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German Pages 399 [401] Year 2011
Géza Alföldy
Römische sozial geschichte
Franz Steiner Verlag
Géza Alföldy Römische Sozialgeschichte
Géza Alföldy
Römische Sozialgeschichte 4., völlig überarbeitete und aktualisierte Auflage
Franz Steiner Verlag
Umschlagabbildung: Relief vom Grabmal der Haterier Museo Pio Clementino, Vatikanische Museen, Rom, Inv. Nr. MV/P051 Foto: Schwanke, Neg. D-DAI-ROM-1981.2857 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. 4., völlig überarbeitete und aktualisierte Auflage, Stuttgart 2011 © Franz Steiner Verlag, Wiesbaden 1975 Druck: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-09841-0
István Hahn Friedrich Vittinghoff Karl Christ in memoriam
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort zur 4. Auflage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
I. Die frührömische Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Grundlagen und Anfänge der frührömischen Sozialordnung. . . . . . . . . . . . 15 Der Aufbau der archaischen Gesellschaft Roms. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Die Ständekämpfe im frühen Rom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
II. Die römische Gesellschaft vom Beginn der Expansion bis zum zweiten punischen Krieg. . . . . . 36
Die Auflösung der archaischen Sozialordnung: der Ausgleich der Stände und die Expansion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Die römische Gesellschaftsordnung im 3. Jahrhundert v. Chr.. . . . . . . . . . . 45
III. Der Strukturwandel im 2. Jahrhundert v. Chr. . . . . . . . Voraussetzungen und allgemeine Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberschichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschichten, Italiker, Provinziale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Weg in die Krise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Die Krise der Republik und die römische Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
Die Konflikte in der römischen Gesellschaft während der Späten Republik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Aufstände der Sklaven, der Provinzialen und der Italiker . . . . . . . . . . . . . . 89 Die Hauptkonflikte der Späten Republik und ihre sozialen Zusammenhänge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Die Folgen der Krise der Republik für die römische Gesellschaft . . . . . . . 109
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i n h a lt s v e r z e i c h n i s
V. Die Gesellschaftsordnung der Prinzipatszeit. . . . . . . Alte und neue Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die soziale Schichtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Senatorenstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Ritterstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die städtischen Eliten: die Ordines decurionum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere städtische Eliten und hochgestellte Gruppen: Seviri Augustales und weitere reiche Liberti, Familia Caesaris. . . . . . . . . . Städtische Unterschichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ländliche Unterschichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Stände-Schichten-Struktur und ihre Auswirkungen. . . . . . . . . . . . . . .
118 118 138 150 162 169 175 179 192 197
VI. DIE KRISE DES RÖMISCHEN REICHES IM 3. JAHRHUNDERT UND DIE RÖMISCHE GESELLSCHAFT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
Umwandlungsprozesse im Imperium Romanum während des 3. Jahrhunderts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Senatorenstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Ritterstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Städtische Oberschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Militär in der Gesellschaft des 3. Jahrhunderts. . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Wandel in der Sozialstruktur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschleunigter Wandel und Krise des Römischen Reiches. . . . . . . . . . . . .
218 229 233 235 239 242 245 254
VII. DIE SPÄTRÖMISCHE GESELLSCHAFT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
Voraussetzungen und allgemeine Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Führungsschicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Kurialen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die spätrömische Gesellschaft und der Zerfall des Imperium Romanum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
273 284 293 297
Aktualisierte Bibliographie: Die wichtigsten Arbeiten zur römischen Sozialgeschichte 1984–2011. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Register. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375
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Vorwort zur 4. Auflage
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ie ursprüngliche Fassung des hier vorliegenden Buches ist vor fast 40 Jahren aus Vorlesungen entstanden, die ich an der Ruhr-Universität Bochum gehalten habe. Vorlesungen über die Sozialgeschichte der Antike waren damals nicht nur in Deutschland ein Novum. Angeregt wurde ich dazu von den Studenten, die während der damaligen Zeit der Studentenrevolte meinten, dass man sich selbst als Historiker des Altertums nicht nur mit politischer Geschichte und mit dem »Glanz der Herrschenden« beschäftigen sollte, sondern auch mit dem Aufbau, der Entwicklung und den Konflikten antiker Gesellschaften, die auch für unsere Gegenwart Lehren bieten können. Zahlreiche Kollegen aus der Neuen Geschichte haben mir vorexerziert, wie fruchtbar solche Fragestellungen für die Historie sein können, so in Bochum vor allem Rudolf Vierhaus, Hans Mommsen und Hans Pohl, der mich zu der Abfassung dieses ersten Versuches einer Römischen Sozialgeschichte überredet hat, später in Heidelberg hauptsächlich Werner Conze. Das Ziel des Buches lag in erster Linie darin, Studierenden der Altertumswissenschaften, der Allgemeinen Geschichte und der Sozialwissenschaften eine Information über die wichtigsten Probleme der Sozialgeschichte Roms zu geben. Mir war es völlig klar, dass ich damit ein Wagnis riskierte, das von manchen Althistorikern zunächst nicht ohne Skepsis betrachtet wurde. Man konnte damals jedenfalls nur sagen: »Während der Autor einer allgemeinen, konventionellen ›Römischen Geschichte‹ auf eine beliebige Anzahl von Vorbildern zurückgreifen und die Erfahrung eines traditionsreichen genos der Geschichtsschreibung verwerten kann, tastet sich der Verfasser einer ersten ›Römischen Sozialgeschichte‹ auf einem Versuchsgelände voran.«1 Das Wagnis scheint sich gelohnt zu haben. Gewiss haben einige zentrale Thesen dieses Buches bei mehreren namhaften Gelehrten Kritik und Ablehnung hervorgerufen, doch selbst die meisten Kritiker meinten, dass mit diesem Buch in der althistorischen Forschung das erste Mal eine nützliche, intensive Diskussion über die Problematik von Struktur, Eigenart und historischer Entwicklung der römischen Gesellschaft in die Wege geleitet wurde. Sein von vielen Rezensenten bescheinigter Erfolg scheint mir im Rückblick geradezu überwältigend zu sein. Innerhalb von neun Jahren (1975–1984) wurden drei deutsche Auflagen veröffentlicht, wobei sich 1 Zu den damals als nur schwer überwindbar betrachteten Problemen eines solchen Unterfangens siehe ausführlich das Vorwort der 1. Auflage (Wiesbaden 1975), IX ff.
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die letzte von den beiden früheren nur durch sehr begrenzte Zusätze und Verbesserungen unterscheidet. Das Buch wurde in acht Sprachen übersetzt: Es gibt je drei Ausgaben in englischer (1985/88), in spanischer (1987/92), in italienischer (1987 mit undatierten Nachdrucken), in neugriechischer (1988/2002) und in polnischer Sprache (1991/2003), zwei ungarische Ausgaben (1996/2000), je eine Ausgabe in portugiesischer (1989) und in französischer Sprache (1991). In verschiedenen Ländern werden noch immer jedes Jahr mehrere hunderte Exemplare verkauft, zumal bisher kaum von jemandem sonst der Versuch unternommen wurde, die Geschichte der römischen Gesellschaft in ihrer Entwicklung im Verlauf von 1000 Jahren diachronisch darzustellen. Gewiss gibt es inzwischen ausgezeichnete Darstellungen der sozialen Beziehungen vor allem in den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit, so das Bahn brechende Buch von Ramsay MacMullen, »Roman Social Relations 50 B.C. to A. D. 284« (1974) und jetzt das von Michael Peachin herausgegebene Sammelwerk »The Oxford Handbook of Social Relations in the Roman World« (2011).2 François Jacques und John Scheid legten in ihrem Werk »Rome et l’intégration de l’Empire, Les structures de I’Empire romain« (1990, deutsch: »Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit, Die Struktur des Reiches«, 1998) eine konzise Darstellung der Gesellschaftsordnung im Zeitraum zwischen 44 v. Chr. und 260 n. Chr. vor. Friedrich Vittinghoff verdanken wir sogar eine eingehende, in zwei historische Abschnitte gegliederte Darstellung der sozialen Verhältnisse in der Hohen Kaiserzeit und in der Spätantike in dem von ihm herausgegebenen Band »Europäische Wirtschaftsund Sozialgeschichte in der römischen Kaiserzeit« (1990), und Jens-Uwe Krause hat vor Kurzem im Reallexikon für Antike und Christentum – in einem relativ knappen Rahmen – einen Überblick über die »Klassen« in Rom von den Anfängen bis zur Spätantike veröffentlicht (2004). Doch bieten die beiden zuerst genannten Werke keine historische Darstellung, die römische Republik bleibt in den meisten dieser Werke ausgeblendet, und Krauses Darstellung ersetzt nicht eine umfassende Darstellung zahlreicher wichtiger Themen der römischen Sozialgeschichte. Manche Publikationen, die unter dem Titel »Roman Social History« o. ä. veröffentlicht wurden, sind in Wirklichkeit nur Sammlungen von Einzelstudien unterschiedlicher Bedeutung.3 Das ursprüngliche Grundkonzept des Buches wurde auch in dieser Ausgabe beibehalten. Betont werden müssen vor allem folgende Hauptelemente dieses Konzeptes. Eine Sozial-»Geschichte« bedarf eines diachronischen Konzeptes, wobei ich die Gliederung des Buches in sieben Kapitel vom frühen Rom bis zur Spätantike beibehalten habe. Dass dabei der Gesellschaft der ersten Jahrhunderte der Kaiserzeit ein 2 Die vollständigen bibliographischen Angaben der in diesem Vorwort genannten Werke siehe in der Bibliographie. 3 So etwa S. Treggari, Roman Social History (London – New York 2002), u. a. mit einem ganz kurzen Abschnitt »A Sketch of Roman Society« (S. 42–48). Auch das anregende Werk von P. Veyne, La société romaine (Paris 1991) enthält nur eine Aufsatzsammlung.
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besonderes Gewicht zukommt, ist nicht nur durch eigene Forschungsschwerpunkte bedingt, sondern auch dadurch, dass wir über die sozialen Verhältnisse dieser Epoche am besten informiert sind. Weiterhin befolge ich auch heute das Konzept, wonach die zentralen Themen der Sozialgeschichte folgendermaßen aufgelistet werden können: die wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Grundlagen sowie die sozialen Kriterien für die Gliederung der Gesellschaft, ihr Aufbau mit ihren einzelnen, von mir zumeist als Stände und Schichten bezeichneten Teilen, ihre Durchlässigkeit dank der sozialen Mobilität, die Beziehungen zwischen den einzelnen gesellschaftlichen Gruppen wie u. a. soziale Konflikte, die spirituellen Bindungen der Gesellschaft, ihre Krisen und auch ihre Reflexionen über sich selbst. Jeder weiß freilich, dass in den letzten Jahrzehnten die sog. sozialanthropologischen Themen – Problembereiche wie »gender studies«, die Stellung der Frau einschließlich solcher Fragen wie Ehe oder Prostitution, Familie, die Stellung des Kindes, der Jugend, der Alten, der Randgruppen – stark in den Vordergrund der sozialgeschichtlichen Forschung rückten. Ich bin auf diese Fragen im Allgemeinen nicht eingegangen, da sie sich eher für epochenübergreifende Betrachtungen über »social relations« als für eine diachronische historische Studie eignen. Allerdings habe ich in der aktualisierten Bibliographie zu den Hauptproblemen der römischen Sozialgeschichte auch die wichtigste neue Literatur zu diesen Themenbereichen zusammengestellt. Außerdem war ich nach wie vor bemüht, die Geschichte der römischen Gesellschaft nicht aufgrund vorgefasster und abstrakter Theorien, sondern möglichst auf die antiken Quellen gestützt darzustellen. Es gab freilich und es gibt auch heute noch Fachleute, die meinen, dass sich die antiken Autoren kaum für sozialgeschichtliche Fragen interessierten und dass die Inschriften, aus deren ursprünglicher riesiger Masse uns nur ein Bruchteil und auch dieser nur in einer zufälligen Auswahl erhalten ist, kein richtiges Bild über die antike Gesellschaft vermitteln können. Die Jahrzehnte lange Beschäftigung mit der römischen Historiographie und insbesondere mit der Epigraphik des Imperium Romanum erhärteten meine gegenteilige Auffassung. Die literarischen Quellen – dar unter oft wenig gelesene Werke wie z. B. die Schriften der Kirchenväter – enthalten sehr viele aufschlussreiche Hinweise auf die Lage einzelner sozialer Schichten und Gruppen in den verschiedenen Epochen, und die Inschriften erweisen sich, wenn man sie methodisch richtig auszuwerten versteht, als eine Schatzkammer für die Sozialgeschichte. Höchst lehrreich sind unter anderem die Reflexionen der Autoren über die Gesellschaft ihrer Zeit; die Sozialkritik von Sallust oder Salvianus beispielsweise bieten uns einen ausgezeichneten Einblick in zentrale Probleme ihrer Gegenwart. Was die Inschriften betrifft, ihr großer Vorzug liegt nicht zuletzt darin, dass sie uns nicht nur über die Herrschenden und die Eliten informieren, deren Angelegenheiten das Hauptthema der antiken Geschichtsschreibung sind, sondern einen guten Einblick auch in das Leben der »kleinen Leute« einschließlich der Sklaven gewähren. Denjenigen, die meinen, dass sich die Inschriften schon deshalb kaum für hi storische Betrachtungen eignen, weil sie zumeist nicht richtig zu datieren sind, kann ich nach der Edition von vielen Tausenden römischer Inschriften aus verschiedenen
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Teilen des Imperium Romanum nur empfehlen, sich moderne Inschriftencorpora genau anzuschauen. Leider zeigt es sich vor allem in der sonst höchst verdienten englischsprachigen sozialgeschichtlichen Forschung, dass die Inschriften nicht immer sachkundig ausgewertet werden. Trotz der Beibehaltung des ursprünglichen Konzeptes ist diese Ausgabe der Römischen Sozialgeschichte etwas ganz Anderes als die früheren Versionen, die ich als überholt betrachte. In den vier Jahrzehnten seit der Abfassung des ursprünglichen Textes dieses Buches machte die Erforschung der Sozialgeschichte Roms, vor allem in Deutschland, in Frankreich, in den englischsprachigen Ländern und in Italien, sehr große Fortschritte. Ich war bestrebt, die neuen Forschungsergebnisse gebührend zu berücksichtigen, wovon nicht zuletzt der sehr stark angeschwollene Anmerkungsapparat zeugt. Nicht zuletzt handelt es sich auch um zahlreiche Ergebnisse eigener Forschungen über Themen wie die senatorische Aristokratie, der Ritterstand, die städtischen Eliten, das eigene Selbstverständnis und die Selbstdarstellung der Gesellschaft, das Verhältnis zwischen Heer und Gesellschaft, die Religion als ihr geistiges Fundament und die Ausbreitung des römischen Gesellschaftssystems in verschiedenen Teilen des Römischen Reiches. Viele von diesen Studien sind in den Sammelbändern »Die römische Gesellschaft« (1986), »Römische Heeresgeschichte« (1987), »Die Krise des Römischen Reiches« (1989) und »Städte, Eliten und Gesellschaft in der Gallia Cisalpina« (1999) in jeweils aktualisierter Form zusammengefasst.4 Es ist für mich eine große Freude, dass ich zahlreiche Schüler und Mitarbeiter dazu anregen konnte, sich intensiv mit sozialgeschichtlich relevanten Themen zu beschäftigen oder dass ich ihre diesbezüglichen Arbeiten – z. T. zusammen mit dem Archäologen Tonio Hölscher und dem Papyrologen Dieter Hagedorn – betreuen konnte. Genannt seien hier insbesondere Manfred Clauss, Francisca Feraudi-Gruénais, Brigitte Ruck (Gräf), Johannes Hahn, Helmut Halfmann, Anne Kolb, Jens-Uwe Krause, Thomas Kruse, Wolfgang Kuhoff, Fritz Mitthof, Heike Niquet, Veit Rosenberger, Werner Riess, Nadja Schäfer , Claudia Schulte (Kramer), Gabriele Wesch-Klein und Christian Witschel; ich habe aus ihren Arbeiten viel gelernt. Die vielen Anregungen, die ich auch zu sozialgeschichtlichen Forschungen großen Gelehrten wie Andreas Alföldi, Eric Birley, Harald von Petrikovits, Hans-Georg Pflaum und Sir Ronald Syme zu verdanken habe, sollen hier ebenfalls nicht unerwähnt bleiben. Was ich von vielen anderen Althistorikern, aber auch von Archäologen, Klassischen Philologen und nicht zuletzt auch von Neuhistorikern lernen konnte, geht vor allem aus den Anmerkungen des hier vorliegenden Buches hervor. Besonders hervorzuheben seien Friedrich Vittinghoff und Karl Christ, die mich z. T. auch scharf kritisierten, deren Kritik aber mich zum weiteren Nachdenken über umstrittene Fragen und zur Präzisierung einzelner Aussagen verhalf. Der Diskussion mit ihren Ansichten und über 4 Mehrere weitere Sammelbände z. T. mit neuen Studien sind in Vorbereitung, so über die nördlichen Provinzen des Römischen Reiches, über die Epigraphische Kultur der Römer, über die römische Aristokratie und über soziopolitische Strukturen des Imperium Romanum.
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zahlreiche auch heute heftig umstrittene Probleme – so vor allem über die Struktur der kaiserzeitlichen Gesellschaft, über die Freilassung von Sklaven, über die Beurteilung der Vorgänge im 3. Jahrhundert, über die Zustände im Spätrömischen Reich und über die Ursachen für den Untergang des Weströmischen Reiches – kommt in dieser Ausgabe, anders als in den früheren, ein breiter Raum zu. Um die Neuausgabe dieses Buches, soweit möglich, zu aktualisieren, wird sie durch eine Liste der wichtigeren zur römischen Sozialgeschichte veröffentlichten Werke ergänzt, die seit der 3. Edition im Zeitraum 1984–2011 erschienen sind. Vor 1984 publizierte Arbeiten sind in dieser Bibliographie nur in Ausnahmefällen aufgelistet, so die grundlegenden Werke zur römischen Sozialgeschichte und Schriften, die in jüngerer Zeit in einer Neuausgabe erneut vorgelegt wurden. Im Anmerkungsapparat wird die ältere Literatur bis auf einige inzwischen gänzlich überholte Beiträge dennoch angeführt, da sie noch immer viel Lehrreiches und Wertvolles bieten kann. Die aktualisierte Bibliographie stützt sich zu einem Teil auf das ergänzende Schriftenverzeichnis, das Angelos Chaniotis und Christina Kuhn der 3. neugriechischen Auflage (Athen 2002, S. 459–502) dankenswerterweise beigesteuert haben. Wichtige Hilfe verdanke ich auch Michael Peachin, der mir die Bibliographie zur Einführung des von ihm herausgegebenen großen Sammelwerkes »The Oxford Handbook of Social Relations in the Roman World« (2011), in der er einen ausführlichen Überblick über die Forschungen zur römischen Sozialgeschichte bietet, mir freundlicherweise schon während der Drucklegung seiner Arbeit zur Verfügung gestellt hat. Bei der Zusammenstellung der neuesten Literatur zur Sozialgeschichte der Späten Kaiserzeit war mir Sebastian Schmidt-Hofner behilflich. Ein umfassendes Literaturverzeichnis für die römische Sozialgeschichte bis 1992/98 findet sich in dem von mir initiierten großen bibliographischen Nachschlagewerk von Jens-Uwe Krause und seinen Mitarbeitern. Zu den Integrationsprozessen im Imperium Romanum findet sich eine ausführliche Bibliographie in meiner Arbeit »Romanisation – Grundbegriff oder Fehlgriff? Überlegungen zum gegenwärtigen Stand der Erforschung von Integrationsprozessen im Römischen Weltreich« aus dem Jahre 2005. Außer den genannten Kollegen danke ich für ihre Hilfe bei der Erstellung dieser Edition auch Anthony R. Birley und Lukas de Blois, die unter anderem das Kapitel über das 3. Jahrhundert kritisch gelesen und mir wichtige Anregungen gegeben haben, ebenso Adolf Martin Ritter für Hinweise. Das Bild des Haterierdenkmals aus Rom, das – wie schon bei der ersten italienischen Ausgabe von 1987 – den Umschlag schmückt und mit der Darstellung der Szene, wie die Sklaven eines Senators für ihn ein Monument errichten, die Dichotomie der römischen Gesellschaft andeuten soll, verdanke ich dem Deutschen Archäologischen Institut in Rom. Das Schaubild der »sozialen Pyramide« (S. 196) hat nach meiner Vorlage Brigitte Gräf erstellt. Zu großem Dank bin ich auch dem Franz Steiner Verlag in Stuttgart verpflichtet, mit dem ich schon seit mehr als 40 Jahren zusammenarbeite und der nicht nur die Neuauflage dieses Buches angeregt hat, sondern bereitwillig auch meinen Wunsch akzeptierte, jetzt, nach vier Jahrzehnten, keine wenig veränderte Wieder-
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holung der alten Fassung, sondern eine vollständig aktualisierte Neuausgabe mit einem doppelten Umfang der früheren Ausgaben vorzulegen. Die Übersetzung einiger Zitate antiker Autoren habe ich übernommen: Die Polybios-Stellen gebe ich in der Übersetzung von H. Drexler (Zürich – Stuttgart 1961/63), die Sallust-Stellen in der Übersetzung von W. Schöne (Stuttgart 1969), die Salvianus-Stellen in der Übersetzung von A. Mayer (München 1935). Die 3. Auflage dieses Buches wurde meinem Lehrer in der Alten Geschichte, István Hahn, dediziert, der mein Interesse für die antike Sozialgeschichte geweckt und zu ihrer Erhellung mit wertvollen Studien beigetragen hatte. Die hier vorliegende Ausgabe ist außer ihm auch dem Andenken von Friedrich Vittinghoff und Karl Christ gewidmet, die unter den deutschen Althistorikern als Erforscher der römischen Sozialgeschichte besonders herausragten. Auch wenn wir in manchen Kardinalfragen unterschiedlicher Meinung waren, verband uns immer die Bestrebung, auf diesem nicht problemfreien Forschungsgebiet nicht nur Einzelstudien, sondern auch zusammenfassende Überblicke vorzulegen, ebenso die gegenseitige Hochachtung. Wiesenbach bei Heidelberg, im März 2011
I. Die frührömische Gesellschaft
Grundlagen und Anfänge der frührömischen Sozialordnung Bekanntlich ist für uns die früheste Geschichte des römischen Staates, während der Königszeit und zu Beginn der Republik, höchstens in großen Zügen erkennbar, und das gilt auch für die Geschichte der frührömischen Gesellschaftsordnung. Die Anfänge der römischen Geschichtsschreibung, wie die römische Literatur überhaupt, reichen nur bis zum 3. Jahrhundert v. Chr. zurück, und die vor allem mit dem Namen des Quintus Fabius Pictor verknüpfte Geschichtsschreibung dieser Zeit wusste für die älteren Epochen nur noch darüber zu berichten, was in einer durch die Sage sehr stark gefärbten mündlichen Überlieferung aufbewahrt wurde. Aber selbst diese Tradition war recht dürftig und für die propagandistischen Ziele der römischen Annalistik während der Kriege gegen Karthago so unzureichend, dass Fabius Pictor sich gezwungen sah, sie aus eigener Phantasie zu ergänzen und die Anfänge Roms somit willkürlich darzustellen. Doch blieb uns nicht einmal diese zumindest aus dem 3. vorchristlichen Jahrhundert stammende Version der frührömischen Geschichte erhalten: Wir kennen sie hauptsächlich aus ihrer späteren Verwertung vor allem bei Livius und Dionysios von Halikarnass, die sie vom Standpunkt der augusteischen Zeit noch weiter umarbeiteten.5 Sehr viele Nachrichten über Ereignisse und Zustände und somit auch über die Formen der sozialen Beziehungen und deren Grundlagen im frühen Rom sind deshalb höchst fragwürdig: Selbst wo wir es nicht mit ganz frei erfundenen, sondern im Kern authentischen Berichten zu tun haben, 5 Zur antiken Überlieferung über das frühe Rom siehe E. Gabba, in: Entretiens sur l’Antiquité Classique XIII. Les origines de la république romaine (Vandoeuvres – Genève 1966), 133 ff.; W. Pabst, Quellenkritische Studien zur inneren römischen Geschichte der älteren Zeit bei T. Livius und Dionys von Halikarnass (Diss. Innsbruck 1969); J. Poucet, Les origines de Rome. Tradition et histoire (Bruxelles 1985). Über Fabius Pictor siehe bes. A. Alföldi, Early Rome and the Latins (Ann Arbor 1965), 123 ff. = Das frühe Rom und die Latiner (Darmstadt 1977), 119 ff. Zu den Forschungen von Andreas Alföldi zum frühen Rom siehe auch dens., Römische Frühgeschichte. Kritik und Forschung seit 1964 (Heidelberg 1976).
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bieten diese eine zumindest anachronistische Darstellung und lassen außerdem in zahlreichen Fällen eine chronologisch einwandfreie Einordnung des Inhalts nicht zu, zumal die Jahresdaten bis um 300 v. Chr. zumeist nicht nachprüfbar sind.6 Da inschriftliche Quellen fast gänzlich fehlen, sind es höchstens die archäologischen Forschungsergebnisse, die eine gewisse Kontrolle der literarischen Überlieferung ermöglichen, indem sie vor allem die Klärung der siedlungsgeschichtlichen Grundlagen und die Aufstellung eines einigermaßen abgesicherten chronologischen Rahmens für die innere Entwicklung der frührömischen Gesellschaft und ihres Staates erlauben.7 Wenn alle diese spärlichen Quellen doch noch weiter ergänzt werden können, dann durch unsere Kenntnisse über soziale, politische und religiöse Institutionen im späteren Rom, die zahlreiche Überbleibsel aus der archaischen Sozialstruktur aufbewahrten.8 Im Ganzen gesehen können wir uns über die Grundzüge der frühen Geschichte Roms vor dem Ausbruch des Ersten Punischen Krieges im Jahre 264, mit dem die besser gesicherte historische Überlieferung beginnt, trotz aller Unsicherheiten ein einigermaßen koherentes Bild machen.9 Der Bericht über die Gründung Roms durch Romulus ist ebenso unhistorisch wie das am Ende der Republik von Varro errechnete Gründungsdatum, das nach unserer Zeitrechnung dem Jahre 753 v. Chr. entsprechen würde. Die Anfänge je-
6 H. P. Kohns, Vierteljahresschr. f. Soz.- u. Wirtschaftsgesch. 64, 1977, 409 ff. betont in seiner Rezension der 1. deutschen Auflage dieses Buches zu Recht, dass unsere Quellen für die Sozialgeschichte der frühen und teilweise auch der mittleren Republik sehr lückenhaft sind (vgl. auch W. V. Harris, Amer. Journ. of Philol. 100, 1979, 335), und dass ich dementsprechend in den ersten Kapiteln dieser Darstellung den hypothetischen Charakter zahlreicher Aussagen stärker hätte betonen sollen; nicht zuletzt gilt dies für die Chronologie der sozialen Entwicklung. Im gegenwärtigen Stadium der Forschung sehe ich allerdings für die Darstellung der frühen römischen Sozialgeschichte kaum einen geeigneteren Weg als denjenigen, der den mehr oder weniger gesicherten Hauptfakten des Ständekampfes folgt. 7 Zur Prähistorie Italiens als Hintergrund für die Entstehungsgeschichte Roms siehe M. Pallottino, Storia della prima ltalia (Milano 1984) = Italien vor der Römerzeit (München 1987). Archäologische Evidenz für das frühe Rom: H. Müller-Karpe, Vom Anfang Roms (Heidelberg 1959); ders., Zur Stadtwerdung Roms (Heidelberg 1962); E. Gjerstad, Early Rome I–VI (Lund 1953/73); ders., Opuscula Romana 3, 1961, 69 ff.; ders., Legends and Facts of Early Roman History (Lund 1962); F. E. Brown, in: Entretiens sur l’Antiquité Classique XIII (Anm. 5), 45 ff.; M. Pallottino, ANRW I 1 (Berlin – New York 1972), 22 ff.; R. T. Holloway, The Archaeology of Early Rome and Latium (New York 1994). 8 Über die römischen Institutionen, wie sie sich in den früheren historischen Zeiten präsentierten, siehe U. von Lübtow, Das römische Volk. Sein Staat und sein Recht (Frankfurt am Main 1955); E. Meyer, Römischer Staat und Staatsgedanke4 (Zürich 1975); dens., Einführung in die antike Staatskunde4 (Darmstadt 1980), 151 ff. Für die Republik siehe noch bes. F. De Martino, Storia della costituzione romana I–III (Napoli 1951/64), ferner J. Bleicken, Die Verfassung der römischen Republik2 (Paderborn 1978), wo auch die die Institutionen tragenden sozialen Schichten ausführlich beschrieben werden (vgl. dazu A. N. Sherwin-White, Gnomon 51, 1979, 153 ff.). 9 Über die Geschichte des frühen Roms von den Anfängen bis zum Ersten Punischen Krieg siehe zusammenfassend F. W. Walbank – A. E. Astin – M. W. Frederiksen – R. M. Ogilvie – A. Drummond (Eds.), The Cambridge Ancient History2 VII 2. The Rise of Rome to 220 B.C. (Cambridge 1989); T. J. Cornell, The Beginnings of Rome. Italy and Rome from the Bronze Age to the Punic Wars (c. 1000–264 BC) (London – New York 1995); G. Forsythe, A Critical History of Early Rome. From Prehistory to the First Punic War (Berkeley 2005).
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ner Siedlung auf dem Palatinhügel, zu der auf dem späteren Forum Romanum ein Gräberfeld gehörte und die als Kern für die stadtgeschichtliche Entwicklung Roms betrachtet werden kann, reichen jedenfalls zumindest bis in diese Zeit, möglicherweise aber sogar bis in das 10. Jahrhundert v. Chr. zurück. Die Einwohner dieser Siedlung waren Latiner und gehörten zu der latinisch-faliskischen Volksgruppe jener indoeuropäischen Einwanderer, die sich im Zuge der großen Volksbewegungen in Mitteleuropa und auf dem Balkan seit dem 12. Jahrhundert v. Chr. in Italien niedergelassen hatten und von Viehzucht, teilweise auch von Ackerbau, lebten. In der Nachbarschaft, so auf dem Quirinalhügel, siedelten sich Sabiner an, die zu der oskisch-umbrischen Volksgruppe der indoeuropäischen Einwanderer gehörten. Ihre Sippen wie die Fabii und Aurelii und die angeblich erst später nach Rom eingewanderten Claudii gingen allmählich in der lateinisch sprechenden Gemeinde auf. Die »Stadtwerdung Roms«, ein Prozess, in dem sich diese Gemeinde zu einem Stadtstaat entwickelte, vollzog sich spätestens zu Beginn des 6. Jahrhunderts v. Chr. Die Stadt wurde durch die Einbeziehung der Siedlungsteile südlich, östlich und nördlich vom Palatin wesentlich erweitert und vom umliegenden Land durch eine festgelegte Grenze (pomerium) abgetrennt. Sie erhielt feste Institutionen, unter ihnen Magistrate, deren Zuständigkeitsbereich dem umgrenzten Stadtgebiet entsprach. Zugleich wurde eine feste Herrschaftsform, das Königtum in der Form eines Wahlkönigtums, eingeführt. Dieser Prozess war offensichtlich untrennbar von einem für Rom entscheidend wichtigen historischen Ereignis: von der Ausdehnung der etruskischen Herrschaft auf Rom.10 Die städtische Gemeinde Roms wurde nämlich unter etruskischer Herrschaft und nach etruskischem Vorbild gebildet; selbst ihr Name stammt von einem etruskischen Geschlecht (Ruma). Die Institutionen und die Herrschaftsform wurden nach etruskischem Modell eingerichtet, und die Herrschaft wurde von etruskischen Königen ausgeübt. Darüber hinaus übernahm Rom von den Etruskern nicht nur sehr viele religiöse und kulturelle Traditionen, sondern weitgehend auch deren Sozialstruktur. Reminiszenzen aus der Zeit vor der etruskischen Herrschaft, die den ältesten Strukturen der indoeuropäischen Latiner entsprochen haben dürften, hielten sich, vor allem durch religiöse Kulte gefestigt, noch bis in spätere Epochen.11 Außer der indoeuropäischen Erbschaft und der Rolle der Etrusker gab es auch noch einen dritten Faktor in der frühen Geschichte Italiens, der für die römische Entwicklung die Weichen stellte, nämlich der vor allem in kultureller Hinsicht wichtige Einfluss der Griechen, die seit der Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. in Süd10 A. Alföldi, Gymnasium 70, 1963, 385 ff. und bes. ders., Early Rome (Anm. 5), 193 ff. = Das frühe Rom (Anm. 5), 181 ff. Über die Anfänge Roms siehe in der jüngeren Literatur ausführlich D. Briquel, in: F. Hinard (Ed.), Histoire romaine I. Des origines à Auguste ([Paris] 2000), 15 ff., zuletzt bes. L. Aigner-Foresti, Die Etrusker und das frühe Rom (Darmstadt 2003) und C. Ampolo, Early Rome and the Etruscans (London 2004). 11 Vgl. A. Alföldi, Atti della Accademia Nazionale dei Lincei, Classe di Scienze morali, storiche e filologiche, Rendiconti VIII 27, 1972 (1973), 307 ff. und bes. dens., Die Struktur des voretruskischen Römerstaates (Heidelberg 1974).
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italien und bald darauf auch auf Sizilien festen Fuß fassten.12 Aber dass Rom ein Stadtstaat werden konnte, verdankte es den Etruskern, und somit war die wichtigste historische Grundlage auch für die frührömische Sozialgeschichte nichts anderes als die Herrschaft der Etrusker über Rom. Die Geschichte der Etrusker ist seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. greifbar, als vor allem auf der Basis des Erzbergbaus und des damit verbundenen Handwerks und Handels der Aufschwung ihrer Städte und damit die Festigung ihrer politischen und kulturellen Eigenheiten begann.13 Sie bildeten nie einen einheitlichen Staat: Die Form ihres gemeinsamen politischen Lebens war ein Bund von 12 Städten, die jeweils von einem König regiert wurden. Ihre Gesellschaft gliederte sich in die zwei großen Gruppen des Adels und einer de facto unfreien Unterschicht.14 Die Adligen, aus deren Reihe auch der König kam, besaßen die fruchtbaren Ländereien und vermutlich auch die Bergwerke; zugleich beherrschten sie völlig das politische Leben, da sie den Ältestenrat der Städte bildeten und die Magistrate stellten. Die Unterschichten setzten sich aus den vom Adel abhängigen Gruppen zusammen. Diese waren das Personal der Adligen und die durch Darstellungen bekannten Diener, Athleten und Tänzer, außerdem Handwerker und Bergleute, ferner Bauern, die Dionysios von Halikarnass (9,5,4) mit den thessalischen Penesten verglich, die also wie diese an die Scholle gebundene und auch zum Militärdienst verpflichtete Landarbeiter gewesen sein dürften. Dieses soziale Modell wurde weitgehend auch in Rom übernommen, wo das frühe Gesellschaftssystem – vor der Profilierung der Plebs als zum Kampf entschlossener eigener Stand – mit dem alles beherrschenden patrizischen Adel auf der einen und mit Klienten und Sklaven auf der anderen Seite dem etruskischen Vorbild entsprach. Ihren Höhepunkt erreichte die Macht der Etrusker im 6. Jahrhundert v. Chr. Im Norden drangen sie bis in die Poebene hervor, wo sie neue Städte gründeten; im Süden besetzten sie nach Latium auch Campanien, und 535 v. Chr. konnte ihre Flotte in Bündnis mit Karthago die Phokäer, die aktivsten griechischen Kolonisatoren im westlichen Mittelmeerraum, besiegen. Ihre Herrschaft in Rom war bis zum Ende des 6. Jahrhunderts unerschüttert. Es dürfte höchstens insofern politische 12 E. Bayer, ANRW I 1 (Berlin – New York 1972), 305 ff. Zu den sozialen Verhältnissen in den griechischen Städten Italiens siehe E. Lepore, in: Recherches sur les structures sociales dans l’antiquité classique (Paris 1970), 43 ff., außerdem bes. Auctores varii, Atti del 12. Convegno di studi sulla Magna Grecia, Economia e società nella Magna Grecia 1972 (Napoli 1973). 13 Über die Etrusker zusammenfassend: L. Banti, Die Welt der Etrusker2 (Stuttgart 1963); J. Heurgon, La vie quotidienne chez les Étrusques (Paris 1961) = Die Etrusker2 (Stuttgart 1977); M. Pallottino, Etruscologia7 (Milano 1972) = Die Etrusker (Frankfurt am Main 1965); aus der jüngsten Literatur siehe bes. J.-W. Robert, Les Étrusques (Paris 2004) und J.-P. Thuillier, Les Étrusques (Paris 2006). 14 Zusammenfassend J. Heurgon, Die Etrusker (Anm. 13), 61 ff.; ders., Historia 6, 1957, 63 ff.; ders., in: Recherches sur les structures sociales (Anm. 12), 29 ff.; S. Mazzarino, Historia 6, 1957, 98 ff.; R. Lambrechts, Essai sur les magistratures des républiques étrusques (Bruxelles – Rome 1959). Über die Unterschichten siehe bes. Th. Frankfort, Latomus 18, 1959, 3 ff.; J. Heurgon, Latomus 18, 1959, 713 ff.
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Veränderungen gegeben haben, als Rom nacheinander zum Machtbereich verschiedener etruskischer Städte, unter ihnen Vulci, Tarquinii und Clusium, gehört zu haben scheint.15 Die Herrscher über Rom, deren Titel (rex) zwar nicht etruskischer, sondern indoeuropäischer Herkunft ist, waren jedenfalls Etrusker wie Tarquinius Superbus, der Sage nach der letzte der sieben Könige von Rom, und auch Porsenna, der König von Clusium, der kurz nach der Vertreibung des letzten Tarquiniers Rom vorübergehend besetzte. Diese zuletzt erwähnten Ereignisse markierten bereits das Ende der etruskischen Herrschaft in Rom. Die Überlieferung von der Vertreibung des Tarquinius aus der Stadt, nach der Tradition um 508 v. Chr., hat jedenfalls die Erinnerung an ein historisches Ereignis aufbewahrt: Rom wurde aus der Herrschaft der etruskischen Könige durch eine monarchiefeindliche Erhebung des Adels befreit, anscheinend wirklich um 508 v. Chr. oder einige Jahre später.16 Die vermutlich wiederholten Versuche, die etruskische Macht in Rom wiederherzustellen, scheiterten, und nachdem die Etrusker 474 v. Chr. in der Schlacht bei Cumae gegen Hieron von Syrakus ihre Seemacht eingebüßt hatten, ging auch ihr Einfluss in Latium bald verloren. Die archaische Sozialordnung Roms,17 die sich im 6. Jahrhundert v. Chr. unter der Herrschaft der etruskischen Könige entfaltet hatte, blieb nicht nur für die Königszeit kennzeichnend. Die einmal gefestigte Sozialordnung blieb auch nach der Abschaffung des Königtums weitgehend erhalten, nur die Funktionen des Königs, der oberster Feldherr, Richter und Priester gewesen war, teilte der Adel unter sich auf. Die Ständekämpfe des 5. Jahrhunderts v. Chr. haben zwar die Auflösung der archaischen Gesellschaftsstruktur vorbereitet und eingeleitet, jedoch noch nicht vollendet, und zahlreiche Elemente der alten Strukturen konnten nicht nur dieses Jahrhundert, sondern sogar die Republik überleben. Die charakteristischen Züge dieser archaischen Gesellschaftsordnung, gegeben durch ihren Aufbau und durch das gegenseitige Verhältnis zwischen ihren Schichten, waren folgende: Das Gefüge der Gesellschaft war sehr stark durch horizontale Gliederung geprägt, die von der zentralen Rolle der Familie im Sozialgefüge ausging und die Zusammenfassung der 15 A. Alföldi, Gymnasium 70, 1963, 389 ff. und bes. ders., Early Rome (Anm. 5), 206 ff. = Das frühe Rom (Anm. 5), 193 ff. 16 Vgl. A. Alföldi, Early Rome (Anm. 5), 47 ff. = Das frühe Rom (Anm. 5), 44 ff. R. Werner, Der Beginn der römischen Republik (München 1963), datierte diesen Vorgang in die Zeit um 472/470 (vgl. dazu E. Meyer, Hist. Zeitschr. 199, 1964, 578 ff.), E. Gjerstad sogar erst in die Zeit um 450, siehe die Literatur oben in Anm. 7 und noch dens., in: Entretiens sur l’Antiquité Classique XIII (Anm. 5), 1 ff. 17 Siehe darüber bes. A. Alföldi, in: Entretiens sur l’Antiquité Classique XIII (Anm. 5), 225 ff.; J. Heurgon, Rome et la Méditerranée occidentale jusqu’aux guerres puniques (Paris 1969), 192 ff.; R. E. A. Palmer, The Archaic Community of the Romans (London – Cambridge 1970), dazu A. Alföldi, Gnomon 44 1972, 787 ff. Vgl. E. Gjerstad, ANRW I 1 (Berlin – New York 1972), 136 ff. Zur Sozialgeschichte der römischen Republik im Allgemeinen vgl. die kurze Darstellung und die Quellensammlung bei L. Harmand, Société et économie de la République romaine (Paris 1976), ferner F. De Martino, Storia economica di Roma antica (Firenze 1979), I 19 ff. Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen im frühen Rom siehe J.-P. Morel, in: W. Scheidel – R. Saller (Eds.), The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World (Cambridge 2007), 487 ff.
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einzelnen Familien aufgrund der Blutsverwandtschaft in einem komplizierten System von Sippen, Kurien und »Stämmen« (tribus) herbeiführte, vergleichbar mit der Einteilung der homerischen Gesellschaft in Stämme, Phratrien, Sippen und Familien. Demgegenüber war die vertikale Gliederung der Gesellschaft relativ einfach, da sie zumindest ursprünglich nur den Adel und das vom Adel abhängige Volk kannte. Dabei waren die äußerst engen Bindungen einzelner niederer Personen und Familien an einzelne Adlige aufgrund der auf gentilizischer Zusammengehörigkeit oder auch nur auf der Nachbarschaft beruhenden Beziehungen von größter Bedeutung – und zwar nicht nur in der archaischen Gesellschaft, sondern in unterschiedlichen Formen während der ganzen Geschichte Roms. Dementsprechend war auch das soziale Spannungsfeld des archaischen Gesellschaftssystems verhältnismäßig einfach: Seine Konflikte konnten sich nur daraus ergeben, dass die Abhängigen, oder zumindest jene Gruppen von ihnen, die sich aus dem Abhängigkeitsverhältnis noch am ehesten lösen konnten, dem Adel den Kampf ansagten, indem sie nach politischer Gleichberechtigung und nach Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage strebten. Der Aufbau der archaischen Gesellschaft Roms Die frührömische Familie18 war eine wirtschaftliche, soziale und kultische Einheit. Der Familienvorstand (pater familias) genoss aufgrund seines Ansehens (auctoritas) uneingeschränkte Macht über die Ehefrau, die Kinder, die Sklaven und das Familiengut (res familiaris). Ihm oblagen die Verwaltung des Familienbesitzes (bonorum administratio) und die Leitung der wirtschaftlichen Tätigkeit der Familie, vor allem der Bebauung des Familiengrundstückes. Unter Anhörung der erwachsenen Männer entschied er über rechtliche Angelegenheiten wie über die Aufnahme neuer Mitglieder in den Familienverband oder den Austritt von Mitgliedern (z. B. durch Heirat) sowie über deren Bestrafung bei Straftaten; auch vertrat er die Familie nach außen. Außerdem pflegte er als Priester den Kult der Ahnen (sacra familiae). Seine fast uneingeschränkte Machtstellung, der im politischen Leben die Herrschaft des aus den angesehensten Familienhäuptern zusammengesetzten Adels entsprach, ist am besten durch sein im Zwölftafelgesetz kodifiziertes Recht gekennzeichnet, die eigenen Kinder als Sklaven verkaufen zu können. Durch die gemeinsame Abstammung und anfangs häufig auch durch nachbarschaftliche Ansiedlung waren die verwandten Familien in der Sippe (gens) vereint, die als sakraler Verband den Gentilkult (sacra gentilicia) pflegte und deren Mitglie18 E. Sachers, Pater familias. RE XVIII, 1949, 2121 ff. Vgl. E. Burck, Die altrömische Familie, in: Das neue Bild der Antike II. Rom (Leipzig 1942), 5 ff. Zur römischen Familie im Allgemeinen siehe die Bibliographie im Anschnitt A 3.2. Nicht weiter verfolgt werden kann in diesem Rahmen die Stellung der Frau in der römischen Familie in den einzelnen Epochen. Das klassische Werk über dieses Thema ist J. P. V. D. Balsdon, Roman Women. Their History and Habits (London 1962) = Die Frau in der römischen Antike (München 1979). Die recht umfangreiche Literatur der letzten Jahrzehnte zu diesem Thema findet sich in der Bibliographie vor allem in den Abschnitten A 3.3, A 3.4 und B 4.7.
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der neben ihrem Individualnamen den gemeinsamen Gentilnamen (nomen gentile) wie z. B. Fabius (Angehöriger der gens Fabia) trugen.19 Ursprünglich war die Formierung dieser Geschlechter ein Privileg des patrizischen Adels, und die plebejischen gentes wurden erst als Nachahmung der patrizischen Sippen eingerichtet. Freilich konnten die adligen gentes bei politischen Kämpfen und insbesondere in Kriegen, in die die Geschlechter in der Frühzeit in geschlossenen Kampfverbänden zogen, auch eine viel größere Zahl von Waffenfähigen aufbieten als die patrizischen Sippenangehörigen, da sie auch ihre Klienten heranzogen. So wird in der antiken Überlieferung behauptet, dass die gens Fabia 479 v. Chr., als sie im Kampf gegen die Veienter am Cremera-Flüsschen unterlag, 306 patrizische gentiles und mehrere tausend Klienten gegen den Feind schickte, ferner, dass um die gleiche Zeit die in Rom aufgenommene sabinische gens Claudia 5.000 Familien zählte.20 Die Geschlechter waren in den curiae (wahrscheinlich aus coviria = »Männervereinigung«) zusammengefasst. Ihre Zahl betrug nach der Tradition seit ihrer Gründung unter Romulus 30. Während die Geschlechter selbst keinen Vorsteher hatten, stand an der Spitze jeder Kurie ein curio (und über allen curiones ein curio maximus). Diese den gentes übergeordneten Geschlechterverbände hatten im öffentlichen Leben eine große Bedeutung. Neben ihren sakralen Funktionen waren sie die Organisationsform für die Volksversammlung und zugleich für das Heerwesen. Die nach Kurien geordnete Volksversammlung (comitia curiata) entschied über familienrechtliche Angelegenheiten, wenn der Familienvater ohne männliche Erben starb, sie beriet über die öffentlichen Angelegenheiten des Volkes und hatte das Recht, die höchsten Beamten der Gemeinde in ihrer Amtsgewalt zu bestätigen (lex curiata de imperio). Im Krieg zogen die Waffenfähigen in der Kurienordnung ins Feld; nach der Überlieferung hatte jede curia 10 Reiter (eine decuria) und 100 Infanteristen (eine centuria) zu stellen. Deren Gesamtheit mit angeblich 300 Reitern und 3.000 Infanteristen bildete die ursprüngliche Kampfeinheit der Legion.21 In der Königszeit waren die Kurien in den drei gentilizischen »Stämmen« (tribus) vereint. Jede Tribus umfasste 10 Kurien. Die Namen dieser drei Verbände, Tities, Ramnes, Luceres, sind etruskisch und zeigen deutlich die Bedeutung der etruskischen Schirmherrschaft für die Herausbildung des frührömischen Gesellschaftssystems.22 Die Bedeutung dieser Verbände im öffentlichen Leben war jedoch geringer 19 Zur gentilizischen Ordnung siehe G. Franciosi (Ed.), Ricerche sull’organizzazione gentilizia romana l-lII (Napoli 1984). 20 Liv. 2,49,3; 2,50,11; Dion. Hal. 9,15,1 ff. bzw. Plut., Publicola 21,9. 21 Zu den Institutionen vgl. die Literatur in Anm. 8, für ihre Anfänge siehe A. Giovannini, Mus. Helv. 41, 1984, 15 ff. (Entstehung der Magistraturen); K. A. Raaflaub, Politics and Society in FifthCentury Rome, in: Atti del Convegno »Bilancio critico su Roma arcaica fra monarchia e repubblica in memoria di F. Castagnoli« (Roma 1993), 129 ff.; W. Eder (Hrsg.), Staat und Staatlichkeit in der frühen Republik (Darmstadt 1994); B. Linke, Von der Verwandtschaft zum Staat: Die Entstehung politischer Organisationsformen in der frührömischen Geschichte (Stuttgart 1995); R. Stewart, Public Office in Early Rome. Ritual Procedure and Political Practice (Ann Arbor 1998). 22 Über den Hintergrund des Dreiersystems bei Kurien und Tribus vgl. die interessante Annahme
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als diejenige der Kurien, und im 5. Jahrhundert v. Chr. wurde die alte Form der Tribuseinteilung noch mehr in den Hintergrund gedrängt, indem sich eine Gliederung der Gemeinde in regional formierte Tribus durchsetzte. Aber in der noch intakten archaischen Sozialstruktur bildeten die drei Tribus das römische Gesamtvolk (populus Romanus oder auch Quirites, ein Name, der mit dem Quirinalhügel oder vielleicht mit covirites = »Männer der Kurien« in Verbindung gebracht werden kann). Die Zahl der Bürger im frühen Rom kann allenfalls annähernd geschätzt werden. Die oben erwähnten, für einzelne gentes überlieferten Zahlen sind ebenso stark übertrieben wie die Tradition, nach der das römische Volk 508 v. Chr. 130.000 und 392 v. Chr. 152.573 Bürger zählte.23 Im 6. Jahrhundert und auch noch um 450 v. Chr. umfasste das römische Staatsgebiet – auf dem Ostufer des Tibers – eine Fläche mit einem Durchmesser von ungefähr nur 8 km. Die Gesamtzahl der Angehörigen der Gemeinde dürfte gegen 500 v. Chr. höchstens an die 10.000 oder 15.000 betragen haben, womit auch die überlieferte Stärke des Kampfaufgebotes ungefähr in Einklang stehen dürfte. Noch um 400 v. Chr., als sich das römische Staatsgebiet bereits erheblich vergrößert hatte, war das Gebiet von Veii noch umfangreicher als dasjenige Roms.24 Die Oberschicht der römischen Gesellschaft während der Königszeit und im ersten Jahrhundert der Republik bestand aus den Patriziern, einem Geburts- und Grundbesitzeradel mit klar umrissenen Standesprivilegien, der dem gewöhnlichen Volk, der Plebs, gegenüberstand.25 Die Entstehung des Patriziates ist schwerlich anders zu erklären als durch die Herausbildung eines Reiteradels unter den etruskischen Königen von Rom, infolge der Überlegenheit der Reiterei in der archaischen Form der Kampfführung.26 Die Mitglieder dieses Adels stellten die berittene Gefolgschaft des Königs. Das geht vor allem aus den Standesabzeichen der Patrizier hervor, die sich zumindest zum Teil aus Tracht und Insignien der frührömischen Reiterei herleiten lassen. Die Elite des altrömischen Kampfaufgebotes, die »Ritter« (equites, ursprünglich celeres = »die Schnellen«), sind offensichtlich identisch von A. Alföldi, Die Struktur des voretruskischen Römerstaates (Anm. 11), 42 ff. 23 Dion. Hal. 5,20,1 und Plut., Publicola 12,4, bzw. Plin., N. h. 33,16. Zu den Censusangaben der römischen Republik siehe A. J. Toynbee, Hannibal’s Legacy. The Hannibalic War’s Effects of Roman Life (London 1965), I 438 ff.; P. A. Brunt, Italian Manpower 225 B. C. – A. D. 14 (Oxford 1971), 3 ff. 24 Über den ager Romanus antiquus siehe A. Alföldi, Hermes 90, 1962, 187 ff, zur Ausdehnung des frühen römischen Herrschaftsgebietes und zur Bevölkerungsstärke im 5. Jahrhundert v. Chr. L. H. Ward, Amer. Journ. of Philol. 111, 1990, 5 ff. 25 R. E. Mitchell, Patricians and Plebeians. The Origins of the Roman State (Ithaca, N. Y. 1990); M. A. Levi, Plebei e patrizi nella Roma arcaica (Como 1992). 26 A. Alföldi, Der frührömische Reiteradel und seine Ehrenabzeichen (Baden-Baden 1952); ders., Die Herrschaft der Reiterei in Griechenland und Rom nach dem Sturz der Könige, in: Gestalt und Geschichte, Festschrift für K. Schefold (Bern 1967), 13 ff.; ders., Historia 17, 1968, 444 ff. gegen die entgegengesetzte These von A. Momigliano, JRS 56, 1966, 16 ff., der Alföldis Idee über den Reiteradel ablehnte. Auch Momigliano hat seine These wiederholt vorgetragen: Entretiens sur l’Antiquité Classique XIII (Anm. 5), 197 ff. Zum frühen Patriziat siehe auch P. Ch. Ransuil, Recherches sur le patriciat (509–356 av. J. C.), (Paris 1975), ferner J.-Cl. Richard, Revue des Études Latines 54, 1976, 34 ff.
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mit den Patriziern. Dass dieser militärisch führende Reiteradel zugleich die sozial und wirtschaftlich führende Grundbesitzerschicht war, leuchtet eher ein als die Annahme, dass die Patrizier als Grundbesitzeradel schon im ältesten Rom die schwere Infanterie gestellt und mit den Reitern in der Gefolgschaft des Königs nur wenig zu tun gehabt hätten. Die »Herrschaft der Reiterei«, wie wir sie auch aus dem frühen Griechenland kennen, entspricht jedenfalls deutlich den Bedingungen einer archaischen Gesellschaftsordnung. Es ist charakteristisch, dass die equites noch in der sog. servianischen Verfassung Roms aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. als eine über den gewöhnlichen »Klassen« stehende Führungsgruppe betrachtet wurden; ihre Stellung ist ungefähr mit derjenigen der Ritter (hippeis) in der Verfassung Athens vor der solonischen Reform zu vergleichen. Auf der Basis der Herkunft sowie seiner Funktionen und Privilegien im wirtschaftlichen, sozialen, politischen und religiösen Leben war der patrizische Adel im frühen Rom ein geschlossener Stand. Außer den Angehörigen vornehmer römischer Familien konnten höchstens einige Zuwanderer aus anderen Gemeinden in diesem Adel Aufnahme finden, sofern sie schon in ihrer Heimat zur dortigen Aristokratie zählten wie nach der Sage der Sabiner Attius Clausus, der Gründer der nach Rom gezogenen gens Claudia. Sehr bald nach dem Beginn des Ständekampfes schloss sich der Patriziat noch enger zusammen, indem Neuankömmlinge nur noch in die Plebs eintreten konnten und die Heirat zwischen Patriziern und Plebejern verboten wurde. Auch fühlten sich die Mitglieder des patrizischen Adels, entsprechend der Ethik aristokratisch geordneter Gesellschaften, als die »Guten« in der Gesellschaft, als viri boni et strenui, wie noch der ältere Marcus Porcius Cato die römische Aristokratie bezeichnete, und sie sonderten sich vom gewöhnlichen Volk auch durch ihre Lebensweise ab. Ihr Selbstbewusstsein drückte sich in ihren Standesabzeichen deutlich aus; diese waren der Goldring (anulus aureus), der Purpurstreifen (clavus) auf der Tunika, der kurze Reitermantel (trabea), der stiefelartige hohe Schuh mit Riemen (calceus patricius) sowie die Zierscheiben aus Edelmetall (phalerae) aus der ursprünglichen Reiterausrüstung. In wirtschaftlicher Hinsicht verdankten die Patrizier ihre Vormachtstellung ihrem Grundbesitz, der einen beträchtlichen Teil des römischen Staatsgebietes umfasst haben muss, sowie ihren großen Herden. Nach der Überlieferung erhielt Attius Clausus nach der Aufnahme seines Geschlechtes in Rom ein Grundstück von 25 Joch, die angeblich 5.000 »gewöhnlichen« Familien in seiner Gefolgschaft nur je 2 Joch (Plut., Publicola 21,10). Für den rücksichtslosen Gebrauch der wirtschaftlichen Macht der Patrizier im frühen Rom war es charakteristisch, dass sie die Kosten für ihre Reitpferde und das Futter für diese von der Gemeinde, genauer von den Witwen und Waisen der Gemeinde (die sonst von Steuern befreit waren) aufbringen ließen. Auch der Löwenanteil der Kriegsbeute, einer in der Frühzeit sehr wichtigen Wirtschaftsquelle, kam ihnen zu. Im Krieg besaßen die Patrizier bis zum Aufkommen der Hoplitenphalanx die eindeutige militärische Führung und zogen an der Spitze ihrer Klientenscharen ins Feld wie 479 v. Chr. die Fabier. Sie beherrschten
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auch völlig das politische Leben. Die Volksversammlung in ihrer alten Form auf der Basis der Kurienordnung, die ihnen wiederum den Auftritt zusammen mit den Massen ihrer Klienten ermöglichte, stand gänzlich unter ihrem Einfluss. Im Ältestenrat (senatus), der ebenfalls bereits unter den etruskischen Königen entstanden war und seit der Errichtung der Republik die oberste Entscheidungsinstanz des römischen Staates bildete, fassten die patrizischen Mitglieder (patres) den Beschluss, von dem die Gültigkeit der Beschlüsse der Volksversammlung abhing. Die erst allmählich hinzugekommenen plebejischen Senatoren (conscripti = »Dazugeschriebene«) waren in der frühen Republik nicht stimmberechtigt. Nur die Patrizier stellten ferner die Magistrate der Gemeinde, unter diesen die jährlichen Oberbeamten, deren Zahl wohl schon zu Anfang der Republik auf zwei festgelegt wurde und die zuerst praetores, später consules hießen, den dictator (ursprünglich magister populi ), der in militärischen Notlagen für höchstens ein halbes Jahr mit uneingeschränkter Vollmacht ausgestattet wurde, und auch die Priester.27 In Ausnahmesituationen, in denen es keine Beamten (oder in der Königszeit keinen König) gab, wählten sie aus ihrem eigenen Kreis einen Geschäftsträger (interrex). Eine gewisse soziale Schichtung innerhalb dieses homogenen Standes gab es nur insofern, als die Spitzengruppe von Männern aus den angesehensten Geschlechtern (patres maiorum gentium) über besonders großen Einfluss verfügte; der Vorsitzende des Senats (princeps senatus) wurde aus diesem Kreis gewählt. Der andere Stand in der frührömischen Gesellschaft war die Plebs (»Menge«, aus plere = »füllen«), das aus Freien bestehende gewöhnliche Volk, ebenfalls ein Teil des gesamten Staatsvolkes (populus).28 Die Plebejer verfügten wie die Patrizier über das Bürgerrecht, besaßen aber nicht deren Privilegien. Die Anfänge der Plebs reichen zwar in die Königszeit zurück. Sie nahm jedoch erst seit dem Beginn ihres organisierten Kampfes gegen den patrizischen Adel kurz nach 500 v. Chr. feste Gestalt an, nachdem sie sich zu einer Sondergemeinde mit eigenen Institutionen zusammengeschlossen hatte. Somit war die Plebs als eigener Stand keine etruskische, sondern eine spezifisch römische Einrichtung, zumal die etruskische Sozialordnung nur Herren auf der einen und Klienten, Diener und Sklaven auf der anderen Seite der Gesellschaft kannte. In einem Teil der späteren antiken Überlieferung erscheint die frührömische Plebs als eine hauptsächlich bäuerliche Schicht. Bauern, die ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit gegen die Patrizier bewahren konnten, hat es im frühen Rom stets gegeben, 27 Zu den Magistraten siehe die Literatur oben in Anm. 8, ferner noch bes. J. Heurgon, in: Entretiens sur l’Antiquité Classique XIII (Anm. 5), 97 ff.; J. Jahn, Interregnum und Wahldiktatur (Kallmünz 1970); F. De Martino, ANRW I 1 (Berlin – New York 1972), 217 ff. 28 Zusammenfassend J. Binder, Die Plebs (Leipzig 1909); W. Hoffmann – H. Siber, RE XXI, 1951, 73 ff. Zur Entstehung und zur Struktur der frührömischen Plebs siehe auch I. Hahn, Oikumene 1, 1976, 47 ff., ferner J.-C. Richard, Les origines de la plèbe romaine. Essai sur la formation du dualisme patricio-plébéien (Paris – Roma 1978). Zur römischen Plebs siehe auch noch die Literatur zur Klientel in Anm. 29.
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und der Zusammenschluss im Rahmen der Plebs war für sie die einzige Möglichkeit, sich den mächtigen adligen Grundbesitzern gegenüber zu behaupten. Vor allem aber gab es, von Generation zu Generation in stets zunehmender Zahl, ganz arme bäuerliche Gruppen, die durch die ständige Aufteilung des Familiengrundstückes unter den Erben besitzlos wurden; auch sie konnten die Verbesserung ihrer Lage nur von einer plebejischen Kampfgemeinschaft erwarten. Jedoch war an der Entstehung der Plebs als eines geschlossenen Standes vermutlich auch eine eher städtische Unterschicht stark beteiligt, die sich um Handwerker und Kaufleute gruppierte. Gewerbe und Handel und naturgemäß auch die Berufsgruppen der Handwerker und Kaufleute wurden im frühen Rom sozial niedrig eingeschätzt, entsprechend der vorwiegend auf Landwirtschaft basierenden aristokratischen Gesellschaftsordnung. Nach der Tradition hat Romulus den Römern, die sich zu Kriegsdienst und Ackerbau berufen fühlen sollten, die Ausübung von gewerblicher Tätigkeit verboten, und die Vorstellung, dass nicht etwa der Handwerker oder der Kaufmann, sondern der Landwirt die moralisch überlegene Figur in der Gesellschaft sei, hielt sich über den älteren Cato und über Cicero hinaus bis in die römische Kaiserzeit. Nach einigen späteren Schriftstellern wie Livius (1,56,1) und Plinius (N. h. 35,154) waren es fremde, vor allem etruskische Zuwanderer, die im frühen Rom Gewerbe betrieben und den Römern die handwerkliche Fähigkeit beibrachten. Die Bereitschaft Roms, Fremde aufzunehmen, war sicherlich groß; nach der Sage hat bereits Romulus ein asylum für fremde Flüchtlinge eingerichtet. Die soziale Stellung dieser Einwanderer war in der Zeit der Adelsherrschaft gewiss recht ungünstig, aber dafür waren sie persönlich weniger abhängig von den mächtigen Adelsfamilien als die meisten römischen Bauern. Das entschlossene Auftreten der Plebs gegen den patrizischen Adel seit dem Beginn der Republik lässt sich nur so erklären, dass zumindest ein »harter Kern« der Plebejer teilweise frei von den wirtschaftlichen, sozialen, politischen und nicht zuletzt moralischen Zwängen lebte, die die gewöhnlichen Angehörigen eines Geschlechtes an dessen patrizische Spitze banden und so in erster Linie gerade die Massen der bäuerlichen Bevölkerung betrafen. Es wäre auf jeden Fall verfehlt, die Plebs einfach mit den Klienten des patrizischen Adels gleichzusetzen.29 Die Klienten bildeten, im Gegensatz zu einem Teil der Plebs, eine vorwiegend bäuerliche Unterschicht; z. T. waren sie Hirten.30 Die Grenzen zwischen diesen beiden sozialen Gruppen waren gewiss nicht scharf, zumal auch Klienten sich aus der Bindung an einen Adligen (etwa durch dessen Tod ohne Hinterlassung von Erben) befreien und sich der Plebs anschließen konnten, wie es 29 Zur Bedeutung des römischen Patronat- und Klientelwesens im Allgemeinen siehe bes. A. von Premerstein, RE IV, 1900, 23 ff.; N. Rouland, Pouvoir politique et dépendance personnelle dans l’antiquité romaine. Genèse et rôle des rapports de clientèle (Bruxelles 1979), siehe hierzu G. Alföldy, Gymnasium 88, 1981, 85 ff.; A. Wallace-Hadrill (Ed.), Patronage in Ancient Society (London – New York 1989, Paperback 1990); siehe außerdem den Abschnitt A 4.3 in der Bibliographie. 30 Vgl. C. Ampolo, C. (Rome archaïque: une société pastorale? In: C. R. Whittaker (Ed.), Pastoral Economies in Classical Antiquity (Cambridge 1988), 120 ff.
