieren, ließen in der Folge die alten Gegensätze zwischen Unionsanhängern und Unionsgegnern innerhalb der Orthodoxie mit erneuter Intensität wiederaufleben und entsprechende Ängste und Reaktionen aufkommen. In Konstantinopel sorgten zunächst die Präsenz der Missionare und die Gründung von katholischen Schulen und karitativen Einrichtungen für Spannungen, die im auffälligen Gegensatz zur vielfach belegten reibungslosen Koexistenz der christlichen Konfessionen auf lokaler Ebene, etwa auf den Ägäisinseln, standen.1 Die Bildung einer unionsfreundlichen Fraktion innerhalb der Hierarchie des Ökumenischen Patriarchats, die in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts mehrere Patriarchen stellen konnte (etwa Rafail II., 1603–1607; Neofytos II., 1601–1603, 1607–12; Timotheos II., 1612–1620; Kyrillos II. Kontaris, 1633, 1635–1636, 1638–1639), spaltete den Klerus und überlagerte die üblichen Kirchenintrigen.2 Zudem verwickelte die Einmischung der christlichen Mächte durch ihre Botschafter an der Hohen Pforte diese internen Fraktionskämpfe immer deutlicher in die große europäische Politik. Diese innerkirchlichen Auseinandersetzungen und die Erneuerung der orthodoxen antikatholischen Ressentiments sind vor dem Hintergrund der allgemeinen Erhärtung der konfessionellen Fronten in Europa zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu sehen. Diese stellt wiederum einen Abschnitt im Prozess der 1 Vgl. T. Ware, »Orthodox and Catholics in the Seventeenth Century: Schism or Intercommunion?«, in: D. Baker (Hg.), Schism, Heresy and religious protest, Cambridge 1972, 259–276; ders., Eustratios Argenti. A Study of the Greek Church under Turkish Rule, Oxford 1964, 16–33. 2 Vgl. Hering, Ökumenisches Patriarchat, 11–14, 146–160; Vakalopoulos, Ιστορία, Bd. 3, 202–207, 382–471; Runciman, The Great Church, 226–237; Petmézas, »L’organisation ecclésiastique«, 527.
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allgemeinen ›Konfessionalisierung‹ des Christentums dar.3 Zwar ist das kontrovers diskutierte Forschungskonzept mit seinem ursprünglichen Schwerpunkt auf dem Konnex zwischen Konfessionsbildung, Staatsbildung und Sozialdisziplinierung zum einen weitgehend dekonstruiert worden. Zum anderen ist es nicht ohne Weiteres auf die Erforschung der orthodoxen Kirchen übertragbar.4 Trotzdem sind Prozesse konfessioneller Festigung innerhalb der Orthodoxie im ganzen 17. Jahrhundert durchaus mit Sachverhalten in Verbindung zu setzen, die das Konzept bündelt. Außerdem geht die gegenwärtige Forschung davon aus, dass die Tendenz, in sich geschlossene, uniforme und voneinander abgegrenzte konfessionelle Gruppen durch Intensivierung der Glaubenspraxis und Regulierung der Glaubensinhalte zu formieren, als globales, transreligiöses Phänomen zu verstehen ist, das über die christliche Welt hinaus auch den zeitgenössischen Islam erfasste und etwa »Sunnitisierungsprozesse« im Osmanischen Reich des 16. und 17. Jahrhunderts umfasst.5 Was die orthodoxe Welt angeht, ließen sich die diversen Reformbestrebungen, wie die Nikon’schen Reformen und das Programm der »Erleuchtung« (prosvesˇcˇenie) im Moskauer Reich oder die mit dem Namen Peter Mohylas und seiner Confessio Orthodoxa verbundenen Reformen in der ruthenischen Orthodoxie, in den Begriffen des Konfessionalisierungskonzepts, oder zumindest des engeren Konzepts der Konfessionsbildung, diskutieren.6 Für die griechische Orthodoxie ist ein Verständnis von Konfessiona3 Vgl. Th. Kaufmann, »Konfessionalisierung«, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 6, Stuttgart 2007, 1053–1069 mit Auflistung der grundlegenden Forschungsliteratur. 4 Vgl. den Band von M.-D. Grigore und Fl. Kührer-Wielach (Hg.), Orthodoxa Confessio? Konfessionsbildung, Konfessionalisierung und ihre Folgen in der östlichen Christenheit Europas, Göttingen 2018, darin insb. A. Brüning, »Die Orthodoxie im kofessionellen Zeitalter: Von der kirchlichen Reform zur Konfessionalisierung – oder nicht? Beobachtungen in universalgeschichtlicher Perspektive«, 45–75; V. N. Makrides, »Konfessionalisierungsprozessen in der orthodox-christlichen Welt. Ein Periodisierungs- und Systematisierungsversuch«, 77–110. 5 Vgl. Krstic´, Contested Conversions to Islam, insbes. 13f.; dies., »State and Religion, ›Sunnitization‹ and ›Confessionalism‹ in Süleyman’s Time«, in: P. Fodor (Hg.), The Battle for Central Europe, Leiden u. a. 2019, 65–91; Helmedach, Koller, »Herrschaft, Macht und Gewalt«, 36–43; E. Gara, »Conceptualizing Interreligious Relations«, 84–88; M. Pohlig, »Annäherungen – Zum Verhältnis von Religion und Politik im frühneuzeitlichen Osmanischen Reich in vergleichender Perspektive«, in: L. Gall, D. Willoweit (Hg.), Judaism, Christianity, and Islam in the Course of History: Exchange and Conflicts, München 2011, 343–369. 6 Für eine Diskussion der Nützlichkeit des Konzepts für die Moskauer Kirchenreform und den Raskol vgl. S. Plaggenborg, »Konfessionalisierung in Osteuropa im 17. Jahrhundert. Zur Reichweite eines Forschungskonzeptes«, Bohemia 44 (2003), 3–28; N. Kizenko, »The Sacrament of Confession as Encounter with Early Modernity«, in: P. Bushkovitch (Hg.), The State in Early Modern Russia: New Directions, Bloomington IN 2019, 163–189; J. Kusber, »Gab es im Moskau der Frühen Neuzeit eine Konfessionalisierung?«, in: M.-D. Grigore, Fl. Kührer-Wielach (Hg.), Orthodoxa Confessio? Konfessionsbildung, Konfessionalierung und ihre Folgen in der östlichen Christenheit Europas, Göttingen 2018, 189–203; V. M. Zhivov, »Dva etapa disciplinarnoj revoljucii v Rossii XVII i XVIII stoletija«, Cahiers du monde russe 53 (2012), 349–374. Paul Bushkovitch hat die Prozesse von kirchlicher Reform und Regulierung populärer Reli-
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lisierungsprozessen als Nebeneffekt von epistemischem Außendruck durch Vertreter der westlichen Konfessionen besonders aufschlußreich.7 Gerade die Fremdwahrnehmung der Ostkirche als eine Konfession neben den postreformatorischen Konfessionen des Westens8 hatte tiefe Auswirkungen auf ihre Selbstwahrnehmung, sowohl was konfessionelle Inhalte angeht, als auch die Vorstellung einer gesamtorthodoxen Glaubensgemeinschaft. Unter den griechischen Kirchenmännern waren es zunächst Meletios Pigas und sein Neffe Kyrillos Loukaris, die ein Reformbedürfnis erkannten, während es Dositheos von Jerusalem vorbehalten war, den Prozessen einer Festigung und Abgrenzung der Orthodoxie als Konfession zu leiten und, gemessen an seinen Minimalzielen, zu einem Erfolg zu verhelfen. Seine und seines Kreises Rede vom »orthodoxen System« (ορθόδοξον σύστημα) im Sinne eines konfessionellen Blocks ist vor diesem Hintergrund zu verstehen. Vor allem die Erfolge der katholischen Reformbewegung hatten für ihre entschiedensten Kontrahenten eine ausgeprägte Vorbildfunktion. Sie inspirierten die Exponenten einer militanten, wehrhaften Orthodoxie, welche auf die Konkurrenz der katholischen Missionare und die römischen Unionsbestrebungen durch Reform und Anpassung reagierte. Dazu gehörten die Reorganisation des orthodoxen Bildungswesens, die Disziplinierung des Klerus, die Kultivierung der Predigt in der Volkssprache, die Verwendung des Buchdrucks für propagandistische Zwecke, etwa für die Verbreitung von antipäpstlichen Streitschriften oder orthodoxen Katechismen und Beichtbüchern, die aktive, oder besser gesagt: reaktive Teilnahme an der europäischen interkonfessionellen Polemik und nicht zuletzt die Netzwerkbildung mit verschiedenen europäischen Gesandten an der Pforte.9 giosität durch Staat und Kirche in Moskau im 16. und 17. Jahrhundert beschrieben, ohne explizit den Begriff der Konfessionalisierung aufzugreifen: Bushkovitch, Religion and Society. Zum »prosvesˇcˇenie« vgl. C. J. Potter, The Russian Church and the Politics of Reform in the Second Half of the Seventeenth Century, Diss. Yale Univ. 1994, hier 4–14; M. Schippan, Die Aufklärung in Russland im 18. Jahrhundert, Wiesbaden 2012, 14–23. Zur ruthenischen Orthodoxie vgl. L. V. Charipova, »Orthodox Reform in Seventeenth-Century Kiev: The Evidence of a Library«, JEMH 17 (2013), 273–308, besonders 295–299; A. Brüning, »Confessionalization in the Slavia Orthodoxa (Belorussia, Ukraine, Russia)? – Potentials and Limits of a Western Historiographical Concept«, in: Th. Bremer (Hg.), Religion and Conceptual Boundary in Central and Eastern Europe. Encounters of Faiths, Basingstoke 2008, 66–97; ders., »Confessio Orthodoxa und europäischer Konfessionalismus. Einige Anhaltspunkte zur Verhältnisbestimmung«, FOG 58 (2001), 207–221. 7 C. A. Zwierlein, »›Konfessionalisierung‹ europäisch, global als epistemischer Prozess. Zu den Folgen der Reformation und zur Methodendiskussion«, in: Ch. Strohm (Hg.), Reformation und Recht. Ein Beitrag zur Kontroverse um die Kulturwirkungen der Reformation, Tübingen 2017, 1–51. 8 C. A. Zwierlein., Imperial Unknowns. The French and British in the Mediterranean, 1650–1750, Cambridge, 2016. 124, 138. 9 Vgl. Kitromilides, »Orthodoxy and the West«, 193–202; Hering, Ökumenisches Patriarchat, 34, 327; V. Tsakiris, Die gedruckten griechischen Beichtbücher zur Zeit der Türkenherrschaft. Ihr
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Wenngleich im Zusammenhang dieser Studie die Tragweite einer »orthodoxen Konfessionalisierung« nicht ausgelotet werden kann, so ist Konfessionalisierung als Epochenchiffre grundlegend für eines ihrer leitenden Argumente: die Auswirkungen der Konfessionalisierung, insbesondere die Wahrnehmung der Orthodoxie als Konfession in einer Welt der Konfessionen war die Voraussetzung für die Annäherung der ostslavischen und der griechischen Orthodoxie, für die Orientierung griechischer Hierarchen an Moskau und für den Entwurf politischer Projekte, sei es Loukaris’ »großer Plan«10, die panorthodoxen Visionen der Jahrhundertmitte oder Dositheos’ »orthodoxes System«. Diejenigen Hierarchen, die sich vornehmlich einer kämpferischen Einstellung gegenüber Rom verschrieben hatten, setzten als Erste auf die politische Verbindung zum Moskauer Zaren und versuchten, ihn als Schutzherrn einer als solchen imaginierten, gesamtorthodoxen Glaubensgemeinschaft zu verpflichten. Ihre Ziele beschränkten sich nicht auf die Abwehr der römischen Unionspläne, gegen welche man die russischen Glaubensbrüder durch Verbreitung antipäpstlicher Schriften zu wappnen verstand.11 Der Rückhalt vom Moskauer Zaren diente seit Pigas bezeichnenderweise auch als Argument in der konfessionellen Polemik. Gegen die Behauptung, die Orthodoxen hätten wegen ihrer Irrlehren bzw. wegen der Ablehnung der Union von Florenz das Kaiserreich verloren, verwies Pigas, neben anderen bewährten Argumenten, auf die Existenz eines orthodoxen Kaisers in Moskau.12 Das entscheidende Ereignis, das als Fanal einer breit angelegten katholischen Offensive und als akute Bedrohung für die gesamte Orthodoxie empfunden wurde, war die Union von Brest (1596), mit der die Hierarchie der ruthenischen orthodoxen Kirche im Königreich Polen-Litauen das katholische Glaubensbekenntnis akzeptierte und sich dem Papst unterstellte, mit anderen Worten, sich kirchenpolitischer Entstehungszusammenhang und ihre Quellen, Berlin u. a. 2009, besonders Kapitel I und II; Tzedopoulos, Ορθόδοξοι νεομάρτυρες, 155f. 10 Vgl. Hering, Ökumenisches Patriarchat, 207–247. 11 Siehe die Belege in den Briefen von Pigas und Loukaris nach Moskau: Regel, Analecta, 95, 115; Kapterev, Charakter, 522. 12 Vgl. Meletios Pigas, Περί της αρχής του Πάπα ως εν είδει επιστολών [Über das Päpstliche Primat in Form von Episteln], Konstantinopel 1628 (Sammlung der Streitschriften von Pigas in Form von Briefen, die Loukaris in der kurzlebigen Patriarchatsdruckerei in Konstantinopel drucken ließ). Hier (S. 7) in Form eines Briefes von 1597 an Fürst Konstantin Ostrozˇ’ky: »…και βασιλείας πλουτεί η ορθόδοξος πίστις· και ο Μοσκοβίας γαρ κράτιστος βασιλεύς ορθόδοξος· και σου γαρ η αρχή λαμπρέ κνέζη Βασίλειε…«. Noch feierlicher äußert sich Pigas in einer weiteren kontroverstheologischen Streitschrift (»Κατά της αρχής του Πάπα«), die der Jerusalemer Patriarch Dositheos 1699 in seine Sammeledition Τόμος Χαράς miteinbezog: »…Μόσκοβος και Ρωσία η άπειρος μάρτυς, το θεοστεφές βασίλειον, η ακήρατος αυτοκρατορία, της ευσεβείας η γη, η της ορθοδοξίας ουρανομήκης στύλη, η ανόθευτος του Μεγάλου Κωνσταντίνου διαδοχή«, Dositheos, Patriarch von Jeruselam, Τόμος Χαράς [Buch der Freude], Rîmnic 1705, 601. Dositheos selbst baute das Argument in sein Geschichtswerk ein: Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 14.
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von Konstantinopel lossagte.13 Die Motivation für die Union von Brest, die auf eine Initiative von fünf Bischöfen der Kiever Metropolie zurückgeht, dürfte kaum in der Errichtung des Moskauer Patriarchats 1589 zu suchen sein.14 Den Anlass für das Ersuchen der ruthenischen Bischöfe in Rom im Jahr 1595 dürften die Maßnahmen der durchreisenden Patriarchen Ioakeim von Antiochia und Ieremias von Konstantinopel gegeben haben, die auf die Dynamik der, im Zuge der konfessionellen Auseinandersetzungen gegründeten, Bruderschaften setzten.15 Auf seiner Reise nach Moskau hatte Ioakeim im Januar 1586 in Lemberg der dortigen Bruderschaft die Beaufsichtigung der Moral sowohl des Kirchenvolkes als auch des örtlichen Klerus aufgetragen. Ieremias hatte im Sommer 1589 im Zuge seiner Rückkehr aus Moskau den Metropoliten von Kiev abgesetzt, einen Exarchen für die Überwachung des neuen Metropoliten und der anderen Bischöfe ernannt und den Bruderschaften von Lemberg und Wilna das Privileg des Stavropigion verliehen (d. h. sie der Oberaufsicht des Ortsbischofs entzogen und dem Patriarchat direkt unterstellt).16 Zielten diese Maßnahmen auf eine engere Kontrolle Konstantinopels über die gefährdete Kiever Metropolie, so erwiesen sie sich, nach der Reaktion der in ihren traditionellen Prärogativen getroffenen Bischöfe, als kontraproduktiv. Gegen die Diskriminierung der ruthenischen 13 Vgl. G. Podskalsky, »Die Union von Brest aus der Sicht des Ökumenischen Patriarchats (Konstantinopel) im 17. Jahrhundert«, OCP 61 (1995), 555–570; zur Vorgeschichte und zum Zustandekommen der Union vgl. Gudziak, Crisis and Reform, 209–244; Ammann, Abriß der ostslawischen Kirchengeschichte, 199–215; Onasch, Grundzüge der russischen Kirchengeschichte, 64–67; S. Plokhy, The Cossacks and Religion in Early Modern Ukraine, Oxford 2001, 65–86; ders. Origins, 181–183; O. Subtelny, Ukraine. A History, Toronto u. a. 20003, 92–102; O. R. Crummey, »Eastern Orthodoxy in Russia and Ukraine in the age of Counter-Reformation«, in: The Cambridge History of Christianity, Bd. 5: Eastern Christianity, hg. von M. Angold, Cambridge 2006, 302–324, hier 302–306; A. Brüning, Unio non est unitas. Polen-Litauens Weg im konfessionellen Zeitalter (1569–1648), Wiesbaden 2008, 248–325. In den ruthenischen Ländern war die Union von Florenz nicht annulliert worden, sondern erst allmählich im Laufe des folgenden Jahrhunderts unwirksam geworden, vgl. Gudziak, Crisis and Reform, 49–54, 192f. 14 Die Vermutung, die ruthenischen Bischöfe hätten sich von der Errichtung des neuen Patriarchats bedroht gefühlt und der Unterordnung ihrer Kirchenorganisation unter Moskau vorbeugen wollen, findet in den Quellen keine Bestätigung und scheint aus der späteren Entwicklung bekannte Sachverhalte vorwegzunehmen (Vertrag von Perejaslav 1654, tatsächliche Unterordnung der Kiever Metropolie unter Moskau 1686), vgl. Gudziak, Crisis and Reform, 222f.; B. N. Florja, »Episkopy, pravoslavnaja znat’ i bratstva. Vopros o reforme cerkvi v poslednie desjatiletija XVI v.«, in: Brestkaja unija 1596 g. i obsˇcˇestvenno-politicˇeskaja bor’ba ˇ ast I: Brestkaja unija 1696 g. Istoricˇeskie na Ukraine i v Belorussii v konce XVI-nacˇale XVII v., C pricˇiny, Moskau 1996, 95–116; ders., »Vostocˇnye patriarchi i zapadnorusskaja cerkov’«, in: ebenda, 117–130. 15 Zur Beteiligung von Griechen an den Bruderschaften und zu griechischen Lehrern an den ruthenischen Schulen vgl. I. Isaievych, »Greek Culture in the Ukraine 1550–1650«, MGSY 6 (1990), 97–122; Plokhy, Origins, 177–181. 16 Vgl. Gudziak, Crisis and Reform, 158–164, 196–207, 249–251; Hannick, Todt, »Jérémie II Tranos«, 568–572; Plokhy, Cossacks and Religion, 67.
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Orthodoxie hatte außerdem das entfernte und finanziell bedrängte Konstantinopler Patriarchat der ruthenischen Kirchenleitung keinen praktischen Beistand leisten können. Da die orthodoxen Magnaten, die Bruderschaften und der Großteil des Kirchenvolks und des Klerus den unierten Bischöfen die Gefolgschaft versagten, kam es zum labilen Ergebnis einer »Hierarchie ohne Kirchenvolk und einem Kirchenvolk ohne Hierarchie«17. Kyrillos Loukaris versuchte als Bevollmächtigter (Exarch) des Patriarchen von Alexandria, seines Onkels Meletios Pigas, für die ruthenischen Eparchien (ab 1594) zusammen mit dem Exarchen des Ökumenischen Patriarchen Ieremias II., Nikiforos Paraschis Kantakouzinos die Union von Brest erfolglos zu vereiteln.18 Nach dem Verlust der Kiever Metropolie befürchtete man nun eine Kettenreaktion und eine Fortsetzung von Unionsbildungen in weiteren orthodoxen Kirchen, in den Donaufürstentümern und sogar in Moskau.19 Gerade die Sorge um die Zukunft der einzigen orthodoxen Monarchie und der ihr anvertrauten Kirche schien in der sogenannten »Zeit der Wirren« (smutnoe vremja oder Smuta) (1598–1613) kaum übertrieben. Die durch das Aussterben der Rjurikiden-Dynastie ausgelöste Krise ebnete den Weg für das Auftreten der Thronprädententen (samozvancy), wie des ersten sogenannten Pseudo-Dmitrijs, der als der angebliche Sohn Ivans IV. mit polnischer Hilfe 1605 zeitweilig den Zarenthron bestieg.20 Ein bürgerkriegsähnlicher Konflikt gipfelte schließlich in der Besetzung Moskaus durch polnische Truppen und die Ansprüche des polnischen Königs und seines Sohnes auf den Zarenthron.21 17 Subtelny, Ukraine, 101. 18 Nach dem Vollzug der Union wurde Nikiforos der Spionage im Auftrag des Sultans angeklagt und in der polnischen Festung Marienburg inhaftiert, wo er kurz darauf gestorben ist, während Loukaris, inzwischen Rektor der Ostroher Akademie, noch rechtzeitig fliehen konnte. Nach Polen kehrte er 1600 für ein Jahr als Bote von Meletios Pigas zurück, vgl. Podskalsky, »Die Union von Brest«, 560–565; Gudziak, Crisis and Reform, 239–242, 360, Anm. 30; O. A. Borkovskij, »Pervij vizit eksarcha Kirilla Loukarisa v Kievskuju mitropoliju ˇ 7 (2009), 129–140; Panou, »Greek-Romanian Symbiotic Patterns – II« , 88– (1595–1597)«, KC 92. Siehe Briefe von Loukaris an die Lemberger Bruderschaft aus seiner Zeit als Patriarch von Alexandria und Konstantinopel, ediert bei Archimandrit Chrysostomos (= Chr. Papadopoulos) »Ελλήνων Επιστολαί προς Ρώσους κατά τον ΙΣΤ΄και ΙΖ΄αιώνα« [Briefe von Griechen an Russen im 16. und 17. Jahrhundert], Εκκλησιαστικός Φάρος 22 (1923), 133–165, hier 137–146. 19 Vgl. Hering, Ökumenisches Patriarchat, 30; siehe dazu etwa den polemischen Dialog, den Loukaris 1616 als Patriarch von Alexandria verfasste: A. Papadopoulos-Kerameus, Ανάλεκτα Ιεροσολυμιτικής Σταχυολογίας [Auswahl handschriftlicher Quellen aus der Patriarchatsbibliothek von Jerusalem], Bd. 1, St. Petersburg 1891, 220–230. 20 Als Zar hat Pseudo-Dmitrij den griechischen Unionsfreund und Bischof von Rjazan Ignatij zum Patriarchen wählen lassen. Die Quellenaussagen zu Ignatijs Herkunft sowie zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Russland sind widersprüchlich, vgl. V. I. Ul’janovskij, »Patriarch Ignatij v Grecii, Rossii i Recˇi Pospolitoj«, in: Slavjane i ich sosedi. Katolicizm i pravoslavie v srednie veka. Sbornik Tezisov, Moskau 1991, 53–58; Scheliha, Universalkirche, 236f. 21 Vgl. Hösch, Geschichte Rußlands, 105–111; R. I. Frost, The Northern Wars: War, State and Society in Northeastern Europe, 1558–1721, London 2000, 81–101.
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Die Deutung der Smuta als göttliche Bewährungsprobe für die Orthodoxie war angesichts der übergreifenden konfessionellen Auseinandersetzung und der neu aufkommenden Diskurse einer orthodoxen Einheit kein ausschließlich auf die russischen Zeitgenossen beschränktes Phänomen. Die erst nach seinem Sturz gängige Porträtierung Dmitrijs als Werkzeug der Polen und der Jesuiten sowie die Erleichterung über dessen Ende wird im zeitgenössischen griechischen Gedicht (ριμάδα) »Das Leben von Dimitrios« (Βίος Δημητρίου) des Konstantinopler Priestermönchs Matthaios Kollitzidis rezipiert, der sich in der fraglichen Zeit in Smolensk aufhielt.22 Bezeichnenderweise wird die Identität des Thronprädententen mit dem ermordet geglaubten Sohn Ivans IV. an sich nicht bestritten.23 Es ist der polnische Einfluss, der in den Augen des Autors eine Gefahr für Moskau und die gesamte Orthodoxie darstellt. Im 1612 (und erneut 1682) in Venedig gedruckten Werk wird als Essenz jener Ereignisse besonders die göttliche Belohnung für die Standhaftigkeit des moskowitischen Glaubens und die Rettung der Orthodoxie als Vorbild und Lehre für die griechische Welt hervorgehoben (άμποτες να έλθη νίκη κ’ εις αυτούς, ωσάν της Μοσχοβίας).24 Im Zeichen der Smuta und ihrer Nachwirkungen stand noch die Reise des Jerusalemer Patriarchen Theofanis III. (1608–1644) nach Moskau (1619), mit der die regelmäßigen Beziehungen zwischen den östlichen Patriarchaten und Moskau nach der Vertreibung der Polen aus Moskau und der Wahl Michail Fedorovicˇ Romanovs 1613 zum Zaren wiederaufgenommen wurden.25 Mit der Inthroni22 Vgl. B. Knös, »Une version grecque de l’histoire de faux Démétrius, tzar de la Russie«, ΔΙΕΕΕ 16 (1962), 223–266. Eine weitere Kurzchronik aus dem späten 17. Jahrhundert hat K. Papoulidis ediert: »A Second Greek Account of the Revolution of Pseudo-Dmitriy (Russia 1605–1606): Codex Iviron 710ff. 100rv«, BS 15 (1974), 287–297. Dagegen zeichnet sich die Schilderung der Smuta im Geschichtswerk von Arsenios von Elassona durch Sachlichkeit und Nüchternheit aus, vgl. B. N. Florja, »Arsenij Elassonskij o sobytijach russkoj Smuty nacˇala XVII v.«, Slavjanskij Al’manach (2001), 79–96; vgl. zu beiden Werken O. Alexandropoulou, »The History of Russia in Works by Greek Scholars of the Seventeenth Century«, Cyrillomethodianum 13–14 (1989–90), 61–91, hier 72–76; B. L. Fonkicˇ, »Grecˇeskoe knigopisanie v Rossii v XVII v.«, in: Knizˇnye centry drevnej Rusi. XVII. Raznye aspekty issledovanija, St. Petersburg 1994, 18–63, hier 19–22. 23 Der Patriarch Sofronios von Jerusalem (1579–1608), der noch 1603 den Zaren Boris Godunov in einem Bittbrief mit den kaiserüblichen Attributen gepriesen hatte, schrieb 1605 an den »Zarensohn« (βασιλόπουλο) Dmitrij noch vor dessen Krönung, um Letzterem die Erlangung des väterlichen Throns zu wünschen und seine nach Moskau abgesandten Leute zu empfehlen: Regel, Analecta, CVIII–CX, 119–128; Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 16–20. Der Brief könnte aber auch gefälscht sein und nicht von Sofronios stammen, vgl. Tchentsova, »Illjuzii«, 421–423. 24 Knös, »Une version«, besonders 232f., 252f. 25 Theofanis, der schon 1603 als Haupt der bei Boris Godunov vorstellig gewordenen Gesandtschaft seines Vorgängers Sofronios Moskau besucht hatte, folgte einer Einladung der Gesandten des Zaren, die 1614 nach Konstantinopel gereist waren, um dem Sultan Ahmed I. die Thronbesteigung Michails offiziell bekanntzugeben und seine Anerkennung zu erlangen. Von einem Mitglied des Gefolges des Patriarchen stammt ein kurzer Reisebericht, den der
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sierung Filarets (1619–1633) zum neuen Moskauer Patriarchen trug Theofanis angesichts der nach wie vor prekären Situation wesentlich zur Legitimation und Konsolidierung der neuen Dynastie (Filaret war der Vater des jungen Zaren Michail) sowie zur Restauration der kirchlichen Einbindung Moskaus in die Gesamtorthodoxie bei. Nach dem Autoritätsverlust des jungen Patriarchenamtes während der Smuta, den die verschiedenen Thronprätendenten mit der Aufstellung rivalisierender Gegenpatriarchen verursacht hatten, handelte es sich bei Filarets Weihung um eine Art Wiedererrichtung des Moskauer Patriarchats. Die Bedeutung dieses 1619 erfolgten Akts für das Moskauer Patriarchat lässt sich am Stellenwert der Ernennungsurkunde Filarets erkennen, der jenem der Gründungsdokumente von 1589 und 1593 als ›Charta‹ der russischen Kirche glich.26 Theofanis’ Reise hatte zudem eine entscheidende Bedeutung für die ruthenische Orthodoxie. Er knüpfte an die Maßnahmen der Patriarchen Ioakeim und Ieremias an und verlieh auf seiner Rückreise durch Polen mehreren Bruderschaften, Klöstern und Kirchen den Stavropigion-Status, um sie gegen Ansprüche der unierten Bischöfe abzusichern. Im Oktober 1620 weihte er heimlich eine neue orthodoxe Hierarchie für die Metropolie von Kiev und ihre Bistümer. Die Initiative zu diesem Schritt scheint weniger auf einem schon zuvor vereinbarten Plan der östlichen Patriarchen oder Absprachen von Theofanis mit der russischen Führung in Moskau zu fußen. Theofanis gab wohl eher dem Druck der Kiever Bruderschaft und besonders der Zaporoger Kosaken nach, die sich im Zuge der Verlagerung des kulturellen und geistigen Zentrums der ruthenischen Orthodoxie von Lemberg nach Kiev immer deutlicher als ihre Schutz- und Streitmacht verstanden. Theofanis, der auf dem Weg nach Moskau 1618 an den spätere Jerusalemer Patriarch Dositheos in sein Geschichtswerk einbaute, vgl. Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 220–230. Allgemein zu Theofanis und seinen Beziehungen mit Moskau vgl. Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 27–115; Panchenko, Arab Orthodox Christians, 302–309; Chr. Papadopoulos, Οι πατριάρχαι Ιεροσολύμων ως πνευματικοί χειραγωγοί της Ρωσσίας κατά τον ΙΖ΄ αιώνα [Die Patriarchen Jerusalems als geistliche Mentoren von Russland im 17. Jahrhundert], Jerusalem 1907, 37–73; B. L. Fonkicˇ, »Ierusalimiskj patriarch Feofan i Rossija. Obzor grecˇeskich gramot Central’nogo Gosudarstvennogo Archiva Drevnich Aktov«, in: A. Batalov, A. Lidov (Hg.), Ierusalim v russkoj kul’ture, Moskau 1994, 212–217; ders., Greek documents and manuscripts, icons and applied art objects from Moscow depositories, Moskau 1995, 54–59. Zu Theofanis’ wechselhaftem Verhältnis zu Rom vgl. G. Hofmann SJ, »Theofanes III., Patriarch von Jerusalem, und Papst Urban VIII.«, Orientalia Christiana XXX/1, Nr. 84, Rom 1930 [= Griechische Patriarchen und römische Päpste. Untersuchungen und Texte III/1]. 26 Vgl. Scheliha, Universalkirche, 64–80. Da 1626 beim großen Brand im Moskauer Auswärtigen Amt (Posol’skij Prikaz) das Original verloren gegangen war, schickte Theofanis auf Bitte Filarets 1629 eine Kopie der Urkunde nach Moskau, vgl. B. L. Fonkicˇ, »Grecˇeskie gramoty rossijskich chranilisˇcˇ. 5. Gramota ierusalimskogo patriarcha Feofana ob utverzˇdenii moskovskim patriarchom Filareta Nikiticˇa«, Cyrillomethodianum 13–14 (1989/90), 45–60. Die Rechtfertigung der Patriarchenweihe basiert, in Anlehnung an die Urkunde von 1593, auf dem Status des Zaren als einzigen orthodoxen Kaisers.
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Waffenstillstandsverhandlungen in Deulino zwischen Russen und Polen teilgenommen hatte, tadelte die Kosaken für ihre Teilnahme am Feldzug des polnischen Königs im Jahr 1617 gegen Moskau und untersagte ihnen fortan jegliche Aktionen gegen den Zaren. Damit initiierte er eine zukunftsweisende Vermittlungsfunktion der östlichen Patriarchen zwischen der Zaporoger Sicˇ und Moskau.27 Wenn Theofanis’ Ziele und Mittel noch dem kirchenpolitischen Spielraum eines orthodoxen Patriarchen eigen waren, so hat Kyrillos Loukaris (Patriarch von Alexandria 1601–1620 und Konstantinopel 1620–1638 mit fünfmaliger Unterbrechung)28 diesen Spielraum erheblich erweitern können. »Er entdeckte für das Patriarchat die Möglichkeit, die Große Politik mitzugestalten«29. Zwar erscheint der streitbare Hierarch, der wie kaum ein anderer Klerus und Kirchenvolk polarisierte, dessen politische und theologische Umtriebigkeit die Aufmerksamkeit der katholischen und protestantischen Welt auf sich lenkte und dessen Glaubensbekenntnis eine europäische Sensation darstellte, als Ausnahmephänomen in der Kirchengeschichte seiner Zeit. Doch sowohl seine abenteuerliche, jahrelang energisch verfolgte ›grand strategy‹, die hier allein interessiert, als auch sein pastorales Werk und seine vielfältigen Impulse zum inneren Leben seiner Kirche sowie nicht zuletzt seine persönlcihe Aufgeschlossenheit gegenüber der calvinistischen Glaubenslehre, waren letzlich »ein Produkt seiner Angst vor der politischen und geistigen Übermacht des Katholizismus«30.
27 Vgl. A. Mironovicˇ, »Dejatel’nost’ ierusalimskogo patriarcha Feofana III. v Recˇi Pospolitoj«, ˇ 7 (2009), 115–128; Plokhy, Cossacks and Religion, 99–144, insb. 112–116 sowie 278; Hering, KC Ökumenisches Patriarchat, 31–33; Papadopoulos, Οι πατριάρχαι, 55–65; Hösch, Geschichte Rußlands, 130. 28 Zu Loukaris im Allgemeinen außer der grundlegenden Monographie von Hering vgl. K.-P. Todt, »Kyrillos Loukaris«, in: C. G. Conticello, V. Conticello (Hg.), La Théologie Byzantine et sa Tradition, Bd. 2, Turnhout 2002, 617–658; Podskalsky, Griechische Theologie, 162–180; Kitromilides, »Orthodoxy and the West«, 193–202; Vakalopoulos, Ιστορία, Bd. 3, 447–466; Papadopoulos, Ιστορία της Εκκλησίας Αλεξανδρείας, 668–682; Runciman, The Great Church, 259–288; G. Hofmann SJ, »Patriarch Kyrillos Loukaris und die römische Kirche«, Orientalia Christiana XV/1, Nr. 52, Rom 1929 [= Griechische Patriarchen und römische Päpste. Untersuchungen und Texte II/1]. 29 Hering, Ökumenisches Patriarchat, 324. 30 Hering, Ökumenisches Patriarchat, 324. Vgl. die einschlägigen Aufsätze von O. Olar, »Kyrillos Loukaris (1570–1638). Notes de lecture«, Archaeus 13 (2009), 199–226; ders., »Paroles de pierre. Kyrillos Loukaris et les débats religieux du XVIIe siècle«, Archaeus 14 (2010), 165–196; ders., »Hérésie, Schisme, Orthodoxie: Kyrillos Loukaris et la Typographie grecque de Nikodimos Metaxas«, Archaeus 17 (2013), 97–163; ders., »Je suis le bon pasteur. Notes sur la pensée politique de Kyrillos Loukaris«, in: V. Nosilia, M. Prandoni (Hg.), Trame controluce. Il patriarcha ›protestante‹ Cirillo Loukaris, Florenz 2015, 3–30; »Les Confessions de Foi de Cyrille Loukaris († 1638)«, in: M.-H. Blanchet, Fr. Gabriel (Hg.), L’Union à l’èpreuve du formulaire. Professions de foi entre églises d’orient et d’occident (XIIIe-XVIIIe siècle), Leuven u. a. 2016, 271–310.
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Für Loukaris’ Überzeugung, einem von Rom koordinierten Vorstoß aller katholischen Mächte gegen die Orthodoxie entgegenwirken zu müssen, waren seine Erfahrungen in Polen in der Zeit der Brester Union prägend. Der im Laufe der Jahre zu einer fixen Idee gewordene Plan, durch die Vermittlung von Bündnissen zwischen Polens Gegnern die Adelsrepublik als Vorposten der katholischen Offensive auszuschalten und damit die Union von Brest rückgängig zu machen, geht auf diese Erfahrungen zurück.31 Doch der breitere Kontext des »Großen Plans« ist in der Konfessionalisierung der europäischen Politik zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges zu sehen, so wie seine Initiatoren in der englischen und besonders der niederländischen Diplomatie – der Botschafter Cornelis Haga war Loukaris’ zuverlässigster Verbündeter – zu suchen sind.32 Bei den Projekten zu einem Bündnis aller nichtkatholischen Kräfte Osteuropas gegen Polen, ob orthodox (Moskau, die Kosaken, die Donaufürstertümer), protestantisch (Schweden, Siebenbürgen, die litauischen Calvinisten) oder auch islamisch (Osmanisches Reich), verfolgte jeder Partner ohnehin eigene Ziele und erhoffte sich konkrete Vorteile. Dass Loukaris’ Auftrag nicht zuletzt darin bestand, Moskau als Partner zu gewinnen, wo Filaret, der »verhinderte Herrscher«, ohnehin die antikatholischen Ressentiments teilte und als Hauptziel der russischen Außenpolitik die Revanche gegen Polen festgesetzt hatte, war naheliegend.33 Weniger selbstverständlich war die Idee eines russisch-osmanischen Bündnisses, worauf die verschiedenen Projekte im Grunde basierten. Von einer ausgeprägten Rivalität war das Verhältnis Moskaus zum Osmanischen Reich bis dahin nicht gekennzeichnet. Für diplomatische Spannungen sorgten nur die ständigen gegenseitigen Überfälle der Krimtataren auf moskauisches und der Donkosaken auf osmanisches Territorium, ohne aber dass daraus eine grundsätzliche Interessenkollision entstehen konnte. Zwar war es 1569 im Zusammenhang mit dem verwegenen osmanischen Projekt, einen Kanal zwischen Don und Wolga anzulegen, der den Transport von Kriegsschiffen vom Azovschen zum Kaspischen Meer ermöglichen würde, zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen den beiden Staaten gekommen. Nach der erfolg31 Für die folgende Darstellung vgl. Hering, Ökumenisches Patriarchat, 30–59, 207–247. Speziell zu Loukaris’ politischen Beziehungen mit Moskau vgl. B. N. Florja, »K istorii ustanovlenija politicˇeskich svjazej mezˇdu russkim pravitel’stvom i vyssˇim grecˇeskim duchovenstvom (na primere Konstantinopol’skoj patriarchii)«, in: Svjazi Rossii s narodami balkanskogo poluostrova. Pervaja polovina XVII v., Moskau 1990, 8–42; Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 63–67. 32 Vgl. V. Tsakiris, »Cyril Loukaris’ Grand Anti-Polish Plan and the Dutch-English Policy in Eastern Europe«, in: V. Nosilia, M. Prandoni (Hg.), Trame controluce. Il patriarcha ›protestante‹ Cirillo Loukaris, Florenz 2015, 45–65. 33 Zu Filaret als »de facto ruler of Russia« vgl. J. H. L. Keep, »The Régime of Filaret 1619–1633«, SEER 38 (1959/60), 334–360; H.-J. Torke, »Michail Fedorovicˇ«, in: ders. (Hg.), Die russischen Zaren 1547–1917, München 19992, 91–107.
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losen osmanischen Expedition gegen Astrachan’ war aber das ganze Projekt, das sich ohnehin eher gegen das safawidische Iran richtete und auf die Sicherung der Handels- und Pilgerstraße zum zentralasiatischen Raum zielte, aufgegeben worden.34 Auch die russischen Expansionsbestrebungen im Kaukasus konnten das Verhältnis zur Pforte nicht dauerhaft beschädigen. Moskau war an den diversen antiosmanischen Kreuzzugsprojekten nur insofern interessiert, als sie der Aufnahme von diplomatischen Verbindungen mit den Habsburgern und anderen westeuropäischen Mächten dienten, ohne jegliche Absicht, sich je zu verbindlichen Zusagen hinreißen zu lassen. Ob die einschlägigen Bündnis- und Kriegspläne von Boris Godunov und besonders Pseudo-Dmitrij, der anscheinend einen Feldzug gegen Azov plante, ernst gemeint waren, ist nicht definitiv zu beantworten.35 Die Perspektive eines gegen Polen-Litauen gerichteten russisch-osmanischen Zweckbündnisses hatten Moskauer Gesandte an der Pforte schon vor der Zarenwahl Michails 1612 und erneut 1614 sondiert.36 Sultan Ahmed I. zeigte sich angesichts der prekären Zustände in Moskau zurückhaltend, während der unionsfreundliche Konstantinopler Patriarch Timotheos II., mit dem sich die Gesandten beraten sollten, weder über das erforderliche Ansehen verfügte noch 34 Vgl. A. N. Kurat, »The Turkish Expedition to Astrakhan’ in 1569 and the Problem of the DonVolga Canal«, SEER 40 (1960), 7–23; A. W. Fischer, »Muscovite-Ottoman Relations in the sixteenth and seventeenth centuries«, Humaniora Islamica 1 (1973), 207–217; N. A. Smirnov, Rossija i Turcija XVI–XVII vv., Bd. 1, Moskau 1946, 100–120; C. Finkel, Osman’s Dream. The Story of the Ottoman Empire, London 2005, 138f., 156f.; Th. M. Bohn, Ch. Witzenrath, »Verflechtungen zwischen dem Moskauer, Petersburger und dem Osmanischen Reich«, in: St. Rohdewald u. a. (Hg.), Transottomanica – Osteuropäisch-osmanisch-persische Mobilitätsdynamiken. Perspektiven und Forschungsstand, Göttingen 2019, 191–205. 35 Vgl. J. P. Niederkorn, Die europäischen Mächte und der ›Lange Türkenkrieg‹ Kaiser Rudolfs II. (1593–1606), Wien 1993, 449–464; B. N. Florja, »Osmanskaja imperija, Krym i strany Vostocˇnoj Evropy v konce XVI-nacˇale XVII v.«, in: Osmanskaja imperija i strany Central’noj, Vostocˇnoj i Jugo-vostocˇnoj Evropy v XVII v., Bd. 1, Moskau 1998, 49–65, hier 55f.; H. Uebersberger, Rußlands Orientpolitik in den letzten zwei Jahrhunderten, Bd. 1, Stuttgart 1913, 19. Die Bündnisverhandlungen zwischen Kaiser Rudolf II. und Boris Godunov vermittelte 1603/04 Dionysios Rallis-Palaiologos, Metropolit von Trnovo. Der umtriebige Kleriker, dessen Name in mehreren der christlichen Aufstandspläne und Befreiungsprojekte dieser Zeit, von der Bewegung Michaels des Tapferen bis zu jener des Herzogs von Never, auftaucht, hatte zuvor die Bestätigungsurkunden von 1590 und 1593 zur Errichtung des Patriarchats nach Moskau gebracht. Zu Dionysios vgl. Vakalopoulos, Ιστορία, Bd. 3, 335–337, 360; I. K. Hassiotis, »Ο μητροπολίτης Κυζίκου Διονύσιος Παλαιολόγος και η δράση του στην Δυτική και Κεντρική Ευρώπη κατά τον 16ο αιώνα« [Der Metropolit von Kyzikos Dionysios Palaiologos und sein Wirken in West- und Zentraleuropa im 16. Jahrhundert], Ηπειρωτικά Χρονικά 44 (2010), 575–680, hier 575–79 (dort seine Unterscheidung vom älteren Dionysios Palaiologos, Metropolit von Kyzikos); Tchentsova, »Chronika Psevdo-Dorofeja«, 36; Murav’ev’, Snosˇenija, Bd. 1, 233–264, 304–30. 36 Vgl. D. V. Lisejcev, »Russko-tureckie otnosˇenija v nacˇale XVII veka: Ot konfrontacii k sblizˇeniju«, Otecˇestvennaja istorija 2002/5, 169–177; B. N. Florja, »Russkoe posol’stvo v Stambule v 1613 g. i Recˇ’ Pospolitaja«, Sovetskoe Slavjanovedenie 1982/2, 46–53.
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sonderliches Interesse für eine effektive Vermittlung aufbringen konnte.37 Unter günstigeren Voraussetzungen – allmählich hatte sich die Lage in Moskau stabilisiert, während die Osmanen nach ihrem Sieg gegen Polen-Litauen im vorhergehenden Jahr (1620) einen zweiten Schlag planten – ergriffen Haga und Loukaris die Initiative und schlugen Sultan Osman II. ein gemeinsames Vorgehen mit dem Zaren vor. Eine Aufteilung der eroberten Gebiete zwischen Moskau und dem Osmanischen Reich würde, so die Überlegung des Patriarchen, auf jeden Fall die Union praktisch aufheben. Die osmanische Gesandtschaft nach Moskau führte, als gemeinsamer Gesandter des Sultans und des Patriarchen, Thomas Kantakouzinos an, ein Vertreter des Konstantinopler Archontenmilieus, dessen Familie über mehrere Generationen einen nachhaltigen Einfluss auf das Patriarchat und die Donaufürstentümer ausübte und Loukaris unterstützte.38 Vorerst genügte aber den Osmanen die Sicherung der Neutralität Moskaus, während sich Filaret angesichts des hohen Risikos zunächst zurückhaltend zeigte. Als er sich für die Kriegsbeteiligung entschied und im Oktober 1621 die Reichsversammlung davon überzeugen konnte, machte bereits die Nachricht von der osmanischen Niederlage bei Chotin bzw. vom Rückzug des osmanischen Heeres den russischen Kriegsplänen ein Ende.39 Doch Loukaris gab die Bemühungen in den folgenden Jahren nicht auf. Aus seiner ersten Kontaktaufnahme mit der Moskauer Führung erwuchsen enge und beständige Beziehungen, die von einem Netzwerk aus Loukaris’ (und Theofanis’) Getreuen, wie dem langjährigen Agenten der Patriarchen, dem Händler Ioannis Vardas Tafralis (Ivan Petrov in den russischen Quellen),40 getragen wurden. Sie übermittelten politische Nachrichten nach Moskau, während die russischen Gesandten an der Pforte ihr Vorgehen stets mit dem Patriarchen abzustimmen 37 Vgl. W. Leitsch, »Sultan Ahmed I. und Mihail Romanov im Jahre 1614«, JGO 4 (1956), 246– 261; Florja, »K istorii ustanovlenija«, 9f.; ders., »Osmanskaja imperija«, 59; Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 61f.; Murav’ev’, Snosˇenija, Bd. 1, 335. 38 Vgl. B. N. Florja, »Foma Kantakuzin i ego rol’ v razvitii russko-osmanskich otnosˇenij v 20– 30ch gg. XVII v.«, Rossija i Christianskij Vostok 2–3 (2004), 248–287; Smirnov, Rossija i Turcija, Bd. 2, 9–42. Die Familie Kantakouzinos, der auch die erwähnten Kleriker Nikiforos Paraschis und Dionysios Rallis Palaiologos angehörten, war im russisch-osmanischen Pelzhandel aktiv. Seine langjährige diplomatische Aktivität nutzte Thomas selbst für Handelszwecke, vgl. L. V. Zaborovskij, »Ekonomicˇeskie svjazi Rossii s Balkanami v pervoj polovine XVII v.«, in: Svjazi Rossii s narodami balkanskogo poluostrova. Pervaja polovina XVII v., Moskau 1990, 138–193, hier 144–148, 166–170. Zur Familie vgl. Pa˘un, »Well-born of the Polis«, 61–63. Zum Handel von griechischen Archonten mit Pelzen aus Moskau: Greene, Edinburgh History, 115. 39 Der polnische König Sigismund III. vermochte auch einen Aufstand seiner orthodoxen Untertanen und der Kosaken, den Loukaris’ Agenten zu schüren versucht hatten, durch Verhandlungen abzuwenden. Zum osmanisch-polnischen Krieg 1620–1621 vgl. D. Kołodziejczyk, Ottoman-Polish Diplomatic Relations (15th–18th Century). An Annotated Edition of ›Ahdnames‹ and Other Documents, Leiden u. a. 2000, 128–135; Finkel, Osman’s Dream, 198f. 40 Vgl. Zaborovskij, »Ekonomicˇeskie svjazi«, 170–174.
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hatten. Angesichts der hohen Bestechungssummen für diverse osmanische Würdenträger, die der ständige Streit um den Patriarchenthron verschlang, waren Loukaris außerdem die kostbaren Pelze, die er aus Moskau erhielt, eine willkommene Unterstützung.41 Es stellt sich die Frage, inwieweit sich Loukaris’ eigene Zielsetzungen mit jenen der Pforte deckten. Boris N. Florja hat gezeigt, dass Loukaris und Kantakouzinos gegenüber Moskau wiederholt nur diejenigen osmanischen Angebote unterstützten, die auf eine antipolnische Allianz zielten, nicht aber jene, die zu einer für die Osmanen zeitweise gewichtigeren antiiranischen Allianz geführt hätten. Außerdem äußerte sich Loukaris in der von der Pforte diktierten und kontrollierten offiziellen Korrespondenz mit Moskau enthusiastischer bezüglich seiner osmanischen Herren als in seinen eigenhändigen vertraulichen Briefen, in den Gesprächen mit den russischen Gesandten in Konstantinopel oder in den Botschaften, die seine Vertreter in Moskau mündlich zu überbringen hatten.42 Eine zweite Chance erhielten die kühnen Pläne nach 1629, obgleich es diesmal um eine viel umfassendere Allianz ging, deren Initiative bei Gustav Adolf von Schweden und dem siebenbürgischen Fürsten Gábor Bethlen lag und die im Wesentlichen vom Verlauf des Dreißigjährigen Kriegs bestimmt war. Die Loukaris zugedachte Vermittlerrolle erlaubte ihm aber, seine Ziele von 1621 voranzutreiben: Er sollte die Pforte und Moskau für den Plan gewinnen und die orthodoxen Untertanen Polen-Litauens zu einem Aufstand aufwiegeln.43 Die divergierenden Interessen sowie der Tod Gustav Adolfs und Gábor Bethlens verhinderten am Ende ein koordiniertes Vorgehen. Waren 1621 die Osmanen allein ins Feld gezogen, so fand sich diesmal Moskau im glücklosen Smolensker Krieg (1632–34) gegen Polen ohne Verbündete wieder, während die Aufmerk-
41 Vgl. Kapterev, Charakter, 320f.; Murav’ev’, Snosˇenija, Bd. 2, 153–155; B. L. Fonkicˇ, Z. E. Oborneva, »Kirill Lukaris i Rossija (Sozdanie russkim provitel’stvam sistemy material’noj pomosˇi Christianskomu Vostoku v 20-ch godach XVII v.)«, Montfaucon 4 (2017), 135–155. 42 Vgl. Florja, »K istorii ustanovlenija«, 13–17, 21f.; ders., »Foma Kantakuzin«, 254, 260f., 277; Hering, Ökumenisches Patriarchat, 217f., 230f, 243f. Zur Korrespondenz von Loukaris mit der Moskauer Führung vgl. Kapterev, Charakter, 517–526 (Edition der russischen Übersetzung eines Briefs von Loukaris vom 30. Juni 1633 an Michail und Filaret); Chr. Papadopoulos, »Περί της πρώτης αρχής της επεμβάσεως των Ρώσων εις τα ζητήματα της Ανατολης« [Über den Auftakt der Einmischung der Russen in die Fragen des Orients], Πρακτικά της Ακαδημίας Αθηνών 12 (1937), 156–167; Fonkicˇ, Greek documents, 12–24; ders., Graeco-Russian Contacts, 22–24. 43 Vgl. B. L. Fonkicˇ, V. V. Kalugin, »Cirillo Loukaris e la Russia: Sull’origine del testo greco dei documenti di Gábor Bethlen inviati a Constantinopoli«, in: V. Nosilia, M. Prandoni (Hg.), Trame controluce. Il patriarcha ›protestante‹ Cirillo Loukaris, Florenz 2015, 67–95; V. G. ˇ elobitnaja paleopatrskogo mitropolita Feofana 1645 g. ob organizacii Tchentsova, »C grecˇeskogo knigopecˇatanija i grecˇeskoj sˇkoly v Moskve«, Palaeoslavica 14 (2006), 77–151, hier 93, Anm. 67.
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samkeit der Pforte der iranischen Front galt.44 Das endgültige Scheitern der groß angelegten Pläne unterstrich der Kompromiss, den die ruthenische Orthodoxie 1632 unter der Leitung des Kiever Metropoliten Peter Mohyla mit dem polnischen König Władisław IV. schloss. Der Ausgleich zwischen Unierten und Orthodoxen gewährte der orthodoxen Kirche in Polen-Litauen eine, wenn auch nur bedingt, legale Existenz.45 Das Erscheinen von Loukaris’ Confessio fidei46 1629 in lateinischer und 1633 in griechischer Fassung führte nicht nur zur Bildung einer zweiten Opposition aus den Reihen der traditionell antipäpstlichen Mehrheit der Konstantinopler Hierarchie, die bis dahin mehr oder weniger geschlossen hinter Loukaris gestanden hatte und nun an seiner Orthodoxie zweifeln musste. Sie kostete ihn auch noch das Vertrauen der ruthenischen Orthodoxen, unter denen die lateinische und unierte Partei nur allzu gern die Gerüchte vom Calvinismus des Patriarchen zu verbreiten wusste. Auch die apologetischen Sendschreiben von Theofanis und von Loukaris selbst an die ruthenischen Gemeinden vermochten das Misstrauen nicht auszuräumen.47 Den Rückfall, den die misslungenen Kontakte für das russisch-osmanische Verhältnis bedeuteten, markierten die Zunahme der tatarischen Überfälle auf 44 Zum Smolensker Krieg und seiner diplomatischen Vorbereitung vgl. Frost, The Northern Wars, 142–147; C. B. Stevens, Russia’s Wars of Emergence 1460–1730, Harlow u. a., 2007, 128– 133; Br. Davies, »Muscovy at war and peace«, in: The Cambridge History of Russia, Bd. 1: From Early Rus’ to 1689, hg. von M. Perrie, Cambridge 2006, 486–519, hier 491f.; G. Barudio, »Moskau und der Dreißigjährige Krieg«, in: HGR, Bd. 2.1, Stuttgart 1986, 87–96; B. N. Florja, »Russko-osmanskie otnosˇenija i diplomaticˇeskaja podgotovka Smolenskoj vojny«, Sovetskoe Slavjanovedenie 1990/1, 17–27; ders., »K izucˇeniju russko-osmanskich otnosˇenij nakanune i vo vremja Smolenskoj vojny«, Études Balkaniques 1987/4, 47–55; ders., »Osmanskaja imperija, Krym i strany Vostocˇnoj Evropy v 20-ch–30-ch gg. XVII v.«, in: Osmanskaja imperija i strany Central’noj, Vostocˇnoj i Jugo-vostocˇnoj Evropy v XVII v., Bd. 1, Moskau 1998, 96–115. 45 Mohyla galt als Wortführer der konfessionellen Versöhnung und der Loyalität gegenüber der polnischen Krone und hatte daher nicht von ungefähr die konspiratorischen Pläne von Loukaris und den Kosaken vereitelt, vgl. I. Sˇevcˇenko, »The Many Worlds of Peter Mohyla«, HUS 8 (1984), 9–40; A. Brüning, »Peter Mohyla’s Orthodox and Byzantine Heritage. Religion and Politics in the Kievan Church Reconsidered«, FOG 56 (2000), 63–90; Podskalsky, Griechische Theologie, 229–236. 46 Vgl. Michalcescu, Die Bekenntnisse, 22–122; Podskalsky, Griechische Theologie, 169–171; Hering, Ökumenisches Patriarchat, 187f.; Olar, »Les Confessions de Foi de Cyrille Loukaris«. 47 Vgl. Hering, Ökumenisches Patriarchat, 201f., 224–229, 252–254; Hofmann, »Patriarch Kyrillos Loukaris«, 93–96; Legrand, Bibliographie hellénique XVII, Bd. 3, 71f. (Ausschnitt aus Theofanis’ Brief); Papadopoulos, Οι πατριάρχαι, 69f.; ders., »Απολογία Κυρίλλου του Λουκάρεως πατριάρχου Κωνσταντινουπόλεως« [Apologie von Kyrillos Loukaris Patriarch von Konstantinopel], Νέα Σιών 2 (1905), 17–35. In Moskau dagegen schenkte man den Gerüchten keinen Glauben. Filaret ließ sich von Kantakouzinos versichern, dass es sich nur um Verleumdungen seitens der Gegner des Patriarchen handele, vgl. Florja, »Foma Kantakuzin«, 263; V. G. Tchentsova, »Moscou face à la tentation protestante du patriarche œcumenique Cyrille Loukaris«, in: M.-H. Blanchet, Fr. Gabriel (Hg.), L’Union à l’èpreuve du formulaire. Professions de foi entre églises d’orient et d’occident (XIIIe-XVIIIe siècle), Leuven u. a. 2016, 311–340, hier 322–325.
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Moskauer Territorium zwischen 1634–1636 und die Besetzung Azovs durch die Donkosaken 1637. Loukaris wurde diese Entwicklung zum Verhängnis. Er hatte schon 1635 die Ausweglosigkeit der Bündnisbemühungen eingesehen und Moskau von einer erneuten russischen Gesandtschaft nach Konstantinopel abgeraten.48 Für die Pforte wurden seine diplomatischen Dienste entbehrlich und die Verhältnisse in Konstantinopel wurden für ihn immer schwieriger. Durch den ins Rollen gekommenen Rechtsstreit um die Heiligen Stätten in Palästina 1637 erreichte der Druck auf ihn seitens der Congregatio de Propaganda Fide und der Botschafter der katholischen Mächte seinen Höhepunkt.49 Loukaris’ hartnäckigster Widersacher, der Unionsfreund Kyrillos Kontaris,50 der ihn schon zwei Mal, 1633 und 1635, zeitweilig ablösen konnte, wagte, unterstützt durch den habsburgischen Botschafter Johann Rudolf Schmid, im Sommer 1638 den entscheidenden Schritt. Als er Loukaris beim Großwesir beschuldigte, den Moskauer Zaren über den Feldzug des Sultans gegen Iran informiert und den Überfall der Donkosaken auf Azov angeregt zu haben, ließ dieser den Patriarchen endgültig fallen. Loukaris wurde erneut abgesetzt, verhaftet und am 27. Juni von einer Janitscharengarde erwürgt.51 Der neue Patriarch, Kontaris, verlangte bereits im September 1638 von einer eigens einberufenen Synode, dass Loukaris und 48 Vgl. Florja, »K istorii«, 35f., ders., »Foma Kantakuzin«, 280–282. Kantakouzinos dagegen setzte weiterhin auf die Karte der russisch-osmanischen Verständigung, die allein seinem Status und seinen Interessen dienen konnte. Doch die Pforte hatte ihr Interesse daran inzwischen verloren. Auf seiner letzten Mission nach Moskau war Kantakouzinos mehr oder weniger auf sich allein gestellt. Auf dem Weg wurde er im Juni 1637 samt seiner Gefolgschaft von den Donkosaken ermordet, als er ihren bevorstehenden Angriff auf Azov durch Warnungen an die Osmanen vereiteln wollte. Entgegen der Befürchtungen Moskaus reagierte die Pforte indifferent auf die Ermordung ihres Diplomaten, vgl. Smirnov, Rossija i Turcija, Bd. 2, 48–54. 49 Vgl. Hering, Ökumenisches Patriarchat, 266–281. 50 Kontaris hatte die Jesuitenschule in Konstantinopel absolviert, legte aber erst im Dezember 1638 als Patriarch ein katholisches Glaubensbekenntnis ab, vgl. Podskalsky, Griechische Theologie, 172; G. Hofmann SJ, »Patriarch Kyrillos Kontaris von Berröa, sein Anschluß an die römische Kirche und sein heldenhafter Tod«, Orientalia Christiana XX/1, Nr. 64, Rom 1930 [= Griechische Patriarchen und römische Päpste. Untersuchungen und Texte II/3]. 51 Zu Loukaris’ Tod vgl. Hering, Ökumenisches Patriarchat, 311–318; Tsakiris, »Cyril Loukaris’ Grand Anti-Polish Plan«, 59, Anm. 45; G. I. Arvanitidis, »Κύριλλος ο Λούκαρις. Τα κατά τον θάνατον και την ταφήν του αειμνήστου πατριάρχου, και τινά των προ αυτών γεγονότα« [Kyrillos Loukaris. Die Ereignisse um den Tod und das Begräbnis des seligen Patriarchen, und einige der Ereignisse davor], in: Κύριλλος ο Λούκαρις (1572–1638) [Kyrillos Loukaris (1572–1638)], Athen 1939, 83–206 mit eingehender Besprechung der zeitgenössischen Überlieferung. Zur Vervollständigung des Bildes sollte berücksichtigt werden, dass Murad IV., wohl unter dem Einfluss der militant-fundamentalistischen Kadizadeli-Bewegung, 1634 den Seyhülislam Ahizade Hüsseyin Effendi hinrichten ließ. Die Hinrichtung schockierte die Zeitgenossen, da die geistlichen Würdenträger bis dahin eine gewisse Immunität genossen hatten, vgl. Finkel, Osman’s Dream, 215. Loukaris und Ahizade waren jeweils die Ersten ihres Amtes, die im Osmanischen Reich hingerichtet wurden.
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sein Glaubensbekenntnis als häretisch verurteilt würden, und zwang dessen Freunde und Parteigänger, die Patriarchen Theofanis von Jerusalem und Mitrofanis Kritopoulos von Alexandria, dem zuzustimmen.52 Die beiden Patriarchen und Ioannis Tafralis übermittelten die Nachricht von Loukaris’ Absetzung und Ermordung sowie von der Verfolgung seiner Parteigänger durch Kontaris in ihren Briefen an den Zaren.53 Daran, dass die gegen Loukaris erhobenen Vorwürfe frei erfunden waren, ist nicht zu zweifeln. Die Aktion der Kosaken war ohnehin ohne Vorabsprache mit Moskau erfolgt. Außerden waren ähnliche Beschuldigungen nicht neu, nur genossen Loukaris’ diplomatische Kontakte bis 1635 die Deckung der Pforte. Aus seinem letzten, eigenhändig geschriebenen Brief an den Zaren Michail im Dezember 1637 geht eindeutig hervor, dass er ihn weiterhin zur Erhaltung freundschaftlicher Beziehungen zur Pforte mahnte und die Expedition der Kosaken gegen Azov für eine gefährliche und verfehlte Angelegenheit, in der kirchlichen Sprache: einen »Skandal« (σκάνδαλον) hielt. Zudem ließ er Michail wissen, dass die Osmanen inzwischen nicht mehr an die Mitschuld des Zaren glaubten, weder an der Ermordung von Kantakouzinos noch an der Besetzung Azovs.54 Aus osmanischer Sicht waren seine Moskauer Kontakte und seine geheime Korrespondenz allerdings nicht mehr tragbar, was der Patriarch zweifelsohne wusste. Er äußerte sich vorsichtshalber dem Zaren gegenüber kryptisch, »aus Angst, die
52 Vgl. Podskalsky, Griechische Theologie, 179; Michalcescu, Die Bekenntnisse, 151–154; Z. N. Tsirpanlis, »Ο Μητροφάνης Κριτόπουλος και η Καθολική Εκκλησία« [Mitrofanis Kritopoulos und die katholische Kirche], Δωδώνη 18 (1989), 383–401, hier 395f.; Tsakiris, Beichtbücher, 94, Anm. 237. 53 RGADA f[ond] 52, op[is’]. 2, n[ome]r. 151 (Theofanis an Michail Fedorovicˇ, 21. September 1638), f. 52, op. 2, nr. 152 (Mitrofanis an Michail Fedorovicˇ, 3. Oktober 1638) und f. 52, op. 2, nr. 153 (Ioannis Tafralis an Michail Fedorovicˇ, 4. Dezember 1638). Nr. 151 und 153 wurden von Chrysostomos Papadopoulos unvollständig ediert: »Ελλήνων Επιστολαί«, 159–162; vgl. die Berichte, die der schwedische Botschafter in Moskau, P. Kruzborn, dem Posolskij Prikaz übergab: Vesti-kuranty 1600–1639, Moskau 1972, 204f., 207; Murav’ev’, Snosˇenija, Bd. 2, 212f. 54 RGADA f. 52, op. 2, nr. 144 (Kyrillos Loukaris an Michail Fedorovicˇ, 12. Dezember 1637): »γράφει η μεγάλη σου βασιλεία διά την αταξίαν όπου έκαμαν οι καζάκοι και εσκότωσαν τους ελτζίδες· και πώς είδησιν δεν είχες ούτε το ήθελες. Πριν έλθουν της βασιλείας σου τα γράμματα ελάλεσαν διάφορα, αμή σαν ίδασι τα γράμματά της όλοι μικροί και μεγάλοι εβεβαιώθησαν πώς η κακή προαίρεσις των καζακών το έκαμεν, και αυτοί ως σκανδαλοποιοί θέλουσι πάντοτε βάλλει σκάνδαλα, αν ίσως και η μεγάλη σου βασιλεία δεν κάμη προμήθειαν. Πολλά καλόν είναι δύο μεγάλοι βασιλείς σαν την μεγάλη σου βασιλείαν και τον μέγα βασιλέα Ανατολής και Ρούμελης τον Σουλτάν Μωράτοι να είστε αγαπημένοι, ο κόσμος όλος το χαίρεται, και ο παναγαθος θεός να το κάμη […] αμή του Αζακίου η υπόθεσις είναι χρεία να προξενήση σκάνδαλον. Ήτονε πρώτα υποψία πως να έγινε με της μεγάλης σου βασιλείας τον ορισμόν, αμή τώρα όλοι το κρατούσι πώς η μεγάλη σου βασιλεία είδησιν δεν είχε μόνον οι καζάκοι το έκαμαν, το οποίον θέλει είσται σκάνδαλον μεγάλο, μόνος ο παντοδύναμος θεός να τα διορθώση…«
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Briefe könnten abhanden kommen«, und bat darum, dass die Dolmetscher die Briefe geheim halten.55 Auf jeden Fall war von nun an das Verhältnis der ostkirchlichen Hierarchie zu Moskau keine politisch harmlose Angelegenheit mehr. Kontaris, der als Metropolit von Veroia selbst 1631 mit einem Empfehlungsschreiben von Loukaris nach Moskau gereist war und offenbar die Almosen, die er dort erhalten hatte, für Loukaris’ erste Absetzung 1633 verwendet hatte, schaffte 1638 unmittelbar nach seinem Thronantritt bezeichnenderweise die Kommemoration des Zaren in der liturgischen Herrscherfürbitte ab und ließ auch den Namen des verstorbenen Patriarchen Filaret aus dem Synodikon des Ökumenischen Patriarchats streichen.56 Bleibende Effekte konnte jedoch dieser Beschluss nicht mehr zeitigen, die Beständigkeit der gegenseitigen Verbindungen war inzwischen nicht mehr durch das Scheitern von Loukaris gefährdet. Außerdem ließ die Revanche von Loukaris’ Parteigängern nicht lange auf sich warten. Bereits im Juni 1639 wurde Kontaris abgesetzt, nach Nordafrika verbannt und ein Jahr später (am 24. Juni 1640) dort ebenfalls erwürgt.57 Die Rivalität zwischen den verfeindeten Kirchenfraktionen hatte damit ihren Höhepunkt erreicht und zu einer scheinbar ausweglosen Situation geführt; durch die ständigen Amtswechsel waren die Schulden des Patriarchats übermäßig gestiegen. Dem 55 RGADA f. 52, op. 2, nr. 133 (Kyrillos Loukaris an Michail Fedorovicˇ, 26. Οκτοber 1636): »η βασιλεία σου με την σοφίαν όπου έχει από τον θεόν, λόγιασε εκείνα όπου εμείς δεν πιστέυομεν να γράψωμεν, φοβούμενοι να μην καταπέσουν τα γράμματα και παρακαλώ και προσκυνώ την μεγάλην σου βασιλεία να ορίσης, όταν μεταγλωττίζουν τα γράμματά μας οι ερμηνευταί να τα έχουν κρυφά…«. Vgl. ähnliche Äußerungen von Loukaris bei Kapterev, Charakter, 523. Die vertraulichen Botschaften von Loukaris, die Ioannis Tafralis im März 1638 nach Moskau übermittelte, sind nicht erhalten, vgl. Florja, »K istorii ustanovlenija«, 36f. 56 Vgl. B. N. Florja, »Materialy missii Feofana Paleopatrskogo v Rossiju v 1645 g.«, in: Svjazi Rossii s narodami balkanskogo poluostrova. Pervaja Polovina XVII v., Moskau 1990, 210–223, hier 210; Nikolaevskij, »Iz istorii snosˇenii Rossii s Vostokom«, 1; Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 94. Zur Reise von Kontaris nach Moskau vgl. Murav’ev’, Snosˇenija, Bd. 2, 130f.; Kapterev, Charakter, 405; Hering, Ökumenisches Patriarchat, 311–313; Florja, »K istorii ustanovlenija«, 25; Tchentsova, »Moscou face à la tentation protestante«, 339. Mitrofanis Kritopoulos unterrichtete den Zaren in seinem oben erwähnten Brief (RGADA f. 52, op. 2, nr. 152) auch von Kontaris’ Beschluss: »πάσχομεν πολλά υπό του ποτέ Βερροίας, εις τον οποίον έκαμεν πολλαίς ευεργεσίαις και καλοσύναις η βασιλεία σου και αυτός εθανάτωσε τον γέροντα με την συκοφαντίαν τούτην, πως τάχα ο γέρων επαράδωκέν σου το Αζάκιν. Έυγαλεν ακόμι και το μνημόσυνον της βασιλείας σου και του πατριάρχου της Μοσχοβίας…«. Gemäß der Erzählung eines Athosmönchs in Moskau hat Kontaris auch Mitrofanis 1639 in der Walachei vergiften lassen: Papadopoulos, Ιστορία της Εκκλησίας Αλεξανδρείας, 692. 57 »…ο εκ Βερροίας αποβληθείς του Πατριαρχείου, εξορίζεται εις Καρθαγένην, όπου συνεργεία των του Λουκάρεως φίλων πνιγμώ αποθνήσκει…«, Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 61. Tafralis gab die Nachricht in seinem Brief an den Zaren mit merklicher Genugtuung wieder: »…και τον Βερίας εκεί οπού είταν στην εξορία, έστειλε ο βασιλεύς ο Τούρκος και τον έπνιξαν, τον έφθασε η αμαρτία του μακαρίτου γέροντος«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 176 (1. Juni 1641); vgl. Hofmann, »Patriarch Kyrillos Kontaris«, 12f.; Murav’ev’, Snosˇenija, Bd. 2, 221.
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Bedürfnis nach einer Ruhepause kam die Synode mit der Wahl eines Kompromisskandidaten (Parthenios I., 1639–1644) entgegen.58 Den Kompromiss unterstrich die Patriarchatssynode, indem sie das orthodoxe Glaubensbekenntnis von Peter Mohyla – in der auf einer eigens berufenen Synode 1642 im moldauischen Ias¸i erfolgten Redaktion – bestätigte.59 Die konfessionelle Abgrenzung als Ergebnis der turbulenten Loukaris-Jahre fiel nicht zufällig mit der Entspannung der konfessionellen Auseinandersetzung in Europa auf dem Weg zum Westfälischen Frieden zusammen. Anstelle der Abhängigkeit von den europäischen Botschaften an der Pforte wuchs die Bedeutung anderer Faktoren. Zeitweilig vermochte sich der Hospodar der Moldau Vasile Lupu (1634–1653) in der Rolle des weltlichen Schutzherrn der Ostkirche zu gerieren. 1641 beglich er einen Teil der Schulden des Patriarchats, nachdem er seine Bedingungen diktiert hatte, und berief in kaiserüblicher Manier im folgenden Jahr 1642 die besagte Kirchensynode in Ias¸i ein, die zur Bestätigung von Mohylas Confessio führte.60 Zudem weitete er seinen Einfluss auf 58 Parthenios nahm den Zaren und den Patriarchen Moskaus unmittelbar nach seinem Thronantritt wieder ins Synodikon auf. Vor Briefkontakten mit Moskau schreckte er aber vorerst »aus Furcht vor [dem Schicksal] des alten Kyrillos« zurück. Nicht einmal seine Ernennung zum Patriarchen gab er Moskau, wie sonst üblich, bekannt. Erst 1643 meldete er sich mit einem persönlichen Schreiben an den Zaren, nachdem er die russischen Gesandten an der Pforte unterstützt hatte. Seine Hilfe bestand in der Sicherung der korrekten Wiedergabe des Zarentitels in der osmanischen Urkunde. Darüber hinaus versicherte er dem Zaren, der Großwesir sei ein ehrlicher und zuverlässiger Mann, vgl. RGADA f. 52, op. 2, nr. 201 (23. August 1643); Florja, »Materialy«, 211; Schelicha, Universalkirche, 249f.; Tchentsova, Ikona Iverskoj Bogomateri, 111, Anm. 21. 59 Der Kompromisscharakter der griechischen Endfassung manifestiert sich etwa darin, dass Loukaris’ Glaubensbekenntnis widerlegt, seine Autorschaft aber anders als auf der Konstantinopler Synode von 1638 geleugnet wird. Insgesamt orientiert sich das Bekenntnis konzeptionell und inhaltlich an katholischen Vorlagen, was sich auch durch die redaktionellen Eingriffe des kretischen Theologen Meletios Syrigos als Vertreter Konstantinopels auf der Synode von Ias¸i bei allzu offenkundigen Punkten (die Lehre vom Fegefeuer wurde etwa gestrichen) nicht geändert hat: »Der Gesamteindruck ist der eines scholastischen Kompendiums, das in einigen Fragen der orthodoxen Tradition angepaßt wurde.«, Podskalsky, Griechische Theologie, 234. Zu Syrigos, dem »theologisch bedeutendsten Gegner des Kyrillos Loukaris« vgl. ebenda, 207–213; Runciman, The Great Church, 342–347; Scheliha, Universalkirche, 249–251. Zu den Beziehungen von Syrigos zu Moskau vgl. V. G. Tchentsova, »Les documents grecs du XVIIe siècle: pièces authentiques et pièces fausses: 3. Mélétios Syrigos, veritable auteur de la lettre addressée au patriarche de Moscou Nikon par les zôgraphoi Jean et Georges«, OCP 73 (2007), 311–345, hier besonders 322, Anm. 30. 60 Vgl. Konortas, Οθωμανικές θεωρήσεις, 172f.; Germanos Metr. Sardeon kai Pisidias, Συμβολή εις τους πατριαρχικούς καταλόγους Κωνσταντινουπόλεως από της Αλώσεως και εξής, τ. Α΄ (1454– 1702) [Beitrag zu den Patriarchenlisten von Konstantinopel seit dessen Eroberung, Band 1 (1454–1702)], Istanbul 1935, 121–128 ; N. Iorga, »Basile Lupu, prince de Moldavie, comme successeur des empereurs d’Orient dans la tutelle du Patriarcat de Constantinople et de l’Eglise Orthodoxe (1640–1653)«, Academie Roumaine. Bulletin de la section historique 2/1 (1914), 88–123. Vgl. die Dokumente bei Hurmuzaki, Documente, Bd. 14/1, 134–138, 146–152, 180f, 185–192, 329.
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die übrigen Patriarchate aus und schaffte es, dort seine eigenen Kandidaten einzusetzen. Wenn er dadurch potentiell in eine »unterschwellige Konkurrenz« mit dem Moskauer Zaren um die Schirmherrschaft über die Ostkirche geriet, so war die Differenz zwischen dem Rang des Letzteren und dem Lupus – als Ausnahmeerscheinung auf dem Fürstenthron – allen Beteiligten stets evident.61 Der Orientierung am Zaren kam langfristig eine größere, jedenfalls mit potentiell umfangreicheren Erwartungen verbundene Bedeutung zu,62 wenngleich dies das Verhältnis zur Pforte nicht gerade vereinfachte. Schon unmittelbar nach dem Tod von Loukaris drängten die Parteigänger des ermordeten Patriarchen, wie z. B. Ioannis Tafralis, in ihrer Korrespondenz mit dem Zaren auf Moskaus aktive Einmischung im Fall von Azov. Die Option, auf das Angebot der Donkosaken einzugehen und den Besitz der Festung zu übernehmen, hätte auf jeden Fall einen direkten Krieg gegen das Osmanische Reich nach sich gezogen.63 Noch zeigte sich aber der Zar zögernd und lehnte die Empfehlung der Moskauer Landesversammlung von 1642, das Angebot anzunehmen, ab. Den Kosaken, die Azov seit 1637 gegen wiederholte osmanische Angriffe erfolgreich verteidigt hatten, wurde befohlen, die Festung aufzugeben, um den Krieg zu vermeiden.64 Es war Lupu, der sich als Vermittler zwischen den Sultan und den Zaren schaltete und die Spannung abzubauen half.65 Ein gewisser Nikolaos (Nikolaj Christo-
61 Im Synodikon des Ökumenischen Patriarchats wurde daher in der liturgischen Fürbitte Lupu mit seinen Familienangehörigen zwar aufgenommen – es war eine seiner Forderungen 1641 gewesen –, konsequenterweise aber erst nach dem Zaren positioniert. Für eine nüchterne Abwägung der in Teilen der rumänischen Historiographie überspitzt dargestellten machtpolitischen Möglichkeiten und Aspirationen Lupus und zu seiner strategisch betriebenen Herrschaftslegitimation vgl. D. Ursprung, Herrschaftslegitimation zwischen Tradition und Innovation. Repräsentation und Inszenierung von Herrschaft in der rumänischen Geschichte, Heidelberg u. a. 2007, 160–173, 180–183; E. Völkl, Das Rumänische Fürstentum Moldau und die Ostslaven im 15. bis 17. Jahrhundert, Wiesbaden 1974, 98f., 108; Hösch, »Probleme«, 264– 266. 62 Vgl. Scheliha, Universalkirche, 60. 63 Vgl. B. N. Florja, »Rossija i stambul’skie Greki v gody borby za Azov (1637–1642)«, in: Slavjane i ich sosedi. Osmanskaja imperija i narody Central’noj, Vostocˇnoj i Jugo-vostocˇnoj Evropy i Kavkaza v XIV–XVIII vv., Moskau 1992, 51–53; Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 67–69; Murav’ev’, Snosˇenija, Bd. 2, 296f. 64 Vgl. B. N. Florja, »Osmanskaja imperija, Krym i strany Vostocˇnoj Evropy vo vtoroj polovine 30-ch–40-ch gg. XVII v.«, in: Osmanskaja imperija i strany Central’noj j, Vostocˇnoj i Jugoˇ erepnin, Zemskie Sobory vostocˇnoj Evropy v XVII v., Bd. 1, Moskau 1998, 157–175; L. V. C Russkogo Gosudarstva v XVI–XVII v., Moskau 1978, 262–272; Bushkovitch, P., »The Tsar and the Sobor: 1613–53«, in: ders. (Hg.), The State in Early Modern Russia: New Directions, Bloomington IN 2019, 133–161, hier 152–156; A. W. Fischer, »Azov in the Sixteenth and Seventeenth Centuries«, JGO 21 (1973), 161–174; Smirnov, Rossija i Turcija, Bd. 2, 43–82; Davies, »Muscovy at war and peace«, 495f.; Torke, »Michail Fedorovicˇ«, 106. 65 Vgl. L. E. Semenova, »Politicˇeskie kontakty mezˇdu Rossiej i Dunajskimi Knjazˇestvami v pervoj polovine XVII v.«, in: Svjazi Rossii s narodami balkanskogo poluostrova. Pervaja
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forov), ein griechischer Abenteurer aus Elassona, der sich 1644 beim Moskauer Posol’skij Prikaz mit eigenen Kriegsplänen zur Eroberung Konstantinopels empfahl, fand sich schnell nach Sibirien verbannt.66 Der Wandel im Selbstverständnis des Moskauer Zartums und mit ihm eine im Prinzip größere Aufgeschlossenheit gegenüber ähnlichen Projekten und Appellen sollte erst während der Herrschaftszeit von Aleksej Michajlovicˇ (1645–1676) erfolgen.
polovina XVII v., Moskau 1990, 64–93, hier 73–77; Ursprung, Herrschaftslegitimation, 180– 183. 66 Als Seemann fand er wohl dort (in der Hafensiedlung Mangazeja am Fluss Tas) immerhin eine Wirkungsstätte, T. A. Oparina, »Ot Car’grada do Mangazei: Sibirskaja ssylka dlja ›osvoboditelja‹ Konstantinopolja«, Rossija i Christianskij Vostok 4/5 (2014), 228–246.
II. Der Aufstieg Russlands und die griechische Kulturwelt
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Dass die Jahre um die Mitte des 17. Jahrhunderts, das knapp anderthalbe Jahrzehnt vom Thronantritt des Zaren Aleksej Michajlovicˇ 1645 bis zu den späten 1650er Jahren, einen Höhepunkt russisch-griechischer Beziehungen in der Frühen Neuzeit darstellen, ist in der Fachliteratur wiederholt unterstrichen worden.1 Schon ein Blick auf die erhaltenen Archivbestände im Russischen Staatsarchiv der Alten Akte (RGADA) mag die Herausstellung dieser Periode illustrieren: Von den 725 griechischen Originalschreiben etwa, die in der Sammlung (fond) 52, Findbuch (opis’) 2, katalogisiert sind und die Zeit von 1557 bis 1718 abdecken, fällt mehr als die Hälfte auf die Jahre 1645 bis 1660.2 Diese außerordentliche Verdichtung, verbunden mit den Stichwörtern Kretischer Krieg, Kosakenaufstand bzw. Zweiter Nordischer Krieg und Nikons Kirchenreform, ist vor dem Hintergrund der machtpolitischen Aufwertung Moskaus auf dem Weg zur osteuropäischen Hegemonialmacht und zum konkurrenzlosen Machtzentrum in
1 Vgl. Fonkicˇ, »Russia and the Christian East«, 440f., 450; V. G. Tchentsova, »Istocˇniki fonda ›Snosˇenija Rossii s Greciej‹ Rossijskogo Gosudarstvennogo Archiva Drevnich Aktov po istorii mezˇdunarodnych otnosˇenij v vostocˇnoj i jugo-vostocˇnoj Evrope v 50-e gg. XVII v.«, in: Russkaja i ukrainskaja diplomatija v Evrazii: 50-e gg. XVII veka, Moskau 2000, 151–179, hier 151f.; ˇ esnokova, Christianskij Vostok i Rossija, 9–11; Florja, »Materialy«, 212; Panchenko, Arab C Orthodox Christians, 309; O. Alexandropoulou, »Το ρωσικό ταξίδι του Αθανάσιου Πατελλάρου και ο ›Προτρεπτικός Λόγος‹ του προς τον Τσάρο Αλέξιο (1653)« [Die russische Reise des Athanasios Patellaros und seine ›Parainetische Rede‹ an Zar Aleksej (1653)], Μνήμων 21 (1999), 9– 35, hier 11–13. 2 Die eigentliche Serie setzt allerdings 1626 ein, denn beim damaligen Brand war ein Großteil der Akten verloren gegangen. Was insbesondere die Schreiben der Patriarchen an die Zaren angeht, schätzt Vera Tchentsova unter ihnen den Anteil der an Aleskej Michajlovicˇ (1645–1676) gerichteten auf etwa 60 % ein, vgl. V. G. Tchentsova, »Les fonds des documents grecs (f. 52. ›Relations de la Russie avec la Grèce‹) de la Collection des Archives Nationales des Actes Anciens de la Russie et leur valeur pour l’histoire de l’Empire Ottomane«, Turcica 30 (1998), 383–396, hier 387.
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der orthodoxen Welt während der Herrschaftszeit von Aleksej Michajlovicˇ (1645–1676) zu verstehen.3 Über die dramatischen Ereignisse dieser Jahre, die fast unübersichtliche, kaleidoskopische Abfolge der Bündnisse und Waffengänge und speziell über die Rolle der griechischen Kirchenmänner und ihrer Netzwerke von Mönchen und Kaufleuten als Lobbyisten von übergreifenden politischen Projekten liegen bereits Überblicksversuche vor, die eine Ordnung in den Bestand unserer Kenntnisse bringen, Lücken und offene Fragen benennen und insgesamt die entscheidende Bedeutung der Periode darlegen.4 Es wäre keine Übertreibung, die Durchsetzung und Verbreitung der Vorstellung vom Zaren als Nachfolger der oströmischen Kaiser, Schutzherr und künftiger Erlöser der »gefangenen« Orthodoxie im Wesentlichen als Resultat der Umbrüche dieser Jahre zu betrachten. Die politische Betätigung orthodoxer Kirchenmänner als eigenständige Akteure in der diplomatischen Arena der 1650er Jahre ist weitaus weniger sonderbar, als sie vielleicht, losgelöst von ihrem Kontext, erscheinen mag. Zum einen stellte sie ein direktes – auch an personellen Kontinuitäten festzumachendes – Erbe der Politik von Loukaris und seines selbstbewussten Versuchs dar, die internationale Konstellation für die Interessen der Kirche, wie er diese empfand, nutzbar zu machen. Zum anderen waren Geistliche als Akteure der internationalen Politik in der eigentümlichen diplomatischen Szenerie des 17. Jahrhunderts omnipräsent. Kardinäle, Beichtväter, Jesuiten und Franziskaner, päpstliche Nuntien und einfache Priester, aber auch calvinistische Prädikanten waren als Drahtzieher im internationalen System allgegenwärtig.5 Ihr Aktionsfeld ging im 3 Vgl. Ph. Longworth, Alexis. Tsar of all the Russias, New York 1984; H.-J. Torke, »Alesksej Michajlovicˇ«, in: ders. (Hg.), Die russischen Zaren 1547–1917, München 19992, 109–127; P. B. Brown, »Tsar Aleksei Michajlovich: Military Command Style and Legacy to Russian Military History«, in: E. Lohr, M. Poe (Hg.), The Military and Society in Russia, 1450–1917, Leiden u. a. 2002, 119–145. 4 Vgl. Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 67–83 (auf Basis der edierten Quellen und der Sekundärliteratur); Tchentsova, »Istocˇniki fonda«; dies., Vostocˇnaja cerkov i Rossija posle Perejaslavskoj rady 1654–1658. Dokumenty, Moskau 2004, 3–44; dies., Ikona, 190–194, 281–286 (auf Basis der Moskauer Archivbestände; siehe auch ihre einschlägigen Einzeluntersuchungen in der Bibliographie). Aus der älteren Literatur vgl. Nikolaevskij, »Iz istorii snosˇenii Rossii s Vostokom«. Für den gesamten ost- und südosteuropäischen Zusammenhang prägnant ist der Überblick derselben Periode bei J. Stoye, Europe Unfolding 1648–1688, Oxford2 2000, 24–51 (Kap. 2: »The Crises of Eastern Europe«). 5 Vgl. H. Schilling, »Konfessionalisierung und Formierung eines internationalen Systems während der Frühen Neuzeit«, in: H. R. Guggisberg u. a. (Hg.), Die Reformation in Deutschland und Europa: Interpretationen und Debatten, [Archiv für Reformationsgeschichte, Sonderband], Gütersloh 1993, 591–613, hier 595f.; ders., »La confessionnalisation et le système international«, in: L. Bély (Hg.), L’Europe des traités de Westphalie. Esprit de la diplomatie et diplomatie de l’esprit, Paris 2000, 411–428; ders., »Frühmoderne Staatsbildung und die Entstehung des neuzeitlichen Mächte-Europa«, in: Chr. Ocker u. a. (Hg.), Politics and Reformations: Communities, Polities, Nations and Empires. Essays in Honor of Thomas A. Brady Jr.,
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Zuge der Religionskriege über das, was man üblicherweise als Kirchenpolitik bezeichnen würde, weit hinaus. Gewiss sind dabei trennscharfe Abgrenzungen nicht immer auf sinnvolle Weise zu ziehen. Wie es Helmut Neubauer in unserem Zusammenhang formulierte: »Kirchenpolitisches und Außenpolitisches verbanden sich zu einer zweckentsprechenden Einheit, die offensichtlich als ganz natürlich betrachtet wurde.«6 Wenn also im Folgenden Außenpolitisches im Vordergrund stehen wird, so soll vorausgeschickt werden, dass die politische Aktivität griechischer Kirchenmänner und ihrer Gefolgsleute bzw. ihre Versuche, Einfluss auf die Außenpolitik des Zaren zu nehmen, und ihre Verwicklung im Falle Nikons (delo Nikona), von der Vorbereitung und Durchführung der Reform bis zum »Prinzipienstreit« und seiner Entscheidung, in vielfacher Weise Interdependenzen aufweisen und weitgehend als ein Kontinuum zu betrachten sind. Der breitere historische Kontext, in dem die Umbrüche dieser Zeit zu verorten sind, kann mit dem Konzept der »allgemeinen Krise des 17. Jahrhunderts« beschrieben werden.7 Eingeschränkter geht es um ihre Zuspitzung in den 1640er und 1650er Jahren.8 Die langwierige, einschlägige Debatte ist nach einer Phase der Abkühlung in den letzten Jahren erneut aufgenommen worden.9 Ein allgemeiner Konsens besteht freilich nicht, weder hinsichtlich der Voraussetzungen und Ursachen der Krise – über eine Kombination klimatischer, demographischer und fiskalpolitischer Entwicklungen hinaus – noch ihrer konkreten Folgen –
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Leiden u. a. 2007, 551–569, hier 560–562, ders., Konfessionalisierung und Staatsinteressen. Internationale Beziehungen 1559–1660 [Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen; 2], Paderborn u. a. 2007, 107–119; R. Bireley, The Jesuits and the Thirty Years War. Kings, Courts and Confessors, Cambridge 2003. Neubauer, Car und Selbstherrscher, 99. Vgl. W. Reinhard, »Zwang zur Konfessionalisierung? Prolegomena zu einer Theorie des konfessionellen Zeitalters«, ZHF 10 (1983), 257–277, hier 257. Vgl. T. S. Aston (Hg.), Crisis in Europe 1560–1660, London 1965; G. Parker, L. M. Smith (Hg.), The General Crisis of the Seventeenth Century, London u. a. 19972; T. Munck, Seventeenth Century Europe 1598–1700, Basingstoke 1990, 199–236. Für eine erste Annäherung an die Bedeutung des Wandels für die Griechen im Osmanischen Reich vgl. Tzedopoulos, Ορθόδοξοι νεομάρτυρες, 220–223. Nach der klassischen Formulierung von Hugh Trevor-Roper: »The seventeenth century […] is broken in the middle, irreparably broken.«: »The general crisis of the seventeenth century«, Past & Present 16 (1959), 31–64, hier 50. Vgl. die Themenhefte der American Historical Review 113/1 (2008) und des Journal of Interdisciplinary History 40/2 (2009) sowie besonders das Monumentalwerk von Geoffrey Parker, Global Crisis. War, Climate Change and Catastrophe in the Seventeenth Century, New Haven 2013, mit einem deutlichen Schwerpunkt auf den klimatischen Ursachen in »fataler Synergie« mit der politischen Entwicklung auf globaler oder zumindest eurasischer Ebene; vgl. die Rezension von Jan de Vries, »The Crisis of the Seventeenth Century: The Little Ice Age and the Mystery of the ›Great Divergence‹«, Journal of Interdisciplinary History 44 (2014), 369–377.
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subsumiert unter dem Begriff einer allgemeinen »Stabilisierung«10 – noch schließlich ihrer räumlichen und zeitlichen Ausdehnung. Nicht zu bestreiten ist jedoch ein Umstand, der schon den Blick der Zeitgenossen bestimmte und ihr Krisenbewusstsein schärfte, nämlich die Konstatierung der frappierenden Gleichzeitigkeit der katastrophalen Krisenerscheinungen. Das »Jahr der Revolutionen«11 oder »Jahr der Schlagzeilen«12 1648 mit seiner europaweiten Kette von Aufständen ist dafür das geläufigste Beispiel. Die übergreifende komparative Diskussion hat auf reflektierte Weise die ost- und südosteuropäischen Erscheinungen des Krisenjahres – die Stadtrevolten in Moskau, den Aufstand der Zaporoger Kosaken in der Ukraine sowie die Absetzung und Tötung des Sultans Ibrahim beim Janitscharenaufstand in Konstantinopel – einbezogen.13 Die Rekonstruktion des gesamten Kontextes ist notwendig, nicht um der Vielfalt der Krisenphänomene eine einheitliche Erklärung aufzuzwingen, sondern um das unter den Zeitgenossen verbreitete Gefühl eines allgemeinen und 10 Vgl. Th. K. Rabb, The Struggle for Stability in Early Modern Europe, Oxford 1975; Ph. Benedict, M. P. Gutmann (Hg.), Early Modern Europe. From Crisis to Stability, New York 2005; H. D. Kittsteiner, Die Stabilisierungsmoderne. Deutschland und Europa 1618–1715, München 2010. 11 H. Kamen, The Iron Century. Social Change in Europe 1550–1660, London 1971, 358–373; vgl. J. M. Merriman, Six Contemporaneous Revolutions, Hamden 1963. Die Koinzidenz und ihr europaweiter Zusammenhang waren schon von den Zeitgenossen in synthetisierenden Geschichten festgehalten worden, vgl. z. B. G. B. Birago, Turbolenze di Europa dall’anno 1640 sino al 1650, Venedig 1654; M. Bisagione, Historia delle guerre civili di queste ultimi tempi, cioê di Inghilterra, Catalogna, Portogallo, Palermo, Napoli, Fermo, Moldavia, Polonia, Svizzera, Francia, Turco, Venedig 1652. Es war aber Voltaire, der als Erster in seinem Essai sur les mœurs et l’esprit des nations (1742) die Theorie einer »allgemeinen Krise« entwarf und die gleichzeitigen Umbrüche in der Mitte des 17. Jahrhunderts in Polen, Russland, Frankreich, Spanien, England, dem Heiligen Römischen Reich und dem Osmanischen Reich, aber auch in Indien und China in einen globalen Kontext zu stellen versuchte, vgl. G. Parker, L. M. Smith, »Introduction«, in: dies. (Hg.), The General Crisis, 1–31, hier 1–4 mit weiteren zeitgenössischen und späteren Zeugnissen, sowie noch umfangreicher in Parker, Global Crisis, die Sammlung zeitgenössischer Zeugnisse vor dem Inhaltsverzeichnis, vgl. die Tabellen zu den Aufständen und Kriegen auf S. xix und 27. 12 H. Durchhardt, 1648. Das Jahr der Schlagzeilen. Europa zwischen Krise und Aufbruch, Wien u. a. 2015. 13 Zu 1648 und zu weiteren Beispielen (Moskauer Smuta, Celali-Aufstände in Anatolien) vgl. J. Goldstone, Revolution and Rebellion in the Early Modern World, Berkeley u. a. 1991; ders., »East and West in the Seventeenth Century: Political Crises in Stuart England, Ottoman Turkey, and Ming China«, CSSH 30 (1988), 103–142; R. O. Crummey, »Muscovy and the ›General Crisis of the Seventeenth Century‹«, JEMH 2 (1998), 157–180; Ch. Dunning, »Does Jack Goldstone’s Model of Early Modern State Crises Apply to Russia?«, CSSH 39 (1997), 572– 592; P. Dukes, The Making of Russian Absolutism, 1613–1801, London u. a. 19902, 34f., 61; P. B. Brown, »Muscovy, Poland, and the Seventeenth century Crisis«, The Polish Review 27 (1982), 55–69; F. Sysyn, »War der Chmel’nyc’kyj-Aufstand eine Revolution? Eine Charakteristik der ›großen ukrainischen Revolte‹ und der Bildung des kosakischen Hetmanstaates«, JGO 43 (1995), 1–18; Parker, Global Crisis, Kap. 6 zu Russland und Polen-Litauen (S. 152–184) und Kap. 7 zum Osmanischen Reich (S. 185–210).
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tiefen Umbruchs, »die Welt sei aus den Fugen«,14 zu fassen. Das gilt insbesondere für die Deutung der diversen chimärisch anmutenden Projekte, Appelle und Bündnisentwürfe, von welchen im Folgenden die Rede sein wird. Es ist kein Zufall, dass »Projektemacherei« ein zeitgenössischer Begriff ist, der im 17. Jahrhundert geprägt wurde, um die allseits schwellenden, kaum realisierbaren Zukunftsvorhaben, nicht nur politischer Natur, zu beschreiben.15 Der Zeitgeist, von dem alle diese »Desseins« lebten, die so von James Billington apostrophierte »heroic unreality of the age«16 und von Rosario Villari als Neigung zum »dreaming impossible dreams«17, inspirierte eine Reihe von hochfliegenden Plänen, zumal hinsichtlich Südosteuropas und des Osmanischen Reiches: von päpstlichen Unionsprojekten und christlichen Ligen, dem berüchtigten »Grand Dessein« samt seinem byzantinischen ›Teilprojekt‹ um die Person des Herzogs von Nevers, den Kreuzzugsplänen Wallensteins bis zu den panslavischen Visionen von Juraj Krizˇanic´ und dem Consilium Aegyptiacum von Gottfried Wilhelm Leibniz.18 Verglichen mit den im 17. Jahrhundert vielerorts gefürchteten oder anvisierten Phantomen einer »katholischen« oder »calvinistischen Internationale«19 erscheinen auch die Utopien einer gesamtorthodoxen Einheit – Hedwig Fleischhacker sprach von der »panorthodoxen Modeideologie«20 um die Mitte des 17. Jahrhunderts – oder einer Erneuerung des oströmischen Kaiserreichs, die manchem Kirchenmann vorschwebte, weniger singulär und auf jeden Fall einleuchtender, als in einer nationalgeschichtlich definierten Diachronie griechi-
14 Parker, Global Crisis, xxiii. 15 Vgl. A. Landwehr, Geburt der Gegenwart. Eine Geschichte der Zeit im 17. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2014, 330–335; Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 74. 16 Billington, The Icon and the Axe, 118. 17 R. Villari, »Introduction«, in: ders. (Hg.), Baroque Personae, Chicago u. a. 1995, 1–8, hier 3. 18 Vgl. É. Bóka, »Crusader Tradition in seventeenth century European political thought«, SOF 53 (1994), 39–59; E. Eickhoff, Venedig, Wien und die Osmanen. Umbruch in Südosteuropa 1645– 1700, Stuttgart 1988, 141–148; T. G. Djuvara, Cent projets de partage de la Turquie (1281– 1913), Paris 1914, 185–239. 19 Zur »Konfessionalisierung der internationalen Beziehungen« und der »Allgegenwart konfessionalistischer Beschreibung der Außenpolitik« zwischen 1570–1630 vgl. Schilling, »Konfessionalisierung und Formierung«, 607–610; ders., Konfessionalisierung und Staatsinteressen, 34–41, 394–416; ders., »Formung und Gestalt des internationalen Systems in der werdenden Neuzeit – Phasen und bewegende Kräfte«, in: P. Krüger (Hg.), Kontinuität und Wandel in der Staatenordnung der Neuzeit, Marburg 1991, 19–46, hier 29–34; B. Vogler, »La dimension religieuse dans les relations internationales en Europe au XVIIe siècle (1618– 1721)«, Histoire, Économie et Société 10 (1991), 279–398. Zur Vorstellung von panislamischen, antichristlichen Allianzen unter der Leitung des osmanischen Sultans vgl. M. Green-Mercado, »The Mahdi in Valencia: Messianism, Apocalypticism and Morisco Rebellion in Late Sixteenth-Century Spain«, Medieval Encounters 19 (2013), 193–220, hier 197–203. 20 H. Fleischhacker, »Der politische Antrieb der Moskauischen Kirchenreform«, JGO 2 (1937), 224–233, hier 228; vgl. Hadrovics, Le peuple serbe, 124–126.
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scher Befreiungsversuche von Bessarion und Laskaris bis zur Philiki Etaireia eingezwängt. Wenn sich das Jahr 1645 als Ausgangspunkt bietet, dann nicht allein aufgrund des Thronantritts des noch minderjährigen Zaren Aleksej Michajlovicˇ.21 Es ist zum einen die Koinzidenz mit dem Beginn des Kretischen Kriegs festzuhalten, der trotz der Anfangserfolge die Probleme der osmanischen Zentrale eher verschärfte und die diversen antiosmanischen Projekte neu belebte. Zum anderen traten mit den Patriarchen Parthenios II. von Konstantinopel (Thronantritt im September 1644), einem Protegé von Loukaris, und Paisios I. Lampardis von Jerusalem (März 1645), dem Neffen und Nachfolger von Theofanis III., zwei Hierarchen die Leitung der Ostkirche an, die bei aller unerbittlichen Rivalität untereinander in der Tradition ihrer Vorgänger standen, insofern, als beide ein ausgeprägtes politisches Naturell besaßen und besonderen Wert auf die Beziehungen zu Moskau legten bzw. um die Kontrolle dieser Beziehungen konkurrierten. Die Vorstellung von festen, voneinander dicht abgegrenzten Kirchenfraktionen wäre jedoch irreführend, möchte man damit die Auseinandersetzungen um die Person Loukaris in die kirchlichen Fraktionskämpfe der 1640er und 1650er Jahre hinein als fortgesetzt ansehen. Die Anhänger von Loukaris (und Theofanis) stellten keine in sich geschlossene Gruppe mehr dar. Nach dem Tod ihres Mentors waren etliche von ihnen vor den unter Kontaris erlittenen Verfolgungen und Brüskierungen in die Walachei und die Moldau, zu den Fürstenhöfen der ihrerseits untereinander verfeindeten Matei Basarab in Târgovis¸te und Vasile Lupu in Ias¸i, geflüchtet. Andere fanden sich mit der neuen Kirchenleitung unter Parthenios I. ab. In den folgenden Jahren bekannten sich, nicht zuletzt in ihren Äußerungen gegenüber den Moskauer Instanzen, verschiedene, teils rivalisierende Personen und Gruppen zum Erbe des »alten Kyrillos«. Ihre verbindliche Zuordnung ist nicht immer überzeugend zu rekonstruieren. Die Widersprüche in ihrem Verhalten und in ihren Äußerungen sind auch nicht ausschließlich der bruchstückhaften Überlieferung geschuldet, sondern in der Sache selbst, im fließenden Charakter der Bindungen und in der Vielfältigkeit der Motivationen enthalten. Für die meisten Akteure, ob Bischöfe, Mönche oder Kaufleute, dürfte nämlich gegenseitige Unterstützung durch die Zugehörigkeit zu einer Fraktion und die Teilnahme an einem Kommunikations- und Protektionsnetzwerk wichtiger gewesen sein als deren ohnehin durchaus wechselnde, übergreifende Zielsetzungen. Wenn sie zusammenhielten oder auseinandergingen, muss dies daher nicht unbedingt auf unterschiedliche politische Ansichten zurückzuführen sein. 21 Zu 1645 als Zäsur für den kulturellen Wandel in Moskau vgl. Bushkovitch, Religion and Society, 176f.; W. E. Brown, A History of Seventeenth-Century Russian Literature, Ann Arbor, 1980, 61.
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Es hat trotzdem Sinn, unter diesen Vorbehalten davon auszugehen, dass sich der aus Ioannina stammende Parthenios II. als Patriarch von Konstantinopel (1644–1646, 1648–1651) eher an den strategischen, kirchen- und außenpolitischen Grundsätzen von Loukaris orientierte.22 Dazu würde sich auch der Rückhalt fügen, den er ähnlich seinem Mentor seitens verschiedener osmanischer Würdenträger und besonders der Valide-Sultana, der Sultansmutter und nach 1648 Sultansgroßmutter, Kösem Mahpeiker, Tochter eines griechischen Priesters, genoss.23 Dagegen ist der Gruppe der Kleriker, die sich unter der Patronage von Vasile Lupu in Ias¸i versammelte und gegen Parthenios opponierte, von Anfang an eine größere Unabhängigkeit und auch Aufgeschlossenheit gegenüber weitreichenden antiosmanischen Projekten zuzutrauen. Ihr Anführer und die zentrale Figur hinter der Projektemacherei der folgenden Jahre war der Patriarch von Jerusalem Paisios Lampardis (1645–1660) aus Dimitsana in der Peloponnes, der schon 1636 und 1638 als Vertreter seines Onkels Theofanis nach Moskau gereist war, ein Kirchenpolitiker von beeindruckender Energie und Durchsetzungskraft.24 Seinem Kreis gehörten der nicht weniger umtriebige ehemalige Patriarch 22 Vgl. Florja, »Materialy«, 211; Podskalsky, Griechische Theologie, 210f.; Tchentsova, Ikona, 125, 211; Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 68; E. Chr. Suttner, »Vasile Lupu und die griechische Kirche zu Anfang der vierziger Jahre des 17. Jahrhunderts«, KiO 32 (1989), 32–72, hier 48–62. Siehe die explizite Bezugnahme auf Loukaris und auf Parthenios als dessen gewünschten Nachfolger im Ernennungsakt von Letzterem: Germanos, Συμβολή, 125. Vgl. die diesbezüglichen Informationen in den Berichten von Paisios Ligaridis aus Konstantinopel an die Congregatio de Propaganda Fide in Rom: Parthenios, der Ligaridis exkommunizierte, sei Rom gegenüber feindlich eingestellt, pflege freundschaftliche Beziehungen zur holländischen und englischen Gesandtschaft, möchte den Calvinismus einführen, die Ansichten von Loukaris und Korydalleus, seines Lehrers, rehabilitieren und die volkssprachliche Übersetzung des Neuen Testaments unter dem Kirchenvolk verteilen: Fr. Pall, »Les Relations de Basile Lupu avec l’Orient orthodoxe et particulièrement avec le Patriarcat de Constantinople«, Balcania 8 (1945), 66–140, hier 85–89, 98f., 117–133. 23 Vgl. Hering, Ökumenisches Patriarchat, 308.; Finkel, Osman’s Dream, 197, 242; L. Peirce, The Imperial Harem. Women and Sovereignty in the Ottoman Empire, New York 1993, 232, 244f.; Kapterev, Charakter, 413. 24 Paisios war bis dahin Abt des Galataklosters (Dependance des Heiligen Grabes) nahe Ias¸i. Das Zerwürfnis mit Parthenios ging darauf zurück, dass dieser seinen eigenen Kandidaten auf den Patriarchenthron Jerusalems einzusetzen beabsichtigte, ehe ihm Lupu mit Paisios zuvorkam. Parthenios musste seine Wahl hinnehmen. Kurz darauf verweigerte Paisios von Parthenios geforderte Abgaben, vgl. Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 69f., 102f. Mit seinem Brief an den Zaren vom 18. Juli 1645 gab Paisios den Tod seines Onkels Theofanis und die eigene Wahl zum Patriarchen bekannt, vgl. RGADA f. 52, op. 2, nr. 239. Zu Paisios vgl. Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 116–186; Panchenko, Arab Orthodox Christians, 309–314; Papadopoulos, Οι πατριάρχαι Ιεροσολύμων, 75–86; ders., Ιστορία της Εκκλησίας Ιεροσολύμων [Geschichte der Kirche von Jerusalem], Jerusalem–Alexandria 1910, 520–530; K. Athanasiadis, »Τα κατά τον αοίδιμον Παΐσιον Πατριάρχην Ιεροσολύμων« [Zum berühmten Patriarchen von Jerusalem Paisios], ΔΙΕΕΕ 4 (1892/95), 211–233; I. Meimaris, »Ο πατριάρχης Ιεροσολύμων Παΐσιος Λαμπάρδης και η εποχή του υπό το φως τεσσάρων επιγραφών« [Der Patriarch von Jerusalem Paisios Lampardis und seine Zeit im Lichte von vier Inschriften], Θεολογία 55
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von Konstantinopel (1634 und erneut 1652) und Metropolit von Thessaloniki (1630–1646) Athanasios Patellaros aus Rethymon auf Kreta25 sowie der Lehrer der Konstantinopler Patriarchatsakademie, Prediger am Ökumenischen Patriarchat und spätere Metropolit von Navpaktos und Arta (1647–1660) Gavriil Vlasios aus Korfu an, der vielleicht engagierteste Ideologe der imperialen Überhöhung des Zaren unter seinen griechischen Korrespondenten.26 Ihre Initiativen und Aktivitäten erscheinen über Jahre hinweg als koordiniert, getragen vom selben Netzwerk von Schreibern und Briefboten, ihre Argumentation und Rhetorik über weite Strecken als untereinander abgesprochen. Bei ihrer Konkurrenz um die Gunst Moskaus bzw. um die Einflussnahme auf die Moskauer Behörden knüpften die beiden Kirchenfraktionen anscheinend Kontakte zu unterschiedlichen, ihrerseits rivalisierenden Fraktionen am Zarenhof.27 Parthenios II. hatte zunächst den besseren Draht, wobei er die Verbindung (1984), 480–496. Dositheos, der sich seit jungen Jahren Paisios angeschlossen und ihn auf seinen Reisen begleitet hatte, setzt dem »prächtigsten« (μεγαλοπρεπέστατος) Patriarchen in seinem Geschichtswerk ein Denkmal. Darin weiß er zu berichten, Paisios habe einst in seiner Jugend zwölf Räuber allein überwältigt und ihnen die Pferde abgenommen. Die Legende ist zwar nicht unbedingt dem Profil eines Geistlichen angemessen, im Zusammenhang mit Paisios und Dositheos aber scheint sie passend: Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 103. 25 Patellaros stand schon seit 1631 in schriftlichem Kontakt mit Moskau, damals empfohlen von Lοukaris. Zu seinem wechselnden Verhältnis zu Lοukaris, zu Rom und zu den europäischen Gesandtschaften in Konstantinopel vgl. Hering, Ökumenisches Patriarchat, 262, 275–281, 289–291, 316, 319; G. Hofmann SJ, »Patriarch Athanasios Patellaros, seine Stellung zur Römischen Kirche«, Orientalia Christiana XIX/2, Nr. 63, Rom 1930, 208–280 [= Griechische Patriarchen und römische Päpste. Untersuchungen und Texte II/2]; Pall, »Les Relations«, 82– 84; A. M. Ammann SJ, »Athanase III Patellaros, Patriarche de Constantinople, ex-catholique et saint Russe«, Revue des Études Slaves 28 (1951), 7–16; N. Tomadakis, »Αθανάσιος Πατελλάρος ο Κρης (1595–1654) μητροπολίτης Θεσσαλονίκης (1630/31–1646) και επιβάτης του Οικουμενικού θρόνου (1634, 1652)« [Athanasios Patellaros der Kreter (1595;–1654) Metropolit von Thessaloniki (1630/31–1646) und zeitweiliger Patriarch von Konstantinopel (1634, 1652)], ΕΕΒΣ 46 (1983–1986), 365–436 mit weiterer Bibliographie. Zu seinen Beziehungen mit Moskau vgl. Tchentsova, Ikona, 122ff; dies., »Les documents grecs du XVIIe siècle: pièces authentiques et pièces fausses: 1. L’ex-patriarche œcuménique Athanase Patélare à Moscou en 1653«, OCP 68 (2002), 335–374; Fonkicˇ, Greek Documents, 25–29; Murav’ev’, Snosˇenija, Bd. 2, 244–253, 337–340. 26 Vlasios hatte dem Kreis von Lοukaris und Theofanis angehört. Letzterer empfahl ihn den Moskauer Behörden. Er schrieb regelmäßig seit 1639 politische Berichte an Moskau (siehe Anhang, Nr. 1). 1643 assistierte er Patellaros bei dessen Almosengesuchen mit einem Empfehlungsschreiben an den Zaren, RGADA f. 52, op. 2, nr. 203 (30. August 1643). Bester Überblick über Vlasios’ Biographie, seine Beziehungen zu Moskau sowie die Bibliographie bei B. L. Fonkicˇ, Greko-slavjanskie ˇskoly v Moskve v XVII veke, Moskau 2009, 49–63; vgl. Legrand, Bibliographie hellénique XVII, Bd. 3, 287f.; Tchentsova, Ikona, 79–86; B. N. Florja, »Dva poslanija G. Vlas’eva carju Michailu Fedorovicˇu«, in: Grecˇeskij i slavjanskij mir v srednie veka i rannee novoe vremja [Slavjane i ich sosedi 6], Moskau 1996, 216–227. 27 Vgl. Tchentsova, Ikona, 190–224. Zu den Hoffraktionen in den ersten Jahren von Aleksejs Herrschaft vgl. E. I. Filina, »Car’ Aleksej Michajlovicˇ i politicˇeskaja bor’ba pri moskovskom dvore (1645–1652 gg.)«, in: Rossijskaja monarchija: Voprosy istorii i teorii, Voronezˇ 1998, 97–
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zum Zaren auch als Gegengewicht zu Lupus übermäßigem Einfluss gesehen haben dürfte.28 Die in symbolischer Hinsicht markante, von der Konstantinopler Patriarchatssynode im Dezember 1644 an den Zaren offiziell gerichtete Bitte, eine umfassende Schutzherrschaft über das Patriarchat zu übernehmen und seine nach wie vor immense Schuldenlast zu mindern, war aber trotzdem noch mit Lupu abgesprochen.29 Theofanis, der Metropolit von Patras, der als Exarch des Ökumenischen Patriarchen mit der Überbringung des Synodalschreibens nach Moskau beauftragt wurde, war ein Vertrauter des gleichnamigen Patriarchen von Jerusalem. Er reiste über Ias¸i und nahm weitere Schreiben der dort anwesenden Hierarchen an den Zaren mit. Während seines Aufenthalts in Moskau legte er im Juni 1645 ein in der Forschung viel beachtetes Memorandum vor. Er berief sich auf die unterbrochenen Projekte von Loukaris und rief den Zaren als Haupt aller Orthodoxen dazu auf, in Moskau eine griechische Druckerei zur Bekämpfung der lateinischen und lutherischen Propaganda sowie eine Schule für philosophischen und theologischen Unterricht in griechischer und russischer Sprache zu gründen.30 113; R. O. Crummey, »Court groupings and politics in Russia, 1645–1649«, FOG 24 (1978), 203–221; O. E. Kosˇeleva, »Leto 1645 goda: smena lic na rossijskom prestole«, in: J. L. Bessmertnyj, M. A. Bojcov (Hg.), Kazus 1999. Individual’noe i unikal’noe v istorii, Moskau 1999, 148–170. 28 Vgl. Völkl, Fürstentum, 98f.; Nikolaevskij, »Iz istorii snosˇenii Rossii s Vostokom«, 8. 29 Edition der russischen Übersetzung des Synodalschreibens (das griechische Original ist nicht erhalten): Florja, »Materialy«, 213–220. Im Synodalbrief wird erwartungsgemäß die Erhebung von Parthenios II. als Wiederherstellung von geordneten kirchlichen Verhältnissen geschildert und auf das enge Verhältnis des neuen Patriarchen zu Loukaris Bezug genommen, zudem werden die Amtszeiten von Kyrillos Kontaris und Parthenios I. als Knechtschaft der Kirche gebrandmarkt. Letzterer wird nicht nur als heimlicher Gegner von Loukaris und Parteigänger von Kontaris bezeichnet, sondern sogar als dessen ursprünglicher Anstifter und als verantwortlich für den gewaltsamen Tod beider Patriarchen. Ganz in diesem Sinne beschreibt die Ereignisse der kretische Patriarch von Alexandria Nikiforos (1639–1645) in seinem im Februar 1645 in Ias¸i verfassten Brief an den Zaren Michail (RGADA f. 52, op. 2, nr. 229). Dagegen berichten die beiden langjährigen Informanten Moskaus, Ioannis Tafralis und Daniil Nalcabasmat, Parthenios II. habe sich allein aufgrund der Unterstützung des Großwesirs gegen den Willen des Kirchenvolks durchgesetzt, vgl. Murav’ev’, Snosˇenija, Bd. 2, 268–327; Hurmuzaki, Fragmente, Bd. 3, 140; Suttner, »Vasile Lupu und die griechische Kirche«, 48–55; Kapterev, Charakter, 405–407. Im selben Sinne auch die Berichte der gegenüber Parthenios II. feindlich eingestellten habsburgischen und venezianischen Gesandten, vgl. E. Hurmuzaki, Fragmente zur Geschichte der Rumänen, Bd. 3, Bukarest 1884, 180; ders., Documente, Bd. 4/2, xvi, xvii, xviii. Daniil hat sich später Parthenios angeschlossen, während Tafralis Paisios näherstand. Zu Daniil vgl. V. G. Tchentsova, »Chalkidonskij mitropolit Daniil (Dionisij Nalcabasmat?) i ego perepiska s carem Alekseem Michajlovicˇem (40–50-e gg. XVII v.)«, Rossija i Christianskij Vostok 2/3 (2004), 326–362. Der Brief von Tafralis im Original: RGADA f. 52, op. 2, nr. 219, 15. November 1644. Der Patriarchenwechsel 1644 hatte die Kirche laut Tafralis 120.000 gurus¸ gekostet, 42.000 davon zahlte Lupu. 30 RGADA f. 52, op. 2, nr. 237, ediert bei: Fonkicˇ, Greko-slavjanskie ˇskoly, 16–27; Tchentsova, ˇ elobitnaja paleopatrskogo mitropolita Feofana«, 130–133; vgl. Scheliha, Universalkirche, »C
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Aus den ambitionierten Vorsätzen wurde kaum etwas – der Metropolit erhielt bei seiner Abreise die üblichen Almosen –, sein Aufenthalt in Moskau fiel aber mit einer Affäre zusammen, die in beispielhafter Weise die längst erfolgte Verwicklung der ostkirchlichen Hierrachie in die internationale Politik und die Verflechtung von theologischen und außenpolitischen Problemen veranschaulicht. Es handelt sich um ein gegen Schweden gerichtetes Bündnis, das seine Rivalen, Polen-Litauen und Dänemark, initiierten. Eine Vermählung des dänischen Prinzen Waldemar, Graf von Schleswig-Holstein, mit der russischen Zarentochter Irina sollte Moskau ans Bündnis anschließen.31 Obwohl man seitens Moskau bei den ersten Sondierungen der Glaubensfrage keine Priorität beigemessen hatte, wurde Waldemar nach seiner Ankunft in Moskau im Januar 1644 eine erneute Taufe nahegelegt, da man die lutherische Aspersionstaufe als ungenügend erachtete. Die Nachricht, dass im Dezember 1643 ein schwedisches Heer Dänemark überfallen hatte, dürfte die ohnehin zögernde Moskauer Diplomatie in ihren Vorbehalten bestärkt haben. Um die unnachgiebige Haltung der russischen Unterhändler und die Einwände des Moskauer Patriarchen Iosif zu brechen, versuchten die Interessenten, der dänische und der polnische König, ein günstiges Gutachten des Patriarchen von Konstantinopel einzuholen. Die Vermittlung übernahmen der Kiever Metropolit Peter Mohyla und Vasile Lupu, die in das Projekt eingeweiht waren.32 Parthenios II. und die Synode sprachen sich aber Ende 1644 wider Erwarten und trotz der Empfehlungen von Mohyla gegen die Gültigkeit der lutherischen Taufe aus. Ob man in Konstantinopel die 340f. Ob Theofanis das Memorandum in Moskau auf eigene Initiative verfasste oder ob es ihm bereits in Ias¸i als Projekt der dortigen kirchlichen Kreise anvertraut wurde, ist strittig, vgl. B. L. Fonkicˇ, »O nekotorych novych otkrytijach v istorii grecˇesko-russkich svjazej XVII v.«, Ocˇerki Feodal’noj Rossii 14 (2010), 509–529, hier 509–516; Tchentsova, »Illjuzii i realii paleografii«, 373–388; dies., »Illjuzii i realii paleografii (2). Tak cˇto zˇe nam delat’?«, ebenda 16 (2013), 349–405, hier 367–372. 31 Vgl. Davies, »Muscovy at war and peace«, 492f.; W. Leitsch, Moskau und die Politik des Kaiserhofes im XVII. Jahrhundert, Teil I: 1604–1654, Graz u. a. 1960, 258–260; Barudio, »Moskau und der Dreißigjährige Krieg«, 94; Scheliha, Universalkirche, 246–257 (ohne Berücksichtigung der politischen Implikationen). ˇ elobitnaja paleopatrskogo mitropolita Feofana«, 110– 32 Vgl. Tchentsova, Ikona, 130f.; dies., »C 119; Suttner, »Vasile Lupu und die griechische Kirche«, 56–58; Scheliha, Universalkirche, 200– 203, 246–252. Lupu hatte ein persönliches Interesse am Zustandekommen des Bündnisses und an einer toleranten Entscheidung der Patriarchatssynode. Enttäuscht darüber, dass seine diplomatischen Dienste bei der Krise um Azov nicht gewürdigt worden waren – das Versprechen der Pforte, ihm den walachischen Fürstenthron zusätzlich zu gewähren, blieb unerfüllt –, begann Lupu, eigenhändiger zu agieren und, im üblichen Muster seiner Vorgänger, vorsichtig eine Annäherung auch an die polnische Seite zu suchen. Die Heirat seiner Tochter Maria mit dem litauischen Magnaten Janusz Radziwiłł im Februar 1645 hatte Peter Mohyla selbst geweiht, vgl. Semenova, »Politicˇeskie kontakty«, 82ff; dies., »Vnesˇnepoliticˇeskoe polozˇenie Dunajskich knjazˇestv v period zaversˇesnija Tridcatiletnej Vojny«, in: Osmanskaja imperija i strany Central’noj, Vostocˇnoj i Jugo-vostocˇnoj Evropy v XVII v., Bd. 1, Moskau 1998, 179–189, hier 183–186; Ursprung, Herrschaftslegitimation, 178f.
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Pläne des polnischen Königs tatsächlich durchschaute und vereiteln wollte oder einfach im Sinne Moskaus handeln zu müssen glaubte, ist nicht eindeutig zu klären.33 Auf jeden Fall kam es damit zum Zerwürfnis zwischen Parthenios und Lupu.34 Nach dem Tod des Zaren Michail am 13. Juli 1645 und dem Thronantritt von Aleksej wurde unter dem ›neuen starken Mann‹, dem Bojaren Boris Morozov, das Heiratsprojekt endgültig abgesagt und dem dänischen Prinzen die bis dahin verweigerte Heimreise gestattet. Die initiierte polnisch-russische Annäherung bestimmte jedoch die diplomatische Agenda in Osteuropa weiterhin, wenn auch in anderer Form und Ausrichtung, nämlich als Projekt eines »Türkenkriegs«, der den Osmanen die Krim und die Donaufürstentümer entreißen sollte. Es war die venezianische Diplomatie, die nach dem osmanischen Angriff auf Kreta im Sommer 1645 die Verhandlungen vermittelt und den Krieg zu finanzieren versprochen hatte.35 33 Ohnehin war man dort nach den Auseinandersetzungen um Loukaris’ Glaubensbekenntnis bis zum Ende des 17. Jahrhunderts äußerst sensibel gegenüber protestantischen Neigungen. Die Federführung hatte Meletios Syrigos übernommen, dessen theologische Ansichten eigentlich keine andere Entscheidung erlaubt hätten. Siehe das Schreiben von Syrigos an den Zaren, in dem jedoch die endgültige Entscheidung der Synode vorsichtshalber noch offen bleibt: Murav’ev’, Snosˇenija, Bd. 2, 293, 305–308. Zwischen Syrigos und Parthenios II. kam es später zum Streit, als der Patriarch die unter Loukaris erstellte volksprachliche Übersetzung des Neuen Testaments doch noch unter den Gläubigen verteilen wollte, vgl. Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 66; Podskalsky, Griechische Theologie, 210, Anm. 886. Der Bericht von Tafralis (RGADA f. 52, op. 2, nr. 219, 15. November 1644) ist ziemlich deutlich: »εκείναις ταις ημέραις όπου εκάθησεν ο πατριάρχης ήλθαν γράμματα από τον Βασίλη βοειβόδα εις τον πατριάρχην να εξετάσουν περί πίστεως και περί βαπτίσματος δια λουθρούς και καλβήνους, τα οποία γράμματα τα είχε στείλει ο κράλης όπου έχει τον υιόν του αυτού, εις τον κράλην της Λεχίας. Και αυτός τα έστειλεν τον Βασίλη βοειβόδα και αυτός τα έστειλεν τον πατριάρχην να ειδούν, είναι βολετόν να βαπτίση ή όχι και έτζη ερεύνησαν οι διδάσκαλοι, ο Μελέτιος διδάσκαλος Σηρηγός ο ευχέτης της βασιλείας σου και ο Βεροίας μητροπολίτης Γιοανήκιος και άλλοι πολλοί διδάσκαλοι. Και έκαμαν σύνοδον και ερεύνησαν τα βιβλία και τους θείους και ιερούς νόμους και ήβραν πώς να μεταβαπτιστή και άλλα πολλά που δεν ημπορώ να γράψω, τα οποία θέλει τα γράψη ο ευχέτης της μεγάλης σου βασιλείας Μελέτιος ο ιερομόναχος Σιρηγός, ο κοίρηξ του εβανγγελίου καταλεπτώς προς την βασιλείαν σου. Ακόμη και ο Πέτρο Μογίλας ο μητροπολίτης Κιόβου τον είχε γράψει ο κράλης της Λεχίας πώς να στείλη γράμματα παρακαλεστηκά εις τον πατριάρχην της Κωνσταντινουπόλεως να δώσουν θέλημα να μην βαπτιστή δεύτερον. Και ο Κιόβου γράφει προς τον πατριάρχην και τον διδάσκαλον Σιρηγόν τα όμοια πώς να κάμουν το θέλημα του ρηγός, και να στείλουν και τον διδάσκαλον τον ευχέτην της να έλθη προς την μεγάλην σου βασιλείαν να παρακοινήσουν την βασιλείαν σου να τον συγχωρέσης και να είναι το βάπτισμά του δια βάπτισμα και να μην μεταβαπτιστή. Και η Μεγάλη Εκκλησία δεν το εδέχθη.«, russische Übersetzung bei Murav’ev’, Snosˇenija, Bd. 2, 290–299. Ähnlich der Inhalt des Berichts von Daniil Nalcabasmat, vgl. Tchentsova, Ikona, 131. 34 Lupu hatte schon im Februar 1645 versucht, Parthenios I. zurück auf den Patriarchenthron zu holen, doch dessen Tod vereitelte den Plan. Erst im Mai 1646 verfügte er die Ablösung von Parthenios II. durch Ioannikios II., vgl. Pall, »Les relations«, 130, 135f. 35 Vgl. S¸t. Andreescu, »The Relations between Venice and the Rumanian Principalities during the War of Candia«, in: S. Graccioti (Hg.), Italia e Romania. Due popoli e due storie a confronto (secc. XIV–XVIII), Florenz 1998, 159–169, hier 160f.
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Damit wurden die lange gehegten Kreuzzugsvisionen des polnischen Königs Władysław IV. (1632–1648) von Neuem befeuert. Neben den Zaporoger Kosaken, die ihre gewohnten Seeexpeditionen am Schwarzen Meer aufnehmen würden, und den Hospodaren der Moldau und der Walachei, die sich zwischenzeitlich versöhnt hatten und, wenn es denn so weit kommen sollte, zumindest nicht ausgeschlossen bleiben wollten, sollte – zum ersten Mal – Moskau an der Liga teilnehmen und die Krimtataren angreifen.36 Die Gerüchte beunruhigten die Pforte tatsächlich, die Raubzüge des Krimchans im Süden des polnischen und des russischen Territoriums 1644 und 1645, der mehrere Tausende Gefangene verschleppt hatte (unter anderem als Sklaven für die osmanischen Galleeren bestimmt), waren vom Sultan autorisiert worden und sollten einschüchternd wirken. Demselben Zweck diente die Festnahme der Moskauer Gesandten in Konstantinopel im Juni 1646, ein Akt, der im Kontext der osmanischen diplomatischen Bräuche als Zeichen einer unmittelbar bevorstehenden Kriegserklärung interpretiert werden konnte.37 Gleichzeitig gingen Moskauer Truppen zum Gegenangriff gegen die Krimtataren über. Schließlich scheiterten die Kriegspläne 36 Vgl. Andreescu, »The Relations«, 159–169; Davies, »Muscovy at war and peace«, 496f.; Kl. Zernack, »Die Expansion des Moskauer Reichs nach Westen, Süden und Osten von 1648 bis 1689«, in: HGR, Bd. 2.1, Stuttgart 1986, 123–152, hier 125; Stoye, Europe Unfolding, 28; Finkel, Osman’s Dream, 228; B. N. Florja, »K istorii russko-osmanskich otnosˇenij v seredine 40-ch godov XVII v.«, Études Balkaniques 17/2 (1991) 72–81; ders., »K istorii peregovorov o russkopol’skom antiosmanskom sojuze v seredine 40-ch gg. XVII v.«, in: Slavjane i ich sosedi. Mezˇdunarodnye otnosˇenija v epochu feodalizma, Moskau 1989, 124–139; ders., »Osmanskaja imperija, Krym i strany Vostocˇnoj Evropy vo vtoroj polovine 30-ch–40-ch gg. XVII v.«, 170f.; F. E. Sysyn, »The Khmel’nyts’kyi Uprising: A characterization of the Ukrainian revolt«, Jewish History 17 (2003), 115–139, hier 118, 129; Semenova, »Politicˇeskie kontakty«, 82–88; dies., »Vnesˇnepoliticˇeskoe polozˇenie«, 187; Djuvara, Cent projets, 209–211; Hurmuzaki, Fragmente, Bd. 3, 141. Moskaus Interesse basierte auf der Einsicht, mit Polen eine gemeinsame Abwehrfront gegen die krimtatarischen Raubzüge abstimmen zu müssen. Zu den Kontakten Giovanni Tiepolos, des venezianischen Gesandten in Warschau, mit Moskau im Frühjahr 1647 vgl. Ph. Longworth, »Russian-Venetian Relations in the Reign of Tsar Aleksey Mikhailovich«, SEER 64 (1986), 380–400, hier 383; G. Poumarède, »La question d’Orient au temps de Westphalie«, in: L. Bély (Hg.), L’Europe des traités de Westphalie. Esprit de la diplomatie et diplomatie de l’esprit, Paris 2000, 363–390, hier 370–374; Tchentsova, Ikona, 199. 37 Vgl. V. H. Aksan, »War and Peace«, in: The Cambridge History of Turkey, Bd. 3: The Later Ottoman Empire, 1603–1839, hg. von S. Faroqhi, Cambridge 2006, 81–117, hier 109; Smirnov, Rossija i Turcija, Bd. 2, 91–93. B. N. Florja hat nachgewiesen, dass es sich eher um eine Art Hausarrest handelte, die Gesandten wurden nicht inhaftiert. Währenddessen ist der Gesandte Stepan Telepnev in Konstantinopel gestorben: Florja, »K istorii«, 76. Die Kommunikation der Gesandten mit Moskau ermöglichten die griechischen Agenten Moskaus, Kaufleute und Kleriker, die auch vom Befehl des Sultans bezüglich der tatarischen Raubzüge berichteten und sogar sein exaktes Datum (20. Oktober 1645) angaben, vgl. B. N. Florja, »Rossija, stambulskie greki i nacˇalo Kandijskoj vojny«, in: Grecˇeskij i slavjanskij mir v srednie veka i rannee novoe vremja [Slavjane i ich sosedi, Bd. 6], Moskau 1996, 174–187, hier 175; ders., »K istorii«, 73, Anm. 13; Murav’ev’, Snosˇenija, Bd. 2, 269–300; Kapterev, Charakter, 326f. (Bericht von Daniil Nalcabasmat).
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im Sommer 1647 am Sejm, dem polnischen Reichstag, den Władysław erfolglos zu umgehen versucht hatte.38 Das Verhältnis Moskaus zur Pforte war dennoch dauerhaft beschädigt und sollte auch nach der Freilassung der Gesandten im Herbst 1648 (unmittelbar nach dem Sturz Ibrahims) nicht vollständig wiederhergestellt werden.39 Die Berichte der griechischen Informanten Moskaus spiegeln die gespannte Atmosphäre wider. Ihren Hauptgegenstand oder ihren ständigen Hintergrund bildeten die Geschehnisse des Kretischen Krieges, recht eigenwillig gedeutet und mit auffälliger Parteilichkeit geschildert.40 So auch die Briefe von Vlasios und Patellaros vom Oktober 1646 aus Ias¸i. Die beiden Kirchenmänner, ursprünglich venezianische Untertanen und noch in Kontakt mit Venedigs Agenten, versuchten, Moskaus Aufmerksamkeit auf den Kretischen Krieg zu lenken und den osmanischen Angriff auf Kreta als Signal zur Bildung einer christlichen Liga und als Beginn des osmanischen Untergangs zu deuten.41 Das Ereignis, das die bestehende Ordnung und machtpolitische Balance in Osteuropa umstürzte, die umliegenden Mächte allesamt in seinen Sog hineinzog und als Katalysator weitreichender Veränderungen wirkte, war der Aufstand der 38 Die Außenpolitik gehörte zum Zuständigkeitsbereich des Sejms. Die Kreuzzugspläne des Königs zielten auch auf eine Stärkung seiner Macht gegenüber dem Adel, was im Sejm auch durchschaut wurde. Zu den Eigentümlichkeiten der polnischen Diplomatie und zum Kreuzzugsprojekt Władysławs sowie zu den Verhandlungen seines ruthenischen Emissärs Adam Kysil in Moskau 1645–1647 vgl. F. E. Sysyn, Between Poland and Ukraine. The Dilemma of Adam Kysil, 1600–1653, Cambridge Mass. 1985, 128–140. Seinerseits bemühte sich Lupu um einen glaubhaften Kurswechsel und meldete der Pforte, er habe die Entscheidung des Sejms durch seine Leute beeinflusst. Er wurde mit der Vermittlung einer diplomatischen Verständigung mit Moskau und Polen beauftragt, vgl. Semenova, »Politicˇeskie kontakty«, 86; dies., »Vnesˇnepoliticˇeskoe polozˇenie«, 187. Tafralis meldete bereits im November 1646 an Moskau, die beiden Hospodaren hätten sich abgesprochen und, angesichts der polnischen und russischen Untätigkeit, der Pforte ihre Loyalität bekundet, vgl. Tchentsova, Ikona, 217; Hurmuzaki, Fragmente, Bd. 3, 145f. 39 Vgl. Smirnov, Rossija i Turcija, Bd. 2, 105. 40 Kaum ein griechisches Schreiben an den Zaren aus dieser Zeit kommt ohne Nachrichten vom Kretischen Krieg aus, wie Fonkicˇ bemerkt: Fonkicˇ, Greek Documents, 30–38. Zu den maritimen Operationen der Jahre 1647–1648 vgl. K. M. Setton, Venice, Austria, and the Turks in the Seventeenth Century, Philadelphia 1991, 145–150; Eickhoff, Venedig, Wien und die Osmanen, 49–57. 41 Vlasios schloss seinem Bericht (RGADA f. 52, op. 2, nr. 265, 21. Oktober 1646) ein für den Krieg gegen die Krimatataren eigens komponiertes Gebet an, das ins Russische übersetzt in den Kirchen und Klöstern Moskaus vorgelesen werden sollte (s. Anhang). Die Briefe von Patellaros in RGADA f. 52, op. 2, nr. 266, Oktober 1646 und 270, Herbst 1646. Sein Informant war der Dragoman der venezianischen Gesandtschaft in Konstantinopel Antonio Grillo, vgl. Tchentsova, Ikona, 285. Er wurde 1649 hingerichtet, wie Tafralis berichtete: »ακόμη τον γρήλον τον δραγομάνον του βενετζηάνου τον έπνηξαν οι τούρκοι«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 356 (2. Dezember 1649); vgl. Tchentsova, Ikona, 130–143, 196f., 258f., 285; Florja, »Rossija, stambulskie greki i nacˇalo Kandijskoj vojny«, 180–183; N. Ben-Aryeh Debby, »Crusade Propaganda in Word and Image in Early Modern Italy: Niccolò Guidalotto’s Panorama of Constantinople (1662), Renaissance Quarterly 67 (2014), 503–543, hier 515.
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Zaporoger Kosaken unter dem charismatischen Hetman Bohdan Chmel’nyc’kyj im Sommer 1648. Aufgrund seines hohen Stellenwerts in der ukrainischen Nationalgeschichte, aber auch in der sowjetischen Wiedervereinigungsrhetorik und nicht zuletzt im jüdischen Gedächtnis (im Zuge der Revolte kam es zu den schlimmsten Judenmassakern in Osteuropa vor der Schoah) ist der Kosakenaufstand in der Historiographie allzu oft ohne wirklichen Bezug zu seinem historischen Kontext betrachtet worden. Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat sich aber mit Nachdruck zum einen für den komparativen Ansatz, die Einordnung des ukrainischen Falls in die Reihe der frühneuzeitlichen europäischen Aufstände, starkgemacht.42 Zum anderen hat sie die entscheidende Bedeutung hervorgehoben, die konfessionelle Motive, Losungen und Legitimationsmomente sukzessiv erhielten, die die Kosakenrevolte teilweise zum Religionskrieg machten.43 Aus einer begrenzten Bewegung, die als Chmel’nyc’kyjs Privatfehde in Michael-Kohlhaas-Manier begann und zunächst das Bündnis mit dem König gegen den Adel suchte, ist nach den ersten spektakulären Waffenerfolgen ein flächendeckender Volksaufstand geworden, der in einem beispiellosen Gewaltausbruch die sozialen Verhältnisse in den ukrainischen Provinzen umkrempelte.44 Soziale Gegensätze wurden in diesem Zuge von ethnisch-konfessionellen überlagert. Die revolutionären Energien, die – genährt von den seit der Brester 42 Vgl. Sysyn, »War der Chmel’nyc’kyj-Aufstand eine Revolution?«; ders., »Ukrainian Social Tensions before the Khmel’nyts’kiyi Uprising«, in: S. H. Baron, N. S. Kollmann (Hg.), Religion and Culture in Early Modern Russia and Ukraine, Delkalb 1997, 52–70. 43 Vgl. Plokhy, Cossacks and Religion, besonders 176–206. Für knappe Schilderungen des Kosakenaufstands vgl. ebenda, 48–64; Subtelny, Ukraine, 123–138; Kappeler, Kleine Geschichte der Ukraine, 60–71; Hösch, Geschichte Rußlands, 122–133; Ph. Longworth, Die Kosaken. Legende und Geschichte, München 1973, 89–111; Br. Davies, Warfare, State and Society on the Black Sea Steppe, 1500–1700, London u. a. 2007, 103–114; Sysyn, »The Khmel’nyts’kyi Uprising«; ders., »Orthodoxy and Revolt: the Role of Religion in the Seventeenth-Century Ukrainian Uprising against the Polish-Lithuanian Commonwealth«, in: J. D. Tracy, M. Ragnow (Hg.), Religion and the Early Modern State. Views from China, Russia and the West, Cambridge 2004, 154–184. Zur Historiographie des Aufstands vgl. F. E Sysyn, »The Changing Image of the Hetman: On the 350th Anniversary of the Khmel’nyts’kyi Uprising«, JGO 46 (2004), 531–545. 44 In ihrer Teilnahme an Władysławs Türkenkrieg hatten die Zaporoger Kosaken die Chance gesehen, ihre alten, zuletzt 1638 beschnittenen Privilegien zurückzuerlangen und gleichzeitig dem König zu einem Machtzuwachs gegenüber den Magnaten zu verhelfen. Die Absage, die der Sejm den Kriegsplänen erteilte, wurde daher als adliger Komplott empfunden und lieferte die Initialzündung für den Aufstand, vgl. Sysyn, »The Khmel’nyts’kyi Uprising«, 118; Florja, »Osmanskaja imperija vo vtoroj polovine 30-ch–40-ch gg. XVII v.«, 169; Stevens, Russia’s Wars, 150. In der Folgezeit und bis zu Władysławs Tod (1648) kursierten Gerüchte, der König habe vor, zum orthodoxen Glauben zu konvertieren und an der Seite der Kosaken die Magnaten zu bekämpfen; vgl. Berichte von Konstantinos Karapiperis, einem Verwandten von Ioannis Tafralis, an Moskau im März und Juni 1648, RGADA f. 52, op. 2., nr. 364 und 654 (Tchentsova, Ikona, 202–206, 303–318); Brief von Paisios Lampardis, RGADA f. 52, op. 2., nr. 319 (26. September 1648).
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Union aufgestauten und wie sozialer Sprengstoff wirkenden Spannungen und Ressentiments breiter Bevölkerungsgruppen – auf diese Weise freigesetzt wurden, erlaubten der Kosakenführung nur beschränkte Kontrollausübung und machten eingespielte Kompromisslösungen umso schwieriger. Ein Zweckbündnis mit dem Chan der Krim erlaubte es Chmel’nyc’kyj, militärisch gegen die polnischen Aufgebote wiederholt zu bestehen. Um seine Bewegung nach innen und nach außen zu konsolidieren und die neu erkämpfte Autonomie abzusichern, brauchte er jedoch eine längerfristige Anbindung bzw. eine förmliche Anerkennung. Der abgebrühte Kosakenhetman verstand es jahrelang, eine geschickte Diplomatie nach mehreren Seiten zu betreiben, Interessen abzutasten oder gegeneinander auszuspielen und die diversen Optionen stets offenzuhalten. Ob, im Sinne des konfessionalisierten europäischen Mächtesystems, als Partner eines orthodoxen (Moskau und die Donaufürstentümer), eines protestantischen (Schweden, Siebenbürgen) oder eines islamischen Bündnisses (Osmanisches Reich, Krimchanat), Chmel’nyc’kyj suchte seinen potentiellen Bündnispartnern oder Oberherren in erster Linie den Krieg gegen Polen aufzubürden.45 In diesem Zusammenhang, der Chmel’nyc’kyj und seinen Aufstand vor ein akutes Legitimationsproblem stellte, kam den griechischen Kirchenmännern, insbesondere Paisios Lampardis, eine Schlüsselrolle zu. Der Patriarch von Jerusalem machte sich im November 1648 mit seinem Gefolge auf den Weg nach Moskau. Neben der üblichen Almosenbitte und Kontaktpflege vor Ort hatte Paisios womöglich auch von Beginn an vor, die sich mit dem Kosakenaufstand neu eröffnenden Perspektiven zu sondieren. Chmel’nyc’kyj erfuhr von dessen Durchreise durch die ukrainischen Gebiete und lud ihn zu sich ein bzw. er ließ ihn durch eine kosakische Eskorte ins neu eroberte Kiev geleiten, wo der Hetman im Dezember 1648 seinen triumphalen Einzug hielt. Das Treffen sollte zu einem Wendepunkt für Selbstverständnis und Ausrichtung der Kosakenbewegung werden. Paisios, der mit den höchsten Ehren empfangen und gefeiert wurde, segnete den Hetman und lieferte die dringend benötigte religiöse Legitimation des Aufstands sowie zugleich die Sakralisierung von Chmel’nyc’kyjs Führung. Der Hetman konnte damit die Autorität des Patriarchen instrumentalisieren, um den widerstrebenden Kiever Metropoliten Sylvestr Kosov zu umgehen. Außer-
45 Vgl. Plokhy, Cossacks and Religion, 274f.; V. Ostapchuk, »Cossack Ukraine in and out of Ottoman Orbit, 1648–1681«, in: G. Kármán, L. Kuncˇevic´ (Hg.), The European Tributary States of the Ottoman Empire in the Sixteenth and Seventeenth Centuries, Leiden u. a. 2013, 123–152, hier 128f. Andererseits blieb auch, vor allem nach zwischenzeitlichen Rückschlägen wie 1649 und 1651, ein Kompromiss mit dem polnischen König offen, der möglicherweise die Wiederaufnahme der antiosmanischen Kriegspläne oder auch eine Stoßrichtung gegen Moskau beinhaltet hätte.
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dem gewann er in Paisios einen wertvollen und, wie sich herausstellte, äußerst engagierten Vermittler in Richtung Moskau.46 Dass die Offerte der Kosaken, sich »unter die herrscherliche hohe Hand des Zaren« zu stellen, ursprünglich auf die griechische Kirchenleitung zurückging, wie es etwa Nikolaj Kapterev vermutete, ist fraglich.47 Auf jeden Fall verschafften Paisios die Aussicht, die Brester Union ein für alle Mal rückgängig zu machen – ein großer Zug in der kirchenpolitischen Schachpartie – und noch mehr, einen orthodoxen Mächteblock von Moskau bis zu den Donaufürstentümern zu schaffen, weitreichenden Projekten freien Raum. Die militärischen Erfolge der Kosaken und ihre bereitwillige Aufnahme panorthodoxer Deutungen schienen dabei sowohl ihre ins Unermessliche phantasierte Schlagkraft als auch ihre Stilisierung als orthodoxe Glaubenskrieger, als kämpferischer Arm der bedrängten Orthodoxie feierlich zu bestätigen.48 Bei seinem anschließenden Besuch in Moskau (Ende Januar – Anfang Juni 1649) traf Paisios jedoch nicht auf die günstigsten Bedingungen, um die zarische Regierung in derartige Projekte einzubinden.49 Schon der nur einige Monate (im Juni 1648) zurückliegende verheerende Aufstand in Moskau, der das Schreckgespenst der Smuta wachgerufen hatte, zwang die neu aufgestellte Führung (der Schwager des Zaren, Boris Morozov, war verbannt und der Chef des Außenamtes, 46 Vgl. Plokhy, Cossacks and Religion, 186, 207f., 227–235: »The decisive moment came when the support of the Eastern patriarchs was secured, most notably that of Patriarch Paisios of Jerusalem […]. The religious sanction given to the Khmelnytsky Uprising by the Eastern hierarchs not only transformed the Cossack revolt into a religious war but also helped to legitimize Cossack rule over the territory and corporate estates of the new polity«, ebenda, 234 und 341. Das besondere Ansehen, dass Paisios als Patriarch Jerusalems genoss, ging teilweise auf die Verdienste von Theofanis um die ruthenische Orthodoxie 1620 zurück. 47 Geradezu exzeptionell angesichts seiner üblichen (Vor-)Urteile erscheint Kapterevs großzügige Einschätzung, »die Vereinigung von Groß- und Kleinrußland ist im wesentlichen Maße dank der griechischen Vermittlung zustande gekommen, wie es die Gerechtigkeit anzuerkennen gebietet«, Kapterev, Charakter, 354. Allgemein zur Vermittlung griechischer Geistlicher und Kaufleute vgl. ebenda, 353–368; Neubauer, Car und Selbstherrscher, 113–132; Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 69–74; Tchentsova, »Istocˇniki fonda«, 153–164; R. Stupperich, »Der Anteil der Kirche beim Anschluß der Ukraine an Moskau (1654)«, KiO 14 (1971), 68–82; H.-J. Torke, »The Unloved Alliance: Political Relations between Moscow and Ukraine in the Seventeenth Century«, in: P. J. Potichnyj u. a. (Hg.), Ukraine and Russia in Their Historical Encounter, Edmonton 1992, 39–66, hier 40, 57; Fleischhacker, »Der politische Antrieb«, 228. 48 Vgl. Plokhy, Cossacks and Religion, 11, 100–144; N. F. Kapterev, »Priezd v Moskvu ierusalimskogo patriarcha Paisija v’ 1649 godu«, Pribavlenija k’ izdaniju tvorenij svjatych otcev v russkom perevode 47 (1891), 178–237, hier 210f.; Scheliha, Universalkirche, 262; Hösch, Geschichte Rußlands, 130; Sysyn, »Orthodoxy and Revolt«, 171, 178f.; Zernack, »Die Expansion«, 128; Neubauer, Car und Selbstherrscher, 117f.; Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 72. 49 Vgl. VUR, Bd. 2, 81–104, 109f.; Kapterev, »Priezd Paisija«, 181–206; ders., »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 121–148; Tchentsova, Ikona, 206–215; Nikolaevskij, »Iz istorii snosˇenii Rossii s Vostokom«, 9–15.
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ˇ istoj, von der aufgebrachten Menge vor dem Kreml gelyncht worden), Nazarij C den »ewigen Frieden« mit Polen zu bewahren und das Angebot der Kosaken vorerst abzulehnen.50 Darüber hinaus scheint es, dass nicht nur die Kosaken, sondern auch Paisios das völlige Vertrauen Moskaus noch nicht genossen. Über die innerkirchlichen Streitigkeiten war man dort im Bilde und setzte eher auf Parthenios.51 Trotzdem zeitigte Paisios’ Reise manch zukunftsträchtige Resultate. Der Bekanntschaft, die er mit dem Archimandriten des NovospasskijKlosters und baldigen Metropoliten Novgorods Nikon machte – Paisios empfahl ihn dem Zaren für dieses Amt und weihte ihn dann selbst zusammen mit dem Moskauer Patriarchen Iosif am 9. März 1649 –,52 sollte für beide Kirchenmänner eminente Bedeutung zukommen. Auch die Schutzherrenfunktion, die Paisios dem Zaren auftrug, und die Rhetorik, die er dabei einsetzte – Aleksej solle als neuer Moses und Konstantin die Orthodoxen aus der Gefangenschaft der Ungläubigen befreien –, hatte bei aller Konventionalität programmatischen Charakter. Sie entsprachen einem ideologischen Programm, das in den kommenden Jahren tonangebend sein würde und schließlich in das Selbstbild des Zaren aufgenommen werden sollte.53 Paisios hielt trotz seiner Enttäuschung am Projekt fest, in bemerkenswerter Konsequenz gemessen an der allgemeinen Unstetigkeit der Absprachen und Beteuerungen.54 Er half, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, wie im Fall des zeitweilig von Chmel’nyc’kyj protegierten Thronprätendenten Timosˇka Akun-
50 Vgl. V. A. Kivelson, »The Devil Stole his Mind: The Tsar and the 1648 Moscow Uprising«, AHR 98 (1993), 733–736; S. Roller-Aßfalg, »Der Moskauer Aufstand von 1648«, in: H.-D. Löwe (Hg.), Volksaufstände in Russland. Von der Zeit der Wirren bis zur ›Grünen Revolution‹ gegen die Sowjetherrschaft, [FOG 65], Wiesbaden 2006, 69–104. Der Frieden wurde in der Tat 1650 erneuert. 51 Vgl. Tchentsova, Ikona, 212. Paisios schaffte es immerhin, dass die Gesandtschaft der Kosaken unter Oberst Sylujan Muzˇilovskij (derselbe, der ihn nach Kiev begleitet hatte) überhaupt zu einer Audienz (am 4. Februar 1649) vorgelassen wurde. Der Oberst bestand darauf, nur in Anwesenheit des Patriarchen von Jerusalem zu verhandeln, vgl. VUR, Bd. 2, 94f.; Parker, Global Crisis, 172. 52 Vgl. SGGD, Bd. 4, 427–429. 53 Vgl. VUR, Bd. 2, 101; Plokhy, Cossacks and Religion, 202; S. V. Lobacˇev, Patriarch Nikon, St. Petersburg 2003, 83–87; Kapterev, »Priezd Paisija«, 195ff; ders., »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 137ff; ders., Patriarch Nikon i Car’Aleksei Michajlovicˇ, Sergiev Posad 1909, Bd. 1, 143ff; Longworth, Alexis, 58. Auffallend ist die Identität der symbolischen Muster mit der Rhetorik der Kollegiumsstudenten bei Chmel’nyc’kyjs Triumpheinzug in Kiev, vgl. VUR, Bd. 2, 101; Plokhy, Cossacks and Religion , 202. 54 Siehe dessen Briefe vom Februar bis November 1649: S. Belokurov, Arsenij Suchanov, Bd. 1, Moskau 1894, xxxvi–lxvi. Paisios äußerte sich enttäuscht gegenüber dem russischen Mönch Arsenij Suchanov, der ihn im Auftrag des Zaren auf seiner Rückreise in die Moldau und später nach Palästina begleitete, vgl. VUR, Bd. 2, 186.
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dinov.55 Er drohte Chmel’nyc’kyj zu exkommunizieren, falls dieser aus Zorn über die Absage des Zaren, die er als Verrat empfunden hatte, mit den Krimtataren gemeinsam gegen Moskau vorgehen sollte.56 Im Dezember 1650 nahm er die kursierenden panorthodoxen Diskurse auf und ließ dem Zaren ausrichten, die Hospodaren der Donaufürstentümer hätten sich mit Chmel’nyc’kyj geeinigt, im kommenden Sommer Konstantinopel anzugreifen. Der Zar solle aus dem Schwarzen Meer vorrücken. Eine geringe Streitmacht würde reichen, denn Serben und Griechen würden sich erheben und zusammen mit den Hospodaren mühelos die Kaiserstadt einnehmen. Die Venezianer hätten durch ihre Erfolge die osmanischen Kräfte bereits weitgehend geschwächt. Doch der Wunsch aller Orthodoxen sei, dass Zar Aleksej über Konstantinopel herrsche, und nicht die Lateiner.57 Was an Paisios’ »grandiosem Plan«58 bemerkenswert erscheint, sind nicht die toposartigen und in den folgenden Jahren inflationär heraufbeschworenen Wunschbilder, sondern ihre zeitliche und inhaltliche Kongruenz mit den Projekten, die der venezianische Gesandte Alberto Vimina 1650 dem Kosaken55 Vgl. VUR, Bd. 2, 182–186; RGADA f. 52, op. 2, nr. 343 und 374; Fonkicˇ, »Dve gramoty«; Belokurov, Suchanov, Bd. 1, 194–199, 228–239; Hurmuzaki, Fragmente, Bd. 3, 146; G. Szvák, False Tsars, übers. von P. Daniel, New York 2000, 49–59; Torke, »Unloved Alliance«, 44, 61, Anm. 31. Akundinov, ein aus Moskau geflohener Beamter, gab vor, Sohn oder Enkel des Zaren Vasilij Sˇujskij (1606–1610) zu sein. Nach einer Tour durch halb Europa wurde er 1653 vom Herzog von Schleswig-Holstein gegen ein Handelsabkommen an Moskau ausgetauscht, wo er hingerichtet wurde. 1646 hatte er zeitweilig die Unterstützung der osmanischen Regierung genossen, gleichzeitig mit zwei weiteren samozvancy, einem vermeintlichen Sohn oder Enkel des Pseudo-Dmitrij und einem »Fürsten Andrej Dolgorukij«. Ausführlich berichteten davon in Moskau Amfilochios, Tafralis und Daniil Nalcabasmat, vgl. SGGD, Bd. 3, 414, 425, 429; Tchentsova, Ikona, 216–219. Später (Mai 1651) handelten Tafralis und der Metropolit von Korinth Ioasaf mit Akundinov seine Auslieferung an Moskau gegen eine Lebensgarantie aus, vgl. VUR, Bd. 3, 63. 56 Vgl. Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 157f.; ders., »Priezd Paisija«, 213f. »Ακόμη πολυχρονεμένε βασιλεύ, όταν ήλθαμεν απ’αυτού εδώθε εις το Γιάσι, ακούσαμεν κάποια λόγια, ήγουν πως είχε εις τον νουν του ο χάτμανος των Καζακών με τους Τατάρους να έλθη εις αυτά τα μέρη καταπάνω εναντίον ό,τι δυνηθή. Και εγώ όταν ήκουσα παρευθύς έστειλα τον εδικόν μου αρχιμανδρίτη με γράμματα εις τον χάτμανον των Καζακών και τον έγραφα έτζη, ότι αν είναι βέβαιον και έχει τέτοιαν γνώμην να πάγη εναντίον των ευσεβών χριστιανών, δεν θέλει έχει από ημάς ευχήν και ευλογίαν, αλλά κατάραν και οργήν…«, Paisios Lampardis an Aleksej Michajlovicˇ, RGADA f. 52, op. 2, nr. 381 (1650, ohne Datum). Den Brief brachte Tafralis nach Moskau. Er sollte auch mündliche Nachrichten des Patriarchen übermitteln: »θέλει τα ειπή εκ στόματος ο Καλοϊωάννης Πετροβίτζης καθώς τον έχω μαθημένον.« 57 Vgl. Kapterev, »Priezd Paisija«, 212; ders., »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 157. Chmel’nyc’kyj selbst berief sich in seinem Gespräch mit Arsenij Suchanov im November 1650 auf die panorthodoxe Einheit: Dies sei der Wunsch aller Orthodoxen – Griechen, Serben, Bulgaren, Moldauer und Walachen. (»[…] i vsi blagocˇestivi togo zˇelajut – grecy i serbi i bolgary i volochi i munt’janja – cˇtob nam vsem v soedinii byt’.«). Die Patriarchen von Konstantinopel und Jerusalem hätten ihm versichert, für einen Treuebruch des Zaren gegenüber Polen Ablass zu leisten, VUR, Bd. 2, 189; vgl. Plokhy, Cossacks and Religion, 310. 58 So Kapterev, Charakter, 364.
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hetman erfolglos vortrug; eine Verbindung zwischen den Projekten ist zwar nicht belegt, jedoch über die Kontakte von Vlasios und Patellaros gut möglich. Paisios wirkte auf Kiev und Moskau auch weiterhin durch die Entsendung seiner Getreuen ein. Ioannis Tafralis und die Metropoliten Gavriil von Nazareth,59 Ioasaf von Korinth60 und Galaktion von Navpaktos und Arta61 (die letzten beiden inzwischen abgesetzt) vermittelten in seinem Auftrag 1650 und 1651 zwischen Chmel’nyc’kyj und Aleskej, setzten sich für das Bündnis ein und nahmen an Verhandlungen und Geheimabsprachen teil, wenn auch der stereotype Verweis in den Akten auf mündliche Aufträge und Anweisungen genauere Erkenntnisse erschwert.62 Insbesondere der Fall Ioasafs vermag den konfessionspolitischen Aspekt und die symbolische Bedeutung der Kirchenmänner zu illustrieren: Von Chmel’nyc’kyj zum Hofkaplan gemacht, feierte er im Kosakenlager die Liturgie und segnete die Truppen; unter den einfachen Kosaken entstand der Eindruck, er sei der Ökumenische Patriarch höchstpersönlich. Entsprechend wurde er auf polnischer Seite als Anstifter des Kriegsvolks (magnus plebis concitator) zum Feindbild, wie bereits Paisios vor ihm.63 Hieß es, Ioasaf hätte dem Hetman ein vom Patriarchen Paisios in der Grabeskirche geweihtes Schwert übergeben, so schenkte der päpstliche Nuntius dem polnischen 59 Gavriil von Nazareth reiste ursprünglich in die Donaufürstentümer, um im Auftrag der Jerusalemer Patriarchatssynode Paisios aufzusuchen. Dieser schickte ihn im September 1650 ˇ igirin und anschließend vom Dezember 1650 bis Juli 1651 nach Moskau, zum Hetman nach C vgl. Kapterev, »Priezd Paisija«, 212–214; ders., »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 158– 160; H. Miklas, »Der Nazarether Metropolit Gabriel und seine russische Übertragung der mit dem Namen des Patriarchen Gennadios II. verknüpften Orakeldeutung über das Schicksal Konstantinopels«, Cyrillomethodianum 8–9 (1984/85), 121–148; A. Lavrov, »La renaissance du sermon en Moscovie au XVIIe siècle: les influences des prédicateurs des patriarcats grecs et de la métropolie de Kiev«, Cahiers du Monde Russe 58 (2017), 465–482, hier 471–475; Nikolaevskij, »Iz istorii snosˇenii Rossii s Vostokom«, 22; Scheliha, Universalkirche, 347; VUR, Bd. 2, 185, 465, Bd. 3, 76f., 119–123. Zu dessen Wallfahrtsbericht vgl. K.-D. Seemann, Die altrussische Wallfahrtsliteratur. Theorie und Geschichte eines literarischen Genres, München 1976, 371– 374. 60 Vgl. V. G. Tchentsova, »Korinfskij mitropolit Ioasaf, getman Bogdan Chmel’nickij i Rossija (neizvestnye dokumenty fonda ›Snosˇenija Rossii s Greciej‹ [fond 52] Rossijskogo Gosudarstvennogo Archiva Drevnich Aktov)«, Palaeoslavica 10/2 (2002), 293–322.; VUR, Bd. 2, 174f., 177, 187, Bd. 3, 19f., 61–67; Plokhy, Cossacks and Religion, 254f. Ioasaf war schon 1646 als (Ex-)Metropolit von Elassona nach Moskau gereist. Er gehörte zum Kreis von Kyrillos Loukaris und später von Paisios Lampardis. 1649 kam er, wie auch Galaktion, mit einem Empfehlungsschreiben von Patellaros in Moskau an (RGADA f. 52, op. 2, nr. 362). Seine Behauptung, einen mündlich aufgetragenen Befehl von Parthenios II. zu überbringen, ist nicht ganz glaubhaft. Parthenios ersuchte ihn im Februar 1651 in einem Brief, seinem an Chmel’nyc’kyj geschickten Gesandten zu helfen. Aus dem Brief geht eindeutig hervor, dass der Patriarch erst durch Dritte von Ioasafs Aktivitäten erfahren hatte, DOV, 385f. 61 Vgl. VUR, Bd. 1, 23–49, 76, Bd. 2, 232f. (nr. 11–12). 62 Vgl. Tchentsova, »Istocˇniki fonda«, 156; F. E. Sysyn, »The Political Worlds of Bohdan Khmel’nyts’kyi«, Palaeoslavica 10/2 (2002), 197–209, hier 199. 63 Vgl. Plokhy, Cossacks and Religion, 231. Zu Paisios: VUR, Bd. 2, 110, 118.
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König Kasimir ein vom Papst für den Krieg gegen die Schismatiker geweihtes Schwert. Die Entscheidungsschlacht von Berestecˇko (20. Juni 1651) wurde, auf beiden Seiten religiös aufgeladen, als Glaubenskampf inszeniert. Ioasafs Gegenpart als Feldgeistlicher übernahm der unierte Bischof Iakiv von Chol, der seinerseits vor der Schlacht die Liturgie im polnischen Heerlager feierte.64 Von ihren krimtatarischen Verbündeten im Stich gelassen, erlitten die Kosaken ihre bis dahin schwerste Niederlage. Ioasaf selbst, auf dessen Präsenz im Feldlager Chmel’nyc’kyj bestanden hatte, kam dabei um, seine Insignien und Ornamente wurden dem siegreichen polnischen König zusammen mit den kosakischen Bannern als Kriegsbeute präsentiert.65 Schwieriger einzuschätzen ist die Rolle von Parthenios II. Im Oktober 1648 nach zweijähriger Unterbrechung und nach zwischenzeitlicher Versöhnung mit Lupu zurück auf dem ökumenischen Patriarchenthron, nahm er umgehend den Kontakt mit der Moskauer Regierung auf.66 Im September 1650 wirkte er bei den Verhandlungen der kosakischen Gesandten mit der Pforte mit, die im Frühjahr 1651 zur förmlichen Unterstellung des Kosakenhetmans unter osmanische Oberhoheit führten.67 Damit kam er nicht nur der Anordnung des Großwesirs, 64 Vgl. DOV, 289; Plokhy, Cossacks and Religion, 255. 65 »Adfuerat eidem Chmelnicio alius praesui Graecus, (qui Archiepiscopum Corintheum se dixerat) magnus plebis concitator. Et his ipsis in castris ingens pactionis deditionisque mora. Nunc in tumultu caesus majora supplicia effugerat. Sed mitra, ampullae, candelabra et alia tanti scilicet Praesulis ornamenti Regi reddita«, I. Pastorius, Bellum Scythico-Cossacicum, Danzig 1652, 194; vgl. Tchentsova, »Korinfskij mitropolit«, 315, Anm. 93; dies., Ikona, 105f. DOV, 553, 558; VUR, Bd. 3, 119. Zusammen mit Ioasaf fiel auch sein Gefolgsmann, der Mönch Pavlos. Tafralis wurde gefangen genommen und erst 1654 wieder freigelassen, VUR, Bd. 3, 175–178. Dem polnischen König fiel nach der Schlacht auch Chmel’nyc’kyjs Archiv einschließlich dessen Geheimkorrespondenz in die Hände, vgl. E. Hösch, »Der türkisch-kosakische Vertrag von 1648«, FOG 27 (1980), 233–248, hier 235. 66 Vgl. Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 72; Germanos, Συμβολή, 124, 128. Siehe seinen Brief vom 19. November 1648: Tchentsova, Ikona, 91–96; Kapterev, Charakter, 527–535, in dem Parthenios unter anderem von seiner Versöhnung mit Lupu berichtet und mit seinen Hilfeleistungen für die Moskauer Gesandten sowie mit seiner Freundschaft zum Großwesir Mechmed Pascha wirbt. Sein Brief vom August 1650 (RGADA f. 52, op. 2, nr. 372) enthält Danksagungen für erhaltene Almosen und eine Erneuerung der Bereitschaftserklärung zu politischen Diensten. 67 Vgl. P. Bartl, »Der Kosakenstaat und das Osmanische Reich im 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts«, SOF 33 (1974), 166–194, hier 173f.; Ostapchuk, »Cossack Ukraine«, 128– 136; Ch. Lemercier-Quelquejay, »Les relations entre la Porte Ottomane et les cosaques Zaporogues au milieu du XVIIème siècle. Une lettre inédite de Bohdan Hmelnickij au Padichah ottoman«, Cahiers du monde russe et soviétique 11 (1970), 454–461. Vgl. den seinerzeit bahnbrechenden Aufsatz von N. I. Kostomarov, »Bogdan’ Chmelnickij dannik Ottomanskoj Porty«, in: ders., Sobranie socinenij, Bd. 14, St. Petersburg 1904, 605–613. Einen regen Gesandtschaftsverkehr zwischen Chmel’nyc’kyj und der Pforte hat es spätestens seit 1649 gegeben, eine auf 1648 datierte »militärisch-maritime Konvention« ist als späteres Falsifikat einzuordnen, vgl. O. Pritsak, »Das erste türkisch-ukrainische Bündnis (1648)«, Oriens 6 (1953), 266–298, und die Kritik von Hösch, »Der türkisch-kosakische Vertrag«.
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sondern auch dem Anliegen Chmel’nyc’kyjs nach, der sich, wie es scheint, vergebens um eine Vermittlung von Paisios Lampardis bei der Pforte bemüht hatte.68 Chmel’nyc’kyjs Ziel, im Sultan einen fernen, damit umso bequemeren Schutzherrn zu gewinnen und sich im Vorbild der Hospodaren seine Stellung als autonomer christlicher Fürst abzusichern, ist nachvollziehbar. Bemerkenswert erscheint dabei die flexible Verwendung des gängigen panorthodoxen Diskurses in seiner Korrespondenz mit der Pforte: Da ganz Griechenland dem Sultan huldige, wünsche sich auch die Rus’ zusammen mit den Griechen, bei welchen der Ursprung des gemeinsamen Glaubens liege, unter die gnädige Herrschaft des Sultans zu gelangen.69 Der Part von Parthenios kann durchaus in die Tradition von Loukaris und den Projekten eines russisch-osmanischen Bündnisses gegen das katholische Polen eingeordnet werden. In seinem Schreiben an Chmel’nyc’kyj im Februar 1651 feierte der Patriarch den Hetman als orthodoxen Glaubenskämpfer gegen die Lateiner.70 Zwar hatte er 1646, und erneut nach seinem Sturz 1647, Moskau vor der Unzuverlässigkeit der osmanischen Diplomatie und vor den aggressiven Absichten der Pforte gewarnt.71 Beim Gespräch mit Chmel’nyc’kyjs Gesandten 1650 ließ er diesem die Mahnung ausrichten, jegliche Angriffspläne gegen den frommen Moskauer Zaren seien unverzeihlich, es sei die Pflicht aller Orthodoxen zusammenzuhalten. Auch bete man im Patriarchat, der Zar möge der Herrschaft der Ungläubigen ein Ende setzen. Doch solche Stellungnahmen sind weder widersprüchlich noch außergewöhnlich, wenn man an ähnliche Äußerungen von Loukaris zurückdenkt, abgesehen davon, dass uns der Inhalt der Unterredung mit den Kosaken nur aus den Berichten der Getreuen des Patriarchen bekannt ist.72 68 Vgl. Tchentsova, Ikona, 98. Befragungsprotokoll (Februar 1650) des Mönchs Pachomij vom ˇ udovkloster, der Paisios in die Moldau begleitet hatte. C 69 Sysyn, »Political Worlds«, 197, 209 (Schreiben Chmel’nyc’kyjs an Sultan Mechmed IV., 27 November 1651); vgl. Plokhy, Cossacks and Religion, 58. Auch der Befehl des Großwesirs an Parthenios, die Gesandten der Kosaken bei sich zu bewirten, erfolgte laut Bericht des Agenten Thomas Babaliaris unter Verweis auf den gemeinsamen Glauben, vgl. Tchentsova, »Korinfskij mitropolit«, 308f. Der Agent des Zaren Kondrat Juriev (Kontis Georgiou) benachritigte den Zaren im April 1651 über die Verhandlungen Chmel’nyc’kyjs mit der Pforte: »ο χάντμανος των καζάκον έστειλεν εις τον βασιλέα τον τούρκο και γυρέυη βοήθειαν. Και του έταξεν πως να του δώση τον τόπον της Λεχίας να τον προσκυνήση να δήδη χαράτζη ωσάν και οι Γγραίκοι.« RGADA f. 52, op.2, nr. 396. 70 Vgl. Kostomarov, »Bogdan’ Chmelnickij«, 607. 71 Vgl. Florja, »Rossija Stambul’skie Greki i nacˇalo kandijskoj vojny«, 178f. 72 Vgl. Tchentsova, »Istocˇniki fonda«, 157; dies., »Korinfskij mitropolit«, 309; Kapterev, Charakter, 359. Es handelt sich um Berichte des Archimandriten und Dolmetschers Amfilochios und des Kaufmanns Thomas Babaliaris. Überhaupt war der Patriarch angesichts der prekären Verhältnisse um freundliche Kontakte zu verschiedenen Seiten bemüht, wie seine Avancen gegenüber dem kaiserlichen Gesandten Simon Reninger und sein Brief an den Kaiser Ferdinand III. 1649 bezeugen, vgl. Hurmuzaki, Fragmente, Bd. 3, 148–151, 159f. (HHSta, Türkei I,
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Zu einer weiteren Betätigung von Parthenios kam es nicht, da dieser trotz aller Umsicht und allen Rückhalts am 16. oder am 20. Mai 1651 ermordet wurde. Versucht man, das Gespann der teilweise widersprüchliche Quellenlage zu entwirren,73 so lässt sich mit relativer Sicherheit davon ausgehen, dass in der einen oder anderen Weise die beiden Hospodaren und auch Paisios Lampardis am Komplott beteiligt waren. Parthenios war gefährlich geworden, da er durch seine Kontakte bei der Pforte die Absetzung der Hospodaren betrieben und Paisios wegen dessen Moskaureise des Hochverrats beschuldigt hatte.74 Doch war wohl ursprüngliches Ziel des Komplotts und der damit zusammenhängenden Bestechung der osmanischen Behörden lediglich die sonst auch übliche Absetzung und Verbannung gewesen. Erst vor Ort wurde das Vorhaben gefasst, den Patriarchen auf einem Boot umzubringen. Daraufhin ermittelte die osmanische Regierung, d. h. der Janitscharen-Aga und der Kehaja-Bey, und ließ den Mörder, einen Schneider aus Lesvos namens Michail,75 vor dem Patriarchat aufhängen Turcica 121/2, f. 178–184). Gäbe es aber in der Tat einen Appelle enthaltenden Brief von Parthenios II. an den polnischen König Władysłav, wie B. L. Florja erwähnt (Vgl. Florja, »Stambul’skie Greki«, 183), so wäre dieser schwer nach diesem Interpretationsschema zu erklären. Nur stammt der Brief vom Juni 1644 und somit von Parthenios I., was doch viel eher Sinn ergibt, vgl. S. Stanimirov, Politiceskata dejnost na B’lgarite Katolici prez 30-te/70-te godini na XVII vek, Sofia 1988, 76f. 73 Überblick der Berichte (Ieremias von Proikonissos, Filimon, Gavriil von Chalkedon, Daniil Nalcabasmat) bei Kapterev, Charakter, 413–417; vgl. Nikolaevskij, »Iz istorii snosˇenii Rossii s Vostokom«, 22–24; Tchentsova, Ikona, 59f., 99–108; dies., »Istocˇniki fonda«, 172, Anm. 23; dies., »Korinfskij mitropolit«, 310; RGADA f. 52, op.2, nr. 427 (undatierter Brief von Daniil Nalcabasmat). 74 Vgl. Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 70. Der polnische Gesandte hatte zuvor abgefangene Briefe von Parthenios an den Zaren der Pforte zugespielt. Der Patriarch soll nur dank der Protektion durch osmanische Würdenträger davongekommen sein; vgl. Kapterev, Charakter, 295. Trotzdem beruht die Annahme von B. L. Florja, dass der Mord mit der Kosakenpolitik des Patriarchen zu tun hatte (er habe in Wirklichkeit die osmanische Linie unterminiert und die Kosakengesandten zu einem antiosmanischen Bündnis mit dem Zaren aufgefordert), auf einem Missverständnis. Der zitierte Brief des Metropoliten Gavriil von Chalkedon (nicht von Nazareth) bezieht sich auf die Unzufriedenheit nicht der Pforte, sondern der Hospodaren mit der Hofierung der Gesandtschaft durch Parthenios: Florja, »Patriarch Konstantinopol’skij«. Andererseits wäre auch eine Verbindung des Mordes mit der einige Tage darauf erfolgten Ankunft Arsenij Suchanovs in Konstantinopel (in dem Sinne, dass Paisios und sein Kreis Suchanovs Zusammenkunft mit Parthenios auf jeden Fall verhindern wollten) eher unverhältnismäßig. So Tchentsova, Ikona, 83f.; vgl. dies., »Ierusalimskij protosinkell Gavriil i ego okruzˇenije: materialy k izucˇeniju grecˇeskich gramot ob ikone Vlachernskoj Bogomateri«, Palaeoslavica 15/1 (2007), 57–136, hier 75f. Zur Rolle des Vertreters (kapukehaja) von Lupu an der Pforte, des Archons Pavlakis Kritopoulos, vgl. P. Zerlentis, Παυλάκις Κριτόπουλος [Pavlakis Kritopoulos], Athen 1923, 9–14; Iorga, »Basile Lupu, prince de Moldavie«, 115–122. 75 Laut der »Hauptrelation« des kaiserlichen Gesandten Simon Reninger sei dieser »der Valide Schneider gewesen«, d. h. der Schneider der Sultansmutter Turhan. Angesichts der Rivalität bzw. des zu dieser Zeit (Frühjahr 1651) sich zuspitzenden Machtkampfes zwischen der Sultansmutter und der Sultansgroßmutter Kösem, der Gönnerin von Parthenios, werden die Affäre und ihr Ausgang in einen weiteren Kontext eingebettet, vgl. Auszüge aus den lau-
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sowie den Hauptnutznießer der Intrige, den Vorgänger und Nachfolger von Parthenios, Ioannikios II., einen Protegé von Lupu, ins Gefängnis stecken.76 Angesichts der Intimfeindschaft zwischen Parthenios und Paisios kamen schnell Gerüchte auf, die auch Moskau erreichten und für Irritationen sorgten.77 Wenn Paisios und sein Kreis sich dennoch durchsetzten und in der Folgezeit die Beziehungen der Ostkirche mit Moskau dominierten, hängt das nicht zuletzt damit zusammen, dass sie ab Juli 1652 in der Person des Patriarchen Nikon einen einflussreichen Partner und Fürsprecher im Zentrum der Zarenmacht hatten. Zudem scheint nicht nur aus der gemeinsamen Linie in Sachen Außenpolitik und Kirchenreform, sondern auch aus den personellen Trägern, den Netzwerken der Schreiber, Briefboten und bevollmächtigten Vertreter ersichtlich, dass Paisios auch die Moskauer Beziehungen seiner Amtskollegen Ioannikios II. von Konstantinopel, Ioannikios von Alexandria und Makarios von Antiochia kontrollierte bzw. diese in seine eigenen Projekte einzubinden verstand.78 Er konnte auch die eigene ›Klientel‹ aus Mönchsgemeinschaften und Kaufleuten fördern, indem er ihnen den Zugang nach Moskau sicherte. Bezeichnend ist der Fall des IvironKlosters, dessen Bruderschaft eng mit Paisios-Anhängern verbunden war. Seit 1648 unter der besonderen Protektion von Nikon, erhielten die Iviriten nach dessen Ernennung zum Patriarchen eine eigene Dependance im Zentrum Moskaus, das Nikolaus-Kloster, das bald zum Mittelpunkt des griechischen Einflusses in Moskau werden sollte.79
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fenden, an Wien gerichteten Berichte Reningers zu den Intrigen von Parthenios und zu dessen Ermordung bei Hurmuzaki, Fragmente, Bd. 3, 151–153, 160–162. Die Originale in HHStA Türkei I, Turcica 123, f. 148, 154v, 233, 233v. Die Hospodaren kauften danach Ioannikios frei. Gemäß dem Bericht des Archimandriten Parthenios (RGADA f. 52, op. 2, nr. 530, 1. September 1654) hatte Ioannikios Lupu über Parthenios’ Machenschaften Bericht erstattet und damit den Komplott ausgelöst. Nach seinem eigenen Sturz fühlte sich Lupu aufgrund des nicht autorisierten Mordes von Ioannikios hintergangen und verlangte sein Geld zurück, vgl. Kapterev, Charakter, 414. Bei seiner Befragung im Februar 1650 hatte der Mönch Pachomij angegeben, Paisios verschiebe aus Furcht seine Rückreise nach Konstantinopel und Jerusalem, solange Parthenios am Leben sei (bei der ersten Befragung in Putivl’ hieß es, »solange er die Patriarchenwürde innehat«), vgl. Tchentsova, Ikona, 96–99; Belokurov, Suchanov, Bd. 1, 255. Dositheos, der seine nachträgliche Genugtuung für den Mord nicht verhehlte, hatte keine Zweifel, dass die Hospodaren Parthenios mit ausdrücklicher Erlaubnis von Paisios ermorden ließen. Seine Angaben sind nicht chronologisch exakt, könnten aber möglicherweise im Kern auf Paisios selbst zurückgehen: Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 69f., 105, 243. Vgl. Tchentsova, »Ierusalimskij protosinkell«, 114–122; dies., »Grecˇeskie gramoty Makarija«; dies., »K izucˇeniju epistoljarnogo nasledija«; dies., »Pisec Nikolaj s Rodosa i archimandrit Iakov s Melosa: o nekotorych dokumentach otnosˇjasˇcˇichsja k prebyvaniju patriarcha Makarija Antiochijskogo v Rossii v 1654–1656 gg.«, Ocˇerki Feodal’noj Rossii 13 (2009), 244–288. Vgl. Tchentsova, Ikona, 9–18, 225–228, 247, 261f; Alexandropoulou, »Η ελληνική μονή«; L. A. Timosˇina, »Moskovskij Nikol’skij (»Bol’sˇaja glava«) monastyr vo vtoroj polovine XVII v.: ˇ 13 (2015), 89–125; A. D. Sˇachova, »Nikol’skij grecˇeskij monastyr’ v vzgljad iznutry«, KC Moskve v XVII – pervoj polovine XVIII v.«, Rossija i Christianskij Vostok 4/5 (2014), 334–349;
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Die Anzahl der Almosenbettler und der an Moskau adressierten Bittschreiben stieg in der Folge rasant. Die Verdichtung der Kontakte hängt zwar mit der Öffnung Moskaus gegenüber Reisenden aus dem griechischen Osten und ihren Anliegen, frommen Gaben und politischen Ratschlägen zusammen. Man kann aber davon ausgehen, dass ein Teil der Korrespondenz dieser Jahre, insbesondere Empfehlungsschreiben und Almosengesuche sowie Bescheinigungen zur Authentizität der transferierten Reliquien, als Fälschungen zu betrachten sind, insofern, als sie nicht unbedingt von den angegebenen Personen an den angegebenen Orten niedergeschrieben wurden. Es scheint zwar, dass viele von ihnen auf die eine oder andere Weise mit dem Netz der Dependancen des Heiligen Grabes in den Donaufürstentümern verbunden sind bzw. in dortigen, darauf spezialisierten Skriptorien gefertigt wurden. Es muss jedoch unterstrichen werden, dass es sich nur formell um Fälschungen handelt, da sie anscheinend nicht nur mit dem Wissen von Paisios Lampardis und den anderen Kirchenmännern seines Kreises geschrieben und gestempelt, sondern auch von den Moskauer Behörden geduldet wurden, da sie die Dienste der mobilen Akteure dieses Betriebs, Kaufleute und Mönche, in Anspruch nahmen. Damit erweisen sich zumindest teilweise die fromme Korrespondenz als Tarnung politischer Aufträge und die Almosen als Belohnung für Vermittlungs- und Nachrichtendienste.80 Mit den Moskaureisen von Gavriil Vlasios (1652) und Athanasios Patellaros (1653) erfolgte auch eine qualitative Steigerung der Kontakte, da beide neben Paisios Lampardis eine herausgehobene Stellung im Gefüge der kirchlichen Netzwerke besaßen und bedeutenden Einfluss ausüben konnten. Ihr Wirken in Moskau vermag besonders den Nexus von Kirchen- und Außenpolitik, die vielfältige Verschränkung von Nikons Reformwerk mit der imperialen Aufwertung des Moskauer Zartums zu illustrieren. Der »politische Antrieb« der moskauischen Kirchenreform, die von außenpolitischen Überlegungen (mit-)diktierte, programmatische Angleichung der russischen Glaubenspraxis an die allgemein in der zeitgenössischen Ostkirche herrschenden Normen im Fall von ˇ udotvornye dies., »Greki v Moskve v XVI–XVII v.«, ebenda 2–3 (2004), 186–202; B. L. Fonkicˇ, C relikvii Christianskogo Vostoka v Moskve v seredine XVII v. Ikona Iverskoj Bogomateri, Moskau 2004. Bis 1648 war Iviron gegenüber anderen Athosklöstern eher unterprivilegiert gewesen. Den Anlass für die Beförderung gab die Bestellung zweier Kopien der berühmten Portaitissa-Muttergottes-Ikone durch Nikon in den Jahren 1648 und 1652. 80 Diese These hat Vera Tchentsova in einer Reihe von Arbeiten aufgestellt und untermauert, ˇ elobitnaja«; dies., »Pisec Nikolajs vgl. Tchentsova, Ikona, 170f., 284f., 291–293; dies., »C Rodosa«; dies., »Les documents grecs 1«; dies., »Les documents grecs 2«; dies., »Documents grecs des métoques roumaines du Mont Athos et des patriarcats orientaux conservés à Moscou à la lumiére d’une analyse paléographique«, in: Romanian Principalities and the Holy Places along the Centuries, Bukarest 2007, 157–174; dies., »Izvestie o desnice sv. Nikolaja Mirlikijskogo v gramote bratii Nikol’skogo monastyrja Grilicy 1648 goda«, Slavjanovedenie 2009/2, 54–73. Zum Phänomen der Fälschungen ingsesamt vgl. P. D. Michailaris, »Εκκλησιαστικές πλαστογραφίες« [Kirchliche Fälschungen], Ο Ερανιστής 26 (2008), 59–77.
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Riten und liturgischen Büchern, als Voraussetzung für die Führungsrolle Russlands in der orthodoxen Welt, ist ein in der Fachliteratur generell akzeptierter Sachverhalt, wenn auch die konkreten Umstände der Entscheidungsfindung und selbst der Charakter des Antriebes nicht immer zu durchschauen sind und es oft, wie etwa Hedwig Fleischhacker im gleichnamigen Aufsatz bemerkte, beim starken Eindruck bleibt, »daß die Erwerbung Kleinrußlands und die Kirchenreform irgendwie im Zusammenhang stehen müssen«81. Es ist auch kein Zufall und es reiht sich in die obigen Beobachtungen über den Charakter der ostkirchlichen Fraktionskämpfe ein, dass jene Kirchenmänner, die die imperiale Legitimation des Zaren am engagiertesten betrieben und ihm die Rolle des Nachfolgers der oströmischen Kaiser und Schutzherrn der Ostkirche sowie eine aktive, wenn nicht verwegene Außenpolitik aufzudrängen versuchten, gleichzeitig die entschiedensten Vertreter der flächendeckenden, systematischen und wohl auch rücksichtslosen Angleichung der russischen Glaubenspraxis an die griechische waren. Unter dem Moskauer Patriarchen Iosif hatten sie noch das Nachsehen gehabt, da dieser die Korrekturempfehlungen ihres Anführers, Paisios Lampardis, 1649 als zu radikal empfand und sich in der Frage der Abschaffung des Mnogoglasie (gleichzeitiges Absingen mehrerer Teile des Gottesdienstes) lieber an dessen Rivalen Parthenios II. von Konstantinopel wandte.82 Nikon, der sich erst unter dem Einfluss von Paisios zum Verfechter des ›griechischen Urbildes‹ wandelte und vom Jerusalemer Patriarchen für sein Reformwerk gleich »eine Leitlinie an die Hand« erhielt,83 bezeugte später (1656) selbst im Vorwort des ›Flagschiffes‹ seiner Reformen, der Skrizˇal (Gesetzestafel), dass die östlichen Hierarchen (namentlich nennt er Patellaros, Lampardis und Gavriil von Naza81 Fleischhacker, »Der politische Antrieb«, 230f., die der Meinung war, dass dieser Antrieb »eher aus dem Tatsachenboden der Ukraine als auf dem Phantasielande eines panorthodoxen Reiches gewachsen zu sein« scheint. Vgl. Crummey, »The Orthodox Church«, 632; Hösch, »Geschichte Russlands«, 117; Longworth, Alexis, 58f., 230; Meyendorff, Russia, Ritual und Reform, 98–101; R. S. Wortman, Scenarios of Power. Myth and Ceremony in Russian Monarchy, Bd. 1, Princeton 1995, 32; Plokhy, The Cossacks and Religion, 305; G. V. Vernadsky, »Die kirchlich-politische Lehre der Epanagoge und ihr Einfluss auf das russische Leben im XVII. Jahrhundert«, BNJ 6 (1928), 119–142, hier 136; Neubauer, Car und Selbstherrscher, 110, 134, 141; S. A. Zen’kovsky, Russkoe staroobrjadcˇestvo. Duchovnye dvizˇenija semnadcatogo veka, München 1970, 203; Plaggenborg, »Konfessionalisierung«, 24; Tchentsova, Ikona, 251; dies., »Istocˇniki«, 170; dies., Vostocˇnaja Cerkov’, 16; Alexandropoulou, Διονύσιος Ιβηριτης, 35f. Etwas skeptischer dagegen: Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 127; Scheliha, Universalkirche, 121f. 82 Vgl. Scheliha, Universalkirche, 252–260; Tchentsova, Ikona, 212. Die Antwort von Parthenios vom 16. August 1650 bei Nikolajevskij, »Iz istorii«, 16–20. 83 Vgl. Scheliha, Universalkirche, 260–265, 272f. (das Zitat auf S. 263); »The decisive event in Nikon’s career appears to have been the arrival in Moscow in January 1649 of Patriarch Paisios of Jerusalem.«, Billington, The Icon and the Axe, 131. Ähnlich vgl. Kapterev, »Priezd Paisija« 219f.; ders., »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 163f.; Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 117, 128.
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reth) ihn zur Bücherkorrektur nach den griechischen Originalen angeregt hatten.84 Dagegen zeigte sich die Konstantinopler Patriarchatssynode unter Paisios I. (Juli 1652 – April 1653, März 1654 – März 1655), einem Parteigänger des ermordeten Parthenios II., toleranter bzw. sie bemühte sich, den Reformeifer Nikons zu mäßigen.85 Das von Meletios Syrigos im Dezember 1654 verfasste Synodalschreiben ging auf eine Frageliste Nikons ein und legte nahe, dass Unterschiede bei Riten und Bräuchen zulässig seien, solange die Einheit von Glauben und Dogma nicht gefährdet werde.86 Sowohl Gavriil Vlasios als auch Athanasios Patellaros assistierten Nikon bei seinen Reformbemühungen.87 Parallel dazu schalteten sich die beiden Hierarchen, die sich unterwegs bei Bohdan Chmel’nyc’kyj aufhielten, als Vermittler in die erneut aufgenommenen Verhandlungen zur Kosakenfrage ein. Vlasios, der von Oktober 1652 bis Januar 1653 in Moskau blieb, führte neben Empfeh84 Vgl. Kapterev, »Priezd Paisija«, 221; ders., »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 165; ders., »Priezd byvsˇago Konstantinopol’skogo patriarcha Afanasija (Patelara) v Moskvu v 1653 ˇ tenija v obsˇcˇestve ljubitelej duchovnago prosvesˇcˇenija 27 (1889), 358–385, hier 367. godu«, C Zum Inhalt der Skrizˇal vgl. Scheliha, Universalkirche, 228f. 85 Zu Paisios I. und seinen Kontakten mit Moskau vgl. Tchentsova, Ikona, 233, Anm. 37; dies., »Muzykant Balasis«. Seine Rivalität mit Patellaros und Ioannikios II. und seine Positionierung veranschaulichen seine Äußerungen im Brief an Bohdan Chmel’nyc’kyj vom 1. Mai 1655 (Vgl. RGADA f. 52, op. 2, nr. 537), ediert von B. L. Fonkicˇ, »Dve grecˇeskie gramoty k Bogdanu Chmel’nickomu«, in ders., Grecˇeskie rukopisi i documenty, Moskau 2003, 421–432, hier 428; vgl. den Bericht des Gavriil von Chalkedon vom 30. Juli 1653 (RGADA f. 52, op. 2, nr. 493). Auch seine Verunglimpfung als »Calvinist« in einem Schreiben des Erzbischofs Yakinthos von Smyrna an die Propaganda Fide passt ins Bild, vgl. Hofmann, »Patellaros«, 278. 86 K. Delikanis, Τα εν τοις κώδιξι του Πατριαρχικού Αρχειοφυλακίου σωζόμενα επίσημα εκκλησιαστικά έγγραφα [Dokumente aus dem Patriarchatsarchiv], Bd. 3, Istanbul 1905, 36–72; vgl. Scheliha, Universalkirche, 284–289; O. Olar, »Orthodoxy and Politics: The Patriarch Nikon of Moscow, the Prince Mihnea III Radu of Walachia and the Great Church of Constantinople«, in: I. G. Zˇupanov, P. A. Fabre (Hg.), The Rites Controversies in the Early Modern World, Leiden u. a. 2018, 233–263, hier 242–246; P. Meyendorff, Russia, Ritual and Reform: The Liturgical Reforms of Nikon in the 17th Century, Crestwood u. a. 1991, 55–59, der den stellenweise sarkastischen Ton der Antworten auf die als trivial empfundenen Anliegen Moskaus bemerkt. 87 Besonders Patellaros machte sich verdient, indem er unter anderem auf Nikons Bitte einen Kommentar zur Bischofsliturgie verfasste, der ins Russische übersetzt auf der Synode von 1667 als autoritativer Maßstab verwendet wurde, vgl. Scheliha, Universalkirche, 271; Meyendorff, Russia, Ritual and Reform, 48, 75, Anm. 73; Fonkicˇ, »Grecˇeskoe knigopisanie«, 28– 30; ders., Grecˇeskie dokumenty, 24–29. Vlasios dagegen, ausgestattet mit Empfehlungsschreiben und Vollmachten von Ioannikios II., Ioannikios von Alexandria und Paisios Lampardis, zum Statthalter (τοποτηρητής) der drei Patriarchen ernannt und als einer der kompetentesten Theologen der Ostkirche gepriesen (Empfehlungsschreiben von Ioannikios II. an Aleksej Mihajlovic´: RGADA f. 52, op. 2, nr. 419, 5. November 1651), schien Nikon vermutlich überqualifiziert. So ging er anscheinend weder auf das Schulprojekt ein, das Paisios Lampardis angeregt hatte, noch band er Vlasios in die Reformbemühungen direkt ein, wohl um eine übermäßige Einflussnahme und eine Beeinträchtigung der eigenen Autorität zu vermeiden, vgl. Scheliha, Universalkirche, 268f., 347f.; Kapterev, Charakter, 489–493; Bushkovitch, Religion and Society, 198f., Anm. 22.
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lungsschreiben der seit August 1652 verschwägerten Lupu und Chmel’nyc’kyj auch mündliche Aufträge des Hetmans mit sich, die er der Moskauer Regierung zu übermitteln sich bereit erklärt hatte.88 Der Zeitpunkt war ausgesprochen kritisch: Die Entscheidung des Zaren, doch auf das Angebot der Kosaken einzugehen und den Krieg gegen Polen auf sich zu nehmen, wird auf Februar 1653 datiert.89 Patellaros’ Ankunft in Moskau im April fiel mit jener der kosakischen Gesandtschaft zusammen, welche die Bedingungen der Unterordnung unter den Zaren zu verhandeln hatte. Patellaros, der zwischenzeitlich im Juni und Juli 1652 für zwei Wochen dank Lupus Unterstützung erneut den ökumenischen Patriarchenthron erlangt hatte, ehe er nach seinem Rücktritt (er konnte seine Schulden gegen sein Versprechen nicht begleichen) in die Moldau zurückgekehrt war, führte eine große Entourage an, die eine nachweislich in moldauischen Klöstern gefertigte Reihe von gefälschten Almosengesuchen mitbrachte.90 Ob er auf eine (weitere) Rückkehr auf den Patriarchenthron spekulierte, ist ungewiss, er erhielt jedenfalls eine besonders großzügige Belohnung. Während seines achtmonatigen Aufenthalts in Moskau wuchs sein Ansehen und damit die Ehrenbekundungen der Moskauer Regierung deutlich (anfangs war er als einfacher Metropolit empfangen worden),91 was auf seine Beratungsdienste für Nikon und seine Vermittlung in den erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen mit den Kosaken zurückzuführen sein dürfte. Bei seiner Abschiedsaudienz im Dezember 1653 überreichte er dem Zaren ein Memorandum (Slovo Ponuzˇdaemoe), worin er, unter Verweis auf die als vollzogen erachtete Unterordnung der Zaporoger Kosaken sowie der georgischen Fürstentümer Imeretien und Migrelien, welche die panorthodoxe Schwärmerei wesentlich befeuerte, dem Zaren die Rolle des ökumenischen orthodoxen Kaisers aufoktroyierte, um ihn in pathetischem Ton in den laufenden Kretischen Krieg gegen die Osmanen zu drängen.92 88 Vgl. Fonkicˇ, Greko-slavjanskie ˇskoly, 61f.; Tchentsova, »Istocˇniki«, 160f. Siehe die russische Übersetzung seines politischen Berichts an den Zaren wenige Tage nach seiner Ankunft in Moskau (27. Oktober 1652): Tchentsova, Ikona, 268–272. In einem weiteren Brief an den Zaren, auf seinem Heimweg am 31. Januar 1653 aus Putivl’ geschickt, verteidigte sich Vlasios gegen den ihm zu Ohren gekommenen Vorwurf, er sei am Mordkomplott gegen Parthenios II. beteiligt gewesen, vgl. ebenda, 106–108. 89 Vgl. Davies, Warfare, State and Society, 107. 90 Vgl. Tchentsova, Ikona, 228–240; dies., »Les documents grecs 1«; dies., »Tri grecˇeskie gramoty s pometami byvsˇego vselenskogo patriarcha Afanasija Patelara i istorija ich dostavki v Moskve«, Ocˇerki feodal’noj Rossii 7 (2003), 164–187. ˇ esnokova, »Vostocˇnye ierarchi v Moskve v seredine XVII v. (po materialam Po91 N. P. C sol’skogo prikaza)«, in: E. M. Juchimenko (Hg.), Patriarch Nikon i ego vremja, Moskau 2004, 40–54, hier 48–50. 92 Zum »Slovo« und allgemein zur Moskaureise von Patellaros vgl. Alexandropoulou, »Το ρωσικό ταξίδι«; Kapterev, »Priezd Patelara«; Tchentsova, »Istocˇniki«,162–164; Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 74–77; Scheliha, Universalkirche, 267–271; VUR, Bd. 3, 253. Nach
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Die offizielle Eidesleistung der Kosaken gegenüber den Gesandten des Zaren erfolgte im Januar 1654. Auf die leidenschaftlich geführte Debatte über den Charakter des ›Vertrages von Perejaslav‹ kann hier nicht eingegangen werden. Er bleibt ein »Bequemlichkeitsbegriff«, der nicht über die unterschiedlichen Wahrnehmungen der beiden Seiten, die divergierenden Begriffe und Erwartungen hinwegtäuschen kann: militärische Allianz auf Zeit bzw. lose Oberhoheit nach dem Vorbild der Sultansherrschaft über die Donaufürstentümer oder territoriale Eingliederung samt bedingungsloser Unterwerfung (poddanstvo). Sicher ist, dass sich der zögernde Zar – unter dem maßgeblichen Einfluss Nikons und nachdem er die Zustimmung des Sobor eingeholt hatte – erst dann für die Ukraine entschied (nämlich im Oktober 1653) »als es gefährlicher war, das Angebot des Hetmans weiterhin auszuschlagen, als es anzunehmen«, und zwar aufgrund des drohenden definitiven Übertritts der Kosaken auf Seite des Sultans und des Krimchans.93 Der Anschluss der Kosaken hatte eine Fanalwirkung auf die Donaufürstentümer, zumal diese sich in einer Umbruchphase befanden. Die zwanzigjährige Herrschaft von Vasile Lupu in der Moldau und Matei Basarab in der Walachei war mit Lupus Sturz im Mai 1653 (er blieb bis 1660 in Istanbul in Haft) und Basarabs Tod im April 1654 zu einem Ende gekommen. Im August 1654 meldete Chmel’nyc’kyj dem Zaren, die beiden Donaufürstentümer und auch Siebenbürgen seien bereit, sich Moskau unterzuordnen.94 Die Umbruchstimmung ließ nicht nach, umso mehr, als der im Mai 1654 begonnene Krieg gegen Polen (der seiner Abreise schickte er dem Zaren noch zwei Briefe, in welchen er an das Memorandum anknüpfend den Aufruf eindringlich wiederholte und nebenbei in der Titulatur des Zaren bereits Smolensk, Kiev und Zaporozˇe aufnahm: RGADA f. 52, op. 2, nr. 510, 26. Februar 1654; ˇ esnokova, »Vostocˇnye ierarchi«, 49; Nikolaevskij, »Iz istorii«, 31– nr. 513, 26. März 1654; vgl. C 34. 93 Vgl. H. Fleischhacker, »Aleksej Mihajlovic´ und Bogdan Chmel’nickij«, Jahrbücher für Kultur und Geschichte der Slaven N. F. 11 (1935), 11–52 (die Zitate jeweils auf S. 11 und 26f.); dies., »Die politischen Begriffe der Partner von Perejaslav«, JGO 2 (1954), 221–231; dies., Die staatsund völkerrechtlichen Grundlagen der moskauischen Außenpolitik, Darmstadt 1959, 167–176; Neubauer, Car und Selbstherrscher, 123–129; Torke, »Unloved Alliance«; Subtelny, Ukraine. A History, 134f.; C. B. O’Brien, Muscovy and the Ukraine. From the Pereiaslavl Agreement to the Truce of Andrusovo, 1654–1667, Berkeley u. a. 1963, 20–31; Zen’kovkij, Staroobrjadcˇestvo, 129–131; Plokhy, The Cossacks and Religion, 318–333; L. V. Zaborovskij, »Bor’ba russkoj i pol’skoj diplomatii i pozicija Osmanskoj imperii v 1653–1654 gg.«, in: Osvobitel’nye dvizˇenija ˇ erepnin, Zemskie Sona Balkanach (= Balkanskie Issledovanija, 3), Moskau 1978, 63–75; C bory, 327–337. 94 Vgl. Zernack, »Die Expansion«, 133; Tchentsova, Ikona, 251, Amn. 146 (die Moskauer Behörden erkundigen sich nach der Glaubwürdigkeit der Meldung); vgl. das Verhörprotokoll des Händlers Stefanos (Stefan Ivanov) vom 20. April 1654: Tchentsova, Vostocˇnaja Cerkov’, 53–55. Der Zar informierte die Hospodaren über die Unterordnung der ukrainischen Kosaken und erinnerte sie an den gemeinsamen »griechischen Glauben«, vgl. VUR Bd. 3, Amn. 233, 234.
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Dreizehnjährige oder Zweite Nordische Krieg) spektakuläre Waffenerfolge für Moskau zeitigte. Von Anfang an als Religionskrieg inszeniert95 – unter anderem nahm der Zar die Gottesmutterikone aus dem Iviron-Kloster als Palladium auf dem Feldzug mit –96, brachte der Polenfeldzug des imposanten Moskauer Aufgebots (zusammen mit den kosakischen Truppen etwa einhunderttausend Mann) unter dem persönlichen Oberkommando des Zaren nicht nur das ursprüngliche Kriegsziel Smolensk unter Moskaus Besitz, sondern auch den Großteil Weißrusslands und Litauens mit Vitebsk, Minsk, Kaunas und Wilna, samt einer großen orthodoxen Bevölkerung. Jede Eroberung ging mit einer Erweiterung des Zarentitels einher; neben Selbstherrscher von Groß- und Kleinrussland nannte sich Aleksej »Großfürst von Litauen, Weißrussland, Volynien und Podolien«.97 Alarmiert vom russischen Vormarsch, entschied sich der schwedische König Karl X. Gustav im Juli 1655, selbst Polen vom Nordwesten her anzugreifen. Bald waren die beiden Residenzstädte Warschau (im September) und Krakau (im Oktober) gefallen und Polen praktisch aufgelöst. »It was the most complete and rapid state breakdown seen in Europe during the entire early modern period.«98 Der alte Plan von Loukaris – die Ausschaltung der Adelsrepublik als Vorposten der Gegenreformation – schien erfüllt und Paisios Lampardis fügte im August 1655 in die Titulatur des Zaren den Zusatz »και Πολωνίας« (»und Polens«) hinzu.99 Die allgemeine Umbruchstimmung (»by 1654 almost everybody believed that radical changes were unavoidable«)100 begünstigte wilde Gerüchtebildungen und rege Projektemacherei. Von den griechischen Korrespondenten Moskaus wurde gemeldet, die beeindruckenden Erfolge des Zaren hätten Türken und Tataren eingeschüchtert, man erwarte mit Bangen als Nächstes seinen Vorstoß in den 95 Vgl. Longworth, Alexis, 94–96; Lobacˇev, Patriarch Nikon, 130–146. 96 Vgl. Tchentsova, Ikona, 242. 97 Vgl. Zernack, »Die Expansion«, 132; Neubauer, Car und Selbstherrscher, 130. Zum Kriegsverlauf in der ersten Phase: Davies, Warfare, State and Society, 115–125; Frost, The Northern Wars, 164–169; Stevens, Russia’s Wars, 147–160, insbes. die anschauliche Karte auf S. 152. Zu Aleksej als Kriegsherr vgl. Brown, »Tsar Aleksei Michajlovich«. 98 Parker, Global Crisis, 176 (und die Karte auf S. 157). 99 Tchentsova, Vostocˇnaja Cerkov’, 77–93: Zwei Briefe von Paisios an Aleksej Michajlovicˇ vom August 1655 (= RGADA f. 52, op. 2, nr. 541 und 542). Dazu auch sein Brief vom 8. Oktober 1656 (ebenda, nr. 560): »και πάσης Πολωνίας«. Der Titel wird auch im Brief des Erzdiakons Makarios, der dem Kreis von Paisios Lampardis angehörte, verwendet (ebenda, nr. 536, 28. März 1655, siehe hier Anhang nr. 3). Bezeichnenderweise wurde der Zusatz in der russischen Übersetzung der Briefe (anders als der Verweis auf Smolensk) stillschweigend ausgelassen: ebenda, 145. Paisios I. von Konstantinopel sandte dem Zaren am 8. Oktober 1654 einen Brief mit dem Aufruf zum Feldzug »gegen die Feinde des orthodoxen Glaubens« sowie nach seiner Absetzung, am 1. Mai 1655, mit Glückwünschen zu den erkämpften Eroberungen: RGADA f. 52, op. 2, nr. 523 und 537. 100 Vgl. Stoye, Europe Unfolding, 35.
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Süden.101 Er werde die osmanische Grenze passieren und die Donaufürstentümer einnehmen.102 Die sich abzeichnende Konfrontation zwischen dem Bündnis von Polens Gegnern auf der einen Seite (Moskau, Schweden, die Kosaken Chmel’nyc’kyjs sowie die Fürsten Siebenbürgens, der Moldau und der Walachei) und dem aus der Not zustande gekommenen Bündnis der Polen und der Krimtataren mit Unterstützung des Sultans auf der anderen war nicht die einzig mögliche Option in der wechselhaften diplomatischen Szenerie. Divergierende Interessen und Ziele, gegenseitiges Misstrauen und Eigeninitiativen der diversen Träger der diplomatischen Netzwerke ließen Angebote und Beteuerungen unsicher und riskant werden.103 101 Manuil aus Kastoria (siehe unten) übermittelte, als er im Mai 1655 das Synodalschreiben im Namen von Paisios I. nach Moskau brachte, auch mündliche Aufträge des Konstantinopler Patriarchen an Chmel’nyc’kyj und Aleksej Michajlovicˇ: Sie sollten den Muslimen keinen Glauben schenken; diese seien verängstigt. Die Eroberung von Smolensk, eine Festung stärker als Konstantinopel selbst (!), habe sie völlig demoralisiert. Sie seien überzeugt, ihr Reich werde nicht davonkommen. In toposartiger Manier heißt es weiter, wenn der Zar auch nur fünfzig- oder sechzigtausend von seinen siebenhunderttausend (!) Soldaten gen Süden marschieren ließe, so würden sich ihnen die einheimischen Christen anschließen und sie wären den Türken ums Zehnfache überlegen, vgl. Tchentsova, Vostocˇnaja Cerkov’, 72f.; dies., Ikona, 249; Kapterev, Charakter, 365. 102 Im Brief des Priestermönchs Dionysios (Protosynkellos des Hl. Grabes) vom 12. Dezember 1654 heißt es: »Εδώ οι αγαρηνοί έχουν μεγάλην σύγχυσιν και ταραχήν, και κάμνουν κάθε ημέρα σύνοδες και λέγουν ότι αυτό το λεοντάρι όπου ευγήκε και την πάτησε την Λεγχία θέλει κατέβει και εις τα σύνορα τα εδικά μας και θέλομεν χάσει Βλαχίαν και Μπογδανίαν«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 532. Von einer Untergangsstimmung in der osmanischen Hauptstadt berichten auch weitere Agenten wie der Archimandrit Parthenios (ebenda, nr. 530, 1. Dezember 1654), Erzdiakon Makarios (ebenda, nr. 536, 28. März 1655, siehe hier Anhang nr. 3), Thomas Babaliaris (ebenda, nr. 538, 9. Mai 1655) sowie Metropolit Neofytos von Bethleem (17. September 1655), Tchentsova, »Istocˇniki«, 164; dies., Vostocˇnaja Cerkov’, 18 für die beiden Letzteren. Vgl. den Bericht des niederländischen Konsuls Levinus Warner: Levini Warneri de rebus turcicis epistolae ineditae, hg. von G. N. Du Rieu, Leiden 1883, 15 (19. Januar 1655). 103 Vgl. Stoye, Europe Unfolding, 38; J. Kunisch, »Der Nordische Krieg von 1655–1660 als Parabel frühneuzeitlicher Staatenkonflikte«, in: H. Duchhardt (Hg.), Rahmenbedingungen und Handlungsspielräume europäischer Außenpolitik im Zeitalter Ludwigs XIV., Berlin, 1991, 9–42, hier 22. Siehe etwa das Verhörprotokoll des griechischen Händlers »Jurij Ivanov« um den 5. Dezember 1655: Tchentsova, Vostocˇnaja Cerkov’, 94–97. Über den Fürsten Georg II. Rákόczi von Siebenbürgen, der außer der Kontrolle über die Donaufürstentümer mit schwedischer Hilfe auch die polnische Krone anstrebte, berichtete z. B. Archimandrit Parthenios aus Konstantinopel dem Zaren, dieser sei kein ehrlicher Verbündeter. Er schmeichele sich bei der Pforte ein, indem er den Sultan vor dem panorthodoxen Bündnis unter Moskauer Führung warne: »Μόνον τη δ′ του Σεπτεμβρίου μηνός ήλθαν γράμματα από την Ουγγρίαν, τα οποία έγραφαν από τον κράλην των Ουγγρών, και εκλαίετον αυτού ες τον βασιλέα των Τουρκών πως η μεγάλη σου βασιλεία έχεις μεγάλα σεφέρια και πως στενοχωρείς και θλίβεις τους τόπους εκείνους, και πώς έχει ο αυτός ο Ούγγρος φόβον μεγάλον, και αλλού δεν έχει το θάρρoς του, μόνον εις αυτόν και γράφει του, πως οι άλλοι αυθεντάδες να έγιναν το ένα με την μεγάλη σου βασιλείαν, μάλιστα και δια τους πέγιδες της Βλαχίας και τη Πογδανίας γράφει πως και αυτοί με το να είναι ομόπιστοι είναι με την μεγάλη σου βασιλείαν το ένα, και πως είναι επίβουλοι
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Währenddessen ging mit der Verwandlung der (außen-)politischen Landschaft auch ein Wechsel unter jenen Personen einher, welche die Kommunikation der ostkirchlichen Hierarchie mit Moskau prägten. Paisios Lampardis war inzwischen nach einem dreijährigen Aufenthalt in Konstantinopel und Palästina zurück in der Moldau und stand, wie gewohnt, als »le grand ordonnateur des relations dites ›gréco-russes‹ dans les anneés 1650«104 im Mittelpunkt der Intrigen. Patellaros wiederum war schon kurz nach seiner Abreise aus Moskau im April 1654 im ukrainischen Lubyj gestorben.105 Vlasios kehrte 1653 in seine Eparchie zurück und scheint (inzwischen achtzigjährig) aus der aktiven kirchenpolitischen Diplomatie ausgeschieden zu sein.106 Unter den neuen Akteuren, die 1655 in Moskau eintrafen, ragen besonders der Archimandrit Dionysios Iviritis (Dionisij Grek),107 der Hierodiakon Meletios,108 der Metropolit von Nikaia Grigorios109 und der Händler Manuil aus Kastoria (Manuil Konstantinov) her-
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με ταυτόν. Αμή εγώ τον γράφει, φυλάττω την αγάπη της μεγάλης σου βασιλείας και υπερμαχώ όσον δύναμαι, και είναι η αγάπη μου καθαρή και αληθινή, ότι αλλού δεν έχω το θάρρος μου, μόνον εις την βασιλείαν σου.«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 530, 1. Dezember 1654. Zu Rákόczis Projekten vgl. G. Kármán, »György Rákόczi II’s Attempt to Establish a Local Power Base among the Tributaries of the Ottoman Empire 1653–1657«, in: M. Baramova u. a. (Hg.), Power and Subversion in South-Eastern Europe, 16th–19th Century, Wien u. a. 2013, 229–243; Eickhoff, Venedig, Wien und die Osmanen, 196–208; O. V. Chavanova, »Transil’vanija v period russko-pol’sko-ukrainskogo konflikta v 50-e gody XVII v.«, in: Russkaja i ukrainskaja diplomatija v Evrazii: 50-e gody. XVII veka, Moskau 2000, 133–150; V. P. Sˇusˇarin, »Transil’vanija v sopernicˇestve Osmanskoj imperii i Gabsburgov (1648–1650e gg.)«, in: Osmanskaja imperija i strany central’noj, vostocˇnoj i jugo-vostocˇnoj Evropy v XVII v., Bd. 1, Moskau 1998, 225–233. Tchentsova, »Le Patriarch d’Antioche Macaire III«, 335. Seit den 1670er Jahren wurde er aufgrund mehrerer Meldungen von Wundertaten in der russischen Kirche als Heiliger verehrt, vgl. Ammann, »Athanase«, 7, 15f.; Kapterev, »Priezd Patelara«, 364–367. Im Juli 1656 war er einer der drei Kandidaten für den ökumenischen Patriarchenthron. Er starb 1660, vgl. Fonkicˇ, Greko-slavjanskie ˇskoly, 63. Zu Dionysios, Archimandrit des Athosklosters Iviron, in Moskau als Abt des Klosters des Hl. Nikolaus und als Übersetzer tätig sowie später, kurz vor seinem Tod (1672), Metropolit der Walachei, vgl. Alexandropoulou, Διονύσιος Ιβηρίτης; V. G. Tchentsova, »Dionysios Iviritis et les pourparlers entre la Moldavie et la Russie in 1656«, in: I. Cândea u. a. (Hg.), Închinare lui Petre S¸. Nasturel la 80 de ani, Braila 2003, 581–603. Vgl. B. L. Fonkicˇ, »Meletij Grek«, Rossija i Christianskij Vostok 1 (1997) 159–178; N.A. Chrissidis: »Greeks in Seventeenth-Century Russia«, in: D. Ostrowski, M. T. Poe (Hg.), Portraits of Old Russia. Imagined Lives of Ordinary People, 1300–1725, Armonk u. a. 2011, 154–164. Zu Grigorios von Nikaia, der sich im selben Kloster (Galata bei Ias¸i) wie Patellaros aufhielt und beim Zaren um Almosen für dessen Bruderschaft bat, vgl. Tchentsova, Ikona, 253; dies., Vostocˇnaja Cerkov’, 21, 142. Im selben Kloster war bis 1645 Paisios Lampardis Abt gewesen. Grigorios brachte ein Empfehlungsschreiben von Paisios Lampardis mit sich nach Moskau (RGADA f. 52, op. 2, nr. 515, 7. April 1654).
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vor.110 Ebenfalls 1655, im Februar, kam auch der Patriarch Makarios III. Ibn alZa’im von Antiochia nach Moskau und sollte erst im Mai 1656 wieder abreisen. Es ist zu Recht bemerkt worden, dass er, als syrischer Araber eher ein Außenseiter in der großen Kirchenpolitik, in die politischen Projekte der griechischen Kirchenmänner nur bedingt eingeweiht war111 und dass seine Kontakte zu Moskau größtenteils über Paisios Lampardis’ Netzwerke liefen und damit zumindest teilweise von diesem kontrolliert wurden.112 Dennoch konnte seine Autorität gezielt verwendet werden, ob für die Legitimation der Nikon’schen Reformen oder für die Förderung von diplomatischen Initiativen. Alle diese Akteure waren an einer solchen Initiative beteiligt, die den Höhepunkt der ganzen Lobbyarbeit und Projektemacherei darstellte. Es ging darum, nach dem Vorbild des Vertrags von Perejaslav auch die Moldau »unter die hohe herrscherliche Hand« des Zaren zu stellen und Moskau den daraus resultierenden höchstwahrscheinlichen Konflikt mit der Pforte aufzubürden. Verhandlungen zwischen der Moskauer Regierung und Lupus Nachfolger Gheorghe
110 Meletios und Manuil hatten zum Kreis von Parthenios II. gehört, vgl. Fonkicˇ, »Meletij Grek«, 159; Tchentsova, Ikona 245, 260f.; dies., Vostocˇnaja Cerkov’, 142f. Die Identität des in den Affären der Kirche einflussreichen, vermögenden Pelzhändlers Manuil aus Kastoria und des bekannten Manolakis Kastorianos scheint durchaus naheliegend, ist aber meines Wissens noch nicht bemerkt worden. Zu Manolakis, der sich besonders durch die Stiftung einer höheren Schule in Konstantinopel, am Metochion des Hl. Grabes, um 1662 einen Namen machte, vgl. M. I. Manousakas, »Συμβολή εις την ιστορίαν της εν Κωνσταντινουπόλει Πατριαρχικής Σχολής. Τα κατά την ίδρυσιν της Σχολής Μανολάκη του Καστοριανού επι τη βάσει και νέων ανεκδότων πηγών« [Beitrag zur Geschichte der Patriarchatsschule in Konstantinopel. Über die Gründung der Schule von Manolakis aus Kastoria auf der Grundlage zusätzlicher unveröffentlichter Quellen], Αθηνά 54 (1950), 3–28, hier 4, Anm. 1; M. I. Gedeon, Χρονικά της Πατριαρχικής Ακαδημίας [Chroniken der Patriarchatsakademie], Istanbul 1883, 124–130; D. G. Apostolopoulos, »›Νέοι Έλληνες‹. Ο νεολογισμός και τα συνδηλούμενά του στα 1675« [›Neue Griechen‹. Der Neologismus und seine Konnotationen im Jahr 1675], Ο Ερανιστής 25 (2005), 87–99, hier 96, Anm. 30. 111 Vgl. Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 79; Scheliha, Universalkirche, 277, 284; Panchenko, Arab Orthodox Christians, 316. 112 Vgl. V. G. Tchentsova, »Pervoe putesˇestvie Antiochijskogo patriarcha Makarija III. Ibn alZa’ima v Moskvu (1652–1659): kontakty i konflikty«, Vestnik PSTGU III: Filologija 5 (2013), 116–130; dies., »Le premier voyage du patriarche d’Antioche Macaire III Ibn al-Za’im à Moscou et dans les pays roumains (1652–1659)«, in: I. Feodorov (Hg.), Relations entre les peuples de l’Europe Orientale et les chrétiens arabes au XVIIe siècle, Bukarest 2012, 69–122; dies., »Le patriarche d’Antioche Macaire III Ibn al-Za’im et la chrétienté latine«, in: M.-H. Blanchet, F. Gabriel (Hg.), Réduire le schisme? Ecclésiologies et politiques de l’Union entre Orient et Occident (XIIIe–XVIIIe siècle), Paris 2013, 313–335; dies., »Grecˇeskie gramoty antiochijskogo patriarcha Makarija 50-ch gg. XVII v. iz sobranija Rossijskogo Gosudarstvennogo Archiva Drevnich Aktov«, KCˇ 4 (2006), 41–57; dies., »K izucˇeniju epistoljarnogo ˇ 6 nasledija antiochijskogo patriarcha Makarija: patriarsˇij pisec ieromonach Daniil«, KC (2008) 59–74; dies., »Pisec Nikolaj s Rodosa«.
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S¸tefan liefen schon seit April 1654, kurze Zeit nach Perejaslav.113 Die lavierende Taktik des Hospodaren, der zwischen den Fronten manövrierte, um dem Schicksal seines Vorgängers zu entgehen, ließ jedoch den Zaren die Geduld verlieren. Nachrichten griechischer Informanten, wonach der ›Ketzer‹ (Calvinist) Gheorghe S¸tefan die Briefe des Zaren an die Pforte weiterleitete und in ihrem Interesse unter den moskauischen und kosakischen Truppen spionierte, bestärkten die Bedenken; sogar eine Strafexpedition gegen die Moldau wurde erwogen.114 Paisios Lampardis verwendete sich mit zwei Briefen nach Moskau im August 1655 für den Hospodaren, er versuchte, den Zaren von seinem Vorhaben abzubringen, und bat um die Aufnahme der Moldau unter die Moskauer Schutzherrschaft.115 Dass Paisios’ Intervention allein den Ausschlag gab, kann bezweifelt werden,116 seine Briefe gelangten jedenfalls erst im April 1656 in Moskau an, mit der moldauischen Gesandtschaft, die über die Bedingungen der Unterordnung des Fürstentums unter den Zaren zu verhandeln hatte. Makarios von Antiochia, der bereits aus Moskau abgereist war, wurde eiligst zurückbeordert, um mit seiner Unterschrift dem Vertrag Gewicht zu verleihen. Das griechischsprachige Dokument, das die Bedingungen von moldauischer Seite festhielt, wurde im Mai in Moskau gefertigt, aus der Feder von Dionysios Iviritis.117 Es sah vor, dass die »Verfassung« des Fürstentums erhalten bleiben würde (»Η τάξαις η εδικαίς μας και του βηλαετίου μας να μην βλαφθούν«), dass der Fürst nicht abgesetzt werden könne, dass die Nachfolge intern geregelt würde, wofür ausschließlich einheimische Kandidaten infrage kämen, sowie, in expliziter Bezugnahme auf den Feldzug des Zaren gegen Polen, dass die Moldauer den kommenden Krieg Moskaus gegen die Osmanen mit allen Kräften unterstützen
113 Vgl. Russkaja i ukrainskaja diplomatija v mezˇdunarodnych otnosˇenijach v Evrope serediny XVII v., Moskau 2007, 480–505; Tchentsova, Vostocˇnaja Cerkov’, 21; dies., Ikona, 253f.; L. E. Semenova, »Moldavija i Valachija v mezˇdunarodnych otnosˇenijach v vostocˇnoj i jugo-vostocˇnoj Evrope (50–70e gg. XVII v.)«, in: Osmanskaja imperija i strany central’noj, vostocˇnoj i jugo-vostocˇnoj; Evropy v XVII v., Bd. 2, Moskau 2001, 202–214; dies., »Dunajskie knjazˇestva v mezˇdunarodnom kontekste v 50-e gg XVII v. (po materialam RGADA)«, in: Russkaja i ukrainskaja diplomatija v Evrazii. 50-e gody XVII veka, Moskau 2000, 115–132; ISNSR Bd. 2, 249–272. 114 »δίδομεν είδησιν το πως ο Στέφανος βοεβόνδας στέλνει ανθρώπους Μπογδάνους καταλαλητάδες μέσα εις τα σεφέρια της βασιλείας σου και εις τον χάτμανον και ύστερα τα γράφει όλα εις την Μπόλην«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 538, Brief des Thomas Babaliaris (Foma Ivanov) an Aleksej Michajlovicˇ vom 9. Mai 1655; vgl. Tchentsova, Vostocˇnaja Cerkov’, 63–71, 136–142 (russische Übersetzungen der Briefe vom 17. Februar und 9. Mai 1655) sowie 53–55, 134f. (Verhörprotokoll des Stepan Ivanov [April 1654]); dies., »Dionysios Iviritis«, 585, Anm. 21. 115 Vgl. Tchentsova, Vostocˇnaja Cerkov’, 77–93. 116 So Stupperich, »Der Anteil«, 80, und Kapterev, Snosˇenija ierusalimshich patriarchov, 161; vgl. Neubauer, Car und Selbstherrscher, 131f. 117 Vgl. Tchentsova, »Dionysios Iviritis«; dies., Ikona, 258; dies., Vostocˇnaja Cerkov’, 28.
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würden.118 In einem Postscriptum (datiert auf den 17. Mai und in Meletios’ Handschrift unterhalb der eigenhändigen arabischen Unterschrift von Makarios platziert) garantierte der antiochenische Patriarch in seinem und in Paisios Lampardis’ Namen die Treue von Gheorghe S¸tefan unter Androhung der Exkommunikation.119 Außerdem wurde bei der förmlichen Eidesleistung am 6. Juli 1656 festgehalten, dass die Unterordnung der Moldau unter den Zaren auf Wunsch der drei Patriarchen (Nikon von Moskau, Paisios von Jerusalem und Makarios von Antiochia) sowie des Hetmans Bohdan Chmel’nyc’kyj erfolgt sei.120 »Alles sah dem kosakischen Muster von 1654 recht ähnlich, und doch war es anders gemeint«,121 was eigentlich schon daran zu erkennen wäre, dass die Moldau doch nicht in den Zarentitel aufgenommen wurde und dass das Abkommen bis zum Abschluss des Krieges gegen Polen geheim gehalten werden sollte.122 Dennoch war die Aussicht auf den Zusammenbruch und die Auflösung des Osmanischen Reiches im kritischen Jahr 1656, die hinter dem Projekt schimmert, seinerzeit nicht so unrealistisch, wie es aus heutiger Sicht aussehen mag. Mit unserem Wissen um die Langlebigkeit des Reiches, die Anpassungsfähigkeit und die Transformation seiner Institutionen und besonders vor dem Hintergrund des überkommenen Niedergangstopos und des späteren Stereotyps vom »Grand malade« ist man vielleicht geneigt, in den Äußerungen der Zeitgenossen ent-
118 »και να ιδούμεν και εκείνην την ημέραν, καθώς εγίνηκεν των Λεχών και εις άλλα μέρη το ομοίως, και όποτες θέλουν κινήσει τα στρατεύματα της μεγίστης σου βασιλείας καταπάνω των ασεβών, και ημείς ήμεσθεν έτιμοι και χρεώσταις με όλους τους εγκατοίκους του τόπου να πηγένομεν ομού με τα στρατεύματα της μεγίστης σου βασιλείας καταπάνω των ασεβών.«, RGADA f. 68, op. 3, 1656, nr. 5, f. 3–4, ediert von D. G. Ionescu, »Tratatul ȋncheiat de Gheorghe S¸tefan cu Rus¸ii ȋn 1656«, Revista istorica romana 3 (1933), 234–247; V. G. Tchentsova, »Podlinnik ›Pis’ma moldavskich poslov‹ 1656 goda i ego sozdateli«, in: Cˇelovek v prostranstve i vremeni kul’tury, Bernaul 2008, 398–412; dies., Ikona, 254f.; dies., »Dionysios Iviritis«, 594–597. Russische Übersetzung ediert in ISNSR, Bd. 2, nr. 89, 273–278. 119 Vgl. Tchentsova, Ikona, 259; dies., »Dionysios Iviritis«, 589. 120 Vgl. Tchentsova, »Dionysios Iviritis«, 589. In seinem Brief an Bohdan Chmel’nyc’kyj vom 29. Juni 1656 begründete der Zar seinen Entschluss, die Moldau unter seine »hohe Hand« aufzunehmen, mit der Bitte der Patriarchen Paisios von Jerusalem und Makarios von Antiochia, ISNSR, Bd. 2, nr. 95, 291. Chmel’nyc’kyj selbst versuchte später (1657) auch die Walachei zum selben Schritt zu bewegen, bezeichnenederweise mit dem Hinweis auf den sich abzeichnenden osmanischen Zusammenbruch wegen der Niederlagen im Kretischen Krieg, ebenda 396, Anm. 212. Tatsächlich bot auch Konstantin S¸erban als Fürst erst der Walachei und dann der Moldau wiederholt dem Zaren die Unterordnung seines Fürstentums unter Moskau an, vgl. ebenda 318, 398; Semenova, »Moldavija i Valachija«, 205. 121 Zernack, »Die Expansion«, 133. 122 Vgl. Tchentsova, Vostocˇnaja Cerkov’, 30. Bereits die Schreiben von Paisios Lampardis (8. Oktober 1656) und Makarios Ibn al-Za’im (1. November 1656) zeugen von der Sorge der Patriarchen, der Zar könnte die Moldau doch noch fallen lassen. Ediert bei Tchentsova, »Le premier voyage«, 114–119.
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weder Chimären oder Klischees zu erkennen.123 Die seit 1648 anhaltende, im Jahr 1656 verschärfte Krise war aber real und dramatisch genug, um die zeitgenössischen Wahrnehmungen zu prägen. Auf jeden Fall war sie, in den Worten Christoph Neumanns, »more than just a historiographical fiction«124. Politische Instabilität – 1655 und 1656 lösten einander nicht weniger als sieben Großwesire ab –, eine lange Reihe von Palastrevolten125 sowie von Niederlagen im Seekrieg gegen die Venezianer gipfelten in den Katastrophen von 1656. Im März, im sogenannten »Platanenaufstand«, erzwangen die unbezahlten, revoltierenden Janitscharen vom Sultan die Übergabe zahlreicher Würdenträger, die im Istanbuler Hippodrom gelyncht und an den besagten Platanen erhängt wurden. Die Terrorherrschaft der Lynchjustiz dauerte etwa zwei Monate, nur um von einer Rebellion der Sipahi in Anatolien abgelöst zu werden.126 Am 26. Juni schlugen die Venezianer die osmanische Flotte vernichtend vor den Dardanellen; in den nächsten Tagen eroberten sie fast widerstandslos die Inseln Limnos und Tenedos und blockierten Istanbul von der Ägäis aus. Unter der bald hungernden Bevölkerung der osmanischen Hauptstadt brach Panik aus. Man befürchtete einen unmittelbaren – tatsächlich von Admiral Lorenzo Marcello erwogenen – Generalangriff der venezianischen Flotte, ließ hastig Häuser an der Stadtmauer schleifen und Tausende Einwohner, einschließlich des Sultans, flohen auf die asiatische Uferseite.127 Nicht nur unheilverkündende muslimische Eiferer oder 123 Vgl. R. G. Pa˘un, »Enemies within: Networks of Influence and the Military Revolts against the Ottoman Power (Moldavia and Wallachia, sixteenth-seventeenth centuries)«, in: G. Kármán, L. Kuncˇévic´ (Hg.), The European Tributary States of the Ottoman Empire in the Sixteenth and Seventeenth Centuries, Leiden u. a. 2013, 209–249, hier 245; S. White, The Climate of Rebellion in the Early Modern Ottoman Empire, Cambridge 2011, 188, 207. 124 Ch. K. Neumann, »Political and diplomatic developments«, in: The Cambridge History of Turkey, Bd. 3, The Later Ottoman Empire, 1603–1839, hg. von S. Faroqhi, Cambridge 2006, 44–62, hier 49; vgl. M. D. Baer, Honored by the Glory of Islam. Conversion and Conquest in Ottoman Europe, Oxford 2008, 39–41. 125 Im September 1651 etwa setzte sich die Sultansmutter Turhan gegen die Sultansgroßmutter Kösem durch und ließ diese in einem abenteuerlichen Coup entmachten und erdrosseln, vgl. Finkel, Osman’s Dream, 242. Den detaillierten Bericht von Daniil Nalcabasmat hat Vera Tchentsova publiziert: »Le coup d’Etat constantinopolitain de 1651 d’ après la lettre d’un métropolite grec au tsar russe Alexis Michailovich«, Turcica 32 (2000), 389–423. 126 Vgl. Finkel, Osman’s Dream, 249–251. Ein anonymer Bericht aus Konstantinopel (möglicherweise von Ioannikios II.) vom 4. April 1656 beschreibt die Revolte recht anschaulich: »…και εσηκόθηκαν και έκαμαν στάσι πολλή αμέτρητοι πεζοί και καβαλαρέοι και έκαμαν πιλάλημα και ήρθαν εις τον ιππόδρομον και εγέμησεν πλήθος λαού και εκάθησαν ώραν ηκανήν και επάν εις του βασιλέα το παλάτι και εβόησαν φωνή μεγάλη. Μέγα βασιλέα τους ευνούχους όπου έχεις κοντά σου να μας τους δώσης ότι έχουν σφάλσιμον πολήν και παρευθύς τους εσκότωσαν και τους έβαλαν σένα δένδρον πλάτανον, και έκοψαν τα κορμιά τους με σπαθιά και μαχαίρια…«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 547. Ähnlichen Inhalts und Tons nr. 655 ebenda, auch anonym (4. April 1656). 127 Vgl. Baer, Honored by the Glory of Islam, 57f.; Eickhoff, Venedig, Wien und die Osmanen, 135–141; Finkel, Osman’s Dream, 251f.; Setton, Venice, Austria and the Turks, 182–185;
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enthusiastische Agenten des Zaren und Venedigs, sondern auch erfahrene Diplomaten rechneten ernsthaft mit dem Kollaps des Reiches.128 Das Puzzle, das die Ausnahmekonstellation ergeben hatte, begann, an allen Ecken und Enden auseinanderzubrechen. Zum einen entschied sich der Zar unter dem Einfluss des aufstrebenden Außenpolitikers Afanasij Ordin-Nasˇcˇokin für die Konfrontation mit Schweden und somit für die Ostsee statt für die Donau als Expansionsrichtung.129 Die Kriegserklärung am 17. Mai 1656 (genau am Tag der Ratifizierung des Moldauabkommens) erfolgte sogar, ehe die Waffenstillstandsverhandlungen mit Polen (unter habsburgischer Vermittlung)130 im Oktober abgeschlossen wurden. Der Tod Chmel’nyc’kyjs im Juli 1657, der die Wende nicht mitgemacht, sondern sich unbeirrt am orthodox-protestantischem Bündnis orientiert hatte, beschleunigte die Auflösung der früheren Konstellation. Sein Nachfolger Ivan Vyhovs’kyj paktierte erst mit den Schweden, dann mit den Krimtataren und den Polen gegen Moskau.131 Die Ukraine verfiel bis 1667 in einen Zustand des dauernden Kriegs und der Verwüstung (»Ruina«), dessen bleibendes Ergebnis die weitgehende Teilung des Landes in einen polnisch und einen russisch geprägten Teil war. Außerdem fehlte nun mit Nikons Abdankung bzw. seinem Rückzug im Juni 1658 ein weiterer Mitverantwortlicher der bis 1656 eingeschlagenen Politik. Proteste griechischer Hierarchen, wie der des Patriarchen Ioannikios von Alexandria, der dem Zaren übermitteln ließ, er solle dem polnischen König keinen Glauben schenken und sich stattdessen mit Schweden
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Parker, Global Crisis, 201f; M. I. Kunt, The Köprülü Years: 1656–1661, Diss. Princeton Univ., 1971, 21f; R. Mantran, Istanbul dans la seconde moitié du XVIIe siècle. Essai d’histoire institutionnelle, économique et sociale, Paris 1962, 96, 252f. Belege etwa bei G. Kármán, »The Networks of a Wallachian Pretender in Constantinopel: The Contacts of the future Voivode Michail Radu 1654–1657«, in: ders., R. G. Pa˘un (Hg.), Europe and the ›Ottoman world‹. Exchanges and Conflicts (sixteenth to seventeenth centuries), Istanbul 2013, 119–139, hier 133; Goffman, The Ottoman Empire, 217; Kl. Kreiser, Chr. K. Neumann, Kleine Geschichte der Türkei, Stuttgart 2003, 235; Mertzios, Πατριαρχικά, 79; Tchentsova, »Istocˇniki«, 169; vgl. den Bericht (1657) des schwedischen Gesandten Claes Rålamb: »A relation of a Journey to Constantinople«, in: A. Churchill, J. Churchill, A collection of Voyages and Travels, Bd. 5, London 17323, 669–716, hier 689, 699, 702. Zu den alternativen außenpolitischen Denkrichtungen Moskaus in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts vgl. Zernack, »Die Expansion«, 123f. Zu Ordin-Nasˇcˇokin vgl. C. B. O’Brien, »Russia and Eastern Europe. The Views of A. L. Ordin-Nasˇcˇokin«, JGO 17 (1969), 369–379; ders., »Makers of Foreign Policy: Ordin-Nashchokin«, East European Quarterly 8 (1974), 155–165; Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 82f. Vgl. Chr. Augustinovicˇ, »Russko-pol’skaja vojna 1654–1657 i posrednicˇestvo Gabsbursgkoj imperii«, in: Russkaja i ukrainskaja diplomatija v Evrazii. 50-e gody XVII veka, Moskau 2000, 47–52; I. Schwarcz, »Die diplomatischen Beziehungen Österreich–Russland in der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts«, Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 50 (2003), 29–42, hier 32f. Vgl. Zernack, »Die Expansion«, 134–139; Davies, »Muscovy at War and Peace«, 502–506; ders., Warfare, State and Society, 124–132; Frost, The Northern Wars, 164–183; Subtenly, Ukraine, 139–146; O’Brien, Muscovy and Ukraine, 38–58.
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verbünden, Warschau und Krakau einnehmen und Polen den Garaus machen, blieben, kaum überraschend, wirkungslos.132 Auch als 1659 erneut Kriegshandlungen zwischen Russen und Polen ausbrachen, führte dies zu keiner Erneuerung der Projektemacherei. Der Moment war dahin zusammen mit den Illusionen über die Schlagkraft der Moskauer Truppen. Zum anderen kam es im bedrängten Osmanischen Reich doch noch zu einer spektakulären Wende. Die gebetsmühlenartig wiederholte Forderung nach einem ›starken Mann‹, der mit harter Hand die Ordnung wiederherstellen und Süleymans Glanzzeit wiederauferstehen lassen würde, wurde in der Not erhört: Tatsächlich gelang dem achtzigjährigen Mehmed Köprülü, der im September 1656 das Amt des Großwesirs übernahm, nachdem er sich besondere Vollmachten von der Sultansmutter Turhan gesichert hatte, nichts weniger als die Rettung des Reiches. Zwar hat die osmanische Hofhistoriographie das Bild der Köprülü-Dynastie als Kraft der Erlösung überhöht und ihr Loblied auch der modernen Geschichtsschreibung teilweise vermacht.133 Dennoch lässt sich deren Bilanz nicht kleinreden. Mehmed Köprülü vertraute auf das »Elixir des Schwertes«134 und ließ in seinem ersten Amtsjahr, vorsichtig geschätzt, zehntausend Würdenträger, Janitscharen, Prediger, vermeintliche und tatsächliche Rebellen zur Abschreckung hinrichten. In diesen Zusammenhang gehört auch sein Vorgehen gegen Mitglieder des hohen orthodoxen Klerus, über dessen illoyale Aktivitäten seit geraumer Zeit von verschiedenen Seiten an die Pforte berichtet wurde. So gesehen, kam es, wie es kommen musste: Die dramatische 132 Vgl. Tchentsova, Vostocˇnaja Cerkov’, 122–124. 133 Etwa bei Hans Joachim Kießling: »Zweifellos muß die durch ihn [Mehmed Köprülü] und sein Haus bewirkte Restauration der osmanischen Macht zu den bedeutendsten staatsmännischen Leistungen nicht allein der osmanischen Geschichte, sondern der Weltgeschichte überhaupt gezählt werden […]. Sie war das letzte Aufbäumen einer im Grunde schon zum Tode verurteilten Welt.«, H. J. Kießling, »Die Köprülü Restauration«, in: Österreich und die Türken. Internationales kulturhistorisches Symposion Mogerndorf 1969, Eisenstadt 1972, 75–83, hier 78, 82. Auch das Urteil des zeitgenössischen (1704) griechischen Chronisten Dimitrios Ramadanis sieht nicht wesentlich anders aus: »Βεζιραζέμιδες αγκαλά εστάθηκαν πολλοί εις τον καιρόν του, όμως ημείς ηξεύρομεν απο τον Μεχμέτ πασάν γέροΚιοπρουλή, όστις ην το γένος Αλβανίτης, έκαμε βεζαρέτι πέντε χρόνους, και απέθανε βεζίρης. Τούτος πολλά κατορθώματα έκαμεν· ηύρε την βασιλείαν πολλά διεφθαρμένην και συγχισμένην […] και ανέστησε το βασίλειον.«, K. Dapontes, »Χρονογράφος«, in: Sathas, Μεσαιωνική Βιβλιοθήκη, Bd. 3, 6. Für die Berichtigung und Zuschreibung des Werks an Ramadanis vgl. M. Paizi-Apostolopoulou, »Δημήτριος Ραμαδάνης. Ένας ιστοριογράφος του 18ου αιώνα σε αφάνεια« [Dimitrios Ramadanis. Ein vergessener Historiograph des 18. Jahrhunderts], Ο Ερανιστής 20 (1995), 20–35. Zu Mehmed Köprülü vgl. Finkel, Osman’s Dream, 253ff; M. T. Gökbilgin, R. C. Repp, »Köprülü«, in: EI2, Bd. 5, Leiden u. a. 1986, 256–259. Zur historiographischen Problematik vgl. B. Tezcan, The Second Ottoman Empire: Political and Social Transformation in the Early Modern World, Cambridge 2010, 215f.; Baer, Honored by the Glory of Islam, 76–80, 273, Anm. 83; Matuz, Das Osmanische Reich, 179–181; Kreiser-Neumann, Kleine Geschichte der Türkei, 207–209. 134 Baer, Honored by the Glory of Islam, 76; vgl. Kunt, The Köprülü Years, 62–66.
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Handlung erreichte aus Sicht der Ostkirche ihren Höhepunkt mit der öffentlichen Hinrichtung des Patriarchen von Konstantinopel Parthenios III. (Juli 1656– März 1657), genannt Parthenakis, am 24. März 1657. Ihm wurde vorgeworfen, Geheimabsprachen mit dem Zaren gehalten bzw. diesen aufgewiegelt zu haben, den günstigen Moment zu nutzen und die geschwächten Osmanen anzugreifen. Das recht breite Quellenspektrum135 erlaubt keine definitive Aussage zur exakten Anklage, doch Motivation und Anlass sowie Umstände der Verurteilung und Hinrichtung dürfen als mehr oder weniger gesichert gelten.136 Aus den zeitge135 Berichte von Grigorios von Nikaia an Nikon und Aleksej vom 25. und 28. Mai 1658: RGADA f. 52, op. 2, nr. 591 und 592 (der erste ediert bei Tchentsova, Vostocˇnaja Cerkov’, 125–130); Verhörprotokolle des serbischen Metropoliten Michail und des Händlers »Ivan Anastasev«, Bericht des moskauischen Gesandten auf der Krim Rodion Zˇukov: ebenda, 35f., 114–116; Berichte westeuropäischer Botschafter und Kleriker aus Konstantinopel und Bericht des französischen Botschafters Jean de la Haye-Vantelet vom 30. April 1657: I. K. Nikolaou, Ο ιερομάρτυς πατριάρχης Κωνσταντινουπόλεως Παρθένιος Γ΄ (†1657) [Der Hieromärtyrer Patriarch von Konstantinopel Parthenios III. (†1657)], Diss., Aristoteles-Universität, Thessaloniki 1999, 183; Bericht des venezianischen Botschaftssekretärs Giovanni Battista Ballarino vom 1. April 1657: Mertzios, Πατριαρχικά, 79; Bericht des kaiserlichen Botschafters Simon Reninger vom 12. April 1657: HHStA Türkei I, Turcica 128/3, f. 48 und in: Russkaja i ukrainskaja diplomatija v mezˇdunarodnych otnosˇenijach, 426 sowie Hurmuzaki, Fragmente, Bd. 3, 232; Tagebuch des Kapuziners Thomas de Paris, Abt des St.-Ludwigs-Klosters in Konstantinopel (Eintrag vom 31. März 1657): M. Roussos, »Η Κωνσταντινούπολη στο ›Ημερολόγιο‹ του φραγκισκανού καπουτσίνου Θωμά de Paris 1642–1670« [Konstantinopel im ›Tagebuch‹ des Franziskaners und Kapuziners Thomas de Paris 1642–1670], in: E. MotosGuirao, M. Morfakidis Filactόs (Hg.), Constantinopla. 550 años de su caida, Bd. 2: Constantinopla Otomana, Granada 2006, 335–342, hier 340; Berichte des niederländischen Konsuls Levinus Warner an seine Regierung: L. Warner, Epistolae ineditae, 35f (Briefe vom 31. März und 9. Mai 1657, der erste auch bei Hurmuzaki, Documente, Suplement, Bd. 1/1, 243f.) sowie der Brief vom 13. Juli 1657, der in der Ausgabe von Du Rieu nicht enthalten ist: British Library, Add MS 72562, f. 18–18v (Der Patriarch sei hingerichtet, »quia insimularetur adversus Turcas concitare Moschos«); Bericht des schwedischen Gesandten Claes Rålamb: »A relation of a Journey«, 700, 707; Bericht des Sekretärs der polnischen Königin, Pierre des Noyers: Lettres de Pierre des Noyers, Berlin 1859, 301; Bericht des Agenten Martino de Turra aus Ragusa (7. Juni 1657): I. Dujcˇev, Avvisi di Ragusa. Documenti sull’imperio Turco nell sec. XVII e sulla Guerra di Candia, [Orientalia Christiana Analecta 101], Rom 1935, 211; Berichte in den Kirchengeschichten von Dositheos von Jerusalem, Ιστορία, Bd. 6, 72f.; Meletios, Metr. von Athen, Εκκλησιαστική Ιστορία [Kirchengeschichte], 3 Bde, Wien 1783–84, hier Bd. 3, 465; sowie beim »Chronographen« des Dimitrios Ramadanis: Dapontes, »Χρονογράφος«, 6; bei den osmanischen Historikern Naȋmȃ, Tȃrihi, Istanbul 1969, 2752f; (vgl. J. v. HammerPurgstall, Geschichte des Osmanischen Reiches, Budapest 1827–1832, ND: Graz 1963, Bd. 6, 15); Vecihi (B. Atsiz, Das Osmanische Reich um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Nach den Chroniken des Vecihi (16371660) und des Mehmed Halifa (1633–1660), München 1976, 60 und Abb. 73r); Siladhar und Nihadi (Baer, Honored by the Glory of Islam, 59f.; Tellan, The Patriarch and the Sultan, 73–77); beim venezianischen Historiker Andrea Valiero, Historia della Guerra di Candia, Venedig 1679, 413f.; die auf Meletios Syrȋgos zurückgehende Märtyrervita: Νέον Μαρτυρολόγιον [Neue Sammlung von Märtyrerviten], Athen 1856, 73f. 136 Parthenakis wurde am Parmakkapı (»Vergittertes Tor«) erhängt, nachdem er beim Verhör vor dem Großwesir seine Unschuld beteuert und die Option eines Übertrittes zum Islam
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nössischen Quellen lässt sich als Schnittmenge destillieren, dass der Chan der Krim den Großwesir ins Bild setzte und die Hinrichtung des Patriarchen bewirkte sowie dass ein abgefangener Brief des Patriarchen an den Zaren als Beweisstück verwendet und an seine Leiche geheftet wurde.137 Eindeutig oder zumindest sehr wahrscheinlich scheint aber auch, dass der Patriarch unschuldig war. Empfehlungsschreiben von ihm an den Zaren sind erhalten und sie weisen auch auf mündliche Aufträge der empfohlenen Briefträger hin.138 Auch die zeitliche Koinzidenz mit den venezianischen Bemühungen, Moskau als Verbündeten in den Kretischen Krieg zu locken, würde eine Einschaltung des Patriarchen denkbar erscheinen lassen. Parthenakis’ Förderer, der französische Botschafter Jean de la Haye-Vantelet, wurde wegen seiner abgefangenen Korrespondenz mit den Venezianern von der Pforte als Spion betrachtet.139 Dennoch gibt es keine Indizien, dass Parthenakis in die Projektemacherei eingeweiht war. Es ist zudem gut vorstellbar, dass das Corpus Delicti, falls ein Brief tatsächlich abgefangen worden war, eines der zahlreichen Falsifikate war, die den Namen und auch den Stempel des Ökumenischen Patriarchen trugen und bedenkliche Äußerungen enthielten, wie jene während des Verhörs vorgelesenen – der Triumph des Christentums über den Islam sei nahe.140
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ausgeschlagen hatte. Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde er zum Märtyrer erklärt und als Heiliger kanonisiert. Dass der Brief an den Zaren adressiert war, bezeugen der Metropolit Michail, Ballarino, Reninger, de la Haye-Vantelet, Thomas de Paris, Pierre de Noyers, Valiero und Meletios von Athen. Naȋmȃ nennt dagegen als Adressaten den Fürsten der Walachei und Zˇukov den venezianischen Dogen. Unklar ist, ob der Chan nur deshalb die Vorwürfe erhob, weil sein Gesandter beim Zaren oder bei Chmel’nyc’kyj die Ehrerbietungen an Grigorios, den Metropoliten von Nikaia, übelnahm (so Dositheos, Ramadanis, Meletios und die Vita) oder – eher wahrscheinlicher – weil der Fürst der Moldau Gheorghe S¸tefan sich weigerte, Grigorios von Nikaia und Makarios von Antiochia auszuliefern (so Grigorios selbst). Jovanos berichtet, es sei der Sekretär und spätere Nachfolger Chmel’nyc’kyjs, Ivan Vyhovs’kyj, gewesen, der den Brief an die Pforte weiterleitete. Die Nachricht von der Konversionsablehnung wird nicht nur von Syrigos und Dositheos, sondern auch von Nihadi überliefert. Auch beim Topos vom übernatürlichen Licht, das über dem Leichnahm gestrahlt und dessen Auffindung im Meer ermöglicht haben soll, handelt es sich um keine spätere Zugabe der Kollyvaden, sondern er gehört zur zeitgenössischen Legendenbildung (Metropolit Michail, Syrigos, Meletios). RGADA f. 52, op. 2, nr. 566 (15. November 1656); 567 (20. November 1657); 572 (20. November 1657). Rålamb: »A relation of a Journey«, 687. Zu Parthenakis (einem Kapuziner- und Jesuitenschüler) und dessen Beziehungen zur französischen Botschaft vgl. G. Hofmann SJ, »Der Metropolit von Chios Parthenios (später Patriarch von Konstantinopel) an Papst Urban VIII.«, Ostkirchliche Studien 1 (1952), 297–299. Ein Beispiel wäre der anonyme Brief an den Zaren, RGADA f. 52, op. 2, nr. 547 (vom 4. April 1656, also noch aus der Amtszeit von Ioannikios II.), der in der Intitulatio den Namen Parthenios trägt; vgl. Tchentsova, »Istocˇniki«, 177, Anm. 102. Ob Ioannikios, aus dessen früheren Amtszeiten weitere Falsifikate mit dem Namen des im Mai 1651 bereits ermordeten Parthenios II. erhalten sind (ebenda, nr. 412, 14. September 1651; 439, 14. Februar 1652), an
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Doch bald darauf sollten auch weniger unschuldige Kirchenmänner (beinahe) dran glauben müssen. Kurze Zeit später (der genaue Zeitpunkt ist nicht überliefert) wurde auch Paisios Lampardis festgenommen, gefoltert und entging anscheinend in letzter Minute an derselben Stelle wie Parthenakis (Parmakkapı) dem Tod am Galgen. Ihm wurde vorgeworfen, er hätte bei einem mitverhafteten Juwelier eine Krone für den Moskauer Zaren anfertigen lassen. Die Sachlage ist auch in diesem Fall nicht definitiv zu klären. Obwohl ähnliches dem Patriarchen durchaus zuzutrauen wäre, erscheint der Tatbestand eher dünn.141 Auf jeden Fall verdankte Paisios seine Freilassung ausgerechnet dem Großwesir Mehmed Köprülü, während dessen Abwesenheit aus Konstantinopel der Kaimakam (Stadtgouverneur) Hasan Pascha die Hinrichtung des Patriarchen befohlen hatte. Die Ereignisse von 1657 stellen eine Zäsur im Verhältnis der Ostkirche zur Pforte dar. Parthenakis’ Hinrichtung »auf einem unergründlichen Weg der Vorsehung«, wie es in der vorsichtigen Formulierung der Synode hieß,142 hatte anders als frühere Fälle (Loukaris, Parthenios II.) nichts mit innerkirchlichen Intrigen zu tun. Daher gab es zunächst auch keine willigen Kandidaten für seine Nachfolge. Dass damals das Privileg der Sultansaudienz des Patriarchen abgeschafft wurde,143 ist kein Zufall, auch wenn langfristig gesehen die Großwesire der Köprülü-Dynastie ohnehin mehrere Funktionen der Sultane übernahmen. Es wird auch von der Hinrichtung weiterer, namentlich nicht genannter Metropoliten wegen ihrer Kontakte zu Moskau144 und von der allgemeinen Furcht unter
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den Fälschungen (aus Gründen der Vorsicht) beteiligt war, ist ungewiss. Valiero verbindet die Hinrichtung von Parthenakis mit der Flucht von Ioannikios zur venezianischen Flotte, Valiero, Historia, 414. Vera Tchentsova geht aufgrund der zeitlichen Koinzidenz mit dem Moldauplan davon aus, dass Paisios in der Tat diese Absicht hatte: V. G. Tchentsova, »Mitra Paisija Ierusalimskogo – ne prislannyj russkomu gosudarju venec ›carja Konstantina‹«, in: Patriarch Nikon i ego vremja, Moskau 2004, 11–39. Boris Fonkicˇ dagegen ist der Meinung, dass Paisios nach der Hinrichtung von Parthenakis eine Mitra, die sein Onkel Theofanis als Geschenk aus Moskau erhalten hatte, aus Angst bearbeiten ließ, um die Spuren ihres Moskauer Ursprungs zu tilgen: B. L. Fonkicˇ, »Esˇcˇe raz o mitre Paisija Ierusalimskogo«, in: ders., O sovremennych metodach issledovanija grecˇeskich i russkich documentov XVII veka. Kriticˇeskie zametki, Moskau 2012, 11–18; vgl. Meimaris, »Ο πατριάρχης Ιεροσολύμων«, 488–491; Athanasiadis, »Τα κατά τον αοίδιμον Παΐσιον«, 221–225. Am ausführlichsten sind die Berichte von Dositheos, der als Augenzeuge dabei war: Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 111–117, und vom Jerusalemer Archimandriten Ioasaf in seinem Brief an den Zaren vom 22. Juli 1658 (vgl. Tchentsova, »Mitra«, 33–39). Vgl. den Bericht des habsburgischen Botschafters Reninger (HHStA Türkei I, Turcica 129, f. 17: Bericht vom 6. Januar 1658, vgl. Hurmuzaki, Fragmente, Bd. 3, 236f.) und die Erwähnung bei Rålamb, »A relation of a Journey«. 700, 707. »το ζην αποβαλόντος [του Παρθενίου] κατά τινα τρόπον της θείας προνοίας απόκρυφον«, Germanos, Συμβολή, 141. Vgl. Meletios, Εκκλησιαστική Ιστορία, Bd. 3, 465; Tzedopoulos, Ορθόδοξοι νεομάρτυρες, 236f . Vgl. Mertzios, Πατριαρχικά, 79; Tchentsova, Vostocˇnaja Cerkov’, 36f.; dies., »Mitra«, Anm. 45 (Rodion Zˇukov).
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den Kirchenmännern und Archonten berichtet.145 Manch einem beteiligten Kleriker schien daher die Rückkehr zu seinem jeweiligen Amtssitz zu riskant.146 Die Informationen des Chans und der Pforte waren präzise, neben Makarios, Grigorios oder Dionysios Iviritis musste sich auch Manuil aus Kastoria verstecken.147 Andere entschieden sich für die Flucht nach vorn, wie Ioannikios II., der sich den Venezianern anschloss und sich aktiv an der Verteidigung von Candia und am Versuch, Aufstände auf der Peloponnes zu schüren, beteiligte.148 Es blieb 145 Vgl. Sathas, Μεσαιωνική Βιβλιοθήκη, Bd. 3, 6; Mertzios, Πατριαρχικά, 79; Tchentsova, Vostocˇnaja Cerkov’, 115; dies., »Mitra«, 13, Anm. 6, 34; dies., »Istocˇniki«, 169f. Diesbezügliche Nachrichten auch in den Briefen an den Zaren von Thomas Babaliaris, RGADA f. 52, op. 2, nr. 599, 20. März 1660, und Archimandrit Dionysios, ebenda, nr. 601, 30. Mai 1660: »ηθέλαμεν να γράφομεν τα όσα εβλέπαμεν και ακούομεν, αμή έχομεν φόβον μέγα, διότι περισσοί εχάθησαν εις αυτήν την υπόθεσιν. Ευθύς και τον εγκαλέσουν πως έρχεται ή πάη εις την Μοσχοβίαν, και ακουστεί και τον πιάσουν καλόγερον, ευθύς αυτόν φουρκίζουν. Το οποίον κάποιος καλόγερος, όπου ήλθεν εις την βασιλείαν σου από μέρους του Κωνσταντίνου βοϊβόνδα και γυρίζοντας ήλθεν εδώ εις την Μπογδανίαν, και τον έπιασαν και τον έστειλαν εις τον βεζίρη και ευθύς τον αποκεφάλισαν, και δια τούτο και ημείς με μεγάλον φόβον γράφομεν«. Die Nachricht von der Hinrichtung des Patriarchen erreichte auch die nahöstlichen Christen und versetzte sie noch Jahre später (1661) in Furcht vor riskantem Briefwechsel mit christlichen Potentaten, J.-P. Ghobrial, »The Secret Life of Elias of Babylon and the Uses of Global Microhistory«, Past and Present 222 (2014), 51–93, hier 80. 146 Grigorios von Nikaia berichtete an den Zaren, er selbst halte sich aus Angst in der Moldau auf, Makarios von Antiochia in der Walachei: »…όμως να γιγνώσκης γαληνότατε και αυτοκράτωρ βασιλεύ πως ερχόμενοι απ’αυτού με το έλεος της βασιλείας σου εφθάσαμεν εις Μπογδανίαν και ευρήκαμεν σκάνδαλα μεγάλα· διότι ο πρέσβης του χάνη όπου είναι αυτού εις το κάστρον της βασιλείας σου έγραψεν του χάνη δι’ημάς, πως ήρθαμεν αυτού εις την βασιλείαν σου απεσταλμένοι από τον οικουμενικόν πατριάρχην δια να σηκώσης σεφέρι απάνω τους, ομοίως και εις τους Τούρκους. Και ούτος έστειλε και μας εγύρευεν από τον αυθέντην της Μπογδανίας, τον Αντιοχείας πατριάρχην, τον μητροπολίτην Μολδοβλαχίας Γεδεών και εμένα τον Νικαίας μητροπολίτην Γρηγόριον. Και ο αυθέντης εστάθη στέρεος και δεν εθέλησε να μας δώση· και δια το πείσμα αυτό στέλνει ο χάνης εις τον βασιλέα των Τούρκων και κρεμνούν τον πατριάρχην Παρθένιον αναίτιον όντα. Όμως ημείς μη έχοντας άλλο ποιήσαι, ο μεν Αντιοχείας υπάγει εις την Βλαχίαν και ευρίσκεται εκεί ως και την σήμερον, διότι οι Τούρκοι στέλνουν πάντοτε και μας γυρεύουν…«, RGADA f. 52, op.2, nr. 592, 28. Mai 1658 (Grigorios von Nikaia an Aleksej Michajlovicˇ). Grigorios wurde bereits im April 1657 vom neuen Patriarchen Gavriil abgesetzt: Hurmuzaki, Documente Bd. 14/1, 198. Makarios und sein Sohn, Paul von Aleppo, geben dieselbe Erklärung für die Hinrichtung des Patriarchen an, vgl. Tchentsova, »Le patriarche d’Antioche«, 323. 147 »Έστοντας και να μας διαβάλη και να μας αγγαλέσει ο Σταματήνκας εις τον βεζίρη και εις τον βασιλέα των Τουρκών πως είμαστε πιστοί δούλοι της μεγάλης σου βασιλείας και ανακατώθηκαν τα σεφέρια από λόγου μου και πως αναγκάζομεν ημείς την μεγάλη σου βασιλείαν να έλθης απάνω εις τους Τούρκους και αλογοφάγιδες. Τέτοιου λογής αγγάλεσμα μου έκαμε και άλλα πολλά λόγια είπε δια λόγου μου και μου έκαμε μεγάλη ζημιά ο ασεβής και εκάθισα δώδεκα ημέρες κρυμμένος, ούτε ο ήλιος δεν με έβλεπεν από τον φόβον όπου είχα και εξώδιασα με τους φίλους ταλάρια εδώ κι εκεί εις την Πόρτα και εις αγάδες όσο να γλυτώσω«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 604, 19. Dezember 1660, Manuil an den Zaren Aleksej Michajlovicˇ. 148 Vgl. N. V. Tomadakis, »Ο οικουμενικός πατριάρχης Ιωαννίκιος Β΄ από Ηρακλείας« [Der Ökumenische Patriarch Ioannikios II. ehemals Metropolit von Herakleia], in: ders., Βυζαντινά και Μεταβυζαντινά [Byzantinisches und Postbyzantinisches], Bd. 2, Athen 1978, 113–147;
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tatsächlich nicht bei der Hinrichtung von Parthenakis. 1659 ließ der Großwesir auch seinen kurzzeitigen Nachfolger Gavriil II. (24.–31. April 1657) sowie den gleichnamigen Erzbischof von Pec´ Gavrilo in Bursa erhängen, Letzteren nachweislich aufgrund einer ausgedehnten Moskaureise.149 In den darauffolgenden Jahren konnten Kontakte der ostkirchlichen Hierarchie mit Moskau wegen des gesteigerten Misstrauens der osmanischen Behörden und der damit einhergehenden Angst nur bedingt aufrechterhalten werden.150 Die Wiederherstellung der osmanischen Ordnung unter Mehmed Köprülü sollte aber erst mit der Wende im Krieg gelingen. Mit etwas Glück gelang es ihm vor den Dardanellen im Juli 1657, das venezianische Flaggschiff des Admirals Lazzaro Mocenigo durch eine Kanonenkugel auf dessen Pulvermagazin in die Luft zu sprengen, die Blockade aufzulösen und noch im darauffolgenden Herbst Limnos und Tenedos zurückzuerobern.151 1658 nahm sich der Großwesir die karpathische Front vor, er setzte die beiden illoyalen Hospodaren Gheorghe S¸tefan und Konstantin S¸erban ab und vertrieb durch eine persönlich geführte Strafexpedition Georg Rákóczi aus Siebenbürgen. 1659 gelang es ihm schließlich, die vielleicht größte Herausforderung in Gestalt des Celali-Aufstands von Abaza Hasan in Anatolien zu bewältigen.152
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ders., Ιστορία της Εκκλησίας Κρήτης επί Τουρκοκρατίας (1645–1898) [Geschichte der Kirche Kretas während der Türkenherrschaft (1645–1898)], Bd. 2, Athen 1974, 66–68; A. E. Karathanasis, »Επαναστατικές κινήσεις στην Πελοπόννησο στα 1659« [Revolutionäre Bewegungen auf der Peloponnes im Jahr 1659], Πελοποννησιακά 8 (1971), 239–260; Tchentsova, Voˇ erkov’, 42. stocˇnaja C Vgl. Hadrovics, Le peuple serbe, 127f.; Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 73; Νέον Μαρτυρολόγιον, 77f. Vgl. Kapterev, Charakter, 319; zu den Behauptungen einiger griechischer Kleriker, dem Zaren doch noch dienstlich sein zu können, notierte im Mai 1668 der Metropolit von Philippoupolis (Plovdiv) Gavriil in seinem Brief an den Zaren, dies sei ausgeschlossen und verlogen: »Εις αυτό σου γράφω πάσαν την αλήθειαν. Όποιος Ρομέος χριστιανός ή ηδιότης καλόγερος, ή ιερομόναχος ή επίσκοπος ή αρχιεπίσκοπος ή μητροπολίτης ή πατριάρχης γράψει ή και με το στόμαν του ειπή πως είναι άξιος να συντύχει ή να συνδράμει όνομα Μοσχοβίας ή όνομα βασιλέως της Μοσχοβίας ψεύδαιτε, ψέυδαιτε, ψέυδαιτε. Διατής οι Τούρκοι πάντα είναι εις υποψίαν και πώς είναι δυνατόν από τεμάς όπου ηξεύρουσι πως είμαστε ομόπιστοι και μάλιστα όπου καθημέραν μας υβρίζουν, μας βλασφημούσι, μας ηζιμιόνουσι και ο καλιότερός τους λόγος είναι να μας ειπούσι άπιστους και ασεβείς; Το λοιπόν, πώς είναι μόδος να συντύχει κανείς Ρομέος καλόν; […] Ο ποτέ κυρ Παρθένιος πατριάρχης Κωνσταντινουπόλεως, τίποτε δεν ήτον το φταίσιμόν του, μόνον ετούτο. Τον ερώτησε ο βεζίρης και του λέγει, γράφεις εις την Μοσχοβίαν, λέγει τον ο αρίζικος δεν δεν (sic) έγραψα, λέγει του ο βεζίρης, βρε σκύλε οχιάς ψέματα λέγεις, επάρητέ τον, κρεμάσητέ τον. Τέτηαν αγάπην μας έχουσιν, τόσον ημπορεί κανείς από τους Ρομέους όσον να ακούση τίποτες να το ειπή«, RGADA f. 52, op.2, nr. 626. Vgl. Eickhoff, Venedig, Wien und die Osmanen, 148–160; Setton, Venice, Austria and the Turks, 186–189; Kunt, The Köprülü Years, 70–81. Vgl. Finkel, Osman’s Dream, 256–262; Stoye, Europe Unfolding, 46–51; Kunt, The Köprülü Years, 82–115; Chovanova, »Transilvanija«, 144–148; Semenova, »Moldavija i Valachija«, 206f.; Hurmuzaki, Fragmente, Bd. 3, 234–237. Die Hilfsappelle von S¸tefan und Rákóczi an die Adresse des Zaren waren aussichtslos, ISNSR, Bd. 2, 302f., 313f. Es ist bezeichnend, dass der Zar an Konstantin S¸erban (als Hospodaren der Moldau 1660) antwortete, er können ihn
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Ein Nachbeben folgte noch, als der neue Fürst der Walachei, Mihnea III. Radu, eigentlich eine Vertrauensperson der Pforte, den offenen Aufstand wagte, »im Glauben, die Osmanen besiegen zu können – der Unbesonnene! – deren Reich vernichten und Kaiser zu werden«153. Mihnea verständigte sich mit den abgesetzten Rákóczi und S¸tefan, aber auch mit Venedig und Wien, er ließ sich in Tirgovis,te durch Makarios von Antiochia nach kaiserlichem Modell krönen und salben154 und legte es darauf an, wie Radu Pa˘un bemerkte, selbst die Rolle zu übernehmen, zu der sich der zögernde Zar nicht entscheiden konnte.155 Seine nicht unter seine »hohe Hand« aufnehmen, aufgrund der Freundschaft mit dem osmanischen Sultan, die er nicht gefährden könne, ebenda, 400f. Als Gheorghe S¸tefan im Februar 1663 als Asylsuchender in Moskau ankam, gab ihm der Bojar Almaz Ivanov zu verstehen, man habe ihm nie Hilfe gegen die Osmanen versprochen, ebenda, 402. Konsequenterweise änderte sich nach 1657 auch der Ton der griechischen Spionageberichte an den Zaren schlagartig von Enthusiasmus oder Schadenfreude in warnende Ehrfurcht vor den wiedererstarkten Osmanen. Als Beispiele seien im Folgenden zitiert: ein Brief von Manuil aus Kastoria: »Δίνω είδησιν προς την μεγάλην σου βασιλείαν πως οι άθεοι και παράνομοι Αγαρηνοί έστοντας και να έχουν τον φόβον και φθόνον από τα αυτόθεν μέρη της μεγάλης σου βασιλείας από τον καιρόν όπου εθανάτωσαν τον μακαρίτη τον κυρ Παρθένιον πατριάρχην, όλο βούλονται και έχουν εις τον νουν τους να κάμουν ωσάν τον παλαιόν καιρόν εις τους Ρωμαίους όπου εζήτησαν να κάμουν κάστρον πλησίον της Κωνσταντινουπόλεως και κάμνοντας εκείνο το κάστρο και βάζοντας θεμέλιον ύστερα εκυρίευσαν και το βασίλειο των Ρωμαίων. Έτζη και τώρα ελπίζουν οι άθεοι να βάλουν θεμέλιον και εις το άνωθεν μέρος του Τούναβη.«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 589, (1. März 1658); Brief von Grigorios, Metropolit von Nikaia: »…όμως να γινώσκης και τας βουλάς των Ισμαηλιτών η βασιλεία σου ως καθώς εμάθαμεν από τιμίους και μυστικούς μας φίλους. Ο βασιλέας ευρίσκεται εις την Αδριανούπολιν και έχει σεφέρια μεγάλα δια να υπάγει εις την Ουγκρίαν […] και ωσάν πάρη την Ουγκρίαν και βάλει κράλην, να κινήσουν όλοι να έλθουν κατά της βασιλείας σου. Διότι οι Λέχοι επροσκύνησαν τον τόπον τους εις τους Τούρκους και είναι ένα με τουτουνούς και κάμε η βασιλεία σου ως ορίσεις.«, ebenda, nr. 592, (28. Mai 1658); Brief von Isaris Efstathiou: »…αμή υψηλότατε βασιλεύ δεν είναι ο νους τους αυτωνών των σκυλιών να πολεμήσουν μόνον την Ουγγρίαν, μόνον έχουν στον νουν τους απεκεί σαν πολεμήσουν τους τόπους των Ουγγρών και τους πάρουν, να περάσουν νάρθουν με τους Λέχους να πάρουν την Καζακίαν και τους τόπους της μεγάλης σου βασιλείας.«, ebenda, nr. 598, (9. März 1660); Brief von Archimandrit Parthenios an den Bojaren Sˇeremetev, Statthalter von Kiev: »…σαν προφθάσετε το ογληγορότερον να κατέβουν όλα τα σεφέρια να πηάσουν την άκρι του Ήστρου και την άκρι της Ταταρίας είστε κερδαιμένοι. Μακάρι να τους εγγήξετε τους Τούρκους και τους Τατάρους, μακάρι να τους παρακαλήτε να έχετε αγάπη, αυτοί θέλουν να έρθουν απάνω σας να σας πολεμήσουν. Οι Τούρκοι έκαμαν γιοφύρι στον Δούναβη και περνούν, μόνο μην κοιμάστε, μόνο ξυπνήστε.«, ebenda nr. 600, (14. April 1660). 153 »…νομίζων νικήσαι τους Οθωμανούς, και αφανίσαι την βασιλείαν αυτών ο άφρων, και γενέσθαι βασιλεύς.«, Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 134; vgl. Pa˘un, »Enemies within«, 225, Anm. 44. ˇ esnokova, 154 »…πρώτον μεν εστέφθη εκεί ως βασιλεύς«, Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 134. Vgl. C »Ideja«, 195. 155 Vgl. R. Pa˘un, »Pouvoir, Croisade et Jugement Dernier au XVIIe siècle: le vécu et l’invisible«, in: I. Biliarsky (Hg.), Ius et Ritus. Rechtshistorische Abhandlungen über Ritus, Macht und Recht, Sofia 2006, 213–283, hier 282. Zu Mihneas’ Revolte vgl. außerdem: ders., »Enemies within«, 214f., 223, 243; Andreescu, »Relations«, 166–169; Hurmuzaki, Fragmente, Bd. 3, 246. Zur blutigen osmanischen Strafexpedition vgl. Kunt, The Köprülü Years, 122. Zur Hinwendung Mihneas an Moskau nach seiner Niederlage vgl. L. E. Semenova, Russko-
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Niederlage und sein unrühmliches Ende (er wurde wahrscheinlich von seinem Verbündeten Rákóczi vergiftet) schlossen gewissermaßen den Vorhang nach einer über zehnjährigen, außerordentlich dichten und turbulenten Periode in der Geschichte Ost- und Südosteuropas, bemerkenswerterweise zeitgleich mit der parallelen »Stabilisierung« in Zentral- und Westeuropa: »Two great empires, Polish and Turkish, sometimes seemed on the point of dissolution. Then, rather mysteriously, and shortly after treaties of peace were also signed in west and northern Europe (1659–60), everything tended to simmer down again after an immense wastage of human energy.«156
valasˇkie otnosˇenija v konce XVII–nacˇale XVIII v., Moskau 1969, 57. Dem Zweck der Allianz mit Rákóczi diente die Synode, die Mihnea im Januar 1659 in Tirgovis,te einberief, um die Taufe der Lutheraner und Calvinisten anerkennen zu lassen, vgl. O. Olar, »Orthodoxie et politique. I: Le Synode de Târgovis¸te (Janvier 1659)«, Archaeus 11–12 (2007–2008), 177–204; ders., »Orthodoxy and Politics«, 246–252; Tchentsova, »Le patriarche Macaire«, 325. 156 Stoye, Europe unfolding, 50. Zu 1659 als Zäsur in der Geschichte der Donaufürstentümer (engere Kontrolle der Pforte durch die Ernennung von aus Konstantinopel ›importierten‹ Fürsten) vgl. A. Pippidi, »Phanar, Phanariotes, Phanariotisme«, RESEE 13 (1975), 231–239, hier 237.
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Von 1677 bis 1878 führten Russland und das Osmanische Reich in bemerkenswerter Regelmäßigkeit nicht weniger als zehn Mal gegeneinander Krieg. Im Nachhinein lässt sich darin eine einzige ausgedehnte geopolitische Auseinandersetzung ausmachen, welche die Entwicklung der beiden parallel verlaufenden wie auch miteinander verflochtenen Reichsgeschichten entscheidend bestimmte.1 Ebenfalls im Nachhinein erscheint, auch ohne die ›historische Notwendigkeit‹ der sowjetischen Historiographie zu bemühen, die Reihe der russisch-osmanischen Kriege als vorgezeichnet. Denn man könnte davon ausgehen, dass in der Entscheidung Moskaus, in der Kosakenfrage einzugreifen, die zu Perejaslav und zum Zweiten Nordischen Krieg führte, die Auseinandersetzung mit der Pforte schon angelegt war. Von daher 1654 als Wendepunkt auch für das russischosmanische Verhältnis zu betrachten,2 wäre dennoch nicht ausschließlich eine Frage der rückblickenden Perspektive. Aufmerksamen Zeitgenossen, wie etwa dem schwedischen Gesandten in Konstantinopel Claes Rålamb (1658), blieb es nicht verborgen, dass aufgrund von Moskaus Verwicklung in die ukrainischen Angelegenheiten und des aufkommenden Misstrauens der Pforte bezüglich der
1 Victor Taki beschreibt diese zehn russisch-osmanischen Kriege als eine Einheit, da sie alle 15– 30 Jahre stattfanden, hauptsächlich in Südosteuropa ausgefochten wurden und (russischerseits) durch das Motiv der Befreiung der Balkanchristen legitimiert wurden, V. Taki, »Orientalism on the Margins. The Ottoman Empire under Russian Eyes«, Kritika 12 (2011), 321– 351, hier bes. 321, Anm. 1; V. H. Aksan, Ottoman Wars, 1700–1870. An Empire Besieged, Harlow 2007, Kap. 1; Br. Davies, Empire and Military Revolution in Eastern Europe. Russia’s Turkish Wars in the Eighteenth Century, London u. a. 2011; sowie den älteren Aufsatz von G. Vernadsky, »On some parallel trends in Russian and Turkish History«, Transactions of the Connecticut Academy of Arts and Sciences 36 (1945), 25–36. 2 Dazu vgl. H.-J. Torke, »The Significance of the Seventeenth Century«, FOG 58 (2001), 13–20, hier 14f.; R. Wittram, Peter I. Czar und Kaiser. Zur Geschichte Peters des Großen in seiner Zeit, Göttingen 1964, Bd. 1, 24f., 30.
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Loyalität ihrer orthodoxen Untertanen Zar und Sultan bereits als Feinde gelten mussten.3 Der Ausgleich mit Polen, Ordin-Nasˇcˇokins strategisches Konzept, erwies sich als bleibendes Resultat der Umbrüche in der Jahrhundertmitte. Im Waffenstillstand von Andrusovo 1667, der den Krieg unter vorläufiger Sanktionierung der ukrainischen Gewinne des Zaren einschließlich Kievs beendete, war ein polnischrussisches defensives Bündnis gegen die Osmanen schon vorgesehen.4 1672 war es dann so weit. Die osmanische Offensive unter Ahmed Köprülü, dem Sohn und Nachfolger von Mehmed Köprülü, gegen die polnische Ukraine und die Eroberung Polodiens veranlassten Moskau, in Umkehrung der herkömmlichen Verhältnisse, im September 1672 selbst eine diplomatische Großinitiative zu starten und Gesandtschaften an fast alle relevanten europäischen Höfe zum Zweck der Vereinbarung eines antiosmanischen Kreuzzuges zu senden.5 Mit Artamon Matveev hatte 1670 Ordin-Nasˇcˇokin in der Leitung des Moskauer Außenamtes ein Mann abgelöst, der mit Zustimmung des Zaren die Allianz mit Polen im Sinne einer Konzentration der russischen Außenpolitik auf den Süden auslegte und das Risiko eines Kräftemessens mit dem wiedererstarkten Osmanischen Reich nicht scheute.6 Dieser erste Vorstoß blieb erfolglos. Doch weder der Tod von Aleksej Michajlovicˇ (am 30. Januar 1676) noch Matveevs bald darauffolgender Sturz führten zu einem Richtungswechsel.7 Der Ukaz des neuen Zaren Fedor Alekseevicˇ im September 1676, der die Ausweisung der griechischen Kaufleute aus Moskau und die Verlegung all ihrer Handelsgeschäfte an die Grenzstadt Putivl’ vorsah, war nicht einer vermeintlichen antigriechischen Einstellung geschuldet, wie teilweise in der Literatur gedeutet.8 Er war gewiss ein Zeichen für den Niedergang des griechi3 Eine Sichtweise, die er selbst nach Kräften seinen osmanischen Ansprechpartnern nahelegte, Rålamb »A journey to Constantinople«, 707, 714. Zwischen 1651 und 1660 waren die russischosmanischen Kontakte auf Eis gelegt. 1660 ging es wieder einmal um gegenseitige Raubzüge der Krimtataren und der Donkosaken, vgl. Smirnov, Rossija i Turcija, Bd. 2, 105, 109–111. 4 Vgl. Davies, Warfare, State and Society, 151; Uebersberger, Rußlands Orientpolitik, 30; P. Bushkovitch, Peter the Great, Laham u. a. 2001, 54. 5 Vgl. Longworth, Alexis, 209–213; Smirnov, Rossija i Turcija, Bd. 2, 126; Zernack, »Die Expansion«, 147f.; G. von Rauch, »Moskau und die europäischen Mächte des 17. Jahrhunderts«, HZ 178 (1954), 25–46, hier 40f.; B. N. Florja, »Vojny Osmanskoj imperii s gosudarstvami Vostocˇnoj Evropy«, in: Osmanskaja imperija i strany Central’noj, Vostocˇnoj i Jugo-vostocˇnoj Evropy v XVII v., Bd. 2, Moskau 2001, 108–147, hier 111; Schwarcz, »Die diplomatischen Beziehungen«, 36. 6 Vgl. Stevens, Russia’s Wars, 191; Davies, »Muscovy at War and Peace«, 510. 7 Entgegen der Befürchtungen von griechischen Geistlichen, etwa von Germanos Lokros, die dieser im Juli 1676 in einem Brief an Evgenios Giannoulis äußerte, vgl. Hurmuzaki, Documente, Bd. 13, 357f. und 14/1, 32f. 8 Vgl. Kapterev, Charakter, 267–271; ders., »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 236–238; Alexandropoulou, »Η ελληνική μονή«, 113, 133f.
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schen Einflusses in Moskau, dem im Text des Beschlußes Rechnung getragen wurde: Bedeutende griechische Kirchenmänner mit kostbaren Reliquien und Ikonen, deren Entouragen sich die Kaufleute anschlossen, kämen demnach kaum mehr nach Moskau. Hauptsächlich war jedoch die Motivation der Moskauer Regierung mit der Regulierung des Handels- und Kommunikationswesens und vor allem mit Vorsichtsmaßnahmen gegen potentielle osmanische Spionage angesichts des sich abzeichnenden Krieges in der Ukraine verbunden.9 Der Krieg brach 1677 aus, aufgrund des Seitenwechsels des Kosakenhetmans Peter Dorosˇenko, der in der Tradition Chmel’nyc’kyjs zwischen den angrenzenden Mächten zu lavieren verstand, wodurch er bereits den osmanisch-polˇ yhyryn, nischen Krieg 1672 ausgelöst hatte. Gekämpft wurde um die Festung C die sich als Residenz des Kosakenhetmans etabliert hatte. Die erste osmanische Offensive wurde von den russischen Truppen abgewehrt; beim zweiten Feldzug, unter dem persönlichen Kommando des Großwesirs Kara Mustafa, evakuierten ˇ yhyryn, nachdem sie es niedergebrannt hatten.10 Der Moskauer die Russen C Regierung ging es in erster Linie um die Verteidigung Kievs, die durch den Rückzug gesichert wurde. Auch Kara Mustafa auf osmanischer Seite war kaum an ein Vordringen in die ruinierte Ukraine interessiert. Er zielte seinerseits auf die Absicherung Podoliens und die Disziplinierung bzw. die bessere Kontrolle über die beiden Donaufürstentümer, deren Fürsten immer wieder Geheimverhandlungen mit Polen und Russland führten.11 Trotz der eifrigen Agitation des Sultanpredigers Vani Effendi an der Front, der eine Jihad-Stimmung gegen die Ungläubigen beschwor,12 sieht das ganze Unternehmen aus osmanischer Sicht eher wie eine Generalprobe für den baldigen Vorstoß gegen Wien aus. Daher ist Moskau beim Friedensabkommen 1681/82 angesichts des militärischen Verlaufs ein diplomatischer Erfolg gelungen: Die Pforte erkannte die russischen Gebietserwerbungen in der Ukraine an.13 Doch die vorgesehene zwan9 Ohnehin wurden die strengen Maßnahmen auf Intervention des Moskauer Patriarchen Ioakim größtenteils rückgängig gemacht, vgl. Chrissidis, An Academy, 47–49; A. D. Sˇachova, »Spisok grecˇeskich kupcov v Moskve 1681 g. iz fondov Rossijskogo Gosudarstvennogo Archiva Drevnich Aktov«, Rossija i Christianskij Vostok 4/5 (2014), 581–592. 10 Vgl. Florja, »Vojny Osmanskoj imperii«, 126–131; Davies, Warfare, State and Society, 159–172; ders., »Muscovy at War and Peace«, 511–513; ders., »The Second Chigirin Campaign (1678): Late Muscovite Military Power in Transition«, in: E. Lohr, M. Poe (Hg.), The Military and Society in Russia, 1450–1917, Leiden u. a. 2002, 97–118; Stevens, Russia’s Wars, 191–193; Uebersberger, Rußlands Orientpolitik, 32–35; Smirnov, Rossija i Turcija, Bd. 2, 135–163. 11 Vgl. Finkel, Osman’s Dream, 273; Davies, Warfare, State and Society, 159, 193; ders., »Muscovy at War and Peace«, 512. 12 Vgl. Baer, Honored by the Glory of Islam, 171–173. 13 Vgl. C. B. O’Brien, »Russia and Turkey, 1677–1681: The Treaty of Bakhchisarai«, RR 12 (1953), 259–268; Davies, Warfare, State and Society, 170; ders., »Muscovy at War and Peace«, 513; ders., »The Second Chigirin Campaign«, 115. Die von Alexandros Mavrokordatos ins Griechische übersetzte, eigenhändige Fassung des Friedensvertrags: RGADA, f. 52, op. 2, nr. 662;
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zigjährige Laufzeit des Vertrags erwies sich als zu großzügig bemessen. Die osmanische Niederlage am Kahlenberg 1683 und die Bildung der Sacra Liga ermunterten die Moskauer Regierung unter der Leitung der Zarevna Sofija Alekseevna (nach dem Tod Fedors 1682 und dem Thronantritt der minderjährigen Ivan und Peter) zur Kündigung des Friedensvertrags. Dass der Entsatz Wiens im Oktober 1683 auch in Moskau mit angeordneten Dankgebeten in allen Kirchen gefeiert wurde, war nicht selbstverständlich. Vielmehr ist es als Zeichen des kulturellen Wandels bzw. des Wandels im Selbstverständnis und in der Selbstverortung der Moskauer Dynastie als Teil der »Christenheit« anzusehen, ein Wandel, zu dem auch die Übernahme antiosmanischer Kreuzzugsrhetorik und -symbolik gehörte.14 Aussichtsreich erschien in Moskau zum einen die Möglichkeit, durch Teilnahme an der Liga die definitive Sanktionierung der provisorischen Zugeständnisse von Andrusovo von der polnischen Seite zu erlangen, was tatsächlich im »Ewigen Frieden« von 1686 auch geschah. Zum anderen erschien Moskau die Aufgabe, das Krimchanat anzugreifen, umsetzbar. Durch einen entscheidenden Schlag sollte die ständige Bedrohung der Südgrenze mitsamt dem demütigenden Tribut an den Chan beseitigt werden. Die zwei Feldzüge gegen die Krim 1687 und 1689 scheiterten wider Erwarten schon an der Logistik des Unternehmens, nämlich der Versorgung des gewaltigen Moskauer Aufgebots (etwa einhundertdreißigtausend Mann). Es handelte sich zwar nicht um militärische Desaster – schließlich erfüllte Moskau seinen Auftrag, die Kräfte des Chans an der Krim zu binden. Zum Verhängnis wurde Sofija und ihrem Favoriten, dem glücklosen Feldherrn Vasilij Golicyn, eher der Versuch, die Pleiten als glänzende Siege zu verkaufen.15 Der Regierungswechsel, der den siebzehnjährigen Co-Zaren Peter in den Vordergrund rückte, bedeutete, trotz anfänglicher Bedenken seiner Berater, keinen Kurswechsel in der eingeschlagenen Politik. Zur Zäsur für die Durchsetzung Peters Hurmuzaki, Documente, Bd. 13, 46f. Der Patriarch von Konstantinopel Iakovos schickte ein Gratulationsschreiben an seinen Moskauer Kollegen Ioakim mit Mahnungen über den Wert des Friedens, GIM Vlad. 534 (Sinod. 2307), Mai 1682. 14 Vgl. Wittram, Peter I., 26; Davies, Warfare, State and Society, 176f. Zum Widerhall der Nachrichten von den osmanischen Niederlagen in Moskau vgl. D. C. Waugh, »News Sensations from the Front: Reportage in Late Muscovy concerning the Ottoman Wars«, in: Ch. S. L. Dunning u. a. (Hg.), Rude und Barbarous Kingdom Revisited: Essays in Russian History and Culture in Honor of Robert O. Crummey, Bloomington 2008, 491–506; S. M. Sˇamin, I. Carras, ˇ 8 (2010), 182–195; S. M. Sˇamin, »Izvestija ›grecˇeskoj‹ tematiki v kurantach 1687 g.«, KC ˇ 9 (2011), 144–161; ders., »Izvestija o grekach v kurantach v period Morejskoj vojny«, KC »Krest nad Sviatoj Sofiej: znamenija i prorocˇestva o padenii Osmanskoj imperii v gody vojny ˇ 10 (2012), 134–143. Svjasˇcˇenoj ligi 1683–1700 gg. (po materialam kurantov)«, KC 15 Vgl. Davies, Warfare, State and Society, 182; Stevens, Russia’s Wars, 205–208; Wittram, Peter I., 76f., 96; L. Hughes, Sophia, Regent of Russia, 1657–1704, New Haven u. a. 1990, 197–217, 229; dies., Russia and the West. The Life of a Seventeenth-Century Westernizer Prince Vasily Vasil’evich Golitsyn (1643–1714), Newtonville Mass. 1984, 48–68.
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und auch für den Beginn seiner Reformprojekte – auch im eigenen Selbstverständnis – wurde die Eroberung Azovs 1696.16 Azov war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr die auch von Kosakenverbänden einzunehmende Hafenstadt von 1637, sondern eine stark ausgebaute Festung, bei der ohne den Einsatz von Kriegsschiffen nichts auszurichten war, wie der erste gescheiterte Anlauf 1695 erwies. Zukunftsweisend waren nicht nur der in Rekordzeit erledigte Aufbau einer Kriegsflotte in Voronezˇ und die eingesetzten Belagerungstechniken durch angeworbene holländische und britische Fachleute, sondern auch die Publizität des Sieges. Dieser wurde mit einer bis ins Detail orchestrierten Triumphparade in Moskau gefeiert, dominiert von antik-barocken Symbolen und Feuerwerken, sowie mit der Prägung von Siegesmedaillen mit dem Konterfei Peters als lorbeerbekränztem römischem Cäsar.17 Mit Azov als Visitenkarte bzw. als Kreditive brach der Zar auf seine »Große Ambassade« gen Westen auf, um für die Fortsetzung der Liga zu werben. Es ist nicht verwunderlich, dass Moskaus außenpolitischer, auf Konfrontation mit dem Osmanischen Reich ausgerichteter Kurs zunächst nur für wenig Begeisterung oder kühne Initiativen und Appelle unter den orthodoxen Untertanen des Sultans sorgte. Dies erklärt sich schon aus der defensiven russischen Einstellung gegenüber einem übermächtig erscheinenden Gegner und nicht zuletzt angesichts ebenjener Übermacht. Die panorthodoxen Losungen, die ein griechischer Händler namens »Rodion Ivanov« bei seinem Verhör im Moskauer Außenamt im Oktober 1672 zum Besten gab, ähnliche Nachrichten von Kaufleuten aus Kiev 1673, dass Griechen, Serben, Walachen und Moldauer auf ein Signal Moskaus zum Aufstand warten oder auch die wirren Traumvisionen eines »Kostka Stamatev«, verhört im Juni 1681, lassen sich wie ein Echo der Parolen und Diskurse der 1650er Jahre wahrnehmen18 und können nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Tat »die Zeit der großen politischen Projekte vorbei
16 »Azov encapsulated the central themes of Peter’s reign and the whole Petrine order: reorganization for war, the reinvention of the Russian imperial system and the rise of Russia as a Great European Power […], it marks the first real attempt by Peter to construct an imperial identity.«, Gr. Herd, »Peter the Great and the Conquest of Azov: 1695–96«, in: L. Hughes (Hg.), Peter the Great and the West. New Perspectives, Basingstoke 2001, 161–176, hier 174f. 17 Zur Eroberung Azovs vgl. Wittram, Peter I., 76f., 118–128; Davies, Warfare, State and Society, 183–187; Stevens, Russia’s Wars, 208–211; A. Brückner, Peter der Große, Berlin 1879, 116–133. Zur Triumphparade vgl. Wortman, Scenarios of Power, Bd. 1, 45f.; R. Collis, »Andrei Vinius (1641–1716) and Interest in Western Esotericism in Early Modern Russia«, ARIES 12 (2012), 191–220, hier 193; E. Pogosjan, Petr I – architektor rossijskoj istorii, St. Petersburg 2001, 35–41; V. P. Grebenjuk, Panegiricˇeskaja literatura petrovskogo vremeni, Moskau 1979, 13–15. 18 Zu Rodion vgl. S. M. Sˇamin, »Izvestija grecˇeskich informatorov o dejstvijach Osmanskoj imperii i ee sojuznikov v Reci Pospolitoj v 1672–1673 gg. (Po materialam fonda 155 RGADA)«, ˇ 7 (2009), 202–208. Zu den Nachrichten aus Kiev vgl. Semenova, Russko-valasˇkie otnosˇeKC nija, 60. Zu Kostka siehe Kap. II.3.
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war«19. Erst die Teilnahme Moskaus an der Sacra Liga und besonders der unaufhaltsame Vorstoß der kaiserlichen Truppen in osmanisches Territorium schufen die Voraussetzungen für neue Initiativen. Die Revolte der Janitscharen im September 1687, die Sultan Mehmed IV. vom Thron und das Reich in ein Chaos stürzte, schien die Geister der Krise vor der »Köprülü«-Restauration wachzurufen und ließ Diskurse vom osmanischen Zusammenbruch wiederaufleben. Insgesamt ähnelt die Konstellation jedoch nicht allzu sehr jener der Jahrhundertmitte. Die verschiedenen Kontexte, diplomatische, militärische sowie mentale, hatten sich auf gesamteuropäischer wie auf regionaler, südosteuropäischer Ebene seit dem Zenit der »allgemeinen Krise« vielfach verändert.20 Veränderungen sind auch innerhalb der sozialen Gruppen, unter den Akteuren zu registrieren, die als Ansprechpartner, Informanten und Agenten Moskaus im osmanischen Machtbereich infrage kamen. Die zuverlässigsten gehörten nach wie vor dem hohen Klerus der Ostkirche an. Hier sind die auffälligsten Kontinuitäten auszumachen, obgleich sich weder ein reger Netzwerkeaktionismus und wilde Projektemacherei im selben Maße wiederholten noch der zurückgegangene Einfluss der griechischen Kirchenmänner in Moskau dies hätte erlauben können. Es ist bezeichnend, dass die regelwidrige Absetzung des Patriarchen Paisios von Alexandria wegen dessen Moskaureise durch den Ökumenischen Patriarchen Parthenios IV. 1667 damit rechtfertigt wurde, dass Paisios es gewagt habe, »Orte [Moskau] aufzusuchen, die sich dem mächtigen Reich, dem wir untertan sind, widersetzen«; dies wohlgemerkt, als Russen und Osmanen noch nie im Krieg gegeneinander gewesen waren.21 Weit weniger bereit zu riskanten Gefälligkeiten oder gar zu militanten Kreuzzugsaufrufen waren die griechischen Archonten, die nicht mehr bloß als Mitglieder oder Klienten der kirchlichen Netzwerke auftraten, sondern in Gestalt einer neu emporgekommenen Elite, der Phanarioten, als Vermittler der diplomatischen Beziehungen Moskaus zur Pforte.22 Neben den Patriarchen, bei denen die Moskauer Gesandten in Konstantinopel üblicherweise Instruktionen, Rat und Unterstützung holen sollten, hatten sie es 19 Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 85. 20 Überblick bei Stoye, Europe Unfolding, Kap. 10 und 11. 21 »…εις τόπους ους ουκ έδει θαρσήσαι αποδημούντος, αντιφερομένους τη κραταιά υφ’ήν υποκείμεθα βασιλεία.«, K. Delikanis, Τα εν τοις κώδιξι του Πατριαρχικού Αρχειοφυλακίου σωζόμενα επίσημα εκκλησιαστικά έγγραφα [Dokumente aus dem Patriarchatsarchiv], Bd. 2, Istanbul 1904, 7–9. 22 Zum Kontrast zwischen der Einstellung von Archonten und Hierarchen vgl. Pa˘un, Enemies within, 235, Anm. 78. Zur Herausbildung der phanariotischen Elite und deren Einbindung in die osmanischen Machtstrukturen vgl. ders., »Well-born of the Polis«; C. G. Patrinelis, »The Phanariots before 1821«, BS 42 (2001), 177–198; D. G. Apostolopoulos, Για τους Φαναριώτες. Δοκιμές ερμηνείας και μικρά αναλυτικά [Von den Phanarioten. Interpretationsversuche und kurze Analysen], Athen 2003.
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nun mit Ansprechpartnern zu tun, deren verwobene Loyalitäten die russischen Glaubensgenossen mitunter irritierten. Schon der erste griechisch-orthodoxe Großdragoman, Panagiotis Nikousios, hatte sich um Kontaktaufnahme mit Moskau bemüht und 1669 den Zaren Aleksej Michajlovicˇ angeschrieben. Dabei brachte er es bezeichnenderweise fertig, die Huldigungsbekundungen gegenüber dem orthodoxen Kaiser, dem einzigen Schutzherrn der Ostkirche in ihrer Gefangenschaft, dem unmissverständlichen Lob der eigenen Herren, der weisen Gebieter des Osmanischen Reiches, zu akkommodieren.23 Gegen regelmäßige Zahlungen, die seinen karitativen Stiftungen sowie Schulen und Klöstern, sprich: der Pflege seines Klientelnetzwerks zugute kommen sollten, erklärte Nikousios sich 1671 bereit, Moskaus Interessen bei der Pforte zu fördern.24 Dies war weder außergewöhnlich noch unbedingt bedenklich. Auch Nikousios’ Nachfolger seit 1673, Alexandros Mavrokordatos, erhielt als Garantie seines Wohlwollens Geschenke und Pensionen seitens mehrerer europäischer Gesandtschaften, einschließlich der russischen.25 Mitunter zahlten sich die Spenden aus, wie 1678 noch während des Krieges, als Mavrokordatos dem russischen Gesandten Afanasij Porosukov im Vertrauen von den Kriegsplänen des Großwesirs und von den Intrigen des polnischen Gesandten erzählte.26 Im Großen und Ganzen trifft freilich das Bonmot Nicolae Iorgas wohl doch zu: »In Wirklichkeit deckten sich seine eigenen Interessen allzusehr mit denen der Osmanen, als daß er seine christenfreundlichen Beziehungen weiter als bis zur Übersetzung und Mitteilung ebenso geheimer wie unbedeutender Briefe getrieben hätte.«27 Anders stellte sich die Lage für die mit den Kirchenmännern und den Phanarioten vernetzten Hospodaren der Donaufürstentümer dar, die in ihrer Strategie und Taktik, im Abwägen der Optionen und in der Entscheidungsfindung, 23 G. G. Mazarakis, »Ανέκδοτοι επιστολαί επισήμων ανδρών« [Unveröffentlichte Briefe prominenter Männer], Κέκρωψ 1 (1886–87) 74f., 92f.; P. Tzoumerkas, Ο κώδιξ υπ’αριθμ. 393 της Αλεξανδρινής Πατριαρχικής Βιβλιοθήκης ο λεγόμενος του πατριάρχου Αλεξανδρείας Παϊσίου [Der Codex nr. 393 der Patriarchatsbibliothek von Alexandria, genannt Codex des Patriarchen Paisios], Alexandria 2010, 169–171. 24 Vgl. P. P. Panaitescu, »Nicolas Spathar Milescu (1636–1708)«, in: Mélanges de l’École Roumaine en France, Paris 1925, 33–180, hier 67. 1672 warnte er den Zaren vor dem Misstrauen der Pforte gegenüber nach Moskau reisenden Griechen, vgl. Kapterev, Charakter, 320. 25 Zu Nikousios und Mavrokordatos vgl. D. Janos, »Panaiotis Nicousios and Alexander Mavrocordatos: The Rise of the Phanariots and the Office of Grand Dragoman in the Ottoman Administration in the Second Half of the Seventeenth Century«, Archivum Ottomanicum 23 (2005/06), 177–196; anstelle noch fehlender ausführlicher Biographien vgl. G. Koutzakiotis, Attendre la fin du monde au XVIIe siècle. Le messie juif et le grand drogman, Paris 2014, 121– 146; N. Camariano, Alexandre Mavrocordato, le Grand Drogman. Son activité diplomatique, 1673–1709, Thessaloniki 1970. 26 Vgl. Smirnov, Rossija i Turcija, Bd. 2, 145f. 27 N. Iorga, Geschichte des Osmanischen Reiches, Bd. 4, Gotha 1908–1913, ND: Darmstadt 1990, 284.
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zumal in Kriegsperioden, noch komplexere Dilemmata bei der Verfolgung ihrer eigenen, persönlichen oder dynastischen Zielsetzungen zu bedenken hatten.28 Während des polnisch-osmanischen Krieges 1672–1676 kam es zu einer Wiederholung der Gesuche um Moskaus Schutzherrschaft über die Moldau. Auf die Initiative des Fürsten S¸tefan Petriceicu von Moldau und des alten Bekannten Moskaus Constantin S¸erban, Ex-Fürst der Walachei, die 1674 den Zaren um militärischen Beistand baten, folgten seitens Moskau nur unverbindliche Versprechen. Ohnehin verhandelten die Fürsten parallel mit den Polen und fanden nach Petriceicus Sturz in Polen-Litauen Zuflucht.29 Mit den rasanten Umbrüchen seit 1683 eröffneten sich neue Möglichkeiten im selben Maße, wie die Dilemmata akut wurden. Zum Knotenpunkt der Beratungen der verschiedenen Akteure wurde der walachische Fürstenhof in Bukarest unter dem Fürsten S¸erban Cantacuzino (1678–1688).30 Als Spross einer der einflussreichsten Archontenfamilien Konstantinopels – inzwischen in der dritten Generation in die Eliten der Donaufürstentümer eingeheiratet und integriert – pflegte S¸erban ein auf die (wohl fiktive) Abstammung der Familie vom byzantinischen Kaiserhaus gestütztes Repräsentationsprogramm. Ohne die in Teilen der rumänischen Historiographie behaupteten »krypto-imperialen« Ansprüche der Hosporaden bemühen zu müssen,31 ist es durchaus vorstellbar, dass sich S¸erban unter dem Eindruck der Kriegsereignisse und unter dem Einfluss geschickter diplomatischer Agenten und Hofrhetoren weitgehende Aspirationen erlaubte. Das war jedenfalls der Eindruck der Zeitgenossen.32 Schon seit 1682 28 Zur ganzen Problematik vgl. Pa˘un, »Enemies within«. Prägnant die Überlegungen des Sekretärs von Constantin Brȃncoveanu, Anton-Maria del Chiaro, vgl. ders., Istoria delle moderne rivoluzioni della Valachia, [Venedig 1718], hg. von N. Iorga, Bukarest 1914, 148f. 29 Vgl. Semenova, Russko-valasˇkie otnosˇenija, 60–63; vgl. die Dokumente in ISNSR, Bd. 3, 9–37. 30 Vgl. P. Cernovodeanu, »Bucarest. Important centre politique du Sud-est européen à la fin du XVIIe siècle et au commencement du XVIIIe«, RESEE 4 (1966), 147–167. 31 Siehe Kap. III.1. 32 Vgl. D. Ionescu, »Ideal and Representation. The Ideal of the Restoration of the Byzantine Empire during the reign of S¸erban Cantacuzino (1678–1688)«, RESEE 12 (1974), 523–535. Einige Jahre später (April 1692) berichtete der kaiserliche Gesandte Graf Marsigli, S¸erban habe den Wiener Hof hinters Licht geführt und im Einverständnis mit Moskau nach der kaiserlichen Krone getrachtet: »Da un prete greco mi è stato communicato il concerto del su Serbano, Vaivoda de Valachia, col Czar di Moscovia per introdurlo all’Imperio Greco […] per vimettere l’Imperio greco nelle mani di Greco Imperatore, serrendosi dell’armi di Cesare, à quale si mostrava zelo e divotione per facilitare tal disegno. Ratiani, Cosaki, Greci, Valachi, Moldavi ne erano a parte.«, Hurmuzaki, Fragmente, Bd. 3, 384f., Anm (p). Auch bei Dimitrie Cantemir heißt es, S¸erban »made a close alliance with John and Peter, czars of Muscovy, by the Bosnian Archimandrite uncle to the vizir Soliman Pasha, and had obtained a promise from them, that after Constantinople was taken, he, as being descended from the Imperial family, should be declared Emperor of the Greeks.«, Cantemir, History, 319, Anm. 72. Interessanterweise hatte S¸erban Cantacuzino seine höfische Karriere unter Mihnea III. begonnen, vgl. Pa˘un, »Pouvoir«, 223.
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hatte er Geheimabsprachen mit den Habsburgern geführt, die er während der Belagerung Wiens fortsetzte. Ziel sollte die Unterordnung der Walachei unter kaiserliche Oberhoheit und unter eine Fürstendynastie der Cantacuzino sein.33 Wenn sich S¸erban dabei misstrauisch und abwartend verhielt, dann hing dies nicht nur mit dem herkömmlichen Habitus der Hospodaren zusammen, noch weniger mit einer »den Griechen angeborenen Vorsicht«,34 sondern konkret mit der Entwicklung in Siebenbürgen und den sich abzeichnenden habsburgischen Absichten gegenüber den einheimischen Eliten und der orthodoxen Kirche. Daher hielt er Ausschau nach alternativen Optionen. Die Kontaktaufnahme mit Moskau war naheliegend, umso mehr, als in der Walachei anwesende Kirchenmänner angesichts des bedrohlichen Vorstoßes der »Papisten« zum Hilferuf an die Zaren drängten. Im September 1688 kam als Gesandter des Hospodaren der serbische Archimandrit Isaja aus dem Athoskloster des Hl. Paul in Moskau an.35 Erwartungsgemäß erzählte Isaja bei seiner Befragung zum einen von den Leiden der orthodoxen Bevölkerung unter Türken und Franken und von der Gefahr, die der ganzen Ostkirche drohe, sollten Letztere bis Konstantinopel durchmarschieren. Zum anderen unterstrich er die günstige, innerhalb von tausend Jahren sich einmalig bietende Gelegenheit, das Osmanische Reich zu vernichten. Dies bekräftigte er mit dem schriftlichen Angebot des Fürsten zu gemeinsamen militärischen Operationen mit Moskau, ohne das übliche Versprechen von der sodann garantierten Erhebung Hunderttausender orthodoxer Christen zu versäumen.36 Die Reaktion der Moskauer Regierung unter der Zarevna Sofija bestand in freundlichen, aber unverbindlichen Zusagen und in der Aufforderung an S¸erban, 33 Vgl. L. E. Semenova, »Moldavija i Valachija v antionsmaskich planach stran regiona v konce XVII v.«, in: Osmanskaja imperia i strany centralnoj vostocˇnoj i jugo-vostocˇnoj Evropy v XVII v., Bd. 2, Moskau 2001, 343–357; O. Brunner, »Österreich und die Walachei während des Türkenkrieges von 1683–1699«, MIÖG 44 (1930), 265–323, hier 277–297; G. Hering, »Das Jahr 1683 und die orthodoxen Völker Südosteuropas«, in: ders., Nostos. Gesammelte Schriften zur Südosteuropäischen Geschichte, hg. von M. A. Stassinipoulou, Frankfurt a.M. u. a., 1995, 149– 175, hier 159. 34 Jorga, Geschichte, Bd. 4, 237. 35 Die Bruderschaft des Hl.-Paul-Klosters war im 17. Jahrhundert ethnisch gemischt, doch serbisch dominiert. Dass Isaja Serbe gewesen ist, ist anhand seiner Wendung von der »einen Sprache und dem einen Glauben« zu vermuten, welche die Balkanchristen mit den Russen teilten: »potomu ˇsto oni vse christiani iskoni pravoslavnymi cari byli obladaemy, i jazyk i vera edina, i vse oni tomu radi i ozˇidajut ich’ gosudarevych ratej prisˇestvija s’ radostju«, N. Kapterev, »Priezd v Moskvu Pavlovskogo afonskago monastyrja archimandrita Isaji v’ 1688 godu«, Pribavlenija k’ izdaniju tvorenii svjatych otcev v russkom perevode 44 (1889) 260–320, hier 281. 36 Dokumentation einschließlich des Briefwechsels zwischen S¸erban und den Zaren in: ISNSR, Bd. 3, 89–96; SGGD, Bd. 4, 591–594.
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zunächst einmal Hilfstruppen zum Krimfeldzug beizusteuern. Im Antwortschreiben hieß es zudem, der Fürst solle Geduld üben und unterdessen auf keinen Fall mit einem anderen Monarchen (gemeint war Kaiser Leopold I.) paktieren. Inzwischen wurde ein Grieche namens »Dementij Fomin« nach Bukarest geschickt, um vor Ort die Verhältnisse zu sondieren und die Glaubwürdigkeit der Beteuerungen einzuschätzen. Als dieser im Dezember 1688 dort eintraf, war S¸erban bereits seit wenigen Wochen tot.37 Constantin Brȃncoveanu, S¸erbans Neffe mütterlicherseits und sein Nachfolger (1688–1714), und der Stolnik Constantin Cantacuzino, S¸erbans Bruder, zeigten sich nun ihrerseits zögerlich und beließen es bei vagen Versprechen.38 Über das Doppelspiel Bukarests waren inzwischen die Habsburger bestens informiert, da Isaja auf seiner Rückreise über Siebenbürgen festgenommen und die Moskauer Antwortschreiben beschlagnahmt worden waren. Die langanhaltende Rivalität zwischen den Verbündeten Habsburgern und Romanovs um den Einfluss auf dem Balkan zeichnete sich schon ab.39 Isaja musste mehr als zwei Jahre in Wien im Gefängnis auf seine durch Bitten Moskaus erwirkte Freilassung warten. Erst im Herbst 1691 durfte er zurück nach Moskau, wo er eine völlig veränderte Lage vorfand. Der Auftrag, den ihm Vasilij Golicyn erteilt hatte, bei dem Patriarchen der Ostkirche die Erlaubnis für die Krönung Sofijas zur Kaiserin zu organisieren, war nach dem Coup vom September 1689 gegenstandslos.40 Dasselbe galt vorerst für das 1688 angeregte Projekt.41 Dennoch lohnt es sich, bei der Episode zu verweilen. Beteiligt daran waren nämlich Arsenije Crnojevic´, Erzbischof resp. Patriarch von Pec´, der Metropolit der Walachei Teodosie und die Ex-Patriarchen von Konstantinopel Dionysios IV. und Iakovos II., die ersten drei mit eigenen Appellen in Briefform, die Isaja nach Moskau übermittelte. Wegen der Kooperation dieser Akteure ist in der Histo-
37 S¸erban hatte sich zuletzt dem Druck Wiens gebeugt und seine Unterordnung unter den Kaiser zugesagt. Gerüchte von seiner Ermordung wurden darauf gestützt. Der Bruder des Fürsten, der Stolnik Constantin Cantacuzino, gab später, während des Verhörs vor seiner Hinrichtung in Konstantinopel 1716 zu (oder doch besser: behauptete), S¸erban 1688 eben deswegen vergiften lassen zu haben, was seine absolute Loyalität gegenüber der Pforte beweisen sollte, vgl. V. Cândea, »Le Stolnic Constantin Cantacuzène. L’homme politique – l’humaniste«, RRH 5 (1966), 587–629, hier 597, Anm. 22. 38 Vgl. ISNSR, Bd. 3, 101–108. 39 Vgl. Hurmuzaki, Fragmente, 385; A. V. Florovsky, »Russo-Austrian Conflicts in the Early 18th Century«, SEER 47 (1969), 94–114. 40 Es ist ohnehin fraglich, ob Isaja den Auftrag auszuführen beabsichtigte. Patriarch Ioakim, der auf Peters Seite stand, hatte ihn davon abzubringen versucht, vgl. Kapterev, »Priezd Isaji«, 302. Zum Krönungsprojekt Sofijas vgl. Wittram, Peter I., Bd. 1, 94, 416. 41 Zur ganzen Episode vgl. des Weiteren Kapterev, Charakter, 369–382; Semenova, Russkovalasˇkie svjazi, 70–78; dies., »Moldavija i Valachija«, 349–356; Uebersberger, Rußlands Orientpolitik, 42–46; Kraft, »Die Säkularisierung«, 90–94.
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riographie vom gesamtbalkanischen Charakter der Initiative die Rede.42 Die Beteiligung Arsenijes, der mit seinem Kirchenvolk die Hauptlast der Bedrängnis zwischen den Kriegsparteien zu tragen hatte, weist neben dem Motiv der »papistischen« Gefahr auf eine weitere Veränderung, die das allmählich wachsende Gewicht der Serben als Ansprechpartner Moskaus und die ihnen eigenen Legitimationsdiskurse betrifft.43 Arsenije thematisierte die sprachliche Verwandtschaft zwischen Serben und Russen (nam edinojazycˇnikam) und verwies auf das vergangene serbische Königreich;44 beides in auffälliger Divergenz zu den byzantinischen Bezügen der griechischen Kirchenmänner oder des Fürsten S¸erban Cantacuzino. Dionysios IV. Mouselimis – der wohl bedeutendste Patriarch Konstantinopels in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (1671–1673, 1676–1679, 1682–1684, 1686–1687, 1693–1694)45 und Spross einer Archontenfamilie Konstantinopels, die sich selbst der Abstammung aus dem Komnenenhaus und der Verwandtschaft mit den Kantakuzenen rühmte – empfahl in seinem Brief an die Zaren den Fürsten als von kaiserlichem Geblüt sowie als Vorkämpfer und Leuchte der Orthodoxie in ihrem Elend.46 Er bekräftigte S¸erbans Appell, indem er im selbstbewussten Ton den Zaren ihre Untätigkeit, ihren »Schlaf«, vorhielt und sie zur Tat aufrief. Dionysios, der die vielen Interims zwischen seinen Amtszeiten in der Regel am walachischen Hof verbrachte und die Förderung der Hospodaren durch den Einsatz seines erheblichen Einflusses und seiner Autorität ausglich – 1688 war es Dionysios, der Constantin Brȃncoveanu zum Fürsten krönte –,47 sah dennoch seine Rolle nicht ausschließlich in der Verleihung von symbolischem
42 Vgl. Kraft, »Die Säkularisierung«, 91; A. E. Karathanasis, »La participation des Serbes au mouvement antiottoman des princes de Valachie Cantacuzène et Brancovan et des patriarches orthodoxes Dositheos Notaras et Dionysios Mouselimis XVII–XVIIIes siècles«, BS 24 (1983), 455–463; Hering, »Das Jahr 1683«, 160. 43 Vgl. Kraft, »Die Säkularisierung«, 107; Florovsky, »Russo-Austrian Conflicts«, 96. 44 Er spielte auf die Schlacht von Kosovo 1389 an, als er von den dreihundert Jahren der Gefangenschaft unter den Ungläubigen sprach. Von den Kantakuzenen, den »griechischen Kaisern«, sprach er als von Nachbarn »unserer seligen Könige« (»samoderzˇavnich carej grecˇeskich byvsii nekogda sosed’ svjatopocˇivsˇich korolej nasˇich«), Kapterev, »Priezd Isaji«, 276. Zu Arsenijes Wirken vgl. Hering, »Das Jahr 1683«, 167–174; C. S. St. Kahnè, »L’azione politica ˇ rnojevic´ dal 1682 al 1690«, OCP 23 (1957), 267–312. del patriarca di Pec´ Arsenio C 45 Vgl. A. E. Karathanasis, Οι Έλληνες λόγιοι στη Βλαχία (1670–1714). Συμβολή στη μελέτη της ελληνικής πνευματικής κίνησης στις Παραδουνάβιες Ηγεμονίες κατά την προφαναριωτική περίοδο [Die griechischen Gelehrten in der Walachei (1670–1714). Beitrag zur Erforschung der griechischen Geistesbewegung in den Donaufürstentümern in der präphanariotischen Periode], Thessaloniki 20002, 104–108. 46 RGADA f. 52, op. 2, nr. 679, (11. Juni 1688), siehe Anhang nr. 6. 47 Vgl. Karathanasis, Οι έλληνες λόγιοι, 107, Anm. 22.
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Kapital an die fürstlichen Projekte.48 Die Pläne und Zielsetzungen der Kirchenmänner und der Hospodaren überschnitten sich nur teilweise, wie am Fall von Arsenije oder bereits am Verhältnis von Paisios Lampardis zu Vasile Lupu oder Gheorghe S¸tefan zu erkennen ist. Dionysios stand auf jeden Fall auf Seiten der Hofpartei, die die russische Allianz bzw. Oberhoheit der habsburgischen vorzog und zu diesem Zwecke lobbyierte. Der Patriarch war ein alter Bekannter und Vertrauter Moskaus. 1677 hatte er in einem nächtlichen Gespräch im Patriarchat dem russischen Gesandten Afanasij Porosukov von den aggressiven Absichten der Pforte in der Ukraine benachrichtigt und dem Zaren ausgerichtet, auf keinen ˇ yhyryn den Osmanen zu überlassen.49 1686 erneut auf dem PatriarchenFall C thron, war Dionysios derjenige, der als Erster dem Moskauer Willen entgegenkam bzw. dem Moskauer Druck nachgab und die Unterstellung der Kiever Metropolie unter den Patriarchen Moskaus billigte – gegen eine üppige Bestechung, glaubt man seinem Amtsbruder Dositheos von Jerusalem, der bis zum Ende dagegenhielt und Dionysios sein Einlenken übelnahm. Im Synodalschreiben, das den Jurisdiktionswechsel sanktionierte, berief sich Dionysios auf einen Befehl des Sultans, der ihn zwang, diesen eigentlich regelwidrigen Schritt hinzunehmen.50 Später, in seinem Brief vom Juni 1688, begründete er seinen erneuten Sturz mit seinem damaligen Entgegenkommen.51 Dositheos war jedenfalls nicht überzeugt. Er warf in seiner Dodekavivlos (1689) sowie in Protestbriefen an die Zaren und an den Patriarchen Ioakim von Moskau (April 1686) der russischen Seite Bestechung und Simonie, Dionysios Geldgier und Bosheit vor.52 48 Vgl. V. G. Tchentsova, »Le clergé grec, la Russie et la Valachie à l’époque de Constantin Brȃncoveanu: Le témoignage des archives russes«, in: P. Guran (Hg.), Constantin Brȃncoveanu et le monde de l’Orthodoxie, Bukarest 2015, 96–104, hier 103f. 49 Vgl. Kapterev, Charakter, 287f. 50 SGGD, Bd. 4, 515. Dort auch das gesonderte Schreiben des Patriarchen an die Zaren: 509–514 (= RGADA f. 52, op. 2, nr. 669, 19. Mai 1686). Vgl. V. G. Tchentsova, »Sinodal’noe resˇenie 1686 g. o Kievskoj mitropolii«, Drevnjaja Rus’. Voprosy medievistiki 68 (2017), 89–110. Zur ganzen Affäre vgl. Scheliha, Universalkirche, 121–133; Kapterev, Snosˇenija Dosifeja, 80–86; ders., »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 252–266. 51 RGADA f. 52, op. 2, nr. 679 (siehe Anhang, nr. 6). Dies ist nicht sonst belegt. Gemäß den Informationen der englischen Botschaft hing sowohl sein (vierter) Thronantritt im März 1686 als auch sein Sturz im Oktober 1687 mit dem Auf- und Abstieg seines osmanischen Patrons, Suleyman Pascha zusammen, British Library, Add MS 72554, f. 48–48v. Zu Sulyeman, einem »gran diavolo politico«, wie ein venezianischer Bericht ihn bezeichnete vgl. Hammer-Purgstall, Geschichte des Osmanischen Reiches, Bd. 6, 465–496. 52 »Σιμά εκόνευσεν ο ελτζής εις ημάς και ήρχετον κάποιος αρχιμανδρίτης αγειορίτης εκ μέρους του Διονυσίου και εζήτει άδειαν από τον ελτζήν, και κατόπιν να του δώκη τα γράμματα. Και ο ελτζής απεκρίθη ότι πρώτον να του δώκη τα γράμματα και ύστερον να πάρη τα άσπρα. Και ήταν ευκολώτερον να χειροτονήσετε μητροπολίτην χωρίς γνώμην, παρά να στέλνετε άσπρα και να ζητάτε συγχώρεσιν, ότι είναι φανερά σιμωνία«, GIM Vlad. 539 (Syn. 2313), Dositheos von Jerusalem an Ioakim von Moskau, (April 1686). »… ουχ ως νυν όπου ο τιμιώτατος πρέσβυς υμών εμήνυσε ημίν, ότι αν δώσωμεν γράμμα, δίδει και έλεος, και αν δεν δίδωμεν, ού δίδωσι. Και του κυρ Διονυσίου ος εζήτει τα χρήματα, απεκρίθη ο άρχων, ότι έχει μάθημα βασιλικόν πρώτον να πάρη τα
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Der Antagonismus zwischen Dionysios und Dositheos um die Gunst Moskaus und um den Einfluss auf die russische politische und kirchliche Führung mag an die Rivalität zwischen Parthenios II. und Paisios Lampardis erinnern. Der Eindruck täuscht nicht, denn dahinter liegt weit mehr als ein analoger Sachverhalt. Während Dositheos seine kirchliche Laufbahn als Zögling des von ihm verehrten Paisios Lampardis begonnen hatte, war Dionysios ein Schüler des Theofilos Korydalleas gewesen. Zusammen mit weiteren prominenten Korydalleas-Jüngern, wie Ioannis Karyofillis, Germanos Lokros oder Evgenios Giannoulis, gehörte er jener Fraktion an, die auf Loukaris und seine Nachfolger Parthenios II. und Paisios I. zurückging. Der Calvinismusverdacht wurde ihnen ständig von der gegnerischen Fraktion vorgehalten, die von Dositheos angeführt und von einflussreichen Phanarioten, wie Nikousios und Mavrokordatos, gefördert wurde. Der Fraktionskampf erreichte seinen Höhepunkt in den frühen 1690er Jahren und endete mit dem Sieg von Dositheos über seine Kontrahenten.53 Der langjährige Patriarch von Jerusalem (1669–1707) war zweifellos der überragende orthodoxe Kirchenpolitiker seiner Zeit.54 Er verstand sich als verantwortlich für die Geschicke der gesamten Ostkirche und entsprechend betätigte er sich, indem er, gemäß Gerhard Podskalsky, »die internationalen Kräfte seiner Konfession geeint und gleichgerichtet in die Waagschale warf«55. Sein γράμματα και ύστερον να δώκη τα άσπρα.«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 668, Dositheos an die Zaren Ivan und Peter, (April 1686). Dositheos’ eigener Vorschlag war, die Metropolie unter die temporäre Oberhoheit Moskaus zu stellen: »…να δοθή όμως το Κίεβον επιτροπικώς τω Μοσχοβίαν διά την κατέχουσαν τυραννίδα, έως ημέρας επισκέψεως θείας.«, Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 240f. Auch Dionysios’ Nachfolger, Kallinikos II., der Dositheos nahestand, machte Dionysios verantwortlich für den Verlust der Kiever Metropolie (Brief von Kallinikos an Constantin Brȃncoveanu, 28. Oktober 1701), Hurmuzaki, Documente, Bd. 14/1, 338f. 53 Vgl. Karathanasis, Οι έλληνες λόγιοι, 29–45, 108; Podskalsky, Griechische Theologie, passim in den Abschnitten zu den oben genannten Personen. Dositheos’ Dodekavivlos strotzt von giftigen Kommentaren gegen Karyofillis und Co. Karyofillis starb 1692, Mouselimis 1696, beide in der Walachei. Zu Karyofyllis’ Beziehungen mit der Moskauer Regierung vgl. B. L. Fonkicˇ, »Ioann Kariofillis i ego rol’ v istorii russko-grecˇeskich sviazej v XVII v.«, Rossija i Christianskij Vostok 2–3 (2004), 392–395; Tchentsova, »Ierusalimskij protosinkell Gavriil«, 120f. 54 Vgl. Podskalsky, Griechische Theologie, 282–295; K.-P. Todt, »Dositheos II. von Jerusalem«, in: C. G. Conticello, V. Conticello (Hg.), La théologie byzantine et sa tradition, Bd. 2, Turnhout 2002, 659–720; Karathanasis, Οι έλληνες λόγιοι, 109–114; Panchenko, Arab Orthodox Christians, 328–337, 425–429; K. Sarris, Historia Ιερά. Οι αποκλίνουσες διαδρομές ενός είδους μεταξύ Δύσης και Ανατολής: από τη Δωδεκάβιβλο του Δοσίθεου Ιεροσολύμων στην Εκκλησιαστική Ιστορία του Μελέτιου Αθηνών, [Historia Sacra. Die divergierenden Routen einer Gattung zwischen West und Ost: Von der Dodekavivlos des Dositheos von Jerusalem zur Kirchengeschichte des Meletios von Athen], Diss. Univ. Thessaloniki 2010, 52–56; Chr. Papadopoulos, Δοσίθεος Πατριάρχης Ιεροσολύμων (1641–1707) [Dositheos Patriarch von Jerusalem (1641– 1707)], Jerusalem 1907. 55 Podskalsky, Griechische Theologie, 285. Bezeichnend seine Maßregelung des Patriarchen von Moskau Ioakim (April 1686): »Ίσως και ορίσετε ότι τι γυρεύει ο Ιεροσολύμων εις ξένην επαρχίαν;
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strategisches Denken und sein vielfältiges Engagement, das Dirigieren der Konfessionalisierungsprozesse, das programmatische bildungsorganisatorische sowie schriftstellerische und editorische – hauptsächlich kontroverstheologische – Werk mögen die Würdigung von John Stoye rechtfertigen: »He was Bossuet for the Orthodox Church.«56 In seiner festen Wendung vom »orthodoxen System« (ορθόδοξον σύστημα) gegenüber der russischen Regierung wird die Vorstellung einer gesamtorthodoxen kirchlich-politischen kämpferischen Einheit anschaulich. Mit Dositheos Skarpetis, so sein Familienname, begegnen wir ausnahmsweise einer unverkennbaren Stimme, einer Persönlichkeit. Seine Schriften und seine voluminöse, oft spontan und unkonventionell gehaltene Korrespondenz lassen das Profil eines eigenwilligen (nicht ohne jeden Grund nannte ihn Germanos Lokros einen Spinner – »ο τρελλάδας«57), reizbaren und streitlustigen, nicht unbedingt sympathischen, doch scharfsinnigen Klerikers hervortreten. Mit seinem Mentor Paisios Lampardis verband ihn nicht nur das politische Naturell, sondern auch die Bindung an Moskau. Schon unter seinem Vorgänger Nektarios war es Dositheos, der die russischen Kontakte des in politischen Belangen lustlosen und behutsamen Patriarchen pflegte. Nach seinem Thronantritt 1669 (achtundzwanzigjährig!) genehmigte er dem Zaren Aleksej dessen zweite Ehe. In der Folgezeit, unter Fedor und später Sofija, blieb er der wichtigste Ansprechpartner Moskaus in der Ostkirche, besonders als treuer Berater der russischen Gesandten in Konstantinopel.58 Er sorgte für die kirchliche Vergebung Nikons (1682) und für die Empfehlung und Entsendung qualifizierter Mitarbeiter in den Moskauer Dienst, wie 1671 der modlauisch-griechische Gelehrte Nikolaos Spatharios in das Außenamt59 und später (1685) die Brüder Sofronios
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Καθώς ο Αρτιμόνης [Artamon Matveev] έλαβε τέταρτην γυναίκα και του εγράψαμεν και έλεγε τι γυρεύει ο Ιεροσολύμων εις ξένην επαρχίαν. Αλλ’ ημείς κύριον μέρος όντες της καθόλου Εκκλησίας, λαλούμεν υπέρ της καθόλου Εκκλησίας, και εν παντί καιρώ και εν όλω τω κόσμω«, GIM Vlad. 539 (Sinod. 2313), f. 2. Stoye, Europe Unfolding, 231. Karathanasis, Οι έλληνες λόγιοι, 110. Vgl. Kapterev, Snosˇenija Dosifeja; ders., »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 222–373; Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 85–89. Dositheos verbrachte den Großteil seiner fast vierzigjährigen Amtszeit in den Schaltzentren Konstantinopel und Adrianopel sowie in Bukarest. In Palästina ist er zum letzten Mal 1685 gewesen. Spatharios (rum. Nicolae Spatar, russ. Nikolaj Spafarij) war ein Vertreter der griechischen Emigration in die Donaufürstentümer, bereits in der zweiten Generation. Obwohl weitgehend assimilert, berief er sich situativ gerne auf die griechische, peloponnesische, Herkunft seines Vaters und bezeichnete sich selbst als Moldavolakonier (Μολδαβολάκων), vgl. Panaitescu, »Nicolas Spatar Milescu«; Podskalsky, Griechische Theologie, 268–271; Z. Mihail, »Nicolae Milescu, le Spathaire – un ›encyclopédiste‹ roumain du XVIIe siècle«, RESEE 18 (1980), 265– 285; O. A. Belobrova, »Nikolaj Gavrilovicˇ Spafarij (Milesku)«, in: SKKDR, Bd. 3/2, St. Petersburg 1993, 392–400.
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und Ioannikios Leichoudis in die Leitung der von ihm geförderten Slavischgriechisch-lateinischen Akademie.60 Hin und wieder verfasste er lange Briefe an die Moskauer Führung, stets in belehrendem Ton und gespickt mit Mahnungen zu verschiedenen kirchlichen und politischen Angelegenheiten. Die Verstimmung über den Jurisdiktionswechsel der Kiever Metropolie 1686 hatte eine vorübergehende Abkühlung der Beziehungen zur Folge, doch ab 1690 war Dositheos in zuvor ungekanntem Maße in ständigem und intensivem Kontakt mit Moskau. Anlass war die unerbittliche Auseinandersetzung zwischen Orthodoxen und Katholiken um den Besitz bzw. die Kontrolle über die Heiligen Stätten in Palästina. Auch ein kurzer Exkurs über die Geschichte des Streits würde den Rahmen dieses Kapitels sprengen.61 Es genügt vielleicht anzumerken, dass der Streit von beiden Seiten unverhältnismäßig dramatisiert worden ist. Die Lektüre der zeitgenössischen Polemiken, aber auch zumindest eines Teils der modernen, meist nicht unparteiischen Sekundärliteratur, könnte ein verzerrtes Bild der tatsächlichen Streitpunkte erzeugen. So waren die osmanischen Behörden keineswegs allein an den gegenseitigen Bestechungsgeldern interessiert. Sie folgten stattdessen einer pragmatischen Politik, die allen beteiligten Konfessionen grundsätzlich Zugang zu den Sanktuarien und das Recht, dort den Gottesdienst zu zelebrieren, gewährte und den jeweiligen ›Besitz‹ einer Kirche nicht vollständig, sondern stets aufgeteilt (nach Räumen, Kuppeln, Kapellen oder gar Kronleuchtern) anerkannte. Im Übrigen dürfte Hegels Diktum über die Kreuzzüge auch hierzu das Wesentliche vorwegnehmen: »Im Grabe sollte die Christenheit das Letzte ihrer Wahrheit nicht finden. An diesem Grabe ist der Christenheit noch einmal geantwortet worden, was den Jüngern, als sie dort den Leib des Herrn suchten: Was suchet ihr den Lebendigen bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden. (Lk 24, 5–6).«62 Dies alles sei deshalb angeführt, weil Dositheos selbst den »Verlust« (im April 1689) von einer Reihe prominenter Heiligtümer und Privilegien, die zu Zeiten Patriarchen Theofanis (1637) den Orthodoxen übertragen worden waren, gegenüber Moskau weit dramatischer schilderte, als er es in seiner Patriarchatsgeschichte63 oder in an sein resigniertes Kirchenvolk addressierten Briefen (September 1679) tat. Dort hieß es, die Verluste seien überschaubar; ansonsten 60 Vgl. Podskalsky, Griechische Theologie, 276–281; Chrissidis, An Academy, 43–49; Scheliha, Russland und die orthodoxe Universalkirche, 370–374, 412–429. 61 Vgl. Ch. Wardi, »The Question of the Holy Places in Ottoman times«, in: M. Maՙoz (Hg.), Studies on Palestine during the Ottoman Period, Jerusalem 1975, 385–393; O. Peri, Christianity under Islam in Jerusalem. The Question of the Holy Sites in Early Ottoman Times, Leiden u. a. 2001, 98–160; Papadopoulos, Ιστορία της Εκκλησίας Ιεροσολύμων, 457–605; N. Moschopoulos, La Terre Sainte. Essai sur l’histoire politique et diplomatique des Lieux Saintes de la chrétienté, Athen 1956, 161–196; Panchenko, Arab Orthodox Christians, 262–293. 62 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Frankfurt a.M. 1986, 471. 63 Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 255–258.
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sei die Entwicklung sogar zu begrüßen, denn nun würde das Patriarchat endlich die Last der ständigen Bestechungszahlungen los.64 Ihren Erfolg hatten die Katholiken, die Kustodie der Franziskaner des Heiligen Landes, der französischen Diplomatie zu verdanken. Der Botschafter Châteauneuf nutzte die günstige Konstellation – die Pforte war wegen des Kriegsverlaufs praktisch von Ludwig XIV., dem Rivalen des Kaisers, abhängig – zu diesem Prestigesieg aus. Da war es nur folgerichtig, dass Dositheos an Moskau als an die Schutzmacht der Orthodoxen zu appellieren gedachte. Im November 1690 schickte er das erste einschlägige Memorandum an den Zaren, das einen Überblick über die Geschichte des Streits seit den Kreuzzügen enthielt. Dositheos legte schon damals die zu verfolgende Strategie fest: Bei den bevorstehenden Friedensverhandlungen (1690 bereiteten sich die Alliierten auf Separatfrieden vor, während in Wien die Habsburger mit einer osmanischen Delegation, mit geleitet von Alexandros Mavrokordatos, verhandelten) sollte Moskau der Pforte die Rückgabe der Sanktuarien an die Orthodoxen zur unumgänglichen Friedensbedingung machen.65 Die Antwort der Moskauer Regierung war unverbindlich, es kam zunächst ohnehin weder zu Friedensverhandlungen noch zur Fortsetzung des Krieges. Da setzte Dositheos zu einer seiner gefürchteten Tiraden an (18. März 1691). Aus seiner Bitte machte er kurzerhand eine Verpflichtung: Nicht nur als Schutzherren der Ostkirche und des Heiligen Grabes sollten die Zaren intervenieren, sondern auch als direkt Verantwortliche für den Verlust der Sanktuarien, der angeblich nur auf den Moskauer Krimfeldzug zurückzuführen gewesen sei. Dositheos provozierte bewusst und legte den Finger auf die Wunde Moskaus: »Euch haben sie [die Osmanen] nicht wie alle anderen Herrscher vom Thronantritt des neuen Sultans benachrichtigt.« Die Russen seien aufgrund des Tributs an den Krimchan nichts als Vasallen der osmanischen Vasallen. »Mehrmals habt ihr euch gebrüstet, dies oder jenes zu tun zu beabsichtigen, aber es waren bloß
64 »…και τώρα εχάλασεν ο κόσμος, όπου ορισμός της βασιλείας έτζι δα έγραφε; […] Ο καιρός το εκάλεσε και έκαμαν και αυτοί κυβέρνησιν από ανάγκη τους. Είναι χρεία να μην ολιγοψυχούμεν και να θρηνούμεν σαν μικρά παιδία […] Δεν εβαρηθήκετε εις τον κατήν κάθε χρόνον να εξοδιάζετε; Τώρα οπού εγίνηκεν έτζι, ελπίζομεν να διορθωθούν και να ελευθερωθούμεν από τα καθημερινά σύζαλα.«, Dositheos an Christodoulos, Erzbischof von Gaza, 10 September 1690: »…αμή πως έγινεν ευχαριστήθημεν, ότι εμπεζερίσαμεν κάθε χρόνον να μας ζητούν οι άδικοι να κάμνωμεν καινούριους τους ορισμούς μας και να πέρνουν από δεκαπέντε και είκοσι πουγγιά. Τους Φράγκους εδίωχναν και από ημάς εγύρευαν […] λέγουσι ρήματα καταποντισμού και ευγαλμένα από την καρδίαν του Διαβόλου, ότι δηλαδή η βασιλεία τους ορθοδόξους απέβαλεν από τα προσκυνήματα και ότι οι Φράγκοι εξ ολοκλήρου τα εκυρίευσαν και άλλα τοιαύτα· οίτινες ότι ψεύδονται προφανώς και εθελοντί κακουργούσιν, είναι φανερόν.«, Enzyklika an die orthodoxen Christen, 1690: Papadopoulos-Kerameus, Ανάλεκτα, Bd. 2, 296f., 301f.; vgl. die Notiz vom 17. Juni 1690 aus der Hand des Neofytos, Ex-Metropolit von Lydde bei Lamprοs, »Ενθυμήσεων«, 203 (nr. 323). 65 Vgl. Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 275–280; ders., Snosˇenija Dosifeja, Appendix nr. 1.
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Worte, denn nichts geschah.«66 Als auch seine nächsten Schreiben (vom 2. September 1691 und vom 28. Juni 1692) keine Resultate zeitigten,67 entschloss sich Dositheos, seinen Neffen, den Archimandriten Chrysanthos, nach Moskau zu schicken. Im November 1692 legte dieser eine Liste von »Artikeln« (stat’i) beim Moskauer Außenamt vor, die sein Onkel im August verfasst hatte.68 Im Januar 1693 durfte er ausführlich die Forderungen des Patriarchen erläutern: In einem Versuch, die postulierte Bringschuld der Zaren gegenüber der Ostkirche zu verwerten,69 suchten Dositheos und Chrysanthos, neben der Frage der Heiligen Stätten sowie der finanziellen Not des Jerusalemer Patriarchats, Abhilfe für weitere, chronische Bedürfnisse der Ostkirche zu schaffen. Die Forderung nach der Gründung einer griechischen Druckerei in Moskau gehörte zu den alten Anliegen aus der Zeit von Paisios Lampardis.70 Neu und sicherlich gewagt war hingegen das Ansuchen, die Zaren sollten im Sinne ihrer Schutzherrenrolle bei der Pforte als Friedensbedingung zum einen die Steuerfreiheit der orthodoxen Klöster, zum anderen die Ernennung des Ökumenischen Patriarchen auf Lebenszeit, ähnlich seiner Amtsbrüder, erwirken. Ein weiterer von Chrysanthos angesprochener Punkt, die Schutzherrschaft Moskaus über die Donaufürstentümer bzw. das diesbezügliche Angebot des 66 RGADA f. 52, op. 1, 1692, nr. 1, f. 1–15 (russische Übersetzung des Briefs); vgl. Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 281f.; ders., Snosˇenija Dosifeja, 241–243, 306–308. 67 Vgl. Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 284; ders., Snosˇenija Dosifeja, 308f.; RGADA f. 52, op. 2, 684. Dort (Brief an die Zaren vom 28. Juni 1692) kommt Dositheos’ revidierter Plan erstmals zur Sprache. Moskau sollte den Krieg fortsetzen und nach dem Sieg der Pforte die Friedensbedingungen diktieren: »διά να έλθωσιν εις αίσθησιν όπου και άκοντες να κάμωσι το πρέπον διά τους ορθοδόξους, ότι οι βάρβαροι αλλέως δεν διορθώνονται, παρά μόνον με την δοκιμήν των ισχυροτέρων αυτών«; vgl. nr. 685, Brief an Ivan Mazepa mit der Bitte um vertrauliche und prompte Beförderung des Briefes nach Moskau: »παρακαλούμεν να πέμψετε ασφαλώς και πολλά μυστικώς και τα παρόντα εις τας αγίας των αυτοκρατόρων χείρας, και έτι να φροντίσετε και υμείς το κάλλιον δια την υπόθεσιν ταύτην με την σύνεσιν όπου ο Κύριος υμίν εδωρήσατο, μεμνήμενοι πάντοτε ότι η βασιλεία του Θεού βιάζεται και βιασταί αρπάζουσιν αυτήν« (Mt. 11, 12). Immerhin bewirkten seine Bemühungen, dass die Moskauer Regierung die Rückgabe der Heiligen Stätten an die Orthodoxen in den Friedensentwurf einbezog, den sie Anfang 1692 dem Krimchan vorlegte, vgl. B. H. Sumner, Peter the Great and the Ottoman Empire, Oxford 1949, 30f. 68 Vgl. Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 290–296; ders., Snosˇenija Dosifeja, 310–317, Anhang nr. 2. 69 Erneut hieß es, Moskau trage die Schuld am Verlust aufgrund der misslungenen Krimfeldzüge sowie aufgrund des Misstrauens der Pforte wegen der Sympathien der Griechen für Russland. 70 Chrysanthos brachte bereits einige griechische Handschriften vorwiegend antilateinischer, kontroverstheologischer Werke mit sich. Dositheos verfasste einen gesonderten Brief an die Zaren zu diesem Zweck, vgl. Jalamas, »Gramota Ierusalimskogo patriarcha Dosifeja«; B. L. Fonkicˇ, »Ierusalimskij patriarch Dosifej i ego rukopisi v Moskve«, Vizantijskij Vremenik 29 (1969), 275–299; ders., Grecˇesko-russkie kul’turnye svjazi v XV–XVII vv., Moskau 1977, 189– 211.