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andererseits möglich war, dass zugezogene Mitglieder der Plebs gelegentlich durch die persönliche Bindung an eine Patrizierfamilie einen festen Platz in der römischen Gesellschaft finden konnten. Aber die Plebejer haben es erreicht, sich zu einem geschlossenen Stand zu formieren, die Klienten jedoch nicht, was vor allem an ihrer starken persönlichen Abhängigkeit von den Adligen lag. Diese Bindungsform überdauerte die altrömische gentilizische Gesellschaftsordnung. Der cliens (aus cluere = »auf jemand hören«) ging ein Treueverhältnis (fides) mit dem mächtigen und reichen Adligen ein, das ihn zu verschiedenen Dienstleistungen wirtschaftlicher und moralischer Natur (operae und obsequium) verpflichtete. Als Gegenleistung übernahm der Adlige als sein patronus eine »väterliche« Fürsorge, indem er seinem Klienten persönlichen Schutz bot und ihm ein Stück Land zur Verfügung stellte, das dieser mit seiner Familie bebauen konnte. Ein ähnliches Verhältnis bestand auch zwischen dem Herrn und seinem freigelassenen Sklaven (libertus), der nach der Freilassung (manumissio) als Bauer oder auch als Handwerker oder Händler weiterhin stark an seinen patronus gebunden war. Die Sklaverei konnte sich in der patriarchalischen Gesellschaftsordnung der Frühzeit nur soweit entfalten, wie ihr in der Familie, dem Rahmen des sozialen und wirtschaftlichen Lebens, eine Funktion eingeräumt wurde.31 Dementsprechend unterschied sich diese patriarchale Form der Sklaverei, die wir aus der Geschichte anderer Völker, so aus der griechischen Geschichte hauptsächlich durch die homerische Epik kennen, sehr stark von der differenzierten Sklaverei der Späten Republik und der Kaiserzeit. Der Sklave galt einerseits als Eigentum seines Herrn ohne Personalrechte; er war ein Objekt von Kauf und Verkauf und hieß dementsprechend nicht nur servus, sondern auch mancipium (»Besitz«); auch war er niedriger geschätzt als der Freie, was am deutlichsten aus einer Strafbestimmung des Zwölftafelgesetzes hervorgeht: Wer einem Sklaven die Knochen brach, war nur zu der Hälfte jenes Schadenersatzes verpflichtet, der bei der gleichen Körperverletzung an einem Freien aufgebracht werden musste. Aber andererseits hob sich die Stellung des Sklaven in der Familie kaum von derjenigen der gewöhnlichen Familienmitglieder ab. Er war wie diese gänzlich in den Familienverband eingegliedert, führte sein Alltagsleben mit diesen zusammen und konnte stets engen persönlichen Kontakt zum pater familias pflegen. Der Macht des Familienvaters unterstand er ebenso wie dessen Frau oder gar dessen Söhne, die dieser ebenso wie ihn betrafen und auch als Sklaven verkaufen konnte (allerdings höchstens dreimal nach dem Zwölftafelgesetz). Auch seine wirtschaftliche Funktion unterschied sich kaum von derjenigen der freien Familienmitglieder, da er, abgesehen von seinen Aufgaben als Diener im Hause, höchstens auf dem Gut der Familie als Bauer oder als Hirt tätig war, doch wiederum zusammen
31 Zur Sklaverei im frühen Rom siehe F. De Martino, Labeo 20, 1974, 163 ff. (Schuldsklaverei) und L. A. Elnickij, Helikon 15/16, 1975/76, 575 ff. (mit marxistischer Sicht). Überblick über die Forschungen zur Sklaverei im Allgemeinen: N. Brockmeyer, Antike Sklaverei (Darmstadt 1979). Neue Literatur zur Sklaverei im Allgemeinen findet sich in der Bibliographie unter A 4.5.
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mit den »freien« Mitgliedern der Familie. Noch vom traditionsbewussten älteren Cato wird behauptet, dass er als Soldat häufig zusammen mit seinem Diener Essen kochte, auf seinem Gut – trotz seiner Strenge zu seinen Sklaven – mit seinem Gesinde zusammen speiste, das gleiche Brot ass und den gleichen Wein trank wie diese, und dass seine Frau neben ihrem eigenen Kind auch die Kinder von Sklaven stillte (Plut., Cato 1,9; 3,2; 20,5 ff.). Der Sinn der Institution der Sklaverei in dieser Form war die Vermehrung der Arbeitskraft der Familie in der häuslichen Tätigkeit (auch Gewerbe) und in der Agrarwirtschaft, insbesondere nach den Erfolgen der römischen Expansion seit dem Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr., die zur Entstehung größerer Güter führten. Dazu kam wohl, dass reiche Familien ihr Ansehen und ihre Machtstellung durch möglichst große Klientenscharen steigern wollten, die am einfachsten aus ihren freigelassenen Sklaven zu rekrutieren waren. Der Bedarf an Sklaven war jedenfalls vorhanden, und man machte von verschiedenen Möglichkeiten Gebrauch, um diesen Bedarf zu decken. Bis in das 4. Jahrhundert v. Chr. spielten zwei Formen der Versklavung von freien Bürgern aus dem Kreis des populus Romanus eine große Rolle. Die eine war die Möglichkeit, einem verarmten Familienvater dessen eigene Söhne als Sklaven abzukaufen; aus dem Zwölftafelgesetz geht hervor, dass der Vater den Sohn auch zurückkaufen konnte. Die andere Form der Versklavung freier Bürger war die Schuldknechtschaft wie z. B. auch in Athen bis Solon. Das im Zwölftafelgesetz registrierte Gebrauchsrecht zwang den Schuldner, für seine Schuld mit seinem Körper zu haften (nexum), und bei Zahlungsunfähigkeit musste er sich dem Gläubiger als dessen erworbener Sklave (mancipium) zur Verfügung stellen, wie z. B. noch 385 v. Chr. eine ganze Anzahl von Bürgern, die ihre Habe offenbar meist bei der Plünderung Roms durch die Gallier 387 v. Chr. verloren hatten (Liv. 6,15,8 und 20,6 f.). Freilich wurden diese Quellen für die Beschaffung von Sklaven stets auch durch die Versklavung von Kriegsgefangenen, ferner durch die natürliche Vermehrung von Sklaven ergänzt: Der in der Familie geborene Sklave (verna) wurde automatisch Eigentum des pater familias. Angesichts der patriarchalen Natur der frührömischen Sklaverei sind die angeblichen Umsturzversuche von Sklaven im ersten Jahrhundert der Republik, von denen spätere Autoren zu berichten wissen, sehr vorsichtig zu beurteilen.32 Sie werden in den Quellen als »Verschwörungen« hingestellt. Die erste derartige »Verschwörung« fand nach Dionysios von Halikarnass 501 v. Chr. statt, als die Latiner den verjagten König Tarquinius wieder nach Rom bringen wollten. 500 v. Chr. soll dann der ehemalige König selbst eine »Verschwörung« von Freien und Sklaven gegen die junge Republik angezettelt haben. 460 v. Chr. brauchte Rom nach Livius gegen die aus römischen Verbannten und Sklaven rekrutierte Schar des Sabiners Appius Herdonius 32 Angebliche frühe Sklavenaufstände: Vgl. M. Capozza, Movimenti servili nel mondo romano in età repubblicana I. Dal 501 al 184 a. Chr. (Roma 1966), mit den Quellen; P. Frezza, Stud. et Doc. Hist et Iuris 45, 1979, 289 ff. (auch über Sezessionen).
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auswärtige Hilfe. 409 v. Chr. soll es wieder zu einer »Verschwörung« von Sklaven gekommen sein. Die antiken Berichte über diese frühen Sklavenbewegungen folgen freilich fast immer dem gleichen Schema: In einer für die römische Gemeinde schwierigen Situation verschwören sich Sklaven und einige freie Bevölkerungsgruppen mit dem Plan, die Hügel der Stadt zu besetzen, die Sklaven zu befreien, die Herren zu töten und ihre Habe sowie ihre Frauen in Besitz zu nehmen; doch wird die Verschwörung rechtzeitig aufgedeckt und vereitelt. Dass diese Berichte unter Eindruck der großen Sklavenaufstände der Späten Republik entstanden, steht außer Zweifel, und sie brauchen ebenso wenig ernst genommen zu werden wie etwa die Überlegungen des Livius, ob der König Servius Tullius (nicht unbedingt eine historische Figur) als Sklave geboren oder erst später versklavt wurde. Nur die Aktion des Appius Herdonius 460 v. Chr. hat sich zweifellos zugetragen (schon der ältere Cato wusste davon), aber nach Dionysios von Halikarnass waren gerade dessen Anhänger keine gewöhnlichen Sklaven, sondern Klienten und »Diener«.33 Dass sich an Unruhen, die von Randgruppen der römischen Gesellschaft wie z. B. 460 v. Chr. von Verbannten gestiftet wurden, gelegentlich auch Sklaven beteiligten, ist freilich möglich. Jedoch ist es charakteristisch, dass sie im ausschlaggebenden sozialen Konflikt der Frühen Republik, im Kampf der Plebejer gegen die Patrizier, als einheitliche soziale Gruppe, etwa im Bündnis mit der Plebs, überhaupt nicht auftraten: Solange sie gänzlich in der Familie eingegliedert waren, hatten sie zu einer derartigen Formierung weder Anlass noch Möglichkeit. Nach der angeblichen Verschwörung von 409 v. Chr. wusste selbst die römische Überlieferung erst für 259 v. Chr. wieder von einer ähnlichen Aktion zu berichten. Die Ständekämpfe im frühen Rom Der entscheidende Gegensatz innerhalb der frührömischen Gesellschaftsordnung, der in schweren sozialen und politischen Konflikten zum Ausdruck kam und einen Umwandlungsprozess im Gefüge von Gesellschaft und Staat in Bewegung setzte, war keineswegs die Spannung zwischen Freien und Sklaven. Er lag zwischen den beiden Hauptgruppen des freien Bürgertums: Einander gegenüber standen auf der einen Seite die Angehörigen des privilegierten Geburts- und Grundbesitzeradels, auf der anderen Seite die gewöhnlichen Bürger, deren politische Rechte beschränkt waren und von denen sich viele in wirtschaftlicher Notlage befanden. Ausgetragen wurde dieser Konflikt im sog. Ständekampf zwischen den patres und der plebs, in einer mehr als zwei Jahrhunderte lang dauernden Auseinandersetzung zwischen Patriziern und Plebejern, die in der Geschichte der Völker und Stämme Italiens ein-
33 Liv. 3,15,5 ff. und 3,19,6 ff.; Dion. Hal. 10,14,1 ff. und 10,32,2; Cato, Frg. 25 (Peter). Vgl. F. Münzer, Appius Herdonius, RE VIII, 1912, 618 ff.
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malig und für die Zukunft der römischen Gesellschaft von außerordentlich großer Tragweite war.34 Die erste Phase dieses Kampfes, im Großen und Ganzen während des 5. und im ersten Drittel des 4. Jahrhunderts v. Chr., war durch die Herausbildung scharfer Fronten gekennzeichnet, indem sich die Plebejer in bewusster Opposition gegen den Patriziat als eigener Stand profilierten und die Einrichtung eines Zweiständestaates durchsetzten. In der zweiten Phase, zwischen den sechziger Jahren des 4. Jahrhunderts und dem Beginn des 3. Jahrhunderts v. Chr., kam ein Ausgleich zwischen der führenden Gruppe der Plebejer und den Patriziern zustande, der die Entstehung einer neuen Elite herbeiführte. Die archaische Sozialordnung Roms, die bereits durch die Errungenschaften der Plebs während des 5. Jahrhunderts aufgelockert worden war, löste sich in dieser zweiten Phase der Auseinandersetzung, die zeitlich mit der Ausdehnung der römischen Herrschaft auf die italische Halbinsel zusammenfiel, auf. Sie wurde durch ein neues Gefüge der Gesellschaft ersetzt. Die Ursachen des Konfliktes zwischen Patriziern und Plebejern lagen in der wirtschaftlichen, sozialen und auch militärischen Entwicklung des archaischen Roms. Sie reichten in das 6. Jahrhundert v. Chr. zurück. Ausschlaggebend waren einerseits die wirtschaftliche Ausbeutung und die politische Unterdrückung der breiten Volksmassen durch den patrizischen Adel. Andererseits vollzog sich schon seit dem 6. Jahrhundert eine innere Differenzierung des Volkes, die zur Folge hatte, dass sich die Spannungen zwischen den Patriziern und den gewöhnlichen Bürgern verschärften und dass das Volk dem Adel den Kampf überhaupt ansagen konnte. Einige Handwerker und Kaufleute, die von den patrizischen Familien persönlich von vornherein wenig abhängig waren, konnten den wirtschaftlichen Aufschwung der jungen Stadt während der Bautätigkeit der Könige ausnützen und ein Vermögen bilden, das vor allem aus der wertvollen Kriegsausrüstung und aus Gebrauchsgegenständen bestand. Andere Bevölkerungsgruppen gerieten gleichzeitig durch Verlust von Grund 34 Zusammenfassende Darstellungen des Ständekampfes: H. Bengtson, Grundriss der römischen Geschichte mit Quellenkunde I. Republik und Kaiserzeit bis 284 n. Chr.2 (München 1970), 53 ff.; A. Heuss, Römische Geschichte6 (Paderborn 1998), 16 ff.; P. A. Brunt, Social Conflicts in the Roman Republic (London 1971), 42 ff.; J. Vogt, Die römische Republik6 (Freiburg – München 1973), 59 ff.; A. Guarino, La rivoluzione della plebe (Napoli 1975); E. Ferenczy, From the Patrician State to the Patricio-Plebeian State (Amsterdam 1976); J. Bleicken, Geschichte der Römischen Republik (München – Wien 1980), 22 ff. und 120 ff.; D. Briquel, in: F. Hinard (Ed.), Histoire romaine I (Anm. 10), 163 ff. Zur Emanzipation der Plebs siehe auch D. Kienast, Bonner Jahrb. 175, 1975, 83 ff. Aus der neuen Literatur hervorzuheben sind der von W. Eder herausgegebene Sammelband Staat und Staatlichkeit in der frühen Republik (Anm. 21), ebenso der Sammelband von K. Raaflaub (Ed.), Social Struggles in Archaic Rome. New Perspectives on the Conflict of the Orders (Oxford 2005). Siehe noch W. Eder, in: T. Yuge – M. Doi (Eds.), Forms of Control and Subordination in Antiquity (Tokyo – Leiden 1988), 465 ff. (mit einem Vergleich der Entwicklungen in Athen nach dem Sturz der Tyrannis und in Rom nach Vertreibung der Könige); Auctores varii, Crise et transformation des sociétés archaïques de I’ltalie antique au Ve siècle av. J.-C. Actes de a table ronde … Rome 19–21 novembre 1987 (Paris – Roma 1990); K. A. Raaflaub, Politics and Society in Fifth-Century Rome, in: Atti del Convegno »Bilancio critico su Roma arcaica fra monarchia e repubblica in memoria di F. Castagnoli« (Roma 1993).
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und Boden und durch Verschuldung in eine katastrophale wirtschaftliche und soziale Lage, vor allem zahlreiche Kleinbauern, die den bescheidenen Familienbesitz von Generation zu Generation unter immer mehr Erben aufteilen mussten und sich von ihren Agrarprodukten nicht mehr ausreichend ernähren konnten. Die Ziele dieser beiden plebejischen Gruppen waren dementsprechend recht verschieden. Die wohlhabenden Plebejer strebten vor allem nach politischer Mitbestimmung, also nach der Zulassung zu den Magistraturen und nach Gleichberechtigung mit den Patriziern im Senat, ferner nach sozialer Integration durch die Genehmigung von Eheschließungen zwischen adligen und nichtadligen Partnern. Den armen Mitgliedern der Plebs kam es auf die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage und sozialen Stellung durch die Lösung der Schuldenfrage und durch angemessenen Anteil am Grundbesitz auf dem staatlichen Boden (ager publicus) an. Der Gegner war freilich für beide Gruppen derselbe, nämlich der patrizische Adel, und ihre Chance lag darin, sich gegen diesen zu verbünden, gemeinsame Institutionen als Kampforganisationen aufzubauen und gemeinsam Reformen zu erzwingen. Nutzen konnten die Plebejer diese Chance allerdings erst nach dem Sturz des Königtums in Rom, als die veränderte außenpolitische Lage der Gemeinde und auch die Veränderungen in der römischen Kriegstaktik für die Aufnahme des entschlossenen politischen Kampfes gegen die Adelsherrschaft günstige Voraussetzungen boten. Nachdem Rom durch die Vertreibung des letzten Königs die Schirmherrschaft mächtiger etruskischer Städte verloren hatte, war es ein Jahrhundert lang unmittelbar feindlicher Bedrohung ausgesetzt, die einerseits von benachbarten etruskischen Machtzentren wie vor allem von Veii, andererseits von den mittelitalischen Bergstämmen wie von den Äquern und Volskern ausging. Die Taktik des politischen und militärischen Streikes (secessio), die das Volk nach der Tradition bereits im 5. Jahrhundert in zwei sehr entscheidenden Situationen (494 und 449 v. Chr.) als Druckmittel anzuwenden vermochte, oder wohl auch die bloße Androhung derartiger Streiks, zwang den Adel im Hinblick auf die Bedrohung des Staates von außen zum Einlenken im Inneren. Das war umso erforderlicher, als der plebejischen Infanterie seit der Wende vom 6. zum 5. Jahrhundert v. Chr. eine erhöhte taktische Bedeutung zukam: Die archaische Kriegführung des berittenen Adels erwies sich in den Feldzügen gegen das stark befestigte Veii und gegen die Bergstämme als nicht mehr ausreichend. Die Herausbildung der Hoplitenpoliteia bewirkte, ebenso wie seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. in Griechenland, dass mit der militärischen Stärke des Volkes auch sein Selbstbewusstsein stieg und seine politische Aktivität zunahm.35 Die entscheidende Rolle in der neuen Kampftaktik kam naturgemäß den schwer gepanzerten Formationen der Infanterie zu; da diese Eliteformationen von den reichen Plebejern gestellt wurden, die die erforderliche Ausrüstung bezahlen oder als Handwerker auch selbst herstellen konnten, waren die politischen Ambitionen bei dieser Gruppe der Plebs am deutlichsten ausgeprägt. 35 Vgl. M. P. Nilsson, JRS 19, 1929, 1 ff.
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Der erste entschlossene Schritt und zugleich der erste große Erfolg der Plebejer war der Aufbau eigener Institutionen: Das bedeutete die Schaffung einer Organisation zum Selbstschutz und für den politischen Kampf, ferner den Zusammenschluss als eigener Stand gegen den Adel. Nach der annalistischen Tradition vollzog sich dieses entscheidende Ereignis im Jahre 494 v. Chr., als die erste Sezession des Volkes mit Erfolg gekrönt und die Institution des Volkstribunates eingeführt wurde.36 Dass das Datum ungefähr richtig ist, geht aus dem Datum einer Tempelgründung durch die Plebejer hervor: 493 v. Chr. wurde auf dem Aventinhügel der Tempel der Göttin Ceres errichtet, deren Kult dort immer den Plebejern vorbehalten war, und diese Tempelgründung war nichts anderes als die Zusammenfassung der Plebs in einer sakralen Gemeinde.37 Dass sich diese Sondergemeinde innerhalb des populus Romanus offiziell für die Pflege eines Götterkultes formierte, war einerseits dadurch verständlich, dass das Volk seinen Zusammenschluss nur unter Berufung auf göttlichen Schutz legitimieren konnte; andererseits war dieser Akt eine bewusste Nachahmung der Tempelgründung für Juppiter auf dem Capitolium, im religiösen Mittelpunkt des patrizischen Staates, nach der Tradition 507 v. Chr., um die Eigenständigkeit der plebejischen Sondergemeinde auch auf diese Art und Weise zum Ausdruck zu bringen. In der Tat beschränkte diese Gemeinde ihre Tätigkeit keineswegs auf die Pflege eines religiösen Kultes, sondern erhob den Anspruch, ein »Staat im Staate« zu sein. Die Plebejer hielten im Rahmen der Kultgemeinde als Alternative zur Volksversammlung eigene Versammlungen (concilia plebis) ab und fassten dort eigene Beschlüsse (plebiscita). Sie wählten Führer, nämlich die aediles (»Tempelvorsteher«, aus aedes = »Tempel«) und die tribuni plebis, deren Zahl zuerst wohl zwei und seit der Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. 10 betrug; durch einen heiligen Eid (lex sacrata) beschlossen sie für die Volkstribunen Unverletzlichkeit (sacrosanctitas), beanspruchten deren Hilfeleistung (ius auxilii) gegenüber der Willkür patrizischer Magistrate und setzten sogar durch, dass die Volkstribunen in das Verfahren der patrizischen Behörden gegen einen Plebejer eingreifen konnten (ius intercedendi) und gegen Magistrate und Senat allmählich ein Vetorecht erhielten. Auch wenn diese Institutionen vom Patriziat zunächst nicht als solche der staatlichen Ordnung anerkannt wurden, erwiesen sie sich – durch die Unterstützung der Masse des Volkes – als politisch wirksam. Der zweite Erfolg der Plebejer lag darin, dass sie die Einteilung des Gesamtvolkes in Tribus nach einem für sie günstigeren Gliederungsprinzip und somit auch die 36 Vgl. H. Siber, Die plebejischen Magistraturen bis zur Lex Hortensia (Leipzig 1936); F. Altheim, Lex sacrata. Die Anfänge der plebejischen Organisation (Amsterdam 1940); J. Bleicken, Das Volkstribunat der klassischen Republik2 (München 1968); R. Urban, Historia 22, 1973, 761 ff.; J.-L. Halperin, Tribunat de la plèbe et haute plèbe (493–218 av. J.-C.). Rev. Hist. de Droit Fr. et Étranger 62, 1984, 161–181; M. Humbert, Le tribunat de la plèbe et le tribunat du peuple. Remarques sur I’histoire de la provocatio ad populum. Mél. de l’École Fr. de Rome, Antiquité 100, 1988, 431 ff. 37 Nach A. Alföldi, Early Rome (Anm. 5), 85 ff. = Das frühe Rom (Anm. 5), 82 ff. fand diese Tempelgründung jedoch erst ein Jahrhundert später statt.
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Neuordnung der Volksversammlung ihren Interessen entsprechend erzwangen. Da der Name der tribuni plebis von dem Wort tribus kommt, fand die entscheidende Reformmaßnahme in der allmählich vollzogenen Reorganisierung der Tribuseinteilung möglicherweise gleichzeitig mit der Einführung des Volkstribunates statt. Die drei alten gentilizischen Verbände der Tities, Ramnes und Luceres wurden zwar nicht abgeschafft, jedoch weitgehend durch regional gegliederte Tribus ersetzt. Vier von diesen, die Suburana, Palatina, Esquilina und Collina, entsprachen als tribus urbanae den vier Bezirken der Stadt Rom; dazu kamen im 5. Jahrhundert v. Chr. in einem Gürtel um die Stadt herum die 16 tribus rusticae, deren Zahl seit dem Ende des 5. Jahrhunderts weiter anstieg (bis zum Abschluss der römischen Tribusentwicklung im Jahre 241 v. Chr. mit insgesamt 35 Tribus).38 Da die Tribuseinteilung vor allem als Grundlage für die Volksversammlung diente, war ihre politische Bedeutung, insbesondere bei der Vorbereitung und bei der Abhaltung von Beamtenwahlen, beträchtlich. In der nach dem regionalen Gliederungsprinzip der Tribus organisierten Volksversammlung (comitia tributa) konnten die Patrizier nicht mehr an der Spitze einer geschlossenen, ihnen hörigen Sippe auftreten und die Versammlung mit dem Aufgebot ihrer Klienten von vornherein beherrschen wie in der alten Form der Volksversammlung (comitia curiata). Der neue Rahmen bot zugleich günstige Möglichkeiten für die plebejische Agitation, die nicht mehr einfach mundtot gemacht werden konnte. Solange die staatlichen Magistraturen nur den Patriziern vorbehalten waren, blieb zwar der Einfluss dieser Agitation auf die Wahlen verhältnismäßig beschränkt, konnte jedoch insofern wichtig sein, als es für die Plebejer möglich war, die Wahl ihnen genehmer, kompromissbereiter Patrizier für die Beamtenstellen durchzusetzen. Einen dritten Erfolg konnten die Plebejer in der Mitte des 5. Jahrhunderts, nach der Überlieferung 451 oder 450 v. Chr., verbuchen, nämlich die Kodifizierung des Rechtes im sog. Zwölftafelgesetz (leges duodecim tabularum).39 Es handelte sich keineswegs um eine neue, plebejerfreundliche Gesetzgebung, sondern nur um die schriftliche Fixierung des geltenden Rechtes, und für die unteren Bevölkerungsschichten waren die Bestimmungen dieses Rechtes hart genug. Sie zeigen, dass der Kampf der Plebs einige Jahrzehnte vorher von einer denkbar niedrigen Position aus begonnen werden musste, und dass die Lage des Volkes selbst nach den ersten großen politischen Errungenschaften noch immer alles andere als günstig war. Die 38 Zu den römischen Tribus siehe L. Ross Taylor, The Voting Districts of the Roman Republic (Rome 1960). Vgl. dies., Roman Voting Assemblies (Ann Arbor 1966). 39 Noch immer zu gebrauchen ist M. Voigt, Die XII Tafeln. Geschichte und System de Zivil- und Kriminalgerichts- wie prozesses der XII Tafeln nebst deren Fragmente 1–2 (Leipzig 1883, Nachdruck Aalen 1966). Text bei S. Riccobono, Fontes Iuris Romani Anteiustiniani I. Leges2 (Firenze 1941); R. Düll, Das Zwölftafelgesetz4 (München 1971). Siehe bes. F. Wieacker, in: Entretiens sur l’Antiquité Classique XIII (Anm. 5), 291 ff.; G. Crifò, ANRW I 1 (Berlin – New York 1972), 115 ff.; A. Watson, Rome of the XII Tables. Persons and Property (Princeton 1976); G. Poma, Tra legislatori e tiranni. Problemi storici e storiografici sull’e delle XII Tavole (Bologna 1984); R. Westbrook, The Nature and Origin of the Twelve Tablets. Zeitsch. der Savigny-Stiftung f. Rechtsgesch., Rom. Abt. 105, 1988, 74 ff.
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archaischen Züge des Gesetzes mit der Sicherung der absoluten Herrschaft des pater familias, der seine Kinder als Sklaven verkaufen konnte, mit der Legitimierung der Schuldsklaverei in der Form des nexum oder mit dem anerkannten Recht der Widervergeltung körperlichen Schadens auf die gleiche Art und Weise (talio) waren deutlich und nicht dazu geeignet, die Lage der sozial Schwachen zu erleichtern. Auch die scharfe Trennung zwischen Patriziern und Plebejern war sanktioniert, vor allem durch das Verbot von Eheschließungen zwischen Angehörigen der beiden Stände, und von dieser Bestimmung waren auch die reichen Plebejer betroffen. Jedoch war die Tatsache, dass das geltende Recht überhaupt schriftlich niedergelegt wurde, eine politische Reform von großer Bedeutung: Seither konnte sich der gewöhnliche Bürger gegen Unrecht und Gewalttaten seitens der Mächtigen nicht mehr nur auf ein zwar allgemein respektiertes, aber nicht in jeder Hinsicht eindeutiges Gewohnheitsrecht berufen, sondern auf aufgezeichnete Verhaltensvorschriften und Strafbestimmungen. Mit dem Grundsatz, dass jeder Bürger vor Gericht geladen werden konnte und dass jeder Bürger Anrecht auf einen Verteidiger (vindex) hatte, wurde auch den Armen und Schwachen gesetzlicher Schutz zugesichert. Der Weg für die zukünftige Sozialentwicklung wurde auch dadurch geebnet, dass das Zwölftafelgesetz nicht mehr nur den Adel und das gewöhnliche Volk als gesellschaftliche Gruppen kannte: Es berücksichtigte bereits auch das Vermögen als Kriterium der sozialen Schichtung, nämlich durch die Unterscheidung zwischen den Besitzenden (assidui), deren Eigentum unter den Voraussetzungen des archaischen Stadtstaates freilich noch ziemlich bescheiden war, und den Besitzlosen (proletarii), die über nichts anderes als über ihre Kinder (proles = »Nachwuchs«) verfügten. Die Beachtung der Eigentumsverhältnisse als soziales Qualifikationsmerkmal kam vor allem den reichen Plebejern zugute, die so nicht mehr einfach zur Masse des gewöhnlichen Volkes gezählt werden konnten. Ihr Reichtum sicherte ihnen Ansehen und Einfluss. Wie sehr es den führenden Plebejern auf eine Neuordnung des römischen Sozialgefüges aufgrund des Reichtums ankam, zeigte sich im vierten großen Erfolg der Plebs im Kampf gegen den Patriziat: Sie konnte die Neugliederung des Bürgertums in Besitzklassen durchsetzen. Diese timokratische Gemeindeverfassung wurde in der römischen Überlieferung dem König Servius Tullius zugeschrieben, der als ein Mann niedriger Herkunft den Annalisten als Musterfigur des demokratischen Reformers erschien. Die wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen für diese Reform waren jedoch im 6. Jahrhundert v. Chr. noch nicht gegeben; selbst das Zwölftafelgesetz hatte von einzelnen Censusklassen noch keine Kenntnis. So kam diese Verfassung, zumindest als Grundlage für die Organisation der Volksversammlung, erst nach 450 v. Chr. zustande. Die Einrichtung des Amtes des censor für die Feststellung der Vermögensqualifikation einzelner Bürger, die nach der Tradition 443 v. Chr. erfolgte, dürfte ihre Entstehung markiert haben.40 40 Siehe Cic., De re p. 2,39 ff.; Liv. 1,43,1 ff.; Dion. Hal. 4,16,1 ff.; Pap. Oxy. 17, 2088. Zu den unterschiedlichen Ansichten in der modernen Forschung siehe bes. H. Last, JRS 35, 1945, 30 ff.; E. Stuart
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die frührömische gesellschaft
Die Eigentumsverhältnisse der Angehörigen einzelner Besitzklassen wurden nach dieser sog. servianischen Verfassung daran gemessen, welche Ausrüstung sie sich im Krieg leisten konnten. Dadurch zeigt sich deutlich, dass diese Verfassung aus der Neuordnung des römischen Heerwesens, und zwar nach der Einführung der Hoplitentaktik, hervorging; auf diesen Hintergrund weisen auch die Namen der Besitzklassen (classis = »Kampfaufgebot«) und deren Unterabteilungen (centuria = »Hundertschaft« in der ältesten Heeresgliederung) hin. In detaillierter Form kennen wir diese Verfassung erst aus der späteren Republik, als sie schon weiter verfeinert wurde. Über den Klassen (supra classem) standen die equites, offensichtlich die Mitglieder des patrizischen Reiteradels, die in 18 Centurien eingeteilt waren. Die erste Klasse umfasste die 80 Centurien der schwer bewaffneten Infanterie, die mit Helm, Schild, Brust- und Beinpanzer, Speer, Wurflanze und Schwert ausgerüstet das Rückgrat des gesamten römischen Kampfaufgebotes bildete; in dieser Klasse waren vor allem die reichen Plebejer vertreten. Zur zweiten, dritten und vierten Klasse mit jeweils 20 Centurien gehörten die weiteren Besitzenden mit absteigender Vermögensqualifikation. Die Mitglieder der zweiten Klasse trugen die gleichen Waffen wie diejenigen der ersten Klasse, jedoch keinen Brustpanzer und statt des Rundschildes nur einen kleineren Langschild; die Bürger in der dritten Klasse besaßen überhaupt keine Panzerung, nur Helm und Angriffswaffen; die Angehörigen der vierten Klasse waren nur noch mit Speer und Wurfspieß ausgerüstet. In der aus 30 Centurien bestehenden fünften Klasse waren die Armen vereint, die lediglich mit einer Schleuder bewaffnet waren. Zu diesen Einheiten kamen noch zwei Centurien der fabri, die die Kriegsmaschinen bedienten und der ersten Klasse zugeteilt wurden, ferner die der fünften Klasse zugeordneten beiden Centurien der Musiker. Die völlig besitzlosen und somit unbewaffneten »Proletarier« wurden unterhalb der Klassenordnung (infra classem) in einer Centuria erfasst und konnten im Kampf höchstens als Melder und Späher Verwendung finden. Ebenso wie seinerzeit die Einteilung des Volkes in gentilizische Verbände und später in regionale Tribus wurde auch diese Neuordnung gleichzeitig der Volksversammlung als Ordnungsprinzip zugrunde gelegt. In der nach Klassen und Centurien geordneten Volksversammlung (comitia centuriata) hatte jede Centuria eine Stimme, ohne Rücksicht auf die tatsächliche Zahl ihrer Mitglieder. Diese war übrigens in den einzelnen Centurien schon deshalb unterschiedlich, weil die zahlenmäßig schwächeren älteren Jahrgänge über 46, die seniores, in jeder Klasse die gleiche Anzahl von Centurien stellten wie die iuniores, damit so innerhalb der Klasse die Stimmen der eher konservativ denkenden Älteren diejenigen der Jüngeren ausglichen. Die Stimmabgabe nach Centurien bedeutete freilich, dass die Angehörigen der Reitercenturien und der ersten Klasse mit ihren insgesamt 98 Stimmen, falls sie ihre Klasseninteressen auf einen gemeinsamen Nenner zu brinStaveley, Historia 5, 1956, 75 ff.; J. Suolahti, The Roman Censors. A Study in Social Structure (Helsinki 1963); G. Pieri, L’histoire de cens jusqu’à la fin de la république romaine (Paris 1968); E. Gjerstad, ANRW I 1 (Berlin – New York 1972), 172 ff.
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gen vermochten, die restlichen 95 Centurien stets überstimmen konnten. Wie schon Cicero (De re p. 2,39) hervorhob, sicherte dieses System bei Entscheidungen den Besitzenden eine klare Vormachtstellung der Masse des Volkes gegenüber zu. Die politische Benachteiligung und wirtschaftliche Unterdrückung der breiten Volksmassen wurde durch diese Neuordnung des Sozialgefüges ebenso wenig beseitigt wie durch das Zwölftafelgesetz. Vielmehr wurden die sozialen Unterschiede zwischen dem supra classem stehenden Adel und dem gewöhnlichen Volk, wenn auch nicht mehr ganz in der Form wie bisher, gefestigt. Damit war auch die Trennung der Fronten zwischen Patriziern und Plebejern, die mit dem Zusammenschluss des Volkes in eine Sondergemeinde begonnen hatte, vollendet. In den folgenden Jahrzehnten, bis zum ersten Drittel des 4. Jahrhunderts v. Chr., bestand die römische Gesellschaft auf der Grundlage dieser Trennung zwischen den Ständen. Zugleich brachte aber die servianische Verfassung die archaische Gesellschaftsordnung Roms bereits ins Wanken und eröffnete den Weg zur Herausbildung eines neuen sozialen Modells. Mögen die Adligen auch nach der neuen Verfassung die Spitze der Gesellschaft dargestellt haben, so war für diese Stellung nicht mehr allein ihre vornehme Abstammung, sondern auch ihre wirtschaftliche Position maßgebend. Noch wichtiger war, dass den vermögenden Plebejern institutionell eine gehobene soziale Stellung zugesichert wurde, die ihrer wirtschaftlichen und militärischen Bedeutung sowie ihren politischen Ambitionen Rechnung trug. Zugleich wurde diese führende Gruppe der Plebs als potentieller Partner des Adels anerkannt, da die Patrizier die Volksversammlung nicht mehr allein, sondern nur im Bündnis mit der prima classis des Volkes beherrschen konnten. Diese Partnerschaft wurde auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass das Heiratsverbot zwischen den Angehörigen des Adels und denen des Volkes offiziell aufgehoben wurde. Ob diese Reform tatsächlich schon 445 v. Chr. durch die lex Canuleia erfolgte, wie die Annalisten es glaubten, oder erst später vollzogen wurde, lässt sich nicht entscheiden. Sie wies jedenfalls in die gleiche Richtung wie die timokratische Gemeindeverfassung, nämlich auf den Weg zur Annäherung und zum Ausgleich zwischen den Patriziern und den führenden Plebejern. Damit begann in der Geschichte des Gesellschaft Roms eine neue Epoche.
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II. Die Römische Gesellschaft vom Beginn der Expansion bis zum zweiten P unischen Krieg
Die Auflösung der archaischen Sozialordnung: der Ausgleich der Stände und die Expansion
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m die Wende vom 5. zum 4. Jahrhundert v. Chr. war Rom noch immer ein archaischer Stadtstaat. Seine Sozialordnung mit dem herrschenden Adel auf der einen und mit dem politisch und wirtschaftlich stark benachteiligten Volk auf der anderen Seite beruhte nach wie vor auf einem recht einfachen ständischen Prinzip, und sein Herrschaftsgebiet beschränkte sich noch immer nur auf ein bescheidenes Territorium in der Umgebung der Stadt. Jedoch haben die Veränderungen im Gefüge der römischen Gesellschaft seit dem Sturz der Monarchie und seit dem Beginn des Ständekampfes dazu geführt, dass Rom an der Schwelle einer neuen Epoche seiner Sozialentwicklung angelangt war. Das Volk war keine politisch unmündige Masse mehr, sondern hatte sich zu einem eigenen Stand mit wachsendem Selbstbewusstsein zusammengeschlossen und konnte schon eine Reihe beachtlicher politischer Errungenschaften verzeichnen. Zugleich hatte sich aufgrund der Differenzierung der Besitzverhältnisse unter der Oberfläche des einfachen Ständemodells Adel – Volk eine tiefere soziale Gliederung vollzogen, die von den reichen Grundbesitzern über vermögende Handwerker und Kaufleute bis zu den armen Bauern und besitzlosen Proletariern reichte. Auch war Rom gegen 400 v. Chr. nicht mehr jene zweitrangige Macht wie ein Jahrhundert zuvor. Nachdem es seit der Vertreibung der etruskischen Könige lange zur Defensive gezwungen gewesen war, ging es nach der Mitte des 5. Jahrhunderts zur Offensive über und erreichte nach der Eroberung von Fidenae (426 v. Chr.) und vor allem nach der Unterwerfung von Veii (396 v. Chr.), dass sich sein Hoheitsgebiet erheblich vergrößerte. Damit waren auch die Weichen für die Zukunft, für die Auflösung der archaischen Ordnung, gestellt. In der sozialen und politischen Auseinandersetzung im Inneren war für die Plebejer nicht mehr die weitere Absonderung vom Adel das Gebot der Stunde, sondern zumindest für die
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führenden Gruppen des Volkes gerade umgekehrt der Ausgleich mit dem Patriziat. Nach außen hin konnte das Ziel sowohl des Adels als auch aller Gruppen des Volkes nur die weitere Expansion sein, um die wirtschaftliche Notlage der Armen auf Kosten Dritter zu lösen und zugleich den bereits Vermögenden weiteren Reichtum zu sichern. Nach den scheinbar stillen Jahrzehnten seit der Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr., in denen die aufgelockerten archaischen Strukturen für die Ablösung durch ein neues Modell reif geworden waren, bedurfte es nur noch einer Beschleunigung des historischen Prozesses, damit die Konsequenzen aus der bisherigen Entwicklung deutlich zur Geltung kommen konnten. Zu dieser Beschleunigung des historischen Prozesses kam es seit den ersten Jahrzehnten des 4. Jahrhunderts v. Chr., mit der Folge, dass sich das soziale Gefüge des römischen Staates während der nächsten rund hundert Jahre grundlegend veränderte. Kurz nach 400 v. Chr. nahmen in Rom die sozialen Spannungen deutlich zu. Durch die natürliche Vermehrung der Bevölkerung war die Zahl der Landlosen beträchtlich angestiegen, und die Ausdehnung des römischen Hoheitsgebietes nach der Eroberung von Fidenae und Veii hatte die Unzufriedenheit der Armen keineswegs gelindert, sondern geradezu vertieft: Das erbeutete und von Rom annektierte Land wurde nicht unter den Besitzlosen verteilt, sondern von den reichen Grundbesitzern okkupiert. Zugleich wuchs auch die Unzufriedenheit der Plebs, auch die der reichen Plebejer, mit den politischen Verhältnissen: An den siegreichen Kriegen gegen die Nachbarn hatte die plebejische Infanterie, insbesondere die von den vermögenden Plebejern gestellte schwere Infanterie, den entscheidenden Anteil gehabt und forderte entsprechenden politischen Einfluss. Weiter verschärft wurde die Lage, nachdem 387 v. Chr. ein Beutetrupp der in Oberitalien ansässig gewordenen Gallier das römische Heer geschlagen, Rom bis auf das Kapitol vorübergehend eingenommen, die Stadt geplündert und das umliegende Land verwüstet hatte. Viele römische Familien verloren damals ihre Habe und gerieten demzufolge in die Schuldsklaverei; zugleich wurde aber auch die patrizische Staatsordnung erschüttert. Der Ausweg aus der zwiespältigen Situation konnte nur entweder in einer Revolution oder in einer grundlegenden Reform liegen. Nach der annalistischen Tradition versuchten die Unzufriedenen zweimal hintereinander, 385 und 375 v. Chr., die bestehende Ordnung durch Gewalt zu stürzen (Liv. 6,11,1 ff.). Den Ausschlag gab jedoch die Einsicht, dass die bestehende Gesellschaftsordnung nicht durch Gewalt zu verändern war, zumal dies auch den Interessen der vermögenden Plebejer widersprach. Damit wurde aber zugleich die Notwendigkeit von Reformen deutlich, und der kompromissbereite Flügel des Patriziates setzte sich – im Bündnis mit den Führern der Plebs – durch.41
41 Zum Ausgleich der Stände siehe die Literatur in Anm. 34, ferner noch bes. H. Siber, Römisches Verfassungsrecht in geschichtlicher Entwicklung (Lahr 1952), 64 ff.; J. Heurgon, Rome et la Méditerranée (Anm. 17), 303 ff; R. Develin, in: Social Struggles in Archaic Rome (Anm. 34), 293 ff.
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Die entscheidende Reform wurde nach der Überlieferung 367 v. Chr. durch die sog. leges Liciniae Sextiae vollzogen (Liv. 6,35,3 ff.), benannt nach den Volkstribunen Gaius Licinius Stolo und Lucius Sextius Lateranus. Durch dieses Gesetz wurde auf einen Schlag sowohl die wirtschaftliche Lage der armen Plebejer erheblich verbessert als auch die politische Gleichstellung der Plebs durch die Zulassung der Führer des Volkes zu den höchsten Ämtern erreicht. Seit dem Erfolg dieser Reform wurden auch die meisten weiteren erforderlichen Reformen durch Gesetzgebung vorangetrieben.42 Da Gesetze von der Volksversammlung beschlossen werden mussten, war so sichergestellt, dass die Reformen von der Mehrheit des Volkes (oder zumindest der Volksversammlung) getragen wurden, und da sie vom Senat genehmigt werden mussten, bedeutete dessen Zustimmung zugleich auch die Sanktionierung der Reformwerke durch jene oberste staatliche Instanz, in der die Interessen des Adels am deutlichsten vertreten wurden. Jedenfalls war die gesetzgeberische Entwicklung der Republik von den licinisch-sextischen Gesetzen, die die Dinge in Gang brachten, bis zur lex Hortensia im Jahre 287 v. Chr. ein unaufhaltbarer Strom sozialer und politischer Reformen zugunsten der Plebs. Gelegentliche Rückschläge, verursacht durch die Haltung einiger einflussreicher und konservativ eingestellter Familien unter den Patriziern, konnten diese Entwicklung nicht aufhalten. Entsprechend der Eröffnung dieser Reformpolitik durch die licinisch-sextischen Gesetze zielten auch die weiteren Maßnahmen in zwei Richtungen: Einerseits kam es darauf an, die wirtschaftliche Notlage der armen Plebejer zu beheben; andererseits ging es darum, die politische Gleichstellung des Volkes mit den Patriziern zu vollziehen, was nichts anderes bedeutete als die Verschmelzung der führenden Plebejergruppen mit den Nachkommen des alten Patriziats. Für die Verbesserung der Lage der Besitzlosen und für ihre Versorgung wurden bereits durch die licinisch-sextischen Gesetze 367 v. Chr. energische Maßnahmen getroffen. Die Schulden, die die Armen drückten und sie mit dem Verlust der persönlichen Freiheit bedrohten, wurden teilweise getilgt (ähnlich wie durch Solon in Athen zu Beginn seines Reformwerkes in einer durchaus ähnlichen historischen Konstellation). Zugleich wurde bestimmt, dass auf dem staatlichen Boden niemand mehr über einen größeren Grundbesitz als 500 Joch verfügen durfte. Diese vielfach als anachronistisch betrachtete Bestimmung der licinisch-sextischen Gesetze ist möglicherweise als echt anzusehen, und zwar nicht nur deswegen, weil der ältere Cato sie 167 v. Chr. als eine alte Anordnung erwähnte (bei Gellius, Noct. Att. 6,3,37), sondern auch, weil sie mit der Größe des römischen Staatsgebietes nach der Annexion der Territorien von Fidenae und Veii wohl zu vereinbaren ist. Die Besitzgröße von 500 Joch (ungefähr 1,25 km2) war keineswegs die in dieser Zeit allgemein übliche Größe eines Grundstückes, sondern stellte offensichtlich den Umfang der 42 Über die Gesetze, mit denen die Gegenstände der Auseinandersetzung zwischen Patriziern und Plebejern geregelt wurden, siehe D. Flach, Die Gesetze der frühen römischen Republik. Text und Kommentar (Darmstadt 1994).
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Ländereien einiger weniger führender Familien dar, die die einige Jahrzehnte vorher eroberten Gebiete unter sich aufgeteilt hatten und vor allem auf dem ehemaligen Staatsgebiet von Veii, das größer war als das ganze ursprüngliche römische Territorium, noch größere als 500 Joch umfassende Ländereien in Besitz nehmen konnten. Zumindest einen Teil des von ihnen in Anspruch genommenen Landes mussten die reichen Grundbesitzer jedenfalls abgeben, und dieses Land konnte unter den Armen verteilt werden.43 Richtig zum Zuge kommen konnte die Politik, die die Versorgung der Armen mit Land vorsah, freilich erst nach 340 v. Chr. durch die rasche Vermehrung des ager publicus infolge der Expansion. Im Zusammenhang damit konnte auch die einst durch das Zwölftafelgesetz sanktionierte Schuldknechtschaft abgeschafft werden: Die Bedeutung der lex Poetelia Papiria (326 v. Chr.), die diese Reform einführte, wurde später von Livius (8,28,1 ff.) sogar mit der der Gründung der Republik verglichen (velut aliud initium libertatis). Der plebejer- und reformfreundliche Appius Claudius Caecus setzte während seiner Zensur 312 v. Chr. noch eine weitere Maßnahme durch, die in die gleiche Richtung wies wie die Agrarreform der licinisch-sextischen Gesetze: Die ehemaligen Sklaven, zumeist ganz arme Leute, die nach ihrer Freilassung in der Regel überhaupt keinen Grundbesitz hatten und deshalb bisher nur in die vier städtischen Tribus eingeschrieben worden waren, teilte er auch in die ländlichen Tribus ein, damit sie auf dem Lande festen Wohnsitz und Grundstücke erhalten konnten.44 Das bedeutete zugleich, dass die Freigelassenen, als Bürger niedrigster sozialer Stellung, die sich bisher auch politisch nur innerhalb der städtischen Tribus betätigen durften, Meinungsbildung und politisches Handeln auch der ländlichen Bevölkerung beeinflussen konnten. Im Jahre 304 v. Chr. wurde zwar diese Reform rückgängig gemacht (das war einer der wenigen Fälle der deutlichen patrizischen Reaktion in der zweiten Phase des Ständekampfes), jedoch hat diese Maßnahme nur den politischen Spielraum der Freigelassenen einschränken, ihre wirtschaftlichen Ambitionen dagegen nicht mehr eindämmen können. Die meisten Reformbestrebungen dieser Zeit zielten auf die politische Gleichberechtigung der Plebejer. Für die Plebs war es wichtig, ihren Schutz vor der Willkür der Behörden des Staates zu verstärken. Hierfür veröffentlichte 304 v. Chr. der Volkstribun Gnaeus Flavius die Prozessformeln (ius Flavianum), die einheitliche Regeln für die Behandlung eines jeden Bürgers vor Gericht sicherten. Die lex Valeria de provocatione 300 v. Chr. verstärkte den Schutz des Bürgers vor den Magistraten: 43 Zum vielfach umstrittenen Inhalt der licinisch-sextischen Agrarreform siehe bes. G. Tibiletti, Athenaeum 26, 1948, 173 ff. und ebd. 28, 1950, 245 ff.; A. Burdese, Studi sull’ager publicus (Torino 1952), 52 ff.; für die Echtheit mit Hinweis auf Cato T. Frank, An Economic Survey of Ancient Rome I. Rome and Italy of the Republic (Reprint Paterson 1959), 26 ff.; F. De Martino, Storia della costituzione romana (Anm. 8), I 336 ff.; B. Forsen, Lex Licinia Sextia de modo agrorum – Fiction or Reality? (Helsinki 1991). Vgl. schon K. Schwarze, Beiträge zur Geschichte altrömischer Agrarprobleme (Halle 1912), 73 ff. 44 Zu Appius Claudius Caecus siehe E. Stuart Staveley, Historia 8, 1959, 410 ff.
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Nach diesem Gesetz hatte der Bürger, der von einem Magistraten zur Höchststrafe verurteilt wurde, das Recht, an die Volksversammlung zu appellieren (provocatio), die über die Angelegenheit in einem eigenen Gerichtsverfahren zu entscheiden hatte; bei politischen Strafverfahren in der Stadt Rom wurde die Zuständigkeit den Magistraten gänzlich abgenommen und der Volksversammlung übertragen.45 Den führenden Plebejern kam es freilich vor allem darauf an, mit den Patriziern in der politischen Lenkung des römischen Staates gleichgestellt zu werden. Da die politische Betätigung durch die Ausübung der Magistraturen sowie durch die Beratung und Beschlussfassung im Senat und in der Volksversammlung möglich war, lagen die wichtigsten Ziele der führenden Plebejer in der Zulassung zu den höchsten Ämtern im Staate, in der Gleichstellung mit den Patriziern auch im Senat und zugleich auch in der Absicherung der Rolle der sie unterstützenden Volksversammlung gegenüber dem Senat. Was die Beteiligung an der politischen Führung durch die Bekleidung von Magistraturen betraf, war die ursprüngliche Taktik der führenden Plebejer die Errichtung ihrer Sonderämter gewesen. Erst nach diesem Umweg hatten sie die Möglichkeit erkämpft, auch in jene Ämter einzudringen, die bisher nur den Patriziern vorbehalten waren. Einige bescheidene Erfolge in dieser Richtung konnten sie schon lange vor den licinisch-sextischen Gesetzen erzielen. Die Militärtribunen, deren Institution nach der Überlieferung 444 v. Chr. eingeführt wurde, waren von Anfang an teils Patrizier, teils Plebejer, offenbar deshalb, weil die Plebs nur unter eigenen Führern in den Krieg zu ziehen bereit war und angesichts ihrer militärischen Bedeutung am schnellsten die Gleichstellung ihrer Kommandeure mit den patrizischen Befehlshabern durchsetzen konnte. In den zivilen Ämtern erschien der erste Plebejer 409 v. Chr., und zwar als quaestor (als Gehilfe der Oberbeamten) bezeichnenderweise im niedrigsten Amt. Die tatsächliche Gleichstellung der Plebejer mit den Patriziern in den Magistraturen begann einige Jahrzehnte später im Zuge derselben politischen Gärung, die zum licinisch-sextischen Reformwerk führte. Im Jahre 368 v. Chr. berief der damalige patrizische Diktator in einer Ausnahmesituation einen plebejischen Stellvertreter als magister equitum; zugleich wurden die Vertreter der Plebs in das Priesterkollegium der Orakelbewahrer aufgenommen. Die licinisch-sextischen Gesetze im folgenden Jahre brachten dann die durchschlagende Reform.46 Seither waren die Oberbeamten des Staates – sowohl in der Justiz als auch in der Kriegführung – die beiden consules, von denen der eine Plebejer sein konnte, außerdem der praetor nur mit Kompetenz in der Justiz, dessen Amt ebenso von einem Patrizier wie von einem Plebejer bekleidet werden konnte; zugleich wurde den Plebejern auch das Recht, sich um die weiteren höchsten Ämter (Diktatur, Zensur) zu bewerben, zuge-
45 R. A. Baumann, Historia 22, 1973, 34 ff. 46 Zum politischen Inhalt dieser Gesetze siehe bes. K. von Fritz, Historia 1, 1950, 3 ff. = in: ders., Schriften zur griechischen und römischen Verfassungsgeschichte und Verfassungstheorie (Berlin – New York 1976), 329 ff.
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standen. Ferner wurden neben den beiden aediles plebis zwei patrizische Ädilen (mit dem Titel aedilis curulis) bestimmt, damit auch die Funktionen der Ädilen gleichermaßen unter den Vertretern beider Stände aufgeteilt werden konnten. Bald darauf traten auch die ersten plebejischen Oberbeamten ihr Amt an: Der erste plebejische Konsul war Lucius Sextius Lateranus nach der Tradition 366, der erste plebejische Diktator Gaius Marcius Rutilus 356, der erste plebejische Censor derselbe Senator 351, der erste plebejische Prätor Quintus Publilius Philo 337 v. Chr. Der Abschluss dieser Integration der Plebejer in die Magistraturen erfolgte durch die lex Ogulnia 300 v. Chr., als für die Vertreter der Plebs auch die höchsten Priesterämter der pontifices und augures geöffnet wurden.47 Aus den einflussreichsten patrizischen Senatoren und aus den bis zu den höchsten Staatsämtern aufgestiegenen führenden Plebejern entstand eine neue politische Spitzegruppe, die Nobilität.48 Im Zuge dieser Reformen wollten die führenden Plebejer auch ihre Stellung im Senat verbessern. Durch die lex Ovinia (vor dem Jahre 312) wurde bestimmt, dass der Senat von den Censoren von Zeit zu Zeit immer wieder neu zu ergänzen war; das bedeutete, dass der Senat während jeder Zensur durch vermögende und einflussreiche Plebejer aufgefrischt werden konnte. Zugleich wurden durch dieses Gesetz die plebejischen Senatoren mit den patrizischen gleichgestellt, indem den conscripti das früher nur den patres zugestandene volle Stimmrecht eingeräumt wurde. Insbesondere während der Zensur des Appius Claudius Caecus 312 v. Chr. wurden viele Plebejer in den Senat aufgenommen, unter ihnen sogar Söhne von Freigelassenen und somit auch Männer, die Handwerk und Handel betrieben; damit war der Senat keine Hochburg eines ausschließlich durch Geburt und Grundbesitz privilegierten Adels mehr wie früher (Diodor 20,36,1 ff.). Zugleich wurden aber die Rechte des Senats zugunsten der von den reichen Plebejern stark beeinflussten Volksversammlung beschnitten. Während früher Volksbeschlüsse durch die Verweigerung der nachträglichen Zustimmung durch den Senat ohne weiteres außer Kraft gesetzt werden konnten, mussten die Bedenken des Senats gegen einen Volksversammlungsbeschluss seit der lex Publilia (339 v. Chr.) schon vorher, und zwar vor der Volksversammlung, artikuliert werden; somit konnten Volksbeschlüsse selbst von einer konservativen Mehrheit des Senats nicht mehr einfach für nichtig erklärt werden. Noch weiter ging die lex Hortensia 287 v. Chr., die allgemein als Abschluss des Ständekampfes betrachtet wird. Nach Unruhen infolge der Verschuldung von
47 Zur Problematik der frühen plebejischen Oberbeamten siehe J. Pinsent, Military Tribunes and Plebeian Consuls: The Fasti from 444 to 342 (Wiesbaden 1974), nach dem der erste plebejische Konsul 342 v. Chr. im Amt war. 48 Zur römischen Nobilität grundlegend M. Gelzer, Nobilität der römischen Republik (Leipzig 1912) = Kleine Schriften I (Wiesbaden 1962), 17 ff., jetzt auch in: M. Gelzer, Die Nobilität der römischen Republik. Die Nobilität der Kaiserzeit2 (Stuttgart 1983). Vgl. auch J. Bleicken, Gymnasium 88, 1981, 236 ff. Zu den Anfängen der Nobilität siehe K.-J. Hölkeskamp, Die Entstehung der Nobilität. Studien zur sozialen und politischen Geschichte der römischen Republik im 4. Jh. v. Chr. (Stuttgart 1987). Siehe noch Anm. 62.
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Privatpersonen schien der Kampf zwischen Patriziern und Plebejern damals wieder in den alten Formen aufzuflammen, da die Plebs sogar zur Notmaßnahme der Sezession griff, wie nach der Tradition schon zweimal im 5. Jahrhundert v. Chr.; aber »in diesem Moment nun müssen sich die Häupter der Plebs und des Patriziats über diese vorübergehende Tagesaufregung hinweg im Sinne einer letzten Generalbereinigung der ganzen Vergangenheit geeinigt haben«:49 Den Beschlüssen der plebejischen Volksversammlung (plebiscita) wurde Rechtsgültigkeit auch ohne die Zustimmung durch den Senat eingeräumt. Dass diese Reform, die grundsätzlich zu einem Zusammenbruch des Staates hätte führen können, überhaupt möglich war, zeugte freilich sehr deutlich vom stark fortgeschrittenen Ausgleich der Stände: Die Grundlage dieser Reform war offensichtlich die Überzeugung, dass im Senat und in der Volksversammlung weitgehend die gleichen Interessen vertreten wurden, da die Führer des Volkes und der Volksversammlung nun zugleich Vertreter und führende Mitglieder einer neu formierten Senatsaristokratie waren. Der Sieg der Plebejer war damit erreicht. Er bedeutete die Aufhebung der Standesgrenzen zwischen Patriziern und Plebejern, ohne einer egalitären Gesellschaft den Weg zu öffnen; vielmehr schuf er für eine weitere soziale Differenzierung Voraussetzungen. Zu verdanken hatten die Plebejer den Sieg ihrer Entschlossenheit im Ständekampf und der konsequenten Bündnispolitik reicher und armer Angehöriger des Volkes, ferner der Kompromissbereitschaft des Adels oder zumindest breiter adliger Kreise häufig unter dem Druck der außenpolitischen Lage Roms, und schließlich dem gemeinsamen Interesse aller Gruppen, die sozialen Probleme durch Expansion zu bewältigen. Die sozialgeschichtlichen Implikationen der römischen Expansion sind nicht hoch genug einzuschätzen: Die Reformierung des römischen Gesellschaftssystems durch Gesetzgebung fiel nicht nur zeitlich mit der Ausdehnung der Herrschaft Roms auf Italien zusammen, sondern war von diesem Prozess untrennbar. Die Folgen der Niederlage gegen die Gallier im Jahre 387 v. Chr. konnte der römische Staat bald überwinden. Nach verschiedenen Kämpfen mit den Nachbarn und nach der Absicherung der römischen Position in Latium und Umgebung durch Mittel der Diplomatie begann nach der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. eine große Offensive, die nach den schweren Kriegen gegen die im Samnitenbund verbundenen Bergstämme (bis 290 v. Chr.) und nach den entscheidenden Erfolgen gegen die Gallier und Etrusker (285 v. Chr.) zur Unterwerfung Mittelitaliens und nach dem Krieg gegen Tarent und den epirotischen König Pyrrhos (282–270 v. Chr.) zur Eroberung Süditaliens führte.50
49 A. Heuss, Römische Geschichte (Anm. 34), 35. 50 Zur römischen Expansion und zur Vereinigung Italiens unter römischer Herrschaft siehe H. Rudolph, Stadt und Staat im römischen Italien (Leipzig 1935); A. Afzelius, Die römische Eroberung Italiens (340–264 v. Chr.) (Aarhus 1942). A. Keaveney, Rome and the Unification of Italy (London 1987); D. Briquel – G. Brizzi, in: F. Hinard (Ed.), Histoire romaine I (Anm. 10), 293 ff.