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walachischen Fürsten Constantin Brȃncoveanu, geriet in Zusammenhang mit den Fraktionskämpfen in Kalamitäten. Im August 1692, als Dositheos seine Artikel verfasste, war sein Verhältnis zu Brȃncoveanu noch ungetrübt, obwohl Letzterer dem Kontrahenten von Dositheos, Ioannis Karyofyllis, nach dessen erzwungener Flucht aus Konstantinopel Zuflucht in Bukarest gewährt hatte. Der mehrmonatige Besuch des Patriarchen im Herbst 1692 anlässlich der Hochzeit von Brȃncoveanus Tochter führte jedoch zum Eklat, da Dositheos sich (ebenso wie Alexandros Mavrokordatos, der sich auf seinem Rückweg aus Wien befand) mit Brȃncoveanu derart überwarf, dass der Zwist über den Tod von Karyofyllis (22. September 1692) hinaus bis 1697 dauerte.71 Inzwischen hatte sich jedoch durch Peters Eroberung von Azov (Juni 1696) und die osmanische Katastrophe bei Zenta (September 1697) die Lage erneut verändert. Brȃncoveanu ließ sich, wahrscheinlich beeinflusst durch Dositheos, der, mit dem Fürsten versöhnt, seit Juni 1697 in Bukarest verweilte, sowie durch den Stolnik Constantin Cantacuzino, der in der Forschung als eigentlicher Lenker der walachischen Außenpolitik und Vertreter der russischen Option gilt,72 davon überzeugen, sich angesichts des bedrohlichen habsburgischen Vorstoßes Moskau zuzuwenden.73 Das diplomatische Netzwerk des Fürsten, dem mehrere gebildete Griechen angehörten,74 die auch Dositheos nahestanden, spielte eine wichtige Rolle. Im September 1697 wurde der Würdenträger des walachischen Fürstenhofs (postelnic, später comis) Georgios Kastriotis aus Kastoria, nach Moskau entsandt, um Peter erneut eine militärische Allianz sowie die Oberhoheit über die Walachei anzubieten. Im Memorandum, das er vom ukrainischen Baturin ans Moskauer Außenamt vorausschickte, berief sich Kastriotis auf zurückliegende, einschlägige Versprechen Moskaus und auf den gemeinsamen Entschluss des Fürsten, der Hierarchen und aller orthodoxen Völker. Er spielte dennoch auf die alternative habsburgische Option an (der Kaiser hätte Brȃncoveanu den Status eines Reichsfürsten angeboten) und versicherte der Moskauer Regierung, sie würde sich keine zusätzlichen Komplikationen und Ausgaben aufbürden. Erst einmal durch den Zaren befreit, wäre die Walachei imstande, 71 Vgl. Karathanasis, Οι έλληνες λόγιοι, 37. Die Anwesenheit von Dositheos im Herbst 1692 in Bukarest bestätigen die eigenen Zeugnisse des Patriarchen, Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 266, und Lampros, »Ενθυμήσεων«, 203 (nr. 24). Alexandros Mavrokordatos hat sich nicht wieder mit Brȃncoveanu versöhnt. Chrysanthos verließ Moskau erst im Februar 1694, ohne einen greifbaren Erfolg verbuchen zu können. 72 Vgl. Cȃndea, »Le stolnic«, 600; V. Ciobanu, Les pays roumains au seuil du 18e siècle (Charles XII et les Roumains), Bukarest 1984, 47; Semenova, Russko-valasˇkie otnosˇenija, 80f.; dies., »Moldavija i Valachija«, 355; dies., »Valaskaja politicˇeskaja elita i Rossija v nacˇale 18 v.«, RESEE 46 (2008), 245–252, hier 245. 73 »Tout le règne de Brancovan n’a été qu’une savante oscillation, d’abord entre l’Autriche et la Turquie, ensuite entre la Turquie et la Russie«, vgl. Cernovodeanu, »Bucarest«, 153. 74 Vgl. Cernovodeanu, »Bucarest«, 156f.
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nicht nur die Donaugrenze zu sichern, sondern ein Bündnis mit den orthodoxen Völkern ermöglichen, die »wie Löwen« kämpfen und bis Konstantinopel vorrücken würden.75 Kastriotis musste erst einmal die Rückkehr des Zaren von seiner Europareise abwarten.76 Nach Rücksprache mit Brȃncoveanu legte er im September 1698 ein weiteres Memorandum vor, das einen konkreten Aktionsplan enthielt und sich teilweise wie eine Vorwegnahme des Pruthfeldzuges liest: Russische Truppen sollten Ocˇakov an der Schwarzmeerküste einnehmen und gleichzeitig in die Moldau einrücken. Wenn sie erst Ias¸i erreicht hätten, bräuchten sie sich keine Sorgen um Verstärkung und die Versorgung der Truppen zu machen, da sie vom Land alle mögliche Unterstützung bekommen würden. Getragen von der dann ausbrechenden Erhebung der orthodoxen Völker würden sie die Osmanen vernichtend schlagen und ewigen Ruhm erlangen.77 Die wiederholten Beteuerungen verfehlten ihre Wirkung auf die Moskauer Regierung nicht, wie sich auch später zeigen sollte. Peter sah sich gezwungen, besonders nach den Sondierungen beim Kaiser in Wien,78 von einer Fortsetzung des Krieges abzusehen. So schickte er seinen Unterhändler Prokofij Voznicyn zum Karlowitzer Kongress. Voznicyn, der bereits den Friedensschluss von 1681/ 82 mit Alexandros Mavrokordatos ausgehandelt hatte, traf dort seinen alten Bekannten wieder. Angesichts der völlig divergierenden Vorstellungen konnten sie jedoch vorerst nur einen zweijährigen Waffenstillstand (15. Dezember 1698) schließen.79 In diesem Zusammenhang schrieb Voznicyn am 18. November 1698 an Peter, man bräuchte gar nicht nachzugeben. Sollte der Zar bis zur Donau vorrücken, dann würden Abertausende von Sprachverwandten (d. h. Südslaven) und Glaubensbrüdern, die keinen Friedensschluss wünschen, sich erheben.80 Gleichzeitig schickte er seinen Agenten, den serbischen Mönch Grigorij, zu Dositheos, um dessen Meinung einzuholen: Sei es besser, Frieden zu schließen oder den Krieg fortzusetzen? Würden sich in diesem Fall die orthodoxen Völker
75 ISNSR, Bd. 3, 114–118. 76 Erst im September 1700 verließ er Moskau mit dem neu geschaffenen Andreasorden im Gepäck, den Peter dem Fürsten Constantin Brȃncoveanu verlieh, vgl. Semenova, Russkovalasˇkie otnosˇenija, 81–84. 77 ISNSR, Bd. 3, 123–127. Im September 1699 kam ein Gesandter des Moldaufürsten Antioch Cantemir mit ähnlichen Offerten in Moskau an. Kastriotis bemerkte, Cantemir habe sich Brȃncoveanu zum Vorbild genommen, ebenda, 132–135. 78 Vgl. Wittram, Peter I., Bd. 1, 164f. 79 PDSDR, Bd. 9, 165–203, 247–261, 276–292; M. M. Bogoslovskij, Petr I. Materialy dlja biografii, Bd. 3, Moskau 1946, 381–429. 80 PiB, Bd. 1, 746; vgl. Bogoslovskij, Petr I., Bd. 3, 403.
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den Russen tatsächlich anschließen? Dürfe man Hoffnungen auf sie setzen? Würden sie die Versorgung der russischen Truppen gewährleisten?81 Dositheos selbst riet Peter in seinem Brief vom 20. Juni 1698 von einem Friedenschluss ab.82 Der Zar brauche seine abtrünnigen Verbündeten – Habsburger, Polen und Venezianer – gar nicht, um seine von Gott bestimmte Sendung zu erfüllen und die von Peter selbst gegenüber dem englischen König geäußerte Absicht wahrzumachen (so das Gerücht, das Dositheos zu Ohren gekommen sei), im Jahr 1700 im befreiten Konstantinopel in der Heiligen Sophia dem Gottesdienst beizuwohnen. Dass Dositheos dabei sein Sinn fürs Praktische nicht verließ, zeigen der militärische Entwurf bezüglich der künftigen russischen Flottenexpeditionen im Schwarzen Meer, den er dem Zaren gegenüber skizzierte, und noch mehr sein Insistieren darauf, doch noch bei eventuellen Friedensverhandlungen die Frage der Heiligen Stätten prioritär zu behandeln. Voznicyn hatte tatsächlich unter den Bedingungen des russischen Friedensangebots die Rückgabe des Heiligen Grabes an den Patriarchen von Jerusalem sowie die freie Religionsausübung der orthodoxen Untertanen des Sultans (»Griechen, Serben, Bulgaren, Slovaken (sic) und allen übrigen«), einschließlich der Entbindung der Kirchen und Klöster von zusätzlicher Besteuerung, angeführt.83 Das war ein Novum in den russisch-osmanischen Beziehungen. Der russische Anspruch auf ein Kultusprotektorat über die Orthodoxen des Osmanischen Reiches – gestellt nach dem habsburgischen und französischen Vorbild – ging über ältere Fürbitten Moskaus deutlich hinaus und markiert somit einen Einschnitt im trilateralen Verhältnis zwischen Zar, Sultan und Ostkirche.84 Im September 1699 reiste eine russische Gesandtschaft, angeführt vom Djaken Emeljan Ukraincev, nach Konstantinopel, um die Friedensverhandlungen aufzunehmen. Von Azov aus reiste sie per Schiff, was als bewusste Machtdemonstration und Provokation gemeint war – und auch als solche empfunden wurde. Auf osmanischer Seite verhandelte das erprobte Duo des Karlowitzer Kongresses, Reis Effendi Rami und Alexandros Mavrokordatos, der die Mehrzahl der vierundzwanzig Sitzungen zwischen November 1698 und Juli 1699 allein be-
ˇ tob’ on’ skazal’ i otpisal’, cˇto lutcˇe: v’ miru l’ s’ nimi byt’, ili v’ vojne […] 81 PDSDR, Bd. 9, 517: »C pomogut’ li i pristanut’ li k’ nam’ Greki, Volochi, Multjane, Serby, Bolgary i inye pravoslavnye narody, i mocˇno l’ na nich’ nadezˇdu imet’? I chlebnymi zapasy i konskimi kormami mogut’ li vojska nasˇi bez’ nuzˇdy zasˇedsˇie v’ ˇcuzˇie krai propitat’sja tam?«; Bogoslovskij, Petr I., Bd. 3, 438. 82 RGADA f. 52, op. 1, 1698, nr. 21, f. 1–9v; Kapterev, Snosˇenija Dosifeja, Anhang nr. 3; ders., »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 308–314. Schon vor der Eroberung von Azov in 1693 hatte er sich dagegen ausgesprochen, vgl. Kapterev, Charakter, 301. 83 PDSDR, Bd. 9, 207; Bogoslovskij, Petr I., Bd. 3, 393. 84 Vgl. Sumner, Peter the Great, 32f.; Uebersberger, Rußlands Orientpolitik, 63; Hurmuzaki, Fragmente, Bd. 3, 413f.
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stritt.85 Mavrokordatos wusste die russischen Gäste zu hofieren, er nahm die Gelegenheit wahr, in diversen Gesprächen, von den Vorzügen des chinesischen Tees bis zur Sonnenfinsternis, seine Bildung zur Schau zu stellen, und spielte wiederholt geschickt auf seine für die Russen noch gewöhnungsbedürftige Qualität an, als Christ im Dienste des Sultans zu stehen, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Obwohl der französische Botschafter, Marquis de Ferriol, der seinen König, Ludwig XIV., auf dem Laufenden über die Verhandlungen hielt, die Meinung äußerte, Mavrokordatos teile die Hoffnung der Griechen auf Erlösung durch den Zaren,86 legte der Phanariot in seinen Huldigungsbekundungen stets darauf Wert, Missverständnisse auszuschließen. Indem er den Zaren als Schutzherrn der Orthodoxie und der Ostkirche, als den einzig wahren christlichen Kaiser pries, dessen Fürsprache und Hilfe in kirchlichen Angelegenheiten die Griechen unter der muslimischen Unterdrückung (ot busurmanskoj tjagosti) erwarteten, legte er diese russische Schutzherrschaft, wie bereits in Karlowitz,87 als Verantwortung des Zaren für die Ostkirche aus, deren Wohl und Sicherheit allein durch die Wahrung des Friedens zu garantieren seien.88 Er wusste auch seine Stellung zu instrumentalisieren, um sich von seinen muslimischen Herren zu distanzieren, als es galt, den russischen Gesandten im Interesse des Zaren Ratschläge zu erteilen oder mit Bedauern auf die religiös bedingte Unnachgiebigkeit der Pforte in bestimmten Punkten zu verweisen.89 Trotz gelegentlicher Entrüstung der Russen (»Du nennst Dich einen orthodoxen Christen und unseren Glaubensbruder, doch redest Du zu uns unchristlich!«)90 konnte Mavrokordatos damit die rus85 Vgl. Bogoslovskij, Petr I., Bd. 5: ausführliche Darstellung der Verhandlungen anhand der Berichte (stateinye spiski) der russischen Gesandten. Da Ukraincev (einer der letzten Verˇ eredeev nur Russisch sprachen, treter der vorpetrinischen Bürokratie) und sein Kollege Ivan C übersetzte ihr Dolmetscher ins Lateinische, das auch Mavrokordatos verwendete. Wenn Rami dabei war, übersetzte Mavrokordatos dessen osmanisches Türkisch ins Lateinische. Vgl. auch ˇ rezvycˇajnoe posol’stvo dumnago sovetnika die Briefe von Ukraincev an den Zaren: »C Emeljana Ukraincova k Porte Ottomanskoj v 1699 i 1700 godach, dlja zakljucˇenija mirnago dogovora na 30 let.«, Otecˇestvennyja zapiski 82 (1827), 197–215, 456–486. 86 Den Zusammenhang der Äußerung bestimmt die Überlegung Ferriols, den Verdacht der Pforte hinsichtlich Mavrokordatos’ mangelnder Loyalität zu nähren, allerdings als Agenten der Habsburger: »Ce dernier [Mavrocordato] est si porté pour les Grecs qu’il les serviroit au préjudice mesme des intérests de la Porte; il est d’ailleurs si attaché aux Allemands que j’estime qu’il est nécessaire de lε vendre suspect aux Turcs. Il regarde le Czar comme le protecteur de sa religion, et comme le seul prince qui peut délivrer les Grecs de la tiranie des Turcs, et restablir l’ancient empire grec.«, Correspondance du Marquis de Ferriol, Anvers 1870, 116 (Brief vom 2. Mai 1700 an Ludwig XIV.). 87 Vgl. Bogoslovskij, Petr I., Bd. 3, 493. 88 Vgl. Bogoslovskij, Petr I., Bd. 5, 32, 160. 89 Vgl. Bogoslovskij, Petr I., Bd. 5, etwa 92, 148, 160, 196, 214, 236. 90 Bogoslovskij, Petr I., Bd. 5, 158 sowie 115, wo die Gesandten untereinander die Unterwürfigkeit des Mavrokordatos gegenüber Rami tadeln.
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sischen Forderungen nach freier Schifffahrt im Schwarzen Meer oder nach der Erhöhung der Titulatur des Zaren zurückweisen. In den Fragen der Heiligen Stätten und des Kultusprotektorats beharrte Mavrokordatos auf dem Standpunkt, den er auch in Karlowitz gegenüber den kaiserlichen Diplomaten vetreten hatte: Interne Angelegenheiten des Sultans dürfen kein Gegenstand von diplomatischen Verträgen werden. Er riet den russischen Gesandten, nicht weiter zu insistieren, da dies zwecklos und als Präzedenzfall auch kontraproduktiv wäre. Lieber solle der Zar sich nach dem Friedensschluss mit einer diesbezüglichen Bitte an den Sultan wenden, wofür Mavrokordatos seine volle Unterstützung versprach.91 In der Tat ging Ukraincev darauf ein, da er von Peter dringliche Mahnungen zu einem baldigen Friedensschluss erhalten hatte und gemäß seinen Anweisungen nur auf den Besitz von Azov und die Streichung des Tributs an den Krimchan bis zum Schluss bestehen sollte.92 So konnte der (auf dreißig Jahre vereinbarte) Frieden am 3. Juli 1700 als Einigung auf Augenhöhe93 beschlossen werden; Moskau gewann dadurch das Privileg, eine ständige Botschaft an der Pforte zu unterhalten. Dositheos war erwartungsgemäß wenig begeistert vom Ergebnis der Verhandlungen und von der Rolle seines Freundes Mavrokordatos.94 Er hatte die Gesandten vor Beginn der Verhandlungen bei sich, in der Dependance des Heiligen Grabes, empfangen und auf sie eingeredet.95 Während ihrer Isolation sorgte er für die Beförderung ihrer Korrespondenz nach Moskau (über Brȃncoveanu und Kastriotis). Danach besuchte er sie im Juli 1700 drei Mal formlos und ohne Eskorte, um sich mit ihnen zu beraten. Er willigte ein, die Ergebnisse des Bittgesuchs, das der Zar anlässlich der offiziellen Bestätigung des Friedens an die Pforte zu adressieren vorhatte, als letzte Hoffnung abzuwarten. Sonst gedachte (oder drohte?) der Patriarch, sich selbst nach Moskau zu begeben. Nichtsdestoweniger unterbreitete er auch gegenüber den Gesandten seine Überlegungen über die zu verfolgende militärische Taktik des Zaren beim nächsten Türkenkrieg. Er solle die Schwachstellen des Gegners, Ocˇakov und die Krim, besetzen und den Seekrieg im Schwarzen Meer beginnen. Erst dann würden auch Serben, Bulgaren, Walachen und Moldauer den Aufstand wagen.96
91 Bogoslovskij, Petr I., Bd. 5, 154f. Die russischen Gesandten übergaben nach dem Abschluss der Verhandlungen dem Großwesir und dem Großmufti ein von Dositheos auf Griechisch verfasstes Memorandum, ebenda, 245, 259; Camariano, Alexandre Mavrocordato, 84–90; ˇ rezvycˇajnoe posol’stvo«, 473. »C 92 Vgl. Uebersberger, Rußlands Orientpolitik, 67–69. 93 Vgl. Finkel, Osman’s Dream, 321. Der Friedensvertrag in PiB, Bd. 1, 368–378. 94 Vgl. Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 315–318. 95 Vgl. Bogoslovskij, Petr I., Bd. 5, 51–54. 96 Bogoslovskij, Petr I., Bd. 5, 262–264.
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Den nach Moskau zurückkehrenden Gesandten gab Dositheos eine Reihe von Briefen mit, die er mit dem Datum ihrer Abreise versah (2. August 1700).97 Darunter gleich drei Briefe an Peter, die von unterschiedlichen Angelegenheiten handelten. Dositheos lobte Ukraincevs Verdienste und erlaubte sich, vom Zaren die Abfassung von drei Bittschriften an den Sultan, den Großwesir und den Großmufti zu verlangen und ihren Inhalt zu skizzieren, beinahe zu diktieren. Erneut forderte er, dass der russische Botschafter die Rückgabe der Heiligen Stätten zur Bedingung für die förmliche Bestätigung des Friedensvertrags macht.98 Er riet Peter mit der Gewissheit des Experten, die Kosaken stets bei Laune zu halten, denn sie seien unentbehrlich. Schon deshalb, weil sie die Osmanen nach wie vor fürchteten und der Frieden nicht von langer Dauer sein werde.99 Azov solle mithilfe von Zollerleichterungen zum blühenen Handelszentrum ausgebaut werden. Griechen sollen sich steuerfrei ansiedeln und den Gottesdienst auf Griechisch feiern dürfen. Nicht gerade christlich-barmherzig, aber typisch für Dositheos mutet seine Empfehlung an Peter an, die Osmanen nachzuahmen und Azovs muslimischen Einwohnern eine Sondersteuer aufzuerlegen, um sie im Fall der Nichtzahlung bzw. des Nicht-zahlen-Könnens zu zwingen, zum Christentum zu konvertieren: »Wer nicht zahlen kann, der werde zum Christen. Und wenn ein solcher kein guter Christ sei, dann wird sein Sohn ein guter Christ.«100 Die übrigen Briefe waren an Personen gerichtet, die beim Zaren für Dositheos’ Sache, die Frage der Heiligen Stätten, sprechen sollten. Ihnen gegenüber äußerte sich Dositheos in noch direkterer Weise. Dem Zarensohn Aleksej Petrovicˇ diktierte er, was genau er seinem Vater sagen solle,101 den Kanzler Fedor Alekseevicˇ Golovin forderte er auf, den eigenen Brief an Peter mit äußerster Sorgfalt (»auf Wort und Silbe«) zu studieren, bevor er den Zaren be97 Als Geste der Dankbarkeit gab er überdies einen Schrein mit Reliquien der Hl. Maria, der Ägypterin, mit auf den Weg, vgl. A. V. Lavrent’ev, »Kovcˇeg I. Ukrainceva iz sobranija Gosudarstvennogo Istoricˇeskogo Muzeja«, Rοssija i Christianskij Vostok 1 (1997), 185–196. ˇ ast’1«, 612–622 (russische Überset98 Jalamas, »Ierusalimskij patriarch Dosifej i Rossija. C zung); abgekürzt bei Kapterev, Snosˇenija Dosifeja, Appendix, nr. 5. Der Großmufti, d. h. der Seyhülislam Feyzullach Effendi, war der einflussreichste Mann in der osmanischen Regierung bis zum Aufstand von 1703, er protegierte Rami und Mavrokordatos. Zu ihm vgl. M. Nizri, Ottoman High Politics and the Ulema Household, Basingstoke 2014, 20–53. ˇ ast’1«, 596–601: »Πανευσέβαστε και θεοδόξαστε μέγιστε 99 Jalamas, »Ierusalimskij patriarch. C αυτοκράτωρ, οι καζάκοι ή δυνατοί είναι ή αδύνατοι, ού του παρόντος καιρού εξετάζειν. Λέγομεν όμως, ότι οι εθνικοί, ταυτόν ειπείν οι Τούρκοι, νομίζουσιν αυτούς ισχυρούς.« ˇ ast’1«, 623–625: »Ωρίσετε και χαρτία του χαρατζίου, το 100 Jalamas, »Ierusalimskij patriarch. C οποίον δίδομεν και ημείς, και ωρίσατε να το δίδουν και οι εις τα αυτόθι μουσουλμάνοι, επειδή και το κεφαλοχάρατζον όπου εύρουν τον καθένα εκεί το γυρεύουσιν οι απαιτούντες. Και όποιος δεν έχει να δώση, ας γίνεται χριστανός, και αν είναι ο τοιούτος κακός χριστανός, αλλά ο υιός του γίνεται καλός χριστιανός.«, russische Übersetzung ebenda, 627–630, und bei Kapterev, Snoˇsenija Dosifeja, Anhang, nr. 6. ˇ ast’1«, 631–633. 101 Jalamas, »Ierusalimskij patriarch. C
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rät,102 während dem Moskauer Patriarchen Adrian eine von Dositheos’ üblichen Schelten galt.103 Doch Dositheos verließ sich nicht darauf und schickte bald, ohne auf Antwort zu warten, Chrysanthos erneut nach Moskau, um vor Ort weiter zu drängen. Die Briefe, die Chrysanthos diesmal mitbrachte (datiert auf den 7. Oktober 1700; er kam am 5. Januar 1701 in Moskau an), wiederholten mehr oder weniger den Inhalt jener vom August, mit gewissen Zusätzen und Verschiebungen in der Argumentation: Die Osmanen, so schrieb er an Peter, erwarteten ein entschiedeneres Vorgehen des Zaren und hielten die Schlüssel der Grabeskirche zur Rückgabe an die Orthodoxen bereit. Auch das eventuelle Angebot eines Gerichtsprozesses solle der russische Botschafter nicht ablehnen, denn die Pforte wisse über die Rechtmäßigkeit der orthodoxen Forderungen Bescheid. Dositheos selbst sei auf das Angebot der Pforte, sich gegen die Rückgabe der Sanktuarien an die Orthodoxen und für die Rückgabe Azovs an den Sultan vermittelnd einzusetzen, nicht eingegangen.104 Die Briefe an den Carevicˇ, an Golovin und Adrian sind erneut von noch drastischerer Sprache gekennzeichnet, die ein Frustrationsgefühl offenlegt.105 Insbesondere in zwei Briefen an den Kosakenhetman Ivan Mazepa, der Chrysanthos’ reibungslose Hin- und Rückfahrt ermöglichen sollˇ ast’1«, 638f.: »Να διαβάσης το ημέτερον προς την θείαν 102 Jalamas, »Ierusalimskij patriarch. C μεγαλειότητα γράμμα κατά λέξιν και κατά συλλαβήν διά να καταλάβης την υπόθεσιν καλά και είτα να συμβουλεύσης, να μεσιτεύσης και να παρακαλέσης […] τώρα όπου έχει να γράψη η θεία μεγαλειότης εδώ προς τους ενταύθα, ότι δέχεται και βεβαιοί τα κεφάλαια της αγάπης, να γράψη και τούτο, ότι δέχεται και βεβαιοί την αγάπη με τούτον τον διορισμό, ότι να δοθούν τα προσκυνήματα, όπου επήρασιν οι Φράγκοι, εις τους ορθοδόξους.« 103 Die Schelte erteilte Dositheos, weil Adrian Ukraincev keinen Brief für ihn mitgegeben hatte, ˇ ast’1«, 643f.; Kapterev, Snosˇenija Dosifeja, Anhang, vgl. Jalamas, »Ierusalimskij patriarch. C nr. 23. Der siebte Brief war an Voznicyn gerichtet, mit Dankesbekundungen für dessen zurückliegende Dienste und mit der Bitte, ebenfalls Fürsprache einzulegen, Jalamas, ebenda, 645–647. 104 RGADA f. 52, op. 1, 1701/nr. 2, f. 14–19: »…περί τοσούτου πράγματος περιμένουσιν και επιμελεστέραν και θερμοτέραν ζήτησιν, ίνα δείξωσι, ότι εδωρήσαντο μέγα τι. […] Είπον εμοί να μεσιτεύσω να δοθή πάλιν το Αζάκι οπίσω εις αυτούς, και να μου δώσουν τα προσκυνήματα. Εις τούτο ημείς εσύρθημεν οπίσω, ότι ημείς δια το Αζάκι τι γνώμην έχομεν, γιγνώσκει αυτήν ο άρχων Αιμιλιανός, τον οποίον εσυμβουλεύσαμεν εις τούτο, να μείνη εδραίος και αμετακίνητος. Και όταν ήλθε η ευγένειά του ενταύθα, πάλιν όλη η Πόρτα εφώναζεν ότι τα κλειδιά θέλει τα ζητήσει και θέλει τα λάβει. […] Δια να φανή πως τα δίδουσι διά το δίκαιον και όχι διά μεσιτείαν τινός, και τούτο ίνα κυβερνήσωσι τους Γάλλους, αν βουληθώσι ίνα ποιήσωμεν αγωγήν, και ίνα κριθώμεν μετά των φραγκοκαλογήρων, ο πρέσβυς της υμετέρας θείας μεγαλειότητας τούτο ας μη το αποφύγη, μόνον ας ειπή, ο ημέτερος θεοκυβέρνητος αυτοκράτορας θέλει ετούτο το ζήτημα να γένη, και με ό,τι τρόπον θέλετε, κάμετέ το.« 105 RGADA f. 52, op. 1, 1701, nr. 2, f. 57–68v. Adrian rügt er erneut für dessen mangelnden Eifer in der Sache. Auch Golovin kritisiert er: »Να σπουδάσης, να φροντίσης, να ενεργήσης με συμβουλαίς και, με παρακίνησαις και με άλλους τρόπους […] βλέτετε, ενδοξότατε άρχων, πώς όλοι οι ηγεμόνες των παπιστών είναι συμφωνημένοι εις την αίρεσιν, και πρέπει η υμετέρα αγάπη ως ορθόδοξος να έχετε περισσοτέραν σπουδήν εις την ευσέβειαν.«
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te,106 machte Dositheos seiner Unzufriedenheit Luft: Ukraincev habe in allen Angelegenheiten den Rat von Dositheos befolgt, außer in der Frage des Heiligen Grabes. Darin habe er ihn hinters Licht geführt.107 Auch Peters Kriegserklärung gegen Schweden missbilligte Dositheos. Wenn der Zar Krieg führen wolle, warum dann nicht gleich gegen die Osmanen?108 Man kann sich trotzdem vorstellen, dass Peter Gefallen an Dositheos fand. Abgesehen von seinen Respektbekundungen in den Antwortschreiben, der Dankbarkeit für die wertvollen Dienste und den Anweisungen an die Gesandten, sich stets mit Dositheos abzusprechen und ihm zu vertrauen, mag die ungewöhnliche Offenheit des Patriarchen das unkonventionelle Naturell des Zaren angesprochen haben. Peter erfüllte Dositheos’ Bitte, er schrieb die besagten Briefe an den Sultan und den Großwesir und beauftragte den Gesandten Dmitrij Golicyn, die Forderung zu unterstützen, allerdings ohne die Bestätigung des Friedens dadurch zu gefährden. Daran hatte sich nichts geändert.109 Golicyn scheiterte an der anhaltenden Unnachgiebigkeit der Pforte und Dositheos musste nolens volens dessen Einsatz anerkennen.110 Nun setzte er seine Hoffnungen auf einen weiteren künftigen russisch-osmanischen Krieg. Schon im September 1701 ließ er dem Zaren einen detaillierten militärischen Plan für die Kriegshandlungen im Schwarzen Meer zukommen: Wie viele Boote an welcher Stelle stationiert sein sollten, wie sie die osmanischen Nachschublinien abschneiden und osmanische Boote versenken könnten, wie sie Konstantinopels 106 Dositheos drückte dabei Sorge über seine Nachfolge aus, sollte Chrysanthos beim Tod des Onkels abwesend sein: »…διότι είμεθα γηραλέοι και αν ευδοκιμήση ο άγιος Θεός, η αγιωσύνη του θαρρούμεν να διαδεχθή τον αγιώτατον της Ιερουσαλήμ θρόνον, και συμφέρει να μην είναι μακρά από τούτα τα μέρη. Μάλιστα και τώρα από μεγάλην μας χρείαν εβιάσθημεν να τον στείλωμεν«, RGADA ebenda, f. 78. 107 »Εις όλας τας βασιλικάς υποθέσεις ήκουσεν ημών. Εις δε την υπόθεσιν του Αγίου Τάφου ήκουσεν του αντιχρίστου. Είπομεν αυτώ πολλά, αμή δεν μας ήκουσεν, μάλιστα δε και μας ηπάτησεν«, ebenda, f. 53. Dass Dositheos hier Mavrokordatos als Antichrist brandmarkt, ist unwahrscheinlich. 108 »Αφ’ ου εγράψαμεν και ετελειώσαμεν τα γράμματα, εξαίφνης εμάθομεν παρά του εκλαμπροτάτου ηγεμόνος Ουγκροβλαχίας, ότι ο ανίκητος και μέγας βασιλεύς ημών εκίνησε κατά των Σφεκών, πράγμα το οποίον πολλά μας ελύπησεν, επειδή και όταν η μεγίστη του βασιλεία είχε σκοπόν να μην αφήση τα άρματα, ευκολώτερον ήτον εις τούτους τους καιρούς να καταπολεμήση τους εθνικούς, και περισσοτέρα του δόξα και τιμή, παρά να μάχεται αλλού, όμως επαρηγορήθημεν αύθις ενθυμηθέντες όπου λέγει το Πνεύμα το Άγιον εν ταις Παροιμίαις, καρδία βασιλέως ανεξέλεγκτος, συμπεραίνοντες εκ τούτου πως αυτό να έγινε τώρα ίσως δι’ άλλα αίτια, όπου ημείς μακρά όντες δεν ηξεύρομεν, και εις άλλον καιρόν αύθις να ενεργηθή και εκείνο όπου ελπίζομεν«, ebenda, (12. Oktober 1700) f. 78. 109 Vgl. Briefe Peters von 1700/01 an Dositheos, ediert in: PiB, Bd. 1, 382 (4. August 1700. Peter nahm die gängige Symbolik auf und wünschte nun seinerseits Dositheos, wie einst Moses, die Erlösung seines Volks zu erleben), 470 und 472 (3. und 10. September 1701, auch bei Kapterev, Charakter otnosˇenij, Anhang, nr. 10, 558–560). In PiB, Bd. 1, 425–431 die Schreiben Peters an den Sultan und den Großwesir (30. Januar 1701). 110 Vgl. Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 330f.
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Getreideversorgung blockieren und eine Hungernot auslösen könnten. Dennoch riet er, den Krieg hauptsächlich auf dem Land mithilfe der sich dann anschließenden orthodoxen Völker zu führen.111 Daraus wurde ein abgestimmter, taktischer Plan. Etwa ein Jahr später, zur selben Zeit, als der erste ständige Botschafter (»Resident«) des Zaren bei der Pforte, Petr Andreevicˇ Tolstoj, in Edirne/Adrianopel ankam,112 nahm Dositheos zusammen mit Brȃncoveanu sowie den Cantacuzino-Brüdern Constantin und Michail in Bukarest an einer Beratung teil.113 Beschlossen wurde dort, den Zaren zum Friedensschluss mit Polen und anschließender Kriegserklärung an die Osmanen zu bewegen. Im Namen der vier Initiatoren sowie der orthodoxen Völker (»aller Griechen und Serben, Bulgaren, Albaner, Walachen sowie siebenbürgischen Walachen«) wurde ein Gesandter, David Corbea, nach Moskau geschickt, um den Plan zu präsentieren.114 Es fehlten nicht die üblichen Hinweise auf die Schwäche der Pforte, somit die günstige Gelegenheit, oder auf die Bereitschaft der Orthodoxen zum Aufstand im Namen der Kirche und des Zaren. Konkreter waren die Ratschläge zur baldigen Beendigung des Krieges mit Schweden (der Zar könne ja später den Krieg wiederaufnehmen), zur Besetzung von Kercˇ am Eingang des Azovschen Meeres (nicht von ungefähr übermittelte Corbea die Bitte, dass der Zar sich um Himmels willen nicht persönlich auf einem der Schiffe der Kriegsflotte aufhalte) und zum Asylgesuch von Brȃncoveanu in Moskau, sollte etwas schiefgehen. Tolstojs Auftrag war es dagegen, für die Erhaltung des Friedens zu sorgen. Darin war er sich mit Mavrokordatos einig. Obwohl er sich in seinen Berichten widersprüchlich über den Grossdragomanen äußert, entwickelten sie ein gutes Verhältnis zueinander.115 Der gemeinsame Gegner war die französische Diploˇ ast’2«. Noch einmal sticht Dositheos’ 111 Jalamas, »Ierusalimskij patriarch Dosifej i Rossija. C Unverblümtheit ins Auge: Auch die Christen Konstantinopels würden Hunger leiden, doch ihre Kinder blieben Christen. Die Kosaken sollen den Seekrieg (neu) erlernen und wenn einige sterben, so seien sie Märtyrer: »…εις την Κωνσταντινούπολιν από την πείναν τρώγονται αλλήλους των και οι χριστιανοί όπου είναι εκεί αν και κακοπεράσουν, τα παιδιά των μένουσι χριστιανοί, αμή αν οι εθνικοί πολυχρονήσωσι τινάς χριστιανός δεν απόμένει […] και αν οι Καζάκοι αστόχησαν τον πόλεμον της θαλάσσης, ας τον μάθουν πάλιν και αν αποθάνουν και μερικοί ας είναι μάρτυρες.«, ebenda S. 482. 112 Vgl. T. K. Krylova, »Russkaja diplomatija na Bosfore v nacˇale XVIII v. (1700–1709gg.)«, Istoricˇeskie zapiski 65 (1959), 249–277, hier 252. Peter hatte Dositheos den Botschafter mit der Bitte um Beistand empfohlen, vgl. PiB, Bd. 2, 54–56; Kapterev, Charakter otnosˇeniji, 559f. Zu Tolstoj vgl. L. Hughes, Russia in the Age of Peter the Great, New Haven u. a. 1998, 421. Zur Bedeutung seiner Gesandtschaft vgl. V. Taki, Tsar and Sultan. Russian Encounters with the Ottoman Empire, London u. a. 2016, 36–40, 206. 113 Vgl. Cernovodeanu, »Bucarest«, 161; Semenova, Rusko-valasˇkie otnosˇenija, 87f. 114 ISNSR, Bd. 3, nr. 51, 176–183 (6. Dezember 1702). 115 Vgl. T. K. Krylova, »Russko-tureckie otnosˇenija vo vremja Severnoj voyny«, Istoricˇeskie zapiski 10 (1941), 250–279, hier 261, 264; dies., »Russkaja diplomatija«, 260–262; Camariano, Alexandre Mavrocordato, 93–95. An einer Stelle bezeichnet Tolstoj Mavrokordatos zwar
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matie, deren herkömmliches Ziel, die Aufrechterhaltung einer Kette von Verbündeten von Schweden bis zum Osmanischen Reich als »Barrière de l’Est« gegen die Habsburger, sich nun auch gegen Moskau wandte und die mit Beharrlichkeit die kriegswillige Fraktion der Pforte stützte bzw. in ihrer Neigung bestärkte.116 Die Revolte vom Juli 1703, bekannt als »der Vorfall von Edirne« (Edirne vakası), die den Sultan Mustafa stürzte und die Rückkehr der Regierung nach Konstantinopel erzwang, war explizit gegen die als nachgiebig diskreditierte Fraktion um den Seyhülislam Feyzullah gerichtet, die verantwortlich für die Schmach der Gebietsabtretungen in Karlowitz gemacht wurde. Feyzullah und mehrere seiner Verwandten wurden hingerichtet, Mavrokordatos hielt sich über Monate in Sozobolis versteckt.117 Auch Rami, inzwischen Großwesir, wurde gestürzt, versteckte sich und kam mit dem Leben davon. Zeitweilig schien es, als stünde eine Kriegserklärung, ob gegen die Österreicher, die Venezianer oder die Russen, unmittelbar bevor, doch mit der Konsolidierung des neuen Sultans, Ahmed III., wurde schon im November 1703 die alte Ordnung wiederhergestellt. Auch Mavrokordatos durfte auf seinen Posten zurück. Dositheos diente und unterstützte Tolstoj in bewährter Treue, ohnehin war er sich dessen bewusst, dass ein Zweifrontenkrieg für Moskau katastrophal wäre und dass, solange kein Frieden mit Schweden in Sicht war, der Frieden mit dem Sultan um jeden Preis erhalten werden musste. Tolstoj äußerte sich enthusiastisch gegenüber der zarischen Regierung über den Beistand des Patriarchen: »Wahrlich, die Todesangst verachtend, arbeitet er in allen Angelegenheiten des
einen guten »Politiker« (dobrij politik), der die osmanische Diplomatie zum Besseren umgestaltet habe. Er nutze aber seine hohe Stellung nicht zum Nutzen der Christen. Er sei nur aüßerlich ein Christ. An anderer Stelle heißt es wiederum, er sei jeder Ehre wert, aufgrund seiner Inteligenz und seines Wissens. Er habe große Furcht vor seinen osmanischen Herren, M. R. Arunova, S. F. Oresˇkina (Hg.), Russkij posol v Stambule. Petr Andreevicˇ Tolstoj i ego opisanie Osmanskoj imperii nacˇala XVIII v., Moskau 1985, jeweils 42f. und 88. Peter beauftragte Tolstoj später (9. Dezember 1707), Mavrokordatos (»oder jemand anderen, der die türkischen Geheimnisse kennt«) mit drei- oder viertausend venezianischen Goldmünzen zu bestechen, damit er den Botschafter sechs Monate im Voraus vor einer eventuellen Kriegsabsicht der Pforte warnt, PiB, Bd. 6, 179. 116 Vgl. Kl. Zernack, »Der Große Nordische Krieg«, in: HGR, Bd. 2.1, Stuttgart 1986, 246–296, hier 252f.; Uebersberger, Rußlands Orientpolitik, 84f.; Brückner, Peter der Große, 449–451; T. A. Bazarova, Russkie diplomaty pri Osmanskom dvore: Stratejnye spiski P. P. Sˇafirova i M. B. Sˇeremeteva 1711 i 1712 gg., St. Petersburg 2016, 16, 27. 117 Vgl. Finkel, Osman’s Dream, 329–333; Matuz, Das Osmanische Reich, 191–193; Camariano, Alexandre Mavrocordato, 55f. Gemäß Tolstoj zeigte sich während der Abwesenheit von Mavrokordatos, dass die Osmanen ohne ihn und seinen Sohn nichts Gescheites in der Diplomatie zustandebringen konnten, »ponezˇe bez nich nikakogo posolskogo dela dobro upravit’ ne mogut«, Arunova, Oresˇkina (Hg.), Russkij posol v Stambule, 111f.
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Großherrn.«118 In der Tat wurden die Dienste für den Zaren und seinen Botschafter immer riskanter. Dass ab 1703 die Briefe von Dositheos (und Kastriotis) an Moskau in der Regel chiffriert waren, konnte nur teilweise Sicherheit gewähren.119 Wiederholt wurde die Pforte gewarnt oder erhielt Indizien, die Tolstoj, Dositheos und auch Brȃncoveanu belasteten. Mal musste Brȃncoveanu reichlich Bestechungsgelder zahlen, um sich zu entlasten, mal Tolstoj, um eine wohl fatale Hausdurchsuchung zu verhindern. Einmal ging er sogar so weit, einen seiner russischen Botschaftsbeamten, der vorhatte, zum Islam zu konvertieren, vergiften zu lassen, um dem eventuellen Verrat vorzubeugen.120 Auf die Risiken der Korrespondenz kam Dositheos in seinen Briefen von 1703 bis 1706 immer wieder zu sprechen. Er bestand auf Geheimhaltung seiner Briefe und Verschwiegenheit aller Beteiligten.121 Er verwies auf Mavrokordatos, dem bei
118 »Istinno, preziraja, smertnyja strachi, rabotaet’ velikomu gosudarju vo vsjakich’ slucˇajach’«, PiB, Bd. 2, 228 (Brief vom August 2003); vgl. Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 336–338; Arunova, Oresˇkina (Hg.), Russkij posol v Stambule, 104,110. 119 Die griechischen »Chiffren« (τζίφρες) führte Kastriotis ein. Tolstoj hatte seine eigenen aus Moskau mitgebracht. Dositheos hatte sich schon 1682 gegenüber Vasilij Golicyn über die mangelnde Vertraulichkeit beschwert, die sein Leben in Gefahr brachte: »Αυτού έχετε μίαν συνήθειαν, και μερικά από τα γράμματα όπου εστείλαμεν, τα βάνετε εις τον κώδικα, και καθένας όπου θέλει, δίδει τίποτα και τα μεταγράφει, και τα φέρνει εις τα μέρη τούτα και να κινδυνεύωμεν χωρίς ανάγκην δεν είναι δίκαιον«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 659. Ähnlich auch gegenüber dem Moskauer Patriarchen Ioakim im April 1686: »Και πάντοτε όταν έχετε χρείαν τινά, μή στέλνετε γράμματα με όποιον τύχει και γροικούνται εις το παζάρι, αλλά με άνθρωπον μυστικόν.«, GIM Vlad. 538 (Sinod. 2312). Ein chiffrierter Spionagebericht von Georgios Paparis an Artamon Matveev findet sich bereits an einen Brief von Dositheos an Hierodiakon Meletios vom 13. August 1671 angeheftet (ebenda, nr. 636). Zu Paparis vgl. Sˇamin, »Izvestija«, 206. Es handelt sich stets um sogenannte ›monoalphabetische‹ Verschlüsselungssysteme, die mithilfe der Häufigkeitsanalyse nicht schwer zu entschlüsseln sind. Ohnehin ist in vielen Fällen die russische Übersetzung des entschlüsselten griechischen Textes erhalten. 120 Vgl. Uebersberger, Rußlands Orientpolitik, 78, 86; Krylova, »Russkaja diplomatija«, 262; Brückner, Peter der Große, 452; Semenova, Rusko-valasˇkie otnosˇenija, 92, die vermutet, dass Dositheos nur durch seinen Tod, im Februar 1707, der Strafe der Pforte entging. Dositheos warnte Golovin vor der potentiellen Gefahr, die ein armer (»ενδεής«) Diener des Botschafters darstelle, und erklärte, trotz der Freundschaft des Seraskers Jusuf Pascha, der Brȃncoveanu von den Vorwürfen benachrichtigte, sei der Fürst in größter Gefahr: »Και ο σερασκέρης όντας του Βλαχ μπέη φίλος το εσιώπησεν, αμή του το εμήνυσεν, τώρα ακολουθεί να έλθη εις τον Βλαχ μπέην καμία μεγάλη ανάγκη, και μάλιστα εσχάτη, ότι φαίνεται πως είναι επίβουλος της βασιλείας, και αυτό καμίαν ιατρείαν δεν έχει«, RGADA f. 52, op. 2, 1704, nr. 1, f. 62v–63 (September 1704 aus Ias¸i). 121 »Να έχετε έναν και μόνον δραγουμάνον, φρόνιμον και πιστόν, να μεταφράζη τα γράμματά μας. Και λέγομεν πιστόν, όπου να μη βάζη εδικά του, ή να ευγάνη από τα γραφόμενα, μόνον να μεταφράζη εκείνα όπου γράφομεν […] μεταφράζοντας τα γράμματα, να τα λαμβάνη η ενδοξότης σου, να τα βάνη εις το βασιλικόν σαράϊ μέσα εις το σεντούκι, εις τόπον όπου άλλος τινάς να μην ημπορεί να απλώση και έτζι παρακαλούμεν να ορίσετε να γίνεται από του νυν, διά να γράφομεν και ημείς με θάρρος και διά να μην ακολουθήση και εις ημάς ποτέ καμία ανάγκη«, RGADA f. 52, op. 1, 1704, nr. 1, f. 62v (Dositheos an Golovin, September 1704). Golovin versicherte ihm,
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Todesstrafe untersagt war, Stücke aus der Korrespondenz des Sultans zu kopieren und herauszugeben.122 Seine riskanten Dienste wollte Dositheos als Frömmigkeitswerke verstanden wissen, zählte sie jedoch auf, in Erwartung eines Entgegenkommens in seinem Hauptanliegen, der Frage der Heiligen Stätten.123 Da der ersehnte Krieg noch auf sich warten lassen könnte, so Dositheos, überlegte er, nun selbst an die Pforte zu appellieren, und erbat dafür Tolstojs Unterstützung.124 Doch der Friedensschluss mit Schweden sei dringend. Sonst würden die Osmanen die Gelegenheit nutzen und den Zaren in einen Zweifrontenkrieg stürzen: »Der jetzige Moment verlangt in unabdingbarer und zwingender Weise und ohne jegliche Zeitverschwendung, dass Eure von Gott geehrte Majestät Frieden mit den Schweden schließt. Darauf wird bestimmt eines von beidem folgen: Entweder wagen die hier [die Osmanen] den Krieg gegen Eure von Gott geschützte Majestät nicht oder, wenn sie ihn doch wagen, sie werden es bereuen.«125
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nur »der alte Dragoman [= Spatharios] habe Zugang zu den Briefen«, ebenda, f. 141 (Golovin an Dositheos, 30. November 1704). »Και να δώση τινάς σχεδόν όλον τον κόσμον δώρα, δεν ημπορεί να πάρη κανένα ίσον, και έχουν και έναν δραγουμάνον, καθώς έχουν τώρα τον κυρ Αλέξανδρον, όπου τα μεταφράζει […] ότι αν γροικηθή τίποτε, δεν είναι άλλο παρά σκηνί ή σπαθί εις τον δραγουμάνον«, ebenda, f. 62v. Dositheos nahm wiederholt Bezug auf Informationen und Ratschläge des Großdragomans, was auf eine nach wie vor vertrauliche Zusammenarbeit hinweist. Brȃncoveanu dagegen beschimpfte Mavrokordatos als Judas. Bei dessen Tod (15. Dezember 1709) freuten sich die meisten Christen, so Brȃncoveanu, da der Verstorbene eine Leuchte für die Ungläubigen und ein Verräter für die Christen gewesen sei, vgl. ISNSR, Bd. 3, nr. 39, 139f. (Brȃncoveanu an Kastriotis, 27. März 1700), und nr. 111, 318–322 (Brȃncoveanu an Gavriil Golovkin, 2. Januar 1710). »Ημείς επροχειρίσθημεν εις διακονίαν της υμετέρας θεοσυστάτου φιλανθρωπίας όχι από λόγου μας, όπου να ημπορεί να παύση τούτο το θειότατον έργον, αλλ’ απ’ αυτού του Θεού, όθεν και φυλάττεται έως εσχάτης ημών αναπνοής«, RGADA f. 52, op. 1, 1705, nr. 1, f. 5v (Dositheos an Peter, Januar 1705). »Τώρα είναι ο αρμόζων καιρός να δοθούν τα άγια προσκυνήματα […] γνωρίζομεν, ότι η μεγάλη σου βασιλεία να είναι ο προκεχειρισμένος και προωρισμένος υπό Θεού διά την ελευθερίαν του γένους των ορθοδόξων. Όμως στοχαζόμεθα, ίσως να αργοπορήση έτι ο πόλεμος, και αν μας τα δώσουν με έναν χρόνον μαζί προ του πολέμου όπου ήθελεν γένη, πλέον δεν μας τα παίρνουν οπίσω«, RGADA f. 52, op. 1, 1703, nr. 1, f. 15 (Dositheos an Peter, 27. Juni 1703, chiffriert). »Ημείς πάλιν αγαθών φίλων συμβουλή εβάλαμεν σκοπόν, ίνα Θεού ευδοκούντος τώρα απερχόμενοι από της Μολδαβίας εις την Κωνσταντινούπολιν εύγωμεν εις το σουλτανικόν βήμα να ζητήσωμεν το δίκαιόν μας […] Και την παρακαλούμεν να επαναναγνώση το σχέδιον όπου την εστείλαμεν και εσημειώσαμεν εν αυτώ, τί και τί να συντύχη τω πρέσβει. Και ούτως κατ’ εκείνο να συντύχη και να παραγγείλη αυτώ«, ebenda, 1704, nr. 1, f. 39v (Dositheos an Peter, Juni 1704, chiffriert). Dositheos berief sich bei seinem apodiktischen Ton auf die christliche Liebe, die jegliche Furcht ausschließe: »Με το μεγάλον θάρρος της αγάπης αποτολμούμεν και λέγομεν (και γαρ η τελεία αγάπη κατά την Θείαν Γραφήν έξω βάλλει τον φόβον) και συμβουλεύομεν ότι ο παρών καιρός αναγκαίως και απαραιτήτως και χωρίς άλλου καιρού αναβολήν ζητεί να κάμη η υμετέρα θεδόξαστος βασιλεία αγάπιν οπωσδήποτε με τους Σφέτζους. Και ούτω γενομένου του πράγματος, αναγκαίως ακολουθά από τα δύο το ένα: τούτοι ή δεν αποτολμούν να πολεμήσουν πόλεμον τινά
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In typisch unverblümter Diktion kritisierte er den Zaren für dessen zurückhaltende Taktik, die den Krieg gegen Schweden in die Länge zog: »Du sollst nicht zögern, wenn es von Nutzen ist und wenn es der Moment verlangt, dass die Soldaten sterben […]. Warum lässt Du die Kosaken nicht sterben, wo sie dann doch zu Märtyrern werden? In L’vov’ waren es nur eine Handvoll Schweden und die Kosaken hätten sie lebendig verschlingen können. Der Krieg wird nicht für irgendein Unrecht geführt, sondern für die Orthodoxie. Ohne Risiko wie kann er zum gewünschten Ende gelangen? […] Wenn manche der Meinung sind, die Errungenschaften des Krieges seien ohne Risiko, ohne Mühe, ohne Tod zu erreichen, dann sollen sie ein Mönchsgewand anziehen und ins Kloster gehen, ihre Gebetskette schwenken. Verzeih, mein von Gott geschützter Kaiser!«126
In seinen letzten Briefen – Dositheos klagte über Gichtschmerzen und geschwollene Hände – zeigte er sich zuversichtlich, dass das Jahr 1706 entscheidend werden und dem Zaren den Sieg über seine Feinde bringen würde.127 Er warnte Gavrila Ivanovicˇ Golovkin (den Nachfolger Golovins, der im August 1706 an Trunksucht verstarb) vor »verräterischen« Beziehungen der kalmuchischen und tatarischen Untertanen des Zaren mit der Pforte128 und beschwerte sich bei Peter – in fast rührender Sanftmut im Vergleich zu seinen sonst üblichen Hasstiraden – darüber, dass die Russen schwedische Gefangene »als Sklaven in die Türkei
μετά της υμετέρας θεοφρουρήτου βασιλείας, ή αν κάμουν, να μετανοήσουν. Και τρίτον αν η υμετέρα μεγάλη βασιλεία θέλει να τελειώση τον σκοπόν της να κινήση κατ’ αυτών, είμεθα βέβαιοι ότι πάντως ο εν Τριάδι υμνούμενος Θεός ευδοκήσει, ίνα όπερ ελπίζομεν οι απανταχού απαξάπαντες ορθόδοξοι και η υμετέρα θεομεγάλυντος βασιλεία έχει κατά σκοπόν, έλθη εις τέλος, και μάλιστα μετά ευκολίας.«, RGADA f. 52, op. 1, 1704, nr. 1, f. 40v (Dositheos an Peter, Juni 1704, chiffriert). Russische Übersetzung bei Kapterev, Snosˇenija Dosifeja, Anhang, nr. 10. 126 »Να μη λυπάσαι να αποθνήσκουν οι στρατιώται, όταν είναι συμφέρον και μάλιστα όταν ο καιρός το καλεί, ότι πολλάκις ο καιρός καταφρονηθείς, δεν ευρέθη άλλην φοράν […] θεοστήρικτέ μου, τι λυπάσαι τους καζάκους να αποθάνουν, όπου αν αποθάνουν είναι μάρτυρες. Εις το Λιόβι ήταν μια φούκτα Σφέκοι, και οι καζάκοι τους ερουφούσαν ζωντανούς. Ο πόλεμος δεν είναι διά τίποτα πταίσμα, αλλά δια την ορθοδοξίαν, και χωρίς κίνδυνον πώς ημπορεί να έχη το τέλος όπου του πρέπει; Είναι και εντροπή από τον κόσμον να εύγουν τόσες χιλιάδες καζάκοι με τον ηγούμενόν τους και να γυρίσουν οπίσω άπρακτοι. Είναι και άλλο. Όπου σαν πολεμούν, όσοι ζήσουν μαθαίνουν να πολεμούν, αμή σαν κάθονται έτζη και δεν πολεμούν, εις καιρόν χρείας δεν ωφελούν τίποτε. Αν είναι τινές όπου νομίζουν πως το κατόρθωμα του πολέμου να γενή χωρίς κίνδυνον, χωρίς κόπον, χωρίς θάνατον, ας φορέσουν από ένα καμηλαύκι και ας υπάγουν να καθίσουν εις μοναστήρι να γυρίζουν το κομποσχοίνι τους· συμπάθιον θεοφύλακτέ μου, ότι ημείς εξ αγάπης και με πνευματικόν θάρρος συντυχαίνομεν…«, RGADA f. 52, op. 1, 1704, nr. 1, f. 102–103v (Dositheos an Peter, 10. Oktober 1704). 127 »Εις τα αυτόθι νομίζομεν να είναι ο εφετεινός χρόνος κριτικός«, RGADA f. 52, op. 1, 1706, nr. 1, f. 19 (Dositheos an Golovin, 5. März 1706 aus Konstantinopel). 128 Ebenda, f. 48v (Dositheos an Golovkin, 18. Oktober 1706); vgl. Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 343.
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verkaufen« ließen, denn schließlich seien sie, »obwohl häretisch«, auch Christen.129 Den Tod seines Onkels und die eigene Wahl durch die Konstantinopler Patriarchatssynode zum Patriarchen Jerusalems teilte Chrysanthos dem Zaren und Golovkin in seinen Briefen vom 17. März 1707 aus Konstantinopel mit, wobei er versprach, als Dositheos’ »treuer Anhänger und Gefolgsmann« weiterhin treue Dienste zu leisten und es als frommes Werk anzusehen.130 Chrysanthos, der bei aller Loyalität gegenüber seinem Onkel schon aufgrund seiner breiteren Bildung aufgeschlossener oder weniger reserviert in Bezug auf die anderen Konfessionen und deren Vertreter war,131 wich zunächst nur im Ton und in der symbolischen Sprache von seinem Vorbild ab.132 Er sorgte für die Vermittlung zwischen Tolstoj und dem walachischen Hof, Brȃncoveanu und den Cantacuzinos, die er erneut Moskau wärmstens empfahl,133 und gab ähnlich kühn pragmatische Ratschläge wie zuvor Dositheos: auf Verschwiegenheit achten, keinen Zweifrontenkrieg riskieren (ergo: Frieden mit Schweden schließen) und beim kommenden Türkenkrieg erst die Krimtataren ausschalten. Nur dann würden sich die Hospodaren und alle Orthodoxen den Russen anschließen (schließlich heiße es: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, nicht mehr als dich selbst) und – jetzt konkret imaginiert – die Eroberung der europäischen (balkanischen) Gebiete des Os129 Ebenda, f. 63 (Dositheos an Peter, 15. November 1706). Russische Übersetzung bei Kapterev, Snosˇenija Dosifeja, Anhang, nr. 13; vgl. Carras, Εμπόριο, 416. 130 »Όντες κατά πάντα οπαδοί και ακόλουθοι της εκείνου μετριότητος, καθώς εκαταστάθημεν διάδοχοι του αγιωτάτου αυτού πατριαρχικού θρόνου, ούτως είμεθα και κληρονόμοι των οικείων του φίλων […] καθώς η εκείνου μετριότης ήτον προθυμότατος συνεργός εις τα όσα απέβλεπον προς δούλευσιν και ωφελείαν του μεγίστου ημών αυτοκράτορος, τον όμοιον τρόπον τρέχομεν και ημείς μέχρι τελευταίας μας αναπνοής, νομίζοντες ότι υπηρετούντες εις ό,τι δυνάμεθα το θειότατον κράτος, δουλεύομεν αυτόν τον Ιησούν Χριστόν«, RGADA f. 52, op. 1, 1707, nr. 1, f. 8–8v (Chrysanthos an Golovkin). Gegenüber Peter schwärmte er vom Kommen »jenes Tages«, den sein Onkel nicht erleben durfte: »Όχι μόνον εγώ, αλλά και άπαν το ορθόδοξον ενταύθα γένος μετά Θεόν προς την υμετέραν μεγίστην βασιλικήν μεγαλειότητα και ζούμεν και αναπνέωμεν, και η Θεία Πρόνοια να μας αξιώση να ιδούμεν και ημείς την ημέραν εκείνην, την οποίαν επεθύμει να ιδή και ο μακαρίτης εκείνος και δεν την ηξιώθη«, ebenda, f. 1v–2 (Chrysanthos an Peter). 131 Zu Chrysanthos vgl. P. Stathi, Χρύσανθος Νοταράς, πατριάρχης Ιεροσολύμων. Πρόδρομος του Νεοελληνικού Διαφωτισμού [Chrysanthos Notaras, Patriarch von Jerusalem. Vorgänger der neugriechischen Aufklärung], Athen 1999 (zu dessen russischen Kontakten: 156–167); Podskalsky, Griechische Theologie, 317–319; Karathanasis, Οι Έλληνες λόγιοι, 114–127; E. Nicolaïdis, »Les Grecs en Russie et les Russes en Chine au XVIIème Siècle: le contexte de la copie par Chrysanthos des livres astronomiques ›perdus‹ de Verbiest«, Archives Internationales d’Histoire des Sciences 44 (1994), 271–308. 132 Constantin Panchenko ist der Meinung, dass schon der schmeichelnde Ton seiner Briefe an Peter verlogen wirkt, Panchenko, Arab Orthodox Christians, 350. 133 RGADA f. 52, op. 1, 1707, nr. 1, f. 18 und f. 29 (Chrysanthos an Golovkin, September 1707); ebenda 1708, nr. 1, f. 5v (Chrysanthos an Golovkin, 13. Januar 1708, chiffriert). Russische Übersetzung in PiB, Bd. 7, 480–484.
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manischen Reiches ermöglichen.134 Die russische Regierung (der Zar, Golovkin und auch Tolstoj) zeigte Chrysanthos gegenüber dasselbe Vertrauen135 und kam ihm in der Frage der Heiligen Stätten entgegen. Anlässlich der Erneuerung des russisch-osmanischen Friedens 1709 setzte Tolstoj die Bitte erneut auf die Agenda und Peter schrieb in Absprache mit Tolstoj und Chrysanthos an Sultan Ahmed III.136 Der Frieden wurde zwar formell noch erneuert (im November 1709 – Alexandros Mavrokordatos’ letzter Akt),137 doch von der Rückgabe der Heiligen Stätten oder anderen Gefälligkeiten konnte keine Rede mehr sein. Peters spektakulärer Sieg gegen seinen Widersacher Karl XII. in Poltava (27. Juni 1709), in konventioneller Sicht die Geburtsstunde des russischen Imperiums,138 drohte die Balance in Osteuropa dramatisch zugunsten Moskaus zu verschieben und machte einen baldigen russisch-osmanischen Krieg umso wahrscheinlicher. Nicht umsonst erschrak Mavrokordatos bei Erhalt der Nachricht und versuchte, den enthusiastischen Tolstoj davon abzubringen, Feierlichkeiten zu veranstalten.139 Die Pforte reagierte durch die Absetzung des verdächtigten Fürsten der Moldau Michail Rakovit¸a,140 den sie durch den Sohn von Alexandros, Nikolaos 134 »Αν πρώτον δεν φροντίση να λείψωσι εκ μέσου οι Σκύθαι και μάλιστα οι γείτονες ταύτης της επαρχίας, ας είναι βέβαιον ότι από τινά καμίαν συμμαχίαν και βοήθειαν να μην ελπίζη το θείον κράτος, μάλιστα δε και το εναντίον. Ότι μόνος του ο Κύριος λέγει αγαπήσεις τον πλησίον σου ως σεαυτόν και όχι περισσότερον, και αλλαχόθι, το μεν πνεύμα πρόθυμον η δε σαρξ ασθενής. Όθεν έως ότου ευρίσκονται οι ρηθέντες Σκύθαι εις τον τόπον τους και εις την δύναμίν τους, καθένας φροντίζει να φυλάξη την πατρίδα του και τους συγγενείς του, με είτι τρόπον δύναται. Αν όμως αυτοί λείψωσι από το μέσον, τότε έχει το θείον κράτος και έθνη και γένη και επαρχίας βοηθούς και συμμάχους και συνεργούς ώστε με θαύμα του κόσμου, Θεού συνεργούντος θέλει λάβει αύξησιν εις ολίγον καιρόν η επικράτεια υμών θαυμαστήν και περίδοξον, και να λάβη υπό την εξουσίαν της όλον το μέρος όπου εξουσιάζουσιν οι εθνικοί εις την γην της Ευρώπης«, RGADA f. 52, op. 1, 1707, nr. 1, f. 30–30v (Chrysanthos an Golovkin, 28. September 1707 aus Ias¸i). Russische Übersetzung in PiB, Bd. 7, 466–475. 135 Vgl. Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 394. Briefe von Peter und Golovkin an Chrysanthos (1707–1708) in: PiB, Bd. 5, 224f.; Bd. 7, 475–480, 484f. 136 Vgl. Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 394–398; Krylova, »Russkaja diplomatija«, 276. 137 Vgl. Camariano, Alexandre Mavrocordato, 101. 138 Vgl. die Gedenkausgabe der HUS 31/1 (2009–2010): Poltava 1709: The Battle and the Myth. 139 Vgl. Krylova, »Russkaja diplomatija«, 276f; S. F. Oresˇkova, Russko-tureckie otnosˇenija v nacˇale XVIII v., Moskau 1971, 57f.; Bazarova, Russkie diplomaty, 87f. 140 Rakovit¸a hatte tatsächlich bereits 1704 Peter den Wechsel unter die russische Oberhoheit angeboten. Auch dessen Rivale, Antioch Cantemir, war 1707 als illoyal abgesetzt worden, vgl. V. Ciobanu, »Politische und diplomatische Aktivitäten der Rumänen zu Beginn des 18. Jahrhunderts: Hintergründe und Zielsetzungen (1700–1709)«, SOF 52 (1993), 1–10, hier 5, 9. Dositheos vermittelte zwischen Rakovit¸a (und dessen Mitarbeiter Georgakis) und Golovin: »Μάλιστα έχει [ο Μιχαήλ βοεβόδας] οικείον αυτού τον άρχοντα μέγα βόρνικον Γεωργάκην ρωμαίον κωνσταντινουπολίτην, καλόν και τίμιον άνθρωπον […] και αν γράψετε εις του βοεβόδα το γράμμα και εις τον Γεωργάκην τούτον χαιρετίσματα, μάλιστα γράφοντες ότι ο μακαριώτατος μου έγραψεν πως είστε καλοί άνθρωποι και πιστοί της θείας μεγαλειότητας. Τούτο αν συγκατα-
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Mavrokordatos ersetzte. Nikolaos hatte unter anderem den Auftrag, Brȃncoveanus Verrat aufzudecken (wohl durch Abfangen von dessen Korrespondenz), versuchte aber, Zeit zu schinden und den Krieg abzuwenden.141 Dabei setzte er konsequent die ›pazifistische‹, risikovermeidende Strategie seines Vaters fort, die er auch als Großdragoman in enger Kooperation mit Tolstoj verfolgt hatte, und wurde von jener Fraktion der osmanischen Regierung protegiert, die durch den Großwesir Ali Ҫorlulu (1706–1710) vertreten wurde und die sich gegen einen Krieg aussprach.142 Auf der anderen Seite lobbyierte der schwedische König Karl XII., der nach Poltava auf osmanisches Territorium geflüchtet war, im Bündnis mit dem Krimchan und der französischen Botschaft und drängte auf die Kriegserklärung. Mit Ҫorlulus Absetzung (Juli 1710) und der Machtübernahme erst durch Numan Köprülü und bald durch Baltaci Mehmed Pascha setzte sich die Fraktion der ›Falken‹ durch. Nikolaos Mavrokordatos wurde »aufgrund des Verdachts der Inklination zu den Moskowitern«143 von Dimitrie Cantemir abgelöst, der ebenfalls den Auftrag erhielt, Brȃncoveanus Verrat aufzudecken (verbunden mit dem Versprechen der Herrschaft über beide Fürstentümer), obwohl es inzwischen keiner Indizien mehr bedurfte. Der in Yedikule inhaftierte Rakovit¸a hatte dem Großwesir die schriftlichen Vereinbarungen zwischen Brȃncoveanu und Moskau geliefert, während der Krimchan das Archiv des inzwischen verstorbenen Kosakenhetmans Ivan Mazepa beschlagnahmte, das genügend belastendes Material über mehrere der involvierten Akteure enthielt, darunter Chrysanthos, der seinen Kontakt zu Moskau einstellte.144 Am 10. November 1710 wurde der Krieg vom Diwan beschlossen, bald darauf folgten die obligatorische Festnahme Tolstojs145 und die Kriegserkärung. Für Peter kam der Krieg zu einem ungünstigen Zeitpunkt, er versuchte aber, daraus
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νεύση η εκλαμπρότης σου να το κάμη προξενεί ωφέλειαν, ότι την οικείωσιν προς υμάς την έχουσι δια μεγάλην τιμήν, και συλλογίζονται τα μέλλοντα και αγαπούσι να έχωσι θάρρος«, RGADA f. 52, op. 1, 1705, nr. 1, f. 15v (Dositheos an Golovin, Januar 1705 aus Ias¸i). Vgl. Ciobanu, Les pays roumains, 104–106. Der englische Botschafter hielt ihn daher für ein »Instrument und einen Agenten der Moskoviter«, A. N. Kurat (Hg.), The Despatches of Sir Robert Sutton, Ambassador in Constantinople (1710–1714), London 1953, 49. Der französische Botschafter Des Alleurs bezeichnete Nikolaos (24. November 1710) als eine »créature d’Ali Grand Visir«, Hurmuzaki, Documente, Suplement, Bd. 1/1, 390. »Il Principe di Moldavia Nicolaki Mauro Cordato fú interprete della Porta è stato deposto dal suo Principato per sospetto di partialità co’ Moscoviti, ed in vecedi lui chiamato Dimitraso Cantemir«, Bericht des venezianischen Bailo, 27. November 1710, Hurmuzaki, Documente, Bd. 9/1, 449f. Vgl. Semenova, Russko-valasˇkie otnosˇenija, 102. Doch auch Brȃncoveanu hatte vermutlich seinerseits Rakovit¸a gegenüber der Pforte als Agenten des Zaren denunziert, wie bereits dessen Vorgänger, Constantin Duca, vgl. Uebersberger, Rußlands Orientpolitik, 98; Ciobanu, Les pays roumains, 45. Tolstoj wurde wie gewohnt in Yedikule inhaftiert; er hat trotz der Drohungen der Pforte seine griechischen Agenten nicht verraten, vgl. Bazarova, Russkie diplomaty, 41.
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das Beste zu machen, und setzte auf eine aggressive, den Gegner überrumpelnde Taktik. Angesichts der verhältnismäßig kleinen für den Feldzug zur Verfügung stehenden Truppenkontingente hing Wesentliches von der Unterstützung der Balkanchristen ab. Entscheidend für den Entschluss, auf sie zu setzen, war der Seitenwechsel Cantemirs, der im Glauben, von der Pforte betrogen worden zu sein (Brȃncoveanu blieb vorerst trotz allem auf seinem Thron), die Lage sondierte, sich mit Peter einigte und im April 1711 eine förmliche Allianz bzw. Unterordnung unterzeichnete.146 Das große Risiko, das Peter in Kauf nahm, als er sich auf die Unterstützung der Hospodaren sowie auf die Organisierung von Aufständen im osmanischen Hinterland verließ, zeigt, dass die entsprechenden Beteuerungen in den vergangenen Jahren in Moskau nicht als leere Versprechen empfunden worden waren.147 In den Kriegsmanifesten, die Peter gemäß den (neuen) außenpolitischen Gepflogenheiten des frühen 18. Jahrhunderts148 verfasste, berief er sich auf das Völkerrecht (vsenarodnye prava), betonte den Eidesbruch des Sultans, lieferte ˇ yhyryn und einen Rückblick über die russisch-osmanischen Beziehungen seit C versprach im Namen der ganzen Christenheit (vse christianstvo), den Kampf gegen die »barbarischen Türken« (sie varvary Turki) aufzunehmen.149 In den 146 Wie Radu Pa˘un bemerkt, war die »loyale Option« im Kontext eines Krieges nicht unbedingt die sicherste für die Hospodaren, Pa˘un, Enemies within, 234f. Vgl. A. Pippidi, »Politique et histoire dans la proclamation de Démétrius Cantemir en 1711«, in: ders., Hommes et idées du Sud-est européen à l’aube de l’ȃge moderne, Bukarest–Paris 1980, 187–214, hier 192–198; S. Lemny, Les Cantemir. L’aventure européenne d’une famille princière au XVIIIe siècle, Paris 2009, 95–103; Semenova, »Valasˇkaja politicˇeskaja elita«, 248; Uebersberger, Rußlands Orientpolitik, 98; Aksan, Ottoman Wars, 91; Sumner, Peter the Great, 43. Der »Vertrag« von Luck (13. April 1711) abgedruckt in: ISNSR, Bd. 3, nr. 113, 323–327; PiB, Bd. 11, 173–177. Die Manifeste Cantemirs in : Hurmuzaki, Documente, Suplement, Bd. 1/1, 396–399. 147 Zur Bedeutung der christlichen Verbündeten in Peters militärischem Plan vgl. Wittram, Peter I., Bd. 1, 369, 371, 375–377; Uebersberger, Rußlands Orientpolitik, 93–97; Semenova, »Valasˇkaja elita«, 248; dies., Russko-valasˇkie otnosˇenija, 120; Oresˇkova, Russko-tureckie otnosˇenija, 104; I. I. Lesˇcˇilovskaja, »Petr I i Balkany«, Voprosy Istorii 2001/2, 46–57, hier 48; A. N. Kurat, »Der Prutfeldzug und der Prutfrieden von 1711«, JGO 10 (1962), 13–66, hier 22, 28; Krylova, »Russko-tureckie otnosˇenija«, 272; Davies, Empire, 113, 123; Brückner, Peter der Große, 459–465; vgl. Peters Anordnung an die Heeresführer Dolgorukij und Sˇeremetev (7. Mai und 21. Juni 1711): PiB, Bd. 11, 221–223, 299f. 148 Vgl. P. Piirimäe, »Russia, the Turks and Europe: Legitimation of War and the Formation of European Identity in the Early Modern Period«, JEMH 11 (2007), 63–86; Sumner, Peter the Great, 39, 46; vgl. zum Kontext: M. Schnettger, Der Spanische Erbfolgekrieg, München 2014, 7, 38f., 101. 149 PiB, Bd. 11, 74–83 (Manifest vom 22. Februar 1711); 85f. (Erklärung zum Kriegsbeginn vom 28. Februar). Letztere Erklärung (ob’javlenie) sollten die russischen Botschafter in England, den Niederlanden und in Österreich bekanntgeben, vgl. Oresˇkova, Russko-tureckie otnoˇsenija, 101. Zu den Anfängen und der Expansion des Osmanischen Reichs verwies das Manifest auf das Geschichtswerk (Επιτομή της Ιεροκοσμικής Ιστορίας [Breviar der heiligen und profanen Geschichte]) des Patriarchen von Jerusalem, Nektarios (S. 75), das Dositheos nach Moskau geschickt hatte.
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Sendschreiben, die er an die christlichen Völker des Osmanischen Reiches, »Griechen, Serben, Bulgaren, Slavoner, Albaner und die übrigen«, adressierte, bediente er sich hingegen einer distinkten Rhetorik. Wie wörtliche Wiedergaben der pathetischen Appelle und Bittschriften der griechischen Kirchenmänner lesen sich die Aufrufe des Zaren, der sich als Schutzherr der Kirche und Rächer der Demütigungen durch die Osmanen, als der einzig verbliebene orthodoxe Monarch, stilisiert. Der Tyrann (Sultan) habe sich mit dem häretischen Schweden und mit abtrünnigen Untertanen des Zaren verbündet, um die Orthodoxie ihrer letzten Zuflucht zu berauben. Jetzt sei der Tag gekommen, den die Väter und Vorfahren der unterjochten Christen vergeblich ersehnt hätten; eine solche Gelegenheit, das tyrannische Joch der Ungläubigen abzuschütteln und die Muslime zurück in ihre Heimat, »die arabische Steppe« zu vertreiben, komme womöglich nie wieder. Jeder gute Christ sei aufgefordert, für die Kirche, den orthodoxen Glauben, die eigene Heimat (za otecˇestvo svoe) an der Seite des Zaren zu kämpfen, der übrigens verspreche, keinen eigenen Vorteil daraus zu ziehen und die befreiten Christen ihrer angestammten Führung zu überlassen.150 Augenfällig wird auch an letzterer Bemerkung der Umstand, dass die Adressaten der Aufrufe hauptsächlich in den lokalen Eliten der Donaufürstertümer und Montenegros zu suchen sind. Eine griechische, mehr schlechte als rechte Übersetzung des montenegrischen Aufrufes vom 23. März 1711, adressiert an einen gewissen Avraam Bey von Varna, ist, entgegen der älteren Deutungen, kein Indiz für ihre Verbreitung im Süden der Balkanhalbinsel.151 Bemühungen, Aufstände auch in 150 Vgl. das Sendschreiben an das montenegrische Volk, 3. März 1711 (Gramota cˇernogorskomu narodu): PiB, Bd. 11, 117–119; Manifest an die Moldau, die Walachei und alle christlichen Völker, 8. Mai 1711 (Manifest Moldavii i Valachii i vsem christianskim narodam), ebenda 225–227; ISNSR, Bd. 3, 331–336. 151 Ediert zuerst bei: Miklosich, Müller, Acta et diplomata, Bd. 3, 279–281. Danach, allerdings ohne die bezeichnende Überschrift »Μεταγλώττισις της γραφής, οπού έστειλεν ο Τζάρης εις πάντας τους ραγιάδες της τουρκικής βασιλείας, από τους οποίους εγύρευε βοήθειαν« (Übersetzung des Schreibens, das der Zar an alle Untertanen (reaya) des Türkischen Reichs schickte, von welchen er Hilfe verlangte), bei Sathas, Τουρκοκρατουμένη Ελλάς, 449–451; PiB, Bd. 11, 151–153; vgl. die Reedition anhand des Wiener Originals (Vind. Suppl. Graec. 131) bei P. K. Enepekides, »Zwei Texte des 18. Jahrhunderts im Wiener Supplementum Graecum«, JÖB 9 (1960), 57–70. Giorgos Valetas’ Behauptung, der Autor des Aufrufs sei ein Petros Skordylis aus Limnos gewesen, ist völlig unbegründet und eher der Struktur seiner Anthologie bzw. seiner notorisch mangelnder Akkuratesse geschuldet, G. Valetas, Ανθολογία της δημοτικής πεζογραφίας. Bd. 1: Από το Μαχαιρά ως το Σολωμό (1340–1827) [Anthologie der volkssprachlichen Prosa. Bd. 1: Von Machairas bis Solomos (1340–1827)], Athen 1947, 297– 299, 597. Im Vorwort (ηʹ) räumt der Herausgeber immerhin »Zweifel an der Autorschaft« von Skordylis ein. Dennoch ist sie als gegeben aufgenommen worden: zunächst von P. Cernovodeanu, »Pierre le Grand dans l’historiographie roumaine et balkanique du XVIIe siècle«, RESEE 13 (1975), 77–95, hier 81. Als Verfasser der Aufrufe gilt der serbische Agent Peters, Savva Vladislavic´, genannt Graf Raguzinskij. Zu ihm vgl. I. I. Lesˇcˇilovskaja, »Serbspodvizˇnik Petra I. Graf Raguzinskij«, Slavjanskij Al’manach 2002, 70–91; Oresˇkova, Russkotureckie otnosˇenija, 103, 130; Brückner, Peter der Große, 460.
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Zentralgriechenland zu schüren, orchestriert durch den Konsul Russlands in Venedig, Dimitrios Botsis, und seinen Mitarbeiter, Dimitrios Kolettis aus Athen, hat es gewiss gegeben, aber weder gehörten sie zur Hauptstrategie des Zaren noch führten sie zu bedeutenden Ergebnissen.152 Strategisch hing im Grunde alles davon ab, wer als Erster die Donau erreichen und überqueren würde. Die etwa um ein Dreifaches überlegene osmanische Armee unter dem Großwesir Baltaci Mehmed Pascha kam den Russen am 15. Juni zuvor.153 Damit war die Ausgangslage bereits entschieden, denn weder Brȃncoveanu, dem Cantemirs Initiative ohnehin suspekt erscheinen musste, war bereit, bei solch massiver osmanischer Präsenz in der Walachei offen den Bruch mit der Pforte zu wagen (»he was not the man to burn his boats«),154 noch waren irgendwelche flächendeckenden Aufstände hinter dem Rücken der osmanischen Armee zu erwarten. Implizit oder explizit war ja die unbedingte Voraussetzung dafür ein siegreicher russischer Marsch über die Donau.155 Am 24. Juni hielt Peter Einzug in Ias¸i, wo er Cantemir begegnete, es folgten festliche Gottesdienste zu Ehren des Zaren. In Ias¸i trafen zudem zum einen Toma Cantacuzino, ein Neffe des Stolnik, ein, der sich, begleitet von weiteren Bojaren, offen von Brȃncoveanu distanzierte und heftige Anschuldigungen gegen diesen erhob; zum anderen Kastriotis als Bevollmächtigter von Brȃncoveanu. Am wahrscheinlichsten ist, dass Kastriotis im Namen von Brȃncoveanu und Chrysanthos ein Friedensangebot des Großwesirs überbrachte, das zugleich die Loyalität des Fürsten und des Patriarchen testen sollte. Kastriotis hatte aber auch den Auftrag, die Haltung seines Herrn zu rechtfertigen und den Kontakt zu Peter aufrechtzuerhalten.156 Trotz der unvorteilhaften Entwicklung wurde auf Rat von 152 Einschlägige Briefe von Botsis, einem Metropoliten Ioannikios und einem Kapitän »Ivan Sumila«, der versprach, zehntausend Männer zu versammeln, Preveza und Vonitsa einzunehmen und die ganze Region bis Thessaloniki in Furcht zu versetzen, in: PiB, Bd. 11, 422– 424; vgl. A. E. Vakalopoulos, »Ο Μέγας Πέτρος και οι Έλληνες κατά τα τέλη του 17ου αιώνα και τις αρχές του 18ου αιώνα« [Peter der Große und die Griechen am Ende des 17. Jahrhunderts und zu Beginn des 18. Jahrhunderts], Επιστημονική Επετηρίς της Φιλοσοφικής Σχολής του Πανεπιστημίου Θεσσαλονίκης 11 (1969), 245–259. 153 Vgl. Aksan, Ottoman Wars, 95; Oresˇkova, Russko-tureckie otnosˇenija, 123f.; Sumner, Peter the Great, 42f.; Wittram, Peter I., Bd. 1, 374–381; Brückner, Peter der Große, 455–472; Davies, Empire, 111–123; P. Hoffmann, Peter der Große als Militärreformer und Feldherr, Frankfurt a.M. u. a. 2010, 125–138; V. N Vinogradov, Dvuglavnyj rossijskij orel na Balkanach 1683– 1914, Moskau 2010, 27–37. Speziell zu den militärgeschichtlichen Aspekten des Pruthkriegs vgl. V. A. Artamonov, Dunajskij pochod Petra I v 1711 godu, Moskau 2015; N. Dorrell, Peter the Great Humbled. The Russo-Ottoman War of 1711, Solihull 2018. 154 Semenova, Russko-valasˇkie otnosˇenija, 122, 126. Zitat bei Sumner, Peter the Great, 43. 155 Vgl. Sumner, Peter the Great, 42–44. 156 Vgl. Semenova, Russko-valasˇkie otnosˇenija, 126f.; Cernovodeanu, »Bucarest«, 164. Der Vertreter (kapi-kechaja) von Brȃncoveanu, Afentoulis, gibt in seiner Chronik diese Version der Ereignisse (Befehl des Großwesirs über Chrysanthos an Brȃncoveanu) wieder, vgl. ders., »Ιστορία μερική των συμβάντων τω Ρηγί Σβέκω Καρόλω« [Partielle Geschichte dessen, was
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Cantemir, Cantacuzino und Kastriotis ein weiterer Vormarsch beschlossen.157 Als Ergebnis fand sich am 9. Juli das russische Lager bei Staniles¸ti am Pruth vom Gros der osmanischen Armee umzingelt. Die Frage, wieso der Großwesir auf das verzweifelte (»v takoj disperacii ne byli«, schrieb später Peter an den Senat)158 russische Friedensangebot einging und dem Zaren »ein im Verhältnis zur militärischen Katastrophe geradezu lächerlich geringes Opfer« abverlangte, hat bereits unter den Zeitgenossen wilde Spekulationen ausgelöst.159 Doch die Bedingungen, die der Großwesir diktierte – hauptsächlich die Abtretung von Azov und der weiteren Erwerbungen des letzten Krieges, die Auslieferung der Azov’schen Flotte, die Abschaffung der ständigen russischen Vertretung an der Pforte sowie die Untersagung jeglicher Einmischung des Zaren in die Angelegenheiten der christlichen Untertanen der Pforte –, erfüllten im Ganzen die Kriegsziele der Pforte. Dafür nahm sie offenbar in Kauf, dass es nicht die Ziele ihrer Partner waren – des Krimchans und besonders des herbeigeeilten Karl XII., die ob der unverhofft versäumten Gelegenheit vergebens protestierten.160 Peter erhielt zusammen mit seinem Heer freien Abzug und kam glimpflich davon, wobei er sein
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dem schwedischen König Karl widerfahren ist], in: Hurmuzaki, Documente, Bd. 13, 50–76, hier 54. Enthalten zusammen mit weiterem einschlägigem Material in einer Handschrift aus dem Phanariotenmilieu in der Parlamentsbibliothek Athen, Hf. 64, f.1–68. Vgl. Semenova, Russko-valasˇkie otnosˇenija, 131. Vgl. Wittram, Peter I., Bd. 1, 383. Vgl. Wittram, Peter I., Bd. 1, 386–395 (das Zitat auf S. 387); Sumner, Peter the Great, 40f.; Stevens, Russia’s Wars, 268; Aksan, Ottoman Wars, 97; J. E. Vodarskij, »Legendy Prutskogo pochoda Petra I. (1711 g.)«, Otecˇestvennaja istorija 5/2004, 3–26; Kurat, »Der Prutfeldzug«, 49–65; Finkel, Osman’s Dream, 334–336. Der anwesende Comte de Lion notierte: »Wenn einer frühmorgens am 12./13. Juli gesagt hätte, dass der Frieden unter diesen Bedingungen geschlossen wird, so hätten ihn alle für einen Narren gehalten.«, Kurat, »Der Prutfeldzug«, 54, Anm. 275. Der Sekretär der Kaiserlichen Botschaft Franz von Fleischmann meldete in seinem Bericht an den Hofkriegsrat (29. Juli 1711 neuen Stils) »ein ungewöhnliche und fast unerhörte sache«, Hurmuzaki, Documente, Bd. 6, 84. Der französische Botschafter Des Alleurs berichtete im Oktober: »Tout le monde fut surpris de la pauvre manière du Visir qu’il eut en demandant les prétentions du Czar l’ayant entre les mains,«, Hurmuzaki, Documente, Suplement Bd. 1/1, 405. Auch der damalige englische Botschafter Sir Robert Sutton fasste dieses Gefühl der Diplomaten stellvertretend zusammen: »This may deservedly be looked as one of the most surprizing and Extraordinary Events, that ever happened. […] The Vizir’s facility and moderation is as wonderfull on the other side.«, Kurat (Hg.), The Despatches, 60. Dennoch deutete Sutton die Motivation des Großwesirs treffend. Vgl. Karls Schreiben an den Sultan (27. Juli 1711); Hurmuzaki, Documente, Bd. 6, 82, und den Bericht eines anonymen Schwedens (29. Juli 1711), ebenda 88f.; Davies, Empire, 121f. Der neue Pfortendragoman Ioannis Mavrokordatos, Sohn von Alexandros und Bruder von Nikolaos, redete auf die russischen Unterhändler ein, die osmanischen Bedingungen zu akzeptieren. Die Pforte hätte die Briefe Tolstojs an den Zaren abgefangen und entschlüsselt, vgl. Bazarova, Russkie diplomaty, 46, 135, 146, Fn. 84.
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Wort hielt und Cantemir trotz der Forderung des Großwesirs nicht auslieferte.161 Peters Kreuzzug war damit beendet. Man kann wieder die Metapher des sich schließenden Vorhangs bemühen, nur war es diesmal ein viel tiefgreifenderer Einschnitt. Die »Entzauberung«162 war eine gegenseitige. Vom Versagen der einheimischen Helfer sah sich die russische Führung betrogen und begründete damit umso glaubwürdiger die nach der Niederlage fällige Kehrtwende. Das betraf nicht allein Brȃncoveanu, der es sich ohnehin trotz aller Gewandtheit mit beiden Seiten verdarb und 1714, gewissermaßen als eine späte Quittung, unter Anklage von Verrat an die Russen seinen Thron und seinen Kopf einbüßte,163 sondern vorwiegend die griechischen Kirchenmänner und ihre Netzwerke, auf die man zu setzen gewohnt war. Schon 1706 klagte Tolstoj, die Griechen »ob klein ob groß lügen ausnahmslos alle und man kann ihnen keinen Glauben schenken«164. Peter S¸afirov, der Unterhändler des Adrianopler Friedens 1713, fügte hinzu, für Geld seien sie »bereit, ihren Gott, ihren Glauben, ihre Seele und ihren Herrscher zu verraten. Weder wir noch Peter Andreevicˇ [Tolstoj] haben unter ihnen einen Freund und gute Menschen finden können. Sie wenden sich von uns ab wie von der Pest.«165 Besonders Chrysanthos’ bedachtsames Zurückweichen enttäuschte die russische Seite, hatte man in ihm als Dositheos’ Nachfolger doch einen Vertrauensmann gesehen. Trotz der förmlichen Wiederherstellung des Verhältnisses nach Chrysanthos’ Apologien 1713 war das Tischtuch ein für alle Mal zerschnitten. Der nächste Brief von Chrysanthos nach Russland, d. h. jetzt nach St. Petersburg – eine Bitte um Beistand bei den Bedürfnissen des Heiligen Grabes –, erfolgte erst 1728, nach Peters Tod, und war an die Heilige Synode gerichtet.166 Ins Bild passt auch die graduelle 161 Auch die Auslieferung von Savva Raguzinskij verlangten die Osmanen. Die russischen Unterhändler gaben vor, den Aufenthaltsort beider nicht zu kennen. Sie wurden versteckt durchgeschmuggelt. Auch Kastriotis folgte dem abziehenden russischen Heer, vgl. Kurat, »Der Prutfeldzug«, 51; Semenova, Russko-valasˇkie otnosˇenija, 143; Carras, Εμπόριο, 555. 162 I. Carras, »Ocˇarovanie i razocˇarovanie: Greki i russkaja politika v nacˇale XVIII v.«, in: Istorija rossijsko-grecˇeskich otnosˇenij i perspektivy ich razvitija v XXI veke, Moskau 2010, 59–66. 163 Vgl. Semenova, »Valasˇkaja elita«, 250f.; Ciobanu, Les pays roumains, 156. Dasselbe Schicksal ereilte 1716 die Kantakuzenen: Constantin, Mihail und dessen Sohn Stefan, der 1714 Brȃncoveanu abgelöst hatte. Dass sie Brȃncoveanus Verrat der Pforte nachwiesen, schützte sie nicht vor demselben Vorwurf, vgl. Semenova, Russko-valasˇkie otnosˇenija, 151; Ionescu, »Ideal«, 532f. Stefan Cantacuzino erkundigte sich im April 1712 bei Chrysanthos über die Friedensverhandlungen und bemerkte, es sei angebracht zu urteilen, die Zeit der Erlösung der Söhne Israels sei wohl noch nicht gekommen, Hurmuzaki, Documente, Bd. 14/3, 95. 164 Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 402. 165 Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 413. Dositheos, der von diesen Vorwürfen ausgenommen gewesen war, bestätigte Tolstoj in seiner Meinung: »Verwende echte Moskowiter in Deinem Dienst und keine Griechen, denn die Griechen hüten kein Geheimnis.«, Kapterev, Charakter, 346, vgl. Bazarova, Russkie diplomaty, 492f. 166 Vgl. Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 403–417. Die ziemlich undurchsichtige Affäre zweier griechischer Händler, die im Auftrag Karls XII. und des Sultans von
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Umorientierung der russischen ›Orientpolitik‹ hin zu den Südslaven, und zwar nicht nur aus geostrategischen Gründen.167 Tolstoj notierte bereits 1703, für eventuelle Aufstände und überhaupt militärischen Beistand kämen eher andere christliche Völker des Osmanischen Reiches infrage als die eingeschüchterten Griechen.168 Die Anerkennung der Nützlichkeit sowie der Verlässlichkeit der Serben und Montenegriner ging einher mit einem neuen Interesse an den gemeinsamen Ursprüngen der Slaven, das auch der Zar teilte.169 In späteren Jahren, bei Peters Persienfeldzug 1722, sollten die Georgier und die Armenier eine vergleichbare Rolle spielen.170 Mit der Etablierung regelmäßiger russisch-osmanischer diplomatischer Beziehungen und ständiger russischer Botschafter in Konstantinopel (bereits 1720 wurde dieses Privileg dem Zaren zurückerstattet), die sich mit den diplomatischen Gepflogenheiten der Pforte vertraut machten, waren die bis dahin üblichen Dienste der griechischen Kirchenmänner ohnehin, wie es Nikolaj Kapterev festhielt, obsolet geworden.171 In Anschluss an Kapterev zieht B. H. Sumner eine Bilanz, die im Ausbleiben dieser politischen Dienste ein Symptom »of a turning away from the Greeks on the part of the Russians« sieht: »The general prestige of Greeks had heavily declined by the beginning of the eighteenth century […]; it probably remains true that from about this time dates a long standing
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Brȃncoveanu nach Russland geschickt worden sein sollen, um Peter zu vergiften, belastete Chrysanthos noch weiter. Im Zuge der Verhöre wurden Vorwürfe gegen den Patriarchen erhoben, wonach er, »ein Atheist und türkischer Spion von langer Hand«, während des Pruthfeldzuges dem Großwesir zugearbeitet hätte, vgl. Kapterev, Charakter, 346–348.; Carras, Εμπόριο, 143f, 486, 512. Vgl. Kraft, »Die Säkularisierung«, 102–107; Sumner, Peter the Great, 45–49; Brückner, Peter der Große, 459f., 470f. Vgl. Krylova, »Russko-tureckie otnosˇenija«, 253; dies., »Russkaja diplomatija«, 252. Unter anderem wurde etwa Raguzinskij 1714 von Peter beauftragt, Mauro Orsinis Slavum Regnum zu übersetzen, vgl. Lesˇcˇilovskaja, »Petr I i Balkany«, 53f.; Taki, Tsar and Sultan, 256, Fn. 59. Wie B. H. Sumner bemerkte, figurierten »the Armenians and Georgians […] from Peter’s time onwards as the eastern counterparts of the Serbs and Montenegrins […], for a time at the close of his reign [these relations] were more prominent than Russian links with the Orthodox of the Balkans.«, Sumner, Peter the Great, 75, 79; vgl. Al. Bennigsen, »Peter the Great, the Ottoman Empire and the Caucasus«, CASS 8 (1974), 311–318; Uebersberger, Rußlands Orientpolitik, 125–129; Brückner, Peter der Große, 457f. Vgl. die Dokumente in: A. Ioannisjan (Hg), Armjano-russkie otnosˇenija v pervoj treti XVIII veka, 2 Bde, Erevan 1964– 1967; G. A. Ezov, Snosˇenija Petra Velikogo s armjanskim narodom. Dokumenty, St. Petersburg 1898, dort etwa Appelle und Memoranda des armenischen Fürsten Israel Ory an den Zaren mit den üblichen Wendungen über dessen Erlösermission: »liberandi nos ex sclavitate« »iugum infidelium« »non habemus aliam spem« u. ä. (S. 23) oder mit abenteuerlichen Projekten von einem Vorstoß des Zaren gegen Konstantinopel von Georgien und Armenien aus. (S. 171f.). Vgl. Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 398f.; ders., Charakter, 348.
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break between the Russian legation and the ecclesiastical hierarchy and the Greek effendi class in Constantinople and the Principalities.«172
Doch nicht allein auf russischer Seite ist der Wandel zu registrieren und zu deuten. Als symptomatisch für die divergierenden Interessen, die diesen Bruch bedingten, könnte man auch die Optionen betrachten, die von den Hauptvertretern der griechischen Eliten Konstantinopels wahrgenommen wurden. Der Kompromiss, den Chrysanthos 1719 direkt mit dem französischen Botschafter Marquis de Bonnac über die Restauration des Heiligen Grabes schloss, ein Kompromiss, der vom Sultan bestätigt wurde, wäre unter Dositheos schlicht undenkbar gewesen.173 Von Cantemirs Abfall profitierte Chrysanthos’ Freund Nikolaos Mavrokordatos, der seine Karten richtig gesetzt hatte und, ab 1711 zurück auf dem Fürstenthron der Moldau, ab 1715/1719 auf dem der Walachei, als Vertrauensperson der Pforte regieren durfte.174 Sein Bruder Ioannis rückte in die Position des Pfortendragomans nach und verhandelte mit Sˇafirov und Sˇeremetev den Frieden von 1713.175 Das waren Züge, die nicht einfach mit dem russischen Scheitern am Pruth wegzuerklären sind, obwohl dieses bestimmt ernüchternd wirkte. Wie ein unbekannter walachischer Hofmann verbittert notierte, habe der Pruthfeldzug gezeigt, dass trotz allem die Moskowiter unter den deutschen Uniformen immer noch Moskowiter seien: »che sotto vesti tedeschi li Moscoviti sono ancora moscoviti.«176 Doch die Optionen, die Chrysanthos und die Mavrokordatos-Brüder eingingen, stehen stellvertretend für das Selbstverständnis einer distinkten Generation der kirchlichen und weltlichen Honorationen des Phanars. Typisch für ihre Zeit hielt sie von der Illusionsbereitschaft sowie der Kompromisslosigkeit eines Dositheos wenig und erkannte in der Integration in die Strukturen des sich transformierenden Osmanischen Reiches und der postkonfessionalistischen europäischen Staatenwelt vielversprechende individuelle und kollektive Perspektiven.
172 Sumner, Peter the Great, 64f.; vgl. Panchenko, Arab Orthodox Christians, 353–356. 173 Vgl. Moschopoulos, La Terre Sainte, 195f. 174 Während des Pruthkrieges hatte Nikolaos bezeichnenderweise Zuflucht beim französischen Botschafter Des Alleurs gefunden, was einer eindeutigen Entscheidung zwischen den beiden Lagern gleichkam, vgl. Hurmuzaki, Documente. Suplement, Bd. 1/1, 395. 175 T. K. Krylova, »Russkaja diplomatija na Bosfore v 1711–1714 gg.«, in: Mezˇdunarodnye svjazi Rossii v XVII–XVIII vv., (Ekonomika, politika i kul’tura), Moskau 1966, 410–446. Sowohl die russischen Gesandten als auch Ioannis Mavrokordatos beriefen sich wiederholt auf den gemeinsamen orthodoxen Glauben und die damit einhergehende Solidarität. Das gemeinsame Ziel sei der Friedenschluss und die gemeisnamen Gegner die osmanische Falkenfraktion. Vgl. Bazarova, Russkie diplomaty, 371–379, 756–758. 176 Hurmuzaki, Documente. Suplement, Bd. 1/1, 414, (8. August 1712).
3.
Akteure, Texte und Kontexte
Die in dieser Arbeit diskutierten Phänomene lassen sich im Grunde als Resultate von kulturellen Begegnungen, von einem sich im behandelten Zeitraum entfaltenden Kommunikationsprozess, fassen. Politische Vorstellungen, Selbst- und Fremdbilder, Identität und Alterität konstituieren sich gegenseitig durch Kommunikation und durch jene Erfahrungen, Wissensveränderungen und Deutungsbedürfnisse, die diese Kommunikation mit sich bringt. Im vorliegenden Zusammenhang beruhte diese Kommunikation auf einer verdichteten »kulturellen Mobilität«1 zwischen der russischen und der griechischen Kulturwelt, die sowohl mobile Akteure, Kirchenmänner, Wandermönche, Kaufleute, Gesandte oder Spione betrifft, als auch Gegenstände, wandernde Reliquien, Ikonen, Handschriften und Waren, etwa Pelze und Tabak, und nicht zuletzt Nachrichten, Berichte und Memoranda, echte Patriarchenurkunden und Falsifikate, Gerüchte und Vorstellungen. Denn nicht allein die prominente Involvierung griechischer Geistlicher und ihre Einflussnahme auf die Geschicke der russischen Kirche und auf die Gestaltung der zarischen Herrschaftsrepräsentation oder ihre außenpolitische Lobbyarbeit gehen auf diese Verdichtung der Kontakte seit der Mitte des 17. Jahrhunderts zurück. Dass in dieser Zeit Russland, »das überaus orthodoxe Moskowien« (η ορθοδοξωτάτη Μοσχοβία), Einzug in das Weltbild breiterer Bevölkerungsgruppen in den griechischen Siedlungszentren hielt und mit bestimmten Bedeutungen und Konnotationen versehen wurde, hängt wesentlich mit der Wirkung jener Reisen und Reisenden zusammen, die durch ihr Beispiel, ihre Erzählungen, ihre mitgebrachten Löhne und Geschenke als Multiplikatoren von Wissen über Russland und die Russen in ihren Klöstern, in ihren Dorfgemeinden, auf den Marktplätzen und in den Nachrichtenzentren der Städte fun-
1 S. Greenblatt, »A mobility studies manifesto«, in: ders. u. a., Cultural Mobility: A Manifesto, Cambridge 2009, 250–253.
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Akteure, Texte und Kontexte
gierten.2 Zu diesem Wissen gehörten etwa russische Ikonen und liturgische Gefäße in Klosterkirchen auf dem Athos oder den Ägäisinseln als sichtbare Materialisierungen von Frömmigkeit und Protektionsanspruch des orthodoxen Zaren.3 Sie besaßen eine bleibendere Wirksamkeit als die finanziellen Hilfeleistungen des Zaren an die kirchlichen Einrichtungen im Osmanischen Reich, die womöglich von russischen Kirchenhistorikern wie Kapterev4 überbewertet worden sind und auf jeden Fall weit hinter jenen der Fürsten der Walachei und der Moldau zurücklagen.5 Solche Kommunikationsebenen, ihre Inhalte und ihre Modalitäten, sind bekanntlich schwieriger zu fassen als die Aktivität der kirchenpolitischen Strategen, von Loukaris und Lampardis bis Dositheos, deren Motivation immer auch mit dem Blick auf das große Ganze zusammenhing. Als Akteure der kulturellen Mobilität kommen jedoch gerade jene »Wanderer zwischen den Welten«6 infrage, die gewöhnlichen Kleriker, Mönche und Kaufleute, aber auch die schillernden Figuren, die, gewöhnlich als Hasardeure oder Abenteurer abgestempelt, früher die Empörung der Forscher hervorriefen, heute eher ihre Faszination.7 Mancher Lebensweg aus ihrem Milieu würde vielleicht Einblick in jene »geistige Atmo-
2 Vgl. Stavrou, Russian Interests, 14. In diesem Zusammenhang gehören zudem Heiligenlegenden über russische Galeerensklaven, die sowohl auf dem Balkan als auch bis weit in die orthodoxen Gemeinden Anatoliens Verbreitung fanden, vgl. C. Hatziiosif, Συνασός. Ιστορία ενός τόπου χωρίς Ιστορία [Synasos. Geschichte eines geschichtslosen Ortes], Herakleion 2005, 58, 66. 3 Vgl. Y. Boycheva, »Η μεταφορά ρωσικών εικόνων στον ελληνικό χώρο (16ος-20ος αι.) και το παράδειγμα της Πάτμου« [Der Transfer russischer Ikonen in den griechischen Raum (16–20 Jh.) und das Beispiel von Patmos], Τα Ιστορικά 62 (2015), 25–54. 4 Kapterev, Charakter, 105–146. 5 Vgl. K. Chrysochoidis, »Άθως και Ρωσία (15ος-18ος αιώνας). Ιδεολογήματα και πραγματικότητες (Μια προσέγγιση)« [Athos und Russland (15.–18. Jahrhundert). Ideologeme und Realitäten (Eine Annäherung)], in: O. Katsiardi-Hering u. a. (Hg.), Russia and the Mediterranean. Proceedings of the First International Conference, Bd. 1, Athen 2011, 157–172; Tchentsova, »The correspondence«, 488; Chrissidis, An Academy, 205, Fn. 5. 6 Hösch, »Probleme«, 265. 7 Vgl. das unkonventionelle Porträt des Hierodiakons Meletios von Chrissidis, »Greeks in Seventeenth-Century Russia«, sowie die ähnlich anschauliche Lebensbeschreibung des Händlers Alexandros Levantinos bei Carras, Εμπόριο, 360–366 sowie ders., »Μετανάστευση και υπηρεσία στον Τσάρο: ένας Ρωμιός σε Ρωσία και Κίνα των αρχών του 18ου αιώνα« [Migration und Dienst am Zaren: ein Rhomäer in Russland und China zu Beginn des 18. Jahrhunderts], in: Σλάβοι και ελληνικός κόσμος [Slaven und griechische Welt], Athen 2015, 169–182. Für weitere Fallstudien vgl. Oparina, Inozemcy v Rossii, 284–315; K. S. Chudin, »›Grecˇenin‹ Mark Jur’ev Kondveki – ˇ 10 (2012), 144–151; ders., »›Sledstvennoe delo o greke ›alchimist‹ Aptekarskogo prikaza«, KC ˇ 11 (2013), 181–191. Vgl. zu Dmitrie Selunskom‹ 1652 g.: rassledovanie odnoj smerti«, KC griechischen Almosenfahrern in den deutschen Ländern im selben Zeitraum, S. Saracino, »Griechisch-orthodoxe Almosenfahrer im Heiligen Römischen Reich und ihre wissensgeschichtliche Bedeutung (1650–1750)«, in: M. Friedrich und J. Schilling (Hg.), Praktiken frühneuzeitlicher Historiographie, Berlin u. a. 2019, 141–173.
Akteure, Texte und Kontexte
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sphäre«8 ermöglichen, innerhalb derer die hier interessierenden Diskurse und Vorstellungen gedeihen konnten: eine Atmosphäre geprägt von äußerst prekären Lebensbedingungen, von Spekulation und Risiko, vom Feilbieten von Information, sei es Insider- oder Halbwissen, Hörensagen oder Wunschdenken; eine Atmosphäre, die definiert war durch die sozialen und kulturellen Praktiken der Berichterstattung, der diplomatischen Vermittlung und der Spionage; eine Atmosphäre, die schließlich bedingt war durch die Funktionsmechanismen, die Normen und Erfordernisse der Protektions- und Kommunikationsnetzwerke. Die mobilen Akteure dieses Kommunikationsbetriebs, offizielle oder heimliche Gesandte, bevollmächtigte oder selbst ernannte Vermittler, dienten nicht allein dem Nachrichtenfluss und der Aufrechterhaltung von diplomatischen Verbindungen, sondern wirkten sinngebend auf die Wahrnehmung ihrer Gesprächspartner und Auftragsgeber. Ob sie sich dabei auf ihre Gelehrsamkeit oder ihre edle Herkunft beriefen, auf hoch gestellte Patronen und einflussreiche Ansprechpartner, auf ihre Sachkenntnis oder allein auf ihre Frömmigkeit, sie bedienten sich jeweils der gängigen Diskurse, der Leidensgeschichten vom ›osmanischen Joch‹, der damit einhergehenden Bereitschaft zu flächendeckenden Aufständen oder eben der Hoffnung auf den orthodoxen Zaren als künftigen Befreier der Griechen – und bewirkten dadurch ihre weitere Verbreitung. Der Archimandrit Daniil Grekas, seinen eigenen Angaben zufolge Spross einer alten athenischen Archontenfamilie, bekannt auch als Daniel Kaluger, Abbé Daniel oder Daniel Oliveberg, gemäß dem Titel, den ihm der schwedische König verlieh, ist ein erfolgreicher Vetreter dieses Typus. Sein Beispiel vermag den Konnex zwischen persönlichen Strategien der Selbstdarstellung und dem Einsatz von kursierenden Vorstellungen besonders wirksam zu veranschaulichen. In Paris, wo er als Protosynkellos des Patriarchen von Konstantinopel Ioannikios II. reiste, gehörte er etliche Jahre dem Kreis des ebenfalls aus Athen stammenden Humanisten und Diplomaten Leonardos Filaras sowie des ›Palaiologen-Erben‹ Herzogs von Nevers an.9 Über die enge französisch-schwedische diplomatische Verbindung gelangte er in den Dienst des Königs Karl X. Gustav von Schweden.10 8 Vgl. den Abschnitt »The Spiritual Atmosphere« bei Pa˘un, »Enemies within«, 235–244. 9 Vgl. B. Knös, »Ο Λεονάρδος ο Φιλαράς« [Leonardos Filaras], in: Προσφορά εις Στίλπωνα Π. Κυριακίδην [Festschrift für Stilpon Kyriakidis], Thessaloniki 1953, 345–357; V. G. Tchentsova, »Danil Kaluger/Daniil Grek/Daniil Oliveberg: neizvestnye stranicy biografii politicˇeskogo agenta epochi Bogdana Chmel’nickogo«, in: Srednevekovaja licˇnost’ v pis’mennych i archeologicˇeskich istocˇnikach«, Moskau 2016, 215–219. 10 Vgl. B. Knös, »Un délégué Grec au service de la diplomatie suédoise au XVIIe siècle«, L’Hellénisme Contemporaine 10 (1956), 418–454; Vakalopoulos, Ιστορία, Bd. 3, 507–509; L. V. Zaborovskij, »Greki-politicˇeskie agenty na mezˇdunarodnoj arene Vostocˇnoj, Central’noj, Jugo-vostocˇnoj i Severnoj Evropy v 50-ch gg. XVII v.: o. Daniil Afinjanin«, in: Grecˇeskij i slavjanskij mir v srednie veka i rannee novoe vremja, Moskau 1994, 66–76; Florja, Russkoe gosudarstvo, 64f., 162f.; Tchentsova, Vostocˇnaja Cerkov’, 10f., 135f., 154.
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Akteure, Texte und Kontexte
Als dessen Gesandten finden wir ihn Anfang 1654 beim Kosakenhetman Chmel’nyc’kyj, mit dem Auftrag, das antipolnische Bündnis zu schmieden. Von dort reist er im Juli 1654 als Bevollmächtigter der Kosaken (»μέγας αποκρισάριος του ζαποροσκίου στρατεύματος«) nach Moskau, wird vom Zaren empfangen und sendet diesem aus Stockholm einen Brief (am 4. November 1654) hinterher, worin er dem Zaren vertraulich von seinen privaten Unternehmungen mit Karl X. Gustav berichtet und den Plan der schwedisch-kosakisch-moskauischen Allianz näher beschreibt: »Der König gewährte mir eine gut einstündige Audienz. Anwesend waren allein sein Sekretär, er und ich, wir redeten miteinander auf Französisch und Italienisch. Zunächst befragte mich der König nach Deiner Majestät, wie viele Soldaten Du hast. Und ich antwortete ihm: achthunderttausend, gemäß der Anweisung des Hetmans.«11
Ein Jahr später repräsentiert er den schwedischen König in Ias¸i beim Hospodaren Gheorghe S¸tefan. Von der Moldau aus sendet er Karl Gustav am 12. November 1655 ein Memorandum, den Entwurf einer antiosmanischen Liga samt Aufteilung der prospektiven Gewinne. Vieles klingt vertraut: Während Kosaken und Moskowiter Konstantinopel vom Schwarzen Meer aus blockieren, Venezianer und Engländer von der Ägäis, werde Karl Gustav die Ehre und der Ruhm zuteil, den Griechen die Freiheit zu bringen. Unterstützt von Moskowitern und Kosaken und den alsdann sich erhebenden Griechen solle er die Donau überqueren und nach Konstantinopel marschieren. Der Feldzug verspreche sich noch leichter zu erweisen als der kürzlich (im Herbst 1655) erzielte Zusammenbruch Polens. Schweden werde Konstantinopel erhalten, dazu die drei Fürstentümer der Peloponnes (der obligatorische Verweis auf die kriegslustigen und freiheitsliebenden Maniaten fehlt nicht), der Walachei und der Moldau. Moskau werde die Krim erhalten, der Kaiser Ungarn, die Venezianer die Kykladeninseln und die Engländer die handelsstrategisch wichtigen Inseln Chios und Lesvos.12 Nach dem endgültigen Scheitern der protestantisch-orthodoxen Allianz und dem Ausbruch des schwedisch-russischen Kriegs im Mai 1656 vermittelt er weiterhin aus Ias¸i zwischen Moldauern, Kosaken und Schweden. Dank ihm wird dem gestürzten und geächteten Gheorghe S¸tefan Zuflucht in Stockholm gewährt. Auf der anderen Seite, quasi als Widerpart von Daniil, steht Nikolaos Maritsis, der für die polnisch-russische Allianz lobbyiert. Den eigenen Angaben zufolge
11 Tchentsova, Vostocˇnaja Cerkov’, 56–62, hier 56f.: »Και εις τας τριάντα μίαν του οκτομβρίου μηνός μου έδωσεν ακρόασιν καλήν ο βασιλεύς μίαν ώραν σοστήν. Και ήτον μόνον με τον σεκρεταριόν του και εγώ, ηξείς και εμιλούσαμεν η δύο μας φραντζόζικα και ταλιάνικα. Και πρότον με ηρώτισεν διά την βασιλείαν σου, πώσα φουσάτα έχεις; Και εγώ του αποκρίθην οκτακόσιαις χιλιάδες κατά την ορδινίαν του αφεντός του χάτμανου.« 12 Knös, »Un délégué«, 431f. (427–430 Faksimile des Memorandums).
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ein griechischer Philosophielehrer aus Venedig,13 kommt er im April 1657 in Moskau an und berichtet ausführlich von seinen Erfahrungen und Gesprächen mit hoch gestellten Persönlichkeiten auf dem Weg von Venedig über Wien und ˇ yhyryn zum Zaren.14 So habe ihm gegenüber ein polnischer Warschau, Ias¸i und C Magnat eingeräumt, die Hoffnungen der Griechen auf den Zaren als Schutzherrn ihrer Kirche seien berechtigt, ihm gebühre Konstantinopel. Die polnische Königin Maria Gonzaga (Gattin von Władysław IV. und von dessen Nachfolger Jan II. Kasimir) habe ihn zu sich beordert, im Glauben, er sei ein Gesandter des Dogen an den Zaren. Im Gespräch mit ihm habe sie sich auf ihre griechische kaiserliche Herkunft und auf die erfolglosen Projekte ihres Vaters berufen (Maria Gonzaga war die Tochter des Herzogs von Nevers und der Marquise von Monferrato, »Erbin« der Palaiologen-Dynastie). Ihr Wunsch sei, Zar Aleksej möge nach Kasimir den polnischen Thron beerben und die Griechen befreien. In Ias¸i wiederum will Maritsis mit dem Sekretär des moldauischen Hospodaren diskutiert und diesen wegen der Annäherung seines Herrn an die Schweden und an Rákóczi getadelt haben: Die Orthodoxen sollten keine Bündnisse mit den häretischen Protestanten eingehen, diese seien schlimmer als die Lateiner. Ohnehin würden es der Zar, der Kaiser und der Sultan nicht erlauben, dass Rákóczi König Polens werde. Darauf soll der Sekretär auf Daniil Grekas verwiesen und die Überzeugung geäußert haben, der schwedische König werde Konstantinopel erobern. Von diesem sollten die Griechen ihre Freiheit erwarten, und nicht vom Moskauer Zaren. Schließlich berichtet Maritsis von seiner Unterredung mit ˇ yhyryn (gemeint ist vermutlich Ivan Vyhovs’kyj). Chmel’nyc’kyjs Sekretär in C Maritsis habe diesem eindringlich die Hoffnung der Griechen geschildert, dass der Zar und der Hetman die Donau überqueren würden, damit sie sich gegen die geschwächten Türken erheben könnten. Wenn die Moskauer und Kosaken diese Gelegenheit ungenutzt verstreichen ließen, würde es ihnen wie den Polen ergehen, die den Kreuzzug Władysławs vereitelt hätten. Im Übrigen sei es klüger, den schwachen polnischen König zu unterstützen, als sich mit Rákóczi und besonders dem schwedischen König – dieser strebe, so hatte Maritsis auch dem Sekretär des Hospodaren erzählt, die »Universalmonarchie« an (i narekalsja byti gosudarem vselenskim) – gefährliche und zudem häretische Nachbarn zum Feind 13 Es ist möglich, dass es sich bei Nikolaos Maritsis aus Leukas, der unter Brȃncoveanu in Bukarest als Hofgelehrter Epigramme verfasste (darunter auch zu Ehren Peters des Großen), um dieselbe Person handelt. Ein Abstand von vierzig Jahren wäre zwar ungewöhnlich, aber nicht undenkbar. Siehe die Einleitung von A. Papadopoulos-Kerameus in: Hurmuzaki, Documente, Bd. 13, 35, und die neun Epigramme, die aus einer Handschrift in Privatbesitz des Herausgebers dort, auf S. 401–404 ediert sind (gerade die Siegesepigramme an Peter den Großen blieben leider unediert). 14 Vgl. Tchentsova, Vostocˇnaja Cerkov’, 105–110 (Dokument nr. 15), sowie die Anmerkungen auf S. 38 und 151–155.
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zu machen. Worauf Vyhovs’kyj entgegnet haben soll, erst der Zar habe die Kosaken mit seinem Umschwung im Stich gelassen. Maritsis schließt seinen Bericht mit der Beteuerung, für die Orthodoxie und den Zaren sein Blut zu vergießen bereit zu sein. Wer den Zar liebe, liebe die Orthodoxie und Gott – und umgekehrt. Besonders erfolgreich ist Maritsis nicht gewesen. Man hat ihn – vielleicht nicht ganz ungerechtfertigt – für einen Spion der Polen gehalten.15 In die geistige Atmosphäre der turbulenten 1650er Jahre gehört auch das Wirken eines Mannes, der im dritten Teil dieser Arbeit immer wieder im Mittelpunkt stehen wird: Paisios (Pantaleon) Ligaridis, der Prototyp des »geistigen Abenteurers«16 schlechthin, der sämtliche Vorurteile über die verschlagenen Griechen im Moskau des 17. Jahrhunderts zu verkörpern scheint. Zeitgenossen wie Nikon und Avvakum lieferte er das Sinnbild solcher Stereotypisierung, dem sich auch moderne Kirchenhistoriker wie Nikolaj Kapterev17 anschlossen. Jüngst brachte es Ligaridis sogar – als Metropolit Taisij – zum Schurken im Krimi Altyn-
15 Vgl. Tchentsova, Vostocˇnaja Cerkov’, 38, Anm. 1. Bald darauf erbittet er seine Ausreiseerlaubnis. Der Patriarch Nikon habe ihn ungerecht behandelt und außerdem habe ihm der Kvas, den er sich auf dem Markt besorgt hatte, die Gesundheit ruiniert. Als Grieche bittet er, zusammen mit den anderen Griechen ausreisen zu dürfen: »Κράτιστε βασιλεύ, δύω κακά μου έκαμεν ο παναγιώτατος πατριάρχης το πρώτο που δεν άφηκεν την βασιλείαν σου να μας κάμης μισθόν μήτε εμένα μήτε των ανθρώπων μου. Το δεύτερον ότι μη έχοντας εγώ από κανέναν πιοτό αναγκάσθηκα και αγόραζα το κουάσο του παζαριού, το οποίον μου έφερε ένα μεγάλο σινάχι και πόνον της κεφαλής και ανορεξίαν εις κάθε πράγμα. Ήθελα να βαρέσω κεφάλι εις την βασιλείαν σου να μου κάμης μισθόν ότι ήλθα όχι άλλον να δουλεύσω παρά την βασιλείαν σου αμή διότι ώρισες να ξωρισθούν οι Ρωμαίοι παρακαλώ και εγώ ωσάν Ρωμαίος με τους πρώτους που μισεύουν να μου δώσης θέλημα να μισεύσω. Και ο παντοδύναμος Θεός να δώση την βασιλείαν σου νίκας και τρόπαια. Της σης μεγάλης βασιλείας ελάχιστος δούλος Νικόλαος Μαρίτσης«, RGADA f. 52, op. 1, 1657, nr. 10, f. 29. Faksimile bei Tchentsova, Vostocˇnaja Cerkov’, Abb. 4 (zwischen den Seiten 88 und 89). 16 P. Salomon, »Paisius Ligarides«, Zeitschrift für Osteuropäische Geschichte 5 (1931) 37–65, hier 37; vgl. Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 142. Podskalsky nennt ihn »ein vielseitiges Talent […], begabt zudem mit dem Sinn für wirkungsvolle Selbstdarstellung und bedenkenlose Förderung des Eigennutzes«, Podskalsky, Griechische Theologie, 251–258, hier 251. Vgl. Sˇevcˇenko, »Byzantium«, 98, 100. Zu seinem Werk und seiner Biographie vgl. außerdem H. T. Hionides, Paisius Ligarides, New York 1972; Legrand, Bibliographie hellénique XVII, Bd. 4, 8–61; K. Amantos, »Παΐσιος Λιγαρίδης« [Paisios Ligaridis], ΕΕΒΣ 13 (1937), 224–229; F. B. Poljakov, »Paisios Ligarides und die ostslavische Barockliteratur in Moskau«, Wiener Slavistisches Jahrbuch 49 (2003), 143–156; Tsirpanlis, Το Eλληνικό Kολλέγιο, 472–478; Ph. Longworth, »The Strange Career of Paisios Ligarides«, History Today 45 (1995), 39–45; O. Olar, »Prophecy and History. Matthew of Myra (†1626), Paisios Ligaridis (†1678) and Chrysanthos Notaras (†1731)«, in: R. G. Pa˘un (Hg.), Histoire, mémoire et dévotion. Regards croisés sur la construction des identités dans le monde orthodoxe aux époques byzantine et post-byzantine, Seyssel 2016, 365–389, hier 367–377 ; ders., »Paisios Ligarides«, CMR, Bd. 10, hg. von D. Thomas, J. Chestworth, Leiden u. a. 2017, 282–291. 17 Vgl. Kapterev, Charakter, 182–208; L. Ja. Lavrovskij, »Nesol’ko svedenii dlja biografii Paisija Ligarida, mitropolita Gazskago«, Christianskoe cˇtenie 1889/11–12, 672–736.
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Tolobas des Erfolgsautors Boris Akunin.18 Obwohl sein zweifelhafter Ruhm auf die prominente Rolle zurückgeht, die er ab 1662 in Moskau im Prinzipienstreit zwischen Aleksej und Nikon spielte, vermag sein Beispiel die Stimmung der 1650er Jahre näher zu beschreiben. Um 1610 in Chios geboren, nach überaus erfolgreichem Studium am Collegio Greco in Rom 1643 als Agent der Propaganda Fide zurück in Konstantinopel, berichtet Ligaridis in regelmäßigen Abständen seinen Vorgesetzten über die kirchlichen und politischen Intrigen erst am Bosporus und ab 1646 in den Donaufürstertümern, wo er als Schulgründer, aber auch als Beichtvater und Berater aufeinanderfolgender Hospodaren tätig ist.19 In Targovis¸te lernt Paisios Lampardis ihn kennen und schätzen und weiht ihn in seine groß angelegten Projekte ein. Ligaridis begleitet 1651 den Patriarchen auf seiner Rückreise nach Jerusalem, dort vollzieht er einen weiteren Seitenwechsel – bei aller Gewissensberuhigung, die ihm seine Überzeugung von der Einheit von West- und Ostkirche erlauben mag20 –, indem er ein dezidiert orthodoxes Glaubensbekenntnis ablegt.21 Er lässt sich zum Mönch weihen und eine Tonsur scheren, nimmt den Namen seines Mentors (Paisios) an und wird von diesem anschließend zum Metropoliten von Gaza geweiht, eine Diözese, die er indes wohl nie besucht. Zurück in der Walachei sucht er den Kontakt zu Rom, aber auch zu Moskau. Vom Oktober 1657 ist ein von ihm aus Bukarest gesandter Brief an den Zaren erhalten (aus dem Inhalt zu schließen, offenbar nicht der erste), worin sich Ligaridis für die Option des antiosmanischen Bündnisses mit Polen ausspricht.22 Im Jahr zuvor hatte er dem Zaren seine 1655 verfasste Orakelsammlung (Χρησμολόγιον Κωνσταντινουπόλεως) gewidmet, der er, im Einklang mit der gerade wuchernden Projektemacherei und apokalyptischen Spannung, eine entschieden prorussische Interpretationslinie verliehen hatte. Mehr Gehör scheint er jedoch erst einmal beim Fürsten der Walachei Mihnea III. (1658–1659) 18 Deutsche Fassung: Boris Akunin: Die Bibliothek des Zaren. Ein Nicholas-Fandorin-Roman, übers. B. Veit, München 2005. 19 Vgl. Pall, »Les relations«, 91–140; G. Ca˘linescu, »Altre notizie sui missionari cattolici nei paesi romeni«, in: Diplomatarium Italicum. Documenti raccolti negli archivi italiani, Bd. 2, Rom 1930, 305–513, hier 362f., 368, 378f., 396, 404, 430f.; V. Papacostea, »Les origines de l’enseignement supérieur en Valachie«, RESEE 1 (1963), 7–39. 20 Die klassische Begründung dieser Überzeugung stammt von Ligaridis’ Mentor Leon Allatios (De Ecclesiae occidentalis atque orientalis perpetua consensione, Köln 1648), vgl. Podskalsky, Griechische Theologie, 214–217. 21 Vgl. P. Zerlentis, »Παϊσίου Λιγαρίδου Ομολογία της Πίστεως κατά την αυτού χειροτονίαν εις την Γαζαίων Εκκλησίαν« [Das Glaubensbekenntnis von Paisios Ligaridis bei seiner Weihe zum Metropoliten von Gaza], ΔΙΕΕΕ 6 (1901–03), 49f. ˇ tenija v’ imperatorskom obsˇcˇestve Istorii i drevnostej Rossijskich 22 »Iz rukopisej E. N. Barsova«, C pri Moskvskom’ Universitete 1884/2, V, 1–6, hier 2–4; Longworth, »Career«, 44. Schon 1651 berichtet oder besser: warnt der Informant Isaris Efstathiou den Zaren vor Ligaridis: »Μεγάλο σκάνδαλο είναι αυτός ο άνθρωπος όσο ευρίσκεται εις αυτά τα μέρη, του τομολογώ έμπροσθεν Θεού και ανθρώπων«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 434 (16. August 1651).
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gefunden zu haben, hinter dessen theatralischer Revolte und besonders deren aufwendiger apokalyptischer Inszenierung Ligaridis nicht ohne Grund als Berater und Regisseur vermutet worden ist.23 Sehr wahrscheinlich ist auch, dass er bis 1662 eine ähnliche Rolle an der Seite weiterer Fürsten ausübte. Wenn nicht alles täuscht, verrät etwa die Rhetorik eines Schreibens des Fürsten der Moldau Gheorghe Ghica an den Zaren (20. Juni 1658) Ligaridis’ Autorschaft.24 Vom »prophetic mumbo-jumbo«25 der 1650er Jahre, das den Kontext von Ligaridis’ Opus bestimmt, wird Näheres im einschlägigen Kapitel im dritten Teil dieser Arbeit zu sagen sein. Hier sei zunächst lediglich die Bedeutung apokalyptischer Denkfiguren für die politische Kommunikation angesprochen. Als flexible und anpassungsfähige politische Sprache war die Apokalyptik vielfach einsetzbar als Sprache von Appellen und Memoranden und als Legitimationsressource mit stabilisierendem oder subversivem Potential.26 Kaum eine der Bewegungen der späten 1650er Jahre kam ohne apokalyptische Sinndeutung aus. Parallel zu Mihnea wurde sein Verbündeter Georg II. Rákóczi von Siebenbürgen zum Hoffnungsträger einer calvinistischen millenaristischen Bewegung. Ihre Exponenten Drabik und Comenius waren mit ihm in Kontakt, wobei sie alternativ König Karl X. Gustav von Schweden als messianische Gestalt zu erkennen bereit waren.27 Zeitgleich wurde in Kleinasien der Anführer des großen Celali23 Vgl. Pa˘un, »Pouvoir«, 259f.; ders., »Enemies within«, 243; Olar, »Orthodoxie et politique«, 194–196; ders., ›The Father and his Eldest Son‹. The Depiction of the 1667 Muscovite Palm Sunday Procession by the Metropolitan of Gaza Paisios Ligaridis and its Significance«, Revue de l’histoire des religions 235 (2018), 5–36, hier 31; Karman, »The Networks«, 133, Anm. 44. 24 ISNSR, Bd. 2, nr. 101, 305–311 (in zeitgenössischer russischer Übersetzung). Unter mehreren Indizien sticht besonders die etymologische Definition des Basileus als Fudament des Volkes (βάσις λαού), ein persönlicher Topos bei Ligaridis, hervor. Im Schreiben bittet Ghica um Asyl in Moskau im Fall der Fälle. Bemerkenswert ist auch sein Hinweis auf die Erstarkung der Osmanen unter Mehmed Köprülü und die Beteuerung, dass es ihm lieber sei einem gerechten und frommen Kaiser zu dienen, als dem ungläubigen und ungerechten Sultan. 25 Sˇevcˇenko, »Byzantium«, 104. 26 Vgl. F. Schmieder, »Eschatologische Prophetie im Mittelalter – Ein Mittel ›politischer‹ Kommunikation?«, in: W. Daum u. a. (Hg.), Politische Bewegung und symbolische Ordnung. Hagener Studien zur Politischen Kulturgeschichte. Festschrifr für Peter Brandt, Berlin 2014, 17–31; M. Green-Mercado, »Speaking the End Times: Early Modern Politics and Religion from Iberia to Central Asia«, JESHO 61 (2018), 1–17; M. Pohlig, »Konfessionskulturelle Deutungsmuster internationaler Konflikte um 1600 – Kreuzzug, Antichrist, Tausendjähriges Reich«, Archiv für Reformationsgeschichte 93 (2002), 278–316, hier 285. Das Milieu der europäischen Botschaften, der Diplomaten und der Dragomane in Konstantinopel war für apokalyptische Diskurse besonders anfällig, vgl. Pa˘un, »Enemies within«, 235–244. Es sei hier die Gelegenheit genutzt, auf die Aufzeichnungen (um 1688) des englischen Botschafters in Konstantinopel William Trumbull zu verweisen. Trumbull kommentiert die kursierenden Prophezeiungen, die dem französischen König Ludwig XIV. die Eroberung Konstantinopels voraussagten. Er tut sie zwar als »impertinencies« ab, schreibt ihnen aber durchaus politische Wirkung zu: BL Add MS 72555, f. 37–38. 27 Vgl. Stoye, Europe Unfolding, 36f.
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Aufstandes von 1658/59, Abaza Hasan, von seinen Anhängern als messianischer Held und Erneuerer des islamischen Glaubens gefeiert.28 Auch nach der allgemeinen »Stabilisierung« blieben apokalyptische Denkmuster mit der Wahrnehmung und Deutung des politisch-militärischen Geschehens verflochten. Daher begleiteten sie die Wiederaufnahme der Projektemacherei seit dem russischosmanischen Krieg von 1677–81. An dieser Stelle seien zwei weniger prominente »mobile Akteure« angeführt: zum einen ein gewisser Kostka Stamatev in der russischen Version seines Namens, der 1681 dem Zaren eine Bittschrift vorlegte und anschließend von alarmierten Beamten des Außenamtes als potentieller osmanischer Spion verhört wurde.29 Kostka gab zunächst an, »ein Grieche aus der makedonischen Stadt Philippoupolis« (ot’ makedonskie zemli goroda Filippopolja greka) zu sein, ein Weinbauer, der die Steuerlast und die Beleidigungen der Türken nicht mehr ertragen wollte und über die Krim, die Moldau und Polen nach Moskau flüchtete. Später widerrief er seine Aussage und erklärte, aus Saloniki zu stammen (iz Selunskoj zemli goroda Selenika);30 gelogen habe er, um seine Verwandten zu Hause vor eventuellen Gerüchten zu schützen. In seiner Bittschrift forderte er vom Zaren fünfzigtausend Soldaten, um gegen die Osmanen Krieg zu führen, und versprach, nach seinem Sieg jährlich 500 Pud Silber und 50 Gold (1 Pud = 16,38 kg) als Tribut zu leisten. Er berief sich auf apokalyptische Visionen, die er schon von Kindesbeinen an im Schlaf und auch im Wachzustand gehabt haben wollte und die ihn überzeugt hätten, zu diesem großen Werk auserwählt zu sein: Unter anderem sei ihm Christus erschienen, ebenso die Gottesmutter, die ihn von seinen Sünden freigesprochen habe, ein weißbärtiger Greis, der ihm ein Schwert von Kaiser Konstantin überbrachte, und einen Stein habe er gesehen, der auf wundersame Weise auf eine Moschee geflogen sei. Die russischen Beamten befragten seinen Hausherrn und Arbeitgeber, holten zudem Atteste von anwesenden Griechen aus Konstantinopel und Makedonien (doprosit’ grecan caregorodov’ i makedonjan kotorye nyne na Moskve) darüber ein, ob Kostka tatsächlich Grieche oder Moldauer sei (znajut li ego ili slychali ob nemu i podlinno on Grek ili Volosˇcˇanin)31 und stuften ihn schließlich als harmlosen Fall ein. Nicht überliefert ist der Name eines anderen Griechen, der nach 1683 nach Moskau gereist war und einen Brief an die Zaren Ivan und Peter schrieb.32 Sein selbstbewusster Ton erinnert an Dionysios Mouselimis und Dositheos, doch er dürfte kaum einem von ihnen nahegestanden haben. Sein Tadel gilt den Zaren 28 29 30 31 32
Vgl. Finkel, Osman’s Dream, 260. RGADA f. 52, op. 1, 1681, nr. 8, f. 1–36. Ebenda, f. 28. Ebenda, f. 29. In der erhaltenen russischen Übersetzung ist das erste Blatt abhandengekommen, RGADA f. 52, op. 1, 1688, nr. 17.
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dafür, dass sie trotz bester Voraussetzungen noch zögerten, sich der Sacra Liga gegen die Osmanen und besonders Kaiser Leopold, ihrem »Bruder«, anzuschließen: »Alle christlichen Potentaten bemühen sich jetzt, das Horn des Türken abzuschneiden, und Ihr, die Ihr Euch wahre Nachfolger Christi nennt, bleibt der christlichen Vereinigung in ehrloser Weise fern. Welchen Titel werdet Ihr erhalten, wenn Ihr nicht am Kreis der kämpfenden Christen teilnehmt?«33 Gott werde sich gegen die Zaren erzürnen, da es eine Sünde sei, wenn sich Christen nicht gegenseitig helfen. Anstatt Konstantinopel zu erobern (vozmite Car’gorod) und von der ganzen Christenheit als große Kaiser gerühmt zu werden (togda vy bolsˇie Carej naricatis’ budete vo vsem christianstve), sei zu befürchten, dass sie ihre Reputation und ihr Glück verspielten (i vy svoego dobrogo imja i ˇscˇastie poteriaete). Was aus ihm geworden ist und ob zumindest seine Bitte um Abreiseerlaubnis erfüllt wurde, ist nicht überliefert. Der Typus des umtriebigen griechisch-orthodoxen Geistlichen, der mit gefälschten Empfehlungsschreiben und wilden Geschichten durch Europa reist und seinen Lebensunterhalt mit Almosen bestreitet, mal für heruntergekommene Klöster oder Bistümer, mal für den angeblichen Freikauf von Sklaven, gehört zur festen Galerie der Frühen Neuzeit.34 Vielleicht am prächtigsten hat dieses Lebensmodell der berüchtigte Priestermönch Serafeim Mytilinaios verkörpert.35 Ein typischer Vertreter der Russlandfaszination unter den Griechen ist 33 »Vse christianskie potentati trudajutcja nyne turskomu rogi oblomiti, a vy kotorye vernye Christovy nasledniki naricaetes’ ot soedinenija christianskogo otlucˇilis’ bez cˇestno. Kakuju vy titlu sebe polucˇite kogda vy ne budete v cˇisle boitvorjasˇcˇich Christian’«, ebenda f. 3–4. 34 Vgl. Hassiotis, Μεταξύ οθωμανικής κυριαρχίας, 171–175; J. Chatzipanagioti-Sangmeister, Graecia mendax. Das Bild der Griechen in der französischen Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts, Wien 2002, 241–248; M. D. Lauxtermann, »Unhistoric Acts: The Three Lives of Romanos Nikiforou«, The Historical Review / La Revue Historique 9 (2012), 117–140. Angelomati-Tsougkaraki, »Tο φαινόμενο της ζητείας«, 288f.; A. Golombiovskij, »Grecˇeskie episkopysamozvancy v Rossii v XVII v.«, Kievskaja Starina 13/45 (1894), 332–341; S. Saracino, »Das Engagement griechisch-orthodoxer Almosenfahrer im Alten Reich für die Sklavenbefreiung. Hochmobile Akteure in der frühneuzeitlichen ›Kriegsökonomie‹«, Frühneuzeit-Info 30 (2019), 133–148, hier 140–142 und zum Sklavenfreikauf (›Ranzion‹), 134–137. Zum osmanisch-russischen Kontext vgl. A. Lavrov, »Russische Gefangene im Osmanischen Reich, tatarische Gefangene im Moskauer Reich: Versuch einer historie croisée«, in: G. Hausmann und A. Rustemeyer (Hg.), Imperienvergleich. Beispiele und Ansätze aus osteuropäischer Perspektive. Festschrift für Andreas Kappeler, [FOG 75], Wiesbaden 2009, 425–443. 35 Die ihm eigens gewidmeten biographischen Studien machen aus Serafeim auf kaum überzeugende Weise einen zu Unrecht verleumdeten Vorläufer der neugriechischen Aufklärung und der Philiki Hetaireia, vgl. G. Valetas, »Σεραφείμ Μυτιληναίος. Πρόδρομος της Εθνεγερσίας και του Διαφωτισμού« [Serafeim Mytilinaios. Vordenker der nationalen Erhebung und der Aufklärung], Αιολικά Γράμματα 1 (1971), 226–235; St. S. Bairaktaris, Σεραφείμ Μυτιληναίος. Ο λησμονημένος πρωτοπόρος (1670–1735) [Serafeim Mytilinaios. Der vergessene Pionier (1670– 1735)], Athen 1973; K. K. Papoulidis, Το πολιτικό και θρησκευτικό κίνημα του Ιεροεθνισμού και οι πρωτοπόροι του: Σεραφείμ ο Μυτιληναίος (ci. 1667–ci. 1735) [Die politische und religiöse Bewegung des Sacropaganismus und seine Pioniere: Serafeim Mytilinaios (ca. 1667–ca. 1735)],
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er bestimmt nicht gewesen. Ohnehin stand er für eine Weile, wie seinerzeit Daniil Grekas, als Dolmetscher im Dienste des Hauptgegners des Zaren, des schwedischen Königs. Dennoch spielte Russland eine entscheidende – am Ende wohl fatale – Rolle in seiner einem Schelmenroman ähnelnden Biographie. Soweit sich diese zuverlässlich rekonstruieren lässt, wurde der etwa 1667 auf Lesvos oder in Smyrna geborene Stefanos dank verwandtschaftlicher Beziehungen um 1693 unter dem Namen Serafeim zum Diakon des Patriarchen von Konstantinopel Kallinikos II. Von diesem wurde er 1697 nach Moskau entsandt; anschließend startete er seine jahrzehntelange Wanderung durch Europa, die ihn über Paris, London und Oxford, Halle, Amsterdam, erneut Moskau, Narva und Novgorod, dann Berlin, Bukarest, zwischendurch Konstantinopel, Wien, Krakau, Warschau und Stockholm zurück nach St. Petersburg führte, wo er 1732 als Spion verhaftet, verhört und nach Sibirien verbannt wurde. Spuren, zumeist rätselhafte, hat sein wechselhafter Lebensweg in mehreren von diesen Orten hinterlassen. Doch im Grunde speisen sich beinahe sämtliche Informationen und ihre Darstellung in der Sekundärliteratur, bis auf seine Beteiligung an der Edition der neugriechischen Übersetzung des Neuen Testaments in London 1703,36 entweder aus den Verhörprotokollen von 173237 oder aus den Anschuldigungen, die sein Zeitgenosse Alexander Helladius gegen ihn erhob.38 Dessen Werk Status Praesens Ecclesiae Graecae (1714) diente bezeichnenderweise als Belastungsmaterial bei Serafeims Verurteilung. Auf Helladius und seine Bekanntschaft mit Serafeim sowie auf die Person des Untersuchungsrichters Feofan Prokopovicˇ wird noch zurückzukommen sein. Hier sollen zunächst nur die Akten zu Serafeims Russlandreise und seinem Treffen mit Peter I. 1704 herangezogen werden, da sie das Thessaloniki 2008; vgl. die knappen, aber nüchternen Angaben bei V. Tsakiris, V. N. Makrides, »Αντίστροφες περιηγήσεις. Ο Γιάκομπ Έλσνερ και οι επαφές του με τους περιπλανώμενους Έλληνες ιερωμένους στη Δύση« [Umgekehrte Reisen. Jakob Elsner und seine Kontakte zu wandernden griechischen Geistlichen im Westen], in: J. Chatzipanagioti-Sangmeister (Hg.), Ταξίδι, γραφή, αναπαράσταση. Μελέτες για την ταξιδιωτική γραμματεία του 18ου αιώνα [Reise, Schreiben, Repräsentation. Studien zur Reiseliteratur im 18. Jahrhundert], Herakleion 2015, 157–202, hier 159, 186–197. 36 Vgl. U. Moennig, »Η δεύτερη έκδοση της Καινής Διαθήκης σε μετάφραση του Μάξιμου Καλλιουπολίτη (Λονδίνο 1703): Πληροφορίες για τη χρηματοδότηση« [Die zweite Ausgabe des Neuen Testaments in der Übersetzung von Maximos Kallioupolitis (London 1703): Informationen zur Finanzierung], in: Tr. E. Sklavenitis, K. Sp. Staikos (Hg.), Το έντυπο ελληνικό βιβλίο 15ος– 19ος αιώνας [Das gedruckte griechische Buch 15.–19. Jahrhundert], Athen 2004, 205–216. 37 Ausgewertet von G. V. Esipov, »Grek Serafim«, Drevnjaja i Novaja Rossija 1876/4, 369–383; Griechische Übersetzung von K. A. Palaiologos, »Ο Έλλην κληρικός Σεραφείμ« [Der griechische Kleriker Serafeim], Παρνασσός 4 (1880), 28–51; vgl. die auf die Moskauer Archivalien gestützten Informationen bei Carras, Εμπόριο, 440f., 456f. 38 A. Helladius, Status Praesens Ecclesiae Graecae, Altdorf 1714, 249–292. Siehe hierzu: V. N. Makrides, »Στοιχεία για τις σχέσεις του Αλέξανδρου Ελλάδιου με τη Ρωσία« [Zu den Bezieˇ istovicˇ, hungen von Alexander Helladius mit Russland], Μνήμων 19 (1997), 9–39, hier 33f.; I. C Feofan Prokopovicˇ i ego vremja, St. Petersburg 1868, 416–434.
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Bild seiner politischen Aktivität ergänzen, somit dessen Milieu beleuchten und zumindest einige seiner späteren Aussagen bekräftigen. Serafeim erwähnte seine Moskaureise von 169739 und berief sich auf seine Kontakte mit dem russischen Botschafter in Holland, Andrej Artamonovicˇ Matveev (dem Sohn des ehemaligen Staatslenkers), sowie auf die Briefe, die er zuvor aus Holland geschickt hatte. Er sprach bereits 1704 im Namen einer »Republik« (δημοκρατία / republica nostra), einer griechischen Geheimgesellschaft, die zum Ziel der Befreiung der Griechen gegründet worden sei und zu deren gewählten Vertretern er selbst gehöre (Serafeim erwähnte in diesem Zuge weitere Personen namentlich). Das Ganze habe als gemeinsames Geheimprojekt des Patriarchen Kallinikos II. und des französischen Botschafters Châteauneuf 1693 begonnen, man habe Agenten auf den Inseln ernannt, die gleichzeitig als Konsuln Frankreichs agiert hätten. Nach dem Tod von Kallinikos 1702 aber habe sich die Initiative im Laufe der Zeit verselbständigt und von der französischen Vormundschaft emanzipiert, so Serafeim in seiner »Petition« im Namen der »leidigen Hellenen«, die er Golovin und Peter überreichte (Αρχή και αίτιον της παρακινήσεως των ταλεπόρων Ελλήνων και επομένως η άπασα ιστορία ως έπεται)40 und mit einer zweifachen Bitte versah. Zum einen bat er um die Meinung der russischen Regierung, welchem Weg die Griechen folgen sollten: sich mit der »Konföderation der Protestanten« verbünden oder mit jener des französischen Königs Ludwig XIV.?41 Letzterer beanspruche für Frankreich Konstantinopel und Kleinasien, Jerusalem sollte an den spanischen König gehen, Ägypten an den König von Äthiopien, während Makedonien und die Inseln den Griechen vorbehalten bleiben sollten (το μέρος της Μακεδονίας και τα νησία διά τους Έλληνας).42 Zum anderen erbat er Beistand und Schutz, den der Zar am besten durch ein Übereinkommen mit Venedig garantieren sollte. Wenn es so weit sei und der Krieg zwischen dem Sultan und dem Kaiser ausbreche, werde der äthiopische König vom Roten Meer aus angreifen, die Griechen zusammen mit den Venezianern vom Festland und von den Inseln aus, der Zar vom Schwarzen Meer her. Das werde das Ende der Ungläubigen sein. Der Plan, die osmanische Flotte in Konstantinopel in Brand zu setzen (καύγοντας πρότον την αρμάδαν των Τούρκων εις την Κωνσταντινούπολιν / de combursendo scilicet clasem navalem 39 Er soll Briefe von Kallinikos und Dositheos an Peter und den Patriarchen Adrian überbracht haben. Dafür lässt sich in den Moskauer Archiven kein Beleg finden. 40 RGADA f. 52, op. 1, 1704, nr. 15 (14. August 1704), f. 6–8v. Dort ebenfalls Briefe von Serafeim an Golovin (14. August 1704 aus Narva, lateinisch) f. 3, (30. September 1704 aus Novgorod, griechisch), an Peter (30. September 1704 aus Novgorod, lateinisch) f. 16–17 sowie eine »Copia petitionis Graecorum ad Confoederationem« f. 9. 41 »Επειδή και πρέπει να στοχασθούσι κατά την απόφασιν της γνώμης των Μοσκοβητών, ποίον είναι το οφελιμότερον και εκείνο να επιχειρισθούσι, τουτέστιν, ή με την κονφεδερασιόνε των Προτεσταντών να στέκουνται ή να ομοφωνήσουν με τους κονσόλους του Φράντζα«, ebenda, f. 7v. 42 Ebenda, f. 7v.
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turcicam),43 gehört zu den Topoi der konspirativen Korrespondenz seit den Zeiten von Lepanto; dasselbe gilt für die verheißungsvolle wie exotische Verbindung zum christlichen König Äthiopiens.44 Dagegen ist auffällig, dass Serafeim dem Zaren keine weitreichenden Angebote macht – es sei bloß in dessen eigenem Interesse (vestrum est interesse), sich mit den Venezianern zu verständigen – und noch mehr, dass ausgerechnet er (»Séraphim de Mytilene, orthodoxe à Constantinople, catholique à Paris, protestant en Anglettere et en Hollande«)45 gar nicht die orthodoxe Karte ausspielt. Ob er die Mentalität Peters richtig erkannt zu haben glaubte? Jedenfalls hat auch manche geistreiche Pointe, die Serafeim einstreute – die Zeit vergehe und wir seien bloß ihre Verwalter, nicht ihre Erzeuger –,46 ihm nicht weitergeholfen. Anscheinend erhielt er keine verbindliche Antwort und auch sein Angebot, bzw. seine Bewerbung, die Leitung der Schule des gerade verstorbenen Pietisten Ernst Glück in Moskau zu übernehmen, wurde abgewiesen. Sein Tagesgeld wurde Anfang 1705 eingestellt und Serafeim reiste ab, »um nicht zu verhungern und um die eigenen Geschäfte draußen nicht zu vernachlässigen«47. Wie er diesen Geschäften nachging, kann man sich aus der bruchstückhaften, aber sprechenden Überlieferung vorstellen. 43 Εbenda, f. 8v, f. 3. 44 Die Verbindung zum König Äthiopiens mutet wie ein Nachklang der Legenden vom Priesterkönig Johannes an. Es ist aber nicht auszuschließen, dass reale Kontakte und Vernetzungen gemeint sind. Diese könnten von Heinrich Wilhelm Ludolf, dem spiritus rector der griechischen Kollegien in Oxford und Halle und langjährigen Korrespondenten von Serafeim, inspiriert worden sein. Dessen Onkel, der Pionier der Äthiopistik, Hiob Ludolf hatte sich für ein breites antiosmanisches Bündnis mit dem äthiopischen König, dem russischen Zaren und dem persischen Schach engagiert und den Plan in seinem »De bello turcico« dargelegt, vgl. S. Uhlig, »Ludolf, Hiob«, in: Enyclopaedia Aethiopica, Wiesbaden 2007, Bd. 3, 601–603; S. Weninger, »Ein Blick in Hiob Ludolfs Werkstatt: Der zweite Psalter«, Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 166 (2016), 333–345; A. Schunka, » ›An England ist uns viel gelegen‹. Heinrich Wilhelm Ludolf (1655–1712) als Wanderer zwischen den Welten«, in: H. Zaunstöck u. a. (Hg.), London und das Hallesche Waisenhaus. Eine Kommunikationsgeschichte im 18. Jahrhundert, Wiesbaden 2011, 65–86. Zur Präsenz von Griechen am äthiopischen Hof zu Beginn des 18. Jahrhunderts vgl. T. Natsoulas, »Greeks in the Ethiopian Court, 1700–1770«, Journal of the Hellenic Diaspora 12/2 (1985), 63–76. 45 T. Xanthopoulos, »Traductions de l’Écriture Sainte en Néo-Grec avant le XIXe siècle«, Échos d’Orient 5 (1901/1902), 321–332, hier 329. 46 »Volat irrevocabile tempus: de quo rationem tenemur reddere largitori suo, dispensatores enim non creatores temporis sumus«, ebenda f. 16 (Serafeim an Peter, es handelt sich um eine Paraphrase von Virgil und Horaz). Gegenüber Golovin meinte er, »nam non sumus Poloni, unum constituere et alterum inquirere«, ebenda f. 3. 47 »διά να μην αποθάνω της πείνας εδώ και χάνονται και οι δουλειές μου έξω«, ebenda, f. 22. Serafeim gab an, außer Alt- und Neugriechisch, Lateinisch, Französisch und Englisch auch halbwegs (ατελώς) Türkisch, Italienisch und rudimentär (παρέργως) Spanisch, Portugiesisch, Flämisch und Hebräisch (είτουν ισπανικήν, λουζιτανικήν και βελγικήν, ωσαύτως δε και την εβραϊκήν) zu beherrschen.
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Es geht freilich nicht darum, noch einmal das Urteil über Serafeim zu sprechen. Fest steht jedenfalls, dass er die Geschichte von der Geheimgesellschaft nicht erst in der Not des Verhörs 1732 erfunden hat, wie es den Anschein haben könnte. Würde man eine Vermutung anstellen, so hat weder sein behauptetes Freiheitsengagement der Realität entsprochen noch hat er aber alles aus der Luft gegriffen. Eher scheint es, dass eine quer durch Europa vernetzte Personengruppe48 systematisch dieses Geschäft mit fließenden Übergängen zwischen Betrug und frommer Täuschung (pia fraus) betrieb, das ihnen ein mehr oder weniger ruhiges Gewissen gestattete. Manche Bemerkung Serafeims weist in diese Richtung, etwa wenn er zugibt, dass einige der griechischen Spender zwar glaubten, für den Freikauf von Sklaven aus den Händen der nordafrikanischen Korsaren zu zahlen, jedoch ohne zu ahnen, dass es um das gesamte griechische Volk ging. Gemäß Serafeims Sophisterei war es kein Betrug: nur, dass die Spender, in der Sklaverei geboren, diese als Freiheit wahrgenommen hätten.49 Serafeims Weg hat sich 1704 in Moskau mit dem eines weiteren Abenteurers gekreuzt, des Ex-Metropoliten von Thessaloniki Methodios Armenopoulos.50 Dessen Name ist in der Kirchengeschichte ausschließlich mit kleineren oder größeren Skandalen verbunden. Abgesehen von den üblichen Vorwürfen – unsaubere Finanzen, Steuerhinterziehung –, soll er eine ihm missliebige Nonne erst durch die osmanischen Behörden aus der Stadt verbannen und schließlich ermorden lassen haben. Aus diesem Anlass büßte er 1696 nach etwa achtjähriger, durch ständige Auseinandersetzungen mit seinem Kirchenvolk gekennzeichneter Amtszeit seinen Metropolitenstuhl ein. Er revanchierte sich 1697, indem er dem Großwesir nichts Geringeres als den Umsturz des ganzen kirchlichen Verwaltungssystems vorschlug: Die Pforte sollte dem Patriarchen das Ernennungsrecht über Metropoliten und Bischöfe entziehen und fortan selbst die Diözesen direkt verkaufen. Kallinikos II. vermochte damals das Unheil nur durch Bestechung zu verhindern, Methodios wurde verbannt und verschwand aus den An-
48 Zusammen mit Serafeim wurden zwei seiner griechischen Gefolgsleute verhaftet und verbannt, während auch in den deutschen Ländern sein Name im Zusammenhang mit weiteren obskuren Gestalten auftauchte, vgl. Tsakiris, Makrides, »Αντίστροφες περιηγήσεις« sowie Saracino, »Das Engagement«, etwa zu Athanasios Pavlos und Theoklitos Polyeidis. In Warschau soll er einen weiteren griechischen Priestermönch, namens Symeon aus dem thrakischen Didymoteichon, in sein geübtes Handwerk eingeweiht und mit gefälschten Dokumenten versorgt haben. Symeon wurde später in Moskau festgenommen und verbannt, Golombiovskij, »Grecˇeskie episkopy-samozvancy«. 49 Vgl. Palaiologos, »Σεραφείμ«, 44. 50 Sie sollen, laut Serafeims Angaben, zusammen in Golovins Haus dem Zaren vorgestellt worden sein, vgl. Palaiologos, »Σεραφείμ«, 33.
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nalen, nachdem er unter seinen Zeitgenossen anscheinend gehörigen Schreck verbreitet hatte.51 Gegen Ende des Jahres 1702 ging ein Pontusgrieche aus Sinope namens Paraskevas zur Beichte in eine kleine Kirche bei Galata in Konstantinopel. Beichten zu müssen glaubte er unter anderem den riskanten Auftrag, den er auf sich aufgebürdet hatte, Schiffsbaumeister und Matrosen für die russische Azovflotte anzuwerben.52 Der Beichtvater, es war natürlich Methodios, ließ sich davon derart begeistern, dass er sich nicht nur bereit erklärte mitzuwirken, sondern Paraskevas ohne zu zögern einen an den Zaren höchstpersönlich gerichteten Brief mitgab. Unter Berufung auf Daniel und die Johannesoffenbarung, die beide Peter als den auserwählten Erlöser der Ostkirche zu erkennen gäben, teilte er seinen Entschluss mit, sich selbst und seine nützlichen Kontakte (Methodios stammte von der Kykladeninsel Milos) in den Dienst seiner Majestät zu stellen.53 Die Anwerbung von Seeleuten aus dem Mittelmeer, Griechen, Dalmatiner, Italiener, hatte die russische Regierung schon seit der Eroberung von Azov angestrebt, erst der Botschafter Tolstoj wurde aber mit der systematischen Suche beauftragt und mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet. Tolstoj gelang es bereits Ende 1702, den Peloponnesier Ioannis Botsis, der bis dahin venezianischer Konsul in der Ägäis (im »Archipelago«) gewesen war, und mit ihm mehrere italienische und griechische Fachleute aus dem venezianischen Dienst auf der Peloponnes abzuwerben.54 51 Vgl. Meletios, Εκκλησιαστική Ιστορία, Bd. 3, 485f. Zu den Affären in Thessaloniki vgl. M. Gedeon, »Θεσσαλονικέων παλαιαί κοινοτικαί διενέξεις« [Alte Streitigkeiten in der Gemeinde von Saloniki], Μακεδονικά 2 (1941–1952), 1–24, der zu Methodios schreibt: »ήτο δε ταραχοποιός άνθρωπος και κακήν ενέκλειε εν εαυτώ ψυχήν« S. 3. Dort auch die Absetzungsurkunde von 1696 gegen die »satanischen Methoden« des Methodios (σατανικάς μεθοδείας μεθοδευσάμενος); vgl. Ph. P. Kοtzageorgis, »Όψεις πρώϊμης νεωτερικότητας: Οι διαμάχες στη χριστιανική κοινότητα Θεσσαλονίκης (τέλη 17ου–αρχές 18ου αιώνα)« [Frühneuzeitliche Aspekte: Die Streitigkeiten in der christlichen Gemeinde von Saloniki (Ende 17.–Anfang 18. Jahrhunderts], in: G. Salakidis (Hg.), Τουρκολογικά. Τιμητικός τόμος για τον Αναστάσιο Κ. Ιορδάνογλου [Turkologisches. Festschrift für Anastasios K. Iordanoglou], Athen 2012, 437–468; Papademetriou, Render unto the Sultan, 217f. 52 Wie aus Paraskevas’ Angaben nach seiner Ankunft in Moskau im Mai 1703 hervorgeht, hatte ihn Admiral Fedor Matveevicˇ Apraksin im Juni 1702 in Azov angeheuert. Paraskevas hatte sich zum Zwecke von Handelsgeschäften dorthin begeben, RGADA f. 52, op. 1, 1703, nr. 7, f. 22v–23. Zu Apraksin vgl. Hughes, Age of Peter, 418f. Zu Paraskevas vgl. Carras, Εμπόριο, 413, Anm. 21. 53 RGADA f. 52, op. 2, nr. 709, 4. Januar 1703, siehe Anhang Nr. 7. 54 Der Vorfall sorgte für Reibungen in den venezianisch-russisch-osmanischen diplomatischen Beziehungen, vgl. A. O. Jastrebov, »Russkij posol pri Blistatel’noj Porte i venecianskie greki«, Klio 2/122 (2017), 78–87. Zur Ankunft von Botsis in Kiev (er wurde in Russland Oberbefehlshaber einer Galeerenflotte) mit 26 weiteren »Offizieren und Matrosen« unter anderem aus Venedig, Sizilien, der Peloponnes, aber auch Athen, Sifnos, Chios, Lesvos und Skopelos: RGADA f. 52, op. 1, 1703/1, 3 (Februar 1703). Ioannis’ Bruder, Dimitrios Botsis, war 1711 der bereits erwähnte russische Konsul in Venedig. Zur Anwerbung von griechischen Matrosen für
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Methodios war nicht der einzige Geistliche, der sich als Werber betätigte. Ein Mönch namens Isaias aus dem Transfigurations-Kloster in Konstantinopel (vermutlich auf der Insel Prinkipos im Marmarameer), der 1702 als Almosenbettler in Moskau gewesen und mit demselben Auftrag betraut worden war, kehrte 1704 mit sieben Schiffsbaumeistern aus Konstantinopel und vom Schwarzen Meer nach Russland zurück.55 Von einem Priester Ioannis aus Navplion (Ιερεύς Ιωάννης, υιός Αλεξίου εκ της επαρχίας Ναυπλίου), der sich, laut der eigenen Beteuerung, »vom Magneten der zarischen Liebe« anziehen ließ, erfährt man, dass er von Botsis für die Anheuerung von geeigneten Männern auf der Peloponnes gewonnen worden war.56 Zunächst hatte Methodios vor, die ganze Sache aus Sicherheitsgründen auch vor Tolstoj geheim zu halten. Als er aber keine Antwort aus Moskau erhielt und zu fürchten begann, dass sein Brief nicht angekommen oder – schlimmer noch – ignoriert worden war,57 beschloss er, sich an den Botschafter zu wenden. Gemäß Tolstojs Rat schrieb er erneut an den Zaren und begann bereits, Männer, die zu ihm zur Beichte kamen, vorsichtig anzufragen.58 Es folgte eine einjährige Tour, die Methodios von Konstantinopel nach Moskau bringen sollte, die Geschichte eines Streifzugs durch die ägäische und die ionische Inselwelt, gespickt mit enthusiastischen Erzählungen von der Anheuerung berühmter Korsaren und kriegserfahrener Veteranen der venezianischen Flotte. Sie ist niedergeschrieben in den Briefen, die Methodios von unterwegs an Peter und Golovin sandte, aber auch in an ihn gerichteten Briefen von verschiedenen Inselbewohnern, den Bevollmächtigten (»επίτροποι«) und den Mitgliedern des Netzwerkes, das durch Methodios’ Reise geknüpft worden war. Man erhält Einblicke in die politischdiplomatischen Antagonismen im östlichen Mittelmeer nach dem Frieden von
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Peters Flotte vgl. außerdem Carras, Εμπόριο, 517–523. Zu den Botsis-Brüdern vgl. ebenda, 560. RGADA f. 52, op. 1, 1704, nr. 25. RGADA f. 52, op. 1, 1703, nr. 18. Ioannis spricht in seinem Bericht vom Zaren als dem Befreier der orthodoxen Christen, als neuem Moses und teilt Nachrichten über osmanische Pläne gegen Azov mit. Auf f. 2v die Beglaubigung des in Moskau anwesenden Metropoliten von Laodikeia Parthenios zur Vertrauenswürdigkeit des Priesters. »Επειδή δεν έτυχα απόκρισιν εις τόσον καιρόν, ευρίσκομαι εις μεγάλην απορίαν και φόβον, μήπως η γραφή μου δεν εγχειρίσθη τη μεγίστη σου βασιλεία, ή εγχειρισθέν σοι ως απαρέσκον εκρίθη«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 712, November 1703. »Ως εραστής των τοιούτων της επιχειρημάτων καγώ ο δούλος, θείω ζήλω κινούμενος επαρακινήθην προς την τοιαύτην δούλευσιν καταδύναμιν ενεργήσαι, και εις αγώνα του εγχειρήματος εγενόμην, Θεόν επικαλούμενος άρχισα μετά πολλής σκέψεως εις την εξομολόγησιν των προσερχομένων μοι, και με πολλού φόβου και τρόμου, συμβουλεύοντας τινάς και καταπείθοντας μερικούς«, ebenda. In Wirklichkeit hatte Golovin Methodios schon im Juli 1703 aus dem gerade gegründeten St. Petersburg (»iz Petropolja«) dankend geantwortet und eine Belohnung mitgeschickt, doch im Novenber war Paraskevas noch nicht mit dem Antwortbrief zurück in Konstantinopel, RGADA f. 52, op. 1, 1703, nr. 7, f. 9–10, 4. Juli 1703.
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Karlowitz, etwa zwischen Venezianern, Franzosen und nun auch Russen, um Einflussnahme auf die Inselgesellschaften59 sowie – anhand der Argumentation bzw. der Agitation von Methodios und deren Rezeption und Reproduktion – in die Vorstellungswelt der Akteure. Diese Geschichte lässt sich aber auch paradigmatisch, als Miniatur der russisch-griechischen kulturellen Begegnung zu Beginn des 18. Jahrhunderts lesen. Bevor Methodios, ausgerüstet mit einem Empfehlungsschreiben Tolstojs, das auch als Einladung an die Seeleute diente,60 aufbricht, schreibt er an den Zaren, um seine Mission anzukündigen.61 Nachdem er die Ägäis durchquert hat, meldet er sich im Juli 1704 wieder aus der Quarantänestation von Zakynthos, um Bericht zu erstatten.62 Die Selbstdeutung seines Tuns klingt bereits an: Er wandere als Apostel (περιπατών αποστολικώς), um Seelen zu fischen (να ψαρεύσω), für den Dienst am Erlöser der Griechen. Auch auf sein wichtigstes Anliegen kommt Methodios nun zu sprechen: Er könne nicht in seine Heimat zurück, zum Papst zu desertieren, lehne er ab, er bittet um Zuflucht in Moskau.63 Die erste Ent59 Dies geht z. B. aus dem an Methodios gerichteten Brief des Honoratioren Georgios Tatarakis aus Milos vom 15. August 1704 hervor, der die Beunruhigung der venezianischen und besonders der französischen Konkurrenz schildert: »Έρχομαι να της φανερώσω ταπεινώς, ότι με την αποδημίαν της πανιερότητός της, ήλθεν εδώ από το μέρος του ριγός της Φράντζας και με γράμματα του Πάπα, ξένος το γένος διά να συνάξη ανθρώπους […] Ο κόνσολος και άλλοι του γένους ελάβασιν είδησιν δια τεμάς και καθημέραν μας παρακινούν και βιάζουν και το ένα μέρος και το άλλο προς συμφωνίαν με του λόγου τους, με το να απορούσι περί ημών, το τί να είναι το τέλος μας […] με το να μην ειξεύρουν πως ημείς τους εδικούς τους φραγγισμούς τους πουλούμεν, όντες διδάσκαλοί των.«, RGADA f. 52, op. 1, 1704, nr. 2, f. 26v. Vgl. B. J. Slot, Archipelagus turbatus. Les Cyclades entre colonisation latine et occupation ottomane c. 1500–1718, Leiden 1982, 244, 256–259. 60 »Πάσι τοις επισήμοις, εμπείροις τε και γενναίοις προεστώσι και παντός οφφικίου και της τέχνης της εις την θάλασσαν αρμάδος πρακτικοίς και αρίστοις αρχηγοίς, κυβερνηταίς και τεχνίταις«. Tolstoj gibt explizit an, dass es um die baltische Flotte und den Seekrieg gegen Schweden gehe: »η Γαληνοτάτη και Ιερά Μεγαλειότης αυτού χείρα, απόκτησε πολλούς λιμένας εις την Φοινικήν θάλασσαν, ήτοι εις το Μάρε Μπάλτικο. Λοιπόν δια τούτο θέλει να έχη εκεί μίαν αρμάδα εναντίον των αντιπολεμίων Σβεκών«, RGADA f. 52, op. 1, 1704, nr. 2, f. 10–10v. 61 »Εγώ θέλω πασχίση με κάθε λογής τρόπον να καταπείσω από τους ονομαστούς άνδρας εκείνους τους ονομαζομένους κουρσάρους«, RGADA f. 52, op. 1, 1704, nr. 2, f. 1, Methodios an Peter (5. März 1704). 62 »Να την αναγγείλω προσκυνητά τα όσα είδον και άκουσα περιπατών εις τας Κυκλάδας των νήσων και κηρύττοντας την καλήν φήμην, την στοργήν και αγάπην οπού η μεγάλη και θεία βασιλεία έχει εις το γένος των Ρωμαίων, εξαιρέτως δε το μελόδωρον εκείνης της πλουσιοδώρου δεξιάς και βασιλικής χειρός. Και πως μετά Θεόν ελπίζομεν εις την κραταιάν και φοβεράν εκείνην χείρα να ελευθερωθώμεν εις ολίγον καιρόν από την αιχμαλωσίαν και τυραννίαν των ασεβών και απίστων Αγαρηνών. Και με τούτα τα πνευματικά και σωτήρια λόγια και με άλλα πολλά παρακινήματα τους επροθυμοποιήσαμε να έλθουν σχεδόν ειπείν όλοι τους να χαθούν εις την δούλευσιν της μεγάλης και θείας βασιλείας«, RGADA f. 52, op. 1, 1704, nr. 2, f. 12, Methodios an Peter am 23. Juli 1704 aus Zakynthos. 63 RGADA f. 52, op. 1, 1704, nr. 2, f. 12, f. 18v, Methodios jeweils an Peter am 23. Juli und an Golovin am 3. August 1704.
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täuschung erwartet Methodios in Wien: Der Botschafter Petr Alekseevicˇ Golicyn hat keine Kenntnis von Methodios und dessen Auftrag. Trotzdem empfängt er ihn und ermöglicht seine Weiterreise. Im Februar 1705 in Moskau angekommen, glaubt er sich am Ziel all seiner Mühen. Sein Grußwort (χαιρετισμός) an den Zaren, überreicht bei der Audienz, die er erleben darf, liest sich wie eine Osterpredigt oder eine Siegespanegyrik.64 Zum ersten Mal fühlt er sich sicher, mit seinem Familiennamen Armenopoulos zu unterschreiben. Ihm wird ein Tagesgeld zugesprochen, er zieht ins Hl.-Nikolaos-Kloster ein und versteht sich als »Aufseher und bevollmächtigter Vertreter des eigenen Volks« (προβλεπτής και επιτηρητής του έθνους μου),65 was angesichts der Vermittlungsfunktion, die er immer wieder leistet, nicht ganz abwegig ist. Doch bald beginnen die Beschwerden und die Klagen. Mal lässt Golovin die versprochene Audienz verstreichen, Methodios fühlt sich beleidigt (επειδή και φαίνεται πως δεν έχει σκοπόν να συνομιλήση με του λόγου μου τίποτας κάν ψιλόν λόγον);66 mal wird die Zahlung seiner Pension verschoben. Am Posolskij Prikaz nimmt man die Tintenfische, die er dem Zaren und Golovin schicken will, nicht an.67 Methodios beklagt sich: »Ich bin kein Ungläubiger und Atheist, dass ich Gott nicht fürchte und meine Seele mir nichts wert wäre.«68 Er flüchtet sich in bittere Ironie: »Das Reich ist wohl verarmt und kann mich nicht ernähren. Gott sei Dank durfte ich erleben, dass das furchterregende und vermögende Reich der Moskowiter, vor dem die Königshäuser der Welt zittern, wegen eines armen Mönchs pleitegegangen ist… .«69 Und mit stolzem Trotz fügt er hinzu: »Ich trachte nicht 64 »Χαιρετισμός εις τον Γαληνότατον και Κραταιώτατον μέγα βασιλέα και αυτοκράτορα και μέγα μονάρχα πάσης Μοσχοβίας, κύριον κύριον Πέτρον Αλεξιάδη«, RGADA f. 52, op. 1, 1705, nr. 12, f. 44. 65 RGADA f. 52, op. 1, 1705, nr. 12, f. 180–181v, Methodios an Golovin (27. September 1705). 66 RGADA f. 52, op. 1, 1705, nr. 12, f. 104, 5. Juni 1705. 67 »Ήθελα να στείλω μερικά οχταπόδια του βασιλέως μου και της εξοχότητός σου και δεν ηθέλησαν να τα πάρουν εις το πυρκάζι«, RGADA f. 52, op. 1, 1705, nr. 12, f. 197v, 26. November 1705. 68 »να μην λογιάσης πως είμαι άνθρωπος ασεβής και αθεήστας όπου να μην φοβούμαι Θεόν και να μην λυπούμαι την ψυχήν μου«, RGADA f. 52, op. 1, 1705, nr. 12, f. 110, Methodios an Golovin (22. Juni 1705). 69 »Έως του νυν ούτε φωνή ούτε ακρόασις είναι αυθέντη μου εξοχότατε. Επτώχυνε λέγει η βασιλεία σου και δεν έχει να με θρέψη. Δόξα σοι ο Θεός η τύχη μου έσωσε και αυτού να πτωχύνη μία φοβερά και υπέρπλουτος βασιλεία των Μοσχόβων, όπου την τρομάσσουν του κόσμου τα βασίλεια δια έναν επτωχόν καλόγερον […] εις ημάς επτώχυνε η μεγάλη βασιλεία να μας δώση πέντε καπίκια να φάμε ψομί«, RGADA f. 52, op. 1, 1705, nr. 12, f. 155v–156, Methodios an Golovin, August 1705. Dabei verdreht er gewissermaßen die Tatsachen, wenn er klagt, Golovin hätte ihn nicht in Moskau festhalten, sondern nach Hause fahren lassen sollen: »εγώ ηξεύρω αυθέντα μου εξοχότατε, πως εσύ εις την Μοσχοβίαν όπου με βάσταξες είμαι χαϊμένος άνθρωπος έστωντας και τα παράδοξα δεν ειμπορώ να τα υποφέρω, και εις τούτο έκαμες μεγάλο κρίμα εις εμένα όπου δεν με άφησες να υπάγω εις την πατρίδα μου να καθίσω εις το σπίτι του πατρός μου […] ότι εστερήθηκα και την ανάπαυσίν μου και τους εδικούς μου δια την αγάπην του βασιλέως του μεγάλου και της εξοχώτης σου, έχοντας κάποιαν ελπίδα να βοηθήσω το έθνος μου και την ταλαίπωρον πατρίδα μου«, ebenda, f. 156.
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danach, mich zu bereichern, mir geht es allein darum, dass ich und meine Leute nicht erniedrigtgt werden, denn ich bin Grieche, Hellene und es ist eine Schande für mich, nach Moskau zu kommen mit dem geringen Dienst, den ich der Hohen Majestät geleistet habe, und mich hier erniedrigt zu finden.«70 Auch von »seinen Leuten« erfährt Methodios Besorgniserregendes. Am Posolskij Prikaz werden sie schroff behandelt: »Wer hat Euch hierher bestellt?«, und von den andersgläubigen Kollegen, Lateiner und Protestanten, werden sie in ihrem Glauben beleidigt – und das im orthodoxen Moskowien.71 »Das erhoffte ich, mein Herr, als ich nach Moskau kam? Das hast Du mir versprochen?«72 Mahnbriefe an den Zaren bezüglich Fasten und frommen Regieren wechseln sich mit Reuebekundungen ob der Anmaßung.73 Mitunter pendelt Methodios zwischen Verzweiflung und Auferweckung, wenn er wieder einmal einen besänftigenden Brief von Golovin erhält.74 Doch mehr und mehr überwiegt die Enttäuschung, zudem beginnt er, über die Kälte und über Fußgicht zu klagen. Er verfasst noch eine Rekapitulation all seiner Dienste samt Auflistung der Verbindungsmänner auf den Inseln,75 danach diktiert er nur noch kurze Meldungen und unterschreibt sie lediglich.76 Methodios stirbt am 31. Mai 1706 und wird im Hl.-Nikolaos-Kloster begraben.77 Die Briefe, die sein Protosynkellos Makarios bei seiner Rückkehr von den Inseln im November 1706 nach Moskau mitbringt, erreichen ihren Adressaten nicht mehr. Vielleicht hätte dieser die Freudebekundungen seiner Kontaktmänner über die »Ehrungen«, die Methodios zuteilgeworden seien, und die Anerkennung seiner »Heldentaten« durch den Zaren mit galligem Spott kommentiert.78 Ihre enthu70 »Δεν γυρεύω να θησαυρίσω, μόνον όσον να μην ταλεπορούμε και εγώ και οι άνθρωποί μου, διατί ήμαι Ρωμαίος Έλληνας και το έχω εντροπή μου να έλθω εις την Μοσχοβίαν με την παραμικράν δούλευσιν της μεγάλης βασιλείας όπου έκαμα και να ευρίσκωμαι ταλεπορημένος.«, RGADA f. 52, op. 1, 1705, nr. 12, f. 196v, Methodios an Golovin (16. November 1705). 71 »λέγοντάς τους ποιός σας έκραξεν να έλθητε εδώ, και άλλα περισά λόγια ψυχρά«, RGADA f. 52, op. 1, 1705, nr. 12, f. 180v, Methodios an Golovin, 27. September 1705; Briefe des Kapitäns Tzortzis Kaisaris und Ioannis Panorios an Methodios (2. Oktober 1705), ebenda f. 205–206v. 72 »Αυτά εθαρούσα εγώ δεσπότη μου, να έλθω εις την Μοσχοβίαν, αυτά ήτον που μου έταζες;«, RGADA, f. 52, op. 1, 1705, nr. 12, f. 180v, Methodios an Golovin (27. September 1705). 73 RGADA f. 52, op. 1, 1705, nr. 12, f. 98, 122–123 (24. Juni 1705), 130–130v (28. Juni 1705). 74 Etwa im August 1705 RGADA f. 52, op. 1, 1705, nr. 12, f. 153–157, Golovin an Methodios und Rückschreiben. 75 RGADA f. 52, op. 1, 1705, nr. 12, f. 204. 76 RGADA f. 52, op. 1, 1706, nr. 2. Den letzten eigenhändigen Brief schreibt er an Golovin am 11. Februar 1706, ebenda, f. 7–9. 77 RGADA f. 52, op. 1, 1706, nr. 2, f. 31. Stefan Javorskij als Patriarchatsverweser kümmert sich um das Begräbnis, Nikolaos Spatharios dolmetscht, ebenda, f. 35, Methodios’ Testament vom 1. Mai. 78 »Μάρτυς μου ο Θεός μεγάλη χαρά έλαβα μαθένοντας τη δεξίωση και τιμές όπου ο πολυχρονημένος μας και χριστιανικώτατος βασιλέας σας έδειξε«, Georgios Tatarakis aus Milos, Dezember 1705. Ähnlich Kapitän Alexandros Mostratos aus Zakynthos (8. März 1706) und Konstantinos Kondylis aus Paros, 15. November 1705, RGADA f. 52, op. 1, 1706, nr. 2, f. 18–22.
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siastischen Bekenntnisse zum Zaren, den sie als den Erlöser des christlichen Volkes auf dem ökumenischen Kaiserthron in Konstantinopel zu erwarten versichern, damit dieser den Ruhm Konstantins des Großen erlange und die Griechen nach ihren Gebeten »das Ersehnte« (το ποθούμενον) erreichen, mag man angesichts der späteren Geschehnisse als ähnlich illusorische (Selbst-)Täuschungen betrachten.79 Wichtiger ist indessen festzuhalten, wie selbstverständlich die Vorstellungen über die Stellung und die Rolle des Zaren, und sei es mitunter als formalisierte Redewendungen, von verschiedenen Akteuren weiter- und wiedergegeben werden. Damit sind wir zurück beim Topos des russischen Zaren als Befreier der »gefangenen« Orthodoxie, seiner Genese und seiner Verbreitung. Sieht man einmal von den direkt Betroffenen, den griechischen Agenten und ihren russischen Ansprechpartnern, sowie von den Αmbivalenzen der interkulturellen Kommunikation ab, lohnt es sich vielleicht, der Etablierung des Topos und seiner Evidenz in der internationalen Politik, genauer gesagt: in der Vorstellungswelt der diplomatischen Akteure in der hier interessierenden Periode nachzugehen. Hatten nämlich früher nur gelegentlich venezianische Diplomaten im Zusammenhang mit vergeblichen Bemühungen, Moskau an eine christliche antiosmanische Liga zu binden (etwa 1570), auf die besondere Affinität zwischen dem Zaren und seinen griechischen Glaubensbrüdern sowie auf den strategischen Vorteil, den ihm seine orthodoxe Konfession verschaffte, hingewiesen,80 so gerät dies in den 1650er Jahren zum Allgemeingut quer durch die interessierten Kabinette und Gesandtschaften. »Jeder fremde Minister, jeder gebildete Reisende sprach und schrieb davon«, wie Nicolae Iorga in diesem Zusammenhang notierte.81 Zwischen 1655 und 1657, der Hochzeit der Projektemacherei, wird die
79 »άνμποτες να μας καταξιώση Θεός να τον ηδούμε εις τη βασιλέβουσα πόλη ης ελευθερία του γένους το χριστιανό και εμάς ξεχοριστά να καταξιώση ο Κύριος να φιλήσωμεν την ποδιάν του«, Georgios Tatarakis aus Milos, Dezember 1705; »είμαστεν έτοιμοι εις τα θεία του προστάγματα ότι που να μασε προστάξι η μεγάλη του βασιλεία παρακαλούμεν τον εντριάδι Θεόν να τον εδιαφιλάτι άπαντος κακού και να τονε προσκυνήσομεν εις την εκουμενικήν καθέντρα τον πάλε ορθοδόξων και αυτοκρατόρων βασιλέων«, Ioannis Haidemenos Kantzilleris aus Mykonos, 8. November 1705; »τον ευσεβή και πολυχρονημένο μας βασιλέα, αυξηθήτω η δόξα του με προκοπήν εις τους σκοπούς και τα τέλη του, διά να απολαύση τα αποκτήματα του Μεγάλου Κωνσταντίνου και ημείς οι ταπεινοί του δούλοι να επετύχομεν κατά τες παρακλήσες μας το ποθούμενον«, Konstantinos Kondylis aus Paros, 15. November 1705. Bemerkenswert die Gewissheit von Kapitän Alexandros Mostratos, im Dienst für den Zaren gegen die Osmanen eingesetzt zu werden: »να με αξιώση ο Χριστός βεβέα ομού με τους ανθρώπους μου να έλθωμε να δουλεύσωμεν τον βασιλέα το ερχόμενο καλοκαίρι ως καθώς επροσέταξα της σης πανιερότης εναντίον του αγαρινού βεβέως να χύσω το αίμα δια όνομα του βασιλέος μας μαζί με τους ανθρώπους μου και να κράζομε οσανά τω νέω Δαβίδ και τα εξής«, RGADA f. 52, op. 1, 1706, nr. 2, f. 18–22. 80 Siehe Kap. I.4. 81 Iorga, Geschichte des Osmanischen Reiches, Bd. 4, 173.
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Pforte von mindestens vier verschiedenen Seiten vor der akuten Gefahr gewarnt: Im Mai 1655 schreibt der polnische Großkanzler an den Großwesir, »Der moskowitische Großfürst sei durch einige kleine Siege so hochmütig und anmaßend geworden, daß er öffentlich verlauten ließ, er wolle nunmehr alle Griechen vom türkischen Joche erlösen und das byzantinische Kaiserthum wiederherstellen; zu diesem Zwecke habe derselbe bereits griechische Priester und Mönche als Sendlinge in die Türkei zur Aufwiegelung der Griechen und zur Erregung einer allgemeinen Schilderhebung vielfach ausgeschickt, welche Schilderhebung in dem Augenblicke ausbrechen solle, da die moskowitischen Heere sich den türkischen Gränzen nähern würden«82.
Im März 1657 berichtet der Krimchan (mit fatalen Konsequenzen für Parthenios III.), dass die Hospodaren der Donaufürstertümer und »der griechischconstantinopolitanische Patriarch mit dem Großfürsten von Moskau geheimes Einverständnis wider das Osmanenreich unterhalten«83 hätten. Es folgen die siebenbürgischen Gesandten, die im Mai 1657 dem Großwesir erzählen, »die vier Griechischen Patriarchen lagen ihnen [den Moskowitern] unter dessen continuo in Ohren, wie dan der von Antiochia erst neulich by ihm [dem Zaren] gewest, und gebeten, er wolle sich doch der armen Christen unter dem Thürckhischen Joch erbarmen und Griechische Imperium widerumb erretten hellfen, welches umb sovil mehr zu beobachten, weillen Moldau, Walachey, Bosnia, Albania, Thracia und Macedonia und sonst gleich samb ganz Türckhey voll mit Grieche, welche sich immediate suleviren werden, sobaldt der Moscoviter mit seiner macht vorbey käme.«84
Wenige Tage später, am 29. Mai 1657, übergibt der schwedische Gesandte dem Sultan ein Memorandum, das die feindlichen Absichten »des Moskowiters« bestätigen soll: Er denke an nichts anderes, als die Griechen, Serben und Bulgaren »zu befreien«.85 Auch der nächste schwedische Gesandte bei der Pforte, Claes Rålamb, erklärt seinem König 1658 in seinem Abschlussbericht: »The old jealousy between the Muscovite and the Ottoman Porte not only continues, but even daily increases against him, on account of the piracies committed by the DonCossacks on the Black Sea, as also of the mistrust the Ottoman Porte have on their own subjects of the Greek religion, that they are secretly promoting the interest of Muscovy.«86 82 Hurmuzaki, Fragmente, Bd. 3, 229. Hurmuzakis Studie besteht, neben direkten Zitaten, hauptsächlich aus (leichten) Paraphrasen von österreichischen Archivalien, daher werden sie hier nicht kursiviert. 83 Hurmuzaki, Fragmente, Bd. 3, 232. 84 HHStA Türkei I, Turcica 128, f. 147; Russkaja i ukrainskaja diplomatija v mezˇdunarodnych otnosˇenijach, 428. 85 »Il Moscovita non penso altro, e non l’affreta per altro, che per liberale, come egli dire, li Greci, Serviani, Bulgari, e quelli che sono del rito Greco colla soggetione di vostra Majesta«, Russkaja i ukrainskaja diplomatija v mezˇdunarodnych otnosˇenijach, 434; vgl. Theiner, Monuments historiques, 30f. 86 »This was the cause of the death of the patriarch of Constantinople who was hanged last year and the patriarch of Jerusalem’s being cast in prison for some weeks«, Rålamb »A relation of a
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In der Korrespondenz von Pierre de Noyers, dem französischen Sekretär der polnischen Königin, heißt es am 20. Januar 1657 über den Zaren: »Il y a un grand dessein dans la tȇte, qui est celui de délivrer la Grèce d’oppression«, und ein Jahr später, am 6. Januar 1658: »…le Turc […] s’est mis en tȇte que son empire ne pouvait ȇtre détruit que par la monarchie de Moscovie, à cause de l’amitié que les Grecs de ses États ont pour le Czar, et lesquels sont en bien plus grand nombre que les Turcs dans les provinces de l’Europe.«87 Kein Wunder, dass die venezianische Regierung auf diese Vorstellung zurückgriff, als es im Januar 1657 darum ging, die moskauischen Gesandten, wenn nicht zum Beitritt des Zaren zum Kretischen Krieg, dann wenigstens zu einem Ablenkungsangriff der Donkosaken am Schwarzen Meer zu überreden. Man schaltete die griechische Gemeinde der Lagunenstadt ein. Beim Besuch der Gemeindevorsteher in der Residenz der Gesandten und auch in der Predigt nach dem Gottesdienst, dem die Gäste aus dem Norden in der St.-Georgs-Kirche beiwohnten, fielen erneut die Losungen vom Leiden der Griechen unter dem hagarenischen Joch, aber auch von der gottgegebenen Sendung des Zaren, als neuer Konstantin und Alexander seine Glaubensbrüder zu befreien. Die Türken selbst, so berichteten die griechischen Kaufleute, hätten zu der Zeit große Furcht empfunden und jeden Augenblick den russischen Angriff auf Konstantinopel erwartet.88 Quasi als Neuauflage des Topos wiederholen sich die Meldungen an der Wende vom 17. ins 18. Jahrhundert. Die venezianische Regierung erhält Berichte aus Konstantinopel, die – unter dem Eindruck der russischen Eroberung Azovs –
journey«, 707. Auch durch griechische Doppelagenten dürfte sich die Pforte ins Bild gesetzt haben. Gegenseitige Beschuldigungen und Verdächtigungen kommen in den Spionageberichten gelegentlich vor (RGADA f. 52, op. 2, nr. 176, 219, 498, 500), aber auch der Fall eines Händlers namens Ioannis (Ivan Kiriakov) ist bekannt, der im August 1655 selbst drohte, dem Sultan und dem Großwesir von der Illoyalität der griechischen Patriarchen und Archimandriten zu berichten, die in Konstantinopel für den Zaren spionierten und ihn aufgefordert hätten, die Osmanen anzugreifen, vgl. Tchentsova, Vostocˇnaja Cerkov’, 32, Anm. 1. 87 Lettres des Pierre des Noyers, 291, 371. 88 Vgl. PDSDR, Bd. 10, 1021, 1053–1058; Chr. A. Maltezou, »Οι ›αμπασαδόροι της Μεγάλης Μοσχοβίας‹ στη Βενετία και ο Κρητικός Πόλεμος« [Die Gesandten Moskaus in Venedig und der Kretische Krieg], Thesaurismata 30 (2000), 9–20; A. Brückner, »Eine russische Gesandtschaftsreise nach Italien (1656–57)«, in: ders., Beiträge zur Kulturgeschichte Rußlands im 17. Jahrhundert, Leipzig 1887, 113–167, hier 146–148; Longworth, »Russian-Venetian Relaˇ emodanov a tions«, 388–392; Kapterev, Charakter, 366f; M. di Salvo, »La missione di I. C Venezia (1656–1657): Observazioni e nuovi materiali«, Archivo Italo-Russo 1 (1997), 57–83; A. Jastrebov, »›Vsi bo mja greki ljubachu, jako edinu s nimi imam veru‹. Predstaviteli Rossii v Venecii i grecˇeskaja cerkov’ v konce XVI – nacˇale XVIII vekov«, Bogoslovskij Vestnik 24/25 (2017), 237–268, hier 245–247; Chr. P. Laskaridis, Η στάση της Ρωσίας στον πόλεμο της Κρήτης (1645–1669) [Die Haltung Russlands im Kretischen Krieg (1645–1669)], Thessaloniki 2002, 192–195, 210–217.
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einerseits die Hoffnungen der Griechen auf die baldige Ankunft des Zaren in Konstantinopel, andererseits die Furcht der Türken betonen: Non potiamo descrivergli dopo la caduta di Asack la confusione di Turchi, e la grande allegrezza de’ Greci, che già col desiderio l’hanno attronato il Zaro di Moscovia in Constantinopoli […] allora possono sollevarsi li Greci, Albanesi, Macedoni, Bulgari, Serviani, Bosnesi etc., purchè venghino secondati da un poderoso esercito resoluto di dominar Constantinopoli […] tutte le suddette nazioni inclinano alli Moscoviti mille volte più che all’ Imperiali e Veneziani per esse tutti di greco rito.89
Auch die Warnungen an die Adresse der osmanischen Regierung verdichten sich. So warnen die siebenbürgischen Gesandten im März und April 1706 den Großwesir vor der konfessionsbedingten Zuwendung der Griechen und der anderen orthodoxen Völker zum Zaren.90 Der mit ihnen kooperierende französische Botschafter Ferriol wiederholt Ende 1706 die Mahnungen gegenüber dem Großwesir.91 In einem fiktiven italienischen »Dialogo« zwischen einem Perser und einem Türken, den der kaiserliche Botschafter als Beilage zu seinen Berichten nach Wien schickte, werden die Aussichten der europäischen Mächte ausgelotet. Dem Zaren wird attestiert, dass die Griechen ihn als ihren Befreier erwarten (li Greci l’aspettaro come il loro liberatore).92 Im Sommer 1707 ist der polnische Gesandte an der Reihe, ein Vertreter von König Stanisław I. Leszczyn´ski, der mit Karl XII. gegen Peter verbündet war, und unterbreitet der Pforte dieselben Hinweise.93 Ein Memorandum, eingereicht im November 1709 beim französischen Außenministerium hält fest: »Les Valaques, les Moldaves, les Bulgares et tous les autres grecs étaient fort disposés à le recevoir et le regardaient comme leur libérateur.«94 Im gegnerischen diplomatischen Lager werden die Gerüchte mit ähnlicher Unruhe registriert. Die Angst vor dem »spectre of Orthodox Internationalism«, wie es A. V. Florovsky nannte, lässt die österreichische
89 E. Schmourlo, Recueil de Documents relatifs au règne de l’Empereur Pierre le Grand, Youriev 1908, 127f. (14. September 1696). Im Juni desselben Jahres heisst es in einem weiteren anonymen Bericht aus Konstantinopel: »…gli Greci che sono dell’isteso rito si rallegrano si consolano e sperano di veder il zaro di Mosovia attronato imperiale in Constantinopoli.«, ebenda 93. Vgl. weitere Berichte ähnlichen Inhalts, ebenda 193, 212, 221f, 235, 244, 311. 90 »[L]’affeto de’ Greci, e de’ Popoli di Vallachia e Moldavia, che sono della sua Religione, et il desiderio di sodisfar alla sua ambitione con qualche considerabile acquisito.« »[D]i là può entrar per la Valachia e Moldavia dove li Greci, li Bulgari, e l’altre Nationi s’uniranno à lui per un principiò di Religione«, Memorandum der siebenbürgischen Gesandten Papay und Horwath an die Pforte, 23. März und 23. April 1706, Hurmuzaki, Documente, Bd. 6, 33f. 91 Vgl. Krylova, »Russkaja diplomatija«, 261f.; Taki, Tsar and Sultan, 38; Brückner, Peter der Große, 451. 92 Hurmuzaki, Documente, Bd. 6, 43. 93 Vgl. Uebersberger, Rußlands Orientpolitik, 86; Brückner, Peter der Große, 452f. 94 Hurmuzaki, Documente, Suplement, Bd. 1/3, 1.
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Diplomatie auch nach dem Pruthkrieg nicht los.95 Noch im Oktober 1716 rät eine von Kaiser Karl VI. einberufene Kommission von einem Bündnis mit dem Zaren ab, und zwar aufgrund »seines in oriente ob rationem religiosis habendem großen anhang«.96 Auch von weiteren Akteuren vernimmt man Ähnliches. Der italienische General Belleardi aus Modena, der im russischen Dienst stand, gab auf einer Heimreise 1709 zu Protokoll, die christlichen Untertanen der Pforte, die zwei Drittel der Gesamtbevölkerung des Reichs ausmachen, motivierten den Zaren zum Angriff, damit er sie von der »Tyrannei der Türken« befreit.97 Ein katholischer Geistlicher, der Titularbischof von Ankara Raimondo Gallani, meldet im November und Dezember 1710 aus Konstantinopel an Rom, dass die Moldauer, Walachen und Bulgaren den Zaren wie die Juden den Messias erwarteten. Des Zaren Wunsch, so habe der Großwesir erzählt, sei es, in der Hagia Sophia den Gottesdienst zu erleben.98 Tatsächlich waren sich die osmanischen Würdenträger der Gefahr längst bewusst und auf der Hut, was wiederum der russischen Seite nicht verborgen blieb.99 Die Aufzeichnungen eines Janitscharen namens Hasan Kurdi über den Pruthkrieg 1711 geben einen seltenen Einblick in die osmanische Sicht der Dinge. Peter habe seine Glaubensgenossen (Rum taifesi), die er als die eigenen Soldaten betrachte, gegen die Pforte aufgewiegelt, aber die Schlagkraft des osmanischen Heeres unterschätzt.100 Die osmanische Sicht kann man aber nur angemessen deuten, wenn man den Kontext erweitert und zeitgenössische Zeugnisse heranzieht, die spiegelbildliche Muster freilegen. Hier ist der wohl wichtigste Aspekt für die Kontextualisierung der Diskurse und die Ermittlung der ihnen eigenen mentalen Dispositionen zu suchen. Man kann das Beispiel der iberischen Moriscos, der zwangschristianisierten Muslime des spanischen Königreichs, heranziehen, die im späten 16. und 95 Florovsky, »Russo-Austrian Conflicts«, besonders 95, 109 (Memorandum von Prinz Eugen, Mai 1710), 112f. Schon 1691 heißt es im Feldzugsplan des kaiserlichen Generals Heissler, Moldau solle den Polen zugesprochen werden, »weil dadurch überdies der Griechen Anwartschaft auf Wiederaufrichtung der alten byzantinischen Monarchie einen kleinen Stoß erleiden würde«, Hurmuzaki, Fragmente, Bd. 3, 362f. 96 Hurmuzaki, Documente, Bd. 6, 163; vgl. Uebersberger, Rußlands Orientpolitik, 121f. 97 »Dentro il vasto impero de’ Turchi due terzi de’ popoli sono christiani, e tutti questi l’invitano all’impresa di Constantinopoli, della Grecia e dell’Asia minore, promettendo danari e gente, e sempre sono nella corte del Czar sacerdoti, prelati e vescovi, quali a mani giunte supplicano la M.S. liberarli dalla tirannia de’ Turchi, e questi sono espressi inviati, da varie nazioni e da varii popoli, e dal medesimo è stato loro promesso il sollievo; onde tutto per il terminato tempo sarà pronto, e movendosi il Czar, certo l’impero de’ Turchi và all’ ultima rovine affatto mediante le sue gran forze per terra e per mare, e l’ajuto intestino de’ christiani Greci.«, Theiner, Monuments historiques, 442. 98 Vgl. A. Tamborra, »Pietro il Grande e la lotta per l’eredita politica di Bisanzio, 1696–1711«, in: Atti dello VIII Congresso Internazionale di Studi Bizantini, Rom 1953, 478–485, hier 481, 483. 99 Krylova, »Russko-tureckie otnosˇenija«, 255 zu den Berichten Tolstojs. 100 Vgl. Aksan, Ottoman Wars, 92.
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im frühen 17. Jahrhundert nicht nur die »Tyrannei Spaniens«101 beklagten und die Restauration der islamischen Herrschaft in Andalusien herbeisehnten, sondern auch ein Bündnis der Gegner Spaniens, des osmanischen Sultans, des französischen Königs und protestantischer Mächte durch Lobbyarbeit, Spionage, Beteuerungen und Appelle zu vermitteln versuchten. Aber auch im Zusammenhang dieser Studie waren den Akteuren einschlägige Diskurse bewusst. Seit den 1650er Jahren wird immer wieder berichtet, die muslimischen Tataren von Kazan und Astrachan sähen in dem Sultan (oder dem Krimchan) ihren Schutzherrn und seien bereit, bei der ersten Gelegenheit sich zu erheben, um das moskowitische Joch abzuschütteln, so etwa 1656 vom schwedischen Gesandten in Moskau Philipp von Krusenstiern, der in einem Memorandum an Stockholm die potentiellen Schwachstellen Moskaus anführt,102 oder von griechischen Informanten, die sich auf tatarische Zeugen berufen und den Zaren warnen. Die Parallelität der Diskurse bzw. die Übereinstimmung der Formulierungen ist unüberhörbar; die Befreiung der Glaubensbrüder, das Joch der Ungläubigen, die Bereitschaft zur Revolte: Mein Vertrauensmann steht in gutem Verhältnis zum Tatarenchan und hat die ganze Absicht und das Vorhaben der Tataren, d. h. des Chans und seiner Truppen erfahren. Dieser habe gesagt: Da mir Gott beigestanden ist und da ich vermögend und mächtig wurde, will ich gegen den Moskauer Zaren ins Feld ziehen und meine Brüder befreien, die Tataren, die Untertanen (reaya) der Moskowiter sind.103 Hier in der Moldau habe ich, der Priestermönch Filotheos, eines Tages einen ungläubigen Tataren namens Sez Omer kennengelernt, der vom Tatarenchan geschickt worden war, um den jährlichen Tribut an Honig einzutreiben […] Ich habe ihn nach Moskowien gefragt, wobei ich vorgab, für die Türken zu arbeiten […] Er antwortete mir: Gott beschützt uns und alle haben Angst vor uns, wenn aber der Moskowiter es wollte, so würde er unser Land erobern. Ich fragte wieso, wo die Moskowiter gar keine guten Pferde besitzen? Er antwortete: Da ich erkenne, dass du ein Mann der Türkei bist und die Türken liebst, werde ich dir Folgendes sagen: […] Wir wollen uns jetzt anschicken und gegen Astrachan ziehen. Ich fragte, wer beherrscht es? Der Moskowiter, antwortete er. Und wie wollt ihr es zuwege bringen, wo der Ort weit weg ist? Er antwortete mir folgendermaßen, Gott sei mein Zeuge: Die Vorsteher der dortigen Tataren, haben mir geschrieben, dass sie schon beim Anblick unserer Truppen die dortigen Moskowiter
101 M. Green-Mercado, »Morisco Prophecies at the French Court (1602–1607)«, JESHO 61 (2018), 91–123, hier 106, 114. 102 Russkaja i ukrainskaja diplomatija v mezˇdunavodnych otnosˇenijach, 78 103 »ο άνθρωπος ο εδικός μου είναι πολλά αγαπημένος με τον χάνη των Τατάρων, και έμαθεν όλην την βουλήν και την έννοιαν όπου έχουν οι Τάταροι, ήγουν ο χάνης με τα σεφέρια του κατά της μεγάλης σου βασιλείας, λέγοντας ότι επειδή ο Θεός με εβοήθησε και επλούτηνα και εδυνάμωσα, τώρα θέλω να πηγένω να πολεμήσω τον Μόσχοβον, να ελευθερώσω τους αδελφούς μου τους Τατάρους όπου είναι ραηάδες των Μοσχόβων«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 352, Metropolit Galaktion an Aleksei Michajlovicˇ, (3. September 1649).
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abschlachten und sich von der Knechtschaft befreien werden, und das ganze Land wird wieder unser, wie es einst gewesen ist.104
Der offenkundige Umstand, dass sich die Nachrichten gerade in Perioden verdichten, die in der Tat von Verhandlungen und Projekten, von regen politischen Kontakten zwischen Moskau und Vertretern der ostkirchlichen Hierarchie gekennzeichnet sind – d. h. in der Mitte des 17. Jahrhunderts und an der Wende vom 17. ins 18. Jahrhundert – lässt sich durch einen Blick auf die sich darauf beziehende Textproduktion, den, wenn man so will, ›literarischen Niederschlag‹ der Projektemacherei, bestätigen. Die sogenannten »Appelle«, an christliche Herrscher gerichtete Aufrufe zum Kreuzzug gegen die Osmanen, die sowohl in allegorische Bildsprache gekleidet als auch als sachlich argumentierende Memoranda formuliert sein können, stellen eine Gattung für sich dar, mit eigenen Normen, Konventionen und Gemeinplätzen.105 Dass die humanistische Traditi104 »Εδώ ευρισκόμενος εις Μολδοβίαν, εγώ Φιλόθεος ιερομόναχος μίαν των ημερών ανταμώθηκα με έναν ασεβή Τάταρην, το όνομά του Σεζ Ομμέρ, ο οποίος ήλθεν απεσταλμένος από τον χάνην των Τατάρων εδώ να πάρη το κατ’ έτος διδόμενον μέλι […] τέλος τον ερώτησα και διά την Μοσχοβίαν, υποκρινόμενος εγώ πως βοηθώ των Τουρκών […] αυτός μου αποκρίθη, πως ο Θεός ημάς μας φυλάττει και όλοι έχουν φόβον από ημάς, αμή αν ο Μόσχοβος ήθελε, μας έπερνεν. Του είπα πώς, οπού οι Μοσχόβοι άλογα καλά δεν έχουν. Μου αποκρίθη, ηβλέποντας πως είσαι άνθρωπος της Τουρκιάς και πως αγαπάς τους Τούρκους, σου λέγω αυτόν τον λόγον […] ημείς τώρα θέλωμεν να κάμωμεν ετοιμασία να υπάγωμεν εις το Ασδερχάνι να πολεμήσομεν. Του είπα ποίος το ορήζει, ο Μόσχοβος μου είπεν. Και με τι τρόπον θέλετε να υπάγετε όπου είναι ο τόπος μακρινός. Μου αποκρήθει έτζη ενώπιον Θεού, πως οι Τάταροι όπου ηβρέσκονται εκεί οι προεστώτεροι μου έγραψαν ότι μόνο να μας ιδούν ημάς πως υπάμε, αυτοί ευθύς κόπτουν τους Μοσχόβους, όσους είναι εκεί, και έτζη ελευθερώνονται από την δουλείαν και γίνεται ο τόπος εκείνος εδικός μας ως καθώς ήτον και πρώτα«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 461, Priestermönch Filotheos an Aleksei Michajlovicˇ, (20. September 1652); »Ακόμα βασιλέα μου πολυχρονεμένε, γίνωσκε πως εις τες 26 Νοεμβρίου ήλθεν ένας μου φίλος χριστιανός από το Παχτσέ σαράγι και έλαχεν εκεί όταν ήλθαν τα γράμματα από τον ασεβή σουλτάν Μουράτη του Κουμούκ πέγι και τον βάζει και τον παρακαλεί πολλά διά την υπόθεσιν του Καζανίου, την οποίαν εδώσαμεν είδησις της μεγάλης σου βασιλείας ακόμη πέρσι. Όμως τώρα είναι πολλά μουκαγιατές ότι τον γράφει ο Κουμού πέγις τον χάνη, βασιλέα μου, κάμε διά το όνομα του Θεού και σήκω και έλα με τα σεφέρια σου να ελεταιρόσομε τόσο μισηρμανλήκοι [sic] από του Ρούσου τα χέρια, ότι αυτοί είναι όλοι έτοιμοι και μας παρακαλούν να μας παραδώσουν έτοιμον τόπον«, ebenda, nr. 476, Dimitrios Georgiou an Aleksei Michajlovicˇ, (28. Dezember 1652). Zu späteren (1672) Bittgesuchen der tatarischen Untertanen Moskaus an die Pforte vgl. Uebersberger, Rußlands Orientpolitik, 31; Rauch, »Moskau und die europäischen Mächte«, 40; Sumner, Peter the Great, 51; Smirnov, Rossija i Turcija, Bd. 2, 123, 162. 105 Vgl. Poumerède, Pour en finir avec la Croisade, 148–165; Bóka, »Crusader Tradition«; Ι. Κ. Hassiotis, »Marchar contra Constaninopla: Η Κωνσταντινούπολη στη σταυροφορική φιλολογία του 15ου, 16ου και 17ου αιώνα« [Marchar contra Constaninopla: Konstantinopel in der Kreuzzugsliteratur des 15., 16. und 17. Jahrhunderts], in: E. Motos Guirao, M. Morfakidis Filactós (Hg.), Constantinopla. 550 anos de su caída, Bd. 2: Constantinopla otomana, Granada 2006, 15–34; M. Delgado, »›Contra Turcos‹. Die Kirche im Diskurs um die Türkengefahr«, in: Europäische Geschichte Online (EGO), 2016-02-24. URL: http://www.ieg-ego.eu/del gadom-2016-de [25. 03. 2017); B. Roling, »Contra Sarracenos: Topik und Innovation im
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on der »Exhortationes ad bellum contra barbaros« im 17. Jahrhundert auf den Moskauer Zaren angepasst wurde, spricht dafür, dass die Aufnahme des Zaren in den Kreis der christlichen Potentaten bzw. die Integration Russlands in die europäische Staatenwelt sich in nicht unerheblichem Maße über die Teilnahme an antiosmanischen Koalitionen und die Adaption der einschlägigen Symbolik und Rhetorik vollzog. Hier interessiert aber vor allem der Umstand, dass die infrage kommenden Texte in bestimmten politischen Kontexten verfasst wurden – nicht früher und nicht später – von Personen, die in der einen oder anderen Weise an der Projektemacherei, der Spionage und Lobbyarbeit beteiligt waren und ihre Autorität und Gelehrsamkeit in den Dienst durchaus realer politischer Zielsetzungen stellten, obwohl nicht unbedingt die Einnahme Konstantinopels in Aussicht stand, sondern etwa der Abfall der Donaufürstentümer vom osmanischen Machtbereich oder die Durchführung von Ablenkungsmanövern an der Schwarzmeerfront zur Entlastung Venedigs. Zu bedenken ist auch, dass man als griechischer Almosenbettler, zumindest bis zum Umschwung der russischen Orientpolitik in den 1670er Jahren, kaum darauf hoffen konnte, sich mit derartigen Anliegen einschmeicheln zu können, wie auch aus einigen der obigen Fälle ersichtlich geworden sein dürfte. Somit teilen die an Aleksej Michajlovicˇ gerichteten Appelle in den 1650er Jahren nicht nur dieselben bewährten Muster miteinander – die biblischen und klassischen Exempla zur Unterstreichung der Auserwähltheit des Adressaten, die Leidensgeschichten von den unterjochten Christen, die Beweisführung bezüglich des günstigen Zeitpunkts und der Verwundbarkeit des Feindes – sondern auch ihre politische Relevanz. Am ausführlichsten und, obwohl noch unediert, wohl am präsentesten in der Forschung ist das Slovo ponuzˇdaemoe (Λόγος Παραινετικός / Mahnende Rede), das Athanasios Patellaros im Dezember 1653, im tagespolitischen Kontext der Unterordnung der Zaporoger Kosaken sowie der georgischen Fürstentümer, dem Zaren in Moskau übergab.106 Es ist als der »Höhepunkt der griechischen Projektemacherei in jenen Jahrzehnten«107 charakterisiert worden. Den Kern des Appells bildet die translatio sanctorum, insbesondere die Ankunft des Haupts Gregors von Nazianz und der Vlachernen-Muttergottesikone in Moskau, die als christlichen Islambild des Mittelalters und der Frühen Neuzeit«, Studia Minoris Facultatis Philosophicae Universitatis Brunensis 11 (2006), 101–121; Manousakas, »Εκκλήσεις«. 106 Erhalten ist, in mehreren Handschriften, nur die zeitgenössische russische Übersetzung. Ich danke B. L. Fonkicˇ herzlich für die freundliche Überlassung seiner persönlichen Abschriften und Notizen. Hier wurde der Cod. Guelf. 210.5 Extrav aus der HAB Wolfenbüttel verwendet; vgl. E. Matthes, Katalog der slavischen Handschriften in Bibliotheken der Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 1990, 178. Zum »Slovo« vgl. Alexandropoulou, »Το ρωσικό ταξίδι«, die für die Rückübersetzung Προτρεπτικός λόγος plädiert; Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 73–77; Kapterev, »Priezd Patelara«, 373–385; Fonkicˇ, »Knigopisanie«, 29f.; ˇ esnokova, »Ideja«, 187–189. C 107 Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 74.
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göttliches Zeichen gedeutet wird. Patellaros beschwört den Zaren, die günstige Stunde (den Kairos) zu nutzen und mithilfe der Kosaken Chmel’nyc’kyjs die bedrängten Osmanen anzugreifen, um die notleidenden Griechen zu befreien und in Konstantinopel als Universalkaiser gekrönt zu werden. Bemerkenswert an Patellaros’ Exhortatio sind der »lokalpatriotische«108 Exkurs über die Geschichte seiner Heimatinsel Kreta, das Versprechen persönlicher Beteiligung am Kreuzzug (nach dem Vorbild des homerischen Nestors, an der Seite von Agamemnon/ Aleksej Michajlovicˇ) und der Nikon in Aussicht gestellte ökumenische Patriarchenthron in Konstantinopel, den Patellaros bereitwillig an den russischen Patriarchen »abtritt«. Mit dem Netzwerk von Patellaros und Lampardis war Gerasimos Vlachos, einer der bedeutendsten griechischen Gelehrten des 17. Jahrhunderts,109 anscheinend nicht verbunden. Seine Exhortatio hat er 1657 den moskauischen Gesandten in Venedig überreicht, im Kontext der orchestrierten Bemühungen der Serenissima, den Zaren zum Eintritt in den Kretischen Krieg zu überreden. Vlachos, ein Kreter wie Patellaros, zur fraglichen Zeit Philosophie- und Theologielehrer der griechischen Gemeinde Venedigs (1651–1662), später (1679– 1685) ebendort Metropolit von Philadelpheia, d. h. kirchlicher Leiter der Gemeinde, hatte persönlich aktiv an der Verteidigung Candias teilgenommen und 1649 einen Triomfo für den venezianischen Admiral Mocenigo verfasst; später (1661) wandte er sich an den Kaiser Leopold.110 Von seiner Aufmunternden Rede 108 Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 75. 109 Vgl. V. N. Tatakis, Γεράσιμος Βλάχος ο Κρης (1605/7–1685). Φιλόσοφος, θεολόγος, φιλόλογος [Gerasimos Vlachos der Kreter (1605/07–1685). Philosoph, Theologe, Philologe], Venedig 1973; G. K. Spyridakis, »Γεράσιμος Βλάχος (1607–1685)« [Gerasimos Vlachos (1607–1685)], Επετηρίς του Μεσαιωνικού Αρχείου 2 (1940), 70–106; S. Kaklamanis, »Με τους Οθωμανούς και τους Ιησουϊτες ante portas. Ο Γεράσιμος Βλάχος στα χρόνια του Κρητικού Πολέμου« [Die Osmanen und die Jesuiten ante portas. Gerasimos Vlachos während der Jahre des Kretischen Kriegs], in: ders. (Hg.), Ο Κρητικός Πόλεμος (1645–1669). Όψεις του πολέμου στον χώρο και τον χρόνο [Der Kretische Krieg (1645–1669). Aspekte des Kriegs in Raum und Zeit], [Κρητικά Χρονικά 39], Herakleion 2019, 69–162. Chrissidis, An Academy, 38–41; Podskalsky, Griechische Theologie, 248–250. 110 Die Widmung an Leopold in: G. Vlachos, Αρμονία οριστική των όντων κατά τους Ελλήνων Σοφούς / Harmonia definitiva Entium de mente Graecorum Doctorum, Venedig 1661. Zum »Triomfo« und allgemein zu Vlachos’ intellektuellem Profil und seinen polemischen Werken vgl. O. Olar, »The Sons of Lucifer and the Children of Neptune: The Anti-Ottoman and Anti-Islamic Polemical Works of Gerasimos Vlachos«, Archaeus 19–20 (2015–2016), 249– 274; A. Argyriou, Γερασίμου Βλάχου του Κρητός (1607–1685) Μητροπολίτου Φιλαδελφείας: Περί της του Μωάμεθ θρησκείας και κατά Τούρκων [Gerasimos Vlachos aus Kreta (1607– 1685), Metropolit von Philadelphia: Über die Religion Mohammeds und gegen die Türken], Herakleion 2017. Vgl. auch W. v. Scheliha, O. Olar, »Gerasimos Vlachos«, CMR, Bd. 10, hg. von D. Thomas. J. Chestworth, Leiden u. a. 2017, 271–281. Im zweiten Teil des Lemmas wird Vlachos’ im ersten Teil angeführe Schrift über den Islam ignoriert. Auch fehlt dort (zusammen mit der gesamten im ersten Teil angeführten griechischsprachigen Literatur zu Vlachos) der Hinweis auf die erhaltene griechische Ansprache (und damit den durchaus
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(Λόγος παραθαρρυντικός) mit dem Untertitel »Triumph gegen das Türkische Reich« (Θρίαμβος κατά της των Τουρκών βασιλείας), ist außer der zeitgenössischen russischen Übersetzung immerhin die Ansprache an den Zaren im griechischen Original erhalten.111 Während Vlachos’ Appell mit jenem von Patellaros die Symbolsprache (geprägt von antiken, biblischen und byzantinischen Referenzen), die heilsgeschichtliche Begründung und den Verweis auf die günstige Gelegenheit teilt, steht bei ihm die Auflistung und opportune Deutung von Orakeln im Zentrum, die bei Patellaros viel kürzer ausfällt. Auch hatte inzwischen 1657 der Zar gegen Polen seine militärische Schlagkraft bewiesen, was Vlachos als grundlegendes Argument dient. Stärker akzentuiert sind bei ihm auch der Beistand der sich bald erhebenden orthodoxen Völker und das Bündnis mit der Serenissima. In Venedig erschien außerdem 1652 in einer gedruckten Broschüre über Alvise Mocenigos Sieg gegen die osmanische Flotte bei Naxos (Juli 1651) in Form einer Widmung ein weiterer Appell, der möglicherweise mit den diplomatischen Initiativen von Alberto Vimina am Stab von Bohdan Chmel’nyc’kyj zusammenhängt.112 Der Autor, ein ansonsten unter diesem Namen unbekannter Laonikos Zamitris, wendet sich an den Kosakenhetman, den »Fürsten der Rus’«, rechtfertigt den Aufstand »der Russen« (Kosaken) gegen die polnische »Tyrannei« und spielt auf die Absage der polnischen Magnaten an, sich am Türkenkrieg zu beteiligen. Dann ruft er (in Patellaros und Vlachos verwandten Formulierungen) Chmel’nyc’kyj auf, sich der Serenissima anzuschließen, die Osmanen anzugreifen und als neuer Konstantin und Alexander den christlichen Glauben zu rächen, Griechenland zu befreien und damit auch die Wohltat der christlichen Taufe einzulösen. Es ist kein Zufall und es spricht für die Kontextgebundenheit solcher Texte, dass sie in den 1660er Jahren, in der Zeit der abnehmenden Projektemacherei und Lobbyarbeit, ausbleiben. Zwar findet das durch die intensivierten Kontakte angeregte Interesse am orthodoxen Reich des Nordens einen Ausdruck in der Geschichte Russlands des Dionysios Iviritis (1668) und ihrer bemerkenswerten nicht unbekannten Originaltitel). Das dem Zaren in Aussicht gestellte imperiale Szenario (in Konstantinopel das »Hellenorömische Reich« zu renovieren und erst dadurch zum Universalkaiser emporzusteigen) wird schließlich verkannt, ebenda, 279. 111 Enthalten im Ιστορικός Κατάλογος ανδρών επισήμων [Historischer Katalog prominenter Männer] von Kaisarios Dapontes: K. N. Sathas, Μεσαιωνική βιβλιοθήκη [Mittelalterliche Bibliothek], Bd. 3, Venedig 1872, 141f. Die russische Übersetzung ist von D. C. Waugh ediert und kommentiert worden: »Odolenie na Turskoe carstvo – pamjatnik anti-tureckoj publicistiki XVII v.«, TODRL 33 (1979), 88–107. Ein Faksimile der Hf. 171 der Kirchlichen Akademie St. Petersburg publizierte Christos Laskaridis, Η στάση της Ρωσίας, 329–392, der auch den eher missratenen Versuch einer Rückübersetzung ins Griechische unternommen hat, ebenda, 303–328. 112 Legrand, Bibliographie hellénique XVII, Bd. 2, 52–55 ; vgl. Olar, »The Sons of Lucifer«, 252f.
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handschriftlichen Verbreitung.113 Auch archaistische Epigramme zu Ehren von Aleksej Michajlovicˇ, etwa von Ligaridis und vom gelehrten Archimandrit Dionysios aus Ioannina, Protosynkellos des Ökumenischen Patriarchats, stammen aus dieser Zeit, obwohl Letztere nicht mit Sicherheit zu datieren sind.114 Neben den vergangenen (Smolensk – δεινήν Σμολένσκαν) besingt Dionysios auch die künftigen (Konstantinopel – σκήπτρα Επταλόφου) Eroberungen Aleksejs, des neuen Alexanders.115 Wenn man aus Dionysios’ Nähe zu Dositheos (und Chrysanthos) schließt, so ist zu vermuten, dass der Patriarch wohl (auch) diese Epigramme im Sinn hatte, als er in seinem Geschichtswerk rückblickend über Aleksej notierte, die Griechen hätten ihn für ihren Erlöser gehalten und ihm Siegesepigramme gewidmet, sich aber am Ende erneut getäuscht.116 Für weitere politisch relevante Appelle, die zugleich persönlichen Beförderungsstrategien wie einer politischen Agenda dienten, muss man erst die Wende in der Außenpolitik Moskaus und insbesondere den Beitritt in die Sacra Liga und die Wiederaufnahme der konspirativen Verhandlungen, Projektentwürfe und Wunschträume abwarten. Es sind die Schüler von Vlachos, die Brüder Ioannikios und Sofronios Leichoudis (1633/35–1717 und 1652/57–1730) aus Kefallonia, die sich hier hervortun.117 Bevor sie auf Empfehlung von Dositheos 1685 nach Moskau kommen, um die Leitung der ersten höheren Lehranstalt in Russland, der sogenannten Slavisch-griechisch-lateinischen Akademie zu übernehmen, haben sie eine lange, wechselvolle Laufbahn erlebt. Deren Windungen, mal in der Nähe der Machtzentrale, mal in Ungnade gefallen, und parallel dazu die politisch-militärischen Entwicklungen stellen den Kontext ihrer Werke dar. Das gilt für ihre Panegyriken zu Ehren Sofijas und Golicyns, die die Krimfeldzüge 1687 begleiteten,118 wie für den »Triumph« zu Ehren Peters anlässlich der Eroberung 113 Vgl. Alexandropoulou, Διονύσιος Ιβηρίτης, besonders 25–31, 121–136, 292; dies., »The History of Russia«; B. L. Fonkicˇ, »›Istorija Rossija‹ Dionisija Ivirita«, in: G. V. Stepanov (Hg.), Problemy izucˇenija kul’turnogo nasledija, Moskau 1985, 184–200. 114 Auch die Autorschaft von Dionysios kann nur vermutet werden; vgl. Fonkicˇ, Svjazi, 189–205, insbes. 197f. 115 RGADA f. 181, nr. 1283, f. 151v–152. Siehe Anhang, nr. 4. 116 »…Αλέξιος, όστις και το βασίλειον εκείνο ύψωσε και εποίησε πολυθρύλλητον εν τε δόξη και ευσεβεία […] Ενόμισαν δε οι Έλληνες ότι αυτός εστίν ο απολυτρώσων αυτούς και έκαμάν τον επιγράμματα επινίκια και άλλα, αλλ’ ουδέν απώναντο και απ’ αυτού«, Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 233. 117 Zu ihren miteinander untrennbar verbundenen Biographien vgl. Chrissidis, An Academy, 36–74; Podskalsky, Griechische Theologie, 276–281; Scheliha, Universalkirche, 412–429; vgl. die Berichte des Händlers Chatzikyriakis aus Warschau: Nt. Papastratou, Ο Σιναϊτης Χατζηκυριάκης εκ Χώρας Βουρλά. Γράμματα – ξυλογραφίες 1688–1709 [Der Sinait Chatzikyriakιs aus Vourla. Briefe – Holzschnitte 1688–1709], Athen 1981, 14–18, 134–139. 118 Vgl. A. P. Bogdanov, Pamjatniki obsˇcˇestvenno-politicˇeskoj mysli v Rossii konca XVII veka. Literaturnye pamjatniki, Moskau 1983, nr. 17, 18, 19 und 27; Dapontes, Ιστορικός κατάλογος, 137–141; P. Pekarskij, Nauka i literatura v Rossii pri Petre Velikom, 2 Bde, St. Petersburg
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von Azov 1696 oder das »Klagelied der Ostkirche« am Vorabend des Pruthfeldzuges.119 Während Sofronios der produktivste der beiden Brüder gewesen und als eigentlicher Autor dieser Werke anzusehen ist, hat sich Ioannikios 1688 als diplomatischer Akteur betätigt, in Venedig wichtige Aufträge Golicyns ausgeführt und sich als glühender Anhänger des Türkenkriegs zu erkennen gegeben.120 Die Appelle sind, so lässt sich zusammenfassen, nicht als bloße, vom politischen Kontext abstrahierte Stilübungen anzusehen. Die Frage nach ihrer Wirksamkeit muss jedoch gestellt werden. Überhaupt ist es berechtigt zu fragen, in welchem Maße sich die Moskauer Regierung, über die gewiss nützlichen Vermittlungs- und Berichterstattungsdienste griechischer Kirchenmänner hinaus, in die Gestaltung ihrer außenpolitischen Strategie hineinreden ließ. Vielleicht wäre es überspitzt, mit Ekkehard Kraft zu urteilen, dass die »Südrichtung der russischen Außenpolitik und die russische Position in der ›Orientalischen Frage‹ […] das Erbe des griechischen Einflusses im 17. Jahrhundert«121 sind. Dennoch hieße es, die Bedeutung von ideologischen Faktoren und kulturellen Symbolen für die Sinngebung von Politik unterschätzen und ihre Funktion verkennen, würde man etwa den panorthodoxen Diskursen der 1650er Jahre oder der Kultivierung der Vorstellungen vom Zaren als Haupt der orthodoxen Welt lediglich deklamatorischen Charaker zubilligen. Es wird immer wieder in diesem Zusammenhang zitiert, wie Aleksej Michajlovicˇ am Ostersonntag 1656 in einer emotionalen Ansprache gegenüber griechischen Kaufleuten beteuerte, er werde sich vor Gott verantworten müssen, wenn er nicht alles unternehme, um die unterjochten Glaubensbrüder zu befreien.122 Es ist ein Leichtes, darüber zu
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1862, Bd. 1, 363–372; D. A. Jalamas, »Dva nepublikovannych panegirika brat’ev Lichudov«, Vizantisjkij Vremennik 55 (1994), 210–214. D. N. Ramazanova, »Socˇinenie Ioannikija i Sofronija Lichudov Placˇ svjatyja Christovy Vostocˇnye cerkve«, Rossija i Christianskij Vostok 4–5 (2014), 648–659. Vgl. M. di Salvo, »Vokrug poezdki Ioannikija Lichuda v Veneciju (1688–89 gg.)«, Ricerche Slavistiche 41 (1994), 211–226; Bogdanov, Pamjatniki, 285. Die Frage venezianischer Würdenträger, ob die Zaren den Thron Konstantinopels anstreben, soll Ioannikios – nach eigenen Angaben gegenüber Golicyn – bejaht und hinzugefügt haben, dass die russische Eroberung Konstantinopels auch im Interesse Venedigs sei, da nur die Zaren imstande seien, die Türken fortan fernzuhalten. In Wien traf Ioannikios den angereisten Constantin Cantacuzino (oder seinen Bruder Michail). In seinem und in Brȃncoveanus Namen übermittelte er an Moskau die »Tränen und das Stöhnen« der Griechen, Walachen und Moldauer sowie ihre Hoffnung, dass die Zaren den anderen Anwärtern zuvorkommen und Konstantinopel einnehmen würden, PDSDR, Bd. 10, 1331–1337, 1365–1370; A. O. Jastrebov, »Brat’ja Lichudy v Padue i Venecii« Vestnik Cerkovnoj Istorii 37/38 (2015), 212–254; ders., »Stranicy russko-venecianskoj diplomaticeskoj perepiski 80-ch i 90-ch godov XVII veka«, Richerche slavistiche 13/59 (2015), 205–231. Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 91; vgl. dazu die Einwände in den Rezensionen von E. Hösch, SOF 55 (1996), 363, und N. A. Chrissidis, Kritika 2 (2001), 430f.; vgl. Scheliha, Universalkirche, 62; Potter, The Russian Church, 88f. Vgl. Uebersberger, Rußlands Orientpolitik, 26.
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spotten, angesichts der Zurückhaltung des Zaren bezüglich des Moldauprojekts – gerade zu diesem Zeitpunkt. Gleichwohl kann, abgesehen davon, dass der Zar in der Kosakenfrage genauso zögernd und tastend vorging, bis der Gang der Ereignisse ihm die Entscheidungsfindung erleichterte, der Wandel im Selbstverständnis der Moskauer Monarchie – und somit auch das Novum von Aleksejs Ansprache – nicht vom parallelen Wandel in der Politik Moskaus gegenüber dem Osmanischen Reich getrennt werden. Er kann gleichsam als Akzeptanz des ideologischen Angebots der griechischen Kirchenmänner angesehen weden. Aleksejs Bestellung der kaiserlichen Insiginien aus Konstantinopel 1662 ist das anschaulischste, aber keineswegs das einzige Indiz.123 1672, im Jahr der Geburt Peters, als die außenpolitische Wende mit der diplomatischen Initiative des Zaren offensiv zutage trat, verfasste der Hofpoet und Hofprediger Simeon Polockij, der damals eng mit Ligaridis zusammenarbeitete, ein panegyrisches Gedicht, das dem neugeborenen Zarensohn die Eroberung der Kaiserstadt Konstantinopel und den Einzug in die Hagia Sophia voraussagte.124 Es würde vielleicht genügen anzumerken, dass Derartiges bei der Geburt von Aleksej 1629 undenkbar gewesen wäre. Man kann aber diese Entwicklung weiterverfolgen. Der Ukaz vom September 1688 im Namen der Zaren Ivan und Peter und der Zarevna Sofija, der den Feldzug gegen die Krimtataren im Zusammenhang des Türkenkriegs der Sacra Liga begründete, liest sich stellenweise wie eine Imitation der Appelle von Patellaros und Vlachos.125 Zur selben Zeit (1687–1689) hat der »bedeutendste Ideologe des russischen Adels in der vorpetrinischen Periode«,126 der Hofgelehrte Ignatij Rimskij-Korsakov, in einer Reihe von Panegyriken zu offiziellen Anlässen die Thematik des byzantinischen Erbes Moskaus und der Mission der Zaren, Konstantinopel zu erobern und die Griechen zu befreien, aufgenommen und sich dabei bezeichnenderweise auf die Leichoudis-Brüder und ihre Autorität berufen.127 Peters Manifeste an die Balkanchristen stehen am
123 M. V. Martynova, »Barmy Carja Alekseja Michajlovicˇa«, Rossija i Christianskij Vostok 2–3 (2004), 363–376; O. A. Cicinova u. a., »Tema grecˇeskogo nasledija v cerkovnoj i gosudarstvennoj ideologii XVII veka«, in: Car’ Aleksej Michajlovicˇ i patriarch Nikon, Moskau ˇ esnokova, Christianskij 2005, 104–128; Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 79f.; C Vostok i Rossija, 187. 124 I. F. Golubev, »Zabitye virsˇi Simeona Polockogo«, TODL 24 (1969), 254–259. Deutsche Übersetzungen bei N. K. Gudzij, Geschichte der russischen Literatur, 11.–17. Jahrhundert, Halle 1959, 591; Neubauer, Car und Selbstherrscher, 197. 125 SGGD, Bd. 4, 587–591. Vgl. den Brief im Namen derselben an den serbischen Patriarchen Arsenije III in: Dolgova u. a. (Hg.), Moskva-Serbija, 346–349. 126 Bogdanov, Pamjatniki, 32. 127 Vgl. Bogdanov, Pamjatniki, 21, 37, 167f., 283 (nr. 15, 16, 17, 32); ders., »Rossija nakanune imperii: Politicˇeskie koncepcii i real’nost’ poslednej cˇetverti XVII veka«, in: Rimsko-Konstantinopol’skoe nasledie na Rusi: ideja vlasti i politicˇeskaja praktika, [Da Roma alla Terza Roma; 9], Moskau 1995, 333–352; Sinicyna, Tretii Rim, 320f.
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vorläufigen Ende dieser Entwicklung von der zögernden Aneignung ideologischer Angebote bis zu ihrem instrumentellen, propagandistischen Einsatz. Es ließe sich aber angesichts just der Strategie, die Peter im Pruthfeldzug verfolgte, fragen, inwieweit es legitim sei, die Aneignung von Symbolsprachen und Diskursen von der Wahrnehmung und Planung der außenpolitischen »grand strategy« bzw. das »Rhetorische« vom »Realen« zu entkoppeln. Wie soll man die Beteuerung des russischen Gesandten im Karlowitzer Kongress, Prokofij Voznicyn, im November 1698 an die Adresse des Zaren verstehen, im Falle eines russischen Vormarsches sei es von einer Erhebung der orthodoxen Glaubensbrüder fest auszugehen?128 Und woran mag Zar Peter selbst gedacht haben, als er 1711, im Jahr des Pruthfeldzugs, in seinem Notizheft anmerkte, Konstantinopel sei vor 258 Jahren gefallen?129 Zur hier skizzierten Entwicklung gehören auch Nachrichten von gedruckten Zarenbildnissen (Kupferstichen) oder Broschüren, die unter den Griechen kursierten. In der Zeit von Aleksej Michajlovicˇ handeln die Nachrichten von Bildern, die offenbar ohne russische Beteiligung gedruckt wurden. Sie entstanden wohl im selben Zusammenhang mit Zamitris’ Broschüre und unter dem Eindruck von Aleksejs Waffenerfolgen, als Teil der Bemühungen und des Wunschdenkens, ihn zum Eintritt in den Kretischen Krieg zu bewegen. Ligaridis zitiert 1656 in der an den Zaren gerichteten Widmung seiner Orakelsammlung ein »jüngst gedrucktes Bild« und dessen Inschrift vom »Retter Griechenlands und Verfechter des Glaubens«.130 Maritsis erwähnt 1657 ebenfalls gedruckte griechischsprachige Blätter, »pis’ma po-ellinski pecˇatany« (wohl: φυλλάδες), zu Ehren von Aleksejs Siegen.131 Dagegen wurden Bildnisse Peters in den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts allem Anschein nach von Moskau aus in Umlauf gebracht, als diplomatische Geschenke verwendet, oder über Tolstoj und seine Agenten, etwa Methodios Armenopoulos, unter den Inselgriechen in der Ägäis und im Ionischen Meer verteilt. Hier interessiert besonders jenes Bildnis Peters, das seit der ersten Erwähnung durch Dimitrie Cantemir in der Literatur geistert und als prominenter und anschaulicher Nachweis der russischen Propaganda unter den Balkanchristen dient: »…a picture of the Czar, engraved at Amsterdam, with this inscription: PETRUS PRIMUS RUSSO-GRAECORUM MONARCHA.«132 Ent128 PiB, Bd. 1, 746. Vgl. Bogoslovskij, Petr I., Bd. 3, 403; Vinogradov, Dvuglavnyj rossijskij orel, 28f. 129 PiB, Bd. 11/2, 332. 130 »Καθώς και η νεωστί τυπωθείσα εικών το εκήρυξεν, η έχουσα τοιαύτην απογραφήν, της Ελλάδος ο ρύστης, της πίστεως ο υπέρμαχος«, BPJ, Cod. 160, f. 11v. 131 Vgl. Tchentsova, Vostocˇnaja Cerkov’, 105 und 151, die in Venedig den Druckort und in den venezianischen Griechen die Urheber vermutet. 132 D. Cantemir, History of the Growth and Decay of the Ottoman Empire, London 1734, 450. Unmittelbar nach Cantemir wurde es in der offiziösen, von Gerhard Friedrich Müller betreuten, Sammlung Russischer Geschichte, Bd. 2.3, St. Petersburg 1737, 241f., übernommen.
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scheidend aber ist der auch hier weitgehend übersehene Kontext der Erwähnung. Es waren der schwedische König Karl XII. und sein Gesandter Poniatowski, die dem Sultan das Bild zuschickten, unter weiteren Verweisen auf die Gefahr, die vom Zaren ausging und auf die Notwendigkeit, ihm schleunigst den Krieg zu erklären. Vernommen habe es der Sultan mit der Bemerkung, dieser Feind trachte offenbar als anderer Alexander der Große nach der Universalmonarchie.133 Auch wenn man über den seltsamen Umstand hinwegsieht, dass ein an die Griechen gerichtetes Propagandainstrument eine lateinische Inschrift getragen haben soll, spricht Einiges dafür, dass es um ein Produkt der schwedischen Gegenpropaganda gehandelt haben muss. Der Titel des Zaren liest sich kaum wie eine Selbstdarstellung, vielmehr wie eine Verdichtung der wiederholten Warnhinweise an die Pforte. Es ist nicht verwunderlich, dass man ein solches Porträt Peters in den vorhandenen Katalogen vergeblich suchen würde.134 Dass die Bildnisse Peters – erstmals realistische Porträts – in den Zusammenhang des kulturellen Wandels, der »petrinischen Revolution«, gehören,135 dennoch von ihren Empfängern als Ikonen und Devotionalien wahrgenommen bzw. beschrieben wurden,136 steht auf einem anderen Blatt, das im letzten Kapitel dieser Arbeit aufzuschlagen ist. Wenn man abschließend den Kontext der Mitte des 17. Jahrhunderts jenem der petrinischen Zeit gegenüberstellt, dann lässt sich feststellen, dass der entscheidende Wandel im Rückgang des konfessionellen Moments und der kon-
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Vgl. die um 1789 fertiggestellte Chronik des Phanarioten A. Komninos Ypsilantis, Τα μετά την Άλωσιν [Die Ereignisse nach der Eroberung Konstantinopels], Istanbul 1870, 257f.; Sathas, Τουρκοκρατουμένη Ελλάς, 448; Vakalopoulos, »Ο Μέγας Πέτρος«, 253. »This enemy (meaning the Czar) cannot correct his extravagant designs; for I easily guess, from his past actions, that he, like another Alexander the Great, aspires to the monarchy of the whole world. This infidel therefor must be chastised, before he is able to annoy us.«, Cantemir, History, 450. Im lateinischen Originaltext gibt Cantemir das Zitat im osmanischen Türkisch wieder, D. Cantemir, Incrementorum et Decrementorum Aulae Othmannicae sive Aliothmannicae Historiae a prima gentis origine ad nostra usque tempora deductae libri tres, hg. von D. Slus¸anschi, Timis¸oara 2002, 287. Vgl. A. Wassiltschikoff, Liste alphabétique de portraits russes, Bd. 2, St. Petersburg 1875, 80– 304; D. A. Rovinskij, Podrobnij Slovar’ Russkisch’ Gravirovannych’ portretov’, Bd. 3, St. Petersburg 1888, 1506–1752 ( jeweils zu den Porträts Peters I.). Vgl. L. Hughes, »Images of Greatness: Portraits of Peter I«, in: dies. (Hg.), Peter the Great and the West. New Perspectives, Basingstoke 2001, 250–270; J. Cracraft, The Petrine Revolution in Russian Imagery, Chicago u. a. 1997, 131–140, 190–220. Simon Dixon erwähnt das Beispiel von Ivan Kirillov, einem Höfling Peters, der dessen Bild als Heiligenikone mit einer vor ihm brennenden Kerze anbetete, vgl. S. Dixon, The Modernization of Russia, Cambridge 1999, 194. Zum russischen Herrscherbild als Sakralbild vgl. Fr. Kämpfer, Das russische Herrscherbild von den Anfängen bis zu Peter dem Großen, Recklinghausen 1978, 257f. Wie es Ioannis Haidemenos Kantzileris am 8. November 1705 an Methodios Armenopoulos schildert: »ελάβαμεν και τιν ικόνα του αγίου βασιλέος ιμόν και τινε προσκινίσαμεν οσ βασιλέα και δεσπότι μας απελεφτεροτί του γένους τον χριστιανό«, RGADA f. 52, op. 1, 1706, nr. 2, f. 21. Die Bilder trug offenbar der Protosynkellos Makarios mit sich, vgl. Carras, Εμπόριο, 575f.
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fessionalistischen Rhetorik besteht, verbunden mit dem, was gemeinhin als »Stabilisierung« nach der Krise des 17. Jahrhunderts beschrieben wird. Einige Beispiele zu diesen wechselnden Kontexten mögen dies veranschaulichen: Wenn man etwa den Abfall Mihneas 1658 mit jenem Cantemirs 1711 vergleicht – beider Biographien sind einander durchaus ähnlich –137 dann fällt auf, dass es Letzerer weder für nötig hielt, sich zum Kaiser krönen zu lassen, noch eschatologische Motive zu bemühen bzw. sich solche von einem Berater wie Ligaridis einreden zu lassen. Umgekehrt: Es mag zwar stimmen, dass Mihnea »kein normaler Mensch« gewesen ist, wie Nicolae Iorga urteilte,138 sein eigentümliches Verhalten ergibt aber im Kontext des millenaristischen Fiebers und des erwarteten osmanischen Zusammenbruchs in den 1650er Jahren durchaus Sinn. Ein anderes Beispiel: Die schwedischen Gesandten, die im Frühling 1657 der Pforte ein Bündnisangebot gegen Russland und die Habsburger machten und vor der Illoyalität der Griechen und Bulgaren warnten, glaubten damit argumentieren zu müssen, dass ein solches Bündnis religiös legitimiert sei. Es stelle ein Bollwerk gegen Katholiken und Orthodoxe (»Papisten und Griechen«) dar, die es auf jene abgesehen hätten, die »keine Bilder und Idole verehrten«, d. h. Muslime und Protestanten.139 Dagegen konnten Karl XII. und Sultan Ahmed III. fünf Jahrzehnte später auf solche Legitimationen verzichten und stattdessen die Agressivität Peters als Rechtfertigung ihres Bündnisses angeben. »Nie spielten Religion und Ideologie in der internationalen Politik eine so geringe Rolle wie im 18. Jahrhundert.«140 Besonders einprägsam illustriert diesen Wandel das Angebot des Großwesirs der ›Tulpenzeit‹, Damad Ibrahim Pascha, gegenüber dem russischen Botschafter Ivan Neplujev im September 1722: Die Verschiedenheit des Glaubens sei kein Hindernis. Bündnisse werden nicht des Glaubens, sondern der Staatsinteressen wegen abgeschlossen.141
137 Vgl. Paun, »Enemies within«. 138 Iorga, Geschichte, Bd. 4, 95. 139 Vgl. Tchentsova, Vostocˇnaja cerkov’, 38f.; vgl. den Bericht des kaiserlichen Botschafters Reninger: Russkaja i ukrainskaja diplomatija v mezˇdunarodnych otnosˇenijach, 429. Das Argument hatte schon Elizabeth von England bei ihrem Beziehungsangebot an die Pforte verwendet, vgl. A. N. Yurdusev, »Introduction«, in: ders. (Hg.), Ottoman Diplomacy: Conventional or Unconventional?, Basingstoke 2004, 1–35, hier 23; Malcolm, Agents of Empire, 353. 140 Osterhammel, Die Entzauberung Asiens, 47; vgl. A. Strohmeyer, »Gleichgewicht der Kräfte« in: P. den Boer u. a. (Hg.), Europäische Erinnerungsorte, Bd. 2, München 2012, 611–618; K. Malettke, Hegemonie – multipolares System – Gleichgewicht. Internationale Beziehungen 1648/59–1713/14 [Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen; 3], Paderborn u. a. 2012, 525, der anmerkt, dass die Loslösung der Außenpolitik von der Kategorie Konfession noch keine Säkularisierung der Politik im Sinne der Aufklärung bedeutete. 141 Vgl. Uebersberger, Rußlands Orientpolitik, 130.
III. Denkfiguren und Vorstellungen
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Es ist der ›Kulturgeschichte des Politischen‹ zu verdanken, dass es keiner Apologien mehr bedarf, um sich mit Formen der symbolischen Repräsentation politischer Herrschaft zu beschäftigen. Die Erkenntnis, dass Gegenüberstellungen von Realem und Rhetorischem, Inhalt und Form, Sein und Schein zu kurz greifen, »dass auch der Schein Sache ist«,1 hat den Eigenwert des Imaginären von Macht und Herrschaft etabliert. Umso mehr, als vielfach gezeigt wurde, in welcher Weise Wahrnehmungsmuster, Kommunikationsprozesse, diskursive Zuschreibungen, repetitive Formulierungen, Praktiken, Zeremonien sowie Rituale, der Sinnstiftung und Legitimation politischer Herrschaft zugrunde liegen, ja, diese erst konstituieren.2 Insbesondere die Forschung zur europäischen Frühen Neuzeit hat diese Impulse aufgegriffen, um die zentrale Frage nach der Verzahnung von Religion und Politik aus neuen Perspektiven anzugehen. Sprachliche Konventionen, einmal ernst genommen, haben zur Entschlüsselung von politischen Prozessen, Interessen und Strategien Wesentliches beitragen können. Besonders politisch-theologische, konfessionenübergreifend gebrauchte Sprachen stehend im Mittelpunkt dieses Forschungsinteresses.3 Wenn im Folgenden von »politischer Theologie« die Rede ist, dann geht es dabei nicht um die ent1 W. Reinhard, Geschichte des modernen Staates. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 2007, 28. 2 Vgl. B. Jussen, »Diskutieren über Könige«, xiv–xvi; Stollberg-Rilinger, »Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?«; A. Landwehr, »Diskurs – Macht – Wissen«, Archiv für Kulturgeschichte 85 (2003), 71–118. 3 Vgl. L. Schorn-Schütte, Gottes Wort und Menschenherrschaft. Politisch-theologische Sprachen im Europa der Frühen Neuzeit, München 2015; dies., »Einleitung«, in: dies. (Hg.), Aspekte der politischen Kommunikation im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts. Politische Theologie – Res Publica-Verständnis – konsensgestützte Herrschaft, [HZ, Bh. 39], München 2004, 1–12; A. Pecˇar, K. Trampedach, »Der ›Biblizismus‹ – eine politische Sprache der Vormoderne?«, in: dies. (Hg.), Die Bibel als politisches Argument. Voraussetzungen und Folgen biblizistischer Argumentation in der Vormoderne, [HZ, Bh. 43], München 2007, 1–18. Zu Moskau vgl. V. A. Kivelson, K. Petrone, N. S. Kollmann, M. S. Flier, »The Use and Abuse of Dominant Paradigms in Muscovite Cultural Studies«, in: dies. (Hg.), The New Muscovite Cultural History. A Collection in Honor of Daniel B. Rowland, Bloomington 2009, 11–18.
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wicklungsgeschichtliche Frage nach den politischen Implikationen des Theologischen oder umgekehrt nach den theologischen Implikationen des Politischen, noch weniger um die theologische Zulässigkeit oder Unmöglichkeit einer solchen.4 Gemeint ist gewiss nach Jan Assmann, jede »lehrhaft entfaltete Rede über die Beziehung von Herrschaft und Heil«,5 aber insbesondere die historischen Formen der Sakralisierung politischer Herrschaft, d. h. der sakralen Legitimation und Inszenierung des Politischen. Im Zusammenhang der byzantinischen Tradition, der im vorliegenden Kapitel eine prominente Rolle zukommen soll, hat Hans-Georg Beck politische Theologie als »in einem engeren Sinn die Zurückführung der Stellung des Kaisers auf metaphysische Prinzipien«6 definiert. Von Beck stammt auch der bereits angeführte Begriff der »politischen Orthodoxie«, der das komplexe, labile und stets ambivalente Verhältnis zwischen Reich und Kirche bzw. zwischen Kaisertum und Kirchenleitung zum Ausdruck bringt.7 Ihre Voraussetzung und zugleich ihre Geburtsstunde war die »Eusebian accommodation«,8 die der Bekehrung Konstantins und der Christianisierung des römischen Kaisertums eine politischtheologische Legitimation verlieh.9 Die Kirche, von Gott mit einem christlichen Kaiser gesegnet, konnte diesen heilsgeschichtlich vereinnahmen und ihm aus der Transzendierung und Sublimierung seiner Macht weitgehende Verpflichtungen zu ihrem Schutz und zu ihren Gunsten auferlegen.10 Dieses Verhältnis blieb notorisch undefiniert und mehr auf gemeinsame Interessen als auf normative Vorschriften angewiesen. Schon deshalb hat man sich in der Forschung von einem essentialistischen Verständnis oder gar vom Schlagwort des ›Cäsaropa-
4 Vgl. J. Assmann, Herrschaft und Heil. Politische Theologie in Altägypten, Israel und Europa, Frankfurt a.M. 2002, 15–31; R. Hepp »Theologie, politische«, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 10, 1988, Sp.1106–1111. 5 Assmann, Herrschaft und Heil, 16. 6 H.-G. Beck, Senat und Volk von Konstantinopel. Probleme der byzantinischen Verfassungsgeschichte, BAW Ph.-H. Kl., Sitzungsberichte, München 1966, 6. 7 Beck, Jahrtausend, 87–108; ders., Geschichte, 5f. Vgl. P. Magdalino, The Empire of Manuel I. Komnenos 1143–1180, Cambridge 1993, 316–320. 8 Fr. Oakley, Kingship. The Politics of Enchantment, Oxford u. a. 2006, 68–76. 9 Auf die theologische Haltbarkeit oder Tiefe einer solchen politischen Theologie kann nicht näher eingegangen werden. Francis Oakley sprach von der »Abrahamic unease«, die jedem Zusammendenken von Monotheismus und Monarchie immanente Widersprüche bereite. Doch es ist mehr als nur eine ironische Pointe, dass Eusebius, der als Begründer der byzantinischen politischen Theologie gilt, nicht gerade ein Orthodoxer war. Sein Subordinationismus – Christus sei dem Vater untergeordnet – steht im direkten Zusammenhang zu seiner verchristlichten Kaiserideologie, Oakley, Kingship, 150; vgl. P. Beskow, Rex Gloriae. The kingship of Christ in the Early Church, Stockholm u. a. 1962, 259–268; Beck, Jahrtausend, 96f. 10 Vgl. Beck, Jahrtausend, 92–94; G. Dagron, Emperor and Priest. The Imperial Office in Byzantium, übers. von J. Birrell, Cambridge 2003, 127–148.
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pismus‹ verabschiedet.11 Trotzdem wurde die Trennlinie zwischen Kaisertum und Priestertum, zwischen imperium und sacerdotium (βασιλεία και ιερωσύνη) durchaus gezogen, wenn es sich dabei auch nicht um eine Zweigewaltenlehre handelte und auch wenn der Akzent stets – von Justinians Sechster Novelle bis zu den »hierokratischen« Theorien selbstbewusster spätbyzantinischer Kirchenmänner – auf Konsens und Einklang (Symphonia), auf Synergie und gegenseitige Abhängigkeit gesetzt wurde.12 Die Unterscheidung von zwei Rollen oder Funktionen wurde in der Regel mit dem Prinzip von Körper und Seele konnotiert und konzeptualisiert. Wenn sich im Fall des Machtstreits der Kaiser gegenüber dem Patriarchen in der Regel durchsetzen konnte – daher »taugte Canossa in Byzanz nur zur Parodie«13 –, so wog im Zusammenhang der politischen Orthodoxie das Gewicht der Kirche auf lange Sicht schwerer, wie sich wiederholt vom Bilderstreit bis zur Unionsfrage zeigte.14 Im Grunde ging die byzantinische politische Theologie in der sogenannten »Kaiseridee« auf, der metaphysisch verankerten Herrschaftsideologie, welche die christliche Monarchie legitimierte. Nicht in den wenigen theoretischen Schriften ist sie zu fassen – diese sind eher als Alternativentwürfe zu lesen und stehen meist quer zu den politischen Realitäten –,15 sondern vielmehr in Modellen, die den hellenistischen und alttestamentarischen monarchischen Traditionen entsprachen: dem in der Enkomiastik und den Fürstenspiegeln durchdeklinierten, christlich nuancierten Tugendenkatalog und dem Fundus der biblischen Könige Israels, entweder als zu imitierende Exempla oder in der typologischen Relation 11 Diese Einsicht hat inzwischen auch außerhalb der Byzantinistik Fuß gefasst. Bei Heinrich August Winkler etwa wird der Begriff, wenn auch nicht unbedingt der Sachverhalt, abgelehnt und eingeräumt, dass sich ein klarer Fall von Cäsaropapismus erst im lutherischen Summepiskopat verwirklicht hat. Man glaubt aber dennoch resignieren zu müssen, wenn es im selben Atemzug heißt, dies sei »der östlichste Zug des Luthertums«, Winkler, Geschichte des Westens, 39, 114. 12 Vgl. Dagron, Emperor and Priest, 17–21, 295–312; Angelov, Imperial Ideology, 360–365; A. Kaldellis, The Byzantine Republic. People and Power in New Rome, Cambridge Mass. u. a. 2015, 189; M. Th. Fögen, »Das politische Denken der Byzantiner«, in: I. Fetscher, H. Münkler (Hg.), Pipers Handbuch der politischen Ideen, Bd. 2, München–Zürich 1993, 41–85, hier 59–67; D. M. Nicol, »Byzantine Political Thought«, in: J. H. Burns (Hg.), The Cambridge History of Medieval Political Thought c. 350–1450, Cambridge 1988, 51–79, hier 67–69; J. Herrin, D, Angelov, »The Christian imperial tradition – Greek and Latin«, in: P. F. Bang, D. Kołodziejczk (Hg), Universal Empire, Cambridge 2012, 149–174, hier 168; R. Macrides, »Emperor and Church in the Last Centuries of Byzantium«, Studies in Church History 57 (2018), 128–143. 13 M. Th. Fögen, »Um 1262: Warum Canossa in Byzanz nur zur Parodie taugte«, in: B. Jussen (Hg.), Die Macht des Königs. Herrschaft in Europa vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit, München 2005, 205–215. 14 Vgl. Beck, Jahrtausend, 108. 15 Vgl. Fögen, »Denken«, 78; P. Magdalino, »Basileia: The Idea of Monarchy in Byzantium, 600– 1200«, in: A. Kaldellis, N. Siniossoglou (Hg.), The Cambridge Intellectual History of Byzantium, Cambridge 2017, 575–598, hier 575f.
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von Präfiguration und Erfüllung.16 Schon Eusebios hatte Konstantin als neuen Moses stilisiert; aus der Erfahrung der Existenzkämpfe des 7. Jahrhunderts (insbesondere der avarischen und der arabischen Belagerungen Konstantinopels) entstand ein neuartiges, sich exzessiv auf das Alte Testament beziehendes Reichsverständnis, das für die Schicksale des neuen Israels sinnstiftend wirkte.17 Ob das Alte Testament in Byzanz konstitutionellen Wert besaß, so die These von Gilbert Dagron,18 mag dahingestellt bleiben. Für die politische Praxis blieben römisch-republikanische Modelle durchgehend in Kraft und auch die Symbolik kam ohne antike Referenzen nicht aus. Kürzlich hat Anthony Kaldellis, Beck folgend, der Kaiseridee eine ausschließlich herrschaftsstützende Funktion zugewiesen: Sie habe die Fragilität und Instabilität der Monarchie kaschiert und als Fassade für eine im Grunde republikanische Realität gedient.19 Doch hier geht es nicht um byzantinische Realitäten, sondern um spätere Wahrnehmungen, Imaginationen und deren Funktionen. Um noch einmal Beck zu zitieren: »Byzance après Byzance – gut und schön, aber es ist nicht das wirkliche Byzanz.«20 Das imaginierte Byzanz des 17. Jahrhunderts ist weniger als bewahrtes und prägendes Erbe, als »Permanenz kultureller Formen« im Sinne Iorgas zu verstehen, sondern vielmehr als Konstruktion der Nachwelt. Byzantinische Tradition – gewiss, aber nur in dem Sinne, dass Traditionen nicht an und für sich existieren, sondern kulturelle Strategien und Prozesse darstellen, stets nach den Bedürfnissen der jeweiligen Gegenwart konkrete Funktionen erfüllen und auf Konstituierung, Aktualisierung und Operationalisierung durch bestimmte Akteure, Personen oder Institutionen angewiesen sind.21 Es sind Frag16 Vgl. Cl. Rapp, »Old Testament Models for Emperors in Early Byzantium«, in: P. Magdalino, R. Nelson (Hg.), The Old Testament in Byzantium, Washington D. C. 2010, 175–197; Angelov, Imperial Ideology, 78–115. 17 Vgl. P. Magdalino, R. Nelson, »Introduction«, in: dies. (Hg.), The Old Testament in Byzantium, Washington D. C. 2010, 1–38; Alexander, »Strength«. 18 »No event was wholly true nor any emperor wholly authentic until they had been recognized and labeled by reference to an Old Testament model. In Byzantium, the Old Testament had a constitutional value; it had the same normative role in the political sphere as the New Testament in the moral sphere«, Dagron, Emperor and Priest, 50. 19 Man darf jedoch einwenden, dass, wenn die Kaiseridee in der Lage war, prekäre Herrschaftsverhältnisse zu stabilisieren, sie doch mehr darstellte als nur eine Fassade oder gar eine Maskerade (»What we call Byzantium was a turbulent, politically dynamic, but ultimately stable monarchical republic in the Roman tradition masquerading to itself as to others, as an imperial theocracy.«, Kaldellis, Byzantine Republic, 200); vgl. Beck, Senat und Volk; ders., Jahrtausend 78–86; ders., Res Publica Romana. Vom Staatsdenken der Byzantiner, BAW Ph.H. Kl., Sitzungsberichte, München 1970, 2. Für abwägende Überblicke der einschlägigen Forschungskontroversen und Kompromiss- oder Alternativentwürfe vgl. Fögen, »Denken«, 78–82; Angelov, Ideology, 8–15. 20 H.-G. Beck, Byzantinistik heute, Berlin u. a. 1977, 13. 21 Zum Verständnis der Tradition als »kulturelle Strategie der Dauer« vgl. A. Assmann, Zeit und Tradition. Kulturelle Strategien der Dauer, Köln u. a. 1999. Für Diskussionen und Revisionen
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mente einer Vergangenheit, selektiv und mitunter kontingent zusammengetragen, die zu einer einheitlichen Tradition modelliert und autorisiert werden. Dies lässt sich als »Neukontextualisierung«, als »Akt transformierende[r] Anverwandlung«22 und als ein Prozess der Kanonisierung und Kodifizierung einer nur scheinbar stabilen Überlieferung verstehen, ungeachtet dessen (oder gerade deshalb), dass im Vordergrund die Stabilität der Tradition behauptet wird. Wenn also griechische Kirchenmänner im 17. Jahrhundert eine auf byzantinische Modelle sich berufende Herrschaftsideologie ausarbeiteten und orthodoxen Herrschern als Legitimationsangebot zur Verfügung stellten, dann handelt es sich nicht um das Überleben einer untergegangenen Kultur unter einer traditionsverhafteten Nachwelt, sondern um eine schöpferische Leistung. Es ist auch nicht als rückständige Divergenz der orthodoxen Welt weg vom europäischen Entwicklungspfad aufzufassen. Man könnte in Anlehnung an Nicholas Dews »barocken Orientalismus« von einem »barocken Byzantinismus« sprechen.23 Denn Byzanz, bevor es im 18. Jahrhundert, zum historischen Gespenst verzerrt, als Inbegriff alles reaktionären Übels für die Aufklärer herhalten musste, stellte auch im katholischen und protestantischen Europa eine Quelle für Herrschaftslegitimation dar. Auf Konstantin als Prototyp des christlichen Monarchen hat man sich im 16. und im 17. Jahrhundert wiederholt berufen und auch der Topos des neuen Konstantin – ubiquitär in unseren Beispielen – wurde angewandt, ob auf Spaniens Philipp II. (1556–1598), Englands Eduard VI. (1537– 1553), Elizabeth I. (1556–1603) und besonders Jakob I. (1603–1625), der in Richard Crakanthrops’ Defence of Constantine (1621) als »the Great Constantine of these later Ages«24 stilisiert wurde. Was katholische und protestantische Hofvon Iorgas berühmter Formel vgl. A. Pippidi, »À la recherche d’une tradition politique byzantine dans les pays roumains«, in: Nouvelles Études d’Histoire, Bukarest 1980, 121–130; ders., »Entre héritage et imitation. La tradition byzantine dans les pays roumains. Nouvelles réflexions vingt ans après«, in: P. M. Kitromilides, A. Tabaki (Hg.), Relations Gréco-Roumaines. Interculturalité et identité nationale, Athen 2004, 23–37; Kitromilides, »Introduction«; Ursprung, Herrschaftslegitimation, 105f.; J. P. Arnason, »Approaching Byzantium: Identity, Predicament and Afterlife«, Thesis Eleven 62 (2000), 39–69. 22 Cancik-Kirschbaum, Traninger, »Institution«, 2, 6. 23 N. Dew, Orientalism in Louis XIV’s France, Oxford 2009, 6: »Much of our current understanding of what Orientalism means is based on the post-Enlightenment period, and there is therefore a risk of reading nineteenth-century concerns back into the early modern period. This book aims to contribute to our understanding of the Orientalism that existed before the Enlightenment – what we might term, for convenience, ›baroque Orientalism‹«. 24 Zitiert nach Th. J. Dandelet, The Renaissance of Empire in Early Modern Europe, Cambridge 2014, 168–174; ders., »Creating a Protestant Constantine. Martin Bucer’s De Regno Christi and the Foundation of English Imperial Political Theology«, in: Chr. Ocker u. a. (Hg.), Politics and Reformation: Communities, Polities, Nations and Empires. Essays in Honor of Thomas A. Brady Jr., Leiden u. a. 2007, 539–550. Jakobs eigenes Traktat, das Basilikon Doron, war gemäß der zeitgenössischen Rezeption von den Vorbildern Basileios I., Konstantin Porphyrogennetos und Manuel Palaiologos inspiriert.
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ideologen im Vorbild Konstantins, aber auch Theodosius’ und Justinians erblickten, war eine politisch-theologische Legitimation für eine absolute Monarchie und nicht zuletzt für das Primat des Königs gegenüber der Kirche. Die an Justinian adressierten »Kapitel« des Agapetos, wohl der bekannteste, wenn auch nicht der anspruchsvollste byzantinische Fürstenspiegel, wurden allein zwischen 1509 und 1549 zehn Mal gedruckt. 1612 wurde die französische Teilübersetzung des jungen französischen Königs Ludwig XIII. publiziert; 1633 widmete Bernhard Damke Hugo Grotius eine weitere bemerkenswerte Ausgabe mitsamt einem griechischen Enkomium auf Agapetos aus der Feder des Naturrechtlers.25 Seinen Höhepunkt erlebte der byzantinische Trend allerdings in den ersten Jahrzehnten der Herrschaft des Sonnenkönigs Ludwig XIV. (1643–1715). Die Begründung der byzantinischen Studien, die verbunden ist mit dem Namen von Charles du Fresne, sieur du Cange und mit der Byzantine du Louvre, der Sammlung byzantinischer Autoren, die unter der Patronage des Königs und Colberts von 1648 an von der Imprimerie Royale gedruckt wurde, war aufs Engste mit dem französischen »imperialem Traum« verknüpft.26 Auch wenn man in den Projekten der Eroberung Konstantinopels unter Ludwig XIV. nur Gedankenspiele und Chimären zu sehen geneigt ist,27 so waren der Anspruch auf das »Imperium Orientale« (auch als »Empire d’Orient«, »Empire Grec« »Empire de Constantinople«, oder »Bas-Empire« bezeichnet) und die Anlehnung an by25 Vgl. I. Sˇevcˇenko, »Agapetus East and West: The Fate of a Byzantine Mirror of Princes«, RESEE 16 (1978), 3–44; vgl. auch Sˇevcˇenkos Bemerkung zur Kiever kirchenslavischen Edition von 1628: »To be sure, the print of 1628 was a sign of a Byzantine revival; but it also was an echo of what was going on in contemporary European publishing.«, I. Sˇevcˇenko, »Ljubomudreˇjsˇij Kӱr’ Agapit Diakon: On a Kiev Edition of a Byzantine Mirror of Princes«, in: ders., Byzantium and the Slavs in Letters and Culture, Cambridge Mass. 1991, Nr. xxix, 525. Zu Agapetos allgemein vgl. R. Riedinger, Agapetos Diakonos. Der Fürstenspiegel für Kaiser Iustinianos, Athen 1995; P. Henry III, »A Mirror for Justinian: The Ekthesis of Agapetus Diaconus«, GRBS 8 (1967), 281–308. 26 Vgl. A.-M. Cheny, Une bibliothèque byzantine. Nicolas-Claude Fabri de Peiresc et la fabrique du savoir, Ceyzérieu 2015, insb. 232–240; dies., »Humanisme, esprit scientifique et études byzantines: la bibliothèque de Nicolas-Claude Fabri de Peiresc«, XVIIe siècle 62/249 (2010), 689–709; dies., »L’Empire romain d’Orient, nouvel objet de recherche dans la première moitié du XVIIe siècle«, XVIIe siècle 67/268 (2015), 427–441; P. M. Kitromilides, »The Byzantine Legacy in Early Modern Political Thought«, in: A. Kaldellis, N. Siniossoglou (Hg.), The Cambridge Intellectual History of Byzantium, Cambridge 2017, 653–668, hier 666–668; J.-M. Spieser, »Du Cange and Byzantium«, in: R. Cormack, E. Jeffreys (Hg.), Through the Looking Glass. Byzantium through British Eyes, Aldershot u. a. 2000, 199–210; M.-F. Auzepy, J.-P. Grelois, Byzance retrouvée. Érudits et voyageurs Françaises (XVIe–XVIIIe siècles), Paris 2001, 39–43, 70–85. 27 Vgl. H. Omont, »Projets de prise de Constantinople et de fondation d’un Empire Française d’Orient sous Louis XIV«, Revue d’histoire diplomatique 2 (1893), 195–246; Djuvara, Cent projets, 212–214, 230–239; G. Poumarède, Pour en finir avec la Croisade. Mythes et réalités de la lutte contre les Turcs aux XVIe et XVIIe siècles, Paris 2004, 196 ; Zwierlein, Imperial Unknowns, 146f.
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zantinische Modelle beim Hofzeremoniell, nicht zuletzt gerade in der Sonnenmetaphorik, grundlegend für die Selbstinszenierung der französischen Monarchie, besonders in den 1650er Jahren und zumindest bis etwa 1670–75, als die damals erfolgte »Krise der Repräsentationen«28 eine neue symbolische Sprache förderte. Den breiteren Kontext dieses Interesses bildete die Resakralisierung der europäischen Monarchien im Zuge der Konfessionalisierung.29 Auf lange Sicht mag man darin nur eine Episode auf dem Weg zur Säkularisierung erkennen. Wie es Heinz Schilling apostrophierte: »To sum up, the state became more sacral before it became more secular.«30 Gerade die gefährdete Autorität der Monarchien ließ sie bzw. die Apologeten der absoluten Monarchie auf deren Sakralität bestehen.31 Derselbe Karl I. von England (1625–1649), den Bischof James Usher noch im November 1648 mit ausgiebigen Zitaten aus Agapetos als Stellvertreter Gottes, im Sinne der titelgebenden »Power communicated by God to the Prince and the Obedience required by the Subject«, gepriesen hatte, büßte ja nur zwei Monate später seinen Kopf ein.32 Die Ubiquität des Biblizismus als politischer Sprache ist gerade im Zeitalter der Konfessionalisierung mit diesem gesteigerten Legitimationsbedürfnis verbunden.33 Die Verschränkung von weltlicher und geistlicher Macht, von Politik und Religion, im Wesentlichen eine legitimatorische Funktion der einzelnen Kirchen gegen königliche Protektion und Unterstützung – Könige als defensores ecclesiae –, lässt sich bis weit in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts das europaweit vorherrschende Modell ausmachen.34 Dies bezieht das Osmanische Reich ein, wo die sakrale Legitimation des Sultans im selben Zeitraum vergleichbare Formen und Funktionen aufwies. Ahmed I. (1603–1617) etwa wurde 1603 als erster Sultan vom obersten Geistlichen, dem Seyhülislam, mit dem Schwert Osmans in Manier einer Salbungszeremonie geweiht, während Mehmed
28 P. Burke, Ludwig XIV. Die Inszenierung des Sonnenkönigs, übers. von M. Fienbork, Berlin 20052, 153–161; vgl. E. H. Kantorowicz, »Oriens Augusti – Lever du Roi«, DOP 17 (1963), 117– 177, hier 162–177. 29 Vgl. H. Schilling, »Confessional Europe«, in: Th. A. Brady Jr. u. a. (Hg.), Handbook of European History 1400–1600. Late Middle Ages, Renaissance and Reformation, Bd. 2, Leiden u. a. 1995, 641–681, hier 647f., 655f.; D. Tricoire, »Gottesmutter Königin von Polen. Die Sakralisierung der polnischen Monarchie im Vergleich mit Frankreich und Bayern (1630er bis 1650er Jahren)«, in: A. Gasior, B. Aleksov (Hg.), Maria in der Krise. Kultpraxis zwischen Konfession und Politik in Ostmitteleuropa, Köln 2014, 93–116. 30 Schilling, »Confessional Europe«, 644. 31 Vgl. P. K. Monod, The Power of Kings. Monarchy and Religion in Europe, 1589–1715, New Haven 1999, 80. 32 Vgl. Sˇevcˇenko, »Agapetus«, 18. 33 Vgl. Pecˇar, Trampedach, »Biblizismus«. 34 Vgl. Reinhard, Geschichte des modernen Staates, 60–64; Monod, Power of Kings; Parker, Global Crisis, 36–42; Pohlig, »Drawing Boundaries«.
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IV. (1648–1687) sich von den Kadizadeli-Predigern als »Zuflucht der Religion« feiern ließ.35 In Moskau hatte die neue Romanov-Dynastie zunächst ein ernst zu nehmendes Legitimitätsdefizit auszugleichen.36 Die Tatsache, dass Thronprätendenten sich in den 1640er Jahren noch als Söhne des Pseudo-Dmitrij oder von Vasilij Sujskij, hingegen schon in den 1670ern als Aleksej Alekseevicˇ und Simeon Alekseevicˇ, ausgaben, ist ein indirektes Indiz für die allmähliche Etablierung der Romanovs unter Aleksej Michajlovicˇ.37 Doch die Diskrepanz zwischen Selbstund Fremdwahrnehmung, schmerzhaft offenbart in der Formel »magnus dux Moscoviae« des Westfälischen Friedens, blieb noch lange bestehen.38 Daher ist die bewusste Anlehnung der Moskauer Monarchie an byzantinische Vorbilder, die zweifellos unter Aleksej Michajlovicˇ ihren Höhepunkt erreichte,39 und die Rolle, die griechische Kirchenmänner in der Gestaltung und Unterstützung dieser Herrschaftslegitimation spielten, im Zusammenhang akuter ideologischer Bedürfnisse der Zarenmacht zu verstehen, die jenen der zeitgenössischen europäischen Monarchien ähnelten. Zwar hatte die Moskauer Kirche in ihrem Bestreben, »den Chan zum Basileus« umzudefinieren, um einem Ausdruck von Donald Ostrowski zu folgen,40 schon seit dem 15. Jahrhundert auf byzantinische Modelle zurückgegriffen. Doch zum einen war ein solches Legitimationsprojekt bzw. eine solche Traditionserfindung immer wieder auf Aktualisierung und Reproduktion 35 Vgl. Helmedach-Koller, »Herrschaft«, 35; Baer, Honored, passim, insb. 106–109; S. Faroqhi, »Presenting the Sultan’s power, glory and piety: a comparative perspective«, in: dies., Another Mirror of Princes. The Public Image of the Ottoman Sultans and its Reception, Istanbul 2009, 53–85, insb. 75–77; dies., »Die Legitimation des Osmanensultans: Zur Beziehung von Religion, Kunst und Politik im 16. und 17. Jahrhundert«, Zeitschrift für Türkeistudien 2 (1989), 49–67; H. T. Karateke, »Opium for the Subjects? Religiosity as a Legitimizing Factor for the Ottoman Sultan«, in: H. T. Karateke, M. Reinkowski (Hg.), Legitimizing the Order. The Ottoman Rhetoric of State Power, Leiden u. a. 2005, 111–129; D. Kołodziejczyk, »Khan, caliph, tsar and imperator: the multiple identities of the Ottoman Sultan«, in: ders., P. F. Bang (Hg.), Universal Empire. A Comparative Approach to Imperial Culture and Representation in Eurasian History, Cambridge 2015, 175–193, hier 176f. 36 Vgl. Longworth, Alexis, 121, 149, 214, 230f.; Dukes, Absolutism, 31. 37 Vgl. M. Perrie, »Pretenders in the Name of the Tsar: Cossack ›tsareviches‹ in Seventeenth Century Russia«, FOG 56 (2000), 243–256. 38 Vgl. Zernack, »Expansion«, 145; Barudio, »Moskau und der Dreißigjährige Krieg«, 95. 39 Vgl. Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 80, 96f.; Longworth, Alexis, 230f.; K. M. Kain, »Before New Jerusalem: Patriarch Nikon’s Iverskii and Krestnyi Monasteries«, RH 39 (2012), ˇ esnokova, Christianskij 173–231, hier 179–182; Neubauer, Car und Selbstherrscher, 194f.; C Vostok, 159–198; Cicinova u. a., »Tema grecˇeskogo nasledija«; Wortman, Scenarios of Power, Bd. 1, 132–139; I. Andreev, »Zeremoniell als Sinnbild der Macht. Die ersten Romanovs und ihre kirchlichen und höfischen Zeremonien«, in: O. G. Hoexle, M. A. Bojcov (Hg.), Bilder der Macht im Mittelalter und Neuzeit. Byzanz – Okzident – Rußland, Göttingen 2007, 517–537, hier 520; E. Keenan, »Royal Russian Behavior, Style and Self-Image«, in: E. Allworth (Hg.), Ethnic Russia in the USSR. The Dilemma of Dominance, New York u. a. 1980, 3–16, hier 6f. 40 Ostrowski, Muscovy and the Mongols, 164–218.
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angewiesen. Zum anderen waren der Autorität der einheimischen Kirchenmänner im Zusammenhang gesteigerter Legitimationsbedürfnisse41 Grenzen gesetzt, wenn sie nicht ohnehin Risiken in sich barg; beides Überlegungen, die bereits hinter Ivans IV. »griechischem Projekt« zur Anerkennung seiner Zarenwürde gestanden hatten.42 Ioasaf war damals dem Zaren entgegengekommen, ohne es allerdings zu versäumen, grundsätzlich auf das Privileg der Kaiserkrönung zu bestehen: Dies sei ausschließlich dem Papst von Rom und dem Patriarchen von Konstantinopel vorbehalten.43 Gewiss war das Ritual der Kaisersalbung durch den Patriarchen eine spätbyzantinische, wohl vom westlichen Kaisertum übernommene Neuerung gewesen, ohne je festgeschriebenen, konstitutionellen Wert zu besitzen.44 Weder Ioasaf noch seinen späteren Nachfolgern ging es aber um historisch getreue Rekonstruktionen; im Prozess von Traditionskonstruktionen kommt es kaum auf Pedanterie an. Wichtig war das symbolische Kapital des Patriarchen, das den Anspruch rechtfertigte. Der Zar hatte sich selbst an ihn gewandt. In dieser Hinsicht bemerkenswert sind die sich während der Turbulenzen der Mitte des 17. Jahrhunderts häufenden Gerüchte von geplanten Krönungen und Salbungen orthodoxer Herrscher durch ostkirchliche Patriarchen. Mal hieß es, Parthenios II. (oder Athanasios Patellaros) habe vor, Vasile Lupu zum Kaiser zu krönen (1645, im Kontext des »Kreuzzugs« von Władysław),45 mal, dass Paisios Lampardis 1648 eine Krone nach Kiev mitgebracht habe, um Chmel’nyc’kyj zum Fürsten zu krönen,46 dann, dass derselbe (1657) eine Kaiserkrone dem Zaren Aleksej zuzusenden beabsichtige.47 Nicht der zweifelhafte Realitätsgehalt dieser Nachrichten ist hier von Bedeutung, sondern deren offensichtliche Glaubwürdigkeit unter den Zeitgenossen, Diplomaten, Kaufleuten und Klerikern, die sie verbreiteten. Ein solcher Anspruch bzw. eine solche Funktion als Legitimationsinstanz waren den Patriarchen zunächst in ihrem Verhältnis zu den Fürsten der Moldau und der Walachei zugekommen, als es darum ging, einen glaubhaften Bezug von deren Herrschaft auf Byzanz zu konstruieren. Erste Ansätze dazu sind in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu registrieren.48 Mit der wachsenden An41 42 43 44 45 46 47 48
Vgl. Potter, The Russian Church, 86–90, 100–107; Kivelson, »The Devil«. Siehe Kap. I.4. Regel, Analecta, 76. Vgl. Dagron, Emperor and Priest, 80–83, 275; Angelov, Ideology, 384–392; Guran, »From Empire to Church«, 64. Hurmuzaki, Documente Bd. 4/2, 535, Bd. 14/1, 180f.; vgl. ders., Fragmente, Bd. 3, 144; Pall, »Les relations«, 120f.; Völkl, Fürstentum, 98; Iorga, »Basile Lupu, prince de Moldavie«, 115f. VUR, Bd. 2, 118–120. Vgl. Tchentsova, »Mitra«. Vgl. Pippidi, »À la recherche«, 128; P. Guran, »Troisième Rome ou Nouvelle Jerusalem? Une aporie de la Byzance après Byzance«, in: R. G. Pa˘un, O. Cristea (Hg.), Istoria: Utopie, amintire
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siedlung Konstantinopler Griechen in den Donaufürstentümern im Umfeld der Fürsten und mit der allmählichen Verdrängung des Kirchenslavischen durch das Griechische als Hof- und Bildungssprache im Laufe des 17. Jahrhunderts ging auch die intensive Orientierung auf byzantinische Modelle für die Herrschaftsrepräsentation der Fürsten einher. Lupu ist zweifellos das Paradebeispiel hierfür – schon seine Namenswahl (Vasile/Βασίλειος) deutete die eingeschlagene Richtung an.49 Der landesfremde Fürst ließ seine Herrschaft durch die Autorität der Kirche im Sinne eines Austausches von ökonomischem gegen symbolisches Kapital festigen,50 indem er durch massive finanzielle Zuwendungen Einfluss auf die Kirchenpolitik nahm, bestimmte Kirchenmänner bzw. -fraktionen förderte und an seinem Hof unterhielt. Nicht zufällig waren es dieselben Kirchenmänner, die sich in Ias¸i aktiv an der Stilisierung des Fürsten zum »Ersatzkaiser« und Schirmherrn der Ostkirche beteiligten, die sich parallel oder kurze Zeit später in noch sublimeren Formen der Huldigung des Zaren als wahren Erben Ostroms verschrieben, etwa Gavriil Vlasios und Athanasios Patellaros.51 Ähnliches lässt sich für die höfischen Dienste von Paisios Ligaridis bei aufeinanderfolgenden walachischen Fürsten sowie von Sofronios Leichoudis bei S¸erban Cantacuzino (1678–1688) konstatieren, bevor sie sich nach Moskau begaben und unter die Patronage des Zaren wechselten.52 Während bei Cantacuzino die Berufung auf die edle kaiserliche Abstammung als Legitimationsmoment hinzukam,53 betrieb sein Neffe und Nachfolger Constantin Brȃncoveanu (1688–1714) eine programmatische und systematische Anlehnung an das byzantinische Herrschaftsideal,
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¸si proiect de viitor. Studii de istorie oferite Profesorului Andrei Pippidi la ȋmplinirea a 65 de ani, Ias¸i 2013, 219–237, hier 229; R. G. Pa˘un, »Mount Athos and the Byzantine-Slavic Tradition in Wallachia and Moldavia after the Fall of Constantinople«, in: Vl. Stankovic´ (Hg.), The Balkans and the Byzantine World before and after the Captures of Constantinople, 1204 and 1453, Lanham u. a. 2016, 117–163. »Mit dem Namen Vasile demonstrierte Lupu so seine Option für ein griechisches Modell der Herrschaft anstelle eines polnischen«, Ursprung, Herrschaftslegitimation, 143, 159; vgl. E. Baidaus, »War, Diplomacy, and ›Family Affairs‹ in Seventeenth-Century Eastern Europe: Moldavia in the Danubian Policy of Bohdan Khmelnytsky (1648–1653)«, Canadian Slavonic Papers 54 (2012), 27–59, hier 34, Anm. 30. Vgl. Ursprung, Herrschaftslegitimation, 173. Siehe ihre Epigramme und Lobgedichte für Lupu bei Hurmuzaki, Documente, Bd. 13, 439– 448. Vgl. die passagenweise übereinstimmenden Lobreden von Sofronios für S¸erban (1682) und Peter I. (1696), Hurmuzaki, Documente, Bd. 13, 193–198; Dapontes, Ιστορικός κατάλογος, 137– 141. Diente bei Lupu die Anlehnung an byzantinische Vorbilder der Integration in den osmanischen Herrschaftsverband (vgl. Ursprung, Herrschaftslegitimation, 180), so galt dies für Cantacuzino nicht mehr, vgl. V. Cândea, »Les bibles grecque et roumaine de 1687–1688 et les visées impériales de S¸erban Cantacuzène«, BS 10 (1969), 351–376; Ionescu, »Ideal«; ders., »S¸erban Cantacuzène et la restauration byzantine. Un ideal à travers ses images«, Études byzantines et post-byzantines 1 (1979), 239–267.
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was sich vornehmlich in der Übertragung von byzantinischen Fürstenspiegeln ins Neugriechische manifestiert, die er seinen griechischen Hofgelehrten auftrug.54 Dass dabei die Fürsten der Moldau und der Walachei mit der Übernahme byzantinischer Modelle bei der Inszenierung ihrer Herrschaft imperiale Ansprüche erhoben bzw. »heimlich« die Kaiserkrone anstrebten, ist mehr als zweifelhaft.55 Auch das »imaginierte Byzanz«, das im Kontext der labilen Herrschaftsverhältnisse der Donaufürstentümer konfiguriert und aktiviert wurde, stellte ein funktionales Angebot symbolischer Formen und autoritativer Bezüge
54 Vgl. N. Panou, How to Do Kings with Words: Byzantine Imperial Ideology and the Representation of Power in Pre-Phanariot Admonitory Literature, Diss. Harvard University, Cambridge Mass. 2008; Ch. Karanasios, Sebastos Trapezuntios Kyminites (1632–1702). Biographie, Werkheuristik und die Editio Princeps der Exegese zu »De Virtute« des PseudoAristoteles, Wiesbaden 2001; A. Camariano-Cioran, »Parénèses byzantines dans les pays roumaines«, in: dies., Relat¸ii romȃno-elene. Studii istorice ¸si filologice (Secolele XIV–XIX), hg. von L. Rados, Bukarest 2008, 685–702; M. Caratas¸u, »Écrits et Panégyriques dédiés à Constantin Brancovan, prince régnant de Valachie«, RESEE 31 (1993), 359–363. Vgl. allgemein zum byzantinischen Trend unter Brȃncoveanu: Ath. E. Karathanassis, »Des Grecs à la cour de Constantin Brȋncoveanu, voévod de Valachie (1688–1714)«, BS 16 (1975), 56–69; ders., »La renaissance culturelle hellénique dans les pays roumaines, et surtout en Valachie, pendant la période préphanariote (1670–1714)«, BS 27 (1986), 29–59; A. Dut¸u, »Constantin le Grand dans l’imaginaire de la cour de Constantin Brȃncoveanu«, RESEE 27 (1989), 27–33; ders., Les livres de sagesse dans la culture roumaine. Introduction à l’histoire des mentalités sud-est européennes, Bukarest 1971, 99–125; C. Dima-Dra˘gan, M. Caratas¸u, »Les ouvrages de l’histoire byzantine de la bibliotheque du prince Constantin Brancovan«, RESEE 5 (1967), 435–445; Kitromilides, »The Byzantine Legacy«, 659. 55 So die vielerorts von Dimitru Nastase und Petru S. Na˘sturel vertretene These; vgl. etwa D. Nastase, »Imperial Claims in the Romanian Principalities from the Fourteenth to the Seventeenth Centuries. New Contributions«, in: L. Clucas (Hg.), The Byzantine Legacy in Eastern Europe, Boulder 1988, 185–224; P. S¸. Na˘sturel, »Considerations sur l’idée impériale chez les Roumaines«, Byzantina 5 (1973), 395–413. Als Korrektiv dient die meines Erachtens überzeugende Kritik von Pippidi, »À la recherche«; vgl. ders., »Βασιλεία και αυθεντία. Quelques considérations à propos des ›Enseignements‹ de Neagoe Basarab«, Méditerranées 26–27 (2001), 151–173, und R. Pa˘un, »L’idée impériale et les anciennes chroniques roumaines. Repères pour une histoire impossible«, ebenda, 175–213; ders., »›Élu de la matrice de ma mère‹: pouvoir et prédestination aux XVIe–XVIIe siècles«, in: ders., I. Biliarsky (Hg.), The Biblical Models of Power and Law, Frankfurt a.M. u. a. 2008, 225–270, hier 226, Anm. 5; ähnlich: Ursprung, Herrschaftslegitimation, 167–169; St. Brezeanu, »L’idée impériale et les Principautés Roumaines aux XIVe–XVe siècles«, in: M. Koumanoudi, Chr. Maltezou (Hg.), Dopo le due Caduti di Constantinopoli (1204, 1453): Eredi ideologici di Bisanzio, Venedig 2008, 173–183; vgl. die knappe Zusammenfassung der rumänischen historiographischen Debatte bei D. I. Mures¸an, »Rever Byzance. Le dessein du prince Pierre Rares de Moldavie pour libérer Constantinople«, Études byzantines et post-byzantines 4 (2001), 207–265, hier 216–218, Anm. 17f., der sich allerdings der »krypto-imperialen« These von Nastase und Na˘sturel anschließt.
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dar, das sinnstiftend wirkte – eher eine politische Sprache als ein politisches Programm.56 In Moskau unterscheidet sich die historische Situation bei der zarischen Repräsentation, besonders unter Aleksej Michajlovicˇ, in einem wesentlichen Punkt. Die byzantinischen Modelle, d. h. das Vokabular, die Symbolik, die Topik, die expliziten Referenzen und Zitate, die für die Anrede des Zaren, die Huldigung und Verherrlichung sowie die sinngebende Deutung seiner kaiserlichen Würde in der Korrespondenz und Enkomiastik griechischer Kirchenmänner abgerufen wurden, standen im Kontext der politischen Entwicklung, die den Zaren zum designierten Haupt der als solche imaginierten orthodoxen Welt machte. Für die Titulatur des Moskauer Zaren in Sendschreiben griechischer Patriarchen und Metropoliten ist sowohl der byzantinische Hintergrund als auch der »direkte Zusammenhang mit ihren politischen Erwartungen« bereits konstatiert und erläutert worden.57 Die Hierarchen legten Wert darauf, nicht nur die Titel des Zaren korrekt und vollständig aufzuzählen, sondern ihn auch mit den dem Kaiser vorbehaltenen Attributen zu bekleiden: von Gott gekrönt resp. beschützt, geliebt, emaniert (θεόστεπτε, θεοφρούρητε, θεοφιλέστατε, θεοπρόβλητε); Triumphator und Unbesiegter (θριαμβευτά, αήττητε); friedfertig (γαληνότατε); christusliebend (φιλόχριστε); Nachahmer Christi (χριστομίμητε); heilig und göttlich (άγιε, θειότατε).58 Das Kaisersymbol schlechthin und geläufigster Topos des byzantinischen Herrscherlobs war das Sonnengleichnis.59 Am häufigsten wird es im Zusammenhang mit der Bitte um Almosen eingesetzt, als deren Metapher 56 Vgl. die Bemerkungen von Pecˇar, Trampedach, »Biblizismus«, 5, 18. Für die Donaufürstentümer vgl. Panou, How to Do Kings, 209; Ursprung, Herrschaftslegitimation, 182f.; Vincent, »Byzantium regained«, 309–319, 341f.; Olar, »Prophecy and History«, 384–388. 57 Vgl. Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 92–96. 58 Zu den byzantinischen Kaisertiteln und -epitheta vgl. G. Rösch, ΟΝΟΜΑ ΒΑΣΙΛΕΙΑΣ. Studien zum offiziellen Gebrauch der Kaisertitel in spätantiker und frühbyzantinischer Zeit, Wien 1978, 41–52; M. Grünbart, Formen der Anrede im byzantinischen Brief vom 6. bis zum 12. Jahrhundert, Wien 2005, 138–147; H. Hunger, Reich der Neuen Mitte. Der christliche Geist der byzantinischen Kultur, Graz u. a. 1965, 61–67. 59 Vgl. Hunger, Reich der Neuen Mitte, 96–103; O. Treitinger, Die oströmische Kaiser- und Reichsidee nach ihrer Gestaltung im höfischen Zeremoniell. Vom oströmischen Staats- und Reichsgedanken, Darmstadt 19562, 112f., 119f.; Magdalino, The Empire of Manuel I. Komnenos, 417; Angelov, Ideology, 80, 91; K.-P. Matschke, »Sakralität und Priestertum des byzantinischen Kaisers«, in: F.-R. Erkens (Hg.), Die Sakralität von Herrschaft. Herrschaftslegitimierung im Wechsel der Zeiten und Räume, Berlin 2002, 143–163, hier 155; D. R. Reinsch, »Byzantinisches Herrscherlob für den türkischen Sultan. Ein bisher unbekanntes Gedicht des Georgios Amirutzes auf Mehmed den Eroberer«, in: L. Burgmann u. a. (Hg.), Cupido legum, Frankfurt a.M. 1985, 195–210, hier 201. Siehe etwa das Sonnengleichnis bei Agapetos, (Kapitel 51): Riedinger, Agapetos Diakonos, 60f. Zum hellenistisch-römischen Hintergrund und zur frühneuzeitlichen Verwendung in Europa (nicht nur unter Ludwig XIV.) vgl. H. P. L’Orange, »Sol Invictus Imperator. Ein Beitrag zur Apotheose«, Symbolae Osloenses 14 (1935), 86–114; Kantorowicz, »Lever du Roi«; H. Ziegler, »Sonne«, in: U. Fleckner u. a. (Hg.), Politische Ikonographie. Ein Handbuch, Bd. 2, München 2011, 356–363.
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nämlich die großzügige, lebensspendende Kraft der Sonnenstrahlen fungiert, welche die ganze Kreatur wärmt und belebt. So etwa im Synodalschreiben des Ökumenischen Patriarchats an Michail Fedorovicˇ im September 164460 oder bei Paisios Lampardis, der im Juni 1649 die Barmherzigkeit von Aleksej Michajlovicˇ beschwor, die »wie die Sonne mit ihren Strahlen leuchtet und die ganze Welt erwärmt, sodass sich alles an ihr ernährt und durch sie belebt«61. Mitunter wird das Bild der wärmenden Sonne mit jenem des Ozeans variiert, der den Durst der Bedürftigen stillt.62 Alternativ bietet sich das Symbol der Sonne als alle Gestirne (die übrigen Monarchen), aber auch alle Finsternis (Verzweiflung wegen hoher Schulden oder schlicht der »Gefangenschaft«) überstrahlender Glanz an.63 Ähnlich omnipräsent erscheint der Topos des Zaren als neuer Konstantin.64 Dabei wird auf das grundsätzliche kirchliche Verständnis der Konstantinischen Wende Bezug genommen – Gott habe die Kirche mit Konstantin als Schutzherr 60 Vgl. Florja, »Materialy«, 213. 61 »το μέγα εκείνο έλεος της μεγάλης σου βασιλείας όπου λάμπει εις όλον τον κόσμον ώσπερ ο ήλιος με ταις ακτίναις του, όπου ζεσταίνεται όλος ο κόσμος και τα πάντα τρέφονται εξ αυτού και ζωογονούνται«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 344, 3. Juni 1649. Fast gleichlautend z. B. in den an Aleksej Michajlovicˇ gerichteten Briefen desselben (ebenda, nr. 249, 15. Dezember 1645), des Patriarchen von Konstantinopel Ioannikos II. (ebenda, nr. 294, 1. April 1648; nr. 298, 299 und 300, alle 1. Mai 1648; nr. 304 und 305, beide 1. Juni 1648; nr. 402 und 404, 4. April 1651; nr. 408, 4. September 1651; nr. 437, Juni 1652), des Patriarchen Parthenios II. von Konstantinopel (ebenda, nr. 226, 13. Januar 1645; nr. 228, 13. Februar 1645; nr. 233, 18. April 1645); des Jerusalemer Archimandriten Anthimos (ebenda, nr. 260, Juni 1646); der Bruderschaften der Klöster der Hl. Trinität auf dem Olymp (ebenda, nr. 327, Januar 1649); Vatopedi auf dem Athos (ebenda, nr. 346, 21. Juli 1649); Akrotirium auf Kreta (1652) und Hosios Loukas in Böetien (1652) (Tchentsova, »Les documents grecs 1.«, 357; dies., »Les documents grecs 2.«, 154). 62 Etwa im Brief von Gavriil Vlasios an Michail Fedorovicˇ (RGADA f. 52, op. 2, nr. 203, 30. August 1643): »…. και καθώς εώς τώρα ως ο ουράνιος και λαμπρότατος ήλιος ζωοπυρείς και θερμαίνεις μικρούς και μεγάλους, και ως άλλος ωκεανός πολύρρυτος ποτίζεις και δροσίζεις με τα νάματα του ελέους σου όλην την οικουμένην, ομοίως τώρα με το σύνηθες και πατροπαράδοτον έλεος θέρμανον, ζωογόνησον τους νεκρωμένους και φλογισμένους από τους πειρασμούς των μεγάλων χρεών, βασιλεύ γαληνότατε«, und im Brief von Paisios Lampardis an Aleksej Michajlovicˇ (ebenda, nr. 249, 15. Dezember 1645). 63 Parthenios II. an Aleksej Michajlovicˇ (Falsifikat) RGADA f. 52, op. 2, nr. 412 (14. September 1651). Zu weiteren postum Parthenios II. zugeschriebenen Falsifikaten (ebenda, nr. 418, 439) vgl. Tchentsova, Ikona 294–302; dies., »Ierusalimskij protosinkell Gavriil«, 114–122, 121; Brief der Bruderschaft des Johannesklosters auf Patmos an Peter I. (RGADA f. 52, op. 2, nr. 713, März 1704). ˇ esnokova, Christianskij Vostok, 169– 64 Vgl. Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 96–98; C 171; dies., »Russkij Car’ – Novyj Konstantin«, in: Reprezentacija verchovnoj vlasti v srednevekovom obsˇestve (Central’naja, Vostocˇnaja i Jugo-Vostocˇnaja Evropa), (Slavjane i ich sosedy 22), Moskau 2004, 107–111. Zum Kult Konstantins in Byzanz vgl. P. Magdalino, »Introduction«, in: ders. (Hg.), New Constantines. The Rhythm of Imperial Renewal in Byzantium, 4th– 13th Centuries, Aldershot 1994, 1–9; C. G. Pitsakis, »L’ideologie Impériale et le culte de Saint Constantin dans l’Église d’Orient«, in: Fr. Sini, P. P. Onida (Hg.), Poteri religiosi e instituzioni: Il culto di San Constantino Imperatore tra Oriente e Occidente, Torino 2003, 253–287.
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beschenkt –, aber auch speziell auf die Rolle des Zaren als Bezwinger der Häretiker (etwa beim Vergleich der Moskauer Synode von 1667 mit dem Nicäum) und als Befreier der Christen von der Herrschaft der Ungläubigen (Sieg an der Milvischen Brücke). Aleksej wird als bereits erwiesener neuer, zweiter oder anderer Konstantin bzw. schlicht als apostelgleich gefeiert.65 Oder er wird aufgefordert, sich als neuer Konstantin zu erweisen und den Thron seines Ahnen, Konstantin des Großen, zu erlangen.66 Gelegentlich trifft man auf Kombinationen von Konstantin mit Theodosius oder Justinian, häufiger auf solche mit Alexander dem Großen.67 Eine bemerkenswerte Dichte erreicht der Konstantintopos in Briefen an den Zaren aus dem Kreis von Paisios Lampardis.68 Während des Nordischen Krieges 1656 brachten Kaufleute aus seinem Klientelnetz dem Zaren eine mit Edelsteinen geschmückte Kriegsausrüstung für Bogen und Pfeile dar, deren Inschrift Aleksej mit Konstantin verglich.69 Im Jahr zuvor war aus dem Athoskloster Vatopedi das »Kreuz Konstantins« nach Moskau überbracht worden, das nicht nur einen 65 »… σε τον κράτιστον αυτοκράτορα και νέον βασιλέα Κωνσταντίνον«, Ekthesis des Paisios Ligaridis, GIM Vlad. 409 (Sinod. 469), f. 280v; »της ευσεβείας λάμποντι φωστήρι, δευτέρω Κωνσταντίνω, βασιλεί της Νέας Ρώμης θεοφρουρήτου πόλεως Μοσχοβίας«, Ioachim, Abt des Hl.-Nikolaos-Klosters Galatz (30. Mai 1658), Tchentsova, »Les documents grecs 2.«, 176; »ως άλλος βασιλεύς αοίδιμος Μέγας Κωνσταντίνος«, Patriarch Parthenios II. von Konstantinopel an Zar Aleksej, RGADA f. 52, op. 2, nr. 372 (August 1650); »ανίκητε άνακτα και ισαπόστολε«, Bruderschaft des Klosters der Geburt der Gottesmutter in Ioannina an Peter I., ebenda, nr. 706 (1. September 1700). 66 »να απολαύσης τον υψηλόν θρόνον του πατρός σου, του Μεγάλου Κωνσταντίνου«, Priestermönch Dionysios an Aleksej Michajlovicˇ, RGADA f. 52, op. 2, nr. 532; »να της δώση Κύριος ο Θεός τον θρόνον του πατρός σου, του Μεγάλου Κωνσταντίνου«, ders. an Aleksej Michajlovicˇ, ebenda, nr. 601 (30. Mai 1660); ders. an Aleksej Michajlovicˇ, ebenda, nr. 627 (15. August 1668); ähnlich beim Metropoliten von Ioannina Kallinikos an Aleksej Michajlovicˇ, ebenda, nr. 608 (Juni 1660). Dionysios Mouselimis forderte die Zaren Ivan und Peter und die Zarevna Sofija auf, sich als neue Konstantins zu erweisen, ebenda, nr. 679 (12. Dezember 1688), siehe Anhang Nr. 6. 67 »fias monarcha utinam novus christianus Alexander, novus Theodosius, novus Justinianus«, Paisios Ligaridis an Aleksej Michajlovicˇ, RGADA f. 52, op. 2, nr. 639 (15. Februar 1673); ähnlich beim »Thriamvos« des Gerasimos Vlachos, Waugh, »Odolenie«, 313; »και να σε δώση ο Θεός να γένης αυτοκράτωρ ώσπερ ο Αλέξανδρος ο Μακεδών«, Bruderschaft des Transfigurationsklosters Zavourda an Aleksej Michajlovicˇ, ebenda, nr. 383 (1650); »μεγαλύναι το κράτος και το όνομα αυτής ως τω πιστοτάτω βασιλεί και ισαποστόλω Μεγάλω Κωνσταντίνω και τω περιβοήτω βασιλεί Αλεξάνδρω«, Bruderschaft des Klosters der Hl. Väter in Ioannina an Peter I., ebenda, nr. 705 (4. August 1700). 68 Auch in Briefen des Patriarchen selbst, RGADA f. 52, op. 2, nr. 319 (26. September 1648) und nr. 499 (20. November 1653). 69 Vgl. V. G. Tchentsova, »Pisec Nikolaj Armiriot i Krest carja Konstantina: K istorii svjazej Vatopedskogo monastyrja s Rossiej v XVII veke«, Palaeoslavica 19/12 (2011), 60–109, hier 62; dies., »Carskie sabli, saadak i pastirskij posoch: K istorii vesˇcˇej iz Muzeev Moskovskogo ˇ 7 (2009), 234–249, Kremlja, privezennych s Christianskogo Vostoka v seredine XVII v.«, KC hier 245f. Die Ausrüstung mit der Inschrift, heute im Kremlmuseum, ist auf dem Umschlag dieses Buchs abgebildet.
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Höhepunkt der von Paisios’ Leuten betriebenen Reliquientransfers mit imperialen Konnotationen markierte, sondern auch ganz prominent in der Selbstdarstellung des Zaren, beim Polenfeldzug und besonders beim triumphalen Einzug in Moskau, eingesetzt wurde.70 Bemerkenswert scheint auch die weitgehende Übereinstimmung in Schreiben desselben Kreises im Verweis – neben Konstantin – auf bestimmte biblische Figuren.71 Paisios Lampardis verglich 1649 auf seinem Empfang in Moskau den Zaren mit Konstantin, David und Hiskija und nannte ihn einen »neuen Moses«,72 während Athanasios Patellaros 1654 ihn zum »neuen Salomon« kürte.73 Am geschicktesten aber beherrschte Gavriil Vlasios, »einer der Ideologen der Ostkirche«,74 die gesamte Klaviatur des Herrschervergleichs. Für Vlasios ist »Augustus« Michail Fedorovicˇ der »neue Moses«, der die Griechen wie sein Vorgänger einst die Juden aus der Gefangenschaft befreien werde. In derselben Weise wie David nach seinem Sieg gegen Goliath in Jerusalem gefeiert wurde, so werde der Zar in Konstantinopel einziehen und den Thron seiner Ahnen, Konstantin und Justinian, erlangen.75 Schon als Thronprinz ist Aleksej aufgrund seines 70 Vgl. Tchentsova, »Pisec Nikolaj Armiriot«, 62–66; dies., »La Croix et la bannière: Le monastère de Vatopédi et la formation de l’idéologie Constantinienne dans la Moscovie du XVIIe siecle«, in: R. G. Pa˘un (Hg.), Histoire, mémoire et dévotion. Regards croisés sur la construction des identités dans le monde orthodoxe aux époques byzantine et post-byzantine, Seyssel 2016, ˇ esnokova, »Svjatinja i politika: K idee vizant91–142; dies., »Carskie sabli«, 89–97; N. P. C ijskogo nasledija v Rossii serediny XVII veka«, Srednie veka 69/4 (2008), 27–42, hier 35–37; dies., Christianskij Vostok, 128–130; dies., »Relikvii«, 97f; Kain, »Before New Jerusalem«, 213; I. Thyret, »The Cult of the True Cross in Muscovy and its Reception in the Center and the Regions«, in: A. Kappeler (Hg.), Die Geschichte Russlands im 16. und 17. Jahrhundert aus der Perspektive seiner Regionen, [FOG 63], Wiesbaden 2004, 236–258; M. Pljuchanova, Sjuzˇety i simvoly Moskovskogo Casrtva, St. Petersburg 1995, 132–139; Kämpfer, Herrscherbild, 233–237. Dabei handelt es sich um ein Kunstwerk aus dem 15. Jahrhundert, das gewissermaßen als Verschmelzung des Hl. Kreuzes (das darin enthalten sein soll) und des Kreuzzeichens aus dem Traum Konstantins gedeutet wurde. Auf die Reliquie nahm im Kontext des Konstantinvergleichs auch der Priestermönch Dionysios aus Konstantinopel Bezug, RGADA f. 52, op. 2, nr. 532, 12. Dezember 1654. 71 Vgl. auch hierzu bei Angelov, Ideology, 86–90, die Tabellen mit biblischen und klassischen Vergleichsfiguren in spätbyzantinischen Kaiserpanegyriken. 72 Kapterev, »Priezd Paisija«; Paisios Lampardis an Aleksej Michajlovicˇ, RGADA f. 52, op. 2, nr. 239, 21. September 1645 (neuer Salomon). 73 RGADA f. 52, op. 2, nr. 510 (26. Februar 1654) und schon früher: ebenda, nr. 266 (Oktober 1646). 74 Fonkicˇ, Greco-slavjanskie ˇskoly, 54. 75 Florja, »Dva poslanija« 220, 223 (Briefe vom 12. April und 9. Dezember 1640). Vlasios verglich zudem den Tod des Sultans Murad (1640) mit dem Ertrinken des Pharaos und verfluchte den neugeborenen Sultanssohn Mehmed (IV.), er solle wie Sihon, König der Amoriter, wie Og, König von Basan, und wie die Erstgeborenen Ägyptens Gottes Zorn erfahren: »Την ημέραν της εορτής αυτών όπου ονομάζουσιν αυτοί μπαριάμι, έκαμεν ο βασιλεύς της Κωνσταντινουπόλεως υιόν, το όνομά του το εύγαλεν εις την περιτομήν σουλτάν Μεεμέτη, εις το όνομα του σεληνιασμένου ψευδοπροφήτου αυτών, και έκαμεν εορτήν πάνδημον όλον το κάστρον τρεις ημέρας και νύκτας.
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Taufnamens »der Neue Komnene«76. Als Zar soll er 1646 die Krimtataren »wie ein neuer Moses die Ägypter vernichten«. Möge Gott ihm den Sieg schenken wie einst David gegen Goliath, ihn stärken wie König Hiksija und emporheben wie Konstantin, den allerchristlichsten Kaiser.77 In den Appellen von Athanasios Patellaros und Gerasimos Vlachos wird die additive Exemplaaufzählung für den Zaren als Erlöser noch explizit typologisch ausgeschöpft. Das Verhältnis zwischen dem Zaren und der ›gefangenen‹ Orthodoxie wird nach denselben Mustern (Altes Testament und Konstantinische Wende) heilgeschichtlich aufgeladen: Die göttliche Vorsehung habe den Zaren als Werkzeug (θεόπεμπτον όργανον) zum Schutz des Ökumenischen Patriarchats, des Heiligen Grabes oder schlicht der Orthodoxie auserkoren.78 Er sei die »Säule« und der »Grundstein« der Kirche,79 ihr »Beschützer und Vormund«,80 der »ruhige Hafen« sowie »sichere Zuflucht und Trost«,81 die Gott seiner leidenden Kirche gewährt hat.82
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Τον οποίον υιόν να τον κάψη ο παντοδύναμος Θεός καθώς και τον Σηών βασιλέα των Αμορραίων, και τον Ωγ βασιλέα της Βασάν και να τον εξολοθρεύση ωσάν τα πρωτότοκα πάσης Αιγύπτου, και δια να ειπώ κατά τον ψαλμωδόν Δαυίδ, εξαλειφθήτω η γενεά αυτών και η έπαυλις αυτών γενηθήτω ηρημωμένη«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 184 (2. Februar 1642). »καίσαρ αύγουστε […] μετά του μεγαλοπρεπεστάτου και χαριτωμένου υιού αυτής κνέζη Αλεξίου, του νέου Κομνηνού«, RGADA f.52, op. 2, nr. 172 (17. Januar 1641). »Θέλεις κατατροπώση αυτούς καθώς νέος Μωυσής τους Αιγυπτίους και θέλεις τους αφανίση«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 265, 21 Oktober 1646; »Και καθώς εχάρισε τω γαληνοτάτω και πραοτάτω Δαυίδ βασιλεί και προφήτη την νίκην κατά του υπερηφάνου Γολιάθ, νέω όντι κατά την ηλικίαν, ομοίως να χαρίση και τη κραταιά και αγία σου βασιλεία, τω νέω Δαυίδ την νίκην εναντίον των εχθρών. Και καθώς εδυνάμωσε τον πιστότατον δούλον αυτού Εζεκίαν βασιλέα εναντίον των αλλοφύλων και απίστων εθνών, ομοίως και την υψηλοτάτην σου βασιλείαν να δυναμώση και να κραταιώση εναντίον των ασεβών, των εχθρών της αγιοτάτης ημών πίστεως. Και καθώς εμεγάλυνε εδόξασε και υπερύψωσε τον ευσεβέστατον και χριστιανικώτατον βασιλέα Κωνσταντίνον, τον προπάππον αυτής, ομοίως να μεγαλύνη, να δοξάση, και να υπερυψώση υπέρ πάντας τους βασιλείς την αγίαν σου βασιλείαν, δια καύχημα και έπαινος [sic] των ορθοδόξων και ευσεβών χριστιανών, διά παρηγορίαν μάλιστα και άνεσιν των θλίψεων του ημετέρου γένους, οπού όχι μόνον την βασιλείαν εστερήθημεν, αλλά και πάσαν ευτυχίαν, και ευρίσκεται δουλωμένον και τυραννημένον εις άπιστον και ωμότατον έθνος και εχθρόν της χριστιανικής και ορθοδόξου πίστεως«, ebenda, nr. 320, 27. September 1648; vgl. auch seinen Brief an den Zaren vom 17. Oktober 1652 (Gott möge Hagerener und Tataren wie einst die Ägypter ertränken), Tchentsova, Ikona, 268. Waugh, »Odolenie«, 107; HAB Cod. Guelf. 210.5 Extrar. f. 269, 293v. Ähnlich äußert sich Nikiforos, Patriarch von Alexandria, gegenüber Michail Fedorovicˇ, RGADA f. 52, op. 2, nr. 229, (18. Februar 1645); die Bruderschaft des Trinitätsklosters von Pogoniani gegenüber Peter I., ebenda, nr. 714, (5. Juni 1704); Methodios Armenopoulos gegenüber Peter I., ebenda, nr. 709, (4. Januar 1703). Samuil Patriarch von Alexandria an Peter, RGADA f. 52, op. 2, nr. 722, (9. März 1717): »της δε καθόλου αγιωτάτης του Χριστού Εκκλησίας ακλόνητον στύλον και εδραίωμα«. »Ευσεβέστατε, θεοφύλακτε και φιλόχριστε, προστάτα και κηδεμών της Ανατολικής Εκκλησίας«, Bruderschaft des Johannesklosters auf Patmos, RGADA f. 52, op. 2, nr. 713, (März 1704). »εύδιος λιμήν«, Gavriil Vlasios an Michail Fedorovicˇ, RGADA f. 52, op. 2, nr. 203 (30. August 1643); ders. an Aleksej Michajlovicˇ, ebenda, nr. 384 (4. Januar 1651); Parthenios II. an Aleksej Michajlovicˇ, ebenda, nr. 372 (August 1650); vgl. Kap. 52 von Agapetos, Riedinger, Agapetos Diakonos, 62f.
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Wenig überraschend wird diese Bildsprache in Schreiben der Paisios-Lampardis-Fraktion politisch gewendet, wenn Aleksej nicht nur als »Stolz« (καύχημα) der Griechen und aller Orthodoxen gepriesen wird,83 sondern von Paisios selbst auf dem Höhepunkt der Projektemacherei zwischen 1653 und 1657 als »Anführer des orthodoxen Glaubens«, »Kaiser der frommen und orthodoxen Christen«, »unser Kaiser und Selbstherrscher« tituliert wird.84 Als solcher verkörpert und vereinigt der Zar die Tugenden, die von der byzantinischen, aber auch der zeitgenössischen frühneuzeitlichen Enkomiastik und Fürstenspiegelliteratur vorgeschrieben waren:85 die vier Kardinaltugenden Tapferkeit, Gerechtigkeit, Selbstbeherrschung und Besonnenheit und dazu, zumal von Geistlichen gefordert, Frömmigkeit, Rechtgläubigkeit, Barmherzigkeit und Menschenliebe.86 Er ist das Fundament des Volkes (etymologisch hergeleitet: βάσις λαού),87 das verkörperte, lebende Gesetz (νόμος έμψυχος),88 das Abbild Gottes (εικών θεού),89 der Nachahmer Christi.90 Er vereint als Spiegel 82 Paisios I. von Konstantinopel an Aleksej Michajlovicˇ, RGADA f. 52, op. 2, nr. 523 (8. Oktober 1654); die Bruderschaft der Klöster der Hl. Väter in Ioannina und der Geburt des Gottesmutter in Zavourda an Peter I., ebenda, nr. 705 (4. August 1700); nr. 706 (1. September 1700). 83 Gavriil Vlasios an Michail Fedorovicˇ, RGADA f. 52, op. 2, nr. 209 (2. Februar 1644); Paisios Lampardis an Aleksej Michajlovicˇ, ebenda, nr. 264 (21. September 1646), nr. 381 (August 1650); Ioannikos II. an Aleksej Michajlovicˇ, ebenda, nr. 294 (1. April 1648), nr. 451 (5. Januar 1652), nr. 497 (Oktober 1653); Athanasios Patellaros an Aleksej Michajlovicˇ, ebenda, nr. 266 (Oktober 1646). 84 RGADA f. 52, op. 2, nr. 499 (20. November 1653) und nr. 560 (8. Oktober 1656): »αυτοκράτωρ των ευσεβών και ορθοδόξων χριστανών«; nr. 541 und 542 (August 1655): »ρίζα καθολική της ˇ erkov, 79, 87; nr. 573 ορθοδοξίας«, »αρχηγός της ορθοδόξου πίστεως«, Tchentsova, Vostocˇnaja C (Februar 1657): »αυτοκράτορος και θεοστέπτου ημών μεγάλου βασιλέως«. 85 Vgl. Ch. Hannick, »Fürstenspiegel. C: Byzantinischer Bereich und slavische Literaturen«, in: LexMa 4, 1053–1058; H. Hunger, Die hochsprachliche profane Literatur der Byzantiner, München 1978, 120–132, 157–165; Angelov, Ideology, 184–197; Panou, How to Do Kings, 201– 217; P. M. Kitromilides, Οι παραινέσεις προς την εξουσία στην Ορθόδοξη παράδοση [Parainesen an die Herrschenden in der orthodoxen Tradition], Gonia-Chania 2008; G. Prinzing, »Beobachtungen zu ›integrierten‹ Fürstenspiegeln der Byzantiner«, JÖB 38 (1988), 1–31; R. A. Müller, »Die deutschen Fürstenspiegel des 17. Jahrhunderts. Regierungslehre und politische Pädagogik«, HZ 240 (1985), 571–597. Zu den kaiserlichen Tugenden vgl. Angelov, Ideology, 79–93; Treitinger, Kaiser- und Reichsidee, 253–256; Magdalino, Manuel I. Komnenus, 415f.; Fögen, Das politische Denken, 46f. 86 Etwa bei Patellaros, RGADA f. 52, op. 2, nr. 266, Oktober 1646 (πραότητα, ιλαρότητα, δικαιοσύνη, φιλαδέλφεια, ευεργεσία); bei Ioannikos II., ebenda, nr. 451, 5. Juni 1652 (ορθοδοξία, ευλάβεια, ευσπλαγχνία, ελεημοσύνη); im Brief von Konstantin S¸erban an den Zaren im April 1662: (φρόνησις, σωφροσύνη, ανδρεία και δικαιοσύνη), ebenda, f. 68, op. 2, nr. 35, siehe Anhang nr. 4; bei Vlachos: Waugh, »Odolenie«, 102 (pravoslaven, liubimit’ Christov, dobrodetelen, mudrij, ˇcelomudrij, muzˇestven, ravnozakonen, blagogovejnij, praveden, blagocˇestiv). 87 Bei Vlachos: Waugh, »Odolenie«, 107; bei Ligaridis, GIM Vlad. 409 (Sinod. 469), f. 321v; vgl. Theofylaktos von Ochrid, PG 126, 269. 88 Bei Ligaridis, GIM Vlad. 409 (Sinod. 469), f. 340, mit Verweis auf Justinians 105. Novelle. 89 Bei Vlasios: Florja, Dva poslanija, 226; bei Vlachos: Waugh, »Odolenie«, 98; bei drei Parhenios II. zugeschriebenen Briefen, RGADA f. 52, op. 2, nr. 412 (14 September 1651), 418 (14. Oktober
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(έσοπτρον) der kaiserlichen Tugenden die Weisheit Salomons, das Wohlwollen Davids, die Frömmigkeit Iosaphats, Hiskijas und Joschias, Samsons Tapferkeit und Konstantins apostolischen Eifer.91 Dieselben dem Zaren unterstellten Tugenden ließen sich ohne Aufhebens als Sollvorschriften, als Herrschaftspflichten formulieren: »Empfange sie [die entsandten Mönche] als Freunde Christi mit Freude und Frohmut in Wort und Tat, wie es den orthodoxen Kaisern gebührt.«92 »Es ist das größte aller guten Werke, getaufte orthodoxe Glaubensbrüder aus der Gefahr freizukaufen.«93 »Jetzt offenbaren sich die Eiferer des Glaubens und die Nachahmer Christi, jetzt ist die geignete Zeit.«94 Schließlich habe Gott den Zaren »nicht zum eigenen Wohle, sondern zum Wohle des christlichen Volkes«95 gekrönt. Spätestens an diesem Punkt zeigt sich die Funktionalität des Herrscherlobs und der Huldigungsrhetorik in aller Deutlichkeit. Wie konventionell und vorhersagbar auch immer die Lobpreisungen des Zaren als Inbegriff aller Tugenden und Wunder aller Wunder daherkamen, sie entsprachen konkreten Erwartungen und ließen sich als dringende ethische Forderungen vernehmen.96 Wenn der Zar etwa als wärmende Sonne, kühlender Ozean oder rettender Hafen gefeiert wurde, dann stellte dies die symbolische Darstellung eines durchaus reellen Abhängigkeitsverhältnisses und zugleich eine Mahnung dar, den herkömmlichen und gerade durch die Deutungshoheit der griechischen Kirchenmänner noch einmal validierten kaiserlichen Pflichten nachzukommen. Das symbolische Arsenal, aus dem die Bilder und die Vergleiche geschöpft wurden, diente weder als eine starre
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1651), 418 (14. Oktober 1651), 439 (14. Februar 1652); bei Paisios I. von Konstantinopel, ebenda, nr. 523, 8. Oktober 1654; vgl. Riedinger, Agapetos Diakonos, 38f., 50f. (Kapitel 21 und 37); E. H. Kantorowicz, The King’s Two Bodies. A Study in Medieval Political Theology, Princeton 1997 [1957], hier 46–49. Bei Paisios Lampardis, RGADA f. 52, op. 2, nr. 344 (5. Juni 1649); bei Paisios I. von Konstantinopel und Athanasios Patellaros, beide 1652 (Tchentsova, »Les documents grecs 1.«, 359; dies., »Les documents grecs 2.«, 154); Bruderschaft des Klosters von Pogoniani, ebenda, nr. 714 (5. Juni 1704) und 715 (10. September 1704). »Θεόπλαστον και θεοφώτιστον των βασιλικών αρετών έσοπτρον, εν ω εικονίζεται η θεόπνευστος του Σολωμόντος σοφία, η του θεοπάτορος Δαυίδ θεοτερπής ευμένεια, η του Ιωάσαφ, Εζεκίου, και Ιωσίου θεοφρούρητος ευσέβεια, η του παναλκεστάτου Σαμψών αήττητος ανδρεία, ο αποστολικός του αγίου και μεγάλου ισαποστόλου Κωνσταντίνου ζήλος«, Bruderschaft des Johannesklosters auf Patmos an Peter I., RGADA f. 52, op. 2, nr. 713 (März 1704). Tchentsova, »Les documents grecs 1.«, 362 (Bruderschaft des Gottesmutterklosters von Kastritza, Dezember 1652). »να τους εξαγοράση και να τους ελευθερώση, το οποίον είναι το μεγαλύτερον ψυχικόν του κόσμου, να λυτρώση τινάς ψυχάς ορθοδόξων και βαπτισμένων από τον κίνδυνον«, Parthenios III. an Aleksej Michajlovicˇ, RGADA f. 52, op. 2, nr. 567 (20. November 1656). »Τώρα φαίνονται οι ζηλωταί της πίστεως και οι μιμηταί του Χριστού, καιρός αρμόδιος νυν και ού πάντοτε ο αυτός«, Dionysios Mouselimis an die Zaren Ivan und Peter, RGADA f. 52, op. 2, nr. 679 (11. Juni 1688, siehe hier Anhang, Nr. 6). Waugh, »Odolenie«, 107. Vgl. Beck, Jahrtausend, 80; Pecˇar, Trampedach, »Biblizismus«, 16.
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mentale Struktur noch als beliebiger und austauschbarer Vorwand. Es stellte die geeigneten sprachlichen Mittel zur Verfügung, um konkrete Anliegen zu artikulieren und entschlüsselbare Botschaften zu vermitteln. Für Paisios Lampardis war Aleksej nämlich nicht nur aufgrund seiner unterstellten Weisheit der »zweite Salomon«, sondern obendrein wegen seiner Verantwortung und der von ihm erwarteten Almosen für die Grabeskirche in Jerusalem.97 Parthenios verglich ihn mit Konstantin, um seiner Bitte nach Erlösung des Ökumenischen Patriarchats von der Schuldenlast durch den Verweis auf den Schutzherrn der Kirche schlechthin Nachdruck zu verleihen.98 Diese Bildsprache war auch variabel und flexibel genug, um unerwartete Umstände legitimieren, symbolisch akkommodieren und überhöhen zu helfen, wie bei der Regentschaft der Zarevna Sofija Alekseevna (1682–1689). Dionysios Mouselimis rief 1688 die Schwester der minderjährigen Zaren Ivan und Peter auf, als neue Debora, Ester und Judit das christliche Volk zu erlösen, während die Leichoudis-Brüder in ihrer Osterrede 1687 neben der heldenmütigen Judit (dobl’stvennejsˇaja Iudif) und der keuschen Debora (celomudrennejsˇaja Devora) auch die heilige Susanna (svjatejsˇaja Sosanna) evozierten.99 Funktional war die repetitive Beschwörung der Kaiseridee nicht nur darin, dass sie den griechischen Kirchenmännern dazu diente, konkrete individuelle und kollektive Interessen zu fördern, sondern auch, weil diese überhaupt dadurch ihren eigenen Anspruch als Vermittler des Gottesgnadentums geltend machten: »Die Herrschaftsidee rechtfertigt den Herrscher und die Formulatoren zugleich.«100 Die Rolle, die sie sich selbst im Zusammenhang dieser Traditions97 »….και μάλιστα ημείς ο αποστολικός και αγιώτατος μας θρόνος της αγίας πόλεως Ιερουσαλήμ […] από εσένα τον δεύτερον Σολομώντα, τον μέγα βασιλέα Αλέξιον Μιχαηλοβίτζη«, Paisios Lampardis an Aleksej Michajlovicˇ, RGADA f. 52, op. 2, nr. 264 ( 21. September 1646). 98 »Ως άλλος βασιλεύς αοίδιμος Μέγας Κωνσταντίνος, όπου την ορθόδοξον πίστιν των ορθοδόξων χριστιανών εστερέωσε και εκράτυνε εις τον καιρόν της αγίας του βασιλείας […] έτζη και η μεγάλη σου βασιλεία να αξιωθή του αγίου αυτής χαρίσματος, του ακαταπαύστου παρρησιαστικού μνημοσύνου και να μνημονεύεται εις αιώνα τον άπαντα […] να δεηθούμεν εις τας ημέρας ταύτας τας δυστυχισμένας και στενοχωρημένας να ελευθερώσωμεν την Εκκλησίαν του Χριστού από τον βυθόν του βαρυτάτου χρέους«, Parthenios II. an Aleksej Michajlovicˇ, RGADA f. 52, op. 2, nr. 372 (August 1650). 99 Kapterev, Charakter, 370f.; Bogdanov, Pamjatniki, nr. 17, 183f. Zur Herrschaftsrepräsentation Sofijas vgl. E. Kristofovich-Zelensky, »Sophia the Wisdom of God: The Function of Religious Imagery during the Regency of Sofiia Alekseevna of Muscovy«, in: L. O. Fradenburg (Hg.), Women and Sovereignty, Edinburgh 1992, 192–211. Der Patriarch Paisios von Alexandria bzw. Paisios Ligaridis, der wohl die Grußrede verfasste, bezeichnete 1667 die Zarin Maria Il’inicna als »neue Helena«, »neue Pulcheria« und »neue Theodora«, Tzoumerkas, Ο κώδιξ, 146, 148. Zur Flexibilität der byzantinischen Enkomiastik vgl. Magdalino, Manuel I. Comnenus, 418; Kioussopoulou, Βασιλεύς ή οικονόμος, 195. 100 Beck, Jahrtausend, 83; vgl. Angelov, Ideology, 161–166; ders., »Byzantine imperial panegyric as advice literature (1204–c.1350)«, in: E. Jeffreys (Hg.), Rhetoric in Byzantium, Aldershot 2003, 55–72; G. T. Dennis, »Imperial Panegyric: Rhetoric and Reality«, in: H. Maguire (Hg.),
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konstruktion herbeiargumentierten, war jene der geistlichen Führung der orthodoxen Welt – als Pendant (und Garant) der kaiserlichen Stellung des Zaren. Diese Rollenverteilung ließ sich mithilfe des byzantinischen Topos von der Konkordanz (Symphonia) zwischen Kaisertum und Priestertum, interpretationsoffen und flexibel wie dieser war, definieren. Der Akzent wurde stets auf das gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis gesetzt, das die Frage nach dem Primat des Kaisers oder der Kirche ausklammerte. Die göttliche Vorsehung habe den Menschen zu seinem Heil mit zwei Gaben, Kaisertum und Priestertum (Basileia und Hierosyne), beschenkt, damit Körper und Seele sich gegenseitig stützten und ergänzten, so Gerasimos Vlachos, der als Vorbild das Bruderpaar Moses und Aaron zitierte,101 oder Dionysios Mouselimis, der in ähnlicher Weise Politisches und Geistliches mit der Metapher von Körper und Seele unterschied und zugleich verband.102 Insofern, als diese Vorstellungen auf eine Art imaginäres Kondominium über die orthodoxe Welt zwischen Moskauer Kaisertum und griechischem Priestertum hinausliefen,103 ließen sie – und hier lag ein wesentliches Motiv – kaum Platz für eine gleichberechtigte russische Kirche. Die Diskrepanz zwischen der ökumenischen Stellung des Zaren und des Moskauer Patriarchen war schon 1593 festgeschrieben worden. Den Anspruch auf Vormundschaft über ihre russischen Amtsbrüder erhoben in der Folgezeit griechische Kirchenmänner, implizit oder explizit, aus verschiedenen Anlässen.104 Damit war auch eine Geringschätzung der theologischen Kompetenz sowie der diversen Sonderentwicklungen in der russischen Kirche verbunden. Am deutlichsten zeigte sich dies während der Synode von 1666/67, die allgemein als Höhepunkt des griechischen Einflusses auf die russische Kirche gilt. Die Patriarchen von Alexandria und Antiochia sowie weitere griechische Metropoliten richteten nicht nur über die internen Affären der russischen Kirche, sondern geißelten mit bemerkenswerter Schärfe und Ironie die »Einfältigkeit und Ignoranz« (εξ απλότητος και αμαθείας) von Metropolit Makarij und seinen Mitarbeitern und machten die Beschlüsse der Stoglav-Synode von 1551 rückgängig.105 Im selben Zusammenhang, im Vorfeld der Synode, machten Dionysios Iviritis und in ähnlicher Diktion Paisios Ligaridis die Sonderentwicklung der
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Byzantine Court Culture from 829 to 1204, Washington D.C. 1997, 131–140, hier 136. Vgl. zum vorliegenden Zusammenhang Kämpfer, Herrscherbild, 202. Waugh, »Odolenie«, 98f. Dionysios Mouselimis an die Zaren Ivan und Peter, RGADA f. 52, op. 2, nr. 679, 11. Juni 1688, siehe Anhang Nr. 6. Vgl. Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 100; Neubauer, Car und Selbstherrscher, 105. »Even after 1589, the Greeks who came to Moscow for alms remained convinced that the Greek ›mother church‹ was still the ultimate arbiter of Eastern Orthodox belief and practice«, Crummey, »The Orthodox Church and the Schism«, 618. Text in: Delikanis, Τα εν τοις κώδιξι του Πατριαρχικού Αρχειοφυλακίου, Bd. 3, 136; vgl. Scheliha, Universalkirche, 298–311.
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russischen Kirche nach 1453 und das Ausbleiben der griechischen Vormundschaft für den Raskol verantwortlich. Als Heimzahlung für die in Moskau verbreitete Anzweiflung der griechischen Orthodoxie behauptete Dionysios, dass die Russen es gewesen seien, die die Orthodoxie beinahe aufgegeben hätten, ehe die Besuche griechischer Kirchenmänner, von Ieremias und Theofanis bis zur Synode von 1666/67 in Moskau, die Häresien auszutilgen und die Orthodoxie wiederherzustellen vermocht hätten.106 Zwar genoss dieses selbstbewusste Auftreten den Rückhalt des Zaren, in derselben Weise wie die Autorität der griechischen Kirchenmänner immer wieder instrumentalisiert wurde, um interne Konflikte zu entscheiden bzw. bereits getroffene Entscheidungen zu legitimieren und zu sanktionieren.107 Dennoch lassen solche Aussagen erkennen, welche Rollenverteilung in der Orthodoxie den griechischen Geistlichen vorschwebte. Um die Wirkung dieser Vorstellungen auf die reale Kirchenpolitik zu ermessen, lohnt sich eine kurze Betrachtung der Rolle, die griechische Kirchenmänner im sogenannten »Prinzipienstreit« spielten, zumal diese, wie Paul Bushkovitch bemerkte, bisher nicht ausreichend bzw. ausschließlich aus russischer Perspektive erforscht ist.108 Außerdem stellen diese Ereignisse ein Paradebeispiel für die Funktionen der »politischen Orthodoxie« und des »imaginierten Byzanz« im Zusammenhang des 17. Jahrhunderts dar. In der älteren Forschung wurde der Konflikt, der zu Nikons Abdankung und Verurteilung führte, vornehmlich als Machtkampf zwischen Kirche und Staat interpretiert, entschieden zugunsten des Letzteren, nicht zuletzt mithilfe der geldgierigen bzw. vom Zaren abhängigen Griechen.109 Obwohl schon Vladimir Solov’ev konstatiert hatte, dass die Griechen Nikon aufgrund seines ›unbyzantinischen Verhaltens‹ verurteilten, während sie seine ›byzantinischen‹ Reformen bestätigten, also eine gewisse Konsequenz an den Tag legten,110 ist diese Einsicht nur bedingt weiterverfolgt worden. Daher bleibt der Widerspruch in überkommenen Deutungen unaufgelöst, wie etwa bei Nikolaj Kapterev, der die Beschlüsse der Synode von 1666/67 auf die Arroganz der Griechen und ihre Verachtung für die russische Kirche zurückführte, 106 Text in: N. F. Kapterev, Patriarch Nikon i Car’ Aleksej Michajlovicˇ, Sergiev Posad 1909–1912, Bd. 2, Appendix xi, xxix–xxxiii; vgl. Alexandropoulou, Διονύσιος Ιβηρίτης, 110–113, 228–233; dies., »The History of Russia«, 80–83; Fonkicˇ, »Grecˇeskoe knigopisanie«, 30–32; N. I. Subbotin, Materialy dlja istorii raskola za pervoe ego susˇcˇestvovannija, Moskau 1875–1895, Bd. 9, 13–265 (Ligaridis’ »Widerlegung der Bittschrift des Popen Nikita«), hier 233–235; vgl. Tzoumerkas, Ο κώδιξ, 157. 107 Für dieses Muster wären auch für die Zeit vor 1667 mehrere Fallbeispiele zu nennen, vgl. Scheliha, Universalkirche, 235–294; Billington, The Icon and the Axe, 150; D. A. Frick, »Sailing to Byzantium: Greek Texts and the Establishment of Authority in Early Modern Muscovy«, HUS 19 (1995), 138–157, hier 143. 108 Vgl. Bushkovitch, Religion and Society, 203, Anm. 40. 109 Überblick über die Deutungen bei Potter, The Russian Church, 6, 128–131. 110 Zitiert nach Sevcˇenco, »A New Greek Source«, 246.
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gleichzeitig aber ihre absolute Abhängigkeit vom Zaren sowie ihre Bereitschaft, die Wünsche des Herrschers zu antizipieren und den russischen Bischöfen aufzuoktroyieren, brandmarkte.111 Zunächst geht die neuere Forschung nicht mehr von einem russischen Investiturstreit aus. Nikon war sich mit dem Zaren nicht nur im Bestreben einig, die russische Orthodoxie der Ostkirche gegenüber zu öffnen – der »politische Antrieb« der Kirchenreform – und ihren Einfluss auf das Kirchenvolk als Vermittlerin der Glaubenslehre und der Frömmigkeit sowie als Treibkraft der Sozialdisziplinierung zu stärken, sondern auch in den »imperialen Szenarien«, die er entwarf, um sowohl seine eigene als auch die Repräsentation der RomanovDynastie zu kultivieren.112 Sein Programm stellte keine Infragestellung der Zarenmacht dar, vielmehr zielte die Beanspruchung des byzantinischen Erbes, Nikons eigenes exzessiv überhöhtes, imaginiertes Byzanz, auf die Realisierung einer orthodoxen imperialen Utopie in Moskau, die sich am Vorbild der Symphonia orientierte. Als deren sichtbare Vorankündigungen dienten Aleksejs von Nikon mitinszenierte Triumphzüge wie auch die imposanten Klostergründungen, insbesondere das Neu-Jerusalem-Kloster.113 Der »Griechenfreund« Nikon erfreute sich des Rats, der Förderung und auch der symbolischen Sanktionierung seiner Projekte, etwa durch den Ikonen- und Reliquientransfer, seitens griechischer Hierarchen und genoss auch deren Sympathien. Trotzdem war der Keim der Entfremdung spätestens in seiner sukzessiv gereiften Absicht angelegt, als an der Residenz des Kaisers amtierender Patriarch die entsprechende Stellung in der orthodoxen Kirche zu beanspruchen.114
111 Kapterev, Patriarch Nikon, Bd. 2, 263f.; vgl. M. Cherniavsky, »The Old Believers and the New Religion«, SR 25 (1966), 1–39, hier 8, Anm. 32; Panchenko, Arab Orthodox Christians, 325f. 112 Vgl. Potter, The Russian Church, 196–200; Kain, »Before New Jerusalem«; Thyret, »The Cult of the True Cross«; Bushkovitch, Religion und Society, 61f.; Crummey, »The Orthodox ˇ esnokova, »Ideja«, 196. Church and the Schism«, 629–635; C 113 Vgl. Kain, »Before New Jerusalem«; ders., »›New Jerusalem‹ in seventeenth-century Russia: The image of a new Orthodox Holy Land«, Cahiers du Monde Russe 58 (2017), 371–394; Billington, The Icon and the Axe, 133f. 114 Ein Indiz dafür ist in der Anordnung der Zentralkirche des Neu-Jerusalem-Klosters zu erkennen. Es waren fünf Altäre vorgesehen, vier für die übrigen Patriarchen und der zentrale für Nikon, vgl. Potter, The Russian Church, 177; Scheliha, Universalkirche, 102; Meyerdorff, Russia, Ritual and Reform, 90; Vernadsky, »Epanagoge«, 141; N. Kizenko, »The Church Schism and Old Belief«, in: A. Gleason (Hg.), A Companion to Russian History, Chichester 2009, 145–162, hier 147. Kevin M. Kain sieht die Ursache des Zwists in den divergierenden Projekten Nikons und der griechischen Hierarchen: Beide Seiten feierten Aleksej als neuen Konstantin und erkannten seinen imperialen Status an, aber während die Griechen von ihm die Befreiung Konstantinopels erwarteten, wollte Nikon Aleksejs Energie nach innen richten und in Moskau das Äquivalent des orthodoxen Kaiserreichs und des Heiligen Landes errichten, Kain, »Before New Jerusalem«, 229f.
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Der Konflikt zwischen Aleksej und Nikon war daher nicht vorprogrammiert; persönliche Befindlichkeiten scheinen den Ausschlag gegeben zu haben.115 Erst nach seinem Rücktritt 1658 und der ausgebliebenen Reueerklärung des Zaren radikalisierten sich Nikons Äußerungen zur Macht des Patriarchenamts.116 Es war in der Tat Paisios Ligaridis, der die Frage nach dem Verhältnis von Priestertum und Kaisertum aufwarf, um Nikon in die Enge zu treiben – ein Kalkül, das auf jeden Fall aufging.117 Selbst dann aber stützte sich Nikon in seinen Antworten überwiegend auf byzantinische Autoritäten, wenn auch in der Tradition der »hierokratischen« Strömung, um zu behaupten, das Abbild Christi sei der Patriarch und das Priestertum folglich höher gestellt als das Kaisertum.118 In der Synode selbst wurde die aufgeworfene »Verfassungsfrage« ausführlich erörtert, glaubt man auch nur in Ansätzen dem selbstgefälligen Bericht von Ligaridis.119 Die Entscheidung fiel aber unspektakulär aus, nämlich als Reformulierung des Symphoniaprinzips: Der Kaiser hat in den weltlichen, der Patriarch in den geistlichen Dingen den Vorrang.120 Eher ging es um die Frage nach der kirchli115 Vgl. Bushkovitch, Religion and Society, 63; G. Michels, »Opportunists, Idealists, and Functionaries. The Men who ruled the Russian Church under Nikon (1652–66)«, in: R. O. Crummey u. a. (Hg.), Russische und Ukrainische Geschichte vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, [= FOG 58], Wiesbaden 2001, 199–201, hier 201; Crummey, »The Orthodox Church and the Schism«, 634; Ostrowski, Muscovy and the Mongols, 213; Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 136; Potter, The Russian Church, 123; Vernadsky, »Epanagoge«, 137. 116 Vgl. Potter, The Russian Church, 123; Scheliha, Universalkirche, 103. 117 Vgl. Potter, The Russian Church, 196, 199. Zum perönlichen Duell zwischen Nikon und ˇ 14 (2016), Ligaridis vgl. S. K. Sevast’janova, »Lik i oblik: Patriarch Nikon i Paisij Ligarid«, KC 326–382; dies., »Poslanie Gazkogo mitropolita Paisija Ligarida Patriarchu Nikonu«, KCˇ 16 (2018), 117–208; dies., »›Vozrazˇenie‹ patriarcha Nikona kak pamjatnik russkoj polemicˇeskoj ˇ 17 (2019), 137–189. kul’tury vtoroj poloviny XVII v.: Problemy i perspektivy izucˇenija«, KC 118 Explizit zitierte Nikon die Eisagoge des Photios, Reden von Johannes Chrysostomos sowie die Donatio Constantini, vgl. Kapterev, Patriarch Nikon, Bd. 1, 181–204; Vernadsky, »Epanagoge«; Potter, The Russian Church, 197–199; Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 139–141; Neubauer, Car und Selbstherrscher, 151–154. Zur hierokratischen Strömung in der byzantinischen Kirche vgl. Angelov, Ideology, 351–416. Zur Donatio Constantini in Byzanz vgl. ebenda, 374–384; ders., »The Donation of Constantine and the Church in Late Byzantium«, in: ders. (Hg.), Church and Society in Late Byzantium, Kalamazoo MI, 2009, 91– 157. 119 GIM Vlad. 409 (Sinod. 469), f. 304–365 (W. Palmer, The Patriarch and the Tsar, Bd. 3, London 1873, 207–251). Ligaridis’ Selbstbeweihräucherung provoziert sogar die Empörung des Kopisten in einer sprechenden Marginalnotiz: »Αυτός ο συγγραφεύς εαυτόν πολλαχού επαινεί κανταύθα δε μάλιστα. Πώς ού μεμπταίος της αφελείας;«, ebenda, f. 460. Vgl. Für weitere Beispiele O. Olar, »›The Father and his Eldest Son‹. The Depiction of the 1667 Muscovite Palm Sunday Procession by the Metropolitan of Gaza Paisios Ligaridis and its Significance«, Revue de l’histoire des religions 235 (2018), 5–36, hier 27f. 120 Vgl. Neubauer, Car und Selbstherrscher, 176; Scheliha, Universalkirche, 116. Ligaridis macht sich darin für eine kontextgebundene Deutung der hierokratischen Aussagen byzantinischer Theologen stark, um diese zu entschärfen. Ihm gelingen zuweilen beachtliche Erkenntnisleistungen, wie etwa wenn er die Kaisersalbung durch den Patriarchen als spät-
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chen Macht des Moskauer Patriarchen, die Nikon auszubauen versucht hatte. Hier wussten sich die griechischen Hierarchen mit der Mehrheit der russischen einig und wiesen Zentralisierungstendenzen entschieden zurück.121 In derselben Weise sorgten sie in Fragen der geistlichen Gerichtsbarkeit und des Kirchenbesitzes für Entscheidungen im Sinne der Kirche (und somit im Sinne der Forderungen Nikons).122 Was die eigentlichen Kirchenreformen, Nikons Hauptvermächtnis, betrifft, so wurden diese sanktioniert – die Beschlüsse der Moskauer Synoden von 1654 und 1656 wurden bestätigt – und erweitert, indem in einer Reihe von Streitfragen der griechische Standpunkt als verbindlich festgelegt und die russischen Riten als häretisch verurteilt wurden.123 Daher lässt sich im Verhalten der griechischen Kirchenmänner im russischen »Prinzipienstreit«, soweit man ihnen eine einheitliche Haltung zuschreiben darf (schließlich lehnten die Patriarchen von Konstantinopel und Jerusalem eine Teilnahme ab), doch als ihr Kompass erkennen, dass sie die kirchenpolitische Aufwertung des Moskauer Patriarchats zu vereiteln wussten, dass sie die ihnen vom Zaren angebotene Rolle als Vormunde und Richter über die russische Kirche und die ihnen zuerkannte Deutungshoheit über die kirchliche Tradition bereitwillig annahmen und in ihrem Sinne auslegten und schließlich dass sie weit weniger darüber besorgt waren, dem Zaren die herausgehobene Stellung als orthodoxer Kaiser samt den dazugehörigen Vollmachten einzuräumen. Sogar Ligaridis’ Ausruf, die Russen seien eines solch großartigen Kaisers nicht würdig, ist nicht nur als eine (weitere) Schmeichelei an die Adresse des Zaren zu lesen, sondern auch als Veranschaulichung der Diskrepanz zwischen der Stellung des Zaren und der russischen Glaubensbrüder in der Ostkirche.124 Alle Akteure haben sich, wenn auch in unterschiedlicher Weise und Absicht, auf die byzantinische Tradition als normative und autoritative Instanz berufen: der Tomos der vier Patriarchen (1663), der auf der Grundlage der Nomokanones
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byzantinische Neuerung korrekt auf die Zeit von Michail Palaiologos datiert und auf lateinische Vorbilder zurückführt, GIM Vlad. 409 (Sinod. 469), f. 319–321 v. In den Stellungnahmen des Patriarchen von Alexandria Paisios kommen dagegen hierokratische Töne stärker vor: Kirchliches wird von Politischem explizit getrennt (άλλα μεν εισί τα εκκλησιαστικά, τα δογματικά και τα νόμιμα, άλλα δε εισί τα πολιτικά, τα εξωτερικά και τα ηθικά), der Patriarch wird als »lebendes Gesetz« (νόμος έμψυχος) anstelle des Kaisers bezeichnet. Im geistlichen Bereich muss sich der Patriarch dem Kaiser nicht unterordnen, sondern, wenn nötig, Widerstand leisten, Tzoumerkas, Ο κώδιξ, 116. Vgl. Potter, The Russian Church, 190, 217f. Vgl. Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 153; Neubauer, Car und Selbstherrscher, 174– 178. Delikanis, Τα εν τοις κώδιξι του Πατριαρχικού Αρχειοφυλακίου, Bd. 3, 121–182; Scheliha, Universalkirche, 298–308. GIM Vlad. 409 (Sinod. 469), f. 346; Palmer, The Patriarch and the Tsar, Bd. 3, 235; vgl. auch die diesbezüglichen Aussagen im ersten Brief von Ligaridis an Nikon (1663) bei Delikanis, Τα εν τοις κώδιξι του Πατριαρχικού Αρχειοφυλακίου, Bd. 3, 73–87.