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Die Ursachen dieser Eroberungskriege lagen nicht etwa in einem irrationalen Drang der Römer nach Expansion, sondern in der Notwendigkeit, die inneren Probleme der römischen Gesellschaft durch Ausdehnung des Herrschaftsgebietes zu lösen. Übrigens hatte auch der Drang der Samniten und ihrer Verbündeten aus dem italischen Bergland in das teilweise sehr fruchtbare Küstenland zwischen Rom und Neapel, der den römischen Interessen widersprach, einen ähnlichen Grund: Die Folgen der Überbevölkerung waren für diese Hirtenstämme noch katastrophaler als für den römischen Agrarstaat.51 Auch die erstaunlichen außenpolitischen Erfolge Roms innerhalb kurzer Zeit sind nur in einem sozialgeschichtlichen Zusammenhang voll zu erklären. Sie waren nicht nur den militärischen und diplomatischen Fähigkeiten der römischen Feldherren und Politiker zuzuschreiben, sondern auch der Überlegenheit der römischen Gesellschaft über die Sozialordnung der meisten Völker und Stämme Italiens. Im Gegensatz zu den rückständigen mittelitalischen Bergstämmen konnte sich das römische Heer auf städtische Nachschub- und Rüstungszentren stützen, nämlich außer auf Rom seit der Gründung der Kolonie von Ostia um die Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. auf eine Reihe von römischen Bürgerkolonien wie Antium, Terracina, Minturnae, Sinuessa, Castrum Novum, Sena Gallica (alle von 338 bis 283 gegründet) entlang der italischen Küsten.52 Den etruskischen Armeen, die aus Adligen und deren bewaffneten Untertanen zusammengesetzt waren, stand ein Heer von Bürgern mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein gegenüber. Zugleich eröffnete Rom den verschiedenen Stämmen und Völkern Italiens durch die Gewährung des römischen Bürgerrechts die Möglichkeit, an seinem soziopolitischen System teilzuhaben.53 Seit der Vollendung der Vereinigung Italiens unter römischer Herrschaft am Vorabend des ersten römisch-karthagischen Krieges war die Apenninenhalbinsel ein Netz von Gemeinden verschiedener Rechtsstellung unter römischer Hoheit: Neben den »Verbündeten« mit nomineller Souveränität (socii) gab es »Halbbürgergemeinden« mit römischem Bürgerrecht ohne das Recht, an der Wahl der römischen Beamten mitzuwirken (civitates sine suffragio), Kolonien des von Rom geführten Latinerbundes (coloniae Latinae), Gemeinden der jeweils ortsansässigen Bevölkerung mit römischem Bürgerrecht und mit kommunaler Selbstverwaltung (municipia) und schließlich die römischen Kolonien (coloniae civium 51 Vgl. E. T. Salmon, Samnium and the Samnites (Cambridge 1967). 52 Zu den frühesten Bürgerkolonien siehe E. Kornemann, RE IV, 1900, 511 ff.; E. T. Salmon, Phoenix 9, 1955, 63 ff.; dens., Roman Colonisation under the Republic (London 1969); zu Ostia R. Meiggs, Roman Ostia2 (Oxford 1973), 16 ff. 53 Zur Organisation der römischen Herrschaft über die Gemeinden Italiens siehe A. N. SherwinWhite, The Roman Citizenship2 (Oxford 1973), 38 ff.; H. Galsterer, Herrschaft und Verwaltung im republikanischen Italien. Die Beziehungen Roms zu den italischen Gemeinden vom Latinerfrieden 338 v. Chr. bis zum Bundesgenossenkrieg 91 v. Chr. (München 1976); M. Humbert, Municipium et civitas sine suffragio. L’organisation de la conquête jusqu’à la guerre sociale (Paris 1978); F. Sartori, Italia e Italici nell’età romana repubblicana, in: Gli antichi e noi. L’esperienza greca e romana alle soglie del 2000 (Rovigo 1990), 37 ff.; M. Jehne – R. Pfeilschifter (Hrsg.), Herrschaft ohne Integration? Rom und Italien in republikanischer Zeit (Frankfurt am Main 2006).
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Romanorum). Die großzügige Verleihung des römischen Bürgerrechtes in den verschiedenen Formen war nicht nur ein diplomatischer Zug, sondern sicherte zugleich die Grundlage für die Vermehrung der römischen manpower und somit für die Vereinigung der Halbinsel in einem staatlichen Rahmen.54 Durch die Reformgesetzgebung und infolge der Ausdehnung der Herrschaft Roms auf Italien vollzog sich im Gefüge der römischen Gesellschaft in den rund hundert Jahren von den licinisch-sextischen Gesetzen bis zum Ausbruch des Ersten Punischen Krieges ein tiefgreifender Wandel. 55 Die Reformen trieben eine neuartige Differenzierung der Gesellschaft voran. Die gentilizischen Bindungen, die den archaischen Strukturen zugrunde gelegen hatten, wurden zwar durch das immer virulente Klientelwesen und durch private Kulte noch Jahrhunderte lang weiter gepflegt und konnten das Verhältnis zwischen einzelnen Personen und Gruppen weiterhin stark beeinflussen; sie galten jedoch nicht mehr als das über alles entscheidende Prinzip für die Gliederung der Gesellschaft. Die patrizische Herkunft, die ihre soziale Bedeutung freilich während der ganzen Geschichte Roms behielt, war längst nicht mehr jenes ausschlaggebende Kriterium für die Bestimmung der führenden Position in der Gesellschaft wie einst. Die Sonderstellung des patrizischen Geburtsadels wurde zwar durch Titel und Tracht und durch die Reservierung einiger Priesterämter für die Patrizier institutionell aufrechterhalten, die Unterscheidung zwischen Patriziern und Nichtpatriziern war jedoch nicht mehr die Grundlage der Sozialordnung. Das einfache Zweiständesystem von patres und plebs wurde durch ein neues soziales Modell abgelöst. Die neue Oberschicht setzte sich aus Nachkommen des alten Geburtsadels und der führenden plebejischen Familien zusammen, die miteinander durch Familienbeziehungen eng verbunden waren. Die Mitglieder dieser Oberschicht verdankten ihre führende Stellung den Machtfunktionen, die sie als Magistrate und als Mitglieder des Senats ausübten – dank ihrem Besitz und Vermögen, die ihnen die Bekleidung der Amtfunktionen ermöglichten, und mit der Folge, dass ihnen hohes persönliches Ansehen zuteil wurde. Unterhalb dieser Oberschicht, die sich in eine sowohl aus Patriziern als auch aus Plebejern zusammengesetzte Führungsspitze mit den ehemaligen Obermagistraten und in eine breitere Gruppe der »gewöhnlichen« Senatoren gliederte, gab es nicht mehr nur die wenig differenzierte Masse von Ärmeren und ganz Armen wie früher, sondern verschiedene Bevölkerungsschichten, gegliedert durch Größe und Art des Besitzes und auch durch die Rechtsstellung: reiche Bauern, die in den eroberten Gebieten Land erhielten, kleinere Handwerker und Kaufleute, von den reichen Grundbesitzern etwa als deren Klienten stärker abhängige Kleinbauern und Landarbeiter, Freigelassene, die vorwiegend städtische Berufe ausübten, und Sklaven, die nicht mehr automatisch in den patriarchalen Verband der Familien eingegliedert waren wie früher. Dieses 54 A. J. Toynbee, Hannibal’s Legacy (Anm. 23), I 84 ff., bes. 267 ff. 55 Über die Sozialentwicklung im 4. Jahrhundert v. Chr. bietet F. De Martino, Storia economica di Roma (Anm. 17), I 25 ff. einen Überblick.
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Modell bedeutete die Auflösung des archaischen Sozialgefüges und somit auch, dass die Spannungen der neuen Gesellschaftsordnung nicht mehr in einem einfachen Konflikt zwischen Adel und Volk liegen konnten, zumal der wirtschaftliche Konfliktstoff zu einem guten Teil und der politische so gut wie ganz beiseite geräumt worden waren. Trotz weiterhin bestehender Gegensätze zwischen Arm und Reich konnte eine relative Ruhepause beginnen, in der schwerwiegende neue Konflikte erst allmählich heranreiften. Auch die Folgen der Eroberungskriege für die römische Gesellschaft waren deutlich. Das gemeinsame Interesse an der Expansion zwang die einander gegenüberstehenden sozialen Gruppen Roms zum Ausgleich, und die Erfolge der Expansion ermöglichten die Lösung der sozialen Probleme auf Kosten Dritter, konnten also die sozialen Spannungen entschärfen und machten die vor den licinisch-sextischen Gesetzen drohende Veränderung des Herrschaftssystems durch Gewalt überflüssig. Die Besitzlosen erhielten auf dem eroberten Gebiet Grund und Boden, ebenso in der Umgebung Roms wie auch auf dem Territorium der neu gegründeten römischen und latinischen Kolonien. Zugleich wurde das bisher auf Rom und Umgebung konzentrierte Modell der römischen Gesellschaftsordnung durch Expansion, Kolonisation und Bürgerrechtsverleihung vom Rahmen eines Stadtstaates losgelöst und auf ein Staatssystem übertragen, in dem es zahlreiche andere städtische Zentren mit eigenen Territorien gab; gleichzeitig damit wurden diesem Staat ganz verschiedene lokale Gesellschaftssysteme einverleibt wie griechische poleis im Süden, blühende Ackerbauzentren in Campanien, rückständige Hirtenvölker im Bergland und Stadtgemeinden mit ihren eigenartigen Strukturen in Etrurien. Die römische Gesellschaftsordnung im 3. Jahrhundert v. Chr. Der Ausgang des Ständekampfes und die Ausdehnung der Macht Roms auf die italische Halbinsel haben den Weg, den die römische Gesellschaft in ihrer weiteren Entwicklung verfolgte, deutlich bestimmt.56 Für die Gliederung der Gesellschaft und für die gegenseitigen Beziehungen zwischen ihren einzelnen Schichten ergaben sich aus dem Wandel, der sich in der Geschichte Roms während des Jahrhunderts von den licinisch-sextischen Gesetzen bis zum Ersten Punischen Krieg vollzog, drei Voraussetzungen. Sowohl die innere Entwicklung der römischen Bürgerschaft als auch die erfolgreiche Expansion führten dazu, dass in der wirtschaftlichen Struktur des römischen Staates und dadurch auch im Sozialgefüge eine stärkere Differenzierung als bisher einsetzte. Ferner hatte die Expansion zur Folge, dass die Sozialordnung Roms im 3. Jahrhundert v. Chr. nicht mehr nur von der zahlenmäßig unbedeutenden Einwohnerschaft einer einzigen Stadtgemeinde getragen wurde, sondern sich auch 56 Über die Geschichte Roms im Zeitalter der Punischen Kriege siehe zusammenfassend bes. A. E. Astin – F. W. Walbank – M. W. Frederiksen – R. M. Ogilvie (Eds.), The Cambridge Ancient History2 VIII. Rome and the Mediterranean to 133 B. C. (Cambridge 1989).
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auf eine mehrere Millionen zählende Bevölkerung stützte und somit von vornherein heterogene soziale Gruppen zusammenfasste. Schließlich war es unvermeidlich, dass die verschiedenen sozialen Gruppen in einer aristokratischen Sozialordnung zusammengehalten wurden. Der politische Sieg der führenden Plebejer hatte nicht die Demokratisierung der Gesellschaftsordnung bewirkt wie in Athen seit Kleisthenes, sondern die Herausbildung eines neuen Adels mit gefestigter Herrschaft. Unter diesen Voraussetzungen bildete sich im 3. Jahrhundert v. Chr. in Rom ein eigenartiges aristokratisches Gesellschaftssystem heraus, dessen Entwicklung durch den römischen Sieg im Ersten Punischen Krieg (264–241) nur beschleunigt und erst infolge der Umwälzungen während des Zweiten Punischen Krieges (218–201) in eine teilweise neue Bahn gelenkt wurde.57 Aus der Perspektive seiner Wirtschaftsstruktur betrachtet, war Rom noch im 4. Jahrhundert v. Chr. ein rückständiger Agrarstaat, in dem die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung von Ackerbau und Viehzucht lebte und der Landbesitz die wichtigste Quelle und zugleich das wichtigste Merkmal des Reichtums war. Handwerk und Handel spielten nur eine begrenzte Rolle; im Handel wurden statt geprägten Geldes noch immer archaische Tauschmittel (Vieh, ferner Stangen und Platten aus Rohkupfer mit Gewichtswert) verwendet; Handwerker und Kaufleute konnten nur eine zahlenmäßig kleinere Gruppe innerhalb der Plebs bilden. Die primäre Bedeutung der Agrarproduktion hat sich zwar im ganzen Altertum und darüber hinaus bis in die industrielle Revolution der Neuzeit gehalten. Aber innerhalb der römischen Entwicklung war es doch von großer Bedeutung, dass im Zusammenhang mit der Expansion des römischen Staates Handwerk, Handel und auch Geldwirtschaft eine beachtliche Funktion in der Ökonomie erhielten und zur Stärkung der in diesen Sektoren tätigen sozialen Gruppen führten. Erheblich beschleunigt wurde diese Differenzierung im wirtschaftlichen Leben dadurch, dass Rom seit seinen gewaltigen Anstrengungen im Ersten Punischen Krieg auch eine Seemacht war, die seit der Eroberung von Sizilien 241 v. Chr. sowie von Sardinia und Corsica 237 v. Chr. und erst recht seit der Einrichtung dieser Inseln als erste römische Provinzen 227 v. Chr. im westlichen Mittelmeerraum auch die wirtschaftliche Expansion vorantrieb. Das deutlichste Anzeichen für diesen Wandel in der römischen Wirtschaftsstruktur war die Einführung der regelmäßigen Münzprägung schon 269 v. Chr., am Vorabend des Ersten Punischen Krieges.58 Dies hatte auch Folgen für die Festsetzung jener
57 Zu den Punischen Kriegen und zur römischen Expansion während des 3. Jahrhunderts v. Chr. siehe die Literatur bei J. Bleicken, Geschichte der Römischen Republik (Anm. 34), 220 ff.; aus der neueren Literatur siehe bes. A. M. Eckstein, Senate and General. Individual Decision Making and Roman Foreign Relations, 264–194 B. C. (Berkeley 1987), außerdem den von W. V. Harris herausgegebenen Sammelband The Imperialism of Mid-Republican Rome. Proceedings of a Conference held at the American Academy in Rome, November 5–6 1982 (Rome 1984). Zur wirtschaftlichen Entwicklung Roms im Zeitalter der Expansion siehe Th. Pekáry, Die Wirtschaft der griechisch-römischen Antike2 (Stuttgart 1979), 78 ff. 58 A. Alföldi, Röm. Mitt. 68, 1961, 64 ff.
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Maßstäbe, nach denen die soziale Position gemessen wurde. Die Zugehörigkeit der Bürger zu den einzelnen, seinerzeit in der sog. servianischen Verfassung festgesetzten Censusklassen konnte nunmehr aufgrund einer Vermögensqualifikation geregelt werden, die den Wert des vorgeschriebenen Mindestvermögens der einzelnen Klassen in Geldsummen ausdrückte.59 Ebenso unvermeidlich war die stärkere Differenzierung der römischen Gesellschaft infolge der Tatsache, dass die römische Sozialordnung im 3. Jahrhundert v. Chr. auf der Gesamtbevölkerung der italischen Halbinsel beruhte. Diese Bevölkerung war ethnisch, sozial und kulturell sehr heterogen und schloss einfache, archaische Gliederungsmöglichkeiten einer Sozialordnung schon durch ihre Zahlenstärke aus. Nach den römischen Censuslisten aus dem 3. Jahrhundert v. Chr., deren Zahlenangaben zumindest die wahrscheinliche Zahlenstärke der cives Romani andeuten dürften, betrug die Zahl der erwachsenen römischen Bürger im Jahre 276 v. Chr. 271.224 und wuchs bis 265 auf 292.234; nach einem Bevölkerungsrückgang durch Verluste im Ersten Punischen Krieg mit angeblich nur 241.712 Bürgern im Jahre 247 soll im Jahre 234 die Zahl der Bürger wieder auf 270.713 angestiegen sein (Liv., Epit. 14–20).60 Aufgrund der von Polybios (2,24,3 ff.) für das Jahr 225 v. Chr. zusammengestellten Angaben für die Stärke der waffenfähigen Bevölkerung Italiens ließe sich nach P. A. Brunt die Gesamtzahl der freien Einwohner der Halbinsel (ohne Oberitalien) auf etwa 3,000.000 schätzen, zu denen noch 2,000.000 Sklaven zu rechnen wären.61 Auch wenn diese Schätzung nur vage ist und zumindest bezüglich der Unfreien von einer für diese Epoche wohl viel zu hohen Zahl ausgeht, macht sie jedenfalls deutlich, dass sich die römische Gesellschaft im 3. Jahrhundert v. Chr. unter ganz neuen Bedingungen weiterentwickeln musste, unter denen das ursprüngliche einfache soziale Modell Adel – Volk undenkbar war. Diese differenzierte Bevölkerung wurde in einer aristokratischen Sozialordnung zusammengefasst. Dass in Rom aus dem Ständekampf eine neue Aristokratie und eine von dieser beherrschte Gesellschaftsordnung hervorging und dass die archaische Adelsherrschaft in diesem Staat nicht von einem demokratischen Gesellschaftssystem abgelöst wurde, lag keineswegs einfach in der konservativen Gesinnung der weitgehend aus Grundbesitzern und Bauern bestehenden römischen Bürgerschaft. Diese Entwicklung ergab sich aus der Natur der Auseinandersetzung zwischen dem Patriziern und den Plebejern. Der politische Sieg der Plebs war nichts anderes als ein Sieg jener führenden plebejischen Gruppen gewesen, die schon seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. nach der Integration in die Führungsschicht getrachtet und nie die Abschaffung der Adelsherrschaft, sondern die Beteiligung an dieser Herrschaft angestrebt hatten. Durch die Gleichberechtigung mit den Patriziern in der Zeitspanne zwischen den licinisch-sextischen Gesetzen und dem hortensischen Gesetz waren die 59 Über die Censussätze siehe H. Mattingly, JRS 27, 1937, 99 ff. 60 Siehe hierzu P. A. Brunt, Italian Manpower (Anm. 23), 3 ff. 61 P. A. Brunt, Italian Manpower (Anm. 23), 121 ff.
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politischen Ziele dieser Gruppen erreicht. Eine Gesellschaftsordnung, in der auch die Massen der unteren Bevölkerungsschichten des freien Bürgertums uneingeschränkte Macht hätten erhalten sollen, hatte nie in den politischen Absichten der führenden Plebejer gelegen. Zugleich war aber auch für die Massen der armen Plebejer die politische Mitbestimmung höchstens insofern ein Ziel gewesen, als sie auf diesem Wege ihr wichtigstes Anliegen, nämlich die angemessene Beteiligung am staatlichen Grund und Boden, erreichen wollten; nachdem sie seit den licinisch-sextischen Gesetzen und durch die Eroberung Italiens mit Land versorgt worden waren, galten ihre Probleme als weitgehend gelöst. Zugleich blieb das Klientelsystem auch nach der Herausbildung einer neuen Oberschicht nicht nur intakt, sondern erhielt durch die Bindungen zwischen niederen Volksgruppen und emporgestiegenen plebejischen Familien neue Nahrung. Im Rahmen dieses Systems, welches den mächtigen und reichen Familien aufgrund der persönlichen Beziehungen zu ihren Klientenscharen immer einen besonderen Einfluss und zugleich eine Anhängerschaft sicherte, war eine Demokratisierung wie in Athen unmöglich. So blieb die römische Gesellschaft auch im 3. Jahrhundert v. Chr. – wie auch in ihrer ganzen späteren Geschichte – von einer aristokratischen Sozialordnung bestimmt. Unter allen diesen Voraussetzungen war das Gefüge der römischen Gesellschaft im 3. Jahrhundert v. Chr. anders geschichtet als früher und war dementsprechend auch von neuartigen Beziehungen zwischen den einzelnen Schichten gekennzeichnet. Die Gliederung der Gesellschaft beruhte auf einem komplizierten System von Merkmalen, in dem Privilegien durch Abstammung, aber auch persönliche Tüchtigkeit, ferner Grundbesitz und Geld, politischer Einfluss durch Zugehörigkeit zum Senat und vor allem durch den Zugang zu den Ämtern, außerdem die Rechtsstellung aufgrund des Bürgerrechtes und der persönlichen Freiheit, Tätigkeit in der Agrarproduktion oder in anderen Sektoren der Wirtschaft, schließlich die politischen Beziehungen der einzelnen italischen Gemeinden zu Rom eine Rolle spielten. Aufgrund dieses Gliederungssystems gab es von der Senatsaristokratie bis zu den Sklaven eine Reihe verschiedener sozialer Schichten, die auch in sich keineswegs unbedingt homogen waren. Obwohl die Institution der Plebs offiziell aufrechterhalten wurde, besaß allein die neu formierte Senatsaristokratie mit ihren Privilegien und ihrem ausgeprägten Selbstbewusstsein zumindest einzelne Merkmale eines Standes, allerdings ohne irgendwelche Geschlossenheit nach unten; gleichzeitig waren aber auch schon die Weichen gestellt für die Herausbildung einer Elite, die nicht nur an Grundbesitz, sondern zunehmend auch am Gewinn durch Handwerk, Handel und Geldwirtschaft interessiert war. Die sozialen Spannungen zwischen den einzelnen Schichten waren anders begründet als vorher. Anstelle des Konfliktes zwischen Patriziern und Plebejern entfalteten sich jetzt neue Gegensätze, so zwischen der herrschenden Schicht und den sich in der Stadt Rom immer wieder neu bildenden proletarischen Gruppen, zwischen den Römern und ihren oft unterdrückten Verbündeten, zwischen Herren und Sklaven. Diese Gegensätze konnten jedoch – anders als in der Zeit der Späten Republik – kaum zu schweren inneren Konflikten
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führen, denn sie waren teils mit friedlichen Mitteln zu lösen, teils konnten sie durch die starke Macht der Herrschenden in Rom unter Kontrolle gehalten werden. Die politische Macht der herrschenden Schicht war überhaupt der wichtigste Faktor, der die vielfältigen Gruppen der Gesellschaft zusammenhielt, nicht zuletzt deshalb, weil sie in ihrer Expansionspolitik in den Massen der mit Land versorgten Bauern einen Verbündeten fand – vor allem in den Kriegen gegen Karthago. Wie stark aristokratisch der Charakter der römischen Gesellschaft auch nach dem Ausgang des Ständekampfes war, zeigt sich am deutlichsten darin, dass der herrschende senatorische Adel nur eine winzige Spitze des gesamten Bürgertums umfasste. Die Zahl der Mitglieder des Senats und damit auch die Zahl der erwachsenen männlichen Angehörigen der Senatsaristokratie betrug im Allgemeinen nur ungefähr 300. Aber selbst innerhalb dieser Aristokratie gab es eine zahlenmäßig noch schwächere Spitzengruppe, nämlich die Nobilität, mit dem größten Ansehen, dem entscheidenden politischen Einfluss und dem stolzen Bewusstsein dieser führenden Position.62 Als viri nobiles galten – ohne dass der Begriff je formalisiert worden wäre – die führenden Senatoren und ihre Familien, im Allgemeinen die Inhaber des Konsulates als des höchsten Amtes im Staat und deren Nachkommen. Im Verlauf des 3. Jahrhunderts v. Chr. waren diese Männer Angehörige von rund 20 patrizischen und plebejischen Adelsfamilien, außerdem noch einige neu emporgestiegene Männer, die weitere Familien in den Kreis dieses Hochadels einführten.63 Die ältesten unter diesen Familien, die im Gegensatz zu mehreren im 4. Jahrhundert v. Chr. ausgestorbenen patrizischen Geschlechtern noch lange eine bedeutende Rolle in der römischen Geschichte spielten, waren diejenigen der Fabii, seit eh und je das angesehenste römische Adelsgeschlecht, die Aemilii und Cornelii, außerdem die Claudii und Valerii sabinischer Herkunft. Ein typischer Vertreter dieser Kreise war, zur Zeit des Zweiten Punischen Krieges, Quintus Fabius Maximus Verrucosus, der »Cunctator«, Censor, fünffacher Konsul, zweimal Diktator, der Tradition seines Geschlechtes bewusst, dessen Herkunft er auf Hercules zurückführte, zugleich aber nicht unempfindlich gegenüber neuen geistigen Strömungen (Plut., Fabius 1,1 ff.). 62 Zur römischen Nobilität im 3. Jahrhundert v. Chr. siehe M. Gelzer, Nobilität der römischen Republik (Anm. 48), vgl. auch K.-J. Hölkeskamp, Die Entstehung der Nobilität (Anm. 48); sonst bes. B. Bleckmann, Die römische Nobilität im Ersten Punischen Krieg. Untersuchungen zur aristokratischen Konkurrenz der Republik (Berlin 2002). Über das Konzept der nobilitas in Gegenüberstellung zur Position des homo novus siehe L. A. Burckhardt, Historia 39, 1990, 77 ff.; über den Nobilitätsbegriff siehe auch F. Goldman, in: J. Spielvogel (Hrsg.), Res publica reperta. Zur Verfassung und Gesellschaft der römischen Republik und des frühen Prinzipats. Festschrift für Jochen Bleicken zum 75. Geburtstag (Stuttgart 2002), 43 ff. Zu den »Ersten unter den Ersten des Senats« siehe auch Ch. Meier, in: D. Nörr – D. Simon (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Wolfgang Kunkel (Frankfurt am Main 1984), 185 ff.; zu führenden Adligen auf der Seite des Volkes im 3. und im 2. Jahrhundert v. Chr. R. F. Vishnia, State, Society and Popular Leaders in Mid-Republican Rome, 241–167 B.C. (London – New York 1996). 63 Das grundlegende Werk über die Adelsgeschlechter und über die Zusammensetzung des Senatsadels der Republik ist F. Münzer, Römische Adelsparteien und Adelsfamilien (Stuttgart 1920, 2. Aufl. Darmstadt 1963). Aufnahme führender italischer Familien in den Senatsadel: W. Schur, Hermes 59, 1924, 450 ff.; H. Galsterer, Herrschaft und Verwaltung (Anm. 53), 142 ff.
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Neben derartigen patrizischen Geschlechtern gab es auch plebejische, die seit den licinisch-sextischen Gesetzen ebenfalls Konsuln stellten. Sie konnten bereits in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. führende Männer im römischen Staat aufbieten wie etwa den Quintus Publilius Philo, den vierfachen Konsul und geistigen Vater der lex Publilia. Auch im 3. Jahrhundert gingen zahlreiche von ihnen in die Geschichte ein wie z. B. Marcus Atilius Regulus, der zweifache Konsul und Feldherr im Ersten Punischen Krieg. Eine scharfe Trennung zwischen patrizischen und plebejischen Familien gab es nicht mehr; einzelne führende Familien wie z. B. die Veturii hatten sowohl einen patrizischen als auch einen plebejischen Zweig,64 und die meisten Geschlechter waren miteinander verschwägert wie z. B. die Fabier mit mehreren plebejischen Familien. Zugleich wurden seit den letzten Jahrzehnten des 4. Jahrhunderts v. Chr. auch führende Familien aus verschiedenen römischen und latinischen Städten Italiens in den senatorischen Adel Roms aufgenommen, so die Plautii aus Tibur, die Mamilii, Fulvii und Coruncanii aus Tusculum, die Atilii aus Cales, die Otacilii aus Beneventum, die Ogulnii aus Etrurien. Die Oberschichten der verbündeten Gemeinden pflegten zum römischen Adel ebenfalls enge Beziehungen wie z. B. die mit den Römern verschwägerten Adligen von Capua (Liv. 23,4,7). Einzelne führende Familien, die im 3. oder im 2. Jahrhundert v. Chr. entstanden waren, konnten sich bis in die römische Kaiserzeit halten.65 Die senatorische Aristokratie mit ihrer hochadligen Führungsspitze war von den übrigen Schichten der römischen Gesellschaft durch Privilegien, Tätigkeit, Besitz und Vermögen, Ansehen und Bewusstsein der Zusammengehörigkeit getrennt. Somit zeigte sie zumindest Ansätze zur Herausbildung eines Standes, erhob jedoch keinen Anspruch auf Exklusivität. Sie ließ die Möglichkeit offen, dass besonders tüchtige Nachkommen nichtsenatorischer Familien in ihren Kreis aufgenommen wurden, die auch die Chance erhielten, als »neue Männer« sogar das Oberamt im Staat, den Konsulat, zu erlangen.66 Ein solcher homo novus war etwa Gaius Flaminius, der zwischen den beiden Punischen Kriegen neue Maßnahmen zugunsten des Bauerntums durchsetzte und mit seinen Standesgenossen wegen seiner politischen und religiösen Anschauungen öfter in Konflikt geriet. Aber die Mehrheit der Aristokratie bestand aus den Nachkommen jener senatorischen Familien, die in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. entweder schon auf lange Vergangenheit zurückblicken konnten oder sich damals, im Zuge der Integration der führenden Plebejer in den Adel, bilden konnten. Die wenigen homines novi übernahmen die 64 I. Shatzman, Class. Quart. 23, 1973, 65 ff. 65 Siehe etwa J. von Ungern-Sternberg in: E. Stein-Hölkeskamp, E., Erinnerungsorte der Antike (München 2005), 290 ff. über die Claudii; J. Carlsen, The Rise and Fall of a Roman Noble Family: The Domitii Ahenobarbi 196 BC – AD 68 (Odense – Portland 2006); M. Dondin-Payre, Exercice du pouvoir et continuité gentilice: Les Acilii Glabriones du IIIe siècle av. J.-C. au Ve siècle ap. J.-C. (Paris – Roma 1993); L. Hofmann-Löbl, Die Calpurnii. Politisches Wirken und familiäre Kontinuität (Frankfurt am Main – New York 1996). 66 Zum Begriff des homo novus vgl. Anm. 62.
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konservativen Anschauungen dieses Adels in der Regel ebenso rasch wie gründlich. Marcus Porcius Cato (234–149), Sohn eines Ritters aus Tusculum, nach Cicero (De re publ. 1,1) quasi exemplar ad industriam virtutemque, war im 2. Jahrhundert v. Chr. das beste Beispiel dafür.67 Die führende Position der Aristokratie in der Gesellschaft ergab sich daraus, dass ihre Mitglieder die Politik bestimmten: Sie stellten die Magistrate,68 aus ihnen setzte sich der Senat zusammen, und sie beherrschten durch den Einfluss vor allem auf ihre Klienten die Volksversammlung. Das System der Bekleidung von öffentlichen Ämtern, das die Herausbildung einer geregelten Ämterlaufbahn von den niedrigen Ämtern bis zur Zensur und zum Konsulat (cursus honorum) bewirkte, führte dazu, dass der Zugang zu den Magistraturen ein Privileg des Adels wurde: Nur dessen Mitglieder hatten den erforderlichen Reichtum, um sich mit entsprechender Wahlpropaganda um ein Amt zu bewerben; sie verfügten über Klientenmassen, mit deren Stimmen sie bei den Wahlen rechnen konnten; nur sie waren wirtschaftlich so unabhängig, dass sie sich die Übernahme der unbezahlten Ämter mit etlichen finanziellen Verpflichtungen leisten konnten; und vor allem nur sie besaßen, in der Tradition der führenden Familien aufgewachsen und in diesen Familien geschult, entsprechende politische Ausbildung. Aufgrund der Erfahrung, die sie in den Magistraturen erworben hatten, bildeten sie dann im Senat den für wichtige Entscheidungen am ehesten kompetenten Kreis von Fachpolitikern. Diese Männer genossen demzufolge großes Ansehen und konnten die Meinungsbildung breiter Massen des Bürgertums beeinflussen.69 Den Volksmassen und insbesondere der Volksversammlung gegenüber wurde die Herrschaft der Aristokratie auch institutionell abgesichert. Polybios, ein Bewunderer der Verfassung der römischen Republik, meinte zwar, dass die Stärke der Römer in der gesunden Verbindung monarchischer, aristokratischer und demokratischer Machtformen im System von Magistraten, Senat und Volksversammlung läge (6,11,11 ff.), aber in Wirklichkeit herrschte in Rom die Aristokratie. Eine Volksversammlung konnten nur die Magistrate, also Angehörige des Adels, einberufen, und das Recht, dort einen Antrag zu stellen, stand allein ihnen zu. Die Volksversamm67 Siehe zu ihm Anm. 98. 68 Zur Machtstellung der Magistrate vgl. R. Rilinger, Chiron 8, 1978, 247 ff. Über die Konsuln als Inhaber der höchsten Macht in der Republik siehe F. Pina Polo, The Consuls at Rome. The Civil Function of the Consuls in the Roman Republic (Cambridge 2011). Liste der Magistrate der Frühen und der Mittleren Republik: T. R. S. Broughton, The Magistrates of the Roman Republic I, 509 B. C. – 100 B. C. (New York – London 1951). 69 Zur Gestaltung der Politik durch die einflußreichen Senatoren während der Republik im Allgemeinen vgl. u. a. M. Bonnefond-Coudry, Le sénat de la République romaine de la guerre d’Hannibal à Auguste. Pratiques délibératives et prise de décision (Paris – Roma 1989); J. North, Class. Philol. 85, 1990, 277 ff.; F. X. Ryan, Rank and Participation in the Republican Senate (Stuttgart 1998). Zu den maßgebenden Personen im 3. Jahrhundert v. Chr. siehe F. Cassola, I gruppi politici romani nel III secolo A. C. (Trieste 1962); A. Lippold, Consules. Untersuchungen zur Geschichte des römischen Konsulates von 264 bis 201 v. Chr. (Bonn 1963).
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lungen waren auch nicht sonderlich gut besucht, da die von Rom entfernt lebenden Bürger nur selten in die Stadt kamen; die Abhaltung von Volksversammlungen an Markttagen, an denen wirklich Massen der Landbevölkerung nach Rom strömten, wurde im Interesse des Adels untersagt. Zugleich wurden alle bisher entstandenen Formen der Volksversammlung mit unterschiedlichen Kompetenzen nebeneinander beibehalten, und da die Stimmen nach Centurien und nach Tribus abgegeben wurden, konnten alle in der Centurien- und in der Tribusordnung enthaltenen Manipulationsmöglichkeiten weiterhin zuungunsten der Massen benutzt werden, da die Zahlenstärke und die Zusammensetzung der einzelnen Tribus und Centurien bei den Stimmabgaben nicht gleichermaßen repräsentiert waren. Darüber hinaus konnte ein einziger von den nunmehr zehn Volkstribunen, die ebenso wie alle Magistrate zum Adel gehörten, durch seine Interzession jede Amtshandlung, den Interessen der Aristokratie gemäß blockieren. Schließlich war es von sehr großer Bedeutung, dass durch Patronats- und Klientelverträge breite Volksmassen an die einzelnen adligen Familien gebunden wurden, und zwar durchaus nicht nur deren arme Verwandte, Nachbarn oder Freigelassene, sondern inzwischen auch ganze Gemeinden der italischen Halbinsel.70 Freilich war es bei diesem System auch wichtig, dass die Aristokratie ihre eigenen Gruppen kontrollierte, um zu verhindern, dass einzelne Adelsgeschlechter mit ihrem Anhang eine ähnliche monarchische Machtposition wie etwa in Griechenland in der Tyrannis erlangten. Das war, abgesehen von der Einschränkung der Macht der Magistrate durch das Prinzip der Annuität und der Kollegialität, dadurch möglich, dass die einzelnen miteinander rivalisierenden adligen Geschlechter, die häufig gegensätzliche politische Ziele verfolgten, einander die Waage hielten und auch innerlich nicht immer völlig einig waren.71 Arnold Toynbee hat als Grundlage für diese Politik der balance of power die integrierende Rolle der Institutionen hervorgehoben: »The Romans, like the Americans, believed in the value of constitutional checks and balances as a mechanism for making it difficult for any individual or group to win excessive power.«72 Es waren jedoch nicht nur die politische Macht des senatorischen Adels und Manipulationen zu ihren Gunsten, die es ermöglichten, dass die römische Gesellschaft von der Herrschaft der Aristokratie zusammengehalten wurde. Der senatorische Adel prägte mit seiner Tradition auch das Selbstbewusstsein des Römertums, das zumindest die Schichten des freien Bürgertums auf die Idee eines von der Gesellschaft gemeinsam getragenen Staates, der res publica als einer res populi (Cic., De re 70 E. Badian, Foreign Clientelae (264–70 B. C.), (Oxford 1958); A. J. Toynbee, Hannibal’s Legacy (Anm. 23), I 341 ff. 71 Zu den Rivalitäten zwischen den einzelnen senatorischen Familien siehe N. Rosenstein, Imperatores Victi. Military Defeat and Aristocratic Competition in the Middle and Late Republic (Berkeley 1990); dens., Class. Philol. 85, 1990, 255 ff.; dens., Phoenix 47, 1993, 313 ff.; G. Farney, Ethnic Identity and Aristocratic Competition in Republican Rome (Cambridge 2007). Vgl. auch F. Cassola, I gruppi politici romani (Anm. 69); A. Lippold, Consules (Anm. 69). 72 A. J. Toynbee, Hannibal’s Legacy (Anm. 23), I 328 f.
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p. 1,39), einschwor und eine einzigartige politische Kultur der Republik schuf.73 Die geistige Grundlage dieser Staatsidee war die Religion. Polybios hat das gebührend hervorgehoben (6,56,6 ff.): »Der größte Vorzug des römischen Gemeinwesens … scheint mir in ihrer Ansicht von den Göttern zu liegen, und was bei anderen Völkern ein Vorwurf ist, eben dies die Grundlage des römischen Staates zu bilden: eine beinahe abergläubische Götterfurcht. Die Religion spielt dort im privaten wie im öffentlichen Leben eine solche Rolle, und es wird so viel Wesens darum gemacht, wie man es sich kaum vorstellen kann,« Was der Inhalt dieser religio, des richtigen Verhältnisses zu den Göttern, war, bestimmte freilich die Aristokratie: Ihre Mitglieder stellten die Priester des Staates, die zur Erkundung des göttlichen Willens und zur Festlegung religiöser Vorschriften berufen waren. Wie sich die Angehörigen der Gesellschaft aufgrund der Richtlinien dieser Religion in verschiedenen Situationen zu verhalten hatten, ergab sich wiederum aus der Tradition der Adelsfamilien. Die Richtschnur für die Richtigkeit von Denken und Handeln war nichts anderes als der mos maiorum, die Verhaltensweise der Vorfahren der führenden Familien, die in deren großen Taten zum Ausdruck gekommen war; die kollektive Erinnerung an diese Taten und ihre Nachahmung waren die Garantie für die Kontinuität des Staatsgedankens.74 Moribus antiquis res stat Romana virisque, schrieb der Dichter Ennius (bei Cic., De re p. 5,1), ein älterer Zeitgenosse des Polybios, und dieser formulierte nicht weniger deutlich (6,54,2 f.): »Das ehrende Gedächtnis der Wohltäter des Vaterlandes bleibt im Volk wach und wird weitergegeben an Kinder und Enkel. Vor allem aber wird die Jugend angespornt, für das Vaterland alles zu ertragen, um ebenfalls des Ruhmes, der dem verdienten Manne folgt, teilhaft zu werden.« Aber auch die in diesen Taten formulierte Verhaltensweise war nichts anderes als die Denk- und Handlungsweise der Senatoren: Die Männer, die die ruhmreichen Taten der Vergangenheit vollbracht hatten, Politiker, Feldherren und Priester, waren ihre Ahnen, und ihr Ruhm sicherte auch das Ansehen ihrer späteren Nachkommen, deren Lebenswelt nach der Tradition der Vorfahren geregelt werden sollte.75 Ihre
73 K.-J. Hölkeskamp, Senatus populusque Romanus. Die politische Kulltur der Republik – Dimensionen und Deutungen (Stuttgart 2004). Eine Würdigung der jüngeren Forschungen zur politischen Kultur der Römischen Republik im Ganzen bietet K.-J. Hölkeskamp, Rekonstruktionen einer Republik. Die politische Kultur des antiken Rom und die Forschung der letzten Jahrzehnte (München 2004) = Reconstructing the Roman Republic. An Ancient Political Culture and Modern Research (Princeton 2010). 74 Siehe dazu bes. K. J. Hölkeskamp, in: H.-J. Gehrke – A. Möller (Hrsg.), Vergangenheit und Lebenswelt. Soziale Kommunikation, Traditionsbildung und historisches Bewusstsein (Tübingen 1996), 301 ff. über exempla und mos maiorum als zentrale Elemente des kollektiven Gedächtnisses der Nobilität. Zum Ahnenkult der senatorischen Aristokratie siehe H. L. Flower, Ancestor Masks and Aristocratic Power in Roman Culture (Oxford 1996). 75 Vgl. dazu E. Baltrusch, Regimen morum. Die Reglementierung des Privatlebens der Senatoren und Ritter in der römischen Republik und frühen Kaiserzeit (München 1989). Zu den Verhaltensweisen der römischen Senatsaristokratie (auch in anderen Epochen ihrer Geschichte) vgl. unter amderem P. Veyne, Le pain et le cirque. Sociologie historique d’un pluralisme politique (Paris 1976).
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Ehrenstatuen sollten ihren Ruhm den Nachkommen und der Gesellschaft ständig vor Augen führen.76 Die hier geschilderte Führungsposition des Senatsadels wäre ohne die wirtschaftliche Basis für die Vormachtstellung der Aristokratie unvorstellbar gewesen. Diese Basis war nach wie vor der Grundbesitz: Auch wenn durch die licinisch-sextischen Gesetze die Entstehung riesiger Güter verhindert wurde, blieben die senatorischen Adligen die reichsten Grundbesitzer innerhalb der römischen Gesellschaft. Die Ausdehnung der römischen Herrschaft auf Italien und vor allem die römische Expansion im westlichen Mittelmeerraum seit dem Ersten Punischen Krieg haben den Senatoren zwar die verlockende Möglichkeit eröffnet, aus Handel, Unternehmertätigkeit und Geldwirtschaft neue, bisher unbekannte Gewinne zu erzielen, und es gab ohne Zweifel auch einflussreiche senatorische Gruppen, die diesen Weg, der zu einer völligen Veränderung der römischen Wirtschafts- und Sozialstruktur hätte führen können, zu verfolgen bereit waren. Im Jahre 218 v. Chr. hat jedoch eine lex Claudia, der unter den Senatoren angeblich nur der Außenseiter Gaius Flaminius zustimmte, diese Entwicklungslinie abgeschnitten (Liv. 21,63,3 f.): Den Senatoren und ihren Nachkommen wurde verboten, Handelsschiffe zu besitzen, deren Laderaum mehr als 300 Amphoren fasste, da dies für den Transport ihrer Agrargüter als ausreichend erschien; die Begründung war angeblich, dass die Geschäftemacherei der römischen Senatoren unwürdig sei (quaestus omnis patribus indecorus visus). Es ist freilich unvorstellbar, dass die römische Volksversammlung einen derartigen Beschluss gänzlich im Gegensatz zu den Interessen des herrschenden Adels hätte durchsetzen können. Vielmehr müssen die maßgebenden Kreise der Aristokratie die Garantie für die Kontinuität der bisher bewährten Form der Adelsherrschaft darin erblickt haben, dass die Führungsschicht nach wie vor ein Grundbesitzeradel blieb. Eine derartige Oberschicht brauchte wirtschaftlich weniger zu riskieren, erhielt die sozialen Bindungen der Landbevölkerung an die Machthaber unbedingt aufrecht und war fremden Einflüssen gegenüber weniger anfällig als eine Führungsschicht, die aus Kaufleuten und Unternehmern bestanden hätte.77 Die Zahl der Kaufleute und der Handwerker und auch die soziale Bedeutung dieser Gruppen in der römischen Gesellschaft nahmen während des 3. Jahrhunderts v. Chr. nichtsdestoweniger zu. Im Hinblick auf ihr Sozialprestige blieben sie, wie stets in der römischen Geschichte, jedoch weit hinter der senatorischen Aristokratie zurück. Die Kriege gegen Karthago haben die Herausbildung einer breiten Handwerker- und Kaufmannsschicht erheblich beschleunigt. Wie Polybios (1,20,10 ff.) berichtet, besaß Rom zu Beginn des Ersten Punischen Krieges noch überhaupt keine Kriegsschiffe und förderte erst seitdem das für den Schiffbau erforderliche Handwerk. Im Jahre 255 v. Chr. brachte Rom es dann fertig, innerhalb von drei Monaten 76 M. Sehlmeyer, Stadtrömische Ehrenstatuen der republikanischen Zeit. Historizität und Kontext von Symbolen nobilitären Standesbewusstseins (Stuttgart 1999). 77 Diese Überzeugung brachte Cato, Agr. praef. 1 ff. klar zum Ausdruck.
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220 Schiffe zu bauen (Polyb. 1,38,6), was nur bei der Existenz einer zahlenmäßig starken spezialisierten Handwerkerschicht (zum Teil sicherlich fremder Herkunft) möglich war. Zugleich gingen in diesem Krieg zusammen mit den römischen Truppen auch italische Händler zu deren Unterstützung nach Afrika (Polyb. 1,83, 7 ff.), und kurz nach dem Ersten Punischen Krieg tauchten die italischen Kaufleute unter dem Schutz Roms auch an der Ostküste der Adria auf (ebd. 2,8,1 ff.). Im Zweiten Punischen Krieg begleiteten römische Kaufleute die Truppen nicht mehr nur zu deren Versorgung, sondern auch, um deren Beute aufzukaufen (Polyb. 14,7,2 f.) und damit größere Gewinne zu erzielen. Damals gab es in Rom bereits reiche Unternehmer, die dem Staat für Rüstung und Bauarbeiten mit großen Krediten zu Hilfe kommen konnten.78 Damit bahnte sich eine Entwicklung an, die im 2. Jahrhundert v. Chr. zur Entstehung einer sehr bedeutenden sozialen Schicht von vermögenden Unternehmern, Kaufleuten und Bankiers führte und somit zur Herausbildung des römischen Ritterstandes beitrug.79 Die große Mehrheit der römischen Gesellschaft bestand aus Bauern, deren soziale Gliederung von den wohlhabenden Grundbesitzern in der Umgebung der neuen römischen und latinischen Kolonien bis zu den vom Adel persönlich stark abhängigen Landarbeitern und Klienten reichte. Durch die Fortsetzung der römischen Kolonisation auch im Zeitalter der Punischen Kriege konnten die Ärmeren von ihnen und die in Rom sich ständig vermehrenden proletarischen Massen zumeist ausreichend mit Grund und Boden versorgt werden. Besonders gestärkt wurden durch diese Entwicklung die schon durch die frühere Kolonisation stark ausgeprägten oberen und mittleren Schichten des Bauerntums, die die wichtigste Stütze des von der Aristokratie beherrschten sozialen und politischen Systems waren. Sie garantierten die römische Herrschaft in den eroberten Gebieten, und sie spielten als Soldaten die entscheidende Rolle im römischen Heer. Dementsprechend machte ihnen der Adel einige politische und wirtschaftliche Konzessionen, um die Interessengemeinschaft zu sichern. Die Einrichtung der letzten neu gegründeten römischen Tribus im Jahre 241 v. Chr.80 hat ebenso zur zahlenmäßigen Stärkung und zur weiteren wirtschaft-
78 Liv. 23,49,1 ff. und 24,18,10. 79 Vgl. H. Hill, The Roman Middle Class in the Republican Period (Oxford 1952), 45 ff. Der Ausdruck »middle class« für diese soziale Schicht ist ebenso unglücklich wie ähnliche Termini für andere soziale Schichten »in der Mitte« zwischen verschiedenen höhergestellten und niederen Schichten, vgl. S. 204 f. Für den Ritterstand der Republik ist grundlegend C. Nicolet, L’ordre équestre à l’époque républicaine (312–43 av. J.-C.). I. Définitions juridiques et structures sociales. II. Prosopographie des chevaliers romains (Paris 1966/74); siehe auch E. Badian, Publicans and Sinners. Private Enterprise in the Service of the Roman Republic (Oxford 1972) = Zöllner und Sünder. Unternehmer im Dienst der römischen Republik (Darmstadt 1997). Zum Begriff des eques Romanus in republikanischer Zeit siehe auch T. P. Wiseman, Historia 19, 1970, 67 ff.; U. Hackl, in: W. Dahlheim (Hrsg.), Festschrift Robert Werner zu seinem 65. Geburtstag (Konstanz 1989), 107 ff.; M. Stemmler, Eques Romanus – Reiter und Ritter. Begriffsgeschichtliche Untersuchungen zu den Entstehungsbedingungen einer römischen Adelskategorie im Heer und in den comitia centuriata (Frankfurt am Main 1997). 80 Vgl. U. Hackl, Chiron 2, 1972, 135 ff.
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lichen Absicherung dieser Bauernschaft geführt wie die Gründung neuer Kolonien, insbesondere die von Gaius Flaminius 232 v. Chr. gegen den Widerstand konservativ eingestellter Gruppen des Adels durchgesetzte Kolonisierung des sog. ager Gallicus in der Umgebung von Sena Gallica, 81 die Polybios (2,21,7 ff.) als den ersten Riss im Gefüge des seiner Meinung nach völlig ausgeglichenen römischen Gesellschaftssystems bezeichnete. Die politische Konsequenz aus der wirtschaftlichen und sozialen Stärkung dieser Bauerngruppen war die Reform der Volksversammlung in Rom 241 v. Chr. oder kurz danach: Die Tribusordnung und die Centurienordnung wurden in einem komplizierten System miteinander verbunden und die Abstimmungsmodalitäten so eingerichtet, dass den Stimmen der reicheren Bauern mehr Gewicht als bisher zukam. Den Sieg im Ersten und im Zweiten Punischen Krieg verdankte Rom insbesondere diesem Bauerntum. Seine katastrophalen Verluste vor allem im Zweiten Punischen Krieg hatten allerdings für die weitere Entwicklung der römischen Gesellschaft sehr schwerwiegende Folgen. Rechtlich gesehen einen niedrigeren Status als die freien Bauern hatten in der römischen Gesellschaft im Zeitalter der Punischen Kriege die Freigelassenen, deren Zahl und Bedeutung vor allem in Rom und in den übrigen Städten, aber auch auf dem Lande, zunahm. Führende Familien Roms, die zur Durchsetzung ihrer politischen Interessen in der Volksversammlung dort gerne an der Spitze ihnen ergebener Massen auftraten, gaben zahlreichen Sklaven die Freiheit; diese, durch die Freilassung in den Besitz des römischen Bürgerrechtes gelangt, unterstützten in der Volksversammlung die politischen Ziele ihrer patroni und waren ihnen auch durch ihre wirtschaftlichen und persönlichen Dienstleistungen von Nutzen. Obwohl auf die Freilassung schon angeblich 357 v. Chr. eine Steuer in der Höhe von 5% des Wertes eines Sklaven festgesetzt wurde (Liv. 7,16,7), wuchs die Zahl der Freigelassenen im Verlauf des 3. Jahrhunderts v. Chr. erheblich. Die Häufigkeit der Freilassungen lässt sich daran messen, dass bis zum Jahre 209 v. Chr. die Einnahmen des römischen Staates aus der Freilassungssteuer auf fast 4.000 Pfund Gold anstiegen (Liv. 27,10,11 f.).82 Die niedrigste Stellung in der römischen Gesellschaft nach dem Zerfall der archaischen Sozialordnung hatten, wie im Ganzen gesehen auch in späteren Zeiten, die Sklaven. Im Zuge der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Roms seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. nahm die Bedeutung der Sklaverei zu. Vor allem auf den Feldern der Grundbesitzer, wohl auch der reicheren Bauern, wurden die Sklaven oft als Arbeitskraft verwendet. Es gab auch mehr Möglichkeiten als früher, Sklaven zu erwerben. Die der römischen Gemeinde lästigen archaischen Formen des Erwerbs von Sklaven wurden abgeschafft: Die Versklavung der Kinder freier Bürger war seit der Versorgung der armen Plebejer mit Grund und Boden nicht mehr erforderlich und die Schuldsklaverei seit 326 v. Chr. institutionell verboten. Stattdessen wuchs die 81 Dazu G. Radke, in: Beiträge zur Alten Geschichte und deren Nachleben I (Berlin 1969), 366 ff. 82 Vgl. dazu A. J. Toynbee, Hannibal’s Legacy (Anm. 23), I 341 ff.
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Bedeutung des Sklavenhandels mit anderen Völkern und Staaten. Der Handel mit Sklaven wurde bereits 348 v. Chr. im zweiten Vertrag zwischen Rom und Karthago berücksichtigt, der verbot, Verbündete des Vertragspartners in dessen Machtbereich als Sklaven zu verkaufen (Polyb. 3,24,6 ff.). Aber vor allem die ständigen Kriege, zuerst mit den Völkern Italiens und dann mit Karthago und dessen Verbündeten, haben es den Römern ermöglicht, ihren Sklavenbestand durch die Versklavung von Kriegsgefangenen zu vergrößern. Im Jahre 307 v. Chr. wurden angeblich 7.000 Verbündete der Samniten auf einmal als Sklaven verkauft (Liv. 9,42,8). Im Jahre 262 v. Chr. kamen mehr als 25.000 Einwohner von Agrigentum, 254 v. Chr. 13.000 Gefangene in Panormus auf den Sklavenmarkt (Diodor 23,9,11 und 23,18,5). Im Zweiten Punischen Krieg waren dann Massenversklavungen allgemein üblich und leiteten jene Epoche ein, in der die römische Sklaverei den Höhepunkt ihrer Bedeutung erreichte.83 Aber vor dem Zweiten Punischen Krieg war die römische Gesellschaft noch weit davon entfernt, ihre wirtschaftliche Produktion hauptsächlich auf die Sklavenarbeit zu gründen, zumal in diese Zeit die patriarchalen Formen der Sklaverei teilweise noch intakt waren. Die Kriegsgefangenen wurden häufig noch nicht versklavt, sondern für ein Lösegeld freigelassen wie z. B. 254 v. Chr. die Mehrheit der Einwohner von Panormus. Selbst reiche Römer verfügten um diese Zeit noch nicht notwendigerweise über Sklavenmassen, so z. B. der Feldherr Marcus Atilius Regulus, von dem behauptet wird, dass ihm nur ein Sklave und ein Lohnarbeiter zur Verfügung standen (Val. Max. 4,4,6). Erst für die Zeit des Zweiten Punischen Krieges liegen Angaben vor, die für die massenhafte Verwendung von Sklaven in der Wirtschaft, so etwa im Handwerk, sprechen (Polyb. 10,17,9 f.). Entsprechend der noch verhältnismäßig geringen Bedeutung der Sklaverei kam es in Rom im 3. Jahrhundert v. Chr. auch zu keinen größeren Sklavenbewegungen. Im Jahre 259 v. Chr. haben sich zwar angeblich 3.000 Sklaven zusammen mit 4.000 Flottensoldaten von Verbündeten Roms (navales socii) gegen den römischen Staat verschworen. Die Aktion dieser Sklaven – sie waren wahrscheinlich kurz vorher vorwiegend als Kriegsgefangene aus dem mittelitalischen Bergland versklavt worden – lässt sich aber eher als eine für die damalige Sozialstruktur Roms untypische Bewegung von besiegten Gegnern charakterisieren. Ähnlich ist vielleicht auch eine Verschwörung von 25 Sklaven in Rom 217 v. Chr., anscheinend von einem karthagischen Agenten geschürt, zu beurteilen; zugleich zeigt sich an der niedrigen Zahl der Teilnehmer dieser Bewegung, dass sie unbedeutend war.84 Ein Unterfangen von Sklaven wie im mit Rom verbündeten Volsinii, dessen etruskischer Adel 280 v. Chr. seine Sklaven freiließ und diesen die Macht übertrug, sich dann von den 83 Zu den Massenversklavungen siehe H. Volkmann, Die Massenversklavungen der Einwohner eroberter Städte in der hellenistisch-römischen Zeit (Stuttgart 1990), und K.-W. Welwei, Sub corona vendere. Quellenkritische Studien zur Kriegsgefangenschaft und Sklaverei in Rom bis zum Ende des Hannibalkrieges (Stuttgart 2000). 84 Zu diesen beiden »Verschwörungen« siehe M. Capozza, Movimenti servili (Anm. 32), I 75 ff. mit den Quellen.
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neuen Herren misshandelt fühlte, sich an Rom um Hilfe wandte und von Rom erst 264 v. Chr. nach einem verlustreichen Krieg in seine alten Rechte wieder eingesetzt werden konnte,85 war in Rom völlig undenkbar: Eine derartige Entwicklung war dort, ebenso infolge der Stärke des römischen Herrschaftssystems wie auch infolge der relativ geringen Bedeutung der Sklaverei, ausgeschlossen. Weder Sklavenaufstände noch Unruhen der unteren Bevölkerungsschichten in Stadt und Land bedrohten Rom im 3. Jahrhundert v. Chr. Abgesehen von den außenpolitischen Gefahren war die entscheidende Frage, ob die sehr zahlreichen und verschiedenartig strukturierten Gemeinden Italiens für die Dauer bereit waren, Roms Vormachtstellung zu akzeptieren und sich mit den Römern auch im Rahmen einer mehr oder weniger einheitlichen Gesellschaftsordnung zusammenzuschließen. Wie schwer die Einheit Italiens zu erreichen war, zeigte sich am Abfall zahlreicher Verbündeter Roms während des Zweiten Punischen Krieges, darunter selbst der mit den führenden römischen Geschlechtern eng verbundenen Stadt Capua. Selbst nach diesem Krieg bedurfte es noch einer langen weiteren Entwicklung und eines Aufstandes der Italiker gegen Rom, bis das Problem der Gleichstellung der Italiker mit den Römern endgültig gelöst werden konnte. Aber die Möglichkeiten und die Wege, Roms Herrschaft über Italien auch durch die Vereinigung der italischen Gesellschaft in einer mehr oder weniger einheitlichen Sozialordnung zu sichern, zeichneten sich bereits lange vor dem Zweiten Punischen Krieg ab. Sie lagen in der Aufnahme führender italischer Familien in den senatorischen Adel, in der Pflege der politischen und sozialen Beziehungen zwischen der römischen Aristokratie und der Oberschicht der einzelnen Gemeinden, ferner in der Herausbildung einer ausgedehnten, römisch fühlenden bäuerlichen Schicht in weiten Gebieten Italiens aufgrund der Kolonisation. Außerdem zeigte die Episode von Volsinii deutlich genug, dass die Stärke Roms durchaus den Interessen der Oberschicht einzelner Gemeinden der Etrusker oder der Italiker entsprechen konnte. Jedenfalls war die römische Aristokratie im 3. Jahrhundert v. Chr. stark genug, in ihrem Herrschaftssystem sowohl die verschiedenen Schichten der römischen Gesellschaft als auch Italien mit seiner politischen, sozialen und kulturellen Vielfalt zusammenzuhalten, und der von ihr beherrschte römische Staat ging aus den beiden großen Kriegen gegen Karthago als siegreiche Großmacht hervor. Mit dem Zweiten Punischen Krieg und mit der danach eifrig vorangetriebenen römischen Expansion auch im Osten begann dann für die römische Gesellschaft wiederum eine neue Epoche – mit der raschen Herausbildung eines neuen sozialen Modells und neuer sozialer Spannungen. Aber schon während des 3. Jahrhunderts v. Chr. zeichnete sich die Richtung ab, in der sich der Wandel vollziehen musste. Die mei sten sozialgeschichtlichen Entwicklungsprozesse der späteren Republik, nämlich die Umwandlung der Nobilität in eine Oligarchie, die Herausbildung einer reichen sozialen Schicht von Kaufleuten, Unternehmern und Bankiers, der Niedergang des 85 Dazu J. Heurgon, Die Etrusker (Anm. 13), 88 ff. mit den Quellen.
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italischen Bauerntums, die Verwendung von Sklavenmassen in der wirtschaftlichen Produktion und die durch Rückschläge erschwerte Integration der italischen Bevölkerung in das römische Gesellschaftssystem, waren durch die Geschichte der römischen Gesellschaft teils schon vor dem Zweiten Punischen Krieg, teils zumindest seit diesem Krieg vorbereitet.
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III. Der Strukturwandel im 2. Jahrhundert v. Chr.
Voraussetzungen und allgemeine Merkmale
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er Zweite Punische Krieg markiert in der Geschichte Roms den Beginn eines Umwandlungsprozesses, der bereits nach kurzer Zeit tiefgreifende Veränderungen im Gefüge des römischen Staates und der römischen Gesellschaft verursachte. Rom war ein Weltreich geworden, dessen Wirtschaftsstruktur und Sozialordnung neuen Bedingungen unterworfen waren und unter diesen neuen Bedingungen eine bisher unbekannte Vielfalt aufwiesen. Zugleich führte dieser rasche Wandel dazu, dass Rom in eine politische und soziale Krise geriet, die schon zwei Generationen nach dem Sieg über Hannibal den Ausbruch schwerer, bisher ungeahnter Konflikte in der römischen Gesellschaft hervorrief.86 Die neuen Bedingungen ergaben sich zum Teil aus den direkten Folgen des Zweiten Punischen Krieges für Italien, die im Niedergang und in der Proletarisierung des italischen Bauerntums, in der Herausbildung großer Güter und im Übergang auf die massenhafte Verwendung von Sklaven in der Produktion lagen. Schon antike Historiker wie Plutarch (Ti. Gracchus 8,1 ff.) und Appian (B. civ. 1,32 ff.) beschrieben diesen Wandel deutlich, und Arnold Toynbee erblickte in den Wunden, die der Zweite 86 In der Besprechung der 1. deutschen Auflage dieses Buches (siehe oben Anm. 6), stellt H. P. Kohns die »Annahme von gewissermaßen gesetzmäßig ablaufenden Entwicklungen« und »das Postulat angeblich historischer Notwendigkeiten« in Frage, die für meine Darstellung der Geschichte der Republik, vor allem für die Darstellung des Strukturwandels im 2. Jahrhundert und der Krise der Republik, charakteristisch seien. Ohne einer streng deterministischen Geschichtsauffassung huldigen zu wollen, bin ich nach wie vor überzeugt, dass gerade im 2. und im 1. Jahrhundert v. Chr. die wirtschaftlichen, sozialen, politischen und spirituellen Faktoren die historische Entwicklung Roms in eine ganz eindeutige Richtung trieben, welche kaum Alternativlösungen zuließ. Vgl. auch Christian Meiers berühmte These, wonach die Geschichte der Späten Republik von einer »Krise ohne Alternative« gekennzeichnet war: Res publica amissa. Eine Studie zur Verfassung der späten römischen Republik (Wiesbaden 1966, Neuausgabe Frankfurt am Main 1997). Vgl. dazu A. Winterling, in: M. Bernett – W. Nippel – A. Winterling (Hrsg.), Christian Meier zur Diskussion. Autorenkolloquium für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld (Stuttgart 2008), 219 ff.
vo r au s s e t z u n g e n u n d a l l g e m e i n e m e r k m a l e
Punische Krieg der römischen Wirtschaft und Gesellschaft zugefügt hatte, die »späte Rache Hannibals« für die Erfolge der römischen Expansion.87 Höchst bedeutend waren für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der späteren Republik jedoch auch die Konsequenzen aus der Expansion selbst. In den nicht ganz hundert Jahren vom Ausbruch des Zweiten Punischen Krieges bis zum Aufflammen der sozialen Konflikte in den dreißiger Jahren des 2. Jahrhunderts v. Chr. ist Rom eine herrschende Macht im ganzen Mittelmeerraum und zugleich ein Weltreich geworden.88 Seine Truppen haben zwei ehemalige Großmächte, Makedonien (im Dritten Makedonischen Krieg, 171–168) und Karthago (im Dritten Punischen Krieg, 149–146), vernichtet, das Seleukidenreich geschwächt und gedemütigt, den größten Teil der Iberischen Halbinsel unterworfen, Griechenland besetzt (146). Die eroberten Gebiete wurden als Provinzen dem römischen Staat einverleibt: die Hispania citerior und ulterior 197, Macedonia 148, Africa 146 und Asia 133 v. Chr. Die Folgen waren unermesslich. Das junge Weltreich umfasste riesige Territorien mit hoch entwickelter Agrarproduktion, die die Einfuhr von Agrargütern nach Italien ermöglichten und dort z. B. den Anbau von Getreide weitgehend überflüssig machten; es besaß nahezu unerschöpfliche Rohstofflager, die, wie z. B. die Silberbergwerke in Spanien, zu seinen Gunsten ausgebeutet wurden; es verfügte über unbegrenzte Massen billiger Arbeitskraft, nämlich über Millionen versklavter Kriegsgefangenen und rechtloser Provinzialen; es hatte ausgedehnte und von Konkurrenten nicht gefährdete Absatzmärkte für seine handwerklichen Produkte; es bot unbegrenzte Möglichkeiten für Investition, Unternehmertätigkeit und Geldwirtschaft. Alle diese neuen Faktoren in der wirtschaftlichen Entwicklung führten notwendigerweise auch zur Umschichtung der Gesellschaft. So bildete sich im römischen Staat seit dem Zweiten Punischen Krieg und insbesondere seit dem Beginn der aktiven Expansionspolitik im östlichen Mittelmeerraum rasch ein neues Gesellschaftssystem heraus, dessen wesentliche Merkmale bereits gegen die Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. ausgeprägt waren.89 Durch seine starke Differenzierung war dieses Modell von demjenigen der archaischen Gesell87 A. J. Toynbee, Hannibal’s Legacy (Anm. 23), I 111 ff. Vgl. J. Vogt, Historia 16, 1967, 119 ff. 88 Zur römischen Expansionspolitik im Anschluss an die Vereinigung Italiens unter römischer Herrschaft (dazu Anm. 57) siehe ausführlich E. Badian, Roman Imperialism in the Late Republic2 (Ithaca 1968) = Römischer Imperialismus (Stuttgart 1980); R. Werner, ANRW I 1 (Berlin – New York 1972), 501 ff.; P. Veyne, Mél. de l’École Fr. de Rome 87, 1975, 793 ff.; D. Flach, Hist. Zeitschr. 222, 1978, 1 ff.; W. V. Harris, War and Imperialism in Republican Rome 327–70 B. C. (Oxford 1979); E. S. Gruen, The Hellenistic World and the Coming of Rome (Berkeley 1984); W. V. Harris (Ed.), The Imperia lism of Mid-Republican Rome. Proceedings of a Conference held at the American Academy in Rome, November 5–6 1982 (Rome 1984); A. M. Eckstein, Senate and General. Individual Decision Making and Roman Foreign Relations (Anm. 57); J.-L. Ferrary, Philhellénisme et impérialisme. Aspects idéologiques de la conquête romaine du monde hellénistique, de la seconde guerre de Macédoine à la guerre contre Mithridate (Paris – Roma 1988). 89 Zur römischen Gesellschaft im 2. Jahrhundert v. Chr. siehe zusammenfassend K. Christ, Krise und Untergang der römischen Republik3 (Darmstadt 1999), 67 ff.; siehe auch F. De Martino, Storia della costituzione romana (Anm. 8), II 237 ff. und dens., Storia economica di Roma I (Anm. 17), 59 ff.