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der Ostkirche, im Grunde Blastares’ Syntagma, dem Zaren mehr oder weniger freie Hand gewährte;125 Ligaridis sowieso, der in den Antworten auf ihm vorgelegten Fragelisten sowie während der von ihm dirigierten Synode das Primat des Kaisers noch entschiedener und rücksichtsloser vertrat.126 Auf russischer Seite beschworen sowohl Nikon als auch die Bischöfe, die in der Synode gegen Ligaridis opponierten, das byzantinische Ideal, ja, auch die »Altgläubigen«, die die Verdorbenheit der zeitgenössischen griechischen Kirche an ihrem Abfall von der Urquelle des »griechischen Glaubens« festmachten.127 Dafür, dass auch hier kaum von einer eigentümlichen Rückwärtsgewandtheit der traditionsverhafteten orthodoxen Kirche die Rede sein kann – obwohl diese Ansicht lange die Deutungen der russischen Kirchenspaltung bestimmte –, bedarf es vielleicht keiner langen Erörterungen mehr. Die allermeisten religiösen Bewegungen – die Reformation ist das naheliegendste Beispiel – haben sich als reinigende Rückkehr in eine verklärte Vergangenheit verstanden.128 Wichtiger ist es festzuhalten, dass die Berufung auf Byzanz als zentraler Bestandteil einer von Russen und Griechen geteilten politisch-theologischen Sprache, selektiv und flexibel gehandhabt, unterschiedliche, ja, entgegengesetzte Anliegen legitimierte: »In short the voyage to Byzantium was a matter of imagination and will.«129 Die bisher erörterten Aspekte der »politischen Orthodoxie« als Grundmuster des Verhältnisses zwischen den griechischen Kirchenmännern und dem Moskauer Zaren: die politisch-theologische Herrschaftslegitimation, die Einsetzung des Biblizismus und die Evozierung eines imaginierten Byzanz in Topik und Traditionsbeschwörung, die Funktionalität des Herrscherlobs, gekoppelt an 125 SGGD, Bd. 4, 84–117; D. G. Apostolopoulos, Το Μέγα Νόμιμον. Συμβολή στην έρευνα του μεταβυζαντινού δημοσίου δικαίου [Das Große Gesetzesbuch. Beitrag zur Erforschung des postbyzantinischen öffentlichen Rechts], Athen 1978, 39–58; Scheliha, Universalkirche, 108; Neubauer, Car und Selbstherrscher, 158f. 126 Vgl. Papadopoulos, Χειραγωγοί, 101–104; D. A. Petrakakos, »Ο Γάζης Παΐσιος ως κανονολόγος« [Paisios, Metropolit von Gaza, als Kanonist], Θεολογία 15 (1937), 193–207, 289–322; Ch. K. Papastathis, »Paisios Ligaridis et la formation des relations entre l’église et l’état en Russie au XVIIe siècle«, Cyrillomethodianum 2 (1972/73), 77–85; I. Sˇevcˇenko, »A New Greek Source concerning the Nikon Affair: The Sixty-One Answers by Paisios Ligarides given to Tsar Aleksej Mixajlovicˇ«, in: ΓΕΝΝΑΔΙΟΣ. K 70-letiju akademika G. G. Litavrina, Moskau 1999, 237–263; Neubauer, Car und Selbstherrscher, 149–151. 127 »Der Unterschied zwischen Nikon und den Altritualisten bestand deshalb weniger in einer ›Gräkophilie‹ und ›Gräkophobie‹, als vielmehr darin, dass sie ihr jeweiliges griechisches Leitbild in verschiedenen Epochen verorteten«, Scheliha, Universalkirche, 321; vgl. O. Alexandropoulou, »Τα ελληνικά βιβλία και οι Ρώσοι παλαιόπιστοι στα μέσα του 17ου Αιώνα« [Die griechischen Bücher und die russischen Altgläubigen in der Mitte des 17. Jahrhunderts], Ο Ερανιστής 24 (2003), 29–47. 128 Vgl. Cherniavsky, The Old Believers, 4: »In the West as in the East, all Christian reform movements offered a return to the past (whatever the real motives of the movements may have been). The problem always has been which of the many pasts to defend.« 129 Fricks, »Sailing to Byzantium«, 156.
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Ansprüche, Erwartungen und Strategien, schließlich das Bestehen auf die eigene Führungsrolle, einhergehend mit einer herablassenden, kritischen oder geringschätzenden Behandlung der russischen Kirche und ihrer Aspirationen – all das lässt sich deutlicher veranschaulichen und rekapitulieren am Beispiel der wohl bedeutendsten Figur der Ostkirche im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts, Patriarch Dositheos von Jerusalem. Der herrische Hierarch, der mit seinem selbstbewussten, direkten, oft harrschen Ton aus der Reihe der Korrespondenten Moskaus herausragt, sprach in seinem Geschichtswerk, der Dodekavivlos (Geschichte der Patriarchen von Jerusalem in zwölf Büchern), auch in Bezug auf die russische Kirche eine sehr deutliche Sprache. Darin hielt er bereits 1689 seine Bedenken fest, als er das einschlägige, bei der Druckfassung von 1715 (= 1722)130 von seinem Neffen und Nachfolger Chrysanthos Notaras wegzensierte Kapitel verfasste. Im Text reproduziert er die unter den griechischen Geistlichen gängige Ansicht, die Russen hätten sich nach dem Fall Konstantinopels bar der Vormundschaft der Griechen manch absurde Lehre zu eigen gemacht, sowie die ambivalente Haltung zu Nikon. Dessen Reformwerk, die Anpassung der kirchlichen Riten an die griechischen Vorbilder, weiß er zu schätzen. Doch die Arroganz, sein »tyrannisches Gemüt« (er verglich ihn mit Parthenios II.) und sein Bestreben, nicht nur die russische Kirche autoritär (δυναστικώς) zu regieren, sondern auch seine Stellung in der Ostkirche aufzuwerten, verurteilt er streng. Besonders Nikons Neu-Jerusalem-Klostergründung, in Dositheos’ Augen ein »Skandal«, erregte seine Empörung.131 Doch auch in seiner bewusst informell gehaltenen Korrespondenz mit den Moskauer Patriarchen fand er klare Worte und versuchte sie wiederholt in ihre Schranken zu weisen. Bereits 1672/73 rügte er Patriarch Pitirim (1672–73) dafür, dass er seinen Thronantritt den Amtsbrüdern, »seinen Meistern«, nicht schriftlich mitgeteilt hatte: Er solle sich stets an die vier Patriarchen wenden und sich belehren
130 Zur Herausgabe des Werks von Dositheos durch Chrysanthos und zur Ermittlung des eigentlichen Druckzeitpunkts (1722) vgl. K. Sarris, »Ο Χρύσανθος Νοταράς και η έκδοση της Δωδεκαβίβλου του Δοσίθεου Ιεροσολύμων: μια περίπτωση αναληθούς χρονολογίας έκδοσης (1715/ c. 1722)« [Chrysanthos Notaras und die Herausgabe der Dodekavivlos des Dositheos von Jerusalem: der Fall einer unwahren Druckjahresangabe], Μνήμων 27 (2005), 27–53. 131 »Επί του Αλεξίου τούτου εγένετο Νίκων τις πατριάρχης, όστις εις ταις αρχαίς έγινε πολλών καλών αιτία, επειδή μετά την άλωσιν της Κωνσταντινουπόλεως υπό των Αγαρηνών οι Ρώσοι μείναντες χωρίς της διδασκαλίας των Ρωμαίων από κακήν συνήθειαν εδέχθησαν εις την εκκλησίαν των, ήτοι εις την Μοσχοβίαν, τινά αλλόκοτα δόγματα, και τινά συνεγράφησαν και εις βιβλία. […] θέλων υπεράνω είναι του αποστολικού θρόνου ο χθες και πρότριτα μητροπολίτης και υπό των πατριαρχών λαβών το αξίωμα της πατριαρχίας […].Το αμάρτημα όμως του Νίκωνος ήττον διττόν· πρώτον ότι δεν έκτισεν μοναστήριον εις όνομα και τιμή του αγίου τάφου, αλλ’ έκαμε τόπους αγίου τάφου, άγιον Γολγοθάν όπερ ουκ έρρωται· δεύτερον ότι έκαμε τα τοιαύτα εις έθνος άκακον και έδιδε κατ’ ολίγον σκάνδαλον να θαρρούν ότι εκείνη είναι η Ιερουσαλήμ«, Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 233–235.
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lassen, denn der Jünger stehe nicht über seinem Meister.132 Im Zuge des Streits um die Jurisdiktion über die Kiever Metropolie 1686, den er in der Dodekavivlos ebenfalls unverblümt schildert,133 ließ er Patriarch Ioakim von Moskau wissen: »Reicht es denn nicht, dass die Moskauer Metropolie zum Patriarchat erhoben worden ist und die Kirche es gestattet hat, dass er [der Moskauer Patriarch] von der eigenen Synode gewählt wird, sodass er alle Privilegien eines Patriarchen geniesst, nun verlangt Ihr, eine fremde Eparchie aufzunehmen? Ist es keine Schande vor den Menschen und eine Sünde vor Gott, Bestechungsgelder zu senden und die Leute zu verführen? […] Es ist reine Simonie […] reine Gier und Verachtung der Ostkirche […]! Verachtet nicht jene, von denen Ihr bekommen habt, was Ihr seid!«134
Wie schon Nikolai Kapterev bemerkt hat, ging es bei diesen Ansprüchen nicht ausschließlich um den verletzten Stolz eines reizbaren Geistlichen. Auf dem Spiel stand nicht weniger als die Grundvorstellung, die weiter oben als imaginäres Kondominium bezeichnet wurde: Die erwähnte Machtentfaltung und Ausdehnung des Moskauer Reichs, zunächst in der Ukraine, später in den Donaufürstentümern, in Georgien und womöglich noch weiter gen Süden hinaus, eine Vision, die Dositheos selbst bejahte und nach Kräften unterstützte, durfte auf keinen Fall eine Aufwertung und territoriale Erweiterung des Moskauer Patriarchats nach sich ziehen.135 Die untergeordnete Stellung der russischen Kirche rief Dositheos unter anderem seinen russischen Amtsbrüdern ins Gedächtnis, etwa Patriarch Adrian 1700 oder noch einmal zornentbrannt dem Patriarchatsverweser Stefan Javorskij 1703.136 Sprechend ist des Weiteren sein Schreiben an 132 »Δέον δε τους μαθητάς ερωτάν πάντοτε και μανθάνειν παρά των διδασκάλων, ίνα η αλήθεια μένη αμετακίνητος, αναλλοίωτος και αμείωτος· ουδ’ έστιν ειπείν ότι των Πατριαρχών της συνέσεως υπερέβητε· αψευδής γαρ ο ειπών ουκ έστι μαθητής υπέρ τον διδάσκαλον ουδέ Απόστολος επί τόν πέμψαντα αυτόν«, Delikanis, Τα εν τοις κώδιξι του Πατριαρχικού Αρχειοφυλακίου, Bd. 3, 191– 197, hier 193f. Dositheos paraphrasiert Mt 10,24; Lk 6,40; Joh 13,10. 133 Bezeichnenderweise schiebt er die Schuld auf Ioakims Eitelkeit, der die jungen Zaren zur Annektion der Eparchie verleitet habe: »…Ιωακείμ απονοία χρώμενος και κενοδοξία πείθει τους βασιλείς…«, Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 239–241. 134 »και δεν σώνει όπου έγινεν η μητρόπολις της Μοσχοβίας πατριαρχείον, και έδωκεν και η εκκλησία θέλημα να χειροτονείται υπό της ιδίας συνόδου, διά να τιμάται με όλα τα πατριαρχικά προνόμια, μόνον ζητείτε να πάρετε ξένην επαρχίαν, και τι εύλογον αιτίαν ημπορείτε να ειπείτε και εις τον Θεόν και εις τους ανθρώπους […] Δεν είναι εντροπή από τον κόσμον, δεν είναι αμαρτία εις τον Θεόν, να στέλνετε άσπρα να ευγάνετε τους ανθρώπους από τον νουν τους […] είναι φανερά σιμωνία […] φανερά πλεονεξία, και καταφρόνησις της Ανατολικής Εκκλησίας […] εις τον παρόντα αιώνα εις την εκκλησίαν και εις τον μέλλοντα εις το κριτήριον του Θεού να έχετε όνομα πως φυλάττετε της εκκλησίας τους όρους, και πως ακολουθείτε της εκκλησίας τους νόμους, πως δεν καταφρονάτε εκείνους από τους οποίους έχετε εκείνο οπού είστε«, GIM Vlad. 539 (Sinod. 2313), f. 1v–2, Dositheos an Ioakim (April 1686). 135 Vgl. Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 261f.; ders., Snosˇenija Dosifeja, 85f. 136 RGADA f. 52, op. 1, 1703, nr. 1, f. 46–48v; publiziert bei Delikanis, Τα εν τοις κώδιξι του Πατριαρχικού Αρχειοφυλακίου, Bd. 3, 218–225; russische Übersetzung bei Kapterev, Charakter, 541–546. Zu den theologischen Aspekten des Streits zwischen Dositheos und Ja-
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Kallinikos II. von Konstantinopel (1688, 1689–1693, 1694–1704) von 1701, in dem er dem Ökumenischen Patriarchen das geeignete Vorgehen im Fall Javorskij diktiert. In typischer Ausblendung aller postbyzantinischen Umbrüche, redet Dositheos, als wäre Moskau nach wie vor als Eparchie Konstantinopels zu betrachten.137 Auch gegenüber den Zaren äußerte Dositheos sich deutlich und plädierte für eine komfortable Verständigung über die Köpfe der russischen Hierarchen hinweg. Bereits 1682 legte er Fedor Alekseevicˇ nahe, bei ernsten kirchlichen Angelegenheiten auch »die großen Hierarchen des Ostens« in die Entscheidungsfindung einzubinden.138 Peter warnte er in einem zu Recht beachteten Brief,139 dass ein studierter und ambitionierter Hierarch wie der Ruthene Stefan Javorskij nicht nur häretische Lehren einführen, sondern als zweiter Nikon eine Staatsaffäre heraufbeschwören könnte.140 Am besten wäre es, bei kirchlichen Fragen überhaupt eine interne Lösung zu umgehen, »um Streit, Zweifel und Kopfschmerzen für die Kaiser zu vermeiden«, und gleich bei den vier Patriarchen des Ostens um eine Lösung zu ersuchen. Das stelle ohnehin keine Neuerung dar,
137
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vorskij vgl. A. A. P. Wenger, »L’église orthodoxe russe et l’immaculée conception: Le témoignage d’Étienne Iavorski, gardien du trône patriarcal de Moscou et le conflit avec Dosithée patriarche de Jérusalem«, in: Virgo Immaculata. Acta Congressus MariologiciMariani Romae anno MCMLIV celebrati, Bd. 4, Rom 1955, 196–215. Dositheos’ Brief an Adrian in: Kapterev, Snosˇenija Dosifeja, Appendix nr. 23. »Μάλιστα η αρχή και το θεμέλιον, και τέως ειπείν, το παν της διορθώσεως δει γενέσθαι παρά της υμετέρας Παναγιότητος και της περί αυτήν ιεράς και αγίας Συνόδου, και διά το αξίωμα του θρόνου και διότι η Μοσχοβία επαρχία υμετέρα«, Delikanis, Τα εν τοις κώδιξι του Πατριαρχικού Αρχειοφυλακίου, Bd. 3, 212. »Αν είναι μικρά υπόθεσις, να την ενεργή με την συνοδικήν γνώμην της αυτώσε αγίας εκκλησίας. Αν είναι μεγάλη, να την ενεργή και με γνώμην των μεγάλων αρχιερέων«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 658, Mai 1682. »Doubtless he [Peter] had never heard, nor even was to hear, such forcible language from any of his own ecclesiastics […].«, J. Cracraft, The Church Reform of Peter the Great, Stanford 1971, 124f. Der künftige Patriarch sollte ein einheimischer, nicht unbedingt hochgebildeter Kirchenmann sein (»…ότι ο πατριάρχης και ο μητροπολίτης αν είναι ενάρετοι και σοφοί, είναι μέγα καλόν. Ειδέ και δεν είναι σοφοί, αρκεί να είναι ενάρετοι«). Moskowiter seien im Gegensatz zu Griechen, Serben und Ruthenen unverstellt und unschuldig und würden daher keine Neuerungen einführen (»Ποτέ μητροπολίτην ή πατριάρχην Ρωμαίον, Σέρβον ή και Ρούσον να μην κάμη, αλλά Μοσχόβους, και όχι απλώς Μοσχόβους, αλλά φυσικούς Μοσχόβους […] ότι οι Μοσχόβοι φυλάττουν το πάτριον σέβας ακαινοτόμητον, όντες απερίεργοι και απονήρευτοι άνθρωποι, αμή οι ξένοι και εκείνοι όπου επεριπάτησαν εδώ κι εκεί, ενδέχεται να προξενήσουν τίποτε καινοτομίες εις την Εκκλησίαν.«). Schließlich sollte der neue Patriarch sich – anders als Nikon – von weltlichen Dingen fernhalten (»να είναι πατριάρχης και όχι βασιλεύς αυτοκράτωρ […] να μην ημπορεί να ανακατώνεται εις τα πολιτικά […] ωσάν ο Νίκων όπου ετάραξε την οικουμένη.«), RGADA f. 52, op. 1, 1702, nr. 1, f. 16–19 (2. Juni 1702); russische Übersetzung ediert bei Kapterev, Snosˇenija Dosifeja, Appendix 8. Jetzt Original und Übersetzung in: ˇ ast’ 3«, 373–384. Jalamas, »Ierusalimskij patriarch Dosifei i Rossija 1700–1706 gg. C
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sondern sei seit den Tagen von Ieremias II. und Theofanis üblich gewesen.141 Die Partnerschaft, die er Peter anbot, sah Dositheos durch das Konzept der Symphonia definiert und legitimiert: »Wenn der göttliche Kaiser bei solch wichtigen Angelegenheiten irgendetwas fragen möchte [es ging um Eidbruch gegenüber August dem Starken, den Dositheos Peter nahelegte], hier soll er seine Fragen richten, an jene, die geistliches Wissen und politische Erfahrung besitzen, und besonders an jene, welche die Symphonia zwischen Staat und Kirche kennen. […] Der göttliche Kaiser soll sich auf das Interesse seines eigenen Reichs ausrichten und sich vor Wortbruch gegenüber Häretikern und Eidbrüchigen nicht scheuen. Auch soll er disebezüglich keine barbarischen Geistlichen fragen, die in solchen Sachen keine Erfahrung besitzen […] Denn die Papisten und die anderen häretischen Potentate sind viele, und der eine steht dem anderen bei; doch der orthodoxe Monarch ist allein und einzig.«142
Seine eigene Rolle beschrieb Dositheos ansonsten bescheiden, als die eines Mahners (υπομνηματιστής), der gemäß dem salomonischen Spruch, einem Weisen einen Rat gebe, damit dieser noch weiser werde (Spr 9,9).143 Dositheos bediente sich gekonnt derselben überkommenen politisch-theologischen Sprache sowie der gesamten Palette des Herrscherlobs: das Sonnen-
141 »Διά να έχη η μεγάλη σου βασιλεία την φροντίδα μόνης της πολιτείας, και η εκκλησία πάντοτε να είναι ειρηνική και αστασίαστη, να προστάξη γενναίως και σταθερώς, ότι αν τύχη τι ζήτημα εκκλησιαστικόν, να μην γίνεται η λύσις εις τα αυτόθι, δια να μην προξενούνται έριδες και αμφιβολίαι και πονοκεφαλίσματα των βασιλέων, αλλά να γράφεται γράμμα εις τους τέσσαρας αγιωτάτους πατριάρχας και απ’εκεί να ζητείται η λύσις. Τούτο πανάγαθε δέσποτα δεν είναι καινόν και πρόσφατον, αλλ’αρχαίον και πάτριον«, RGADA f. 52, op. 1, 1705, nr. 1, f. 6v; russische Übersetzung ediert bei Kapterev, Snosˇenija Dosifeja, Appendix 11. 142 »…ο θειότατος εις τοιαύτα μεγάλα πράγματα αν έχη να ερωτήση τίποτες, εδώ ας ερωτά, εκείνους οπού έχουν πνευματικήν γνώσιν και πολιτικήν πράξιν, και μάλιστα εκείνους οπού γιγνώσκουσι την συμφωνίαν της πολιτείας και εκκλησίας« und kurz zuvor: »Πρέπει ο θειότατος να αποβλέψη εις το συμφέρον της ιδίας πολιτείας και την αθέτησιν των αιρετικών και επιόρκων να μη φοβηθή, μήτε περί αυτού να ερωτήση βαρβάρους και περί τα τοιαύτα απράκτους πνευματικούς […] και οι παπισταί και οι άλλοι αιρετικοί είναι πολλοί ηγεμόνες, ο ένας τον άλλον βοηθεί, αμή ο ορθόδοξος μονάρχης είναι μόνος και μονογενής….«, RGADA f. 52, op. 1, 1706, nr. 1, f. 28v, Dositheos an G. A. Golovin (Juni 1706). Die christologischen Konnotationen des Attributs »μονογενής«, (Joh 1,14 und 3,16, »eingeboren« in der Übersetzung Martin Luthers) sind evident. 143 »Επειδή προς το υμέτερον θεοστήρικτον κράτος έχομεν τόπον υπομιμνήσκοντος«, RGADA f. 52, op. 1, 1706, nr. 1, f. 64, Dositheos an Peter (15 November 1706); »…και μάλιστα ότι οι αυτοκράτορες έχουσιν υπομνηματογράφους προς το ενθυμίζειν αυτοίς τα αναγκαία εν τοις προσήκουσι καιροίς, ώστε και υμείς υπομνηματογράφου άρχοντος έχοντες τόπον προς το υμέτερον θειότατον και θεοδόξαστον κράτος«, Dositheos an Peter (2. August 1700), Jalamas, »Ierusalimskij Patriarch, cˇast’1«, 597; »πληρούντες ως και εν άλλοις μας γράμμασιν είπομεν έργον υπομνηματιστού«, Dositheos an Peter, 1. September 1701, Jalamas, »Ierusalimskij Patriarch, cˇast’2«, 483. Seinen Dienst am Zaren wollte der Patriarch als frommes Werk verstanden wissen: »ότι ημείς επροχειρίσθημεν εις διακονίαν της υμετέρας θεοσυστάτου φιλανθρωπίας όχι από λόγου μας, όπου να ημπορεί να παύση τούτο το θειότατον έργον, αλλ’ από αυτού του Θεού«, Dositheos an Peter (Januar 1705), RGADA f. 52, op. 1, 1705, nr. 1, f. 5v.
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gleichnis,144 der Vergleich mit biblischen Figuren (Moses, Salomon und David, aber auch Zorobabel und Gideon) sowie mit byzantinischen Kaisern – neben Konstantin und den üblichen Begleitern Theodosios und Justinian führte Dositheos gelegentlich noch Leo, Anastasios, Mavrikios, Markianos, Herakleios und Konstantin Pogonatos an.145 In Manier seines Mentors, Paisios Lampardis, nannte Dositheos den Zaren »das heilige Haupt des gesamten orthodoxen Systems«, »Mauer und Haupt aller orthodoxen Christen«, »Hirte und Befehlshaber des auserwählten Volkes des Herrn«, »General des Neuen Jerusalem«, »von Gott gesalbt und prädestiniert für die Freiheit des orthodoxen Volkes«.146 Kaum überraschend, ist bei Dositheos der Akzent auf die Herrscherpflichten noch ausgeprägter. An Fedor richtete er 1679 einen Mahnbrief, der sich, wie treffend angemerkt worden ist, als byzantinischer Fürstenspiegel liest.147 Vasilij Golicyn ermahnte er als eigentlichen Staatslenker 1682, das Gemeinwohl nach Hosea vor Augen zu halten, und lieferte gleich eine Legitimation der außergewöhnlichen Regierungskonstellation unter der Regentschaft Sofijas in den Begriffen der Bibel (1 Kor 14,33) und der Parainetik (Themistios’ Reden an Valerian).148 Die Zarenbrüder Ivan und Peter ließ er 1690 und 1693 wissen, dass sie als echte Nachfolger der oströmischen Kaiser diese nachzuahmen verpflichtet seien, ob es 144 Dositheos an Fedor Alekseevicˇ (27. Juli 1679): Kapterev, Snosˇenija ierusalimskich patriarchov, 239. 145 An Patriarch Adrian schrieb Dositheos vorausschauend, der Zar werde in der Geschichte als Peter »der Große« bekannt bleiben, nach dem Vorbild von Konstantin, Theodosios und Justinian: »και ο μεν γαληνότατος και θεοφρούρητος μέγας αυθέντης θέλει αποκτήση όνομα μεγάλου, ίνα ως άδεται εν πάση τη Καθολική Εκκλησία Μέγας Κωνσταντίνος, Μέγας Θεοδόσιος, Μέγας Ιουστινιανός, ούτως άδεται και ο θεοστήρικτος και γαληνότατος μέγας βασιλεύς και να λέγεται Μέγας Πέτρος ο αυτός βασιλεύς και αρχιερεύς«, Dositheos an Adrian (November 1700), RGADA f. 52, op. 1, 1701, nr. 2, f. 61. 146 »αγίαν κεφαλήν παντός του ορθοδόξου συστήματος«, Dositheos an Peter (2. August 1701), Jalamas, »Ierusalimskij Patriarch, cˇast’1«, 601; »περιτείχισμα και κεφαλή πάντων των ορθοδόξων χριστιανών«, Dositheos an Peter (7. Oktober 1700), RGADA f. 52, op. 1, 1701, nr. 2, f. 14; »ωσάν όπου η μεγαλοπρέπεια Του έθηκεν Υμάς της Νέας Ιερουσαλήμ Αρχιστρατήγους […] ο περιούσιος λαός του Κυρίου, εις τον οποίον έθετο Υμάς ο Πατήρ των οικτιρμών και Θεός πάσης παρακλήσεως, ποιμένας και διοικητάς«, Dositheos an Ivan und Peter, 1693, Jalamas, »Gramota Ierusalimskogo patriarcha«, 231; »ο προκεχειρισμένος και προωρισμένος υπό Θεού δια την ελευθερίαν του γένους των ορθοδόξων«, Dositheos an Peter, 26. Juni 1703, RGADA f. 52, op. 1, 1703, nr. 1, f. 15v. 147 Auszüge aus der russischen Übersetzung bei Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 238–240; ders., Snosˇenija Dosifeja, 38–40; vgl. Neubauer, Car und Selbstherrscher, 189; Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 88; Todt, »Dositheos«, 666. 148 »…εις δε την ενέργειαν και την κυβέρνησιν οι θειότατοι βασιλείς έχουσιν και μίαν από των μεγίστων δεσποίνων επιφέρουσαν το πρόσωπον των λοιπών, εις τον συναρτισμόν και την βουλήν και την γνώμην. Πληρούται δε εν τοις θειοτάτοις αυτοκράτορσι το του Αποστόλου, ότι ο Θεός ούκ έστι Θεός ακαταστασίας, αλλά τάξεως. Και πρωτεύει ο λόγος του πρώτου και η βουλή του δευτέρου, μετά και την γνώμην της ειρημένης μεγίστης δεσποίνης…«, Dositheos an Vasilij Golicyn, 1682, RGADA f. 52, op. 2, nr. 659, f. 3–4.
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um die Frage der Heiligen Stätten oder um die Gründung einer griechischen Druckerei in Moskau ging,149 eine Mahnung, die er gegenüber Peter 1701 mit Nachdruck wiederholte: »Es ist Eure Pflicht, frommster und gottbelehrter Herr! Denn Du bist nicht nur der einzige orthodoxe Kaiser, sondern auch der echte und legitime Nachfolger der orthodoxen Kaiser, die sich auf die Suche begaben und das Heilige Grab, den Ort des Schädels und die Heilige Geburtsstätte in Bethlehem sowie das Heilige Kreuz gefunden und der Welt offenbart haben.«150
Auch den »purpurgeborenen« Zarensohn Aleksej Petrovicˇ drängte er, sich beim Vater um der Heiligen Stätten willen zu verwenden, als erste Wohltat des Prinzen vor Christus und der orthodoxen Glaubensgemeinschaft. Hier traf allerdings der alte Patriarch wohl daneben, als er behauptete, im selben Maße wie der Zar das Abbild Christi darstelle, sei Aleksej als treues Abbild seines Vaters geboren worden.151 Ein Wort ist noch vonnöten, um den Zusammenhang von politischer Orthodoxie und byzantinischen Reminiszenzen zu präzisieren und möglichen irrtümlichen Eindrücken zuvorzukommen. Zwar wurde bereits oben betont, dass kaum von langen Kontinuitäten und zählebigen mentalen Strukturen die Rede sein kann, sondern gemäß den aktuellen Bedürfnissen des 17. Jahrhunderts Traditionen konstruiert und historische Leitbilder imaginiert wurden. Dabei ist gerade in der russischen Historiographie bzw. in der Forschung zu den frühneuzeitlichen russisch-griechischen Beziehungen lange die Vorstellung von den griechischen kirchlichen Gelehrten als Exponenten der byzantinischen Kultur und Bildung – in der Regel konnotiert mit Konservatismus, Traditionalismus oder Obskurantismus und konzipiert als Kontrastfolie zur Verwestlichung und Modernisierung Russlands – dominant gewesen. In Abgrenzung davon haben Paul Bushkovitch152 und Wolfram von Scheliha153 darauf hingewiesen, dass griechische Gelehrte ihr Wissen, das sie nach Moskau brachten, in erster Linie ihrer Ausbildung in italienischen Studienzentren verdankten und dass der vermeint149 Kapterev, Snosˇenija Dosifeja, Appendix 1; Jalamas, »Gramota Ierusalimskogo Patriarcha«, 234. 150 »Τούτο χρέος υμέτερον εστί, ευσεβέστατε και θεοδίδακτε δέσποτα. Ού μόνον γαρ ει αυτοκράτωρ μονότατος ορθοδοξότατος, αλλά και γνήσιος και νόμιμος διάδοχος των ορθοδόξων αυτοκρατόρων, οίτινες ερευνήσαντες εύρον το Κυριακόν Μνήμα, τον Τόπον του Κρανίου, και το εν Βηθλεέμ άγιον της Γεννήσεως Σπήλαιον, και τον Τίμιον Σταυρόν και εφανέρωσαν τω κόσμω«, Dositheos an Peter (7. Oktober 1700), RGADA f. 52, op. 1, 1701, nr. 2, f. 15. 151 Jalamas, »Ierusalimskij Patriarch, cˇast’1«, 631f. Zum Vater-Sohn-Konflikt, der zur Enterbung und schließlich zum Tod des Zarensohns führte vgl. Wittram, Peter I., Bd. 2, 346–405. 152 Bushkovitch, Religion and Society, 154, 174. 153 Scheliha, Universalkirche, 15–18, 391–394, 458–463, 471.
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liche Streit zwischen einer »griechischen« und einer »lateinischen Partei« um die Kontrolle der höheren Schulbildung in Moskau oder um die theologische Deutungshoheit (Eucharistiestreit) in den 1680ern Jahren als eine historiographische Konstruktion des 19. Jahrhunderts zu verstehen ist. Besonders Nikolaos A. Chrissidis hat am Beispiel der Leichoudis-Brüder demonstriert, in welchem Maße sich die griechische Orthodoxie seit dem Ende der byzantinischen Epoche durch die Impulse aus den westlichen Konfessionen gewandelt hatte, und auch nachgewiesen, dass etwa das Bildungsgut, dass die Leichoudis-Brüder sich bei ihrem Lehrer Gerasimos Vlachos angeignet hatten und in ihrer Akademielehrtätigkeit in Moskau vermittelten, im Grunde als ein jesuitischer Aristotelismus zu beschreiben ist.154 Es stellt sich daher die Frage, ob und inwiefern diese Neuerkenntnisse und historiographischen Revisionen zum hier präsentierten Konzept eines imaginierten Byzanz und überhaupt zur Betonung byzantinischer Modelle und Bezüge im Zusammenhang des 17. Jahrhunderts in Widerspruch stehen. Zunächst sei festzuhalten, dass eine politische oder politisch-theologische Sprache, die flexibel und selektiv aus bewährten Arsenalen zu schöpfen weiß, so zentral und bedeutend ihr Wirkungsbereich auch ist, bei Weitem nicht für das Ganze einer Gelehrtenkultur stehen muss. Wichtiger ist jedoch, dass der »barocke Byzantinismus« etwa eines Ligaridis in keinem Widerspruch zu seiner »westlichen« Bildung steht und keineswegs – es sei wiederholt – als Überleben oder Permanenz einer imaginären byzantinischen Kultur zu verstehen ist. Darauf, dass Byzanz im 16. und 17. Jahrhundert einen durchaus attraktiven und genutzten Fundus für Bedürfnisse der Herrschaftsrepräsentation und -legitimation auch in westeuropäischen Kontexten darstellte, wurde oben hingewiesen. Aus »Byzanz« – wohlgemerkt vor dem vernichtenden Urteil der Aufklärer – den Antipoden eines ähnlich imaginären westlichen Kulturmodells zu machen, hieße letzlich, die Dichotomien der älteren Forschung zu reproduzieren. Politische Sprachen zeichnen sich durch ihre Pluralität und auch durch Interaktion zwischen verschiedenen Angeboten aus.155 Geschickte und gebildete Akteure können auf unterschiedlichen Klaviaturen spielen.156 Gerade die Beispiele von Gerasimos Vlachos und den
154 Chrissidis, An Academy, besonders 186–195; vgl. ders., »A Jesuit Aristotle in SeventeenthCentury Russia: Cosmology and the Planetary System in the Slavo-Greco-Latin Academy«, in: M. Poe, J. Kotilaine (Hg.), Modernizing Muscovy: Reform and Social Change in Seventeenth-Century Russia, London 2004, 391–416. 155 »Im politischen Kommunikationsraum war und ist meist eine Vielzahl von politischen Sprachen im Gebrauch, die sich durchaus miteinander vereinbaren lassen und keineswegs notwendigerweise ausschließen.«, Pecˇar, Trampedach, »Biblizismus«, 7, 11–14. Für eine Beschreibung der Moskauer »kulturellen Modernisierung […] auf dem Untergrund einer byzantinisch-orthodoxen Legitimationsbasis«, siehe Kämpfer, Herrscherbild, 202f. 156 Pecˇar, Trampedach, »Biblizismus«, 5, Anm. 12.
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Leichoudis-Brüdern mögen die Kompatibilität byzantinischer Bezüge und barock-jesuitischer Rhetorik veranschaulichen: In seinem Thriamvos verbindet Vlachos biblische Figuren und Zitate mit aristotelischen Lehrsätzen, antik-klassische Motive mit byzantinischen Orakeln oder mit der Definition von Kaisertum und Priestertum. Darüber hinaus zeichnet er das Bild einer verklärten byzantinischen Vergangenheit, die als orthodoxe Utopie daherkommt: »Es war die Epoche der Kaiser. Wir, das von Gott auserwählte Volk der Hellenorömer, waren glorreich, würdevoll, hochgepriesen und mächtig; mit Diademen und Titeln überfüllt, stark wie das Kupfer nach Daniels Prophezeiung […], als der fromme Konstantin herrschte und Justinian Gesetze erließ, Theodosios Heldenmut zeigte, Markianos Glaubenslehren verbreitete, Leo über Frömmigkeit philosophierte. Das Priestertum hatte die Patriarchenwürde inne. Geschmückt mit den besten Kränzen: Mitrofanis, Alexander, Athanasios, Basileios, Grigorios, Chrysostomos und Kyrillos.«157
Sofronios Leichoudis verherrlicht Peter in seiner Rede anlässlich der Eroberung Azovs als mit den höchsten Tugenden durch die Planeten, die Natur, die Tyche und Gott gesegnet, ein Indiz für die Wirkung nicht nur der barocken Rhetorik, sondern auch speziell der jesuitischen Naturphilosophie.158 Er bedient sich aber auch des obligatorischen Sonnengleichnisses, er zitiert Agapetos oder bezeichnet Vasilij Golicyn als neuen David, der den Goliath-Krimchan gedemütigt habe.159 In gemeinsamen Werken der Brüder kommt das Thema des imperialen Erbes prominenter zum Vorschein: Die Moskauer Zaren seien die Nachfolger »unserer alten Kaiser« und würden folgerichtig bald in Konstantinopel einziehen und die Hagia Sophia der Orthodoxie zurückerstatten.160 Der Kronzeuge für Kompatibilität und Interaktion christlich-biblischer und antik-klassischer Elemente wäre Ligaridis mit seinen archaistischen Epigrammen, seiner Zurschaustellung humanistischer Bildung und profunden Kenntnis der byzantinischen Literatur sowie mit seiner exzessiven Thematisierung von Moskaus byzantinischem Erbe, gekleidet in üppige barocke Bildsprache.161 In 157 Waugh, »Odolenie«, 99. Bei Daniel wird Kupfer mit der dritten Monarchie in Verbindung gebracht, Vlachos scheint ohnehin, wie im folgenden Kapitel zu zeigen sein wird, eher zwanglos mit der Monarchienlehre umzugehen. 158 Vgl. Chrissidis, An Academy, 161–173 zur Rhetorik der Leichoudis-Brüder, hier insb. 163– 165. 159 Dapontes, Ιστορικός Κατάλογος, 137–141; Bogdanov, Pamjatniki, nr. 18, 185f. (Panegyrik zu Ehren Vasilij Golicyns anlässlich seiner Rückkehr aus dem Krimfeldzug, Juni 1689). 160 Bogdanov, Pamjatniki, 183f. (nr. 17: Panegyrik zu Ehren Ivans, Peters und Sofijas, 27 März 1687); Ramazanova, »Socˇinenie Lichudov«. Vgl. auch den Brief Constantin S¸erbans an den Zaren vom April 1662, Anhang nr. 4. 161 Vgl. etwa das Epigramm an den Thronfolger Aleksej Alekseevicˇ, ediert von Sˇevcˇenko, »A New Greek Source«, 225–263. Zitiert sei die Bemerkung des Herausgebers: »The erudition displayed in the epigram was probably too arcane to have been grasped, let alone appreciated
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ihrem Interesse an Byzanz unterschieden sich unionsfreundliche oder auch unierte griechische Geistliche kaum von ihren »photianischen« (wie sie jene nannten) Kontrahenten.162 Von Dositheos’ byzantinischen Referenzen muss kaum etwas noch herangezogen werden. Seine Kenntnisse jedoch illustrieren Episoden von byzantinischen Historikern, die er Peter im Sinne von Parabeln nacherzählte: »Gib Acht, heiliger und von Gott gestärkter Augustus und horche einer Geschichte, die Georgios Kedrinos, Ioannis Zonaras und Theophanes der Heilige Bekenner erzählen […]. Wir führen eine weitere Geschichte Eurer göttlichen Majestät an, die der erwähnte Heilige Theophanes in der Vita des Kaisers Herakleios erzählt.«163 Gleichwohl wusste der Patriarch klassische Zitate einzubauen, sei es von Pittakos, Solon oder auch Homer.164 Noch deutlicher erkennt man dies beim in Padua ausgebildeten Chrysanthos Notaras, der Peter im selben Brief zugleich als neuen Moses und als Reinkarnation der antiken Helden und Halbgötter preist.165 Schon deshalb wären solche Kombinationen kaum paradox – und zwar auch wenn man von einer »Permanenz byzantinischer Formen« ausginge –, weil die byzantinische Kaiserpanegyrik, selbst nicht anders als die barocke Rhetorik, im Grunde als Synthese biblischer und klassischer Symbolik bezeichnet werden kann. Paradox könnten höchstens byzantinische Themen in lateinischsprachigen Elogen auf die Zaren von Ligaridis und den Leichoudis-Brüdern erscheinen,166 aber auch dies nur als Folge anachronistischer Dichotomien. Zieht man zum Vergleich zeitgenössische Türkenkriegspanegyriken hinzu, wie etwa die
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by the epigram’s recipients.«, ebenda, 256. Ein weiteres Epigramm an Aleksej Michajlovicˇ findet sich im Vorwort der Ekthesis des Ligaridis: GIM Vlad. 409 (Sinod. 469), f. 18–18v; vgl. Poljakov, »Paisius Ligarides«; J. Cracraft, »Muscovite Ambivalence«, HUS 19 (1995), 80–96, hier 93; S. K. Sevast’janova »›Slovo o mantii‹ – maloizvestnoe socˇinenie gazskogo mitropolita Paisija Ligarida«, KCˇ 12 (2014), 15–51; dies. »Poslanie Gazskogo mitropolita«. Zum allgemeinen Kontext einer frühneugriechischen Barockkultur vgl. G. Danezis, »Ελληνικό λογοτεχνικό μπαρόκ. Ένα σκιαγράφημα« [Griechischer Literarischer Barock. Eine Skizze] in: S. Kaklamanis u. a. (Hg.), Ενθύμησις Νικολάου Μ. Παναγιωτάκη [Andenken an Nikolaos M. Panagiotakis], Herakleion 2000, 171–185. Vgl. I. Kyriakantonakis, »Between Dispute and Erudition. Conflicting Readings of Byzantine History in Early Modern Greek Historical Literature«, in: O. Delouis u. a. (Hg.), Héritages de Byzance en Europe du Sud-Est à l’époque moderne et contemporaine, Athen 2013, 161–178. Jalamas, »Ierusalimskij Patriarch, cˇast’1«, 598f. Dositheos an Vasilij Golicyn, RGADA f. 52, op. 2, nr. 659, 1682. »Βέβαια η θεία αυτής βασιλική Μεγαλειότης δεν έχει εις το θείον της σκήνος άλλην ψυχήν παρά μίαν απ’εκείνας των εξαιρέτων παλαιών ηρώων και ημιθέων […] έτι μένουσιν εν τη φύσει τα εξαίρετα σπέρματα των παλαιών εκείνων ηρώων, όπου ο σύμπας κόσμος εθαύμασε και θαυμάζει. […] άπαν το ορθόδοξον γένος […] ελπίζει χωρίς αργοπορίαν να ιδή τον ελευθερωτήν αυτού, τον Νέον Μωϋσήν, την υμετέρα λέγω ανίκητον και κραταιάν μεγαλειότητα.«, Chrysanthos an Peter, RGADA f. 52, op. 1, 1707, nr. 1, f. 16–16v, 28. September 1707. RGADA f. 52, op. 2, nr. 639 und 640; E. D. Lermontova, Pochval’noe Slovo Lichudov’ Carevne Sof ’je Alekseevne, Moskau 1910.
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deutschsprachigen Sieges-Predigten des Prager Dompredigers Tobias Johannes Becker auf Kaiser Leopold zwischen 1683 und 1688, so sticht die Parallelität, wenn nicht die Gemeinsamkeit der Motive ins Auge: Leopold als neuer David, Vergleiche mit Moses und Gideon, Wien als Jerusalem und Konstantinopel als Jericho, alttestamentarische und apokalyptische Zitate, aber auch Verweise auf die vergangene Glorie und das Leiden der »vier Patriarchalischen Stühle«, auf Konstantin (in hoc signo vinces) und Theodosios und schließlich das Wunschbild, dass Leopold Konstantinopel erobern und seine Söhne sich die Herrschaft über Okzident und Orient teilen würden.167 Ein letzter Aspekt soll noch angesprochen werden, der die gegenseitigen Erwartungen betrifft. Es sind nämlich nicht nur die russischen Historiker des 19. Jahrhunderts, die in den griechischen Kirchenmännern des 17. Jahrhunderts Repräsentanten einer imaginären ›byzantinischen Kultur‹ sahen,168 sondern mutatis mutandis auch die zeitgenössischen Moskowiter. An den Almosenreisenden aus dem »Griechischen Land« (grecˇeskaja zemlja) wurden bestimmte Erwartungen gestellt. Sie basierten auf der ihnen zugeschriebenen Autorität, die wider besseres Wissen der Moskauer Behörden über peinliche Kirchenintrigen, Fälschungen und Betrüge aufrechterhalten wurde.169 »If the Muscovites could not easily abandon the Byzantine frame of reference« – und gerade unter Aleksej Michajlovicˇ taten sie dies bewusst und programmatisch – »it stood to reason that the Greeks, in dealing with Muscovy, adhered to it.« Es ging aber nicht nur um kluge Anpassung, »flattering the barbarian«, um nochmals Sˇevcˇenko zu zitieren.170 Man darf sich die Eindrücke der bittstellenden griechischen Bischöfe und Mönche während der Audienzen beim Zaren in der Zolotaja Palata des Kremls vorstellen, inmitten der Freskenzyklen mit Abbildungen Gideons und der Madianiter, Moses’ und Josuas, aber auch der Taufe der Rus’ und der Übernahme der byzantinischen Regalia des Kaisers Konstantin Monomachos.171 Die Dan-
167 L. Kretzenbacher, »Fünf Prager Deutsche ›Sieges-Predigten‹ auf den Türkenüberwinder Kaiser Leopold I. zwischen 1683 und 1688«, Bohemia 26 (1985), 277–308; vgl. K. O. Frhr. v. Aretin, »Die Türkenkriege als Traditionselement des katholischen Europa«, in: W. Barner (Hg.), Tradition, Norm, Innovation. Soziales und literarisches Traditionsverhalten in der Frühzeit der deutschen Aufklärung, München 1989, 19–32, hier 23f. (Aufrufe an Kaiser Leopold I., Konstantinopel und Jerusalem zu befreien und die beiden römischen Reiche zu vereinen). 168 Vgl. Chrissidis, An Academy, 9. 169 Vgl. Kapterev, Charakter, 402–406; Neubauer, Car und Selbstherrscher, 157; Tchentsova, Vostocˇnaja Cerkov’, 6. 170 Sˇevcˇenko, »Byzantium and the Eastern Slavs«, 103 für beide Zitate. 171 Zur Zolotaja Palata und ihren wahrscheinlich um 1550 gemalten und 1732 zerstörten Fresken vgl. D. B. Rowland, »Architecture, Image, and Ritual in the Throne Rooms of Muscovy, 1550–1650: A Preliminary Survey«, in: Ch. S. L. Dunning u. a. (Hg.), Rude and Barbarous Kingdom Revisited: Essays in Russian History and Culture in Honor of Robert O.
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kesbekundung der Mönche des Iviron-Klosters 1660 dafür, das Antlitz eines orthodoxen Kaisers erblicken zu dürfen, kommt ohne den Bezug auf Byzanz als historische Reminiszenz, als Wahrnehmungsmuster für die Gegenwart und als Zukunftsvision, nicht aus: »Wir wahrhaft Seligen stellen uns vor, dass wir schon befreit wären, dass wir uns schon in der Zeit der christlichen Kaiser befänden.«172 Ermöglicht wird jedoch dieser Spagat eigentlich erst durch die Vorstellung der imperialen Erbschaft, der mystisch-numinösen Translatio Imperii, die allein aus dem Zaren Moskaus den orthodoxen Kaiser schlechthin hervorzubringen vermag.
Crummey, Bloomington 2008, 53–71; ders., »Muscovy«, 274–277; Bushkovitch, Peter the Great, 14–20. 172 »όντως μακάριοι ημείς οι τοιαύτης τιμής και δόξης αξιωθέντες. Ιδού ηξιώθημεν προσκυνείν και βλέπειν χριστιανού βασιλέως άγιον και δεδοξασμένον πρόσωπον, και εκφωνείν, μεγαλύνειν και ευφημείν χριστιανού βασιλέως όνομα. Όντως μακάριοι ημείς φανταζόμεθα ότι ήδη ελευθερώθημεν, ότι ήδη εις τον καιρόν των χριστιανών βασιλέων εσμέν…«, Bruderschaft des Ivironklosters an Aleksej Michajlovicˇ, RGADA f. 52, op. 2, nr. 606 (1660).
2.
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In seinen im sibirischen Exil verfassten Werken Politika (Politik, 1663–66) und Tolkovanie istoricˇeskich prorocˇestv (Auslegung historischer Prophetien, 1674) behauptete der kroatische Gelehrte Juraj Krizˇanic´ (1618–1683), es seien die Griechen, die die Formel vom »Dritten Rom« erfunden hätten, um Moskau ein imperiales Erbe aufzudrängen und es als ›blinde Blindenführer‹ auf einen politischen und moralischen Irrweg zu verleiten. Sinngemäß: Während die Deutschen den Russen den Status eines Königreichs absprechen und nur die untergeordnete Würde eines Fürstentums anerkennen, wollen ihnen – im Gegenteil – die Griechen die Narretei einreden, das Russische sei das Römische Reich (Russiacum regnum ridicule fabulanti sunt esse Romanum) und damit etwas Höheres als ein Königreich (quid sublimius quam regnum), nämlich ein Weltreich.1 Was das »Dritte Rom« an sich betrifft, lag Krizˇanic´ gewiss falsch, denn er bezog sich auf die dem Konstantinopler Patriarchen Ieremias II. unterschobenen Worte in der kirchenslavischen Gründungsurkunde des Moskauer Patriarchats 1589, ein Zitat aus Filofejs Mahnbriefen – im Glauben, es seien des Patriarchen authentische Äußerungen.2 Darüber hinaus waren für Krizˇanic´ angesichts seiner Leitideen und Missionsziele, der eigentümlichen Kombination von Kirchenunion und einem Panslavismus avant la lettre die Griechen mit ihrem Einfluss auf Moskau als Intimfeinde ohnehin prädestiniert. Trotzdem bedeutet das noch 1 J. Krizˇanic´, Russkoe gosudarstvo v’ polovine XVII veka. Rukopis’ vremen’ Alekseja Michajlovicˇa, hg. von P. Bezsonov’, 2 Bde, Moskau 1859–60, hier Bd. 1, 357, Bd. 2, 172–175, 181f.; ders., Politika, hg. von V. V. Zelenin, A. D. Gol’dberg, M. N. Tichomirov, Moskau 1965, 293f.; ders., Tolkovanie istoricˇeskich prorocˇestv [Sobranie Socˇinenija, 2], Moskau 1891, S. 11 = §35. In anderen Zusammenhängen meint Krizˇanic´ mit der Bezeichnung »Nemcy« eher die Protestanten, nicht aber, wenn es um das Reich und die »deutschen Kaiser« von Karl dem Großen bis ˇ 10 (2012), Karl V. geht, vgl. S. N. Kisterev, »Greki i ›nemcy‹ v izobrazˇenii Jurija Krizˇanic´a«, KC 51–88; S. H. Baron, »Krizˇanic´ and Olearius«, in: Th. Eekman, A. Kadic´ (Hg.), Juraj Krizˇanic´ (1618–1683). Russophile and Ecumenic Visionary. A Symposium, [Slavistic Printings and Reprintings; 292], Den Haag u. a. 1976, 183–208; I. Golub, »Krizˇanic´ théologien. Sa conception ecclésiologique des événements et l’histoire«, ebenda, 165–179, hier 174. 2 Siehe Kap. I.4.
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nicht, den Ansichten des eigensinnigen Missionars, auf die noch zurückzukommen sein wird, jegliche Grundlage absprechen zu müssen. Schließlich verfügte er über genügend Kontakte zu griechischen Klerikern und Gelehrten, die er während seiner Aufenthalte in Rom (1640–42), Konstantinopel (1651), Nezˇin und Moskau (1647 und 1659–1661) kennengelernt und mit denen er politische und theologische Gespräche geführt hatte, um aus eigener Erfahrung sprechen zu können.3 Es soll hier aber nicht die Plausibilität seiner Befürchtungen an der Frage der tatsächlichen Tragweite griechischer Einflüsse in Moskau gemessen werden. Vielmehr geht es um die politischen Kategorien und Denkfiguren, die Leitbilder und Referenzen politischer Imagination von Russland und seiner heilsgeschichtlichen Stellung in Texten der griechischen Kirchenmänner und Gelehrten, Berater und Panegyriker des Zarenhofs unter Aleksej Michajlovicˇ und Peter I. Verfolgt man deren Gedankengänge über aktuelle politische Zielsetzungen und persönliche Strategien hinweg, entlang aller Höhenflüge barocker Rhetorik und Windungen politisch-theologischer Argumentation, so scheint an Krizˇanic´’ Unbehagen zumindest etwas Wahres daran zu sein. »Als den eigenen Kaiser und treusorgenden Vater« sähen alle Orthodoxen den Zaren Michail Fedorovicˇ, versicherte ihm Gavriil Vlasios im Februar 1644 im Anschluss an seinen detaillierten Nachrichtenbericht: »Und besonders unser eigenes Volk der Griechen, da wir das Reich aus Konstantinopel verloren haben, trösten wir uns, dass wir Dein Reich haben. Und ob es sich in Moskau befindet oder in Konstantinopel, macht keinen Unterschied; nur der Ort wechselt, es ist jedoch dasselbe Reich. Und so wie von Rom nach Konstantinopel wechselte das Reich von dort nach Moskau. Und wir rühmen uns den anderen Völkern gegenüber, dass wir Griechen das Reich nicht verloren haben. Nur bitten wir Tag und Nacht unter Tränen den allmächtigen Gott, dass er Deine heilige Majestät ungestört und friedlich bewahre, auf dass wir dank ihrer stets Stolz, [Anlass zum] Lob und Trost von Kummer erfahren.«4
Was Vlasios hier entwirft, ist die Vorstellung einer translatio imperii oder zumindest einer translatio sedis imperii: Moskau als der, nach Rom und Konstantinopel, dritte Hort desselben Römischen Universalreichs. Man hätte sagen können: als »Drittes Rom«, wenn Vlasios die Formel bekannt gewesen wäre. Überhaupt ist sie in keiner zeitgenössischen griechischen Quelle zu finden, was, wenn nicht in Anbetracht ihrer ursprünglichen Konnotationen, so doch angesichts ihrer überschaubaren Verbreitung und untergeordneten Bedeutung im politischen Diskurs in Moskau selbst nachvollziehbar ist. 3 Vgl. Z. N. Tsirpanlis, »Juraj Krizˇanic´ et les Grecs«, BS 24 (1983), 38–56; ders., »Georges Krizˇanic´ et ses relations avec le monde grec«, BS 17 (1976), 25–44; V. Val’denberg, »Znakomstvo Krizˇanicˇa s Grekami«, Byzantinoslavica 7 (1937/38), 1–24. 4 RGADA f. 52, op. 2, nr. 209. Siehe Anhang Nr. 1 (Zeilen 32–40).
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Der Translationsgedanke, die Vorstellung einer Herrschaftsübertragung von einem Träger oder Ort auf einen anderen bei essentieller Identität und Kontinuität der Herrschaft, kam aus einer ehrwürdigen Tradition politischer Theologie. In Byzanz gehörte die Idee der imperialen Kontinuität bis zum Schluss zu den Grundpfeilern des eigenen Herrschaftsverständnisses, ohne dass sich ein fester Begriff für die Translation herausgebildet hätte.5 Mit der Residenzverlegung vom alten hin zum neuen Rom war nicht allein ein symbolischer Kontinuitätsanspruch verbunden. Der »mythisch-numinose Nimbus«6 der Kaiserstadt Rom und damit die Vorstellung von der ewigen Dauer der Urbs aeterna waren seit Konstantins Konversion in die Reichseschatologie des christianisierten Reiches Neu-Roms eingebettet worden.7 Ihre biblische Fundierung bildete die Vorstellung der vier aufeinanderfolgenden Weltreiche aus dem Buch Daniel, jeweils als Deutung von Nebukadnezzars Statuentraum und der Vision von den vier Tieren (Dan 2 und 7). An den Formeln »Er setzt Könige ab und setzt Könige ein« (Dan 2,21) und »Die Königsherrschaft geht von einem Volk aufs andre über« (Sir 10,8) wurde auch der antike Gedanke von der göttlichen Übertragung des mystisch verstandenen Reiches festgemacht.8 Als letzte Weltmonarchie, nach der assyrisch-babylonischen, der medisch-persischen und der griechisch-makedonischen, sollte Rom nach der maßgeblichen christlichen Auslegung der Danielprophetie bis zum Ende der Zeiten bestehen und erst durch den wiederkehrenden Christus abgelöst werden.9 Zusätzliche Autorität verlieh dieser Deutung die Identifizierung des Römischen Reiches mit dem paulinischen Katechon (2 Thess 2, 6–7), jener rätselhaften Macht, die das Erscheinen des Antichrist und damit 5 Vgl. F. Dölger, »Rom in der Gedankenwelt der Byzantiner«, in: ders., Byzanz und die europäische Staatenwelt. Ausgewählte Vorträge und Aufsätze, Ettal 1953, 70–115, insb. 98–101; Fögen, »Das politische Denken«, 51; Nicol, »Byzantine Political Thought«, 59f. 6 H.-G. Beck, »Konstantinopel – das Neue Rom«, Gymnasium 71 (1964), 166–174, hier 167; vgl. J. Irmscher, »›Neurom‹ oder ›zweites Rom‹ – Renovatio oder Translatio«, Klio 65 (1983), 431– 439. Vgl. aber J. R. Melville-Jones, »Constantinople as ›New Rome‹«, Βυζαντινά Σύμμεικτα 24 (2014), 247–262. 7 Zur christlichen Sakralisierung und heilsgeschichtlichen Sanktionierung Roms als Antwort auf die apokalyptische Herausforderung vgl. Assmann, Zeit und Tradition, 24–31; B. McGinn, Visions of the End. Apocalyptic Traditions in the Middle Ages, New York 19982, 28–36. 8 Zu den antiken Translationsvorstellungen vgl. J. Wiesehöfer, »Vom oberen Asien zur gesamten bewohnten Welt. Die hellenistisch-römische Weltreiche-Theorie«, in: M. Delgado u. a. (Hg.), Europa, Tausendjähriges Reich und Neue Welt. Zwei Jahrtausende Geschichte und Utopie in der Rezeption des Danielbuches, Stuttgart 2003, 66–83. 9 Die alternative Identifizierung oder implizite Verschmelzung des (Ost-)Römischen Reichs mit dem Fünften, dem Reich Christi, d. h. mit dem Stein, der alle weltlichen Reiche zertrümmert (Kap. 2), oder mit dem Reich der Heiligen (Kap. 7) lief letztlich auf dieselbe heilgeschichtliche Notwendigkeit des Reichs hinaus, solange die Parusie ausblieb, bzw. diente ihrer argumentativen Verschiebung, vgl. Podskalsky, Byzantinische Reichseschatologie, 70–76; D. Olster, »Byzantine Apocalypses«, in: B. McGinn (Hg.), The Encyclopedia of Apocalypticism, Bd. 2: Apocalypticism in Western History and Culture, New York u. a. 2000, 48–73, hier 53–58.
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das Weltende aufhält.10 Somit war dem Römischen Reich eine heilgeschichtliche Funktion zugesprochen, die seinen Machtverfall und offenbar sogar sein Ableben überdauern konnte. Dass sich diese Tradition politischer Theologie noch in Vlasios’ Tagen als operativ und reaktivierbar erwies, verdankte sie nicht zuletzt ihrer Flexibilität, anders gesagt: dem Verzicht auf allzu konkrete und systematische Festlegungen.11 Noch entscheidender war die Tatsache, dass Vier-Reiche-Lehre und Translationstheorie im Europa des 17. Jahrhunderts zum Allgemeingut gehörten.12 Gerade das Jahrhundert der Reformation und der Konfessionalisierung hatte sie im Zuge der Resakralisierung der europäischen Monarchien als Legitimationsressourcen sowie als Ordnungs- und Deutungsmuster der Weltgeschichte wiederbelebt. Lange nach der Glaubensspaltung und sogar nach dem Westfälischen Frieden (1648) hielten besonders deutsche Lutheraner und Katholiken reichspatriotisch an der Vorstellung vom Heiligen Römischen Reich als Träger heilsgeschichtlicher Funktionen fest.13 Zwar hatte schon Calvin (1561) im Gegensatz zu Melanchthon das Schema Daniels »präteritisch« als lediglich die vorchristliche Geschichte betreffend und mit der christlichen Verkündung, der promulgatio evangelii, als bereits erfüllt gedeutet und damit implizit dem Römischen Reich die heilsgeschichtliche Bestandsgarantie, ja, sogar die nachchristliche Fortexistenz überhaupt abgesprochen.14 Jean Bodin entwickelte darauf (1566 und 1576) in polemischer Absicht die empirisch gestützte Gegenvorstellung eines endlosen Nebeneinanders von Staaten und Reichen in Geschichte und Gegenwart, die jede Monarchienlehre und Translationsvorstellung dekonstruierte. Mit Hugo Gro10 Vgl. Podskalsky, Reichseschatologie, 55; L. J. Lietaert Peerbolte, »The κατέχον/κατέχων of 2 Thess. 2:6–7«, Novum Testamentum 39/2 (1997), 138–150. 11 Vgl. P. Magdalino, »The History of the Future and its Uses: Prophecy, Policy and Propaganda«, in: R. Beaton, Ch. Roueché (Hg.), The Making of Byzantine History. Studies dedicated to Donald M. Nicol, Aldershot 1993, 3–34, hier 32. 12 Vgl. W. Goez, Translatio Imperii. Ein Beitrag zur Geschichte des Geschichtsdenkens und der politischen Theorien im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Tübingen 1958; H. Thomas, »Translatio Imperii«, LexMa Bd. 8, 944–946. Begriff und Vorstellung der »translatio imperii a Graecis ad Germanos« waren vornehmlich in der Zeit der staufischen Kaiser geprägt worden. 13 Grundlegend: A. Seifert, Der Rückzug der biblischen Prophetie von der Neueren Geschichte. Studien zur Geschichte der Reichstheologie des frühneuzeitlichen deutschen Protestantismus, Köln u. a. 1990; K. Koch, Europa, Rom und der Kaiser vor dem Hintergrund von zwei Jahrtausenden Rezeption des Buches Daniel, [Berichte aus den Sitzungen der Joachim JungiusGesellschaft der Wissenschaften e. V., Hamburg 15 (1997) Heft 1], Hamburg 1997, 101–108; ders., »Europabewußtsein und Danielrezeption zwischen 1648 und 1848«, in: M. Delgado u. a. (Hg.), Europa, Tausendjähriges Reich und Neue Welt. Zwei Jahrtausende Geschichte und Utopie in der Rezeption des Danielbuches, Stuttgart 2003, 326–384. 14 Zusätzlich zu Seifert, Koch und Goez vgl. B. Pitkin, »Prophecy and History in Calvin’s Lectures on Daniel (1561)«, in: K. Bracht, D. S. du Toit (Hg.), Die Geschichte der Daniel-Auslegung in Judentum, Christentum und Islam. Studien zur Kommentierung des Danielbuches in Literatur und Kunst, Berlin u. a. 2007, 323–347.
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tius’ Danielkommentar (1644) und der exegetischen Kontroverse, die er auslöste, setzte die historisch-philologische Bibelkritik an. Schließlich sollten die Jesuiten selbst der römischen Translationstheorie den Boden entziehen und alle dem Reich vorbehaltenen kosmischen Funktionen allein der Kirche zusprechen.15 Doch als gängige und einflussreiche Denkform war die translatio imperii anhand des Danielbuchs in der Mitte des 17. Jahrhunderts noch keinesfalls erledigt. Der verwandte, auf Daniel beruhende Leitbegriff der Universalmonarchie als zeitloser politischer Einheit mit transzendenter Legitimation hatte unter Karl V. (1519–1556), in dessen Reich sprichwörtlich die Sonne nicht unterging und das Ideal vorübergehend realisierbar schien, eine Hochkonjunktur erlebt. Eine einzigartige apokalyptische Spannung, bedingt durch die gleichzeitige Erfahrung der Entdeckung der Neuen Welt, der osmanischen Bedrohung und der Glaubensspaltung, ging mit der Erneuerung der Reichsidee und des imperialen Messianismus einher. Karls Chefideologen, wie Mercurino di Gattinara und Alfonso de Valdés oder der Wiener Arzt und Hofhistoriker Wolfgang Lazius, feierten ihren Patron als messianischen Monarchen, Renovator von Reich und Kirche und zugleich als Erbe West- und Ostroms, der die Osmanen besiegen, Konstantinopel und Jerusalem erobern und die Patriarchate des Ostens in den Schoß der römischen Kirche zurückführen würde. Zum Leitmotiv und zur Chiffre der imperialen Utopie wurde das geflügelte Jesuswort: »Und es wird eine Herde und ein Hirte werden« (Joh 10,16).16 Wenn auch in der Folgezeit, nach dem Scheitern des imperialen Universalismus Karls, die konsequentesten Exponenten dieses Selbstverständnisses in Spanien und Portugal anzutreffen sind (die translatio imperii von Osten nach Westen sei an der iberischen Halbinsel zu ihrem Abschluss gekommen), so wurde es auch von den Rivalen der Habsburger, Frank15 Vgl. U. Krämer, Translatio imperii et studii. Zum Geschichts- und Kulturverständnis in der französischen Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Bonn 1996, 350–360; M. Miegge, »Regnum quartum ferreum und lapis de monte. Die kritische Wende in der Danielinterpretation im 16. Jahrhundert und ihre Folgen in Theologie und Politik«, in: M. Delgado u. a. (Hg.), Europa, Tausendjähriges Reich und Neue Welt. Zwei Jahrtausende Geschichte und Utopie in der Rezeption des Danielbuches, Stuttgart 2003, 239–251; J. J. Collins, Daniel: A Commentary on the Book of Daniel, Minneapolis 1993, 119–121. Den spanischen Jesuiten ging es in ihrer defensiven historisch-kritischen Exegese in erster Linie um die Zurückweisung der protestantischen Identifikation des Antichrist mit dem Papst. Bossuet hat in seinem Discours sur l’histoire universelle ausdrücklich die »präteritische« (1681) Deutung aufgenommen und das Römische Reich von der Translation ausgeschlossen, vgl. Seifert, Der Rückzug, 137. 16 »Throughout this extensive literature that captured the historical imagination of successive generations, associating grave foreboding with great hope, there moved as a continual refrain a single text in which profound anxiety gave way to joyous release, the text of John 10:16 ›et fiet unum ovile et unus pastor‹.«, J. M. Headley, »Rhetoric and Reality: Messianic, Humanistic, and Civilian Themes in the Imperial Ethos of Gattinara«, in: M. Reeves (Hg.), Prophetic Rome in the High Renaissance Period, Oxford 1992, 241–269, hier 243; vgl. H. Möhring, Der Weltkaiser der Endzeit. Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung, Stuttgart 2000, 304–310; Dandelet, The Renaissance of Empire, 74–134.
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reich und England, aufgegriffen und in einer langanhaltenden ›theologisch-politischen Propagandaschlacht‹ eingesetzt.17 Als Phantom, als anvisiertes oder gefürchtetes Programm, als Vorwurf oder als Losung für eine hegemoniale Stellung bestimmte der Leitbegriff der Universalmonarchie die Wahrnehmung der europäischen Politik bis weit in das 17. Jahrhundert hinein.18 Doch die Vision der Universalmonarchie und ihre heilsgeschichtliche Untermauerung waren kein Privileg des christlichen Europa.19 Imperiale Ansprüche und Strategien, artikuliert in messianischen Begriffen, lassen sich im 16. Jahrhundert als gemeinsames Fundament einer ›millenaristischen Konjunktur‹ erkennen, die gleichzeitig alle drei monotheistischen Religionen und weite Teile des eurasischen Raums von Portugal bis Indien erfasste.20 Im Osmanischen Reich waren es die Sultane Selim I. und Süleyman I., die sich in der Rolle des prophezeiten Welteroberers und Erneuerers feiern ließen und apokalyptische Erwartungen in ihrer imperialen Propaganda bewusst aufgriffen. Insbesondere Süleyman fand sich in einem regelrechten symbolischen Wettbewerb um die Rolle des messianischen Endzeitkaisers sowohl mit Karl V. als auch mit Schah Ismail, dem Begründer des safawidischen Persien und selbst ernannten Messias (Mahdi), konfrontiert.21 Abgeklungen in den letzten Jahren von Süleymans 17 M. Delgado »Der Traum von der Universalmonarchie. Zur Danielrezeption in den iberischen Kulturen nach 1492«, in: ders. u. a. (Hg.), Europa, Tausendjähriges Reich und Neue Welt. Zwei Jahrtausende Geschichte und Utopie in der Rezeption des Danielbuches, Stuttgart 2003, 252– 304; vgl. Cheny, Une bibliothèque, 233–240; L. Laborie, »Millenarian Portraits of Louis XIV«, in: T. Claydon, Ch.-E. Levillain (Hg.), Louis XIV Outside In. Images of the Sun King Beyond France, 1661–1715, Ashgate 2015, 209–228; P. Bonnet, »La ›Monarchie Universelle‹ de Louis XIV: une notion clé de la pensée politique, de Campanella à Montescquieu«, Littératures Classiques 76 (2011), 133–146. 18 Vgl. Fr. Bosbach, Monarchia Universalis. Ein politischer Leitbegriff der frühen Neuzeit, Göttingen 1986; C. L. Johnson, »Some peculiarities of Empire in the Early Modern Era«, in: Chr. Ocker u. a. (Hg.), Politics and Reformations: Communities, Polities, Nations, and Empires. Essays in Honor of Thomas A. Brady, Jr., Leiden u. a. 2007, 491–511. 19 Das Danielbuch mit seinen politisch-theologischen Deutungen hatte auch in der islamischen Tradition seinen Platz. Die Identifizierung des anrollenden Steins, der die Statue der alten, vergänglichen Reiche zertrümmert, mit dem Islam und dem Propheten erscheint mindestens so plausibel wie die christlichen Deutungen, vgl. Koch, Europa, Rom und der Kaiser, 76–78; H. Bobzin, »Zur islamischen Danielrezeption« in: M. Delgado (Hg.), Europa, Tausendjähriges Reich und Neue Welt. Zwei Jahrtausende Geschichte und Utopie in der Rezeption des Danielbuches, Stuttgart 2003, 159–175; ders., »Bemerkungen zu Daniel in der islamischen Tradition«, in: K. Bracht und D. S. du Toit (Hg.), Die Geschichte der Daniel-Auslegung in Judentum, Christentum und Islam. Studien zur Kommentierung des Danielbuches in Literatur und Kunst, Berlin u. a. 2007, 167–178. 20 Ein prominentes Beispiel der »connected histories«, vgl. S. Subrahmanyam, »Turning the stones over: Sixteenth-century millenarianism from the Tagus to the Ganges«, Indian Economic and Social History Review 40 (2003), 129–161; A. A. Moin, The Millennial Sovereign: Sacred Kingship and Sainthood in Islam (1400–1700), New York 2012. 21 Vgl. C. H. Fleischer, »A Mediterranean Apocalypse: Prophecies of Empire in the Fifteenth and Sixteenth Centuries«, JESHO 61 (2018), 18–90 besonders zur Interaktion zwischen christli-
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Herrschaft, flammte diese messianisch-imperiale Konkurrenz in der Folgezeit wiederholt wieder auf, bis hin zur osmanischen Offensive gegen Wien (1683) unter Mehmed IV., der sich als der wahre Cäsar feiern ließ,22 und darüber hinaus. Ibrahim Müteferrika verknüpfte um 1710 protestantische und islamische eschatologische Deutungen, um Sultan Ahmed III. anhand des Danielbuchs aber auch anhand der Johannesoffenbarung als messianischen Welteroberer und Bezwinger der moskowitischen und der römischen Christenheit zu stilisieren.23 Gemeinsam ist diesen Diskursen messianischer Herrschaftslegitimation der Rekurs auf normative und autoritative Traditionen bzw. ihre funktionale Handhabung und Konstruktion. Im Falle der christlichen Monarchie waren es die besagten biblischen Texte, besser Textstellen, die einen allgemein anerkannten Fundus für politische Argumentation und Propaganda zur Verfügung stellten: als »kanonisierte Spitze apokalyptischen Schrifttums«24 das Buch Daniel und die Johannesoffenbarung, darüber hinaus die Motive des Katechons und der einen Herde unter einem Hirten. Mit diesem Fundus und den damit zusammenhängenden Begriffen, Denkfiguren und Symbolen waren kundige griechische Gelehrte wie Vlasios, Ligaridis, Vlachos und Patellaros oder die LeichoudisBrüder, wie weiter zu zeigen sein wird, genügend vertraut. So sehr sie in ihrer Huldigung des Moskauer Zaren aus dem Repertoire der byzantinischen Reichs-
chen und islamischen Diskursen; ders., »The Lawgiver as Messiah: The Making of the Imperial Image in the Reign of Süleymân«, in: G. Veinstein (Hg.), Soliman le Magnifique et son temps, Paris 1992, 159–172; Krstic´, Contested Conversions to Islam, 7, 75–84; K. S¸ahin, Empire and Power in the Reign of Süleyman. Narrating the Sixteenth-Century Ottoman World, Cambridge 2013, 74–87, 243–253; Johnson, »Some Peculiarities«, 498f.; M. Dressler, »Inventing Orthodoxy: Competing Claims for Authority and Legitimacy in the Ottoman-Safavid Conflict«, in: H. T. Karateke, M. Reinkowski (Hg.), Legitimizing the Order. The Ottoman Rhetoric of State Power, Leiden u. a. 2005, 151–173. Unter den iberischen Moriscos waren entsprechende messianische Vorstellungen vom osmanischen Sultan verbreitet. Auch jüdische Gelehrte sahen in ihm alternativ das Haupt des vierten Reiches der Danielprophetie oder den messianischen Erlöser Israels, vgl. Delgado, »Der Traum«, 262. 22 Marc Baer im Gespräch mit Ussama Makdisi und Andrew Shryock: »Tolerance and Conversion in the Ottoman Empire: A Conversation«, CSSH 51 (2009), 927–940, hier 933; vgl. Imber, The Ottoman Empire, 125; Kołodziejczyk, »Khan, caliph, tsar and imperator«. Zur Vorgeschichte vgl. P. Thorau, »Von Karl dem Großen zum Frieden von Zsitva Torok. Zum Weltherrschaftsanspruch Sultan Mehmeds II. und dem Wiederaufleben des Zweikaiserproblems nach der Eroberung Konstantinopels«, HZ 279 (2004), 309–334; Fleischer, »A Mediterranean Apocalypse«, 49; J. Irmscher, »Die Romidee bei den Griechen nach 1453«, Παρνασσός 25 (1983), 39–46, hier 42–44 zu Mehmed II. 23 Vgl. N. E. Kovac´s, »Eschatology as an Instrument of Ottoman Imperial Propaganda in the Early Eighteenth Century: Some Remarks on the Treatise of Ibrahim Müteferrika«, in: P. Fodor u. a. (Hg.), S¸erefe. Studies in Honour of Prof. Géza Dávid on his Seventieth Birthday, Budapest 2019, 481–501. Mütefferika spricht vom nahen Untergang der ekalim-i moskoviyye und der memleket-i kizil elmaviyye, hier 490. 24 Assmann, Zeit und Tradition, 23.
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und Kaisermystik zu schöpfen wussten, bedienten sie sich gleichzeitig einer im frühneuzeitlichen Europa gemeinsamen politischen Sprache.25 Vlasios hat als Erster die Vorstellung einer Herrschaftsübertragung von Konstantinopel nach Moskau konzipiert und sie dem Zaren vorgetragen.26 Es war aber Paisios Ligaridis, der sich auf diesem Gebiet besonders hervortat. Translatio imperii und römisches Reichserbe gehörten zu seinem vertrauten Handwerk und wurden entsprechend in seinen Schriften für die symbolische Überhöhung Moskaus eingesetzt. Doch um ihre Implikationen adäquat zu erfassen und einzuordnen, ist es nötig, sein spezifisches Verständnis davon zu berücksichtigen.27 Die übliche Formel vom Besitz und Verlust der Reichswürde durch die Griechen, die auch Vlasios evozierte, setzte ein konventionelles Verständnis vom römischen Reichserbe bei Griechen und Russen voraus. Dieses lief über die Selbstbezeichnung »Römer« (Ρωμαίοι), die im Russischen stets mit Greki bzw. grecˇeskoe cˇarstvo übertragen wurde. Ligaridis baute aber auf die Ambivalenzen ›römischer Identität‹, um als »Römer« sowohl die eigenen Landsleute des Ostens, »wir, die vormals Hellenen hießen«, als auch die Kaiser des westlichen Reichs zu bezeichnen. Denn seiner Vorstellung von der einen, trotz des Schismas einheit25 Zum »Biblizismus« als politischer Sprache der Vormoderne vgl. Pecˇar, Trampedach, »Biblizismus«; Ph. Benedict, »Religion and Politics in the European Struggle for Stability, 1500– 1700«, in: Ph. Benedict, M. P. Gutmann (Hg.), Early Modern Europe. From Crisis to Stability, New York 2005, 120–138, allgemein zum »stance of prophetic politics«, den biblischen Deutungsgrundlagen der europäischen Politik im 17. Jahrhundert. 26 Er wiederholte sie in einem Brief an Zar Aleksej im Januar 1646 (erhalten nur in der russischen Übersetzung): Gott habe das Reich von Rom nach Konstantinopel und von dort nach ˇ elovekoljubec bog ne ostavil nas byti v krucˇine, Moskau transferiert, wo es auch verbleibt: »C utesˇil nas blagocˇestivym carem moskovskim, jakozˇe da ot Rima peresˇlo casrtvo v Cargrad, takozˇdja iz Carjagoroda peresˇlo k slavnomu gradu Moskve i tamo prebyvaet«, Florja, »Dva poslanija G. Vlas’eva«, 217. In älteren Briefen erscheint der Gedanke in noch nicht ganz ausgeprägter Form: Moskau als Ersatz für das untergegangene orthodoxe Kaiserreich, der Zar als der höchste aller Monarchen: »…διά να χαιρώμεστεν και ημείς οι ευσεβείς και να μη λυπούμεθα πως εχάσαμεν το βασίλειον, μόνον πως το έχομεν και μεγαλειότερον από τα άλλα βασίλεια, επειδή και ουδέ εις βασιλεύς είναι ευσεβής και ορθόδοξος από περάτων έως περάτων της οικουμένης πάρεξ η ευσεβής βασιλεία σου. Και καθώς ο ήλιος είναι λαμπρότερος από τους λοιπούς πλανήτας και τα άστρα, ο αετός βασιλικότερος από τα όρνια και πετεινά, ο λέων από τα θηρία, και ο δελφίν από τα ψάρια της θαλάσσης, ομοίως και η αγιωτάτη βασιλεία σου είναι λαμπροτέρα, βασιλικοτέρα και αγιωτέρα όλων των βασιλειών, μικρών και μεγάλων«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 172 (17. Januar 1641). Im konfessionspolemischen Argument von Meletios Pigas, die Griechen hätten im Zaren weiterhin einen orthodoxen Kaiser und seien daher nicht wegen ihrer Irrlehren bestraft worden, war die Translationsvorstellung gewissermaßen schon angelegt. 27 In diesem Zusammenhang wirkt die deutsche Kunstform »Rhomäer« besonders problematisch. Vgl. U. Moennig, »Byzantinistik – eine normierte Disziplin?«, in: T. Leuker, C. Pietsch (Hg.), Klassik als Norm – Norm als Klassik. Kultureller Wandel als Suche nach funktionaler Vollendung, Münster 2016, 92–105, hier: 97f. Anm. 10.
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lichen, apostolischen und katholischen Kirche in Ost und West konsequent entsprechend, sieht Ligaridis das Römische Reich gleichermaßen durch das alte und das neue Rom verkörpert. Die Verlegung des Reiches (μετάθεσις της ρωμαϊκής βασιλείας)28 durch Konstantin habe, so Ligaridis im Chrismologion (1655), nicht die Ablösung des alten durch das neue Rom zur Folge gehabt, wie in Byzanz gelegentlich behauptet. Beide zusammen, die Mutter und die Tochter, bilden das Römische Reich, davon zeuge der Doppeladler als Symbol der Weltherrschaft über Ost und West.29 Dieses eine Römische Reich, als vierte Weltmonarchie in der ausführlichen Auslegung der Danielprophetie definiert, sei daher auch durch die osmanische Eroberung nicht ausgelöscht worden.30 Als Ligaridis nun im ersten Teil des Werks, im den Kaisern Leo VI. und Basileios I. gewidmeten Kapitel, die Christianisierung der Rus’ behandelt und Herkunft bzw. Legitimation der russischen Monarchie erläutert, legt er ihr diese Voraussetzungen zugrunde. Die Übernahme des Christentums aus Konstantinopel (Ligaridis tut die Missionierung der Rus’ durch den Apostel Andreas mühelos als Legende ab)31 stellt sein erstes Argument dar. Anhand von Herbersteins Rerum Moscoviticarum Commentarii (1549) referiert er die von den russischen Chronisten bekannte Erzählung von den drei römischen Brüdern Rurik, Sineus und Truvor, den Stammvätern der russischen Dynastie.32 Da die Russen nun »sowohl den christlichen Glauben als auch die Herrschaft von uns Römern geerbt haben, steht dem Kaiser Alexios als wahrem Erben das Reich der
28 BPJ, Cod. 160, f. 246. 29 BPJ, Cod. 160, f. 65v: »από την πρεσβυτέραν Ρώμην εις την απλοτέραν Ρώμην τα σκήπτρα της μονοκρατορίας μετετέθησαν από του Μεγάλου Κωνσταντίνου. Και αν ο αετός είναι δικέφαλος, δια το ένα βασίλειον της ανατολής και της δύσεως. Διατί λοιπόν η βασιλεία των Ρωμαίων ήλθε και από την Παλαιάν Ρώμην εις την Νέαν εμετατέθη, δια τούτο και Νέα Ρώμη το Βυζάντιον. Και Ρωμαίοι όλοι εμείς ονομαζόμεσθεν οι οποίοι πρώτα Έλληνες ελεγούμεσθα«; f. 83: »όθεν ήτον και δικέφαλος ο αετός σύμβολον της μιάς και της άλλης Ρώμης ηνωμένης εις ένα βασίλειον«; f. 158v: »αγκαλά ως ανατολή και δύση δεν εμοιράσθη καθώς σημαίνουσι τα δύο κεφάλια, όμως έχει ένα μόνον κορμί, και αυτοκράτωρ Ρωμαίων επονομάζετο τόσον εκείνος της ανατολής, όσον και εκείνος της δύσεως«; vgl. dieselbe Deutung des Doppeladlers durch Ianos Laskaris in seiner an Karl V. gerichteten Rede von 1525: J. Whittaker, »Janus Laskaris at the Court«, 97. 30 BPJ, Cod. 160, f. 49–57. 31 BPJ, Cod. 160, f. 258v: »αναφέρουσιν οι Ρούσοι και καυχώνται μέσα εις το χρονικόν τους, πως του Χριστού την πίστιν την έλαβον από του Αποστόλου Ανδρέα […] πλήν εις τους χρόνους του Βασιλείου βασιλέως εχριστιάνισαν οι Ρούσοι και εβαπτίσθησαν«. Vgl. O. Alexandropoulou, »The Legend of the Arrival of St. Andrew the Apostle in Rus’: A Greek Detail from the Seventeenth Century«, Cyrillomethodianum 17–18 (1993–94), 163–172. 32 BPJ, Cod. 160, 153–153v. Sigismund zu Herberstein, Reise zu den Moskowitern 1526, hg. von T. Seifert, München 1966, 58. Wenn also hier Sevcˇenko und Teotei »τρεις αδελφοί ρωμαίοι« mit »Byzantiner« wiedergeben, ist dies angesichts von Ligaridis’ Argumentation nicht ganz korrekt: Sevcˇenko, »Byzantium«, 103; T. Teotei, »L’Europe confessionelle dans l’oracle inédit de Paisios Ligaridis«, Nouvelles études d’histoire 10 (2000), 91–96, hier 95; ders., »La tradition byzantine de l’oracle inédit de Paisios Ligaridis«, RESEE 39 (2001), 19–26, hier 25.
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Römer zu«33. Im zweiten Teil seiner Orakelsammlung, als Ligaridis im Kapitel »Vom blonden Volk« die Passagen zu den Russen mehr oder weniger wörtlich wiederholt, weiß er ein zusätzliches Argument anzuführen. Der Kaisertitel – denn Zar bedeute Kaiser, βασιλεύς – wurde Ivan IV. nach der Eroberung von Kazan und Astrachan nämlich vom Papst und von Maximilian, dem »Cäsar der Römer«, zuerkannt.34 Daher stimme es gar nicht, wie manche behaupten, dass der Moskauer Herrscher ein selbst ernannter Kaiser und Selbstherrscher sei.35 Wenn also Ligaridis hier wiederholt: »Das Kaisertum in Moskau stammt von uns Römern ab, und daher steht es ihm [Aleksej] zu und gebührt es ihm als echtem Nachfolger, das Reich der Römer zu gewinnen und uns von der barbarischen Tyrannei zu befreien«,36 dann kommt dieses römische Erbe nicht ausschließlich aus Konstantinopel, sondern auch aus Rom und von den Habsburgern. Zu fragen wäre daher, inwieweit man von einem vollzogenen translatio überhaupt sprechen kann. Das westliche Reich bestand ja fortdauernd und das östliche wird Aleksej aufgrund seiner römischen Abstammung nur als Möglichkeit in Aussicht gestellt. Etwas deutlicher und auf jeden Fall affirmativer äußert sich Ligaridis während seiner Moskauer Periode, als er sich selbst, seine Karriere und seine Ambitionen enger mit Moskau verbunden sah, zumal in Schriften, die sich anders als das Chrismologion tatsächlich an die Moskauer Behörden richteten und zur russi33 BPJ, Cod. 160, f. 153v: »ώστε ού μόνον την πίστιν, και την βασιλείαν από ημάς τους Ρωμαίους αλληλοδιαδόχως έχουσι και επομένως ο μέγας βασιλεύς Αλέξιος ως γνήσιος κληρονόμος αγγίζει του των Ρωμαίων το βασίλειον· διαδοχαί δε τεκόντας δεικνύουσι, ωσάν οπού κατάγεται από Ρωμαίους«. 34 BPJ, Cod. 160, f. 259: »ώστε οπού αφού ο Ιωάννης ο βασιλεύς εκατάλαβεν των Σκυθών τα τρία βασίλεια Σιμπίρι, Καζάνι και Αστραχάνι, όχι μόνον μέγας δούξ, αλλά και μέγας βασιλεύς εστέφθη από του καίσαρος των Ρωμαίων Μαξιμιλιανού, και βασιλεύς και μονοκράτωρ φημίζεται, ώστε οπού όχι μόνον την πίστιν και την ορθοδοξίαν από των Ρωμαίων αυτοκρατόρων έλαβαν οι Μοσχοβίται«, und 261: »την έκαμεν μονοκρατορίαν ο βασιλεύς Ιωάννης, ο οποίος με την βουλήν του πάπα και με την άδειαν του Μαξιμιλιανού αυτοκράτωρ επονομάσθη τζαρ και μέγας κνέζης Μοσχοβίας και πάσης Ρωσίας«. Wie Teotei zu dem Schluss kommt, Ligaridis lehne die habsburgische Anerkennung des Kaisertitels von Ivan IV. ab und unterstreiche stattdessen jene durch den Patriarchen Konstantinopels, ist nicht nachvollziehbar. Der Text sagt das Gegenteil aus, vom Patriarchen Konstantinopels (Ioasaf) ist dort keine Rede, Teotei, »L’Europe«, 95; ders., »La tradition«, 25 (mit Verweis auf S. 425 der Bukarester Hf. BAR ms. gr. 386). 35 BPJ Cod. 160, f. 260. Ligaridis wendet sich damit gegen Herberstein (»ο Σιγισμούνδος Λίμπερος«). Dieser hatte behauptet, »Zar« bedeute nicht »Kaiser« (Imperator), sondern nur »König« (Rex). Und auch diesen Königstitel habe Kaiser Maximilian dem Großfürsten Vasilij nie zuerkannt, wie man in Moskau erzähle, vgl. Herberstein, Reise, 78; J. Lehtovirta, »The Use of Titles in Herberstein’s ›Commentarii‹. Was the Muscovite Tsar a King or an Emperor?«, in: Fr. Kämpfer, R. Frötscher (Hg.), 450 Jahre Sigismund von Herbersteins Rerum Moscoviticarum Commentarii 1549–1999, Wiesbaden 2002, 187–201. 36 BPJ, Cod. 160, f. 259v: »εις την Μοσχοβίαν πατροπαράδοτον είναι το βασίλειον και από ημάς τους Ρωμαίους κατάγεται, όθεν ως γνήσιος διάδοχος αγγίζει του και πρέπει του να λάβη των Ρωμαίων την βασιλείαν και να μας ελευθερώση από την τρισβάρβαρον τυραννίαν όπου μας επερικύκλωσεν και μας περιέχει την σήμερον«.
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schen Übersetzung vorgelegt wurden. Unter den Antworten, die Ligaridis 1662 während des »Prinzipienstreits« auf die 30 Fragen des Bojaren Stresˇnev gab, findet sich die Wendung, der Zar sei sowohl Konstantin als auch den anderen Kaisern, die Synoden einberiefen, ebenbürtig. Denn die Zepter Neu-Roms seien samt allen seinen Rechten und Würden durch die göttliche Vorsehung auf die herrschende und von Gott beschützte Stadt Moskau übertragen worden (τα σκήπτρα μετήνεγκεν).37 Auch zog Ligaridis es vor, den Doppeladler nicht mehr als Verkörperung des alten und des neuen Roms auszulegen, sondern als »Andeutung« (τούτο υπαινίττεται) der weltlichen und kirchlichen Funktionen des Kaisers.38 In vier feierlichen Epigrammen, die Ligaridis zwischen 1670 und 1672 in Moskau komponierte, wird erneut der Doppeladler als kaiserliches Symbol, das den Zaren auszeichnet, angesprochen. Aleksej Michajlovicˇ und dem Thronfolger Aleksej Aleskejevicˇ prophezeit Ligaridis die Universalherrschaft über Ost und West.39 In der Geschichte der Verurteilung Nikons (1668) erscheint die Argumentation gegenüber dem Chrismologion insofern verändert, als hier die Ehe Ivans III. mit Sofia Palaiologina aufgewertet wird. Im Chrismologion wurde sie zwar kurz in der nachträglich verfassten, an den Zaren gerichteten Widmung als Beleg seiner Verbindung zu Konstantinopel erwähnt.40 Im Kapitel zum »blonden Volk« übernahm zudem Ligaridis von Herberstein das Lob auf die kluge und energische Großfürstin, auf deren Konto die Erfolge ihres Ehemanns angeblich zurückgingen.41 Aber erst in der Geschichte der Verurteilung Nikons, und zwar in der Rede des Patriarchen Paisios von Alexandreia, wird Aleksej als »Augustus« gepriesen, als »echter Nachfolger des Reiches der Paläologen, da [er] einer goldenen Reihe entstammt, nämlich der der Kaiserin Sofia Palaiologina«. Und in direkter Ansprache Aleksejs heißt es weiter: »Sei tapfer und stark, um den Dir seit Langem gebührenden Thron zurückzuerlangen.«42 Auch der Traum Nebukad37 Vgl. Papadopoulos, Χειραγωγοί, 107f. In einer Homilie von 1652 verwendete Ligaridis den Begriff »εμετάφερεν« für Konstantins Translation: »αφ’ ότου εμετάφερεν τα σκήπτρα της βασιλείας από την αρχαίαν Ρώμην εις την νέαν«, vgl. K. I. Dyovouniotis, »Παϊσίου Λιγαρίδου λόγοι ανέκδοτοι« [Unveröffentlichte Reden des Paisios Ligaridis], Νέα Σιών 17 (1922), 374–388, hier 382. 38 Vgl. Papadopoulos, Χειραγωγοί, 121; Salomom, »Paisius Ligaridis«, 50, Anm. 35. 39 Vgl. A. N. Sobolevskij, Perevodnaja Literatura Moskovskoj Rusi XIV–XVII vekov’. Bibliograficˇeskie materialy, St. Petersburg 1903, ND: Leipzig 1989, 364f.; Sevcˇenko, »A New Greek Source«, 255–259. 40 BPJ, Cod. 160, f. 1v: »της κλεινής Κωνσταντινουπόλεως, από την οποίαν έλαβες πατροπαραδότως την πίστιν, και την συγγένειαν αλληλοδιαδόχως, από την Παλαιολογίναν Σοφίαν, του δεσπότου Θωμά θυγατέρα«. 41 BPJ, Cod. 160, f. 260; Herberstein, Reise, 73. 42 GIM Vlad. 409 (Sinod. 469), f. 279v: »Αύγουστον, γνήσιον διάδοχον της βασιλείας των Παλαιολόγων, εξ ης ως από χρυσής τινός σειράς διατελείς καταγόμενος από της Παλαιολογίνας δηλαδή βασιλίσσης Σοφίας. Διά τούτο ανδρίζου και ίσχυε, του επανακτήσασθαι τον εποφειλόμενόν σοι εκ
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nezzars und die vier Weltreiche werden hier und da als Verheißungen der Universalmonarchie, die den Zar erwarte, angesprochen.43 Als dieser die Patriarchen auf Griechisch anspricht, bekommt er zur Antwort, sie erwarteten nun, nach dem Erlangen der hellenischen Sprache, auch »die Freiheit des Hellenischen Reiches und die Wiederinbesitznahme durch Euch, die mächtigen Russen, die ihr heutzutage herrscht und die Monarchie und Orthodoxie der Römer innehabt«44. Damit wird eine schon vollzogene Herrschaftsübertragung suggeriert, und zwar unter begrifflicher Differenzierung von »Hellenischem Reich« und »Römischem Reich«, das nach Moskau transferiert worden ist. Bemerkenswert ist zudem, dass Ligaridis diese Aussage den Patriarchen zuschreibt. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob sie in irgendeiner Weise auf eine tatsächlich gehaltene – ohnehin von Ligaridis selbst verfasste – Rede zurückgeht.45 Wie man dieses Vorgehen erklärt, hängt vielleicht auch in diesem Fall davon ab, ob man das Werk als in erster Linie für eine griechische Leserschaft gedacht oder als Vorlage zu einer russischen Übersetzung versteht, wofür die im selben Jahr (1668) verfasste Geschichte Russlands von Dionysios Iviritis hierfür ein Beispiel bietet. Zu Dionysios’ markantesten Eingriffen in sein Material gehört sein Umgang mit der Legende von der Übergabe der kaiserlichen Insignien an Vladimir Monomach aus der Stepennaja Kniga. Die Phrase vom »sich auf den russischen Zaren übertragenden Ruhm des Griechischen Reiches« (prevodjasˇcˇe slavu Grecˇeskago carstva na Rosijskago carja) erspart Dionysios seinen griechischen Lesern bei der Übersetzung.46 Als Auftragsarbeit für den Zaren oder den Bojaren Artamon Matveev, Chef des Außenamtes, ist dagegen das Chrismologion oder Prophetisches Buch (Chrismologion sirec Kniga prerecˇenoslovnaja) zu verstehen, das der Adept von Vlasios und Ligaridis, Nikolaos Spatharios, 1672 in Moskau verfasste. Obwohl es keineswegs eine Übersetzung von Ligaridis’ eigener Orakelsammlung darstellt, wie in der Forschung meistens behauptet – ein flüchtiger Vergleich der Inhalte beider Werke würde eigentlich genügen, um dies zu widerlegen –, lassen sich
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πολλού θρόνον«; Palmer, The Patriarch and the Tsar, Bd. 3, 201; vgl. Tzoumerkas, Ο κώδιξ, 143, 145. Vgl. den fast identischen Inhalt des Epigramms von Ligaridis in Sobolevskij, Perevodnaja Literatura, 365. GIM Vlad. 409 (Sinod. 469), f. 157v, 282. GIM Vlad. 409 (Sinod. 469), f. 287v: »καραδοκούντες και την ελευθερίαν της ελληνικής βασιλείας και την ανάκτησιν αφ’υμών των ισχυρών Ρώσων, των νυν βασιλευόντων και κατεχόντων την των Ρωμαίων μοναρχίαν τε και ορθοδοξίαν«; vgl. Palmer, The Patriarch and the Tsar, Bd. 3, 204. Die Grußreden und Ansprachen des Patriarchen von Alexandria Paisios im Kodex 393 der Patriarchatsbibliothek von Alexandria weisen an mehreren Stellen wörtliche Übereinstimmungen mit Ligaridis’ Formulierungen einschliesslich seiner etymologischen Argumente (βασιλεύς = βάσις λαού, Αλέξιος = βοηθός): Tzoumerkas, Ο κώδιξ, 145, 150. Es ist aber nicht auszuschließen, dass der Patriarch einfach Stichworte und Vorlagen von Ligaridis verwendete. Vgl. Alexandropoulou, Διονύσιος Ιβηρίτης, 237–239.
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Spatharios’ Anleihen bei Ligaridis ohne Mühe erkennen.47 In der Tat erfolgte die Abfassung des Werkes noch unter Anwesenheit, wenn nicht Mitarbeit von Ligaridis, in dessen Quartier im Simonovskij-Kloster Spatharios nach seiner Ankunft in Moskau Unterkunft fand.48 Vermutlich wäre beim zweiten, nicht mehr realisierten Band, der sich dem Schicksal Konstantinopels widmen sollte, die Anlehnung an Ligaridis stärker zum Vorschein gekommen.49 Gegenstand des abgeschlossenen Werks ist jedenfalls die Vier-Reiche-Lehre anhand der Danielprophetie. Für Spatharios stellte diese den unumgänglichen Rahmen jeder historischen Abhandlung dar.50 Er bietet in seinen Kommentaren eine lange, gelehrte Darstellung der vier Weltreiche Babylonien, Persien, Griechenland und Rom anhand historisch-didaktischer Porträts von einzelnen Herrschergestalten, die mehrere Überschneidungen mit seinem späteren Vasiliologion (1674) aufweist.51 Kaum ein vernünftiger Mensch würde die Daniel’sche Lehre bestreiten, dass Gott die Reiche transferiert und die Könige stürzt. Stolz und Übermut sind die verhängnisvollsten Sünden für einen Herrscher, wobei Spatharios auch die 47 Zur Frage nach den möglichen Vorlagen von Spatharios vgl. V. G. Tchentsova, »Eschatologie byzantine et pensée historique à la cour d’Alexis Romanov: Paisios Ligaridès, Nicolas le Spathaire et Francesco Barozzi aux origines du messianisme russe (1656–1673)«, in: P. Gonneau, E. Rai (Hg.), Écrire et réécrire l’histoire russe d’Ivan le Terrible à Vasili Kljucˇevskij (1547–1917), Paris 2013, 41–51, sowie die russische Version: »Paisij Ligarid, Nikolaj Spafarij i Francˇesko Barocci: Eschatologicˇeskie idei pri dvore carja Alekseja Michajlovicˇa«, Drevnjaja ˇ esnokova, »Russkaja i grecˇeskaja tradicii Chrismologiona v Rus’ 55 (2014), 69–82; N. P. C ˇ 13 (2015), 126–158. Spatharios selbst gibt im Titel des Werkes an, er habe es Rossii XVII v.«, KC aus einer alten griechischen Pergamenthandschrift übersetzt und mit zahlreichen Kommentaren versehen, vgl. É. Picot, Notice Biographique et bibliographique sur Nicolas Spatar Milescu, ambassadeur du tsar Alexis Michailovic´ en Chine, Paris 1883, 47–49 (= Legrand, Bibliographie hellénique XVIIe, Bd. 4, 62–104, hier 92–94). Sobolevskij hat als Erster die Autorschaft von Ligaridis in apodiktischer, aber unbegründeter Weise behauptet: Spatharios habe den Namen des Autors nicht erwähnt, weil dieser in Moskau bereits in Ungnade gefallen war: Sobolevskij, Perevodnaja Literatura, 367. 48 Es scheint plausibel, dass die Abreise von Ligaridis gerade aus diesem Grund bis zur Fertigstellung und Präsentation des Manuskripts (Januar 1673) vom Moskauer Außenamt hinausgezögert wurde, vgl. L. A. Timosˇina, »Gazskij mitropolit Paisij Ligarid: o nekotorych ˇ 10 (2012), 89–133, hier 129f. datach i sobitijach«, KC 49 Ein dritter Band hätte gemäß Titelblatt (sowie der wahrscheinlichen Barozzi-Vorlage) den Antichrist und das Weltende behandeln sollen: RGB, fond 173.1, nr. 25, f. 1–1v. Nach Ligaridis’ Abreise aus Moskau im März 1673 bezog Spatharios seine Wohnung samt seinen hinterlassenen Büchern und Handschriften, vgl. Fonkic, »Grecˇeskoe knigopisanie«, 36f.; Panaitescu, »Nicolas Spathar Milescu«, 71, 75; Suttner, »Panteleimon (Paisios) Ligaridis und Nicolae Milescu«, 87; vgl. aber Timosˇina, »Gazskij mitropolit«, 132, Anm. 52. 50 So in der erhaltenen Einleitung zu einer nicht realisierten Geschichte Russlands, vgl. Panaitescu, »Nicolas Spathar Milescu«, 160f.; M. A. Pesenson, »Nicolae Milescu Spafarii’s Khrismologion and Kniga o Sivilliakh: Prophecies of Power in Late 17th-Century Russia«, in: N. A. Chrissidis u. a. (Hg.), Religion and Identity in Russia and the Soviet Union: A Festschrift for Paul Bushkovitch, Bloomington 2011, 63–80, hier 77. 51 Vgl. P. Bushkovitch, »The Vasiliologion of Nikolai Spafarii Milescu«, Russian History 36 (2009), 1–15.
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Trunksucht hervorhebt, wohl mit Blick auf manche Erfahrung, die er inzwischen in Russland gesammelt haben dürfte.52 Ausschließlich den vier Weltreichen vorbehalten, verwendet er (nicht ganz konsequent) den Begriff »monarchija« statt »carstvo« und unterscheidet diesen als einer der ersten Autoren in Russland aufgrund der aristotelischen Terminologie von der Aristokratie (»aristokratija«).53 In der Gegenwart (v’ nynesˇnyj vek’) kann weder das Heilige Römische Reich einen Anspruch auf die Nachfolge der vierten und letzten Monarchie erheben, da es eben einer Aristokratie ähnelt, noch das Osmanische Reich, das Spatharios, wie schon Ligaridis, mit dem »kleinen Horn« der Danielprophetie (7,8 und 24) als Vorboten des Antichrist identifiziert.54 Das Griechische Reich – Spatharios spricht von »griechischen« (grecˇeskie) oder römisch-griechischen (rimljanogrecˇeskie) Kaisern – ist zwar untergegangen, aber es sei weder in das Deutsche noch in das Türkische Reich übergegangen: »Wir sagen hingegen, dass das Griechische vom Russischen Reich beerbt wurde.«55 Der Erbanspruch des Zaren basiert, wie bei Ligaridis, auf der Christianisierung der Rus’ (dem »griechischen Glauben«) und der Abstammung der Moskauer Dynastie von den griechischen Kaisern, nämlich der Kaiserschwester Anna.56 Antreten wird er dennoch sein Erbe, das wird an Spatharios’ Gedankengang deutlich, erst, wenn er gemäß den Prophezeiungen das Türkische Reich zerstört und die Konstantinopler Monarchie erneuert haben wird (i samuju Konstantinopol’skuju monarchiju obnovit’)57. Dieser renovierten »griechisch-russischen Monarchie« (grekorossijskaja monarchija)58 sei es auch beschieden, als letzte Weltmonarchie bis zum Ende der Zeiten zu bestehen. Den Kontext von Spatharios’ Appell, den er im selben Jahr in seinem Sibyllenbuch (Kniga o Sivilljach) wiederholte,59 stellte seine Übersetzungs- und ˇ esnokova, 52 RGB, F. 173.1, nr. 25, f. 2–24v, hier f. 9, f. 15, Widmungsschreiben publiziert bei C »Russkaja i grecˇeskaja traditii«, 145–156, hier 147, 151; »Posvjasˇcˇenie Carju Alekseju Michajlovicˇu kniga Chrismologion’ perevedennoj N. Spafariem v 1673 godu«, Russkij Vestnik’ 1841/2, 383–400, hier 389, 393. 53 RGB, F. 173.1, nr. 25, f. 25–27v; Bushkovitch, »The Vasiliologion«, 13. 54 Spatharios weist damit die Auffassung des »weisen Bodin« (ucˇennejsˇij Bodin’) zurück, als einzig wahre absolute Monarchie sei das Osmanische Reich anzusehen, RGB, F. 173.1, nr. 25, f. 96–96v; vgl. Bushkovitch, »The Vasiliologion«, 14. 55 »My zˇe glagolem’, jako Grecˇeskoe carstvo na Russkoe peremenisja«, RGB, F. 173.1, nr. 25, f. 299. 56 Anders als Ligaridis führt Spatharios speziell das Recht auf den Zarentitel im Chrismologion sowie im Vasiliologion nicht auf Maximilians Angebot zurück, sondern auf seine Anerkennung durch den Konstantinopler Patriarchen Ioasaf II. 1561, der Ivans militärische Erfolge honoriert habe. Aus demselben Grund sei später der Patriarchentitel dem Metropoliten von Moskau verliehen worden, RGB, F. 173.1, nr. 25, f. 27v–28; vgl. Bushkovitch, »The Vasiliologion«, 11f.; Pesenson, »Nicolae Milescu Spafarii’s Khrismologion«, 78. 57 RGB, F. 173.1, nr. 25, f. 96–96v. 58 RGB, F. 173.1, nr. 25, f. 28v. 59 Spatharios identifiziert darin Gog mit den Tataren und Magog mit den Osmanen. Der Doppeladler des Nordens werde sie vernichten. Im Schlusswort heißt es, das Kreuz werde den
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Lobbyarbeit beim Außenamt dar.60 Unter der Ägide von Artamon Matveev wurde dort ein breit angelegtes editorisch-propagandistisches Programm entworfen, das eng mit der aktuellen außenpolitischen Agenda verbunden war.61 Es waren die Jahre des polnisch-osmanischen Kriegs (1672) und der Bemühungen Moskaus, in Umkehrung der üblichen Verhältnisse durch eine diplomatische Offensive selbst ein antiosmanisches Bündnis auf die Beine zu stellen. In diesen tagespolitischen Kontext gehören zwei auf lateinisch verfasste Briefe von Ligaridis aus Kiev (1673/74) an den Zaren, in denen vom bevorstehenden Zusammenbruch der osmanischen Tyrannei und der Befreiung Konstantinopels und der Hagia Sophia durch den rechtmäßigen Erben Aleksej die Rede ist,62 sowie das Gedicht des ruthenischen Gelehrten Simeon Polockij – zeitweise Ligaridis’ Dolmetscher – anlässlich der Taufe des neugeborenen Zarensohns Peter (Januar 1672), in dem er ihm die Befreiung der Kaiserstadt Konstantinopel und der Hagia Sophia voraussagte.63 Juraj Krizˇanic´ hätte mit etwas mehr Glück oder Vorsicht zum selben höfischen Gelehrtenkreis gehören können.64 Ligaridis war aller Wahrscheinlichkeit nach einer seiner Lehrer am Collegio Greco in Rom gewesen – er attestierte und unterzeichnete Krizˇanic´’s Eidschwur im Mai 1641 – während Spatharios auf seiner Chinareise 1675 beim Zwischenstopp in Tobolsk Krizˇanic´ kennen- und schätzen
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Zaren zum Sieg gegen die Ismaeliten und zur Universalherrschaft, vom einen Ende der Erde bis zum anderen, leiten, vgl. O. A. Belobrova, Nikolaj Spafarij. Esteticˇeskie traktaty, Leningrad 1978, 48–86, hier 48, 86; Pesenson, »Nicolae Milescu Spafarii’s Khrismologion«, 66–73; ders., »The Sibylline Tradition in Medieval and Early Modern Slavic Culture«, in: L. DiTommaso, Chr. Böttrich (Hg.), The Old Testament Apocrypha in the Slavonic Tradition. Continuity and Diversity, Tübingen 2011, 353–372, hier 355, 365–372. Es ist wahrscheinlich, dass Spatharios für sein Sibyllenbuch dieselbe Quelle wie für das Chrismologion verwendete, vgl. V. G. Tchentsova, »Sivillino ›kraegranie‹ v perevode Nikolaja Spafarija«, in: Perevodcˇiki i perevody v Rossii, konca XVI–nacˇala XVIII stoletija, Moskau 2019, 164–170. Vgl. Panaitescu, »Nicolas Spathar Milescu«, 135–149; Pesenson, »Nicolae Milescu Spafarii’s Khrismologion«, 65f. Vgl. I. M. Kudrjavcev, »›Izdatel’skaja‹ dejatel’nost’ Posol’skogo Prikaza. K istorii russkoj rukopisnoj knigi vo vtoroj polovine XVII v.«, Kniga. Issledovanija i materialy 8 (1963), 179– 244; Tchentsova, »Eschatologie byzantine«, 44; Timosˇina, »Gazskij mitropolit«, 131f.; Bushkovitch, »The Vasiliologion«, 3; D. C. Waugh, »The Library of Aleksei Mikhailovich«, FOG 38 (1986), 299–324, hier 308; Poljakov, »Paisios Ligaridis«, 144–146. RGADA f. 52, op. 2, nr. 639 (15. Dezember 1673) und 640 (16. Juli 1674). Erst durch diesen Sieg werde Aleksej zum neuen Alexander, Konstantin, Theodosius und Justinian aufsteigen. Vgl. Golubev, »Zabitye virsˇi Simeona Polockogo«; Grebenjuk, Panegiricˇeskaja literatura, 6– 10; Neubauer, Car und Selbstherrscher, 197; Poljakov, »Paisius Ligarides«. Zu Krizˇanic´ und seinen Werken vgl. Eekman, Kadic´ (Hg.), Juraj Krizˇanic´; Schaeder, Moskau, 159–169; Neubauer, Car und Selbstherrscher, 199–204; Podskalsky, Griechische Theologie, 258–266; A. L. Gol’dberg, A. A. Romanova, D. M. Bulanin, »Jurij Krizˇanic´«, in: SKKDR, Bd. 4, Moskau 2004, 301–315.
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lernte.65 Allerdings lesen sich Krizˇanic´’ eigene Traktate in weiten Teilen als ein Gegenentwurf zu den Translationsvorstellungen von Ligaridis und Spatharios. Krizˇanic´ teilte zwar deren Begeisterung für einen antiosmanischen Kreuzzug; er sollte schließlich nach seiner Freilassung aus Moskau als Feldprediger im Heer Jan Sobieskis 1683 am Kahlenberg vor den Toren Wiens fallen. In der Vertreibung der Osmanen und der Befreiung der unterjochten Slaven sah er die vorrangigen Aufgaben des Zaren. Auf diese Weise sollten die Russen den Griechen auch die einstige Wohltat der christlichen Taufe erwidern.66 Damit war keineswegs eine Oberherrschaft des Moskauer Zaren über seine slavischen Brudervölker in einem panslavischen Reich gemeint. Auch sein Panslavismus ist eher der Idee der Kirchenunion instrumentell untergeordnet. Die Jesusworte »eine Herde und ein Hirt« (Joh, 10,16) behält er, anders als die griechischen Panegyriker, nicht einer imperialen Restauration, sondern der erstrebten Kirchenunion vor. Sein Tolkovanie verfasste er in seiner persönlichen slavischen Kunstsprache, nach eigener Aussage anlässlich des polnisch-osmanischen Kriegs und der furchterregenden Nachrichten vom osmanischen Vorstoß. Er wollte beweisen, dass nicht die weitere Expansion, sondern der Untergang der Osmanen gekommen sei.67 Die griechischen Orakel und die Identifizierung der Russen mit dem »blonden Volk« verwarf er jedoch, da er mit bemerkenswerter philologischer Finesse auf die falsche Septuaginta-Übersetzung der Ezechielstelle von Ρως verweisen konnte. Und diese handele ohnehin von unreinen Völkern, nicht von den Slaven.68 Er wies auch die Voraussagen zurück, die ihm der griechische Dragoman Panagiotis 65 Vgl. Tsirpanlis, »Juraj Krizˇanic´ et les Grecs«, 40; Panaitescu, »Nicolas Spathar Milescu«, 85f., 164; I. Golub, »Ligaridis ha forse plagiato Krizˇanic´?«, OCP 68 (2002), 375–387. Golub stellt sogar die überspitzte Hypothese auf, Ligaridis habe die ihm von Krizˇanic´ anvertraute intentio moscovitica, den Missionsplan in Moskau aus der Position eines Zarenberaters heraus, quasi übernommen und anstelle des glücklosen Kroaten im eigenen Sinne selbst realisiert. 66 Krizˇanic´, Tolkovanie, 50–51 = § 177–181; vgl. I. Golub, »The Slavic Idea of Juraj Krizˇanic´«, HUS 10 (1986), 438–491, hier 485–490; ders., »Juraj Krizˇanic´ als Prophet des russischen Messianismus«, Ostkirchliche Studien 38 (1983), 294–308, hier 303; ders., »Krizˇanic´’s Theology of History«, Synthesis Philosophica 16/2 (1993), 231–253, hier 244–250; ders., »Krizˇanic´ théologien«, 177. 67 Vgl. Sinicyna, Tretii Rim, 256. 68 Krizˇanic´, Tolkovanie, 15–23 = § 48–76. Anders noch zehn Jahre früher in der Politika: Das »blonde Volk« aus der Grabinschrift Konstantins bezeichne die Slaven (Russen, Polen und die übrigen), da sie im Gegensatz zu den anderen nördlichen Völkern allein dunkelblonde Haare (rusye vlasy) hätten, ders., Russkoe gosudarstvo, Bd. 2, 133f. Auf jeden Fall bevorzugte Krizˇanic´ die Prophezeiung der Hl. Birgitta, wonach die Griechen erst nach ihrer Unterwerfung unter die römische Kirche ihre Freiheit erlangen würden, ebenda, Bd. 2, 136; ders., Tolkovanie, 49 = § 173. Dositheos von Jerusalem höhnte diesbezüglich in seinem Geschichtswerk, unter den Lateinern seien anscheinend keine heiligen Männer übrig geblieben; daher bedürfe es der Prophezeiungen einer Frau. Ansonsten erwarte man die Freiheit durch Gottes Erbarmen, nicht durch das Wunschgebet des Papstes, das eher einer Blasphemie gleichkomme, Dositheos, Ιστορία, Bd. 6, 16f.
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Nikousios, ein weiterer Spezialist des Okkulten, 1651 in der kaiserlichen Botschaft in Konstantinopel anvertraute: Aus dem Studium der islamischen Kabbala (djafr) sei herauszulesen, dass Mehmed IV. (1648–1687) der letzte osmanische Sultan sein werde.69 Seine schärfste Kritik wandte sich aber, wie eingangs erwähnt, gegen die imperiale Überhöhung Moskaus durch die Griechen: Der Zar, der sich statt mit dem Fremdwort Cäsar besser mit dem (vermeintlich) slavischen Titel Kral nennen sollte,70 ist, wie bei Spatharios, ein wirklicher Selbstherrscher (samovladec statt des üblichen samoderzˇec) – anders als etwa der deutsche Kaiser. Mit Rom und dem römischen Erbe habe er dennoch nichts zu tun. Die Abstammungslegenden der Moskauer Dynastie seien bloße Erfindungen, die keiner historischen Beweisführung standhielten, und die Übergabe der imperialen Insignien durch die griechischen Kaiser nichts als eine niederträchtige List, um den Russen die Ehre der eigenen Herrschaft streitig zu machen. Vladimir hätte sie besser nach Konstantinopel zurückschicken sollen.71 Überhaupt seien die vermeintlich römischen Könige (krali) der Griechen und der Deutschen, wie Konstantin oder Karl, keineswegs den russischen und den anderen christlichen Königen überlegen gewesen und ihre Herrschaft hätten sie ohnehin auf niemanden übertragen können. Es sei ja die Sünde der Griechen gewesen, die Weltherrschaft zu beanspruchen, die Gott durch die Osmanen bestraft habe. Dass die Griechen sich weiterhin »Römer« nennen, sei nur ein weiterer Beweis ihrer Eitelkeit und Torheit.72 Krizˇanic´ hält an Daniels Formel »deus transfert regna« fest, von einer imperialen Translationslehre will er dennoch nichts wissen. Rom als viertes Reich der Danielprophetie sei ja bereits vom Stein (gr. petra, russ. kamen) getroffen worden und an sein Ende gelangt: zunächst durch Konstantins Residenzverlagerung und endgültig durch die osmanische Eroberung Konstantinopels.73 Der Jesuitenschüler Krizˇanic´ sieht damit die Universalität Roms allein in der römischen Kirche, dem spirituellen Rom, aufgehoben. Er kennt die papst69 Krizˇanic´, Tolkovanie, 44 = § 156; ders., Russkoe gosudarstvo, Bd. 2, 135; Tsirpanlis, »Juraj Krizˇanic´ et les Grecs«, 42f.; Val’denberg, »Znakomstvo«, 14; G. Ηering, »Panagiotis Nikousios als Dragoman der Kaiserlichen Gesandtschaft in Konstantinopel«, JÖB 94 (1994), 143–178, hier 176; G. Koutzakiotis, Attendre la fin du monde, 54, 160–167. Krizˇanic´ machte in seinem Werk Gebrauch von den osmanischen pessimistischen Prophezeiungen. Manche sah er als glaubhaft an, andere als verfehlt, aber dennoch nützlich für die Moral der Christen, Krizˇanic´, Tolkovanie, 42–49 = § 149–172; ders., Russkoe gosudarstvo, Bd. 1, 121. 70 Krizˇanic´, Politika, 289–291; ders., Russkoe gosudarstvo, Bd. 1, 346f. 71 Krizˇanic´, Politika, 288, 364f.: »Nihil plus maiestatis potuit Monomachus dare Wladimiro, quam Wladimirus Monomacho […]. Quantum iuris Russi in Romanos, tantum habuerunt Romani in Russos.« 72 Krizˇanic´, Politika, 292; ders., Tolkovanie, 7–11 = § 20–34. 73 Krizˇanic´, Politika, 291, 366; ders., Tolkovanie, 30–37 = § 103–131. Alternativ sieht er das Ende des Römischen Reichs bei den Deutschen mit der Abdankung Karls V. gekommen, ders., Politika, 355.
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kritische Stoßrichtung der Formel vom »Dritten Rom« und dekonstruiert ihre biblische Begründung bei Daniel und Esra; seine Beanspruchung führt in die Nähe des Antichrist.74 Wer, wie die Griechen es tun, »unser Reich das Dritte Rom nennt, ist nicht unser Freund«.75 Daher sollte der russische Herrscher, wenn Gott ihm die Herrschaft über Konstantinopel schenkt, sich nicht mit dem römischen Kaisertitel schmücken, sondern sich allein Kral Russkij i Grecˇeskij nennen.76 Damit meinte Krizˇanic´, entschieden mit dem griechischen Programm abzurechnen, d. h. mit den Bemühungen, aus dem Moskauer ein Römisches Reich zu kreieren. Doch ganz abgesehen von der falschen Zuweisung des »Dritten Roms« zeigt sich hier die bereits angedeutete Ambivalenz des Programms, insofern man überhaupt von einem solchen sprechen kann, die es näher zu betrachten lohnt und auf die abschließend zurückzukommen sein wird. Was zunächst auffällt, ist die untergeordnete Bedeutung, die der Kaiserstadt Moskau, wenn nicht als »Drittem Rom«, dann als »neuem Konstantinopel« zugeteilt wird. Bis auf einzelne Bezeichnungen in diesem Sinne, wie in der Bittschrift des Iviron-Klosters an den Zaren im Mai 1660 und den festen Redewendungen von der »überaus orthodoxen, herrschenden Stadt Moskau« (ορθοδοξωτάτη, βασιλεύουσα πόλις Μοσχοβία) 77, bleiben die laudes Moscoviae weitgehend aus. Auf die Aufwertung des Zaren zum politischen Haupt der orthodoxen Welt folgt keine Aufwertung der Zarenstadt. Die kirchenpolitisch motivierte Unterbewertung der Stadt Moskau als Patriarchensitz unter den griechischen Hierarchen ist hierfür entscheidend. Ekkehard Kraft spricht in diesem Zusammenhang von einem »vorübergehenden« oder »vorläufigen« Konstantinopel.78 In der Tat lässt sich der bei Ligaridis und Spatharios implizierte Gedanke, dass der ökumenische Kaisertitel und der Thron Konstantins den Zaren erst in Konstantinopel erwarten, somit bis dahin die Herrschaftsübertragung vage bleibt, aus früheren und späteren, an Zar Aleksej gerichteten griechischen Appellen deutlicher herauslesen.79 Der göttliche Lohn winkt dem Zaren im Neuen Rom, der eigentlichen Kaiserstadt, dem Sinnbild für das Imperium und die rö74 Krizˇanic´, Politika, 290–294; ders., Russkoe gosudarstvo, Bd. 1, 348f., 354–358; ders., Tolkovanie, 8 = § 22, 11 = § 31; Sinicyna, Tretii Rim, 255–260. 75 Wer danach trachtet, das Reich zu restaurieren, d. h. die Statue des Danielbuches wieder auf ihre Beine zu stellen, der handelt gegen Gott, Krizˇanic´, Politika, 293; ders., Russkoe gosudarstvo, Bd. 1, 357. 76 Krizˇanic´, Politika, 295; ders., Russkoe gosudarstvo, Bd. 1, 358. 77 Vgl. Alexandropoulou, Διονύσιος Ιβηρίτης, 36, Anm. 3; Tchentsova, »Les documents grecs 2«, 176, 181 aus der Reihe der Falsifikate der 1650er Jahre (1658, 1659). ˇ esnokova, 78 Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 98–101; vgl. Maltezou, »Les Grecs«, 74; C »Ideja«, 193. 79 Etwa in Briefen von Gavriil Vlasios (21. Oktober 1646, RGADA f. 52, op. 2, nr. 265); des Patriarchen Paisios von Jerusalem (20. November 1653, RGADA f. 52, op. 2, nr. 499); des Archimandriten Dionysios (30. Mai 1660, RGADA f. 52, op. 2, nr. 601) und des Protosynkellos Dionysios (15. August 1668, RGADA f. 52, op. 2, nr. 627).
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mische Universalmonarchie. Wenn aber damit die räumliche Herrschaftsübertragung im Sinne von Vlasios, die Vorstellung einer translatio a Constantinopoli ad Moscoviam fragwürdig erscheint, so bleibt auch die Ambivalenz der Vorstellung einer Translatio a Graecis in Russos bestehen. Dazu sollen weitere Texte herangezogen und befragt werden. Die Appelle von Athanasios Patellaros und Gerasimos Vlachos von 1653 und 1657 bedienen sich derselben biblischen, politischen Sprache, setzen jedoch andere Akzente. So folgt der heilsgeschichtliche Plot ihrer Narrative einer Vorstellung von göttlichem Herrschaftsauftrag und -entzug, bei der die Russen, oder vielmehr Zar Aleksej allein, als bloßes Werkzeug Gottes für die Befreiung der Ostkirche und die Begnadigung und Erlösung des orthodoxen Gottesvolks fungieren. Das Deutungsmuster von Sünde, Reue und göttlicher Vergebung und ihre Vorabbildung im Alten Testament bilden somit Patellaros’ und Vlachos’ gemeinsamen Ausgangspunkt.80 Vlachos führt, anders als Patellaros, die Abfolge der Weltreiche als Beleg für die göttliche Übertragungsgewalt an, wenn auch in recht eigenwilliger Form. Von den Assyrern zu den Persern und danach vom »Hellenischen« Reich Alexanders (velikaja derzˇava Ellinskogo samoderzˇavstva) zu den Lateinern entspricht sie den herkömmlichen Deutungen. Mit Konstantin dem Großen und mit der Herrschaftsübertragung auf Konstantinopel (v Konstantinopol’ car’skuju derzˇavu prinese) aber ließ Gott das christliche Reich der Hellenorömer (Vlachos’ bevorzugte spätbyzantinisch-humanistische Selbstbezeichnung) beginnen.81 Die Übergabe des Zepters von Gott an Mehmed den Eroberer stellt nur ein weiteres Glied in dieser Abfolge dar. Nun wird Gott dem Zaren das Türkische Reich schenken (tebe, nepobedimomu Alekseju, daruet bog Turskoe samoderzˇavstvo);82 er soll als Kaiser der Hellenorömer in Konstantinopel herrschen. Offenbar wird damit nicht nur die Daniel’sche Vorstellung von den vier Weltreichen gesprengt, sondern auch ihre eschatologische Ausrichtung aufgegeben.83 80 Waugh, »Odolenie«, 99; HAB, Cod. Guelf. 210.5 Extrav. f. 283v, 285v–286, 287v: »i podobasˇe bytii semu da vosprimem nakazanie i predastsja carstvo nevernym na mucˇenie nam […] i paki asˇcˇe my pokaemsja vozdast nam, jako kajusˇcˇmsja placˇem i prosim o svobozˇdenii nasˇem ot boga, ezˇe sogresˇichom pred nim, da podast nam toboju, velikim i nepobedymim carem zastuplenie«. 81 »christjanskoe samoderzˇavstvo ellini stjazˇasˇa velikoe ellino-rimljan vladycˇelstvitelnoe samoderzˇavstvo«, Waugh, »Odolenie«, 101. 82 »vnutr’ Konstantinopolju v’zcar’stvuesˇi i Carja pokazav’ ellino-rimljany […] tebe, nepobedimomu Alekseju, daruet bog Turskoe samoderzˇavstvo«, Waugh, »Odolenie«, 101. 83 Vlachos scheint auch nicht einem Sieben-Reihen-Schema nach den sogenannten Sieben Äonen zu folgen (wie etwa Andreas von Kaisareia, PG 106, 380f., oder Gennadios Scholarios, Œuvres complètes de Gennade Scholarios, Bd. 4, 510). Für die Rolle von Translationslehre und Universalmonarchie im zeitgenössischen politischen Diskurs in Venedig, wo Vlachos seinen Appell verfasste, vgl. L. Valensi, Venice and the Sublime Porte. The Birth of the Despot, übers. von A. Denner, New York 1993, 45–53; Ben-Aryeh Debby, »Crusade Propaganda«, 522f. Den
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Doch mit der Einnahme Konstantinopels, darin sind sich Patellaros und Vlachos einig, wird Aleksej zugleich das Zepter der Universalmonarchie als Abbild der göttlichen Monarchie erlangen.84 Patellaros betont seinerseits ausdrücklich, in Moskau sei Aleksej zwar russischer Kaiser und Selbstherrscher, nur in der Kaiserstadt werde er aber zum Träger der Weltherrschaft aufsteigen und sich den Respekt aller Potentaten sichern: »Hier, mächtiger Kaiser, wirst Du zwar als Kaiser und Selbstherrscher Moskaus und der ganzen Rus’ tituliert, dort aber, in die herrschende Stadt, gebührt es Dir zu marschieren, um Dich erheben und zum Kaiser und Monarchen der ganzen Welt, zum Cäsar und Augustus ausrufen zu lassen! Und alle Könige und Fürsten der Erde werden sich vor Dir verbeugen und Dein Ruhm wird gen Himmel steigen!«85
Er bedient sich des Vorrats der byzantinischen laudes Constantinopolitanae, um die Sonderstellung Neu-Roms, »des irdischen Paradieses, Nabels der Welt und Sitzes der Kaisermacht«86 zu unterstreichen. Dessen Einnahme durch Aleksej markiert aber nicht eine Translation, sondern die Restauration (iscelenie) der ursprünglichen eigenen Herrlichkeit: »Es ist die Zeit gekommen, dass der Gottlose vernichtet wird und wir bekommen, was er uns ungerechterweise entzogen hatte.«87 Auch die translatio sanctorum, auf der Patellaros seine Argumentation aufbaut, erscheint bei näherer Betrachtung kaum als solche. Die beiden 1653 gerade nach Moskau gebrachten kostbaren Reliquien, das Haupt Gregors von Nazianz und die (auch von Vlachos erwähnte) Ikone der Blachernen-Theotokos gelangten nicht nach Moskau, um eine neue, kaiserliche Ruhestätte zu finden und zu weihen und damit die translatio imperii zu unterstreichen, sondern um den Zaren zu gemahnen, die Kaiserstadt zu erobern und sie ihrem angestammten Platz zurückzuerstatten.88 Das Denkschema, das als Grundlage für diese Vorstellung dient, ist nicht die Abfolge der Weltmonarchien, sondern die biblische Typologie von Präfiguration
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Moskauer Gesandten 1663 wurde von ihren venezianischen Gesprächspartnern die Notwendigkeit einer christlichen Allianz noch einmal nahegelegt. Sonst würden die Türken mit Sicherheit die Universalmonarchie erlangen: »i Turchi con li loro vasti pensieri s’estendevano con sicurezza alla monarchia universale«, Maltezou, »Οι αμπασαδόροι«, 15, Anm. 27. Waugh, »Odolenie«, 101: »emu zˇe [Alekseju] ne lzˇet vsego mira nacˇalstvo i christian car’stvo«. HAB, Cod. Guelf. 210.5 Extrav. f. 274: »I zde derzˇavnyj car’ naricajasja carem i samoderzˇcem moskovskim i vseja Rusi, a tam vo carstvujusˇcˇii grad podobaet ti iti dlja vozvysˇenija i nareˇcesˇisja car’ i monarch vsej vselennej kesar’ i avgust, da poklonjatisja vsi koroli vsego mira i gosudari i vlasti i proslavisˇasja podnebesem«. HAB, Cod. Guelf. 210.5 Extrav. f. 269–269v; vgl. zur einschlägigen Tradition Fenster, Laudes Constantinopolitanae; Angelov, Imperial Ideology, 103f. HAB, Cod. Guelf. 210.5 Extrav. f. 273v: »Priide vo vremja, da razoritsja bezˇbozˇnyj i vosprimem my, ezˇe u nas nepravedno voschitisˇa«. ˇ esnokova, »Ideja vizantijskogo nasledija v HAB, Cod. Guelf. 210.5 Extrav. f. 279v; vgl. N. P. C ˇ 5 (2007), 179–198, hier 193. Rossii serediny XVII v.«, KC
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und Erfüllung. Diese ist als Kompositionsstruktur schon im Alten und besonders im Neuen Testament enthalten, aber besonders als bibelhermeneutische Methode, die Zeit heilsgeschichtlich zu gliedern, bestand sie darin, Personen und Geschehnisse des Alten Testaments als Typen oder Realprophetien zu deuten, die im Neuen Testament, besonders in der Inkarnation und der Passion Christi ihre Antitypen fanden.89 Als rhetorisches Muster, das imstande war, kausale Verbindungen zugleich immanent und transzendent, auf der horizontalen und der vertikalen Achse zu konstruieren,90 gehörte sie zum Inventar christlicher Herrschaftslegitimation. Sie diente nach Hans Blumenberg als »ein singuläres Instrument der Rechtfertigung in schwach begründeten Handlungssituationen«91. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass besonders seit dem 7. Jahrhundert biblische Typologie, der Rekurs auf das Alte Testament, die Könige Israels und das auserwählte Volk für die byzantinische Kaiserideologie konstitutiv waren.92 Moskauer Adressaten dürfte diese Sprache durchaus vertraut gewesen sein, denn eine ähnliche Qualität besaß sie als Teil der von Kiev und Byzanz übernommenen und angeeigneten Symbolik auch im politischen Diskurs in Moskau im 16. und 17. Jahrhundert.93 Und, es sei nochmals betont, nicht anders als bei der politischen Theologie oder der Translations- und Monarchienlehre stellte sie keine orthodoxe Eigenart dar, sondern ein überaus geläufiges Modell der politischen Argumentation, Polemik und visionären Publizistik im Europa der Reformation, der Religions- und auch der Türkenkriege.94 89 D. h. nach der Definition Erich Auerbachs: »Die Figuralprophetie enthält die Deutung eines innerweltlichen Vorgangs durch einen anderen; der erste bedeutet den zweiten, der zweite erfüllt den ersten.« Daraus entwickelt sich in der Folge ein dreistufiges Modell: »das Gesetz oder die Geschichte der Juden als prophetische figura für Christi Erscheinen; die Inkarnation als Erfüllung der figura, und zugleich als neue Verheißung von Weltende und Jüngstem Gericht«, E. Auerbach, »Figura«, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Romanischen Philologie, Bern u. a. 1967, 55–92, hier jeweils 77, 80 und 70; vgl. N. Largier, »Zwischen Ereignis und Medium. Sinnlichkeit, Rhetorik und Hermeneutik in Auerbachs Konzept der figura«, in: Chr. Kiening, K. Mertens Fleury (Hg.), Figura. Dynamiken der Zeiten und Zeichen im Mittelalter, Würzburg 2013, 51–70; S. G. Hall, »Typologie«, in: TRE Bd. 34, 208–224. 90 Vgl. N. Frey, »Typologie als Denkweise und rhetorische Figur«, in: V. Bohn (Hg.), Typologie. Internationale Beiträge zur Poetik, Frankfurt a.M. 1988, 69–93. 91 H. Blumenberg, Präfiguration. Arbeit am politischen Mythos, hg. von A. Nicholls, F. Heidenreich, Berlin 2014, 14; vgl. das Nachwort der Herausgeber, besonders 136–141. 92 Vgl. Magdalino, Nelson, »Introduction«; Rapp, »Old Testament Models«, 175–197; Sh. Eshel, The Concept of the Elect Nation in Byzantium, Leiden u. a. 2018, 26–43. 93 Vgl. Rowland, »New Israel«; ders., »Muscovy«, in: H. A. Lloyd u. a. (Hg.), European Political Thought, 1450–1700. Religion, Law and Philosophy, New Haven u. a. 2007, 267–299, hier 275– 278, 286. 94 Vgl. Pohlig, »Konfessionskulturelle Deutungsmuster«; S. S. Tschopp, »Argumentation mit Typologie in der protestantischen Publizistik des Dreißigjährigen Krieges«, in: W. Harms, J.M. Valentin (Hg.), Mittelalterliche Denk- und Schreibmodelle in der deutschen Literatur der Frühen Neuzeit, [Chloe. Beihefte zum Daphnis, Bd. 16], Amsterdam u. a. 1993, 161–173; Monod, Power of Kings, 100.
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Wenn die enkomiastische Stilisierung des Zaren in Bittschriften und Widmungen als neuer David, Solomon, Alexander und Konstantin in Richtung vorbildlicher Exempla tendiert, so haben wir es hier also mit einem genuin typologischen, geschichtstheologisch argumentierenden Diskurs zu tun.95 Patellaros lässt sogar seinen Appell mit dem eigentlichen typologischen Verhältnis zwischen Altem und Neuem Testament beginnen: Isaak als Typus für die Kreuzigung Christi, Jonas für die Auferstehung, Moses’ eherne Schlange für das Kreuz usw. Es folgt eine unendlich anmutende Reihe von biblischen Figuren, um Beweise für die rettende göttliche Einwirkung in der Geschichte anzuführen und um die anstehende Erfüllung der Figuren durch Zar Aleksej vorauszusagen:96 an erster Stelle Gideon und die Midianiter,97 David und Goliath, Moses und der Pharao, Josua vor Jericho, Judit und Holofernes, Judas Makkabäus, aber auch Episoden aus der byzantinischen Geschichte, von Konstantins Sieg an der Milvischen Brücke bis zu den wiederholten erfolgreichen Abwehrschlachten gegen Awaren und Araber vor Konstantinopel (die Angriffe der Russen werden taktvoll ausgespart).98 Die eschatologische Aufladung dieser Restauration bzw. der Erneuerung des Oströmischen Reiches markiert die evangelische Wendung von der einen Herde und dem einen Hirten. Patellaros bringt sie als Schlussakkord99 und auch der Archimandrit Neofytos, mutmaßlich sein Neffe, lässt das Memoran95 Vgl. Tschopp, »Argumentation mit Typologie«, 163, 170. Zum »Changieren typologischer Perspektiven zwischen rhetorisch-literarischen Strategien und genuin geschichtstheologichen Deutungsmustern« vgl. M. Pohlig, »Was ist Heilsgeschichte? Formen und Funktionen eines Deutungsmusters in Spätmittelalter und Reformation«, in: L. Grenzmann u. a. (Hg.), Geschichtsentwürfe und Identitätsbildung am Übergang zur Neuzeit, Bd. 1, Berlin-Boston 2016, 54–77, hier 64f., Anm. 47 (Zitat) und 77, Anm. 96. Zur Differenz von Exempla und Typen vgl. ders., »Konfessionskulturelle Deutungsmuster«, 303, Anm. 92. 96 Bei Vlachos fungiert dies dank seiner aristotelischen Expertise auch als Ausdruck von Entelechie: Alles, was beginnt, trägt in sich sein Ende. Gott hat den Beginn der Herrschaft des Agarenen bestimmt und er wird auch sein Ende setzen. Doch auch bei ihm erscheint Aleksej als neuer Moses, Josua, Samson, David, Konstantin, Justinian, Theodosios und besonders als neuer Alexander, Waugh, »Odolenie«, 100f., 107. 97 Zur Typologie Midianiter – Ismaeliten vgl. G. J. Reinink, »Ismael, der Wildesel in der Wüste. Zur Typologie der Apokalypse des Pseudo-Methodios«, BZ 75 (1982), 336–344. Vlasios hatte Gideon und die Midianiter schon für die Besetzung Azovs durch die Donkosaken bemüht (17. Januar 1641, RGADA f. 52, op. 2, nr. 172). Die Auswirkungen des typologischen Denkens blieben nicht immer auf die rhetorische Ebene beschränkt. Die strikte Anlehnung an Gideons Vorbild, die eigene Truppe nach Gottes Gebot auf dreihundert Mann zu reduzieren, wurde z. B. 1649 den schottischen Covenanters gegen Cromwells Heer zum Verhängnis, vgl. Benedict, »Religion and Politics«, 130. 98 Bemerkt von Alexandropoulou, »Το ρωσικό ταξίδι«, 31, Anm. 8. Der byzantinische Sieg gegen die Awaren im Jahr 626 stellt den eigentlichen Gründungsmoment der byzantinischen »alttestamentarischen Ideologie« dar, vgl. Magdalino, Nelson, »Introduction«, 18; Rapp, »Old Testament Models«, 194. Er wird von Patellaros (HAB, Cod. Guelf. 210.5 Extrav. f. 283v–284) und Vlachos (Waugh, »Odolenie«, 101) hervorgehoben. 99 HAB, Cod. Guelf. 210.5 Extrav. f. 293v.
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dum zur Geschichte Kretas, das er unter Patellaros’ Anweisung zeitgleich verfasste und dem Zaren übergab, mit ihr ausklingen.100 Es hieße trotzdem, unzulässig zu vereinfachen, würde man Translatio Imperii und Renovatio oder Restitutio Imperii gegeneinander ausspielen. Die Übergänge zwischen beiden Vorstellungen und auch die Widersprüche in ihrer Artikulation sind allzu augenfällig, als dass man daraus konsequente, programmatische Positionen ablesen könnte.101 Und ihr symbolisches Referenzsystem ist ihnen gemeinsam. Es ist auch eine Translation der göttlichen Gnade und der Kaiserwürde auf Aleksej, die eine Restauration ermöglicht. Die Vorstellung einer Wiederherstellung des Vergangenen oder Ursprünglichen (αποκατάστασις) war samt all ihren biblischen Konnotationen (Sündenfall, Gnade und Erlösung) mit der mobilisierten byzantinischen Herrschaftstradition und Reichseschatologie, aus der sich auch die Translationsvorstellung speiste, quasi mitgeliefert worden.102 Die typologische Qualität erläutert auch Ligaridis selbst im Chrismologion, wenn er die »Analogie des Typus und Antitypus« zwischen der Gefangenschaft der Juden durch den Pharao und der Gefangenschaft der Christen bzw. deren künftiger Befreiung aus den Händen des zweiten Pharaos, Mohammed, geltend macht und mit dem eschatologischen Sabbat assoziiert.103 100 »…να μας αξιώση [ο Θεός] και ημάς τους πτωχούς να ιδούμεν την μεγάλην σου και ευσεβεστάτην βασιλείαν, ω Αλέξιε Μιχαηλοβίτζη, μέγα βασιλεύ και αυτοκράτωρ Μοσχοβίας και πάσης γης Ρωσίας, και εις εκείνον τον αξιώτατον θρόνον του αυτοκράτωρος Κωνσταντίνου δια να ειλευθερώσης από την ασέβειαν και την Πόλιν και την Κρήτην, και ούτω να γένη μία ποίμνη εις ποιμήν. Αμήν, αμήν, αμήν.«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 492; N. M. Panagiotakis, »Povest’ o kritskom ostrove Neofita, archimandrite monastyrja Bogorodicy, της Ακρωτηριανής«, Rossija i Christianskij Vostok 2–3 (2004), 377–386, hier 383. Die ursprüngliche Auslegung des Christuswortes als Prophezeiung der Bekehrung der Juden, der Muslime und schließlich aller Menschen vor dem Weltende bleibt neben der Verwendung als imperiales Motiv weiterhin präsent, etwa bei Matthaios von Myra (Legrand, Bibliothèque grecque vulgaire, Bd. 2, 314, Verse 2699ff.), bei Ligaridis (Chrismologion, BPJ, Cod. 160, f. 243v) oder auch in populären Orakeln (vgl. Koutzakiotis, Attendre la fin du monde, 36; K. Th. Dimaras, »Οι χρησμοί στη νέα μας ιστορία« [Die Orakel in unserer neuen Geschichte], Εκλογή 3/2 (1947), 196–203, hier 198), vgl. Poumarède, Pour en finir avec la Croisade, 99, Anm. 1 für den Gebrauch in einem venezianischen Prognosticon (christliche Eroberung Konstantinopels und Missionierung der Türken). 101 Landwehr, Geburt der Gegenwart, 78. 102 Die Vorstellung einer imperialen Restauration bestimmte die »Rhythmen der imperialen Erneuerung« in Byzanz. Das Ideal des Weltreichs eines Konstantin oder Justinian schwebte allen späteren neuen Konstantins und Justinians vor, vgl. Magdalino, »Introduction«; ders., »Basileia«, 579f.; P. J. Alexander, »The Strength of Empire and Capital as seen through Byzantine Eyes«, Speculum 37 (1962), 341–357, hier 348–354; Treitinger, Kaiser- und Reichsidee, 262, Anm. 42. Auch die byzantinische Apokalyptik war seit den arabischen Eroberungen auf dieselbe Vision als Vergeltung und Erlösung zugleich ausgerichtet, zumindest in jenem Hauptzweig, der das Erscheinen des Friedenskaisers vorsah, vgl. Olster, »Byzantine Apocalypses«. 103 »Πρόσθες και την αναλογίαν του τύπου με τον αντίτυπον: η ελευθερία των Ιουδαίων οπού αιχμαλωτίσθησαν από τον Φαραώ εις την Αίγυπτον είναι χαρακτήρ και υπογραμμός της μελ-
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Fasst man diese Vorstellung in den Begriffen von Erfahrungsraum und Erwartungshorizont sowie der zwischen ihnen vermittelnden Imagination,104 so ist, wie zu erwarten, keine manifeste Divergenz zu konstatieren. Wie sehr die Imagination dem symbolischen Kontext verhaftet bleibt, zeigt sich, wenn es darum geht, sich die imperiale Utopie bildhaft auszumalen. Der erträumte Endsieg kommt im Stile eines byzantinischen Kaisertriumphs daher: Der siegreiche Zar zieht unter dem Jubel und den Akklamationen der erlösten Christen sowie zur Freude der Engel und der Heiligen im Himmel in die Polis ein. Man versammelt sich in der wieder geweihten Hagia Sophia, Sinnbild des Triumphs und der Restauration, um der feierlichen Liturgie beizuwohnen,105 ein Symbol, dem noch im säkularen Kontext der griechischen Nationalideologie eine gut bekannte Rolle beschieden war. Richtet man den Blick auf die Zeit Peters und seiner griechischen Exhortatoren, so begegnet man zunächst den vertrauten Bildern. Bei Sofronios Leichoudis (im Klagelied der Ostkirche) nähert sich der Zar der Stadt mit seiner Flotte vom Schwarzen Meer aus, um sein Banner am Ufer des Phanars zu hissen. Es folgt die erwartete Prozession der Patriarchen und die Liturgie in der Hagia Sophia, ehe Peter unter dem allgemeinen Jubel den ihm gebührenden Thron Konstantins besteigt.106 Göttliche Vorsehung, biblische Typologie und kaiserlicher Triumph geben den Ton auch bei Chrysanthos Notaras an, wenn er 1707 Peter »jenen Tag« schildert: λούσης των Χριστιανών ελευθερίας από του δευτέρου Φαραώ, του Μωάμεθ […] των Ρωμαίων η αποκατάστασις και το ευλογημένον Σάββατον εις το οποίον έχει το βασανισμένον γένος να αναπαυθή από τα δυσβάσταχτα τέλη και τζαλαπατίσματα«, BPJ, Cod. 160, f. 243 und 243v. Zum eschatologischen Sabbat vgl. R. E. Lerner, »The Medieval Return to the Thousand-Year Sabbath«, in: R. K. Emmerson, B. McGinn (Hg.), The Apocalypse in the Middle Ages, Ithaca New York 1992, 51–71. »Αποκατάστασις« ist der Begriff, den auch Panajotis Nikousios in seinem Brief an Athanasius Kircher vom 7. März 1655 verwendet, wenn er von den islamischen Prophezeiungen berichtet, die das Ende der osmanischen Herrschaft und die Wiederherstellung des christlichen Reichs voraussagen, dieselben, die er Krizˇanic´ mitgeteilt hatte: »…την της πρώτης εξουσίας επανάληψιν και την της βασιλείας αποκατάστασιν τοις χριστιανοίς προκυρήττοντα«, Koutzakiotis, Attendre la fin du monde, 169–171, 190. 104 Vgl. Koselleck, ›Erfahrungsraum‹ und ›Erwartungshorizont; Schinkel, »Imagination«. 105 Waugh, »Odolenie«, 107; HAB, Cod. Guelf. 210.5 Extrav. f. 275v. Sie wird dem Zaren stereotyp in der Korrespondenz gewünscht, etwa in einem Brief im Namen des Patriarchen Ioannikios II. (RGADA f. 52, op. 2, nr. 310, siehe Anhang Nr. 2) oder auch im Brief von Ligaridis aus Kiev (16. Juli 1674, RGADA f. 52, op. 2, nr. 640). 106 Ramazanova, »Socˇinenie Lichudov«. In ihrer Lobrede auf die Zaren Ivan und Peter und die Zarevna Sofija anlässlich des Osterfestes am 27. März 1687 stellen die Brüder Leichoudis die Analogie zwischen der Auferstehung und der Befreiung Konstantinopels her. Die Zaren werden als »wahre Erben unserer alten, glorreichen Kaiser« die Welt beherrschen. Zwei Jahre später, im Juni 1689, bringt es Sofronios fertig, Vasilij Golicyns zweiten Krimfeldzug bei dessen Rückkehr in Moskau als Triumph auszugeben: Vasilij habe sich als zweiter Alexander erwiesen und als neuer David den Tatarenchan/Goliath bewzungen, Bogdanov, Pamjatniki, nr. 17, 183f., 215–219; vgl. Chrissidis, An Academy, 166–173.
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»Das ganze orthodoxe Volk, das sich unter der Herrschaft des Tyrannen befindet […], hofft, ohne Verzögerung seinen Befreier zu sehen, den neuen Moses, Eure unbesiegbare und mächtige Majestät (die dazu geboren und nach göttlicher Vorbestimmung in die Welt gesandt wurde), der sie aus den Händen nicht bloßer Pharaonen und Tyrannen, sondern wahrer Teufel und Bestien befreit. Und möge der Allmächtige Gott jene Stunde kommen lassen, damit die Orthodoxen ihren Erlöser in ihren Ländern empfangen und alle zusammen den Psalm singen: Gelobt sei der Kommende im Namen des Herrn, der König Israels.«107
Die der Palmsonntagszeremonie entnommenen evangelischen Verse ( Joh 12,13 und ähnlich Mt 21,9; Mk 11,9; Lk 12,38) begleiteten in der Tat zwei Jahre später, am 21. Dezember 1709, Peters Moskauer Triumphzug nach der Schlacht von Poltava. Dabei erinnerte kaum etwas an die Prozessionen mit Ikonen, Kreuzen und Christusbannern, die noch die Triumphzüge Aleksejs geprägt hatten. Stattdessen bestimmten klassizistische Motive, Triumphbögen (triumfalnye porty), Trommeln und Feuerwerke (Peters ganz besondere Leidenschaft) die Szenerie.108 Gewiss, biblische Motive (Peter/David gegen Karl XII./Goliath) fanden sich neben mythologischen Allegorien (Peter als Herkules), ganz wie es den barocken Vorbildern entsprach. Doch ein Wandel, eine Verschiebung in der Selektion und der Handhabung der biblischen Motive, welche die Translationsvorstellung tragen, ist auch in den vorliegenden Beispielen zu konstatieren. Die translatio imperii erscheint in den Texten, wo sie thematisiert wird, als vollzogen, aber weniger als Übertragung des imperialen (ost-)römischen Erbes anhand aufzuzählender Titel und Erbrechte. Eher ist hier ein Schwerpunkt auf der räumlichen Übertragung auszumachen, und zwar im konkreten, geographischen Denkbild, vom Süden gen Norden, εις τα υπερβόρεια, eine Verschiebung, die auf Veränderungen im imaginären Weltbild hinweist.109 Die biblischen Figuren, die zur 107 »Τούτο και μόνον σημειώ ιδίως προς το θείον αυτής κράτος, ότι άπαν το ορθόδοξον γένος το υπό την εξουσίαν του τυράννου τελούν […] ελπίζει χωρίς αργοπορίαν να ιδή τον ελευθερωτήν αυτού, τον νέον Μωυσήν, την υμετέραν λέγω ανίκητον και κραταιάν μεγαλειότητα (την δια τούτο γεννηθείσαν και πεμφθείσαν κατά θείον προορισμόν εις τον κόσμον) από των χειρών όχι φαραώ και τυράννων, αλλά αισθητών διαβόλων και θηρίων, και άμποτε να αναδείξη ο μεγαλοδύναμος Θεός εκείνην την ώραν, διά να δεχθώσιν εις τους τόπους των οι ορθόδοξοι τον λυτρωτήν των και να ψάλλωσιν και να βοώσιν όλοι ομού το ευλογημένος ο ερχόμενος εν ονόματι Κυρίου βασιλεύς του Ισραήλ«, RGADA f. 52, op. 1, 1707, nr. 1, f. 16–16v, Chrysanthos an Golovkin, 28. September 1707. 108 Vgl. Wortmann, Scenarios of Power, Bd. 1, 45f.; Hughes, Age of Peter, 206f.; B. A. Uspenskij, »Historia sub speciae semioticae«, in: ders., Semiotik der Geschichte, Wien 1991, 65–71, hier 67; P. Bushkovitch, »The Roman Empire in the Era of Peter the Great«, in: Ch. S. L. Dunning u. a. (Hg.), Rude and Barbarous Kingdom Revisited: Essays in Russian History and Culture in Honor of Robert O. Crummey, Bloomington 2008, 155–172, hier 155f.; Pogosjan, Petr I, 80– 84; V. M. Zhivov, »Kul’turnye reformy v sisteme preobrazovanij Petra I«, in: ders., Razyskanija v oblasti istorii i predystorii russkoj kul’tury, Moskau 2002, 381–435, hier 392–398. 109 Vgl. Schenk, »Mental maps«. Zur zeitgenössischen Stellung der Geographie in der griechischen Gelehrtenkultur vgl. Kitromilides, Enlightenment and Revolution, 90–93; G. Aujac,
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Veranschaulichung und Deutung dieser Vorstellung herangezogen werden, kommen aus demselben Fundus wie zuvor, nur sind es jetzt vornehmlich zum einen der Daniel’sche König des Nordens (Dan 11), zum anderen das Weib und der Drache aus der Johannesoffenbarung (Apk 12). Methodios Armenopoulos, der skandalumwitterte Ex-Metropolit von Thessaloniki, baute in den Brief, mit dem er sich im Januar 1703 Zar Peter als Agent empfahl, eine Unmenge solch biblischer Figuren ein. Die göttliche Vorsehung, so der Ausgangspunkt seines Arguments, habe sich stets bestimmter Werkzeuge bedient (διά μέσων τινών ως διοργάνων ενήργησεν),110 um auf die Geschichte der Menschen einzuwirken. Methodios greift in der uns bei Patellaros schon begegneten Manier weit aus, um eine Reihe typologischer Beispiele aufzustellen: von Noahs Arche, Abraham, Moses und David, über die Menschwerdung Christi, die Verkündung des Evangeliums durch die Apostel und die Festigung der Orthodoxie durch die Kirchenväter in den ökumenischen Synoden, bis zu den frommen Kaisern Konstantin, Theodosius und Justinian, welche die Kirche zu schützen und zu bewahren gewusst hätten. Nun habe zwar Gott den Griechen das Reich entzogen und es Fremden unterworfen, doch in seiner Weisheit für die Kirche gesorgt. Er habe nämlich das Reich verlagert und in den äußersten Norden transferiert (εμετάθεσεν αυτήν αυτόθι εις τα υπερβόρεια, βασιλείαν κραταιάν και ισχυράν), als »rettendes Horn« für den wahren Glauben.111 Die frommen Vorfahren Peters hätten nämlich nicht nur die Orthodoxie bewahrt und weitere Völker missioniert, sondern auch stets für die unterjochten Glaubensbrüder gesorgt und diese ermutigt. Bis dahin ist im Grunde alles schon oft gesagt worden. Es folgt die gleichermaßen bekannte Wendung, das Moskauer Reich stelle für die Griechen Ruhm, Stolz und die Hoffnung auf Freiheit dar. Letztere baut aber erstmals auf die »Orakel und Rätsel der göttlichen Offenbarungen Daniels« vom »König des Nordens« und seine imposanten Streitmächte (Dan 11, bes. 36–45). Dass Methodios aus dem Gedächtnis mehr als nachlässig zitiert, das entstellte Zitat falsch verortet und sogar sinnwidrig ausklingen lässt, ist nicht sonderlich überraschend. Man brauchte sich nicht in den endlosen exegetischen Debatten seit der Spätantike auszukennen, um im »König des Nordens« (eigentlich eine kryptische Bezeichnung für den verhassten Seleukidenkönig Antiochos IV. Epiphanes) eine »Deux manuels grecs de géographie à l’aube du XVIIIe siècle«, Platon 53 (2003), 62–73; D. J. Kostantaras, Infamy and Revolt. The Rise of the National Problem in Early Modern Greek Thought, New York u. a. 2006, 164–174; vgl. die Beschreibung Moskowiens in der Geographie des Metropoliten von Athen Meletios Mitrou (1661–1714), Γεωγραφία Παλαιά και Νέα [Alte und Neue Geographie], Venedig 1728, 212–221. 110 RGADA f. 52, op. 2, nr. 709 (3. Januar 1703), siehe Anhang Nr. 7. 111 Lk 1,69 sowie Ps 17,3 und 2 Sam 22,3. In derselben Funktion auch von Vlachos zitiert: Gott möge Aleksej der Ostkirche als »rettendes Horn« schenken, vgl. Waugh, Odolenie, 108.
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Gestalt des Bösen zu erkennen.112 Methodios störte sich offenbar nicht daran und er war nicht der Einzige; zu schlagkräftig erschien die suggestive Macht des Bildes, als dass man auf sie verzichten wollte.113 Die zweite Figur, die Methodios daran anschließt, ist die des vor dem Drachen in die Wüste fliehenden schwangeren Weibes (Apk 12,1–6 und 13–18), die schon Filofej von Pskov zur Darstellung seiner Denkfigur vom »Dritten Rom« gedient hatte. Methodios bringt erneut einiges durcheinander, geht aber insgesamt korrekter vor als beim Danielzitat. Er fügt zudem eine Auslegung der Stelle hinzu, die er Panagiotis Nikousios zuschreibt (Παναγιώτης δέ τις προ ολίγον μέγας διερμηνευτής). Es ist nicht auszuschließen, dass es sich dabei um eine – nicht erhaltene – Exegese des in der Apokalyptik durchaus bewanderten Dragomans handelt. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass ihm inzwischen aufgrund seiner Reputation und Autorität Verschiedenes zugeschrieben wurde, wie seinerzeit Gennadios Scholarios. Die Auslegung weicht von der maßgeblichen Exegese des Andreas von Kaisareia ab, insofern sie einer dem osmanischen Rahmen entsprechenden Aktualisierung unterliegt:114 Das Weib stehe für den orthodoxen Glauben, die Sonne, die sie bekleidet, für Christus, der Drache für den ungläubigen Staat und der Knabe für einen Spross der Orthodoxie, der den Drachen 112 Vgl. Collins, Daniel: A Commentary, 117–121. Für Luther war er ein »Exempel aller bösen Könige und Fürsten«, vgl. Koch, Europa, Rom und der Kaiser, 26. Der wesentliche Streitpunkt in der exegetischen Tradition bestand bezeichnenderweise darin, ob damit der historische Antiochos allein gemeint war, Antiochos als Typus des Antichristen, oder, falls die Erfüllung noch ausstünde, der endzeitliche Antichrist selbst. 113 Besonders während des Dreißigjährigen Kriegs hatte sich im protestantischen Europa eine positive Interpretation des »Königs des Nordens« als messianische Voraussage eines Erlösers verbreitet (etwa Böhmens »Winterkönig« Friedrich V. oder Schwedens Gustav Adolf), der das Papsttum demütigen würde, vgl. C. Gilly, »Der ›Löwe von Mitternacht‹, der ›Adler‹ und der ›Endchrist‹: Die politische, religiöse und chiliastische Publizistik in den Flugschriften, illustrierten Flugblättern und Volksliedern des Dreißigjährigen Kriegs«, in: Rosenkreuz als europäisches Phänomen im 17. Jahrhundert, Amsterdam 2002, 234–268. 114 PG 106, Sp. 319–326; Podskalsky, Reichseschatologie, 86–88; E. Scarvelis-Constantinou, Andrew of Caesarea and the Apocalypse in the Ancient Church of the East: Studies and Translation, Diss. Laval Québec 2008, Bd. 2, 125–138. In Venedig, wo die Figur im 16. Jahrhundert einen prominenten Platz im ikonographischen Programm der St.-Markus-Kathedrale fand, wurde die Identifizierung des Weibs mit Venedig und des Drachen mit dem Sultan populär, vgl. Poumarède, Pour en finir avec la Croisade, 101–103; B. Paul, »›And the moon has started to bleed‹: Apocalypticism and religious reform in Venetian art at the time of the Battle of Lepanto«, in: J. C. Harper (Hg.), The Turk and Islam in the Western Eye, 1450– 1750. Visual Imagery before Orientalism, Farnham 2011, 67–94, hier 83–85. Zur Konjunktur des Motivs in Russland im frühen 18. Jahrhundert, etwa in Predigten von Stefan Javorskij vgl. R. Collis, The Petrine Instauration. Religion, Esotericism and Science at the Court of Peter the Great, 1689–1725, Leiden u. a. 2012, 220–229, 359–361; ders., »Merkavah Mysticism and Visions of Power in Early Eighteenth-Century Russia: The New Year Panegyrics of Stefan Javorskij, 1703–1706«, Russian Literature 75 (2014), 73–109; E. Pogosjan, M. Smorzˇevskich, »›Ja devu v solnce zrju stojasˇcˇu…‹ (apokalipticˇeskij sjuzˇet i formy istoricˇeskoj refleksii: 1695–1742 gg)«, Studia Russica Helsingiensia et Tartuensia 8 (2002), 9–36.
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überwältigen und vernichten werde.115 Methodios braucht daran nur wenig zu ergänzen, denn »wir sehen vor unseren Augen ihre Erfüllung«, der »echte und tapfere Knabe« ist kein anderer als der Adressat des Briefs, der gotterwählte Kaiser Peter selbst.116 Welchen gedanklichen Spielraum die Translationsvorstellung und ihre biblische Fundierung erlaubten, zeigen zwei kurze Texte Dimitrie Cantemirs von 1714. Im Bestreben, den Plan eines erneuten russisch-osmanischen Krieges zu fördern, seine politische Entscheidung nachträglich zu legitimieren und womöglich eine Revanche bzw. das nicht aufgegebene Ziel einer Rückkehr auf den Fürstenthron doch noch zu erreichen, widmete der moldauische Fürst sie nach dem Pruthkrieg und seiner Übersiedlung nach Russland dem Zaren. Es handelt sich zunächst um den Panegyrikos (Panegyricum), den Dimitries siebenjähriger Sohn S¸erban Cantemir am Ostersonntag, den 28. März 1714, dem Zaren in griechischer Sprache vortrug und der im selben Jahr in einer lateinischen und russischen Fassung in St. Petersburg gedruckt wurde.117 Als eigentlicher Verfasser wird allgemein der gelehrte Vater des Fürstensohns (ηγεμονίδης) angesehen, wobei eine Zuarbeit durch dessen Privatlehrer Athanasios Kontoeidis in der Gestaltung des griechischen Textes vermutet wird. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass Kontoeidis’ Beitrag wesentlicher war. Der Text selbst, »ein Mosaik aus (biblischen) Zitaten«,118 besonders aus den Psalmen, arbeitet auf bewährte, wenn auch etwas exzessive Weise die Hoffnung auf Befreiung der Ostkirche und des Neuen Israels vom 115 RGADA f. 52, op. 2, nr. 709. Eigentlich flieht das Weib in die Wüste, nachdem es den Knaben geboren hat. Und es ist auch nicht der Knabe, wie Methodios meint, der den Drachen überwältigt. Zu Filofejs Umgang mit der Figur vgl. Kämpfer, Beobachtungen, 31–37. In der massgeblichen Deutung des Andreas von Kaisereia bezeichnet das Weib die Kirche, die Sonne Christus, der Drache den Teufel und der Knabe das Kirchenvolk. 116 In einem späteren Brief, den Methodios im November desselben Jahres in der Befürchtung, der erste sei womöglich verloren gegangen – er hatte ja keine Antwort erhalten –, nachschickte, fasst er den Inhalt des ersten Briefs zusammen und gibt dem Zaren zu verstehen, dass darin auch »manche Prophezeiungen der Propheten Daniel und Ezechiel« enthalten gewesen seien, die »viele in den aktuellen Unternehmen« Peters wiedererkannt hätten: »…ακόμι είχαμεν και τινάς προφητείας του προφήτου Δανιήλ και Ιεζεκιήλ, αι οποίαι διεκρίθησαν παρά πολλών εις τα νυν ενεργούμενα επιχειρήματα της ανδρικωτάτης σου βασιλείας και ως θείας φωνάς και εμπνεύσεις Θεού εδηλώσαμεν αυτάς εκεί εις την γραφήν«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 712 (November 1703). Bei Ezechiel ist wahrscheinlich die Ρως-Stelle (Ez 38, 2–3) gemeint. 117 P. Cernovodeanu, »Dimitrie Cantemir: Panegiricul lui Petri cel Mare (1714)«, Archaeus 5 (2001), 105–137 (Edition des griechischen, lateinischen und russischen Textes); E. Lozovan, »Le Panégyrique de Pierre le Grand«, RIDS 92 (Dezember 1981), 3–51 (Edition des griechischen und lateinischen Textes. Faksimile der griechischen Hanschrift); ders., »D. Cantemir – Panégyriste de Pierre le Grand«, Buletinul Bibliotecii Române, s. n. 5 (9) 1975/76, 479– 502. Das Werk wurde im selben Jahr in den Leipziger Acta Eruditorum (XI, 1714, 536) in der Rubrik »Nova Literaria« kurz besprochen, vgl. P. Cernovodeanu, »Les Œuvres de Démètre Cantemir présentées par ›Acta Eruditorum‹ de Leipzig (1714–1738)«, RESEE 12 (1974), 537– 550, hier 538f. 118 Lozovan, »Cantemir – Panégyriste«, 481.
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osmanischen Tyrannen aus der Auferstehung Christi und der Bezwingung des Todes heraus. Der Zar darf als sterblicher Mensch die Verheißung der Unsterblichkeit teilen und sich als Kaiser in Christo gegen die Mächte des Bösen behaupten gemäß Psalm 20,1 (21,2): »Herr, der König freut sich in Deiner Kraft, und wie sehr fröhlich ist er über Deine Hilfe!«. Die Typologie altes Israel/neues Israel, alter Adam/neuer Adam mündet in die Gegenüberstellung des Ostertages mit den Tagen Peters (έως εις ταις ημέραις του Πέτρου – usque ad dies Magni Petri) sowie die der Erlösung der Menschheit von der Erbsünde durch Christus mit der Erlösung der Großen Kirche durch den Imperator Peter.119 Weitaus komplexer erscheint die Argumentation der ebenfalls 1714 von Cantemir verfassten und dem Zaren vorgelegten Monarchiarum Physica Examinatio (Naturphilosophische Untersuchung der Weltreiche). Dabei handelt es sich nicht um ein politiktheoretisches Traktat über Herrschaftsformen, sondern um einen geschichtsphilosophischen Entwurf, der als der fehlende theoretische Unterbau seiner Osmanischen Geschichte, der Incrementa et Decrementa Aulae Othomanicae angesehen worden ist.120 Cantemir geht von der Daniel’schen Weltreichelehre als dem autoritativen Deutungsschema der Weltgeschichte und Gegenstand voluminöser Exegetik aus. Die Interpreten des Danielbuches seien 119 »Και καθώς επί Κλαυδίου Καίσαρος εσώθη η οικουμένη του Ιησού γεννηθέντος, έτζι ελπίζομεν επί Πέτρου του Αυτοκράτωρος την λύτρωσιν της μεγάλης του Χριστού αναστάντος της Εκκλησίας.«. Die in der Tat seltsame Überschreibung der Rede als »panegyrischen Holocaust«, d. h. als rituelles Opfer (Πανηγυρικόν ολοκαύτωμα, Panegyricum holocaustum) hat zu weitreichenden Spekulationen Anlass gegeben, Cantemir habe in Wirklichkeit unter den Lobpreisungen in kabbalistisch verschlüsselter Sprache zahlreiche Vorwürfe und Anschuldigungen verborgen, der Zar habe die Moldau geopfert und die Verträge von 1711 missachtet, vgl. Lozovan, »Le Panégyrique«, 14f.; ders., »Cantemir – Panégyriste«, 481f.; Cernovodeanu, »Panegiricul«, 111f., 135. Zu Cantemirs kabbalistischen Interessen vgl. E. Lozovan, »D. Cantemir avant les Lumières«, RIDS 77 (Oktober 1980), 3–19. Obwohl zur Unterstützung dieser Deutung weitere Indizien angeführt werden – kritische Töne in späteren Briefen Cantemirs an Peter –, sollte der Kontext, in dem die Deutung erstmals erfolgte – die Klage gegen den sowjetischen Imperialismus durch einen exilrumänischen Autor –, einen zumindest skeptisch stimmen. Außerdem könnte Cantemir den Begriff aus Jan Baptist van Helmonts Ortus Medicinae (Amsterdam 1648) übernommen haben (das Vorwort ist darin Holocaustum vernaculum benannt), das er in Konstantinopel exzerpiert hatte, vgl. Lemny, Les Cantemir, 80f. 120 Editionen: I. Sulea-Firu, »O scrisoare inedita˘ a lui D. Cantemir Monarchiarum Physica Examinatio«, Studii ¸si cerceta˘ri de bibliologie 5 (1963), 267–276; E. Lozovan, »D. Cantemir: Monarchiarum Physica Examinatio«, RIDS 113 (Dezember 1983), 1–40; E. Bereschi (Hg.), Dimitrie Cantemir, O cercetare naturala˘ a monarhiilor. Monarchiarum Physica Examinatio, Cluj-Napoca 2017. Vgl. die Studien: N. M. Djuvara, »Démétrius Cantémir philosophe de l’histoire«, Revue des Études Roumaines 13/14 (1974), 65–90; Al. Georgescu, »La Translatio Imperii selon le Panegyricum et la Monarchiarum physica examinatio (1714) de Démètre Cantemir Prince de Moldavie. De la prophétie de Daniel à la philosophie naturelle de l’histoire«, in: Popoli e Spazio Romano tra diritto e profezia, [Da Roma alla terza Roma, 3], Neapel 1986, 573–593.
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aber im Gegensatz zu den vier Monarchien die historische Identifizierung der Nördlichen Monarchie (Monarchia Aquilonica) angeblich schuldig geblieben. Andererseits hätten aber nichtchristliche, jüdische und arabische Gelehrte die künftige Weltmacht einem nördlichen Volk zugesprochen. Da weder die Heilige Schrift leere Namen (nomina inania et nihil significantia) enthalten könne noch allein aus Aberglauben (pro meris superstitionibus) den nichtchristlichen Traditionen zu folgen sei, greift Cantemir statt der biblischen Exegese zu einer alternativen, politischen, physiologischen Sprache, um seine These auszuführen. In Anlehnung an Aristoteles (De generatione et corruptione und besonders De caelo) entwirft er die natürliche Ordnung (ordo naturalis et necessarius) eines Kreislaufs als Naturgesetz (lex naturae, norma naturae), das sowohl Vernunft wie Erfahrung lehren (ratio et experientia docent). Diese teleologische Kreisbewegung (motus circularis, imperturabilis circulus) von Geburt, Wachstum, Altern und Tod durchlaufen zwingend alle natürlichen Einheiten einschließlich der irdischen Monarchien; nur die Monarchie Gottes ist ewig. Dasselbe Gesetz wiederholt sich im Gang der Weltgeschichte: der die vier Weltreiche umfassende Herrschaftstransfer folgt einer kreisförmigen Sukzession vom Osten über den Süden und den Westen nach Norden. Diese weicht von der üblichen Bewegung ab, indem sie die Monarchia Orientalis, Meridionalis und Occidentalis jeweils vornehmlich den Persern, den Griechen und den Römern zuordnet und den Platz für die vierte und letzte, die Nördliche Weltmonarchie den Russen vorbehält (Monarchia Aquilonica, Borealis, Russiaca Monarchia). Mit dieser konzeptionellen Verschiebung von der politischen Theologie zu einer »vernünftig und natürlich erläuterten« (rationabiliter et physice declarata) politischen Physiologie ergibt sich eine Reihe von Abwandlungen und Modifikationen des überkommenen Diskurses: Gravierender als der explizite Abschied von der Vision einer genuinen Universalmonarchie121 ist der implizite Abschied vom byzantinischen Erbe (Ostrom ist in Cantemirs Schema überhaupt kein Platz unter den Weltreichen beschieden), von der Orthodoxie als Legitimationsbasis und vom orthodoxen Volk als Neuem Israel, von seinen Sünden und Strafgerichten, und folglich von der Idee einer imperialen Restauration. Cantemir kann trotzdem sein Anliegen, das antiosmanische Programm, naturalisieren und legitimieren, da er mittels desselben Vokabulars das Osmanische Reich zwar nicht mehr als »kleines Horn« oder Antichrist, sondern als Missgeburt (abortivus) definiert, als naturwidriges, schreckliches Monster (monstrum horrendum), das die natürliche Entwicklung der Nördlichen Monarchie verzögert und für deren Aufstieg beseitigt werden muss: ein weiterer Beweis für Gottes Gerechtigkeit, die 121 Es geht ausschließlich um geographisch definierte Reiche. Die Natur habe wiederholt die Bildung einer Universalmonarchie verhindert, indem sie unüberwindbare Grenzen geschaffen habe, etwa im Falle der Römer durch den Widerstand der Parther im Osten.
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Weisheit der Natur – und nicht zuletzt für die Schlüssigkeit von Cantemirs Schema. Diese Erhebung der Nördlichen Monarchie, die zugleich den Kreis mit der letzten und perfekten Monarchie schließt, wird von Cantemir in apokalyptisch gefärbter Diktion beschrieben: Die Zeit ist nah, der Kreislauf ist beschleunigt und nähert sich seinem Ende (tempora appropinquant, tempora in propinquis sunt). Der Nördlichen Monarchie wird die Wiederkunft des Herrn gemäß Dan,12 verheißen. Gleichzeitig wird diese Vorstellung von einer zweiten begleitet und überlagert: Die erwartete Perfektion des Kreises manifestiert sich in der Mehrung menschlichen Wissens, im Versprechen einer Offenbarung der verborgenen Geheimnisse der Natur. Die Ankunft der Weisheit in der Zeit der letzten Monarchie wird somit eine allgemeine Erleuchtung einleiten, ein Echo des hoffnungsfrohen »progressiven Millenarismus« des 17. Jahrhunderts, der gewöhnlich mit Francis Bacons Great Instauration oder mit den Manifesten der Rosenkreuzer assoziiert wird.122 Das Lob Peters, des unausgesprochenen Hauptes der Nördlichen Monarchie als Inbegriff aller kaiserlichen Tugenden, bedient die herkömmliche Enkomiastik und stellt zugleich ein weiteres Zeichen der Vollendung und Vervollkommnung dar. Nach dem gleichen doppeldeutigen Muster erfolgt auch die Krönung der millenaristischen Utopie: Barmherzigkeit und Friede, Gerechtigkeit und Wahrheit herrschen zwischen Himmel und Erde, ›es wird eine Herde und ein Hirte‹. Cantemir distanziert sich dennoch vorsichtshalber von dieser Vision, die er gewissen »Naturphilosophen« (philosophi physici) zuschreibt. In der Tat erweisen sich sowohl die Deutung des Monarchienzyklus als auch das millenaristische Crescento als wörtliche Übernahmen aus dem Werk des polnischen Alchemisten Michael Sendivogius (1566–1636), einer Schlüsselfigur der Rosenkreuzerbewegung.123 Dieser Streifzug lässt sich am besten mit dem Priestermönch Anastasios Gordios schließen; mit seinem in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten exegeti122 Vgl. R. Poppkin, »Seventeenth-Century Millenarianism«, in: M. Bull (Hg.), Apocalypse Theory and the Ends of the World, Oxford–Cambridge Mass. 1995, 112–134, hier 124; D. Groh, Göttliche Weltökonomie. Perspektiven der Wissenschaftlichen Revolution vom 15. bis zum 17. Jahrhundert, Berlin 2010, bes. Kapitel 5–7; Landwehr, Geburt der Gegenwart, 324– 329. 123 Sendivogius’ idealer Monarch war wahrscheinlich der polnische König Sigismund III. oder dessen Sohn Władysłav IV. gewesen. Für Einzelheiten sei hingewiesen auf: N. Pissis, Dimitrie Cantemir, the Monarchia Borealis and the Petrine Instauration: Working Paper des SFB 980 Episteme in Bewegung, No. 4/2015, Freie Universität Berlin http://www.sfb-episteme.de/Lis ten_Read_Watch/Working-Papers/No_4_Pissis_Dimitrie-Cantemir/index.html [01. 02. 2017]. Zu Sendivogius’ Millennarismus vgl. R. T. Prinke, »›Heliocantharus Borealis‹: Alchemy, Polish Sarmatism and the Fourth Norterhn Monarchy in the Prophetic Vision of Michael Sendivogius«, in Druck, in einem Band der Reihe Universal Reform, Studies in Intellectual History 1550–1700, hg. von H. Hotson und V. Urbánek. Ich danke dem Autor herzlich für die Zusendung des Aufsatzes.
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schen Traktat Über Mohammed und gegen die Lateiner, das er um 1722 in der Abgeschiedenheit seines Klosters in Gouva, in Zentralgriechenland, verfasste.124 Der Text hebt sich nicht nur als weitverbreiteter und einflussreicher Kommentar von den meisten hier besprochenen Beispielen ab, sondern auch dadurch, dass er nicht an den Zaren gerichtet ist und gerade in seiner exegetischen Konsequenz und Unbestechlichkeit einen wertvollen Indikator für die Reichweite und die Wirkung der Translationsvorstellungen und der Vorstellungen von Russlands heilsgeschichtlicher Stellung in der griechischen Kulturwelt am Ende der hier behandelten Periode darstellt. Es ist ferner einer der letzten griechischen Texte, die auf der Vier-Reiche-Lehre als Ordnungsschema der Weltgeschichte beruhen. Gordios entnimmt einer sorgfältigen Lektüre des Danielbuches und der Johannesoffenbarung sowie der maßgeblichen exegetischen Tradition die Gewissheit, mit dem Ende des Oströmischen Reiches 1453 sei auch die Abfolge der prophezeiten Weltreiche abgeschlossen. »Denn die Heilige Schrift offenbart vier große Reiche, welche die Welt beherrschen werden, eins nach dem anderen, und mit dem vierten Reich wird das Weltende kommen. […] Diese vier Reiche sind vergangen und nichts anderes gilt es zu erwarten als das Reich des Antichrist.«125 Letzteres sieht er gleichermaßen verkörpert im Reich Mohammeds, dem Islam, dessen heilsgeschichtliche Verortung die Ausgangsfrage seines Traktats bildet, und im Reich des Lateiners, im Papsttum.126 In der Bildsprache des Nebukadnezzar-Traums: »Wir befinden uns gewiss unten, an den Füßen und den Zehen [der Statue], die das letzte und unseligste Reich des Antichrist bezeichnen.«127 Sein Erwartungshorizont umfasst nur noch das Weltende, das laut seiner Berechnung 130 Jahre später kommen wird.128 Nur konsequent ist das ernüchterte Fazit, eine Auferstehung des orthodoxen Reiches, eine Restitutio Imperii, sei auszuschließen – sie sei gar nicht vorgesehen: »Denn weder schreibt der Prophet Daniel in seinen Visionen noch der Theologe Johannes in seiner Offenbarung, dass sich alles noch zum Besseren wandeln oder dass ein christliches orthodoxes Reich entstehen wird, das die Gottlosigkeit des Antichrist Mohammed und die 124 Vgl. Argyriou, Les exégèses, 305–354; ders., »Anastasios Gordios, Sur Mahomet et contre les Latins« Επετηρίς Εταιρείας Στερεολλεαδικών Μελετών 6 (1990), 285–404 (Textausgabe); Podskalsky, Reichseschatologie, 63f.; ders., Griechische Theologie, 305–308. Argyrious Datierung auf 1717/18 basiert auf einem Fehler bei der Umrechnung des von Gordios (auf S. 329) angegebenen islamischen Jahres 1133. 125 Argyriou, »Anastasios Gordios«, 313f. 126 Argyriou, »Anastasios Gordios«, 313 und 324. Die ursprünglich protestantische Lehre vom zweiköpfigen Antichrist, Türke und Papst, war schon seit den 1620er Jahren in griechischen Kommentaren übernommen worden. 127 Argyriou, »Anastasios Gordios«, 351. 128 »Τους λείπεται ακόμι να βασιλεύσουν χρόνοι εκατόν τριάντα και τότε έχει να πάρη τέλος η βασιλεία τους ομού με όλον τον κόσμον. Διατί δεν φαίνεται πουθενά εις την Θείαν Γραφήν πως έχει να γένη καμία βασιλεία κατόπιν από τον Αντίχριστον«, Argyriou, »Anastasios Gordios«, 330.
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gottwidrige Häresie und Meuterei des christushassenden Papstes zerstören wird – außer in der Parusie des Herrn.«129 Welcher Part ist Russland in dieser geschichtstheologischen Vision beschieden? Hier kommen die Johannesoffenbarung und die Figur des fliehenden Weibes ins Spiel. Gordios schließt sich wieder einmal der autoritativen Auslegung an und sieht im Weib die verfolgte Kirche, in der Sonne Christus, im Knaben die Märtyrer und die Heiligen, das Neue Israel, im Drachen den Teufel und seine Handlanger.130 Die Wüste, in der die Kirche Zuflucht fand, ist, so Gordios, »aus dem Nachdenken über die Zeiten und die Dinge« (από στοχασμόν των καιρών και των πραγμάτων) erschlossene Deutung das orthodoxe Russland, das bis zu seiner späten Aufnahme der christlichen Verkündung unkultiviert und unerleuchtet geblieben sei.131 Die Christianisierung der inneren Skythen, d. h. der Russen bzw. Moskowiter unter Vladimir, ereignete sich nach göttlicher Vorsorge, als die Kirche in den östlichen Regionen von den Nachfolgern Mohammeds verfolgt und verwüstet worden war: »Und es kam zu einer Art Verlagerung (ωσάν ένας μετατοπισμός) der Ostkirche der drei Patriarchate vom Osten in die nördlichen Gebiete des Großen Russlands.«132 Man liegt nicht falsch, wenn man hierin in groben Zügen das Argument Filofejs von Pskov wiedererkennt, und wie bei Filofej handelt es sich nicht umsonst um ein spirituelles Erbe, das da verlagert wird. Die translatio (μετατοπισμός) betrifft die Kirche, nicht das Reich. Und es ist auch keine Restauration vorgesehen: »Und siehe beim Theologen: Von der Flucht des Weibes in die Wüste redet er, doch von ihrer Rückkehr, dass sie je zurück zu ihrer Wohnstatt kehren wird, sagt er nichts. […] Und wie es aussieht, ist für uns
129 Argyriou, »Anastasios Gordios«, 343; siehe Kap. III.2 zu Gordios Ablehnung der Orakel als unzuverlässig und schriftwidrig. 130 Argyriou, »Anastasios Gordios«, 322f. 131 Argyriou, »Anastasios Gordios«, 333. Gordios greift nicht nur auf die Geschichte der Christianisierung der Rus’ zurück, um seine These zu bekräftigen, sondern auch auf die Sage der Argonauten und ihrer Flucht aus Kolchis. Der beflügelte Riese, der sie im späteren Archangelsk vor der Flotte der Skythen rettete, war in Wirklichkeit der Erzengel Michael. Er war von Gott beauftragt, den Zufluchtsort der Kirche vorzubereiten, und wird auch weiterhin die orthodoxe Kirche Moskaus beschützen. Darauf bezieht sich das Wort von den Adlerflügeln, die dem Weib verliehen wurden (Apk 12,14), Argyriou, »Anastasios Gordios«, 336f. und Anm. 1, wo Argyriou die Chronik von Malalas als Quelle identifiziert. 132 Argyriou, »Anastasios Gordios«, 335. Das Bild der verfolgten, vom Osten vertriebenen Kirche bezieht sich auf die drei Patriarchate Alexandria, Antiochia und Jerusalem sowie auf »die Hälfte Konstantinopels«, d. h. die kleinasiatischen Eparchien, deren Kirchen und Klöster sowie deren Kirchenvolk Mohammed nahezu vernichtet habe, ebenda, 323. Das geographisch bestimmte Weltbild von Gordios wird besonders anschaulich auf S. 338f. und besonders 402.
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keine Hoffnung auf Freiheit im Diesseits.«133 Das Reich ist vorbei, die Tage sind gezählt, die Herde verbleibt ohne Hirten.134 Peters imperiale Symbolik bediente sich beim antiken, nicht beim neuen Rom. Man hat zwar versucht, darin Belege einer Herrschaftstranslation oder gar Nachklänge der Lehre vom »Dritten Rom« auszumachen.135 Doch die römischen Bezüge waren alles andere als unvermittelt. Vielmehr stellten sie eine Anleihe bei der zeitgenössischen europäischen Barockkultur dar, ohne Anspruch auf imperiale Erbrechte und ohne Translationsgedanken: »Any Roman element was the result of imitating Europe, not of making imperial claims.«136 Nicht anders als seinerzeit Ivan III. oder Ivan IV. ging es Peter vorrangig um den Anschluss an die zeitgenössische europäisch-christliche Staatenwelt und um die Demonstration der Ebenbürtigkeit des russischen Monarchen. Das antike Rom erfüllte im frühen 18. Jahrhundert die Bedürfnisse der europäischen Monarchen nach einer Symbolik von Souveränität und militärischer Glorie ohne kirchliche Bevormundung, geschweige denn, im russischen Fall, die Bevormundung durch griechische Kirchenmänner als Verwalter des imperialen Erbes. Mit dem vierten Reich der Danielprophetie, dem Träger der Universalmonarchie, hatte das heidnische Rom der späten Barockkultur, das im petrinischen Russland kopiert wurde, kaum etwas gemeinsam.137 Man kann dem russischen Diplomaten Peter Sˇafirov durchaus glauben, wenn er 1711 während der schwierigen Verhandlungen mit Wien im Vorfeld des Pruthkrieges bezüglich der zarischen Majestätstitel scherzte, der Zar würde eher »als Admiral einer der Puissancen anheuern, als dass er Kaiser in asiatischen Ländern« werden wolle. Die Beanspruchung des orientalischen Kaisertums läge ihm fern.138 Kaum eine andere Handlung Peters veranschaulicht deutlicher diesen Wandel als sein Entschluss, die kaiserlichen 133 Argyriou, »Anastasios Gordios«, 336 und 339. Dass es sich dabei (»wie es aussieht« / »ως φαίνεται το πράγμα«) um eine konkrete Anspielung auf den Pruthkrieg (1711) oder den Passarowitzfrieden (1718) handelt, ist nicht zwingend. 134 »Και απόμεινεν η καθολική Εκκλησία η ανατολική ωσάν μία ποίμνη προβάτων οπού είναι χωρίς ποιμένα, ήγουν βασιλέα«, Argyriou, »Anastasios Gordios«, 401. 135 Vgl. Ju. M. Lotman, B. A. Uspenskij, »Die Idee ›Moskau – Das Dritte Rom‹ in der Ideologie Peters I. (Zum Problem der mittelalterlichen Tradition in der Barockkultur)«, in: B. A. Uspenskij, Semiotik der Geschichte, 113–129; St. L. Baehr, »From History to National Myth: Translatio Imperii in Eighteenth-Century Russia«, RR 37 (1978), 1–13. 136 Bushkovitch, »The Roman Empire«, 171. 137 Vgl. Bushkovitch, »The Roman Empire«; B. A. Uspenskij, »Petr Pervij i pereosmyslenie ponjatja imperija«, Fakty i Znaki 3 (2014), 209–250; E. Sashalmi, »Rome as an Unlaid Ghost in Sixteenth–Eighteenth-Century Russia: Rome Spiritual and Rome Secular from the Early Sixteenth Century to 1725«, in: W. Bracke u. a. (Hg.), Renovatio, inventio, absentia imperii. From the Roman Empire to Contemporary Imperialism, Brüssel u. a. 2018, 117–136. 138 Vgl. Wittram, Peter I., 251f., 567; Brückner, Peter der Große, 463 zur Bestreitung dieses Anspruchs durch Peter selbst gegenüber August dem Starken.
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Insignien, Diadem, Zepter und Reichsapfel, die sein Vater 1660 in Konstantinopel hatte anfertigen lassen, durch westeuropäische, angeblich antik-römische, zu ersetzen.139 Ließe sich daher das Fazit ziehen, die Griechen hätten tatsächlich versucht, den Russen das (ost-)römische imperiale Erbe aufzubürden – Krizˇanic´ habe also recht behalten –, nur dass sie mit ihrem Programm am Ende an Peter gescheitert seien? Russland mag ja zum Imperium geworden sein, aber in seinem Selbstbewusstsein und seiner Legitimation wurde es weder zum »römischen« noch zum »orthodoxen« Imperium, allerdings auch nicht zum »slavischen«, wie es Krizˇanic´ lieber gewesen wäre.140 Als Korrektiv zu einem solchen Fazit wäre es sinnvoll, auf die Ambivalenz der Translationsvorstellung zurückzukommen. Eines der wirkmächtigsten Momente kollektiver Identität, Selbstbeschreibung und Legitimation war im konfessionellen Europa, besonders im Calvinismus, die Vorstellung von »Gottes auserwählten Völkern«141. Ihre Bedeutung in der orthodoxen Welt reicht aber wesentlich weiter zurück, bis zum mittelbyzantinischen Selbstverständnis vom »Neuen Israel« und seiner Adaption in den slavischen Ländern und besonders in Moskau seit dem späten 15. Jahrhundert. Eine stets unaufgelöste Spannung in den hier vorgestellten Texten des 17. und 18. Jahrhunderts betrifft die Frage, wer denn als das auserwählte Volk die Hauptrolle in Gottes Heilsplan innehabe. Die naheliegende Antwort, dass es die orthodoxen Christen als Ganzes gewesen sein sollen, scheint sich aus der Überlieferung kaum zu bestätigen. Etwas pauschal skizziert: Während auf griechischer Seite in der Regel suggeriert wird, der Verlauf der Heilsgeschichte strukturiere sich um den Sündenfall, die Reue und die Erlösung der Ostkirche oder auch der Griechen, die früher einmal die Reichswürde innehatten, wobei den Russen oder dem Zaren allein eine zwar wichtige, aber im Grunde instrumentelle Rolle zukomme, gehen die russischen Wahrnehmungen, und zwar nicht ausschließlich jene der Altgläubigen, davon aus, dass die Russen die Griechen bereits mehr oder weniger abgelöst hätten. Mit dieser Spannung konnte man unterschiedlich umgehen. Autoren wie Gordios konnten es sich leisten, auf Russland die Vorstellung einer unbefleckten Orthodoxie zu projizieren, da ihr Verhältnis zum
139 Vgl. Wortman, Scenarios of Power, Bd. 1, 72f. 140 »The new empire was also secular in self-conception. The empire was ruled by (mainly) Orthodox people, but it was not an Orthodox empire«, P. Bushkovitch, »Russia«, in: K. Kagan (Hg.), The Imperial Moment, Cambridge Mass. u. a. 2010, 109–140, hier 124. 141 Vgl. A. Mosser (Hg.), Gottes auserwählte Völker. Erwählungsvorstellungen und kollektive Selbstfindung in der Geschichte, Frankfurt a.M. 2001; Ph. S. Gorski, »The Mosaic Moment: An Early Modernist Critique of Modernist Theories of Nationalism«, American Journal of Sociology 105 (2000), 1428–1468; D. M. Appelbaum, »Biblical Nationalism and the Sixteenthcentury States«, National Identities 15 (2013), 317–332.
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orthodoxen Moskowien rein imaginär war. Anders sah es aus bei der Kollision der beiden Vorstellungen. Arsenij Suchanov, der gebildete Priestermönch, der vom Zaren mit der Begleitung von Paisios Lampardis auf dessen Rückreise aus Moskau 1649 und mit der Sammlung griechischer liturgischer Handschriften beauftragt worden war, führte im Frühjahr 1650 in Tirgovis¸te, in der Walachei, eine Reihe von Streitgesprächen mit anwesenden griechischen Geistlichen (Prenija s Grekami o vere).142 Der Zufall wollte es, dass abgesehen von Paisios Lampardis unter ihnen ausgerechnet Gavriil Vlasios und Paisios Ligaridis waren. Zwar lassen sich aus Arsenijs subjektiver Wiedergabe seiner glänzenden Disputsiege kaum Rückschlüsse auf die Argumente seiner Gesprächspartner ziehen. Dennoch bieten die Aufzeichnungen wertvolle Indizien für die Streitpunkte sowie allemal für die Sichtweisen Suchanovs und – angesichts der weiten Verbreitung nicht zuletzt unter den Altgläubigen – breiterer Schichten der russischen Geistlichkeit. Besonders beim vierten und abschließenden Gespräch soll sich Arsenij auf die Taufe der Russen durch den Heiligen Andreas berufen haben (»Wir haben die Taufe vom Apostel erhalten, und nicht von euch Griechen«)143 sowie auf die Erzählung von der Weißen Mitra (Povest’ o belom klobuke), einschließlich der Wendung vom »Dritten Rom«, das sich nun im Russischen Land befinde (na tret’em zˇe Rime, ezˇe est’ na Russkoi zemli):144 »Hört, Ihr Griechen, gebt Acht, brüstet euch nicht und nennt euch nicht Quelle [des Glaubens], denn nun hat sich des Herrn Wort an Euch bewahrheitet: Ihr wart die Ersten und seid jetzt die Letzten. Und wir waren die Letzten und sind jetzt die Ersten.«145 Alles, was die Griechen hatten, sei jetzt auf die Russen übertragen worden. Auf die Rückfrage seiner Gesprächspartner, was denn genau übertragen worden sei (skazˇi nam imjanno, cˇto ot nas k vam peresˇlo), soll Arsenij geantwortet haben: das Kaisertum and das Patriarchat.146 Unter den einzelnen Belegen für die Untermauerung seiner Translationsthese führte Arsenij Suchanov auch die Übertragung wundertätiger Reliquien an. Auf die Ambivalenz der translatio sanctorum wurde bereits im Zusammenhang mit 142 Ediert von Belokurov, Arsenij Suchanov, Bd. 2, Moskau 1894, 25–101. Hierzu vgl. Scheliha, Universalkirche, 133f., 214f.; Sinicyna, Tretii Rim, 307f.; Kapterev, Charakter, 388–392; A. P. Bogdanov, »Vse nacˇalos’ s Afona. ›Prenija s Grekami o vere‹ po rukopisjam Arsenija ˇ 14 (2016), 100–124; E. Hösch, »Arsenij Suchanov und die griechischen Suchanova«, KC Kirchenbücher«, in: K. Trost u. a. (Hg.), Symposium Methodianum. Beiträge der Internationalen Tagung in Regensburg (17. bis 24. April 195) zum Gedenken an den 1100. Todestag des Hl. Method, Neuried 1988, 133–137. 143 »My kresˇcˇenie ot apostola prinjali, a ne ot vas, grekov.«, Belokurov, Arsenij Suchanov, Bd. 2, 90f. 144 Ebenda, 98. 145 »Slysˇite, Greki, i vnimajte, i ne gorditesja i ne nazyvajte sebja istocˇnicom’, jako se nyne Gospodne slovo zbylosja na vas’: byli vy pervye, a nyne stali poslednii; a my byli poslednii, a nyne pervye«, ebenda, 99f. 146 Vgl. ebenda, 93–95; Bogdanov, »Vse nacˇalos’ s Afona«, 121f.
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Patellaros’ Deutung hingewiesen. Über diese rhetorische Ebene hinaus trat sie aber immer dann besonders drastisch zutage, wenn es darum ging, ob und wann die Reliquien zu ihrer ursprünglichen Stätte zurückkehren dürften bzw. ob die Bittsteller, etwa Athosmönche, sie je zurückerhalten dürften. Die kollidierenden Vorstellungen, die Zwänge und die Dilemmata der Mönche, aber auch die kreativen Mittel und Wege, die sich boten, um den Schaden zu begrenzen, veranschaulicht der Fall des Athosklosters Vatopedion.147 Im September 1652 und im Juni 1655 brachten Mönche des Klosters besonders ehrwürdige und wertvolle Reliquien nach Moskau:, jeweils das Haupt Gregors von Nazianz und das Haupt des Johannes Chrysostomos, zusammen mit dem »Kreuz Konstantins«. Im zweiten Fall war in der vorangegangenen Korrespondenz zwischen Athos und Moskau ausdrücklich davon die Rede gewesen, dass der Zar die Reliquien anbeten und dann, gemäß dem Wunsch des Ktitors des Klosters, des seligen Kaisers Ioannis Kantakouzinos, mit denselben Mönchen zurück zum Kloster schicken würde. Trotzdem wurden sie in Moskau behalten. Die bei jedem Besuch einer Delegation in Moskau wiederholten Bittgesuche der Mönche wurden mit der stereotypen Antwort abgewiesen, die Reliquien seien in der Residenz des orthodoxen Zaren besser aufgehoben als unter den gottlosen Muslimen. In einem Fall wurde 1665 der anscheinend besonders aufdringliche Mönch Kyrillos ins Solovetskij-Kloster am Weißen Meer verbannt. Die Privilegien des Vatopedion blieben aber, was Höhe und Häufigkeit der Almosenspenden anging, unangetastet. Ab 1688 verlor die Delegation des Klosters in Moskau kein Wort mehr über die Reliquien. Das »Kreuz Konstantins« ging während der französischen Besatzung Moskaus 1812 verloren, die beiden Heiligenhäupter hingegen befinden sich heute noch in Moskau, in der neu erbauten Erlöserkathedrale an der Moskva. Nur, alle drei Reliquien werden nach wie vor zu den Heiligtümern des Vatopedion-Klosters gezählt und dort bei den großen Festen von Mönchen und Pilgern angebetet.148 ˇ eredeev im Mai 1700 gegenüber Als die russischen Gesandten Ukraincev und C Alexandros Mavrokordatos auf die Ebenbürtigkeit des Zaren mit dem deutschen Kaiser bestanden – denn die christliche Cäsarwürde sei aus dem Osten von den ˇ udotvornye ikony i svjasˇcˇennye relikvii 147 Vgl. Kapterev, Charakter, 60–71; B. L. Fonkicˇ, »C Christianskogo Vostoka v Moskve v seredine XVII v.«, Ocerki Feodal’noj Rossii 5 (2001), 70– 97, hier 95–97; Tchentsova, »Pisec Nikolaj Armiriot«, 64–66, 97; dies., »Ierusalimskij protosynkell«, 108f.; Laskaridis, Η στάση της Ρωσίας, 279–302; Carras, Εμπόριο, 430–433; Kain, »Before New Jerusalem«, 211–217, Thyret, »The Cult of the True Cross« 244; Pljuchanova, Sjuzˇety i simvoly, 135–137. 148 Sowohl im Falle von Gregors als auch von Johannes Chrysostomos’ Haupt lässt sich nachweisen, dass ab dem frühen 18. Jahrhundert die Präsenz der Reliquien im Kloster bezeugt wird. Ob nun die Mönche ursprünglich schon vorsichtshalber Ersatzreliquien nach Moskau geschickt hatten oder (was wahrscheinlicher ist) nachträglich die abhandengekommenen Reliquien stillschweigend ersetzten, ist wohl nicht mehr herauszufinden.
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Griechen auf die zarische Majestät übertragen worden (christianskoe cesarskoe dostoinstvo peresˇlo s vostoka ot grekov v Rossijskoe carstvie) – und im Friedensvertrag die Titulierung des Zaren als »Augustissimus« und »Imperator« forderten, wich Mavrokordatos als der Diplomat, der er war, geschickt aus. Er selbst würde allein dem Zaren die höchsten Ehren und Würden zugestehen und wünsche mehr als alle anderen, dass Gott sie dem Zaren schenke, nur ließe der Türken habitueller Stolz (dlja zastareloj svoej gordosti) dies nicht zu; die Hohe Pforte würde die Verwendung der Titel nicht hinnehmen.149 Die russischen Ansprüche sowie die Translationsvorstellung an sich ließen sich aber auch in einem anderen, metaphorischen und versöhnlichen Sinne akkommodieren. Als der Patriarch von Konstantinopel Kallinikos II. nach Abschluss der Verhandlungen am 18. Juli 1700 die Gesandten besuchte, entspann sich zwischen ihnen ein bemerkenswertes Gespräch. Über Frage und Gegenfrage kamen sie auf Orthodoxie und Häresie zu sprechen. Dabei fragten die Gesandten den Patriarchen ohne Umschweife: »Offensichtlich sind das griechische Kaisertum, der orthodoxe Glauben und alle Frömmigkeit von hier aus ins Russische Reich verlagert worden?« (povidimomu, de carstvo Grecˇeskoe, i vera pravoslavnaja, i blagocˇestie vse pereneslos’ otsjudu v Rossijskoe gosudarstvo?). Kallinikos zog es vor, mit einer Parabel (pritcˇa) zu antworten. Er erzählte von den Wandervögeln, die sich auf ihrem langen Flug über dem Ozean durch besondere Solidarität und Nächstenliebe auszeichnen. Wenn die älteren und schwächeren Vögel nicht mehr zu fliegen in der Lage sind, fliegen die Jüngeren an sie heran, stützen sie mit ihren Flügeln und lassen sie nicht zurück. So ist auch das hiesige Reich an Glaube und Frömmigkeit älter als das Russische, das inzwischen gewachsen und erstarkt ist. Daher erwarten der Patriarch und alle Orthodoxen den Beistand des Zaren, der die Alten in diesem Reich nicht vergessen dürfe. In der Tat, erwiderten die Gesandten, dies sei eine äußerst erhellende Parabel und Auslegung. Alles liege in Gottes, unseres Schöpfers, Hand und Sein Wille allein geschehe.150
149 Bogoslovskij, Petr I., Bd. 5, 160, 196. 150 Bogoslovskij, Petr I., Bd. 5, 263f.; Kapterev, Charakter, 449–453.
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Eine Aura des Unheimlichen begleitete die Russen in den Vorstellungen der Byzantiner seit ihrer ersten Begegnung im 9. Jahrhundert. Als von einem übermächtigen Fluch oder Omen getrieben deuteten sie deren plötzliche Vorstöße und Rückzüge vor den Mauern Konstantinopels.1 Und ihr Name, Ρως, war doch bereits im Alten Testament (Ez 38, 2–3 und 39,1)2 in Zusammenhang mit Gog und Magog genannt worden, den unreinen Völkern, die laut Johannesoffenbarung (Apk 20,8) in der Endzeit als Satans Gefolgschaft die Stadt der Heiligen umringen würden. Oder wurde sogar eben deshalb aus Rus’ im Griechischen das undeklinierbare Ρως geformt?3 Die erfolglosen russischen Angriffe gegen die Kaiserstadt 860 und 941 hinterließen daher ein wohl unverhältnismäßiges Gefühl des Schreckens, das in den Patria Konstantinoupoleos (Ende des 10. Jahrhunderts) festgehalten wurde: In den Sockel einer Reiterstatue am Forum Tauri seien Reliefs der Eschata gemeißelt, »Darstellungen des Endschicksals der Stadt, nämlich 1 Vgl. C. Mango, »A note on the Ros-Dromitai«, in: Προσφορά εις Στίλπωνα Π. Κυριακίδην [Festschrift für Stilpon Kyriakidis] Thessaloniki 1953, 456–462. 2 »Υιὲ ἀνθρώπου, στήρισον τὸ πρόσωπόν σου ἐπὶ Γὼγ και τὴν γῆν τοῦ Μαγώγ, ἄρχοντα Ρώς, Μοσὸχ και Θοβέλ…«. Dabei handelt es sich um einen Übersetzungsfehler der Septuaginta: Das hebräische rosˇ (Haupt) wurde als dritter Eigenname neben Gog und Magog missverstanden. Gog ist eigentlich als Personenname und Magog als Landesname zu verstehen. In der Vulgata dagegen heißt es: »Fili hominis pone faciam tuam contra Gog terram Magog, principem capitis Mosoch et Thubal.« »Du Menschenkind, richte dein Angesicht gegen Gog, der im Lande Magog ist und der oberste Fürst von Meschech und Tubal«. In der Johannesoffenbarung werden daraus zwei Völker: »τὰ ἔθνη τὰ ἐν ταῖς τέσσαρσι γωνίαις τῆς γῆς, τὸν Γὼγ καὶ τὸν Μαγώγ«. »die Völker an den vier Enden der Erde, Gog und Magog«. Zu Gog und Magog in der byzantinischen Apokalyptik vgl. P. J. Alexander, The Byzantine Apocalyptic Tradition, Berkeley u. a. 1985, 185–192. Den Übersetzungsfehler hat schon Juraj Krizˇanic´ festgestellt und damit die vermeintliche Anspielung auf die Russen verworfen, siehe dazu Kap. III.2. 3 Wenn es also nicht um einen Zufall handelt, wie H. Schaeder (Moskau, 41f.) meinte. In den lateinischen Quellen sind stets deklinierbare Formen mit u überliefert, vgl. H.-B. Harder, »Zur Frühgeschichte des Namens der Russen und der Bezeichnung ihres Landes«, in: H. Beumann, W. Schröder (Hg.), Aspekte der Nationsbildung im Mittelalter, Sigmaringen 1978, 407–424; G. Schramm, Altrusslands Anfang. Historische Schlüsse aus Namen, Wörtern und Texten zum 9. und 10. Jahrhundert, Freiburg 2002, 89, 188f.
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der Russen, die die Stadt erobern werden«4. Und in der Vita des Hosios Vasileios (um 956 verfasst) ist die Rede von einem barbarischen Volk namens Ros, Og und Mog, das Konstantinopel allerdings erfolglos angreifen werde.5 Eine Verbindung der Russen mit der Figur des »blonden Volks« oder der »blonden Völker« (ξανθά γένη/έθνη) war jedoch nicht von vornherein gegeben. Ursprünglich eine an sich harmlose Bezeichnung mal für die fränkischen und langobardischen Volksstämme6 mal für die Slaven auf der Balkanhalbinsel,7 gingen die »blonden Völker« ab dem 9. Jahrhundert in die apokalyptische Literatur ein. In den diversen Danielvisionen und in der Apokalypse des Andreas Salos, Bearbeitungen und Variationen eines gemeinsamen Vorbilds (Apokalypse des Pseudo-Methodios aus dem späten 7. Jahrhundert), sind sie mit der Rolle der westlichen Verbündeten des endzeitlichen Friedenskaisers betraut.8 Mit ihrer 4 »Τὸ δὲ τετράπλευρον τοῦ ἐφίππου τὸ λιθόξεστον ἔχει ἐγεγγλυμένας ἱστορίας τῶν ἐσχάτων τῆς πόλεως, τῶν Ῥὼς τῶν μελλόντων πορθεῖν αὑτὴν τὴν πόλιν«, Th. Preger, Scriptores Originum Constantinopolitanarum, Leipzig 1901, ND: New York 1975, 176; deutsche Übersetzung und Kommentar bei A. Berger, Untersuchungen zu den Patria Konstantinupoleos, Berlin 1987, 323– 327. 5 »Βάρβαρον ἔθνος ἐλεύσεται ἐνταῦθα λυσσωδῶς καθ’ ἡμῶν, προσαγορευόμενον Ῥὸς καὶ Ὂγ και Μόγ«, D. F. Sullivan, A.-M. Talbot, St. McGrath, The Life of Saint Basil the Younger. Critical Edition and Annotated Translation of the Moscow Version, [Dumbarton Oaks Studies; XLV], Washington D.C. 2014, 312f.; C. Mango, »The Life of St. Andrew the Fool Reconsidered«, Rivista di Studi Bizantini e Slavi 2 (1982), 297–313, hier 305, Anm. 45; vgl. Gerolymatou, »Οι Ρώσοι μέσα από τη ματιά των Βυζαντινών«, 164; Leon Diakonos stellte die Verbindung zu Ezechiel anlässlich des Angriffs von 941 her: »ὅτι δὲ τὸ ἔθνος ἀπονενοημένον, καὶ μάχιμον, καὶ κραταιὸν, πᾶσι τοῖς ὁμόροις ἑπιτιθέμενον ἔθνεσι, μαρτυροῦσι πολλοί, καὶ ὁ θεῖος Ἰεζεκιήλ, μνήμην τούτου ποιούμενος, ἐν οἷς ταῦτα φησίν· Ἱδοὺ ἐγὼ ἐπάγω ἐπὶ σὲ τὸν Γὼγ καὶ Μαγώγ, ἄρχοντα Ῥώς.«, Leo Diaconus, Historia, hg. von C.-B. Hase, CSHB, Bonn 1828, 150 (IX, 6). Diese Wahrnehmung der russischen Angriffe hing wahrscheinlich mit der verbreiteten Endzeitstimmung in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts (als die Mitte des 7. Milleniums nahte) zusammen, vgl. Magdalino, »The History of the Future«, 26; W. Brandes, »Liudprand von Cremona (Legatio Cap. 39–41) und eine bisher unbeachtete west-östliche Korrespondenz über die Bedeutung des Jahres 1000 A. D.«, BZ 93 (2000), 435–463, hier 462. 6 »Πῶς δεῖ ἁρμόζεσθαι τοῖς ξανθοῖς ἔθνεσι, οἷον Φράγγοις, Λαγγοβάρδοις, καὶ λοιποῖς ὁμοδιαίτοις αὐτῶν«, G. T. Dennis, Das Strategikon des Maurikios [CFHB 27], Wien 1981, XI, 3 = 368f. und 156f., 194f. Der Text datiert auf ca. 600. 7 In Bezug auf die Expeditionen Justinians II. (685–695, 705–711) auf dem Balkan heißt es in einer Marginalnotiz (auf einer Handschrift von 932) im Chronographikon Syntomon des Patriarchen Nikiforos (806–815): »ἕθνη τὰ ξανθὰ ικανῶς ἐξεπόρθησεν«, vgl. Mango, »The Life«, 307. 8 Texte bei: A. Vasiliev, Anecdota Graeco-Byzantina, Moskau 1893, ND: Moskau 1992, 33–43, 50– 58; vgl. L. Ryden, »The Andreas Salos Apocalypse. Greek Text, Translation, and Commentary«, DOP 28 (1974), 197–261; ders., (Hg.), The Life of St. Andrew the Fool, 2 Bde, Uppsala 1995. Zur komplexen Überlieferungsgeschichte und Datierung der Danielvisionen vgl. die minutiöse Studie von L. DiTommaso, The Book of Daniel and the Apocryphal Daniel Literature, Leiden u. a. 2005, 87–97, 347f.; vgl. Alexander, Tradition, 61–95, 123–130; P. Magdalino, »Prophecies on the Fall of Constantinople«, in: A. Laiou (Hg.), Urbs Capta. The Fourth Crusade and its Consequences, Paris 2005, 41–53, hier 43; A. Külzer, »Konstantinopel in der apokalyptischen
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Hilfe werde dieser die Araber, den Ismael, endgültig besiegen. Erst die Kreuzzüge machten aus dem Motiv in den apokalyptischen Vorstellungen der Byzantiner feindlich gesonnene Angreifer oder sogar Eroberer ihrer Reichshauptstadt.9 Teils als bedrohliche Vorahnungen von 1204, teils als nachträgliche Verarbeitungen der Katastrophe entstanden weitere Visionstexte und Orakel, die eine – zeitlich begrenzte – Herrschaft des »blonden Volks« ( jetzt im Singular) in Konstantinopel vorsahen.10 Es ist nicht eindeutig zu bestimmen, zu welchem Zeitpunkt die Identifizierung der Russen mit dem »blonden Volk« erstmals erfolgte. Auf jeden Fall schreibt eine Interpolation in der Apokalypse des Andreas Salos in zwei Handschriften des 12. und des späten 13. Jahrhunderts dem »blonden Volk«, das nach den Hagarenern die Stadt angreifen werde, den 17. Buchstaben zu, womit man auf Ρ (R) käme.11 Und eine spätere Hand ergänzte in der zweiten Handschrift in einer Marginalnotiz explizit, damit seien die Russen gemeint, nämlich das blonde Volk, das die Stadt einnehmen und die Hagarener vernichten werde, was für eine Datierung der Notiz nach 1453 spricht.12 Die etymologische Herangehensweise
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Literatur der Byzantiner«, JÖB 50 (2000), 51–76, hier 66–72; A. Kraft, »The Last Roman Emperor Topos in the Byzantine Apocalyptic Tradition«, Byzantion 82 (2012), 213–257. »Of all the mental associations triggered by the approach of a crusading army, the prophecy of the destruction of the city by the blond peoples was likely to be the most immediate and the most widespread.«, Magdalino, »Prophecies«, 53. Texte bei: Vasiliev, Anecdota, 43–47; R. Maisano, L’Apocalipse apocrifa di Leone di Constantinopoli, Neapel 1975, 70f. (wohl eine Interpolation nach 1204 in einen Text des frühen 9. Jahrhunderts). Generell vgl.: A. Pertusi, Fine di Bisanzio e fine del mondo. Significato e ruolo storico delle profezie sulla caduta di Constantinopoli in Oriente e in Occidente, Rom 1988, 40–109; Brandes, »Der Fall Konstantinopels«, 457; ders., »Konstantinopels Fall im Jahre 1204 und apokalyptische Prophetien«, in: W. J. van Bekkum u. a. (Hg.), Syriac Polemics. Studies in Honour of Gerrit Jan Reinink, Leuven–Paris–Dudley MA 2007, 239–259. Zu den Kaiser Leo VI. (886–913) zugeschriebenen Oracula Leonis (PG 107, 1121–1168) vgl. W. G. Brokkaar (Hg.), The Oracles of the Most Wise Emperor Leo and the Tale of the True Emperor, Amsterdam 2002 (zur Datierung 23–44), und nach wie vor C. Mango, »The Legend of Leo the Wise«, ZRVI 6 (1960), 59–93. Das »blonde Volk« taucht im Orakel Περί ἀναστάσεως τῆς Κωνσταντινουπόλεως auf (vgl. PG 107, 1149), das einer Seitenlinie der Tradition zugehört. »ἐγώ δέ φημι ὅτι καὶ τὸ ξανθὸν γένος ει᾿σελεύσεται, οὕτινος ἡ προσηγορία πρόσκειται ἐν ἑπτακαιδεκάτῳ στοιχείῳ τῶν εἴκοσι τεσσάρων στοιχείων, ἀνακεφαλαιούμενον«, Ryden, »Apocalypse«, 201, 229; vgl. ders., The Life, 260. Cyrill Mango (»The Life«, 306f.) sieht die Interpolation als unmittelbare Reaktion auf den russischen Angriff von 941. Allerdings datiert er die Apokalypse auf das späte 7. Jahrhundert, im Gegensatz zu Ryden, der sie auf den Zeitraum zwischen 950–959 verlegt. Die zwei Handschriften sind Vaticanus gr. 2010 und Atheniensis 2419 (datiert: 1296). »τὸ παρὸν δεκάτον ἕβδομον στοιχεῖον ὅπερ λέγει ἐνταῦθα ἔστι τὸ ρ΄, καὶ δηλοῖ τοὺς Ῥώς, ἤγουν τοὺς Ῥούσους, ὂ καὶ ξανθὸν γένος κέκληται, οἵτινες ει᾿σελεύσονται καὶ πατάξουσι τοὺς υἱοὺς τῆς Ἄγαρ ἐν φόνῳ μαχαίρας«, Nationalbibliothek Athen 2419, f. 125r. Linos Politis zufolge verrät die Marginalnotiz »eine Hand des 17. oder eher des 18. Jahrhunderts«, L. Politis, Κατάλογος χειρογράφων της Εθνικής Βιβλιοθήκης της Ελλάδος, αρ. 1857–2500 [Katalog der Handschriften der Griechischen Nationalbibliothek, Nr. 1857–2500], Athen 1991, 418.
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vermag ihrerseits nicht gerade die Sachlage zu vereinfachen. Eine Verbindung der Bezeichnung »Russe« mit der Haarfarbe »rotblond« (ρούσιος) war zwar, laut Liutprand von Cremona, im 10. Jahrhundert in Konstantinopel schon geläufig.13 Hildegard Schaeder führt überhaupt die Entstehung des apokalyptischen Motivs auf diese Verbindung zurück, nämlich über die besagte Ezechielstelle von Ρως und die Umwandlung des volkssprachlichen ρούσιος ins hochsprachliche ξανθός.14 Doch schon die notorische Interdependenz und Verwebung der apokalyptischen Traditionen, ihre spiegelbildliche Korrelation, legt nahe, über die griechische Etymologie hinauszuschauen. In der Tat erweist sich hierfür das »blonde Volk« als Paradebeispiel. Ganz andere Schlüsse erlaubt nämlich das Nachspüren des Motivs in der islamischen apokalyptischen Tradition. Das »blonde Volk« oder eigentlich die »gelben/hellfarbigen Söhne« bzw. die »Söhne des Blonden« (Banu al-Asfar arabisch, Beniasfer türkisch) stand für die Christen und insbesondere für die Byzantiner. Spätestens seit dem 9. Jahrhundert (Musnad des Ahmed ibn Habal) kam ihnen die Rolle des Erzfeindes der Muslime in den Endzeitschlachten zu, als ihre Hauptstadt Konstantinopel endlich erobert werden sollte.15 Der Ursprung der Bezeichnung und der Identifizierung könnte auf Jakobs »rötlichen« oder »rothaarigen« (πυρράκης in der Septuaginta) Bruder Esau, der den Beinamen Edom (= »rot« [Gen 25,25]) trug,16 oder auf den Dynastienamen Flavius zurückgehen.17 Auf jeden Fall fanden sich später die arabische und die byzantini13 Vgl. Magdalino, »Prophecies« 47, Anm. 29. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass Liutprands Deutung auf dem lateinischen Namen beruht, vgl. Harder, »Zur Frühgeschichte«, 409. 14 Vgl. Schaeder, Moskau, 41. 15 Vgl. I. Goldziher, »Asfar«, EI2, Bd. 1, Leiden u. a. 1960, 687–688.; M. Fierro, »Al-Asfar«, Studia Islamica 77 (1993), 169–181, hier 175f.; St. Yerasimos, Légendes d’Empire. La fondation de Constantinople et de Sainte-Sophie dans les traditions turques, Paris 1990, 187–199; K. S¸ahin, »Constantinople and the End Time: The Ottoman Conquest as a Portent of the Last Hour«, JEMH 14 (2010), 317–354, hier 324f. 16 Vgl. Yerasimos, Légendes, 190; S. de Sacy, »Lettre à M. le rédacteur du Journal Asiatique«, Journal Asiatique 1 (1836), 94–96. Angemerkt sei die mitunter anzutreffende Variante πυρρόν statt ξανθόν γένος in den byzantinischen Danielvisionen, z. B. bei Vasiliev, Anecdota, 44. Edom galt seit der Zeit der Zerstörung Jerusalems und des Tempels durch Titus im Jahre 70 n. Chr. als Ahne der Römer und die Edomiter als Feinde Israels. Die Abstammung von Esau/Edom wurde auch etymologisch untermauert: Asfar wurde mit Esaus Enkel Zepho (Σωφάρ in der Septuaginta) identifiziert. Dessen Sohn sei Reguel, der direkte Ahne der Römer (Gen 36, 10– 11), vgl. Goldziher, »Asfar«, 688. Zu Edom und den Edomitern vgl. H. Schmoldt, Lexikon der biblischen Personen und Gestalten, Stuttgart 20092, 76f.; TRE, Bd. 9, 297. 17 Vgl. F. v. Erdmann, »Ueber die sonderbare Benennung der Europäer, Benu-l-asfar (Nachkommen des Gelben), von Seiten der Westasiaten«, Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 2 (1848), 237–241. Eine Inschrift am sagenumwobenen, apokalyptisch konnotierten Goldenen Tor von Konstantinopel handelte, so die englischen Chronisten Radulf von Diceto und Roger von Hoveden (im letzten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts), von einem blonden König aus dem Westen (Rex Flavus Occidentalis), der eines Tages durch das Tor in die Stadt einmarschieren sollte. Da das Goldene Tor von Kaiser (Flavius) Theodosius
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sche Apokalyptik in Einklang miteinander, als sie seit den Kreuzzügen das »blonde Volk« mit den Kreuzfahrern identifizierten. Nach der osmanischen Eroberung Konstantinopels hieß es, dass eine vorübergehende christliche Rückeroberung der Stadt durch die Beniasfer vor der Ankunft des Messias (Mahdi) zu erwarten sei – eine Vorstellung, die zu den pessimistischen Aspekten der Reichseschatologie gehörte, welche jetzt von den Osmanen aufgenommen worden war.18 Dass bald die Russen als Hauptgegner der Osmanen mit den Beniasfer identifiziert werden sollten, ist nicht weiter verwunderlich. Die Deutung erfolgte parallel zu bzw. gleichzeitig mit dem Zeugnis der griechischen Quellen: Sie ist schon für 1587 belegt. Im 18. Jahrhundert scheint sie selbstverständlich gewesen zu sein.19 Auch Dimitrie Cantemir gibt in seinem 1722 in St. Petersburg gedruckten System der mohammedanischen Religion (Kniga Sistema ili Sostojanie muchamedanksija religii) ausführlich die Voraussagen vom Einfall der Beniasfer und ihrer Bezwingung durch die Muslime in der Endzeit wieder.20 Er notiert, dass die errichtet worden war, könnte das Wort Flavius in späteren Jahrhunderten aus der Inschrift herausgelesen und zur Figur der flava gens umgedeutet worden sein, vgl. C. du Fresne, sieur du Cange, Glossarium mediae et infimae latinitatis, 7 Bde Paris 1840–1850, Bd. 3, 319, Art. »Flavi«; ders., Glossarium ad Scriptores mediae et infimae graecitatis, 2 Bde, Lyon 1688, Bd. 2, Sp. 1012, Art. »Ξανθοί«; vgl. F. W. Hasluck, Christianity and Islam under the Sultans, Bd. 2, Oxford 1929, 471f.; Pertusi, Fine di Bisanzio, 66f.; Magdalino, »Prophecies«, 51; Brandes, »Konstantinopels Fall im Jahre 1204 und apokalyptische Prophetien«, 257. 18 Der französische Botschafter in Konstantinopel Jean de la Forêt hatte 1535 Mühe, die osmanische Regierung zu überzeugen, nicht sein König, Franz I., sondern Kaiser Karl V. und die Deutschen seien in der Prophezeiung gemeint, vgl. M. Balivet, »Textes de fin d’empire, récits de fin du monde: À propos de quelques thèmes communs aux groupes de la zone byzantino-turque«, in: B. Lellouch, St. Yerasimos (Hg.), Les traditions apocalyptiques au tournant de la chute de Constantinople, Paris 1999, 5–18, hier 9–11; C. H. Fleischer, »Shadows of Shadows: Prophecy in Politics in 1530s Istanbul«, International Journal of Turkish Studies 13 (2007), 51–62, hier 56; ders., »Mediterranean Apocalypse«, 23–26; Krstic´, Contested Conversions to Islam, 79f. Dagegen wollte der kaiserliche Botschafter Michael Talman 1708 die Legende ausnutzen, um der Pforte Furcht vor seinem Herrn, dem »Monarchen von Blonden harren«, einzujagen, Hurmuzaki, Documente, Bd. 6, 64–68. 19 Vgl. I. N. Lebedeva, Pozdnie grecˇeskie chroniki i ich russkie i vostocˇnye perevody, [Palestinskij Sbornik 18 (81)], Leningrad 1968, 104f.; Poumarède, Pour en finir avec la Croisade, 135; Hasluck, Christianity, Bd. 2, 471f. ; Goldziher, »Asfar«, 688. 20 D. Cantemir, Sistemul sau Întocmirea Religiei Muhammedane, hg. von V. Cândea, [Opere complete VIII, Bd. 2], Bukarest 1987, 112–129; vgl. C. Bîrsan, Dimitrie Cantemir and the Islamic World, Istanbul 2004, 65–70; V. Cândea, »Présage et Eschatologie dans l’œuvre de Démètre Cantémir«, Bulletin de l’Association Internationale d’Études du Sud-est Européen 19–23 (1993), 73–78. Gemäß der von Cantemir als »muslimische Apokalypse« zitierten Schrift Esrâr-ı djefr-i rumûz sollen die Beniasfer, den Ratschlägen des Teufels folgend, die Muslime angreifen und erst Jerusalem, dann Konstantinopel erobern, bevor sie dort von den Muslimen bezwungen werden. Danach erscheint der Dajja¯l, das islamische Äquivalent des Antichrist, und läutet die Endzeit ein. Das Szenario entspricht spiegelbildlich der christlichen Apokalypse des Pseudo-Methodios, könnte aber auch, falls späteren Datums, die Erfahrung der Kreuzzüge aufarbeiten.
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Osmanen die Söhne des nördlichen »rotblonden oder gelben Volkes« sikalab nennen, was »slavisch« bedeute.21 Von diesem Volk, das die Osmanen mit dem russischen oder moskowitischen identifizieren, erwarten manche ihre Unterwerfung und den Verlust ihres Reichs. Daher verzweifeln sie nicht an den durch die Habsburger wiederholt erlittenen Niederlagen. Sie glauben fest daran, dass sie einst selbst Rom erobern werden. Erst dann soll ihre Vertreibung aus Rom und bis nach Damaskus durch das »blonde Volk« aus Russland erfolgen. Orakel zeichnen sich dadurch aus, dass sie, einmal verfasst und verbreitet, ständigen Aktualisierungen, Reaktivierungen und Umdeutungen unterliegen. In den allermeisten Fällen handelt es sich um vaticinia ex eventu, um als Prophezeiung getarnte Geschichtsnarrative, die die Glaubwürdigkeit der anschließenden, eigentlichen Voraussagen erhöhen sollen. Diese Funktion verlieren sie jedoch, sobald ihre historischen Anspielungen von der Nachwelt nicht mehr erkannt werden. Ihre absichtlich obskure, andeutende Sprache lädt zu Umdeutungen in neuen Kontexten ein.22 Somit erlaubte es die osmanische Eroberung Konstantinopels, daran interessierten christlichen Kreisen inner- und außerhalb des osmanischen Machtbereichs, besonders in Venedig und den venezianischen Besitzungen, die Vorzeichen der pessimistischen byzantinischen Orakel umzukehren. Damit konnte dem »blonden Volk«, nach wie vor mit den westlichen Christen identifiziert, eine Retterfunktion zugerechnet werden. Die neuen Erwartungen konnte man entweder in den ursprünglichen antiislamischen Apokalypsen begründen (Pseudo-Methodios), in mittel- und spätbyzantinische Orakel hineinlesen (Oracula Leonis) oder in darauf aufbauenden neuen Kreationen niederschreiben. Am bekanntesten wurde die sogenannte Grabinschrift Konstantins des Großen (Epitaphium Constantini), die um 1463/64, zu Beginn des langen venezianisch-osmanischen Krieges (1463–1479), möglicherweise auf der Peloponnes verfasst wurde.23 Diese hatte angeblich der Patriarch von Konstantinopel Gennadios Scholarios, noch als Laie lange vor der Eroberung, ent21 Cantemir übersetzt Beniasfer entweder als »Söhne des Gelben bzw. Rotblonden« (»zˇoltij« ili »rizˇij«), falls asfer im Singular verstanden werden soll, oder als »Söhne der Feldzüge« (pochody, polki, voinstva), falls es eine Pluralform darstellt, Cantemir, Sistemul, 244. So auch bereits in seiner Monarchiarum physica examinatio (1714): »filii expeditionis sive exercitum«, siehe Kap. III.2. Auch griechische Agenten des Zaren referierten das islamische apokalyptiˇ esnokova, »Ideja«, 181. sche Szenario, vgl. C 22 Zu den vaticinia ex eventu vgl. P. J. Alexander, »Medieval Apocalypses as Historical Sources«, The American Historical Review 73 (1968), 997–1018; DiTommaso, The Book of Daniel, 75, 104–107. Es gilt im Grunde, die Übergänge zwischen den geschichtlichen und prophetischen Teilen zu erkennen, um die Texte zu datieren. 23 PG 160, 707–714; vgl. C. J. G. Turner, »An Oracular Interpretation attributed to Gennadius Scholarius«, Ελληνικά 21 (1968), 40–47; K. Moustakas, »Μαμάιμι: συμβολή στη μελέτη της χρησμολογικής παράδοσης κατά την εποχή της Άλωσης« [Mamaimi: Beitrag zur Erforschung der Orakeltradition in der Zeit der Eroberung Konstantinopels], Αριάδνη 14 (2008), 119–155.
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ziffert. Als typisches vaticinium ex eventu sagt die entzifferte Grabinschrift in metrischen Versen die Eroberungen Mehmeds II. von 1453 bis 1463 voraus. Im eigentlichen prophetischen Teil mündet sie in die Bezwingung Ismaels durch eine Allianz der westlichen Mächte sowie die Rückeroberung Konstantinopels durch das »blonde Volk« – gemeint sind die Venezianer – und die ursprünglichen Besitzer (τό δε ξανθόν γένος άμα μετά των προκτόρων όλον Ισμαήλ τροπώσουν, την Επτάλοφον επάρουν μετά των προνομίων). Diesem Text und seiner außerordentlichen Verbreitung verdankte im Grunde das »blonde Volk« seine Stellung als wirkmächtigstes Motiv der postbyzantinischen Orakelliteratur.24 Seinen Durchbruch und besonders seine Verknüpfung mit den Russen erfuhr es allerdings erst ein Jahrhundert später, 1570/71, in der Zeit des Zypernkriegs, der Bildung der Sacra Liga und der Seeschlacht von Lepanto. Einen wesentlichen Aspekt der aufblühenden Kreuzzugsrhetorik und -propaganda machten dabei Orakel und Prophezeiungen vom baldigen Untergang des Osmanischen Reiches aus. Mittelpunkt dieser europaweiten Strömung und Zentrum der Sammlung, Bearbeitung und Verbreitung der diversen prophetischen Texte war Venedig als wahrer ›Schmelztiegel‹ westlicher und östlicher Traditionen. Mit jedem Türkenkrieg war ein publizistischer Aufschwung der Orakeltexte verbunden.25 Insbesondere die Bemühungen der venezianischen Regierung, den Zaren als Verbündeten zu gewinnen, fanden offenbar ihren Niederschlag in der aufblühenden venezianischen Produktion von Türkendrucken.26 Ein 1570 gefertigter Kupfer24 In erster Linie geht dies auf seine Aufnahme in die populären Chronographien (als Appendix) zurück. Erste Druckfassung in: Βιβλίον Ιστορικόν, S. ψιστ΄ (Pseudo-Dorotheos) und danach in: Νέα Σύνοψις διαφόρων Ιστοριών αρχομένη από Κτίσεως Κόσμου [Neuer Abriß verschiedener Geschichten seit der Schaffung der Welt], Venedig 1637, S. φκε΄ (Matthaios Kigalas). 25 Vgl. Poumarède, Pour en finir avec la Croisade, Kap. »Le creuset vénitien«, 83–104. Zum Publikationshoch an venezianischen Türkendrucken 1570/71 vgl. P. Preto, Venezia e i Turchi, Rom 20132, 51; L. Pierozzi, »La vittoria di Lepanto nell’escatologia e nella profezia«, Rinascimento 34 (1994), 317–363; A. Rigo, »Profetizzare Lepanto«, in: K. G. Tsiknakis (Hg.), Η απήχηση της ναυμαχίας της Ναυπάκτου στον ευρωπαϊκό κόσμο [Der Widerhall der Seeschlacht von Lepanto in der europäischen Welt], Athen u. a. 2013, 139–155. 26 Die Mehrheit der erhaltenen griechischen Orakelhandschriften, zumal der illuminierten, stammt aus den Jahren 1560–1580, und zwar aus venezianischen Skriptorien, vgl. A. Rigo, Oracula Leonis. Tre manoscritti greco-veneziani degli oracoli attributi all’imperatore bizantino Leone il Saggio (Bodl. Baroc. 170, Marc. Gr. VI.22, Marc Gr. VII.3), Padua 1988, 13; K. Kyriakou, Οι ιστορημένοι χρησμοί του Λέοντος του Σοφού. Χειρόγραφη παράδοση και εκδόσεις κατά τους ΙΕ΄–ΙΘ΄ αιώνες [Die illuminierten Orakel Leos des Weisen. Handschriftliche Tradition und Editionen, 15.–19. Jahrhundert], Athen 1995, 173f. Das Orakel nahm Stephan Gerlach in den 1570er Jahren in sein Konstantinopler Tagebuch auf, das aber erst 1674 gedruckt wurde: Stephan Gerlach deß Aeltern Tagebuch, Frankfurt a.M. 1674, 102. Zitiert wurde es in derselben Zeit unter anderem im sogenannten Chronicon Maius des PseudoSphrantzes (Makarios Melissinos): V. Grecu, (Hg.), Georgios Sphrantzes, Memorii 1401–1477. În anexa˘ Pseudo-Phrantzes: Macarie Melissenos, Cronica 1258–1481, Bukarest 1966, 462, und in einer »veneto-byzantinischen« Kleinchronik, vgl. P. Schreiner, Die byzantinischen Kleinchroniken, [CFHB XII/1], Bd. 1, Wien 1975, 365.
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stich gibt den Text des Epitaphium Constantini zusammen mit einem verwandten Versorakel27 (beide gehen teilweise auf die Oracula Leonis zurück) in fehlerhaftem Griechisch und in italienischer Übersetzung wieder. Unter den Textspalten wird auf der rechten Seite der Sultan (Re Selimi) mit Tierantlitz abgebildet, wie er von zwei Todesboten abgeführt wird. Der venezianische Löwe (S. Marcus) beißt sich in seinem Gewand fest. Auf der linken Seite sieht man den Erzengel Michael (Angelus Michael), der die zwei christlichen Verbündeten, den Dogen (Veneto Principe) und den Zaren (Re Russo), in den Krieg führt.28 Der ursprüngliche Kupferstich ist zwar nicht erhalten, scheint aber eine gewisse Verbreitung erfahren zu haben. Eine 1592 in Köln gedruckte Propheceyung unnd Weissagung von erschrecklichen unnd greulichen Widerwertigkeiten (deutsche Übersetzung einer Schrift des Venezianers Gregorio Giordani) beschreibt den venezianischen Kupferstich und hält fest: »So wirdt auch umb diese Zeit der Erzengel Michael sich zu dem Venedischen Rath unnd der Reussen König verfügen, ihnen anleytung thun, daß sie zu eins Bunts auffrichtung wider den Türckischen Keyser erwecket werden.« Die hervorgehobene Stellung des Zaren empfand jedoch der Autor als gegenüber seinen Lesern erklärungsbedürftig: »Will aber dem günstigen Leser alhier nicht verhalten, daß eben derselbig König der Reussen, davon oben meldung beschen, der jenige sey, welchen Gott sonderlich dazu erwehlt, daß er allen christlichen Fürsten, so zu außrottung und vertilgung deß Türcken mit Bündtnyß verknüpfet, vorstehe und gebiete. […] Alsdann wird erstlich die Weissagung erfüllet werden: Es wirdt ein Schaffstal und ein Hirte seyn.«29
27 Vgl. Kyriakou, Οι ιστορημένοι χρησμοί, 186, das sogennante »Orakel von der XerolophosSäule«. 28 Vgl. Tr. E. Sklavenitis, »Χρησμολογικό εικονογραφημένο μονόφυλλο των αρχών του 18ου αιώνα« [Illuminiertes Orakelflugblatt vom Beginn des 18. Jahrhunderts], Μνήμων 7 (1978–79), 46–59, die Abbildung zwischen den Seiten 52 und 53. Der Kupferstich wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts erneut gedruckt, die ursprüngliche Inschrift »1570« wurde abgekratzt. Der Name des Verbündeten brauchte allerdings nicht ersetzt und neu eingraviert zu werden, wie Sklavenitis vermutete. Das war schon 1570 der Zar, wie aus seiner Tracht und aus der Beschreibung im Text (siehe oben) hervorgeht. Im italienischen Text heißt es: »la generatione bionda insieme con di Parthi scacciara tutto ismael«, was als ein Hinweis auf das safawidische Persien, langjähriger Wunschpartner Venedigs im 16. Jahrhundert, verstanden werden kann. Womöglich geht aber die italienische Übersetzung auf die Zeit kurz nach der Entstehung des Orakels zurück, auf etwa 1470, als Venedig ein Bündnis mit dem anatolischen Emir Uzun Hasan, selbst ernannten »König Persiens«, anstrebte, vgl. D. M. Vaughan, Europe and the Turk. A Pattern of Alliances, Liverpool 1954, 205–215. Auf jeden Fall wird der Zar mit (parthischem bzw. skythischem) Bogen und Pfeil abgebildet, während der Doge ein blankes Schwert trägt. Zu den diesbezüglichen westeuropäischen Vorstellungen vgl. E. Klug, »Das asiatische Rußland. Über die Entstehung eines europäischen Vorurteils«, HZ 245 (1987), 265– 289. 29 Gr. Jordan, Propheceyung unnd Weissagung von erschrecklichen unnd greulichen Widerwertigkeiten, so dem ganzen Erden kreiß uberkommen unnd anstehn, Köln 1592, B3v–B4; vgl. Th. Kaufmann, »Römisches und evangelisches Jubeljahr 1600. Konfessionskulturelle Deutungs-
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Im Rückblick zitierte der Polyhistor Johann Praetorius (1630–1680) in seiner Turci-Cida, erschienen zum Zeitpunkt der Schlacht von St. Gotthard (1664), im Kapitel »Vom Moscowiter«, Giordani wie folgt: »Gregorius Jordanus gedenckt bey seiner 6. Tabell einer Prophecey, die in dem Grabe Keysers Constantini vor vielen Jahren gefunden. […] Dieser Autor deutet an, es werde der Groß-Fürst aus Moscou der jenige seyn, den Gott insonderheit hiezu habe erwehlet, daß er bey der allgemeinen Verbündniß der christlichen Potentaten wider den Türcken, der An- und gleichsam Fahnenführer seyn werde. Ob er solches aus einer alten Prophecey habe, oder nur allein in Betrachtung der Rußischen Macht, die zu der Zeit in grossem Ansehen war, gemuthmasset; darinnen muß man die Zeit zur Lehrmeisterin nehmen.«30
Von allen venezianischen Turcica des Jahres 1570 erlangte die Lettera des namhaften Verlegers Francesco Sansovino die breiteste Wirkung.31 Unter einer großen Anzahl diverser Orakel unterschiedlichen Ursprungs wird das Epitaphium Constantini als Weissagung Leos des Weisen ohne Erwähnung der Grabinschrift zitiert.32 Die Zuweisungen haben sich hier bereits verändert: Das »blonde Volk« bezeichne die Deutschen, die Polen und die Moskowiter; die Venezianer seien die exactores (anstelle von πράκτορες), essatori riscuotitori im Italienischen, was sowohl Steuereintreiber wie Erlöser bedeutet.33 Gennadios Scholarios wird die Entzifferung einer weiteren Weissagung Leos zugeschrieben, und zwar auf einer berühmten Säule. Diese sagt voraus, dass die Venezianer und die Moskowiter zusammen Konstantinopel einnehmen und nach einigen Streitigkeiten einen christlichen Kaiser krönen werden: »Nel medesimo Leon Sofos si tratta d’una certa colona famosa di Constantinopoli historiata & scritta con lettere tutte puntate, le quali rilevate & interpretate da Scolario
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alternativen der Zeit im Jahrhundert der Reformation«, in: Millenium. Deutungen zum christlichen Mythos der Jahrhundertwende, Gütersloh 1999, 73–136, hier 89–93. J. Praetorius, Turci-Cida, Oder der vielfach-vorgeschlagene Türcken-Schläger…, Zwickau 1664, O2v. Zu Praetorius vgl. G. Scholz Williams, Ways of Knowing in Early Modern Germany. Johannes Praetorius as a Witness to his Times, Aldershot 2006; M. Schilling, »Praetorius, Johannes«, in: Killy-Literaturlexikon, Bd. 9, Berlin u. a. 20102, 313f. Lettera o vero discorso sopra le predittioni fatte in diversi tempi da diverse persone. Le quali pronosticano la nostra futura felicità, per la guerra del turco l’anno 1570. Con um pienissimo albero della casa Othomana, tratto dalle scritture greche & turchesche, Venedig 1570 (zweite von den drei Auflagen des Werkes im selben Jahr); vgl. Pierozzi, »La vittoria di Lepanto«, 347– 351. »In un libro adunque di questo Leone si trovanto queste parole. Flavum vero genus cum exactoribus totum Ismaelem in fugam vertent, septem colles habentem capient cum privilegiis. Per le quali parole si vede ch’i flavi cioè biondi ò rossi, intesi per i Tedeschi, Poloni & Mosoviti, insieme con gli esattori cioè riscotitori che sono i mercantani che riscuotono, intesi per i Vinitiani…«, Lettera, 4. Vgl. A. da Somavera, Tesoro della Lingua Greca-Volgare ed Italiana, Paris 1709, »Essatore. Μαζωκτής, ο, ένας οπού μαζώνει και αναγκάζει άλλους να πλερώνουν άσπρα.« 177 und »Riscuotitore. Γλιτωτής, ο, ξεγλιτωτής, ο.« 399.
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santo huomo & Patriarca di quella Citta, & esposte parimente dal detto Leone, concordandosi quasi insieme, dicono ch’i Vinitiani & i Moscoviti prenderanno Constantinopoli: & che dopo alcuna contesa fra loro, coroneranno d’accordo uno Imperador Christiano.«34
Das venezianische Wunschdenken bereitete, genährt durch die beharrliche Überschätzung des militärischen und strategischen Potentials Moskaus, den Boden für die Einbindung des Zaren in die Türkenkriegsorakel, wenn auch noch nicht in die Türkenkriegsbündnisse. Als Antonios Eparchos noch im selben Jahr, im September 1570, in seinem aus Venedig an den Metropoliten von Moskau Kyrill gesandten Brief notierte, Leo der Weise habe unter anderen heiligen Männern vorausgesagt, dass der Moskauer Zar in Konstantinopel herrschen werde, stützte er sich wohl auf Sansovino.35 Weniger eindeutig sind hingegen die Quellen des Patriarchen von Alexandria Ioakeim. Den Gesandten Ivans IV. Vasilij Poznjakov ließ er 1559 bei seiner Audienz wissen und seinem Zaren ausrichten, es stehe in alten griechischen Büchern geschrieben, dass ein orthodoxer Kaiser aus dem Osten erscheinen und Konstantinopel den Türken entreißen werde.36 Insofern, als die Identifizierung der Russen mit dem »blonden Volk« im Rahmen der Türkenkriegsproblematik erst von außen an Moskau herangetragen wurde, verhält es sich offenbar nicht anders als im Falle des Erbanspruchs auf Konstantinopel. Dagegen wäre allein der oft angeführte Umstand einzuwenden, dass in den russischen Erzählungen vom Fall Konstantinopels, im Bericht des Nestor Iskender und im sogenannten Chronographen von 1512, der als Schlusswort 34 Lettera, 4. Zu den möglichen Quellen Sansovinos (Vermengung des Epitaphium Constantini mit dem Xerolofos-Säulenorakel) vgl. Rigo, Oracula Leonis, 73. 35 »Άδεται δε και παρά πολλών αρχαίων αγίων ανδρών, ουχ ήττον δε και παρά του Λέοντος του Σοφού, ότι αυτός [ο αοίδιος και κραταιός βασιλεύς Ρωσίας] μέλλει κατασταθήναι βασιλεύς της Κωνσταντινουπόλεως«, Giotopoulou-Sisilianou, Αντώνιος ο Έπαρχος, 234. 36 »Chozˇdenie na Vostok gostja Vasilija Poznjakova s tovarisˇcˇi«, 50. Man könnte an die Oracula Sibyllina (J.-D. Gauger (Hg.), Sibyllinische Weissagungen. Griechisch-Deutsch, Düsseldorf u. a. 1998, 428) denken, an die Danieldiegese (vgl. Kraft, »The Last Roman Emperor Topos«, 228) oder allgemein an die ihrer eschatologischen Funktion entledigte Figur des Friedenskaisers. Die Identifizierung des Kaisers (in den Oracula Leonis, ihrem üblichen prosaischen Anhang »Vom wahren Kaiser« (PG 107, 1141–1150), sowie im Epitaphium Constantini) blieb stets vage und offen. Wenn überhaupt, trug er den mystisch geladenen Namen Johannes; die Gleichsetzung mit dem letzten byzantinischen Kaiser Konstantinos Palaiologos wurde erst im 19. Jahrhundert im griechischen Königreich als volkstümliche Legende registriert. Dass Ioakeim auf den Namen Ivans IV. anspielte, scheint jedoch unwahrscheinlich, vgl. Alexander, Tradition, 130–136, 151–184; P. Guran »Genesis and Function of the Last Emperor Myth in Byzantine Eschatology«, Bizantinistica 8 (2006), 273–303; N. A. Veis, »Περί του ιστορημένου χρησμολογίου της Κρατικής Βιβλιοθήκης του Βερολίνου και του θρύλου του Μαρμαρωμένου Βασιλιά« [Über die illuminierte Orakelhandschrift der Staatsbibliothek Berlin und die Legende vom ›Versteinerten Kaiser‹], BNJ 13 (1936–37), 203–244λστ΄, hier 244γ΄–244λστ΄; A. Kariotoglou, Ισλάμ και χριστιανική χρησμολογία [Islam und christliche Orakelliteratur], Athen 2000, 305–310.
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das Epitaphium Constantini (als Orakel Leos wohlgemerkt) zitiert, das »blonde Volk« (rusyj rod) in der handschriftlichen Überlieferung von übereifrigen Kopisten, ob bewusst oder unbewusst, zum »russischen Volk« (russkij rod) umgeschrieben wurde.37 Pavel N. Miljukov meinte etwa, ein orthographischer Fehler habe den Grundstein der »historischen Mission« Russlands gelegt.38 Die Bedeutung dieses lapsus calami sollte man jedoch nicht überschätzen. Das Epitaphium Constantini wurde im 17. Jahrhundert wiederholt ins Russische übersetzt: 1640/41 von einem anonymen Übersetzer in der Walachei, 1650 von Arsenij Suchanov, 1651 vom Metropoliten von Nazareth Gavriil in Moskau. Stets wird ξανθόν γένος wörtlich als rusyj rod bzw. narod wiedergegeben. Erst in der Übersetzung der Pseudo-Dorotheos-Chronik, und zwar durch die Griechen Arsenios (Arsenij Grek) und Dionysios Iviritis (Dionisij Grek) zwischen 1654 und 1665, wird es zum rossijskij rod.39 Das etymologische Argument stößt insofern schnell an seine Grenzen, als man in den griechischen Quellen des 16. und 17. Jahrhunderts, als die Identifizierung erfolgte, vergebens nach einem Hinweis auf die Verwandtschaft von ρούσιος und ρούσσος suchen würde. Man sprach ja vom »ξανθόν γένος« (blondes Volk) und von den »Μοσχόβοι« (Moskowiter). Als Russen (Ρούσοι, Ρώσοι) bezeichnete man bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts häufiger die Ruthenen und die Kosaken. In der Tat ist in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Gleichsetzung des »blonden Volks« mit den Kosaken belegt. Eine Erinnerungsnotiz (ενθύμησις) aus dem Jahre 1623 berichtet vom großen Beutezug der Kosaken an der südwestlichen Schwarzmeerküste und in den Vororten Konstantinopels: »Im Jahre 7131, am 9. des Monats Juli sind vom blonden Volk, den sogenannten Kosaken, bis zu fünfhundert Kähne (μονόξυλα), bis zu sechstausend Russen gekommen und 37 »Povest’ o vzjatii Car’gradi Turkami v 1453 godu«, Biblioteka Drevnej Rusi, Bd. 7, St. Petersburg 2000, 26–71, hier 68; M. Braun, A. M. Schneider, Bericht über die Eroberung Konstantinopels. Nach der Nikon-Chronik übersetzt und erläutert, Leipzig 1943, 33; vgl. auch PSRL, Bd. 12, 97 (Nikonchronik); Bd. 22, 460 (Chronograph von 1512); Schaeder, Moskau, 47; M. Th. Laskaris, Το Ανατολικόν Ζήτημα 1800–1923 [Die Orientalische Frage 1800–1923], Thessaloniki 1978, 231–233; Pertusi, Fine di Bisanzio, 76–80; Mango, »The Legend«, 85; Miklas, »Der Nazarether Metropolit Gabriel«, 145, Anm. 69. In der Stepennaja Kniga (PSRL, Bd. 21.2, S. 504) ist die Passage, bis auf zwei Handschriften mit »ruskij«, in der Variante mit »rusyj« aufgenommen, vgl. Nitsche, »Translatio Imperii«, 333. 38 Zitiert nach Uebersberger, Rußlands Orientpolitik, 14. 39 Nur in einer weiteren Übersetzung von 1640/41, erhalten in den Dokumenten der Moskauer Geheimkanzlei (Prikaz Tajnich Del), wird es mit der Variante nekie ruski wiedergegeben, vgl. ˇ esnokova, Christjanskij Vostok, 161–167, 241–243; Sobolevskij, Perevodnaja Literatura, 161– C 163; Miklas, »Der Nazarether Metropolit Gabriel«, 135–148; S. Belokurov, Arsenij Suchanov, Moskau 1891–1894, Bd. 2, lxxii–lxxiv, 221–224; D. M. Bulanin, »Prorocˇestvo na grobince Konstantina Velikogo«, in: SKKDR, Bd. 4, Dopolnenija, St. Petersburg 2004, 541–545; Lebedeva, Chroniki, 71–106. Zur Übersetzung von Arsenios und Dionysios vgl. Alexandropoulou, Διονύσιος Ιβηρίτης, 96–99.
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haben geplündert […] und Gefangene verschleppt […].«40 Sollte hier eine Reminiszenz auf den ursprünglichen apokalyptischen Gehalt vorliegen, dann ist sie aber trotz der Ρως-Wurzel wohl weniger auf die Etymologie bezogen. Das Motiv des geheimnisvollen, unberechenbaren, auf jeden Fall grauenerregenden Volksstammes – die Notiz malt ein Horrorerlebnis ähnlich einer Naturkatastrophe aus – entsprach noch eher den kosakischen Freischärlern als dem frommen Moskauer Zartum. Auch Ioannis Tafralis dürfte diese Identifizierung bekannt gewesen sein. Nach der Azovaffäre 1644 erläuterte er dem Zaren Michail die strategischen Vorteile, die ihm die Donkosaken gegenüber den Osmanen verschafft hatten. Letztere seien zudem gedemütigt worden, es stehe doch in ihren Büchern geschrieben, dass ihr Reich von einem »blonden Volk« erobert werden soll. Ein – glaubhafter – Verweis auf die Beniasfer, hier auf die Kosaken angewandt.41 Die früheste datierte, explizite Gleichsetzung der Moskowiter mit dem »blonden Volk« in dessen neuer Funktion in einem griechischsprachigen Text fällt paradoxerweise mit der Verwerfung und Diskreditierung der Orakel ineins. Es handelt sich um das bereits zitierte, um 1618 in der Walachei verfasste Klagelied des Metropoliten Matthaios von Myra.42 Es sei töricht und vergeblich, so Matthaios, von den christlichen Mächten die ersehnte Freiheit zu erwarten: Weder Spanien noch die venezianischen Galeeren noch Michail der Tapfere würden das Reich erobern, um es den Griechen zu überlassen. Und auf die blonden Völker aus Moskau zu hoffen, hieße, mit Orakeln, Pseudoprophezeiungen und leeren Worten Zeit zu verschwenden; all das seien vage Hoffnungen,
40 »Κατά τω ˏζρλα΄ εν μηνί Ιουλλίω εις τας θ΄ ήλθον εκ του ξανθού γένους ήγουν Καζάκοι λεγώμενοι έως ε΄ μονώξυλα των αριθμών ώντα έως έξοι χοιλειάδες Ρούσοι και εκούρσευσαν […] και εποίησαν εις αυτά εχμαλωτοισμών μέγα« (Kod. 167 des Ivironklosters), Lampros, »Ενθυμήσεων«, 186. 41 »ταπηνόνουνται διότης και εις τα βιβλία τους γράφη πως η βασιλεία τους από ξανθό γένος θέλει να παρθή«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 219, f. 4, 15. November 1644. Die pessimistischen osmanischen Orakel sprechen auch andere Agenten des Zaren an. So etwa der Priestermönch Dionysios (»είναι σκοτισμένοι και λέγουν το Αλλά Αλλά εύφθασεν ο καιρός να λάβουν οι γκιαούριδες τους τόπους των«, ebenda, nr. 532, 12. Dezember 1654), der Erzdiakon Makarios (μάλιστα οι μάντες και οι αστρολόγη τους αυτά τους λέγουσιν, ότι θέλουν να χάσουν την βασιλείαν τους, ebenda, nr. 536, 28. März 1655, siehe hier Anhang Nr. 3) und Ivan Anastasev (Γιοβάνος του Αναστάση: »το ήβραν οι Τούρκοι εις το ταρίχι τους πως εσόθικεν ο καιρός τους«, ebenda, nr. 549, 25. Mai ˇ esnokova, »Ideja«, 181f. Auch Chrysanthos Notaras berichtete davon 1692 in 1656), vgl. C Moskau, vgl. Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 296; vgl. auch die diesbezüglichen Berichte der griechischen Kaufleute in Venedig bei ihrem Treffen 1657 mit der moskauischen Delegation, PDSDR, Bd. 10, 1057f.; Brückner, Beiträge, 147f. 42 Legrand, Bibliothèque grecque vulgaire, Bd. 2, 314, Verse 2329–2334; Vincent, »Byzantium Regained?«; Olar, »Prophecy and History«, 377–383.
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gebaut »auf ein Spinnennetz, auf Schnee, auf dem Meer und dem Raureif«43. Matthaios’ Aversion gegen die Orakelgläubigkeit ist – zeitbedingt – gewiss nicht einem frühen Rationalismus geschuldet, oder gar einer vermeintlichen Besinnung auf die eigenen Kräfte, um die osmanische Herrschaft abzuschütteln.44 Den Kontext seiner Äußerungen bildet als allgemein geteilte Deutungsgrundlage dasselbe geschichtstheologische Erklärungsschema, das die osmanische Herrschaft als Teil des Heilsplans verstand: Die »Sklaverei unter dem Türken« (του Τούρκου την σκλαβίαν)45 ist für Matthaios die gerechte Strafe des allwissenden Gottes für die Vergehen seiner Herde. Nur er selbst könne sich erbarmen, den Griechen die Freiheit schenken und sie aus den Händen Ismaels retten.46 Die Tatsache, dass Matthaios dem Umfeld von Meletios Pigas und Kyrillos Loukaris angehörte, würde genügen, um seine Überzeugungen in die kirchenpolitischen Zusammenhänge der Zeit einzuordnen. Die auf Orakel gestützten Hoffnungen waren ja noch in erster Linie mit den Initiativen und Aktivitäten der romfreundlichen Kreise verbunden. Wichtiger ist in unserem Zusammenhang indes die Frage, woher Matthaios die als selbstverständlich vorgetragene Gleichsetzung der Moskowiter mit dem »blonden Volk« hatte. Es stimmt, dass er des Kirchenslavischen mächtig war und einige Jahre in Moskau (1596/97) sowie in Lemberg (1598–1604/05) verbracht hatte. Darauf begründet, ist ein russischer Ursprung seiner Vorstellung vom »blonden Volk« vorgeschlagen worden.47 Doch die vergeblichen Hoffnungen und die falschen Orakel werden als allgemein bekannt angesprochen; sonst hätte auch die Kritik wenig Sinn gehabt. Unabhängig davon dürfte aber die Popularität des Gedichts im Druck (ab 1638) und in Handschriften (das Klagelied wurde etwa in der Chronik von Serres des Papasynadinos aufgenommen)48 pikanterweise, der Absicht von Matthaios zum Trotz, der Identifizierung des »blonden Volks« in gewissem Maße zum Durchbruch verholfen haben. Als sich in den 1650er Jahren, den Jahren eines erneuten Höhepunkts antiosmanischer Orakelphilologie, im Zusammenhang mit den diversen Projekten und Initiativen die Vorstellungen von der messianischen Rolle Moskaus und des Zaren herauskristallisierten, waren die einzelnen Motive und Symbole der Orakeltradition schon vorhanden, miteinander in Verbindung gebracht und standen 43 Verse 2339f.: »εις τον βορράν, ᾿ς τον άνεμον έχομεν την ελπίδα / να πάρουν αποπάνω μας του Τούρκου την παγίδα·/ και έχομεν θεμέλιον το γνέμα της αράχνης, / το χιόνι και την θάλασσαν, και το νερόν της πάχνης.« 44 So etwa Vakalopoulos, Ιστορία, Bd. 3, 378f.; vgl. Fenster, Laudes Constantinopolitanae, 304. 45 Vers 2372, vgl. 2455: »στον Τούρκον σκλαβωμένοι«. 46 Verse 2561–2670. Gott möge zumindest die Türken zähmen und ihre Herrschaft milder gestalten oder – am besten – sie mit der Gnade des wahren christlichen Glaubens erleuchten, sodass letztendlich »eine Herde und ein Hirt werden« (Joh 10,16), Verse 2571ff., 2699ff. 47 Vgl. Laskaris, Ανατολικόν ζήτημα, 233. 48 Odorico (Hg,), Conseils et Mémoires de Synadinos, 56–66.
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den interessierten Akteuren zur Verfügung. Ihre Denkschriften und Appelle können als Indikatoren die wachsende Konjunktur solcher Vorstellungen belegen und den Startpunkt einer Tendenz markieren, in deren Zuge alternative Deutungen und Erwartungsoptionen sukzessiv, aber nachhaltig vom Symbol des russischen »blonden Volks« überblendet wurden. In den Appellen von Athanasios Patellaros (1653) und Gerasimos Vlachos (1657) an den Zaren Aleksej werden byzantinische und postbyzantinische Orakel eher angewandt, um das Günstige bzw. das Dringende der Zeitumstände zu demonstrieren. Gemeinsam ist beiden der heilsgeschichtliche Hintergrund, in den sie die Orakel einordnen, bestehend aus Sünde, Strafe und Reue. Gemeinsam ist ihnen aber auch die Herkunft aus Kreta und die Vertrautheit mit der venezianischen oder »venetokretischen«49 Türkenkriegspropaganda. Bei Patellaros ist ihre Rolle in der Argumentation seines Slovo ponuzˇdaemoe jedoch vergleichsweise untergeordnet. Die günstige Zeit (podobnoe vremja) wird unter anderem durch Prophezeiungen (prorocˇestva) und Zeichen (znamenija) signalisiert, die Patellaros wahrscheinlich aus dem Gedächtnis zitiert. Gott habe die Leiden der Griechen unter den Osmanen auf zweihundert Jahre bemessen (man schrieb gerade das Jahr 1653).50 Der Sultan der Hagarener soll zum Zeitpunkt des Sturzes seines Reichs minderjährig sein, was auf den aktuellen (1648– 1687), Mehmed IV., zutreffe.51 Auch der Name des Sultans beweise dies. Mit Bezug auf einen der geläufigsten Topoi der Orakelliteratur legt Patellaros dar, dass in derselben Weise, wie der erste und der letzte christliche Kaiser Konstantinopels den Namen Konstantin trugen, auch der Sultan, der das Zepter der Selbstherrschaft (skipter samoderzˇavija) verlieren wird, den Namen des Eroberers tragen soll.52 Auf das »blonde Volk« wird nur kurz und in einer höchst 49 Rigo, Oracula Leonis, 13. 50 Das sei die Hälfte der vierhundertjährigen Strafe, die er den Juden auferlegt habe (HAB, Cod. Guelf. 210.5 Extrav., f. 272). Von der zweihundertjährigen Dauer der osmanischen Herrschaft spricht auch Ligaridis im Widmungsschreiben seines Chrismologion, BPJ, Cod. 160, f. 2; vgl. Kraft, Moskaus griechisches Jahrhundert, 77f. 51 HAB, Cod. Guelf. 210.5 Extrav. f. 272–272v. Man könnte eine Anspielung auf den Jüngling (μειράκιον) der Danielvisionen vermuten, vgl. W. Brandes, »Kaiserprophetien und Hochverrat. Apokalyptische Schriften und Kaiservaticinien als Medium antikaiserlicher Propaganda«, in: ders., Schmieder (Hg.), Endzeiten, 190, Anm. 145. In der volkssprachlichen Überlieferung war dieser zum αμηράκιον geworden (αμηράς + μειράκιον), vgl. Vasiliev, Anecdota, 44; Sp. Lampros, »Το υπ’ αριθμόν ΛΘ΄ κατάλοιπον« [Nachlass Nr. 39], Νέος Ελληνομνήμων 19 (1925), 97–138, hier 103. Das Motiv hatte schon um 1460 Michail Apostolis in seinen Appell an Kaiser Friedrich III. aufgenommen, was jedoch der Herausgeber des Texts nicht erkannte, vgl. V. Laourdas, »Η προς τον αυτοκράτορα Φρειδερίκον τον Τρίτον Έκκλησις του Μιχαήλ Αποστόλη« [Der Appell von Michail Apostolis an Kaiser Friedrich III.], in: Γέρας Αντωνίου Κεραμοπούλου [Festschrift für Antonios Keramopoulos], Athen 1953, 517–527, hier 522, 525. 52 HAB, Cod. Guelf. 210.5 Extrav. f. 273v. Die schicksalhafte Koinzidenz zwischen Konstantin dem Großen, Konstantinos Palaiologos und ihren gleichnamigen Müttern (Helena) samt
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eigentümlichen Weise Bezug genommen: Dem russischen Volk gebühre es, das Reich zu beerben, aufgrund der gemeinsamen Abstammung von Adam, der ebenfalls blond gewesen sei!53 Vlachos widmet den Orakeln breiteren Raum sowie eine herausgehobene Stellung als Höhepunkt und Krönung seiner Argumentation zur Notwendigkeit des venezianisch-moskowitischen Bündnisses und zur Gunst der Stunde. Er bedient sich der einschlägigen venezianischen Orakeltradition und benennt im Unterschied zu Patellaros die einzelnen Orakel, die er ausgiebig und wörtlich zitiert. Seine Hauptquelle scheint Sansovinos Lettera gewesen zu sein; möglicherweise aus einer Miszellanhandschrift wie etwa die italienisch-griechische Marc. It. Xi.6 von 1578, die auch fast alle übrigen von Vlachos zitierten Orakel enthält.54 Vlachos versichert dem Zaren die Legitimität der Orakel – seit David und Alexander haben sich fromme Kaiser stets vor den Kriegshandlungen an göttlichen Weissagungen orientiert – und ermahnt ihn, sich dem göttlichen Gebot nicht zu widersetzen (nikako protivoborstvuj bozˇestevennym veleniem).55 Er setzt mit einem langen Zitat aus der Pseudo-Methodios-Apokalypse an, das die bevorstehende Niederlage und Vernichtung Ismaels in Konstantinopel unter-
weiteren Parallelen hatte bereits Gennadios Scholarios in seiner Chronographie (1471/72) angemerkt. Sie wurde später in der Chronistik und Apokalyptik bis zur beliebten Vision des Agathangelos im 18. Jahrhundert immer wieder erwähnt. Der im griechischen Königreich, besonders in der Zeit Konstantins II. (oder XII.!) (1913–1917, 1920–22), populäre Zusatz, ein Konstantin werde es auch sein, der die Kaiserstadt zurück erlange, ist in der osmanischen Zeit dagegen nicht belegt, vgl. Œuvres complètes de Gennade Scholarios, Bd. 4, 510f.; Schreiner, Kleinchroniken, 370, 684; Βιβλίον Ιστορικόν, S. φμε΄; Congourdeau, »Byzance et la fin du monde«, 63, Anm. 30; Patrinelis, Συμβιβασμοί και προσδοκίες, 40; Pa˘un, »Enemies within«, 236–238; Kármán, »The Networks«, 133. Zur Verbreitung der Vorstellung in Westeuropa (z. B. bei Praetorius, Turci-Cida, O97) vgl. K. M. Setton, Western Hostility to Islam and Prophecies of Turkish Doom, Philadelphia 1992, 38. 53 »podobaet russkomu rodu vosprijati cˇarstvo samoderzˇca, ezˇe est’ nam svoj rod ot pervozdannogo Adama, ponezˇe i on rus’ byl«, HAB, Cod. Guelf. 210.5 Extrav. f. 272v. Könnte es sein, dass Patellaros den »rothaarigen« Edom gemeint hat und der – auch sonst eher überforderte – Übersetzer aus Unkenntnis oder aus Trotz (die Edomiter waren ja Feinde Israels) daraus den erstgeschaffenen Adam machte? Sonst ergibt die Passage jedenfalls kaum Sinn. 54 Vgl. E. Mioni, Bibliothecae Divi Marci Venetiarum. Codices Graeci Manuscripti, Bd. 3, Rom 1973, 165–167; Rigo, Oracula Leonis, 74; K. Kyriakou, Ιστορημένοι χρησμοί, 68–70; dies., »Η τουρκική απειλή στην ανατολική Μεσόγειο του 16ου αιώνα. Χρησμοί και προφητείες στον Marc. Ital. XI.6 (7222)« [Die türkische Bedrohung im östlichen Mittelmeer des 16. Jahrhunderts. Orakel und Prophezeiungen in Marc. Ital. XI.6 (7222)], in: Ροδωνιά. Τιμητικός τόμος στον Μ. Ι. Μανούσακα [Rhodonia. Festschrift für M. I. Manousakas], Bd. 1, Rethnymnon 1994, 247–252, die jedoch bei der Beschreibung der Handschrift die Lettera trotz der Nennung Sansovinos nicht identifiziert. Zur Präsenz von Orakelhandschriften in der Bibliothek von Vlachos vgl.: Tatakis, Γεράσιμος Βλάχος, 29. Zu den Quellen seiner Islampolemik vgl. Argyriou, Γερασίμου Βλάχου Περί της του Μωάμεθ θρησκείας και κατά Τούρκων, ξστ΄–πβ΄. 55 Waugh, »Odolenie«, 104.
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streichen soll.56 Es folgt die vermeintlich osmanische Prophezeiung vom goldenen bzw. roten Apfel, dem Kızıl elma (bagornoe jabloko, wohl πορφυρό oder ερυθρό im Original), seit Bartholomaeus Georgieviczs Erstdruck (1553) die bekannteste ihrer Art in Europa.57 Vlachos zitiert sie offenbar nach Sansovino, einschließlich der sonst umstrittenen Identifizierung des pomo rosso mit Konstantinopel aufgrund des Reichsapfels der griechischen Kaiser (bei Vlachos: des Palaiologen).58 Während aber Sansovino die prophezeiten zwölf Jahre der türkischen Herrschaft in einhundertzwanzig umgerechnet hatte, um die christliche Rückeroberung Konstantinopels für das nahende Jahr 1573 verkünden zu können, musste Vlachos auf eine inzwischen bestimmt längst erfolgte Umdeutung der Zahl ausweichen: Damit seien die zwölf Sultane gemeint, denen es in Konstantinopel zu herrschen beschieden ist. Vlachos zählt sie auf, von Mehmed II. bis zum (allerdings) dreizehnten und daher letzten Mehmed IV.59 Von der Zahl Zwölf in derselben Deutung handeln – in einer etwas bemühten Interpretation –
56 Waugh, »Odolenie«, 104f.; W. J. Aerts, G. A. A. Kortekaas, Die Apokalypse des Pseudo-Methodius. Die ältesten griechischen und lateinischen Übersetzungen, Bd. 1, Louvain 1998, 170– 174 (= 13,8–13,11). Beim zitierten Abschnitt handelt es sich um eine Interpolation in der griechischen Redaktion des syrischen Originals, die auf die arabische Belagerung Konstantinopels 717/18 zurückgeht, vgl. W. Brandes, »Die Belagerung Κonstantinopels 717/718 als apokalyptisches Ereignis. Zu einer Interpolation im griechischen Text der Pseudo-Methodios-Apokalypse«, in: K. Belke u. a. (Hg.), Byzantina Mediterranea. Festschrift für Johannes Koder zum 65. Geburtstag, Wien u. a. 2007, 65–91; Kraft, »The Last Emperor Topos«, 226. Die eschatologische Funktion des Retterkaisers wird dem Zaren von Vlachos erspart. 57 Vgl. Setton, Western Hostility, 29–46; P. N. Boratav, »Kızıl Elma«, EI2, Bd. 5, Leiden 1986, 245f.; K. Teply, »Kızıl elma. Die große türkische Prophezeiung im Licht der Geschichte und der Volkskunde«, SOF 36 (1977), 78–108; Hasluck, Christianity, Bd. 2, 736–740; St. Yerasimos, »De l’arbre à la pomme: la généalogie d’un thème apocalyptique«, in: B. Lellouch, St. Yerasimos (Hg.), Les traditions apocalyptiques au tournant de la chute de Constantinople, Paris 1999, 153–192, hier 179; Poumarède, Pour en finir avec la Croisade, 136–138. Zur Verbreitung in Russland vgl. Waugh, »Odolenie«, 95f. 58 »za ezˇe Poleologu carju pecˇat’ jabloko bagornoe postaviti«, Waugh, »Odolenie«, 105. Beim Namen »Leposn«, der dem Eroberer zugeschrieben wird, handelt es sich wahrscheinlich um ein Missverständnis des Übersetzers. Es wäre nicht das einzige. 59 Waugh, »Odolenie«, 105. Vielleicht war die Umdeutung zu Beginn des Kretischen Kriegs, noch unter Sultan Ibrahim, erfolgt. Praetorius gibt auch diese Deutung wieder (12 Jahre = 12 Sultane), Mehmed IV. ist in seiner Zählung allerdings der zwölfte und letzte, Praetorius, Turci-Cida, B3–B4; ders., Catastrophe Muhammetica: oder das endliche Valet, und Schändliche Nativität des ganzen und nunmehr vergänglichen Türckischen Reiches…, Leipzig 1664, 304. Zur Bedeutung der Zahl 12 in diesem Zusammenhang vgl. J. Denys, »Les pseudoprophéties concernant les Turcs au XVIe siècle«, Revue des études islamiques 10 (1936), 201– 220, hier 219f. Sansovino hatte mit 15 Sultanen gerechnet und diese in einem Stammbaum der Lettera angehängt, jedoch angefangen mit Osman. Selim II. (1566–1574) war aber gleichzeitig der fünfte Sultan seit der Eroberung Konstantinopels. Unter ihm würden die Christen die Stadt zurückerobern, hieß es in Anlehnung an die fünf Kaiser der Oracula Leonis, z. B. im Xerolophos-Orakel, vgl. Kyriakou, Οι ιστορημένοι χρησμοί, 186.
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auch die folgenden Verse (i grjadet ptenca jastrebu = έρχεται πουλί γεράκι…) aus den spätbyzantinischen sogenannten »Vugärorakeln« Leos des Weisen.60 Die nächsten Orakel sollen das Bündnis zwischen Venedig und Moskau besiegeln. Das Epitaphium Constantini wird als Orakel Leos zitiert – wie bei Sansovino, allerdings ausführlicher. Das »blonde Volk«, das die Türken vernichten soll, stehe ausdrücklich für die Moskowiter, die Agenten für die Venezianer (ksanfskij zˇe rod moskvjani, praktor zˇe venetjane).61 Vlachos führt anschließend Sibylla Erythraea an, wählt aber ein anderes Zitat als Sansovino (dort S. 3v) aus dem achten Buch der Oracula Sibyllina: Das riesige Tier sei Zar Aleksej, der Löwe der venezianische Doge. Gemeinsam werden sie den Hund-Hagarenen stürzen und in den Hades treiben.62 Eine sonst unbekannte lateinische Inschrift aus Triest wird dagegen nach Sansovino zitiert. Der kommende Fürst, der Konstantinopel einnehmen wird, bezeichne, so die Deutung von Vlachos, den Zaren von Moskau, während der Löwe, der die Türken bis nach Jerusalem vertreiben wird, die venezianischen Anführer symbolisiere (budusˇcˇ’ igemon est’ moskovskij car’, lev zˇe – venetijskii nacˇalnicy).63 Schließlich zitiert Vlachos einen Text aus der Traditionslinie der Danielvisionen über den Angriff der Ismaeliten auf Kreta, der ihr Ende einläuten soll.64 Am gründlichsten hat die Begründung der messianischen Rolle Moskaus auf der byzantinischen Orakeltradition Paisios Ligaridis, der Orakelspezialist par 60 Waugh, »Odolenie«, 105. Das Orakel bei: Ch. Gidel, É. Legrand, »Les Oracles de l’empereur Léon le Sage, expliqués et interprétés en grec vulgaire au XIIIe siécle«, Annuaire de l’association pour l’encouragement des Études Grecques en France 8 (1874), 150–192, hier 185; E. Trapp, »Vulgärorakel aus Wiener Handschriften«, in: J. Koder, E. Trapp (Hg.), ΑΚΡΟΘΙΝΙΑ. Sodalium Seminarii Byzantini Vindobonensis, Herberto Hunger oblata, Wien 1964, 83–120, hier 100. Zu den volkssprachlichen Orakeln, die unter dem Namen Leos oder eines Mönchs Leontios überliefert sind und aus dem 13. Jahrhundert stammen, vgl. Mango, »Legend«, 66f. 61 Waugh, »Odolenie«, 106. Der Übersetzer hat das Motiv nicht erkannt oder er bevorzugte eher zu transkribieren als zu übersetzen, wie auch bei den praktory: ein weiteres Indiz gegen die übermäßige Bedeutung der Gleichung rusij = ruskij. 62 Waugh, »Odolenie«, 106. Die Deutung von Vlachos ist schon abenteuerlich. Aus dem Text folgt eine solche Handlung jedenfalls nicht: »…dann kommt über das riesige Tier ein dunkler Blutstrom, den Löwen, der die Hirten zerfleischt, verfolget ein Hund nur. Stürzen werden sie ihn von dem Throne; er steigt in den Hades«, Gauger, Sibyllinische Weissagungen, 180f. 63 Waugh, »Odolenie«, 106. Die lateinische Inschrift lautet: »Is cum veniet Princeps futurus, veh tibi civitas septem collis namque natabis in sanguine tuo. Leo vertet Turcarum usque in Hierusalem & hoc in 1570«. Das Jahr 1570 wird von Vlachos oder schon von seiner Quelle nachvollziehbarerweise verschwiegen. 64 Waugh, »Odolenie«, 106. Text der Vision bei: V. Istrin, Otkrovenie Mefodija Patarskago i apokrificˇeskaja videnija Daniila v vizantijskoj i slavjano-russkoj literaturach. Issledovanie i teksty, Bd. 2, Moskau 1897, 143f. In Istrins Textfassung wird 6981 (= 1473) als Jahr der Vertreibung Ismaels aus Konstantinopel genannt, was auf eine Datierung in der Zeit des venezianisch-osmanischen Kriegs 1463–79 schließen lässt, vgl. Brandes, »Der Fall«, 461. In der Version, die Vlachos verwendete, ist es 1647. Der ursprüngliche Text wird ansonsten auf das 8. Jahrhundert datiert, vgl. DiTommaso, The Book of Daniel, 96.
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excellence, betrieben. Seine 1655 in der walachischen Residenzstadt Targovis¸te verfasste Orakelsammlung Χρησμολόγιον Κωνσταντινουπόλεως stellt wohl das umfangreichste Werk der gesamten griechischen Orakelliteratur dar. Sie ist in ihrer enzyklopädisch anmutenden schriftstellerischen Leistung in erster Linie, wie eigentlich Ligaridis’ gesamtes Schrifttum, eine Demonstration seiner Belesenheit.65 Trotz der Fülle und der Heterogenität des Materials, das Ligaridis gemäß dem Polyhistor-Topos »einer Biene ähnlich […] aus den zerstreuten Prophetien und den verstaubten Orakeln«66 sammelte, anordnete und deutete, weist das voluminöse Werk eine gewisse Konsistenz auf. Während der erste Teil die bereits erfüllten Orakel (παρωχημένοι χρησμοί) von der Genesis bis zur osmanischen Eroberung Konstantinopels umfasst, mündet der zweite, den künftigen (μέλλοντες χρησμοί) gewidmete traditionsgemäß in die Restauration des Römischen Reichs in Konstantinopel vor dem anschließenden Weltende. Es sei eine große Unterhaltung für die armen Griechen, davon zu erfahren, beeilt sich Ligaridis schon im Vorwort vorauszuschicken. Folgerichtig zitiert und attackiert er namentlich Mathaios von Myra: Man solle gar nicht auf dessen unschöne und offenbar verbreitete Worte achten, die er aus der Verzweiflung gesprochen habe.67 Das »blonde Volk« bezeichnet auch bei Ligaridis die Russen, wenn auch nicht ganz ohne Widersprüche. Als nämlich der Autor den Vierten Kreuzzug und die damit »erfüllten« Orakel behandelt, weiß er mit dem »blonden Volk« aus dem sogenannten »Orakel Konstantins des Großen«68 philologisch korrekt umzuge65 Vgl. Hionides, Paisius Ligarides, 121–140; Kariotoglou, Ισλάμ και χριστιανική χρησμολογία, 89–99, 328f.; Mango, »The Legend«, 86–89; T. Teotei, »La tradition«; ders. »L’Europe«; D. N. Ramazanova, »Bucharestckij spisok Chrismologiona Paisija Ligarida: Paleograficˇeskoe i kodikologicˇeskoe issledovanie«, Vestnik RGGU 7/50 (2010), 178–191; Olar, »Prophecy and History« 367–377; ders., »Paisios Ligaridis«; V. G. Tchentsova, »Les artisans grecs des projets culturels du patriarche Macaire III d’Antioche« RESEE 52 (2014), 315–346. 66 »Τούτους εγώ τούς χρησμούς ως φιλόπονος μέλισσα εκ διαφόρων βιβλίων τους εσυνάθροισα με πολύν κόπον και περισσόν έξοδον και τους είχον κρυμμένους ως τινα θησαυρόν πολυτίμητον […] όθεν αναγκασμένος από πολλούς φίλους και άρχοντας εσυμμάζωξα τας διεσπαρμένας προφητείας και τους σκονισμένους χρησμούς ένθεν κακείθεν· και εις τούτο το βιβλίο ως ραψωδός ομηρίδης τους εσυνάρμοσα και μετά σχολίων τους επερίφρασα…«, BPJ, Cod. 160, f. 3v. Neben dem Material, das Ligaridis schon in Rom gesammelt haben muss, profitierte er bestimmt von den Beständen der Bibliothek des Postelniks Constantin Cantacuzino – untergebracht im Kloster Ma˘rgineni –, dessen Söhne er an der von ihm gegründeten Griechisch-Lateinischen Schule unterrichtete, vgl. Papacostea, »Les origines«; Suttner, »Ligaridis und Milescu«, 80f.; Hionides, Paisius Ligarides, 122. 67 »και κατά αλήθειαν μεγάλη ψυχαγωγία είναι εις ημάς τους τρισαθλίους ρωμαίους να γρυκούμεν πως μέλλει να γένη ανάστασις, του γένους μας απολύτρωσις, και πως μέλλει να γένη βασιλεύς πάλιν ρωμαίος, ευσεβής και ορθόδοξος, και δεν έχη ποσώς να ακούεται ο Μυρέων Ματθαίος, οπού απελπισμένος γράφει και λέγει τούτα τα άκομψα έπη, ελπίζομεν εις ξανθά γένη να μας λυτρώσουν, να ελθούν από τον Μόσχοβον να μας ελευθερώσουν, ελπίζομεν εις τους χρησμούς, εις ταις ψευδοπροφητείαις, και τον καιρόν μας χάνομεν εις ταις ματαιολογίαις, όχι έτζη άνθρωπε, διότι τροχός είναι του κόσμου τα πράγματα…«, BPJ, Cod. 160, f. 3. 68 Vgl. Pertusi, Fine di Bisanzio, 54–56 (nicht mit dem Epitaphium Constantini zu verwechseln).
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hen: »rothaarig« (πυρρόν) stehe für »blond« (ξανθόν) und gemeint seien damit die Kreuzfahrer, Venezianer und Franzosen.69 Unter der Überschrift »Vom blonden Volk« liest man dagegen im letzten Teil des Werks (f. 257–261) ohne nähere Begründungen und Erläuterungen, die Ligaridis wohl für überflüssig gehalten haben muss, eine hauptsächlich aus den lateinischen Werken Herbersteins und Alexander Guagninis zusammengestellte russische Geschichtsdarstellung seit ihren (mythischen) Anfängen: »Da wir vom blonden Volk erzählen werden, scheint es mir notwendig, auch ihren Anfang und ihre (Nach-)Folge zu erzählen, zur Kenntnis und zum Verständnis der folgenden Orakel.«70 Die den Russen vorbehaltene Rolle kann diesen folgenden Orakeln, welche die Aufhebung der osmanischen Herrschaft und die Befreiung Konstantinopels thematisieren, trotz der Überschrift »Davon, was über die Russen gesagt wird« (Περί των λεγομένων διά τους Ρώσους, f. 264v) nur bedingt entnommen werden, da Ligaridis die verschiedenen Versionen unvermittelt zusammenführt, ohne sie konsequent aufeinander abzustimmen. Moskau werde sich an der Allianz der christlichen Mächte beteiligen, die in den volkssprachlichen Orakeln Leos des Weisen (oder, wie hier, dem Mönch Leontios zugeschrieben) und im Epitaphium Constantini prophezeit wird: Der Löwe bezeichne Spanien, der Leopard Polen, der Basilisk Moskau, der Fuchs Venedig und der Wolf Frankreich. Der Falke stehe für das »blonde Volk«.71 Das Auftreten und die Herrschaft des wiederkehrenden Friedenskaisers Johannes, die anschließend behandelt werden, stehen eher parallel zur Vorstellung des »blonden Volks«. Man kann das höchstens als eine zeitliche Abfolge von der Teilung des Reiches unter den Söhnen von Johannes, über den endgültigen Untergang Konstantinopels, das Erscheinen des Antichrist bis zum Jüngsten Gericht begreifen.72 69 »Πυρρόν άρα γένος ήτοι ξανθόν ενόησεν ο χρησμός τους Βενετίκους, και αυτούς τους Φραντζέζιδες, οπού ήλθαν και επήραν την Πόλιν«, BPJ, Cod. 160, f. 88. 70 »Μέλλοντες να ειπούμεν περί του ξανθού γένους, αναγκαίον μου φαίνεται να ειπούμεν, και την αρχήν των και την διαδοχήν των, διά γνώσιν και είδησιν των ρηθησομένων χρησμών.«, BPJ, Cod. 160, f. 257. Auf der entsprechenden Seite der Bukarester Handschrift notierte Chrysanthos Notaras neben der Überschrift sinngemäß: »αρχαιολογία των Ρώσσων ήτοι Μοσχόβων«, BAR ms. gr. 386, f. 213 (= S. 423). 71 »Δια Λέοντα γρυκά τον ρήγα της Ισπανίας, διά Πάρδον τον Λέχον, διά Βασιλίσκον τον Μόσχοβον, διά αλωπού την Βενετίαν, και διά Λύκον τον βασιλέα της Φράτζας […] πουλί και γεράκι κράζεται το ξανθόν γένος«, BPJ Cod. 160, f. 265–265v. Bei der Deutung des Epitaphium Constantini wird das »blonde Volk« mit den Kosaken gleichgesetzt (»ήγουν οι Καζάκοι«) f. 265v. Ob es sich um die Deutung des anonymen Kommentators handelt, die Ligaridis zwischendurch zitiert, ist nicht klar. Womöglich hat er aber den Basilisken und den Falken des vorigen Orakels einfach auseinanderhalten wollen. Das Orakel bei Gidel und Legrand, »Les Oracles«, 183; Trapp, »Vulgärorakel«, 100. 72 BPJ Cod. 160, f. 261–264v, 266–271v. Die von Asterios Argyriou (Les exégèses, 112) aufgestellte Berechnung, wonach Ligaridis den Untergang des Osmanischen Reichs auf das Jahr 1678 festlegte, ist unbegründet. Ligaridis leitet aus der angeblichen Prophezeiung Mohammeds,
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Die Widmung des Werks an den Zaren Aleksej, die Ligaridis nachträglich (1656) hinzufügte, steht dagegen schon ganz im Zeichen der spektakulären Waffenerfolge Moskaus und der Kosaken im Nordischen Krieg sowie deren Widerhall in den Donaufürstentümern und im Osmanischen Reich.73 Selbst der Hospodar der Walachei Matei Basarab (1632–1654) habe, so Ligaridis, sein ehemaliger Hofprediger,74 seinerzeit Aleksejs Feldzug und den Aufstand der Zaporoger Kosaken als ein Zeichen Gottes gedeutet. Matei habe sich zudem an die Worte zweier Patriarchen erinnert: Mitrofanis (Kritopoulos) von Alexandria und Kyrillos von Konstantinopel (wohl Kontaris). Ersterer habe für 1660 unerwartete Dinge prophezeit. Letzterer habe sich auf die besagte Parallele zwischen den Namen Konstantin und Mehmed berufen.75 Ligaridis wünschte sich nun, die Sehnsucht des Zaren nach der Kaiserstadt Konstantinopel zu wecken. Etymologische Argumente – Alexios bedeute »Helfer« und stamme vom Verb ἀλέξω76 – sowie byzantinische und türkische Prophezeiungen – jeweils Andreas Salos, Pseudo-Methodios und das Kizil-elma-Orakel – sollten den Zaren überzeugen. Die prophezeiten zweihundert Jahre der osmanischen Herrschaft seien vollendet. Sollte nun der Zar nach seinen Siegen gegen die Polen und Tataren die Donau überqueren, würden sich die Orakel endgültig erfüllen.77 Auf denselben Vorrat greift Ligaridis auch in der an Aleksej adressierten Widmung seiner Geschichte der Verurteilung Nikons (1668) zurück. Das barocke Wortspiel mit dem Namen des Zaren – ein Zeichen der göttlichen Vorsehung, die Aleksej als Retter Griechenlands ausgewählt habe – wird hier vertieft und um ein
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sein Reich werde tausend Jahre dauern, lediglich die Gewissheit von seinem nahen Ende ab, da die Frist bereits überschritten sei, BPJ Cod. 160, f. 242v–243. BPJ, Cod. 160, f. 1v–2v. Ob Ligaridis 1656 bei der Abfassung der Widmung zum Text auch etwas hinzugefügt oder ihn geändert hat, ist, da sein Autograph nicht erhalten ist, nicht zu beantworten. Vgl. Suttner, »Ligaridis und Milescu«, 80. In der Geschichte der Verurteilung Nikons führt Ligaridis nur die zweite Prophezeiung an (das Jahr 1660 war ja vergangen, aber Mehmed IV. herrschte weiter), schreibt diese aber Mitrofanis zu (GIM Vlad. 409 (Sinod. 469), f. 25v). »…Αλέξιος κατά την ελληνικήν διάλεκτον δηλοί βοηθός από του αλέξω ρήματος, οπού σημαίνει το βοηθός, ίσως η άνω πρόνοια να σου εχάρισε τοιούτον όνομα προμηνύον και προλέγον αμυδρώς, πως μέλλεις να αλεξήσεις και να βοηθήσεις το γένος μας κατά την πρόρρησιν του Αγίου Ανδρέου του διά Χριστόν Σαλού , οπού καθ’όνομα βάζει τους Ρώσους διά ελευθερωτάς μας, καθώς καί ο Πατάρων Μεθόδιος.«, BPJ, Cod. 160, f. 1v. »[…] και κατά μεν την αριθμητικήν ομοίως η Κωνσταντινούπολις επάρθη από τον σουλτάν Μεχεμέτη εις τους χιλίους τετρακοσίους πενήντα τρεις· τώρα περιπατούμεν χιλιούς εξακοσίους πενήντα έξι, ώστε οπού απέρασαν οι διακόσιοι χρόνοι και άρχισαν άλλοι δύο παραπάνω, [In der Hf. ΜΠΤ 23 von 1668 heißt es hier: περιπατούμεν χιλιούς εξακοσίους εξήκοντα οκτώ, ώστε οπού απέρασαν οι διακόσιοι χρόνοι και άρχισαν και δεκαπέντε παραπάνω] μέσα εις τους οποίους βλέπομέν σε νικητήν και τροπαιούχον, όχι μονάχα πως επήρες το Σμολένσκον και την Λίτουαν, αμή και τους Τατάρους, το πτερόν του Τούρκου εκατατρόπωσες και όλην την Μαὐρην θάλασσαν με τες τριανταδύο σου βάρκες εκαταφόβησες, τί αν σε έβλεπαν να επέρνας τον Ίστρον και το Παραδούναβον, βέβαια ο χρησμός ετελειώνετον και αποπληρώνετον…«, BPJ, Cod. 160, f. 2–2v.
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Akrostichon erweitert: Der Name Alexios bedeute, dass er einem freien Volk in herrlicher Weise vorstehen und Ismael vernichtend schlagen werde.78 Es folgen die Stelle aus der Apokalypse des Andreas Salos vom siebzehnten Buchstaben – Ligaridis’ Lieblingsbeleg –, die hier ausführlicher zitiert wird, sowie weitere Zitate aus der byzantinischen Apokalyptik bezüglich der Vertreibung Ismaels.79 Das Reich der Russen, so weiter im Text, sei laut den Prophezeiungen Leos des Weisen (Λέοντος προφητολόγια) seit Erschaffung der Welt (από καταβολής κόσμου) zur Rettung der Griechen prädestiniert.80 Sie seien »blondhaarig«, d. h. ein »blondes Volk« (άνδρες ξανθότριχες και ξανθόν γένος), Herrscher von Mosoch und Ros nach Ezechiels Prophezeiung (Ez 38,2; 39,1).81 Als rhetorische Ornamente schiebt Ligaridis dieselben Verweise und Zitate in den Ansprachen der Patriarchen von Alexandria und Antiochia ein.82 In der Ansprache des Patriarchen von Alexandria Paisios an den Zarensohn Aleksej Aleksejevicˇ wird dieser aufgerufen, das Werk seines Vaters zu vollenden und die Griechen zu befreien. Die beiden werden mit den byzantinischen Kaisern Basileios und seinem Sohn Leon verglichen. 78 »ως πανοπλίαν την Αλεξητικήν σου Αλέξησιν […] αλεξιφάρμακον και αλεξιτήριον […] ως ο Ύψιστος εκλεξάμενος της απολωλείας Ελλάδος σωτήρα και αντιλήπτορα, και δη φέρε ίδωμεν τα στοιχεία του ονόματός σου, και τα ψηφία ως μέταλλα μεταλλεύσωμεν, αλέξιος το α, σημαίνει ότι άρξεις, λ λαού, ε ελευθέρου, ξ ξενοπρεπώς, ι ισμαήλ, ο ολεθρίως, σ συντρίψεις…«, GIM Vlad. 409 (Sinod. 469), f. 6v. Es folgen in lexikographischer Manier Stellen aus der antiken Literatur mit auf ἀλέξω basierenden Wortbildungen. Patellaros hatte auch in seinem Slovo Ponuzˇdaemoe auf den Namen Aleksejs hingewiesen, ihn jedoch als »Vertreiber und Heiler vom furchtbaren Gift« gedeutet: »izgonitel’, ljutomu zeliju iscelitel’«, HAB, Cod. Guelf. 210.5 Extrav. f. 290. 79 Ligaridis dürfte die Fassung mit der Interpolation aus dem Cod. Vaticanus gr. 2010 in Rom oder aus einer späteren, darauf zurückgehenden Handschrift abgeschrieben haben. Auch im Chrismologion (f. 254–257) gibt er den Text verkürzt und paraphrasiert, einschließlich der Interpolation wieder. W. Palmer hat in seiner englischen Übersetzung den Hinweis missverstanden und ρ (= 100) als Ligaridis’ an den Zaren gerichteten Glückwunsch gedeutet, er möge hundert Jahre herrschen: Palmer, The Patriarch and the Tsar, Bd. 3, 19. 80 GIM Vlad. 409 (Sinod. 469), f. 25v. Gemeint ist das Orakel Περί ἀναστάσεως τῆς Κωνσταντινουπόλεως / De Restitutione Constantinopoleos (PG 107, 1149), das in Auszügen zitiert wird. 81 Die Rückführung von Moskau auf Mosoch stammt wahrscheinlich von Martin Cromers, De origine et rebus gestis Polonorum (1568), den Ligaridis auch sonst verwendet haben mag, vgl. Teotei, »L’Europe«, 95, Anm. 14. Bei Palmer, The Patriarch and the Tsar, Bd. 3, 29, werden die Zitate übergangen. Zu weiteren möglichen Herleitungen vgl. Z. E. Kohut, »From Japheth to Moscow: Narrating Biblical and Ethnic Origins of the Slavs in Polish, Ukrainian, and Russian Historiography (Sixteenth-Eighteenth Centuries)«, Journal of Ukrainian Studies 33/34 (2008), 279–292; Collis, Petrine Instauration, 248f. 82 GIM Vlad. 409 (Sinod. 469), f. 148, im gemeinsamen Gebet der Patriarchen: »επί σοι γαρ τω βασιλεί μετά Θεόν θαρρούμεν επιτυχείν της απολυτρώσεως κατά την φερώνυμον κλήσιν σου, και γαρ Αλέξιος, άνθρωπος του Θεού ερμηνεύεται αλεξίκακος, και αλεξιτήριος, νέος Αλέξανδρος, πάσαν έφοδον βαρβαρικήν απελαύνων, πάσαν τυραννίαν διώκων«, f. 282; in der Ansprache des Patriarchen von Alexandria an die Kinder des Zaren: »αλλά δώη ο πανάγαθος Κύριος, όπως αι αρχαίαι προρρήσεις και οι γηραλέοι εκείνοι χρησμοί, και ίν’ούτως είπω πάμπαλαι και άνωθεν προειρημένοι, διά το ξανθόν τουτί γένος των ευκλεών Ρώσων, θυμηρέστατον πέρας λάβωσιν, εις τας ελίξεις του υμετέρου καιρού τελειούμενοι και πληρούμενοι…«.
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Letzerer habe das Reich »mit Orakeln und Wissenschaften geschmückt« und »unter anderem auch dies vorausgesagt, dass das blonde Volk uns aus der Gefangenschaft befreien wird«.83 Ligaridis selbst kommt in einem späteren, (1674) von Kiev aus auf Lateinisch verfassten Brief an den Zaren (prophetische Untermauerung von Aleksejs imperialem Erbe),84 und in einem feierlichen Epigramm85 auf das Thema zurück. Auf eine Anfrage (1671) des Erzbischofs von Pogoniani Manassis zur Identität von Gog und Magog (aus Apk 20,8) antwortet er als ausgewiesener Kenner, dessen Sachverstand und Autorität gefragt wird. Er gibt die verschiedenen Deutungen der Interpreten wieder und schließt mit der Deutung von Gog auf die Türken und Magog auf die Perser sowie mit der Prophezeiung vom siebzehnten Buchstaben (Apokalypse des Andreas Salos): »[I]n derselben Weise wie Ros die Russen bezeichnet, Mosoch die Moskowiter und Tubal die Iberer, die gegen den Vorgänger des Antichrist kämpfen und ihn in die Flucht schlagen werden, wie der weiseste Kaiser Leo in seinen Vorhersagen offenbarte. Dieser hat auch den Fall der großen Stadt Neu-Babylon vorausgesagt und zudem ihre künftige Erlösung. Er erwähnt explizit, dass diese durch das blonde Volk bewirkt wird, das alle als die Bewohner von Gross-, Klein- und Weissrussland deuten. Wenn Du willst, nimm das weiseste Rätsel des Andreas Salos hinzu, der gesagt hat, die Erlösung werde von den im siebzehnten Buchstaben des Alphabets Gemeinten kommen, das ist R. Denen schließe ich mich an, ohne im Geringsten zu widersprechen.«86
83 »Και λοιπόν, ω νέε θεοχαρίτωτε Αλέξιε, ανδρίζου και ίσχυε, και τα όσα δεν θέλει προφθάσει να κυριεύση και να υποτάξη υπό κάτω εις τους πόδας του ο σος αήττητος πατήρ και ημέτερος προστάτης, σπούδαξε να τα αποτελειώσης και να τα κορυφώσης βάζοντας και τον ύστερον κολοφώνα της αυτοτελειότητος. Ενθυμήσου ω πορφυρογέννητε άναξ Αλέξιε ότι το βασίλειον αύξησε των Ρωμαίων ο γεννάδας εκείνος Βασίλειος, ο και Μακεδών φημιζόμενος, πλην γε όμως Λέων ο τρίσοφός του υιός επί πλέον το εξάπλωσε και με επιστήμαις το επεριστόλισε. Τούτος ουν ανάμεσα επροείπε και τούτο, πως το ξανθόν γένος μέλλουσι να ελευθερώσουν ημάς από την αιχμαλωσίαν. Τίς έγνω νουν Κυρίου, μήπως και Αλέξιος, ο ων και λεγόμενος άνθρωπος του Κυρίου, ξαναπάρη τον θρόνον Κωνσταντίνου του Παλαιολόγου ως φυσικός κληρόνομος του. […] διότι εις την εδικήν μας φωνήν Αλέξιος σημαίνει βοηθός, ελευθερωτής. Άμποτες να δώκη ο ύψιστος Θεός, και πατήρ Αλέξιος και υιός Αλέξιος να γενούν ημάς των ρωμαίων βοηθοί μας και ελευθερωταί και νέοι Αλέξανδροι.«, Tzoumerkas, Ο κώδιξ, 145. 84 »…oracula clamat, quod tu es rex Mosoch, quod gentis monocrator quod tu decime septime litere graeci alphabeti Russorum omnium rex. Tu, Alexius vir Dei proelectus auxilator divinitas, Alexander monarcha futurus christianissimus«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 640, f. 3 (16. Juli 1674). 85 Vgl. Sobolevskij, Perevodnaja literatura, 364f. 86 »Ουκ αποβάλλομαι την των φησάντων δόξαν Γωγ δειν λέγειν τον Τούρκον, και τον Πέρσην Μαγώγ, καθάπερ τους Ρως είναι τους Ρώσους αυτούς, Μοσόχ τους Μοσχόβους και Θόβελ τους ΄Ιβηρας, οίτινες μέλλουσιν αγωνισθήναι τω προδρόμω του Αντιχρίστου, και κατατροπώσονται, ώσπερ ανείλεν ο εν βασιλεύσι πάνσοφος Λέων εν τοις αυτού προθεσπίσμασιν. Ούτος γαρ προείπε και την άλωσιν της μεγαλοπόλεως Καινής Βαβυλώνος, και την εκείνης απολύτρωσιν πάλιν αύθις εσομένην προαπεφήνατο. Μνημονέυει δε ρητώς γενησομένην αυτήν διά του ξανθού γένους του φημιζομένου είναι άπαντας τους την Μεγάλην, Μικράν, και Λευκήν Ρωσσίαν έχοντας εις κατοί-
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Inzwischen führten die Türkenkriege der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, besonders nach 1683, zu einer erneuten Konjunktur der Kreuzzugsidee und der Turcica-Orakel in Europa, wobei gemäß der veränderten Machtverhältnisse ein christliches Überlegenheitsgefühl die »Türkenfurcht« als Grundeinstellung verdrängte.87 Die Prophezeiung vom »blonden Volk« wurde in unterschiedlichen Varianten und mit unterschiedlicher Kommentierung in Werken von renommierten Gelehrten aufgenommen. In 1686 gab der Dominikaner und Metaphysikprofessor an der Universität Padua, Nicolò Arnu, das Orakel im Original samt lateinischer und italienischer Übersetzung sowie ausführlicher und bestätigender Auslegung in seinem Presagio dell’imminenete rovina, e caduta dell’Impero Ottomano neu heraus. Für die Griechen sei das »blonde Volk« jenes der Moskowiter, Russen und Kosaken, während Arnu selbst die Polen, die Ungarn und die Venezianer dazuzählt: »Per nazione bionda intendono i Signori Greci la nazione Moscovita, Russiota, e Cosacca: E io ancora v’aggiungo la Polacсa, Ungara, e Veneta, che ordinariamente è di color bianco.«88 Dagegen zitierte der Philosoph Pierre Bayle in seinem Dictionnaire historique et critique verschiedene Quellen zu den christlichen und islamischen Varianten der Prophezeiung, unter anderem Sansovino, im Zusammenhang seiner Verhöhnung der »fables les plus ridicules«89. Nachrichten von Zeichen und Orakeln, die das baldige Ende des Osmanischen Reiches andeuteten, wurden während der Kriegsperiode mittels der kuranty
κησιν. Πρόσθες ει βούλει και το πάνσοφον αίνιγμα του διά Χριστόν σαλού Ανδρέου, του φήσαντος γενησομένην την απολύτρωσιν διά των εμπεριεχομενων εν τω δεκάτω εβδόμω στοιχείω του αλφαβήτου, αμέλει διά του ρ. Τούτοις άρα επόμενος υπογράφω καγώ ικανώτατα, μηδ’οτιούν αντιλέγων και ανθιστάμενος.«, Ankara,Türk Tarih Kurumu, [fonds du Syllogos], ms. 10, f. 154v–155. Bei der Edition des Briefes (im spätosmanischen Istanbul des Sultans Abdülhamid II.) hat Athanasios Papadopoulos-Kerameus allein diesen Absatz bis auf die Andreas-SalosWendung ausgelassen, wohl aus Gründen der Selbstzensur. Vgl. A. Papadopoulos-Kerameus, »Συμβολαί εις την ιστορίαν της νεοελληνικής φιλολογίας« [Beiträge zur Geschichte der neugriechischen Literatur], ΕΚΦΣ 17 (1882/83), 50–93, hier 83–85. Ich danke herzlich Chariton Karanasios für den Zugang zur Handschrift. 87 Um 1685 wurde das Epitaphium Constantini ins Deutsche übersetzt und als Flugschrift gedruckt, vgl. Neue Relation eines Prognostici: Aus einigen verkürtzten Ziffern und Wörtern so auf dem Grabstein Constantini deß Käysers in der Stadt Constantinopoli gefunden […] In welchem Sonderlich deß Mahometischen Reichs Untergang prognosticiret ist, o.O., o. J. 1684. 88 N. Arnu, Presagio dell’imminenete rovina, e caduta dell’Impero Ottomano, Venedig 1686, 15. Zu Arnu vgl. A. Timotin, »Propheties anti-ottomanes à Venise à la fin du XVIIe siècle. Nicolas Arnou (1629–1692), lecteur des oracles byzantins«, RESEE 54 (2016), 119–134; Preto, Venezia e i Turchi, 55f. 89 P. Bayle, Dictionnaire Historique et Critique, Bd. 2, Rotterdam 1697, Artikel »Mahomet«, 487–489. Zu Bayles Kritik an der Apokalyptik vgl. J. C. Laursen, »Bayle’s Anti-Milleniarianism: The dangers of those who claim to know the future«, in: ders., R. H. Popkin (Hg.), Millenarianism and Messianism in Early Modern European Culture vol. IV: Continental Millenarians: Protestants, Catholics, Heretics, Dordrecht 2001, 95–106.
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auch in Russland bekannt.90 Ein ausgeprägtes Interesse an Astrologie, Divination und Prognostik herrschte zudem am walachischen Fürstenhof unter S¸erban Cantacuzino und unter Konstantin Brâncoveanu.91 Übersetzungen von Almanachen und astrologischen Prognostica wurden besonders vom Stolnik Constantin Cantacuzino in Auftrag gegeben und konsultiert.92 In diesen Zusammenhang gehört die griechische Übersetzung von Stanislaus Reinhard Axtelmeiers 1698 in Augsburg erschienenem Werk Das Muscowittische Prognosticon,93 die noch im selben Jahr (im November 1698) unter dem Titel Προγνωστικόν των Μοσκόβων vorgelegt wurde. Sie stammt aller Wahrscheinlichkeit nach aus der Feder des Arztes und Hofgelehrten Ioannis Komninos, des späteren Metropoliten von Drystra Ierotheos (1711–1719), und wurde von Konstantin Brâncoveanu in Auftrag gegeben.94 Axtelmeier, Alchemist und As90 Vgl. Sˇamin, »Krest nad Sviatoj Sofiej«; vgl. auch Kapterev, Charakter, 352f., zum Bericht von Vasilij Daudov, dem russischen Gesandten an der Pforte, aus dem Jahr 1672, der von Gerüchten über eine wundersame Liturgie in der Hagia Sophia, ein auch sonst bekanntes Motiv, berichtet; vgl. Lampros, Βραχέα χρονικά, 51; D. C. Waugh, »Tekst o nebesnom znamenii 1672 g.«, in: Problemy izucˇenija kul’turnogo nasledija, Moskau 1985, 201–208. Zum Kontext der russischen Rezeption vgl. W. F. Ryan, The Bathhouse at Midnight. An Historical Survey of Magic and Divination in Russia, University Park 1999, 399–403. 91 Vgl. V. Cândea, »Les intellectuels du Sud-Est Européen au XVIIe siècle«, RESEE 8 (1970), 181– 230, 623–668, hier 221–223; A. Timotin, »La littérature eschatologique byzantine et postbyzantine dans les manuscrits roumains«, RESEE 40 (2002), 151–166, hier 156, 165. Zeugnis davon gibt unter anderem die kontroverse Deutung eines zweiköpfigen Hasen in zwei kurzen Stellungnahmen für den Fürsten S¸erban Cantacuzino von Ioannis Karyofyllis und Ieremias Kakavelas im Jahr 1688. Karyofyllis plädierte für ein behutsames Lavieren des Hasen (= Walachei) zwischen den zwei Köpfen, dem Osmanischen Reich und dem Habsburger Reich. Kakavelas verwarf diese Deutung: Der Hase bezeichne (σημαδεύει) nicht die Walachei, sondern das Reich der Türken. Nach dem Feldzug gegen Wien sei es ängstlich und feige wie ein Hase und habe zwei Köpfe, gemeint sind die Gegensultane Mehmed und Süleyman. Der Hospodar brauche sich vor dem Hasen nicht mehr zu fürchten, er solle sich mit den anderen christlichen Herrschern vereinigen und ihn zerfetzen, vgl. Hurmuzaki, Documente, Bd. 13, 204–208. Zu Kakavelas’ Ansichten vgl. A. Camariano-Cioran, »Jéremie Cacavela et ses relations avec les principautés roumaines«, RESEE 3 (1965), 165–190. 92 Vgl. seinen Brief an Chrysanthos Notaras (November 1712): Hurmuzaki, Documente, Bd. 14/ 3, 101f. 93 R. Acxtelmeier, Das Muscowittische Prognosticon oder Der Glorwürdige Czaar Peter Alexowiz. Von der gewachsenen Russischen Macht, von dem Tyrann Iwan Wasilowiz, biß unter höchsterwehnte Czaarische Majestät, deren umständige Kriegs-Anstalten ihr das Orientalische Reich und dero Patriarchen Sitz Constantinopel versprechen, Augsburg 1698; vgl. P. Minzloff, Pierre le Grand dans la littérature etrangère, St. Petersburg 1872, 19. Zu Axtelmeier vgl. W. Harms, »Axtelmeier, Stanislaus Reinhard«, in: Killy-Literaturlexikon, Bd. 1, Berlin u. a. 20082, 273. 94 Die Aktualität und die politische Motivation der griechischen Übersetzung sind evident; im September 1698 war Kastriotis gerade zum zweiten Mal von Brâncoveanu nach Moskau zwecks Geheimabsprachen mit der russischen Regierung gesandt worden. Die Frage des Übersetzers kann jedoch nicht definitiv beantwortet werden. Für Komninos sprechen seine Interessen (siehe unten zu seinem eigenen Prognosticon 1699) und die Tatsache, dass der
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trologe, als »ein curioser Mann« in Zedlers Universal-Lexicon eingegangen,95 der Typ des barocken Polyhistors schlechthin, publizierte im selben Jahr 1698 gleich drei politische Prognostica, die den bevorstehenden Untergang des Osmanischen Reiches aufgrund von astrologischen, kabbalistischen, aber auch militärischgeopolitischen Überlegungen voraussagten.96 Sein Muscowittisches Prognosticon ordnet sich einerseits in diese Spätphase der Türkenschriftenproduktion sowie der politischen Astrologie, andererseits aber in die westeuropäische Russlandliteratur ein, und zwar als einer der frühesten Texte, die ein positives oder optimistisches Bild von »der Politik und Regierung in Moscowien« nachzeichnen.97 Peter wird nicht nur als künftiger Bezwinger der »Ottomanischen Pforte« porträtiert, sondern auch als begabter Herrscher. In einer Vorwegnahme der späteren Rezeption seiner Reformen wird er bei Axtelmeier voraussichtlich »das Russische Land und Sittenwesen ganz umkehren, daß wer von diesem wird darinnen gewesen seyn und nachdeme wiederum hinkommen in demselbigen sich nicht mehr wird verwissen« – ein Bruch, der in der Übersetzung von Komninos bewusst heruntergespielt wird.98 Es sind diese Abweichungen und Modifikationen, die den besonderen Wert der Übersetzung ausmachen. Angefangen schon beim Titel des Werks, wo der
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Wiener Cod. Vind. Suppl. Graec. 79 weitere Werke von ihm enthält. Michail Vyzantios ist nicht der Übersetzer, nur der Kopist der Wiener Handschrift gewesen. Er kopierte sie in Bukarest im Mai 1699 für den Würdenträger (comis) Panagiotis, während die Übersetzung am 18. November 1699 in Tirgovis¸te gefertigt worden war: Vind. Suppl. Graec. 79, f. 17v (Titelblatt) und f. 110v (im Kolophon), siehe H. Hunger, Katalog der griechischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek, Teil 4: Supplementum Graecum, Wien 1994, 133–135. Zu Komninos vgl. D. G. Pantos, Ιωάννης Κομνηνός (Ιερόθεος Δρύστρας), 1657–1719. Ο βίος, το συγγραφικό έργο και η εκκλησιαστική και πολιτική του δράση [Ioannis Komninos (Ierotheos von Drystra) 1657–1719. Sein Leben, sein schriftstellerisches Werk und sein kirchliches und politisches Wirken], Athen 2014; Karathanasis, Οι Έλληνες λόγιοι στη Βλαχία, 186– 195 (zu Panagiotis, 50f.); P. Cernovodeanu, O. Cicanci, »Contribution à la connaissance de la biographie et de l’œuvre de Jean (Hierothée) Comnène (1668–1719)«, BS 18 (1977), 143–186. Überliefert ist die Übersetzung außer in der Wiener Handschrift (Vind. Supp. Graec. Nr. 79) auch in ΜΠΤ 320 (ohne das Titelblatt, aber sonst vollständig) sowie in Iviron 172 und 173, die eine von Komninos revidierte Fassung enthalten, vgl. D. E. Solti, »Ein deutsches Prognostikon über die Rückeroberung Konstantinopels und seine griechische Übersetzung«, Mediterranean Chronicle 6 (2016), 119–127. J. H. Zedler, Nothwendige Supplemente zum Grossen Vollständigen Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 2, Leipzig 1751, Sp. 1090f. S. R. Axtelmeier, Ottomanisches Prognosticon…worinnen handgreiflich der Untergang des Türckischen Reichs wird, wann die Alliierten nur dazu wollen…, Augsburg 1698; ders., Prognosticon aus der Politischen Cabala und dem Staats-Firmament…, Augsburg 1698. Vgl. D. Groh, Rußland im Blick Europas. 300 Jahre historische Perspektiven, Frankfurt a.M. 1988, 54. Acxtelmeier, Das Muscowittische Prognosticon, 43. In der Übersetzung heißt es: »θέλει μεταφέρει εις το καλλιώτερον το βασίλειον των Ρουσών και όλα τα ήθη τους, οπού πλέον εκείνα τα πρώτα να λείψουν και να το καταστήση περίδοξον και ζηλωτόν εις όλα τα πέρατα της οικουμένης«, Vind. Suppl. Graec. Nr. 79, f. 69v.
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»Czarischen Majestät« Peters das Attribut »orthodox« angeheftet wird, ist die Tendenz unübersehbar, aus Acxtelmeiers Prognostik die vertrauten Muster der christlichen Heilsgeschichte herauszulesen oder eben darin hineinzuschreiben. Nicht seine »umständigen Kriegs-Anstalten«, sondern allein der Herr verspreche Peter schon im Titel des Werks das »Orientalische Reich«.99 An mehreren Stellen versieht Komninos Axtelmeiers Prognosen mit Zusätzen von »Gottes Willen« oder »Gottes Hilfe«, durch die etwa die Eroberung von Azov zustande gekommen sei.100 Als es um die Eroberung von 1453 geht, wird die Klage bei Komninos ausschweifender, doch lässt er den Hinweis auf die Kombination der Namen Konstantin und Helena aus, aus welchem Grund auch immer. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, gibt er die »Christen als rechtmässige Erben« Konstantinopels nach dem Sieg gegen die Türken mit »die Orthodoxen« wieder.101 Die eigentlichen Prognostica, denen das Interesse der Leserschaft und des Übersetzers in erster Linie galt, hängt Axtelmeier seinen Überlegungen als eine Art Appendix an. Er selbst misst ihnen geringen Wert bei, er »achte sie wenig«, solange sie »ihren Grund nicht im Gestirn haben«. Sein selbstironisches Zugeständnis, er zitiere sie trotzdem, »damit doch dieses Werck auch in der That mit dem Nahmen etwas übereinkomme« (S. 74–75 = K1v–K2), wird von Komninos, kein Wunder, übergangen. Auch die kritischen Vorbemerkungen des Autors werden in der Übersetzung entweder abgemildert oder ganz ausgelassen. Dagegen leitet Komninos die Wiedergabe der Prophezeiungen mit dem sinnumkehrenden Satz ein: »dies ist aber sicher und wahr.«102 Als erstes Prognosticon, »welches auf Muscou deutet und die Türcken nicht wenig förchten«, zitiert Acxtelmeier die bekannte Prophezeiung vom roten Apfel als russische und türkische Überlieferung, in der dahingehend veränderten Variante, dass »einer mit dem rothen Apfel das Ottomanische Reich zerstören und dessen Thron besitzen werde«. Da Moskau den roten Apfel in seinem Wappen führe (gemeint ist wohl der Reichsapfel der Zaren) und da das Verderben der Türken ihrem festen Glauben nach aus dem Norden kommen werde, könnten sich ihre »Furcht und Muthmaßung […], Muscou werde der jenige seyn, welcher dero Regierung den Haltz brechen« werde, tatsächlich bewahrheiten. 99 Vind. Suppl. Graec. Nr. 79, f. 17. 100 Vind. Supp. Graec. Nr. 79, f. 39v und f. 64v, vgl. S. 21 und S. 39f. im Original. Peter selbst, heißt es in einer bezeichnenden Passage der Einleitung, der höchste Kaiser (»άκρος βασιλεύς«, dagegen bloß »Großfürst« im Original) berge in seiner Seele glühenden Eifer und unermessliche Sehnsucht (»ζήλον θερμότατον και πόθον άμετρον«), um mit Gottes Hilfe (beides Zusätze in der Übersetzung) das Orientalische Reich (»το Ανατολικόν βασίλειον των Αγαρηνών« in der Übersetzung) zu unterwerfen, jeweils f. 18v und S. 3. 101 Vind. Suppl. Graec. Nr. 79, f. 79v–80, vgl. S. 51 im Original. Aus der »Zeit zu solcher Eroberung« wird bei Komninos die »Stunde der Erlösung« (»η ώρα της απολυτρώσεως«). 102 »…τούτο όμως είναι βέβαιον και αληθινόν«, Vind. Suppl. Graec. Nr. 79, f. 104.
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Es folgt das Prognosticon vom »blonden Volk«, zitiert als türkische Weissagung.103 Tatsächlich entspricht der Titel »Von den gelb härigen oder weisen Söhnen« dem islamischen Beniasfer-Motiv, während die weiter im Text angeführte Bezeichnung figlioli biondi die italienische Vermittlung aufzeigt.104 Zur Erfüllung der Prophezeiung seien in der Tat »zimliche Anzeigungen vorhanden«, die Acxtelmeier systematisch erörtert: Da die Hauptgegner der Osmanen, »der Römische König, der König in Pohlen, der Muscowittische Czaar und persianische Sophi, alle vier junge Monarchen sind: so werden auch die meisten unter ihnen gelbe Söhne seyn«. Wenn man ferner bedenke, dass der »endliche Ruin« der Osmanen vom Norden kommen solle, und zwar durch »die künfftige Muscowittische See-Macht, vereiniget mit den grossen Heerlagern zu Land und der starcken Pohlnischen Zurüstung«, so sei »des Ottomanischen Reichs gänzlicher Untergang unschwer zu muthmassen« (S. 75f.). Nach einem Prognosticon aus Leonclavius und der »falschen Prophezeiung« Mohammeds über die tausendjährige Dauer seiner Religion105 kommt Acxtelmeier auf die ihm eher zusagenden astrologischen Prognosen, »gestellt durch wohl-erfahrne Astrologen«, zu sprechen. In dem Maße, in dem die Eroberungen der »Türcken« (d. h. Araber und Osmanen) durch günstige Konstellationen ermöglicht wurden, soll die jetzige »Conjunction« gemäß Axtelmeiers Wunschdenken ihren Untergang herbeiführen: »In diesem Trigoro wird die Conjunction biß gegen 1900 verbleiben, in welcher Zeit die Türcken verhoffentlich wenig Reliquien von sich werden nachgelassen haben.«106 Komninos fand offenbar dermaßen Gefallen an dieser positiv argumentierenden Prognostik, an Axtelmeiers »mathematischem Beweißthum«, dass er im darauffolgenden Jahr ein eigenes astrologisches Traktat verfasste und dem 103 Die Vorlage Acxtelmeiers war womöglich Praetorius’ Turci-Cida (1664), wo auf f. Bv die Prophezeiung zitiert wird (»figliuoli biondi, das ist die gelben oder weissen Söhne, oder wie es in ihrer Sprache, als mir berichtet worden, eigentlich lauten sol, die mit gelbigten oder weissen Haaren aus Norden kommende Söhne«), einschließlich der Phrase vom »endlichen Ruin« des Osmanischen Reichs und des Hinweises auf Leonclavius. 104 Komninos überträgt den Titel in die vertraute Fassung: »Vom blonden Volk und den sogenannten blonden Söhnen« (»Περί του ξανθού γένους και των καλουμένων ξανθών παιδίων«). Die figlioli biondi werden als »ξανθὰ παλικάρια« wiedergegeben, Vind. Supp. Graec. Nr. 79, f. 104v. 105 Mohammed wird als falscher Prophet (sowie »Ertzzauberer, Bößwicht, Gotteslästerer und Betrieger«) entlarvt, da die Prophezeiung sich nicht erfüllt habe. Das beharrliche Vertrauen der Türken wird vom Astrologen Acxtelmeier als »Aberglauben« gebrandmarkt: »man muß sie mit Gewalt zur Erkänntnis der Wahrheit treiben …«, Axtelmeier, Das Muscowittische Prognosticon, 76f. Mohammeds vermeintliche Prophezeiung war schon im 16. Jahrhundert in den Turcica verbreitet (z. B. in Sansovinos Lettera, 3v, und in Jordans Propheceyung, B3v), vgl. Poumarède, Pour en finir avec la Croisade, 143. Sie wird auch im Chrismologion von Ligaridis erwähnt: BPJ, Cod. 160, f. 132, 242v. 106 Acxtelmeier, Das Muscowittische Prognosticon, 78f.
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Stolnik Constantin Cantacuzino widmete. Prognostiziert werden darin anlässlich einer Sonnenfinsternis am 13. September 1699 ähnlich wie bei Acxtelmeier unter anderem der Aufstieg eines Reichs und der Untergang eines anderen. Die Gestirne, so Komninos’ geschichtstheologische Kompromisslösung, seien nicht die Ursache der Veränderungen. Gott stattdessen habe in seiner unendlichen Güte verfügt, dass seine Schöpfungen den Menschen gewisse Vorzeichen zukünftiger Ereignisse offenbaren. Dem Menschen habe er die Fähigkeit zu deren Entschlüsselung und zur Prognose geschenkt.107 Für sein Geschichtsverständnis ist es bezeichnend, dass sich Komninos nicht an Axtelmeiers »undisputierlicher« Deutung der osmanischen Eroberung stört, die dieser als göttliche Strafe und Zügel für den Hochmut der Griechen gedeutet hatte. Sie entsprach ja trotz des impliziten, konfessionell bedingten Vorwurfs dem eigenen soteriologischen Verständnis. Schließlich konnte er Axtelmeier zustimmen, dass Gott ohnehin seine Geißel nach deren Nutzung ins Feuer werfe.108 Aus Peters Herrschaftszeit noch anzuführen ist die Erwähnung des Epitaphium Constantini in Sofronios Leichoudis’ Klagelied der Ostkirche, verfasst vermutlich kurz vor dem Pruthfeldzug 1711, wo es zwar als Kern und Grundlage des Gedichts fungiert, jedoch ohne konkrete oder gar korrekte Zitate aus dem Text des Orakels selbst.109 Die von Scholarios entzifferte Prophezeiung auf dem Grab Konstantins des Großen, das hier in der Hagia Sophia statt der Apostelkirche situiert wird, weise auf Peter als den Prädestinierten (predopredellenyj) hin. Diese Deutung wird nicht weiter begründet, abgesehen von der Erwähnung des russischen Volks, anscheinend als Interpretation der Inschrift (muzˇestven i doblestven est’ predopredellenyj / ot rossijska roda uvencˇan i ustremlennyj). Peter werde nicht nur in Konstantinopel den kaiserlichen Thron antreten, sondern im Stile des Friedenskaisers in Jerusalem herrschen und eine Universalmonarchie (do onaga kraja ot edina) begründen.110 Um über den konventionellen Gebrauch der Orakel durch kirchliche Gelehrte hinaus ihrer tatsächlichen Verbreitung und ihrer Wirkung nachzuspüren, ist man auf andere, indirekte Indikatoren angewiesen. Über die Netzwerke der reisenden 107 Vgl. C. Dima-Dra˘gan, M. Caratas¸u, »Un manuscrit grec inédit de Jean Comnène«, RESEE 9 (1971), 107–120 ; vgl. hierzu Landwehr, Geburt der Gegenwart, 307. 108 Vind. Supp. Graec. Nr. 79, f. 109–110; Acxtelmeier, Das Muscowittische Prognosticon, 80. 109 Vgl. Ramazanova, »Socˇinenie Lichudov«. 110 Einer russischen Übersetzung des Epitaphium Constantini aus dem Jahre 1702 (dort mit der Variante rusyj rod) hängt der anonyme Übersetzer den Wunsch an, Peter I. möge die Prophezeiung erfüllen, vgl. Miklas, »Der Nazarether Metropolit Gabriel«, 143f.; Belokurov, Arsenij Suchanov, Bd. 2, lxxiv. Vom »rossijksij rod« und seiner ihm von Gott auferlegten Mission (als in den Prophezeiungen von Methodios v. Patara und Leo dem Weisen vorausgesagt) spricht auch Ignatij Rimskij-Korsakov in seiner panegyrischen Rede anlässlich des Krimfeldzuges 1687. Er verweist dabei explizit auf die Autorität der Brüder Leichoudis, vgl. Bogdanov, Pamjatniki, 21, 31, 168f. (nr. 15).
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Kaufleute und Almosenbettler wurden in den osmanischen Provinzen neben Geldern, Pelzen, Ikonen und liturgischen Geräten nicht zuletzt auch Nachrichten und Erzählungen, Gerüchte und Legenden übertragen und verbreitet. Eine Bittschrift der Bruderschaft des Klosters der Heiligen Väter in Ioannina an Peter I. vom 4. August 1700 etwa verrät die unterschwellige Wirkungskraft der Vorstellungen vom »blonden Volk« und ihre Einprägung auf das Russlandbild weiterer Kreise. In der ansonsten festen Titulatur des Zaren »von ganz Groß-, Klein- und Weißrussland« wird hier aus dem »Weißen Russland« fast unmerklich das »Blonde Russland«.111 Entsprechende Nachrichten aus den Berichten der griechischen Informanten Moskaus, insbesondere der Verweis auf osmanische Untergangsorakel, ob authentisch oder fingiert, wurden bereits erwähnt. Nicht zufällig stellte Letzterer ein beliebtes Argument, einen Topos der christlichen antiosmanischen Literatur dar, bestätigte doch die Übereinstimmung der christlichen und der islamischen Überlieferung die Glaubwürdigkeit der Voraussagen. Der tatsächliche Austausch, die Kommunikation und die Modalitäten des gegenseitigen Transfers von apokalyptischem Gedankengut sind in letzter Zeit in den Fokus der Forschung zur Transkulturalität und zur Geschichte der Verflechtungen (entanglements) gerückt.112 Einen Eindruck von solchen Prozessen gibt etwa der in seiner Ausführlichkeit einzigartige Bericht des Metropoliten von Ioannina Kallinikos in einem Brief an den Zaren im Mai 1650. Er ist nicht ohne Weiteres als erdichtet abzutun. Kallinikos erzählt von einem Bankett osmanischer Lokalhonorationer um einen aus Istanbul angereisten Würdenträger in der Region von Ioannina (nahe dem Dorf Strouni, heute Amfithea), wo unter anderem von der militärischen Schlagkraft der verschiedenen Fürsten, insbesondere des Moskauer Zaren, die Rede war. Orthodoxe Mönche, die eintrafen, um den Würdenträgern ihre Ehrerbietung zu erweisen, und wohl anschließend dem Metropoliten vom Gespräch erzählten, wurden zu Moskaus Potential, der Anzahl seiner Krieger und Pferde befragt. Dabei kam ein zum Islam konvertierter ehemalige Christ, Vertrauter eines gewissen Demir Pascha, auf die Orakel zu sprechen: Es stehe geschrieben, dass der Zar von Moskau Konstantinopel einnehmen wird und die Griechen wieder herrschen werden.113 Einige Tage später beschlossen die verunsicherten Honoratiorer, die Meinung eines ehrwürdigen Ulemas, namens Lezi, einzuholen, der seinerseits die pessimistischen Orakel bestätigte. Auf die Frage, ob sie denn auch in christlichen Schriften enthalten seien, schlug Lezi vor, den 111 »Θεοσεβέστατε, θεόστεπτε, κραταιότατε, αήττητε, θεοφρούρητε, ελέῳ Θεού μέγα αυθέντα και βασιλεύ ΠΕΤΡΕ αλεξιοβίτζη, και μέγα κνέζη πάσης Μικράς τε και Ξανθής Ρωσίας καὶ αυτοκράτωρ Μοσχοβίας και μονάρχα Κιωβίας…«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 705. 112 Green-Mercado, »Speaking the End Times«. 113 Zur entscheidenden Rolle der Konvertiten für den Austausch von apokalyptischem Gedankengut im Osmanischen Reich vgl. Krstic´, Contested Conversions to Islam, 75–97.
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Abt des benachbarten Klosters der Hl. Kosmas und Damianos zu beordern. Diesem wurde tatsächlich befohlen, das Buch des Chronographen aus seiner Klosterkirche zu holen und das Orakel (das Epitaphium Constantini im Appendix) vorzulesen. Lezi selbst erklärte daraufhin, alles sei nun klar und von Gott beschlossen: Das russische Volk werde bald, aus dem Norden kommend, Konstantinopel erobern. Der Wut der Würdenträger auf die beiden Geistlichen konnte Lezi selbst entkommen, der Abt aber musste die Zerstörung seiner Klosterkirche hinnehmen, da er sie zuvor, wie sich herausstellte, ohne die nötige Erlaubnis hatte restaurieren lassen.114 Reiseberichte westeuropäischer Diplomaten und Gelehrter im Osmanischen Reich lassen sich ebenfalls hierfür heranziehen.115 Den Hinweis auf die gemeinsame Konfession und die daraus resultierende Hingabe der Griechen gegenüber dem Moskauer Großfürsten hatten schon im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts venezianische Würdenträger in ihren Relazioni geliefert.116 In einem anderen Zusammenhang stehen Zeugnisse aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, die dieses bereits bekannte Bild mit dem Verweis auf die Orakel ergänzen.117 Sir Paul Rycaut, Sekretär der englischen Botschaft in Konstantinopel (1661–67) und anschließend Konsul in Smyrna (1667–1678), Vertreter einer nüchternen und bemerkenswert toleranten Sichtweise auf die orthodoxe Kirche, nutzte seine auf Augenzeugenschaft beruhende Erfahrung zu einer Reihe von bahnbrechenden und nachhaltig einflussreichen Werken über den osmanischen Staat und die Orthodoxie. In seiner History of the Present State of the Ottoman Empire (1666) notierte er die Orientierung der Griechen am Moskauer Zaren als dem eigenen Kaiser und Schutzherrn und ihre auf Prophezeiungen gestützten Hoffnungen: »The Greeks have also an inclination to the Muscovite beyond any other Christian Prince, as being of their Rites and Religion, terming him their Emperor and Protector, from whom according to the ancient prophecies and modern predictions, they expect delivery and freedom to their Church.«118 Thomas Smith, 114 Vgl. Kapterev, Charakter, 340–343. 115 Zur Problematik der Quellengruppe vgl. S. Faroqhi, Approaching Ottoman History. An Introduction to the Sources, Cambridge 1999, 140–142; I. Vingopoulou, »Οι περιηγητές και ο ελληνικός ορθόδοξος κόσμος (15ος–19ος αιώνας)« [Die Reisenden und die griechische orthodoxe Welt (15.–19. Jahrhundert], in: K. Lappas u. a. (Hg.), Μνήμη Πηνελόπης Στάθη. Μελέτες ιστορίας και φιλολογίας [Zum Andenken an Pinelopi Stathi. Historische und philologische Studien], Herakleion 2010, 317–335. 116 Vgl. Maltezou, »Les Grecs devant Moscou«, 70; siehe Kap. II.2. 117 Die meisten davon zusammengetragen bei: Vakalopoulos, Ιστορία, Bd. 4, 68f.; R. Clogg, »The Byzantine Legacy in the Modern Greek World: The Megali Idea«, in: ders., Anatolica: Studies in the Greek East in the 18th and 19th Centuries, Nr. V (Variorum Reprints), Aldershot 1996, 258f. 118 P. Rycaut, The History of the Present State of the Ottoman Empire, London 1682, 176. Ähnlich auch in seinem späteren Werk zur griechischen Kirche: The Present State of the Greek and Armenian Churches, London 1679, 83: »The Greeks on the other side have an esteem and
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Rycauts Kollege als Geistlicher der englischen Botschaft (1668–1671),119 erfuhr vom Motiv des »blonden Volks« anscheinend in der islamischen Variante der Beniasfer. Die Autorität und Verbreitung der Prophezeiung erfasse aber, so Smith, die ganze Bevölkerung und ihre Interpretation sei strittig: »A certain Prophecy, of no small Authority, runs in the minds of all the People, and has gained great credit and belief among them, that their Empire shall be ruined by a Northern Nation, which has white and yellowish Hair. The Interpretation is as various, as their Fancy. Some fix this Character on the Moscovites; and the poor Greeks flatter themselves with foolish hopes, that they are to be their Deliverers, and to rescue them from their Slavery, chiefly because they are of their Communion. […] Others look upon the Sweeds, as the persons described in the prophecy, whom they are most to fear […] their continued successes confirmed the Turks in their first Belief and their Fears…«.120
George Guillet, der sich wahrscheinlich auf Informationen von kapuzinischen Missionaren stützte, beschreibt in einem Brief seines fiktiven Bruders, Sieur de la Guilletiere, die Reaktion der Griechen von Monemvasia auf die Nachricht vom Fall Candias (1669) und ihre Hoffnung auf das Auftreten eines griechischen Fürsten in der Tradition des Friedenskaisers. Der Moskauer Zar, den sie »mit einer unvorstellbaren Zärtlichkeit lieben«, werde ihm zu Hilfe eilen.121 Bei Jacob affection for the Muscovites, as for those whom Ancient Prophecies mention to be designed by God, for their Avengers and Deliverers in after-Ages.« Zu Rycaut vgl. C. Heywood, »Sir Paul Rycaut, A Seventeenth-Century Observer of the Ottoman State: Notes for a Study«, in: ders., Writing Ottoman History. Documents and Interpretation, Nr. IV (Variorum Reprints), Ashgate 2002; N. Giakovaki, Ευρώπη μέσω Ελλάδας. Μία καμπή στην ευρωπαϊκή αυτοσυνείδηση, 17ος–18ος αιώνας [Europa via Griechenland. Eine Wende im europäischen Selbstbewußtsein, 17.–18. Jahrhundert], Athen 2006, 318–326. 119 Vgl. Ch. Miller, »Educating the English: Dr. Thomas Smith and the Study of Orthodoxy in the Seventeenth Century«, in: P. M. Doll (Hg.), Anglicanism and Orthodoxy. 300 Years after the ›Greek College‹ in Oxford, Oxford u. a. 2006, 113–132. 120 Zitiert nach John Ray, A Collection of Curious Travels & Voyages in Two Tomes, Bd. 2, London 1693, 80f. Dass die Türken die Verkörperung der Beniasfer durch die Schweden fürchten, hatte schon der schwedische Botschafter Claes Rålamb berichtet: »They have a particular suspicion against the Swedish nation, it being writ in their prophecies, that their empire shall be destroyed by a northern nation.«, Rålamb, »A relation of a Journey«, 682. Die osmanischen Befürchtungen seien durch die Ähnlichkeit von sfed und sfer verstärkt worden. Auf S. 701f. nennt er sie »caumies fer, i. e. yellow haired Sons«. 121 »Ils ont une secrette esperance qu’ils s’élevera un jour un Capitaine Grec, digne imitateur des Anciens, qui les delivrera de la tyrannie des Turcs ; & ils ne demandent pas mieux que de voir les affaires se disposer de bonne heur à cette revolution. Ils s’attendent qu’elle sera facilitée par le secours du grand Czar, ou Duc de Moscovie, qui est de leur Religion, & qu’ils aiment avec une tendresse qui n’est pas imaginable«, Sieur de la Guilletiere, Lacedemone Ancienne et Nouvelle, Paris 1676, 580. Zum zeitgenössischen Streit um Guillets Verlässlichkeit vgl. O. Augustinos, French Odysseys. Greece in French Travel Literature from the Renaissance to the Romantic Era, Baltimore u. a. 1994, 109–114; Giakovaki, Ευρώπη μέσω Ελλάδας, 267–269; G. Pfeiffer, Studien zur Frühphase des europäischen Philhellenismus (1453–1750), Erlangen 1969, 148–150.
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Spon, dem Begründer einer neuen Ära in Sachen europäischer Reisen nach Griechenland,122 werden die Prophezeiungen erstmals mit bestimmten Zeugen in Verbindung gebracht. Neben anderen Griechen berichtete Spon 1676 ein gewisser Manos Maneas, ein reicher und gebildeter Händler aus Arta/Epirus, vom »goldenen«, d. h. »blonden« Volk (chrysogenos), das gemäß einer Prophezeiung das Reich der Türken zerstören werde, was sich nur auf die blonden Moskowiter beziehen könne.123 Sukzessiv kommt neben der politischen Relevanz oder der Kuriosität solcher Nachrichten ein herablassender Unterton immer deutlicher zum Ausdruck. Die Unkenntnis und der Aberglaube der Orientalen, dem man sich inzwischen entwachsen fühlt, stellen den Kontext der Berichterstattung dar.124 Pitton de Tournefort, der namhafte Botaniker, hatte nur Mitleid, wenn nicht Verachtung übrig für den greisen orthodoxen Priester, bei dem er im Sommer 1700 auf Kreta, im Dorf Vrysses Unterkunft fand. In seiner »erbärmlichen Ignoranz« hielt dieser nämlich die Inschriften, welche die Reisenden in die Ruinen einzugravieren pflegten, für antike Prophezeiungen. In gebrochenem Italienisch versuchte er, seine Gäste davon zu überzeugen, dass sie den Zaren von Moskau als Bezwinger des Osmanischen Reiches und Befreier der Griechen voraussagten.125»Les Grecs 122 Vgl. Augustinos, French Odysseys, 99–109; Giakovaki, Ευρώπη μέσω Ελλάδας, 234f., 240f.; Pfeiffer, Studien, 150–153. 123 »De tous les Princes de la Chrêtienté, il n’y en a point que le Turc craigne tant que le Grand Czar de Moscovie, car il plut mettre de grande arme sur pied, & entrer aisément dans les terres du Grand Seigneur ; mais se qui luy donneroit l’avantage sur tous les autres, c’est qu’il n’y a aucun Monarque de la Religion Grecque que luy, & sans doute que les Grecs & qu’ils se declareroient en sa faveur, quand ils le verroient entrer dans la Turquie avec une puissante armée. Aussi aye oui dire à quelques Grecs, entr’autres au sieur Manno Mannea marchand de la ville d’Arta, homme d’esprit & d’étude pour le pays, qu’il avoit une Prophetie parmi eux, qui portoit que l’Empire des Turcs devoit être détruit par une Nation Chrysogenos, c’est-à-dire blonde, ce qui ne plut s’attribuer qu’aux Moscovites qui sont presque tous blonds.«, J. Spon, Voyage d’Italie, de Dalmatie, de Grèce, et du Levant, fait aux années 1675 & 1676, Bd. 1, Lyon 1678, 355f. Zu Maneas vgl. außerdem Bd. 1, 138f. Spon selbst schätzte die osmanische Herrschaft als ungefährdet und stabil ein (Bd. 2, 120). 124 So etwa bei J. de Dumont, Voyages en France, en Italie, en Allemagne, a Malthe, et en Turquie, Den Haag 1694, Bd. 2, 155: »Il n’y a pas de peuples plus superstitieux que les Orientaux, ils ont toûjours quelque prophétie sur laquelle ils se consient & toûjours ils se troubent trompez.«; vgl. Chatzipanagioti-Sangmeister, Graecia mendax, 236–240. 125 »J’ai oublié de dire que nous avions logé a Brices, chez un vieux Papas, fort zélé pour son rite, & d’une ignorance pitoyable. Il voulut nous persuader en mauvais langage italien, qu’il y avoit une ancienne prophétie écrite sur les murailles du labyrinthe, laquelle marqoit que le Czar de Moscovie devoit bien-test se rendre maître del’Empire Othoman, & delivrer les Grecs de l’esclavage des Turcs […] ces bonnes gens prennent pour les prophéties les caractères dont les étrangers barbouillent les murailles de ce lieux«, J. Pitton de Tournefort, Relation d’un voyage du Levant, Paris 1717, 71. Zu Tournefort vgl. Augustinos, French Odysseys, 70–75; Giakovaki, Ευρώπη μέσω Ελλάδας, 351–354; Pfeiffer, Studien, 157; Vingopoulou, »Οι περιηγητές«, 325–328.