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schaft Roms grundverschieden und wich auch von der noch immer verhältnismäßig einfachen Souialordnung des 3. Jahrhunderts v. Chr. stark ab. Die soziale Position des Einzelnen ergab sich aus dem Zusammenspiel verschiedener Faktoren wie Herkunft, politische Ausbildung und Betätigung, Agrarbesitz, Geld, Ambition und Geschick in der Nutzung wirtschaftlicher Konjunktur, Aktivität in der Produktion in der Stadt oder auf dem Lande, Rechtsstellung, ethnische oder zumindest regionale Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsgruppe. Die soziale Schichtung war recht vielfältig. Die Spitze der Gesellschaft bildete die Senatsaristokratie mit ihren Privilegien in der politischen Führung, bedingt durch Herkunft und standesgemäße politische Ausbildung und Erfahrung, ferner durch wirtschaftliche Unabhängigkeit aufgrund des Großgrundbesitzes, aber auch dank unternehmerischer Gewinne. Als eine zweite Elite formierten sich die Ritter. In der Mehrheit waren sie ähnlich wie die Senatoren reiche Grundbesitzer; andere waren Unternehmer, Kaufleute und Bankiers häufig niedriger Herkunft, aber auch sie investierten ihr Vermögen gerne in Grund und Boden. In den zahlreichen Gemeinden Italiens und der Provinzen gab es jeweils auch eine lokale Oberschicht, die vor allem aus Grundbesitzern bestand, jedoch nach Rechtsstellung, Vermögensstand und Kultur von Region zu Region oder gar von Stadt zu Stadt sehr verschieden sein konnte. In Italien gab es viele Bauern mit römischem Bürgerrecht, doch waren sie in ihrer Existenz bedroht, und viele von ihnen strömten in die Städte, vor allem nach Rom. Dort bewirkten sie die Her ausbildung einer breiten Schicht von Proletariern, die auch durch die Massen von freigelassenen Sklaven gestärkt wurde. Sehr ungünstig war auch die Lage der überwiegenden Mehrheit der italischen socii und der Bevölkerung der Provinzen, umso mehr, als sie nicht einmal über das römische Bürgerrecht verfügten und sowohl von ihren eigenen Herren als auch vom römischen Staat ausgebeutet wurden. Die niedrigste Position in der Gesellschaft hatten jedoch die Massen der Sklaven inne, die keine persönlichen Rechte besaßen und vor allem auf den Agrargütern sowie in den Bergwerken unter härtesten Bedingungen Produktionsarbeit leisten mussten. Durch diese starke, sich sehr rasch vollziehende Differenzierung der Gesellschaft reifte bald eine ganze Reihe schwerer Konflikte heran, in denen die Fronten zwischen verschiedenen benachteiligten sozialen Gruppierungen und der herrschenden Schicht, aber auch zwischen einzelnen Gruppen der Führungselite verliefen. Zugleich erwiesen sich auch die allmählich anachronistisch gewordene politische Ordnung Roms und die ebenfalls z. T. überholte geistige Tradition der römischen Gesellschaft als ungeeignet, die einander gegenüber stehenden sozialen Schichten und Gruppen in einem ausgeglichenen System zusammenzuhalten. Mit friedlichen Mitteln waren die meisten Konflikte überhaupt nicht zu lösen, und die wenigen Versuche, die Entwicklung entweder aufzuhalten oder durch Reformen in eine neue Bahn zu lenken, versagten. Die unvermeidliche Folge war die Krise der römischen Gesellschaft mit Bürgerkriegen und Revolten, die die Republik zermürbten.
oberschichten
Oberschichten Die römische Senatsaristokratie mit der Nobilität an ihrer Spitze konnte ihre Führungsposition nach dem Zweiten Punischen Krieg noch stärker als früher ausbauen. Die Erfolge Roms gegen Hannibal und im Osten galten als Garantie für die Richtigkeit ihrer Politik, und die Gewinne Roms aus der Expansion kamen zunächst vor allem ihr zugute. Ihr Ansehen ist weit über die Grenzen des römischen Bürgertums und überhaupt des römischen Staates hinaus stark angestiegen. Es war allgemein bekannt, wie 168 v. Chr. ein selbstsicherer Senator in Ägypten den König des Seleukidenreiches, Antiochos IV., inmitten seines Heeres in einer beschämenden Szene dazu zwang, sich dem Willen des römischen Senats zu fügen (Liv. 45,12,1 ff.), oder wie ein Jahr später der bithynische König Prusias II. in Rom sich vor der Tür des Senatshauses niederwarf, den Boden küsste und die Senatoren als »rettende Götter« anredete (Polyb. 30,18,1 ff.). Erheblich wuchs auch das Standesbewusstsein der Aristokraten, die auf die Mehrung des Ruhmes ihrer Familien durch große eigene Taten stolz sein konnten: virtutes generis mieis (sic) moribus accumulavi, heißt es im Elogium eines Familienmitgliedes der Scipionen um 140 (CIL VI 1293 = ILS 6). Der Adel grenzte sich von den Massen der gewöhnlichen Bürger noch deutlicher ab als bisher und wurde einem Stand immer ähnlicher, was auch durch die Bezeichnung als ordo senatorius erkennbar wurde. Kurz nach dem Zweiten Punischen Krieg kam diese Absonderung auf eine sehr bezeichnende Art und Weise dadurch zum Ausdruck, dass den Senatoren bei den öffentlichen Spielen besondere Ehrenplätze zugewiesen wurden. Als besonders wichtig erschien den Senatoren ihre deutliche Trennung von den Neureichen, die sich im Ritterstand als geschlossene soziale Gruppe zu formieren begannen. Die Senatoren traten in der Volksversammlung aus den Centurien der equites aus, die seinerzeit die Angehörigen des Reiteradels und später auch noch immer die Senatoren, seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. aber auch die Mitglieder des sich allmählich bildenden Ritterstandes umfassten. Außerdem mussten die Ritter, die durch den Zugang zu den Magistraturen in den Senat aufstiegen, ihr bisheriges Statussymbol, das ihnen vom Staat verliehene Ritterpferd, abgeben.90 Wie diese zuletzt erwähnte Regelung zeigt, konnten sich die reichen Ritter bei den Wahlen um die niedrigen Magistraturen oft erfolgreich bewerben. Das bedeutete zugleich, dass eine kontinuierliche Ergänzung der Aristokratie durch Aufsteiger, auch durch Männer niedriger sozialer Herkunft, keineswegs ausgeschlossen war. Diese ständige Auffrischung der Führungselite war auch deswegen notwendig, weil nicht wenige senatorische Familien ohne männliche Nachkommen ausstarben.
90 Über die senatorische Aristokratie im 2. Jahrhundert v. Chr. siehe bes. F. Münzer, Adelsparteien (Anm. 63), 98 ff.; H. H. Scullard, Roman Politics 220–150 B. C. (Oxford 1951); U. Schlag, Regnum in senatu. Das Wirken römischer Staatsmänner von 200 bis 191 v. Chr. (Stuttgart 1968). Für verschiedene Aspekte vgl. auch die Literatur in Anm. 62. 68. 69. 71. 76.
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Für die niedrige Zahl der Geburten in alten Adelsfamilien ist es bezeichnend, dass führende Geschlechter wie diejenigen der Fabier und der Cornelier ihren Fortbestand nur durch die Adoption junger Männer aus der Familie der Aemilier sichern konnten: Publius Cornelius Scipio Aemilianus, der Zerstörer Karthagos und Numantias, und Quintus Fabius Maximus Aemilianus, einer der führenden Fabier im 2. Jahrhundert, waren natürliche Söhne des Lucius Aemilius Paullus, des Siegers von Pydna. Aber die höchsten Ämter im Staate waren für die sozialen Aufsteiger und überhaupt für die breite Mehrheit der Senatsmitglieder kaum zugänglich. Seit der lex Villia annalis (180 v. Chr.) war die Ämterlaufbahn der Magistrate einheitlich geregelt: Nach früheren Ämtern konnten sie die Prätur erst mit 38 und das höchste Amt, den Konsulat, erst mit 43 Jahren erreichen.91 Da die Zahl der hohen Stellen sehr begrenzt war (so entsprachen z. B. den zehn Volkstribunen eines Amtsjahres nur zwei Konsuln), bildeten deren Inhaber nur eine kleine Spitzengruppe innerhalb der senatorischen Aristokratie. Die Nobilität, jene Spitzengruppe, die aus den Inhabern der höchsten Ämter und deren Nachkommen bestand, hatte sich freilich schon lange vor dem Zweiten Punischen Krieg herausgebildet. Aber nach dem Krieg gegen Hannibal hat sie ihren Kreis fest geschlossen: Der Zugang zum Konsulat wurde ein Privileg für die Mitglieder von ungefähr 25 hochadligen Familien, die ihre führende Position mehrere Generationen lang hartnäckig verteidigten und die gewöhnlichen Senatoren vom Konsulat fernhielten. Es ist bezeichnend, dass zwischen Manius Acilius Glabrio (Konsul 191) und Gaius Marius (Konsul das erste Mal 107) nur zwei homines novi den Aufstieg bis zum Konsulat erkämpfen konnten, nämlich Quintus Pompeius (Konsul 141), der erste Konsul aus dem Geschlecht der Pompei, und Publius Rupilius (Konsul 132), ein Großunternehmer.92 Ebenso bezeichnend für die Herrschaft der führenden Familien ist die Tatsache, dass unter den 222 Konsulaten zwischen dem Ausbruch des zweiten Punischen Krieges und dem ersten Konsulat des Gaius Marius (218–108 v. Chr.) insgesamt 24 von den Cornelii, 15 von den Claudii, 10 von den Fulvii, je 9 von den Aemilii und Postumii, je 8 von den Fabii und Sempronii bekleidet wurden.93 Sallust (Iug. 63,6f.) hob später bitter hervor, dass in dieser Epoche die Nobilität den Konsulat als ihr Eigentum betrachtete (consulatum nobilitas inter se per manus tradebat), während der homo novus, war er noch so berühmt und hervorragend, als dieses Amtes unwürdig und durch seine niedrige Abstammung geradezu als unrein (quasi pollutus) empfunden wurde.
91 Dazu A. E. Astin, Latomus 16, 1957, 588 ff.; ders., ebd. 17, 1958, 49 ff.; G. Rögler, Klio 40, 1962, 76 ff.; R. J. Evans – M. Kleijwegt, ZPE 92, 1992, 181 ff. Zum Senat und zu den senatorischen Ämtern siehe U. Hackl, Senat und Magistratur in Rom von der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. bis zur Diktatur Sullas (Kallmünz 1982). Zur Bedeutung des Volkstribunats siehe J. Bleicken, Chiron 11, 1981, 87 ff. 92 Über die homines novi im Senat siehe T. P. Wiseman, New Men in the Roman Senate 139 B. C. – A. D. 14 (Oxford 1971), 3 ff. 93 Liste der Konsuln: T. R. S. Broughton, Magistrates I (Anm. 68), I 237 ff. Über die Konsuln der Jahre 179–49 v. Chr. siehe E. Badian, Chiron 20, 1990, 371 ff.
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Dass die erwähnten Familien innerhalb des Senatsadels als Oligarchie eine derartig feste Führungsposition besaßen, war in erster Linie ihren politischen Erfahrungen und Erfolgen zu verdanken. Die Qualifikation, die ein Staatsmann unter den ganz neuen Bedingungen für die römische Politik, vor allem für die Führung von Feldzügen in fremden Ländern oder für Verhandlungen mit hellenistischen Königen, brauchte, war kaum anders zu erlangen als durch Erziehung in den traditionsreichen Familien der Nobilität, und jeder Sieg oder jeder diplomatische Erfolg einzelner Feldherren und Politiker stärkte das Prestige ihrer Familien noch mehr. Zugleich konnten gerade diese erfolgreichen Söhne der hochadligen Familien durch ihre Popularität beim Volk in Rom und bei den Soldaten, ferner durch ihre Klientel in Italien und nunmehr auch in den Provinzen auf breiten politischen Anhang und somit auf großen Einfluss zählen. So festigte sich ein oligarchisches System. Sallust schrieb darüber (Iug. 41,7 f.): »Nach der willkürlichen Entscheidung einiger Leute wurde in Krieg und Frieden Politik gemacht, in ihrer Hand lagen auch Staatsschatz, Provinzen, Ämter, Ehren und Triumphe; das Volk wurde von Kriegsdienst und Armut bedrückt, die Kriegsbeute rissen die Feldherren mit einigen Freunden an sich; inzwischen wurden die Eltern oder kleinen Kinder der Soldaten von Haus und Hof vertrieben, wenn sie einen mächtigeren Nachbar hatten.« Wie diese Worte von Sallust zeigen, stieg auch die wirtschaftliche Macht des Adels, vor allem wiederum diejenige der führenden Familien. Die siegreichen Feldherren kehrten nach Rom mit Mengen erbeuteter Schätze zurück und schwammen im Geld, das sie vor allem als Lösegeld von Gefangenen erpresst hatten. Der berüchtigte Raubfeldzug des Gnaeus Manlius Vulso in Kleinasien im Jahre 189 v. Chr. (Polyb. 21,34,3 ff., Liv. 38,12,1 ff.) hat noch sechs Jahrhunderte später den Heiligen Augustin veranlasst, in solch ungerechten Staatswesen nur magna latrocinia zu erblicken (De civ. Dei 4,4). Der ältere Scipio hinterließ seinen beiden Töchtern ein Vermögen von je 300.000 Denaren (Polyb. 31,27,1 ff.); das Vermögen des Lucius Aemilius Paullus, des Siegers von Pydna, bestand zum Zeitpunkt seines Todes aus 370.000 Denaren (Plut., Aemil. 39,10). Die Höhe dieser Summen lässt sich an der erforderlichen Vermögensqualifikation der Mitglieder führender ordines messen, die noch im 1. Jahrhundert v. Chr. sowohl bei Senatoren als auch bei Rittern bei nur 100.000 Denaren (= 400.000 Sesterzen) lag.94 Die großen Vermögen wurden vor allem in Grund und Boden in Italien und auch in Sklaven investiert. Die reichsten Familien kauften die Grundstücke der Bauern auf oder eigneten sie sich auch durch Drohungen und Gewalt an (App., B. civ. 1,26 ff.). Vergeblich wurde mit Berufung auf das licinisch-sextische Gesetz angestrebt, dass auf staatlichem Boden niemand mehr als 500 Joch in Besitz nehmen durfte. Vor allem die Mitglieder der Nobilität erwarben große Ländereien. Die Familie der Scipionen z. B. besaß in verschiede94 Zur Problematik eines senatorischen Census während der Republik siehe C. Nicolet, JRS 66, 1976, 20 ff. (es gab nur einen Census für die equites, der jedoch automatisch auch für die Senatoren galt).
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nen Teilen Italiens Güter und Villen und verfügte zur Zeit der Reformbestrebungen der Gracchen über Besitztümer, deren Umfang 500 Joch vielfach überstieg,95 und die Ländereien des Publius Licinius Crassus Dives Mucianus, des Konsuls von 131 v. Chr., umfassten – einschließlich seiner Güter sowohl auf dem ager publicus als auch auf dem ager privatus – möglicherweise nicht weniger als etwa 100.000 Joch.96 Ganz Italien wurde zwar von dieser Entwicklung nicht einheitlich erfasst, und mit der Größe kaiserzeitlicher Latifundien war der Umfang der meisten Güter des 2. vorchristlichen Jahrhunderts nicht zu vergleichen; dennoch war der Wandel in der Agrarstruktur deutlich.97 Aus den Gütern und dem sonstigen Vermögen wurde der höchstmögliche Gewinn gezogen. Ein echtes Profitdenken setzte sich durch. Nichts ist charakteristischer für die wirtschaftlichen Ambitionen und Möglichkeiten eines führenden Senators nach dem zweiten Punischen Krieg als das Beispiel des sonst so traditionsbewussten Marcus Porcius Cato.98 Sein Ideal war der Senator, der den Dienst am römischen Staat für seine heilige Pflicht hielt (Plut., Cato 24,11), die religiöse und ethische Tradition dieses Staates verkörperte und in neuen geistigen Strömungen eine Gefahr erblickte; als wichtigstes Ziel im Privatleben aber erschien ihm die Vermehrung des geerbten Vermögens (ebd. 21,8). Catos Werk über die Landwirtschaft war vor allem der Frage gewidmet, wie aus einem Gut bei niedrigsten Investitionskosten maximaler Profit zu gewinnen war: Er empfahl, die Produktion der großen Güter auf gewinnbringenden Export umzustellen (patrem familias vendacem, non 95 Seneca, Ep. 86,11; Plut., C. Gracchus 19; Plut., Ti. Gracchus 13,2. 96 I. Shatzman, Senatorial Wealth and Politics (Bruxelles 1975), 18. 253 f. 97 Zum Wandel in der italischen Agrarstruktur in der Zeit von den Gracchen bis Augustus bes. G. Tibiletti, in: Relazioni del X Congresso Internazionale di Scienze Storiche II (Roma 1955), 237 ff., deutsch in: H. Schneider (Hrsg.), Zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der späten römischen Republik (Darmstadt 1976), 11 ff.; A. J. Toynbee, Hannibal’s Legacy (Anm. 23), II 155 ff.; E. Gabba – M. Pasquinucci, Strutture agrarie e allevamento transumante nell’Italia romana (III–I sec. a. C.) (Pisa 1979); siehe auch E. Hermon (Ed.), La question agraire à Rome. Droit romain et société: Perceptions historiques et historiographiques (Como 1999). Zum Grundbesitz und zum Reichtum der senatorischen Aristokratie in der Späten Republik siehe vor allem I. Shatzman, Senatorial Wealth and Roman Politics (Anm. 96) u. a. mit einer umfassenden »Wirtschaftsprosopographie« der Senatoren und mit dem Nachweis für die Konzentration zahlreicher Güter und großer Reichtümer in einer Hand bereits in der Gracchenzeit. Vgl. dazu G. Alföldy, Gymnasium 84, 1977, 541 ff. Zu senatorischen Besitztümern vgl. auch J. H. D’Arms, Romans on the Bay of Naples. A Social and Cultural Study of the Villas and their Owners from 150 B. C. to A. D. 400 (Cambridge, Mass. 1970). Gegen die Überbewertung der Besitzgrößen siehe bes. K. D. White, Bull. Inst. Class. Studies 14, 1967, 62 ff., deutsch in: Zur Sozialund Wirtschaftsgeschichte der späten römischen Republik 311 ff. (dort auch zum Begriff latifundium, dazu auch A. J. van Hooff, Historia 31, 1982, 126 ff.); M. W. Frederiksen, Dialoghi di Arch. 4/5, 1971, 330 ff.; E. Badian, ANRW I 1 (Berlin – New York 1972), 670 ff. 98 Zu Catos Person siehe A. E. Astin, Cato the Censor (Oxford 1978) und D. Kienast, Cato der Censor2 (Darmstadt 1979). Zu Catos De agri cultura siehe H. Gummerus, Der römische Gutsbetrieb als wirtschaftlicher Organismus nach den Werken des Cato, Varro und Columella (Nachdruck Aalen 1963), 15 ff.; N. Brockmeyer, Arbeitsorganisation und ökonomisches Denken in der Gutswirtschaft des römischen Reiches (Bochum 1968), 72 ff.; A. Furger, Übrigens bin ich der Meinung … Der römischen Politiker und Landmann Marcus Cato zu Olivenöl und Wein (Mainz 2005).
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emacem esse oportet, Agr. 2,7), dementsprechend hauptsächlich nicht mehr Getreide, sondern Wein und Olivenöl zu produzieren und die Arbeitskräfte zu maximalen Leistungen zu zwingen. Er investierte seinen Gewinn, um ihn weiter zu steigern, in Forsten, Weiden, Fischteiche und auch in Gewerbeanlagen, ja sogar im Fernhandel und im Bankwesen: Er umging das Verbot der Geschäftemacherei für Senatoren durch die lex Claudia dadurch, dass er für Seehandel und Großunternehmen »Aktiengesellschaften« organisierte und sich durch Strohmänner vertreten ließ (Plut., Cato 21,5 ff.). Der Ruhm der Nobilität, ihr Zusammenhalt für die Wahrung ihrer oligarchischen Gruppeninteressen und ihr wachsender Reichtum konnten aber nicht verhindern, dass sich hinter dem Glanz des senatorischen Adels Konflikte entfalteten, die später sehr schwerwiegende Folgen haben mussten. Im 2. Jahrhundert v. Chr. konnte die Nobilität, die sich von den gewöhnlichen Senatoren und vor allem von den emporstrebenden homines novi im Senat immer stärker absonderte, die uneingeschränkte Herrschaft der wenigen führenden Familien aufrechterhalten. Aber in ihrem streng oligarchischen Regime beraubte sich die Nobilität selbst der Möglichkeit, ihrem Kreis durch die Aufnahme begabter und tüchtiger Männer neue Kräfte zuzuführen, obwohl die sozialen Aufsteiger in allen Epochen der römischen Geschichte bereit und fähig waren, Ansichten und Interessen der jeweiligen Führungsschicht zu übernehmen und mit besonderer Vehemenz zu vertreten. Diese Absonderung der Nobilität von den anderen Senatoren, verstärkt durch oft nicht zu überbietenden Hochmut und Arroganz, führte auch zur Unzufriedenheit zahlreicher emporstrebender Familien, die wirtschaftlich mächtig, in der politischen Führung jedoch benachteiligt waren. Gewiss nicht untypisch für die Ansichten derartiger Kreise war die Haltung des Marius, eines Musterbeispiels des erfolgreichen homo novus mit Minderwertigkeitskomplexen und mit Stolz auf die eigenen Leistungen: Er prahlte, dass er seinen Rang wie eine Kriegsbeute von der degenerierten Aristokratie erobert habe und statt der Grabdenkmäler seiner Ahnen die Wunden auf seinem eigenen Körper als Zeichen seines Ruhmes zeigen könne (Plut., Marius 9,1 ff.). Konflikte gab es aber nicht nur zwischen der Oligarchie und den weiteren senatorischen Kreisen, sondern auch innerhalb der Oligarchie. Gerade die Faktoren, die seit dem Zweiten Punischen Krieg die kollektive Machtposition der Nobilität gegenüber den anderen Gruppen der römischen Gesellschaft verstärkten, bewirkten zugleich Spannungen innerhalb des herrschenden Hochadels. Rivalitäten und Interessenkonflikte zwischen einzelnen Adelsfamilien hatte es zwar seit eh und je gegeben, aber vor dem Zweiten Punischen Krieg konnten sie das aristokratisch regierte System der römischen Gesellschaft selbst nie in Frage stellen. Seit dem Krieg gegen Hannibal zeichneten sich jedoch Möglichkeiten für die Vormachtstellung einzelner Familien oder gar einzelner nobiles ab, die die Grundlage des oligarchischen Systems, das Gleichgewicht der führenden Geschlechter, gefährden konnte. Wiederholte Konsulate für hoch qualifizierte Feldherren und Politiker, ihre besonderen militärischen Erfolge, ihre notwendigerweise langen, nicht mehr auf ein Jahr beschränkten Kom-
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mandoaufträge auf den Kriegsschauplätzen und ihre engen persönlichen Beziehungen zu den Armeen wie auch zur Bevölkerung der Provinzen durch Erweiterung des Klientelsystems waren dazu geeignet, die Machtposition einzelner herausragender Persönlichkeiten zu steigern. Am deutlichsten ist diese Tendenz bei den Scipionen zu beobachten.99 Der ältere Scipio Africanus erhielt schon mit 25 Jahren, ohne eine reguläre senatorische Ämterlaufbahn absolviert zu haben, ein Kommando, war seit seinem Sieg über Hannibal unbestreitbar der erste Mann in Rom und geriet mit seinen Standesgenossen auch wegen seiner unkonventionellen Ansichten und Auftritte in Konflikt. Seine Rivalen konnten ihn durch einen Prozess stürzen, und die bald darauf, 180 v. Chr., verabschiedete lex Villia annalis, die den Zugang zu den hohen Ämtern erst nach geregelter Laufbahn und in reifem Alter erlaubte, wollte den raschen Aufstieg solcher junger Staatsmänner auch institutionell verhindern. Aber als 147 v. Chr. der jüngere Scipio zum Konsul gewählt wurde, nahm man auf dieses Gesetz keine Rücksicht; Scipio erhielt den Konsulat ohne die Vorstufe der Prätur und in einem ungesetzlichen Alter. 134 v. Chr. erhielt er sogar den zweiten Konsulat, obwohl seit 152 v. Chr. die wiederholte Übernahme des Konsulates durch einen Senator – gerade um die dadurch entstehende Machtfülle zu verhindern – untersagt worden war. Auch war es bezeichnend, dass in den rund hundert Jahren seit dem Zweiten Punischen Krieg das Geschlecht der Cornelii allein ein Zehntel aller römischen Konsuln gestellt hatte, und es war auch kein Zufall, dass die Familie des Besiegers von Hannibal einerseits und des Zerstörers von Karthago und Numantia andererseits zugleich eine der reichsten senatorischen Familien des 2. Jahrhunderts v. Chr. gewesen ist. Ferner ist es bemerkenswert, dass die Scipionen auch in ihrer aufgeschlossenen Haltung der griechischen Geisteswelt gegenüber eine eigenständige Position einnahmen, die dem Standpunkt ihrer führenden Zeitgenossen, etwa eines Cato, deutlich widersprach; Scipio Aemilianus sammelte um sich griechische Philosophen und weitere griechische Intellektuellen.100 So bahnte sich schon seit dem Zweiten Punischen Krieg eine Entwicklung innerhalb der Oligarchie an, die zum Herausragen markanter Persönlichkeiten aus dem Adel führte und andeutete, dass solche Persönlichkeiten sich keineswegs unbedingt mit den Ansichten und Interessen ihres Standes identifizierten. Es waren nicht allein die Angehörigen der Aristokratie, in deren Händen sich der Reichtum der jungen Weltmacht konzentrierte: Die neuen Möglichkeiten für den römischen Fernhandel im Mittelmeerraum, die Ausbeutung der Rohstofflager und der Massen von Arbeitskräften in den eroberten Ländern und die ständige Vermehrung der finanziellen Quellen Roms durch die Mengen erbeuteter und erpress99 Vgl. bes. H. H. Scullard, Scipio Africanus: Soldier and Politician (Bristol 1970); A. E. Astin, Scipio Aemilianus (Oxford 1967); H. Strasburger, Hermes 94, 1966, 60 ff. 100 R. Hanulak, Untersuchungen zum Freundeskreis des Scipio Aemilianus (Berlin 2003). Zum Spannungsfeld mos maiorum – griechische Kultur bei den Aristokraten des 2. Jahrhunderts v. Chr. siehe M. Jehne, in: G. Vogt-Spira – B. Rommel (Hrsg.), Die kulturelle Auseinandersetzung Roms mit Griechenland als europäisches Paradigma (Stuttgart 1999), 115 ff.
oberschichten
ter Geldsummen und Schätze führten zu einem bisher unvorstellbaren Aufschwung von Handel, Unternehmertätigkeit und Geldwirtschaft, der die Herausbildung einer starken und bedeutenden Unternehmerschicht nach sich zog. Allmählich begannen die Angehörigen dieser Schicht auch, sich im römischen Ritterstand als eigener Ordo zu organisieren, obwohl dieser Prozess erst seit der Gracchenzeit zur Festigung des ordo equester führte. Der entscheidende Schritt auf dem Wege zur Festigung des Ritterstandes war die Regelung, nach welcher die Senatoren aus den Centurien der equites austraten und nach welcher jene Ritter, die durch die Bekleidung einer Magistratur Mitglieder des Senats geworden sind, ihr Statussymbol, das Ritterpferd, abzugeben hatten (lex reddendorum equorum, 129 v. Chr.). Das Ritterpferd wurde damit das Statussymbol einer von den Senatoren getrennten Standesorganisation. Bald traten auch neue Statussymbole hinzu, die zur Stärkung des Selbstbewusstseins des ordo equester beitrugen, nämlich der goldene Ring, der schmale Purpurstreifen auf der Kleidung (angustus clavus) im Gegensatz zu dem breiten Purpurstreifen (latus clavus) der Senatoren, ferner besondere Ehrenplätze bei öffentlichen Veranstaltungen (definitiv geregelt seit der lex Roscia, 67 v. Chr.).101 Die Bedeutung dieser sozialen Schicht war schon seit dem Zweiten Punischen Krieg zu erkennen. Vermögende Leute bildeten Unternehmergesellschaften und kamen dem römischen Staat durch die Übernahme staatlicher Aufträge zu Hilfe (Liv. 23,49,1 ff. und 24,18,10). Diese Gesellschaften mit staatlichen Finanzaufträgen (societates publicanorum) sorgten für die Verpflegung des Heeres, für öffentliche Arbeiten wie Neueinrichtung oder Wiederherstellung von Bauten, Strassen und Brücken; sie pachteten die Ausbeutung der staatlichen Bergwerke, die Eintreibung der Handelszölle und die Einnahme der Steuern, und man kam ohne sie in diesen Wirtschaftszweigen nicht mehr aus (vgl. Liv. 45,18,3). Nach Polybios, der die Tätigkeit der publicani sehr genau beschrieb, kamen diese Unternehmer aus der breiten Masse des Volkes (6,17,2 ff.); mit dieser Ansicht hatte er zumindest insofern unzweifelhaft Recht, als viele Unternehmer sehr niedriger Herkunft waren.102 Zur gleichen sozialen Schicht gehörten auch Geldverleiher, Bankiers, reiche Kaufleute und Geschäftemacher, deren Typus bereits Plautus
101 Grundlegend für den Ritterstand in der Republik ist C. Nicolet, L’ordre équestre à l’époque républicaine (Anm. 79); zu den Rittern in der Späten Republik siehe auch P. A. Brunt, in: R. Seager (Ed.), The Crisis of the Roman Republic (Cambridge 1969), 83 ff. = in: ders., The Fall of the Roman Republic and Related Essays (Oxford 1988), 144 ff., deutsch in: Zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der späten römischen Republik (Anm. 97), 175 ff.; J. Bleicken, Cicero und die Ritter (Göttingen 1995). Zur Herausbildung des Ritterstandes siehe M. I. Henderson, JRS 53, 1963, 61 ff.; vgl. auch F. Kolb, Chiron 7, 1977, 239 ff. (über die Bedeutung von Statussymbolen für die Festigung sozialer Ranggruppen, unter anderem des Ritterstandes während der Späten Republik) 102 Zum Typ des »new Roman business men« siehe A. J. Toynbee, Hannibal’s Legacy (Anm. 23), II 341 ff. und bes. E. Badian, Publicans and Sinners = Zöllner und Sünder (Anm. 79). Zu den publicani siehe auch C. Nicolet, in: H. van Effenterre (Ed.), Points de vue sur la fiscalité antique (Paris 1979), 69 ff. Zu »Maganern« in de römischen Wirtschaft in der späteren Republik und in der Hohen Kaiserzeit siehe J. J. Aubert, Business Managers in Ancient Rome. A Social and Economic Study of Institores, 200 B. C. – A. D. 250 (Leiden – New York – Köln 1994).
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(gest. 184 v. Chr.) in seinen Komödien lebhaft schilderte. Wie die Bedeutung dieser Finanzleute schon kurz nach dem Zweiten Punischen Krieg anstieg, zeigt sich darin, dass das riesige Vermögen, das der ältere Scipio (gest. 183 v. Chr.) seinen Töchtern hinterlassen hatte, bei einem Bankier deponiert war (Polyb. 31,27,15). Nichtsdestoweniger gehörten dem Ritterstand stets auch Großgrundbesitzer an. Nach Ciceros Terminologie gab es unter den Rittern publicani, nämlich als Großpächter tätige Unternehmer, weiterhin faeneratores oder argentarii, d. h. Geldverleiher, außerdem negotiatores, also Kaufleute, vor allem aber agricolae, Gutsbesitzer, von denen viele den Kolonien und Municipien Italiens entstammten.103 Somit war dieser Stand in seiner sozialen Zusammensetzung vom Senatorenstand nicht stark verschieden. Auch die Herausbildung und die Stärkung dieser sozialen Schicht führten zu neuen Spannungen in der römischen Gesellschaft. Die nach Profit strebenden Parvenus, ohne die beim Adel immerhin nicht ganz vergessenen Normen eines traditionellen Maßhaltens, waren häufig skrupellose Glücksritter und Erpresser, die vor allem in den Provinzen den Hass der Bevölkerung erweckten, aber auch nicht davor zurückschreckten, den Staat zu betrügen. Ihre Praktiken waren in Rom bereits seit dem Krieg gegen Hannibal gut bekannt (Liv. 25,1,4 und 25,3,9 ff.), und es wurde bald fast sprichwörtlich, dass die publicani Rechtsbrecher waren (Liv. 45,18,3: ubi publicanus esset, ibi aut ius publicum vanum aut libertatem sociis nullam esse). Die römischen Behörden, wie z. B. Cato während seiner Zensur 184 v. Chr., mussten gegen die Übergriffe der publicani immer wieder einschreiten (Liv. 39,44,7 f.; Plut., Cato 19,2), und derartige Vorfälle konnten zwischen Senatoren und Rittern Konflikte schüren (vgl. Liv. 43,16,1 ff.). Aber die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der publicani war nichtsdestoweniger hoch, und ihre Übergriffe waren nur durch das oligarchische Regime möglich, das keine systematische Kontrolle der römischen Wirtschaft kannte. Unterschichten, Italiker, Provinziale Die meisten Kaufleute Roms und der übrigen Städte, vor allem die vielen kleinen Händler, gehörten selbstverständlich nicht zu der reichen Unternehmerschicht der Staatspächter; vielmehr bildeten sie zusammen mit den Handwerkern eine zahlenmäßig starke soziale Gruppe, die in der Gesellschaft der Städte eher zu den unteren Rängen und nicht zu einem »Mittelstand« gezählt werden konnte. Die Herausbildung einer bedeutenden Handwerkerschicht in Rom und in vielen italischen Städten vollzog sich ebenfalls im 2. Jahrhundert v. Chr., im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Aufschwung, der einerseits dem Übergang zur gewinnbringenden Plantagenwirtschaft im Agrarsektor und andererseits der gestiegenen Bedeutung des 103 Zu Ciceros Ansichten über die Ritter siehe J. Bleicken, Cicero und die Ritter (Anm. 101). Über die sozialen Typen der Ritter siehe ausführlich C. Nicolet, L’ordre équestre à l’époque républicaine (Anm. 79), I 285 ff.
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Fernhandels, der Unternehmertätigkeit und der Geldwirtschaft zu verdanken war. Die Komödien des Plautus und vor allem die Schrift Catos über die Landwirtschaft bezeugen die zunehmende Bedeutung verschiedener spezialisierter Handwerker. Cato beschrieb ausführlich, welche handwerkliche Erzeugnisse, die ein Gutsherr brauchte, in welchen italischen Städten in bester Qualität hergestellt wurden (Agr. 135,1 ff.). Aus seiner Aufzählung geht hervor, dass es in Rom selbst unter anderem zahlreiche Textilhandwerker, Schuhmacher, Töpfer, Schmiede, Schlosser und Stellmacher gab. Zumindest ein Teil dieser Handwerker gehörte zu der breiten Schicht der Freigelassenen, deren Zahl in Rom und in den übrigen Städten Italiens, ebenso wie auch die Zahl der Sklaven, seit dem Zweiten Punischen Krieg erheblich zunahm. Scipio Aemilianus soll im Jahre 131 v. Chr. gesagt haben, dass die stadtrömische Plebs hauptsächlich aus ehemaligen Sklaven bestand, die er als Kriegsgefangene nach Rom gebracht hatte (Val. Max. 6,2,3). Schon kurz nach dem Sieg über Hannibal gab es in Rom so viele Freigelassene, dass gewisse Regeln für die Freilassung erforderlich wurden; im Jahre 177 v. Chr. wurde die Freilassung, die nur den Erwerb des begehrten römischen Bürgerrechts bezweckte, untersagt (Liv. 41,9,11). Die liberti konnten ab 168 v. Chr. nur noch in eine einzige Tribus eingeschrieben werden, damit die Bedeutung der breiten Freigelassenenschicht in der Volksversammlung verringert wurde (Liv. 45,15,5). Zahlreiche ehemalige Sklaven konnten die wirtschaftlichen Möglichkeiten in den Städten nützen und auch Vermögen erwerben. Aber viele von ihnen fanden in Rom weder als Handwerker noch als Kaufleute einen festen Lebensunterhalt, sondern bildeten ein »Lumpenproletariat«, der nicht nur unter recht ungünstigen Verhältnissen – nach der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. auch bei steigenden Mietpreisen – wohnte, sondern auch unter den teilweise hohen Lebensmittelpreisen litt und durch Spenden versorgt werden musste. Derartige Spenden mächtiger Männer (congiaria) sind seit 213 v. Chr. bezeugt; sie sicherten den Spendern Popularität bei den Armen.104 Die Masse dieses Proletariats, die in Rom seit dem Zweiten Punischen Krieg beträchtlich wuchs, rekrutierte sich jedoch nicht nur aus Freigelassenen, sondern vor allem aus dem römischen Bauerntum, das seine Existenzgrundlage verloren hatte und nach Rom und in die Städte strömte.105 Die Verelendung und Proletarisierung vieler Bauern war eine der besonders schwerwiegenden Folgen des Zweiten Punischen Krieges und der darauf folgen104 Vgl. Liv. 37,57,11 zum Jahre 189 v. Chr. Zur Lebensmittel- und Geldverteilung bei den Armen in Rom siehe C. Nicolet, Le métier de citoyen dans la Rome républicaine (Paris 1976), 250 ff. 105 Zur Lage der niederen Stadtbevölkerung in Rom während der Späten Republik vgl. A. J. Toynbee, Hannibals’s Legacy (Anm. 23), II 33 ff., ferner bes. H. C. Boren, in: The Crisis of the Roman Republic (Anm. 101), 54 ff., deutsch in: Zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der späten römischen Republik (Anm. 97), 79 ff.; außerdem Z. Yavetz, in: The Crisis of the Roman Republic (Anm. 101), 162 ff., deutsch in: Zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der späten römischen Republik 98 ff. Siehe auch dens., in: Recherches sur les structures sociales (Anm. 12), 133 ff. und dens., Plebs and Princeps (Oxford 1969), 9 ff., ferner H. Bruhns, in: H. Mommsen – W. Schulze (Htsg.), Vom Elend der Handarbeit. Probleme historischer Unterschichtenforschung (Stuttgart 1981), 27 ff.
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den römischen Expansion. Im Krieg gegen Hannibal erlitt das römische Bauerntum schreckliche Verluste. Es trug doppelt an der Last dieses Krieges: Aus seinen Massen rekrutierte sich das römische Heer, das in den verlorenen Schlachten ganze Armeen einbüßte, so etwa allein in der Schlacht von Cannae an die 70.000 Mann (Polyb. 3,117,4); andererseits wurde vom langen Krieg zwischen Hannibal und den Römern in Italien, in dem nach Appian (Libyke 134) 400 größere Siedlungen zerstört und Hunderttausende von Italikern getötet wurden, wiederum vor allem die italische Landbevölkerung getroffen. In den folgenden Kriegen, vor allem in den äußerst verlustreichen Feldzügen der Römer in Hispanien in der Mitte des 2. Jahrhunderts, brachte das Bauerntum weitere Blutopfer, und sein Niedergang zeigte sich schon durch die Schwierigkeiten bei der Rekrutierung des römischen Heeres während dieser Kriege sehr deutlich. Zu dieser erheblichen Schwächung der Landbevölkerung kam, dass auch jene Bauern, die Hannibals Krieg überlebten, nicht mehr in der Lage waren, die wirtschaftliche Basis für die frühere Stellung des führenden und mittleren Bauerntums wiederherzustellen. Die Fruchtbarkeit des Bodens in Italien hat zwar trotz der Verödung während der Jahre des Krieges gegen Hannibal nicht sonderlich gelitten, aber die Siedlungen und Geräte waren zerstört, das Vieh geschlachtet. Der Wiederaufbau erforderte Kapitalinvestition, die sich viele Bauern nicht leisten konnten. Außerdem dienten die besten Arbeitskräfte auch nach dem Abschluss des Zweiten Punischen Krieges in den Armeen, so dass den Bauernfamilien auch die geeigneten Arbeitskräfte oft fehlten. Zugleich taten die Grundbesitzer alles in ihrer Macht Stehende, um sich die Grundstücke der Bauern anzueignen. Die verlassenen Besitztümer auf dem ager publicus hatten sie gleich nach der Vertreibung Hannibals aus Italien besetzt. Da sie über das entsprechende Kapital verfügten, konnten sie andere Grundstücke aufkaufen und die nötigen Investitionen finanzieren. Es fehlte ihnen auch nicht an Arbeitskräften: Gerade infolge der Kriege gab es Massen billiger Sklaven, die noch viel leichter als freie Landarbeiter auszubeuten waren. Je stärker die wirtschaftliche Machtposition der Großgrundbesitzer war, desto hemmungsloser konnten sie auch widerspenstigen Bauern gegenüber vorgehen: Da auf dem ager publicus die Grundstücke grundsätzlich von dem besetzt werden konnten, der sie zu bebauen vermochte, war es den mächtigen und reichen Großgrundbesitzern ein Leichtes, die Bauern einfach zu vertreiben (vgl. Sall., Iug. 41,8).106 Schon zwei Generationen nach dem Sieg über Hannibal konnte Tiberius Sempronius Gracchus nur das Elend des einst wohlhabenden und starken Bauerntums feststellen (Plut., Ti. Gracchus 9,4): »Die Tiere in Italien haben ihre Behausung und ihr Lager und 106 Schicksal der Kleinbauern: A. J. Toynbee, Hannibal’s Legacy (Anm. 23), II 10 ff. und dazu P. A. Brunt, Italian Manpower (Anm. 23), 269 ff.; E. Gabba, Ktema 2, 1977, 269 ff.; K. Hopkins, Conquerors and Slaves. Sociological Studies in Roman History I (Cambridge 1978), 1 ff.; J. M. Frayn, Subsistence Farming in Roman Italy (London 1979); siehe noch Anm. 97. Vgl. J. K. Evans, Amer. Journ. of Ancient History 5, 1980, 19 ff. und 134 ff. Lohnarbeit neben Sklavenarbeit in der italischen Landwirtschaft: J. E. Skydsgaard, in: P. Garnsey (Ed.), Non-Slave Labour in the Greco-Roman World (Cambridge 1980), 65 ff.; vgl. W. Backhaus, in: Vom Elend der Handarbeit (Anm. 105), 93 ff.
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wissen, wo ihr Unterschlupf ist; den Männern, die im Kampf für Italien ihr Leben dransetzten, ist gerade Luft und Licht gegönnt, aber Haus und Hof versagt man ihnen und lässt sie mit Weib und Kind draußen herumirren … Sie haben keinen väterlichen Altar noch ein Grabmal, sondern sterben für fremden Luxus und Reichtum, angeblich die Herrscher der Welt, in Wirklichkeit nicht einmal Herr über eine eigene Erdscholle.« In der jüngeren Forschung wird allerdings, vor allem aufgrund archäologischer Beobachtungen zur Besiedlung des Landes in den beiden letzten Jahrhunderten der Republik, betont, dass wir keineswegs eine einheitliche Entwicklung in ganz Italien annehmen dürfen: In vielen Teilen der Halbinsel, selbst im südlichen Etrurien, blieben kleinbäuerliche Besitztümer bis in die Kaiserzeit erhalten.107 Der Trend war jedoch deutlich; erfasst wurde von ihm vor allem Unteritalien. Das alte Rezept für die Lösung der Agrarfrage, nämlich die Ansiedlung und Versorgung der Landlosen in Kolonien, war für die Massen der verelendeten Bauern kein Heilmittel und wurde um die Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. auch kaum mehr befolgt. Viele Bauern lebten davon, dass sie als Tagelöhner (mercennarii, operarii) Saisonarbeiten auf den Gütern der Reichen übernahmen (z. B. Cato, Agr. 145,1); ihr Schicksal war oft kaum besser als das der Sklaven. Breite bäuerliche Massen strömten jedoch in die Städte, vor allem nach Rom, um sich dort von Spenden und Gelegenheitsarbeiten zu ernähren und um jeden beliebigen Politiker zu unterstützen, der ihnen zu helfen bereit war. Dadurch wuchs das stadtrömische Proletariat zu einer zahlenmäßig recht starken Masse. Seine Bedeutung lag aber nicht allein in seiner Zahlenstärke, sondern in seiner potentiellen politischen Kraft. Die Zusammenrottung der »Habenichtse« in Rom war nichts anderes als die Konzentration von hochexplosivem politischem und sozialem Sprengstoff. Es handelte sich um eine Volksmasse, die sich ihrer schlimmen Lage völlig bewusst war, diese Lage unbedingt verändern wollte, durch ihre Konzentration in der Stadt keine Kommunikationsschwierigkeiten hatte, zu raschen Aktionen fähig war und im Besitz des römischen Bürgerrechtes in der Volksversammlung legal als politische Kraft auftreten konnte. Sie brauchte nur Führer, die ihre Ziele deutlich artikulieren konnten, durch ihre Machtstellung die Aussicht hatten, für die Verwirklichung dieser Ziele den Widerstand der Nobilität zu brechen, und die auch reich genug waren, einstweilen durch Spenden die schlimmste Not der Massen zu lindern und somit ihre Position als deren Führer abzusichern. Daraus ergab sich zwangsläufig, dass diese Führer nicht proletarische Revolutionäre sein konnten, sondern Mitglieder des Adels waren, die entweder als homines novi gegen die Macht der Oligarchie kämpften oder als führende nobiles aus der Aristokratie herausragten und mit ihrem eigenen sozialen Umfeld in Konflikt gerieten.
107 Archäologische Quellen für das Fortleben kleinbäuerlicher Besitztümer: T. W. Potter, The Changing Landscape of South Etruria (London 1979); A. Carandini – A. Settis, Schiavi e padroni nell’Etruria romana. La villa di Sette Finestre dallo scavo alla mostra (Bari 1979); D. W. Rathbone, JRS 71, 1981, 1 ff.
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Teilweise ähnliche Konflikte wie zwischen den römischen Bauern und den reichen Grundbesitzern bahnten sich nach dem Zweiten Punischen Krieg zwischen den italischen socii und den Machthabern in Rom an. Unter den Verwüstungen im Krieg gegen Hannibal hatte auch die nichtrömische Bevölkerung Italiens sehr schwer gelitten, vor allem im Süden der Halbinsel; dazu kam noch, wie vor allem im Falle von Capua, die Rache der siegreichen Römer an den Gemeinden, die von Rom abgefallen waren. Auch waren die socii den Römern zu militärischer Hilfeleistung verpflichtet und bluteten in den ständigen Kriegen des 2. Jahrhunderts v. Chr. ebenso aus wie das römische Bauerntum. Zugleich wurden sie von den Herrschenden in Rom auch noch als Nichtrömer diskriminiert. Gaius Sempronius Gracchus konnte sich auf geradezu unwahrscheinliche Fälle von Arroganz und Willkür berufen, mit denen römische Beamten sogar gegen die Angehörigen der lokalen Oberschicht einzelner Städte in Italien vorgingen (Gell., Noct. Att. 10,3,1 ff.). Die politischen Rechte des römischen Bürgers standen den socii nicht zu, so dass sie nicht einmal mit dem Schutz rechnen konnten wie ein römischer Proletarier in der Volksversammlung; im Krieg wurden sie bei der Verteilung der Beute benachteiligt, und die Strafmaßnahmen im Militärdienst waren gegen sie besonders hart und erniedrigend. Wirtschaftlich besser hatte es noch die italische Bevölkerung in den Städten, in denen viele Einwohner als Handwerker und Kaufleute ihr Auskommen finden konnten; dagegen teilte die Landbevölkerung häufig das Schicksal der römischen Bauern. Auch die verelendeten Massen der italischen Bauern strömten nach Rom, wo sie durch die Möglichkeiten in einer Großstadt auf eine gesicherte Existenz hofften. Aber als Nichtbürger, die sich in ihren heimatlichen Gemeinden als Rekruten für das römische Heer zu stellen hatten, wurden sie von den römischen Behörden mit Gewalt aus der Hauptstadt entfernt. Die Spannungen, die auf diese Art und Weise zustande kamen, trennten freilich nicht einfach Arm und Reich voneinander, da von der Diskriminierung auch die Oberschicht der socii betroffen war. Aber die Masse der Unzufriedenen wurde von der zahlenmäßig starken Schicht der armen Landbevölkerung gebildet, die ebenso politische Gleichberechtigung wie die Lösung sozialer Probleme anstrebte.108 Wiederum weitgehend ähnlich wie die Spannung zwischen den italischen Verbündeten und der römischen Führung waren die Konflikte, die in den Provinzen zwischen den Römern und der ortsansässigen Bevölkerung entstanden. In den Eroberungskriegen hatten die Einwohner von Hispanien, Africa, Makedonien, Griechenland und Kleinasien unvorstellbar zu leiden, vor allem gegen Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr., als die Römer, in einer krisenhaften Phase des römischen 108 Zur Lage der Italiker nach dem Zweiten Punischen Krieg siehe A. H. McDonald, JRS 34, 1944, 11 ff.; A. J. Toynbee, Hannibal’s Legacy (Anm. 23), II 106 ff.; H. Galsterer, Herrschaft und Verwaltung (Anm. 53), 152 ff.; V. Ilari, Gli Italici nelle strutture militari romane (Milano 1974); F. Sartori, in: La Magna Grecia nell’età romana. Atti del XV Convegno di studi sulla Magna Grecia, Taranto 195 (Napoli 1976), 83 ff. = in: ders., Dall’Italía all’Italia I (Padova 1993), 425 ff.; M. Jehne – R. Pfeilschifter (Hrsg.), Herrschaft ohne Integration? Rom und Italien in republikanischer Zeit (Anm. 53).
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Imperialismus, mit ganz besonderer Brutalität vorgingen: Städte wie Karthago oder Korinthos wurden dem Erdboden gleichgemacht, Massen von Gefangenen niedergemetzelt oder als Sklaven verkauft, und wer mit der Zahlung von Lösegeld davonkam, konnte sich noch glücklich preisen. Aber selbst in Friedenszeiten war die Lage der Provinzialen häufig katastrophal. Die Statthalter aus der senatorischen Aristokratie und die publicani aus dem Kreis der Neureichen betrachteten die Provinzen in der Regel als reine Ausbeutungsquellen für private Zwecke und benahmen sich oft nicht weniger brutal als in den Kriegen, »verwaltet« wurden die Provinzen so gut wie gar nicht.109 Die Folge war der Widerstand der Unterworfenen, der vor allem in Hispanien und in Griechenland immer wieder aufflammte. Auch dieser Widerstand war keineswegs die Bewegung einer homogenen sozialen Schicht, da an ihm auch die Oberschicht der Provinzen beteiligt war, die nach politischer Unabhängigkeit oder zumindest nach Aufhebung der hemmungslosen politischen Unterdrückung strebte. Aber auch in den Provinzen lag der Druck der römischen Herrschaft vor allem auf den Massen der ärmeren Bevölkerungsschichten, für die der Widerstand gegen Rom als die einzige Möglichkeit für die Lösung sozialer Probleme erschien; so wurden sie die Hauptträger des Widerstandes. Viriatus, der Führer des Freiheitskampfes gegen Rom in Hispanien, war bezeichnenderweise ein ehemaliger Hirte (Liv., Epit. 52). In Griechenland, wo die sozialen Hintergründe der romfeindlichen Bewegungen und Aufstände am deutlichsten zu ermitteln sind, waren es zunächst die Angehörigen der Oberschichten, die, nach der Freiheitserklärung Roms an Griechenland im Jahre 196 v. Chr. sehr bald tief enttäuscht, den Widerstand gegen Rom schürten; aber seit dem Dritten Makedonischen Krieg verlagerte sich die Initiative auf die niedrigen sozialen Schichten, während sich die führenden Kreise mit der römischen Herrschaft mehr und mehr abfanden.110 Keine andere Gesellschaftsschicht befand sich jedoch im 2. Jahrhundert v. Chr. in einer so schlechten Lage wie die Massen der Sklaven insbesondere auf dem Lande. Die Bedeutung der Sklaverei für die römische Gesellschaft stieg seit dem Zweiten Punischen Krieg innerhalb kürzester Zeit sehr stark, und zwar deshalb, weil gleichzeitig sowohl der Bedarf als auch das Angebot dieser rentablen Arbeitskräfte plötzlich wuchsen.111 Die Großgrundbesitzer brauchten für ihre größer werdenden und 109 W. Dahlheim, Gewalt und Herrschaft. Das provinziale Herrschaftssystem der römischen Republik (Berlin – New York 1977); R. Schulz, Herrschaft und Regierung: Roms Regiment in den Provinzen in der Zeit der Republik (Paderborn 1997); vgl. auch G. Wesch-Klein, Provincia. Okkupation und Verwaltung des Imperium Romanum von der Inbesitznahme Siziliens bis auf Diokletian (Berlin usw. 2008). 110 J. Deininger, Der politische Widerstand gegen Rom in Griechenland 217–86 v. Chr. (Berlin – New York 1971), zum sozialen Hintergrund ebd. 263 ff. Rom und die Griechen: T. Bernhardt, Imperium und Eleutheria. Die römische Politik gegenüber den freien Städten des griechischen Ostens (Hamburg 1972). Zu den inneren Verhältnissen in der griechischen Welt in der Späten Republik siehe S. Schlichting, Cicero und die griechische Gesellschaft seiner Zeit (Berlin 1975). 111 Über die Sklaverei in der Späten Republik zusammenfassend W. L. Westermann, The Slave Systems of Greek and Roman Antiquity (Philadelphia 1955), 57 ff.; E. M. Schtajerman, Die Blütezeit der
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auf Plantagenwirtschaft umgestellten Güter Massen billiger Arbeiter. Da das Bauerntum in den Kriegen sehr große Verluste erlitten hatte, waren sie nicht im Kreis der ortsansässigen Bevölkerung zu finden, umso weniger, als die Bauern in ihren besten Jahren für den Militärdienst herangezogen werden mussten.112 Dafür boten sich die Sklaven an, die als völlig Rechtlose noch viel stärker als die Bauern ausgebeutet werden konnten, nicht für den Militärdienst freigegeben werden mussten und gerade in den Jahrzehnten, die auf den Zweiten Punischen Krieg folgten, durch die Versklavung zahlloser Kriegsgefangener massenhaft und sehr billig zu bekommen waren. Nach jedem römischen Feldzug in diesem Zeitraum gelangten ganze Scharen fremder Sklaven nach Italien. Mit welchen Sklavenmassen die römische Wirtschaft zu tun hatte, geht aus einer Auswahl der wichtigsten Angaben hervor, die in der antiken Literatur für die Zahl der versklavten Gefangenen in einzelnen Feldzügen überliefert sind: 30.000 in Tarentum im Jahre 209, 8.000 in Africa im Jahre 204, 5.632 in Istrien im Jahre 177, wohl an die 40.000 auf Sardinia im Jahre 174, 150.000 in Epirus im Jahre 167, wohl mindestens 50.000 in Karthago im Jahre 146 v. Chr.113 Zu diesen Bezugsquellen für Unfreie kamen die Geburten in den Sklavenfamilien, ferner, anscheinend als wichtigste Quelle für die Beschaffung von Sklavenmassen, der Handel mit Sklaven im Osten, die dort durch Kriege zwischen den hellenistischen Staaten oder durch Raub zu erwerben waren und auf die großen Sklavenmärkte verschickt wurden – wie etwa nach Delos, wo, wie später Strabo berichtete (14,5,2), täglich sogar 10.000 Sklaven verkauft werden konnten, meist nach Italien. Die Preise lagen im 2. Jahrhundert v. Chr. vielleicht um 300–500 Denare (1.200–2.000 Sesterzen) im Durchschnitt.114 Die Bedeutung der Sklaverei nahm also seit der Wende vom 3. zum 2. Jahrhundert v. Chr. rasch zu. Schon in den Komödien des Plautus und seines jüngeren Zeitgenossen Terentius (der selbst ein ehemaliger Sklave aus Africa war) erscheinen die Sklaven als Figuren, die ganz selbstverständlich in das soziale Milieu Roms hineingehörten und verschiedene Berufe ausübten.115 Die römische Wirtschaft nahm sie in ihren verschiedenen Bereichen stark in Anspruch, auch wenn die Sklavenar-
Sklavenwirtschaft in der römischen Republik (Wiesbaden 1969). Siehe noch bes. W. Hofmann, Dialoghi di Arch. 4/5, 1971, 498 ff.; K. Hopkins, Conquerors and Slaves (Anm. 106), 99 ff.; F. De Martino, Storia economica di Roma (Anm. 17), I 69 ff. 112 Siehe Plut., Ti. Gracchus 8,1 ff. und App., B. civ. 1,29 ff. 113 Tarentum: Liv. 27,16,7. Afrika: Liv. 29,29,3. Istrien: Liv. 41,11,8. Sardinien: Liv. 41,28,8, (80.000 Personen teils getötet, teils versklavt). Epirus: Polyb. 30,15 und Liv. 45,34,5 f. Karthago: App., Libyke 130. Vollständigere Listen mit Analyse bei H. Volkmann, Die Massenversklavungen (Anm. 83); A. J. Toynbee, Hannibal’s Legacy (Anm. 23), II 171 ff.; E. M. Schtajerman, Die Blütezeit der Sklavenwirtschaft in der römischen Republik (Anm. 111), 43 f. 114 T. Frank, An Economic Survey I (Anm. 43), 194 f. und 200. Über den Sklavenhandel siehe W. V. Harris, in: J. H. D’Arms – E. C. Kopff (Eds.), The Seaborne Commerce of Ancient Rome (Rome 1980), 117 ff. (auch für die Kaiserzeit). 115 P. P. Spranger, Historische Untersuchungen zu den Sklavenfiguren des Plautus und Terenz (Wiesbaden 1961).
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beit weder in dieser noch sonst in einer Epoche der römischen Geschichte die freien Arbeitskräfte voll ersetzte.116 Auf den Plantagen der reichen Gutsherren in Italien leisteten die gewöhnlich kasernierten Sklaven einen beträchtlichen Teil der Produktionsarbeit.117 Cato ging von der Praxis aus, auf einer normalen Olivenplantage von 240 iugera (60 Hektar) 13 Sklaven, auf einem normal großen Weinberg von 100 iugera (25 Hektar) 16 Sklaven zu beschäftigen.118 Gaius Sempronius Gracchus hat aufgezeichnet, dass sein älterer Bruder Tiberius zu seinen Reformbestrebungen während einer Reise durch Etrurien im Jahre 137 v. Chr. animiert wurde, als er gesehen haben soll, dass die Bauern überall verschwunden und die Landarbeiter und Hirten Sklaven fremder Herkunft waren (Plut., Ti. Gracchus 8,4). Viele Unfreie wurden in den Bergwerken eingesetzt, so allein in den hispanischen Silberbergwerken um Carthago Nova 40.000 Mann zu den Zeiten des Polybios (34,9,8 f.). Auf Catos Gut waren die Sklaven auch im Handwerk beschäftigt, und wie wir von Plautus, ferner von Stempeln auf Keramik aus der Stadt Cales oder auf Ziegeln aus Etrurien erfahren, gab es in den städtischen Zentren unter den spezialisierten Handwerkern neben Freien und Freigelassenen auch Sklaven. In den Städten und in den Villen der Großgrundbesitzer lebten freilich auch Sklaven, die geistige Berufe ausübten, so etwa Pädagogen wie auch in Catos Haus (Plut., Cato 20,5), ferner Diener und Luxussklaven. In einem derartigen System brutaler Ausbeutung mussten die patriarchalen Züge der früheren römischen Sklaverei verschwinden. Die Sklaven waren in der Regel nicht mehr in den Familienverband eingegliedert wie früher, sondern sind eine von den übrigen Schichten der Gesellschaft durch Rechtlosigkeit, Härte der Ausbeutung und Verachtung deutlich getrennte soziale Schicht geworden. Schon für die Haltung Catos den Sklaven gegenüber war kennzeichnend, dass er sie ebenso zum Mobiliar eines Gutes zählte wie das Vieh oder die Geräte (Agr. 10,1 ff.). Das war schon die gleiche Auffassung, wie sie ein Jahrhundert später bei Varro dokumentiert wurde, der die Sklaven als instrumenti genus vocale definierte (De re rust. 1,17,1). Homogen war die Masse der Sklaven allerdings keineswegs. Die städtischen Sklaven verfügten in der Regel über eine günstigere soziale Stellung als diejenigen auf den Landgütern und in den Bergwerken, vor allem deshalb, weil sie in ihren häufig spezialisierten Berufen durch brutale Behandlung keineswegs zu besseren Arbeitsleistungen anzuspornen gewesen wären. Gerade um sie zu besseren Leistungen zu animieren, wurde ihnen häufig die Freilassung in Aussicht gestellt; die Massen der Freigelassenen in Rom und in den Städten überhaupt waren hauptsächlich ehemalige städtische Sklaven. Aber für die Sklaven auf den Plantagen und in den Bergwerken war von einer humanen Behandlung kaum etwas zu spüren. Cato hielt seine 116 Sklaven in der Wirtschaft: W. L. Westermann, The Slave Systems (Anm. 111), 69 ff.; E. M. Schtajerman, Die Blütezeit der Sklavenwirtschaft (Anm. 111), 71 ff. 117 Zu den Sklavenkasernen siehe R. Étienne, in: Actes du Colloque 1972 sur l’esclavage (Besançon – Paris 1974), 249 ff. 118 Cato, Agr. 10,1 ff. Zur Sklaverei bei Cato vgl. die Literatur in Anm. 98.