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se flattent que le grand Duc de Moscovie les tivera quelque jours de la misere ou ils sont, & qu’il détruira l’empire des Turcs«,126 was Tournefort weder für wahrscheinlich noch für wünschenswert hielt, war doch den Moskowitern und ihren Lehrmeistern vom Berg Athos seines Erachtens der primitive Geist gemeinsam.127 Für die Jesuiten Thessalonikis dagegen stellten 1714 die unbegründete – »on ne sait sur quel fondement« – Hoffnung der Griechen, der Zar würde sie eines Tages von der türkischen Herrschaft befreien, sowie allgemein ihre prorussischen Sympathien in erster Linie ein Hindernis für ihre Missionsarbeit dar.128 Meletios Typaldos, der unierte Metropolit von Philadelphia (mit Sitz in Venedig), warnte 1699 in einem Brief an einen nicht namentlich bekannten venezianischen Würdenträger, der Glaube der Griechen daran, dass das blonde Volk der Moskowiter und ihr Kaiser, der einzig orthodoxe Monarch, sie dereinst befreien würden, könnte zu ernsthaften Poblemen in der Orientpolitik der Serenissima führen. Von der Unauslöschlichkeit und Realität dieses Glaubens könne sich überzeugen, wer einmal ein Gespräch mit einem Griechen geführt habe.129 In der Einstellung und Haltung der Zeugen besteht letztlich der wesentliche Unterschied zu ähnlichen Nachrichten anderer europäischer Reisender aus derselben Zeit. Géraud Poumarède zitiert eine Reihe von in nahöstlichen Provinzen tätigen französischen Diplomaten und Missionaren, die von populären armenischen sowie maronitischen Prophezeiungen berichten. Die etwa auf die armenischen Heiligen Gregor den Erleuchter und Narses zurückgehenden Weissagungen deuten, so heißt es in den Berichten, auf die Franzosen und insbesondere auf Louis XIV. als Erlöser hin. Man könnte an unseren Beispielen die Identität der Motive und ihre Funktion oder auch die Wechselwirkung zwischen den westlichen und östlichen Traditionen bemerken. Vergleichbar ist auch die Bedeutung der Klientelverhältnisse zwischen den christlichen Mächten, ihren Vertretern vor Ort und den orientalischen Christen, zumal in Beispielen, wo Letztere selbst zur Feder greifen, wie etwa der armenische Patriarch Gregor oder der chaldäische Patriarch Joseph, die sich mit ihren Weissagungen an Louis XIV. als den neuen Konstantin wandten. Plausibel ist ferner die Warnung davor, die enthusiastischen Berichte der Missionare ad litteram zu lesen und damit wo-
126 Tournefort, Relation, 98. 127 »… mais outre qu’il n’y a point d’apparence à ce changement, ils ne deviendroient pas plus habiles en changeant de maître. Les Moscovites eux-mêmes ne sont instruits que par les moines de Monte Santo, qui ne méritent pas le nom de Théologiens« Tournefort, Relation, 98. 128 L. Aimé-Martin, Lettres édifiantes et curieuses concernant l’Asie, l’Afrique et l’Amerique, Paris 1838, 89, 91. 129 Vgl. A. O. Jastrebov, »Chodatajstvo Petra I. za pravoslavnych Venecii kak cˇast’ rossijskoj vnesˇnej politiki«, Vestnik PSTGU 68/1 (2016), 123–140, hier 131, Anm. 35.
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möglich ihr Wunschdenken als präzise Wiedergabe der vorgefundenen Realitäten zu missverstehen.130 Nur sind die Zeugen in unseren Beispielen selbst keine Russen, sondern Engländer und Franzosen, die nicht unbedingt wohlwollend von den Orakeln berichten, diese nicht selbst kultivieren, geschweige denn, dass sie sich mit deren Werken dem Moskauer Zaren empfehlen möchten. Umso markanter erscheint der Kontrast zum Bericht des altgläubigen russischen Pilgers Ivan Luk’janov, der sich 1701/02 auf seinem Weg zu den Heiligen Stätten in der Dependance des Heiligen Grabes in Konstantinopel auf ein Streitgespräch mit griechischen Mönchen einließ. Als diese den russisch-osmanischen Friedensschluss (1700) beklagten und ihre Hoffnungen, ihre Gebete und auch die Orakel erwähnten, welche den Zaren als ihren Befreier voraussagten, entgegnete Ivan, die Griechen sollten nicht für den Zaren beten, sondern für den Sultan, denn dieser sei nun einmal ihr Herrscher. Im Übrigen habe Peter ihnen nicht versprochen, dass er sie befreit. Und was die Orakel angehe, so mögen diese geschrieben stehen, nicht aber der Name des Zaren, der Car’grad einnehmen werde. Luk’janovs Erzählton ist der eines für einen Altgläubigen bemerkenswert treuen Dieners des Zaren, der seine Sache richtig gemacht hat und seine frechen, aufdringlichen Gesprächspartner erfolgreich zurechtgewiesen hat.131 Mit dem Nachweis der Verbreitung der auf Russland und den Zaren bezogenen, auf sie gemünzten oder uminterpretierten Orakel unter der griechischen Bevölkerung in verschiedenen Regionen des Osmanischen Reiches bzw. die Verschmelzung dieser Vorstellungen mit den Russlandbildern an sich, stellt sich die Frage nach den Rezeptionsbedingungen, die diesen Trend erst ermöglichten. Weder etymologische Deduktionen noch die Unterstellung einer vermeintlichen russischen Propaganda unter den Balkanchristen, wie sie in der griechischen Historiographie in der Regel anachronistisch behauptet wurde,132 lassen sich als plausible Erklärungen anführen. Die Quellenlage legt, wie bereits gezeigt, ohnehin eher die umgekehrte Transferrichtung nahe. 130 Vgl. Poumarède, Pour en finir avec la Croisade, 129–134. Zu einer armenischen Prophezeiung adressiert an Peter I. siehe das Memorandum von Israel Ory in: Ezov, Snosˇenija Petra Velikogo, 73f. 131 »Putesˇestvie v’ svjatuju zemlju svjasˇcˇennika Luk’janova«, Russkij Archiv 1 (1863), 130–332, hier 202f.; vgl. Seemann, Die altrussische Wallfahrtsliteratur, 53–57; C. A. Panchenko, »Staroobrjadec v Levante: Osmanskij mir nacˇala XVIII v. v opisanii russkogo palomnika Ivana Luk’junova’«, in: ders., Pravoslavnye araby. Put’ cˇerez veka, Moskau 2013, 396–405. Vgl. die Äußerung der altgläubigen Leitfigur Avvakum im Konzil von 1667 bezüglich der östlichen Patriarchen: »Du – spreche ich – bist mein Zar, was aber haben sie mit dir zu tun? Ihren eignen Zaren – sage ich – haben sie verloren, und nun kommen sie hier angereist, um auch Dich noch zu verschlingen«., zitiert nach Plaggenborg, Pravda, 319. 132 Vgl. z. B. Vakalopoulos, Ιστορία, Bd. 3, 208f., Bd. 4, 68f.; Dimaras, »Οι χρησμοί«, 198.
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Vielmehr ist es die grundsätzliche Funktionalität der Orakelliteratur und Apokalyptik, die der messianischen Vorstellung vom »blonden Volk« zugrunde lag und ihr zum Durchbruch verhalf. Wenn die Voraussetzungen für die Wirksamkeit jeder Prophetie darin bestehen, dass sie einen allgemein vertrauten Deutungsrahmen und symbolischen Diskurs teilt, die Zeichen der Zeit entschlüsselt, auf Ereignisse reagiert und Antworten liefert, dann ist die Popularität des »blonden Volks« kaum überraschend.133 Sie beruhte auf den über die Barrieren der gelehrten und der populären Kultur, ja, über die Religionsgrenzen hinweg geteilten heilsgeschichtlichen Denkstrukturen und -mustern. Dass die Zukunft nicht offen, sondern vorbestimmt sei, stand ja fest. Im flexiblen und jedes Mal situativ aktivierten Narrativ von Sünde, Sühne, Reue und Erlösung schrieb sich die Orakelliteratur, die von der Aufhebung der osmanischen Herrschaft handelte, in die bestehenden Szenarien der diesseitigen Erlösung durch die Restauration des orthodoxen Reiches in Konstantinopel vor dem erwarteten Weltende ein.134 Darin einbegriffen war weniger ein subversives Potential, denn dasselbe Narrativ vermochte die osmanische Herrschaft zu rationalisieren und damit zu legitimieren. Lebenspraktische Folgen hatte die Orakelgläubigkeit an sich nicht, die eigene Rolle wurde ohnehin als passiv wahrgenommen. Vielmehr gab die gewiss tröstliche, aber vor allem sinnstiftende Gewissheit den Ausschlag, dass sich noch alles gemäß einem vorbestimmten, providentiellen Skript abrunden sollte. Der Aufstieg Russlands als eines dafür prädestinierten Werkzeugs Gottes – nicht anders, als es die Osmanen selbst in ihrer Rolle als flagellum Dei gewesen sein sollten – erschien daher nicht bloß als legitimiert, sondern als quasi vorprogrammiert. Erst dadurch konnte das konfessionspolitisch bedingte Misstrauen gegenüber den Orakeln seitens der Unionsgegner in der kirchlichen Hierarchie wie im Kirchenvolk überwunden werden. Gewiss wurde mitunter Kritik an der Orakelgläubigkeit auch nach diesem Umschwung (also etwa nach Matthaios’ von Myra Spottversen) seitens einzelner kirchlicher Gelehrter laut. Ausgerechnet Anastasios Gordios, der in seinen geschichtstheologischen Reflexionen bereit war, dem orthodoxen Russland eine herausgehobene Stellung im göttlichen Heilsplan zu gewähren, verwarf um 1722 die Orakel als gott- und 133 Dass die Orakeltexte gezielt eingesetzt und gelegentlich bewusst manipuliert wurden, muss nicht heißen, dass deren Autoren von der Wahrheit ihrer Botschaft nicht überzeugt waren, vgl. W. Brandes, F. Schmieder, »Einleitung«, in: dies., Endzeiten, v–vii; 134 Vgl. Kitromilides, Enlightenment and Revolution, 120f.; Sklavenitis, »Μονόφυλλο«, 59. Zur Orakelgläubigkeit als Teil des »funktionalen Mythos«, der die osmanische Herrschaft rationalisierte, vgl. Rotzokos, Εθναφύπνιση, 249–264. Die funktionale Dualität der messianischen Erlösungserwartungen (tröstend-kompensierend oder subversiv) hatte schon Pierre Bayle erkannt und als Beispiel die Griechen unter osmanischer Herrschaft angeführt, Bayle, Dictionnaire, 489.
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schriftwidrig: »Manche behaupten, dass dereinst ein anderes, neues christliches Reich kommen werde, nachdem das Reich der Türken vorbei sein wird. Und ich wundere mich, welches dieses Reich sein soll und aus welchem Zeugnis des Alten oder des Neuen Testaments sie den Beweis dafür erbringen. Es sei denn aus gewissen Orakeln, die unsicher und ungefestigt sind und sogar der Heiligen Schrift widersprechen.«135 Doch am ungebrochenen Trend des »blonden Volks« konnten Gegenstimmen, ob theologisch, politisch oder rationalistisch argumentierend, lange Zeit, so scheint es, kaum etwas bewirken. Dabei spielten nicht unbedingt konkrete Orakeltexte und Zitate, zumal auf mündlichen Kommunikationswegen, die entscheidende Rolle. Aus dem Epitaphium Constantini war sowieso nicht die Identifizierung des »blonden Volks« abzuleiten, sie musste eigentlich vorausgesetzt werden. Als später, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die Vision des Agathangelos nachträglich eine autoritative Grundlage für diese diffusen Vorstellungen lieferte, geschah dies weitgehend ungeachtet des tatsächlichen Textinhalts – das »blonde Volk« taucht eigentlich in keiner handschriftlichen oder gedruckten Fassung auf.136 Trotzdem war es die schriftliche Fixierung – oder der Glaube an diese – die den Orakeln einen nahezu kanonischen Status verlieh. »Es stehe doch geschrieben«, wie die Gesprächspartner von Ivan Luk’janov insistierten, »dass der Moskauer Zar uns befreien und Konstantinopel einnehmen wird« (da tak’ de pisano, cˇto moskovskomu carju svobodit’ nas’ a Car’-grad vzjat’)137. Die Ehrfurcht vor dem geschriebenen Wort und der Autorität seiner Interpreten rückte die Orakel in die Nähe der Heiligen Schrift. Bis zur folgerichtigen Einbettung der an den Orakeln festgemachten Erwartungen in die biblische Apokalyptik (Exegetik der Johannesoffenbarung) war es nun nicht mehr weit.138 135 Argyriou, »Anastasios Gordios«, 350. Chrysanthos Notaras notierte nach der Lektüre von Ligaridis’ Chrismologion am Ende der Handschrift, es handele sich »größtenteils um vergebliche und trügerische Mühe« (»ματαιοπονία ή ψευδοπονία ως επί το πλείστον«), BAR ms. gr. 386, f. 225. Zu den möglichen Gründen für Chrysanthos’ Abneigung vgl. Olar, »Prophecy and History«, 386. 136 Ein Umstand, der nicht nur die zeitgenössiche Rezeption bestimmte, sondern auch als Missverständnis in der Forschungsliteratur seit Konstantinos Sathas (Τουρκοκρατουμένη Ελλάς, 449) weiterhin existiert. 137 »Putesˇestvie Luk’janova«, 202. Zum kanonischen Status, den die Orakel im Volksglauben annahmen, sowie zu mnemotechnischen Faktoren, die die Rezeption begünstigten, vom Reim bis zu den Dekorationen und farbigen Drucken, vgl. Sklavenitis, »Μονόφυλλο«, 69; M. Hatzopoulos, »Oracular Prophecy and the Politics of toppling Ottoman Rule in South-East Europe«, The Historical Review/La Revue Historique 8 (2011), 95–114, hier 112–114; T. Stoianovich, »Prospective: Third and Fourth Levels of History«, in: ders., Between East and West. The Balkan and Mediterranean Worlds, New York 1995, Bd. 4, 93–113, hier 104f. 138 Schon der Patriarch von Alexandria Ioakeim hatte 1585 dem russischen Gesandten Blagij in Konstantinopel erzählt, der Moskauer Zar werde das Erbe Konstantins des Großen antreten und alle Reiche unterwerfen. Das sei in der Johannesoffenbarung prophezeit worden, vgl. Kapterev, Charakter, 350f.
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Von den peruanischen Inkas wird berichtet, dass in den eigenen Prophezeiungen die Eroberung ihres Reiches durch ein fremdes Volk vorausgesagt war. Man mag sich vorstellen, dass es sich ähnlich den spätbyzantinischen Orakeln hierbei entweder um kurzfristige, durch die ersten entsprechenden Nachrichten angeregte, pessimistische Vorahnungen oder um nachträgliche Rationalisierungen der spanischen Eroberung handelt. Die Prophezeiungen sind sowieso erst im 17. Jahrhundert dokumentiert worden. Doch schon in dieser Zeit wurden sie dahingehend umgedeutet, dass damit nicht Pizarros’ Conquista gemeint war, dass es also nicht um bereits erfüllte Prophezeiungen ging, sondern um Verheißungen der bevorstehenden Restauration des Inkareichs. Die messianische Rolle des fremden Volks, das den Inkas zum Sieg und zur Rache verhelfen sollte, wurde dem Rivalen Spaniens, Großbritannien, zugeschrieben. Antikoloniale Erhebungen wie jene von José Gabriel Condorcanqui, genannt Tupac-Amaru II., in den Jahren 1780/81 wurden wesentlich von solchen Vorstellungen getrieben.139 Die zeitgenössische Parallele dürfte den funktionalen Charakter der Legende vom »blonden Volk« deutlicher und anschaulicher demonstrieren als weitere Beispiele und Erörterungen.140
139 Vgl. U. Thiemer-Sachse, »Nachwort«, in: Garsilaso de la Vega, Wahrhaftige Kommentare zum Reich der Inka, dt. von W. Plackmeyer, Berlin 1986, 534f. Zur Verschmelzung von Vorstellungen der vorkolumbianischen Apokalyptik mit dem christlichen Messianismus vgl. A. Milhou, »Apocalypticism in Central and South American Colonialism«, in: St. J. Stein (Hg.), The Encyclopedia of Apocalypticism, Bd. 3: Apocalypticism in the Modern Period and the Contemporary Age, New York u. a. 2000, 3–35. 140 Vielleicht wäre der Archetyp dieser Vorstellung bei Deuterojesaja zu suchen. Die Deutung des persischen Königs Kyrus als Instrument Gottes zur Befreiung Israels aus der babylonischen Gefangenschaft (Jes 44f.) könnte man als gemeinsame kulturelle Ressource der drei monotheistischen Religionen ansehen. Naheliegender als das Beispiel der Inkas wäre gewiss jenes der iberischen Moriscos, der zwangskonvertierten Muslime Andalusiens, die im 16. Jahrhundert anhand stark endzeitlich geprägter Prophezeiungen eine Revanche und Restauration des maurischen Reiches in Spanien mithilfe des osmanischen Sultans als Rächers und messianischern Erlösers erwarteten, vgl. Green-Mercado, »The Mahdi in Valencia«; dies., »Morisco Prophecies«; P. Dressendörfer, Islam unter der Inquisition. Die Morisco-Prozesse in Toledo 1575–1610, Wiesbaden 1971, 149–152; T. Krstic´, »The Elusive Intermediaries: Moriscos in Ottoman and Western European Diplomatic Sources from Constantinople, 1560–1630s«, JEMH 19 (2015), 129–151, hier 146, Anm. 58.
4.
Das »veränderte Russland«
Peter der Große und seine historische Leistung stellen einen der »mächtigsten Mythen« der russischen Geschichte dar.1 Die »petrinische Revolution« gilt als historische Zäsur schlechthin.2 Dabei ist sie alles andere als ein von der Nachwelt konstruiertes Trugbild. Fragt man nach den Wahrnehmungen der Zeitgenossen, nach den Zeiterfahrungen der geschichtlichen Akteure in ihrem Spannungsverhältnis von Erfahrungsraum und Erwartungshorizont,3 so herrscht der Eindruck eines radikalen und unumkehrbaren Wandels vor. Er lieferte die Stichworte für Selbst- und Fremdbeschreibungen der aufstrebenden russischen Monarchie im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts. In den Worten des hannoveranischen Gesandten Friedrich Christian Weber, der die Erfahrungen aus seiner Dienstzeit am Zarenhof (1714–1718) im Veränderten Rußland, eine der einflussreichsten Bestandsaufnahmen der Reformen für ein europäisches Publikum, niederschrieb, waren »solche große Neuerungen und die darauf gewendete Zeit so gering, daß ein jeder, der dieselbe mit Augen gesehen, darüber erstaunen muß«. Nicht allein in Webers Urteil war es unbestreitbar, »daß Rußland seit einigen zwanzig Jahren gantz verwandelt und verändert sey«.4 1717 betonte der Vizekanzler Petr Sˇafirov in seinem auf Russisch und Deutsch gedruckten Rai1 Vgl. N. V. Riasanovsky, The Image of Peter the Great in Russian History and Thought, New York u. a. 1985, vii. 2 Vgl. J. Cracraft, The Petrine Revolution in Russian Culture, Cambridge Mass. u. a. 2004. »The problem of periodization – the demarcation of historical turning points and cohesive areas – is inescapable in Russian history because of Peter the Great himself.«, N. S. Kollmann, »Comment: Divides and Ends – The Problem of Periodization«, SR 69 (2010), 439–447, hier 439. 3 Vgl. Koselleck, »›Erfahrungsraum‹ und ›Erwartungshorizont‹«; Raphael, »Jenseits von Strukturwandel«, 112. Zur Bedeutung der Wahrnehmung von Wandel durch die historischen Subjekte, die das Potential für Veränderung mitbedingt vgl. M. Pohlig, »Wandel und seine Repräsentation«, in: J. Baberowski (Hg.), Arbeit an der Geschichte. Wie viel Theorie braucht die Geschichtswissenschaft?, Frankfurt a.M. u. a. 2009, 37–61. 4 [Fr. Chr. Weber], Das Veränderte Rußland, Frankfurt a.M. 1721, Vorbericht. 1739 und 1740 wurde das Werk durch je einen 2. und 3. Band ergänzt; vgl. E. Matthes, Das veränderte Rußland. Studien zum deutschen Rußlandverständnis im 18. Jahrhundert zwischen 1725 und 1762, Frankfurt a.M. 1981, 127–184.
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sonnement zur Legitimation des Kriegs gegen Schweden, Peter habe »aus Rußland eine rechte metamorphosin oder Verwandlung gemacht«5. Noch drastischer äußerte sich Peters Kanzler Gavriil Golovkin aus Anlass des Friedensschlusses von Nystad und der Verleihung des Imperatortitels an den Zaren am 20. Oktober 1721: Peter habe die Russen »aus der Finsternis des Unwissens auf das Theater des Ruhmes der ganzen Welt«, ja, »aus dem Nichtsein in das Sein befördert und der Gesellschaft der gesitteten Völker angeschlossen«6. Peter der Große als Demiurg (bezeichnend die Anspielung auf die Genesis im Golovkin-Zitat),7 als Bildhauer Pygmalion, der aus einer unförmigen Steinmasse die neue Rossija-Galateia erschaffen hat8 – dieses offizielle Bild hat sich in der Folge, nicht zuletzt durch die Auseinandersetzung zwischen »Westlern« und »Slavophilen« in der Mitte des 19. Jahrhunderts, ins russische kulturelle Gedächtnis tief eingeprägt. Gleiches gilt indes auch für sein Negativ, Peter als dämonische Gestalt und sein Werk als verhängnisvoller Irrweg, als nicht wiedergutzumachende Katastrophe. Zweifel an der Zäsurqualität von Peters Herrschaftszeit haben die Historiker bereits im 19. Jahrhundert angemeldet. Spätestens seit Kliucˇevskij und Platonov gehört die diesbezügliche Skepsis zur einschlägigen historiographischen Diskussion.9 Trotzdem hat sie das maßgebliche Bild Peters nicht nur in der Allgemeinen Geschichte, sondern auch in der Russistik nur bedingt beeinflusst. Demnach hat Peter den »Eintritt Rußlands in die Neuzeit«10 überhaupt ermöglicht, indem er nach dem Vorbild der europäischen Monarchien seiner Zeit und unter dem Druck des Großen Nordischen Kriegs eine programmatische, rücksichtslose Umgestaltung des russischen Staates und seiner Insti5 Wittram, Peter I., Bd. 2, 297. 6 »Iz t’my nevedenija na teatr slavy vsego sveta, i tako resˇcˇi, iz nebytija v bytie proizvedeny, i vo obsˇcˇestvo politicˇnych narodov prisovokupleny.«, zitiert nach M. Schulze-Wessel, »Systembegriff und Europapolitik der russischen Diplomatie im 18. Jahrhundert«, HZ 266 (1998), 649– 669, hier 656. Die offiziöse deutsche Übersetzung gebrauchte den Begriff »policirte Völker«, die Europäische Fama »gesittete«, vgl. Wittram, Peter I., Bd. 2, 463, 607. 7 Entnommen dem Eucharistiegebet des Johannes Chrysostomos (sowie 2 Makk 7,28); vgl. J. Oswalt, »Forschungstendenzen«, in: HGR, Bd. 2.1, Stuttgart 1986, 224–229, hier 225. Fontenelle hat in seiner Rede vor der Académie des sciences in Paris am 14. November 1725, als Peter postum als Mitglied »hors de tout rang« aufgenommen wurde, Russlands »changement général« als Schöpfungsakt des Zaren gewürdigt: »[I]l s’agissoit de créer une Nation nouvelle, &, ce qui tient encore de la Création, il falloit agir seul, sans secours, sans instruments.«, Histoire de l’Académie Royale des Sciences. Année MDCCXXV, Paris 1727, 105–128, hier 112. 8 Das Relief am Sockel des bronzenen Standbildes Peters von C. B. Rastrelli (1723), vgl. Hughes, Age of Peter, Bild 1 nach S. 290. 9 Vgl. Riasanovsky, The Image, 152–215; Cracraft, The Petrine Revolution, 1–12; M. Raeff (Hg.), Peter the Great. Reformer or Revolutionary?, Boston 1963; Oswalt, »Forschungstendenzen«; E. A. Zitser, »Post-Soviet Peter. New Histories of the Late Muscovite and the Early Imperial Russian Court«, Kritika 6 (2005), 375–392; D. K. Burlaka (Hg.), Petr Velikij. Pro et Contra. Licˇnost i dejanija Petra I v ocenke russkich myslitelej i issledovatelej, St. Petersburg 2003. 10 Vgl. R. Wittram, Peter der Große. Der Eintritt Rußlands in die Neuzeit, Berlin u. a. 1954.
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tutionen vorangetrieben hat, um das rückständige Land auf die Höhe der Zeit zu bringen. Damit vollzog sich der Übergang vom Moskauer Zartum zum Petersburger Imperium als gewaltiger Modernisierungsschub, der einer »kulturellen Revolution« von oben gleichkam. In den Worten des Doyens der gegenwärtigen Peter-Forschung, James Cracraft: »His many reforms were such as to constitute a cultural revolution. The essence of that revolution was a rapid and sweeping Europeanization of Russian ways of making and doing things, and of thinking and talking about them. And Europeanization, in that day and age, was equivalent to modernization.«11 Dass dennoch die Revision allzu pointiert am Bruch orientierter Deutungen in der gegenwärtigen Diskussion den Ton angibt, ist nicht weiter überraschend. Dies nicht nur, weil konventionelle Periodisierungen anhand von historischen Wendepunkten allgemeinhin längst an Plausibilität verloren haben12 oder weil das Misstrauen gegenüber Deutungskategorien wie Modernisierung, Säkularisierung, Europäisierung oder gar Verwestlichung und deren teleologischen Implikationen in den Geisteswissenschaften gewachsen ist. Auch die Erforschung des »vorpetrinischen« Zeitalters hat, losgelöst vom übermächtigen Schatten des Reformzaren, dazu beigetragen, Kontinuitäten und langfristige Verschiebungen in den Blick zu bekommen.13 Vereinfachend formuliert, lässt sich eine zweifache Kritik an der Vorstellung einer »petrinischen Revolution« festmachen: Entweder werden die Leistungen von Peters Vorgängern auf dem Zarenthron aufgewertet, somit der »Durchbruch der Neuzeit« um einige Jahrzehnte zurückdatiert auf das
11 J. Cracraft, The Revolution of Peter the Great, Cambridge Mass. u. a. 2003, 158; vgl. ders., The Petrine Revolution, 12–24. Auch Jonathan Israel spricht von einer bewussten »revolution of practice based on a revolution of the mind«, J. Israel, Enlightenment Contested. Philosophy, Modernity and the Emancipation of Man 1670–1725, Oxford 2006, 299f. Zum Gebrauch des Begriffs »Revolution« im frühneuzeitlichen Kontext vgl. R. Koselleck, »Revolution«, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5, hg. von W. Conze, Stuttgart 1984, 653–788, hier 714–725; C. H. Whittaker, »The Reforming Tsar: The Redefinition of Autocratic Duty in EighteenthCentury Russia«, SR 51 (1992), 77–98, hier 83; J. Kusber, »Beschleunigung, Bruch und Dauer. Die Veränderung der Zeiten im Russland Peters I.«, in: A. Landwehr (Hg.), Frühe Neue Zeiten. Zeitwissen zwischen Reformation und Revolution, Bielefeld 2012, 179–187, hier 183. Simon Dixon konstatiert: »Most obviously we can point to evidence that Peter the Great and his acolytes were themselves self-conscious modernisers, even though ›modernization‹ was not the word they used.«, Dixon, Modernization, 5. 12 Vgl. Niklas Luhmann: »[D]ie Zäsur, und mit ihr die Neuheitsqualität ist so gut wie immer übertrieben.«, N. Luhmann, »Das Problem der Epochenbildung und die Evolutionstheorie«, in: H.-U. Gumbrecht, U. Link-Heer (Hg.), Epochenschwellen und Epochenstrukturen im Diskurs der Literatur- und Sprachtheorie, Frankfurt a.M. 1985, 11–33, hier 25f.; vgl. J. Osterhammel, »Über die Periodisierung der neueren Geschichte«, in: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Berichte und Abhandlungen, Bd. 10, Berlin 2006, 45–64. 13 Vgl. E. Levin, »Muscovy and Its Mythologies. Pre-Petrine Histories in the Past Decade«, Kritika 12 (2011), 773–788.
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Jahr 1676, 1667 oder 1645.14 Peter kommt damit eher das Verdienst zu, eine sich schon im Gange befindende Bewegung beschleunigt zu haben.15 Oder man geht von einer viel kohärenteren Kontinuität aus, die ein Plädoyer für eine einheitliche, am europäischen Standard orientierte frühneuzeitliche Epoche der russischen Geschichte von 1500 bis 1800 ohne jegliches »Petrine Divide« plausibel erscheinen lässt.16 Oder um es mit D. C. Waugh zu formulieren: »To emphasize modernization under Peter may be a greater distortion of reality than the reverse.«17 Insbesondere was die Säkularisierung des russischen Geisteslebens und der Selbstdarstellung der russischen Monarchie betrifft, scheint Einsicht in die Revisionsbedürftigkeit älterer Deutungen zu bestehen.18 Aspekte einer Entsakralisierung der Herrschaftsrepräsentation gingen etwa paradoxerweise mit der Forcierung des christusähnlichen Zarenbildes einher. Präziser wäre es daher, von Verschiebungen innerhalb einer nach wie vor religiös bestimmten Kultur zu sprechen, was deren Bedeutung nicht mindert. An die Stelle der Beschwörung seiner Orthodoxie trat die Stilisierung des Zaren als »christlicher Kaiser«, als einer der »christlichen Potentaten«. Sie korrespondierte mit dem Bestreben, in die zeitgenössische, inzwischen überkonfessionelle, europäische Staatenwelt 14 Vgl. H.-J. Torke, »Der Durchbruch der Neuzeit unter Fedor und Sof ’ja (1676–1689)«, in: HGR, Bd. 2.1, Stuttgart 1986, 152–182; St. Troebst, »Schwellenjahr 1667? Zur Debatte über den ›Durchbruch der Neuzeit‹ im Moskauer Staat«, Berliner Jahrbuch für Osteuropäische Geschichte 1995/2, 151–171; Bushkovitch, »Change and Culture«; N. S. Kollmann, »A Deeper Early Modern. A Response to Paul Bushkovitch«, ebenda, 317–329; V. M. Zhivov, »Religioznaja reforma i individual’noe nacˇalo v russkoj literature XVII veka«, in: ders., Razyskanija v oblasti istorii i predystorii russkoj kul’tury, Moskau 2002, 319–343. 15 »It is perhaps better to think of Peter speeding up a vehicle that was already moving swiftly, not starting with a slow-moving cart.«, Bushkovitch, »Change and Culture«, 303; vgl. ders., »Peter and the Seventeenth Century«, in: J. Kotilaine, M. Poe (Hg.), Modernizing Muscovy. Reform and Social Change in seventeenth-century Russia, London u. a. 2004, 447–461; J. Kotilaine, M. Poe, »Introduction. Modernization in the Early Modern Context: The Case of Muscovy«, ebenda, 1–7, hier 1; Hösch, Geschichte Rußlands, 141; Dukes, Absolutism, 65, 109; Longworth, Alexis, 247–250. 16 Vgl. R. E. Martin, »The Petrine Divide and the Periodization of Early Modern History«, SR 69 (2010), 410–425; D. Ostrowski, »The End of Muscovy: the Case for circa 1800«, ebenda, 426– 438; N. S. Kollmann, »Frugal Empire: Sources of Russian State Power«,in: P. Bushkovitch (Hg.), The State in Early Modern Russia: New Directions, Bloomington IN 2019, 335–347, hier 338f; vgl. die ältere Stellungnahme von D. S. Likhachev, »The Petrine Reforms and the Development of Russian Culture«, CASS 13 (1979), 230–234. 17 D. C. Waugh, »We have never been Modern: Approaches to the Study of Russia in the Age of Peter the Great«, JGO 49 (2001), 321–345, hier 326. 18 Vgl. Dixon, Modernization, 180, 193f.; Hughes, Age of Peter, 292f.; Israel, Enlightenment Contested, 303–309; J. Oswalt, »Die inneren Reformen 1700–1725«, in: HGR, Bd. 2.1, Stuttgart 1986, 296–349, hier 345; Monod, Power of Kings, 284–314; A. Brewer, »Herrschaftslegitimation, Herrschaftsberatung und Vorstellungen von ›gerechter Herrschaft‹ unter Peter I.«, in: N. Plotnikov (Hg.), Gerechtigkeit in Russland. Sprachen, Konzepte, Praktiken, München 2019, 254–286.
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»der christlichen und zivilisierten Nationen« eingegliedert zu werden.19 Analog dazu war die Schwerpunktverlagerung von der superstitionsverdächtigen Frömmigkeit auf die Verinnerlichung der christlichen Gebote gleichermaßen mit dem Einfluss protestantischer, insbesondere pietistischer Vorbilder, mit Peters persönlichem Moralismus20 und mit überkommenen Reformprojekten innerhalb der russischen Kirche (prosvesˇcˇenie)21 verbunden. Abstriche sind, bei aller Faszination, auch in Sachen zeitgenössischer Resonanz der petrinischen Reformen in Europa zu machen. Es mag stimmen, dass in den tonangebenden Wahrnehmungen Peter allein durch seine Tatkraft das bis dahin »asiatische« und »barbarische« Russland in eine europäische Macht verwandelt hat.22 Anzumerken wäre aber zum einen, dass zumindest das Zeitungswesen – im Gegensatz zur schwerfälligen, Stereotype perpetuierenden Buchproduktion – rechtzeitig den Wandel im Moskowien der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts registriert hatte. Der deutschsprachige Leser etwa »lernte bereits ein ›verändertes Rußland‹ kennen. Ihm mußte sich das Wirken Peters nicht als Bruch, sondern als bewußte und forcierte Fortführung einer längst eingeleiteten Entwicklung darstellen.«23 Zum anderen muss bedacht werden, dass die enthusiastische Stilisierung Peters als Heroe und Titan vor dem Hintergrund der anhaltenden Karikierung der Russen als wildes, barbarisches Volk stattfand – »eine dunkle Folie für die helle Gestalt des Herrschers«24. 19 Vgl. Piirimäe, »Russia, the Turks and Europe«, 66, 69; M. Cherniavsky, Tsar and People. Studies in Russian Myths, New Haven u. a. 1961, 92f; Groh, Rußland im Blick Europas, 37; Hennings, Russia and Courtly Europe, 27f. 20 Vgl. Cracraft, The Revolution of Peter the Great, 25f.; R. Wittram, »Peters des Großen Verhältnis zur Religion und den Kirchen. Glaube, Vernunft, Leidenschaft«, HZ 173 (1952), 261– 296; L. R. Lewitter, »Peter the Great’s Attitude towards Religion: From Traditional Piety to Rational Theology«, in: R. P. Bartlett u. a. (Hg.), Russia and the World of the Eighteenth Century, Columbus Ohio 1988, 62–77. 21 Vgl. Ostrowski, »The End of Muscovy«, 434–436. 22 Zu diesen Stereotypen vgl. G. Scheidegger, Perverses Abendland – barbarisches Russland. Begegnungen des 16. und 17. Jahrhunderts im Schatten kultureller Missverständnisse, Zürich 1993; E. Klug, »Das asiatische Russland. Über die Entstehung eines europäischen Vorurteils«, HZ 245 (1987), 265–289; M. Poe, ›A People Born to Slavery‹: Russia in Early Modern European Ethnography 1476–1748, Ithaca New York 2000; A. G. Cross, Russia under Western Eyes, 1517– 1825, London 1971; ders., Peter the Great through British Eyes: Perceptions and Representations of the Tsar since 1698, Cambridge 2000; F.-D. Liechtenhan, »Le Russe ennemi héréditaire de la chrétienté? La diffusion de l’image de la Moscovie en Europe occidentale aux XVIe et XVIIe siècles«, Revue Historique 285/577 (1991), 77–103. 23 M. Welke, »Rußland in der deutschen Publizistik des 17. Jahrhunderts (1613–1689)«, FOG 23 (1976), 105–276, hier 252; vgl. ders., »Deutsche Zeitungsberichte über den Moskauer Staat im 17. Jahrhundert«, in: M. Keller (Hg.), Russen und Rußland aus deutscher Sicht. 9.–17. Jahrhundert, [West-östliche Spiegelungen, Reihe A, Bd. 1], München 1985, 264–286. 24 Cl. Scharf, »Aufklärung ›von oben‹: Das Russische Reich«, in: W. Hardtwig (Hg.), Die Aufklärung und ihre Weltwirkung, [Geschichte und Gesellschaft, Bh. 23], Göttingen 2010, 169– 202, hier 171; vgl. E. Matthes, »Das veränderte Rußland und die unveränderten Züge des
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Auf einem anderen Blatt steht, dass sich ebenjene Faszination für die Figur Peters und sein Reformwerk mit den Kategorien der Frühaufklärung oder des Rationalismus nur bedingt erfassen lässt. Die philosophes des 18. Jahrhunderts haben in Peter einen aufgeklärten Monarchen gesehen und ihn zum Vorbild für den – viel später erst so bezeichneten – ›aufgeklärten Absolutismus‹ erkoren.25 Peter selbst hat gewiss als erster Zar seine Person vom Staat unterschieden und als höchstes herrscherliches Leitprinzip das Gemeinwohl festgelegt. Er ließ seine Herrschaft naturrechtlich legitimieren und sprach gelegentlich vom »Licht der Vernunft« (svet razuma),26 zu dem die Russen zu gelangen beabsichtigen. Doch wie auch immer man diese Bezüge in ihrem Kontext verstehen und interpretieren wird – und darauf wird zurückzukommen sein –, damit sind Motivation, Legitimation und Wahrnehmung seines Reformprojektes nicht erschöpfend beschrieben. Peters Russland diente bereits seit der »großen Ambassade«, seiner Europareise von 1697/98, interessierten europäischen Gelehrtenkreisen als Projektionsfläche für unterschiedliche Visionen. Das Erwartungsspektrum reichte von der millenaristischen Beschwörung einer kosmischen Verwandlung in Russland unter seinem messianischen Herrscher in den Begriffen der hermetisch-alchemistischen Naturphilosophie – eine Vorstellung, die am Selbstverständnis des Zaren und seiner Umgebung nicht spurlos vorüberging –,27 bis zu Leibniz’ sendungsbewusstem »General-Projekt«: Durch die Hand des aufgeschlossenen und wissbegierigen Zaren seien die »wahren Studien« ins riesige Russische Reich zu »transplantieren«, da dieses »noch tabula Rasa ist.« »[A]ls ein neuer Topf, so noch nicht fremden Geschmack in den Studien angenommen, […] werden viele bey uns eingeschlichene fehler verhütet und verbessert werden kön-
Russenbildes«, in: M. Keller (Hg.), Russen und Rußland aus deutscher Sicht. 18. Jahrhundert: Aufklärung, [West-östliche Spiegelungen, Reihe A, Bd. 2], München 1987, 109–135; Blome, Das deutsche Rußlandbild, 361; S. A. Mezin, »Petr I kak civilizator Rossii: Dva vzgljada«, in: S. Ja. Karp, S. A. Mezin (Hg.), Evropejskoe Prosvesˇcˇenie i civilizacija Rossii, Moskau 2004, 5–15; ders., »Stereotipy Rossii v evropejskoj obsˇcˇestvennoj mysli XVIII v.«, Voprosy Istorii 2002/10, 148–157; Hennings, Russia and Courtly Europe, 36–39. 25 Vgl. S. A. Mezin, Vzgljad iz Evropy: Francuzskie avtory XVIII veka o Petre I, Saratov 2003, URL: http://annuaire-fr.narod.ru/Mezin-book.html. [04. 05. 2017]; Groh, Rußland, 60–71; Israel, Enlightenment Contested, 296f.; K. Städtke, »Voltaire und Rousseau über Peter I. und Rußland: Anmerkungen zur Konzeptualisierung der neueren russischen Geschichte«, Zeitschrift für Slawistik 39 (1994), 383–392; C. Mervaud – M. Mervaud, »Le Pierre le Grand et la Russie de Voltaire: histoire ou mirage?«, in: S. Karp und L. Wolff (Hg.), Le Mirage russe au XVIIIe siècle, Ferney-Voltaire 2001, 11–35. Zum »Aufgeklärten Absolutismus« als Kategorie der russischen Geschichte vgl. E. Donnert, »Autokratie, Absolutismus und aufgeklärter Absolutismus in Russland. Das Zarenreich in vor- und frühmoderner Zeit«, in: H. Reinalter, H. Klueting (Hg.), Der aufgeklärte Absolutismus im europäischen Vergleich, Wien u. a. 2002, 181– 206. 26 Vgl. Wittram, »Peters des Großen Verhältnis«, 295. 27 Vgl. Collis, Petrine Instauration.
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nen, sonderlich weil alles durch das Haupt eines weisen Herrn gehet.«28 – das sprichwörtliche »Privileg der Rückständigkeit«.29 Leibniz, der Peter versicherte, er »gehe auff den Nuzen des gantzen menschlichen Geschlechts« und »halte den Himmel für das Vaterland und alle wohlgesinnten Menschen für dessen Mitbürger«,30 sah gleichzeitig im toleranten Zaren das Werkzeug, um die ersehnte Wiedervereinigung des Christentums zu verwirklichen. Noch 1669 hatte Leibniz – anlässlich der Kandidatur des Zaren Aleksej für den polnischen Thron – vom »Moschus […] alter Turca«31 gesprochen. Man kann darin ein weiteres sprechendes Indiz für den beeindruckenden Wandel der europäischen Russlandbilder innerhalb weniger Jahrzehnte erkennen. Das Zitat vermag aber auch den Blick auf das Verhältnis von Russen- und Türkenbildern sowie auf russisch-osmanische Parallelen lenken. Dieselben Diskurse, die im Verlauf des 18. Jahrhunderts den Anschluss Russlands ans zivilisierte Europa begleiteten, sorgten bekanntlich für die Brandmarkung des Osmanischen Reiches als Willkürherrschaft und dekadente orientalische Despotie.32 Im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts war beides allerdings noch nicht ausgemacht, was genauso mit dem kulturellen Wandel in beiden Großreichen wie damit zusammenhängt, dass sich jene Diskurse überhaupt noch im Werden befanden. Der »ganz Europa umfassende Konstellationswandel […], dessen entschlossene Ausnutzung Rußlands definitive Westwendung ermöglichte«,33 bildete den gemeinsamen Hintergrund für Peters Reformen und für die sogenannte »Tulpenzeit« (1718–1730), die Aufbruchphase der osmanischen Hochkultur nach dem Abschluss der langen Kriegsperiode. Inwieweit sich die beiden Phänomene vergleichen lassen, ist eher ein vielversprechendes Forschungsdesiderat, als dass es angesichts des jetzigen Forschungsstandes zu vorschnellen Urteilen verleiten
28 M. Keller, »Wegbereiter der Aufklärung: Gottfried Wilhelm Leibniz’ Wirken für Peter den Großen und sein Reich«, in: dies. (Hg.), Russen und Rußland aus deutscher Sicht. 9.– 17. Jahrhundert, [West-östliche Spiegelungen, Reihe A, Bd. 1], München 1985, 391–413, hier 402, Zitate aus der Denkschrift von Leibniz vom Dezember 1708; vgl. Groh, Rußland, 41–53; L. Richter, Leibniz und sein Rußlandbild, Berlin 1946, bes. 41–56; Roll, »Barbaren? Tabula rasa?«. 29 M. Hildermeier, »Das Privileg der Rückständigkeit. Anmerkungen zum Wandel einer Interpretationsfigur der Neueren Russischen Geschichte«, HZ 244 (1987), 557–603. 30 D. Tschizˇewskij, D. Groh (Hg.), Europa und Rußland. Texte zum Problem des westeuropäischen und russischen Selbstverständnisses, Darmstadt 1959, 16; vgl. G. van der Heuvel, »Geschichte als Erfahrungsraum und Erwartungshorizont bei Leibniz«, in: C. Dutt, R. Laube (Hg.), Zwischen Sprache und Geschichte. Zum Werk Reinhard Kosellecks, Göttingen 2013, 111– 127. 31 Groh, Rußland, 42. 32 Vgl. Osterhammel, Die Entzauberung Asiens, 46–51, 271–309; J.-P. Rubiés, »Oriental Despotism and European Orientalism: Botero to Montesquieu«, JEMH 9 (2005), 109–180; Giakovaki, Ευρώπη, 310–317. 33 Kl. Zernack, »Zum Epochencharakter der Peterzeit«, in: HGR, Bd. 2.1, Stuttgart 1986, 214f.
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sollte.34 Auf jeden Fall scheint das abrupte Ende der »Tulpenzeit« durch die Patrona Halil-Revolte 1730, eine Reaktion auf die kulturellen Veränderungen, die Russland erspart blieb, entscheidend gewirkt zu haben. Die Argumente des siebenbürgischen Konvertiten und Begründers des osmanischen Druckwesens Ibrahim Müteferrika, der 1732 dem Sultan die petrinischen Reformen nicht allein für das Militärwesen als nachahmenswertes Vorbild empfahl,35 fanden vorerst kaum Gehör. In den Augen seiner osmanischen Rivalen war der unkonventionelle und unberechenbare Zar eher ein Spinner (Deli Petro). Der Gesandte Mehmed Aga, der in Russland einer nach den neu eingeführten Vorschriften organisierten Militärparade beiwohnen durfte, hatte für derartige Maskeraden (Ҫarin maskaralıkları) nur Hohn übrig.36 Einen ähnlichen Hohn konnten sich von Peters Neuerungen irritierte griechische Kirchenmänner nicht leisten. Ihre Mahnungen und Unruhebekundungen lagen auf derselben Wellenlänge mit jenen der ›konservativen‹ innerrussischen Opposition. Kurz vor seinem Tod 1690 hatte der Moskauer Patriarch Ioakim in seinem Testament die Zaren darauf eingeschworen, den Kontakt der Orthodoxen zu Ketzern und Andersgläubigen zu unterbinden.37 Ähnlich äußerte sich dessen Nachfolger Adrian, der neu eingeführte, fremde Sitten verurteilte und sein Kirchenvolk vor der Freundschaft zu Lateinern, Lutheranern und Calvinisten warnte.38 Er war daher der geeignete Adressat für die Sorgen seines Amtskollegen Kallinikos II. von Konstantinopel, dessen Schreiben vom 1. August 1700 er nicht mehr empfangen sollte. Er starb am 16. Oktober 1700, der Zar zog es vor, den Patriarchenthron unbesetzt zu lassen. Kallinikos sandte aus Anlass des russisch-osmanischen Friedensschlusses und der Wiedergenehmigung offizieller Korrespondenz je einen Brief an den Zaren und den Patriarchen. Während er gegenüber Peter seine Begeisterung für »die hörenswerten Unternehmungen« (τα αξιάκουστα επιτηδεύματα) des Zaren kundtat,39 sprach er Adrian mit »brüderlichem Mut« (με θάρρος αδελφικόν) ins Gewissen. Das Christentum in Russland 34 Anregungen bei Finkel, Osman’s Dream, 344f., und besonders bei H. Küçük, Early Enlightenment in Istanbul, Diss. University of California, San Diego 2012. 35 Vgl. I. Müteferrika, Traité de tactique ou méthode artificielle pour l’ordonnance des troupes, Wien 1769, 216–220; vgl. die aufschlussreiche Gegenüberstellung von Müteferrikas Rat mit dem Mahnschreiben von Ivan Peresvetov, der seinerzeit dem Zaren Ivan IV. den Sultan als Vorbild empfohlen hatte (hier Kapitel I.3): G. Ágoston, »Military Transformation in the Ottoman Empire and Russia, 1500–1800«, Kritika 12 (2011), 281–319. 36 Vgl. I˙. Ortayli, »Reforms of Petrine Russia and the Ottoman Mind«, Journal of Turkish Studies 11 (1987), 45–48, hier 48. 37 Vgl. Wittram, Peter I., Bd. 1, 103; Hughes, Age of Peter, 13. Dabei ist das ältere Bild von Ioakim als obskurantistischem Reaktionär überzeugend widerlegt worden, vgl. Potter, The Russian Church, 282–345. 38 Vgl. S. Benson, »The Role of Western Political Thought in Petrine Russia«, CASS 8 (1974), 254–273, hier 257. 39 RGADA f. 52, op. 2, nr. 703, 1. August 1700.
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habe man stets für seine unbefleckte Reinheit gelobt. Jetzt aber bestehe Anlass zur Sorge. Die »Herausforderungen der Zeit« (τα καλέσματα του καιρού) öffneten zahlreichen ausländischen Häretikern und Andersgläubigen Tür und Tor. Es liege an Adrian »zu verordnen, dass die Christen die Häretiker meiden, mit ihnen nicht allzu viel verkehren und Freundschaften schließen. Denn die menschliche Natur lässt sich leicht täuschen und zum Abgrund hin verleiten.« Während nämlich die Häretiker vorgäben, ihnen »etwas Nützliches beizubringen, effektvolle Künste oder exakte Wissenschaften«, ähnelten sie in Wirklichkeit den Bienen, die »am Mund den Honig und am Sterz den Stachel tragen«.40 Es wäre angesichts unserer Kenntnisse vom Verhältnis zwischen Kallinikos und Dositheos durchaus vorstellbar, dass der Brief zumindest in Absprache mit dem Patriarchen von Jerusalem verfasst wurde. Auch weitere Zeugnisse von Verlegenheit und Besorgnis aufgrund von Nachrichten und Gerüchten aus Russland stammen entweder von Dositheos selbst oder aus seinem Umfeld. Bei Ivan Luk’janovs Gespräch mit anwesenden Mönchen in der Dependance des Hl. Grabes in Konstantinopel, Dositheos’ eigentlichem Sitz, wurde der russische Pilger mit drängenden Fragen konfrontiert: »Wieso hat euer Kaiser den fränkischen [lateinischen] Glauben und die fränkische Kleidung in Moskau eingeführt? Und warum hat er die Kaiserin [Evdokija] ins Kloster gesteckt?«41 Dositheos selbst nahm bekanntlich in der Ansprache des Zaren kein Blatt vor den Mund. Auf die Nachricht von dessen Europareise 1697/98 reagierte er bestürzt: »Wider jegliche Erwartung haben wir hier davon erfahren.« Nur Gott und die heilige Seele des Zaren mögen den Grund wissen.42 Im Juni 1702 warnte er Peter davor, seinen 40 »Όμως αδελφέ με θάρρος αδελφικον λέγω, να ηξεύρη η μακαριότης σου, ότι τον χριστιανισμόν, όπου ευρίσκεται εις αυτό το βασίλειον, άνωθεν και εξαρχής τον έχομεν επαινετόν και μακάριον, διατί εστάθη πάντα άδολος και καθαρός εις την ευσέβειαν από πάσης κηλίδος, και άμπωτε να δώση ο Θεός πάντα τοιούτος να είναι. Μονάχα μεσα εις την συνείδησίν μας πίπτει μία υποψία τώρα εν υστέροις, ότι παλαιόθεν οι ορθόδοξοι αυτοί χριστιανοί ήτον μαθημένοι χριστιανικά, καθώς εδιδάχθησαν με το να μην ανακατωθούν ποτέ με αιρετικούς και ετερόδοξους, και δεν άκουαν και δεν έβλεπαν και δεν εμάθαιναν ξένα και αλλότρια ήθη. Αμή τώρα τα καλέσματα του καιρού έκαμαν να διατρίψουν και άλλα έθνη εις τον τόπον, και να συναναστρέφονται και οι αιρετικοί με τους ορθοδόξους, και αυτό μας δίδει δειλίαν και υποψίαν […] όθεν αδελφέ κάμε να το εννοιασθής τούτο κατά πολλά και να παραγγείλης να μην παρασυναναστρέφονται οι χριστιανοί τους αιρετικούς, μήτε να έχουν πολλαίς φιλίαις, διοτι η φύσις η ανθρωπίνη πλανάται ογλήγορα και εις τον κρημνόν καταβαίνει εύκολα […] και καμώνοντας πως έχουν προθυμίαν να μάθουν τίποτα καλά, ωσάν τέχναις φανταζούμεναις και επιστήμαις ακριβαίς και ομιλούσι γλυκά και ιλαρά […] φαίνονται πως τους ευεργετούν αμή εις τον καιρόν τους κεντρώνουσι θανάσιμα, καθώς η μέλισσα έχει το μέλι εις το στόμα, αμή εις την ουράν εν κρυπτώ έχει το κεντρί και κεντρώνει. Το κέντημα των αιρετικών κάμνει πληγήν θανατηφόρον και απώλειαν της ψυχής. Μόνον όσον είναι δυνατόν να μην αφήνωμεν τους χριστιανούς να τους παρασυναναστρέφονται.«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 704, 1. August 1700. 41 »Dlja cˇego de vasˇ car’ veru nemeckuju na Moskve zavel i plat’e nemeckoe? I dlja cˇego de caricu postrig v monastir’?«, »Putesˇestvie v svjatuju zemlju«, 202. 42 RGADA f. 52, op. 1, 1698, nr. 21, f. 3v; Kapterev, Snosˇenija Dosifeja, Appendix nr. 3.
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Sohn, den Prinzen Aleksej Petrovicˇ, zu Ausbildungszwecken nach Wien zu schicken: »Gib Acht, göttlicher und allergrößter Herr, dass Du Deinen Sohn, Seine Durchlaucht, nicht aus Moskowien hinaus in fremde Länder reisen lässt, denn er wird dort nicht praktisches Wissen, sondern fremdartige Sitten (ήθη αλλότρια) lernen. Wahrhaftig hat der Apostel gesprochen: Schlechter Umgang verdirbt gute Sitten [1 Kor 15,33]. Von welchen Franken haben denn die seligen Väter und Vorfahren Deiner Heiligen Majestät und auch Deine von Gott gestützte Majestät selbst gelernt, beinahe die ganze Welt zu erobern, seid Ihr doch mächtig, groß, furchterregend und unbesiegbar? Und jene Franken mit all ihrer Erfahrung (εκείνοι οι Φράγγοι, οι πρακτικοί), was haben die denn erreicht, wo sie ständig miteinander streiten und kämpfen?«43
Im Vordergrund steht hier zwar die Sorge vor »heterodoxen« Einflüssen und besonders vor dem Vormarsch der Union ins bis dahin ungefährdet gewähnte Moskowien. Doch ist Dositheos’ Unbehagen wegen Peters eigensinnigem Verhalten nicht weniger mit seiner Einsicht zu erklären, dass sich der Zar nicht in der Rolle des »Hauptes aller Orthodoxen«, des Vorkämpfers einer konfessionell definierten Schicksalsgemeinschaft sieht und dass er sich kaum im Sinne der »politischen Orthodoxie« instrumentalisieren lassen würde. Peter war sich natürlich der Vorteile bewusst, die ihm die Rolle des Schutzherrn versprach. Das erfolglose Gesuch um Anerkennung eines russischen Protektorats über die orthodoxen Untertanen des Sultans im russisch-osmanischen Friedensvertrag von 1700 oder die Selbstdarstellung des Zaren in den Kriegsmanifesten an die Balkanchristen 1711 zeigen dies deutlich.44 Noch sprechender ist vielleicht das Beispiel der griechischen Gemeinde Venedigs, die sich 1710 mit Erfolg an den Zaren als Schutzherrn der Orthodoxie wandte. Der Nachfolger von Gerasimos Vlachos auf dem venezianischen Metropolitenstuhl von Philadelpheia, Meletios Typaldos (1685–1712), sorgte mit seinem Plan, die eigene Jurisdiktion über die neu unter venezianische Herrschaft geratenen Eparchien (Peloponnes) auszubreiten und dann zur Union mit der lateinischen Kirche hinzuführen, für langjährige Tumulte.45 Peter nahm die Gelegenheit wahr und schrieb den venezianischen Dogen an (7. Dezember 1710), um gegen Typaldos’ Vorgehen zu protestieren und eine Garantie der herkömmlichen Privilegien (prezˇnie privilegii) der »Glaubensbrüder unserer Ostkirche« (edinovernych s nami Vostocˇnoj Cerkvi) zu fordern, gleichzeitig aber, um günstige Handelsbe-
ˇ ast’3«, 377; vgl. Brückner, Peter der Große, 455f. 43 Jalamas, »Ierusalimskij patriarch. C 44 Vgl. Wittram, »Peters des Großen Verhältnis«, 282; H.-J. Härtel, Byzantinisches Erbe und Orthodoxie bei Feofan Prokopovicˇ, Würzburg 1970, 47–56. 45 Vgl. Tsakiris, Beichtbücher, 132–135, 188–190; Tr. Ε. Sklavenitis, »Σχόλιο στη ›δεύτερη έκδοση‹ της Εγκυκλοπαίδειας του Πατούσα (1710)« [Eine Bemerkung zur ›zweiten Ausgabe‹ der Enzyklopädie von Patousas (1710)], Μνήμων 7 (1978–79), 148–150.
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dingungen für venezianische Händler an der nun russischen Ostseeküste in Aussicht zu stellen.46 Außerdem konnte Peter nach dem Vorbild seiner Vorgänger an die Autorität des Patriarchen von Konstantinopel appellieren, um den russischen Klerus zu umgehen und diverse Anliegen sanktionieren zu lassen. Von Ieremias III. (1716– 1726, 1732/33) erbat er für sich selbst und seine Truppen die Erlaubnis, während der Fastenzeit Fleisch essen zu dürfen. Dies hatte er zwar schon lange verordnet, war aber zumindest von einem russischen Bischof, Dmitrij von Rostov, dafür gerügt worden.47 Ieremias erstellte, unter ausdrücklicher Berufung auf die kirchliche Oikonomia, die gewünschten Dispensationen für das »christusliebende Heer«, da dieses für den Kampf im Namen Christi und zum Nutzen aller orthodoxen Christen seine vollen Kräfte brauche, und für den Zaren persönlich, da er angeblich an Skorbut (!) litt und ärztlichen Rat befolgen musste.48 Ieremias’ Entgegenkommen wurde vom Zaren entlohnt, aber ihm übel gesonnene Metropoliten meldeten den Vorfall der Pforte und der Patriarch entging nur knapp der Hinrichtung durch den Pfahl.49 Später zeigte er sich dem Zaren gegenüber nicht weniger kooperativ bei der Frage nach dem Verzicht auf Wiedertaufe von zur Orthodoxie konvertierten Protestanten und gewiss auch bei der Anerkennung der Kirchenreform und der Heiligen Synode, die den Moskauer Patriarchen ersetzte.50 Zar Peter als »echter Sohn« oder als »Säule und Grundstein der Kirche«, wie ihn die Patriarchen ansprachen, als »der allgemeine Wohltäter«, »neuer Abra-
46 Vgl. Jastrebov, »Chodatajstvo«, 136–139. 47 Vgl. Lewitter, »Peter the Great’s Attitude«, 65f., 74, Anm. 21. 48 » […] επιτρέπει και συγχωρεί παντί τω ειρημένω φιλοχρίστω στρατώ της ευσεβεστάτης, γαληνοτάτης και κραταιοτάτης βασιλείας […] μη υπό της ασιτείας κεχαυνωμένοι και ηττηθέντες (ό μηδέποτε γένοιτο, Χριστέ βασιλεύ, τοις σοις δούλοις χριστιανοίς)…«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 721B, April 1716. »Επεί τοιγαρούν ο γαληνότατος, θεοσεβέστατος και μέγιστος εν Χριστώ αυτοκράτωρ […] ανέφερεν προς ημάς δι’ οικείας βασιλικής αναφοράς, ότι νόσω παλαιά δεινή και δυσιάτω, ήν σκορμπούτο ιατρών παίδες κατονομάζουσιν […] και μη συγχωρουμένη παρά των εισιόντων ιατρών μετασχείν των τυχόντων και κακοχύμων βρωμάτων, ταύτα μεν ως δύσπεπτα και βαρυστόμαχα φλεγμαίνουσι μεν τα πάθη και τας νόσους επιτείνουσι, αλγεινότατα και δυσαχθέστερα ταύτ’ απεργάζονται, και τελευταίον κίνδυνον απειλούσι τον έσχατον […] τρέχει προς το έλεος και την οικονομίαν της εκκλησιαστικής διοικήσεως, και ζητεί παρά της ημών μετριότητος, ίνα συγχωρήσωμεν τη αυτού μεγαλειότητι, όπως επ’ αδεία έχη καταλύειν και εσθίειν κρέατα εφ’ εξής, εν πάσαις ταις νηστείαις του ενιαυτού.«, ebenda, nr. 721v, April 1716. Zum Kontext der Ablassbriefe in der griechischen Orthodoxie vgl. N. A. Chrissidis, »Edification through the Memory of Sins. The Practical Uses of Eastern Orthodox Indulgences«, CASS 52 (2018), 181– 192. 49 Vgl. Komninos Ypsilantis, Τα μετά την Άλωσιν, 320f. 50 RGADA f. 52, op. 2, nr. 722B, August 1718; Wittram, »Peters des Großen Verhältnis«, 279, 285f.; ders., Peter I., Bd. 2, 177, 192f.
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ham, Moses und David«51 oder, nach Georgios Kastriotis, der »Feldmarschall der irdischen Kirche«, »Hirte und Statthalter des gesamten orthodoxen Systems«52 – diese vertrauten symbolischen Repräsentationen wurden gewiss auch weiterhin gepflegt, zumal in Bittschriften und Almosengesuchen. Und doch wäre es überstürzt, würde man von einem unbeweglichen, von den geschichtsmächtigen Veränderungen gänzlich unbeeinflussten Bild ausgehen. Auch in dermaßen von Konventionen bestimmten Texten wie den regelmäßigen Bittschriften der Mönchsgemeinden lassen sich Indizien eines wie auch immer zu definierenden Wandels aufspüren. Die Bruderschaft des ehrwürdigen Johannes-Klosters auf Patmos53 unterhielt lange und rege Beziehungen zu den russischen Zaren. Während sich ein Schreiben der Mönche an den Zaren vom April 1696 kaum von der gewohnten Bildsprache abhebt,54 greifen sie acht Jahre später, neben dem obligatorischen Tugendenkatalog samt Sonnengleichnis, manche bis dahin ungenutzten Reserven auf: Peter sei ein platonischer Philosophenkönig, der die antiken römischen Cäsaren an militärischer Glorie und politischer Klugheit übertreffe.55 51 »υιός γνήσιος και περιπόθητος της καθ’ ημάς του Χριστού αγίας, καθολικής και αποστολικής Εκκλησίας«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 721v, Ieremias III. von Konstantinopel an Peter, April 1716; »Σε τον χριστιανικώτατον και ευσπλαγχνικώτατον, αήττητον και σταυροφόρον αυτοκράτορα, ως κοινόν ευεργέτην, και πατέρα ετοιμώτατον, και ακαταγώνιστον χειραγωγόν, και τοις ευσεβέσι υπέρμαχον, της δε καθ’ όλου αγιωτάτης του Χριστού Εκκλησίας ακλόνητον στύλον και εδραίωμα […] άλλον Αβραάμ, άλλον θεόπτην Μωυσέα […] άλλον Δαυίδ, σε τον κοσμοπόθητον και σταυροφόρον άνακτα, τον ακράδαντον πύργον της ευσεβείας και τροπαιοφόρον καθαιρέτην της ασεβείας […]«, ebenda, nr. 722, Samuil von Alexandreia an Peter, 9. Mai 1717. Vgl. auch die Ausdrücke im Brief des Patriarchen von Alexandria Gerasimos an Peter (Januar 1692): Hurmuzaki, Documente, Bd. 14/3, 47–50. 52 »[…] άλλον δεν εχειροτόνησεν Αρχιστράτηγον ο Θεός της επιγείου του εκκλησίας, παρά σε τον κραταιότατον άνακτα […] Σε τον άκρον ζηλευτήν των πατρίων και αρχαίων Δογμάτων· Σε τον φυγαδευτήν των Αιρετικών, τον αφανιστήν των Σχισματικών τον προστάτην των Ορθοδόξων· Σε, τον οποίον ο Πατήρ των οικτιρμών και Θεός πάσης παρακλήσεως κατέστησε διοικητήν, ποιμένα και κυβερνήτην παντός του Ορθοδόξου συστήματος, ως τον φιλόθεον βασιλέα του Παλαιού Ισραήλ Δαβίδ.«, Widmung von Kastriotis im von ihm herausgegebenen Werk seines Lehrers Sevastos Kyminitis, Δογματική Διδασκαλία της Αγιωτάτης και Καθολικής Εκκλησίας [Dogmenlehre der Heiligsten und Katholischen Kirche], Bukarest 1703. 53 Vgl. M. G. Nystazopoulou-Pelekidou, »Τέσσερα άγνωστα ρωσικά έγγραφα υπέρ της εν Μήλω μονής της Θεοτόκου« [Vier unbekannte russische Dokumente zugunsten des TheotokosKlosters auf Milos], Σύμμεικτα 1 (1966), 230–256; dies., »Un monastère orthodoxe face au pouvoir Ottoman. Le couvent de Patmos au début du XVIIIe siècle«, in: Cornelie Papacosteaˇ esnokova, »Esˇcˇe raz o russkich doDanielopolu in memorian, Bukarest 1999, 9–16; N. P. C kumentach v patmosskom monastyre Ioanna Bogoslova«, in: S. K. Sevast’janova (Hg.), Russkij mir v mirovom kontekste, Barnaul-Rubcovsk 2008, 378–386. Für den Kontext wichtig: G. Hofmann SJ, »Patmos und Rom«, Orientalia Christiana 11/2, nr. 41, Rom 1928, 63–82; Tchentsova, »Pisec Nikolaj s Rodosa«, 274, Anm. 47. 54 RGADA f. 52, op. 2, nr. 695. 55 »Θεασάτω νυν το αυτώ ποθούμενον ο Πλάτων, βασιλέα φιλοσοφούντα και φιλόσοφον βασιλεύοντα, επιδυέτω και το εν αμφοτέροις εύχος του ρωμαϊκού καίσαρος. Τους καίσαρος γαρ εκείνους η
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Damit ist die grundlegende Frage angesprochen, wie das »veränderte Russland« Peters des Großen in zeitgenössischen griechischen Texten rezipiert worden ist. Mit anderen Worten, geht es darum, welche Auswirkungen (von kirchenpolitischen Sorgen einmal abgesehen) der politische und kulturelle Wandel in Russland auf die griechische Kulturwelt zeitigte; welche Anpassungen und Modifikationen der bereits herauskristallisierten Vorstellungen von Russland und den Zaren erforderlich wurden; welche semantischen Verschiebungen, Adaptionen und Neukontextualisierungen althergebrachte Denkfiguren, wie etwa der Philosophenkönig, erfuhren; aber auch, wie mit dem Transfer, der Aneignung und der Sinngebung des Neuen, das mit Peters Reformen zutage trat, umgegangen wurde. Anhand solcher Fragestellungen ließe sich am Beispiel der griechischen Rezeption ein Seitenblick auf die eingangs skizzierte Problematik von Bruch und Kontinuität, Wandel und Stabilität in Peters Russland werfen. Als Ausgangspunkt bietet sich Jonathan Israels affirmatives Urteil an: »The Greeks in particular saw in Peter’s Enlightenment a development of crucial relevance to them.«56 Da aber Israel bei der Beschreibung des »Orthodox Enlightenment« und seiner beiden Zweige, des Petersburger Hofes und der griechischen Handelsdiaspora, vor allem auf die auf Peter folgende Generation fokussiert und als Hauptexponenten einer russophilen griechischen Frühaufklärung Evgenios Voulgaris (1716–1806) präsentiert,57 ist mit der Frage anzusetzen, welche Griechen denn gemeint sind.58 Neben Israels Zitat kann die Stellungnahme von James Cracraft herangezogen werden, der 1981 im Sinne eines – nach wie vor offenen – Forschungsdesiderates anmerkte: »The role of educated Greeks in the Petrine periode […] has been greatly undervalued.«59 Es handelt sich um jene griechischen Gelehrten, die bereits im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts, noch unter Peter, eine mehr oder minder erfolgreiche Laufbahn in Russland absolvierten, sich am petrinischen Reformwerk beteiligten und in einzelnen Fällen Huldigungen des Reformzaren zu Papier brachten.60
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υμετέρα μεγαλοπρέπεια αρρήτως τε και ασυγκρίτως υπερηκόντισε, εν όπλοις τε και πολιτεία, τηβέννη τε και χλαμύδι γνωριζομένη αμίμητος.« Ungewöhnlich muten in einem solchen Schreiben auch Anspielungen auf die Hoffnungen der »gefangenen Christen« nach baldiger Befreiung durch den Zaren an: »Προς τούτοις αι των τυραννουμένων χριστιανών ελπίδες εγγύς της πληρώσεως ιστάμεναι μεγίστης παραμυθίας επαισθάνονται […] εις την αιχμαλωτισθέντος χριστιανισμού ανάκλησιν και ελευθέρωσιν«, RGADA f. 52, op. 2, nr. 713, März 1704. Israel, Enlightenment Contested, 295. Vgl. Israel, Enlightenment Contested, 295–325, zu Voulgaris 322–325. Israel führt kurz auch Antonios Katiforos als Voulgaris’ Lehrer und Peters Biographen an, vgl. Israel, Enlightenment Contested, 322. J. Cracraft, »Did Feofan Prokopovich Really Write Pravda Voli Monarshei?«, SR 40 (1981), 173–193, hier 193. Vgl. A. E. Karathanasis, »Pierre le Grand et l’intelligentsia grecque (1685–1740)«, in: Les Relations Gréco-russes pendant la domination turque et la guerre d’indépendence grecque, Thessaloniki 1983, 43–52.
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Während noch Nikolaos Spatharios 1671 oder die Leichoudis-Brüder 1685 über die bewährten Kommunikationskanäle zwischen Moskau und Konstantinopel und auf Empfehlung von Dositheos hin angeworben worden waren, geben die Routen und die Netzwerke, über welche besonders seit etwa 1710 griechische Gelehrte nach Russland gelangten, aber auch ihre Expertise und ihr Bildungshintergrund ein verändertes Bild ab. Zunächst stößt man bei ihren Biographien nicht mehr allein auf die üblichen Bildungsstätten wie die Patriarchatsakademie in Konstantinopel oder die Universität Padua. Auch überwiegen neben Geistlichen zahlenmäßig zunehmend Ärzte, sogenannte Iatrophilosophen, teilweise auch praktizierende Mediziner. Wenn manche von ihnen »durch die Nichtausübung ihrer Künste der Menschheit keinen Schaden«61 brachten, so spielten andere in bedeutenden Positionen eine aktive Rolle beim Transfer von medizinischem Wissen aus Mittel- und Westeuropa nach Russland und bei der Gestaltung der obrigkeitlichen Medizinalpolitik, die zum Kern der »guten Policey« als Verwaltungsvorbild gehörte.62 Trotz mancher Ausnahmen und Überschneidungen lassen sich hauptsächlich zwei Netzwerke auseinanderhalten: Beim ersten handelt es sich um die griechischen Studenten des Greek College von Oxford und des Collegium Orientale von Halle.63 Die Bemühungen anglikanischer und pietistischer Kreise um die Anknüpfung von Beziehungen zur russischen und zur griechischen Orthodoxie standen mit ihren missionarischen Projekten und deren außen- und handelspolitischen Implikationen in Zusammenhang. Dazu gehörte der Plan, ein Gegengewicht zum römischen Collegio Greco zu gründen, der vorübergehend 1699 61 V. Benesˇevic´, »Anastasios Nausios«, BNJ 10 (1932–34), 351–368, hier 357. 62 Vgl. A. Renner, Russische Autokratie und europäische Medizin: Organisierter Wissenstransfer im 18. Jahrhundert, Stuttgart 2010; ders., »Ein Paradies für Experten? Über die Integration Russlands in die frühneuzeitliche Wissensgesellschaft«, in: Themenportal Europäische Geschichte 2010, URL: www.europa.clio-online.de/site/lang_de/ItemID_477/mid_11428/402082 14/default.aspx [02. 05. 2017]; I. E. Panagiotidou, »Ο ελληνικός ιατρικός περίγυρος του Αλέξανδρου Ελλάδιου του Λαρισαίου στη Ρωσία (αρχές του 18ου αι.)« [Die griechischen Ärzte im Umkreis von Alexander Helladius aus Larissa in Russland (Anfang des 18. Jahrhunderts)], in: V. N. Makrides (Hg.), Αλέξανδρος Ελλάδιος ο Λαρισαίος [Alexander Helladius aus Larissa], Larissa 2003, 539–550; Carras, Εμπόριο, 528–539. 63 Vgl. U. Moennig, »Die griechischen Studenten am Hallenser Collegium orientale theologicum«, in: J. Wallmann, U. Sträter (Hg.), Halle und Osteuropa. Zur europäischen Ausstrahlung des hallischen Pietismus, Tübingen 1998, 299–329; E. D. Tappe, »The Greek College at Oxford, 1699–1705«, in: P. M. Doll (Hg.), Anglicanism and Orthodoxy. 300 Years after the ›Greek College‹ in Oxford, Oxford u. a. 2006, 153–174; M. Kriebel, »Das pietistische Halle und das orthodoxe Patriarchat von Konstantinopel: 1700–1730«, JGO 3 (1955), 50–70; G. Mühlpfordt, »Die Petersburger Aufklärung und Halle«, CASS 13 (1979), 488–509; E. Winter, Halle als Ausgangspunkt der deutschen Rußlandkunde im 18. Jahrhundert, Berlin 1953; M. Keller, »Von Halle nach Petersburg und Moskau«, in: dies. (Hg.), Russen und Rußland aus deutscher Sicht. 18. Jahrhundert: Aufklärung, [West-östliche Spiegelungen, Reihe A, Bd. 2], München 1987, 173–183; Hering, »Orthodoxie und Protestantismus«, 118–123; Schippan, Aufklärung, 77–80.
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in Oxford und 1703 in Halle mit der Errichtung der beiden kurzlebigen Lehranstalten verwirklicht wurde. Erklärtes Ziel war es, griechische Studenten theologisch zu schulen, sodass sie nach ihrer Rückkehr in den Osten imstande wären, in Glaubensdisputen mit jesuitischen Missionaren zu bestehen. Außerdem sollte die sprachliche Kompetenz der jungen Griechen für kritische Bibeleditionen und besonders für neugriechische Übersetzungen, eine Wiederaufnahme von Loukaris’ Projekten, nutzbar gemacht werden. So schwärmte der »Reformator nach der Reformation«, die Leitgestalt des Halle’schen Pietismus August Hermann Francke, in seinem »Großen Aufsatz« 1704: »[W]elch ein Ansehen Gottes wäre es und wie herrlich würde Gott darüber gepriesen werden, wenn die so lange erstorbene griechische und orientalische Kirche durch ihre eigenen Kinder, von hier wohl zubereitet, zu ihren Ehren gleichsam wieder erweckt würde.«64 Initiator des Projektes und Bindeglied zwischen Oxford und Halle war Heinrich Wilhelm Ludolf, der nach Moskau und Konstantinopel gereist war und mit Chrysanthos Notaras und Kallinikos II. von Konstantinopel über zwei Kontaktpersonen in Schlüsselpositionen verfügte. Er sorgte für die Anwerbung von griechischen Studenten aus dem Umfeld des Ökumenischen Patriarchats und des Metochions des Hl. Grabes und vermittelte nach dem Scheitern der englischen Initiative 1705 einige der Oxforder Griechen nach Halle, unter ihnen die bereits erwähnten Serafeim Mytilinaios und Alexander Helladius. In Halle trafen sie auf russische und auf griechische Studenten, wie Anastasios Michail aus Naousa und Liverios Kolettis aus Athen. Diese vier Personen begaben sich dann zwar zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach Russland, doch ihre Route war durch die engen Beziehungen Franckes und seiner Pietisten zu Peters Russland quasi vorgezeichnet. Anastasios Michail und Liverios Kolettis, die in Halle an einer Neuedition der von Serafeim 1703 in London redigierten neugriechischen Übersetzung des Neuen Testaments durch Maximos Kallioupolitis mitgewirkt hatten, wurden anscheinend auch in das russische Bibelübersetzungsprojekt eingebunden.65 Ein weiteres Puzzlestück stellt die von Leibniz ins Leben gerufene 64 Winter, Halle, 35. 65 Anastasios Michail hatte 1704/05 daran gearbeitet, Liverios Kolettis übernahm wohl die Endredaktion der 1710 in Halle gedruckten Edition. Alexander Helladius, der sich vergebens um den Auftrag bei Francke beworben hatte, verurteilte 1714 in seinem Status Praesens das ganze Projekt und beschimpfte Serafeim und Liverios, während er seinen Freund Anastasios schonte, vgl. Makrides, »Στοιχεία«; Moennig, »Die griechischen Studenten«, 312–318; ders., »Το Status Praesens του Αλέξανδρου Ελλάδιου – ένας λίβελλος κατά των Ευσεβιστών της Χάλλης« [Der Status Praesens des Alexander Helladius – eine Streitschrift gegen die Hallenser Pietisten], in: V. Ν. Makrides (Hg.), Αλέξανδρος Ελλάδιος ο Λαρισαίος [Alexander Helladius aus Larissa], Larissa 2003, 101–123, hier 110–114; ders., »Τρεις αυτόγραφες επιστολές του Ελλάδιου προς τον August Hermann Francke (ανέκδοτο συμπληρωματικό υλικό και ένα σχόλιο στο κεφ. XVIII του Status Praesens)« [Drei eigenhändige Briefe von Helladius an August Hermann Francke (unveröffentlichtes Zusatzmaterial und ein Kommentar zum Kapitel XVIII von Status Praesens)], in: ebenda, 125–149; Pfeiffer, Studien, 175f.
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Berliner Sozietät (Akademie) der Wissenschaften dar, die der Universalgelehrte im Einklang mit Francke als Modell für die Kultivierung der Wissenschaften in Russland ansah. Anastasios Michail war 1707 zum Akademiemitglied gewählt worden. 1714 wurde auch Dimitrie Cantemir Akademiemitglied, an dessen Exilhof Anastasios Michail und Liverios Kolettis neben Franckes Vertrauten Johann Gotthilf Vockerodt als Sekretäre und Hauslehrer der Fürstensöhne fungierten.66 Die zweite Hauptgruppe bestand aus ›venezianischen‹ Griechen von den Ionischen Inseln, meist Absolventen der Universität Padua, die entweder über die Donaufürstentümer nach Russland gelangten oder von der russischen Botschaft in Konstantinopel und dem russischen Konsulat in Venedig angeworben wurden. Zu Ersteren gehörten unter anderen Athanasios Kontoeidis aus Korfu, Georgios Polykalas aus Kefallonia und der in Venedig geborene Michail Schendos, die gleichfalls mit Cantemir verbunden waren (Schendos wurde 1726 zum Mitglied der Berliner Akademie gewählt),67 doch zu Anastasios Michail und Liverios Kolettis anscheinend keine freundschaftlichen Beziehungen pflegten.68 Von den Absolventen Paduas, die nach Russland emigrierten, seien Athanasios Skiadas aus Kefallonia und die Ärzte Michail und Evangelistis Miniatis, beide ebenfalls aus Kefallonia, genannt.69 Die Stellen, die sie in Russland besetzen durften, waren oft ausgesprochen prestigeträchtig. So wurden Anastasios Michail und Athanasios (nach seiner Archimandriten-, später Bischofsweihe in Russland: Anastasios) Kontoeidis zu Mitgliedern (Assessoren) der Heiligen Synode der russischen Kirche. Liverios (ebenfalls in Russland geweiht: Evfimios) Kolettis war Beichtvater des Zarensohns Aleksej Petrovicˇ, Athanasios Skiadas Direktor der Slavisch-GriechischLateinischen Akademie in Moskau, Georgios Polykalas Leibarzt der Gattin Pe66 Vgl. Winter, Halle, 55f., 85f.; Makrides, »Στοιχεία«, 32f.; D. N. Ramazanova, »Archimandrit Evfimij Koletti: Sud’ba ucˇenogo greka v Rossii v pervoj polovine XVIII v.«, Rossija i Christianskij Vostok 4–5 (2014), 412–434; E. Amburger, Die Mitglieder der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1700–1950, Berlin 1950, 58. 67 Vgl. Amburger, Die Mitglieder, 66. Michail Schendos war kein Kefalloniter, wie er (aufgrund eines Verweises von Nikolaos Mavrokordatos) gelegentlich bezeichnet wird. Sein Vater stammte aus Makedonien, seine Mutter aus Kreta. 68 Vgl. A. E. Karathanasis, »Contribution à la connaissance de la vie et l’œuvre de deux Grecs de la diaspora: Athanasios Kondoidis et Athanasios Skiadas (18e siècle)«, BS 19 (1978), 159–187, hier 159–171; P. Cernovodeanu, N. Vatamanu, »Un médecin princier moins connu de la période phanariote: Michel Schendos van der Bech (1691–env. 1736)«, BS 18 (1977), 13–30; Benesˇevic´, »Anastasios Nausios«, 355, 365. 69 Vgl. Karathanasis, »Contribution«, 172–186; Panagiotidou, »Ο ελληνικός ιατρικός περίγυρος«; Makrides, »Στοιχεία«, 29–32; W. M. von Richter, Geschichte der Medicin in Rußland, Moskau 1817, Bd. 3, 124–133, 158–160, 171–177; A. O. Jastrebov, »Venecianskie Greki na russkoj sluzˇbe v konce XVIII – nacˇale XVIII v.«, Klio 7/115 (2016), 98–109; ders., »Russkij posol pri Blistatel’noj Porte i venecianskie greki«, 78–87.
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ters, der späteren Kaiserin Katharina I., Michail Schendos Chefarzt des Militärhospitals in St. Petersburg. In ihrem Wirken und in ihren Schriften sind zwar die Vorstellungen vom Zaren als Befreier seiner ›gefangenen‹ Glaubensbrüder präsent. Liverios Kolettis soll während des Pruthfeldzugs 1711 den Plan verfolgt haben, Mitstreiter für antiosmanische Revolten zur Unterstützung des Zaren anzuwerben.70 Die Niederlage Peters bezeichnete er als Begräbnis der griechischen Hoffnungen. Alexander Helladius hielt in seinem Status Prasens Ecclesiae Graecae fest, nur die Befreiung vom »türkischen Joch« durch den Zaren käme infrage. Ansonsten sei dieses Joch erträglicher für die Griechen als die »Freiheit« unter den westlichen Christen.71 Was hier jedoch vorrangig interessiert, sind die wenigen Würdigungen Peters und seines Reformwerks, die sie schriftlich hinterließen. Vergleicht man sie mit der Enkomiastik der Vorgängergenerationen, von Vlasios und Patellaros bis zu den Leichoudis-Brüdern, so stützt das Material Überlegungen zu Beharrlichkeit und Wandel, aber auch zur Verschiebung und Umbesetzung von Begriffen und Denkfiguren. So ist der Zar nach wie vor Inbegriff aller Tugenden, der von Gott bestimmte Schutzherr der Ostkirche und der Orthodoxie. Anklänge seines veränderten Selbstverständnisses und seiner daran orientierten Selbstdarstellung werden in herkömmlichen (Philosophenkönig) oder bisher ungewohnten (Prometheus) Figuren mitgetragen. Es lässt sich auch der funktionale Charakter des Herrscherlobes (er rechtfertigt Adressanten und Adressaten gleichermaßen) umformulieren: Die Huldigungen von Aleksej Michajlovicˇs Frömmigkeit und seiner Ebenbürtigkeit mit biblischen und byzantinischen Vorbildern sollten die Deutungshoheit und somit die Rolle seiner griechischen Panegyristen garantieren. Ähnlich verhielt es sich mit Peters Glorifizierung als entschlossener und aufgeschlossener Förderer der Musen. Darin fand das kulturelle Kapital der nach Russland emigrierten griechischen Gelehrten, das sie selbst ihren Studien und ihrer Teilhabe an der europäischen Gelehrtenrepublik verdankten (an die sie sich in ihren in Altgriechisch oder Latein gedruckten Werken wandten), seine Bestätigung. Und umgekehrt: Im selben Maße, wie sie in Russland nicht mehr als Hüter der Urquelle der Orthodoxie oder Verweser des kaiserlichen Purpurs geschätzt waren, erblickten sie im »veränderten Russland« nicht mehr nur die
70 S. M. Solov’ev, Istorija Rossii s drevnejsˇich vremen, 6 Bde, St. Petersburg 1851–1879, Bd.4, Sp. 384. 71 »Ego si Czaria Majestas illos [Graecos] a Jugo Turcico liberares et mihi sane et ipsis gratularer, quamdiu autem hac Die T.O.M. caremus gratia, nobis jugum exoptabilius est, prae aliarum Nationum liberatione οι᾿χήσεται enim παρὰ μικρὸν, omnium preciosissimum libertas Religionis, plura alia hic narranda haberem, si id pagellarum angustia pateretur.«, Helladius, Status Praesens, 275f, Anm. (f).
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orthodoxe Schutz- und Führungsmacht, sondern auch ein kulturelles und politisches Modell und natürlich eine vielversprechende Karriereoption. Anastasios Michail hatte sich, vor seiner endgültigen Übersiedlung nach Russland 1715, 1709 für einige Monate in Moskau aufgehalten, wo er zwei Panegyriken zu Pfingsten und zum Neujahrsfest 1710 gehalten hat. Letztere wurde 1710 in Amsterdam auf Griechisch und in russischer Übersetzung gedruckt.72 Der in archaistischer Sprache verfasste und mit klassischen, biblischen und kirchenhymnischen Zitaten übersäte Text, trägt den Titel Βασιλικόν Θέατρον, »Kaiserliches Theater«. Während der russische Titel Zercalo monarchov (»Spiegel der Monarchen«) theatrum als speculum im Sinne von »Fürstenspiegel« auslegt, könnte die Theatermetapher als Veranschaulichung des kaiserlichen Ruhmes gemeint sein.73 Auf jeden Fall folgt der Text den seit Menander bewährten Normen einer kaiserlichen Rede (βασιλικός λόγος) in eher enkomiastischer als paränetischer Manier.74 Anastasios hatte bereits 1707 in seiner Abschiedsrede aus Halle Vertrautheit mit dem Genre gegenüber dem preußischen König Friedrich I. bewiesen.75 Hier (Peter) wie dort (Friedrich) spricht Anastasios den Monarchen im Namen Griechenlands – der Mutter Hellas – als »Philhellenen« an; allein seine hellenische Herkunft erlaube es dem Redner, sich an den schwierigen Auftrag zu wagen, da es Hellas seit homerischen Zeiten gebühre, großen Herrschern zu huldigen und daher mit dem Wohlwollen des philhellenischen Adressaten zu
72 A. Michail, Βασιλικόν Θέατρον / Featr’ ili zercalo monarchov’, Amsterdam 1710; Legrand, Bibliographie hellénique XVII, Bd. 1, 80; Grebenjuk, Panegiricˇeskaja literatura, 69–71; Pekarskij, Nauka i literatura, Bd. 2, 235f. Der griechische Text ist zweimal neu publiziert worden: G. Kournoutos (Hg.), Λόγιοι της Τουρκοκρατίας [Βασική Βιβλιοθήκη 5] [Gelehrte der Türkenherrschaft [Basisbibliothek 5], Bd. 2, Athen 1956, 174–183; Ch. A. Minaoglou, Ο Αναστάσιος Μιχαήλ ο Μακεδών και ο λόγος περί Ελληνισμού [Anastasios Michail der Makedonier und die Rede über den Hellenismus], Athen 2014, 196–207. Zur Bedeutung der Neujahrsrede im petrinischen Russland vgl. Pogosjan, Petr I, 77–84; Collis, Petrine Instauration, 232. In Amsterdam wurden seit 1700 nichtkirchliche russische Bücher in einem vereinfachten kyrillischen Alphabet gedruckt. 73 Wie bereits Pekarskij bemerkte, ist die russische Übersetzung von Petr Beklemisˇev nicht besonders gelungen, Pekarskij, Nauka i literatura, Bd. 2, 236. Sie erfolgte über eine nicht erhaltene lateinische Zwischenübersetzung von Anastasios, Βασιλικόν Θέατρον, 80. Zu den panegyrischen »Theatra Gloriae« vgl. M. Friedrich, »Frühneuzeitliche Wissenstheater. Textcorpus und Wissensbegriff«, in: F. Grunert, A. Syndikus (Hg.), Wissensspeicher in der Frühen Neuzeit. Formen und Funktionen, Berlin 2015, 297–328, hier 308, 312f.; vgl. Danezis, »Ελληνικό λογοτεχνικό μπαρόκ«, 182. 74 Obwohl die Neujahresfeier von 1710 unter Anwesenheit Peters den Poltava-Sieg als massgebliches Ereignis des vergangenen Jahres in den Mittelpunkt stellte, handelt es sich bei Anastasios’ Rede nicht um eine Siegespanegyrik für Poltava, wie in der Forschungsliteratur angegeben, vgl. Karathanasis, »Pierre le Grand«, 48; Kitromilides, Enlightenment and Revolution, 121; ders., »From Orthodox Commonwealth«, 12. 75 Vgl. A. Michail, Σύμβολον Χρυσού Κράτους / Symbolon Aurei Regni, Halle 1707.
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rechnen sei.76 In den russischen Anmerkungen, die als Appendix den Druck begleiten, wird der Terminus »Philhellene« als Liebhaber, Verteidiger und Beschützer Griechenlands und der griechischen Bildung interpretiert (»ljubitel’, zasˇcˇititel’ i protektor’ grecii, i grecˇeskich nauk’«) 77. Die beiden von Anastasios angeführten Monarchien von Hellas (τας τε διττάς μοναρχίας), heidnisch die eine und christlich die andere, werden in den Anmerkungen als das Reich Alexanders und der Diadochen bis zur römischen Eroberung und als das Byzantinische Reich (»die zweite Monarchie Griechenlands«) von Konstantin dem Großen bis Konstantinos Palaiologos erläutert.78 Es zeigt sich, dass sich griechische Gelehrte nun, zu Beginn des 18. Jahrhunderts, derselben Symbole der griechischen Antike und der griechischen Bildung bedienen, wie sie in ihrer Selbstdarstellung in höfischen und gelehrten Milieus des lateinischen Europa seit der Renaissance üblich waren und die ihr kulturelles Kapital ausmachten. Dazu gehörten in prominenter Weise Personifizierungen Griechenlands als weibliche mythologische Figur, die vom königlichen Helden gerettet werden soll.79 Wie Anastasios Peter gegenüber mit Nachdruck betont: Kaum einer der weisen gelehrten Höfe (εντ’ αυταίς ταις σοφαίς των Βασιλειών απάσαις) kann es sich leisten, auf hellenische Rhetorik zu verzichten.80 Dass Anastasios im selben Atemzug heidnische und christliche Monarchen anführt und Peter den byzantinischen Kaisern, jenen »kreuztragenden Herrschern« (σταυροφόροι άνακτες), Konstantin, Theodosios, Justinian und ihren Nachfolgern als gleichrangig zuordnet, stellt jedoch kein historisches Kontinuitätsargument dar, wie eine anachronistische Lektüre es fehlinterpretieren könnte. Was im vornationalen Verständnis noch nicht auseinandergehalten worden war, brauchte nicht erst zusammengeführt zu werden. Im Vergleich etwa zu Ligaridis und den Leichoudis-Brüdern ging es eher um leise Verschiebungen und Schwerpunktverlagerungen zwischen den politischen Sprachen, den Klaviaturen, die Redner beherrschten. So konnte Anastasios 76 »Εμοί ουν Έλληνι όντι, και τηλικούτω σου βασιλεί φιλέλληνι Ελληνικόν μέλλοντι, αλλά και οφείλοντι προσφωνήσειν λόγον, αναπολούντι κατά νουν τις αν είη ον περ αεί των μεγίστων η ση Γαληνότης ηξίωσεν; αυτόχρημα η πατρίς τη μνήμη επήρχετο«, Michail, Βασιλικόν Θέατρον, 10. 77 Michail, Βασιλικόν Θέατρον, 83f. Zum Begriff des »Philhellenen« im frühneuzeitlichen Kontext vgl. Pfeiffer, Studien. 78 Michail, Βασιλικόν Θέατρον, 20, 95f.: »Pervaja Monarchia Grecii byla onaja kotoraja nacˇalasja ot velikago Aleksandra i skoncˇilasja v nacˇale rimskoi Monarchii. Vtorajazˇe Monarchia Grecii byla onaja kotoraja nacˇalasja ot onago svjatago i pervago pravoslavnogo Monarcha Konstantina Velikago i skoncˇalasja v carstvovanie poslednago Konstantina Paleologa.« Konstantin dem Großen wird in einer anderen Anmerkung zugeschrieben, »das Imperium vom alten ins neue Rom« transferiert zu haben: »I sei kotory voperych byl’ pravoslavnyi Monarch prenes totcˇas sedalisˇcˇe Imperi istarago Rimu vnovoi Rim sirecˇ v velikoi Cr’grad.«, ebenda, 85. 79 Zum Symbol der Mutter Griechenland vgl. G. Kokkonas, Έγρεο φίλα μάτερ. Προσωποποιήσεις της Ελλάδας στα χρόνια της τουρκοκρατίας [Erhebe dich liebe Mutter. Personifizierungen Griechenlands während der Türkenherrschaft], Athen 2018. 80 Michail, Βασιλικόν Θέατρον, 37f.
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mehrere Gemeinplätze aus seiner Friedrich-Rede wiederholen: das Salomonneben dem Alexandergleichnis, astrologische Vorzeichen der Glorie des Adressaten sowie das Lob des jungen Prinzen, des Herrschersohns. Was das »Kaiserliche Theater« jedoch auszeichnet, sind Anspielungen auf die Qualität Peters als Erneuerer seines Reiches und Förderer der Künste und Wissenschaften. Bezeichnenderweise kommen sie als herkömmliche Sprachbilder daher, indem Topoi der klassischen und der barocken Rhetorik in einem neuen Kontext wiederholt, dadurch aktualisiert und anders konnotiert werden. Peters Antritt und seine heldenhaften Errungenschaften seien nach den Versen des Akathist (άκουσμα και λάλημα φρικτόν) etwas »Neues zu hören und zu reden« (άκουσμα και λάλημα καινόν); die eigene Zeit, die so viel Neues hervorgebracht hat, werde von vergangenen und zukünftigen Äonen beneidet.81 Indem Peter den Inbegriff aller Tugenden verkörpert (και τούτων οιωνεί πάντων έμπνουν των αρετών Επιτομήν ποιουμένη), bewege er seine Untertanen zur Nachahmung und werde zum Urheber der Glückseligkeit (αίτιος ευδαιμονίας) des großen Russlands (η μεγάλη άρτι Ρωσία).82 Für seine Wissbegierde und seine Auslandsreise wird er mit dem homerischen Odysseuslob bekränzt (αναμφισβήτητον οιονεί το Ομηρικόν εκείνο αποφαίνων, ως άρα πέφυκεν η της αλλοδαπής ιστορία νόον αύξειν), das auch auf den viel gereisten Redner selbst (»seit langer Zeit vom geliebten Vaterland getrennt«) zurückstrahlt.83 Alexander Helladius – schon das Pseudonym spricht Bände –84 ist im September 1715, vielleicht zusammen mit Anastasios Michail, nach Russland emigriert.85 Zuvor hatte er 1712 Peter persönlich in Karlsbad getroffen und die Erlaubnis erbeten, ihm sein noch unvollendetes Werk, Status Praesens Ecclesiae Graecae, widmen zu dürfen. Das 1714 in Altdorf gedruckte Werk richtet sich, neben einem Beitrag zur im frühen 18. Jahrhundert florierenden Buchproduk81 »Τα μεν ουν ουκ ολίγα τον καθ’ ημάς τούτον χρόνον νεωτερίσαι, ούτωτε παντοδαπών, και ίσως ουδέ μικρών, το πλείστον της καθ’ ημάς οικουμένης ανάμεστον καταστήσαι μεταβολών, φαίη αν τις, μετά του σοφού βασιλέως, είναι ουδέν καινόν. [Gemeint ist Salomon (Koh 1,9).] […] δι’ άπερ ο καθ’ ημάς ούτος χρόνος ζηλωτός μεν ήδη τοις προ αυτού, ζηλωτός δε και πολυθρύλλητος τοις εισέπειτα εστί τε και έσεται. Φιλούσι γαρ και αιώνες αιώσιν, ώσπερ φασί και ταώς εαυτοίς, περί κάλλους ερίζειν.«, Michail, Βασιλικόν Θέατρον, 4, 40. 82 Michail, Βασιλικόν Θέατρον, 3, 44. 83 »Και μοι (άτε προ πολλού της φίλης [πατρίδος] απεσχοινισμένω)«, Michail, Βασιλικόν Θέατρον, 25. 84 Seinen eigentlichen Namen kennt man nicht. Neben Makrides, »Στοιχεία«, und den Beiträgen in ders. (Hg.), Αλέξανδρος Ελλάδιος, vgl. Pfeiffer, Studien, 175f., sowie A. Politis, »Αλέξανδρος Ελλάδιος: Η ελληνική λογιοσύνη στη διασπορά, λίγο μετά το 1700« [Alexander Helladius: Das griechische Gelehrtentum in der Diaspora, kurz nach 1700], in: ders., Αποτυπώματα του χρόνου. Ιστορικά δοκίμια για μια μη θεωρητική θεωρία [Abdrücke der Zeit. Historische Essays für eine nicht-theoretische Theorie], Athen 2006, 109–131. 85 Vgl. Carras, Εμπόριο, 530, 572 sowie 124: 1718 praktizierte er noch den Arztberuf in Moskau; vgl. Richter, Geschichte der Medicin, Bd. 3, 147.
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tion autoritativer Beschreibungen der Ostkirche,86 in erster Linie gegen die Halle’schen Pietisten, mit denen es sich Alexander verdorben hatte, sowie gegen ihre griechischen Helfer bei der neugriechischen Übersetzung des Neuen Testaments.87 Sein nicht gerade plausibles Hauptargument lautet, dass die gegenwärtigen, die »neuen« Griechen (Graeci moderni)88 durchaus in der Lage seien, das Neue Testament im Original zu verstehen, und daher keiner vulgärgriechischen Übersetzungen bedürften. Das zehnseitige Widmungsschreiben89 an den »serenissimus und potentissimus Imperator« stellt ein weiteres Paradebeispiel für die Praxis dar, neuartige Realitäten und Modelle den herkömmlichen Denkfiguren zu akkommodieren bzw. altbekannte Topoi in einen neuen Kontext zu überführen. So ist Peter, wie bei Anastasios,90 der Schutzherr der Ostkirche und der Griechen (Ecclesiae Orientalis Orthodoxae Graecorum que Defensori Υπερασπιστή ac Patri Clementissimo Indulgentissimo […] Ecclesiarum ac Fidei Graecanicae Defensori). Die göttliche Vorsehung habe die Eroberung Konstantinopels durch die Türken zugelassen, aber zum Schutz der Ostkirche Peter zu ihrem bleibenden Wächter und Wohltäter erkoren ([…] [T]e, invictissime Monarcha, magno Christianae rei comodo, summum numen collocavit, tutor, custos, patronus ac evergeta Fidei ac Ecclesiae Graecorum reliquus mansit). Klöster, Kirchen und fromme Lehranstalten erfreuten sich seiner Barmherzigkeit. Er übertreffe die antiken griechischen und römischen Vorbilder, die Plutarch beschrieben hat, da er deren Vorzüge allesamt in sich verkörpere ([U]t si omnes illos imperatores, tum Graecorum, tum Romanorum, quorum virtutes resque egregie gestas accurate adeo Plutarchus delineavit, colligere vellem, vix tecum comparandos existimem. Omnes enim illorum virtutes, in unicam Maiestatem Tuam congestas video). Es folgen das Alexandergleichnis und der PhilosophenkönigTopos (In Te enim Unico, ab omnibus hactenus recepta Platonis sententia ipsa re comprobata videtur: tum demum civitates Felices futuras, cum aut Philosophi regnant, aut Regnantes philosophantur). Der Philosophenkönig ist ein geeignetes Beispiel für den Wandel von Topoi im Zuge ihrer Aktualisierung und Neukontextualisierung. Bei Ligaridis, der Aleksej
86 Vgl. E. Benz, Die Ostkirche im Lichte der protestantischen Geschichtsschreibung von der Reformation bis zur Gegenwart, Freiburg–München 1952, 79–121. 87 Vgl. Moenning, »Το Status Praesens«. 88 So bereits auf dem Titelblatt und passim im Text: »…in quo etiam causae exponuntur cur Graeci moderni Novi Testamenti Editiones in Graeco-barbara lingua factas acceptare recusant«. Der Autor gibt auf dem Titelblatt seinen namen wie folgt an: »ab Alexandro Helladio nat[ione] graec[o]«. Zum Neologismus der »neuen Griechen« vgl. Apostolopoulos, »Νέοι Έλληνες«. 89 Helladius, Status Praesens, Widmung ohne Paginierung. 90 Michail, Βασιλικόν Θέατρον, 22: »η επί την στερεάν τε και άσειστον Πέτραν τεθεμελιωμένη του Χριστού Εκκλησία παρ’ αυτού Θεού έσχηκε κραταίωμα«.
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Michajlovicˇ als Verkörperung des platonischen Ideals gepriesen hatte,91 geschah dies im Einklang mit dem festen, aber auch vagen Gebrauch des Topos in byzantinischen Fürstenspiegeln (etwa Agepetos, Kap. 17),92 als Ausdruck sowohl der Gottesfurcht des Kaisers und seiner Sorge für die kirchliche Verwaltung als auch seiner Verdienste als Bildungsförderer.93 Helladius verleiht Peter das Attribut des Philosophenkönigs wegen seines Reformwerkes und weil er in kürzester Zeit (tam brevi temporis spatio) die Blüte nicht nur der Studien und der freien Künste, sondern auch der technischen Erfindungen, des Handels, des Militärs und des Rechtswesens in seinem Reich ermöglicht habe (ita omnigenis studiis, artibus liberalibus, inventis mechanicis adornavit, tot commerciorum augmentis illustravit, tot navibus, tot Civitatibus, Castellis, institutis militaribus ac justissimis legibus communivit […]).94 In einem weiteren lateinischen Text wird 1723 auch explizit Europa, und zwar »Europa erudita«, als Horizont, als Auditorium und als Deutungsrahmen für den kulturellen Aufschwung in Russland genannt – vom selben Mann, der später die erste Übertragung der Wendung ins Griechische, »η σοφή Ευρώπη«, verantwortete: Athanasios Skiadas. Er erhielt vom Synodalassessor Kontoeidis den Auftrag, die griechischen Codices der Synodalbibliothek (ehemals Patriarchalbibliothek) zu inspizieren und gab ihren Katalog zusammen mit dem Katalog der griechischen Codices der Moskauer Druckereibibliothek in einem lateinisch-russischen Druck heraus. Im Widmungsschreiben an Peter (imperator atque autocrator Rossiae) stellt Skiadas die Moskauer Bestände jenen der Vatikanbibliothek, der Pariser Bibliothèque Royale, der Oxforder Bodleian Library, der kaiserlichen Bibliothek in Wien sowie der Laurentiana in Florenz gleich und erinnert an griechische Gelehrte (multos Graecos doctos) wie Chrysoloras, Lascaris und Bessarion, die ihre Sammlungen diesen Bibliotheken vermacht hatten. Seit Aleksej Michajlovicˇ besitze auch Russland eine beachtliche Sammlung griechischer Codices – gemeint sind vorrangig die Früchte der Athosreise Arsenij Suchanovs. Im gleichen Maße wie Peter seine Vorfahren in militärischer Glorie, 91 Vgl. Petrakakos, »Ο Γάζης Παΐσιος«, 289f. 92 Riedinger, Agapetos Diakonos, 36f.; vgl. Hunger, Reich der Neuen Mitte, 284f.; Angelov, Imperial Ideology, 93f., 191; Kioussopoulou, Βασιλεύς ή Οικονόμος, 193f. 93 Vgl. Poljakov, »Paisius Ligarides«, 149. Zum Lob des Kaisers als Bildungsförderer in der byzantinischen Hofrhetorik vgl. N. Radosˇevic´, »The Emperor as the Patron of Learning in Byzantine Basilikoi Logoi«, in: J. S. Langdon u. a. (Hg.), ΤΟ ΕΛΛΗΝΙΚΟΝ. Studies in Honor of Speros Vryonis, Jr., Bd. 1, New Rochelle 1993, 267–287. 94 Zur Denkfigur des Philosophenkönigs vgl. M. Raeff, The Well-Ordered Police State. Social and Institutional Change through Law in the Germanies and Russia 1600–1800, New Haven u. a. 1983. Zur Vorstellung des Philosophenkönigs im Zusammenhang des aufgeklärten Absolutismus vgl. D. Beales, »Philosophical kingship and enlightened despotism«, in: M. Goldie, R. Wolker (Hg.), The Cambridge History of Eighteenth-Century Political Thought, Cambridge 2006, 497–524.
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in der Freundschaft und der Anerkennung »der übrigen Könige Europas« (caeteros Europae reges), in den Künsten, im Handel, in der Bildung der Vornehmen und der Liebe der Untertanen übertreffe, soll er allen Gelehrten (omnes viri docti) eine ihm würdige Bibliothek zur Verfügung stellen; eine Aufgabe, für die sich Skiadas mit seiner Katalogausgabe selbst empfiehlt. So soll sich das gelehrte Europa überzeugen, dass auch Russland seine seltenen Handschriften besitze (ut Europa erudita persuasa sit quod habet et Rossia suos manuscriptos codices raros) und dass die Studien unter Peter gedeihen und blühen mögen wie unter den anderen angesehenen Nationen (ut possint et studia te imperante promoveri et florescere instar aliarum florentissimarum nationum).95 Es ist vielleicht nicht unangebracht, noch einmal Ligaridis zum Vergleich heranzuziehen. Während dessen Europabegriff, der übrigens allein aus Gründen der Kryptogrammauflösung (Orakel des Daniel Stylites) in seinem Chrismologion (1655) auftaucht, geographisch-religiös konnotiert ist (die Venezianer seien Europäer und werden im Kretischen Krieg die Hagarener besiegen),96 operiert Skiadas mit dem veränderten Begriff einer kulturellen Gemeinschaft. Die entscheidende Wende hinsichtlich der Herausbildung eines europäischen Bewusstseins (die Ablösung der Christianitas durch Europa) und der Überwindung einer konfessionellen Geographie wird von der einschlägigen Forschung gerade in dem Zeitraum verortet, der zwischen Ligaridis und Skiadas liegt.97 Michail Schendos folgte 1724, nach seinem öffentlich zur Schau getragenen Streit mit seinem früheren Arbeitgeber Nikolaos Mavrokordatos,98 einer Einladung der Zarin nach Russland. Von seinen Erfahrungen berichtete er in seiner Korrespondenz mit dem siebenbürgischen Polyhistor Samuel Köleséri.99 Eine 95 Legrand, Bibliographie hellénique XVIII, Bd. 1, 183–187: Abdruck des Titelblatts und der Widmung des »opuscule rarissime« (Catalogi duo codicum manuscriptorum graecorum, ˇ 5 Moskau 1723); vgl. S. M. Sˇamin, »O neizvestnoj rabote Afanasija Skiady (1724 g.)«, KC (2007), 199–202. 96 BPJ, God. 160, f.144v. 97 Vgl. P. Burke, »Did Europe exist before 1700?«, History of European Ideas 1 (1980), 21–29. Zur gesamten Debatte vgl. Giakovaki, Ευρώπη μέσω Ελλάδος, 41–65. 98 M. Schendo van der Bech, Empirica illustris per septem nobilissima evporista familiaria remedia, Augsburg 1723, 3–31 (= Apologia adversus Mavrocordati Sycophantias); vgl. Cernovodeanu, Vatamanu, »Un médecin«, 17–21; N. Mavrelos, »Μ. Σκένδος – Ν. Μαυροκορδάτος: Οι αντίπαλοι και η διακίνηση κειμένων, λογίων και ιδεών στις αρχές του 18ου αιώνα μέσα από έναν λίβελο« [M. Schendos – N. Mavrokordatos. Die Rivalen und die Mobilität von Texten, Gelehrten und Ideen im frühen 18. Jahrhundert am Beispiel einer Schmähschrift], Kafedra 3 (2018), 237–248. 99 Vgl. Zs. Jakό, Köleséri Sámuel tudományos levelezése (1709–1732), Kolozsvár 2012. (Edition der erhaltenen Korrespondenz Köleséris). Zu Köleseri vgl. ders., »Beiträge zu den Beziehungen des rumänischen kulturellen Lebens mit der deutschen Frühaufklärung (Zur Methodik der Erforschung der einheimischen Kulturgeschichte)«, Revue Roumaine d’Histoire 8 (1969), 673–686. Köleséri teilte mit Schendos (und mit Mavrokordatos) die Leidenschaft für die Numismatik. Anscheinend wurde Schendos seine reiche Münzensammlung zum Ver-
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seiner Episteln vom August 1725, ein Essay zum »Praesens Russiae Literariae Status«, wurde 1727 in den Akten der Wiener Akademie publiziert, zu deren Mitglied Schendos gewählt worden war.100 Es handelt sich um eine Hommage an das Reformwerk des gerade verstorbenen Peters des Großen und um eine enthusiastische, an die europäische Gelehrtenrepublik gerichtete Schilderung des kulturellen Aufschwungs in Russland. Inszeniert als Überzeugungsarbeit gegen den präsumptiven »Skeptizismus« des Adressaten Köleséri (sowie die Verleumdungen angeblicher Russlandkenner), was den Zustand der Musen und der Studien in den unwirtlichen hyperboreischen Gebieten angeht, wird das imposante Wachstum des »status culturae« in der »Rossiae hodiernae« als übermenschliche Heldentat des Zaren (Natura magnus, Fortuna major, Virtute Maximus) beschrieben. Etwas Vergleichbares hätte weder die Vergangenheit gekannt noch würden es die künftigen Jahrhunderte je glauben können.101 Peter habe es als ein neuer Prometheus (novus veluti Prometheus) verstanden, seine Untertanen über die militärischen Erfolge hinaus an die freien Künste und das Licht des Wissens heranzuführen (ut subiectos sibi populos, quos ad Martis artes adeo egregiis successibus effinxerant, liberalibus quoque disciplinis, luminosisque scientiarum facibus animaret). Geleitet worden sei er vom Wissen, dass mit der translatio studiorum von den Ägyptern und den Chaldäern zu den Griechen stets der höchste Ruhm von einem Reich zum anderen mitübertragen worden sei.102 Das Ziel seines unermüdlichen Wirkens sei stets die »publica felicitas« gewesen. Die Bedeutung des Gemeinwohls (obsˇcˇee blago) als Leitprinzip und Legitimation der petrinischen Reform und seine spezifische Verfasstheit im russischen Kontext – eher im Sinne von Staatsinteresse als von »sozialer Allgemeinwirksamkeit« – sind oft hervorgehoben worden.103 An ihm lassen sich noch einmal die
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hängnis, als er sich weigerte, sie Ernst Johann von Biron, dem Favoriten der Kaiserin Anna, zu überlassen, und in der Folge verhaftet und nach Sibirien verbannt wurde, vgl. Richter, Geschichte der Medicin, Bd. 3, 176f. M. Schendo van der Bech, »Praesens Russiae Literariae Status in Epistolam adumbratus«, Acta Physico-Medica Academiae Caesareae Leopoldino-Carolinae, Bd. 1, Nürnberg 1727, 131–149. Eine russische Übersetzung (»O nastojasˇcˇee sostojanie prosvesˇcˇenija v Rossii«) ist 1842 in der Zeitschrift Syn Otecˇestva, 5–35, publiziert worden. Schendo, Praesens Russiae Literariae Status, 133: »Heroica Magnanimi Petri. Imperatoris facinora, qua supra humanae fortis aleam exsurgunt, non priora noverunt, posteriora vix credent secula«. Peter hatte selbst 1714 in einer berühmt gewordenen Rede, wohl in Anlehnung an einen Brief von Leibniz von 1712, den Kreislauf der Wissenschaften mit dem Blutkreislauf (»dem Umlauff des Geblüts in dem menschlichen Cörper«) verglichen und die Überzeugung geäußert, »daß dieselbe dermahleinst ihren Wohnplatz in Engelland, Franckreich und Teutschland verlassen, sich einige Jahr-Hundert bey uns aufhalten und hernächst nach ihrer wahren Heimath in Griechenland wiederkehren werden«, Weber, Das Veränderte Rußland, 10f.; Wittram, Peter I., Bd. 2, 217f., 559f. Wittram, Peter I., Bd. 2, 121f. (dort das Zitat); Hughes, Age of Peter, 378–389; vgl. Scharf, »Aufklärung«, 193f.; Brewer, »Herrschaftslegitimation«, 257–264; Dixon Modernization,
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funktionelle Handhabung altbekannter Denkfiguren (das »bonum commune« des lateinischen und das »κοινόν αγαθόν« des byzantinischen Mittelalters) und ihre Akkommodation in einem neuen Kontext erkennen: Während im älteren Gebrauch das Gemeinwohl als ein zu bewahrendes und zu beschützendes Gut verstanden wurde, bezog sich seine Hervorhebung im ›Reformabsolutismus‹ auf seine aktive Produktion durch eine zielbewusste Regierung.104 Schendos stellt danach einige der Vertreter der »Russiae literariae« vor, unter anderen die bereits aufgeführten Feofan Prokopovicˇ (Ruthenorum Demosthenes), Petr Tolstoj (amplissimus vir) und Dimitrie Cantemir (sapientissimus princeps), sowie die griechischen Ärzte Miniatis und Polykalas. Ein besonderes Lob ist Kontoeidis vorbehalten, dem »Schmuck unseres Griechenlands« (Graeciae nostrae decus), dem eine hervorragende Bildung und ein hohes Ansehen attestiert werden.105 Von Kontoeidis sind außer einer Panegyrik zu Ehren des Hl.-Andreas-Ordens 1725106 keine Schriften erschienen, obwohl Schendos berichtet, die kirchenhistorischen und philologisch-theologischen Werke, die Kontoeidis im Auftrag der zarischen Regierung verfasst hatte, sollten bald publiziert werden.107 Doch James Cracraft hat bereits 1981 die Möglichkeit ins Spiel gebracht, Kontoeidis als den
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189–198; Tr. Maurer, »Rußland ist eine Europäische Macht. Herrschaftslegitimation im Jahrhundert der Vernuft und der Palastrevolten«, JGO 45 (1997), 577–596, hier 583–585. Zu seiner Aufnahme in die Herrschaftslegitimation von Fedor Alekseevicˇ (1682) als »obsˇcˇee dobro«, vgl. H.-J. Torke, »Fedor Alekseevicˇ«, in: ders. (Hg.), Die russischen Zaren, 1547–1917, München 19992, 129–137, hier 135; ders., »Autokratie und Absolutismus in Russland. Begriffserklärung und Periodisierung« in: U. Halbach u. a. (Hg), Geschichte Altrußlands in der Begriffswelt ihrer Quellen. Festschrift zum 70. Geburtstag von G. Stökl, Stuttgart 1986, 32–49, hier 43. Vgl. E. Sashalmi, »Some Remarks on the Typology of Official Petrine Political Ideology«, in: Mesto Rossii v Evrazii, Budapest 2001, 233–243, hier 233; Whittaker, »The Reforming Tsar«, 85; Härtel, Byzantinisches Erbe, 91; R. Herzog, »Gemeinwohl«, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 3, Darmstadt 1974, 248–258; G. Birtsch, »Aufgeklärter Absolutismus oder Reformabsolutismus?«, Aufklärung 9 (1996), 101–109. Schendo, Praesens Russiae Literariae Status, 137. Bezeichnenderweise lässt Schendos das andere griechische Mitglied der Synode, Anastasios Michail, unerwähnt. Umgekehrt ist in der Auflistung griechischer Gelehrter, die der Sekretär von Nikolaos Mavrokordatos, Dimitrios Prokopiou Pamperis, 1721 für die »Bibliotheca Graeca« des Johann Albert Fabricius zusammenstellte, von den »Russlandgriechen« allein Anastasios Michail angeführt, D. Procopii, »Επιτετμημένη απαρίθμησις των κατά τον παρελθόντα αιώνα λογίων Γραικών και περί τινών των εν τω νυν αιώνι ανθούντων« / Eruditorum Graecorum superioris & praesentis saeculi Recensio, Bibliotheca Graeca 11 (1723), 769–808, hier 803. [A. Kontoeidis], Slovo panegiricˇeskoe v ˇcest’ Kresta svjatago Andrea, Ordena slavnejsˇago pervenstvennych Kavalerov v svjasˇennorossijskoj imperii, St. Petersburg 1725. Außer dem Lob für Kaiserin Katharina I. und ihre mütterliche Liebe zu den Kavalieren des Ordens sind dabei kaum aktuelle Bezüge zu erkennen. »Quas vero Historico-Ecclesiastici ac Philologico-Theologici argumenti materias aula mandante scripsit ac par subsidia, quae eruditio suppeditat penitus excussit, lucem suo forsan tempore visurae, sapientum existimationem semper sustinebunt.«, Schendo, Praesens Russiae Literariae Status, 137.
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eigentlichen Verfasser (oder zumindest als den Co-Autor) der bedeutendsten Legitimationsschrift der petrinischen Reformen anzusehen, die sonst Prokopovicˇ zugeschrieben wird: des Traktats Pravda Voli Monarsˇei vo opredelenii naslednika derzˇavy svoej (1722, Das Recht des Monarchen in willkühriger Bestellung der Reichs-Folge in der deutschen Ausgabe von 1724).108 Kontoeidis hatte gegenüber dem englischen Geistlichen Thomas Consett behauptet, »he had a principal hand in composing it & the Bishop’s [= Prokopovicˇ] share was only to peruse & dispose the matter of it«109. Nun attestiert derselbe Consett dem griechischen Archimandriten einen Hang zu politischen Ambitionen (»I observe the best of his studies directed more to politics than to divinity« and »my Archimandrite plays the true politician, by forcing off hardest, when he would least receive a stroke«)110. Der russische Kirchenhistoriker Pavel V. Verchovskoj nannte ihn 1916 einen »Häscher«, der behauptet habe, »als Kommissar für die griechische Nation aufzutreten«111. Kontoeidis’ Briefe an seinen Freund Chrysanthos Notaras, 1710/11 aus Ias¸i versandt, zeichnen die Züge eines geistreichen, aber auch etwas anbiedernden und aufdringlichen Zeitgenossen.112 Doch das alles sollte nicht die Plausibilität von Cracrafts Hypothese anfechten. Obwohl die Infragestellung von Prokopovicˇs Autorschaft auf die Ablehnung des Herausgebers der modernen Edition des Traktats, Antony Lentin, gestoßen ist,113 lassen die Quellenlage und die von beiden Historikern akzeptierten Eigenheiten des Textes mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit vermuten, dass Prokopovicˇ zwar Vorwort und Schlussteil des Traktats selbst verfasste und die Leitlinie vorgab, die stilistisch abweichenden, sprachlich ungelenken und wohl ins Russische über108 Cracraft: »Did Feofan«, 175, Anm. 6; A. Lentin, Peter the Great: His Law on Imperial Succession in Russia, 1722. The Official Commentary, Oxford 1996, mit Ausgabe des russischen Textes, englischer Übersetzung und Anhang mit den Quellen des Traktats. 109 Cracraft: »Did Feofan«, 174. 110 Lentin, Peter the Great, 59. 111 Zitiert nach Benesˇevic´, »Anastasios Nausios«, 356. 112 Hurmuzaki, Documente, Bd. 14.3, 69–76, 83–87. Zu Kontoeidis vgl. Karathanasis, »Contribution«; M. Gedeon, »Αθανάσιος Κοντοειδής« [Athanasios Kontoeidis], Εκκλησιαστική ˇ istovicˇ, Feofan Prokopovicˇ, 93–97; Richter, Geschichte der Αλήθεια 3 (1882–83), 750f.; C Medicin, Bd. 3, 346f. Johannes Kohl, Professor der Petersburger Akademie, lobte seinen Freund Kontoeidis überschwänglich: »Athanasium Contoidi, natione Graecum, amicum meum ac fautorem omni animi cultu ac veneratione prosequendum: virtute, ingenio, doctrina, comitateque summum«, J. P. Kohl, Introductio in Historiam et Rem Literariam Slavorum, Altona 1729, 26. 113 Lentin, Peter the Great, 57–62; ders., »Prokopovich, Pravda and Proof: Some Myths about Pravda Voli Monarshei«, Specimina Nova, Pars Prima. Sectio Medievalis 5 (2009), 127–137; ders., »Some Reflections on Pravda Voli Monarshei«, Study Group of Eighteenth-Century Russia. Newsletter 24 (1996), 3–7. Ebenfalls ablehnend V. M. Zhivov, »Cerkovnye preobrazovanija v carstvovanie Petra Velikogo«, in: ders., Razyskanija v oblasti istorii i predystorii russkoj kul’tury, Moskau 2002, 364–380, hier 371. Dagegen zustimmend Scheliha, Universalkirche, 179f.
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setzten Hauptteile jedoch durchaus auf die Mitarbeit von Kontoeidis zurückgehen könnten. Von besonderem Interesse im Zusammenhang dieses Kapitels sind die Argumentationsbasis und die Referenzen des Traktats, das dem Zaren, unabhängig vom Prinzip der Primogenitur oder überhaupt jenem der Dynastie, die Legitimation zuspricht, seinen Nachfolger bestimmen zu dürfen.114 Während in der Forschung eher einseitig die Anlehnung der Argumentation an moderne Autoren, wie den explizit zitierten Hugo Grotius oder (auf spekulative Weise) Hobbes und Pufendorf, betont worden ist,115 besteht der überwiegende Anteil der Referenzen aus biblischen und byzantinischen Exempla sowie aus Verweisen auf die byzantinische Gesetzgebung. Was im Zusammenhang der »politischen Orthodoxie« zum »barocken Byzantinismus« und seinen Funktionen im Kontext des 17. Jahrhunderts gesagt wurde, sei hier in Erinnerung gerufen. Denn es wäre irreführend, anachronistische Dichotomien einzuführen und die byzantinischen Bezüge den frühneuzeitlich-naturrechtlichen gegenüberzustellen. Bezeichnenderweise werden aus modernen Juristen wie Grotius und Denis Godefroy sowie Kirchenhistorikern wie Baronius und Calvisius gerade byzantinische Referenzen zitiert. Es ist zu Recht bemerkt worden, dass der Autor des Traktats – ob Prokopovicˇ oder Kontoeidis, es handelt sich letztendlich um eine gemeinsame geistige Prägung – aus der modernen Literatur selektiv die Untermauerung des bereits Feststehenden ableitet, während abweichende Denkzweige ignoriert werden.116 Das 114 Eindeutig stellen die Affäre um den Thronfolger Aleksej Petrovicˇ, seine Verhaftung und sein Tod infolge von Folter im Jahr 1718 sowie der spanische Erbfolgekrieg (1701–1713) als abschreckendes Beispiel den Hintergrund der Initiative dar. Uneinigkeit herrscht bezüglich der Frage, ob Peter damit eine verhängnisvolle Innovation einführte oder im Gegenteil die russische Thronfolgetradition gegen eine europäische Tendenz zur Festlegung der Primogenitur verteidigte, vgl. L. Erren, »Feofan Prokopovich’s Pravda voli monarshei as Fundamental Law of the Russian Empire«, Kritika 17 (2016), 333–360, und die kritischen Bemerkungen von R. Wortman, »Intentions and Realities in 18th-Century Monarchy. New Insights and Discoveries«, ebenda, 361–377, hier 372–376; G. Stökl, »Das Problem der Thronfolgeordnung in Rußland«, in: H. Neuhaus, J. Kunisch (Hg.), Der dynastische Fürstenstaat. Zur Bedeutung von Sukzessionsordnungen für die Entstehung des frühmodernen Staates, Berlin 1982, 273–289. 115 Vgl. die Kritik an älteren Deutungen bei P. Bushkovitch, »Political Ideology in the reign of Peter I: Feofan Prokopovich, Succession to the Throne and the West«, in: DHI Moskau: Vorträge zum 18. und 19. Jahrhundert 11 (2012). URL: http://www.perspectivia.net/publika tionen/vortraege-moskau/bushkovitch_ideology [04. 05. 2017]; E. Sashalmi, »God-Guided Contract and Spiritual Sovereignity: The Muscovite Perspective of Pravda voli monarshei v opredelenii naslednika derzhavy svoej«, Specimina Nova, Pars Prima. Sectio Medievalis 5 (2009), 139–150; Erren, »Feofan«, 347; Cracraft, Petrine Revolution, 181–185. 116 »So wichtig und interessant es ist, welche Autoren Prokopovicˇ gekannt und benutzt hat, bedeutungsvoller ist, was er übernommen und behalten hat. Dabei zeigt sich zweierlei: erstens, daß er Material suchte, das die eigene, längst festgelegte Meinung nur noch bestätigen konnte; zweitens, daß Ost und West in ideologischer Hinsicht nicht durch eine unüberbrückbare Kluft voneinander getrennt waren.«, Härtel, Byzantinisches Erbe, 80f.; vgl.
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Byzantinische Reich des frühen 18. Jahrhunderts ist, übrigens auch für Peter selbst, noch nicht die dekadente Despotie der Aufklärung. Peters oft zitierter warnender Hinweis auf dessen Untergang – man habe sich in Byzanz aufgrund des übermäßigen kirchlichen Einflusses mehr um die Seelsorge als ums Militär gekümmert –117 hat vielleicht mehr mit Ivans IV. kritischer Sichtweise (wegen der aristokratischen Opposition gegen den byzantinischen Kaiser) als mit Montesquieus oder Voltaires Urteil gemeinsam. Er bezeugt keine »entschiedene Ablehnung des byzantinischen Beispiels«,118 so wie hierin kein Widerspruch zu Peters persönlichem Interesse an der byzantinischen Geschichte119 oder zum Gebrauch byzantinischer Beispiele für die Legitimation der Reformen besteht.120 Das bedeutet, um an ein früheres Beispiel wiederanzuknüpfen, dass, wenn Dositheos’ Mahnworte Peter nicht überzeugen konnten oder wenn sie ihm ›überholt‹ vorkamen, dann nicht, weil der Patriarch mit byzantinischen Bezügen aufwartete, sondern weil er in ausschließlich konfessionalistischen Kategorien argumentierte. Die Biographien Peters des Großen von Antonios Katiforos und Athanasios Skiadas lassen sich als Abschluss dieses Kapitels, als Abrundung der Rezeption Peters des Großen und seines »veränderten Russlands« durch die griechischen Zeitgenossen besprechen.121 Verfasst von zwei Autoren, die den typisch venezianisch-ionischen Hintergrund mit persönlichen Beziehungen zu Peters Russland verbanden, stehen die Biographien sowohl im Zusammenhang der europäischen postumen Stilisierung Peters als Prototyp des aufgeklärten Monarchen
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Sˇevcˇenko, »Byzantium and the East Slavs«, 108f; Ostrowski, Muscovy, 216f.; Maurer, »Rußland«, 594f.; P. V. Sedov, »The Role of Tradition in the Success of the Reforms of Peter I«, in: P. Bushkovitch (Hg.), The State in Early Modern Russia: New Directions, Bloomington IN 2019, 249–268; O. Tsapina, »The 1721 Church Reform and Constructing the Orthodox Tradition of Church-State Relations in Russia«, in: ebenda, 305–334, hier 314, 317. Vgl. Scheliha, Universalkirche, 145, 177f.; Kapterev, »Snosˇenija ierusalimskich patriarchov«, 370f., der von einer »entarteten Nation« (vyrodivsˇejusja nacija) in Peters Urteil ausgeht. Zur möglichen Nachwirkung von Peresvetovs Byzanzbild auf Peter vgl. Pogosjan, Peter I, 240. Wittram, »Peters des Großen Verhältnis«, 289; vgl. Maurer, »Rußland«, 594f. Vgl. F. T. Brechka, »Peter the Great: The Books he Owned«, The Journal of Library History 17 (1982), 1–15, hier 3. Vgl. Oswalt, »Die inneren Reformen«, 337, 345; A. Fenster, »Russland im System der europäischen Mächte 1721–1725«, in: HGR, Bd. 2.1, Stuttgart 1986, 349–362, hier 353. Vita di Pietro il Grande, Venedig 1736 (Katiforos’ Original); Βίος Πέτρου του Μεγάλου Αυτοκράτωρος Ρουσσίας [Leben Peters des Großen, des Imperators von Russland], 2 Bde, Venedig 1737 (Kangellarios’ Übersetzung); Γένος, ήθος, κίνδυνοι και κατορθώματα Πέτρου του Πρώτου [Geschlecht, Charakter, Abenteuer und Errungenschaften Peters I.], Venedig 1737 (Skiadas’ Werk). Zu den Biographien vgl. Kitromilides, Enlightenment and Revolution, 70, 82, 124f; ders., »War and Political Consciousness: Theoretical Implications of Eighteenth-Century Greek Historiography«, in ders., Enlightenment, Nationalism, Orthodoxy. Studies in the Culture and Political Thought of Southeastern Europe, Variorum, Aldershot 1994, Studie II; Cernovodeanu, »Pierre le Grand«.
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– sie stützen sich auf französisch- und italienischsprachige Vorlagen – als auch eines besonderen griechischen Interesses für die Figur des russischen Helden. Dem trägt Skiadas’ Vorwort Rechnung: »Allein unser Volk vermisste eine kompakte Erzählung der Errungenschaften eines solchen Mannes, eines solchen Monarchen, eines solchen Helden. Es vermisste solche Bücher in der eigenen Sprache, obwohl es mehr als alle anderen Völker Kenntnis davon erwünschte.«122 Erschienen sind die beiden Werke in Venedig während des nächsten russischosmanischen Kriegs (1736–1739), des ersten nach Peters Tod. Es ist trotzdem kaum überraschend, dass, abgesehen von einer Erwähnung der Hoffnungen Peters auf die Wiedererrichtung des Oströmischen Reiches und des »blonden Volks« nach dem Orakel im Epitaphium Constantini im Zusammenhang des Pruthfeldzuges bei Katiforos, die bekannten Topoi der auf Russland gemünzten Hoffnungen ausbleiben. Die Konjunktur dieser Vorstellung war ungeachtet des Krieges von 1736–39 eindeutig vorbei.123 Es scheint, dass die Konkurrenz zwischen den venezianischen Verlagshäusern den Ausschlag für die Publikationsdichte von einschlägigen Büchern in den Jahren 1736/37 gegeben hat.124 1736 (die Druckbewilligung trägt das Datum 14. Mai) publizierte der Verlag von Giammaria Lazzaroni die italienische Übersetzung des vierbändigen Werkes des französischen Hugenotten Jean Rousset de Missy (1686–1762), eines äußerst produktiven Publizisten, Historikers und Juristen.125 Am 28. Mai wurde die Bewilligung für die (noch anonyme) italienische Erstausgabe des Werks von Katiforos (Verlag Antonio Pitteri) erteilt. Im Jahr darauf (beide Druckbewilligungen stammen vom September 1737) wurden etwa gleichzeitig die zwei griechischsprachigen Editionen publiziert: zum einen die Übersetzung von Katiforos’ Werk ( jetzt mit Angabe des Autors) durch Alexan122 »Μόνον το ημέτερον γένος εστερείτο από μίαν συνεχή ιστορίαν των κατορθωμάτων τοιούτου ανδρός, τοιούτου μονάρχου, τοιούτου ήρωος, στερούμενον από τοιαύτα βιβλία εις την ιδίαν διάλεκτον, αγκαλά και πλέον πάντων επιθυμούσε την είδησιν«, Γένος, ήθος, κίνδυνοι, Vorwort; Legrand: Bibliographie hellénique XVII, Bd. 1, 256–259, wo Skiadas’ Vorwort nachgedruckt ist. 123 Vita di Pietro, 245; Βίος Πέτρου, Bd. 2, 13. 124 Vgl. zudem C. G. de Michelis, L. Ronchi de Michelis, »Un trattato italiano sulla Moscovia d’epoca petrina«, Europa Orientalis 4 (1985), 205–217. 125 I. Nestesuranoi, Memorie del Regno di Pietro il Grande, 4 Bde, Venedig 1736. Das französische Original: I. Nestesuranoi, Mémoires du règne de Pierre le Grand, 4 Bde, Den Haag 1725–1726. Das Pseudonym »Ivan Nestesuranoi« (Umschreibung von »Jean Rousset«) wählte der Autor als russisch klingend aus. Zum Werk, vielleicht eine Auftragsarbeit für den russischen Hof, die sich vornehmlich auf Weber stützt und von Voltaire als »typographischer Betrug voll von Lügen und Dummheit« auseinandergenommen wurde, Minzloff, Pierre le Grand, 42f.; Mezin, Vzgljad iz Evropy, Kapitel 3 und besonders 4; ders., »Gollandskij publicist Zˇan Russe de Missi kak biograf Petra I«, in: Rossija-Niderlandy. Dialog kul’tur v evropejskom prostranstve, St. Petersburg 2014, 442–457. Zu Rousset’s Rolle in der radikalen Frühaufklärung vgl. Israel, Enlightenment Contested, 396, 400–403.
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dros Kangellarios, einen Athener Buchredakteur und Übersetzer (Verlag Santo Pecora), zum anderen Skiadas’ Werk vom Verlaghaus des Antonio Bortoli. Bezeichnenderweise beklagt Skiadas in seinem Vorwort, er sei vom Verleger, »der das Buch schnellstmöglich drucken wollte, gezwungen [worden], in kurzer Zeit zahlreiche Taten kurzgefasst zu schildern, sodass eine unreife Frucht erschienen« sei.126 Antonios Katiforos aus Zakynthos, Absolvent des Collegio Greco in Rom, zu jenem Zeitpunkt (1736) ehemaliger Direktor der Flanginis-Schule in Venedig und ehemaliger Erzpriester (Oberhaupt der Orthodoxen der Insel anstelle eines Bischofs) von Zakynthos, gilt als bedeutender Vermittler des neuzeitlichen europäischen Denkens, eine Art Vorgänger der neugriechischen Aufklärung.127 Er wurde wahrscheinlich im Zeitraum 1714–1716 vom russischen Konsulat in Venedig (oder von Peters Favoriten Alexander Danilovicˇ Mensˇikov) nach Russland eingeladen, musste jedoch die Reise wegen eines Schiffbruchs in Amsterdam vorzeitig unterbrechen und gab den Plan schließlich ganz auf. Dass er in der Folge als »Agent Russlands«128 fungierte, ist nicht belegt, doch soll seine Vorgeschichte mit dem Auftrag, eine einbändige Biographie Peters des Großen zusammenzustellen, in Zusammenhang stehen.129 Auf seine Vorlagen bezieht sich Katiforos sowohl im Vorwort als auch immer wieder im Haupttext explizit, besonders auf Rousset (seine Hauptquelle), Weber und den Engländer John Perry in den französischen Übersetzungen ihrer Werke130 sowie auf Voltaires Biographie Karls XII. aus dem Jahr 1731. Sein Hauptanliegen und seine grundlegende Motivation für die eigene Initiative bestanden, so der Geistliche Katiforos, in der Widerlegung der scharfen Kritik der protestantischen Autoren (und Voltaires) an der
126 »βιαζόμενος ο τυπογράφος να τυπωθή το βιβλίον με ταχύτητα, ηναγκάσθηκα εις καιρόν ολίγον να γράψω πράξεις πολλάς εν συντομία και να δώσω εις φως καρπόν άωρον και ουχί ώριμον«, Γένος, ήθος, κίνδυνοι, Vorwort. 127 Vgl. Kitromilides, Enlightenment and Revolution, 39f.; M. Losacco, Antonio Catiforo e Giovanni Veludo interpreti di Fozio, Bari 2003, besonders 65–69, 91–98; A. Angelou, »Πώς η νεοελληνική σκέψη εγνώρισε το ›Δοκίμιο‹ του John Locke« [Wie das neugriechische Denken den Essay von John Locke kennenlernte], in: ders., Των Φώτων. Όψεις του Νεοελληνικού Διαφωτισμού [Aspekte der Neugriechischen Aufklärung], Athen 1988, 1–22. 128 So G. Kehagioglou, Πεζογραφική Ανθολογία. Αφηγηματικός γραπτός νεοελληνικός λόγος [Anthologie der neugriechischen narrativen Prosa], Bd. 1, Thessaloniki 2001, 557. Zweifelhaft ist auch, dass er Freimaurer wurde, vgl. A. Angelou, »Η καθίδρυση του ελεύθερου τεκτονισμού στον Νέον Ελληνισμό« [Die Etablierung des Freimaurertums in der neugriechschen Kultur], in: ders., Των Φώτων. Όψεις του Νεοελληνικού Διαφωτισμού [Aspekte der Neugriechischen Aufklärung], Athen 1988, 39–110, hier 88f. 129 Ab 1736 übernahm er für dasselbe Verlagshaus die Redaktion der jährlich erscheinenden Zeitschrift »Storia dell’ anno…«, für die er auch vom laufenden russisch-osmanischen Krieg berichtete. 130 Vgl. Minzloff, Pierre le Grand, 125f., 138f.
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katholischen und der russischen orthodoxen Kirche.131 Die Übersetzung von Kangellarios umfasst zwei Bände, da der Übersetzer, wohl in Absprache mit Katiforos, der auch manche Korrekturen beisteuerte, zahlreiche in der italienischen Ausgabe ausgelassene Dokumente von Rousset übernahm, übersetzte und als Appendix ein Wortverzeichnis mit »fremden Wörtern, für die es bei uns eines eigenen Begriffes mangelt«,132 zusammenstellte. Skiadas’ Werk stellt entgegen den widersprüchlichen Angaben in der Forschungsliteratur133 weder eine weitere Übersetzung von Katiforos’ Original noch ein gänzlich unabhängiges Buch dar. Er beruft sich zwar auf eigene Erfahrungen, sogar auf persönliche Erzählungen des Zaren und seiner Mitarbeiter,134 gibt aber ausdrücklich zu, sich auf die jüngst in italienischer Sprache publizierten Biographien zu stützen und diese vielerorts zu ergänzen und zu berichtigen. In der Tat scheinen Zugaben von Skiadas, wie etwa zur Rolle seines Landsmanns Georgios Polykalas bei den Verhandlungen zwischen Peter und Cantemir während des Pruthfeldzuges oder Korrekturen von übertriebenen Angaben zur Stärke von Truppen oder von irrtümlichen geographischen Angaben auf eigene, mündlich übermittelte Informationen zurückzugehen.135 Während Skiadas in Anlehnung an Rousset die politischen und militärischen Ereignisse in den Vordergrund stellt, widmet Katiforos in programmatischer Weise deutlich mehr Raum dem Reformwerk des Zaren und seiner Vorbildhaftigkeit.136 Ein besonders interessanter Aspekt der Übertragung von Kangellarios besteht daher in der begriffsgeschichtlichen Frage, wie bestimmte, mit ebenjenem Reformwerk verbundene, neuartige oder mit neuen Sinnzusammenhängen konnotierte Begriffe, welche neue Realitäten beschreiben sollen, ins Griechische übersetzt werden und den Lesern – die beiden volkssprachlichen Biographien 131 Dieser Aspekt wird auch in der Buchbesprechung bei der Novelle della Republica Letteraria (1739, 122f.) hervorgehoben, ohne allerdings den Rezensenten zu überzeugen, vgl. Minzloff, Pierre le Grand, 45f., der Katiforos (außer Plagiarismus obendrein) Obskurantismus vorwirft. 132 »τινών λέξεων αλλογενών, οπού υστερούνται ιδιολεξίας παρ’ ημάς«, Βίος Πέτρου, Bd. 1, Vorwort des Übersetzers. 133 Vgl. Karathanasis, »Contribution«, 180, Anm. 38; É. Legrand, Bibliographie Ionienne, Bd. 1, Paris 1910, 96. Dagegen korrekt bei Kitromilides, Enlightenment and Revolution, 125, und trotz der Häme auch bei Minzloff, Pierre le Grand, 46. 134 »ωσάν όπου έζησα εις το ρωσικόν βασίλειον χρόνους συνεχείς σχεδόν δεκατεσσάρους. Επειδή τους 1716 φθάνοντας εις την Δανιμάρκαν, εκεί πρώτον εγνώρισα τον αείμνηστον βασιλέα και περνώντας εις την Ρωσίαν έως τους 1730, εκείθεν δεν ανεχώρησα, εις τον οποίον καιρόν άλλα μεν των κατορθωμάτων του αυτοψί είδα, άλλα ή εξ αυτού (επειδή φιλοδιηγητής ήτον των ιδίων του έργων) ή εκ των μεγιστάνων του ήκουσα.«, Γένος, ήθος, κίνδυνοι, Vorwort. 135 Γένος, ήθος, κίνδυνοι, 290f. oder etwa S. 48: »ως ήκουσα έπειτα από ανθρώπους αξιοπίστους«. 136 Vgl. Kitromilides, »War and Political Consciousness«, 356f. (der neben Katiforos’ Absichten auch Skiadas’ utilitaristisches Verständnis von der Geschichte hervorhebt); Losacco, Antonio Katiphoro, 94–98.
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wenden sich an eine möglichst breite Leserschaft – als neues politisches Vokabular angeboten werden.137 Allen voran »Reform« selbst. Während im Russischen der Begriff vor dem 19. Jahrhundert noch nicht existierte und man die petrinischen Gesetze mit Vorstellungen von »Besserung«, »Korrekur« (ispravlenie) oder, religiös konnotiert, »Transfiguration« (preobrazˇenie) operierte,138 hatte sich schon seit dem späten 17. Jahrhundert die französische Neubildung »réformer« im Sinne von »Veränderung«, »Besserung« etwa im Deutschen und Italienischen eingebürgert.139 »Riforma« und »riformar« kommen in Katiforos’ Original immer wieder vor und werden als »Wandlungen« (μεταβολαί), aber auch als »Korrekturen« (διορθώματα) übersetzt.140 Etwa Peters berühmter Ukaz zum Scheren der Bärte, der zum Ziel hatte, »a riformare anche l’esteriore« (να διορθώση και το εξωτερικόν και φαινόμενον)141. Sein großartiges Projekt, »il grand disegno di riformar i suoi stati«, wird wörtlich als »Umgestaltung« wiedergegeben: »να μετασχηματίση τας χώρας της βασιλείας του«142. Dagegen werden pejorativ konnotierte Veränderungen bzw. die unbegründeten Ängste seiner ungebildeten Untertanen, Peter habe vor, auch den Glauben zu verändern, in den üblichen, im kirchlichen Gebrauch mit Häresie konnotierten Begriffen für Neuerung (novita, alterazione: νεωτερισμοί, καινοτομίαι)143 beschrieben.
137 Dasselbe gilt für Kangellarios’ Glossar im Anhang, das sich nicht »an die Kenner« wendet (το οποίον συντείνει ου προς τους ειδότας, αλλά προς τους χρήζοντας), z. B.: »εμφύλιος πόλεμος, μάχη ανάμεσον της αυτής φυλής και του αυτού γένους και τόπου«, »φυσιολόγοι, εκείνοι οπού καταγίνονται εις την έρευναν και γνώσιν της φύσεως, εκείνοι οπού ζητούν να εγνωρίσουν τα αποτελέσματα και βάθη της φύσεως«, Βίος Πέτρου, Bd. 2, 316, 341. 138 Vgl. P. Bushkovitch, »The Monarch and the State in 18th-Century Russia«, Kritika 4 (2003), 931–941, hier 935; M. Raeff, »La noblesse et le discours Politique sous la règne de Pierre le Grand«, Cahiers du Monde russe et soviétique 34 (1993), 33–45, hier 41; Härtel, Byzantinisches Erbe, 92; Whittaker, »The Reforming Tsar«, 85. 139 Vgl. E. Wolgast, »Reform, Reformation«, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5, Stuttgart 1984, 313–360, hier 339–341. 140 Z.B. »per venire a termine di tali riforme«, Vita di Pietro, 117; »διά να έλθουν εις τέλος αύται αι μεταβολαί«, Βίος Πέτρου, Bd. 1, 162 (im selben Absatz aber auch cambiamenti = μεταβολαί); »le regolazioni e riforme«, Vita di Pietro, 121; »τα διορθώματα και η μεταβολαίς«, Βίος Πέτρου, Bd. 1, 167. 141 Vita di Pietro, 115; Βίος Πέτρου, Bd. 1, 158. 142 Vita di Pietro, Vorwort; Βίος Πέτρου, Vorwort (ohne Paginierung). Bei Skiadas ist ausschließlich von Veränderung bzw. Wandel die Rede, z. B. »άλλαξε την τάξιν της πολιτείας με διαφόρους νόμους«, Γένος, ήθος, κίνδυνοι, 399. 143 Vita di Pietro, 93; Βίος Πέτρου, Bd. 1, 120f.; vgl. V. N. Makrides, »Greek Orthodox Compensatory Strategies towards Anglicans and the West at the Beginning of the Eighteenth Century«, in: P. M. Doll (Hg.), Anglicanism and Orthodoxy 300 Years after the ›Greek College‹ in Oxford, Oxford u. a. 2006, 249–287, hier 257. Katiforos hatte 1734 in seiner Grammatik ausdrücklich zwischen Neuerungen im Glauben und Neuerungen in den Wissenschaften unterschieden und Letztere positiv bewertet, vgl. Kitromilides, Enlightenment and Revolution, 40.
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Ebenso zentral ist der Begriff »civile«, der bei der Verwandlung der Russen von einem barbarischen in ein »zivilisiertes« bzw. im zeitgenössischen Deutsch: »policirtes« (im russischen »politicˇnyj«) Volk auftaucht.144 Die Kontrastierung des weisen Monarchen mit seinem ungebildeten, »barbarischen« Volk bildet auch in den Biographien den Hintergrund der Glorifizierung Peters. Dessen größte Errungenschaft sei es gewesen, »sein Volk zu zivilisieren […] durch eine wundersame, dennoch wahrhaftige Verwandlung, aus wilden und ungebildeten Tieren zivilisierte und gebildete Menschen zu machen«145. Peter verkörpert das Ideal des vollkommenen Herrschers, der für die Glückseligkeit seiner Untertanen – »das wahrhaftige Ziel, dem sich alle Überlegungen eines guten Herrschers widmen sollen« – in die Welt gekommen sei und »die große Kunst des guten Regierens« vorgeführt habe.146 Peter sei durch das Studium der antiken griechischen und römischen Geschichte147 und seiner eigenen Zeit zu einem »Politiker« geworden, jedoch ohne die pejorativen (machiavellistischen) Konnotationen des Begriffes, sondern als Adept einer »aufrichtigen und großmütigen
144 Vgl. I. Schierle, »Semantiken des Politischen im Russland des 18. Jahrhunderts«, in: W. Steinmetz (Hg.), »Politik«. Situationen eines Wortgebrauchs im Europa der Neuzeit, Frankfurt a.M. u. a. 2007, 226–247, hier 232–238; R. Vulpius, »Vesternizacija Rossii i formirovanie rossijskoj civilizatorskoj missii v XVII veke«, in: ders., M. Aust, A. Miller (Hg.), Imperium inter pares: Rol’ transferov v istorii Rossijskoj Imperii (1700–1917), Moskau 2010, 14–41, hier 18–20; Mezin, »Dva vzgljada«, 6. 145 »d’incivilir i suoi popoli, e di nobilatare la sua Nazione, ch’era sin allora restata affato rozza, per non dir barbara. Principe veramento ammirabile, perchè giurise a transformare con prodigiona, ma verissima metamorfosi bestie indocile e selso vagge in uomini colti e civili«, Vita di Pietro, Vorwort. »να κάμη πολιτικόν το λαόν του, και να ευγενίση το γένος του, το οποίον ως τότε ήτον τελείως χυδαίον και απαίδευτον, διά να μην ειπώ βάρβαρον. Βασιλεύς κατά αλήθειαν αξιοθαύμαστος επειδή έφθασε να μεταβάλη με μίαν θαυμασίαν, αλλά αληθέστατην μεταμόρφωσιν άγρια θηρία και απαίδευτα εις ανθρώπους πολιτικούς και πεπαιδευμένους«, Βίος Πέτρου, Bd. 1, Vorwort. 146 »che sembra venuto alla luce per esser nella grand’Arte di ben regnare ai successori del suo imperio un esactissimo exemplare, e agli ochi di tutto il mondo un portesto. Egli fin dagli anni piu teneri della fanciullezza mostrό d’essere nato unicamente per rendere felici i Popoli a se suggetti, che è il vero scopo, a cui devono tendere tutte le mire d’un buon Regnante«, Vita di Pietro, Vorwort. »Όστις φαίνεται να εγεννήθη εις τον κόσμον διά να είναι εις τους Διαδόχους της Αυτοκρατορίας του ένα ακριβέστατον πρωτότυπον εις την μεγάλην τέχνην του καλώς βασιλεύειν και ένα εξαίσιον θέαμα εις τα όμματα όλου του κόσμου. Αυτός έδειξεν εξ απαλών ονύχων, ότι εγεννήθη εις τον κόσμον διά να κάμη ευτυχές το υπήκοόν του, που είναι ο αληθής σκοπός, προς τον οποίον πρέπει να αποβλέπουν όλοι οι διαλογισμοί ενός αγαθού βασιλέως«, Βίος Πέτρου, Bd. 1, Vorwort. Zur Glückseligkeit (allein) seines Reiches (την ευτυχείαν της βασιλείας του) als Ziel Peters Skiadas: Γένος, ήθος, κίνδυνοι, 445. Ähnlich 75: »ήτον εις τα κοινωφελή πολλά περίεργος να μαθαίνη«, und 430: »όσα ημπορούσαν να ωφελήσουν το βασίλειόν του«. 147 »l’antica storia Greca, e Romana«, Vita di Pietro, 362. Kangellarios übersetzt: »την παλαιάν ιστορίαν Ρωμαίων και Ρωμάνων«, Βίος Πέτρου, Bd. 2, 279.
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Politik«148. Er habe erkannt, welchen Nutzen die Wissenschaften seinem Volk bringen konnten, und die Petersburger Akademie gegründet, wo Mathematik, Physik und auch »le belle lettere« (τα γραμματικά) nach dem Vorbild »der berühmtesten Akademien Europas« gelehrt werden sollten.149 Der kulturelle Transfer, der den Reformen zugrunde liegt, wird von Katiforos als solcher, als Transfer, gelobt, da Peter es (anders als Alexander der Große) verstanden habe, wie ein Philosoph zu reisen und mittels eines »lobenswerten und unschuldigen Diebstahls«, all das, was er beim »viver civile« (εις το πολίτευμα) der anderen Völker für gut befand, in sein Reich mitzunehmen.150 Diese »anderen Völker« (gli altri popoli) sind die besagten »nazione civile« Europas. Wenn auch im obigen Zitat, wie etwa auch in Michail Schendos’ Praesens Russiae Literariae Status,151 nicht ausdrücklich von den »europäischen« Völkern die Rede ist, so werden die Errungenschaften Peters und ihre Resonanz bei Katiforos und Skiadas konsequent auf einen europäischen Horizont projiziert, der weder allein geographisch noch vielmehr konfessionell definiert ist. Hatte Skiadas 1723 von »Europa erudita« gesprochen, überträgt er hier den Ausdruck ins Griechische: »η σοφή Ευρώπη«152. Peter entschied sich, die übrigen Reiche Europas zu 148 »e l’aveva renduto anche Politico ma d’una Politica franca e generosa«, Vita di Pietro, 362. »τον είχε καταστήσει και πολιτικόν, αλλά μιάς πολιτικής τέχνης ελευθέρας και μεγαλοπρεπούς«, Βίος Πέτρου, Bd. 2, 279. 149 »a norma delle Academie più illustri dell’Europa«, Vita di Pietro, 363. »καθώς και εις τας πλέον περιφήμους Ακαδημίας της Ευρώπης«, Βίος Πέτρου, Bd. 2, 280. 150 »Egli volle viaggiar da Filosofo, come aveano gia fatto i Pittagori, i Socrati, i Platoni. Volle puramente viaggiare per rubbare con furto lodevole ed innocente quanto v’avea di buono nel viver civile degli altri popoli, e portarlo a sui«, Vita di Pietro, 96f. »Ηθέλησε να ταξιδεύση ως φιλόσοφος, καθώς είχε κάμη τον παλαιόν καιρόν ο Πλάτων, ο Πυθαγόρας, ο Σωκράτης. Ηθέλησε δε να γένη απλώς και μόνον περιηγητής, δια να υποκλέψη με μίαν αθώαν και επαινετήν κλοπήν, ό,τι καλόν ήθελεν εύρη εις το πολίτευμα των άλλων Γενών και να το μεταφέρη εις τους τόπους της Βασιλείας του«, Βίος Πέτρου, Bd. 1, 126. 151 »Rudimentis itaque imperii feliciter jactis, duratis ad omnium laborum tolerantiam membris, seposita solii Majestate, Aulaeque splendore, peregrinas adire provincias non detrectavit, ut peculiares cultiorum regionum mores animosque perlustrando, exemplo monstrante viam, quod in suae ditionis terras emendatas induceret, aut ad Russicum stabiliendum Imperium conduceret, Autoptes sedulus investigaret«, Schendo, »Praesens Russiae Literariae Status«, 134. 152 Γένος, ήθος, κίνδυνοι, Vorwort; vgl. K. Th. Dimaras, »Η φωτισμένη Ευρώπη« [Das aufgeklärte Europa], in: ders., Ιστορικά Φροντίσματα [Historische Studien], Bd. 1, Ο Διαφωτισμός και το κορύφωμά του [Die Aufklärung und ihr Höhepunkt], Athen 1992, 115–129, hier 124; O. Katsiardi-Hering, »Identitätssuche und Europa-Bild der Neugriechen vom 17. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts«, in: H. Heppner, O. Katsiardi-Hering (Hg.), Die Griechen und Europa. Außen- und Innenansichten im Wandel der Zeit, Wien u. a. 1998, 31–68; N. Giakovaki, »Στον ορίζοντα της Ευρώπης. Το ευρωπαϊκό υπόβαθρο της νεοελληνικής ταυτότητας« [Am Horizont Europas. Die europäischen Grundlagen der neugriechischen Identität], in: V. Panagiotopoulos (Hg.), Ιστορία του Νέου Ελληνισμού 1770–2000 [Geschichte des Neuen Griechentums 1770–2000], Bd. 2, Athen 2003, 55–74, hier 62f.; P. M. Kitromilides, »Europe and the Dilemmas of Greek Conscience«, in: ders., An Orthodox Commonwealth. Symbolic
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bereisen,153 er verordnete Gesetze »nach dem Vorbild der anderen Höfe Europas«,154 »er wurde aufgrund seiner Siege gegen die Türken und noch mehr seiner Reformen von allen Höfen Europas bewundert«155. St. Petersburg habe er zu »einer der schönsten Städte Europas« gemacht, er habe »Europa zum Staunen gebracht«156. Ein einziges Mal heißt es bei Skiadas, Peter habe sich aufgrund seines angeborenen Intellekts als der Anerkennung und Bewunderung aller Völker, »vornehmlich des Westens« (εις όλα τα έθνη, μάλιστα της Δύσεως), würdig erwiesen.157 Peters Warnung vor dem Untergang des Byzantinischen Reiches referiert Skiadas zwei Mal. Der Zar habe das Beispiel der Griechen als Glaubensbrüder der Russen gewählt,158 zitiert wird aber auch sein Verweis auf die byzantinischen Kaiser, um seine Entscheidung bezüglich der Thronfolge zu rechtfertigen.159 Besonderes Augenmerk legt Katiforos auf Peters Kirchenpolitik. Zur schwierigsten unter all seinen Leistungen erklärt er, dass Peter »seinen Klerus aus der tiefen Unwissenheit gerissen« und die Geistlichen gezwungen habe, sich zu bilden und »gegen ihren eigenen Willen weise zu werden«.160 Doch Peter sei stets
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Legacies and Cultural Encounters in Southeastern Europe, Aldershot 2007, Studie XI. Zu »Europa« in der zeitgenössischen russischen Wahnehmung vgl. E. Klug, »›Europa‹ und ›europäisch‹ im russischen Denken vom 16. bis zum frühen 19. Jahrhundert«, Saeculum 38 (1987), 193–224, hier 199–205; Schippan, Aufklärung, 403. »Ήκουσε θαυμαστά και αξιοθεώρητα πράγματα και ήθη αξιομίμητα διά τους άλλους τόπους της Ευρώπης, όπου ετρόθη την καρδίαν να υπάγη ο ίδιος να τα ιδή […] αποφάσισε να υπάγη να περιδιαβάση τα άλλα βασίλεια της Ευρώπης, διά να στοχασθή τα εκεί ήθη, νόμους και τρόπους, και να εκλέξη εκείνα, όπου ήθελαν τον φανή πλέον αναγκαία να μιμηθή και το υποκείμενόν του«, Γένος, ήθος, κίνδυνοι, 62f.; »κατά τον τρόπον των ευτάκτων Ευρωπαίων«, ebenda, 99. »che volle anch’egli istituire in Moscovia ad imitazione delle altre Corti dell’Europa«, Vita di Pietro, 197. »Ηθέλησε να νομοθετήση εις την Μοσκοβίαν, κατά μίμησην των άλλων αυλών της Ευρώπης«, Βίος Πέτρου, Bd. 1, 284. »Le vittorie ottenure dal Czar Pietro sopra l’Imperio Ottomano, e molto più le regolazioni, e riforme stabilite nel suo, gli conciliarono appresso le Corti tutte dell’Europa tant’ ammirazione, che fugli dall’Universale applauso conferito il sopranome di ›Grande‹«, Vita di Pietro, 111. »Αι νίκαι όπου εκατόρθωσεν ο Αυτοκράτωρ Πέτρος εις το βασίλειον των Τούρκων, πολύ δε πλέον τα διορθώματα και οι μεταβολές, όπου εσταθέρωσεν εις το βασίλειόν του, τον έκαμαν τόσον αξιοθαύμαστον σιμά εις πάσας τας ηγεμονίας της Ευρώπης, όπου με κοινούς κρότους και ευφημίας επωνομάσθη Μέγας«, Βίος Πέτρου, Bd. 1, 167. Vita di Pietro, 142f.; Βίος Πέτρου, Bd. 1, 203f.; Γένος, ήθος, κίνδυνοι, 142. Γένος, ήθος, κίνδυνοι, 5. »…αφίνοντας των άλλων εθνών τα παραδείγματα, του φέρνει εκείνα των Ρωμαίων ως ομοπίστων, των οποίων οι Βασιλείς έπειτα οπού εδόθηκαν εις την οκνηρίαν, εις τας καλοπάθειας, και άφισαν τα άρματα, έχασαν το Βασίλειον, και έπεσε το γένος εις άπιστον και ανυπόφορον τυραννίαν«, »φέρνοντάς τους εις παράδειγμα τον αφανισμόν της βασιλείας των Γραικών αφότε αμέλησαν τα στρατεύματά τους«, Γένος, ήθος, κίνδυνοι, 352, 465. Γένος, ήθος, κίνδυνοι, 411f., 491; Βίος Πέτρου, Bd. 2, 166, 276f. »e quello che dee stimarsi più arduo, ritirar il suo Clero dall’ignoranza profonda, di cui parea si gloriasse, obligando i suoi Ecclesiastici ad applicar allo studio, e divenire quasi loro malgrado sapienti«, Vita di Pietro, Vorwort. »Και εκείνο οπού πρέπει να νομίζεται δυσκο-
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fromm gewesen, nahm an der Liturgie teil, wann immer es das Kriegsgeschehen zuließ, und sei den Dogmen der Ostkirche treu geblieben.161 Entgegen Voltaires Urteil, der Peter Indifferenz in religiösen Angelegenheiten attestiert hatte, betont Katiforos, der Zar sei durch den Umgang mit Gelehrten dazu gelangt, den wahren Kult Gottes vom Aberglauben der gemeinen Leute zu trennen. Daher konnte er sich tolerant gegenüber fremden Konfessionen in seinem Reich zeigen.162 Ein Vergleich mit Voltaires späterer (1759) Peter-Biographie – der französische Aufklärer hat ausgiebig Katiforos’ Werk verwendet –163 würde mehr Gemeinsamkeiten aufzeigen, als Katiforos’ apologetische Passagen vermuten lassen.164 Trotzdem dominiert beim griechischen Geistlichen das Bemühen, die Kritik am Aberglauben (superstizioni) und Intoleranz in einer Versöhnung von Offenbarung und Naturphilosophie einzubauen und die katholische und die orthodoxe Kirche gegen die Vorwürfe des Obskurantismus zu verteidigen.165 In der geistigen Atmosphäre der postkonfessionalistischen europäischen Staatenwelt findet Katiforos versöhnliche Worte nicht nur für die christlichen Konfessionen, sondern auch für die Osmanen, wenn er anlässlich des russisch-osmanischen Friedensschlusses 1713 von manchen »vornehmen und metaphysischen Erläuterungen« spricht, die »den Geist der Türken« weit weniger grobschlächtig erweisen, als »wir Christen es uns vorstellen«.166
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λώτερον, να ευγάλη τον κλήρον του από την βαθείαν αγνωσίαν, εις την οποίαν εφαίνετο να καυχάται, αναγκάζωντας τους εκκλησιαστικούς να καταγίνωνται εις την σπουδήν, και να γίνουν σοφοί και μη θέλοντες«, Βίος Πέτρου, Bd. 1, Vorwort. Vita di Pietro, 167; Βίος Πέτρου, Bd. 2, 287 sowie 77, als Zusatz in der griechischen Übersetzung. »… era giunto a discernere il vero culto di Dio, dalle vane superstitioni del volgo.«, Vita di Pietro, 373. »…έφθανε να διακρίνη ευτυχώς εκείνα οπού αποβλέπουσιν εις την αληθινήν λατρείαν του Θεού, από τας ματαίας δεισιδαιμονίας των χυδαίων ανθρώπων.«, Βίος Πέτρου, Bd. 2, 294. Vgl. A. Falcetta, »Diaspora ortodossa e rinnovamento culturale: il caso dell’abate grecoveneto Antonio Catiforo (1685–1763)«, Cromohs 15 (2010), 1–24, hier 15–19. Zu Voltaires Peter-Biographie vgl. Mezin, Vzgljad iz Evropy, Kapitel 3; Groh, Rußland im Blick Europas, 61–68; Mervaud, »Pierre le Grand«; V. Rjéoutski, »Voltaire, Pierre le Grand, la cour de Russie et la presse francophone éditée en Russie au milieu du XVIIIe siècle«, Vivliofika. E-Journal of Eighteenth-Century Russian Studies, 4 (2016), 72–89; Voltaire hat sein persönliches Exemplar von Katiforos’ Werk mit zahlreichen Unterstreichungen und Marginalzeichen (aber keine Kommentare) versehen, vgl. Œuvres complètes de Voltaire, Bd. 137 A: Corpus de notes marginales de Voltaire 2, hg. von N. Elaguina, Oxford 2009, 408–474. Die Apologie für Peters rücksichtsloses, gewaltsames Regieren teilen die beiden Biographien (ähnlich wie Skiadas oder Rousset), so wie ihnen auch die Überwindung der Barbarei und das Streben nach dem Gemeinwohl als Motive des Zaren gemeinsam sind. Vgl. Falcetta, »Diaspora ortodossa«, 22f. »alcune dichiarazioni tanto sottili, e metafisiche, che mostrano non esser lo spirito de’ Turchi ottuso e grossolano, come noi Christiani c’immaginiamo«, Vita di Pietro, 259. »κάποιες ξεκαθάρισες τόσον υψηλαίς και μεταφυσικαίς, όπου δείχνουσι να μην είναι τόσον αμβλύ και χυδαίον το πνεύμα των Τούρκων, καθώς ημείς οι Χριστιανοί νομίζομεν«, Βίος Πέτρου, Bd. 2, 36.
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Es ist vielleicht müßig, darüber zu streiten, welches Etikett dieser Einstellung am angemessensten wäre. Ob Katiforos nach K. Th. Dimaras einem späten »religiösen Humanismus« zuzuordnen wäre167 oder einer »christlichen Aufklärung«, wie sie in jüngsten Diskussionen skizziert wird,168 ist weniger entscheidend als die Ermittlung der teils widersprüchlichen intellektuellen Zweige und Traditionen, die in Katiforos’ Denken einfließen. Nicht allein die zahlreichen Maximen und Aphorismen, die Katiforos »zum Genuß des gelehrten Lesers« vor allem aus Tacitus in seine Erzählung einbaut, weisen etwa auf die barocke Tradition des sogenannten Neostoizismus hin.169 Diese Richtung scheint zudem den Erwartungshorizonten zumindest einiger Lesermilieus zu entsprechen, wie eine Handschrift aus dem Fürstenhof des Sohnes von Nikolaos, Konstantinos Mavrokordatos, nahelegt. In einer wohl um 1740 zusammengestellten Notiz sind Maximen aus der Biographie Peters, »συλλογή γνωμών και αποφθεγμάτων από του Πέτρου βασιλέως τον βίον«,170 abgeschrieben und aufgelistet. Das Bild des »veränderten Russlands« in den Schriften der zeitgenössischen griechischen Gelehrten, welche in der einen oder anderen Weise mit ihm in Berührung kamen, entspricht, so viel kann gesagt werden, maßgeblich dem Selbstbild der russischen Monarchie unter Peter und seiner direkten Nachfolgerinnen und Nachfolgern. Um auf die Frage nach dem Seitenblick zurückzukommen, den das Beispiel der griechischen Rezeption auf den Charakter der »petrinischen Revolution« erlauben mag, sollen zunächst die multiplen Richtungen und Formen des Transfers, den die vorgestellten Texte implizieren, in Betracht gezogen werden: Die griechischen Geistliche und Ärzte, die nicht primär als orthodoxe Glaubensbrüder, sondern aufgrund ihrer Ausbildung an europä167 Vgl. K. Th. Dimaras, Ιστορία της Νεοελληνικής Λογοτεχνίας [Geschichte der neugriechischen Literatur], Athen 19857, 109. 168 Vgl. H. Rosenblatt, »The Christian Enlightenment«, in: Cambridge History of Christianity, Bd. 7, Enlightement, Reawakening and Revolution, 1660–1815, hg. von St. J. Brown, T. Tackett, Cambridge 2006, 283–301; P. M. Kitromilides, »The Enlightenment and the Orthodox world: historiographical and theoretical challenges«, in: ders. (Hg.), Enlightenment and Religion in the Orthodox World, Oxford 2016, 5–16, hier 8 und 15 zum »religious Enlightenment«. 169 Vgl. U. Muhlack, »Tacitismus«, in: Der Neue Pauly, hg. von H. Cancik, H. Schneider, M. Landfester, URL: http://dx.doi.org/10.1163/1574-9347_dnp_e15303500 [06. 10. 2016]; ders., »Der Tacitismus – ein späthumanistisches Phänomen?«, in: N. Hammerstein, G. Walther (Hg.), Späthumanismus. Studien über das Ende einer kulturhistorischen Epoche, Göttingen 2000, 160–182. 170 BAR ms. roum. 603, f. 64v. Aus derselben Handschrift (f. 288) geht hervor, dass sich auch die Biographie von Skiadas in der fürstlichen Bibliothek befand. Zu den Übersetzungen ins Rumänische (aus dem Griechischen) vgl. Cernovodeanu, »Pierre le Grand«, 90f.; E. Dima, »Antonio Katiphoro, Vita di Pietro e le sue Versioni Rumene dell’Ottocento«, Journal of Educational and Social Research 7 (2013), 168–373.
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ischen Lehranstalten, d. h. ihres kulturellen Kapitals wegen, nach Russland eingeladen oder dort aufgenommen wurden, agierten dementsprechend als Akteure eines Kulturtransfers von Europa nach Russland. Gleichzeitig deuteten sie aber selbst diesen Transfer und den Wandel in Russland nicht in kulturgeographischen Kategorien, sondern als modellhaftes Ereignis mit übergreifender Bedeutung. Daher agierten sie, die Kenner Russlands, zugleich als Träger, Akteure des umgekehrten Transfers und wandten sich von Russland aus an die (west-) europäische sowie – das Beispiel der Biographien zeigt es – an die griechische Leserschaft. Auf diese Weise wurde Russland zu einem »shop window of the Enlightenment for all Eastern Europe«, wie es Jonathan Israel bezeichnete.171 Dass bei diesen multidirektionalen Transferbewegungen das jeweils Mittransfertierte nicht stabil oder fixiert blieb, sondern sich selbst veränderte und Wechselwirkungen auslöste, zeigt etwa die Arrangierung von zeitgenössischen Modellen der Herrschaftsrepräsentation in altbekannten und vertrauten Denkfiguren oder die Stilisierung Peters zum Vorbild für die aufgeklärten Monarchen Europas.172 Die Denkfiguren des Philosophenkönigs oder die Zitate aus Tacitus, Polybios oder Plutarch, die bei Katiforos die Reformen Peters legitimieren sollen, sind beispielhaft für die Interaktion der politischen Sprachen; dies wiederum legt nahe, nicht von einem Paradigmenwechsel zu sprechen.173 So lässt sich auch die notorisch komplexe Frage nach dem Verhältnis Russlands zu Europa, die nie zu einem definitiven Konsens geführt hat,174 differenzierter stellen. Geht man nämlich nicht von fixen Größen aus, sondern von einem historischen Prozess, bei dem die beiden Pole relational konstituiert werden, so kann man »ihre wechselseitige Beeinflussung ebenso wie den historischen Wandel gegenseitiger Abgrenzung«175 adäquater erfassen. Die Integration Russlands in die europäische Staatenwelt war gewiss eines der Hauptziele der petrinischen Reformen,176 doch entscheidend ist, dass sie untrennbar von der Kon171 Israel, Enlightenment Contested, 296. 172 Vgl. M. Aust, R. Vulpius, A. Miller, »Rol’ transferov v formirovanii obraza i funkcionirovanii Rossijskoj imperii (1700–1917)«, in: dies. (Hg.), Imperium inter pares, Moskau 2010, 5–13; Burke, Kultureller Austausch, 16–23. 173 Vgl. Pecˇar, Trampedach, »Biblizismus«, 6f. 174 Vgl. Giakovaki, Ευρώπη μέσω Ελλάδας, 62; M. Bassin, »Russia between Europe and Asia: The Ideological Construction of Geographical Space«, SR 50 (1991), 1–17. 175 A. Renner, »Die Erforschung der Langsamkeit. Russische Geschichte des 18. Jahrhunderts aus transnationaler Sicht«, Archiv für Sozialgeschichte 42 (2002), 297–314, hier 299. 176 Vgl. Cracraft, The Petrine Revolution, 185, 308f.; Blome, Das deutsche Rußlandbild, 165–182. Dabei orientierte sich Peter an bestimmten, sich anbietenden kulturellen Modellen: »Die Europäisierung Rußlands war im Wesentlichen aus der Begegnung mit der protestantischnordeuropäischen Variante der europäischen Kultur gewachsen.«, Hösch, Die Kultur der Ostslaven, 219; »What Peter wrought was not a turn toward Europe, but a turn toward Northern Europe, instead of Poland and Catholic Southern Europe«, Bushkovitch, »Change and Culture«, 314.
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stituierung eines als überkonfessionell (oder postkonfessionell) gedachten Europas ist. »In a sense, Russia had not entered modernity before his [Peters] reign, because there was no modernity for it to enter. The very term ›Europe‹ as distinct from ›Christendom‹ came into common usage at about the time of Peter’s celebrated embassy to the West.«177 Russland hat in diesem Sinne durch die petrinischen Reformen und durch Peters außenpolitische Erfolge selbst zur »Europäisierung«, zur Konturierung »Europas« beigetragen und war nicht allein davon betroffen.178 Im selben Sinne kann man das Verhältnis von ›Europa‹ zu ›Griechenland‹, dem als ›Wiege der europäischen Kultur‹ stilisierten klassischen Hellas, als auch der osmanischen Provinz des frühen 18. Jahrhunderts verstehen,179 nicht allein im Zusammenhang des »Philhellenismus« und seiner Genealogie und Entwicklungsgeschichte, sondern auch am Beispiel der hier interessierenden griechischen Gelehrten des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts, die ihre klassische Bildung bzw. ihre sprachliche Kompetenz an europäischen Höfen von London bis St. Petersburg als kulturelles Kapital und Legitimationsressource einsetzten. In einer solchen prozessorientierten, jedoch nicht teleologisch determinierten Sichtweise büßt auch ihre widersprüchliche Etikettierung als Späthumanisten, Frühaufklärer oder Vorgänger einer sich schon auf dem Wege befindenden neugriechischen Aufklärung ihre Schärfe weitgehend ein.180 Wenn man nämlich die verschiedenen Zeitschichten erkennt, die »mehreren Zeitebenen verschiedener Dauer und unterschiedlicher Herkunft, die dennoch gleichzeitig vorhanden und wirksam sind«,181 welche in ihrem Denken und in ihrem Vokabular, in 177 P. Dukes, »Introduction«, in: ders. (Hg.), Russia and Europe, London 1991, 7–9, hier 8. 178 Vgl. E. A. Zitser, »The Difference that Peter I Made«, in: The Oxford Handbook of Modern Russian History, hg. von Simon Dixon. Oxford Handbooks Online. URL: https://www.acade mia.edu/32670675/_The_Difference_that_Peter_I_Made_, 1–38, hier 11f. [05. 05.2017]; Lloyd, »Introduction«, 2–4. 179 Vgl. Giakovaki, Ευρώπη μέσω Ελλάδας, 344, 446–449. 180 Vgl. M. Pechlivanos, Εκδοχές νεωτερικότητας στην κοινωνία του γένους: Νικόλαος Μαυροκορδάτος – Ιώσηπος Μοισιόδαξ – Αδαμάντιος Κοραής [Varianten von Modernität in der frühneugriechischen Gesellschaft: Nikolaos Mavrokordatos – Iosepos Moisiodax – Adamantios Korais], Diss. Univ. Thessaloniki 1999, 38f. am Beispiel des Nikolaos Mavrokordatos und seiner widersprüchlichen Klassifizierungen. Zum Konzept einer neugriechischen Frühaufklärung vgl. J. Bouchard, »Νεοελληνικός Πρώιμος Διαφωτισμός. Ορισμός και περιοδολόγηση« [Neugriechische Frühaufklärung. Definition und Periodisierung], Κ. Περιοδικό Κριτικής Λογοτεχνίας και Τεχνών 11 (2006), 35–47. Zum russischen Beispiel vgl. Scharf, »Aufklärung«, 181, und die älteren Arbeiten: E. Winter, H. Mohr (Hg.), Frühaufklärung. Der Kampf gegen den Konfessionalismus in Mittel- und Osteuropa und die deutschslavische Begegnung, Berlin 1966; J. Tetzner, »Theophan Prokopovicˇ und die russische Frühaufklärung«, Zeitschrift für Slavistik 3 (1958), 351–368. 181 R. Koselleck, »Einleitung«, in: ders. Zeitschichten. Studien zur Historik, Frankfurt a.M. 2000, 9–16, hier 9; vgl. H. Jordheim, »Unzählbar viele Zeiten. Die Sattelzeit im Spiegel der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen«, in: H. Joas, P. Vogt (Hg.), Begriffene Geschichte.
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ihren Wahrnehmungen des kulturellen Wandels in Russland koexistierten, dann lässt sich die Periodisierungsfrage ohne Erkenntnisverlust verabschieden und auch ihr Verhältnis zu Europa historisieren. Dass sie als Akteure eines Transfers europäischer kultureller Bestände fungierten, stellt eine lediglich graduelle Veränderung zu den Beispielen früherer griechischer Gelehrter, wie Ligaridis oder die Leichoudis-Brüder, die von ihrer barock-jesuitischen Bildung schöpften, und keinen Bruch dar. Griechen und Russen mögen einander seit Peters Zeit immer deutlicher über europäische Umwege und Vermittlungen ›kulturell‹ begegnet sein. Dies taten sie gewissermaßen bereits zuvor; verändert hatten sich inzwischen aber sukzessiv nicht nur die beiden orthodoxen Kulturen, sondern vor allem das erst jetzt als gemeinsamer Referenzrahmen herauskristallisierte Europa.
Beiträge zum Werk Reinhart Kosellecks, Berlin 2011, 449–480. Zur Multitemporalität im petrinischen Russland vgl. E. A. Zitser, »Multitemporality and the Politics of Time in the Age of Peter the Great: Rethinking Russia’s ›Bing Bang‹«, in: P. Bushkovitch (Hg.), The State in Early Modern Russia: New Directions, Bloomington IN 2019, 269–304.
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Russland als orthodoxe Führungsmacht, der Zar als designierter Erbe der oströmischen Kaiser, Schutzherr und messianischer Erlöser der »gefangenen« Ostkirche aus der osmanischen Herrschaft: Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts gerieten diese Vorstellungen zum Topos, der Selbst- und Fremdwahrnehmungen der russischen Monarchie mitprägte. Ziel der vorliegenden Studie war es, die Genese dieses Vorstellungskomplexes in griechischen kirchlichen Gelehrtenkreisen, seine Verbreitung und seinen Wandel, mit einem Schwerpunkt auf die bislang zu kurz gekommene Rekonstruktion der wechselnden Kontexte, zu untersuchen. Die genealogische Herangehensweise bestätigte die Annahme, dass die Ausnahmekonstellation in der Mitte des 17. Jahrhunderts für die Herausbildung und Verbreitung der prägenden Vorstellungen von Russland und dem Zaren in der griechischen Kulturwelt sorgte. Die Koinzidenz und Konvergenz von verschiedenen gleichzeitigen Entwicklungen bildeten den Hintergrund hierfür: die Zuspitzung der Krise der osmanischen Machtzentrale während der ersten Jahre des Kretischen Kriegs, die Kosakenrevolte und die panorthodoxen Diskurse, die sie anfeuerte, die Kirchenreform Nikons, die Modellierung der Moskauer Monarchie gemäß einer byzantinischen Symbolik und nicht zuletzt das Erbe der konfessionspolitischen Aktivitäten von Kyrillos Loukaris unter seinen Nachfolgern. Die machtpolitischen Ambitionen und die damit einhergehenden Legitimationsbedürfnisse des aufstrebenden Moskauer Reichs trafen sich mit den konfessionspolitischen Projekten der griechischen Kirchenmänner. Deren ideologisches Angebot an den Zaren wurde weitgehend angenommen, weniger jedoch seine möglichen außenpolitischen Implikationen. Bestätigt wurde dabei auch, dass die Vorstellungen von der gegenwärtigen Stellung und der zukünftigen Sendung des Moskauer Zaren als Haupt aller Orthodoxen, ihm erst von außen herangetragen wurden. Bis zum Pruthkrieg kann von keiner aktiven russischen Propaganda unter den Balkanchristen die Rede sein. Dennoch war bereits seit den 1650er Jahren der Topos in den Wahrnehmungen der europäischen Diplomatie etabliert. Dasselbe gilt für die Hohe Pforte,
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die mit wachsender Unruhe die Beziehungen ihrer orthodoxen Untertanen mit dem aufstrebenden nördlichen Monarchen registrierte. Etwas überspitzt lässt sich die These aufstellen, dass Russland in diese ihr von außen zugedachte und zugeschriebene Rolle hineingewachsen ist und sich nach den diversen Erwartungen gerichtet hat. Auch was das chronologische Ende der Abhandlung angeht, konnten relevante Veränderungen im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts festgemacht werden, die es erlauben, von einem vorläufigen Abschluss der hier diskutierten Phänomene auszugehen. Das hat nicht nur mit dem nicht zu leugnenden quantitativen und qualitativen Rückgang der Verbindungen und Kontakte während der fast vierzigjährigen Zeitspanne von den letzten Jahren von Peters Herrschaft bis zu den ersten Katharinas II. zu tun.1 Auch der Wandel in der außenpolitischen wie der symbolischen Ausrichtung des Zarenhofs, wie auf der anderen Seite die erfolgreiche Integration der griechischen Eliten, geistlichen und säkularen, in die osmanische Verwaltung im 18. Jahrhundert – eine Integration, die besonders die im ersten Teil dieser Arbeit behandelten Loyalitätsdilemmata in eine deutlich veränderte Ausgangslage versetzte – legen es nahe, mit Peters Tod eine, letztlich konventionelle, Zäsur einzusetzen. Ein zentrales Anliegen dieser Studie war es, aufzuzeigen, dass die in ihrer Abundanz ermüdende Glorifizierung des Zaren durch seine griechischen Bittsteller und Panegyriker, weder als Ausdruck einer ideologischen Überzeugung noch als beliebiger und ausschließlich konventioneller Vorwand zu deuten ist. Entscheidend ist die Funktionalität des Herrscherlobs für beide Seiten: für die Legitimation des orthodoxen Monarchen, wie für den Anspruch der Lobredner auf Deutungshoheit über die Sanktionierung der rechtmäßigen imperialen Nachfolge und deren politisch-theologische Begründung – und gewiss auch für die Förderung von konkreten materiellen Interessen. Ein weiteres, damit verbundenes Anliegen, bestand darin, in Anlehnung an aktuelle Debatten in der osteuropäischen Geschichte und der Osmanistik, zu zeigen, dass etliche der in dieser Arbeit untersuchten Sachverhalte kaum einem orthodoxen Sonderweg, einer wie auch immer zu definierenden, vom westeuropäischen Kanon divergierenden Eigenart angehören, sondern durchaus gesamteuropäische Tendenzen, Erfahrungen und Konstellationen darstellen: Vom Biblizismus als politischer Sprache der Vormoderne, der (Re-)Sakralisierung monarchischer Herrschaft, der ›Erfindung‹ und Aktivierung imperialer Traditionen, wie etwa im Sinne der Vier-Reiche-Lehre, bis zur Vorstellung von politisch-konfessionellen Gemeinschaften im Zuge der Konfessionalisierung und nicht zuletzt dem Reformabsolutismus als mit dem christlichen Herrschaftsverständnis zu versöh1 Panchenko, Arab Orthodox Christians, 353–361; Taki, Tsar and Sultan, 93; Stavrou, Russian Interests, 16; Tchentsova, »The correspondence«, 488.
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nendem Legitimationsangebot, gehören die hier untersuchten Diskurse zum gemeinsamen Fundus der europäischen Frühen Neuzeit. Auch die, von den griechischen Panegyristen der Zaren exzessiv angewandten, byzantinischen Bezüge gehören in diesen europäischen Zusammenhang (daher der in der Arbeit verwendete Begriff eines »barocken Byzantinismus«) und stellen keine zeitlose Tradition dar. Die besonders im protestantischen Europa gängigen alttestamentarischen Modelle der Selbstdeutung und Rhetorik boten hier und dort Anknüpfungen zur byzantinischen Tradition. Kaum singulär – und deshalb für die Zeitgenossen plausibel – waren auch die auf den Zaren gerichteten messianischen Erwartungen. Ähnliche Vorstellungen und ihre Artikulation in Appellen, Memoranda und apokalyptischen Traktaten lassen sich im konfessionellen Zeitalter ubiquitär, etwa unter protestantischen Gemeinden in katholischen Territorien, festmachen. Spiegelbildlich zu den griechischen Quellen verhalten sich Texte aus islamischen Milieus, wie jenem der iberischen Moriscos oder der Tataren im Moskauer Reich, die ihre Befreiung vom ›Joch der Ungläubigen‹ durch den gottgesandten Erlöser, den osmanischen Sultan, imaginierten und im Dienste einschlägiger Projekte lobbyierten. Darüber hinaus versteht sich diese Arbeit, besonders in ihrem dritten Abschnitt, auch als ein Beitrag zur Erforschung von Modalitäten des kulturellen Wandels. Sowohl auf jenen Gebieten, wie der politischen Orthodoxie, der Translationsthematik und der Orakelliteratur, wo auf Aktivierung und Fixierung einer bewährten Tradition bestanden wurde, als auch bei der Rezeption des Neuen, das mit Peters Reformen zutage trat, hat man es mit Transferbewegungen zu tun, die als Neukontextualisierung und damit auch Verschiebung und Modifizierung von Bekanntem und Vertrautem beschrieben werden können. Das gilt gleichermaßen für die Definition der imperialen Würde des Zaren und seines Verhältnisses zur ostkirchlichen Hierarchie in den Begriffen einer auf Konstantin den Großen zurückgehenden Tradition, wie für die Umdeutung und Aktualisierung alter, inzwischen »eigentlich« überholter d. h. nicht bewahrheiteter Orakeln, oder für die Rezeption reformabsolutistischer Modelle durch antikchristliche Vorbilder des idealen Herrschers. Zusammenfassend kann dieser Wandel in zweifacher Weise beschrieben werden. In einen heilsgeschichtlich begründeten, politisch-theologischen Vorstellungskomplex vom Zaren als von Gott bestimmtem Schutzherrn der Ostkirche, Erbe der oströmischen Kaiser und Erlöser seiner »gefangenen« Glaubensbrüder, fließen graduell, besonders seit der Wende zum 18. Jahrhundert, Denkfiguren und Legitimationsmuster hinein, die in der Forschung gewöhnlich mit den zeitgenössischen Vorbildern des Reformabsolutismus, des Naturrechts und auch der Frühaufklärung konnotiert sind. Eine zweite Annäherung an die Qualität des Wandels wäre, die wechselnden Kontexte zu betonen. So ließe es sich folgenderweise umformulieren: Eine Vorstellung, die im Kontext der gesamteuropäi-
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schen Konfessionalisierungsprozesse, der Herausbildung von politisch-konfessionellen Gemeinschaften und der Wahrnehmungen der europäischen Politik in konfessionspolitischen Kategorien entstanden war, die Vorstellung einer einheitlichen orthodoxen Glaubensgemeinschaft unter der Leitung des Moskauer Zaren und der Patriarchen der Ostkirche, erfuhr in der hier behandelten Periode markante Modifikationen. Die Konstituierung einer post-konfessionalistischen europäischen Staatenwelt, die Ablösung der (lateinischen) Christianitas durch Europa, an dem potentiell Russen und Griechen, die orthodoxen Christen insgesamt, ihre Teilnahme beanspruchen konnten, ging einher mit Veränderungen in Russland selbst – Peters »Reformen« oder die »petrinische Revolution«, je nach Auslegung – und in den Konturen der griechischen Gelehrtenkultur. Russland konnte fortan für interessierte Kreise nicht allein messianische Hoffnungen, sondern auch ein politisches und kulturelles Vorbild verkörpern. Eine solche Interpretation kann im Lichte der in dieser Arbeit diskutierten Texte, Personen und Sachverhalte, der Ereignisse und ihrer Wahrnehmungen, Plausibilität und Gültigkeit beanspruchen. Gewisse Abwägungen und Präzisierungen sind dennoch hierzu nötig. Dafür, dass der Wandel nicht in den Kategorien des Bruchs oder des Paradigmenwechsels adäquat beschrieben werden kann, wurde im letzten Kapitel dieser Studie besonders anhand der begrifflichen Verschiebungen und der Neukontextualisierungen von überlieferten Denkfiguren und Modellen argumentiert. Die Kompromisse, die Synthesen und Überformungen, die Anpassungen und Akzentverschiebungen stellen aber nur einen Aspekt dieses Wandels dar. Denn das ›herkömmliche‹ Modell des frommen orthodoxen Zaren wurde durch das neue Modell des Reformkaisers nicht einfach modifiziert, geschweige denn abgelöst. Vielmehr kann von einer Koexistenz verschiedener »ungleichzeitiger« Vorstellungen nebeneinander ausgegangen werden – ein Umstand, der während der Wiederbelebung der Russophilie in der griechischen Kulturwelt im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, unter Katharina II., besonders manifest zutage tritt: Die »Semiramis des Nordens« als aufgeklärte europäische Monarchin, die durch ihren Sieg über die osmanische Despotie ihren befreiten Glaubensbrüdern die »Herrschaft der Gesetze« herbeiführen werde, erlebt neben dem »blonden Volk«, dies mithilfe von aktualisierten (Um-) Berechnungen byzantinischer Orakel (1773, 320 Jahre nach dem Fall von Byzanz sollte das vorausgesagte Jahr sein), eine Hochkonjunktur.2 In ähnlicher Weise lässt sich konstatieren, dass der Übergang von einem konfessionellen zu einem konfessionsneutralen, wenn auch nicht gleich säku2 Kitromilides, Enlightenment and Revolution, 126–133; ders., »Η πολιτική σκέψη του Ευγενίου Βούλγαρη« [Das politische Denken von Evgenios Voulgaris], Τα Ιστορικά 7 (12/13) (1990), 167– 178; Rotzokos, Εθναφύπνιση, 221–282; V. N. Makrides: »Orthodoxie und Politik. Die russischgriechischen Beziehungen zur Zeit Katharinas II.«, in: Cl. Scharf (Hg.), Katharina II., Russland und Europa. Beiträge zur internationalen Forschung, Mainz 2001, 85–119.
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laren, Kontext nicht als linearer Prozess zu verstehen ist. Die konfessionellen Gegensätze in Europa, die konfessionalistische Weltdeutung und Rhetorik, bildeten zwar den Kontext der Begegnung von Russen und Griechen seit dem späten 16. Jahrhundert. Ihre Zuspitzung während des Dreißigjährigen Krieges prägte die Vorstellungen einer orthodoxen Schicksalsgemeinschaft und die diversen panorthodoxen Visionen. Es war daher die Orthodoxie als gemeinsame Konfession, die den Nimbus des Zaren als künftigen Erlösers ausmachte. Nur als die Absurdität, die sie zu seiner Zeit schon war, kann die Meinung Jakob Philipp Fallmerayers angeführt werden, die Hoffnungen der Griechen auf die Russen seien mit ihrer unbewussten Blutsverwandtschaft zu erklären.3 Dennoch blieb der Anschluss an diesem Trend und die politische Orientierung an den Zaren als Option auch für Personen attraktiv, die sich weder als Vertreter einer militanten Orthodoxie verstanden, noch als solche auftreten mussten: etwa Athanasios Patellaros, Gerasimos Vlachos, Nikolaos Maritsis und, natürlich, Paisios Ligaridis. Die Glorifizierung des Zaren als Universalkaiser und seine Legitimation in den Begriffen des byzantinischen imperialen Erbes implizierte nicht in notwendiger Weise eine dezidiert orthodoxe, konfessionalistische Rhetorik. Analog dazu waren die Vorstellungen vom Zaren als Haupt der Orthodoxie in der Zeit Peters nicht obsolet geworden. Im Gegenteil, erst zu diesem Zeitpunkt wurden sie außenpolitisch verwertbar in den Versuchen der russischen Diplomatie, ein Kultusprotektorat über die Orthodoxen des Osmanischen Reiches zu erlangen. Der Patriarch von Jerusalem Dositheos war in der Lage, den Zaren als Säule der Orthodoxie zu preisen und – noch wichtiger – ihn aufzufordern, sich entsprechend zu benehmen. Gleichzeitig wurden die gängigen Hoffnungen auf den Zaren auch von »heterodoxen« Zeitgenossen des Dositheos geteilt, wie von dem unierten Professor der Universität Padua, Nikolaos Komninos Papadopoulos aus Kreta.4 Über das Themenfeld der russich-griechischen Beziehungen hinaus können folgende Feststellungen als Ergebnisse dieser Studie bzw. als Erkenntnisse, zu welchen diese Studie indirekt beiträgt, angeführt werden: Zunächst, was die griechische Kulturwelt und den Wissenstransfer aus frühneuzeitlichen europäischen Wissensordnungen betrifft, lässt sich anhand der hier diskutierten Vor3 »Es war ein Schrei der Natur.«, J. Ph. Fallmerayer, Geschichte der Halbinsel Morea während des Mittelalters. Ein historischer Versuch, Stuttgart u. a. 1830, Bd. 1, vi. Die diachrone griechische Nationalhysterie gegen Fallmerayers Theorie macht diese nicht ernsthafter. Das Wesentliche hat – auch hierzu – Elli Skopetea gesagt: E. Skopetea, Φαλμεράυερ. Τεχνάσματα του αντιπάλου δέους [Fallmerayer. Verfahren der Angst vor dem Feind], Athen 1999. 4 Gegenüber Constantin Cantacuzino (1699) und Chrysanthos Notaras (1700) äußerte er seine Begeisterung wie seine Enttäuschung jeweils für die Siege Peters des Großen und für den russisch-osmanischen Friedensschluss, A. Pippidi, »On Wallachia’s Relations with Padua« RESEE 26 (1988) 267–270, hier 268; Gedeon, Πατριαρχικαί εφημερίδες, 138.
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stellungen noch einmal konstatieren, dass das Zeitalter der Aufklärung keineswegs den Beginn von Transferbewegungen in eine vermeintlich traditionsverhaftete, autarke orthodoxe Gelehrtenkultur markiert. Ob man mit dem Begriff des Barock operiert oder andere Kategorien vorzieht, es lässt sich kaum bezweifeln, dass bereits die griechischen Gelehrten des 17. und frühen 18. Jahrhunderts europaweit und konfessionsübergreifend geteilte politische Sprachen beherrschten und gebrauchten. Dann, bezüglich der orthodoxen Kirche und ihrer Funktion als Teil der osmanischen Verwaltung bzw. als osmanische Institution, dürfte das Beispiel der außenpolitischen Aktivitäten griechischer Kirchenmänner zum einen gezeigt haben, dass Differenzierungen angebracht sind, sowohl was Periodisierung angeht – der Kontext des 17. Jahrhunderts lässt sich nicht mit jenem des 18. gleichsetzen – als auch Personen und Fraktionen innerhalb der kirchlichen Hierarchie. Zum anderen gilt es anzuerkennen, dass auch Illoyalität gegenüber der andersgläubigen Herrschaft grundsätzlich zu den osmanischen Realitäten gehörte. Im Zusammenhang der Forschung zur frühneuzeitlichen russischen Geschichte bekräftigen die Ergebnisse dieser Studie Forschungstendenzen, welche die Vorstellung eines »Durchbruchs der Neuzeit« vor oder während der Herrschaftszeit Peters I. infrage stellen und von komplexeren Temporalitätsmodellen ausgehen. Die Funktionen, die Russland in den politischen Vorstellungen der griechischen Kulturwelt im frühen 18. Jahrhundert aufweisen konnte – als orthodoxes Kaisertum in der Nachfolge von Byzanz aber auch als europäische Macht mit modelhaften Qualitäten, als Vorbild für den Eintritt einer orthodoxen Kulturwelt ins sich herauskristallisierende Europa – sprechen schließlich gegen anachronistische Ost-West-Gegensätze und ihre Projektion in die Realitäten der hier untersuchten Zeitspanne.
Anhang
1.
Gavriil Vlasios an den Zaren Michail Fedorovicˇ, 2. Februar 1644
RGADA f. 52, op. 2, nr. 209 |1 Κράτιστε, θεοτίμητε, γαληνότατε, θεόστεπτε, εὐσεβέστατε, θεομεγάλυντε, μεγαλοπρεπέστατε καὶ θεοφύλακτε ἅγιε |2 μέγα βασιλεῦ ἐλέῳ θεοῦ καὶ προνοίᾳ, μέγα αὐθέντα καὶ μέγα κνέζη Μιχαὴλ Θεοδωροβίτζη πάσης Ῥωσίας καὶ αὐτο- |3 κράτωρ Βλαντιμηρίου, Μοσχοβίας, Νοβογραδίας, βασιλεῦ Καζανίου, βασιλεῦ Ἀστραχανίου, βασιλεῦ Συμπηρίου, μέγα αὐθέντα Πσκοβίου, |4 μέγα κνέζη Σμολέντζκας, Ἰντιβερσκίας, Γιουργοσκίας, Παρμοσκίας, Μπολγαρίας, Τζερνιχοβίας, Ῥαζανίου, Πολοτκίας, Ῥοστοβίου, Ἰαροσλαβίου, |5 Πελοδερσκίας, Λιθλομοσκίας, Οὐντορσκίου, Κοντισκίας, και παντὸς βορείου μέρους ἡγεμών, και αὐτῶν τῶν ῥηθέντων πολλῶν αὐθεντῶν μέγα |6 αὐθέντα καὶ κατεξουσιαστά. Εὔχομαι Κυρίῳ τῷ Θεῷ τῷ ἐν Τριάδι ὑμνουμένῳ ὑγιαίνειν καὶ κρατύνειν τὸ ὕψος τῆς βασιλείας σου. |7 Νικητὴν καὶ τροπαιοῦχον ἐναντίον τῶν ἀοράτων καὶ ὁρατῶν έχθρῶν, τῶν πολεμίων τῆς ὁρθοδόξου καὶ ἀμώμου πίστεως |8 αναδεῖξαι μετὰ τῆς εὐσεβεστάτης καὶ θεοφρουρήτου βασιλίσσης κυρίας Εὐδοκίας καὶ τοῦ μεγαλοπρεπεστάτου καὶ πο- |9 λυχρονίου κνέζη κυρίου Ἀλεξίου προσφιλεστάτου ὑιοῦ τῆς ἁγίας σου βασιλείας, τοῦτε παντὸς παλατίου καὶ στρατοπέδου αὐτῆς, |10 καὶ ὑποτάξαι ὑπὸ τοὺς ἁγίους πόδας αὐτῆς πάντα πολέμιον, δοῦναι δὲ τὴν ἄφεσιν τῶν ἁμαρτιῶν, καὶ τὴν στερέωσιν τῆς ὑψηλοτἀτης |11 σου βασιλείας, ει᾿ς αι᾿ῶνα τὸν ἅπαντα. Ἄν καλᾶ καὶ πολυχρόνιε βασιλεῦ ταῖς περασμέναις ἡμέραις νὰ ἐπροσκύνησα τὴν ἁγίαν |12 σου βασιλείαν, μὲ τὸν κὺρ Παῦλον καὶ γράμμα μὲ αὐτὸν ἔστειλα καὶ τῆς ἐφανέρωνα τὰ πάντα, ὅμως διατὶ ἔχω ἀμφιβολίαν, ἴσως καὶ δὲν |13 εὑρη συντροφίαν νὰ ἔλθῃ μέσα ἐπειδὴ ἐπῆγεν ει᾿ς τὴν Λεχίαν, διὰ τοῦτο εὑρίσκοντας καὶ τὸν παρόντα τιμιώτατον κὺρ Ἰωάννην τοῦ Ματθαίου, |14 πιστότατον δοῦλον τῆς μεγάλης σου βασιλείας, καὶ υἱὸν κατὰ πνεῦμα ἡμέτερον ἀγαπητὸν καὶ περιπόθητον, ἠθέλησα καὶ δεύτερον νὰ κάμω |15 τὸ αὐτὸ πάλιν, διὰ νὰ πληρώσω τὸ δουλικὸν χρέος ὁποῦ πρὸς τὴν
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μεγάλην σου βασιλείαν ἔχω. Διὰ νέα τῆς Κωνσταντινουπόλεως ἀναφέρομεν |16 ὅτι ὁ βασιλεῦς ἐγνώρισε τόσον μὲ τὸ νὰ τοῦ φανερώσουσιν ἄλλοι, ὅτι πρέπει νὰ ἔχῃ καὶ αὐτὸς συμβούλους μουσαΐπιδες καθὼς |17 εἶχεν καὶ ὁ ἀδελφὸς του ὁ Μουράτης τὸν σιλικτάρη. Καὶ ἔτζη ἔκαμεν τὸν Ἰσοὺφ πασιὰν δεύτερον βιζύρην, καὶ ὁ βιζυραζέμ |18 Μουσταφᾶς ἠθέλησε νὰ ἐναντιωθῇ λέγωντας πῶς δὲν εἶναι τάξις, καὶ τὸν ὕβρισεν ὁ βασιλεὺς, καὶ τὸν ἐπρόσταξεν καὶ ἐφίλησεν |19 τὴν ποδιὰν τοῦ Ἰσοὺφ πασιὰ. Καὶ κρίνει καὶ αὐτὸς ει᾿ς τὸ σεράγιον του καὶ μαζώνεται λαὸς καὶ τοὺς ἐρωτᾷ πῶς ἀπερνοῦσι καὶ τὸ |20 ἀναφέρη τοῦ βασιλέως. Καὶ τὸν ἔχει ει᾿ς τὸν τόπον καθὼς εἶχεν ὁ σουλτὰν Μουράτης τὸν σιλικτάρη. Ἔκαμε καὶ ἄλλον ἕνα Ὁμέραγα |21 μουσαΐπη, καὶ τὸν κατὴ τοῦ Γαλατᾶ. καὶ τὸν μποστατζίπαση, καὶ τὸν γιανιτζάραγα, μάλιστα εἶπεν νὰ τὸν κάμῃ καὶ βιζιραζὲμ |22 καὶ ὁ Θεὸς νὰ νεύσῃ ει᾿ς τὴν καρδίαν του νὰ τὸν ἐξολοθρεύσῃ τὸν βιζύρην ὅτι εἶναι ἐχθρὸς μεγάλος τῶν χριστιανῶν, καὶ ὅσαις |23 ἐκκλησίαις ἐκάησαν δὲν ἀφίνει ὁ σκύλλος νὰ γένουσι, καὶ ἔκαμε πολλαῖς καὶ τούρκικαις μετζίτια · καὶ αἱ κατάραι τῶν χριστιανῶν |24 καὶ τῶν ἁγίων θέλουσιν ει᾿σακουσθῇ. Ει᾿ς τὴν Κωνσταντινούπολιν τρέχει λόγος πῶς νὰ μαζωχθῇ σεφέρι, ὅμως δὲν εἶναι φανερὸν ποῦ |25 θέλουσι νὰ κτυπήσουσιν. Ό κράλης τῆς Οὐγκρίας ἔχει πόλεμον μὲ τὸν βασιλέα Νέμιτζα διὰ ἕξι κάστρη ὁποῦ ἦτον |26 παλαιόθεν τοῦ κράλη, καὶ τῶρα τὰ γυρεύει. Ὁ αὐτὸς Νέμιτζας ἔχει πόλεμον καὶ μὲ τὸν κράλην τῆς Σβέτζιας. Ἡ βασιλεία |27 τῆς Κωνσταντινουπόλεως ἔστειλε καφτάνι καὶ σπαθὶ τοῦ κράλη τῆς Οὐγκρίας νὰ πολεμήσῃ μὲ τὸν Νέμιτζα. καὶ |28 ἐπρόσταξεν νὰ δώσῃ ἡ Μπογδανία χίλιους ανθρώπους, καὶ ἄλλους τόσους ἡ Βλαχία διὰ βοήθειαν, καὶ προχθὲς |29 ἐπήγασιν οἱ ἄνθρωποι ει᾿ς βοήθειαν μαζὶ μὲ τὸν ἐλτζῆ· Ὁ βασιλεὺς τῆς Φράντζιας μὲ τὸν βασιλέα τῆς Ἰσπάνιας |30 ἔχουσι καὶ αὐτοὶ μεγάλον πόλεμον καὶ ἐνίκησε διὰ τὴν ὥραν τὸ σεφέρι τοῦ Σπάνια. Ὁ πάπας τῆς Ῥώμης ἔχει πόλεμον |31 μὲ τὸν πρέντζιπα τῆς Βενετίας, τὸν δοῦκαν τῆς Φιορέντζιας, τὸν δοῦκαν τῆς Πάρμας, και μὲ τὸν δοῦκαν τῆς Μόδενας, |32 καὶ ὅλοι αὐτοὶ εἶναι ἐναντίον του. καὶ εἶναι μεγάλη σύγχυσις ει᾿ς ὅλην τὴν Φραγκίαν. Ὅμως ἡμεῖς ὡς ἄν ὀρθόδοξοι διὰ ἐκείνους |33 δὲν μᾶς μέλλει, μόνον ἀγαποῦμεν καὶ παρακαλοῦμεν τὸν Θεὸν ἡ ἁγία σου βασιλεία νὰ εἶναι ει᾿ρηνικὴ καὶ ἀσάλευτος, |34 ἐπειδὴ σὲ ἐχομεν βασιλέα ἐδικὸν μας καὶ πατέρα φιλόστοργον, καὶ μάλιστα τὸ γένος τὸ ἐδικὸν μας τῶν Ῥωμαίων ἐπειδὴ |35 καὶ ἐχάσαμεν τὸ βασίλειον ἀπὸ τὴν Κωνσταντινούπολιν, καὶ παρηγορούμεθα πῶς ἔχομεν τὴν βασιλείαν σου. Καὶ τόσον νὰ |36 εἶναι ει᾿ς τὴν Μοσχοβίαν καθῶς νὰ ἦτον καὶ ει᾿ς τὴν Κωνσταντινούπολιν πάλιν, δὲν εἶναι καμία διαφορὰ, μόνον ὁ τόπος |37 ἀλλάζει, ἀμὴ ἡ αὐτὴ βασιλεία εἶναι. Καὶ καθῶς ἀλλάχθη ἀπὸ τὴν Ῥώμην, καὶ ἐπῆγε τὸ βασίλειον ει᾿ς τὴν Κωνσταντινούπολιν, |38 ὁμοίως καὶ ἀπὸ ἐκεὶ πάλιν ει᾿ς τὴν Μοσχοβίαν καὶ καυχούμεθα ει᾿ς τὰ ἄλλα ἔθνη, πῶς δὲν ἐχάσαμεν ἡμεῖς οἱ Ῥωμαῖοι |39 τὸ βασίλειον, μόνον παρακαλοῦμεν νῦκτα καὶ ἡμέρα τὸν μεγαλοδύναμον Θεὸν μετὰ δακρύων νὰ φυλάττη ἀτάραχον |40 καὶ ει᾿ρηνικὴν τὴν ἁγίαν σου βασιλείαν, νὰ σὲ ἔχωμεν πάντοτε διὰ καύχημα, ἔπαινον, καὶ παρηγορίαν τῶν θλίψεων. Τρέχει λόγος |41 ἐδῶ πῶς οἱ Λέχοι νὰ ἐκτύπησαν τοὺς Τατάρους καὶ νὰ τοὺς ἐνίκησαν ἐπειδῆ καὶ ἐπῆγαν τριάντα χιλιάδες Τατάροι νὰ κουρσεύουσι. Τὴν αι᾿τίαν |42 λέγουσιν
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ὁποῦ ἐπαρακινήθησαν οἱ Τατάροι να ὑπάγουσιν, πὼς κάποια πεσκέσια καὶ χαρίσματα ὁποῦ τοὺς ἔδιδαν οἱ Λέχοι τὸν κάθε |43 χρόνον δὲν ἠθέλησαν νὰ τοὺς τὰ δὼσουσιν. Ἀκομὶ καὶ τὸν ἐλτζὴν ὁποῦ ἔστειλεν ὁ χάνης ει᾿ς τὴν Λεχίαν δὲν τὸν ἐτίμησαν, μόνον τὸν |44 ἄφησαν καὶ ἐστράφη πεζὸς καὶ μοναχὸς. Καὶ τρίτον ὅτι τὸν ἐλτζὴν ὁποῦ ἔρχοτουν ἀπὸ τὴν ἁγίαν σου βασιλείαν ὀπίσω τὸν ἔπιασαν |45 οἱ Κασάκοι καὶ τὸν ἔγδυσαν, καὶ ταῦτα τὰ τρία ἐπαρακίνησαν τὸν χάνην νὰ στείλη Τατάρους σεφέρια ἐναντίον τῶν Λέχων. Καὶ ποιῶν |46 τέλος παρακαλῶ τὴν μεγάλην σου βασιλείαν νὰ μὴ μᾶς ἀλησμονήσῃ ἀπὸ τὸ μέγα καὶ πλούσιον ἐλεός σου, καθὼς καὶ |47 ἄλλον καιρὸν, καὶ ἄν ὁρίσης στείλε μᾶς το μὲ τὸν παρόντα γραμματοκομιστὴν, καὶ ἡμεῖς χρεώσται παντοτινοὶ να πρεσβεύωμεν |48 περὶ τῆς ὑγείας καὶ στερεώσεως αὐτῆς, ἡ ὑπερούσιος καὶ μακαρία Τριὰς, ὁ Πατὴρ, ὁ Υἱὸς καὶ τὸ Ἅγιον Πνεῦμα νὰ τὴν σκέπῃ, αὐξάνῃ |49 ἀπὸ δυνάμεως ει᾿ς δύναμιν καὶ ἀπὸ δόξης ει᾿ς δόξαν ει᾿ς τοὺς ἀπεράντους αι᾿ῶνας, ἀμῆν:|50 ἐν Γιασίω, κατὰ τὸ, αχμδ΄ φευρουαρίου μηνὸς β΄, ἔτος σωτήριον |51 τῆς μεγάλης καὶ ἁγίας σου βασιλείας, δοῦλος πιστότατος καὶ εὐχέτης θερμότατος καὶ ἀδιάλειπτος |52 Γαβριὴλ ὀ Βλάσιος Κῆρυξ τοῦ εὐαγγελίου καὶ Διδάσκαλος |53 τῆς Μεγάλης τοῦ Χριστοῦ Ἐκκλησίας Anmerkungen Zeilen 16–21: Vgl. Hammer-Purgstall, Geschichte des Osmanischen Reiches, Bd. 5, 323–329. Zeilen 25–33: Zu den angeführten Kriegen und Bündnissen vgl. Setton, Venice, Austria and the Turks, 74, 79–82, 105f. Die Informationen, die Vlasios aus Ias¸i über die osmanischen, aber auch die zentral- und westeuropäischen Angelegenheiten berichtet, sind nicht aktuell. Dagegen beziehen sich seine Nachrichten über den polnisch-tatarischen Konflikt (Zeilen 41–45) auf den Sieg der Polen in der gerade stattgefundenen Schlacht von Ochmatów (20/ 30. Januar 1644).
2.
Ioannikios II., Patriarch von Konstantinopel an den Zaren Aleksej Michajlovicˇ, Juli 1648
RGADA f. 52, op. 2, nr. 310 |1 Ἰωαννίκιος ἐλέῳ Θεοῦ ἀρχιεπίσκοπος Κωνσταντινουπόλεως Νέας Ῥώμης καὶ οι᾿κουμενικός πατριάρχης |2 Εὐσεβέστατε, ὀρθοδοξότατε, ὑψηλότατε, ἀήττητε, γαληνότατε, θεοφρούρητε και θεόστεπτε βασιλεῦ καὶ αὐτοκρᾶτορ, νικητὰ, τροπαιοῦχε, ἀεισέβαστε, Ἀλέξιε |3 Μιχαηλοβίτζη· μέγιστε βασιλεῦ καὶ μονάρχα πάσης Ῥωσίας· τοῦ Βλαντιμέρου καὶ Νοβογρόντου· βασιλεῦ τῶν Καζάνων· βασιλεῦ Ἀσραχάνων· βασιλεῦ |4 Σιμπύρου, καὶ Ψκόβου, καὶ Τιβέρων, καὶ Γιαγόρων· καὶ αὐθέντα Περμίσκου, καὶ Βαντίτζκου· καὶ βασιλεῦ τῶν Βολγάρων, καὶ Νοβογράδου· καὶ πά- |5 σης τῆς γῆς Νιζώβου, καὶ Ῥεζάνου, καὶ Ῥωστόβου, καὶ Γιαροσλάβου· καὶ κατεξουσιαστὰ, ἕως τῶν Ἄσπρων Λυμνῶν· καὶ
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αὐθέντα τῶν Ἰδώρων, καὶ τῶν |6 Μποτόρων, καὶ τῶν Γκοζίκων, καὶ πάντων τῶν βορηνῶν μερῶν εὐεργέτα, καὶ αυθέντα· υἱὲ ἐν Χριστῷ τῷ ἀληθινῷ Θεῷ ποθεινότατε τῆς ἡμῶν με- |7 τριότητος, καὶ δέσποτα ἀγαθοδῶτα· χάριν, ἔλεος, ει᾿ρήνην, ὑγεῖαν, εὐτυχίαν, μακροημέρευσιν, νίκην κατ’ ἐχθρῶν ὁρατῶν καὶ ἀοράτων, καὶ πᾶν |8 εἴτι ἀγαθὸν, παρὰ Πατρὸς, Υἱοῦ, καὶ Ἁγίου Πνεύματος, τῆς μιᾶς θεότητος καὶ κυριότητος, εὐχόμεθα τῇ θεοσώστω καὶ γαληνοτάτῃ σου βασιλείᾳ, σὺν παντὶ τῷ |9 σεβασμιοτάτῳ ἐνδόξῳ παλατίῳ καὶ τοῦ στρατοπέδου αὐτῆς· παρ’ ἡμῶν δὲ εὐχὴν, εὐλογίαν, καὶ συγχώρησιν, καὶ εἴτι σωτήριον. Τὸ δὲ παρὸν ταπει- |10 νὸν γράμμα δὲν ἐγράφθη διὰ ἄλλην αι᾿τίαν πρὸς τὴν σὴν μεγάλην βασιλείαν, βασιλεῦ κράτιστε καὶ μονάρχα, παρὰ μόνον νὰ δώσωμεν εἴδησιν |11 ὡσαύτως ταπεινᾶ, νὰ καταλάβῃς καὶ νὰ πιστωθῇς θαυμαστότατα, τὰ ὅσα ἐσυνέβησαν τῶρα ἐκ Θεοῦ, καὶ έξ ἀνθρώπων. Ἐκ Θεοῦ δὲ λέγω, διὰ τὸν |12 φοβερώτατον σεισμὸν, ὁποῦ ἐγίνη, καθὼς οὐδεὶς ποτὲ τῶν ανθρώπων ένθυμᾶται νὰ ἐγένετο· διατὶ τὰ ὅσα ὁσπήτια ἐγκρεμνήσθησαν, ἀδυνατῶ νὰ |13 ὁμολογῶ. Μοναχᾶ ἄρχομαι νὰ διηγοῦμαι, διὰ τὰς δύο θαυμαστὰς κολῶνας, αἱ ὁποίαι ἦσαν στημέναι ἔκπαλαι, παρὰ τεχνιτῶν μεγαλωτάτων μαϊστόρων, |14 ἡ μὲν μία κολῶνα ει᾿ς τὸ λεγόμενον Ἀβρὲτ παζάρι, καὶ ἠ ἄλλη, ει᾿ς τὸ Ἄτ Μεϊτάνι. Αὖται γοῦν αἱ δύο κολῶναι, ὑψηλότατε βασιλεῦ, πολλάκις πολλὰς τα- |15 ραχὰς καὶ σεισμοὺς ὑπέμειναν, καὶ τὸ καθόλου δὲν ἐβλάφθησαν, οὔτε κἄν μία ἐραΐσθη, πάρεξ τῷ καιρῷ, ὅταν ἐπλάνεσαν οἱ Ἐβραῖοι τοὺς Τοὺρκους, καὶ |16 ἔδωσάν τους φλουρία πολλὰ καὶ τοὺς ἐτύφλωσαν, καὶ οὕτως ἀφῆκαν αὐτοὺς καὶ ἔβαλαν φωτία καὶ ἔκαυσαν ἐκείνην, ὁποῦ ἦτον ει᾿ς τὸ Ἀβρετ παζάρη, διὰ νὰ βγάλου- |17 σι τὸ μάλαγμα. Οἱ ὀποῖοι Ἐβραῖοι, ἐξόδευσαν μετὰ ταῦτα πολλὰ, ἔστωντας νὰ ῥαϊσθῇ ἀπὸ τὴν φωτίαν νὰ τὴν δαίσωσι, ἀλλὰ μὲ ὅλον τοῦτο ἐστέκετο πάντοτε στερεὰ, |18 καὶ ἕως τὴν σήμερον δὲν ἐγκρεμνήσθη. Ἀλλὰ τῶρα ἔπεσαν καὶ αἱ δύο ἀπὸ τοῦ φρικτοῦ μεγαλωτάτου σεισμοῦ, ὥσπερ οὐδεὶς τῶν ἀνθρώπων ἔλπιζε νὰ ι᾿δῇ |19 τοῦτο, καὶ ἐσκότωσαν ἀνθρώπους πολλοὺς. Τὰ δὲ ὅσα ἐξ ἀνθρώπων ἐσυνέβησαν, ει᾿σὶ τέκνον μου ἐν Χριστῷ ποθεινότατον καὶ χριστομίμητον, ἐκεῖ- |20 να ὅσα ἔπαθον οἱ Τοῦρκοι μετὰ τῶν Φραγγῶν, τῶρα πάλιν τὸν μῆνα Ἰούνιον. Διατὶ οι᾿ Φράγγοι, καθὼς ἐμπρόλαβαν, καὶ ἦλθαν καὶ ἔπιασαν τὸ μπογά|21 ζι, ἡ τούρκικη ἁρμάδα δὲν εἶχεν ἀπὸ ποῦ νὰ ἔβγῃ, νὰ ὑπάγῃ φαγητὰ καὶ βοήθειαν, ἐκείνων τῶν ἀλλουνῶν, ὁποῦ εὑρίσκονται ει᾿ς τὴν Κρήτην καὶ |22 φυλάγουσιν. Ὁ δὲ ἀσεβὴς καὶ ἀνόητος αὐτῶν βασιλεὺς Ἰμπραΐμης, ἔπρόσταξε κατὰ δυναστείαν νὰ ἔβγωσι, καὶ νὰ μὴ ποιήσωσιν ἀλλέως. Ἐκεῖνοι δὲ |23 μὴν ἔχοντες τὶ ποιῆσαι, ἐξέβησαν καὶ ὑπῆγαν ἐναντίον τῶν Φραγγῶν, καὶ ἐκτύπησαν αὐτοὺς οἱ Φράγγοι, καὶ ἄν δὲν εἶχαν ἄνεμον καλὸν οἱ Τοῦρκοι, |24 δὲν ἤθελε στραφῆ κανεὶς ει᾿ς τὰ ὄπισθεν. Λοιπὸν ἔπνιξαν καὶ ἐκαταπόντισαν οἱ Φράγγοι τῶν Τουρκῶν δέκα κάτεργα, καὶ φονεύοντες πολλοὺς ἐξ αὐτῶν, |25 ἐπῆραν καὶ μὲ τὴν ὁλότην δώδεκα κάτεργα, καὶ οἱ λοιποὶ μόλις ἐγύρισαν, καὶ ἐκλείσθησαν πάλιν ει᾿ς τὸ μπογάζι, οἱ δὲ Φράγγοι ι᾿σχυροὶ καὶ δυνατοὶ, |26 καὶ τοὺς φυλάγουσιν απἔξω φοβερώτατα καὶ ἄλλοι ἔπιασαν τὴν θάλασσαν ὄθεν κάμνει χρεῖα, καὶ ἄλλοι κουρσεύουσι τὰ περίχωρα. Διὰ τοῦτο μέγα κακὸν |27 καὶ ανεκδιήγητον, γίνεται ει᾿ς τοὺς ταλαιπώρους χριστιανούς, καὶ μόνον ἡ ἐξ ὕψους δύναμις νὰ βοηθήσῃ.
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Ὅσοι δὲ Τοῦρκοι ἔτυχαν καὶ εἶναι ει᾿ς τὴν Κρήτην, ἐκείνους |28 ἡ ὀργὴ καὶ ἡ κατάρα τοῦ δεσπότου μας Χριστοῦ ἐπερίλαβε, καὶ λιμώττουσιν ὡς κῦνες ὥσπερ ἐμάθομεν, καὶ ἄν βοηθήσῃ ὁ Θεὸς νὰ φυλάττουσι πάντοτε καλὰ οἱ |29 Φράγγοι νὰ μὴ τοὺς ὑπαγένῃ καμία τροφὴ, θέλει φάγει ὁ εἷς τὸν ἄλλον. Λοιπὸν ἦσαν καὶ τὰ περασμένα πολλά, ἀμὴ δὲν εἶχα πιστὸν ἄνθρωπον, νὰ τὰ μηνύ|30 σω ἐγγράφως· ἀλλὰ ἔστωντας καὶ νὰ εὕρω τῶρα κατὰ τὴν καρδίαν μου, ἄνδρας γνωστοὺς καὶ πιστούς, τὸν τε χαρτοκομιστὴν κὺρ Παναγιώτην ἀπὸ Παραμυθίας, |31 καὶ τὸν ὁσιώτατον ἐν ἱερομονάχοις κὺρ Ἱερεμίαν, ἄν ἦσαν καὶ ἄλλα περισσότερα κατὰ τῶν ἀθέων Τουρκῶν, δεν εὐλαβόμην νὰ γράψω, φανερώνων- |32 τας πάντα λεπτομερῶς πρὸς τὴν σὴν χριστιανικωτάτην βασιλείαν. Τῆς ὁποίας δίδωντας ὁ πολυέλεος Κύριος ἀγαθὴν ψυχὴν καὶ καρδίαν, καὶ ὡς ἐπιθυμοῦμεν |33 μακροζωΐαν ει᾿ς τὸν παρόντα αι᾿ῶνα, εἴθε νὰ μας ἀξιώσῃ νὰ ι᾿δοῦμεν τὴν βασιλικὴν της ὄψιν προσκυνοῦσα, ἐντὸς τῆς περιφήμου Ἁγίας Σοφίας, ἐν τῇ Νέᾳ |34 Ῥώμῃ τῇ βασιλευούσῃ τῶν πόλεων· καὶ καθὼς λογίζεσαι πολλῶν πόλεων βασιλεὺς, ἀκομὶ καὶ τοῦτο τὸ μεγαλεῖον νὰ ἀπολαύσῃς· διὰ τὸ ὁποῖον κλίνω ὡς |35 ἁμαρτωλὸς καὶ ἀνάξιος τοῦ παναγάθου Θεοῦ, καὶ ἄνω ὑψώνω τὰς χεῖρὰς μου, καὶ ἄν δὲν μὲ ἀφήσῃ νὰ τὸ ι᾿δῶ, ἄς γενῇ καὶ μετὰ τὸν θάνατόν μου. |36 Διατὶ πρὸς ἕνα ὀρθοδοξότατον ὡς τὴν βασιλείαν σου, ἀκομὶ καὶ τοῦτο ἁρμώζει καὶ πρέπει· τῇ ὁποίᾳ καὶ ἐδῶ ὑπερεύχομαι, νὰ μὴ παραβλέψῃ ὅσα ἐσημεί- |37 ωσα χωριστᾶ ὑπὲρ τῶν ἄνωθεν. Διατὶ ει᾿σὶν ἄξιοι ἐλεημοσύνης καὶ ἐπισκέψεως ὁ μὲν διὰ τὸ ἅγιον μοναστήριον, ὁ δὲ διὰ νὰ λυτρώσῃ τὰ γλυκύτατα τέκνα |38 αὐτοῦ, καὶ τὴν συμβίαν. Διὰ τὰ ὁποῖα ἐλέη, πολὺς θέλει ἔσται ὁ μισθός της, ἐν τῇ βασιλείᾳ τῶν οὐρανῶν· ἧς γένοιτο πάντας ἡμᾶς ἐπιτυχεῖν, ἐν Χρι- |39 στῷ τῷ ἀληθινῷ Θεῷ ἡμῶν· οὗ ἡ χάρις, καὶ τὸ ἄπειρον ἔλεος, καὶ ἡ εὐχὴ καὶ εὐλογία τῆς ἡμῶν μετριότητος εἴη μετὰ τῆς σῆς |40 θεοσώστου βασιλείας, ἀμὴν:|41 Ἐν μηνὶ Ἰουλίῳ, ᾿ινδικτιώνος α΄:Anmerkungen Zeile 1: Dieser Brief ist ein besonders anschauliches Beispiel für die Problematik der gefälschten Patriarchenschreiben, die bestimmten Personen – in der Regel den Briefträgern selbst – als Empfehlungsschreiben dienten. Wie Vera G. Tchentsova nachgewiesen hat, handelt es sich beim Schreiber des Briefs um Nikolaos Armiriotis, der sich in der fraglichen Zeit in der Moldau befand. (Tchentsova, »Pisec Nikolaj Armiriot«, 74, 76). Zudem lassen die Angaben über das Erdbeben vom Juni 1648 darauf schließen, dass der Urheber des Briefs kein Augenzeuge der Konstantinopler Ereignisse gewesen sein kann. Allerdings gleicht der Inhalt des Briefs späteren, nachweislich echten, Briefen des Patriarchen, wie etwa RGADA f. 52, op. 2, nr. 451 (Ioannikios II. an den Zaren Aleksej Michajlovicˇ, 5 Juni 1652, Schreiber Ioannis Karyofyllis). Ein Brief von Ioannikios II. an den Papst Alexander VIII. vom Februar 1657 von Paros aus, stimmt ausgerechnet in der Wendung über die Befreiung Konstantinopels und der Hagia Sophia mit dem vorliegenden (hier Zeile 33) überein (G. Hoffmann SJ, »Patriarch Ioannikios II.«, 296; vgl. Tomadakis, »Ο οικουμενικός πατριάρχης Ιωαννίκιος Β’ από Ηρακλείας«, 122f. zur Berichtigung des Datums, more veneto). Womöglich hat Nikolaos Armiriotis auf der Basis einer echten Briefvorlage des Patriarchen
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ein Empfehlungsschreiben für den im Brief dem Zaren empfohlenen Priestermönch Ieremias angefertigt. Zeilen 10–19: Sowohl die Angaben im Brief, als auch – mit diesen nicht identisch – die mündlichen Nachrichten, die Ieremias über das Erdbeben den Dolmetschern des Moskauer Außenamtes mitteilte, verwechseln unterschiedliche Säulen an verschiedenen Orten Konstantinopels: am Xerolophos, am Forum Constantini und am Hippodrom. Weder die Arkadius-Säule noch die Porphyrsäule sind im Erdbeben von 1648 zerstört worden. Einen Hinweis auf die Motivation für die Berichterstattung bieten die mündlichen Angaben von Ieremias über die sagenumwobene, in der Orakelliteratur prominenten, Xerolophos-Säule. Gemäß seinem Bericht sei auf der Säule eingraviert, dass ihr Einsturz den Sieg des christlichen Kaisers über die Türken ankündigen werde (a podpisano de, gosudar, bylo na tom stolpe, kak tot stolp rozsypletca, i togda de Turskoju zemleju obovladeet christijanskoj car’). In dieselbe Richtung gingen auch die Berichte anderer griechischer Informanten aus demselben Kreis. Für die Nachweise und deren Analyse siehe : V. Pringent, V. Tchentsova, »Quand la terre tremble: Catastrophe naturelle et propagande au XVIIe siècle«, in : Constantinople imaginaire. Autour de l’œuvre de Gilbert Dagron [Travaux et mémoires 22/1], Paris 2018, 179–209. Zeilen 20–29: Zu den im Brief angesprochenen Ereignissen des Kretischen Kriegs vgl. Setton, Venice, Austria and the Turks, 150; Eickhoff, Venedig, Wien und die Osmanen, 49– 57.
3.
Erzdiakon Makarios an den Zaren Aleksej Michajlovicˇ, 28. März 1655
RGADA f. 52, op. 2, nr. 536 f. 1 |1 Εὐσεβέστατε, χριστιανηκώτατε, θεόστεπτε, γαληνώτατε, μέγα κνέζη, ἐλέο Θεοῦ, καὶ μὲγα βασιλεῦ τῆς μεγαλωτάτης |2 πασῶν τῶν βασιλειῶν, περιφανεστάτης Μοσχοβίας· κύριε, κύριε Ἀλέξιε Μηχαϊλοβίτζι· μέγα αὐθέντα καὶ μέγα |3 βασιλεῦ παντὸς βορείου μὲρους· μέγα κνέζη καὶ κατεξουσιαστὰ, ἐλέω θεοῦ μέγα βασιλεῦ, Σμολέντζας· καὶ πάσης Λυτφανίας |4 καὶ Πολονίας· μέγιστε βασιλεῦ πάσις Ἱβεροίας· ὐπέρμαχε τῆς εὐσεβίας, χριστιανικώτατε καὶ θειώτατε βασιλεῦ, |5 ἡ παναγία Τριᾶς ὁ παντοκράτωρ Θεὸς ὁ ὑμνούμενος ὑπὸ τῶν ἐπουρανοίων δυνάμεων νὰ στερεώνῃ καὶ |6 νὰ διαφυλάττῃ τὸ κράτος τῆς μεγάλης καὶ ἁγία σου βασιλεία, καὶ νὰ ὑποτάξη πάντα τὰ ἔθνοι ὑπὸ τοὺς πόδας αὑτῆς, |7 πρὸς σύστασιν καὶ καταρτησμόν τῆς ὀρθοδοξίας ὡς τοῦ θεοστέπτου καὶ ει᾿σἀποστόλου Μεγάλου Κῶνσταντίνου· πατὴρ τῶν ὀρθοδόξων |8 βασιλέων· ὁ Κύριος ἡμῶν Ἱησοὺ Χριστὸς νὰ ἄρη σημίον τὸν θείον καὶ ζωοποιὸν αὐτοῦ σταυρὸν ει᾿ς πάντα τὰ ἔθνοι πρὸς ἐπί- |9 γνωσιν τῆς ἁμῶμου ἡμῶν πίστεως διαμέσου ἐνεργίας τῆς ἁγίας σου βασιλεία. Τρέμουσιν καὶ θρηνούσιν οἱ ἀσεβοῖς ὅλοι· |10 ἀφοῦ ἐσύκοσεν ἡ μεγάλη σου βασιλεία τὸ ζωοποιὸν σταυρὸν πρὸς παράταξιν ἐχθρῶν· ει᾿ς μεγάλην ἀπορίαν εἶναι θαυ |11
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μάζοντας τὶ νὰ κάμνουν. Ὁ κερὸς τῆς ἀπολύας τους ἔφθασεν, αὑτῶ λέγουσιν ὅλοι τους καὶ εἶναι συγχησμένοι πολὰ. |12 Τὸν χάνη, όντα τὸν ἔκαμαν ἐδώ, τὸν ἔμαθαν νὰ εἶναι ἐναντίος τῶν Καζακῶν· ὁ δὲ βεζύρις ὅποῦ ἔκαμαν τόρα ἐδῶ |13 τοῦ ήλθεν λόγος πῶς ἐνικήθηκαν οἱ Τατάροι. Ἐφοβήθηκαν δυνατὰ καὶ ἔγραψαν τοῦ χάνη νὰ κάμνει ἀγάπη |14 μὲ τὸν χάτμανων, ὁ δὲ χάτμανος ἡξεύρη καλὰ πῶς εἶναι ψεύταις οἱ ἀσεβεῖς καὶ δὲν τοὺς πιστεύη τὴν ἀγάπι τους, καὶ |15 τούτοι πολὰ τὸ λοιποῦνται· καὶ μάλιστα, πῶς ἔχουν καὶ οἱ Φράγγοι μεγάλοι ἀρμάδα, ἐφέτος παρὰ ἄλους χρόνους. |16 Ὁγδοήντα μεγάλα γαλόνια καὶ ἐξήντα κάτεργα ἔχουν οἱ Φράγγοι· ὅμως οἱ ἀσεβεῖς ὁλίγω κακὸν ἔχουν τοὺς Φράγγους, |17 ἀμη ὁ θανατός τους καὶ ὁ μέγας φόβος εἶναι οἱ Καζάκοι· ὅτι ἤκουσαν πῶς ἔχουν νὰ ἔρχουνται ει᾿ς τὸ Κρίμη |18 μὲ ὁκτακοσίαις σάϊκες καὶ μέγαν φόβον ἔχουν, μήπως ἔρχουνται καὶ ἐδὼ ει᾿ς τὴν Μπόλιν· ὅμως μελετοῦν |19 νὰ στύλουν μερικόν σεφέριν νὰ φυλάγουν ει᾿ς τὸ Ντούναβη, ὅτι φοβοῦνται πολὰ ἀπὸ τὴν μεγάλην σου βασιλείαν |20 ὅτι ἤκουσαν ταῖς ανδραγαθείαις ὁποῦ ὁ Θεὸς εἶναι με τὴν ἁγίαν σου βασιλεία καὶ ἐνίκησες τοὺς ἐχθροὺς καὶ αι᾿ρε |21 τικοὺς Λέχους καὶ φοβοῦνται ὅτι ἀκούγουσιν πῶς ἔρχεσε ἀπὸ τὴν Λεχία καὶ τὴν Μπογδανία. Μάλιστα οἱ μάντες καὶ |22 αστρολόγη τους αὐτὰ τοὺς λέγουσιν, ὅτι θέλουν νὰ χάσουν τὴν βασιλεία τους. Καὶ ὁ Θεὸς νὰ τὸ κάμνη ἀλοίθεια, |23 νὰ ἐλευθεροθοῦν οἱ χριστιανοὶ ἀπὸ τοὺς ἀσεβῆς. Ἔχουν καὶ ἐπιβουλή καὶ φθόνον πολῆ ει᾿ς αὐτὴν ὁποῦ ὁ Θεὸς εἶναι βοηθὸς |24 τῆς μεγάλη σου βασιλεία· καὶ συμβουλέβουνται καθεκάστιν. Ἀμει δὲν κοτοῦν νὰ τὸ φανερώσουν, μὲ ἕργον. Καὶ ἐγὼ |25 τὰ μαθένω ὅλα ἀπὸ ἕναν αὑθεντόπουλον χριστιανῶν, ὑιὸν τοῦ Ράνδουλα ὁποῦ εἶναι μέσα ει᾿ς ἕνα βεζήρη· |26 καὶ ὅλα τὰ ξέρη καὶ μοῦ τὰ λέγει· ει᾿ς τὸν ὁποῖον ἐπίγα καὶ τὸν ὅτζε Ἀρσένιον καὶ τὸν ἴδεν. Οἱ ἀσεβεῖς οὔτε πίστη |27 ἔχουν οὔτε ὄρκους κρατοῦν μόνε εἶναι ὀσὰν τὸ φίδει· καὶ ὁ Θεός νὰ συντρίψει τὰς κεφαλὰς τους μὲ τὸ χαῖροι τῆς ἁγιασου καὶ |28 κρατεᾶς βασιλεία· καὶ νὰ τοὺς ὑποτάξι ὑπὸ τοὺς πόδας αὐτῆς. Τὸν δὲ Βασὴλ βοεβόνταν πολὰ τὸν ἔχουν στενὰ |29 φυλακομένον, ει᾿ς τοὺς Ἐπτὰ Γουλάδαις, καὶ τοῦ λέγουν, διατί ἔδωκες τὴν κόρη σου τοῦ χάτμάνου, τῶν καζακῶν· |30 τὶ ἀγάπη ἤθελες νὰ ἔχης ἐσὺ μὲ τὸν ἐχθρὸν μας. Ταύτα τοὺ λὲν καὶ τοὺ ὁνυδύζουν· μόναι ὁ θεὸς νὰ τὸν ἐβοη |31 θήση τὸν χριστιανικώτατον καὶ ἐλεϊμωνικωτατον, Βασίλειον βοεβόντα, τὸν πιστὸν δούλον τῆς βασιλεία σου. Πολὰ καὶ ἄλλα ἔχουμεν f. 2 |1 ὅμως ὅλοι μας ἐδὼ οἱ χριστιανοὶ, πολὰ δάκρυ χίνομεν ει᾿ς τὴν συμφορὰν τοῦ Βασὴλ βοεβόδα· ὅτι |2 πολαῖς καλοσύναις εἴχαμεν καὶ ἐλεημωσύναις ἀπαυτόν, καὶ ὁ Θεὸς νὰ στερεὅνη τὴν μεγάλην σου καὶ ἁγίαν |3 βασιλείαν· ὁποῦ δύναται νὰ τὸν ἐλευθερώσει· ὅτι ἐμεῖς δὲν δυνόμέσται. Διὰ κάθε ὑπόθεσιν, |4 ἔστοντας καὶ δὲν εἶναι βολετὸν νὰ τὰ γράψομεν· ἔχομεν μάθημα, τὸν κύριον Νικολαοβίτζιν πιστὸν |5 δούλον, τῆς μεγάλη σου βασιλεία νὰ τὰ ἀναφέρνη, διὰ στόματος τὰ πάντα, μὲ τὸν ὁποίον ἤχα στύλη |6 καὶ πὲρση ἔνα βιβλίον τῆς ἁγία σου βασιλεία· Βαρύνον· ἀκούγοντας πῶς ἔχεται δυδάσκαλον αὐτοῦ |7 Ῥωμέον· καὶ εἶναι πολὰ χριαζούμενον. Ει᾿ς ὅτι δυνόμέσται, ἐξ ὅλης ψυχὴς, νὰ τὴν δουλέψομεν τὴν ἁγίαν |8 καὶ μεγάλην σου βασιλείαν. Ἔγινεν πάλην ὁ Ἰωαννίκιος πατριάρχης· οι᾿ δὲ χριστιανοὶ πολὰ ἐβαρέθηκαν |9 πλῆν τὶ νὰ κάμνουσιν, οι᾿ ἀσεβεῖς, μᾶς
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φτέγουν· καὶ αὐτοὶ ὁποῦ πηγένουσιν ει᾿ς του λόγου τους, ὁ Θεὸς νὰ |10 μὰς ἐγλυτόσει ἀπὸ τοὺς ἀσεβεῖς. Ἡ τρισυπόστατος Ἁγία Τριᾶς ὁ Θεὸς νὰ εἶναι βοηθὸς καὶ σκεπαστῆς τῆς ἁγίας |11 καὶ κρατεὰς σου βασιλεία· καὶ νὰ ὑποτάξει ὑπὸ τοὺς πόδας αὐτῆς πάντα εχθρὸν καὶ πολέμιον.|12 Καὶ ὅτι εἶναι τὸ ἕλος τῆς ἁγίας σου βασιλείας· νὰ εἶναι ει᾿ς τὰς χεῖρας τοῦ πιστού της δούλου Ἰωάννη |13 Νικολαοβίτζι· καὶ αὐτὸς εἶναι ει᾿ς τὰ πάντα· πρόθυμος καὶ πιστὸς:- αχνε΄ Μαρτήῳ 28 [Stempel von Makarios] |14 ὁ ἀρχιμανδρίτης ἐλάχιστος ἐν ι᾿ερομονάχοις |15 Μακάριος |16τοῦ πρόην πατριάρχου Ἱεροσολύμων κυρ Θεοφάνους |17 ἀρχιδιάκονος Anmerkungen f. 1, Zeile 4: Nach den Waffenerfolgen Aleksejs im Zweiten Nordischen Krieg nahmen kurzzeitig Paisios Lampardis und sein Kreis Polen in die Titulatur des Zaren auf. Zeilen 25–26: Zu Radu Mihnea’s Aufenthalt in Kosntantinopel vgl. Kármán, »The Networks of a Wallachian Pretender«. Zu Kenan Pascha, der mit der Wendung »bei einem Wesir« gemeint ist, vgl. Pa˘un, »Enemies within«, 218; Tchentsova, Ikona, 252. Mit »otse ( = otec) Arsenios« ist Arsenij Suchanov gemeint. Zeile 29: Die Festung Yedikule (Heptapyrgion = Sieben Türme) diente, wie hier im Falle Vasile Lupus, als Gefängnis für in Ungnade gefallene Würdenträger. Vgl. K. Kreiser, Istanbul. Ein historischer Stadtführer, München 2013, 73–75. f. 2, Zeile 6: Gemeint ist das Griechische Wörterbuch des Bischofs von Nocera, Varinus Favorinus Camers (1450–1537). Erste Ausgabe: Dictionarum magnum ac perutile Varini Phavorini Camertis, Rom 1523.
4.
Konstantin S¸erban, Ex-Fürst der Walachei an den Zaren Aleksej Michajlovicˇ, 21. April 1662
RGADA f. 68, op. 2, d. 35 f. 1 |1 Τῷ πανυπερβλήτῳ, φιλοχρίστῳ, θεοφρουρήτῳ καὶ ἀηττήτῳ |2 κρατίστῳτε καὶ μεγίστῳ βασιλεῖ Μεγάλης Μοσχοβίας τῆς τε |3 Μεγάλης καὶ Μικρὴς Ῥωσίας κυρίῳ κυρίῳ Ἀλεξίῳ Μι-|4 χαηλωβίτζῃ τὴν ἐδαφιαίαν ἀπονέμω εὐλα- |5 βῶς προσκύνησιν:|6 Δύο ἐκλεκτὰ καὶ περιβόητα δημϊουργήματα ὁ τῶν ὅλων πάνσοφος δημιουργὸς ἀνάμεσα ει᾿ς ὅλα του τὰ δημι- |7 ουργήματα ἐδημιούργησεν, ει᾿ς τοὺς οὐρανοὺς τὸν ἡλιον, καὶ ει᾿ς τὴν γὴν τὸν ἄνθρωπον. Τὰ ὁποία καὶ |8 μὲ ὡραιώτατον καλλωπισμὸν τὰ ἐστόλησεν, τὸν μὲν ἥλιον ἐπάνω ει᾿ς ὅλα τὰ ὁρατὰ φῶτα πρῶτον κατά- |9 στενοντὰς τον, τοῦ ἐχάρησεν τὴν ἀνεξάντλητον πηγὴν τοῦ φωτὸς καὶ τὴν ἀέναον κίνησιν, ἀπὸ τὸν ὁποῖον |10 ὅλα τὰ ἄστρα ἀπλανὴ τε καὶ πεπλανημένα τὸ φῶς διαδέχονται. Τὸν δὲ
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ἄνθρωπον πάλιν ἐπάνω ει᾿ς ὅλα τὰ ἐ- |11 πίγεια κτήσματα ἄρχοντα καὶ βασιλέα τὸν ἐκατάστησεν ἄρχειν πάντων τῶν ἐπὶ τῆς γῆς, ει᾿ς μὲν τὸν ἥλιον |12 δείκτοντας τον τὴν ἄπειρον αὐτοῦ δύναμιν, ει᾿ς δὲ τὸν ἄνθρωπον τὸ ἀκαταμάχητον αὐτοῦ κράτος. Καὶ ἀπὸ μὲν τοῦ ἡλίου τὴν |13 κίνησιν οἱ τέσσαρες γίνονται καιροὶ, τὸ ἔαρ δηλαδὴ, τὸ θέρος, φθινόπωρον καὶ ὁ χειμών. Ει᾿ς δὲ τὸν ἄνθρωπον πάλιν |14 αἱ τέσσαρες γενοῦνται πρωτεύουσαι ἀρεταὶ· φρόνησις, σωφροσύνη καὶ ανδρεία καὶ δικαιοσύνη. Ἀλλὰ ποῖος τάχα εἶναι τοῦτος ὁ |15 βασιλεύων ἄνθρωπος. Ει᾿ μὲν καὶ τὸ ἐξετάσωμεν κατὰ τὴν γραφὴν εὑρήσωμεν ἀναμφιβόλως τὸν πρῶτον ἄνθρωπον |16 τὸν Ἀδὰμ. Ει᾿ δὲ πάλιν κατὰ τὴν ἐπαγγελίαν ὁποῦ εἶπεν τοῦ Δαυίδ εἶναι βέβαια ἡ χριστομίμητος καὶ θεο- |17 στεπτὸς της βασιλεία, ἡ ὁποῖα φυλλάξασα τὰς εντολὰς τοῦ Κυρίου μέχρι τοῦ νῦν ἔχει τὰ σκῆπτρα, τὸ στέμμα, καὶ |18 τὴν ἐξουσίαν. Καὶ καλὰ καὶ τὸ δυστυχὲς γένος τῶν Ῥωμαίων διὰ πολλαῖς αι᾿τίαις νὰ ἔπεσεν ει᾿ς τόσον διάστημα |19 καιροῦ ει᾿ς τὰς χεῖρας τοῦ αι᾿μοβόρου καὶ ἀκορέστου λέοντος ὅμως πάλιν μὲ τὴν θεολογικὴν ἐκείνην ἀρετὴν |20 τὴν ἐλπίδα, προσδοκεῖ πάλιν τὴν επανάληψιν καὶ τὴν ἐλευθερίαν πρῶτον ἐκ Θεοῦ, καὶ δεύτερον ἀπὸ τὴν |21 θεοπρόβλητον καὶ ἀήττητόν της βασιλείαν. Διατὶ ἄν καὶ πολλοὶ στέμμα καὶ ἐξουσίαν κατὰ τὸ νῦν ἐπὶ τῆς γῆς |22 νὰ ἔχουσιν ὅμως ει᾿ς οὐδένα τούτων ἡ προειρημέναις διασώζονται ἀρεταῖς, ἡ φρόνησις δηλονότι, ἡ σωφροσύνη καὶ |23 ἡ δικαιοσύνη μὲ τὴν ἀνδρείαν. Μήτε τὸ πολυθρύλλητον της ἔχουσιν ὄνομα τὸ συμμαχίας ἀναπλέον καὶ κράτους |24 ἀκαταμάχητον. Περὶ οὗ ὀνόματος καὶ Δαρεῖος ει᾿ς οὐρανὸν τὰς χείρας ἐκτείνοντας τέτοιας λογῆς τὸν θεὸν καθικέ- |25 τευεν. Ἀλλ ὧ Ζεῦ βασιλεὺ ὅτω ἐπιτέτραπται τὰ βασίλεια πράγματα νέμειν ἐν ἀνθρώποις, σὺ νῦν μάλιστα μὲν |26 ἑμοὶ φύλαξον Περσῶν τε καὶ Μήδων τὴν ἀρχὴν ὥσπερ οὖν καὶ ἔδωκας. Ει᾿ δὲ δὴ ἐγὼ οὐκ ἔτι σοι βασιλεὺς τῆς Ἀσίας, |27 σὺ δὲ μηδενὶ ἄλλῳ ὅτι μὴ Ἀλεξάνδρῳ παραδοῦναι τὸ ἐμὸν κράτος. Τοῦτ’αὐτὰ τὰ λόγια καὶ ἡ ταλαίπωρος Ἑλλὰς |28 φαίνεται νὰ λέγει παρακαλοῦσα τὸν ὕψιστον Θεὸν ὅτι ει᾿ μὲν καὶ ἡ ἀκατάληπτος σου πρόνοια ἐν καιρῶ ἐπισκοπῆς |29 σου μέλλει νὰ μὲ ἐλευθερώσῃ ἄλλῳ μηδενὶ ὅτι μὴ Ἀλεξάνδρῳ τῷ χριστιανικοτάτῳ βασιλεῖ τῆς Μεγάλης καὶ |30 Μικρῆς Ῥωσίας τὸ κράτος καὶ τὴν νίκην παραδοῦναι. Εἴθε γένοιτο τὴν οποῖαν καὶ ἐγὼ μιμούμενος ἀπὸ |31 τὸν βαθὺν τοῦτον λάκον τὴν κοιλάδα τοῦ κλαυθμῶνος, τὴν πετρώδην φυλακὴν ἐκτείνω τὰς χείρας καὶ |32 παρακαλῶ ὅπως νεύσῃ καὶ ει᾿ς τὴν φιλοικτήρμονα καρδίαν τῆς πανυπερβλήτου της καὶ θεοφρουρήτου της βασιλείας |33 νὰ στοχασθῆ ἀπὸ τὸν ὑψηλότατον καὶ ἐπηρμένον της θρόνον, με τὸν εὐσεβέστατόν της ὀφθαλμὸν ει᾿ς τοῦτον τὸν |34 λαβυρηνθώδη τόπον, τὴν περίλυπον φυλακὴν καὶ νὰ ἐκτείνῃ τὴν χείρα τοῦ ἐλέους της, τῆς ἄκρας της |35 μακροθυμίας νὰ μὲ ἐγείρῃ πεπεσμένον, καὶ κατακείμενον ὄντα. Οῦ γὰρ ἔχω ποῦ τὰς ἐλπίδας μου ἀναφέρων |36 πλὴν ει᾿ς τὰ φιλάνθρωπα σπλάγχνα τῆς μεγάλης καὶ περιβοήτου της βασιλείας ἐπειδὴ καὶ δύναται |37 νὰ μὲ βοηθείσῃ μόνον νὰ θελήσῃ. Καὶ εἶμαι βέβαιος πῶς φθάνοντας τοῦτη μου ἡ ἱκετήρια παράκλη- |38 σις μὲ τὸν πνευματικὸν μου πατέρα κῦρ Παρθένιον θέλει κινηθῇ ει᾿ς μακροθυμίαν. Καὶ θέλει τελειώσῃ ἐ- |39 κεῖνο ὁποῦ ἀπὸ τὴν ἄνω καὶ θεῖαν πρόνοιαν εἶναι δεδομένον τῇ μεγάλῃ της βασιλείᾳ τόσον μόνον |40 ἀναδιπλόνωντας τὴν παράκλησιν δαίομαι ἐκ μέσης
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καρδίας νὰ στοχασθῇ ι᾿λέῳ ὀμματι τὰ κεκομισ- |41 μένα γράμματα καὶ τὸν γραμματοκομιστὴν πνευματικὸν μου πατέρα κῦρ Παρθένιον ὁ ὁποῖος καὶ αὐ- |42 τός ὄχι μὲ τὴν θέλησιν μοναχὴν, ἀλλὰ καὶ μὲ τὸ ἴδιον του αἶμα ἔδραμε ει᾿ς Καζακίαν καὶ ἄλλα |43 μακρότατα μέρη καὶ ἄν ἤθελεν εἴσται χρεῖα μὲ τὸ ἴδιον αὐτοῦ ζωτικὸν αἶμα ἤθελεν ἀποπληρώσῃ τὴν |44 ἀναγκαιωτάτην ἐκείνην χρεῖαν. Τέτοιας διαθέσεως ἄνθρωπος ἦτον καὶ εἶναι: τὸν ὁποῖον ὡς πανδερκῆς |45 ἥλιος, πηγὴ ἐλέους, βρύση χαρίτων, θέλει τὸν θερμαίνει ὡς ἐλεήμων καὶ χαριέστατος καὶ περιβόητος |46 βασιλεύς τοῦ ὁποίου ταῖς ἄμετραις δωρεαῖς ὅλη ἡ οι᾿κουμένη ὁ τετραπέρατος κόσμος κυρήττει καὶ |47 μεγαλοφώνως δημοσιεύει, ἀφείνω νὰ λέγω ταῖς πρεσβύαις ὁποῦ ἔκαμα διὰ μέσου του ει᾿ς τοὺς ἀρίf. 1v |1 -στους τούτους διὰ χριστομίμητον ὁμόνοιαν τὴν ὁποίαν ὁ ει᾿ρηναρχης Θεὸς εἶμαι βέβαιος πῶς θέλει |2 τὴν χαρίσῃ ὅσον τάχιστα, ὁπῶς ἀπὸ τὴν ἄπασαν κτῆσιν ὡς ἐξ ἐνὸς στόματος ὑμνεῖται καὶ δοξά- |3 ζῃται τὸ πάντιμον αὐτοῦ ὄνομα. Τὸ ὁποῖον ἄμποτες μέχρι αι᾿ώνων νὰ εἶναι σκέπη, κράτος, |4 βοήθεια, ει᾿ρήνη καὶ παντελῆς δόξα τῆς θεοπροβλήτου, θεοφρουρήτου, καὶ χριστιανωπρεπεστάτης της βα- |5 σιλείας· διὰ καύχημα καὶ κλέος τῶν χριστιανῶν αι᾿ώνιον:|6 τῆς πανυπερβλήτου καὶ ὑψιμέδου της |6 μεγάλης βασιλειας Ἀπριλίω κθ αχξβ΄ |7 Ἰωάννης Κωνσταντίνος βοεβόνδας |8 ἐλάχιστος Anmerkungen Russische Übersetzung in: ISNSR Bd. 2, 398f. Zeilen 24–26: Arrian, Alexandrou Anabasis IV, 20. Hier, aller Wahrscheinlichkeit nach, zitiert nach der byzantinischen Enzyklopädie Souda, vgl. Suidae Lexicon, hg. I. Bekker, Berlin 1854, 62. Zeilen 37–43: Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Mönch Parthenios nicht nur Briefträger (γραμματοκομιστής), sonden auch Urheber des Briefs gewesen ist.
5.
Epigramme des Archimandriten Dionysios aus Ioannina, Protosynkellos des Ökumenischen Patriarchats, an den Zaren Aleksej Michajlovicˇ (zwischen 1655 und 1676)
RGADA f. 181, op. 14, nr. 1283, f. 151v–152 Ει᾿ς τὸν βασιλέα τῆς Μοσχοβίας ἐπίγραμμα Ἐκ βορέως ἀνέτειλε γόνος κλεινὸς βασιλείου. ὅστις ἄναξ μεγάλων γείνατ’ ἀπὸ προγόνων.
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οὔνομα καρτερόθυμος Ἀλέξιος οἷπερ θεῖον ὅτ’ ἀλεξήση ἔγχεϊ και σοφίῃ. πολλὰς γὰρ πόλιας καὶ ἄγρια ὤλετο φύλλα. δεινὴν Σμολένσκαν ἐκπολεμεῖ ταχέως. παμμεγέθη κρατερὰν τε πόλεσιν ἁφείλετο Λίτβαν. στέμματα ταῦτ’ ἐπιθεὶς κάρτεϊ Μοσχοβίης. μακρὰ θεὸς δοίη σοι ἔτη, καὶ ὅλβια κράντορ. σκῆπτρα τε Ἑπταλόφου οὔνεκα εὐσεβέων. αὐχένα γὰρ κάμψει Σαρακινῶν βάρβαρον ἔθνος. ἤ ἐκὸν ἤ ἀεκὸν σῇ βριαρῇ παλάμῃ. φῶτα δ’ ἀκοντίζοντι θριαμβευτῆρι σιδήρῳ μῆτις ἀντιβίου μαρμαρυγὴν σκοτάσεις. δὴ τοῦ τ’ Ἀλεξάνδροιο Ἀλέξιε οὔνομα λήψῃ. πᾶσιν ἀλεξήσας ἀνδράσιν Ἑλλαδίοις:Ἔτερον Στέμματα πιερίδες νῦν ἀγλαὰ πλέξατε μοῦσαι, πλέξατε ἐξ ἀνθῶν πλέξατε πορφυρέων στησάμεναι χοροὺς σκιρτήσατε ἄλμασι κούφοις εἴπατε νικητῇ, εἴπατε ἠμιθέῳ χαίροις εὐσεβέων μέγα κῦδος Ἀλέξιε χαίροις, έλπι᾿ς καὶ σωτὴρ ἑλλαδικῶν μερόπων:Anmerkungen Zu Dionysios und seine Handschriften vgl. Fonkicˇ, Grecˇesko-russkie kul’turnye svjazi, 189– 205, insb. 197f. Auf f. 152 ist ein drittes Epigramm zu Erhen des Zaren erhalten. Erstes Epigramm Vers 4: καρτερόθυμος, Homer, Ilias V 277, XIII 350; XIV 512; Odyssee XXI 25. Verse 11, 12 und 14: αὐχένα κάμψει; βριαρῇ παλάμῃ; μαρμαρυγὴν, Nonnos, Dionysiaca XXXVII 590; XLVI 397, XXXVII 438, XLVIII, 151. Zweites Epigramm Vers 3: ἄλμασι κούφοις, Euripides, Elektra 439. Vers 5: μέγα κῦδος, Homer, Ilias IX 673, X 544, XI, 87, XIV 42, XXII 393; Odyssee, XII, 184.
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6.
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Dionysios Mouselimis an die Zaren Ivan und Peter, 11. Juni 1688
RGADA f. 52 op. 2, nr. 679 |1 Διονύσιος ἐλέῳ θεοῦ ἀρχιεπίσκοπος πρώην Κωνσταντινουπόλεως Νέας Ῥώμης καὶ οι᾿κουμενικὸς πατριάρχης |2 Κράτιστοι, θεόστεπτοι, θεοτίμητοι, θεοπρόβλητοι, θεομεγάλυντοι, εὐσεβέστατοι καὶ τῶν ὀρθοδόξων ὀρθοδοξότατοι υἱοὶ μου καὶ αὐτο |3 κράτωρ, μεγάλοι βασιλεῖς Μοσχοβίας καὶ παντὸς τοῦ βορείου μέρους, καὶ αὐτῶν τῶν μεγάλων αὐθεντιῶν καὶ σατραπειῶν, καὶ τόπων καὶ κνέζηδων, βασιλεῖς |4 κύριε κύριε Ἰωάννη Ἀλεξιοβίτζη, γκοσουνταρ τζάρ Πέτρο Ἀλεξιοβίτζη, τὴν κραταιάν καὶ ἁγίαν ὑμῶν βασιλεῖαν εὔχεται, |5 εὐλογεῖ, ἀσπάζεται ἐν Χριστῷ τῷ Θεῷ ἡμῶν, δεόμενος ἀδιαλείπτως τὸν ἐν Τριάδι Θεὸν νὰ σκέπῃ καὶ νὰ διατηρείη τὸ ἔνθεον σκῆνος τῆς ὑμῶν ἁγίας βασιλείας |6 ἀνωτέραν ἀπὸ πάσης ἐναντίας περιστάσεως, ὑποτάττοντας ὑπὸ τοὺς πόδας ὑμῶν πάντα ἐχθρὸν καὶ πολέμιον καὶ τῶν βαρβάρων τὰ πλήθη, ἀμήν. |7 Βλέποντας ὁ Θεὸς τὸ γένος τῶν ἀνθρώπων ὑπὸ τοῦ διαβόλου τυραννούμενον, καὶ μὴ ὑποφέροντας τὸ ἕργον τῶν χειρῶν του νὰ σέρνεται ὑπ’ αὐτοῦ, σπλαγ |8 χνισθεὶς ὡς πατὴρ φιλόστοργος ἐξαπέστειλε τὸν μονογενὴν υἱὸν αὐτοῦ, καὶ ἔνωσε τὴν θεότητα μὲ τὴν ἀνθρωπίνην φύσιν, καὶ ἔλαβε ὁλὸν τὸ φύραμα |9 πρὸς ἐαυτὸν, ἐκτὸς μόνης ἁμαρτίας, καὶ ἐκένωσεν ἐαυτὸν, μορφὴν δούλου λαβὼν, καὶ τέλος καὶ θάνατον ἐπονείδιστον, διὰ σταυροῦ, χύνοντας τὸ |10 πανάγιον αὐτοῦ αἷμα, ἵνα ἡμᾶς ἐξαγοράσει, ἵνα τὴν υἱοθεσίαν ἀπολάβομεν. Καὶ οὐ μὸνον τὸ χειρόγραφον τῆς ἁμαρτίας διέρριξεν, ἀλλὰ καὶ υἱοὺς | καὶ κλη |11 ρονόμους ἡμᾶς πεποίηκεν, ἀφίνοντας πρὸς ἡμᾶς τύπον καὶ ὑπογραμμὸν τὴν ἀγάπιν πρὸς αὐτὸν τε καὶ τὸν πλησίον, χαρίζοντας χαρίσματα διάφορα, |12 βασιλείαν φημὶ καὶ ἱερωσύνην, ἵνα δι’αὐτῶν καὶ πολιτείαι, καὶ ἐκκλησίαι φυλαττέτωσαν, διὰ μὲν τῆς βασιλείας διοικήτωσαν τὰ πολιτικὰ, διὰ δὲ τῆς |13 ἱερωσύνης τὰ πνευματικὰ. Καὶ ὥσπερ ψυχὴ σὺν τῷ σώματι ζωογονεῖται, οὕτω καὶ ἡ βασιλεία σὺν τῇ ἱερωσύνη κρατύνεται καὶ ἐξουσιάζει. Ἡ βασιλεία ὑπερα |14 σπίζεται τῶν ἀδικουμένων καὶ βοηθεῖ τῶν ἀδυνάτων, ἡ ἱερωσύνη ἁγιάζει καὶ φωτίζει τοὺς ἐσκοτισμένους, πλέον καὶ δέεται ἀδιαλείπτως περιστηριγμὸν |15 τῆς βασιλείας, φανερώνοντας σῶμα καὶ ψυχὴν· σῶμα τὴν βασιλείαν, ψυχὴν δὲ τὴν ἱερωσύνην. Καὶ ὥσπερ ψυχὴ ἐκτὸς τοῦ σώματος οὐ δύναται εἶναι· οὕτε |16 σῶμα ἄνευ ψυχῆς, οὐ συνίσταται. Τὸν ὅμοιον τρόπον, καὶ ἡ βασιλεῖα χωρὶς ἱερωσύνη, καὶ ἡ ἱερωσύνη ἄνευ βασιλείας, οὐ δύναται συστήναι ὀρθοδοξίαν οὔτε κρατῦναι δόγματα πνευματικὰ καὶ σωτήρια, |17 οὔτε κρατύναι ἐκκλησίαν καὶ κυρήξαι μυστήριον πίστεως. Καὶ τὶ τὸ προοίμιον ἁγιότατοὶ μου καὶ θεό |18 στεπτοι βασιλεῖς· δὲν εἶναι ἄλλον παρὰ νὰ φανερώσομεν μὲ ἀπλαῖς λέξαις, χωρὶς ρητορικῶν περιόδων ἤ φράσεων ἑλληνικῶν, οὐ γὰρ |19 ἐστι καιρὸς τοῦ τοιούτου, ἀλλὰ παρακινήσεων βοηθείας καὶ ἐλευθερίας
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πίστεως, ὅτι ἐφθάσαμεν ει᾿ς ἐσχάτους καιροὺς καὶ τυραννούμεθα ὑπὸ τῶν ἀ |20 πίστων. Ἐκκλησίαι ἐρημοῦνται, μοναστήρια καταπατοῦνται, σταυρὸς μυκτιρίζεται, ει᾿κόνες βδελύττονται, χριστιανοὶ αι᾿χμαλωτίζονται, πόλεις |21 τῶν εὐσεβῶν ἐρημοῦνται, εὐκτήρια ἐκ βάθρων κατασκάπτονται, καὶ ἄλλον δὲν ἀκούεται ἀπὸ τοὺς ἐπτωχοὺς χριστιανοὺς παρὰ τοῦ οὐαὶ καὶ οἴμοι |22 καὶ φεῦ καὶ ἄλλα· καὶ τὶς δύναται ἡμᾶς ἐλευθερῶσαι, καὶ μὴ ἔνας υἱὸς τοῦ Θεοῦ κατὰ χάριν. Καὶ τὶς ἔστιν οὖτος παρὰ ἡ βασιλεία ὑμῶν, ἥτις δύναται |23 ὡς ὑπερέχουσα καὶ πλούτου καὶ δυναστείας, καὶ στρατευμάτων εὐπορεῖ καὶ ποῖος ἄλλος ἀρμοδιώτερος καιρὸς ὑπάρχει ὡς οὗτος ὁ καιρὸς |24 ὁποῦ πᾶσα αὐθεντία καὶ σατραπεῖα εὐσεβῶν ῥηγῶν τε καὶ ἀρχῶν ὀρθοδόξων ἀπαξάπαντες ἐπανέστησαν κατὰ τοῦ Ἀντιχρίστου καὶ καταπολεμοῦντες |25 αὐτῷ διὰ ξηρᾶς τε καὶ θαλάσσης ει᾿ς τὸ κατατροπῶσαι τὸ θηρίον αὐτό, καὶ ἡ βασιλεία ὑμῶν ὑπνεῖ. Μὴ διὰ τὸ ὄνομα τοῦ γλυκυτάτου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ, |26 ἀνάστητε καὶ ἐπιλάβετε ὅπλου καὶ θυρεοῦ κατὰ τοῦ ἀθέου Ἀγαρηνοῦ καὶ στηρίξαι τὴν ἀμώμητον πίστιν, οὐδὲν γὰρ ἔνεστι ἡμῖν, ὅτι ἐσμικρύνθημεν |27 παρὰ πάντα τὰ ἔθνη διὰ τὰς ἁμαρτίας ἡμῶν. Ἅπαντες οἱ εὐσεβεῖς τὴν ἁγίαν ὑμῶν βασιλείαν προσμένουσι, Σέρβοι τε καὶ Βούλγαροι, Μπογδάνοι τε καὶ Βλάχοι, |28 οἱ τῆς ἐπάνω καὶ κάτω Μυσίας, ἐξεγέρθητε τὸ λοιπὸν καὶ μὴ ὑπνεῖτε, καὶ ἔλθετε ει᾿ς τὸ σῶσαι ἡμᾶς. Ἐμὲ τὸν μικρὸν εὐχέτην τοῦ κράτους ὑμῶν, μὲ τὸ νὰ |29 γράψω μὲ τοὺς πρέσβεις ὁποῦ ἐστείλατε ει᾿ς τὸν καιρὸν τοῦ Σουλεϊμὰν πασιὰ, διὰ τὴν χειροτονίαν τοῦ Κυέβου, μᾶς ἔξυσαν τοῦ θρόνου τῆς Κωνσταντινουπόλεως, |30 καὶ εἶπα καὶ ἐγὼ μετὰ τοῦ Δαυὶδ, κρείσσων παραῥριπτῖσθαι ἐν οἴκω Κυρίου ἤ κατοικεῖν ἐν σκηνώμασιν ἁμαρτωλῶν, καὶ ἀνεχώρισα καὶ ἦλθον ει᾿ς τὰ μέρη ἐτοῦτα |31 τῆς κάτω Μυσίας, τουτέστιν τῆς Οὐγγροβλαχίας, καὶ εὗρον τὸν ὀρθοδοξότατον καὶ τῆς εὐσεβείας ὑπερασπιστὴν καὶ πρόμαχον τῶν χριστιανῶν, αὐθέντη τῆς Βλαχίας |32 Σερβάνον, τὸν ἐκ γένους ἐκείνου τῶν ἀοιδίμων τῆν μνήμην βασιλέων Καντακουζηνῶν, ὁ ὁποῖος λάμπει τὴν σήμερον ἀνάμεσον τοῦ Ἀγαρινοῦ, φωστὴρ |33 τῆς ὀρθοδοξίας λαμπρότατος, τὸν ὁποίον τὸν ἔχουν ὅλοι προπύργιον ει᾿ς τούτους τοὺς δυστυχισμένους καιροὺς, πατριάρχαι, ἀρχιερεῖς, ἱερεῖς, |34 μονασταὶ καὶ μιγάδαις. Ἀμὴ ἄν ἔφθανεν καὶ τὸ ἕλεος καὶ ἡ βοήθεια τῆς κραταιᾶς καὶ ἁγίας ὑμῶν βασιλείας πρὸς αὐτὸν, τάχα ποῖαν δόξαν, ποῖον ἔπαινον |35 καὶ ἐγκώμιον ἤθελεν ἔχει τὸ κράτος ὑμῶν. Τὸ λοιπὸν, καιρὸς ἐγρηγορίσεως καὶ οὐχὶ ἀμελείας, τῶρα φαίνεται ἡ ἀγάπη πρὸς τὸν πλησίον, τῶρα φαίνονται οἱ |36 ζηλωταὶ τῆς πίστεως καὶ οἱ μιμηταὶ τοῦ Χριστοῦ, καιρὸς ἀρμόδιος νῦν, καὶ οὔ πάντοτε ὁ αὐτὸς, καθὼς καὶ πρὸτερον ἔγραψα πρὸς τὸ κράτος |37 ὑμῶν καὶ διὰ τῆς φωνῆς πρὸς τοὺς πρέσβεις εἶπον ἐν Κωνσταντινουπόλει. Καὶ νῦν τὸ αὐτὸ γράφω, καὶ τῶν γονάτων ὑμῶν ἄπτομαι, καὶ δέομαι |38 περὶ τῆς ἐλευθερίας τῶν ἐκκλησιῶν τοῦ Χριστοῦ, περὶ τοῦ ἀμωμήτου περιστηριγμοῦ καὶ περὶ τῶν εὐσεβῶν χριστιανῶν ἐλευθερίαν. Τὸ τάλαντον |39 ὅπερ ἐπιστεύθην παρὰ τοῦ Κυρίου μου, ι᾿δοῦ ἔμπροσθεν τῆς ἁγίας ὑμῶν βασιλείας ῥίπτω, καὶ ει᾿ς τὸ πολυπλασιάσαι καὶ φυλάξαι τοῦ ὑμετέρου |40 κράτους ἐστίν, ὡς ζηλωταὶ καὶ μιμηταὶ τοῦ βασιλεύοντος τῶν βασιλέων, καὶ ὁ Θεὸς εἴη διατηρῶν τὴν ἁγίαν ὑμῶν βασιλείαν ἄνοσον, εὔθυμον, μακρόβιον, |41 καὶ ἐκτὸς ἀνιαροῦ συναντίματος, χαρίσαιτο
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αὐτοῖς μετὰ τὴν παροῦσαν καὶ τὴν ἐν οὐρανοῖς καὶ ει᾿ς […] συμβασιλεὶαν, κατὰ τὸ σωτήριον ἕτος αχπη΄ ιουνίου μηνὸς ια΄ |42 Διονύσιος ἐλέω θεοῦ ἀρχιεπίσκοπος πρώην Κωνσταντινουπόλεως Νέας Ῥώμης καὶ οι᾿κουμενικὸς πατριάρχης, εὐχέτης ἄγρυπνος τῆς κραταιᾶς |43 καὶ ἁγίας ὑμῶν βασιλείας Anmerkungen Zeilen 3–4: Ursprünglich hatte Dionysios den Brief an einen der beiden Zaren adressiert, daher αύτοκράτωρ und βασιλεῦ geschrieben und den Platz für den Namen des Zaren freigehalten. Erst nachträglich füllte er die Namen der beiden Co-Zaren aus und korrigierte die Singular- zur Pluralform. Zeile 10: Eigentlich hätte χρεώγραφον statt χειρόγραφον stehen sollen, aber Dionysios’ eher umständliche Schrift ist an dieser Stelle eindeutig. Zeile 12–17: Imp. Iustiniani PP.A. Novellae quae vocantur, hg. Z. A. Lingenthal, Bd. 1, Leipzig 1881, 44f. (Justinians 6. Novelle). Zeilen 26–27: Psalm 34 (35), 2; Dan 3, 37. Zeile 29: Zu Suleyman Paschas Aufstieg und Fall vgl. Hammer-Purgstall, Geschichte des Osmanischen Reiches, Bd. 6, 465–496. Zeile 30: Psalm 83 (84), 11. Zeilen 38–39: Math 25, 14–30.
7.
Methodios Armenopoulos an den Zaren Peter I., 4. Januar 1703
RGADA f. 52, op. 2, nr. 709 |1 + Κραταιώτατε ἀνδρικώτατε, εὐσεβέστατε καὶ γαλληνώτατε, βασιλέων ἐξοχώτατε καὶ μεγαλωφυέστατε, θεόστεπτε καὶ θεοφρούρητε μέγιστε αὐτοκράτωρ καὶ ὀρθοδοξώτατε βασιλεῦ πάσης μεγάλης Μοσχοβίας, |2 καὶ Βλαντιμιρίου, καὶ μεγάλης καὶ μικρὰς Ῥωσίας δεσπότη καὶ ἐξουσιαστά, νικητὰ τροπαιοῦχε, καὶ ὑπερασπιστὰ τοῦ ὀρθοδόξου γένους τῶν χριστιανῶν, ἐλέῳ Θεοῦ μέγα αὐθέντα βασιλεῦ |3 καὶ μέγα αὐτοκράτωρ, κύριε κύριε θεόστεπτε, Πέτρῳ Ἀλεξιοβίτζη. Βασιλεῦ Καζανίου, Ἁστραχανίου, Συμπηρίου, Ἁζακίου, Σουεκίου, Ταρταρίας μικρὰς, Τζερκασίας Ἠγορίου, καὶ ἐτέ- |4 ρων πολῶν γαιῶν ἠγεμονιῶντε καὶ τοπαρχῶν ἀνατολικῶντε καὶ δυτικῶν, ἀρκτικῶντε καὶ ὑπερβορεῖων, καὶ πᾶσης τῆς χαμηλῆς γῆς, Ταλίνων, Κρουζήνων, |5 καὶ Καπαρτίνων μέγιστε ἄναξ, νικητὰ καὶ προδιοικητὰ, καὶ ἐκ προγόνων κληρονόμε, τὴν κραταιὰν καὶ θειωτάτην σου βασιλεῖαν |6 προσκυνητῶς ἀμα καὶ ἱκετικῶς καὶ πατροποθήτως ἐπεύχωμαι, καὶ τὴν θεόστεπτον αὐτῆς καὶ ἱερὰν |7 ὄψιν πνευματικῶς καὶ ει᾿λικρινῶς ἀσπάζομαι σὺν τῷ γλυκυτάτῳ καὶ ἀγαπητῷ υἱῷ αὐτῆς |8 καὶ διαδόχῳ, κληρονόμῳ καὶ βασιλεῖ ἐυτυχημένῳ, κυρίῳ Ἀλεξίῳ, |9 τῷ εὐθαλεστάτῳ αὐτῆς βλαστῷ, καὶ ἡμῶν |10 ἀγλάϊσμα.
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Δεόμενος τῷ παντεπόπτῃ καὶ παμβασιλεῖ Θεῷ καὶ Κυρι᾿ῳ ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστῷ τῷ ἀληθινῷ Θεῷ, δι’οὗ βασιλεῖς βασιλεύουσιν, ἵνα αὔξει στεραιοῖν καὶ διαφυλάττοιν τὴν θειοτάτην ὑμῶν βασιλεῖαν εὔδο |11 ξον, ἀκλινῆ καὶ ἀκράδαντον· χωριγῆσαι αὐτῇ οὐρανόθεν δύναμιν καὶ ἀνδρεῖαν, ῥῶσιν καὶ εὐεξίαν σώματος μέχρι βαθυτάτου γῆρους καὶ πρεσβεῖου. Νίκας καὶ τρόπαια καταπασῶν τῶν ἐναντίων |12 ὀρατῶν καὶ ἀοράτων · στεραίωσιν ἐπίμονον, καὶ αὔξησιν τῆς κραταιᾶς καὶ θειωτάτης βασιλεῖας, ει᾿ς διαδοχᾶς τοῦ θεοσώστου καὶ βασιλικοῦ αὐτῆς γένους ει᾿ς καύχημα σωτήριον τῆς πολλὺ ὑμνήτου καὶ εὐαγγελι |13 κῆς ἡμῶν πίστεως · καὶ ἡμετέραν εὐφροσύνηντε καὶ περίθαλψιν τῶν ἐξ’ὄλης ψυχῆς εὐχωμένων σοι, ἐπιεικέστατε δέσποτα βασιλεῦ θεόστεπτε και θεοπρόβλητε. |14 Ἡ θεῖα καὶ τελεταρχικῆ παντοδυναμῖα, ει᾿ καὶ τὰ πάντα ἐξ οὐκόντων ει᾿ς τὸ εἶναι παραγαγοῦσα τῇ θείᾳ καὶ δημιουργικῇ αὐτῆς δυνάμει, ἀλλοῦν ει᾿ς τὰ μετέπειτα γινόμενα; διὰ μέσων τινῶν ὡς διοργάνων ἐνήργησεν. |15 Ὡς ἐπὶ τοῦ Νῶε τὴν κοσμώσωστον κιβοτόν. Διὰ Ἀβραὰμ τὴν θεογνωσίαν. Διὰ Μωυσέως τὴν ἐλευθερίαν Ἰσραήλ, καὶ τὴν νομοθεσίαν. Διὰ Δαβὶδ τὴν βασιλείαν. Διὰ σαρκώσεως τοῦ μονογενοῦς αὐτῆς Υἱοῦ καὶ Λό |16 γου τὴν τοῦ κόσμου σωτηρίαν. Διὰ τῶν ἀποστόλων τὸ παγκόσμιον κύρηγμα. Διὰ τῶν γενναιωτάτων μαρτύρων τὴν ὁμολογίαν. Διὰ τῶν θεοφόρων πατέρων καὶ διδασκάλων ἁγίων καὶ οι᾿κουμενικῶν συνόδων, τὴν ἀμώμητον |17 καὶ ὀρθόδοξον πίστιν διατρανῶσαι ἐν τοῖς πέρασι. Διὰ τῶν πιστοτάτων καὶ κραταιοτάτων καὶ ἁγίων βασιλέων, Κωνσταντίνου, Θεοδοσίου καὶ Ἰουστινιανοῦ τοῦ μεγάλου, ταύτην διὰκρατύνον και δυναμῶν ει᾿ς ἅπασαν τὴν ἡφύ |18 λιον, ἐν ἔθνεσι καὶ λαοῖς καὶ φυλαῖς τῆς γῆς, συστῆσαι αὐτοῦ τὴν καθολικὴν καὶ ἀποστολικὴν ἐκκλησίαν ἐν ὁμονοῖα καὶ ὀρθότητι δογμάτων, διαφεντευομένην μέχρι τῆς δεῦρο ὑπὸ ὀρθοδοξωτάτων βασιλέων, |19 καὶ ἁγιωτάτων πατριαρχῶν. Ει᾿ καὶ κρίμασιν οἷς οἶδε μόνος αὐτὸς ὁ πάντων ἔφορος ὀφθαλμὸς, τὴν βασιλεῖαν Ῥωμαῖων ὑπόταξεν ἀλοτρίοις; ἀλλ’ οὐ παρῆκεν τὴν ἐκκλησίαν αὐτοῦ ἀκλεᾶ καὶ ἀπρονόητην, ἀλ’ εὐδόκη |20 σεν ὡς πάνσοφος καὶ παντοδύναμος, καὶ ἐμετάθεσεν αὐτὴν αὐτόθι ει᾿ς τὰ ὑπερβόρεια, βασιλεῖαν κραταιὰν καὶ ι᾿σχυρὰν, καὶ κέρας τῇ ἀμωμήτῳ πίστει χαριζόμενος ἔκπαλαι τοῖς μακαρίοις προγόνοις καὶ προπάτορσι |21 τῆς θεοφρουρήτου βασιλείας σου· οἱτινες μὲν τὴν ὀρθόδοξον πίστιν ἐδέχθησαν ἀσφαλῶς, καὶ ἐφύλαξαν ἀκλεινῶς, καὶ ἐκύρηξαν ὑπερφυῶς ἐν διαφόροις τόποις, καὶ ἔθνεσι καὶ λαοῖς και φυλλαῖς ὡς ἐστὶ φαινό |22 μενον μέχρι τῆς σήμερον διαλάμπουσαν ὀρθοδοξώτατα ἐν πάσαις ταῖς βασιλεῖαις τὴς γὴς· περιθάλπον δὲ παραθαρύνον ἄπαν τὸ γένος ἡμῶν τῶν δεδουλωμένων ὀρθοδόξων χριστιανῶν. |23 Ἐξ ὧν καὶ ἡ θεοπρόβλητος καὶ θεόστεπτος μεγάλη σου βασιλεῖα ἡμῖν ἐξήνθησε κέρας σωτήριον, καὶ δόξα καὶ καύχημα καὶ ἐλπὶς ἐλευθερίας, κατὰ τοὺς θεῖους χρησμοῦς καὶ αι᾿νίγματα τῶν θεῖων ἀποκαλύψεων Δανιὴλ |24 τοῦ προφήτου ὅς ἐν τῷ κεφαλαίῳ τῷ ἐσχάτῳ, κατὰ τὸ τέλος τῆς αὐτοῦ προφητείας λέγει· καὶ ὁ βασιλεὺς τοῦ βορρὰ κατέρχεται σὺν ναυσὶ πολλοῖς, καὶ πύξη τὴν σκηνὴν αὐτοῦ ἐν μέσω δύο θαλασσῶν, καὶ κατακυριεύ |25 ση τὸ χρυσίον αι᾿γύπτου καὶ αι᾿θιοπίας· καὶ πατάξει ἔθνη πολλὰ ἀπειθοῦντας Θεῷ, καὶ ἡ καρδία αὐτοῦ ἔσται ἐπὶ διαθήκην ἁγίαν. Καὶ ὁ θεολόγος
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Ἰωάννης ἐν τῇ ἀποκαλλύψει αὐτοῦ, γυνὴν περιβεβλημμένην τὸν ἥλιον ἴδε |26 καὶ ἐγκυμονοῦσαν τοῦ τεκεῖν, καὶ δράκον ἐπτακέφαλος καὶ δεκακέρατος αὐτὴν παῥειστίκη, ἵνα ὄταν ἡ γυνῆ τέξηται καταφάγη τὸ τικτόμενον ἐξ αὐτῆς. Καὶ πτερὰ δύο θεόθεν ἐπεδώθησαν τῇ γυναικὶ καὶ πεπταμέ |27 νην αὐτὴν ει᾿ς γῆν ἔρημον ἔνθα ὁ δράκον οὐκ ἠδύνατο ἀπελθεῖν ἤ βλαψαι αὐτὴν. Καὶ ἐκεῖ ἐφυλάχθη ἡ γυνῆ ἡμέρας καὶ καιροῦς, ἔως οὖ ἔτεκεν υι᾿ὸν ἄρενα, ὅς αὐξηνθεῖς Θεοῦ χάριτι, ὑπερίσχυσε κατὰ τοῦ |28 ἐπτακεφάλου δράκοντος, καὶ τὰς κεφαλὰς αυτοῦ κατέσφαξε, καὶ τοῖς κέρασι συνθλάσας ἀπενέκρωσε, καὶ αὐτὸς ἐβασίλευσεν ἐπὶ πολλᾶ ἔθνη ὡς κύριος κυρίων. – |29 Καὶ ταῦτα πολλοὶ τῶν πᾶλαι ἐξηγούμενοι ὡς ἑκάστω ἔδοξεν· Παναγιότης δὲτις πρὸ ὀλίγον μέγας διερμηνευτῆς· γυναῖκα περιβεβλημμένην τὸν ἤλιον τὴν ὀρθόδοξον πίστιν ἐξηγήσατο. Ἥλιον δικαιοσύνης φο |30 ροῦσα τὸν δεσπότην μας Χριστὸν, περικυκλουμένην ὑπὸ ἀσεβοῦς κράτους ὡς τανὺν. Κεφαλὰς ἐπτὰ τὰ γένη ἐξ ὧν συνίσταται, κέρατα δὲ τὰ ὑποτεταγμένα αὐτῷ σκήπτρα. Ὑιὸν ἄρενα τίκτουσα ἡ γυνῆ ἄνδρα |31 ι᾿σχυρὸν καὶ γνήσιον τῆς ἀμωμήτου πίστεως ἡμῶν γέννημα ὑπενίτταιτε, νικητὴν καὶ συνθλαστὴν τοῦ δράκοντος. – Καὶ ταῦτα Θεοῦ χάριτι σήμερον πρὸ ὀφθαλμῶν ἡμῶν ὠρῶνται καὶ πέραν δέχωνται |32 ὡς τῷ Κυρίῳ ἔδοξεν, καὶ ι᾿δοῦ ὁ διαμέσον τῆς ὑποθέσεως αἴτιος, εὐχώμεθα οὖν καὶ τὰ ἀποτελέσματα ὡς ὁ Θεὸς κατευωδοῖ καὶ κατευθύνοι μόνος ὡς ἵδεν αὐτὸς, γεννηθήτω τὸ θέλημα αὐτοῦ. – |33 Λοιπῶν καγὼ ὁ ταπεινὸς καὶ ἐλάχιστος αὐτῆς δοῦλος καὶ εὐχαῖτης, τῷ τοιοὕτῳ τῆς κοινῆς ἡμῶν πίστεως καὶ ἁγίας μητρὸς ἐκκλησίας υἱῷ γνησίῳ καὶ ἀνδρικοτάτῳ ἄρενι ἤτοι ἱσχυρῷ καὶ θεοπροβλήτῳ βασιλεῖ |34 ἐκ ψυχῆς καὶ καρδίας εὔχωμαι δῶοιν ὁ Κύριος κατὰ τὴν καρδίαν σου καὶ πᾶσαν τὴν βουλῆν σου πληρῶσαι. + Καὶ ει᾿ μὲν βούλει, κράτιστε βασιλεὺ, περὶ ἐμοῦ τοῦ γράψαντος μαθεῖν, πρῶην Θεσσαλονίκης |35 ἀρχιερεὺς ει᾿μῖ. Καὶ πένης σφόδρα καὶ τῷ ἐλέει τῆς Μεγάλης Ἐκκλησίας ζωοτροφούμενος ει᾿ς μίαν ἐκκλησίαν τοῦ Γαλατὰ μὲ τὴν ἐξομολώγησιν ἐλεούμενος παρὰ τῶν προσερχομένων μοι εὐσεβῶν. |36 Ὄθεν καὶ κατὰ τύχην, ἔλαχεν καὶ ὁ πιστώτατος τῆς θεοφρουρήτου σου βασιλεῖας δοῦλος, κὺρ Παρασκευὰς ὁ Συνωπεὺς καὶ ἐλθὸν πρός με χᾶριν ἐξομολωγήσεως, καὶ εξομολωγούμενὸς μοι, ἐδιηγήσατὸ μοι |37 τὰ πεπιστευμένα σοι μυστήρια μετὰ φόβου καὶ τρόμου πολοῦ. Τὰ ὁποία ὡς ἐπικίνδυνα θεωρόντας ἐγὼ ὁ ταπεινὸς εὐχαίτης αὐτῆς, ὄλην μου τὴν ἐλπῖδα ει᾿ς τὸν Θεὸν ἀνέθηκα, καὶ ἐβάλθην |38 ἐπιμελῶς ει᾿ς ἐνέργειαν τῶν ζητουμένων. Καὶ ὥσους ἐδυνήθην ἔπεμψα αὐτόθι μὲ ἄμετρον φόβον· λαμβάνοντας ἐξ αὐτῶν ἐγράφως ἐκάστου μαρτυρίαν ἐνώποιον Θεοῦ, μὲ ἔξω |39 δα τοῦ δούλου της κυρίου Παρασκευᾶ. Καὶ χάριτι Θεοῦ καὶ τῆ εὐχῆ τοῦ κράτους της, ἐκαταπείσαμεν καὶ τὸν μέγαν ἀρχιτέκτωνα τὸν καθολικὸν τῆς ναυπυγίας, ἄνδρα σοφώτατον καὶ ἀκέ |40 στωρα ἐπιστημονικώτατον τοῦ ἐλθεῖν αὐτὸν αὐτόθι πρὸς τὴν βασιλεῖαν της, χᾶριν τῶν ποθουμένων της ἔργων. Πλὴν ζητεῖ τὰ προσήκοντα αὐτὸ ἀναγκαία, ἅτινα ει᾿σὶ ταῦτα ὡς |41 δηλλώσωσοι ἐνταὔθα. Ἔχει τὴν ἡμέραν ἀπὸ πέντε γρόσια ἡμερωμίσθιον ἀπὸ τὸ κράτος· ἀπὸ τὰ οποῖα χαρίζει τὰ δύο ει᾿ς τὸν θησαυρὸν τῆς βασιλείας σου, καὶ τὰ τρία νὰ ἔχη καθ’ἐκάστην ἀπαρασάλευτα διὰ κυβέρνησίν |42 του, καὶ τοῦ οἶκου καὶ τῶν παιδίων του· καὶ νὰ μένοι τὸ ὀφφίκιον καὶ ἡ δωρεᾶ αὕτη καὶ ει᾿ς τὰ παιδία του ἀπαρασάλευτα. Ἔτι δὲ χρήματα ἕως πέντε πουγκῖα,
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ἄτινα χρειάζεται νὰ κάμνει ἔξωδα, νὰ ἐλκύση ὥσους θέ |43 λει τεχνίτας καὶ μαθητὰς νὰ φέρνει μαζή του αὐτοῦ καὶ νὰ ἀφύση καὶ ει᾿ς τὸ σπίτι του ἔξωδα διὰ κυβέρνησιν. ὅτι ἀφ’οὗ ἔρθει αὐτόθι πλἐα ει᾿ς τὰ ἴδια ἐπιστρέφειν ἀδύνατον. Καὶ ι᾿δοῦ πεὶθεται πάντα ὑστερηθεῖναι |44 πατρίδα καὶ οἶκον διὰ χάριν τῆς εὐσεβεῖας. Ἐρχώμενος δὲ αὐτοῦ θεοῦ εὐδοκοῦντως, νὰ ἔχει ὥσους θέλει ει᾿ς τὴν ὑποταγῆν του νὰ τὸν δουλεύουσιν ὡς αὐτὸς βούλεται ει᾿ς τὴν τέχνην του. Ἀκόμι νὰ δουλεύει ἱδίαν του τέχνην |45 ὡς γινώσκει καὶ θέλει καὶ ἡ βασιλεῖα της. Ὑπόσχεται δὲ νὰ δουλεῦει πλέον καλλήτερα καὶ ἀξιάκουστα αὐτοῦ, παρὰ ἐδὼ τῶν ἀλωτρίων, καὶ διὰ ταύτα πάντα νὰ ἔχη καὶ τὴν τιμήν του ὡς καθῶς τὴν εἴ |46 χεν ἐδὼ, καὶ νὰ μὴν ἀνακατώνεται μὲ τοὺς αὐτοῦ μαστώρους καὶ συγίζωντας ὑπ’ ἁλλήλων. Καὶ ταύτα ι᾿διόχειρον χρυσσόβουλον τῆς βασιλεῖας σου, νὰ τοῦ ἔλθη ἔως την μεγάλην λαμπρὴν ἀνάστασιν τοῦ Κυρίου μας. |47 Νὰ ι᾿δῆ καὶ νὰ βαιβεωθὴ, νὰ ἔβρει ἄλον νὰ βάλει στὸν τόπον του, καὶ αὐτὸς μὲ εἴτοι τρόπους δύνεται νὰ παραιτηθεῖ νὰ ἔρθει αὺτόθι, ει᾿ς δούλευσιν τοῦ κράτους αὐτῆς:– |48 Διὰ δὲ τὴν ἐπιστήμην αὐτοῦ θέλετε μάθειν ἀκριβέστερον παρὰ τοῦ ἐνδοξωτάτου ἄρχοντος κυρίου Ἱωάννου Μπότζου, μέγα κόντου καὶ κονσούλου τῆς γαληνωτάτης ἀριστοκρατίας τῶν Ἐνετῶν, τοῦ |49 Πελλοπονυσίου· καὶ πράξιν καὶ ὄνομα τοῦ ἀνδρὸς Αὐγουστὴ· μάλιστα δὲ καὶ αὐτὸς ὁ κύριος Ἰωάννης κόντες, ἐστὶν ἀνὴρ ἀξιώτατος καὶ θέλεται δοκιμάσειν αὐτὸν ἐν τοῖς θελήμασι καὶ ἐπι |50 χειρήμασι αὐτῆς κατὰ πάντα. Ὁ δὲ πιστότατος αὐτῆς δοῦλος κὺρ Παρασκεβὰς μὲ πολλοῦς φόβους καὶ κινδύνους καὶ ἔξωδα καὶ κόπους συνεμοὶ ὑπηρέτησεν ὥσον ὑπῆρχεν δυνατὸν ει᾿ς |51 τὸ ἐμπιστευθὲν αὐτῶ μυστήριον· μὲ τὸν ὁποῖον ἀκόμι ἔχωμεν συμβουλῆν, ὡς θέλει φανερῶσειν ει᾿ς τὸ θειώτατον κράτος αὐτῆς. Καὶ ει᾿ μὲν ἐστὶν ὠρισμὸς καὶ ἔξωδα ἀρκετὰ τῆς βασιλεί |52 ας της, θέλω βαλθεῖν ὀλωψῦχως μετ’ ἐπιμελεῖας ει᾿ς ἀγώνα περὶ ὧν ἐσυμβουλεύθημεν διὰ τὴν Ἄσπρην Θάλασσαν· σὺν θεῷ νὰ ὑπερμαχῆσω μέχρι θανάτου. Καὶ τὸ μυστήριον τού |53 του τοῦ γράμματος, καὶ τὰ ἐν αὐτῷ γεγραμμένα ἄπαντα ὥσα δόξη τῆ μεγάλη σου βασιλεῖα νὰ μὲ ἀπὸκριθὴ, νὰ μὴν γίνωνται μὲ ἄλλω πρόσωπον, καὶ πίπτωμεν ει᾿ς κινδύνους· μόνον μὲ |54 τὸν ἵδιον αὐτὸν δούλον της Παρασκευὰ τὸν Συνωπαία· ὅστις ὑπάρχει καὶ συγγενεῖς τοῦ ἄνωθεν ἀρχιτέκτωνος, καὶ διὰ τοῦτο ἐμπιστεύθημεν ἀλλήλοις κατὰ πάντα. Καὶ ει᾿ μὲν καὶ |55 πέμψη ἡ θειωτάτη βασιλεῖα της θεῖον χρυσσόβουλον ὀποῦ εἴπαμεν, καὶ ἄλλα μυστιριῶδη τινὰ καὶ ἔξωδα, μὲ τὸν ἵδιον Παρασκευὰ, τὸν κατὰ πνεῦμα υἱὸν μου, νὰ ἐλθοῦν ει᾿ς τὰς χεί |56 ρας μου· καὶ κατὰ τὸν ὀρισμὸν αὐτῆς θέλωμεν δουλεῦειν ἐπιμελέστατα, καὶ ει᾿ς ὅλλα τὰ κατὰ δύναμιν. Καὶ τὸ μυστήριον τοῦτο μηδὲ ὁ πρέσβυς αὐτῆς νὰ ἡξεύρει· ἀλλὰ πνευ |57 ματικῶ τρόπω μόνον ἡμεῖς οἱ τρεῖς ὁποῦ ἐμπιστεύθημεν ἀλλήλοις κατὰ πάντα. Καὶ τὴν ἐμὴν πτωχεῖαν καὶ ἔνδειαν μνήσθητι ἐπιεικέστατε βασιλεῦ, ὅπως καὶ τὴν δούλευσιν της, |58 ἐργάζομαι προθῦμως· καὶ τὸ ἱερὸν μνημώσυνον τῶν μακαρίων γονέων της καὶ ἀειμνῆστων βασιλέων δουλεύσωμεν ἀκαταπαύστως, καὶ ὑπὲρ τῆς ὑγιεῖας καὶ εὐεξίας αὐτῆς τε |59 καὶ τῶν τέκνων καὶ παντὸς τοῦ παλατίου ἀκαταπαύστως εὐξώμεθα. Ὁ δὲ μεγαλόδωρος καὶ πανικτίρμον Θεὸς, διὰ πρεσβειῶν τῆς πανάγνου Θεοτόκου, να γένοι |60 πάντοτε βοηθὸς καὶ προστάτης καὶ ὑπερασπιστῆς αὐτῆς, ἐν πᾶσι τοῖς καταθυμίοις αὐτῆς. Ἀκόμι γνωστόν ἔστω τῆ βασιλεία της τῶν ὧδε κρατοῦντων ἡ ἐτοιμασία εἶναι φανερὰ νὰ |61 κινήσουν καταπάνω σας
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ἔξαφνα· καὶ θέλεις μάθειν καθόλικώτερον ἀπὸ τὸν δοῦλον της Παρασκευᾶ· καὶ παρακαλοῦμεν διὰ τὸν Χριστὸν, νὰ σταθεῖται ἀνδρείοι σὺν Θεῷ, μετ’ ἐπιμελεῖας. |62 Καὶ τοὺς Λέχους νὰ καθαρίζεται γοργώτερον ὡς καθολικοὺς αἴτιους. Ταῦτα βαίβεα γίνωσκαι· καὶ Θεὸς βοηθὸς της . – αψγ΄ Ἰανουαρίου δ, ινδικτιώνος ια΄ |63 Τῆς ἁγίας καὶ θεοφρουρήτου βασιλείας θερμὸς εὐχαίτης καὶ ἱκέτης πρώην Θεσσαλονίκης Μεθόδιος. |64 καὶ δι’ ἐμπιστωσύνην τοῦ ἄνωθεν ἀρχιτέκτωνος κυρίου γρὰν μαΐστωρος Αὐγουστὴ· ἱδοὺ ὁποῦ ἔβαλε καὶ τὴν βούλαν του τὴν ἱδίαν διὰ τὸ βαίβεον τῆς ἀληθεῖας ἔῥρωσον:[Stempel von Methodios] [Stempel von Avgoustis] Anmerkungen Zeilen 23–25: Dan 11,40 (Methodios zitiert mehr als ungenau aus dem Gedächtnis). Zeilen 25–28: Apk 12, 1–7. Zeile 29: Panagiotis Nikousios, Grossdragoman der Pforte. Zeile 48–50: Ioannis Botsis, venezianischer Konsul. Zeile 56: Petr Andreevicˇ Tolstoj, Botschafter Russlands an der Pforte.
Bibliographie
Abkürzungen BNJ BS BZ CASS CMR CSSH ΔΙΕΕΕ DOP DOV ΕΕΒΣ ΕΕΚΣ ΕΕΣΜ EI FOG GIM GWU HAB HGR HHStA HUS HZ ISNSR JEMH JESHO JGKS JGO JÖB ˇ KC KiO LexMA MGSY
Byzantinisch-Neugriechische Jahrbücher Balkan Studies Byzantinische Zeitschrift Canadian-American Slavic Studies Christian-Muslim Relations. A Bibliographical History Comparative Studies in Society and History Δελτίον της Ιστορικής και Εθνολογικής Εταιρείας της Ελλάδος Dumbarton Oaks Papers Dokumenty ob Osvoboditel’noj Vojne Ukrajnskogo naroda 1648–1654 Επετηρίς Εταιρείας Βυζαντινών Σπουδών Επετηρίς Εταιρείας Κρητικών Σπουδών Επετηρίς Εταιρείας Στερεοελλαδικών Μελετών Encyclopedia of Islam Forschungen zur Osteuropäischen Geschichte Gosudarstvennyj Istoricˇeskij Muzej Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Handbuch der Geschichte Russlands Haus-, Hof – und Staatsarchiv, Wien Harvard Ukrainian Studies Historische Zeitschrift Istoricˇeskie Svjazi Narodov SSSR i Rumynii v XV- nacˇale XVII v. Journal of Early Modern History Journal of the Economic and Social History of the Orient Jahrbücher für Geschichte und Kultur Südosteuropas Jahrbücher für Geschichte Osteuropas Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik ˇ tenija Kapterevskie C Kirche im Osten Lexikon des Mittelalters Modern Greek Studies Yearbook
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OCP Orientalia Christiana Periodica PDSDR Pamjatniki Diplomaticˇeskich Snosˇenij Drevnej Rossii s Derzˇavami Innostrannymi PG Patrologia Graeca PiB Pis’ma i Bumagi Imperatora Petra Velikogo PSRL Polnoe Sobranie Russkich Letopisej RESEE Revue des Études Sud-Est Européennes RGADA Rossijskij Gosudarstvennyj Archiv Drevnich Aktov RGB Rossijskaja Gosudarstvennaja Biblioteka RIDS Romansk Instituts Duplikerede Småskrifter RR Russian Review SEER Slavonic and East European Review SGGD Sobranie Gosudarstvennych Gramot i Dogovorov SKKDR Slovar’ Knizˇnikov i Knizˇnosti Drevnej Rusi SOF Südost-Forschungen SR Slavic Review TODRL Trudy Otdela Drevnerusskoj Literatury TRE Theologische Realenzyklopädie VUR Vossoedinnenie Ukrainy s Rossiei. Dokumenty i Materialy ZHF Zeitschrift für Historische Forschung ZRVI Zbornik Radova Vizantolosˇkog Instituta
Ungedruckte Quellen Ankara Ankara, Türk Tarih Kurumu [fonds du Syllogos], ms. 10 Athen Εθνική Βιβλιοθήκη (Τμήμα χειρογράφων) [Nationalbibliothek / Handschriftenabteilung] Nr. 2419 Μετόχιον Παναγίου Τάφου (ΜΠΤ) Nr. 23, 320, 411 Βιβλιοθήκη της Βουλής των Ελλήνων (Τμήμα χειρογράφων) [Parlamentsbibliothek / Handschriftenabteilung] Nr. 64 Bukarest Biblioteca Academiei Române (BAR) Ms. roum. 603 Ms. gr. 386 Jerusalem Patriarchatsbibliothek Cod. 160
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London British Library Add MS 72562 Moskau Gosudarstvennyj Istoricˇeskij Muzej (GIM) Vlad. Nr. 409 (Sinod. 469), 534 (Sinod. 2307), 538 (Sinod. 2312), 539 (Sinod. 2313). Rossijskaja Gosudarstvennaja Biblioteka (RGB) Fond 173.1 Nr. 25 http://dlib.rsl.ru/viewer/01004973040#?page=1 [07. 10. 2016] Rossijskij Gosudarstvennyj Archiv Drevnich Aktov (RGADA) Fond 52/1 7189 (1680–81)/ Nr. 8 7196 (1687–88/ Nr. 17 7200 (1691–92)/ Nr. 1 7201 (1692–93)/ Nr. 13 7202 (1693–94)/ Nr. 20 7206 (1697–98)/ Nr. 21 1701/ Nr. 1 1702/ Nr. 1 1703/ Nr. 1, 3, 7, 18 1704/ Nr. 1, 2, 15, 17, 25 1705/ Nr. 1, 12, 15, 17 1706/ Nr. 1, 2, 25, 26 1707/ Nr. 1 1708/ Nr. 1 1711/ Nr. 11 Fond 52/2 Nr. 133, 144, 151, 152, 153, 156, 172, 176, 178, 179, 180, 184, 195, 201, 203, 209, 219, 226, 228, 229, 233, 237, 239, 243, 246, 247, 249, 260, 264, 265, 266, 285, 294, 298, 299, 300, 304, 305, 307, 308, 310, 311, 312, 319, 320, 323, 325, 344, 349, 350, 352, 353, 354, 356, 362, 364, 365, 372, 374, 375, 376, 378, 379, 381, 383, 384, 396, 402, 404, 407, 408, 412, 418, 419, 420, 421, 424, 427, 434, 437, 439, 447, 451, 454, 462, 472, 475, 476, 481, 491, 493, 494, 497, 498, 499, 500, 503, 510, 513, 515, 517, 521, 523, 530, 532, 536, 537, 538, 547, 549, 550, 560, 565, 566, 567, 571, 572, 573, 577, 584, 588, 589, 592, 598, 599, 600, 601, 603, 604, 605, 606, 608, 611, 626, 627, 636, 639, 640, 646, 654, 655, 658, 659, 662, 668, 669, 676, 679, 680, 684, 685, 687, 695, 703, 704, 705, 706, 707, 708, 709, 711, 712, 713, 714, 715, 716, 717, 720, 721б, 721в, 722, 722б Fond 68 op. 3, 1656, nr. 5 op. 2, delo 35
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Personenregister Titel und Eigenschaften der registrierten Personen werden in der Regel bei Herrschern und Hierarchen angeführt, ansonsten nur wenn dies für die Identifikation der jeweiligen Person erforderlich ist.
Aaron 256 Abaza Hasan 156, 207 Abraham 298, 360 Adrian, Patriarch von Moskau 182, 210, 263f., 266, 356f. Afanas’ev, Grigorij 87 Afentoulis 194 Agapetos Diakonos 242, 248, 252, 254, 370 Ahizade Hüsseyin 107 Ahmed I., Sultan 99, 103, 243 Ahmed Ibn Habal 314 Ahmed III., Sultan 185, 190, 233, 279 Akundinov, Timosˇka 132 Akunin, Boris 205 Aleksej Alekseevicˇ, Zarensohn, Metropolit von Thessaloniki 244, 269, 331 Aleksej Michajlovicˇ, Zar 24, 32, 80, 112, 115f., 120, 122, 125, 131f., 141–144, 147f., 150–157, 160, 165, 172, 203, 205, 225f., 228–231, 244f., 248–255, 257–260, 270–272, 274, 280, 282–284, 287, 290– 294, 297f., 324, 327, 330–332, 355, 365, 370, 397, 399f., 402, 404 Aleksej Petrovicˇ, Zarensohn 181, 267, 358, 364, 375 Alexander der Große 220, 227f., 232, 250, 287, 291, 294, 296, 325, 332, 367–369, 382 Alexandropoulou, Olga 225, 294 Allatios, Leon 205 Amfilochios 14, 132, 135 Anastasios, byzantinischer Kaiser 266 Andreas Salos 312f., 330–332 Anna, byzantinische Prinzessin 82, 286 Anna, Kaiserin Russlands 372
Antiochos IV., seleukidischer König 112, 298 Antonios IV., Patriarch von Konstantinopel 66 Apostolis, Michail 324 Apraksin, Fedor Matveevicˇ 213 Aristoteles 152, 247, 302 Armenopoulos, Methodios 212–218, 231f., 252, 298–300, 408–412 Arnu, Nicolò 333 Arsenije III. Crnojevic´, Erzbischof/Patriarch von Pec´ 168–170, 230 Arsenios Graikos 321 Arsenios von Elassona 99 Auerbach, Erich 293 Augustus, römischer Kaiser 73 Avvakum 204, 344 Axtelmeier, Stanislaus Reinhard 334–338 Babaliaris, Thomas 135, 144, 147, 155 Bacon, Francis 303 Ballarino, Giovanni Battista 152f. Baltaci Mehmed Pascha 191, 194 Barbaro, Marcantonio 83 Baronius, Caesar 375 Basarab, Matei, Fürst der Walachei 120, 142, 247, 330 Basileios I., byzantinischer Kaiser 241, 281, 331 Basileios II., byzantinischer Kaiser 82 Bayle, Pierre 333, 345 Beck, Hans-Georg 238–240, 255 Becker, Tobias Johannes 271 Belleardi, Alessandro 222
494 Bessarion, Kardinal 54, 58, 68, 76, 120, 370 Bethlen, Gábor, Fürst von Siebenbürgen 105 Billington, James H. 119, 139 Birgitta, Hl. 288 Biron, Ernst Johann von 372 Blagoj, Boris 82 Blastares, Matthaios 261 Bodin, Jean 276, 286 Bogatyrev, Sergej 80 Bonnac, Jean Louis Dusson Marquis de 198 Boris Fedorovicˇ Godunov, Zar 84f., 99, 103 Bortoli, Antonio 378 Bossuet, Jacques-Bénigne 172, 277 Botsis, Dimitrios 194, 213f. Botsis, Ioannis 213f., 412 Braudel, Fernand 55, 57 Brȃncoveanu, Constantin, Fürst der Walachei 166, 168–171, 176f., 180, 184, 186f., 189, 191f., 194, 196f., 203, 229, 246f. Bushkovitch, Paul 25, 72, 94f., 257, 267, 307, 386 Calvin, Jean 276 Calvisius, Sethus 375 Cantacuzino, Constantin (Postelnik) 328 Cantacuzino, Constantin (Stolnik) 168, 176, 184, 229, 334, 338, 393 Cantacuzino, Michail 184, 229 Cantacuzino, S¸erban, Fürst der Walachei 166–169, 246, 334 Cantacuzino, S¸tefan, Fürst der Walachei 196 Cantacuzino, Toma 194f. Cantemir, Antioch, Fürst der Moldau 177, 190 Cantemir, Dimitrie, Fürst der Moldau 21, 166, 191f., 194–196, 198, 231–233, 300– 303, 315f., 364, 373, 379 Cantemir, S¸erban 300 Carras, Iannis 29 ˇ eredeev, Ivan 179, 309 C ˇ esnokova, Nadezˇda P. 28 C
Personenregister
Châteauneuf, Pierre Antoine de Castagnères de 174, 210 Chatzikyriakis 228 Chmel’nyc’kyj, Bohdan, Hetman 118, 128f., 131–135, 140–142, 144, 148, 150, 153, 161, 202f., 226f., 245 Chrissidis, Nikolaos A. 16, 28, 268 ˇ istoj, Nazarij 131 C Colbert, Jean-Baptiste 242 Comenius, Amos Johann 206 Consett, Thomas 374 Corbea, David 184 Ҫorlulu, Ali 191 Cracraft, James 351, 361, 373f. Crakanthrop, Richard 241 Crusius, Martin 88 Damad Ibrahim 233 Damke, Bernhard 242 Daniel (Prophet) 71, 213, 269, 275–279, 281, 285f., 289–291, 298–301, 304, 306 Daniil, Metropolit von Moskau 77 Dannil Nalcabasmat 123, 125f., 132, 136, 149 Daniil Grekas/Oliveberg 201–203, 209 Daudov, Vasilij Aleksandrovicˇ 334 De la Forêt, Jean 315 De la Haye-Vantelet, Jean 152f. De Turra, Martino 152 Debora 255 Del Chiaro, Anton-Maria 166 Dementij, Fomin 168 Demir Pascha 339 Dew, Nicholas 241 Dimaras, K. Th. 25, 385 Dimitrios Georgiou 224 Dionysios II., Patriarch von Konstantinopel 44, 79, 81, 88 Dionysios IV. Mouselimis, Patriarch von Konstantinopel 168–171, 207, 250, 254, 406–408 Dionysios Iviritis 28, 145, 147, 155, 227, 256f., 284, 321 Dionysios, Protosynkellos aus Ioannina 228, 404f.
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Personenregister
Dionysios, Protosynkellos des Hl. Grabes 144, 250f., 290, 322 Dixon, Simon 232, 351 Dolgorukij, Vasilij Vladimirovicˇ 132, 192 Dorosˇenko, Peter, Hetman 161 Dositheos II., Patriarch von Jerusalem 32, 42, 52, 89, 95f., 100, 109, 121f., 137, 152– 154, 156f., 170–178, 180–192, 196, 198, 200, 207, 210, 228, 262–267, 270, 288, 357f., 362, 376, 393 Drabik, Nikolaus 206 Du Cange, Charles du Fresne 242 Dunaev, Boris I. 78 Dusˇan, Stefan, serbischer König 20 Eduard VI., König Englands 241 Elizabeth I., Königin Englands 241 Eparchos, Antonios 83, 320 Esau/Edom 314 Ester 255 Eusebios, Bischof von Kaisareia 48, 240 Evdokija, Zarin 357 Evliya Çelebi 19 Ezechiel 300, 312, 331 Fabricius, Johann Albert 373 Fallmerayer, Jacob Philipp 393 Fedor Alekseevicˇ, Zar 160, 162, 172, 264, 266, 352, 373 Fedor Ivanovicˇ, Zar 70, 84 Feodorit, Archimandrit 79 Ferriol, Charles, Baron d’Argental 179, 221 Feyzullach Effendi 181 Filaras, Leonardos 201 Filaret, Patriarch von Moskau 90, 100, 102, 104–106, 109 Filofej von Pskov 71–73, 85, 273, 299f., 305 Filotheos, Priestermönch 223f. Fleischhacker, Hedwig 119, 139 Fleischmann, Franz von 195 Florja, Boris. N. 28, 105, 126, 136 Florovsky, Anton V. 221 Fonkicˇ, Boris L. 28f., 31, 127, 154, 225 Fontenelle, Bernard le Bovier de 350 Francke, August Hermann 363f.
Friedrich V., Kurfürst der Pfalz
299
Galaktion, Metropolit von Navpaktos und Arta 133, 223 Gallani, Raimondo 222 Gattinara, Mercurino 277 Gavriil, Metropolit von Chalkedon 136, 140 Gavriil, Metropolit von Nazareth 133, 139, 321, 350 Gavriil, Metropolit von Philippoupolis 156 Gavriil II., Patriarch von Konstantinopel 155f. Gavriil III., Patriarch von Konstantinopel 52 Gavrilo Erzbischof/Patriarch von Pec´ 156 Gennadij, Erzbischof von Novgorod 77 Gennadios II. Scholarios, Patriarch von Konstantinopel 37, 40, 50f., 133, 291, 299, 316, 319, 325 Georgieviczs, Bartholomaeus 326 Gerasimos II.,Palladas, Patriarch von Alexandria 360 Germanos, Metropolit von Patras 58 Germanos, Patriarch von Jerusalem 78 Ghica, Gheorghe, Fürst der Moldau 206 Giannoulis, Evgenios 160, 171 Gideon 266, 271, 294 Giordani, Gregorio 318f. Glück, Ernst 156, 208, 211, 287 Goertz, Hans-Werner 22 Goliath 251f., 269, 294, 296f. Golicyn, Dmitrij Michajlovicˇ 183 Golicyn, Petr Alekseevicˇ 216 Golicyn, Vasilij Vasil’evicˇ 162, 168, 186, 228f., 266, 269f., 296 Golovin, Fedor Alekseevicˇ 181f., 186–188, 190f., 210–212, 214–217, 265 Golovkin, Gavrila Ivanovicˇ 187–190, 297, 350 Golub, Ivan 273, 288 Gordios, Anastasios 303–307, 345f. Gregor der Erleuchter, armenischer Heiliger 343 Gregor, armenischer Patriarch 343
496 Gregor von Nazianz 225, 269, 292, 309 Gregor XIII., Papst 44 Grigorij, serbischer Mönch 177 Grigorios, Metropolit von Nikaia 145, 152f., 155, 157 Grillo, Antonio 127 Grimani, Alvise 83 Grotius, Hugo 242, 277, 375 Guagnini, Alexander 329 Guillet, George 341 Gustav Adolf, schwedischer König 105, 299 Haga, Cornelis 102, 104 Haidemenos, Ioannis 218, 232 Hasan Kurdi 222 Hasan Pascha 154 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 173 Heissler, Johann Donat 222 Helladius, Alexander 209, 362f., 365, 368– 370 Helmedach, Andreas 50 Herakleios, byzantinischer Kaiser 266, 270 Herberstein, Sigismund von 281–283, 329 Hiskija 251, 254 Hobbes, Thomas 375 Holofernes 294 Hösch, Edgar 26f., 29, 386 Hosea 266 Iakiv, Bischof von Chol 134 Iakovos II, Patriarch von Konstantinopel 168 Ibrahim, Sultan 118, 127, 326 Ieremias I., Patriarch von Konstantinopel 43 Ieremias II., Patriarch von Konstantinopel 45, 84–89, 97–100, 257, 265, 273 Ieremias III., Patriarch von Konstantinopel 359f. Ieremias, Priestermönch 400 Ierotheos, Metropolit von Monemvasia 85 Ignatij, Metropolit von Rjazan 98 Ioakeim, Abt des Hl.-Nikolaos-Klosters in Galatz 250
Personenregister
Ioakeim I., Patriarch von Alexandria 58, 82, 320, 346 Ioakeim V., Patriarch von Antiochia 84, 97, 100 Ioakeim I.., Patriarch von Konstantinopel 84 Ioakim, Patriarch von Moskau 161f., 168, 170f., 186, 263, 356 Ioannikios, Patriarch von Alexandria 137, 140, 150 Ioannikios II., Patriarch von Konstantinopel 125, 137, 140, 149, 153–155, 201, 296, 397–399 Ioannis, Händler 220 Ioannis, Priester 214 Ioannis IV. Kantakouzinos, byzantinischer Kaiser 309 Ioasaf, Archimandrit 154 Ioasaf, Metropolit von Evripos und Kyzikos 79, 81 Ioasaf, Metropolit von Korinth 132–134 Ioasaf II., Patriarch von Konstantinopel 79–82, 245, 282, 286 Iona., Patriarch von Moskau 67f. Iorga, Nicolae 165, 218, 233, 240f. Iosif, Patriarch von Moskau 124, 131, 139 Iov, Patriarch von Moskau 85f. Irina Michajlovna, Zarevna 124 Isaak 294 Isaias, Mönch des Transfigurationsklosters 214 Isaja, Archimandrit des Hl.-Paul-Klosters 167f. Isidoros, Metropolit von Moskau 67 Ismail I., Schach von Persien 278 Israel, Jonathan 351, 361, 386 Ivan III., Zar 68–71, 73, 76, 82, 283, 306 Ivan IV., Zar 58, 70, 72–74, 78–83, 87, 98f., 245, 282, 286, 306, 320, 356, 376 Ivan V., Zar 162, 171, 207, 230, 250, 255, 266, 269, 296, 406 Ivan Ivanovicˇ, Zarensohn 80 Jakob I., englischer König 241 Jalamas, Dimitrios A. 32 Javorskij, Stefan 217, 263f., 299
Personenregister
Johannes Chrysostomos 259, 269, 309, 350 Jonas 294 Joseph, chaldäisch-katholischer Patriarch 343 Josua 271, 294 Judit 255, 294 Jurij Ivanov 144 Justinian I., byzantinischer Kaiser 239, 242, 250f., 253, 266, 269, 287, 298, 367, 408 Justinian II., byzantinischer Kaiser 312 Jusuf Pascha 186 Kain, Kevin M. 258 Kaisaris, Tzortzis 217 Kakavelas, Ieremias 334 Kaldellis, Anthony 240 Kallinikos, Metropolit von Ioannina 250, 339 Kallinikos II., Patriarch von Konstantinopel 171, 209f., 212, 264, 310, 356f., 363 Kallioupolitis, Maximos 209, 363 Kangellarios, Alexandros 376, 378–381 Kantakouzinos, Thomas 104–108 Kantakouzinos Paraschis, Nikiforos 98, 104 Kapodistrias, Ioannis 13 Kapterev, Nikolaj F. 27f., 31, 130, 197, 200, 204, 257, 263 Kara Mustafa 161 Karapiperis, Konstantinos 128 Karl I., englischer König 243 Karl V., deutscher Kaiser 273, 277f., 281, 289, 315 Karl VI., deutscher Kaiser 222 Karl X. Gustav, König Schwedens 143, 201f., 206 Karl XII., König Schwedens 190f., 195f., 221, 232f., 297, 378 Karyofyllis, Ioannis 171, 176, 334, 399 Kasimir, König Polens 134, 203 Kastriotis, Georgios 176f., 180, 186f., 194– 196, 334, 360 Katharina, I., Kaiserin Russlands 365, 373 Katharina, II., Kaiserin Russlands 13f., 29, 80, 390, 392
497 Katiforos, Antonios 361, 376–380, 382– 386 Kedrinos, Georgios 270 Kirillov, Ivan 232 Kitromilides, Paschalis M. 19, 29 Kljucˇevsjki, Vasilij O. 350 Köleseri, Samuel 371 Kolettis, Dimitrios 194 Kolettis, Liverios 363–365 Koller, Markus 60 Kollitzidis, Matthaios 99 Komninos, Ioannis/Ierotheos, Metropolit von Drystra 334–338 Komninos Papadopoulos, Nikolaos 393 Komninos Ypsilantis, Athanasios 232 Kondylis, Konstantinos 217f. Konstantin der Große, byzantinischer Kaiser 48, 131, 207, 218, 220, 227, 238, 240–242, 249–255, 258, 266, 269, 271, 275, 281, 283, 287–291, 294–296, 298, 309, 316, 324, 328, 336, 338, 343, 367, 391 Konstantin V. Pogonatos, byzantinischer Kaiser 266 Konstantin VII. Porphyrogennetos, byzantinischer Kaiser 241 Konstantin VIII. byzantinischer Kaiser 82 Konstantin IX. Momonachos, byzantinischer Kaiser 73, 82, 271 Konstantin XI. Palaiologos, byzantinischer Kaiser 320, 324, 367 Kontaris, Kyrillos II., Patriarch von Konstantinopel 93, 107–109, 120, 123, 330 Kontoeidis, Athanasios 300, 364, 370, 373– 375 Köprülü, Ahmed 160 Köprülü, Mehmed 151, 154, 156, 160, 164, 206 Köprülü, Numan 191 Korydalleus, Theofilos 121 Koselleck, Reinhard 23f. Kösem Mahpeiker, Sultansmutter 121 Kosov, Sylvestr 129 Kostka Stamatev 163, 207 Kourilas, Evlogios 14f. Kraft, Ekkehard 27, 229, 290
498 Kritopoulos, Mitrofanis, Patriarch von Alexandria 52, 90, 108f., 330 Kritopoulos, Pavlakis 136 Krizˇanic´, Juraj 119, 273f., 287–290, 296, 307, 311 Kyminitis, Sevastos 360 Kyprian, Metropolit von Moskau 66 Kyrill, Metropolit von Moskau 83, 320 Kyrillos, Mönch des Vatopedi-Klosters 309 Kyrus, persischer König 347 Kysil, Adam 127 Lampardis, Paisios I., Patriarch von Jerusalem 120–123, 128–140, 143, 145–148, 154, 170–172, 175, 200, 205, 226, 245, 249–251, 253–255, 266, 290, 308, 402 Laskaris, Janus 54, 76, 120, 281 Lazius, Wolfgang 277 Lazzaroni, Giammaria 377 Leibniz, Gottfried Wilhelm 119, 354f., 363, 372 Leichoudis, Ioannikios 28, 173, 230, 255, 268–270, 279, 296, 338, 362, 365, 367, 388 Leichoudis, Sofronios 14, 172, 228, 230, 246, 255, 268–270, 279, 296, 338, 362, 365, 367, 388 Lentin, Anthony 374 Leo VI., byzantinischer Kaiser 266, 269, 281, 313, 316–321, 326f., 329, 331f., 338 Leon Diakonos 312 Leopold I., deutscher Kaiser 168, 271 Leszczyn´ski, Stanisław 221 Levantinos, Alexandros 200 Lezi Effendi 339f. Ligaridis, Paisios, Metropolit von Gaza 121, 204–206, 228, 230f., 233, 246, 250, 253, 255–257, 259–261, 268–270, 279– 288, 290, 295f., 308, 324, 327–332, 337, 346, 367, 369, 371, 388, 393 Lokros, Germanos 160, 171f. Loukaris, Kyrillos I., Patriarch von Konstantinopel 18, 60, 89–91, 95f., 98, 101f., 104–111, 116, 120f., 123, 125, 133, 135, 143, 154, 171, 200, 323, 363, 389 Lozovan, Eugène 301
Personenregister
Ludolf, Hiob 211 Ludolf, Wilhelm Heinrich 211, 363 Ludwig XIV., König Frankreichs 144, 174, 179, 206, 210, 242f., 248 Luk’jianov, Ivan 344, 346, 357 Lupu, Vasile, Fürst der Moldau 110f., 120f., 123–125, 127, 134, 136f., 141f., 146, 170, 245f., 402 Luther, Martin 265, 299 Makarij, Metropolit von Moskau 72f., 78, 80f., 256 Makarios III. Ibn al-Za’im, Patriarch von Antiochia 90, 137, 143f., 146–148, 153, 155, 157, 217 Makarios, Metropolit von Monemvasia 58 Makarios, Protosynkellos 232 Makarios, Erzdiakon 322, 400–402 Maksim Grek 77f., 81 Malalas, Ioannis 305 Malaxos, Grigorios 39, 57f. Manassis, Erzbischof von Pogoniani 332 Maneas, Manos 342 Manuel Palaiologos, byzantinischer Kaiser 241 Manuil aus Kastoria 144–146, 155, 157 Marcello, Lorenzo 149 Maria Gonzaga, Königin von Polen 203 Maritsis, Nikolaos 202–204, 231, 393 Markianos, byzantinischer Kaiser 266, 269 Marsigli, Luigi Ferdinando 166 Matthaios, Metropolit von Myra 60, 295, 322 Matthaios II., Patriarch von Konstantinopel 59 Matveev, Andrej Artamonovicˇ 210 Matveev, Artamon Sergeevicˇ 160, 172, 186, 284, 287 Mavrikios, byzantinischer Kaiser 266 Mavrokordatos, Alexandros 161, 165, 171, 174, 176–187, 190, 309f. Mavrokordatos, Ioannis 195, 198 Mavrokordatos, Konstantinos 385 Mavrokordatos, Nikolaos 185, 190f., 198, 364, 371, 373, 387
499
Personenregister
Maximilian I., deutscher Kaiser 83, 282, 286 Maximos III., Patriarch von Konstantinopel 47 Maximos Peloponnisios 59f. Mazepa, Ivan, Hetman 175, 182, 191 Mazower, Mark 15 Mehmed Aga 356 Mehmed II., Sultan 37f., 279, 291, 317, 326 Mehmed IV., Sultan 164, 244, 251, 279, 289, 324, 326, 330, 334 Meletios, Hierodiakon 145f., 148, 186, 200 Meletios, Metropolit von Athen 152–154, 298 Melissinos, Makarios 317 Mensˇikov, Alexander Danilovicˇ 378 Michael Palaiologos, byzantinischer Kaiser 260 Michail, Anastasios 363f., 366–369, 373 Michail der Tapfere, Fürst der Walachei 322 Michail Fedorovicˇ, Zar 99f., 103, 105, 108f., 123, 125, 249, 251–253, 274, 322, 395 Michail, serbischer Metropolit 152f. Michail, Schneider aus Lesvos 136 Michail Vyzantios 335 Mihnea III. Radu, Fürst der Walachei 157 Miljukov, Pavel N. 321 Miniatis, Evangelistis 364, 373 Miniatis, Michail 364, 373 Mitrofanis III., Patriarch von Konstantinopel 58, 83 Mocenigo, Alvise 226f. Mocenigo, Giovanni, Doge 47 Mocenigo, Lazzaro 156 Mohyla, Peter, Metropolit von Kiev 94, 106, 110, 124 Montesquieu, Charles-Louis de Secondat 355, 376 Morozov, Boris 125, 130 Moses 82, 131, 183, 214, 240, 251f., 256, 266, 270f., 294, 297f., 360 Mostratos, Alexandros 217f. Müller, Gerhard Friedrich 231 Murad IV., Sultan 50, 107
Murav’ev, Andrej N. 31 Mures¸an, Ion D. 81, 86, 247 Müteferrika, Ibrahim 279, 356 Muzˇilovskij, Sylujan 131 Naȋmȃ 152f. Narses 343 Nas¸turel, P. S. 81 Nebukadnezzar 275, 284, 304 Neofytos, Archimandrit des AkrotirianiKlosters 294 Neofytos, Erzbischof von Mani 49 Neofytos, Metropolit von Bethleem 144 Neofytos, Metropolit von Lydde 174 Neofytos II., Patriarch von Konstantinopel 59, 93 Neplujev, Ivan 233 Nestor Iskender 320 Neubauer, Helmut 26, 117 Neumann, Christoph 149 Nevers, Charles de Gonzague 56, 119, 201, 203 Nikiforos, Patriarch von Alexandria 123, 252 Nikiforos, Patriarch von Konstantinopel 312 Nikolaj Christoforov 112 Nikon, Patriarch von Moskau 27, 78, 80, 94, 110, 115, 117, 131, 137–143, 148, 150, 152, 172, 204f., 226, 257–262, 264, 389 Nikousios, Panagiotis 165, 171, 289, 296, 299, 412 Nil, Bischof von Tver’ 79 Noah 298 Notaras, Chrysanthos, Patriarch von Jerusalem 42, 52, 175f., 182f., 189–191, 194, 196–198, 204, 228, 262, 270, 296f., 322, 329, 334, 346, 363, 374, 393 Oakley, Francis 238 Obolensky, Dimitri 63–66, 77f. Og, König von Basan 251 Olga von Kiev 10, 73 Ordin-Nasˇcˇokin, Afanasij 150, 160 Ory, Israel 197, 344 Osman II., Sultan 50, 104
500 Osterhammel, Jürgen 24, 233 Ostrowski, Donald 70, 85, 244 Ostrozˇ’ky, Konstantin 96 Paisios, Patriarch von Alexandria 164, 255, 260, 283, 331 Paisios Lampardis, Patriarch von Jerusalem, s. Lampardis Paisios I., Patriarch von Konstantinopel 140, 143f., 171, 253f. Palaiologos, Konstantinos A., Historiker 14 Pamperis Prokopiou, Dimitrios 373 Panagiotis, comis 335 Panorios, Ioannis 217 Papadopoulos-Kerameus, Athanasios 203, 333 Papasynadinos 50, 60, 323 Paraskevas 213f. Parthenios, Archimandrit 144, 157, 214, 255, 404 Parthenios, Metropolit von Laodikeia 214, 255, 404 Parthenios, Mönch 404 Parthenios I., Patriarch von Konstantinopel 110, 120, 123, 125, 136 Parthenios II., Patriarch von Konstantinopel 120–125, 133–141, 146, 153f., 171, 245, 249f., 252, 255, 262 Parthenios III., (Parthenakis), Patriarch von Konstantinopel 152–154, 156, 219, 254 Parthenios IV., Patriarch von Konstantinopel 164 Patellaros, Athanasios III., Patriarch von Konstantinopel 115, 122, 127, 133, 138– 141, 145, 225–227, 230, 245f., 251–254, 279, 291f., 294f., 298, 309, 324f., 331, 365, 393 Paul von Aleppo 155 Pa˘un, Radu 157, 192 Pavlos, Mönch 134, 212 Pecora, Santo 378 Peresvetov, Ivan 74, 80, 356, 376 Perry, John 378
Personenregister
Peter I., Zar 15–17, 25, 27, 29, 31–33, 89, 162, 166, 168, 171, 176–178, 180–198, 203, 206f., 209–211, 213–215, 221f., 228, 230–233, 246, 249f., 252–256, 264–267, 269f., 272, 274, 287, 296–301, 303, 306f., 334–336, 338f., 344, 349–361, 363, 365– 372, 374–388, 390–394, 406, 408 Petriceicu, S¸tefan, Fürst der Moldau 166 Petrovszky, Konrad 20f. Philipp II., König Spaniens 56, 241 Philipp III., König Spaniens 49, 56, 59 Pierre de Noyers 152f., 220 Pigas, Meletios, Patriarch von Alexandria 42, 60, 86f., 89, 95f., 98, 280, 323 Pitirim, Patriarch von Moskau 262 Pittakos 270 Pitteri, Antonio 377 Pizzaro, Francisco 347 Plato 298 Platonov, Sergej F. 350 Plutarch 369, 386 Podskalsky, Gerhard 171, 204 Politis, Linos 313 Polockij, Simeon 230, 287 Polybios 386 Polyeidis, Theoklitos 14, 212 Polykalas, Gerasimos 364, 373, 379 Poniatowski, Stanisław 232 Porosukov, Afanasij 165, 170 Possevino, Antonio 74 Poumarède, Géraud 343 Poznjakov, Vasilij 19, 82, 320 Praetorius, Johannes 319, 325f., 337 Prokopovicˇ, Feofan 209, 358, 373–375, 387 Pseudo-Dmitrij 98, 103, 132, 244 Pseudo-Methodios 312, 315f., 325f., 330 Pufendorf, Samuel von 375 Radulf von Diceto 314 Radziwiłł, Janusz 124 Rafail II., Patriarch von Konstantinopel 59, 93 Raguzinski, Savva Vladislavicˇ 193, 196f. Rákóczi, Georg II., Fürst von Siebenbürgen 156–158, 203, 206 Rakovit,a Michail, Fürst der Moldau 190f.
Personenregister
Rålamb, Claes 150, 152–154, 159f., 219, 341 Rallis Palaiologos, Dionysios 103f. Ramadanis, Dimitrios 151–153 Ramazanova, Dzˇamilja N. 28 Rami Effendi 178f., 181, 185 Reninger, Simon 135–137, 152–154, 233 Rimskij-Korsakov, Ignatij 230, 338 Rodion Ivanov 163 Roger von Hoveden 314 Rousset de Missy, Jean 377 Rurik 281 Rycaut, Paul 340f. Sˇafirov, Petr 198, 306, 349 Salomon 251, 254f., 266, 368 Samson 254, 294 Sansovino, Francesco 319f., 325–327, 333, 337 Sathas, Konstantinos 14f., 346 Savonarola, Girolamo 77 Scheliha, Wolfram von 27, 87, 226 Schendos, Michail 364f., 371–373, 382 Schinkel, Anders 23 Schmid, Johann Rudolf 107 Selim I., Sultan 278 Selim II., Sultan 326 Sendivogius, Michael 303 Serafeim Myitlinaios 208–212, 363 S¸erban, Konstantin, Fürst der Walachei 148, 156, 166–169, 246, 253, 269, 402 Sˇeremetev, Boris Petrovicˇ 192, 198 Sˇevcˇenko, Ihor 27, 75, 206, 242, 269, 271 Sez Omer 223 Sigismund III., König Polens 104, 303 Silvestros, Patriarch von Alexandria 82 Simeon Alekseevicˇ, Zarensohn 244 Sineus 281 Skiadas, Athanasios 364, 370f., 376–385 Sklavenitis, Triantafyllos E. 318 Skopetea, Elli 393 Skylosofos, Dionysios, Metropolit von Larisa 59 Smith, Thomas 117f., 340f. Sobieski, Jan, König Polens 288
501 Sofija Alekssevna, Zarevna 162, 167f., 172, 228, 230, 250, 255, 266, 269, 296 Sofronios, Patriarch von Jerusalem 99 Solov’ev, Vladimir S. 257 Spatharios, Nikolaos 21, 172, 187, 217, 284–290, 362 Spon, Jacob 342 S¸tefan, Gheorghe, Fürst der Moldau 147f., 153, 156f., 170, 202 Stoye, John 143, 158, 172 Stresˇnev, Tichon Nikiticˇ 283 Suchanov, Arsenij 28, 131f., 136f., 308, 321, 338, 370, 402 Sˇujskij, Vasilij IV., Zar 132 Süleyman I., Sultan 151, 278 Süleyman II. 334 Süleyman Pascha 170, 408 Sumner, Benedict Humphrey 194, 197f. Susanna 255 Sutton, Robert 191, 195 Symeon, Mönch 212 Syrigos, Meletios 110, 125, 140, 153 Tacitus 385f. Tafralis Vardas, Ioannis 104, 108f., 111, 123, 125, 127f., 132–134, 322 Taki, Victor 159 Talman, Michael 315 Tatarakis, Georgios 215, 217f. Tchentsova, Vera G. 28, 31, 115, 138, 154, 231 Telepnev, Stefan Vasil’evicˇ 126 Teodosie, Metropolit der Walachei 168 Teotei, Tudor 281f. Themistios 266 Theodosius I., byzantinischer Kaiser 242, 250, 266, 269, 271, 287, 294 298, 314, 367 Theofanis, Metropolit von Patras 123f. Theofanis III., Patriarch von Jerusalem 90, 99–101, 104, 106, 108, 120–122, 130, 154, 173, 257, 265 Theoliptos I., Patriarch von Konstantinopel 79, 81 Theoliptos II., Patriarch von Konstantinopel 59, 84 Theophanes der Bekenner 270
502
Personenregister
Thomas de Paris 152f. Tiepolo, Giovanni 126 Timotheos II., Patriarch von Konstantinopel 93, 103 Titus, römischer Kaiser 314 Tolstoj, Petr Andreevicˇ 19, 184–187, 189– 191, 195–197, 213–215, 222, 231, 373, 412 Tournefort, Joseph Pitton de 342f. Trachaniotis, Dimitrios 76 Trachaniotis, Georgios 76 Trumbull, William 206 Truvor 281 Tupac-Amaru II. 347 Turhan, Sultansmutter 136, 149, 151 Typaldos, Meletios, Metropolit von Philadelphia 343, 358 Ukraincev, Emel’jan Ignat’evicˇ 309 Usher, James 243 Uzun Hasan 318
178–183,
Valdés, Alfonso 277 Valerian, römischer Kaiser 266 Valetas, Giorgos 193 Valiero, Andrea 152–154 Van Helmont, Jan Baptist 301 Vani Effendi 161 Varlaam, Metropolit von Moskau 79 Vasileios, Hosios 312 Vasilij I., Großfürst von Moskau 66 Vasilij II., Großfürst von Moskau 67 Vasilij III., Großfürst von Moskau 79, 81 Verchovskoj, Pavel V. 374 Villari, Rosario 119 Vimina, Alberto 132, 227 Vlachos, Gerasimos 14, 226–228, 230, 250, 252f., 256, 268f., 279, 291f., 294, 298, 324–327, 358, 393
Vladimir, Großfürst von Kiev 63, 73, 82, 257, 289, 305 Vladimir Monomach, Großfürst von Kiev 73, 284 Vlasios, Gavriil, Metropolit von Navpaktos und Arta 122, 127, 133, 138, 140f., 145, 246, 249, 251–253, 274, 276, 279f., 284, 290f., 294, 308, 365, 395, 397 Vockerodt, J. G. 364 Voltaire, François-Marie Arouet 118, 376– 378, 384 Voulgaris, Evgenios 361, 392 Voznicyn, Prokofij Bogdanovicˇ 177f., 182, 231 Vyhovskij, Ivan 153, 203f. Waldemar, dänischer Prinz 124 Wallenstein, Albrecht von 119 Warner, Levinus 144, 152 Waugh, Daniel Clarke 227, 352 Weber, Friedrich Christian 349, 372, 377f. Winkler, Heinrich August 72, 239 Władysław IV., König Polens 126, 203 Wtenbogaert, Johann 18, 90 Xanthos, Emmanuil
13f.
Zamitris, Laonikos 227, 231 Zane, Matteo 83 Zelepos, Ioannis 20 Zoi (Sofija), Palaiologina 68f., 73, 76, 82, 283 Zonaras, Ioannis 270 Zorobabel 266 Zosima, Metropolit von Moskau 71 Zˇukov, Rodion 152–154
Kultur- und Sozialgeschichte Osteuropas/ Cultural and Social History of Eastern Europe Band 12: Bianca Hoenig / Hannah Wadle (Hg.)
Band 8: Julia Obertreis
Eden für jeden?
Cotton Growing and Irrigation in Central Asia, 1860–1991
Touristische Sehnsuchtsorte in Mittel- und Osteuropa von 1945 bis zur Gegenwart 2019. 379 Seiten, gebunden € 50,– D / € 52,– A / € 39,99 E-Book ISBN 978-3-8471-0984-6
Band 11: Corinne Geering
Building a Common Past World Heritage in Russia under Transformation, 1965–2000 2019. 454 Seiten, gebunden € 70,– D / € 72,– A / € 59,99 E-Book ISBN 978-3-8471-0959-4
Band 9: Julia Hildt
Der russische Adel im Exil Selbstverständnis und Erinnerungsbilder nach der Revolution von 1917 2018. 258 Seiten, gebunden € 45,– D / € 37,99 E-Book ISBN 978-3-8471-0870-2
Imperial Desert Dreams 2017. 536 Seiten, gebunden € 70,– D / € 72,– A / € 59,99 E-Book ISBN 978-3-8471-0786-6
Band 7: Dennis Dierks
Nationalgeschichte im multikulturellen Raum Serbische Erinnerungskultur und konkurrierende Geschichtsentwürfe im habsburgischen Bosnien-Herzegowina 1878–1914 ca. 390 Seiten, gebunden ca. € 55,– D / € 57,– A / € 44,99 E-Book ISBN 978-3-8471-0781-1 In Vorbereitung
Band 6: Carola Lau
Erinnerungsverwaltung, Vergangenheitspolitik und Erinnerungskultur nach 1989 Institute für nationales Gedenken im östlichen Europa im Vergleich 2017. 825 Seiten, gebunden € 110,– D / € 114,– A / € 89,99 E-Book ISBN 978-3-8471-0661-6
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