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Sklaven in strenger Zucht und ließ sie schon bei kleinen Versäumnissen auspeitschen (Plut., Cato 21,2 ff.); er ließ sie niemals unbeschäftigt, weder bei schlechtem Wetter noch an Feiertagen; sie mussten in den Weinbergen aneinandergekettet arbeiten; erkrankten Sklaven gab er keine volle Lebensmittelration; durch Krankheit oder Alter arbeitsunfähige Sklaven verkaufte er weiter (Agr. 2,1 ff., 56 und 57), und von ihrer Freilassung wollte er nichts wissen. Weitere Brutalitäten, bis zur Folterung und Kreuzigung,119 haben das Leiden noch weiter gesteigert. Freilich wurden selbst auf den Landgütern keineswegs alle Sklaven gleichermaßen schlecht behandelt; es gab dort innerhalb der Sklavenschicht eine gewisse Hierarchie, die vom Gutsverwalter (vilicus) über Aufseher und spezialisierte Arbeitskräfte zu den gefesselten einfachen Landarbeitern reichte. Aber im Ganzen gesehen war die Behandlung der Sklaven in der späteren Republik so schlecht wie weder früher noch später in der Geschichte Roms. Die hemmungslose Ausbeutung der immer wieder durch Handel und durch neue Kriegsgefangene ersetzbaren Sklavenscharen unter diesen besonders brutalen Bedingungen führte zu Konflikten, in denen die Mächtigsten und Stärksten der römischen Gesellschaft und die am ehesten unterdrückten Massen einander gegenüber standen. Der Hass der Sklaven, von denen viele vor ihrer Gefangennahme freie und selbstbewusste Bürger anderer Staaten gewesen waren, konnte den Herren nicht verborgen bleiben; Cato etwa war sehr bestrebt, zwischen seinen Sklaven Zwist zu säen, da er vor ihrer Einigkeit Angst hatte (Plut., Cato 21,4). Durch die Stärke des römischen Staates waren die Möglichkeiten für den Widerstand der Sklaven gegen ihre Herren natürlich äußerst gering. Ungehorsam wurde sofort strengstens bestraft. Von einem Gut zu fliehen war schwierig und führte auf die Dauer kaum zu Erfolg. Dass Plautus und auch Cato (Agr. 2,2) die Flucht von Sklaven trotzdem erwähnen, zeugt nur vom aussichtslosen Schicksal derjenigen, die sie wagten. Noch schwieriger war der offene Aufstand gegen die Sklavenhalter. Abgesehen von der strengen Kontrolle und der Fesselung der Sklaven auf vielen Gütern gab es dort auch kaum Kommunikationsmöglichkeiten, die für die Vorbereitung einer Massenbewegung erforderlich gewesen wären; in den Städten, in denen diese Möglichkeiten eher vorhanden waren, war die Lage der Sklaven besser und gab zu offenen Revolten kaum Anlass. Abgesehen von einzelnen Spezialgruppen der Sklaven wie später von den Gladiatoren um Spartacus gab es nur eine Gruppe von Sklaven, die zur Entfesselung eines bewaffneten Aufstandes überhaupt in der Lage war: die Hirten, die nicht so streng wie Arbeiter auf den Gütern kontrolliert und in ihrer Bewegungsfreiheit beeinträchtigt werden konnten, aber durch schlechte Behandlung und harte Arbeitsbedingungen mit ihrem Schicksal ebenso unzufrieden waren wie die Sklaven auf den Olivenplantagen und Weinbergen. Ob eine coniuratio servorum in Etrurien im Jahre 198 v. Chr., gegen die eine ganze römische Legion eingesetzt werden musste (Liv. 33,36, 1 ff.), von Hirten ausging, ist nicht ausdrücklich bezeugt, aber durchaus 119 Plaut., Amphitr. 280, und Mil. glor. 372 f.
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denkbar. Jener magnus motus servilis jedoch, der in den Jahren 185–184 v. Chr. in Apulien einen Bandenkrieg entfachte und mit der Verurteilung von 7.000 Teilnehmern endete, war nach Livius eine pastorum coniuratio.120 Der Weg, der zu den großen Sklavenaufständen auf Sizilien führte, war damit vorgezeichnet. Der Weg in die Krise Aus dem Überblick über die Situation der einzelnen Schichten der römischen Gesellschaft zwischen dem Zweiten Punischen Krieg und der Gracchenzeit geht hervor, dass der rasche Wandel der wirtschaftlichen und sozialen Strukturen in diesem kurzen Zeitabschnitt nicht nur eine Umschichtung bewirkte, indem einzelne soziale Schichten erheblich verstärkt, andere geschwächt wurden und wiederum andere sich erstmals herausbildeten: Der Wandel in der Geschichte jeder einzelnen sozialen Schicht führte zugleich zur Entstehung oder Verschärfung sozialer Spannungen und Konflikte. Die Gegensätze zwischen führenden Familien der Nobilität waren nicht mehr einfach harmlose Rivalitäten zwischen einzelnen Geschlechtern innerhalb eines konsolidierten aristokratischen Herrschaftssystems. Die Gegensätze zwischen der Nobilität und sozialen Aufsteigern im Senat, aber auch zwischen der Oligarchie und den Neureichen aus dem Ritterstand, beschworen weitere Konflikte innerhalb der führenden Schichten herauf. Die Verelendung der römischen Bauern und die Herausbildung proletarischer Massen in Rom schufen einen weiteren, sehr gefährlichen Konfliktstoff und zugleich eine Massenbasis für Umsturzversuche. Die vielfach nicht nur politisch, sondern auch sozial motivierten Spannungen zwischen den Herrschenden in Rom und ihren italischen Verbündeten, ferner zwischen den Nutznießern der römischen Herrschaft und der unterdrückten Bevölkerung der Provinzen komplizierten die Lage weiter. Im Hass der Sklavenmassen gegen ihre Herren schließlich lag eine Bedrohung für das gesamte römische Herrschaftssystem. Rom ist zwar innerhalb sehr kurzer Zeit ein Weltreich geworden, für seine Gesellschaft vollzog sich dieser Wandel jedoch zu schnell, und sie war unfähig, die Auswirkungen des raschen Wandels in Ruhe zu verarbeiten. Die blendenden Siege der römischen Armeen im Westen und im Osten konnten jedenfalls nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Tiefe der römischen Gesellschaft eine Krise heranreifte, die alle Erfolge Roms in Frage zu stellen drohte. Die ersten Alarmzeichen, so etwa der Konflikt zwischen den Scipionen und der übrigen Nobilität, die Schwächen Roms in den Kriegen in Hispanien in der Mitte des 2. Jahrhunderts, der immer wieder brodelnde Widerstand gegen Rom bei den Massen in Griechenland oder der Hirtenaufstand in Apulien, ließen zwar die vielfältige Natur der kommenden Krise noch nicht erkennen. Aber sie zeigten, dass eine Reihe neuartiger Probleme vorhanden war und dass die Verhältnisse der Gesellschaft sich völlig anders gestalteten als etwa in der
120 Liv. 39,29,8 f. und 39,41,6 f.
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entscheidenden Phase der Auseinandersetzung zwischen Patriziern und Plebejern um die Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. Weiter verschärft wurde die Lage dadurch, dass das soziale Gliederungssystem zumindest partiell nur wenig durchlässig war. Für die Angehörigen einiger sozialer Schichten standen zwar Möglichkeiten der sozialen Mobilität offen: Städtische Sklaven wurden häufig freigelassen, die Freigelassenen konnten den Aufstieg in eine Handwerker- und Kaufmannsschicht erreichen, geschickte Kaufleute und Unternehmer konnten riesige Vermögen ansammeln und als Ritter in den zweiten Stand der römischen Gesellschaft vordringen, reiche Ritter konnten senatorische Ämter erhalten und somit als homines novi in die Senatsaristokratie eintreten. Das bedeutete freilich keineswegs, dass diese Schichten von sozialen Konflikten unberührt blieben, aber es ist bezeichnend, dass in den heftigen Kämpfen, die seit den dreißiger Jahren des 2. Jahrhunderts v. Chr. aufflammten, sie sich noch am ruhigsten verhielten. So schlossen sich die Sklaven der Städte den großen Sklavenbewegungen auf dem Lande im Allgemeinen nicht an, Kaufleute und Handwerker bildeten in der Regel keine umstürzlerischen Gruppen, und die Politisierung des Ritterstandes hielt sich in Grenzen. Aber die Möglichkeiten der sozialen Mobilität waren ganz einseitig auf die Gesellschaft der Städte und auch dort vor allem auf die Schichten beschränkt, die aus der handwerklichen Produktion, dem Handel und der Geldwirtschaft Nutzen ziehen konnten. Ganz anders war die Lage auf dem Lande und bei den an der wirtschaftlichen Produktion nicht beteiligten proletarischen Massen Roms. Für die Sklaven auf den Gütern und auch in den Bergwerken gab es kaum Aussicht auf die Freilassung, für die verelendeten römischen Bauern und Proletarier kaum Aussicht auf eine bessere Existenz, für die Massen der italischen Bevölkerung und der Provinzeinwohner kaum Aussicht auf die Gleichstellung mit den Römern durch Erlangung des Bürgerrechtes. Zu all dem kam noch die Weigerung der Nobilität, dem gewöhnlichen Senator und dem homo novus zu den wichtigsten Ämtern und damit zur wirklichen Macht Zutritt zu gewähren. Auch in dieser Hinsicht war also die Lage am Vorabend der großen Umwälzungen seit den Gracchen ganz anders als in der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. Damals haben sich die Tore der Macht für die emporstrebenden »neuen Männer« in der römischen Gesellschaft weit geöffnet, im 2. Jahrhundert v. Chr. jedoch kaum, und jetzt kam noch hinzu, dass der soziale Aufstieg, die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage und die politische Gleichstellung breiten Massen verweigert wurden. Völlig neu war die Lage schließlich insofern, als die römische Gesellschaft seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. auch nicht mehr über die unzerreißbaren Bande verfügte, die die einander gegenüberstehenden sozialen Schichten hätten fest zusammenhalten können. Diese Bande ergaben sich früher einerseits aus dem stabilen politischen System mit den senatorischen Magistraturen, dem Senat und der Volksversammlung, das die uneingeschränkte Herrschaft des Adels garantieren konnte, umso mehr, als dieser in den Bauern zumindest für seine außenpolitischen Ziele Bündnispartner fand. Andererseits war der Zusammenhalt der römischen Gesellschaft früher durch
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die Normen garantiert, die auf einer vom traditionsbewussten Adel geprägten Religion und Ethik basierten und die Verhaltensweisen der Massen der Bürger, und ganz selbstverständlich des Adels, entsprechend den Regeln des mos maiorum bestimmten. Seit dem Zweiten Punischen Krieg und der anschließenden Expansion Roms im Mittelmeerraum haben sich diese Bande erheblich gelockert und drohten nun zu reißen. Nachdem die Aristokratie sich nicht mehr wie im Zeitalter der beiden ersten Punischen Kriege auf die Masse des Bauerntums stützen konnte, geriet das frühere politische System ins Schwanken und nicht zuletzt in eine moralische Krise. Sallust (Iug. 41,5) hat für diesen moralischen Wandel treffliche Worte gefunden: coepere nobilitas dignitatem, populus libertatem in lubidinem vortere, sibi quisque ducere, trahere, rapere. Zugleich erwies sich das alte politische System im Zeitalter der Expansion auch als völlig anachronistisch. Rom besaß noch immer ein Herrschaftsund Regierungssystem, das ursprünglich für einen Stadtstaat entworfen worden war und nun in einer kaum veränderten Form ein Weltreich hätte zusammenhalten sollen. Das war auf Dauer unmöglich. Vor allem die offensichtlichen Mängel in der Verwaltung der Provinzen, die eigentlich gar nicht verwaltet, sondern nur ausgeplündert wurden, zeigten dieses Defizit deutlich. Auch die geistigen Grundlagen des römischen Staates wurden immer mehr erschüttert. Nicht nur Hannibal, sondern auch die besiegten Griechen übten »späte Rache« an Rom, indem die römische Expansion und vor allem der geistige Einfluss des unterworfenen Griechentums zwangsläufig zum Zerfall der alten Normen führen mussten. Sallust hat diesen Vorgang überaus deutlich erkannt (Cat. 10,2 ff.): »Denselben Männern, die Strapazen, Gefahren, bedenkliche und schwierige Lagen leicht ertragen hatten, wurden Ruhe und Reichtum, sonst wünschenswerte Güter, zur Last und zum Verhängnis. So wuchs zuerst das Verlangen nach Geld, dann nach Macht: Dies war gewissermaßen die Wurzel allen Übels. Denn die Habsucht untergrub Treue, Redlichkeit und die übrigen guten Eigenschaften; dafür lehrte sie Hochmut und Grausamkeit, lehrte die Götter missachten und alles für käuflich halten.« Altrömische Wertvorstellungen über Pflichterfüllung, Treue, Gerechtigkeit oder Großzügigkeit, die unter den Verhältnissen einer archaischen Gesellschaftsordnung entstanden waren, mussten in einer Epoche der Errichtung der Weltherrschaft und der starken Umschichtung der römischen Gesellschaft als überholt erscheinen. Zugleich begegnete Rom in den eroberten Ländern, vor allem in Griechenland, religiösen und philosophischen Ideen mit einem Inhalt, der dem mos maiorum vielfach widersprach. Für die meisten sozialen Schichten der umgewandelten Gesellschaft bedeutete der mos maiorum von vornherein so gut wie nichts, nämlich vielen kommerziell denkenden Neureichen, den verzweifelten Proletariern, geschweige denn der unterdrückten Bevölkerung in Italien und in den Provinzen und vor allem den Sklaven, von denen viele fremder Herkunft waren und von den Römern höchstens zu Gehorsam erzogen wurden. Aber die eigentliche »Rache der Besiegten« lag darin, dass die für Rom gefährlichste neue geistige Strömung, die griechische Philosophie, gerade bei der sozialen Schicht die meisten Sympathien fand, die
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der Hüter des mos maiorum hätte sein sollen, nämlich bei einzelnen Gruppen der herrschenden Aristokratie, vor allem im Kreis um die Scipionen.121 Für die Offenheit derartigen geistigen Strömungen gegenüber waren ein Bildungsstand und eine Welterfahrung erforderlich, die nur in solchen Kreisen vorhanden waren, und die griechische Philosophie erschien den aufgeschlossenen Aristokraten durchaus nicht als eine ideologische Gefahr, sondern als eine Möglichkeit, den Anspruch auf die Weltherrschaft und auf die eigene soziale Führungsposition durch ein ideologisches System zu legitimieren, das den neuen Zeiten adäquat war. Aber die Wirkung dieser Einflüsse lag zunächst darin, dass sie die traditionellen moralischen Vorstellungen und damit die traditionelle Ordnung der römischen Gesellschaft erschütterten. Jene sozialen Konflikte, die seinerzeit das Ende der archaischen Gesellschaftsordnung in Rom vorbereitet hatten, konnten seit den licinisch-sextischen Gesetzen durch Reformmaßnahmen gelöst werden. Jetzt war die Lage anders. Damals hatte die Expansion in Italien eine Möglichkeit geboten, die sozialen Probleme der unteren Bevölkerungsschichten auf Kosten anderer zu lösen; jetzt wurde die Expansion im Mittelmeerraum zu einer Quelle sozialer Spannungen auch innerhalb der römischen Gesellschaft. Damals bewirkten die gemeinsamen Interessen der Aristokratie und der verschiedenen Gruppen der Plebs auch eine starke Reformbereitschaft der maßgebenden Kreise; jetzt waren die meisten Herrschenden zu keinen Reformen zugunsten der benachteiligten und unterdrückten sozialen Schichten bereit. Zur Lösung schwerwiegender sozialer Probleme, wie etwa zur Verbesserung der Lage der Sklaven oder zur Integration der Italiker in das politische System, wurden nicht einmal Versuche unternommen, da sie den Interessen der führenden Schichten Roms widersprochen hätten. Andere Probleme wurden als solche erkannt, und es kam auch zu einigen Versuchen, sie zu entschärfen; jedoch zielten diese Versuche in der Regel nur auf eine Rückkehr zu den früheren Zuständen, die unter den gegebenen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Voraussetzungen unmöglich war, außerdem fehlte es ihnen auch an Konsequenz und Durchschlagkraft, oder aber sie hatten unbeabsichtigte, fatale Folgen. Nichts war für die Kurzsichtigkeit vieler maßgebender Personen in der römischen Führungsschicht des 2. Jahrhunderts so charakteristisch wie die Haltung des Marcus Porcius Cato. Auf der einen Seite strebte er mit allen Mitteln die Umstellung der Führungsschicht auf die neuen Wirtschaftsformen mit Plantagen- und Sklavenwirtschaft, Investitionen und Profitmacherei an. Auf der anderen Seite beharrte er auf altrömischen Tugenden, unter anderem ausgerechnet auf Sparsamkeit und Maß haltender Lebensart, und hielt die griechische Philosophie, aber auch andere Errungenschaften des griechischen Geistes wie z. B. die wissenschaftliche Medizin, für unvereinbar mit römischen Idealen. Auf der Basis einer derartigen widersprüchlichen Haltung war die Lösung auch nur einiger Probleme der römischen Gesellschaft durch Reformgesetzgebung unmöglich. Gesetzliche Maßnahmen, die 121 Vgl. S. 68 mit Anm. 100.
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den sozialen Entwicklungsprozess nur hindern wollten, verfehlten ihr Ziel. Wohl konnte ein Senatsbeschluss 186 v. Chr. gegen die Bacchusverehrer in Rom und in Italien die Ausübung orgiastischer Kulte unterbinden,122 aber den Zerfall des mos maiorum als Bezugssystem für die römische Gesellschaft vermochte er nicht aufzuhalten. Catos Maßnahmen gegen den Luxus während seiner berühmten Zensur im Jahre 184 v. Chr. trafen ebenso wenig die wirklichen Probleme wie die wiederholten Gesetze im 2. Jahrhundert gegen aufwendige Lebensart. Die lex Villia annalis, die 180 v. Chr. durch die Regelung der senatorischen Laufbahn den raschen Aufstieg einzelner hervorragender Persönlichkeiten aus der Oligarchie, wie den des älteren Scipio, verhindern wollte, wurde von Scipio Aemilianus schon eine Generation später missachtet. Auch die Erinnerung an die licinisch-sextischen Gesetze zum Schutz der Bauern gegen die Großgrundbesitzer nützte nichts, da sich niemand daran hielt; Gaius Laelius (Konsul 140 v. Chr.), der zugunsten der Armen ernsthafte Reformmaßnahmen erwog, wagte sie nicht einmal zu versuchen (Plut., Ti. Gracchus 8,7). Nur ein einziges Gesetz aus dem 2. Jahrhundert vor der gracchischen Bewegung hatte sehr weit reichende Folgen, allerdings ohne dies beabsichtigt zu haben. Durch die lex Calpurnia de repetundis wurden im Jahre 149 v. Chr. ständige Kommissionen für die Untersuchung der Übergriffe römischer Magistrate und somit grundsätzlich auch zum Schutz der Provinzbevölkerung eingerichtet. Während jedoch diese Untersuchungskommissionen der Gewalt und Erpressung in den Provinzen keineswegs ein Ende bereiteten, wurden sie zu einem geeigneten Schauplatz für Intrigen und Gruppenkämpfe innerhalb der Führungsschicht und untergruben die bestehende Ordnung weiter. So steuerte die römische Gesellschaft unaufhaltsam auf eine Krise zu, die letztlich nur durch Gewalt auszutragen war. Diese Gewaltanwendung vollzog sich freilich nach den eigenen Gesetzen, die sich aus der Struktur der Krise ergaben. Die unterschiedliche Natur der einzelnen Konflikte aufgrund einer Vielfalt sozialer und politischer Probleme, die unterschiedlichen Interessen der einzelnen gesellschaftlichen Schichten und schließlich auch die vielfältigen Bindungen zwischen einzelnen Schichten und Gruppen machten eine allgemeine, mehr oder weniger homogene revolutionäre Bewegung unmöglich. Die Struktur der Krise führte im Gegenteil dazu, dass sie in einer Reihe von parallel laufenden, aber nicht von vornherein ineinander greifenden blutigen sozialen und politischen Konflikten ausgetragen wurde, die im Endeffekt nur den überholten politischen Rahmen der Gesellschaftsordnung, nämlich die Republik, vernichteten, das Sozialgefüge selbst jedoch nur korrigierten und keineswegs in seinen Grundlagen veränderten. Die Sklavenkriege waren echte soziale Bewegungen, verfolgten jedoch Ziele, die nicht den Interessen weiterer benachteiligter sozialer Schichten, ja nicht einmal den Interessen der städtischen Skla122 W. Nippel, Orgien, Ritualmorde und Verschwörung. Die Bacchanalienprozesse des Jahres 186 v. Chr, in: U. Manthe – J. von Ungern-Sternberg (Hrsg.), Große Prozesse der römischen Antike (München 1997), 65 ff.
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ven, entsprachen; so waren sie zum Scheitern verurteilt. Die unterdrückte Bevölkerung der Provinzen erblickte ihren Gegner im römischen Herrschaftssystem selbst, konnte sich dagegen jedoch kaum anders als mit auswärtiger Hilfe auflehnen wie die Griechen mit Unterstützung des pontischen Königs Mithridates, aber auch ohne dauerhaften Erfolg, zumal die Oberschicht der Provinzen immer mehr eine Stütze der römischen Herrschaft geworden war, die ihre Vormachtstellung in der lokalen Gesellschaft absicherte. Siegreich war nur der Aufstand der Italiker gegen Rom, aber auch nur mit dem Effekt, dass er die römische Herrschaft nicht vernichtete, sondern durch die Integration der italischen Oberschicht in die führenden Stände der römischen Gesellschaft nur weiter stärkte. Die entscheidenden Konflikte der Republik wurden vielmehr zwischen den Machthabern mit einem gut organisierten und selbstbewussten bewaffneten Anhang ausgetragen: zwischen der Oligarchie, die sich durch ihre Machtposition und ihre vielfältigen sozialen Beziehungen auf eine breite Anhängerschaft stützen konnte, und einzelnen Adligen mit eigenen politischen Zielen, die als Sprecher der proletarischen Masse auftraten und diese ebenso wie starke Armeen auf ihrer Seite wussten. Nur diese Konflikte hatten die Chance, die bestehende Sozialordnung in ihren Grundlagen zu verändern. Aber selbst die »fortschrittlichen« Kräfte gegen die Oligarchie strebten höchstens Korrekturen der bestehenden Gesellschaftsordnung und nicht ihre Abschaffung an, und der Inhalt der daraus entstandenen bewaffneten Konflikte verlagerte sich von den sozialen Problemen immer stärker auf die Frage, wem soll die politischen Macht zufallen. In den daraus resultierenden Bürgerkriegen standen nicht mehr soziale Schichten und Gruppen, sondern politische Gruppierungen und reguläre Armeen einzelner führender Politiker einander gegenüber. Was erreicht wurde, war der Untergang des republikanischen Staates, nach den Worten des Sallust (Iug. 41,5): res publica, quae media fuerat, dilacerata.
IV. Die Krise der Republik und die römische G esellschaft
Die Konflikte in der römischen Gesellschaft während der Späten Republik
D
ie Krise, die in der römischen Gesellschaft durch den rasch vollzogenen Strukturwandel seit dem Zweiten Punischen Krieg heraufbeschworen wurde, erreichte nach der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. eine Phase, in der der Ausbruch offener Konflikte nicht mehr zu vermeiden war. Die Verschärfung der Gegensätze innerhalb des römischen Sozialgefüges einerseits und die immer deutlicheren Schwächen des republikanischen Herrschaftssystems andererseits hatten zur Folge, dass die sozialen und politischen Kämpfe plötzlich aufloderten. Die Geschichte der letzten hundert Jahre der Römischen Republik, vom Ausbruch des ersten sizilischen Sklavenaufstandes im Jahre 135 und vom ersten Volkstribunat des Tiberius Sempronius Gracchus im Jahre 133 bis zum Ende der Bürgerkriege im Jahre 30 v. Chr., ist von diesen immer wieder aufflammenden, leidenschaftlich, brutal und immer blutiger ausgetragenen Konflikten überschattet,123 die das römische Staatswesen zerrütteten und im Gesellschaftssystem Änderungen herbeiführten.124 Dementsprechend wird
123 Zur Geschichte der Späten Republik siehe aus der neueren Literatur insbesondere M. Crawford – M. Beard (Eds.), Rome in the Late Republic. Problems and Interpretations (Oxford 1985); P. A. Brunt, The Fall of the Roman Republic and Related Essays (Anm. 101); K. Christ, Krise und Untergang der römischen Republik (Anm. 89); J. A. Crook (Ed.), The Cambridge Ancient History2 IX. The Last Age of the Roman Republic, 146–43 BC (Cambridge 1994); D. Shotter, The Fall of the Roman Republic (London 1994); H. Bruhns – J.-M. David – W. Nippel (Hrsg.), Die späte Republik. La fin de la république romaine. Un débat franco-allemand d’histoire et d’historiographie (Paris – Roma 1997). Vgl. T. P. Wiseman, Roman Political Life 90 B.C. – A.D. 69 (Exeter 1985); weitere Literatur im Abschnitt B 2.1 der Bibliographie. Überblick über die allgemeine Situation am Ende der Republik: E. S. Gruen, The Last Generation of the Roman Republic (Berkeley 1974). 124 Veränderungen im Staatswesen in der Zeit der Späten Republik: J. Bleicken, Staat und Recht in der römischen Republik (Wiesbaden 1978). Zur Gesellschaft Roms in der Späten Republik – und in der Hohen Kaiserzeit – vgl. J.-U. Krause, Klassen, in: Reallexikon für Antike und Christentum XX (München 2004), 1180 ff., zu den sozialen Konflikten der Späten Republik ebd. 1187 ff.
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diese rund hundertjährige Periode der römischen Geschichte häufig als die »Revolutionsperiode« bezeichnet, wobei der Begriff »Revolution« in der Forschung von Theodor Mommsen bis Ronald Syme für unterschiedliche Erscheinungen und auch für unterschiedliche Phasen der Auseinandersetzungen herangezogen wurde.125 Dass der Begriff »Revolution« für die zusammenfassende Charakterisierung dieser Konflikte nicht in dem Sinne wie in der jüngeren Geschichte seit der Englischen und insbesondere seit der Französischen Revolution verwendet werden kann, ist freilich evident, da die sozialen und politischen Bewegungen der Späten Republik eine gewaltsame Veränderung der bestehenden Gesellschaftsordnung weder erstrebten noch bewirkten; darüber hinaus waren diese Bewegungen im Hinblick auf ihre Ursachen, ihre Träger, ihren Ablauf und ihre Wirkung so vielfältig, dass sie nur beschränkt einem einheitlichen Begriff unterzuordnen sind.126 Um einen Missbrauch des Revolutionsbegriffes zu vermeiden, ist es jedenfalls zweckmäßiger, im Einklang mit den meisten Historikern statt von »römischer Revolution« von der politischen und damit verbundenen sozialen Krise der Republik zu sprechen, die vor allem in den offenen und mit Gewalt ausgetragenen Konflikten zum Ausdruck kam.127 Freilich entspricht dieser Krisenbegriff nicht der ursprünglichen Bedeutung des Wortes 125 Für Theodor Mommsen bedeutete die »römische Revolution« vor allem die politische Krise Roms von den Gracchen bis Sulla, siehe Römische Geschichte5 (Berlin 1885), Bd. II. R. Syme behandelte unter dem Titel »Römische Revolution« hauptsächlich die Umschichtung der römischen Führungselite unter Caesar und vor allem unter Augustus: The Roman Revolution (Oxford 1939) = Die römische Revolution (Stuttgart 1957, Neuausgabe 2003). Vgl. dazu G. Alföldy, Sir Ronald Syme, »Die römische Revolution« und die deutsche Althistorie (Heidelberg 1983). Allerdings wurde dieser in der historischen Forschung viel diskutierte Titel von Sir Ronald Syme nach dessen eigener freundlicher Auskunft seinem berühmten Buch nicht als Ausdruck eines historischen Konzeptes, sondern vielmehr als eine werbewirksame Überschrift gegeben, siehe G. Alföldy, Athenaeum 81, 1993, 106 f. (wie Sir Ronald Syme mir einmal sagte, gefiel ihm der vom Verlag vorgeschlagene Titel auch »because of the alliteration«). 126 Vgl. P. A. Brunt, Social Conflicts in the Roman Republic (Anm. 34), 74 ff. Zu diesen Konflikten vgl. H. Schneider, Gesch. in Wiss. u. Unterricht 27, 1976, 597 ff., der die Krise der römischen Republik von den sozialen Antagonismen herleitet; siehe auch dens., Wirtschaft und Politik. Untersuchungen zur Geschichte der späten römischen Republik (Erlangen 1974), dazu H. Castritius, Gymnasium 86, 1979, 207 ff. Über die Zusammenhänge zwischen der politischen Krise und der wirtschaftlichen Entwicklung siehe jetzt H. Schneider, in: E. Lo Cascio – B. D. Shaw (Eds.), Production and Public Powers in Classical Antiquity (Cambridge 2000), 55 ff. 127 Vgl. hierzu A. Heuss, Hist. Zeitschr. 182, 1956, 1 ff.; zur Verwendung des Revolutionsbegriffes für Vorgänge im Altertum siehe noch dens., Hist. Zeitschr. 216, 1973, 1 ff. Vgl. aber gegen die Verwendung des Revolutionsbegriffes in dem hier behandelten Kontext K. E. Petzold, Rivista Storica dell’Antichità 2, 1972, 229 ff.; J. Molthagen, in: I. Geiss – R. Tamchine (Htsg.), Ansichten einer künftigen Geschichtswissenschaft 2 (München 1974), 34 ff. Zur Verwendung des Revolutionsbegriffes in der deutschen Althistorie siehe noch C. Gaedeke, Geschichte und Revolution bei Niebuhr, Droysen und Mommsen (Diss. Berlin 1978); E. Tornow, Der Revolutionsbegriff und die späte römische Republik – eine Studie zur deutschen Geschichtsschreibung im 19. und 20. Jh. (Frankfurt am Main – Bern – Las Vegas 1978); K. Bringmann, Gesch. in Wiss. u. Unterricht 31, 1980, 357 ff.; H. Castritius, Der römische Prinzipat als Republik (Husum 1982), 12 ff. Zum Revolutionsbegriff in der Alten Geschichte vgl. neuerlich G. Alföldy, in: Zs. Visy (Ed.), Limes XIX. Proceedings of the XIXth Congress of Roman Frontier Studies held in Pécs, Hungary, September 2003 (Pécs 2005), 42 u. a. auch mit Kritik über die
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»Krisis« in der griechischen Medizin, für die das Wort den Augenblick bedeutete, in dem es sich entschieden hat, ob der Patient geheilt wird oder stirbt, sondern war – wie in jeder längeren als »Krisenzeit« bezeichneten Epoche der Geschichte – ein langer Prozess von tiefgreifenden und beschleunigten Transformationen der labil gewordenen bestehenden Strukturen mit Höhepunkten und Ruhepausen, die das Gesamtgefügen von Staat und Gesellschaft erfassten. Die Anwendbarkeit des Terminus »Krise« für die Geschichte der Späten Republik wurde deshalb in der jüngeren Forschung von einigen Historikern in Zweifel gezogen.128 Doch wurde er von niemanden durch einen besseren Begriff ersetzt, und es empfiehlt sich, im Einklang mit den meisten Forschern auch weiterhin von einer historischen Krise in dem oben genanten Sinne zu sprechen.129 Die heterogene Natur der erwähnten Konflikte ist einerseits aus ihrer Typologie, andererseits aus der Verschiebung ihres Gesamtcharakters während der letzten hundert Jahre der römischen Republik deutlich zu erkennen. Im Großen und Ganzen lassen sich die offenen Konflikte dieser Epoche in vier Haupttypen einteilen (ohne dass sie stets eindeutig voneinander abzugrenzen wären). Die ersten drei Haupttypen waren die Sklavenkriege, der Widerstand der Provinzialen gegen die römische Herrschaft und der Kampf der Italiker gegen Rom. In den Sklavenkriegen standen klare soziale Fronten einander gegenüber, da es sich vor allem um einen Kampf der ländlichen Sklaven gegen die Sklavenhalter und den sie schützenden römischen Staatsapparat handelte. Die Revolten der Provinzialen und der Italiker gegen die römische Herrschaft lassen sich dagegen nicht als Bewegungen mehr oder weniger homogener sozialer Schichten betrachten, da sie von sehr verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen getragen wurden, und ihr Ziel lag nicht darin, für die Angehörigen einer unterdrückten sozialen Schicht die Freiheit zu erkämpfen, sondern darin, einst
jüngeren Versuche, die Romanisation oder auch andere Phänomene der kulturellen Entwicklung Roms als »Revolution« zu bezeichnen. 128 Siehe dazu die Literatur bei M. Jehne, in: S. Franchet d’Espérey – V. Frimentin – S. Gotteland – J.-M. Roddaz (Eds.), Fondements et crises du pouvoir (Paris-Bordeaux 2003), 380. Gegen die Verwendung des Krisenbegriffes für die Vorgänge in der Späten Republik argumentiert jetzt auch H. I. Flower, Roman Republic (Princeton 2010), mit dem Einwand, dass ein Umwandlungsprozess, der hundert Jahre dauerte, nicht als »Krise« bezeichnet werden sollte. Vgl. hierzu und zur Diskussion des Krisenbegriffes überhaupt H. Bruhns, in: Fondements et crises, 365 ff., siehe ferner Anm. 129. 129 Dass die Epoche in der Geschichte Roms, die von dem Auftritt der Gracchen bis zur Etablierung der Monarchie des Augustus verging, als die »Krise der Republik« zu bezeichnen sei, war lange die communis opinio und wird von den meisten Althistorikern auch heute so gesehen. Diese traditionelle Sicht vertreten unter vielen anderen K. Christ, Von Caesar zu Konstantin. Beiträge zur römischen Geschichte und ihrer Rezeption (München 1996), 49 ff.; ders., Krise und Untergang der römischen Republik (Anm. 89); F. Pina Polo, La crisis de la República (133–44 a. C.) (Madrid 1999); F. Hinard, in: ders., Histoire romaine (Anm. 10), I 531 ff. (über »la grande crise« der Republik); J. von Ungern-Sternberg, in: H. Flower (Ed.), The Cambridge Companion to the Roman Republic (Cambridge 2004), 89 ff. M. Bernett, in: Christian Meier zur Diskussion (Anm. 86), 161 ff. spricht sogar von einem »Krisenbewusstsein« in der Späten Republik. Zur Berechtigung des Gebrauchs des Terminus technicus »Krise« für längere historische Prozesse siehe ausführlich S. 271 f., zur Definition des Krisenbegriffes S. 265 f.
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unabhängige Gemeinden, Staaten oder Völker von der Unterdrückung durch den Staat der Römer zu befreien; allerdings fehlte diesen Bewegungen der soziale Charakter insofern nicht, als es häufig die unteren Bevölkerungsschichten waren, die Rom gegenüber besonders heftigen Widerstand leisteten. Den vierten und bedeutendsten Typus der Konflikte der Späten Republik bildeten schließlich jene Auseinandersetzungen, die sich innerhalb des römischen Bürgertums, zwischen verschiedenen Interessengruppen, abspielten. Zunächst, vor allem in der Gracchenzeit, waren in diesen Konflikten die sozialen Motive noch vorherrschend oder zumindest bedeutend. Das zentrale Anliegen oder zumindest eines der zentralen Anliegen des einen Lagers, nämlich der Reformpolitiker mit ihrem Anhang, war nichts anderes als die Lösung der sozialen Probleme der proletarischen Massen Roms gegen den Widerstand des anderen Lagers, der Oligarchie mit ihrem ebenfalls breiten Anhang – wobei diese beiden Interessengruppen nach der seit dem Beginn des 1. vorchristlichen Jahrhunderts vorherrschenden Terminologie als populares und optimates bezeichnet wurden.130 Allerdings waren diese Konflikte von Anfang an politische Auseinandersetzungen, die zunächst noch vorwiegend im Rahmen politischer Institutionen und mit politischen Mitteln, in der Volksversammlung, ausgetragen wurden, und in ihnen ging es von Anfang an auch um die politische Macht im Staat. Auch waren die sozialen Fronten in diesen Konflikten von Anfang an nicht ganz eindeutig, und die soziale Heterogenität der miteinander kämpfenden Gruppierungen nahm im Laufe der Zeit ständig zu. Ferner wurde der soziale Inhalt der Konflikte zwischen Optimaten und Popularen immer stärker in den Hintergrund gedrängt, während die Bedeutung der Frage nach der politischen Macht auf Schritt und Tritt zunahm, bis am Schluss nur noch um die Herrschaft einzelner politischer Gruppierungen und vor allem ihrer Führer gerungen wurde. Seit den Kämpfen zwischen den Anhängern des Marius und des Sulla in den achtziger Jahren des 1. Jahrhunderts v. Chr. stand das Problem der politischen Macht in den Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen miteinander kämpfenden Interessengruppen, deren Zusammensetzung stets rasch wechselte, endgültig im Vordergrund. Dazu kam, dass seit den achtziger und siebziger Jahren dieses Jahrhunderts die übrigen Konflikte abebbten. Die Italiker haben im Bundesgenossenkrieg 91–89 v. Chr. ihr Ziel, die Erlangung des römischen Bürgerrechts, erreicht; in Griechenland und in Kleinasien hatte der Widerstand gegen Rom seit Sullas Sieg über Mithridates 85 v. Chr. sein Ende gefunden; und mit der blutigen Unterdrückung des SpartacusAufstandes 71 v. Chr. hörten auch die großen Sklavenkriege auf. In den folgenden vier Jahrzehnten ging es nur noch um die Macht im Staat – um die Frage, ob sie von der Oligarchie oder von einem Alleinherrscher und von welchem Politiker als 130 Optimaten: H. Strasburger, RE XVIII, 1939, 773 ff.; Popularen: Ch. Meier, RE Suppl. X, 1965, 549 ff.; siehe ferner bes. dens., Res publica amissa (Anm. 86), 7 ff., außerdem P. J. J. Vanderbroeck, Popular Leadership and the Collective Behaviour in the Late Roman Republic (ca. 80–50 BC) (Amsterdam 1987); G. Doblhofer, Die Popularen der Jahre 111–99 v. Chr. Eine Studie zur Geschichte der späten römischen Republik (Wien – Köln 1990).
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Alleinherrscher ausgeübt werden sollte. Die letzte Konsequenz der Konflikte war somit nicht die Veränderung der Struktur der römischen Gesellschaft, sondern der von ihr getragenen Staatsform. Aufstände der Sklaven, der Provinzialen und der Italiker Die Sklavenaufstände der Späten Republik131 verdienen schon deshalb besondere Aufmerksamkeit, weil die Gegensätze zwischen den Unfreien und ihren Herren im Verlauf der ganzen antiken Geschichte weder vorher noch nachher je in dem Maße und in der Schärfe zum Ausdruck kamen wie in den großen Sklavenbewegungen im letzten Drittel des 2. und im ersten Drittel des 1. Jahrhunderts v. Chr., die mit der ersten sizilischen Sklavenrevolte begannen und mit dem Spartacusaufstand endeten. Sie kamen für die römische Gesellschaft völlig überraschend. Mit der Gefahr, die der erste Aufstand auf Sizilien für Rom heraufbeschworen hat, hatte niemand gerechnet (Diodor 34/35,2,25), und die Bewegung des Spartacus wurde in Rom zunächst als Gladiatorenschauspiel belächelt (App., B. civ. 1,549). Dass sich diese großen Aufstände alle im kurzen Zeitraum zwischen 135 und 71 v. Chr. abspielten, war freilich kein Zufall. Schon Diodor (34,2,1 ff. und 34,2,27 ff.) hat in der Schilderung der Hintergründe des ersten sizilischen Sklavenaufstandes die Ursachen deutlich hervorgehoben. Sie ergaben sich aus der Entwicklung der römischen Sklaverei seit dem Zweiten Punischen Krieg: Die Bedeutung der Sklaverei für die römische Wirtschaft und damit verbunden auch die Zahl der Sklaven nahm innerhalb kurzer Zeit gewaltig zu; die Massen von Sklaven, die vor allem durch Kriege, Sklavenhandel und Menschenraub unschwer durch neue Sklaven zu ersetzen waren, wurden vor allem auf den Gütern besonders brutal ausgebeutet und denkbar schlecht behandelt, was zu ihrer äußersten Erbitterung führte; zugleich wurde von den Herrschenden die Kontrolle der Sklaven, unter denen es auch viele intelligente und gebildete ehemalige 131 Einen zusammenfassenden Überblick über die Sklavenaufstände bietet J. Vogt, Zur Struktur der antiken Sklavenkriege, in: Sklaverei und Humanität. Studien zur antiken Sklaverei und ihrer Erforschung2 (Wiesbaden 1972), 20 ff. Siehe auch P. Oliva, in: Neue Beiträge zur Geschichte der Alten Welt II (Berlin 1965), 75 ff. = in: Zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der späten römischen Republik (Anm. 97), 237 ff.; E. M. Schtajerman, Die Blütezeit der Sklavenwirtschaft (Anm. 111), 238 ff.; W. Hoben, Terminologische Studien zu den Sklavenerhebungen der römischen Republik (Wiesbaden 1978); K.-W. Welwei, in: Vom Elend der Handarbeit (Anm. 105), 50 ff.; R. Günther, Der Aufstand des Spartacus. Die großen sozialen Bewegungen der Sklaven und Freien am Ende der römischen Republik (Köln 1980); K. Christ, Römische Geschichte und Wissenschaftsgeschichte I. Römische Republik und augusteische Zeit (Darmstadt 1982), 75 ff. (über Sklavenführer); K. R. Bradley, in: Forms of Control and Subordination in Antiquity (Anm. 34), 369 ff. (die Sklavenaufstände in komparativer Perspektive); ders., Slavery and Rebellion in the Roman World, 140 BC-70 BC (Bloomington – Indianapolis 1989, Reprint 1998); M. Doi, Index 17, 1989, 191 ff.; W. Z. Rubinsohn, Die großen Sklavenaufstände der Antike. 500 Jahre Forschung (Darmstadt 1993); T. Urbainczyk, Slave Revolts in Antiquity (Berkeley 2008); E. Herrmann-Otto, Sklaverei und Freilassung in der griechisch-römischen Welt (Hildesheim – Zürich New York 2009), 125 ff. Vgl. noch N. Brockmeyer, Antike Sklaverei (Anm. 31), 172 ff. Weitere Literatur bei J. Vogt – N. Brockmeyer, Bibliographie zur antiken Sklaverei (Bochum 1971), 149 ff.
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freie Bürger aus den hellenistischen Staaten gab, sehr leichtsinnig gehandhabt. Weder vor der Mitte des 2. noch nach der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. trafen alle diese Voraussetzungen für Massenrevolten der Sklaven so deutlich zusammen; die Folgen konnten nicht ausbleiben. Diese Aufstände vermochten allerdings keine einheitliche revolutionäre Bewegung herbeizuführen, da die Bedingungen dafür nicht vorhanden waren. Vor allem fehlte eine einheitliche revolutionäre Ideologie, und auch die Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Sklaven in verschiedenen Teilen der römischen Welt waren recht beschränkt. Darüber hinaus wichen häufig auch die Interessen und Ziele einzelner Sklavengruppen stark voneinander ab. So gab es neben den aufständischen Sklaven vor allem in den Städten immer zahlreiche Unfreie, die die Freiheit durch legale Freilassung und nicht durch Revolte erhalten wollten (Diodor 36,4,8), und die politischen Ziele der Aufständischen reichten von der Errichtung eines selbständigen Staates innerhalb der römischen Welt bis zur Rückführung der Sklaven in ihre ehemalige Heimat jenseits der Reichsgrenzen. So konnten die Sklavenrevolten nur räumlich und zeitlich voneinander weitgehend isoliert aufflammen. Der erste Sklavenkrieg fand 135–132 v. Chr. auf Sizilien statt.132 Er ging von kleineren Gruppen besonders schlecht behandelter Sklaven aus, unter denen es auch bewaffnete Hirten gab, die unkontrollierte Räuberbanden bildeten. Sie eroberten im Handstreich die Stadt Enna und machten ihren Führer, den syrischen Wahrsager und Wundertäter Eunus, zum König. Nachdem sich den Aufständischen unter der Führung des Kilikiers Kleon eine andere Gruppe revoltierender Sklaven angeschlossen hatte, zählten die Anhänger des Eunus angeblich 200.000 Mann. Sie erzielten zunächst beachtliche Erfolge und konnten erst nach einem längeren Krieg besiegt werden. Der Aufstand fand auch unter den Sklaven in Rom, Sinuessa und Minturnae, in den Bergwerken von Laureion in Attika und unter den Unfreien auf Delos ein Echo (Diodor 34/35,2,19). Fast zu gleicher Zeit, 133–129 v. Chr., flammte im westlichen Teil Kleinasiens der Aufstand des Aristonikos auf.133 Dieser uneheliche Sohn des vorletzten pergamenischen Herrschers beanspruchte nach dem Tode des letzten Königs von Pergamon die Herrschaft über diesen Staat, der testamentarisch den Römern überlassen worden war. Da die Städte des Pergamenischen Reiches Rom gegenüber loyal blieben, mobilisierte er die Sklaven und die armen Bauern und konnte erst nach einem langen und blutigen Krieg besiegt werden. Die nächste Welle von Revolten kam zweieinhalb Jahrzehnte später. Zunächst brachen in Süditalien, in Nuceria und in Capua, Unruhen unter den Sklaven aus, und eine weitere Revolte entstand dadurch, dass ein römischer Ritter namens Titus
132 Hauptquelle für die sizilischen Sklavenaufstände: Diodor 34/35,2,1 ff. und 3,1 ff. Über den ersten sizilischen Aufstand siehe M. Capozza, Atti dell’Ist. Veneto 133, 1974/75, 27 ff. 133 V. Vavrˇínek, La révolte d’Aristonicos (Praha 1957); ders., Eirene 13, 1975, 109 ff.; Ch. Mileta, KIio 80, 1998, 47 ff.
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Vettius seine Sklaven gegen seine Gläubiger bewaffnete (Diodor 36,2,1 ff.). Diese letzte Affäre, die auf eine Liebesgeschichte zwischen dem Ritter und einer Sklavin zurückgegangen sein soll, zeugte ebenso wie drei Jahrzehnte vorher die Bewaffnung der sizilischen Hirten durch ihre Herren von der unglaublichen Leichtfertigkeit der Sklavenhalter. Unmittelbar nach diesen Revolten kam es zum zweiten großen sizilischen Sklavenaufstand 104–101 v. Chr.,134 dessen Anlass für die Haltung der römischen domini in anderer Hinsicht typisch war. In der außenpolitischen Krisensituation der Kimbernkriege fasste der Senat den Beschluss, dass die aus den mit Rom verbündeten Staaten verschleppten und versklavten Bürger auf freien Fuß zu setzen seien, jedoch haben auf Sizilien die Sklavenhalter die Durchführung dieser Maßnahme sabotiert. Daraufhin entbrannte auf der Insel wieder ein Sklavenkrieg, der in vielfacher Hinsicht einer Wiederholung des ersten sizilischen Aufstandes gleichkam. Der Aufstand ging wiederum von zwei Gruppen von Sklaven aus, die sich um den Syrer Salvius und den Kilikier Athenion bildeten, von denen Salvius, ein Wahrsager wie seinerzeit Eunus, ebenso wie dieser zum König gewählt wurde. Nachdem die Zahl seiner Anhänger auf mindestens 30.000 angewachsen war, bedurfte es wiederum eines schweren Krieges, bis die Römer auf Sizilien Herr der Lage waren. Der für Rom gefährlichste Sklavenaufstand, die Bewegung um den thrakischen Gladiator Spartacus von 74 bis 71 v. Chr. in Italien, brach eine Generation später aus.135 Sie entstand aus einer Verschwörung von Gladiatoren in Capua, die untereinander keine Kommunikationsschwierigkeiten hatten und leicht zu Waffen gelangten. Nach den anfänglichen Erfolgen stieg die Zahl der Anhänger des Spartacus angeblich auf 120.000 Mann, deren Widerstand erst nach einem längeren und wechselvollen Krieg zu brechen war, in dem Rom unter der Führung des Marcus Licinius Crassus nicht weniger als acht Legionen gegen die Sklaven aufbieten musste. Obwohl die einzelnen Sklavenbewegungen sich in vielfacher Hinsicht voneinander unterschieden, verband sie doch eine Reihe struktureller Gemeinsamkeiten, die die Natur dieser Konflikte deutlich widerspiegeln. Die Bewegungen gingen von einzelnen kleineren Sklavengruppen aus, die – als Hirten oder Gladiatoren – nur schwer zu kontrollieren waren und über Waffen verfügten. Nach den ersten Erfolgen, die vor allem dem Überraschungseffekt zu verdanken waren, wuchsen diese Revolten sehr schnell zu Massenbewegungen an, indem Tausende von flüchtigen Sklaven in das Lager der Aufständischen strömten. Die Massenbasis für die Revolten stellten vor allem Sklaven von den Gütern, also jene Unfreien, die besonders schlecht behandelt worden waren. Auch Gruppen der armen bäuerlichen Bevölkerung schlossen 134 Siehe die Literatur in Anm. 131 und 132. 135 Hauptquellen: App., B. civ. 1,539 ff. und Plut., Crassus 8,1 ff. Siehe bes. J. P. Brisson, Spartacus (Paris 1959); B. A. Marshall, Athenaeum 51, 1973, 109 ff. (Chronologie des Spartakusaufstandes); A. Guarino, Spartakus. Analyse eines Mythos (Köln 1980); A. Jähne, Spartacus. Kampf der Sklaven (Berlin 1986); M. Doi, Index 20, 1992, 31 ff.; B. Strauss, The Spartacus War (New York 2009). Siehe auch die Literatur in Anm. 131.
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sich den Aufständischen an; das ist für Aristonikos ebenso bezeugt wie für Salvius (Diodor 36,11,1 f.) und Spartacus (App., B. civ. 1,540). Dagegen haben sich die Städte Aristonikos ebenso wie Spartacus gegenüber feindselig verhalten. Die armen Freien in den Städten unterstützten die Sklaven kaum, sondern kümmerten sich um ihre eigenen Interessen (Diodor 36,6), und selbst die Sklaven der Städte machten sich die Sache der Aufständischen keineswegs unbedingt zu eigen (ebd. 36,4,8). Aber die revoltierenden Massen konnten auch ohne diese Unterstützung beachtliche Erfolge erzielen. Sie organisierten sich schnell unter geeigneten Führern, deren Autorität entweder im Hinblick auf ihre organisatorischen und militärischen Fähigkeiten oder auch angesichts ihres sakralen Charismas allgemein anerkannt wurde. Zumindest auf Sizilien und in Pergamon strebten sie auch die Einrichtung eines eigenen Staates hellenistischen Typus mit einem König an der Spitze an, und in diesen Fällen entwickelten sie für die eigene Staatlichkeit auch Ansätze einer Theorie, deren Inhalt religiösen Ideen aus dem hellenistischen Osten entnommen wurden,136 der die Heimat vieler Sklaven war. Aber nichts lag den rebellischen Sklaven ferner als eine radikale Veränderung des antiken sozialen Systems. Ihr Ziel war entweder die Gründung eines eigenen Sklavenhalterstaates mit umgekehrten Rollen, oder, wie bei Spartacus, der Ausbruch aus Italien nach Gallien und Thrakien, woher viele Sklaven stammten. Die Institution der Sklaverei schafften die Aufständischen dementsprechend keineswegs ab, sondern drehten nur den Spieß um und behandelten ihre früheren Herren wie Sklaven, die sie z. B. in Fesseln als Handwerker in Waffenfabriken arbeiten ließen (Diodor 34/35,2,15). Schon deshalb waren diese Bewegungen nicht dazu geeignet, das Gefüge der römischen Gesellschaft zu verändern. Dazu kam noch, dass sie ohne entsprechende Unterstützung durch andere soziale Gruppen, ohne eine einheitliche revolutionäre Organisation und ohne ein positives revolutionäres Programm von vornherein zum Scheitern verurteilt waren. Der Kampf der Sklaven, den sie gegen ihre Unterdrücker ebenso grausam führten wie diese die Repression gegen sie, war heroisch und weckte sogar bei vornehmen Römern Anerkennung, aber sein Schicksal war von Anfang an besiegelt. Dementsprechend waren auch die historischen Folgen aus den Sklavenkriegen nicht ausschlaggebend für die spätere Geschichte Roms. Die heute wohl von niemandem mehr vertretene marxistische These, dass das Kaisertum im Interesse der Sklavenhalter errichtet wurde, um durch sein starkes Herrschaftssystem eine Wiederholung der sizilischen Sklavenaufstände und der Revolte des Spartacus zu verhindern,137 verkennt die Bedeutung der Sklavenkriege ebenso wie die Bedeutung der weiteren Konflikte in der römischen Gesellschaft während der Späten Republik. Die wichtigste Konsequenz der großen Sklavenaufstände lag vielmehr darin, dass
136 Zu allen Problemen religiöser Ideen bei den Sklaven siehe F. Bömer, Untersuchungen über die Religion der Sklaven in Griechenland und Rom I–IV (Wiesbaden 1958/64), 2. Aufl. des ersten Teiles unter Mitarbeit von P. Herz (Wiesbaden 1981). 137 E. M. Schtajerman, Die Blütezeit der Sklavenwirtschaft (Anm. 111), 279 ff.
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sich in den Sklavenhalterkreisen die Einsicht durchzusetzen begann, wonach die brutale Behandlung und die rücksichtslose Ausbeutung der Unfreien ebenso aus politischen wie aus ökonomischen Gründen eine unzweckmäßige Form der Sklavenwirtschaft sei. Dass sich die Lage der Sklaven nach dem Spartacusaufstand langsam zu verbessern begann, zeigte sich schon dadurch, dass in den letzten vierzig Jahren der Republik, in denen das römische Herrschaftssystem oft erschüttert wurde, die großen Sklavenaufstände ausblieben. Viele Sklaven waren freilich bereit, sich den Politikern anzuschließen, die ihnen Freiheit und Wohlstand versprachen. In das Lager des politischen Abenteurers Lucius Sergius Catilina strömten auch Unfreie (Sall., Cat. 56,5), und zu der Anhängerschaft des Sextus Pompeius gehörten mehrere Zehntausend flüchtiger Sklaven, so dass Kaiser Augustus den Krieg gegen diesen Rivalen als bellum servorum bezeichnen konnte.138 Bei diesen Konflikten ging es jedoch in erster Linie überhaupt nicht mehr um die Behebung der Notlage der Sklaven, sondern um die Frage der politischen Macht, für deren Lösung die Sklaven nur Mittel zum Zweck waren. So war die Konsequenz aus den Sklavenaufständen für die römische Gesellschaft letztlich nicht anders als bei allen anderen Konflikten der Späten Republik: Erreicht wurde durch sie nur eine Korrektur und keine tiefgreifende Änderung des römischen Gesellschaftssystems. Zu teilweise ähnlichen Folgen wie die Sklavenkriege führten auch die Zusammenstöße zwischen der unterdrückten Bevölkerung der Provinzen und den Nutznießern der römischen Herrschaft. Die Konflikte dieser Art konnten sich ebenso wie die Bewegungen der Sklaven nur selten und nur beim Zusammentreffen verschiedener Voraussetzungen zu großen Aufständen entwickeln, und durch die Vielfalt der sozialen und politischen Verhältnisse in den einzelnen Teilen des Römischen Reiches waren sie noch weniger einheitlicher Natur als die Sklavenkriege. Wie die Erhebung des Aristonikos in Pergamon zeigte, konnte der Widerstand der Provinzialen mit einem Sklavenaufstand eng verflochten sein: Die Revolte des Aristonikos war ein Sklavenaufstand, zugleich jedoch auch eine Erhebung der ärmeren ländlichen Bevölkerungsschichten Westkleinasiens, für die die fremde Unterdrückung besonders lästig war. Ausgebrochen ist diese Revolte bezeichnenderweise zu einem Zeitpunkt, als Rom mit der festen Etablierung seines Herrschaftssystems in Westkleinasien erst begonnen hat, und ihr Führer erhob als Nachkomme eines Königs Herrschaftsansprüche. Vier Jahrzehnte nach der Niederlage des Aristonikos kam es in Westkleinasien und auch in Griechenland zu einer romfeindlichen Massenbewegung, die nur durch ausländische Hilfe, nämlich durch den Angriff des pontischen Königs Mithridates auf die römischen Hoheitsgebiete, in einer Situation der Schwäche des mit dem Bürgerkrieg beschäftigten römischen Staates, entstehen konnte. Auf den Befehl des Königs und unter dem Schutz seiner Truppen wurden im Jahre 88 v. Chr. in Westkleinasien von den aufgebrachten Provinzialen 80.000 Römer und Italiker getötet, und die romfeindliche Revolte griff auf Griechenland, vor allem auf 138 RGDA 25. Vgl. E. Maróti, in: Anticˇnoje obšcˇestvo (Moskwa 1967), 109 ff.
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Athen, über. Ihre Träger waren vor allem die unteren sozialen Schichten der freien Bevölkerung, deren Hass sich hauptsächlich gegen die Kaufleute, Unternehmer und Steuereintreiber aus dem Ritterstand richtete.139 Freilich bewirkten derartige Bewegungen schon deshalb keine strukturelle Änderung des römischen Gesellschaftssystems, weil sie nicht auf die Umwandlung dieser Gesellschaftsordnung von innen her, sondern auf die Abschüttelung der Herrschaft des römischen Staates zielten. Außerdem scheiterten sie ebenso wie die Sklavenaufstände. Aristonikos starb 129 v. Chr. in einem Kerker in Rom; Athen ergab sich 86 v. Chr. nach langer Belagerung den Truppen Sullas. Die langfristige Wirkung derartiger Konflikte war, dass sie zu einer allmählichen Linderung der brutalen Unterdrückung der Provinzen beitrugen und zu der Einsicht führten, dass die lokalen Oberschichten, die sich Rom gegenüber zumeist loyal verhalten hatten, in das römische Herrschaftssystem durch Verleihung des Bürgerrechtes und anderer Privilegien als Stützen der politischen und sozialen Ordnung des römischen Staates einbezogen werden konnten. Nicht nur politische, sondern auch soziale Hintergründe gab es auch in dem Konflikt, der für Rom hätte besonders gefährlich werden können: im Widerstand der italischen socii gegen die Herrschenden in der römischen Gesellschaft. Nachdem die italischen Verbündeten Roms schon seit dem Ende des Zweiten Punischen Krieges in zunehmendem Maße schlecht behandelt und diskriminiert worden waren, nahmen die Spannungen zwischen den Römern und den Italikern seit der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. weiter zu. Die Willkür der Vertreter des römischen Staates forderte auch die Angehörigen der gehobenen Bevölkerungsschichten auf das Schärfste heraus, und die unteren Schichten der socii, vor allem die Massen der armen Bauern, litten ebenso unter der politischen Unterdrückung wie auch unter wirtschaftlicher Not. Die wachsenden Spannungen bewirkten bereits im Jahre 125 v. Chr. einen Aufstand, der in Fregellae ausgebrochen ist,140 nachdem der Konsul Marcus Fulvius Flaccus, der eine Erweiterung des Bürgerrechtes angestrebt hatte, mit seine Programm gescheitert war. Seitdem war das Italikerproblem auch bei der politischen Auseinandersetzung in Rom zwischen den Optimaten und den Popularen stets aktuell. Als dann nach den Reformversuchen des Gaius Sempronius Gracchus und des Lucius Appuleius Saturninus auch das Reformprogramm des Volkstribunen Marcus Livius Drusus am Widerstand der Oligarchie scheitern musste, löste sich die Spannung im großen Aufstand der italischen Verbündeten gegen Rom (bellum sociale), der von 91 bis 89 v. Chr. beinahe ganz Italien in einen Kriegsschauplatz verwandelte (App., B. civ. 1,169 ff.). Dieser Aufstand war keine Bewegung mit dem Ziel eines sozialen Umsturzes, da es den Aufständischen in erster Linie um die Erlangung des römischen Bürgerrechtes 139 Zum Widerstand der Griechen gegen Rom siehe J. Deininger, Der politische Widerstand gegen Rom in Griechenland (Anm. 110), 245 ff. 140 Liv., Epit. 60 und Plut., C. Gracchus 3,1.
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ging (Vell. 2,15) und da am Kampf gegen Rom auch die italischen Oberschichten beteiligt waren.141 Aber den Massen der italischen Bevölkerung, dem ingens totius Italiae coetus (Seneca, De brev. vitae 6,1), ging es auch um die Lösung sozialer Probleme, und es war auch bezeichnend, wie die Aufständischen sich gegen ihre unterworfenen Feinde in den eroberten römischen Kolonien verhielten: Die vornehmen Römer wurden getötet, die Mitglieder der Unterschichten, auch die Sklaven, in die Armeen der Aufständischen eingereiht (App., B. civ. 1,186 und 190). Rom ist es schließlich gelungen, den Aufstand niederzuwerfen, aber erst nachdem das römische Bürgerrecht 90 v. Chr. durch die lex Iulia auf alle Rom gegenüber treu gebliebenen Italiker und 89 v. Chr. durch die lex Plautia Papiria auf jene Aufständischen, die sich ergaben, ausgedehnt worden war. Das bedeutete zugleich, dass die Aufständischen ihr politisches Ziel, im Gegensatz zu den Zielen der Sklavenbewegungen und der Revolten in den Provinzen, erreichen konnten. Eine Veränderung des römischen Gesellschaftssystems ergab sich daraus freilich nicht: Die sozialen Unterschiede wurden weder innerhalb der Gesellschaft der früheren socii noch in der gesamten römischen Sozialordnung beseitigt. Vielmehr wurde die bestehende Sozialordnung dadurch, dass die italischen Oberschichten gleichberechtigte Nutznießer des römischen Herrschaftssystems geworden waren, gestärkt. Alle Konflikte wurden zwar keineswegs auf einmal beiseite geräumt; die italischen Neubürger, die seither zur römischen Volksversammlung gehörten, wurden dort dadurch benachteiligt, dass sie zunächst nur in acht Wahltribus eingeschrieben werden konnten, und in den Bürgerkriegen Sullas gegen die Anhänger des Marius wurden von der oligarchischen Reaktion viele von ihnen verfolgt und getötet. Der Bann jedoch war gebrochen, und nachdem 49 v. Chr. auch die Bevölkerung Oberitaliens römisches Bürgerrecht erhalten hatte, galt die tota Italia und nicht mehr nur Rom mit seinen Kolonien als Kernland des Imperium Romanum (vgl. RGDA 25). Die Hauptkonflikte der Späten Republik und ihre sozialen Zusammenhänge Die historisch bedeutendsten Konflikte in der römischen Gesellschaft während der Späten Republik spielten sich zwischen den politischen Gruppierungen der römischen Bürgerschaft ab und führten von der Bewegung der Gracchen zu den Bürgerkriegen der ausgehenden Republik.142 Appian, der die Geschichte dieser Konflikte ausführlicher und mit klarerem Blick für soziale Zusammenhänge als andere antike 141 E. Badian, Foreign Clientelae (Anm. 70) 221 ff. Zum Bundesgenossenkrieg und seinen verwickelten sozialen Komponenten siehe H. Galsterer, Herrschaft und Verwaltung (Anm. 53), 187 ff.; vgl. noch bes. P. A. Brunt, JRS 55, 1965, 90 ff. = in: ders., The Fall of the Roman Republic and Related Essays (Anm. 101), 93 ff.; E. Badian, Dialoghi di Arch. 4/5, 1971, 373 ff. 142 Zur Geschichte der Hauptkonflikte während der Späten Republik siehe u. a. die klassische Darstellung bei K. Christ, Krise und Untergang der römischen Republik (Anm. 89), 117 ff., mit detaillierter Bibliographie.
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Historiker beschrieb,143 hob deutlich hervor, wie die Heftigkeit dieser Konflikte während der letzten hundert Jahre der Republik schrittweise zunahm: Sie begannen mit der Ermordung des Tiberius Sempronius Gracchus, mit dem ersten Blutvergießen in der römischen Volksversammlung, das die immer wieder aufflammenden und immer häufigeren bewaffneten Zusammenstöße einleitete (B. civ. 1,4 f.); diese arteten dann zu regelrechten Bürgerkriegen aus, die schließlich mit der Entstehung der Monarchie endeten (ebd. 1,6 ff. und 269 ff.). Die Kette dieser bewaffneten Konflikte weist eine Reihe struktureller Gemeinsamkeiten auf, die höchst lehrreich sind. Ihre auslösenden Momente, die Zusammensetzung der einander gegenüberstehenden Fronten, die Herkunft und die Rolle der Führer der beteiligten Massen, das von diesen Führern vertretene Programm, die Art, wie die Konflikte ausgetragen wurden, die von ihnen hervorgerufene Reaktion und schließlich die Wirkung der einzelnen Konflikte zeigen zahlreiche sich wiederholende Elemente, die die Probleme, die Kräfteverhältnisse und die Zukunftsmöglichkeiten der römischen Gesellschaft während der Späten Republik sehr deutlich widerspiegeln. Recht aufschlussreich ist schon die allmähliche Verschärfung dieser Konflikte von Beginn mit politischen Auseinandersetzungen, die bald mit nicht mehr nur mit verfassungsmäßigen, sondern auch mit unlauteren Formen geführt wurden und Massentumulte sowie Gewaltanwendung herbeiführten, bis zu den blutigen Bürgerkriegen.144 Zugleich lässt sich aus den nicht weniger deutlichen Unterschieden zwischen den einzelnen Konflikten ablesen, wie bei diesen Auseinandersetzungen der soziale Inhalt von dem politischen immer stärker in den Hintergrund gedrängt wurde, mit der Konsequenz, dass die Kette dieser Konflikte nur den politischen Rahmen der römischen Sozialordnung und nicht diese Ordnung selbst gründlich veränderte. Die Ursachen der Zusammenstösse innerhalb der römischen Bürgerschaft lagen ebenso wie für die weiteren sozialen und politischen Konflikte während der Späten Republik in dem Strukturwandel, der sich in der römischen Gesellschaft seit Hannibals Zeiten vollzog und auch innerhalb der Bürgerschaft neue Spannungen hervorrief. Freilich war die Natur dieser Spannungen, entsprechend der heterogenen sozialen Zusammensetzung der Bürgerschaft, entschieden komplizierter als diejenige der Konflikte zwischen Herren und Sklaven, Römern und Italikern, Römern und 143 Zu Appians Schilderung der Geschichte der Späten Republik siehe bes. E. Gabba, Appiano e la storia delle guerre civili (Firenze 1956); I. Hahn, Acta Ant. Hung. 12, 1964, 169 ff. 144 Politische Diskussion und politische Argumentation in der Späten Republik: F. Pina Polo, Contra arma verbis. Der Redner vor dem Volk in der späten römischen Republik (Stuttgart 1996); Ch. Döbler, Politische Argumentation und Öffentlichkeit in der späten Republik (Frankfurt am Main 1999), R. Morstein-Marx, Mass Oratory and Political Power in the Late Roman Republic (Cambridge 2004). Politische Manipulationen in der Späten Republik: L. De Libero, Obstruktion. Politische Praktiken im Senat und in der Volksversammlung der ausgehenden Römischen Republik (70–49 v. Chr.) (Stuttgart 1992); Gewaltanwendung: A. W. Lintott, Violence in Republican Rome (Oxford 1968). Zur Beteiligung des römischen Mobs an den politischen Auseinandersetzungen siehe W. Will, Der römische Mob. Soziale Konflikte in der Späten Republik (Darmstadt 1991). Bürgerkriege: P. Jal, La guerre civileè Rome. Études littéraires et morales (Paris 1963).
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Provinzialen. Es handelte sich um Spannungen innerhalb der senatorischen Aristokratie, vor allem zwischen den einzelnen Gruppierungen der herrschenden Nobilität, die jeweils von breiten Klientenmassen unterstützt wurden, weiterhin zwischen dem senatorischen Adel und dem neu formierten Ritterstand mit den reichen Unternehmern und Großpächtern in seinen Reihen, ferner zwischen den Herrschenden im römischen Staat und den Massen der in Rom zusammengepferchten Proletarier sowie zwischen den reichen Grundbesitzern und den armen Bauern. In den dreißiger Jahren des 2. Jahrhunderts v. Chr. erreichten diese Spannungen einen derartig beängstigenden Grad, dass sie die besten Kräfte der Aristokratie veranlassten, es mit Reformen zu versuchen. Bezeichnenderweise wurde der Versuch dort begonnen, wo es im Interesse des aristokratischen Staates am ehesten erforderlich schien: bei der Agrarfrage, da die Verelendung der vielen Bauern die fortlaufende Ergänzung des römischen Heeres und damit die Aufrechterhaltung des römischen Herrschaftssystems in Frage stellte (App., B. civ. 1,43 ff.), und da die deutlichste politische Gefahr in der Unzufriedenheit der nach Rom geströmten, in der Volksversammlung prinzipiell frei auftretenden proletarischen Massen lag. Es war jedoch ebenso bezeichnend, dass die Agrarfrage durch eine friedliche Reform nicht zu lösen war, ferner, dass schon das Scheitern des ersten Reformversuchs zur Verschärfung auch anderer sozialer Spannungen führte, und schließlich, dass die Auseinandersetzung um die sozialen Fragen sofort einen Konflikt zwischen gegnerischen politischen Interessengruppen hervorrief. Die innenpolitische Krise der Späten Republik begann mit dem Auftritt de beiden Gracchen.145 Der erste offene Konflikt innerhalb der römischen Bürgerschaft brach im Jahre 133 v. Chr. vor allem an der Agrarfrage aus.146 Von der Sorge um die notwendige Ergänzung des römischen Heeres geleitet, setzte der Volkstribun Tiberius Sempronius Gracchus, mütterlicherseits ein Nachkomme des älteren Scipio Africanus und ein Schwager des Scipio Aemilianus, in der Volksversammlung gegen den äußerst heftigen Widerstand des Senates die Verabschiedung eines Agrargesetzes durch, das auf die Erneuerung des römischen Bauerntums zielte.147 Mit Rück145 Zusammenfassende Arbeiten über die Gracchen: H. C. Boren, The Gracchi (New York 1968); J. Molthagen, Historia 22, 1973, 423 ff.; J. von Ungern-Sternberg, in: H. Kloft (Hrsg.), Sozialmaßnahmen und Fürsorge. Zur Eigenart antiker Sozialpolitik (Graz 1988), 167 ff.; D. Stockton, The Gracchi (Oxford 1979). Forschungsberichte: E. Badian, Historia 11, 1962, 197 ff., ders., in: ANRW I 1 (Berlin – New York 1972), 668 ff. 146 Über die Agrarfrage während der Späten Republik im Allgemeinen siehe die Literatur in Anm. 97. Zur Landwirtschaft und zur Wirtschaft während der Späten Republik im Allgemeinen siehe W. V. Harris, in: The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World (Anm. 17), 511 ff. 147 Über Tiberius Gracchus siehe außer der in Anm. 145 angeführten Literatur bes. F. Münzer, RE II A, 1923, 1409 ff.; D. C. Earl, Tiberius Gracchus. A Study in Politics (Bruxelles 1963); J. Briscoe, JRS 64, 1974, 125 ff. (Anhänger und Gegner des Tiberius Gracchus); A. H. Bernstein, Tiberius Sempronius Gracchus (Ithaca – London 1978); K. Bringmann, Die Agrarreform des Tiberius Gracchus: Legende und Wirklichkeit (Stuttgart 1985); J. Bleicken, Hist. Zeitschr. 247, 1988, 265 ff.; F. Meijer, Münstersche Beiträge zur antiken Handelsgeschichte 9.2, 1990, 14 ff. (leges frumentariae der Gracchen und späterer Reformer).
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griff auf das alte licinisch-sextische Gesetz wurde vorgesehen, dass auf dem ager publicus niemand über ein größeres Besitztum als 500 Joch (bei größeren Familien bis zu 1.000 Joch) verfügen sollte, wobei aber diese Besitztümer in das Eigentum der bisherigen Okkupanten übergingen. Die durch die Limitierung der Besitzgrößen freigewordenen Ländereien sollten unter den armen Bauern als jeweils 30 Joch große Grundstücke verteilt werden, sie sollten aber – was durch eine geringfügige Pachtzinszahlung zum Ausdruck zu bringen war – weiterhin staatliches Eigentum bleiben, damit sie nicht von den reichen Grundbesitzern aufgekauft werden konnten. Für die Durchführung der Reform hatte eine Dreimännerkommission zu sorgen, die aus dem Tribunen, seinem Schwiegervater Appius Claudius Pulcher und seinem jüngeren Bruder Gaius Gracchus bestand. In der Tat hat die Kommission ihre Arbeit aufgenommen; in den nächsten Jahren wurden zahlreiche Bauern mit Grund und Boden versorgt. Der Widerstand der Reichen, den Appian sehr deutlich schildert (B. civ. 1,38 ff.), war jedoch stärker als erwartet. Als Tiberius Gracchus, um sich gegen eine zu erwartende Anklage zu schützen, sich auch für das nächste Amtsjahr zu Volkstribunen wählen zu lassen versuchte, organisierten seine Gegner eine Massenschlägerei, in der der Tribun und zahlreiche seiner Anhänger umgebracht wurden. Eine neue Kommission zur Verteilung des Ackerlandes konnte zwar ihre Arbeit bis 129 v. Chr. fortsetzen und somit bei der Verwirklichung des Reformprogramms Teilerfolge verbuchen. Das eigentliche Ziel des Tiberius Gracchus wurde jedoch nicht erreicht. Das Scheitern dieses ersten radikalen Reformversuches hat jedoch die Wiederholung ähnlicher Bestrebungen ebenso wenig verhindert wie die Erinnerung an das traurige Schicksal des Tiberius die wiederholten blutigen Repressionsmaßnahmen. Vielmehr wurde für die zukünftigen Reformbewegungen, aber auch für deren Bekämpfung, in vielfacher Hinsicht ein Vorbild geschaffen. Zugleich wurde die Figur des Tiberius Sempronius Gracchus, wie später auch diejenige seines jüngeren Bruders Gaius, für die Armen ein Symbol für volksfreundliche und Reformen gegenüber aufgeschlossene, »populare« Politik, dagegen ein Prototyp des Unruhestifters für die Verfechter der Privilegien der Oligarchie, die sich entsprechend der moralischen Wertung der eigenen sozialen Position bald als »Optimaten« bezeichneten. In den nächsten Jahrzehnten kam es periodisch, immer wieder von Epochen der oligarchischen Restauration unterbrochen, zu ähnlichen Vorgängen, bis sie nach dem Volkstribunat des Marcus Livius Drusus im Jahre 91 v. Chr. in die Bürgerkriege umschlugen. Die zweite Etappe des Konfliktes begann, nachdem die Arbeit der Agrarkommission seit 129 v. Chr. zum Stillstand gebracht worden und der Reformversuch des Marcus Fulvius Flaccus zugunsten der Italiker 125 v. Chr. gescheitert war, mit dem Volkstribunat des Gaius Sempronius Gracchus in den Jahren 123 und 122 v. Chr.148 Gaius hatte ein erheblich breiteres Reformprogramm als sein älterer Bru148 Über Gaius Gracchus siehe außer der in Anm. 145 angeführten Literatur F. Münzer, RE II A, 1923, 1375 ff.; D. Flach, Zeitschr. d. Savigny-Stiftung f. Rechtsgesch., Rom. Abt. 90, 1973, 91 ff.
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der; es schlug sich in nicht weniger als 17 neuen Gesetzen nieder. Um sich und seine Anhänger gegen Gewaltakte der oligarchischen Magistrate zu schützen, ließ er ein Gesetz verabschieden, nach welchem ein römischer Bürger nur durch das Volk zum Tode zu verurteilen war. Um seine Anhängerschaft zu erweitern, erneuerte er die Steuerpacht der ritterlichen publicani in der Provinz Asia, die dadurch dort freie Hand zur Ausbeutung des Landes bekommen haben, und übertrug den Rittern die Aufgabe, für die Untersuchung der Fälle von Amtsmissbrauch, dessen sich Senatoren, hauptsächlich senatorische Provinzstatthalter, schuldig gemacht haben, die Gerichte zu stellen. Diese Reform erwies sich als höchst folgenschwer, denn sie bedeutete die Politisierung des Ritterstandes und seine Einbeziehung in den Konflikt von einer Position her, die notwendigerweise Zusammenstöße mit dem Senat bewirkte. Langfristige Wirkung zeigte auch die Maßnahme des Gaius Gracchus, dem Volk von Rom zu einem niedrigen Preis Getreide zukommen zu lassen; auch seine Maßnahmen zur Verbesserung des italischen Straßennetzes und zur Errichtung von Getreidelagern dienten vornehmlich der besseren Versorgung der stadtrömischen Plebs. Weniger effektiv war demgegenüber der Kern seiner Reformpolitik, nämlich die Verbesserung der Lage des Bauerntums einschließlich der ländlichen Bevölkerungsmassen der italischen Verbündeten. Die Verwirklichung der Agrarreform des Tiberius Gracchus wurde mit mäßigem Erfolg wieder in Angriff genommen; die Bestrebung, landlose Volksmassen angesichts der Knappheit von Grund und Boden in Zentralitalien durch Kolonisation in Africa mit Grundbesitz zu versorgen, schlug fehl. Ohne Erfolg blieb auch das Programm, den Latinern das römische Bürgerrecht und den socii zumindest das Stimmrecht in der Volksversammlung in Rom zu gewähren. Wie schon der Reformversuch des Tiberius Gracchus, mobilisierte auch dieses Reformprogramm, das gerade wegen der vorgesehenen Maßnahmen zugunsten der Italiker auch bei vielen römischen Bürgern unpopulär war, die Reaktion, und 121 v. Chr. kam Gaius Gracchus zusammen mit seinen Anhängern durch Gewalt um. Die Verwirklichung der Agrarreform wurde zwar noch halbherzig fortgesetzt, bis im Jahr 111 v. Chr. eine neue lex agraria die seinerzeit von Tiberius Gracchus eingeführte Pachtzinsregelung abschaffte. Damit war das Hauptziel des Reformprogramms, nämlich die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Bauern durch Schutz ihrer Parzellen gegen den Aufkauf durch die Reichen, gescheitert. 149 Nach dem Tode des Gaius Gracchus dauerte es ungefähr zwei Jahrzehnte, bis der Konflikt wieder offen ausbrach, begünstigt dadurch, dass in den Jahren 104 bis 100 v. Chr. in der Person des Gaius Marius ein nobilitätsfeindlicher homo novus ununterbrochen Konsul war. Der eigentliche Führer der Reformer war jedoch nicht (Strafgesetzgebung); K. Meister, Chiron 6, 1976, 113 ff. (Bundesgenossengesetzgebung); Y. Stochat, Recruitment and the Programme of Tiberius Gracchus (Bruxelles 1980); P. Garnsey – D. Rathbone, JRS 75, 1985, 1 ff. und P. Erdkamp, Ancient Society 30, 2000, 53 ff. (lex frumentaria). 149 Über das Schicksal der gracchischen Agrargesetzgebung siehe D. Flach, Hist. Zeitschr. 217, 1973, 265 ff.; K. Meister, Historia 23, 1974, 86 ff.; K. Johannsen, Die lex agraria des Jahres 111 v. Chr. (Diss. München 1971).
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er, sondern Lucius Appuleius Saturninus, Volkstribun in den Jahren 103 und 100 v. Chr. Das Programm der Reformer war demjenigen der Gracchen, deren Nachfolge die Popularen bewusst antraten, in mehrfacher Hinsicht ähnlich; auch die Benützung des Volkstribunates und der Volksversammlung als Vehikel der Reformpolitik entsprach dem Vorbild der Gracchen. Die »popularen« Themen der Politik waren nach wie vor die Lösung der Agrarfrage, ferner die Verteilung von Getreide an die Armen und Maßnahmen zugunsten der italischen Verbündeten. Neu war allerdings der Kern der Agrarfrage: Bei den heftigen politischen Auseinandersetzungen in den Jahren 103 und 100 v. Chr. ging es vor allem um die Versorgung der Veteranen des Marius mit Grund und Boden, und zwar durch Kolonisation in den Provinzen, denn viele von diesen ausgedienten Soldaten waren ganz ohne Besitz, so dass für sie neue Bauernstellen geschaffen werden mussten, was in Italien kaum mehr möglich war. Neu war auch, dass jetzt auch die Popularen von Anfang an auf Demagogie und Terror zurückgriffen, was ihre natürlichen Verbündeten, die Ritter, auf die Seite der senatorischen Reaktion trieb. Wie schon im Jahre 121 v. Chr. gegen Gaius Gracchus und seine Anhänger, wurde im Jahre 100 v. Chr. der Staatsnotstand erklärt, den Marius als Konsul gegen seine eigenen Parteigänger vertreten musste. Die Ermordung des Saturninus und seiner Anhänger erwies sich als letzter Akt in einer Kette sich wiederholender Gewaltszenen.150 Dabei zeigten sich damals noch nicht einmal die weit reichenden Konsequenzen aus der wichtigsten Maßnahme des Marius, nämlich aus seiner Heeresreform, die er während seiner Kriege vollzog. Während das römische Heer bisher aus Besitzenden, nämlich aus Bauern mit eigenem Grund und Boden, rekrutiert wurde, die auch ihre Ausrüstung selbst zu stellen hatten, ging Marius dazu über, das Heer aus den besitzlosen Proletariern (capite censi) zu ergänzen, die der Staat ausrüstete. Ganz neu war dieses Rekrutierungssystem nicht, denn in Krisensituationen wurde auf Besitzlose auch schon früher zurückgegriffen; auch wurde durch die Reform des Marius die Ergänzung des römischen Heeres aus den Censusklassen der Besitzenden nicht gänzlich verdrängt. Nichtsdestoweniger hatte die Maßnahme des Marius, in deren Folge viele besitzlose Bürger in das Heer strömten, für die Geschichte der Späten Republik recht bedeutsame Konsequenzen. Mit dieser Reformmaßnahme wurde die Basis für das Austragen von Konflikten durch Bürgerkriege mit regulären Armeen geschaffen. Durch das neue Rekrutierungssystem wurde einerseits die Agrarfrage wieder belebt, da das Hauptziel der neuen Soldaten darin lag, nach 150 Zur Epoche von Marius und Sulla siehe zusammenfassend W. Schur, Das Zeitalter des Marius und Sulla (Leipzig 1942); T. F. Carney, A Biography of C. Marius2 (Chicago 1970); E. Badian, Sulla. The Deadly Reformer (Sidney 1970); Th. Hantos, Res publica constituta. Die Verfassung des Dictators Sulla (Stuttgart 1988); K. Christ, Sulla. Eine römische Karriere (München 2002); F. Santangelo, Sulla, the Elites and the Empire. A Study of Roman Policies in Italy and the Greek East (Leiden – Boston 2007). Forschungsbericht: E. Gabba, ANRW I 1 (Berlin – New York 1972), 764 ff. Notstandsgesetzgebung: J. Ungern-Sternberg von Pürkel, Untersuchungen zum spätrepublikanischen Notstandsrecht. Senatusconsultum ultimum und hostis-Erklärung (München 1970).
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dem Militärdienst mit Grund und Boden belohnt zu werden; somit wurden zwar die unzufriedenen Massen der Proletarier aus Rom entfernt, aber sie konnten jetzt ihre Ansprüche mit Waffengewalt anmelden. Andererseits entstanden zwischen den führenden Politikern, die die Armeen kommandierten, und den Soldaten sehr enge Beziehungen: Nur diese Kommandeure konnten mit ihrem Vermögen dafür aufkommen, dass die Soldaten regelmäßig ihren Sold bekamen, und vor allem nur ihr politisches Engagement konnte bewirken, dass die Soldaten bei ihrer Entlassung entweder in Italien oder in den Provinzen mit Grundstücken versorgt wurden.151 Die führenden Politiker erhielten so ein ebenso mächtiges wie ihnen gegenüber loyales Instrumentarium, dessen Einsatz gegen den innenpolitischen Gegner mit dem Bürgerkrieg gleichbedeutend war. Dieser Wandel im Konflikt innerhalb der römischen Bürgerschaft kam bald deutlich zum Ausdruck. Nach dem Sturz des Lucius Appuleius Saturninus geriet der Konflikt im Jahre 91 v. Chr. in eine entscheidende neue Phase, als der Volkstribun Marcus Livius Drusus einen Versuch zur Lösung der akuten Probleme unternahm.152 Wie kompliziert diese inzwischen geworden waren, geht aus dem vielseitigen Programm des Drusus hervor, das alle am Konflikt beteiligten sozialen Schichten betraf. Den italischen Verbündeten versprach er das römische Bürgerrecht, den Proletariem die Lösung der Agrarfrage, den Rittern den Zugang zu den senatorischen Ämtern, den Senatoren die Beteiligung an den seit Gaius Gracchus den Rittern vorbehaltenen Geschworenendekurien: tribunus plebis Latinis civitatem, plebi agros, equitibus curiam, senatui iudicia permisit (Viri ill. 66,4). Es war nichts Außergewöhnliches mehr, dass Drusus ebenso wie die früheren Reformpolitiker Opfer der Reaktion wurde. Die Lage nach seiner Ermordung war jedoch insofern völlig neu, als auf den Sturz dieses popularen Politikers nicht eine zehn- oder zwanzigjährige Periode der oligarchischen Restauration folgte wie bisher in ähnlichen Fällen, sondern die Entartung des Konfliktes in eine permanente politische und militärische Auseinandersetzung zwischen den miteinander kämpfenden Interessengruppen. Der Bundesgenossenkrieg 91–89 v. Chr., der durch den Sturz des Drusus ausgelöst wurde, war bereits ein regelrechter Bürgerkrieg, in dem die Optimaten und Popularen allerdings gezwungen waren, die übergreifenden Interessen des römischen Herrschaftssystems 151 Zur Rolle des Heeres und der Soldaten in der Späten Republik siehe R. E. Smith, Service in the Post-Marian Roman Army (Manchester 1958); P. A. Brunt, JRS 52, 1962, 69 ff., deutsch in: Zur Sozialund Wirtschaftsgeschichte der späten römischen Republik (Anm. 97), 124 ff.; J. Harmand, L’armée et le soldat à Rome de 107 à 50 avant notre ère (Paris 1967); H. Botermann, Die Soldaten und die römische Politik in der Zeit von Caesars Tod bis zur Begründung des Zweiten Triumvirates (München 1968); H. Erdmann, Die Rolle des Heeres in der Zeit von Marius bis Caesar. Militärische und politische Probleme einer Berufsarmee (Neustadt 1972); E. Gabba, Esercito e società nella tarda repubblica romana (Firenze 1973) 47 ff.; P. A. Brunt, The Fall of the Roman Republic and Related Essays (Anm. 101), 194 ff.; L. de Blois, in: G. Alföldy – B. Dobson – W. Eck (Hrsg.), Kaiser, Heer und Gesellschaft in der Römischen Kaiserzeit (Stuttgart 2000), 11 ff.; vgl. auch J. Suolahti, The Junior Officers of the Roman Army in the Republican Period (Helsinki 1955). 152 E. Gabba, Athenaeum 32, 1954, 41 ff., 293 ff.; Ch. Meier, Res publica amissa (Anm. 86), 208 ff.
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gemeinsam zu verteidigen. Aber sofort danach begann der Bürgerkrieg zwischen Optimaten und Popularen in aller Schärfe. Die Popularen scharten sich zunächst um den Volkstribunen des Jahres 88 v. Chr., Publius Sulpicius Rufus, um den aus der politischen Vergessenheit wieder aufgetauchten Marius und vor allem um den Konsul des Jahres 87 v. Chr., Lucius Cornelius Cinna; die Optimaten setzten auf Lucius Cornelius Sulla.153 Aber den Ausschlag gaben die Armeen, die die einzelnen politischen Gruppierungen unterstützten: Marius konnte viele seiner ehemaligen Soldaten mobilisieren, Sulla stützte sich auf die Truppen, deren Befehl ihm für den Krieg gegen Mithridates im Osten übertragen wurde. Aus dem grausamen Bürgerkrieg, in dem zuerst die Anhänger Sullas, dann die Marianer und schließlich wiederum Sullas Truppen Rom besetzten, gingen die Optimaten siegreich hervor. Auch ihre Reaktion war dieses Mal anders als in den früheren Phasen des Konfliktes: Sulla ließ seine Gegner in Massen hinrichten und übernahm als Diktator 82–79 v. Chr. Vollmachten im römischen Staat, um das oligarchische Regime durch einschneidende Reformmaßnahmen abzusichern. Seine Gesetze zielten auf die Wiederaufrichtung der Senatsherrschaft: Der Senat wurde um 300 neue Männer aus dem Ritterstand ergänzt; das senatorische Ämterwesen und die Ämterlaufbahn wurden neu geregelt; die Gesetzgebung wurde an die Zustimmung des Senats gebunden; die Macht der Volkstribunen wurde sehr erheblich beschnitten; die Geschworenengerichte wurden den Rittern entzogen und wurden Senatsgerichte; und um die Entstehung militärischer Macht in Italien zu verhindern, wurde militärische Gewalt nicht mehr den amtierenden, sondern nur noch den gewesenen Konsuln und Prätoren zugewiesen, die ihre Kommandogewalt jeweils für ein Amtsjahr in den einzelnen Provinzen als deren Statthalter auszuüben hatten. Diese Reformen bedeuteten jedoch auch, dass mehrere Fundamente der aristokratischen Republik ausgehöhlt wurden, und die Alleinherrschaft Sullas, des »Deadly Reformer« des oligarchischen Regimes, stellte in Wirklichkeit den ersten entscheidenden Schritt auf dem Weg des römischen Staates zur Monarchie dar. Sullas Regime hat sich nach dem Rücktritt und dem bald darauf erfolgten Tode des Diktators fast ein Jahrzehnt lang gehalten. Aber eine Dauerlösung konnte dieses Verfassungssystem, das die Führungsposition der zerrütteten Oligarchie retten sollte, nicht bieten. Viele Probleme, die den Inhalt der früheren Auseinandersetzungen zwischen Optimaten und Popularen darstellten, waren nach wie vor ungelöst. Außerdem zeichnete sich seit dem Bürgerkrieg zwischen Marius und Sulla schon die einzige Möglichkeit für die dauerhafte Lösung der Krise ab, nämlich die monarchische Macht der Führer politischer Gruppierungen mit eigenen Armeen. Als im Jahre 70 v. Chr. Sullas Maßnahmen zugunsten der Senatsherrschaft durch eine Gerichtsreform und durch die Beseitigung der Einschränkungen des Volkstribunates 153 Zu Cinna siehe M. Lozano, The Age of Cinna. Crucible of Late Republican Rome (Stuttgart 2002), zu Marius und Sulla Anm. 150.
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zum Teil rückgängig gemacht wurden, konnte von einer Wiederherstellung der alten Republik keine Rede mehr sein. Bezeichnenderweise wurden die Aufgaben in den Gerichtshöfen zwischen Senatoren und Rittern (sowie einer dritten Gruppe wohlhabender Männer aus den Tribusorganisationen) aufgeteilt, und die Volkstribunen waren in den letzten vier Jahrzehnten der Republik politisch nicht mehr wie zuvor als eigenständig agierende Reformer tätig, sondern nur noch als Agenten der Träger außerordentlicher Imperien einflussreich.154 Die Zukunft gehörte diesen mächtigen Politikern und Feldherren, für deren Aufstieg die Heeresreform des Marius die Weichen gestellt hatte. Die letzten vierzig Jahre der Republik, das Zeitalter deren »last generation«, vergingen im Zeichen eines Kampfes, in dem es zunächst um die Entscheidung ging, ob die oligarchische Republik noch zu retten oder unvermeidlich in eine Monarchie umzuwandeln war, und dann um die Frage, wem unter den rivalisierenden führenden Politikern die Alleinherrschaft zufallen sollte.155 In die ersten beiden Jahrzehnte nach dem Zerfall des sullanischen Systems fiel der blendende Aufstieg zweier popularer Politiker: Der eine war Gnaeus Pompeius, der vor allem infolge seiner glänzenden Siege im Osten 67–63 v. Chr. hervorragte, der andere Gaius Iulius Caesar, der seinen militärischen Lorbeer durch die Unterwerfung Galliens seit 58 v. Chr. erwarb. Der Bürgerkrieg zwischen diesen beiden Rivalen (seit 49 v. Chr.) war noch insofern ein Kampf um die Staatsform, als Pompeius sich auf die Seite des Senats geschlagen hatte; Caesars Alleinherrschaft, das Resultat dieses Krieges, bedeutete bereits den eindeutigen Sieg der Monarchie über die Republik. Dieser Sieg war auch durch Caesars Ermordung 44 v. Chr. nicht mehr rückgängig zu machen. Mit der Niederlage der Caesarmörder, der letzten Verfechter des oligarchischen Systems, gegen Marcus Antonius und Octavianus, den späteren Augustus, ging im Jahre 42 v. Chr. die Republik endgültig unter. Jetzt stand nur noch die Frage offen, wer Caesars politisches Erbe allein antreten sollte. Nach Ausschaltung der Nebenfiguren wie Sextus Pompeius und Marcus Aemilius Lepidus blieb nach der Schlacht von Actium (31 v. Chr.) und nach dem Tode des Antonius (30 v. Chr.) der Adoptivsohn Caesars, der spätere Augustus als Sieger zurück, qui cuncta discordiis civilibus fessa nomine principis sub imperium accepit (Tac., Ann. 1,1). Die Gemeinsamkeiten zwischen den Konflikten innerhalb der römischen Bürgerschaft von Tiberius Sempronius Gracchus bis zur Schlacht von Actium, die die Struktur der Krise erhellen, sind ebenso bemerkenswert wie die zunehmenden Unterschiede, die die Verschiebung des Inhaltes der Krise aus dem vornehmlich sozialen in den rein politischen Bereich zeigen. Beachtung verdient zunächst die Tatsache, 154 Zum Volkstribunat in der Späten Republik siehe L. Thommen, Das Volkstribunat der späten römischen Republik (Stuttgart 1989). 155 Unübertreffliche Darstellung dieser Vorgänge: R. Syme, Roman Revolution (Anm. 125), 28 ff. Literatur u. a. bei J. Bleicken, Geschichte der Römischen Republik (Anm. 34), 234 ff. Eine Strukturanalyse der Verhältnisse in Rom während der »letzten Generation« der Republik gibt E. S. Gruen, The Last Generation of the Roman Republic (Anm. 123). Siehe auch K.-J. Hölkeskamp (Hrsg.), Eine politische Kultur in der Krise? Die »letzte Generation« der römischen Republik (München 2009).
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dass die Konflikte zwischen den verschiedenen Interessengruppen der Bürgerschaft in der Regel in den Situationen aufloderten, in denen sich der römische Staat in besonderen Schwierigkeiten befand. Derartige Schwächen des oligarchischen Systems haben es den Führern der Popularen überhaupt erst ermöglicht, eine Reformpolitik zu versuchen. Der ältere Gracchus begann sein Reformwerk nicht lange nach den empfindlichen römischen Niederlagen der römischen Truppen in Hispanien, zu einem Zeitpunkt, in dem der erste sizilische Sklavenaufstand schon im vollen Gang war und der Aufstand des Aristonikos in Pergamon gerade seinen Anfang nahm. Sein jüngerer Bruder trat kurz nach dem ersten Aufstand der italischen Verbündeten in Fregellae auf. Marius und Saturninus nutzten die Ohnmacht der Nobilität in der Kriegführung gegen Iugurtha in Africa und die Folgen des Krieges gegen die Kimbern und Teutonen, außerdem die schwierige Lage des oligarchischen Systems durch den zweiten Sklavenaufstand auf Sizilien. Marcus Livius Drusus versuchte für sein Reformprogramm eine Lage zu nutzen, die durch kurz davor liegende innenpolitische Skandale angespannt war. Die heftigste Aktivität der popularen Politik fing einige Jahre später zu einem Zeitpunkt an, zu dem der Bundesgenossenkrieg gerade abgeschlossen war und im Osten Mithridates von den aufständischen Provinzialen unterstützt den Angriff auf die römischen Provinzen begann. Die Auflockerung des sullanischen Verfassungssystems fiel zeitlich mit dem Spartacus-Aufstand zusammen. Das oligarchische Regime war also in Rom zumindest in den ersten Jahrzehnten der Krise der Republik noch recht stark; angegriffen werden konnte es zunächst nur in seinen vorübergehenden Schwächesituationen. Diese Zusammenhänge können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die unterschiedlichen Konflikte innerhalb der römischen Gesellschaft während der Späten Republik nicht unmittelbar ineinander griffen: Weder die Sklavenkriege noch die Aufstände in den Provinzen noch die Bewegungen der Bundesgenossen gegen Rom wurden etwa in einem Kampfbündnis mit den Popularen vollzogen. Die Interessen der aufständischen Sklaven und der popularen Bewegung waren grundverschieden. Nicht nur die Sklavenaufstände erhielten keine Unterstützung von den Massen der römischen Proletarier, sondern auch umgekehrt: Die Popularen riefen häufig auch Sklaven für ihre Sache zu Hilfe, jedoch zumeist ohne Erfolg, wie im Falle des jüngeren Gracchus (App. B. civ. 1,115), des Marius (ebd. 1,262 f.) und zunächst auch im Falle des Cinna (ebd. 1,293; anders später, ebd. 1,316). Auch zwischen den Popularen und den gegen die römische Herrschaft kämpfenden Provinzialen konnte es kein Bündnis geben; die Einwohner Hispaniens, die den Quintus Sertorius, einen Anhänger des Marius, im Kampf gegen die Oligarchie unterstützten, waren keine Gegner der römischen Herrschaft, sondern kämpften für Sertorius, der sein Regime in Hispanien mit einem eigenen Senat als die legale römische Regierung betrachtete. Demgegenüber gab es zwischen den Popularen und den italischen socii unzweifelhaft enge Beziehungen; die Befürwortung der politischen und wirtschaftlichen Reformen zugunsten der Italiker gehörte von Gaius Sempronius Gracchus bis Marcus Livius Drusus stets zum Programm der »popularen« Politik. Aber es war bezeich-
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nend, dass im Bundesgenossenkrieg Optimaten und Popularen gemeinsam gegen die aufständischen Italiker kämpften: Sobald eine soziale oder politische Bewegung das römische Herrschaftssystem selbst in Frage stellen wollte, wurde sie von den verschiedenen politischen Interessengruppen in Rom einheitlich abgelehnt. Allein dieser Faktor in der Geschichte der hundertjährigen krisengeschüttelten Geschichte der Republik hätte ausgereicht, um zu verhindern, dass die vielfältigen Konflikte dieser Epoche sich zu einer einheitlichen sozialen Bewegung gewandelt hätten mit dem Ziel, die bestehende Gesellschaftsordnung zu verändern. In den Hauptkonflikten der Republik standen einander keine sozialen Fronten von Unterdrückern und Unterdrückten gegenüber, und so lagen auch die Resultate dieser Konflikte nicht in der gewaltsamen Veränderung der Sozialordnung. Gerade die Geschichte der miteinander kämpfenden Lager in der langen Reihe der Konflikte innerhalb der römischen Bürgerschaft zeigt am deutlichsten die Natur dieser Auseinandersetzungen. Appian hob zu Recht hervor, dass zur Zeit des Tiberius Sempronius Gracchus die Fronten noch auf der einen Seite aus den reichen Grundbesitzern, auf der anderen Seite aus den Armen bestanden, und dass sich die Gruppen der übrigen Bevölkerung ihren eigenen Interessen entsprechend entweder dem einen oder dem anderen Lager anschlossen (B. civ. 1,39 ff.). Aber schon damals gab es einerseits Senatoren auf der Seite der Armen, andererseits starke, von den Aristokraten persönlich abhängige Gruppen einfacher Bürger auf der Seite der Oligarchie, während die Ritter sich auf beide Lager verteilten (Vell. 2,3,2). So hatte Cicero beinahe Recht, wenn er meinte, dass sich die römische Gesellschaft schon seit den Gracchen auf die Art und Weise in zwei Lager teilte, dass man eigentlich von duo senatus et duo paene iam populi hätte sprechen können (De re p. 1,31). Spätestens seit dem Bürgerkrieg zwischen Marius und Sulla handelte es sich eindeutig nur noch um einander gegenüberstehende, jeweils recht gemischte politische Interessengruppen – deren Zusammensetzung nach den jeweiligen Interessen einzelner Politiker und Gruppierungen rasch wechseln konnte. Sallust hatte die Popularen und Optimaten der sechziger Jahre des 1. Jahrhunderts v. Chr. recht zutreffend charakterisiert (Cat. 38,1 ff.): Wenn junge Leute den Volkstribunat erlangten, »so begannen sie mit der Rücksichtslosigkeit, die ihrem Alter und ihrer Art entsprach, durch Vorwürfe gegen den Senat die Masse aufzuhetzen und dann durch Geschenke und Versprechungen sie noch mehr zu entflammen, sich selbst aber auf diese Weise Ansehen und Macht zu verschaffen. Gegen sie stemmte sich mit allen Mitteln der größte Teil des Adels, scheinbar für den Senat, in Wirklichkeit aber für die eigene Machtstellung … Die einen taten so, als wollten sie des Volkes Rechte verteidigen, die anderen, als wollten sie das Ansehen des Senates möglichst steigern – das Allgemeinwohl schützen sie vor, und jeder kämpfte doch nur für den eigenen Einfluss.« So bezogen die Vertreter ein und derselben sozialen Schicht immer häufiger eine entgegengesetzte politische Stellung. Bezeichnend war zunächst die Tatsache, dass nicht nur die Führer der Optimaten, sondern auch diejenigen der Popularen immer Senatoren waren, solche nämlich, die ihre Interessen in der Bekämpfung der Oli-
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garchie zu verwirklichen suchten.156 Ihre Herkunft und ihre persönlichen Motive konnten sehr unterschiedlich sein: Viele von ihnen kamen aus dem Hochadel wie die Gracchen, Marcus Livius Drusus oder Caesar; andere wie Marius und auch Gaius Servilius Glaucia, ein Reformpolitiker zusammen mit Lucius Appuleius Saturninus, waren erbitterte Gegner des Hochadels aus dem Kreis lange benachteiligter homines novi; einige wurden von uneigennützigen Motiven geleitet wie die Gracchen, andere waren Gauner wie Publius Sulpicius Rufus (Plut., Sulla 8,1); einige hatten in ihrer früheren Ämterlaufbahn schwere politische Niederlagen einstecken müssen wie Saturninus, und auffallend viele hatten hohe Schulden wie etwa Sulpicius Rufus (Plut., Sulla 8,2), Caesar (App., B. civ. 2,3 und 2,26 f., Plut., Caes. 5,8 f.) oder auch Antonius (Plut., Ant. 2,3). Aber alle diese Unterschiede änderten nichts daran, dass die Führer der Popularen ebenso wie diejenigen der Optimaten aus dem senatorischen Adel kamen, und es gab auch zahlreiche weitere Senatoren, die die Sache der Popularen unterstützten: Sulla, ein Verfechter der Sache der Aristokratie, ließ mehr als 100 Senatoren, die seine Gegner waren, töten oder verbannen (App., B. civ. 1,482). In den machtpolitischen Auseinandersetzungen nach Sulla war die politische Stellungnahme der Senatoren noch unbeständiger, und in den Bürgerkriegen der ausgehenden Republik gab es Senatoren, die ihre Position mehr als nur einmal wechselten.157 Nur sehr wenige Adlige konnten eine solche konsequente politische Haltung einnehmen wie der jüngere Marcus Porcius Cato, der stets ein Anhänger republikanischer Ideale war;158 typisch für die Haltung der Aristokraten war viel eher das häufige Schwanken des Pompeius oder des Cicero während ihrer langen politischen Karriere.159 Auch andere soziale Schichten verhielten sich in den Auseinandersetzungen der Späten Republik keineswegs einheitlich. Die Ritter haben im Jahre 133 v. Chr. teils die Oligarchie, teils Tiberius Sempronius Gracchus unterstützt. Ein Jahrzehnt später wurden sie von Gaius Gracchus durch die Einrichtung der ritterlichen Geschworenendekurien gegen den Senat mobilisiert, doch hinderte sie das nicht daran, sich im Jahre 121 v. Chr. an der Zerschlagung der gracchischen Bewegung zu beteiligen. Später gab es zwischen ihnen und den Senatoren immer wieder Konflikte, aber es war die concordia ordinum, die Eintracht des Senatoren- und des Ritterstandes, die Cicero als Fundament der römischen Republik beschwor (Att. 1,17,8). Wie unterschiedlich die politische Position einzelner Ritter sein konnte, zeigt sich sehr deutlich daran, dass Sulla 1.600 Ritter als seine Gegner hinrichten, 390 andere 156 Vgl. die Literatur in Anm. 130. 157 Für die Risse innerhalb der senatorishen Aristokratie kennzeichnend ist unter anderem die Parteinahme der Senatoren in Caesars Bürgerkriegen, siehe dazu H. Bruhns, Caesar und die römische Oberschicht in den Jahren 49–44 v. Chr. Untersuchungen zur Herrschaftsetablierung im Bürgerkrieg (Göttingen 1978); vgl. D. R. Shackleton Baily, Class. Quart. N. S. 10, 1960, 253 ff. 158 R. Fehrle, Cato Uticensis (Darmstadt 1983). 159 Über Cicero siehe zuletzt F. Pina Polo, Rom, das bin ich. Marcus Tullius Cicero. Ein Leben (Stuttgart 2010).
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Ritter jedoch in den Senat einreihen ließ. Die Massen des städtischen Proletariats waren durch demagogische Agitation und durch Spenden leicht zu manipulieren, wovon vor allem die Popularen ausgiebig Gebrauch machten. Wie die Massen von einem geschickten Politiker gelenkt werden konnten, zeigte sich am deutlichsten an ihrer Aufpeitschung durch Antonius gegen die Mörder Caesars (App., B. civ. 2,599 ff.).160 Aber mit den gleichen Mitteln konnten auch die Optimaten Massen für sich mobilisieren, und die eigentliche Stärke der Diktatur Sullas beruhte neben der Treue seiner 120.000 Veteranen auf der Loyalität der 10.000 Cornelii, die seine Freigelassenen waren und vor allem innerhalb der stadtrömischen Plebs seine Sache vertraten (App., B. civ. 1,489). Die Veteranen unterstützten immer den ehemaligen Feldherrn, der sie zu militärischen Siegen geführt und ihnen Grund und Boden gesichert hatte; seit Marius und Sulla bildeten sie zusammen mit den aktiven Soldaten das Rückgrat der politischen Bewegungen, die sich um einzelne führende Persönlichkeiten scharten. Wie heterogen die soziale Zusammensetzung einer politischen Interessengruppe insbesondere in den Konflikten der Republik seit Marius und Sulla sein konnte, wurde bei der Verschwörung des politischen Abenteurers Catilina im Jahre 63 v. Chr. gegen die staatliche Ordnung deutlich. Der Führer dieser Bewegung war eine gescheiterte Existenz aus dem alten Adel, verschuldet und durch politische Misserfolge gezeichnet; unter seinen Anhängern gab es Vertreter aller möglichen sozialen Schichten, die nur die Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen miteinander verband: Senatoren, Ritter, Mitglieder der Oberschicht der italischen Städte, Handwerker, Lumpenproletarier, Freigelassene und Sklaven.161 Die Sklaven orientierten sich an den politischen Auseinansetzungen normalerweise am Verhalten ihrer Herren.162 Die Zusammensetzung der Fronten innerhalb der römischen Gesellschaft während der Späten Republik verschob sich, wie sich der Inhalt der Auseinandersetzungen wandelte. Tiberius Sempronius Gracchus strebte eine soziale Reform zugunsten der armen Bauern und Proletarier mit politischen Mitteln an. Sein jüngerer Bruder verfolgte dieses Ziel weiter, bezog in die Auseinandersetzung jedoch auch den Rit160 Zur Rolle der Plebs von Rom in den Auseinandersetzungen während der Krise der Republik, zu Tumultszenen und Aufruhr siehe P. A. Brunt, Past and Present 35, 1966, 3 ff., deutsch in: Zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der späten römischen Republik (Anm. 97), 271 ff.; I. Hahn, in: J. Herrmann – I. Sellnow (Hrsg), Die Rolle der Volksmassen in der Geschichte der vorkapitalistischen Gesellschaftsformen (Berlin 1975), 121 ff.; W. Nippel, in: Vom Elend der Handarbeit (Anm. 105), 70 ff.; dens., Aufruhr und »Polizei« in der Römischen Republik (Stuttgart 1988) = Public Order in Ancient Rome (Cambridge 1995). Zu Antonius siehe H. Halfmann, Marcus Antonius (Darmstadt 2011). 161 Zur coniuratio Catilinae siehe bes. E. G. Hardy, The Catilinarian Conspiracy in its Context (Oxford 1924); M. Gelzer, RE II A 2, 1923, 1693 ff.; W. Hoffmann, Gymnasium 66, 1959, 459 ff.; Z. Yavetz, Historia 12, 1963, 485 ff.; H. Drexler, Die Catilinarische Verschwörung. Ein Quellenheft (Darmstadt 1976); A. Drummond, Laws, Politics and Power: Sallust and the Execution of Catilina rian Conspirators (Stuttgart 1995). Zu den beteiligten sozialen Gruppen vgl. bes. Cic., Catilina 2,18 ff. 162 Zur Beteiligung der Sklaven an den politischen Konflikten und Bürgerkriegen der Späten Republik siehe J. Annequin – M. Letroublon, in: Actes du Colloque 1972 sur l’esclavage (Anm. 117), 211 ff.; N. Rouland, Les esclaves romaines en temps de guerre (Bruxelles 1977), 77 ff.
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terstand und die italischen Verbündeten ein und setzte dementsprechend auch neue politische Ziele. Die sozialen Motive, vor allem die Versorgung der Armen, und seit Marius der ausgedienten Soldaten, mit Land durch neue Aufteilung des Agrarbesitzes oder durch Kolonisation, spielten im Programm der Popularen auch später stets eine Rolle, jedoch war das Entscheidende schon seit der Wende vom 2. zum 1. Jahrhundert v. Chr. die Verteilung der Macht und damit die Verfassungsfrage; die Agrarfrage und auch das andere sozialpolitische Kernproblem der Späten Republik, nämlich die frumentatio, d. h. die Verteilung von Lebensmitteln bei den Massen in Rom, waren zunehmend nur noch ein Vorwand in dem Kampf ehrgeiziger Politiker um die Macht im Staat. Auch die Art, in der die Konflikte zwischen den Interessengruppen ausgetragen wurden, zeigte den Wandel einer Bewegung mit sozialen und politischen Zielen bis zum rein politischen Machtkampf. Vor allem von den Gracchen bis Sulpicius Rufus, aber teilweise auch noch nach Sulla, benutzten die Popularen die Institution des Volkstribunates und die Volksversammlung als Mittel und Rahmen des Kampfes; die politischen Gewaltakte wurden dementsprechend – von Fall zu Fall in steigendem Masse – durch Demagogie, Verfassungsbrüche, Tumultszenen, politische Morde und durch die brutale Vernichtung geschlagener politischer Gegner, doch noch nicht in der Form offener Bürgerkriege vollzogen. Diese Methoden der Auseinandersetzung wurden auch später noch angewandt, vor allem in den berüchtigten Auseinandersetzungen in Rom in den späten fünfziger Jahren des 1. Jahrhunderts v. Chr., die den Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius vorbereiteten. Aber seit den achtziger Jahren des 1. Jahrhunderts v. Chr. haben sich die Methoden des Kampfes erheblich geändert. Die Popularen mobilisierten Armeen für ihre Ziele und errichteten in Rom, wie 87–84 v. Chr., ein hartes politisches Regime. Doch nicht nur die Popularen griffen nach neuen Formen der Gewaltanwendung, sondern auch die oligarchische Reaktion. Diese gab sich bisher in der Regel mit der Verfolgung der aktivsten Popularen zufrieden, wagte die erzwungenen Reformgesetze zumindest nicht offen außer Kraft zu setzen und wiegte sich sonst in der Illusion, dass die Dinge von sich aus wieder in Ordnung kommen würden. Sullas Diktatur dagegen war ein Versuch der totalen Repression, doch nicht ohne eine Reihe beachtenswerter politischer Reformen, die von der Einsicht zeugten, dass die alten Strukturen der Republik nicht mehr unverändert wiederherzustellen waren. Neu waren jedoch vor allem die Bürgerkriege wie die zwischen Marius und Sulla, Sertorius und Pompeius, Pompeius und Caesar, den Republikanern und den politischen Erben Caesars, schließlich zwischen den einzelnen politischen Erben des Diktators. In diesen Kriegen standen reguläre Armeen einander gegenüber, die Kriegshandlungen zogen das ganze Imperium Romanum in Mitleidenschaft, die politischen Gegner wurden in verlustreichen Schlachten und in blutigen Proskriptionen163 in Massen getötet. In diesen brutalen Kriegen um die Macht konnte von
163 Siehe dazu F. Hinard, Les proscriptions de la Rome républicaine (Paris – Roma 1985).
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einer sozialen Reformbewegung keine Rede mehr sein, und ihre Konsequenz betraf nicht die soziale, sondern die politische Ordnung Roms. Die Folgen der Krise der Republik für die römische Gesellschaft Entsprechend der Struktur der Konflikte in der Späten Republik und der Art des Wandels, der sich in der römischen Gesellschaft von den Gracchen bis zur Entstehung des Kaisertums vollzog, hat sich das Gesellschaftssystem während dieser rund hundert Jahre nicht grundlegend gewandelt, sondern wurde nur modifiziert. Grundlegend geändert hat sich nur das politische System, das die römische Gesellschaft zusammenhielt. Die wirtschaftlichen Grundlagen der Sozialordnung blieben im Großen und Ganzen die gleichen wie schon seit dem Zeitalter des Zweiten Punischen Krieges.164 Das Wirtschaftsleben beruhte auch weiterhin vor allem auf der Agrarproduktion, die teils auf den großen Gütern der senatorischen Aristokratie, teils aber auch auf kleineren Grundstücken bäuerlicher Kolonisten und auf den kleinen Parzellen armer Bauern betrieben wurde. Jedoch war die Landwirtschaft ebenso wie schon früher nur ein Teil des gesamten Wirtschaftssystems, in dem auch die weit entwickelte handwerkliche Produktion und der Handel, verbunden mit lebhafter Unternehmertätigkeit, mit Fernhandel und Geldwirtschaft, außerdem der Bergbau eine erhebliche Rolle spielten. Die Expansion, die die Möglichkeiten für die weitere Entfaltung dieses Wirtschaftssystems sicherte, wurde fortgesetzt, vor allem durch die Unterwerfung Syriens durch Pompeius, durch die Eroberung Galliens durch Caesar und durch die weitere Ausdehnung der römischen Herrschaft in Hispanien, auf der Balkanhalbinsel und in Kleinasien. Da die Struktur der Wirtschaft im Laufe dieser Entwicklungen im Wesentlichen konstant blieb, hat sich auch die Gliederung der Gesellschaft kaum weiter differenziert.165 Die einzelnen sozialen Schichten wurden zwar während der Periode der beschriebenen Konflikte teils angeschlagen, teils erlebten sie einen erheblichen Aufschwung, und ihre Zusammensetzung hat sich zum Teil stark geändert; aber ganz neue soziale Schichten sind nicht entstanden, und keine der früher herausgebildeten sozialen Schichten verschwand. Das Modell einer Gesellschaft, die von den zahlenmäßig sehr schwachen Oberschichten mit ständischen Merkmalen beherrscht wurde, blieb somit im Großen und Ganzen unangetastet. Die politisch maßgebende oberste Elite der Gesellschaft bildete, nach wie vor auf seinen Grundbesitz und seinen Reichtum gestützt, die senatorische Aristokratie, mit der Nobilität an der 164 Vgl. T. Frank, An Economic Survey I (Anm. 43), 215 ff. 165 Zur Gesellschaftsordnung der Späten Republik im Allgemeinen siehe bes. F. De Martino, Storia della costituzione romana (Anm. 5), III 102 ff.; H. H. Scullard, From the Gracchi to Nero. A History of Rome from 133 B. C. to A. D. 682 (London 1963), 178 ff. Vgl. auch W. Warde Fowler, Social Life at Rome in the Age of Cicero (London 1907, Nachdruck 1964); M. Gelzer, Kleine Schriften I (Anm. 48), 154 ff. (ebenfalls über die Gesellschaftsordnung zur Zeit Ciceros); E. Wistrand, Caesar and Contemporary Roman Society (Göteborg 1978).
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Spitze.166 Ihre Zusammensetzung hat sich zwar geändert, und ihr Prestige hat so stark abgenommen, dass Florus später von einem senatus … debilitatus dieser Zeit sprach, der omne decus maiestatis amiserat (2,5,3 zum Jahre 91 v. Chr.). Das änderte jedoch nichts daran, dass die politische und wirtschaftliche Macht weiterhin vor allem in den Händen der Mitglieder der senatorischen Aristokratie lag. Obwohl ihnen die institutionalisierten Führungsfunktionen im Staat nur durch den Übertritt in den Senat offenstanden, kam auch den Rittern eine führende Stellung zu. Wie Florus (a. a. O.) richtig hervorhob, hatten sie eine politische und vor allem eine wirtschaftliche Macht inne, die ihnen beinahe die Möglichkeit gab, den Staat zu beherrschen.167 Die führenden Schichten der römischen Gesellschaft waren in diesen beiden ständischen Organisationen zusammengefasst; wenn Cicero von ordines in Rom sprach, dann meinte er vor allem diese beiden ordines.168 In den lokalen Eliten schloss sich das reiche Grundbesitzerbürgertum der Städte zusammen, das durch die Verleihung des römischen Bürgerrechtes an die Italiker im Jahre 90 v. Chr. auf der Halbinsel, trotz aller Unterschiede zwischen den einzelnen Kommunen aufgrund ihrer jeweiligen Wirtschaftsstärke und Bedeutung, eine einheitlichere Gestalt als früher anzunehmen begann und auch durch die Oberschicht der Kolonien in den Provinzen ergänzt wurde.169 Ihre reichen Angehörigen konnten sich in ihren Heimatstädten auch als Euergeten profilieren.170 Unterhalb dieser Oberschichten gab es in den Städten reiche und arme Freigelassene, Handwerker, Kaufleute, Proletarier und Sklaven, die dort im Gewerbe, aber auch in vielen anderen Berufen tätig waren (vgl. bes. Plut., Crassus 2,5 ff.), auf dem Lande Bauern mit einer starken Differenzierung von wohlhabenden Kolonisten bis zu den armen Tagelöhnern wie Varros mercennarii und obaerati (De re rust. 1,17,2) und schließlich die Massen der auf den 166 Zur senatorischen Aristokratie während der Späten Republik siehe vor allem R. Syme, Roman Revolution (Anm. 125), 10 ff. Forschungsbericht mit Literatur bei T. R. S. Broughton, ANRW I 1 (Berlin – New York 1972), 250 ff. Zur Nobilität siehe die Literatur in Anm. 46, zu den »neuen Männern« bes. T. P. Wiseman, New Men in the Roman Senate (Anm. 92). Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der spätrepublikanischen senatorischen Aristokratie ist das Werk von I. Shatzman, Senatorial Wealth and Roman Politics (Anm. 96) grundlegend; siehe ferner M. Jaczynowska, Historia 11, 1962, 486 ff., deutsch in: Zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der späten römischen Republik (Anm. 97), 214 ff.; E. Rawson, in: M. I. Finley (Ed.), Studies in Roman Property (Cambridge 1976), 85 ff. 167 Zum Ritterstand in der Späten Republik siehe die Literatur in Anm. 79. 168 Zum Begriff ordo bei Cicero siehe J. Béranger, in: Recherches sur les structures sociales (Anm. 12), 225 ff. = in: J. Béranger, Principatus (Genève 1973), 77 ff.; zum römischen ordo-Begriff ausführlich B. Cohen, Bull. de l’Ass. de G. Budé 1975, 259 ff. 169 Zu den städtischen Eliten Italiens in der Zeit der Späten Republik siehe M. Cébeillac-Gervasoni (Ed.), Les élites municipales de I’Italie péninsulaire des Gracques à Néron. Actes de la table ronde de Clermont-Ferrand (28–30 novembre 1991) (Napoli – Roma 1996) und dies., Les magistrats des cités italiennes de la Seconde Guerre Punique à Auguste: Le Latium et la Campanie (Paris – Roma 1998). Zur Selbstdarstellung der städtischen Eliten Italiens vgl. M. Denti, Ellenismo e romanizzazione nella X regio. La scultura delle élites locali dall’età repubblicana ai Giulio-Claudi (Roma 1991). 170 S. Panciera, in: M. Christol – O. Masson (Eds.), Actes du Xe Congrès International d’Épigraphie Grecque et Latine, Nîmes, 4–9 Octobre 1992 (Paris 1997), 249 ff. = in: ders., Epigrafi, epigrafia, epigrafisti. Scritti vari editi e inediti (1956–2005) con note complementari e indici (Roma 2006), 53 ff.
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Gütern tätigen Sklaven. Die Plebs Roms erhielt durch ihre starke Beteiligung an den politischen Auseinandersetzungen ein neues Gewicht und profitierte von der Munifizenz der Mächtigen, die ihr mit Spenden unterschiedlicher Natur hofierten.171 Die Zusammensetzung der Landbevölkerung hat sich durch die Ansiedlung von Veteranen geändert und erhielt eine Stärkung.172 Die Sklaverei blieb weiterhin eine zentral wichtige Grundlage des städtischen und ländlichen Wirtschaftslebens, aber die Lage der Unfreien hat sich infolge der Lehren aus den großen Sklavenaufständen gebessert.173 Varro empfahl im Gegensatz zum älteren Cato, sie nicht durch brutale Ausbeutung, sondern durch Vergünstigungen und Belohnungen zu besseren Arbeitsleistungen anzuspornen.174 Die Kriterien, die die einzelnen Positionen innerhalb der Gesellschaft und somit die soziale Schichtung in der Späten Republik bestimmten, waren in ihrer Natur kaum verschieden von den Grundlagen der sozialen Gliederung in der Epoche zwischen dem Zweiten Punischen Krieg und den Gracchen. Sie bildeten ein kompliziertes System, in dem nach wie vor soziale Herkunft, persönliche Ambitionen und Tüchtigkeit, Grundbesitz und finanzielles Vermögen, politische Privilegien und politische Bildung, Bürgerrecht oder Rechtlosigkeit, persönliche Freiheit oder Unfreiheit, ethnische oder regionale Zugehörigkeit, wirtschaftliche Aktivität entweder in städtischen oder in ländlichen Produktionszweigen zusammenspielten. Die zuerst genannten Faktoren verliehen dem Einzelnen die dignitas, Rang und Würde, die für eine bessere soziale Position nötig war und deren sozialer Inhalt von Cicero sehr deutlich definiert wurde: dignitas est alicuius honesta et cultu et honore et verecundia digna auctoritas (De inv. 2,166). Neu war nur, dass diese Faktoren unter den Erschütterungen der andauernden Konflikte zum Teil in einer anderen Form und in einem anderen Maße ihre Wirkung entfalten konnten als vorher in der Blütezeit der aristokratischen Republik. Wer einer Adelsfamilie entstammte, besaß durch Ansehen, Beziehungen und oft auch durch sein geerbtes Land und Vermögen von vornherein ein Privileg für politische Initiativen. Selbst wer völlig verschuldet 171 Zur plebs urbana in der Späten Republik siehe die Literatur oben in Anm. 105. Lebensmittelverteilung an das Volk von Rom: C. Virlouvet, Tessera Frumentaria. Les procédures de distribution du blé public à Rome à la fin de la République et au début de l’Empire (Paris 1995). Zur Mobilisierung der stadtrömischen Plebs in den politischen Auseinandersetzungen siehe Anm. 144. 172 Zur Rolle der Veteranen in der Späten Republik siehe bes. H.-Chr. Schneider, Das Problem der Veteranenversorgung in der späteren römischen Republik (Bonn 1977); siehe noch die Literatur in Anm. 151. 173 Zu den Sklaven und Freigelassenen während der Späten Republik siehe W. L. Westermann, The Slave Systems (Anm. 111), 63 ff.; E. M. Schtajerman, Die Blütezeit der Sklavenwirtschaft (Anm. 111), 36 ff.; S. Treggiari, Roman Freedmen during the Late Republic (Oxford 1969); G. Fabre, Libertus. Recherches sur les rapports patron-affranchi à la fin de la république romaine (Paris – Roma 1981). Wirtschaftliche Grundlagen des Aufstiegs der Freigelassenen in der Späten Republik: St. Mrozek, Chiron 5, 1975, 311 ff. 174 Zu Varro und seinen Ansichten über die Sklaverei siehe die Literatur in Anm. 98, ferner R. Martin, Recherches sur les agronomes latins et leurs conceptions économiques et sociales (Paris 1971), 211 ff.; dens., in: Actes du Colloque 1972 sur l’esclavage (Anm. 117), 267 ff.
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war, brauchte deswegen noch keineswegs unbedingt auf politische Ambitionen zu verzichten. So haben etwa die homines novi seit den Konsulaten des Marius die Gleichberechtigung mit den nobiles im Zugang zu den höchsten Ämtern keineswegs errungen. Während der mehr als sechzig Jahre vom ersten Konsulat des Marius bis zum Tode Caesars gab es insgesamt nur elf Konsuln, die nachweislich homines novi im Senatorenstand waren; erst im Zeitraum von 43 bis 33 v. Chr. haben die »neuen Männer« – mit 18 Konsuln innerhalb von elf Jahren – wirklich eine andere soziale Position erworben als bisher.175 Aber die persönliche Begabung und der Ehrgeiz der »neuen Männer« konnten unter den Voraussetzungen der Zeit viel eher zur Geltung kommen als im Jahrhundert vor Marius. Marcus Tullius Cicero, wie Marius ein homo novus aus Arpinum, der seine politische Karriere und seine allgemeine Anerkennung als princeps senatus seinen vielfältigen Fähigkeiten zu verdanken hatte, lieferte das beste Beispiel dafür. Vor allem waren die Möglichkeiten vorhanden, dass geschickte und rücksichtslose Personen innerhalb kurzer Zeit geradezu unglaubliche Reichtümer erwerben konnten. Nicht nur unternehmerische Gewinne und die fortgesetzte Expansion verhalfen dazu, sondern auch die politischen Umwälzungen vor allem seit Marius und Sulla mit der Folge, dass führende Familien ausgerottet und riesige Vermögen konfisziert wurden. Marius hatte seine Tätigkeit als armer Mann begonnen, erwarb jedoch Ländereien, die nach Plutarch für einen König hätten ausreichen können (Mar. 34,2 ff. und 45,11); der früher arme Sulla wurde der reichste Mann seiner Zeit (Plin., N. h. 33,134). Marcus Licinius Crassus, der dritte Mann im ersten Triumvirat, vermehrte sein geerbtes Vermögen von 300 auf 7.100 Talente (ungefähr 42,000.000 Denare), die er in Latifundien, Bergwerken und Sklaven investierte (Plut., Crassus 2,1 ff.). Der Maßstab für »Reichtum« war damit ein ganz anderer als etwa noch zur Zeit der Scipionen. Nur jener Teil der Erbschaft des Pompeius, den ein Jahrzehnt nach seinem Tode sein Sohn hätte erhalten sollen, betrug 17,500.000 Denare (Dio 48,36,5); Caesar schenkte seiner Geliebten Schmuck im Wert von 1,500.000 Denaren (Suet., Caes. 50,2), und Lucius Licinius Lucullus, der erfolgreiche Feldherr gegen Mithridates, ließ Mahlzeiten im Wert von 50.000 Denaren servieren (Plut., Lucullus 41,7). Ein gewöhnlicher römischer Senator oder Ritter, der die erforderliche Censusqualifikation seines Ordos (100.000 Denare) gerade aufbrachte, konnte sich mit diesen Reichtümern nicht messen, und Cicero, der in verschiedenen Teilen Italiens, so außer in seiner Heimat Arpinum in Tusculum, Lanuvium, Antium, Astura, Caieta, Formiae, Sinuessa, Cumae, Puteoli und Pompeii, Güter und Villen besaß, gehörte nicht einmal zu den reichsten Römern seiner Zeit. Freilich gab es nicht nur reiche Senatoren, sondern auch reiche Ritter, so etwa den Titus Pomponius Atticus, den Freund Ciceros, der seine Gewinne aus Landkauf in Italien und in Epirus, aus Geldverleih, aus der Vermietung von Häusern in Rom und sogar als Verleger erzielte 175 Zu den homines novi unter den Konsuln siehe T. P. Wiseman, New Men in the Roman Senate (Anm. 92), 164 ff. und 203.
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und als ein ebenso tüchtiger wie Maß haltender Geschäftsmann galt.176 Aber auch Männer sehr niedriger Herkunft konnten die Chancen der Bürgerkriegszeit nutzen. Chrysogonus etwa, ein Freigelassener Sullas, erwarb den versteigerten Besitz eines hingerichteten Bürgers so billig, dass er sich eines mehr als hundertfachen Gewinns rühmen konnte (Plut., Cic. 3,4). Gerade Freigelassene besaßen auch die Möglichkeit, nicht allein durch Geld, sondern durch ihre guten Beziehungen zu mächtigen patroni politischen Einfluss und Macht zu erlangen. Chrysogonus erschien Cicero als potentissimus hoc tempore nostrae civitatis (Rosc. 6), und Demetrios, ein einflussreicher Freigelassener des Pompeius, wurde in Syrien wie ein vornehmer Senator behandelt (Plut., Cato min. 13,1 ff.). Es war für die römische Gesellschaft nichts Neues, dass Grundbesitz und Geld politische Macht und Einfluss sicherten; neu waren nur die gestiegenen Ansprüche und die besseren Möglichkeiten, zu Vermögen und dadurch zu Macht und Einfluss zu gelangen. Auch politische Erfahrung, Geschick im Umgang mit den Massen und Feldherrnqualitäten konnten einmalige Karrieren ermöglichen. Der Besitz des römischen Bürgerrechtes verhalf dazu, Spenden zu bekommen, politisch umworben zu sein, in das Heer einzutreten und dort Sold und Beute zu erhalten, als Veteran oder als Proletarier mit Grund und Boden versorgt zu werden. Selbst die einfache persönliche Freiheit eines sonst rechtlosen Provinzialen konnte mehr bedeuten als früher, da zumindest die Mitglieder der provinzialen Oberschichten eher als bisher hoffen konnten, dass ihnen das römische Bürgerrecht erteilt wurde. Freilich waren in der Zeit der permanenten, gewaltsam ausgetragenen Konflikte das Vermögen und die führende Position nicht nur rasch zu gewinnen, sondern auch noch schneller zu verlieren. Selbst die mächtigsten Politiker und Feldherren konnten ihren Gegnern zum Opfer fallen. Infolge der ungeheuren Verluste der Bevölkerung in Bürgerkriegen und in weiteren blutigen Auseinandersetzungen wurden die meisten sozialen Schichten stark dezimiert. Aber in alle Schichten der Gesellschaft rückten immer wieder neue Gruppen nach. Die Änderungen in der Zusammensetzung der einzelnen Schichten infolge dieser Fluktuation waren überhaupt die wichtigsten Konsequenzen sozialer Natur für die römische Gesellschaft aus den Konflikten der Späten Republik. Sehr viele Senatoren sind den Bürgerkriegen und den Proskriptionen – allein im Jahre 43 v. Chr. 300 Mann – zum Opfer gefallen; dafür rückten noch mehr homines novi aus dem Ritterstand und aus der Oberschicht der italischen Städte an deren Stelle. Sulla nahm in den Senatorenstand 300 Ritter auf (App., B. civ. 1,468) und erhöhte die Zahl der Senatoren damit auf 600. Vor allem Caesar, der auch auf Provinzialrömer zurückgriff, setzte diese Politik noch großzügiger fort (Suet., Caes. 41,1 und 80,2), so dass der Senat in den letzten Jahren der Republik 900 Mitglieder zählte (Dio 43,47,3). Der Ritterstand hat allein durch die Proskriptionen Sullas mindestens 1.600 und durch die Proskriptionen im Jahre 176 Corn. Nepos, Att. 13. Siehe zu ihm O. Perlwitz, Titus Pomponius Atticus. Untersuchungen zur Person eines einflussreichen Ritters in der ausgehenden römischen Republik (Stuttgart 1992).
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43 v. Chr. 2.000 Angehörige verloren. Trotzdem stieg die Zahl der Mitglieder des Ritterstandes um die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. auf rund 20.000.177 Unter den vielen neuen Rittern gab es in zunehmendem Maße auch Männer aus den Provinzen, so aus Sizilien, Africa und insbesondere aus Hispanien (Bell. Alex. 56,4). Stark verschoben hat sich auch die Zusammensetzung der Oberschicht der Städte in Italien und zum Teil auch in den Provinzen. Der Hauptgrund war die Ansiedlung von Veteranen seit Marius, sowohl in Italien als auch in den Provinzen; diese ehemaligen Soldaten, die auf dem Territorium der Kolonien Ackerland erhielten, bildeten die Oberschicht dieser Städte. Aber auch in den Municipien rückten oft soziale Aufsteiger, etwa Freigelassene und deren Nachkommen, in die lokalen Eliten nach und übernahmen dort die Rolle früherer Familien, die in der Krisenperiode ihr Vermögen verloren hatten oder in den Bürgerkriegen ausgerottet worden waren. Auch Proletarier aus Rom wurden oft in Kolonien angesiedelt; unter Caesar nahm die Zahl der offiziell als Getreideempfänger anerkannten Armen in Rom insgesamt von 320.000 auf 150.000 ab (Suet., Caes. 41,3). Doch wurde dieses Proletariat durch den Zustrom neuer Gruppen und insbesondere durch die Massenfreilassungen während des letzten Jahrhunderts der Republik immer wieder neu ergänzt; allein Sullas 10.000 liberti (App., B. civ. 1,469) bedeuteten einen sehr merkbaren neuen Schub. Ebenso rückten an die Stelle der vielen Freigelassenen immer wieder neue Sklaven. Marius machte im Krieg gegen die Kimbern und Teutonen angeblich nicht weniger als 150.000 Gefangene, die versklavt wurden (Oros. 5,16,21); Caesar ließ während seiner Kriege in Gallien nach einer einzigen Schlacht 53.000 Gefangene in die Sklaverei abführen (Bell. Gall. 2,33,6), und die Gesamtzahl seiner Gefangenen soll 1,000.000 betragen haben (Plut., Caes. 15,6). Dazu kamen noch weitere Bezugsquellen von Sklaven. Hierzu gehörte vor allem der Menschenraub, der im Osten bis zur Vernichtung der Seeräuber durch Pompeius 66 v. Chr. unvorstellbare Ausmaße erreicht hatte. Im Jahre 104 v. Chr. hatte der bithynische König die militärische Hilfeleistung an die Römer gegen die Germanen mit der Begründung abgelehnt, dass die Mehrheit seiner Untertanen als Sklaven für die Römer verschleppt worden waren (Diodor 36,3,1.). So war die römische Gesellschaft der Späten Republik ständig in Bewegung. Die wichtigste Folge dieser Umschichtung war, dass die Integration der lokalen Gesellschaften in zahlreichen Teilen des Imperium Romanum in eine mehr oder weniger einheitliche Sozialordnung beschleunigt wurde, womit die Voraussetzungen für die Herausbildung einer überall nach einheitlichen Kriterien konstituierten Oberschicht entstanden. Die Italiker wurden in das römische Gesellschaftssystem vollständig einbezogen. Die große rechtliche Trennlinie verlief seit der letzten Generation der Republik nicht mehr zwischen Römern – d. h. den Einwohnern Roms und einzelner Städte Italiens mit römischem Bürgerrecht – und Nichtrömern, sondern zwischen Italikern und Provinzialen. Aber auch in den Provinzen wurden die ersten Schritte 177 Plut., Cic. 31,1. Diese Zahl blieb in der Frühen Kaiserzeit wohl unverändert, siehe S. 162.
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für die Integration getan. Das eine Mittel hierfür war die Ansiedlung italischer Kolonisten in den Provinzen, hauptsächlich in Südgallien, Hispanien, Nordafrika und in einigen Gebieten des Ostens.178 Das andere, für die Integration noch wichtigere Mittel war die Verleihung des römischen Bürgerrechtes an die Mitglieder der einheimischen Oberschichten in den Provinzen – zumeist in den Gebieten, in denen auch die italische Kolonisation eine besondere Rolle spielte. Die neuen Bürger aus den Provinzen konnten, falls sie die entsprechenden wirtschaftlichen Bedingungen erfüllt und sich um die Sache eines politischen Führers besonders verdient gemacht hatten, auch in den Ritterstand, in einigen Fällen sogar in den Senat aufgenommen werden.179 In Hispanien soll es unter Augustus allein in der Stadt Gades 500 Ritter gegeben haben (Strabo 3,5,3), und aus dieser Stadt stammte auch Lucius Cornelius Balbus, der im Jahre 72 v. Chr. das römische Bürgerrecht erhielt und 40 v. Chr. als primus externorum (Plin., N. h. 7,43), als erster Provinzialrömer, zum Konsul aufstieg.180 All diese Veränderungen in der Zusammensetzung der einzelnen sozialen Schichten konnten allerdings nicht bewirken, dass die zunehmend blutig ausgetragenen Konflikte innerhalb der Gesellschaft, die mehrere Millionen Menschenleben gekostet haben, abgebaut wurden. Die römische Gesellschaft der Späten Republik konnte ihre Probleme nicht wirklich lösen. Es waren nur einige soziale Probleme, die die Republik tatsächlich bewältigen konnte. Ihre Ohnmacht hat niemand deutlicher formuliert als Livius in seinem klassischen Satz: nec vitia nostra nec remedia pati possumus.181 Wirklich gelöst wurde nur die Italikerfrage durch eine Konzession, die allerdings erst nach einem blutigen Krieg gemacht wurde, obwohl sie – gerade im Interesse des Systems – von den besten Kräften der römischen Gesellschaft schon längst als naheliegend erkannt worden war. Die Unterdrückung der Provinzialen nahm ab, und auch die Sklaven wurden in den letzten Jahrzehnten der Republik besser als vorher behandelt. Aber die Provinzen galten nach wie vor als praedia populi Romani, und Cicero hielt die Gallier der Provinz Narbonensis für Barbaren; Varro machte keinen Hehl daraus, dass er die Sklaven nur als Arbeitskraft und
178 Kolonisation, Bürgerrechtspolitik: F. Vittinghoff, Römische Kolonisation und Bürgerrechtspolitik unter Caesar und Augustus (Wiesbaden 1952), 7 ff.; L. Teutsch, Das römische Städtewesen in Nordafrika in der Zeit von C. Gracchus bis zum Tod des Kaisers Augustus (Berlin 1962); A. J. N. Wilson, Emigration from Italy in the Republican Age of Rome (New York 1966); P. A. Brunt, Italian Manpower (Anm. 23), 159 ff.; J. Gascou, La politique municipale de l’Empire romain en Afrique proconsulaire de Trajan à Septime-Sévère (Paris – Roma 1972); A. N. Sherwin-White, ANRW I 2 (Berlin – New York 1972), 23 ff.; ders., The Roman Citizenship2 (Anm. 53). 179 Zum Aufstieg einzelner Provinzialen in den Senat siehe T. P. Wiseman, New Men in the Roman Senate (Anm. 92), 19 ff.; R. Syme, The Provincial at Rome and Rome and the Balkans 80 BC – AD 143 (Exeter 1999). 180 J. F. Rodríguez Neila, Los Balbos de Cádiz. Dos españoles en la Roma de César y Augusto (Sevilla 1973); siehe neuerdings dens., Confidentes de César. Los Balbos de Cádiz (Madrid 1996). 181 Liv., Praef. 9. Zur Ohnmacht der Späten Republik siehe Ch. Meier, Res publica amissa (Anm. 86), 301 ff.
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nicht als Menschen betrachtete. Somit wurde die Kluft zwischen den Nutznießern des römischen Herrschaftssystems und den Unterdrückten nur etwas verringert und keineswegs aufgehoben. Die Agrarfrage und damit die Versorgung der Proletarier mit Land wurde vor allem durch die Kolonisation in den Provinzen und durch die Neuverteilung des Bodens in Italien nach den einzelnen Bürgerkriegen einer Lösung nahegebracht, aber diese Lösung unterschied sich doch sehr von derjenigen, die seinerzeit die Gracchen angestrebt hatten, und ihr Preis war sehr hoch. Ähnlich war schließlich auch der Ausgang der Zusammenstöße innerhalb der führenden Schichten der römischen Gesellschaft, zwischen Rittern und Senatoren, zwischen »neuen Männern« und hochadligen Familien, zwischen einzelnen Gruppen der Oligarchie: Anstelle einer wirklichen Lösung der Gegensätze liefen die Konflikte eher auf wiederholte gegenseitige Gemetzel hinaus. Die Späte Republik vermochte ihre Krise weder durch Reformen noch durch eine soziale Revolution zu bewältigen, sondern war nur dazu fähig, ihren tiefsten Problemen durch die Vernichtung ihrer traditionellen politischen Ordnung aus dem Wege gehen und die definitive Lösung der Probleme einem neuen politischen System zu überlassen. Diese Ohnmacht lag nicht zuletzt daran, dass die römische Gesellschaft während der Späten Republik auch nicht dazu imstande war, Ideale zu finden, die ihre Konflikte hätten zu bewältigen oder zu mildern helfen und zumindest die führenden sozialen Schichten auf einer gemeinsamen geistigen Grundlage hätten zusammenhalten können. Der ideologische und moralische Horizont des mos maiorum ging weitgehend verloren. Nichts brachte diese geistige Krise so klar zum Ausdruck wie der in der Späten Republik immer wieder beklagte Verfall der guten alten Sitten, verdeutlicht auch durch die Verhaltensweisen führender Männer wie etwa durch den berüchtigten Luxus des Lucullus (Plut., Lucullus 39,1 ff.) oder durch die Korruption, ohne die Caesars Karriere unmöglich gewesen wäre (Suet., Caes. 13). Sallust führte die Krise der Republik auf diese moralische Schwäche zurück: Nachdem Rom sich nicht mehr vor Karthago hätte fürchten müssen, habe »ein ungebundenes und übermütiges Treiben, wie es das Glück gern im Gefolge hat, begonnen« (Iug. 41,1 ff.). Die tatsächlichen Ursachen der Krise lagen freilich in der Unzulänglichkeit der stadtstaatlichen Verfassung und im Wandel der sozialen Verhältnisse seit dem Zeitalter des Zweiten Punischen Krieges. Die Bedeutung des Verlustes der alten ethischen Richtschnur hat Sallust jedoch ganz richtig eingeschätzt, da damit das Bezugssystem der römischen Gesellschaft verfiel. Aber seine Sorgen zeigten auch, dass die Republik den mos maiorum auch nicht durch ein neues ideologisches und ethisches System ersetzen konnte – obwohl gerade die Späte Republik sich so schöpferischer Geister rühmen konnte wie Cicero, Sallust oder Caesar. Die einzige anerkannte Orientierungsnorm blieb nach wie vor die Sitte der Ahnen, die nach allgemeiner Überzeugung einst die beste Staatsform in der Geschichte zu schaffen vermochten (Cic., De re p. 1,70): Der Weg in die Zukunft konnte nur in der Erneuerung der alten Traditionen in einer der Zeit adäquaten Form – nicht zuletzt in ihrer sinnvollen Verbindung mit den Errungenschaften der griechischen Philosophie – liegen.
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Vollkommen und unwiderruflich außer Kraft gesetzt wurde in den Konflikten der Späten Republik nur die traditionelle politische Ordnung der römischen Gesellschaft – das aus der Verfassung eines archaischen Stadtstaates stammende aristokratische Regierungssystem. Schon Cicero hat den Zusammenbruch dieses Regierungssystems eingestanden: rem publicam funditus amisimus (Q. fr. 1,2,15). Die politischen und militärischen Auseinandersetzungen zwischen den Interessengruppen des römischen Bürgertums, verschärft durch die parallel damit verlaufenden weiteren Konflikte, haben das republikanische Regime, das auf der Zusammenarbeit von Magistraten und Volksversammlung unter der führenden Autorität des Senats basierte, zerrüttet. Dazu kam auch die Tatsache, dass das Imperium Romanum, das am Ende der Republik von Hispanien und Gallien bis nach Syrien reichte, nicht mehr auf Dauer im Rahmen eines anachronistischen politischen Systems zusammenzuhalten und zu regieren war. Alle diese Faktoren wiesen zugleich auf die einzige mögliche politische Lösung der Krise hin. Bereits Cicero freundete sich mit dem Gedanken der Ablösung der Oligarchie durch die Alleinherrschaft an, und die nächste Generation kannte keine Alternative mehr. Der Weg führte aus den Konflikten der Späten Republik zwangsläufig dorthin. Dass militärisch und politisch besonders aktive und erfolgreiche Einzelpersonen schon früher aus der Oligarchie herausragten, hatte bereits das Beispiel der Scipionen gezeigt. Die heftigen politischen Auseinandersetzungen seit der Gracchenzeit boten noch mehr Gelegenheit dazu, dass einzelne Adlige sich an der Spitze von unzufriedenen Massen gegen das oligarchische Regime wandten; die Popularen, aber bald darauf auch die Optimaten, scharten sich zunehmend um einzelne Politiker, die als Führer einer Interessengruppe auftraten. Seit der Heeresreform des Marius verfügten diese Führer auch über ein zuverlässiges und ausschlaggebendes Machtinstrument, nämlich über das ihnen persönlich eng verbundene proletarische Heer; die auswärtigen Kriege und Siege, so diejenigen, die Marius gegen Iugurtha und gegen die Germanen, Sulla gegen Mithridates, Pompeius im Osten, Caesar in Gallien, Antonius im Orient, Octavianus in Illyricum errungen hatten, gaben auch Gelegenheit, das Heer zu üben, die Soldaten mit Beute zu versorgen und die persönliche dignitas der Führer durch Feldherrnruhm zu vermehren. Auf diese Art wuchs die Macht dieser Führer ständig, und die Zukunft gehörte demjenigen unter ihnen, der mächtig genug war, alle Konkurrenten auf dem Weg zur Alleinherrschaft mit Gewalt zu entfernen. Die so entstandene Monarchie des Augustus gab dann der römischen Gesellschaft endlich den politischen Rahmen und auch die geistige Orientierung, die sie so lange vergeblich gesucht hatte.
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V. Die Gesellschaftsordnung der Prinzipatszeit
Alte und neue Voraussetzungen Die ersten beiden Jahrhunderte der römischen Kaiserzeit von der Alleinherrschaft des Augustus (30/27 v. Chr. – 14 n. Chr.) bis zu den Regierungszeiten des Antoninus Pius (138–161) und des Mark Aurel (161–180) waren nicht nur in der politischen Geschichte Roms die Blütezeit, in der das Imperium Romanum seine geographisch größte Ausdehnung erreichte und in der sowohl im Innern als auch an den Grenzen des Reiches – jedenfalls bis zu den Kriegen Mark Aurels an der Donau – Friede herrschte. Diese Epoche stellte in gewissem Sinne auch den Höhepunkt in der Geschichte der römischen Gesellschaft dar. Ganz neue Formen sozialer Beziehungen, die die Sozialstruktur grundlegend verändert hätten, bildeten sich zwar während dieser Epoche ebenso wenig heraus wie in der ausgehenden Republik, vor allem deshalb nicht, weil die Wirtschaftsstruktur in ihren wichtigsten Zügen weitgehend unverändert blieb. Neu waren nur zwei Faktoren für die Sozialentwicklung, die allerdings auch nicht auf einmal unter Augustus auftraten, sondern bereits durch die Geschichte der Späten Republik teils vorbereitet, teils eingeleitet worden waren. Der eine neue Faktor lag in der Etablierung der kaiserlichen Monarchie als eines für die römische Gesellschaft adäquaten politischen Rahmens mit der Konsequenz, dass die Positionen und Funktionen einzelner sozialer Schichten teilweise neu definiert wurden und dass die soziale Pyramide des Weltreiches mit dem Kaiserhaus eine neue Spitze erhielt. Der andere neue Faktor ergab sich aus der Integration der Provinzen und der Provinzialen im römischen Staats- und Gesellschaftssystem und hatte zur Folge, dass das als »römisch« zu bezeichnende soziale Modell auch auf die Bevölkerung der meisten Provinzen übertragen wurde, was die Herausbildung einer weitgehend homogenen Reichsaristokratie und die starke Vereinheitlichung der lokalen Eliten, doch auch die Assimilation breiterer Bevölkerungsschichten bedeutete.182 182 Aus der älteren Literatur zur Sozialgeschichte der Kaiserzeit vgl. S. Dill, Roman Society from
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Aus diesen Voraussetzungen geht hervor, in welchem Sinne die Prinzipatszeit als Höhepunkt in der römischen Sozialentwicklung gelten kann. Das stark differenzierte Stände-Schichten-Modell der römischen Gesellschaft, das sich seit dem Zweiten Punischen Krieg in der Späten Republik entfaltet hatte, wurde im Zeitraum von der Herrschaft des Augustus bis zur Mitte des 2. nachchristlichen Jahrhunderts durch keine neue Sozialordnung abgelöst, jedoch erreichte es erst in dieser Epoche seine »klassische« Form, und zwar einerseits durch seine vertikale Modifizierung im politischen Rahmen des Kaisertums, d. h. durch seine ganz klar gewordene innere Hierarchie, andererseits durch seine horizontale Entwicklung, nämlich durch seine Ausdehnung auf die Bevölkerung des gesamten Imperium. Natürlich war dieses Gesellschaftssystem während der mehr als anderthalb Jahrhunderte von Augustus bis Antoninus Pius kein statisches, sondern es war einem zwar langsamen, dennoch permanenten Wandel unterworfen. Die Lage der einzelnen sozialen Schichten, z. B. der senatorischen Aristokratie oder der Sklaven auf den Gütern, blieb während dieses Zeitraumes keineswegs unverändert, und auch die Integration der Provinzialen Nero to Marcus Aurelius2 (London 1905). Nach wie vor kaum zu übertreffende Gesamtdarstellung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Kaiserzeit mit Konzentration auf die Epoche der Flavier und der Antoninen mit einer ausführlichen Behandlung der Situation in den einzelnen Reichsteilen (mit einer heute überholten Überbewertung des Stadt-Land-Gegensatzes und seiner Folgen) ist das Werk von M. Rostovtzeff, Gesellschaft und Wirtschaft im römischen Kaiserreich I–II (Leipzig 1929). Mehr sozialgeschichtlich orientiert sind J. Gagé, Les classes sociales dans l’Empire romain (Paris 1964), ferner bes. R. MacMullen, Roman Social Relations 50 B. C. to A. D. 284 (New Haven – London 1974), der mit diesem Buch ein ausgezeichnetes Gesamtbild über die sozialen Strukturen Roms während der ausgehenden Republik und der Hohen Kaiserzeit entworfen hat. Zusammenfassende Darstellungen bieten weiterhin J. Bleicken, Verfassungs- und Sozialgeschichte des Römischen Kaiserreiches2 I (Paderborn – München – Wien – Zürich 1981), 277 ff.; F. Vittinghoff, Gesellschaft, in: ders. (Hrsg.), Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte in der römischen Kaiserzeit. Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte I (Stuttgart 1990), 161 ff. mit einer eingehenden Studie über das Gesellschaftssystem der Hohen Kaiserzeit; H.-J. Gehrke, Die römische Gesellschaft, in: J. Martin, (Hrsg.), Das alte Rom. Geschichte und Kultur des Imperium Romanum (München 1994), 167 ff.; K. Christ, Die gesellschaftliche Struktur des Imperium Romanum, in: ders., Geschichte der römischen Kaiserzeit von Augustus bis zu Konstantin3 (München 1995), 350 ff.; F. Jacques – J. Scheid, Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit 44 v. Chr. – 260 n. Chr. I. Die Struktur des Reiches I (Stuttgart – Leipzig 1998), 317 ff., bes. 328 ff.; P. Saller, in: A. K. Bowman – P. Garnsey – D. Rathbone (Eds.), The Cambridge Ancient History2 XI. The High Empire, A. D. 70–192 (Cambridge 2000), 817 ff.; W. Dahlheim, Geschichte der römischen Kaiserzeit (München 2003), 48 ff. 208 ff. 393 ff. (hier mit Bibliographie); J.-U. Krause, Klassen (Anm. 124), 1180 ff. Vor Kurzem erschien das von M. Peachin herausgegebene große Sammelwerk The Oxford Handbook of Social Relations in the Roman World (Oxford 2011), in dem anders als hier nicht nur die »klassischen« Themen der Sozialgeschichte wie einzelne soziale Schichten und Gruppen o. ä. behandelt werden, sondern auch die heute modischen Fragen der Sozialanthropologie wie z. B. die Lage der Frauen, für die in der hier vorliegenden Arbeit nur eine Bibliographie geboten wird. Vgl. dazu G. Alföldy, Gnomon, im Druck. Eine noch immer nützliche Quellensammlung für viele Fragen der Sozialgeschichte vornehmlich der Kaiserzeit findet sich bei L. Friedländer – G. Wissowa, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms10 I–IV (Leipzig 1920/22). Wichtige Einzelstudien auch zu sozialgeschichtlichen Fragen beinhaltet das Werk von R. Duncan-Jones, The Economy of the Roman Empire. Quantitative Studies2 (Cambridge 1982). Vgl. sonst die weitere Literatur in der Bibliographie in den Abschnitten A 2, B 3.1 und B 3.3.
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durch Bürgerrechtsverleihung und Urbanisation erfolgte Schritt für Schritt und mit großen Phasenverschiebungen in den einzelnen Reichsteilen. Zugleich wurden zumindest in einzelnen Teilen des Imperiums wie z. B. in Hispanien schon spätestens um die Mitte des 2. Jahrhunderts auch die ersten Vorzeichen bemerkbar, die in die Richtung eines tiefgreifenden Wandels dieser Gesellschaftsordnung wiesen.183 Jedoch vollzogen sich alle Umwandlungsprozesse der Prinzipatszeit noch im Rahmen des traditionellen Stände-Schichten-Systems, und die Vorzeichen des großen Wandels sind – wenn auch nicht in allen Teilen des Imperium Romanum und schon gar nicht überall mit der gleichen Intensität – erst in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts Symptome einer von krisenhaften Entwicklungen begleiteten starken Metamorphose der römischen Gesellschaft geworden. Wenn sich die Sozialstruktur der Prinzipatszeit von derjenigen der Späten Republik verhältnismäßig wenig unterschied, so ergab sich diese Kontinuität in erster Linie aus der Natur des römischen Wirtschaftssystems, die sich im Zuge des Überganges von der Republik zum Kaisertum kaum änderte.184 Gewiss könnte zwar die Prinzipatszeit auch als die Blüteperiode des römischen Wirtschaftslebens bezeichnet werden. Ein großer wirtschaftlicher Aufschwung, der in der Steigerung der Quantität und teilweise auch der Qualität der Produktion lag, war offensichtlich. Er war vor allem der unter den günstigen Voraussetzungen der pax Romana erfolgten Erschließung und Urbanisation des Provinzialreiches, hauptsächlich in der westlichen Reichshälfte, zu verdanken, die in breiten Gebieten des Imperium Romanum eine höhere Produktionsleistung ermöglichten. Die landwirtschaftliche Produktion blühte nicht nur in traditionell wichtigen Agrargebieten wie in Ägypten (seit 30 v. Chr. römisches Gebiet) oder in der Provinz Africa. Sie erlebte auch in bisher rückständigen Gebieten wie z. B. in den nördlichen Provinzen des Reiches einen Aufschwung, und zwar weniger durch die Verbreitung südlicher Pflanzen- und Tiersorten als durch die Einführung der rentableren Bewirtschaftung des Bodens durch mittlere und größere Güter mit spezialisierten Arbeitskräften. Für den römischen Bergbau wurden neue Rohstofflager erschlossen, so etwa die unter Nero entdeck183 Dass in dieser Region des Imperium Romanum die Flavier- und Antoninenzeit keineswegs eine einheitliche Epoche als Blütezeit war, sondern dass sich dort bereits um die Mitte des 2. Jahrhunderts ernsthafte wirtschaftliche Probleme zeigten und ein teilweise krisenhafter Umwandlungsprozess der Gesellschaft einsetzte, wurde betont von G. Alföldy, in: M. Mayer – J. M. Nolla – J. Pardo, (Eds.), De les estructures indígenes a l’organització provincial romana de la Hispania citerior. Homenatge a Josep Estrada i Garriga (Barcelona 1998), 11 ff. und in: The Cambridge Ancient History2 XI (Anm. 182), 444 ff. 184 Zusammenfassend über die Wirtschaft der Kaiserzeit siehe außer M. Rostovtzeff, Gesellschaft und Wirtschaft (Anm. 182) bes. T. Frank (Ed.), An Economic Survey of Ancient Rome II–VI (Baltimore 1936/40); F. Heichelheim, Wirtschaftsgeschichte des Altertums (Leiden 1938), 677 ff.; Th. Pekáry, Die Wirtschaft der griechisch-römischen Antike2 (Anm. 57), 86 ff. Neuere zusammenfassende Literatur: Siehe bes. H. Schneider, Das Imperium Romanum, in: D. Hägermann – H. Schneider, Landbau und Handwerk 750 v. Chr. bis 1000 n. Chr. (Berlin 1991), 208 ff.; H.-J. Drexhage – H. Konen – K. Ruffing, Die Wirtschaft des Römischen Reiches (1.-3. Jahrhundert). Eine Einführung (Darmstadt 2002); H. Kloft, Die Wirtschaft des Imperium Romanum (Mainz 2006). Siehe sonst die Literatur in der Bibliographie in den Abschnitten A 5 und B 3.15.
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ten Goldlager im dalmatinischen Binnenland oder die Goldgruben im unter Trajan eroberten Dakien. Durch die Einführung einer zentralen, kaiserlichen Verwaltung der wichtigsten Bergbaudistrikte und Bergwerke wurde auch die Kontrolle der Produktion neu geregelt. Das Handwerk profitierte vor allem im römischen Westen von dem hohen Bedarf der vielen neu gegründeten Städte und auch des Heeres, der nur durch Massenproduktion in größeren Werkstätten mit spezialisierten Handwerkern zu decken war. Die keramische Produktion, insbesondere die Herstellung der Terra-Sigillata-Ware in Werkstätten in Etrurien, Oberitalien, Hispanien, Südgallien, Mittelgallien und später auch in Nordgallien und am Rhein, liefert das beste Beispiel dafür. Ebenso deutlich war der Aufschwung im Handel mit einem lebhaften Warenaustausch zwischen den einzelnen Teilen des Römischen Reiches, von dem z. B. die archäologischen und epigraphischen Funde im Handelszentrum auf dem Magdalensberg in Noricum ein beredtes Zeugnis ablegen.185 Vervollständigt wurde dieses Wirtschaftssystem schließlich durch die allgemeine Verbreitung der Geldwirtschaft im ganzen Imperium, begleitet von Investitionstätigkeit und vom Bankwesen. Dieser Aufschwung vollzog sich jedoch innerhalb des Rahmens jener Wirtschaftsstruktur, die sich im Römischen Reich bereits während der Späten Republik entfaltet hatte. Ganz neue Formen der römischen Wirtschaft bildeten sich während der Frühen Kaiserzeit nicht aus: Neu war im Grunde genommen nur die Ausdehnung des römischen Wirtschaftssystems auf das ganze Imperium Romanum. Eine Konsequenz daraus war die Ablösung rückständiger Produktionsformen in den unterentwickelten Provinzen – wie z. B. die gemeinsame Bewirtschaftung des Bodens durch die Dorfgemeinschaft oder die Großfamilie auf dem Nordbalkan und in Pannonien – durch eine allmählich anlaufende Produktion auf municipalen Gütern. Die andere, historisch noch wichtigere Folge aus der wirtschaftlichen Entwicklung der Provinzen lag darin, dass Italien seine vorherrschende wirtschaftliche Bedeutung – in der Agrarproduktion ebenso wie im Handwerk und Handel – schon etwa seit der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. zugunsten anderer Reichsteile, im Westen vor allem zugunsten Galliens, Hispaniens und Nordafrikas verlor. Aber diese Entwicklung führte im Ganzen gesehen nicht zu tiefgreifenden Änderungen in der Struktur der Produktionsweise. Vielmehr mussten derartige Änderungen ausbleiben, da die technologische Entwicklung, die eine echte Umwälzung hätte herbeiführen können, nach einem bemerkenswerten Aufschwung während der Späten Republik (vor allem im hellenistischen Osten), in der Prinzipatszeit weitgehend der Stagnation unterworfen war.186 So waren auch der wirtschaftlichen Blüte der Prinzipatszeit Grenzen gesetzt, umso mehr, als die Expansion, die während der Späten Republik für die römische Wirtschaft fortlaufend neue Rohstoffquellen, neue Arbeitskräfte, neue 185 Siehe dazu u. a. G. Alföldy, Noricum (London – Boston 1974), 44 ff. mit weiterer Literatur. 186 Zur begrenzten Entwicklung bzw. Stagnation der Technologie in der Kaiserzeit vgl. F. Kiechle, Sklavenarbeit und technischer Fortschritt im römischen Reich (Wiesbaden 1969); siehe ferner die Arbeiten von M. Torelli, L. Cracco Ruggini und anderen in: Tecnologia, economia e società nel mondo romano. Atti del Colloquio di Como 1979 (Como 1980).
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Absatzmärkte und somit ständig neue Entfaltungsmöglichkeiten gesichert hatte, langsam zu Ende ging: Nachdem Augustus Ägypten, Nordwestspanien, die Alpenländer, den Donauraum und den Nordbalkan sowie das zentrale Kleinasien dem römischen Provinzialreich hinzugefügt hatte, eroberten seine Nachfolger – entsprechend einem realistischen außenpolitischen Programm, das auf die augusteische Einsicht des coercendum intra terminos imperium (Tac., Ann. 1,11) zurückging – nur noch wenige neue Provinzen. Auch von diesen war für die römische Wirtschaft allein Dakien durch seine Bodenschätze von wirklich großer Bedeutung, während z. B. das unter Claudius unterworfene Britannien nach Appian dem Römischen Reich wirtschaftlich kaum Nutzen brachte (B. civ., praef. 5). Alles in allem hat der wirtschaftliche Aufschwung nur so lange gedauert, wie die Erschließung und Urbanisation der während der Späten Republik und zu Beginn der Kaiserzeit eroberten neuen Provinzen zuerst für die italische und dann für die provinziale Wirtschaft Entfaltungsmöglichkeiten boten. So hat Rom während der Frühen Kaiserzeit im Großen und Ganzen das Wirtschaftssystem der Späten Republik übernommen und auf die Suche nach neuen Produktionsformen verzichtet. Der römische Staat verfügte zwar über gewisse Voraussetzungen, die die Herausbildung eines neuen, ja sogar eines frühkapitalistischen Wirtschaftssystems hätten ermöglichen können, nämlich über nahezu unerschöpfliche Rohstoffquellen, über ungefähr 2.000 Städte als Produktionszentren, über eine einheitliche Währung im ganzen Reich, über ein entwickeltes Bank- und Kreditwesen, über an lukrativen Geschäften interessierte Unternehmer und Finanzkräfte, über Massen billiger Arbeitskräfte, über das stark verbreitete System der Lohnarbeit und schließlich auch über ein nicht zu unterschätzendes technologisches Knowhow. Was jedoch fehlte, war vermutlich einfach jener Bedarf für die ausreichende Ernährung und umfassende Beschäftigung breiter Volksmassen, der im 18. Jahrhundert in Westeuropa die industrielle Revolution einleitete. Man sah in Rom die Interdependenz zwischen der technologischen Entwicklung und dem Bevölkerungsproblem gerade umgekehrt. Nichts zeigt das römische Wirtschaftsdenken deutlicher als das Verhalten des Kaisers Vespasian, der die Verbreitung technologischer Innovationen mit der Begründung untersagte, dass auf diese Art und Weise viele Handarbeiter ihre Verdienstmöglichkeit verlieren würden (Suet., Vesp. 18). So blieb die Wirtschaftsstruktur des Imperium Romanum verhältnismäßig einfach, verglichen mit seinem komplizierten politischen und sozialen Gefüge sogar einigermaßen rückständig. Rom blieb auch während der Kaiserzeit, trotz des großen Aufschwungs in Handwerk und Handel, ein Agrarstaat. Die ausschlaggebende Bedeutung der Landwirtschaft ergibt sich zunächst daraus, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung im Agrarsektor beschäftigt war. Unter den rund 2.000 Städten des Imperium Romanum hatten die meisten vermutlich höchstens 10.000 bis 15.000 Einwohner wie die Mehrheit der afrikanischen Städte, oder manchmal 20.000 Einwohner wie Pompeii, eine nach antiken Maßstäben mittelgroße Stadt, während es auch viele Kleinstädte mit höchstens
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2.000 bis 3.000 Einwohnern gab wie etwa Petelia in Süditalien. Über eine Bevölkerung von 50.000 bis 100.000 oder etwas darüber verfügten nur wenige größere Städte wie etwa Pergamon, und als echte Großstädte können außer Rom mit seiner vielleicht auf 1,000.000 zu schätzenden Einwohnerzahl höchstens Alexandria in Ägypten und Antiochia in Syrien mit einigen hunderttausend Einwohnern gelten.187 Das bedeutet, dass von den insgesamt etwa 80 Millionen Einwohnern des Römischen Kaiserreiches kaum viel weniger als neun Zehntel auf dem Lande und auch direkt vom Lande lebten, ganz abgesehen davon, dass auch viele Stadtbewohner, so etwa zahlreiche Bürger der Veteranenkolonien und kleiner Municipien, ebenfalls als Bauern zu betrachten sind, die die Grundstücke in unmittelbarer Umgebung der Städte bewirtschafteten. Weiterhin lässt sich feststellen, dass nicht so sehr Handwerk, Handel und Bankwesen, sondern die Agrarwirtschaft die Hauptquelle des Bruttosozialproduktes und überhaupt des Reichtums war.188 Viele reiche Römer, so die meisten Senatoren wie z. B. der jüngere Plinius oder Herodes Atticus, viele Ritter und die meisten städtischen Dekurionen verdankten nämlich ihr Vermögen ihren Ländereien, und wahrscheinlich nur wenige Großunternehmer, hauptsächlich Ritter und Freigelassene, erwirtschafteten ihre enormen Reichtümer durch Handel und Geldverleihung wie Trimalchio, in dessen Figur Petronius den Typus des Neureichen niedriger Herkunft literarisch verewigte. Schließlich steht es außer Zweifel, dass die Korrelation zwischen der Agrarwirtschaft und den übrigen Wirtschaftszweigen von der Vorherrschaft der Agrarproduktion bestimmt war. Ein bedeutender Teil der handwerklichen Erzeugnisse wurde entweder für den Bedarf der Landwirtschaft (z. B. Geräte) oder aus landwirtschaftlichen Produkten (z. B. Textilwaren) oder für den Transport von Agrarprodukten (z. B. Amphoren für den Transport von Wein und Olivenöl) hergestellt; die wichtigsten Objekte des Handels waren Agrarprodukte, so handelte Trimalchio außer mit Sklaven bezeichnenderweise mit Wein, Fleisch, Obst und Parfüm. Typisch war auch, dass das Geld beinahe immer in Grund und Boden investiert wurde, wie dies ganz selbstverständlich auch Trimalchio tat.189 Das soziale Gefüge der Prinzipatszeit war zwar keineswegs eine bloße Widerspiegelung dieser verhältnismäßig rückständigen Wirtschaftsstruktur, da es auch von sozialen, politischen und rechtlichen Faktoren ohne direkte ökonomische Beziehungen abhängig war, so von den beständigen gesellschaftlichen Organisationsformen mit
187 Zu den Bevölkerungszahlen in den Städten siehe R. Duncan-Jones, Historia 13, 1964, 199 ff., dens., The Economy of the Roman Empire2 (Anm. 182), 259 ff. Zu den Schwierigkeiten bei der Berechnung der Bevölkerungszahl in Rom siehe F. G. Maier, Historia 2, 1953/54, 31 ff. Pergamon: Siehe S. 185 f. 188 Vgl. bes. R. MacMullen, Roman Social Relations (Anm. 182), 48 ff. Grenzen der Geldwirtschaft: Th. Pekáry, in: Auctores varii, Les »dévaluations« à Rome. Époque républicaine et impériale (Paris – Roma 1980), 103 ff. = in: ders., Ausgewählte Kleine Schriften (St. Katherinen 1994), 166 ff. 189 Trimalchios wirtschaftliche Aktivitäten: Petronius, Sat. 75 ff.; dazu bes. P. Veyne, Annales E. S. C. 1961, 213 ff.
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der betonten Rolle der persönlichen Herkunft, von den politischen Voraussetzungen der kaiserlichen Monarchie und vom Besitz oder Nichtbesitz des römischen Bürgerrechtes. Nichtsdestoweniger ist die Bedeutung der geschilderten wirtschaftlichen Bedingungen für die Sozialstruktur des Imperium Romanum evident. Entsprechend der Funktion der Landwirtschaft war das wichtigste ökonomische Kriterium für die soziale Gliederung nicht einfach das Geld, sondern der Grundbesitz (dessen Wert natürlich am einfachsten in Geldsummen angegeben werden konnte). Dementsprechend bestand die eigentliche Oberschicht nicht aus Unternehmern, Großkaufleuten und Bankiers, sondern aus reichen Grundbesitzern (die nichtsdestoweniger sehr oft auch am Handel und an Geldgeschäften interessiert waren). Sie bildeten die Oberschicht der Städte, der Zentren des wirtschaftlichen Lebens. Ebenso selbstverständlich war, dass die Angehörigen der unteren Bevölkerungsschichten vor allem als Produzenten in der Landwirtschaft tätig waren, während die städtischen Handwerker und Händler nur eine kleine Minderheit darstellten. Ferner folgte aus der Wirtschaftsform, dass ein echter Mittelstand, für dessen Existenz ähnlich wie in einer modernen Gesellschaft unter anderem die eigenständige wirtschaftliche Funktion durch die Betreuung eines breiten technologischen Apparates erforderlich gewesen wären, nicht zustande kommen konnte.190 Schließlich ist auch zwischen dem grundlegend konservativen Charakter der römischen Gesellschaftsordnung und der Wirtschaftsstruktur eine direkte Beziehung zu sehen: Durch die verhältnismäßig stabile Natur der Agrarwirtschaft waren radikale Umwälzungen in der Verteilung des Reichtums nur beschränkt möglich; demzufolge blieb auch die Hierarchie der Gesellschaft ziemlich konstant, ihre Durchlässigkeit war begrenzt, und die Ideen, die die Denk- und Handlungsweise der maßgebenden Kreise bestimmten, waren stark traditionsgebunden. Das alles zeigt wieder, wie wenig sich die Gesellschaftsordnung der Frühen Kaiserzeit von derjenigen der Späten Republik unterschied. Die Entstehung der kaiserlichen Monarchie als neuer politischer Rahmen und die Integration der Provinzen haben diese Gesellschaftsordnung eher gefestigt, nicht in ihren Grundlagen geändert. Die Vervollständigung des Gesellschaftssystems durch den Ausbau der kaiserlichen Monarchie seit Augustus ist freilich nicht zu verkennen. Durch die Person des Kaisers und durch das Kaiserhaus wurde die soziale Hierarchie um eine neue Spitzenposition ergänzt, von der die bisherige Spitze der sozialen Pyramide, der kleine Kreis der miteinander rivalisierenden Familien der Oligarchie, überlagert wurde. Seit Augustus gab es nicht mehr mehrere principes civitatis mit ihren factiones wie in der Republik, sondern nur noch einen einzigen princeps des Senats und des Volkes, ja des gesamten genus humanum, wie die Herrscher dies zu verkünden pflegten. Die führende Stellung dieses princeps in der römischen Gesellschaft war durch die Faktoren begründet, die seit eh und je die sozialen Führungspositionen sicherten: Macht, Ansehen und Reichtum. 190 Siehe hierzu S. 204 f.
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Der princeps verfügte über uneingeschränkte Macht. Es gab keine Macht im römischen Staat, die als Alternative zu derjenigen des Kaisers hätte ausgeübt werden können. Wie die Zeitgenossen dessen Machtstellung sahen, geht etwa aus dem Bericht des Tacitus über das Verhalten des »schwachen« Claudius hervor, als konservative Senatoren gegen sein Programm, den gallischen Adel zu senatorischen Ämtern zuzulassen, Stellung nahmen: Er hörte zwar die verschiedenen Meinungsäußerungen an, ließ sich von ihnen jedoch nicht beeindrucken, sondern widersprach sofort; daraufhin fasste der Senat den Beschluss gemäß seinem Vorschlag (Tac., Ann. 11,23 ff.). Im Besitz der tribunicia potestas konnte der Herrscher zu jeder Zeit die gesetzgeberische Initiative oder, nominell zum Schutze des römischen Volkes, auch jede beliebige Maßnahme ergreifen; als Inhaber des imperium proconsulare maius regierte er die sog. Senatsprovinzen zusammen mit den vom Senat bestellten Beamten, die kaiserlichen Provinzen allein durch seine Legaten,191 und er führte das oberste Kommando des römischen Heeres. Darüber hinaus stand ihm als Garanten der richtigen mores das Recht zu, als geeignet erscheinende Personen in den Ritterstand und »neue Männer« in den Senatorenstand aufzunehmen oder Ritter und Senatoren aus ihrem Stand auszuschließen, und es gab weder im Zivildienst noch im Heer höhere Dienststellen, die ohne seine ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung besetzt werden konnten. Zugleich besaß der Kaiser nicht nur durch seine verfassungsrechtlich gesicherte Macht, sondern auch durch seine persönliche Stellung die höchste dignitas in der römischen Gesellschaft.192 Er konnte sich auf seine persönliche auctoritas berufen, von der Augustus sagte, dass er andere Menschen einzig und allein durch sie übertraf (auctoritate omnibus praestiti, RGDA 34).193 Zugleich galt der Herrscher als die ideale Verkörperung aller altrömischen Tugenden wie vor allem der virtus, der clementia, der iustitia und der pietas, die Augustus auf sein Schild schreiben ließ. Das einzigartige Ansehen des Herrschers kam auch durch die allmählich gefestigte Kaisertitulatur (Imperator Caesar Augustus mit der Aufzählung der einzelnen Macht- und Amtstitel), durch seine besondere Tracht und seine Insignien, durch das
191 Ein zwar exzeptionelles, aber nichtsdestoweniger beredtes Beispiel für die Berufung auf das imperium proconsulare bei der Neuordnung der Verhältnisse im römischen Hispanien ist das berühmte Edikt des Augustus aus dem nordwestspanischen El Bierzo (AE 2000, 760), siehe dazu bes. G. Al földy, ZPE 131, 2000, 177 ff. sowie dens., Minima Epigraphica et Papyrologica IV, 2001, 6, 365 ff. (revidierte, leicht geänderte Fassung des zuvor zitierten Beitrags in italienischer Sprache mit kurzen Nachträgen). Weitere Literatur hierzu: ders., in: M. Mayer – G. Baratta – A. Guzmán Almagro (Eds.), XII Congressus Internationalis Epigraphiae Graecae et Latinae. Provinciae Imperii Romani. Inscriptionibus descriptae. Barcelona, 3–8 Septembris 2002 (Barcelona 2007), 14 mit Anm. 54; dazu u. a. noch A. Rodríguez Colmenero, ebd. 1221 ff. 192 Soziale Grundlagen des Prinzipates: A. von Premerstein, Vom Werden und Wesen des Prinzipates (München 1937); vgl. P. Grenade, Essai sur les origines du principat (Paris 1961). Stellung des Princeps: J. Béranger, Recherches sur l’aspect idéologique du principat (Basel 1953); L. Wickert, RE XXII, 1954, 1998 ff.; ders., ANRW II 1 (Berlin – New York 1974), 3 ff. 193 A. Magdelain, Auctoritas Principis (Paris 1947).
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Zeremoniell im Umgang mit seiner Person und durch den Glanz seines Hofes zum Ausdruck.194 Besonders erhöht wurde seine Person durch sein religiöses Charisma, das ihm eine kultische Verehrung sicherte. Im griechisch sprechenden Osten, wo er in den Inschriften in der Tradition der hellenistischen Welt theos genannt zu werden pflegte, wurde er unmittelbar vergottet, aber es besteht kein Zweifel daran, dass er auch im römischen Westen für sehr viele Menschen ebenfalls als ein Gott galt, zumal sein numen, sein göttlicher Wille, einen eigenständigen Kult besaß.195 Der Herrscherkult wurde durch die Schaffung besonderer Priesterämter ebenso in Rom wie in allen Städten des Reiches, auch mit dem Amt eines Provinzialoberpriesters, der zugleich der Vorsteher des jährlich für ein pompöses Kaiserfest (und für Beratung über die Angelegenheiten der Provinz) zusammenkommenden Provinziallandtages (concilium provinciae) war, institutionalisiert.196 Erwähnt werden muss auch, dass außer den Göttern nur die Herrscher und die Mitglieder ihrer Familie das Privileg besaßen, durch monumentale Statuen abgebildet zu werden.197 In den Inschriften des Reiches wurden die Kaiser in vielfacher Hinsicht besonders verherrlicht.198 Gleichzeitig war der Kaiser auch der reichste Mensch des römischen Weltreiches. 194 Insignien, Zeremoniell: A. Alföldi, Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreiche (Darmstadt 1970). Über den kaiserlichen Hof siehe A. Winterling, Studien zur Institutionalisierung des römischen Kaiserhofes in der Zeit von Augustus bis Commodus (31 v. Chr. – 192 n. Chr.) (München 1999). Über die Lebensweise der Herrscher siehe A. Demandt, Das Privatleben der Kaiser (München 1997). 195 Zum Herrscherkult siehe aus der älteren Literatur bes. F. Taeger, Charisma. Studien zur Geschichte des antiken Herrscherkultes II (Stuttgart 1960). Grundlegend sind das große Werk von D. Fishwick, The Imperial Cult in the Latin West I-V (Leiden 1987/2004), ferner die Arbeit von M. Clauss, Kaiser und Gott. Herrscherkult im römischen Reich (München – Leipzig 2001), der die Göttlichkeit des Kaisers auch im lateinischen Westen deutlich herausgestellt hat. Siehe sonst noch bes. S. R. F. Price, Rituals and Power. The Roman Imperial Cult in Asia Minor (Cambridge 1984); F. Lozano Gómez, Un díos entre los hombres. La adoración a los emperadores romanos en Grecia (Barcelona 2010); A. Small (Ed.), Subject and Ruler: The Cult of the Ruling Power in Classical Antiquity. Papers presented at a Conference held in The University of Alberta on April 13–15, 1994, to celebrate the 65th Anniversary of Duncan Fishwick (Ann Arbor 1996), darin mit dem Versuch einer Synthese über die Bedeutung des Herrscherkultes von G. Alföldy, S. 254 ff.; I. Gradel, Emperor Worship and Roman Religion (Oxford 2002). Die ältere Bibliographie findet sich bei P. Herz, ANRW II 16, 2 (Berlin – New York 1978), 833 ff.; Bericht über die jüngsten Forschungen: ders., Journ. of Roman Arch. 18, 2005, 638 ff. Über die Verehrung des kaiserlichen numen siehe zuletzt ausführlich C. Fenechiu, La notion de numen dans les textes littéraires et épigraphiques (Cluj-Napoca 2008). 196 Zum Provinzialkult siehe außer dem in Anm. 195 erwähnten Werk von D. Fishwick bes. J. Deininger, Die Provinziallandtage der römischen Kaiserzeit von Augustus bis zum Ende des dritten Jahrhunderts n. Chr. (München 1965); vgl. auch G. Alföldy, Flamines provinciae Hispaniae citerioris (Madrid 1973). 197 Siehe B. Ruck, Die Großen dieser Welt. Kolossalporträts im antiken Rom (Heidelberg 2007). Zur Selbstdarstellung der Kaiser durch Bilder im Allgemeinen grundlegend M. R.-Alföldi, Bild und Bildersprache der römischen Kaiser. Beispiele und Analysen (Mainz 1999). 198 Siehe G. Alföldy, in: L. de Blois – P. Erdkam – O. Hekster – G. De Kleijn – St. Mols, (Eds.), The Representation and Perception of Roman Imperial Power. Proceedings of the Third Workshop of the International Network Impact of Empire, Netherlands Institute in Rome, March 20–23, 2002 (Amsterdam 2003), 3 ff.
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Er verfügte über das patrimonium Augusti, den kaiserlichen Kronbesitz, außerdem über seine eigene res privata, seinen persönlichen Besitz, welche jeweils vor allem aus Ländereien, Bergwerken und auch Werkstätten bestanden.199 Der Wert des Besitzes des Augustus wird auf eine Milliarde Sesterzen geschätzt, der somit die größten bezeugten kaiserzeitlichen Vermögen weit übertrifft.200 Die Herrscher sind für viele Einwohner des Imperium Romanum zu einem wichtigen Bezugspunkt geworden. Das lag nicht nur an der Bedeutung und Popularität des Kaiserkultes. Vor allem Augustus spornte seine Untertanen an, in ihren Verhaltensweisen nach ihren Möglichkeiten in seine Fußstapfen zu treten. Paul Zanker hat gezeigt, dass Augustus es verstanden hatte, die Kunst in den Dienst seiner Monarchie zu stellen. Er errichtete in Rom zahlreiche prächtige Bauwerke, darunter auch Tempel, und ließ sie, wie vor allem sein Forum, mit einem ganz neuartigen, reichen Statuenschmuck ausstatten: Die Architektur und die bildende Künste erwiesen sich für ihn als höchst geeignete Mittel für seine Selbstdarstellung.201 Dafür gab es zwar schon während der Republik Vorbilder,202 aber Augustus hat mit dem Umfang und mit der zielstrebigen Systematik seiner Repräsentationsprojekte alles da Gewesene in den Schatten gestellt. Damit bot er ein Exempel, das die Eliten der Städte zur Bekundung ihrer Treue zu den Traditionen Roms und zum Prinzipat, aber auch für ihre Autorepräsentation und für die Verherrlichung ihrer Macht und ihres Reichtums sofort nachgeahmt haben. Das Gleiche geschah mit den Inschriften. Augustus nutzte auch dieses Medium gezielt für seine Zwecke, setzte u. a. Weihedenkmäler den Göttern Roms und versah seine Bauwerke mit prächtigen Inschriften. Darunter gab es auch solche, die nicht in der sonst üblichen Weise in den Stein gemeißelt wurden, sondern aus vergoldeten goldenen Buchstaben bestanden, die litterae aureae hießen. Diese epigraphische Technik, die in Italien in der Zeit der ausgehenden
199 Über das Vermögen der Herrscher siehe F. Millar, The Emperor in the Roman World (31 BC – AD 338) (London 1977, Paperback Ithaca 1992), 133 ff. Patrimonium, res privata: O. Hirschfeld, Kleine Schriften (Berlin 1913), 516 ff.; H. Nesselhauf, in: Historia-Augusta-Colloquium Bonn 1963 (Bonn 1964), 73 ff.; A. Masi, Rircerche sulla »res privata« del »princeps« (Milano 1971); H. Bellen, ANRW II 1 (Berlin – New York 1972), 91 ff.; D. Pupillo (Ed.), Le proprietà imperiali nell’Italia romana. Economia, produzione, amminstrazione. Atti del Convegno renutosi a Ferrara – Voghiera nel giugno 2005 (Pisa 2007). Vgl. noch G. Alföldy, Bonner Jahrb. 170, 1970, 163 ff. und in: G. Gottlieb (Hrsg.), Raumordnung im Römischen Reich. Zur regionalen Gliederung in den gallischen Provinzen, in Rätien, Noricum und Pannonien. Kolloquium 1985 (München 1989), 50 ff. (Patrimonialbesitz in Noricum), vgl. dazu noch P. Eich, Zur Metamorphose des politischen Systems in der römischen Kaiserzeit. Die Entstehung einer »personalen Bürokratie« im langen dritten Jahrhundert (Berlin 2005), 324 ff. Kaiserliche Güter: D. J. Crawford, in: Studies in Roman Property (Anm. 166), 35 ff. 200 Über den Besitz und die Finanzen des Augustus siehe I. Shatzman, Senatorial Wealth and Roman Politics (Anm. 96), 357 ff. Zu den bezeugten größten Vermögen der Kaiserzeit siehe S. 140. 201 P. Zanker, Augustus und die Macht der Bilder5 (München 2008); siehe sonst noch bes. M. Spannagel, Exemplaria Principis. Untersuchungen zu Entstehung und Ausstattung des Augustusforums (Heidelberg 1999). Über Augustus und seinen Einfluss auf die römische Gesellschaft vgl. auch die umfangreiche Literatur im Abschnitt B 3.4 der Bibliographie. 202 Siehe bes. M. Sehlmeyer, Stadtrömische Ehrenstatuen der republikanischen Zeit (Anm. 76).
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Republik erfunden wurde, diente ebenso wie die Benennung seiner Tempelbauten als aurea templa, dazu, dass seine Herrschaft als eine neue aurea aetas verherrlicht wurde, die die Dichter seiner Zeit besungen haben.203 Auch diese Programme regten die Eliten der Städte Italiens und der Provinzen sofort an, die Bauten ihrer Städte mit repräsentativen Inschriften zu versehen und die Technik der litterae aureae auch für ihre eigene Selbstdarstellung zu benutzen; was auch später nicht selten geschah.204 Die bescheidene epigraphische Kultur der Römer ist seit Augustus eine »Massenkultur« des Imperium Romanum geworden,205 und die Inschriften – ebenso wie die Architektur und die Werke der bildenden Künste – dienten während der ganzen Kaiserzeit als ein konsequent benutztes Mittel für die Selbstdarstellung der Herrscher.206 Wie Augustus, ergriffen auch spätere Herrscher oft Initiativen, die bei der Reichsbevölkerung ein lebhaftes Echo hervorriefen und wichtige Prozesse in Gang setzten. Gewiss haben sich dabei manche Herrscher eher zurückgehalten und haben bei ihren Handlungen statt gezielt ein politisches Konzept zu verfolgen eher nur auf Anfragen und Herausforderungen reagiert, aber das taten sie im Allgemeinen im Geiste der gleichen römischen Wertordung, und zahlreiche von ihnen wie vor allem Augustus, aber auch Claudius, Vespasian, Domitian, Hadrian, später Septimius Severus, Gallienus und dann erst recht Diokletian oder Konstantin der Große, zeichneten sich durch gezielte politische Maßnahmen, u. a. durch umfangreiche Reformen aus, die nicht selten von größter Tragweite waren.207 203 Darüber ausführlich G. Alföldy, Der Obelisk auf dem Petersplatz in Rom. Ein historisches Monument der Antike (Heidelberg 1990), 68 ff.; ders., ZPE 109, 1995, 195 ff. (Bauinschrift des Colosseums); ders., Die Bauinschriften des Aquäduktes von Segovia und des Amphitheaters von Tarraco (Berlin – New York 1997), 1 ff. = La inscripción del acueducto de Segovia (Madrid 2010); G. Alföldy – J. M. Abascal, in: J. M. Abascal – G. Alföldy (Eds.), El Arco de Medinaceli (Soria, Hispania citerior) (Madrid 2002), 71 ff.; S. Panciera, in: ders., Epigrafi, epigrafia, epigrafisti (Anm. 170), 965 ff., bes. 974 f.; G. Alföldy, Madrider Mittelungen 52, 2011 (im Druck). 204 Siehe außer der in Anm. 203 zitierten Literatur insbesondere CIL II2/14, 374 = J. Corell, Inscripciones romanes del País Valencià I (Saguntum i el seu territori) (València 2002), 163 ff. Nr. 80 (mit einer z. T. besseren Ergänzung) sowie J. M. Abascal – G. Alföldy – R. Cebrián, Archivo Español de Arqueología 74, 2001, 117 ff. (AE 2001, 1246). 205 G. Alföldy, in: F. Marco Simón – F. Pina Polo – J. Remesal Rodríguez (Eds.), Vivir en Tierra Extraña. Emigración e integración cultural en el mundo antiguo. Actas de la reunión realizada en Zaragoza los días 2 y 3 de junio de 2003 (Barcelona 2004), 137 ff. Über den Einfluss des Augustus auf die epigraphische Kultur der Römer siehe G. Alföldy, Gymnasium 98 (1991), 289 ff. = Scienze dell’Antichità. Storia, Archeologia, Antropologia. Dipartimento di Scienze Storiche, Archeologiche, Antropologiche dell’Antichità. Università degli di Studi di Roma 5, 1991 (1994), 573 ff.; vgl. auch dens., Studi sull’epigrafia augustea e tiberiana di Roma (Roma 1992). Vgl. noch E. A. Meyer, in: Social Relations in the Roman World (Anm. 182), 205–207; H. I. Flower, ebd. 175 ff. 206 Über die Inschriften als Kommunikationsmedium der Kaiser und Mittel für ihre Verherrlichung siehe die Literatur in Anm. 203, außerdem noch bes. G. Alföldy, in: The Representation and Perception of Roman Imperial Power (Anm. 198), 3 ff. Hierzu und zur Bedeutung der Inschriften als Medien von Kommunikation und Selbstdarstellung im Allgemeinen siehe aber auch die umfangreiche Literatur in der Bibliographie im Abschnitt A 4.8. 207 F. Millar hat in seinem wichtigen Werk The Emperor in the Roman World (Anm. 199) das Bild eines passiven römischen Kaisers entworfen, der immer nur dann handelte, wenn er darum gebe-
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Die Vervollständigung der sozialen Hierarchie Roms durch das Kaisertum ergab sich nicht nur aus der Existenz dieser neuen sozialen Spitzenstellung. Zwischen dem Inhaber dieser Spitzenposition und den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen bestanden notwendigerweise enge soziale Beziehungen, die vor allem in den gegenseitigen Bindungen zwischen dem Kaiser und einzelnen Ständen und sonstigen korporativ zusammengefassten Bevölkerungsgruppen lagen.208 Aus der vielschichtigen Natur dieser Bindungen, bedingt durch die unterschiedliche soziale Stellung der einzelnen Bevölkerungsgruppen, folgte, dass die Position und die Funktion dieser Gruppen und dadurch auch ihr Verhältnis zueinander teilweise noch genauer als früher bestimmt wurden. Die sozialen Bindungen zwischen dem Kaiser und einzelnen Bevölkerungsgruppen gingen zum Teil auf republikanische Vorbilder zurück, deren Inhalt freilich entsprechend den Bedingungen der kaiserlichen Alleinherrschaft modifiziert wurde. Die sozialen Beziehungen zwischen einzelnen Personen und Personengruppen beruhten während der Republik – abgesehen vom Verhältnis zwischen Herrn und Sklaven – auf der amicitia, sofern es sich um gleichgestellte oder im Hinblick auf die soziale Position zumindest nicht sehr unterschiedlich posizionierte Partner handelte, und auf dem Verhältnis patronus–cliens, falls die Partner sich durch Machtstellung, Ansehen und Vermögen sehr deutlich unterschieden.209 Dementsprechend behandelte auch der princeps die führenden Senatoren und Ritter als seine amici, mit denen er gesellschaftlich verkehrte wie etwa Hadrian, der mit seinen Freunden zusammen zu essen pflegte (HA, H 9,6f.), und die im consilium principis,210 in einem »Kronrat«, in wichtigen Angelegenheiten zu Rate gezogen wurden wie z. B. unter Domitian die proceres unter den Senatoren und die Prätorianerpräfekten (Juvenal 4,74 ff.). Somit unterschied sich der amicus Caesaris durch die Würde dieser Freundschaft von
ten wurde oder sich durch irgendwelche Vorkommnisse herausgefordert fühlte; nach einem von mir ausgedachten, nur in der deutschen Sprache möglichen Wortspiel sei der römische Kaiser demnach jemand gewesen, der »nicht regiert und nicht agiert, sondern nur reagiert« hatte (G. Alföldy, Hist. Zeitschr. 228, 1984, 675). In der Forschung ist diese These auf berechtigte Ablehnung gestoßen, siehe bes. K. Hopkins, JRS 68, 1978, 178 ff.; H. Galsterer, Gött. Gel. Anz. 232, 1980, 72 ff.; J. Bleicken, Zum Regierungsstil des römischen Kaisers. Eine Antwort auf Fergus Millar (Wiesbaden 1982); D. Potter, in: D. L. Kennedy (Ed.), The Roman Army and the Near East (Ann Arbor 1996), 50 ff.; G. Alföldy, in: Limes XIX (Anm. 127), 33; demnächst D. Fishwick, Lex de flamonio provinciae Narbonensis. A Flavian Provincial Law and the Government of the Roman Empire (im Druck). 208 Kaiser und Gesellschaft: reiches Material bei F. Millar, The Emperor in the Roman World (Anm. 199). 209 Zu diesen Beziehungen siehe die Literatur in der Bibliographie in den Abschnitten A 4.3 und A 4.4. 210 Grundlegend: J. Crook, Consilium Principis. Imperial Councils and Counsellors from Augustus to Diocletian (Cambridge 1955). Über Freunde, Begleiter und Ratgeber der Herrscher siehe W. Eck, in: A. Kolb (Hrsg.), Herrschaftstrukturen und Herrschaftspraxis. Konzepte, Prinzipien und Strategien der Administration im römischen Kaiserreich. Akten der Tagung an der Universität Zürich 18. – 20.10.2004 (Berlin 2006), 67 ff. = in: ders., Monument und Inschrift. Gesammelte Aufsätze zur senatorischen Repräsentation in der Kaiserzeit (Berlin 2010), 355 ff.
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vornherein von den gewöhnlichen Menschen, während der Verlust dieser Würde mit sozialem Abstieg oder gar politischem Sturz gleichbedeutend war – wie im Falle des Gaius Cornelius Gallus, des ersten Präfekten Ägyptens, der nach der Aufkündigung der Freundschaft (renuntiatio amicitiae) durch Augustus Selbstmord begangen hat.211 Die Massen der Untertanen hatten zum Kaiser ein Verhältnis, das demjenigen zwischen clientes und einem mächtigen patronus entsprach. Nachdem Augustus im Jahre 2 v. Chr. den Titel des pater patriae angenommen hatte, unterstand das ganze Reich ungefähr im Sinne eines Klientelverhältnisses seinem »väterlichen« Schutz.212 Zahlreiche Herrscher kümmerten sich intensiv um ihre Untertanen. Sie inspizierten die Städte des Reiches während ihrer Reisen wie z. B. schon Augustus in Hispanien und später vor allen anderen Hadrian, der das gesamte Reich bereiste.213 Konkret konnten sich derartige soziale Beziehungen vor allem im engen Verhältnis zwischen dem Herrscher und einzelnen Stadtgemeinden, Regionen, Provinzen und weiteren geschlossenen Bevölkerungsgruppen zeigen. So war der Kaiser auch defensor plebis, der für die stadtrömische Plebs mit Getreide- und Geldspenden und mit öffentlichen Spielen aufkam. Trajan hat sogar eine Alimentarstiftung zur Unterstützung bäuerlicher Familien Italiens ins Leben gerufen.214 Den Ausbau der Infrastruktur der Städte Italiens und der Provinzen förderten die Herrscher nicht selten durch die Stiftung öffentlicher Bauwerke,215 und sie zeichneten manche Städte dadurch aus, dass sie dort 211 Siehe zu ihm T. Stickler, »Gallus amore peribat«. Cornelius Gallus und die Anfänge der augusteischen Herrschaft in Ägypten (Rahden 2002), außerdem F. Hoffmann – M. Minas-Nerpel – St. Pfeiffer, Die dreisprachige Stele des C. Cornelius Gallus (Berlin 2008). 212 Kaiser und Plebs: G. E. F. Chilver, Amer. Journ. of Philol. 70, 1949, 7 ff.; Z. Yavetz, Plebs and Princeps (Anm. 105), 103 ff.; R. Gilbert, Beziehungen zwischen Princeps und stadtrömischer Plebs im frühen Prinzipat (Bochum 1976). 213 Zu den Kaiserreisen siehe H. Halfmann, Itinera principum. Geschichte und Typologie der Kaiserreisen im Römischen Reich (Stuttgart 1986); zu Hadrians Reisen A. R. Birley, Hadrian, the Restless Emperor (London – New York 1997) = Hadrian. Der rastlose Kaiser (Mainz 2006); dens., in: The Representation and Perception of Roman Imperial Power (Anm. 198), 425 ff. 214 Lebensmittelverteilung in Rom, Alimentarstiftungen, Ansätze zu einer kaiserlichen Sozialpolitik: D. Van Berchem, Les distributions de blé et d’argent à la plèbe romaine sous l’Empire (Genève 1939); H. Kloft, Jahrb. d. Wittheit zu Bremen 24, 1980, 153 ff. (Sozialpolitik); P. Herz, Studien zur römischen Wirtschaftsgesetzgebung. Die Lebensmittelversorgung (Stuttgart 1988); H. Kloft, Sozialmaßnahmen und Fürsorge (Anm. 145); A. Giovannini, (Ed.), Nourrir la plèbe. Actes du colloque tenu à Genève les 28 et 29 IX. 1989 en hommage à Denis van Berchem (Basel 1989), 43 ff., G. Woolf, Papers of the British School at Rome 58, 1990, 197 ff. (Alimentarstiftungen); Auctores varii, Le ravitaillement en blé de Rome et des centres urbains des débuts de la république jusqu’au Haut Empire. Actes du colloque, Naples, 14–16 février 1991 (Napoli – Roma 1994); C. Virlouvet, Tessera Frumentaria. Les procédures de distribution du blé public (Anm. 171); L. Wierschowski, in: P. Kneissl – V. Losemann (Hrsg.), Imperium Romanum. Studien zu Geschichte und Rezeption. Festschrift für Karl Christ (Stuttgart 1998), 756 ff. (Alimentarstiftungen); ders., Laverna 10, 1999, 38 ff. (Alimentarstiftungen); B. Sirks, Food for Rome. The Legal Structure of the Transportation and Processing of Supplies for the Imperial Distributions in Rome and Constantinople (Amsterdam 1991); ders., in: Herrschaftsstrukturen und Herrschaftspraxis (Anm. 210), 35 ff. (über das gleiche Thema). 215 M. Horster, Bauinschriften römischer Kaiser. Untersuchungen zu Inschriftenpraxis und Bautätigkeit in Städten des westlichen Imperium Romanum in der Zeit der Prinzipats (Stuttgart 2001);
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für ein Jahr die municipale Obermagistratur übernahmen, in der sie – da sie dieses Amt nur nominell bekleideten – sich durch einen Präfekten vertreten ließen, für den diese Amtsführung eine besondere Auszeichnung darstellte.216 Die Untertanen verpflichteten sich von ihrer Seite nicht nur zur kultischen Verehrung des Herrschers wie z. B. die Einwohner von Narbo dem Augustus, qui se numini eius in perpetuum obligaverunt (CIL XII 4233 = ILS 112), sondern leisteten ihm auch einen Treueeid wie schon 32 v. Chr. ganz Italien dem zukünftigen Augustus und später alle Gemeinden beim Regierungsantritt eines neuen Herrschers wie beispielsweise die lusitanischen Aritienses dem Kaiser Caligula nach seiner Machtübernahme im Jahre 37.217 Die grundlegende Änderung im politischen Gefüge des römischen Staates durch die Einführung der kaiserlichen Monarchie hatte auch zur Folge, dass einzelne soziale Gruppen neue Funktionen und damit teilweise neu definierte Positionen erhielten. Vor allem die staatlichen Funktionen der Spitzengruppen der römischen Gesellschaft, der Mitglieder des Senatoren- und des Ritterstandes, wurden neu festgelegt, was zur weiteren Festigung des Stände-Schichten-Systems mit seiner spezifischen sozialen Hierarchie beitrug. Die Angehörigen des Senatorenstandes hatten zwar seit jeher die Aufgabe, die wichtigsten Ämter in der Zivilverwaltung, in der Justiz und im Heereskommando zu bekleiden, woran sich auch während der Hohen Kaiserzeit nichts geändert hat, abgesehen von der Errichtung einiger Spitzenämter wie vor allem der Prätorianerpräfektur auch für die höchste Elite des Ritterstandes.218 Aber die öffentliche Tätigkeit der Senatoren erhielt einen ganz neuen Charakter, da ihr Staatsdienst mehr und mehr als Dienst für den Kaiser galt. Die legati Augusti an der Spitze der Legionen und der kaiserlichen Provinzen und weitere vom Kaiser ernannte Staatsbeamten wie z. B. Kuratoren von Straßen und Ärarpräfekten empfanden ihr officium als kaiserlichen Dienst. Darüber hinaus betrachtete man selbst den Konsulat – und damit die Magistratur, die einst am ehesten typisch für die aristokratische Republik war – als eine Belohnung für Verdienste um die Person des Herrschers: Nach Fronto gebührte diese nach wie vor als außerordentlich wichtig empfundene Würde jenen Senatoren, die sich im Dienst des Kaisers ausgezeichnet hatten (Ad M. Caes. 1,3,3). Das gute Verhältnis der Senatoren zum Herrscher, das nicht selten zur Servilität entarten konnte,219 war jedenfalls die Grundvoraussetzung siehe dazu die kritischen Bemerkungen von G. Alföldy, Journ. of Roman Arch. 15, 2002, 489 ff. und Epigraphica 64, 2002, 113 ff. Zu kaiserlichen Stiftungen in Hispanien siehe jetzt G. Alföldy, Madrider Mitt. 52, 2011 (im Druck). 216 M. Horster, in: L. De Ligt – E. Hemelrijk – H. W. Singor (Eds.), Roman Rule and Civic Life: Local and Regional Perspective. Proceedings of the Fourth Workshop of the International Network Impact of Empire (Leiden, June 25–28, 2003) (Amsterdam 2004), 331 ff. 217 CIL II 172 = ILS 190. Über den Kaisereid siehe P. Herrmann, Der römische Kaisereid, Untersuchungen zu seiner Herkunft und Entwicklung (Göttingen 1968); vgl. M. Clauss, Kaiser und Gott (Anm. 195), 225 ff. 218 Siehe G. Alföldy, Chiron 11, 1981, 169 ff. = in: ders., Die römische Gesellschaft. Ausgewählte Beiträge (Stuttgart 1986), 162 ff. 219 Vgl. hierzu H. Halfmann, in: Res publica reperta (Anm. 62), 227 ff.
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für eine erfolgreiche Karriere im Reichdienst. Es ist aufschlussreich, dass auf den öffentlichen Plätzen und in öffentlichen Bauwerken Roms nur jene Senatoren ein Ehrenmonument erhalten konnten, die sich durch eine ganz besondere Treue zum Herrscher – durch die pietas immobilis erga principem nach den Worten Suetons (Vit. 3,1) – ausgezeichnet haben.220 Nicht viel änderten an den engen Beziehungen zwischen den Kaisern und dem Senatorenstand auch die politischen Konflikte, die zwischen einzelnen Herrschern und einzelnen Senatorengruppen gelegentlich, vor allem unter Tiberius, Caligula, Claudius, Nero und Domitian, aufflammten.221 Sie ergaben sich in der Regel dadurch, dass die Kaiser gewisse Spielregeln im Verhältnis zwischen der Monarchie und dem in seinem traditionsbewussten Prestigedenken sehr empfindlichen Senatsadel verletzten – teils durch persönliches Temperament, teils aus politischer Notwendigkeit. Noch viel deutlicher war die Neubestimmung der Funktionen bei den Rittern, die in der Späten Republik nur als Richter und Offiziere öffentliche Ämter übernehmen konnten. Seit Augustus wurden besonders tüchtige Ritter – nach Absolvierung einer Offizierslaufbahn – als procuratores Augusti für die Verwaltung des kaiserlichen Vermögens und überhaupt für die Wirtschafts- und Finanzverwaltung des Reiches herangezogen. Dies war eine große Neuigkeit im Vergleich mit der Verwaltungsstruktur der Republik, in der die Provinzen eigentlich nicht verwaltet, sondern durch die Prokonsuln und durch die publicani nur ausgebeutet worden waren. Durch die neue Aufgabenstellung der Prokuratoren waren einerseits die unterschiedlichen sozialen Positionen des Senatorenstandes und des Ritterstandes, andererseits der Unterschied zwischen den Angehörigen dieser beiden führenden Stände und anderen gesellschaftlichen Gruppen genau festgelegt. Darüber hinaus wurde die soziale Hierarchie auch innerhalb der beiden führenden ordines genauer als bisher geregelt. Die Position eines Senators innerhalb seines Standes ergab sich nicht mehr nur aus Herkunft, Vermögen und der Bekleidung traditioneller Ämter, sondern auch daraus, ob er zur Ämterlaufbahn im kaiserlichen Dienst zugelassen wurde oder nicht; die Ritter unterschieden sich voneinander dadurch, dass sie staatliche Funktionen überhaupt bekleideten oder nicht, ferner dadurch, welche Rangstufe der ritterlichen Ämterlaufbahn sie erklommen. Doch ging die Einführung neuer sozialer Hierarchien durch das Kaisertum über den Senatoren- und den Ritterstand hinaus. Selbst unter den Sklaven und Freigelassenen wurde durch die Schaffung einer einflussreichen Spitzengruppe, derjenigen der kaiserlichen servi und liberti, aus denen die familia Caesaris bestand, eine neue hierarchische Struktur gebildet.
220 Siehe hierzu G. Alföldy, in: G. Alföldy – S. Panciera (Hrsg.), Inschriftliche Denkmäler als Medien der Selbstdarstellung in der römischen Welt (Stuttgart 2001), 11 ff. Zum breiteren Kreis der Vertrauten der Herrscher siehe die Literatur in Anm. 210. 221 Zum Verhältnis zwischen den Herrschern der julisch-claudischen Dynastie und den Senatoren siehe M. Bonnefond-Coudry, Mél. de l’École Fr. de Rome, Antiquité 107, 1995, 225 ff. Vgl. M. B. Roller, Constructing Autocracy. Aristocrats and Emperors in Julio-Claudian Rome (Pinceton 2001).
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Geändert haben sich die sozialen Verhältnisse im Imperium Romanum auch dadurch, dass sich das römische Gesellschaftssystem allmählich in den meisten Teilen des Weltreiches ausdehnte.222 Durch die Verbreitung des römischen Wirtschaftssystems im lateinischen Westen und durch die Integration des griechischen Osten in das Wirtschaftsleben des Reiches bildete sich auch in den meisten Provinzen eine soziale Gliederung heraus, die mehr oder weniger derjenigen in Italien entsprach. Die Folge war, dass die höheren Schichten des Kaiserreiches nicht mehr mit der Oberschicht Italiens identisch waren wie größtenteils noch am Ende der Republik, sondern dass sie immer stärker durch führende Familien in den Provinzen ergänzt wurden. Ebenso erhielten auch die Unterschichten in den einzelnen Teilen des Weltreiches einen eher einheitlichen Charakter als vorher. Am deutlichsten lässt sich diese Entwicklung am Vordringen der Provinzialen bis zur Führungsspitze des Reiches beobachten.223 Bereits Augustus nahm in die Führungselite nicht wenige Provinzialrömer auf;224 nach ihm setzte zuerst Claudius diese Politik zielstrebig fort.225 Unter den flavischen Kaisern (69–96) bildeten führende Männer aus den Provinzen, vor allem aus Hispanien und Südgallien, im Senatorenstand schon eine recht einflussreiche Gruppe, wie auch noch unter Trajan und Hadrian.226 In der Person des Kaisers Trajan (98–117), der aus einer italischen Kolonistenfamilie in der Provinz Baetica stammte, bestieg der erste Provinzialrömer den Thron, und während der 222 Vgl. hierzu die zahlreichen Einzeluntersuchungen über die sozialen Verhältnisse in einzelnen Provinzen, die in Anm. 236 aufgelistet sind, außerdem die Beschreibung der Sozialstruktur einzelner Städte, z. B. der hispanischen Städte Tarraco und Carmona: G. Alföldy, in: S. Armani – B. HurletMartineau – A. U. Stylow (Eds.), Epigrafía y sociedad en Hispania durante el Alto Imperio: estructuras y relaciones sociales. Actas de la Mesa Redonda … Madrid – Alcalá de Henares, abril 2000 (Alcalá de Henares 2003), 159 ff.; ders., in: A. Caballos Rufino (Ed.), Carmona Romana. Actas del II Congreso de Historia de Carmona (Carmona 2001), 381 ff. Weitere Literatur zu diesem Themenbereich findet sich in der Bibliographie im Abschnitt B 3.5 und bei G. Alföldy, in: Limes XIX (Anm. 127), 25 ff. zum Thema »Romanisation«. 223 Über den allmählichen Aufstieg der Provinzialen in die Führungselite des Reiches siehe bes. R. Syme, Tacitus II (Oxford 1958), 585 ff.; dens., Colonial Elites (Oxford 1958), 1 ff.; G. Alföldy, Konsulat und Senatorenstand unter den Antoninen. Prosopographische Untersuchungen zur senatorischen Führungsschicht (Bonn 1977), 61 ff.; P. M. M. Leunissen, Konsuln und Konsulare in der Zeit von Commodus bis Severus Alexander (180–235 n. Chr.). Prosopographische Untersuchungen zur senatorischen Elite des Kaiserreichs (Amsterdam 1989), 74 ff.; R. Syme, The Provincial at Rome (Anm. 179). 224 N. Schäfer, Die Einbeziehung der Provinzialen in den Reichsdienst in augusteischer Zeit (Stuttgart 2000). Zum Verhältnis des Augustus zur senatorischen Aristokratie siehe bes. R. Syme, Roman Revolution (Anm. 125), 276 ff.; P. A. Brunt, Class. Quart. 34, 1984, 423 ff. (Augustus und den Senat); R. J. A. Talbert, Greece and Rome 31, 1984, 55 ff. (über das gleiche Thema). Über die Zusammensetzung und Lage der senatorischen Aristokratie unter Augustus siehe vor allem R. Syme, The Augustan Aristocracy (Oxford 1986). Vgl. noch Anm. 297. 225 Siehe zuletzt ausführlich W. Riess, Revue des Études Anciennes 105, 2003, 211 ff. mit der früheren Literatur, aus der vor allem R. Syme, The Provincial at Rome (Anm. 179), 90 ff. hervorzuheben ist. Zur gallischen Aristokratie der Frühen Kaiserzeit siehe J. F. Drinkwater, Latomus 37, 1978, 817 ff.; vgl. R. Syme, Mus. Helv. 34, 1977, 129 ff. = in: ders., Roman Papers (Oxford 1978/81), III 986 ff. 226 Siehe bes. F. Des Boscs-Plateaux, Un parti hispanique à Rome? Ascension des élites hispaniques et pouvoir politique d’Auguste à Hadrien (27 av. J.-C. – 138 ap. J. C. (Madrid 2005) (auch über Ritter).
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Vorbereitung der Machtübernahme durch Trajan gab es für diesen nur einen Konkurrenten, den Marcus Cornelius Nigrinus Curiatius Maternus, einen erfolgreichen Feldherrn Domitians, der ebenfalls Hispanier war.227 Hadrian (117–138) war ein engerer Landsmann und Verwandter Trajans, die Familie des Antoninus Pius (138– 161) kam aus Südgallien, die Familie Mark Aurels (161–180) wiederum aus der Baetica, und während der Regierungszeit dieses zuletzt erwähnten Kaisers haben in der konsularen Führungselite des Senatorenstandes die Provinzialen erstmals die Mehrheit erlangt.228 Später kamen mit Septimius Severus Afrikaner, nach ihm und seinem Sohn Caracalla Orientalen, danach hauptsächlich verdiente Militärs aus den Donauländern in den Besitz der höchsten Macht. Der Prozess der Integration der Provinzen und der Provinzialen in das soziopolitische und soziokulturelle Systems Roms, der gewöhnlich mit dem modernen Terminus »Romanisation« bezeichnet wird,229 wurde von den Herrschern durch verschiedene Maßnahmen gefördert, so durch den Ausbau des Straßennetzes, durch die Einführung der einheitlichen Verwaltung, durch die Heranziehung der Provinzialen zum römischen Heeresdienst, vor allem aber durch die Verleihung des römischen Bürgerrechtes (wofür grundsätzlich die Kenntnis der lateinischen Sprache erforderlich war) und noch mehr durch die Urbanisation. Das Bürgerrecht wurde entweder einzelnen Personen und Familien, zumeist aus der lokalen Oberschicht, oder ganzen Gemeinden gewährt. Wie wir aus dem Tatenbericht des Augustus wissen, gab es 28 v. Chr. 4,063.000 römische Bürger, 8 v. Chr. 4,233.000 und 14 n. Chr. 4,937.000.230 Nach der zurückhaltenden Politik des Tiberius (14–37) stieg die Zahl der Bürger unter Claudius (41–54), dem Seneca die Verleihung des Bürgerrechtes an »alle« Griechen, Gallier, Hispanier und Britannier vorwarf (Apocol. 3,3), mindestens um eine Million weiter an (5,984.072 Bürger im Jahre 48, Tac., Ann. 11,25). Seit den flavischen Kaisern wurde das Bürgerrecht auch in bisher eher rückständigen Gebieten großzügiger verliehen. Den Abschluss fand dieser Prozess erst unter Caracalla (211–217), der durch die Constitutio Antoniniana allen persönlich freien Einwohnern des Imperiums Bürgerrecht gewährte (mit Ausnahme der sog. dediticii, der 227 Siehe zu ihm G. Alföldy – H. Halfmann, Chiron 3, 1973, 331 ff. = G. Alföldy, Römische Heeresgeschichte. Beiträge 1962–1985 (Amsterdam 1987), 153 ff.; G. Alföldy, Rev. des Études Militaires Anciennes 1, 2004, 45 ff. Vgl. W. Eck, in: G. Clark – T. Rajak (Ed.), Philosophy and Power in the Graeco-Roman World. Essays in Honour of Miriam Griffin (Oxford 2002), 211 ff. 228 G. Alföldy, Konsulat und Senatorenstand unter den Antoninen (Anm. 223), 68 ff. 229 Zu diesem in der jüngeren Forschung heftig umstrittenen, aber unverzichtbaren Begriff siehe ausführlich G. Alföldy, in: Limes XIX (Anm. 127), 25 ff. mit detaillierter Bibliographie. Vgl. sonst u. a. bes. G. Alföldy, in: P. Kneissl – V. Losemann (Hrsg.), Alte Geschichte und Wissenschaftsgeschichte. Festschrift für Karl Christ zum 65. Geburtstag, Darmstadt 1988, 1 ff. (Romanisation de Donauprovinzen); R. MacMullen, Romanization in the Time of Augustus (New Haven – London 2000). 230 RGDA 8. Im Jahre 14 n. Chr. gab es unter den römischen Bürgern 836.100 Provinzeinwohner, siehe H. Volkmann, Res Gestae Divi Augusti. Das Monumentum Ancyranum3 (Berlin 1969), 21. Vgl. dazu E. Lo Cascio, JRS 84, 1994, 23 ff. Bürgerrechtsverleihung in der Kaiserzeit: Siehe bes. F. Vittinghoff, Römische Kolonisation und Bürgerrechtspolitik (Anm. 178), 96 ff.; A. N. Sherwin-White, The Roman Citizenship2 (Anm. 53), 221 ff.
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jüngst unterworfenen und im Reich angesiedelten Barbaren).231 Zumindest für die Integration der westlichen Provinzen noch wichtiger war aber die Urbanisation, die entweder durch die planmäßige Ansiedlung von Legionsveteranen oder gelegentlich auch von stadtrömischen Proletariern in coloniae oder durch die Verleihung der städtischen Autonomie an einheimische Gemeinden als municipia realisiert wurde. Im griechischen Osten, der auf eine lange Tradition der urbanisatorischen Entwicklung zurückblicken konnte, wurden nur wenige neue Städte gegründet, dafür aber die griechisch-hellenistischen poleis gefördert. Durch eine besonders aktive Urbanisationspolitik zeichneten sich vor allem jene Herrscher aus, die auch das Bürgerrecht auf breite Bevölkerungskreise ausdehnten, nämlich Augustus, Claudius, die Flavier, Trajan, Hadrian.232 Wie gezielt manche Kaiser in dieser Hinsicht vorgingen, zeigte sich exemplarisch durch die Maßnahme Vespasians, der allen Gemeinden Hispaniens, die nicht schon früher – d. h. vor allem unter Augustus – als Kolonien oder Municipien privilegiert worden waren, das sog. latinische Recht verlieh (Plin., N. h. 3,30), nämlich den Status eines Municipiums, in dem die an der Stadtverwaltung beteiligten lokalen Eliten durch die Amtsbekleidung automatisch in den Besitz des römischen Bürgerrechtes gelangten.233 Das Ergebnis des Urbanisierungsprozesses in Hispanien war, dass es dort seit den Flaviern neben ungefähr 30 Kolonien mindestens 300 oder wahrscheinlich sogar an die 400 Municipien gab.234 In der Mitte des 2. Jahrhunderts konnte der griechische Rhetor Aelius Aristides behaupten, dass das Römische Reich ein dichtes Netz von Städten besitzt, und zu Beginn des 3. Jahrhunderts hob Tertullian hervor, dass die ganze römische Welt zivilisatorisch erschlossen sei und überall Stadtgemeinden aufweist (ubique res publica).235 231 H. Wolff, Die Constitutio Antoniniana und Papyrus Gissensis 40 I (Köln 1976). 232 Für die Anfänge dieses Prozesses grundlegend: F. Vittinghoff, Römische Kolonisation und Bürgerrechtspolitik (Anm. 178). 233 Zum flavischen Urbanisierungsprogramm in Hispanien siehe bes. J. Andreu Pintado, Edictum, Municipium y Lex: Hispania en época Flavia (69–96 d.C.) (Oxford 2004). 234 Zu Hispanien als Modell der Romanisation (die Gründung der Augustustempels für die Provinz Hispania citerior im Tarraco im Jahre 115 nannte Tacitus, Ann. 1,78 in omnes provincias exemplum) siehe G. Alföldy, in: G. Urso (Ed.), Hispania terris omnibus felicior. Premesse ed esiti di un processo di intergrazione. Atti del convegno internazionale Cividale del Friuli, 27–29 settembre 2001 (Pisa 2002), 183 ff. Zu der Zahl der hispanischen Städte im Vergleich mit derjenigen in anderen Provinzen siehe ebd. 189. 235 Ael. Arist., Or. 26,93 f.; Tert., De anima 30. Zur Bedeutung der Städte, die das Rückgrat des gesamten soziopolitischen Systems des Imperium Romanum bildeten, siehe bes. M. Rostovtzeff, Gesellschaft und Wirtschaft (Anm. 182), I 90 ff.; vgl. A. H. M. Jones, The Roman Economy. Studies in Ancient Economic and Administrative History (Oxford 1974), 1 ff. und 35 ff.; M. I. Finley, The Ancient Economy (Berkeley – Los Angeles 1973), 123 ff.; R. Chevallier, ANRW II 1 (Berlin – New York 1972), 649 ff.; G. Alföldy, in: Stadt-Land-Beziehungen und Zentralität als Problem der historischen Raumforschung (Hannover 1974), 49 ff. = Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 212 ff. (mit Nachträgen); F. Vittinghoff, Hist. Zeitschr. 226, 1978, 547 ff. = in: ders., Civitas Romana, Stadt und politisch-soziale Integration im Imperium Romanum der Kaiserzeit (Stuttgart 1994), 11 ff.; Th. Pekáry, in: H. Stoob (Hrsg.), Die Stadt. Gestalt und Wandel bis zum industriellen Zeitalter (Köln – Wien 1979), 83 ff.; W. Dahlheim, in: F. Vittinghoff (Hrsg.), Stadt und Herrschaft. Römische Kaiserzeit und Hohes Mit-
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Durch die Existenz der rund 2.000 Städte im römischen Weltreich waren mehr oder weniger überall die Voraussetzungen für eine Assimilierung der sozialen Strukturen geschaffen. Die Gesellschaft bestand einerseits aus den Oberschichten, die gleichzeitig die Führungselite der Städte und die reichen Grundbesitzer der städtischen Territorien darstellten und deren vermögendste Gruppen in den Ritterstand und in den Senatorenstand aufgenommen wurden, andererseits aus den Unterschichten in den Städten oder auf dem Lande, deren Angehörige als persönlich Freie, Freigelassene oder Sklaven unter verschiedenen Formen der sozialen Abhängigkeit lebten. Homogen war dieses Gesellschaftssystem natürlich nicht, da die Entwicklung der einzelnen Reichsteile unter sehr unterschiedlichen lokalen Voraussetzungen vor sich ging; vor allem waren die niederen Bevölkerungsschichten in den einzelnen Teilen des Reiches voneinander teilweise recht verschieden. Weitgehend ähnliche wirtschaftliche, urbanisatorische und soziale Verhältnisse wie in Italien (dessen einzelne Teile allerdings auch ziemliche Unterschiede aufwiesen) bestanden eigentlich nur im römischen Nordafrika, in Süd- und in Ostspanien, in Südgallien, im dalmatinischen Küstenland, ferner – abgesehen von rechtlichen und kulturellen Unterschieden – in Griechenland mit Makedonien, in West- und Südkleinasien und im Küstenland Syriens, also alles in allem im Mittelmeerraum. Hauptsächlich in den nördlichen Provinzen, so in Britannien, Gallien, Germanien, Rätien, Noricum, Pannonien, Innerdalmatien, Dakien und Mösien, aber auch in Nordwestspanien, war die Zahl und auch die Bedeutung der Städte niedriger als im mediterranen Raum, und auch die soziale Gliederung war dort im Großen und Ganzen einfacher. Das lässt sich am deutlichsten daran messen, dass es in diesen Ländern in der Prinzipatszeit bezeichnenderweise nur sehr wenige senatorische Goßgrundbesitzer und keine Sklavenmassen gab (die Sklavenmassen fehlten jedoch weitgehend auch in den afrikanischen Provinzen). Ein Süd-Nord-Gefälle des Reiches war schon den Zeitgenossen bewusst; Vitruvius z. B war zu Beginn der Kaiserzeit – vor allem angesichts der unterschiedlichen zivilisatorischen Leistungen – überzeugt, dass südliche Menschen intelligenter, nördliche Menschen kriegsfähiger seien (Arch. 6,1,9 ff.). Nichtsdestoweniger waren auch zwischen einzelnen einander benachbarten Provinzen, ja innerhalb ein und derselben Provinz oft sehr große strukturelle Unterschiede vorhanden, so z. B. in Dalmatien zwischen dem früh urbanisierten Küstenland und dem rückständigen Binnenland. Jedoch gab es nur wenige Reichsteile, in denen die römische telalter (München 1982), 13 ff.; H. Galsterer, ebd. 75 ff.; F. Kolb, Die Stadt im Altertum (München 1984), 169 ff. Zum Urbanisierungsprozess in den einzelnen Reichsteilen siehe die in Anm. 236 angeführte Literatur, außerdem die in Anm. 233 und 234 angeführten Untersuchungen zur Urbanisierung in Hispanien. Zum Leben der Städte vgl. jetzt C. Berrendonner – M. Cébeillac-Gervasoni – L. Lamoine (Eds.), Le quotidien municipal dans l’Occident romain (Paris 2008); L. Lamoine – C. Berrendonner – M. Cébeillac-Gervasoni (Eds.), La praxis municipale dans l’Occident romain (Paris 2010). Wie stark die Urbanisierung scheinbar städtearme Regionen durchdringen konnte, zeigt sich exemplarisch im Lichte der systematischen Erfassung der einschlägigen epigraphischen und archäologischen Quellen auf der südlichen Meseta Spaniens: G. Alföldy, Römisches Städtewesen auf der neukastilischen Hochebene. Ein Testfall der Romanisierung (Heidelberg 1987).
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Wirtschaftsform und die römische soziale Gliederung kaum Eingang fanden wie vor allem in Ägypten, wo sich die traditionelle lokale Sozialordnung, u. a. mit verschiedenen Kategorien von Bauern und weitgehend ohne Sklaven in der Agrarproduktion, nur wenig geändert hat. Im Ganzen gesehen war das römische Kaiserreich in dem Sinne durch ein einheitliches wirtschaftliches und soziales System gekennzeichnet, dass dieses System, je nach Provinz oder Region verschieden, entweder deutlich ausgeprägt war oder zumindest die Zielrichtung des ökonomischen und sozialen Entwicklungsprozesses darstellte, ohne dass wirklich klare Alternativmodelle vorhanden gewesen wären.236 236 Zu den sozialen Verhältnissen in den einzelnen Reichsteilen siehe vor allem folgende Überblicke und regionale Monographien: C. Lepelley (Ed.) (Rome et l’intégration de l’Empire 44 av. J.-C. – 260 apr. J.-C. II. Approches régionales du Haut-Empire romain (Paris 1998) = Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit 44 v. Chr.-260 n. Chr II. Die Regionen des Reiches (München – Leipzig 2001); P. Le Roux, Le Haut-Empire romain en Occident d’Auguste aux Sévères (Paris 1998); T. J. Cornell – K. Lomas (Eds.), Urban Society in Roman Italy (London 1995); G. Charles-Picard, Nordafrika und die Römer (Stuttgart 1962); J.-M. Lassère, Ubique populus. Peuplement et mouvement de population dans l’Afrique romaine de la chute de Carthage à la fin de la dynastie des Sévères (146 a. C. – 235 p. C.) (Paris 1977); V. Vázquez de Prada (Ed.), Historia economica y social de España I. La Antigüedad (Madrid 1973); C. González Román (Ed.), La sociedad de la Bética. Contribuciones para su estudio (Granada 1994); E. W. Haley, Baetica Felix. People and Prosperity in Southern Spain from Caesar to Septimius Severus (Austin 2003); J. J. Hatt, Histoire de la Gaule romaine (Paris 1970); M. Dondin-Payre – M.-Th. Raepsaet-Charlier (Eds.), Noms, identités culturelles et romanisation sous le Haut-Empire (Bruxelles 2001) (Gallien); S. S. Frere, Britannia. A History of Roman Britain (London 1967); H. von Petrikovits, in: F. Petri – G. Droege (Hrsg.), Rheinische Geschichte I 1 (Düsseldorf 1978), 46 ff.; G. Alföldy, Noricum (Anm. 185); A. Mócsy, Die Bevölkerung von Pannonien bis zu den Markomannenkriegen (Budapest 1959); ders., RE Suppl. IX, 1962, 516 f. (Pannonia); ders., Gesellschaft und Romanisation in der römischen Provinz Moesia superior (Budapest 1970); ders., Pannonia and Upper Moesia. A History of the Middle Danube Provinces of the Roman Empire (London – Boston 1974); G. Alföldy, Bevölkerung und Gesellschaft der römischen Provinz Dalmatien (Budapest 1965); J. J. Wilkes, Dalmatia (London 1969); U. Kahrstedt, Das wirtschaftliche Gesicht Griechenlands in der Kaiserzeit (Bern 1954); D. Magie, Roman Rule in Asia Minor (Princeton 1950); S. Mitchell, Anatolia. Land, Men and Gods in Asia Minor (London 1993); B. Levick, Roman Colonies in Southern Asia Minor (Oxford 1967); M. Sartre, L’Orient romain. Provinces et sociétés provinciales en Méditerranée orientale d’Auguste aux Sévères (31 av J.-C. – 235 après J.-C.) (Paris 1991); F. Millar, The Roman Near East, 31 B.C. – A.D. 337 (Cambridge, Mass. 1993); A. H. M. Jones, The Cities of the Eastern Roman Provinces (Oxford 1971); H. Braunert, Die Binnenwanderung. Studien zur Sozialgeschichte Ägyptens in der Ptolemäerund Kaiserzeit (Bonn 1964). Zu sozialen Problemen in der griechischen Welt während der römischen Kaiserzeit und den sie betreffenden griechischen Vorstellungen siehe H. Graßl, Sozialökonomische Vorstellungen in der kaiserzeitlichen griechischen Literatur (1.-3. Jh. n. Chr.) (Wiesbaden 1982). Einen Überblick über die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in einzelnen Regionen bieten die Autoren in: F. Vittinghoff (Hrsg.), Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte in der römischen Kaiserzeit (Stuttgart 1990), so J. D’Arms (375 ff., Italien), E. Frézouls (431 ff., Gallien), J. M.a Blázquez (511 ff., Hispanien), A. R. Birley (538 ff., Britannien), J. Šašel (556 ff., Alpenregionen und 572 ff., Dalmatien), A. Mócsy (581 ff., Pannonien und 595 ff., Moesia superior), H. Wolff – V. Velkov (600 ff., Moesia inferior, Thrakien), H. Wolff (616 ff., Dakien und 631 ff., Makedonien) sowie G.W. Bowerscok (640 ff., Achaia). Zu der Frage, wie die verschiedenen Sozialordnungen in den Provinzen aufgrund der Romanisation der lokalen »ruling classes« im Römischen Reich integriert wurden, siehe P. A. Brunt, in: Assimilation et résistance à la culture gréco-romaine dans le monde ancien. Travaux du VIe Congrès International de la F. I. A. E. C. (Bucures.ti 1976), 161 ff. Die Unterscheidung zwischen »entwickelten« und »unterentwic
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Die soziale Schichtung Entsprechend den Voraussetzungen für ihre Entwicklung war die römische Gesellschaft während der Frühen Kaiserzeit nicht wesentlich anders gegliedert als in der Späten Republik; vielmehr erhielt ihr traditionelles Gliederungssystem nur seine besonders deutlich ausgeprägten Formen.237 Wie seit eh und je zerfiel diese Gesellschaft in zwei – ungleich große – Hauptteile, da die Trennlinie zwischen Oberschichten und Unterschichten die deutlichste soziale Trennlinie war. Aelius Aristides drückte diese soziale Gliederung durch die Gegensätze Reich – Arm, Groß – Klein, Angesehener – Ruhmloser und Adliger – Gewöhnlicher aus, und obwohl er die Gleichheit aller Menschen vor der kaiserlichen Gerechtigkeit hervorhob, empfand er es als selbstverständlich, dass die »Besseren« zu regieren und die Angehörigen der »Masse« zu gehorchen hatten.238 Die römischen Rechtsquellen sprechen zumindest seit der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. von honestiores, von Inhabern der gehobenen sozialen und wirtschaftlichen Stellung und des entsprechenden Ansehens (condicio, qualitas, facultas, gravitas, auctoritas, dignitas) auf der einen Seite, von humiliores und tenuiores auf der anderen Seite.239 Es lassen sich vier Hauptkriterien für die Zugehörigkeit zu den Gehobenen feststellen, die ungefähr denjenigen bei Aelius Aristides entsprechen. Man musste reich sein, höhere Funktionen und dadurch Macht ausüben, über Ansehen in der Gesellschaft verfügen und vor allem – da Reichtum, höhere Funktionen und Ansehen damit fast gleichbedeutend waren – Mitglied eines führenden Ordo, eines korporativ organisierten privilegierten Standes, sein. Nur wer alle diese Voraussetzungen erfüllte, gehörte wirklich in vollem Sinne zu den sozialen Oberschichten, nämlich – vom Kaiserhaus abgesehen – die Mitglieder des ordo senatorius, des ordo equester und des ordo decurionum der einzelnen Städte, außerdem noch die in den Ordo-ähnlichen Körperschaften der seviri Augustales zusammengefassten reichen Freigelassenen. Nicht alle diese Merkmale charakterisieren dagegen die kaiserlichen Sklaven und Freigelassenen, die nicht selten neben einem riesigen Vermögen als graue Eminenzen viel Macht besaßen, aber in die führenden ordines keine Aufkelten« Provinzen, wie A. Deman, ANRW II 3 (Berlin – New York 1975), 3 ff. aufgrund der Beispiele Gallien – Nordafrika vorschlug, wird den historischen Realitäten nicht gerecht. 237 Zur Gliederung der Gesellschaft der Kaiserzeit vgl. H. W. Pleket, Tijdschrift voor Geschiedenis 84, 1971, 215 ff.; R. MacMullen, Roman Social Relations (Anm. 182), 88 ff.; außerdem auch M. I. Finley, The Ancient Economy (Anm. 235), 35 ff. Oberschichten: Vgl. M.-Th. Raepsaet-Charlier, L’Égalité 8, 1982, 452 ff. Zu weiteren Ansichten und zur Diskussion über die Beurteilung der sozialen Gliederung der kaiserzeitlichen Gesellschaft siehe unten, S. 197 ff. 238 Ael. Arist., Or. 26,39 und 26,59. 239 Zu den Rechtsquellen siehe P. Garnsey, Social Status and Legal Privilege in the Roman Empire (Oxford 1970), 221 ff.; vgl. auch dens., Past and Present 41, 1968, 3 ff.; R. Rilinger, Humiliores – Honestiores. Zu einer sozialen Dichotomie im Strafrecht der römischen Kaiserzeit (München 1988). Vgl. D. P. Kehoe, in: Social Relations in the Roman World (Anm. 182), 153 f.
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nahme finden konnten, angesichts ihrer niedrigen Abstammung der Verachtung ausgesetzt waren und nur in grundsätzlich subalternen Funktionen dienten. Schon gar nicht zu den Oberschichten gehörten die Soldaten, obwohl das Militär – wie vor allem die Ereignisse im Vierkaiserjahr zeigten – ein beachtlicher Machtfaktor war (Tac., Hist. 1,4), und obwohl die Soldaten in den Eliteeinheiten (Prätorianergarde, Legionen) über verschiedene Privilegien verfügten. Vielmehr war das Heer mit den senatorischen und ritterständischen Kommandeuren und hohen Offizieren, mit den ebenfalls über der Masse der Soldaten stehenden Centurionen auf der einen und mit den principales (nicht so sehr »Unteroffiziere«, sondern vielmehr Soldaten mit speziellen Aufgaben) und den milites gregarii (Gemeinsoldaten) auf der anderen Seite sozusagen ein Abbild der römischen Sozialstruktur, die sich nicht nur in den unterschiedlichen Funktionen oder in der unterschiedlichen Besoldung der einzelnen Rangstufen widerspiegelt, sondern auch in ihren recht unterschiedlichen Unterbringungsmöglichkeiten in den Festungen.240 Nicht zu verkennen ist auch die niedrige soziale Position der stadtrömischen Plebs, obwohl sie sich zu Beginn der Kaiserzeit noch gelegentlich ebenfalls als ein politischer Machtfaktor erwies. Der wirkliche Gegensatz zur Zugehörigkeit zu den Gehobenen zeigte sich freilich in der Interdependenz von Armut, Machtlosigkeit und Ausschluss aus höheren öffentlichen Funktionen, niedrigem Ansehen und Existenz nur außerhalb der privilegierten Stände. Daraus folgte, dass die Mitglieder der Unterschichten im Allgemeinen – wenn auch keineswegs vollständig – mit den Produzenten in den ländlichen und städtischen Wirtschaftssektoren identisch waren.241
240 Zur Sozialstruktur des Heeres als Abbild der römischen Gesellschaft siehe zusammenfassend G. Alföldy, in: Kaiser, Heer und Gesellschaft (Anm. 151), 33 ff. Vgl. noch bes. G. Wesch-Klein, Soziale Aspekte des römischen Heerwesens in der Kaiserzeit (Stuttgart 1998); W. Eck, in: H. von Hesberg – Th. Fischer (Hrsg.), Das Militär als Träger römischer Kultur (Köln 1999), 15 ff.; O. Stoll, Römisches Heer und Gesellschaft. Gesammelte Beiträge 1991–1999 (Stuttgart 2001). Die Legion als soziale Gemeinschaft: R. MacMullen, Historia 33, 1984, 440–456 = in: ders., Changes in the Roman Empire. Essays in the Ordinary (Princeton 1990), 225 ff. 368 ff. Über die Kommandeure des Heeres siehe bes. G. Al földy, Bonner Jahrb. 169, 1969, 233 ff. = in: ders., Römische Heeresgeschichte (Anm. 227), 3 ff.; A. R. Birley, in: Kaiser, Heer und Gesellschaft (Anm. 151), 97 ff.; P. Cosme, in: S. Demougin – X. Loriot – P. Cosme – S. Lefebvre (Eds.), H.-G. Pflaum. Un historien du XXe siècle. Colloque International Paris 2004 (Genève 2006), 137 ff. Gehaltstufen der hohen Offiziere: G. Alföldy, Chiron 11, 1981, 183 ff. = in: ders., Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 176 ff. Besoldung der Soldaten: J. Jahn, in: M. R.-Alföldi (Hrsg.), Studien zu Fundmünzen in der Antike 2. Aufsätze (Berlin 1984), 53 ff.; L. Wierschowski, Heer und Wirtschaft. Das römische Heer der Prinzipatszeit als Wirtschaftsfaktor (Bonn 1984), 2 ff.; M. A. Speidel, JRS 82, 1992, 87 ff. = in: ders., Heer und Herrschaft im römischen Reich der Hohen Kaiserzeit (Stuttgart 2009), 472 ff. und in: Kaiser, Heer und Gesellschaft (Anm. 151), 65 ff = in: ders., Heer und Herrschaft 486 ff.; R. Alston, JRS 84, 1994, 113 ff.; G. Wesch-Klein, Soziale Aspekte des römischen Heerwesens 48 ff. Über die Unterkünfte der Soldaten siehe H. von Petrikovits, Die Innenbauten römischer Legionslager während der Prinzipatszeit (Opladen 1975), 35 ff. Zum Thema Heer und Gesellschaft vgl. noch die weitere Literatur in der Bibliographie im Abschnitt B 3.10. 241 Zu zu den Ober- und Unterschichten der kaiserzeitlicher Gesellschaft siehe zusammenfassend bes. F. Jacques – J. Scheid, Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit (Anm. 182), 337 ff., ebd. 367 ff. und 403 ff.
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Wer über die Qualifikationsmerkmale für die Zugehörigkeit zu den Oberschichten verfügte und wer nicht, ergab sich wiederum aus dem Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die folgendermaßen aufgezählt werden können: vornehme oder niedrige Herkunft, Besitz oder Nichtbesitz des Bürgerrechtes, persönliche Freiheit oder Unfreiheit, ethnische oder regionale Zugehörigkeit zur Bevölkerung in dem einen oder anderen Reichsteil, persönliche Tüchtigkeit, Bildung und Loyalität gegenüber der kaiserlichen Monarchie. Wie wichtig das Vermögen als Qualifikationsmerkmal empfunden wurde,242 bringt Trimalchio im Satyricon des Petronius (77) sehr deutlich zum Ausdruck: credite mihi: assem habeas, assem valeas; habes, habeberis. Entscheidend war zwar nicht so sehr das bare Geld, sondern der Grundbesitz als dessen Hauptquelle, aber der enorme Unterschied, der zwischen Reich und Arm bestehen konnte, war nichtsdestoweniger deutlich. Wie ungleich Grund und Boden z. B. in der Umgebung von Veleia und Beneventum in Italien unter Trajan selbst unter den Besitzenden verteilt waren, zeigt sich in den Angaben auf den sog. Alimentartafeln aus diesen Städten, aus denen hervorgeht, dass 65 % der Grundbesitzer über Grundstücke in einem Wert von unter 100.000 Sesterzen verfügten, während nur 7% der Besitzer Land im Wert von über 500.000 Sesterzen und nur 3% im Wert von über 1,000.000 Sesterzen besaßen.243 Dabei nahm die Konzentration des Grundbesitzes in Italien in der Frühen Kaiserzeit ständig zu, so dass der ältere Plinius sogar von der Zerstörung des Landes durch die latifundia sprach (N. h. 18,35). Ähnliche Entwicklungstendenzen gab es auch in den Provinzen, vor allem in den Mittelmeerländern wie in Africa, wo in der Mitte des 1. Jahrhunderts die Güter von sechs Großgrundbesitzern die Hälfte des Landes umfassten (Plin., a. a. O.). Das größte exakt belegte Vermögen betrug 400,000.000 Sesterzen, ebenso beim Senator Gnaeus Cornelius Lentulus zu Beginn der Kaiserzeit (Seneca, De benef. 2,27) wie bei Narcissus, dem mächtigen Generalsekretär des Claudius, einem Freigelassenen (Dio 60,34,4).244 Demgegenüber sind auch ganz unvorstellbare Fälle von Armut bezeugt, z. B. in Ägypten, wo es vorkam, dass 64 Bauernfamilien ein Grundstück von einer aroura (2.200 m.2) oder sechs Familien einen einzigen Olivenbaum als gemeinsamen Besitz teilten. Dementsprechend verschieden war auch die Lebensart der Reichen und der Armen. Die vermögenden Familien besaßen in Rom und auf ihren Gütern luxuriöse Paläste und Villen, die Martial an Königreiche erinnerten (12,57,19 ff.), unter anderem mit Möbeln 242 Zu Reichtum und Armut als soziale Unterscheidungsmerkmal in der kaiserzeitlichen Gesellschaft siehe u. a. F. Jacques – J. Scheid, Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit (Anm. 182), 337 ff.; H.-J. Drexhage – H. Konen – K. Ruffing, Die Wirtschaft des Römischen Reiches (Anm. 184), 163 ff., die Quellen dazu ebd. 275 ff. 243 CIL XI 1147 = ILS 6675 und CIL IX 1455 = ILS 6509. Siehe bes. R. Duncan-Jones, Papers of the British School at Rome 32, 1964, 123 ff.; dens., The Economy of the Roman Empire2 (Anm. 182), 288 ff.; R. MacMullen, Roman Social Relations (Anm. 182), 5 und 96; N. Criniti, La Tabula Alimentaria di Veleia (Parma 1991). 244 Über die Reichen der kaiserzeitlichen Gesellschaft siehe S. Mratschek-Halfmann, Divites et Praepotentes. Reichtum und soziale Stellung in der Literatur der Prinzipatszeit (Stuttgart 1993).
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im Millionenwert (Plin., N. h. 13,92), und ihre Damen trugen Schmuck im Werte von 40,000.000 Sesterzen wie Lollia Paulina unter Augustus (Plin., N. h. 9,117 f.). Dagegen wohnten z. B. ägyptische Bauern massenweise in primitiven Häusern und Hütten, so in einem nachgewiesenen Fall 10 Familien, in einem anderen Fall 42 Personen, zusammen, und sie besaßen oft so gut wie nichts.245 Freilich zeigte sich der Unterschied zwischen Reich und Arm auch darin, dass die letzteren ständig sozialen Demütigungen ausgesetzt waren, die z. B. Juvenal bitter beklagte (3,126 ff. und 5,1 ff.). Dazu kam noch, dass die Reichen schnell noch reicher werden konnten wie etwa Seneca, der unter Nero innerhalb von vier Jahren ein Vermögen von 300,000.000 Sesterzen erwirtschaftete (Tac., Ann. 13,42), während die Armen, aus denen auch nach Seneca die große Mehrheit der Bevölkerung bestand (Helv. 12,1), nur höchst selten das Glück eines Trimalchio haben konnten. Deutlich waren auch die Grenzen zwischen denjenigen, die Macht und Einfluss besaßen, und den beherrschten Massen. Höhere Funktionen standen nur privilegierten Personengruppen zu. Die höheren Stellen in der Verwaltung des Reiches und das Kommando der Armeen und Truppen waren den Senatoren und Rittern, die Verwaltung der städtischen Gemeinden den in den einzelnen ordines decurionum zusammengefassten lokalen Eliten vorbehalten. Freilich war die tatsächliche Machtstellung der meisten Bürgermeister und Gemeinderäte, ferner auch der Inhaber niedrigerer ritterlicher und senatorischer Ämter ziemlich beschränkt. Zugleich konnte auf anderen Wegen als durch die Funktionen der führenden ordines gelegentlich entschieden mehr Macht ausgeübt werden, nämlich vor allem durch die grundsätzlich als subaltern empfundenen, in der Praxis jedoch hochwichtigen Funktionen der kaiserlichen Freigelassenen an der Spitze der Hofbüros wie in erster Linie unter Caligula, Claudius, Nero und Domitian, aber auch durch Bestechung (z. B. Plut., Galba 24,1), durch einflussreiche Frauen (z. B. Suet., Otho 2,2) und durch Manipulationen jeder Art. Zumindest unter den oben erwähnten Kaisern, die mit der Elite des Senatorenstandes und zum Teil auch der des Ritterstandes fortlaufend in Konflikt gerieten, wurde die Macht des Hofpersonals als Gegengewicht zur Machtstellung der führenden Stände bewusst ausgespielt, aber unter Augustus, Tiberius und Vespasian war das erheblich anders, und seit Trajan wurde der Einfluss der kaiserlichen Freigelassenen stark zurückgedrängt. Als wichtigstes Organ der Legislative galt noch immer der Senat,246 und durch ihre Funktionen in der Exekutive und in der Justiz waren die führenden Senatoren und Ritter als Mitglieder des kaiserlichen consilium, als Gouverneure der wichtigsten Provinzen, Kommandeure der Armeen, Stadtpräfekten Roms sowie als Prätorianerpräfekten und als Verwaltungsbeamten in unterschiedlichen weiteren Stellungen an der Macht stets in hohem Maße beteiligt: Die kaiserliche Macht wurde weitgehend durch die ihnen verliehene 245 Die erwähnten Angaben für Ägypten finden sich bei R. MacMullen, Roman Social Relations (Anm. 182), 13 mit Anm. 48. Zur Armut in der Kaiserzeit siehe die Literatur in Anm. 383. 246 Siehe bes. R. J. A. Talbert, The Senate of Imperial Rome (Princeton 1984).
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Macht ausgeübt. Sie wurden zwar stets kontrolliert, und sie handelten – wie etwa Plinius der Jüngere in der Provinz Pontus et Bithynia – nach den Anweisungen des Kaisers.247 Aber welche Machtposition vor allem konsulare Provinzstatthalter und Armeekommandeure trotz allem besitzen konnten, geht am deutlichsten daraus hervor, dass jene Herrscher, die in der Prinzipatszeit den Thron nicht dynastischen Regelungen verdankten, am leichtesten aus der Stellung eines senatorischen Legaten zur Alleinherrschaft aufsteigen konnten: Galba wurde als Statthalter der Hispania citerior, Vitellius als Kommandeur der niedergermanischen Armee, Vespasian als Befehlshaber der Expeditionsarmee gegen die aufständischen Juden zum Kaiser proklamiert. Aber auch Trajan wurde als Statthalter Obergermaniens zum Nachfolger Nervas designiert, und Hadrian erhielt die kaiserliche Macht beim Tode Trajans als Legat der Expeditionsarmee gegen die Parther und Statthalter Syriens. Über große Machtfülle verfügten auch die Prätorianerpräfekten; vor allem die Stellung des Lucius Aelius Seianus unter Tiberius bewies dies deutlich genug.248 Noch eindeutiger war die Trennung zwischen Oberschichten und Unterschichten im Hinblick auf das Ansehen ihrer Angehörigen. In den zunehmend deutlicher ausgeprägten Rechtsbegriffen honestior und humilior kommt der soziale Unterschied sehr bezeichnend zum Ausdruck. Die römischen Schriftsteller wie z. B. Sueton oder später der Verfasser der Historia Augusta unterschieden immer zwischen honesti und humiles.249 Die »Ehrenwerten« wurden aufgrund ungeschriebener und geschriebener Privilegien von den Angehörigen der Unterschichten und vom Staat mit besonderem Respekt behandelt. Nach einer Entscheidung Vespasians durfte ein Senator nicht einmal von einem Ritter beleidigt werden; der Ritter durfte höchstens die Beleidigung durch ein Mitglied des ersten Standes erwidern, da die dignitas des ersten und des zweiten Ordo unterschiedlich war (Suet., Vesp. 9,2). Vornehme Personen wurden auch von den Massen mit besonderer Reverenz behandelt (z. B. Tac., Ann. 3,23), und die im 2. Jahrhundert n. Chr. zunehmende Privilegierung der »Ehrenwerten« im Strafrecht widerlegte die Behauptung des Aelius Aristides über die Gleichheit aller Bevölkerungsgruppen vor der Justiz. Schon Veteranen und Dekurionen wurden von schändlichen Strafen befreit; Mitglieder des Ritterstandes, die Straftaten begingen, für die gewöhnliche Personen zu Zwangsarbeit verurteilt wurden, mussten nur ins Exil gehen; durch Kapitalverbrechen straffällig gewordene Senatoren wurden von der Todesstrafe verschont und mussten sich ebenfalls nur ins Exil zurückziehen. Die gewöhnlichen Sterblichen dagegen unterlagen der vollen 247 Zur hohen Machtstellung des Plinius in Pontus et Bithynia siehe G. Alföldy, Acta Ant. Hung. 30, 1999 (2000), 21 ff. = in: ders., Städte, Eliten und Gesellschaft in der Gallia Cisalpina. Epigraphischhistorische Untersuchungen (Stuttgart 1999), 221 ff. 248 D. Hennig, Lucius Aelius Seianus. Untersuchungen zur Regierung des Tiberius (München 1975). 249 Siehe G. Alföldy, Ancient Society 11/12, 1980/81, 349 ff. = in: ders., Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 396 ff. (mit Nachträgen) und Bonner Historia-Augusta-Colloquium 1975/1976 (Bonn 1978), 1 ff. = in: Die römische Gesellschaft 434 ff. (mit Nachträgen). Zur Bedeutumg des honos in der Gesellschaft siehe J. E. Lendon, in: Social Relations in the Roman World (Anm. 182), 377 ff.
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Härte des römischen Strafrechtes, nämlich Auspeitschung und Folter, Zwangsarbeit, Verurteilung zu Gladiatoren- und Tierkämpfen, Todesstrafe durch Kreuzigung. Zugleich wurden Beleidigungen, die ein gewöhnlicher Mann einer vornehmen Person zufügte, besonders streng geahndet.250 Dazu kam noch das ausgeprägte Standesbewusstsein der vornehmen Kreise. Tacitus etwa hat den Ehebruch Livias, der Schwiegertochter des Tiberius, mit dem Prätorianerpräfekten Seianus, einem Ritter aus Volsinii, angesichts der Standesunterschiede besonders verurteilt: Diese Dame aus vornehmstem Haus habe durch ihr Verhältnis mit einem nur »Municipalen« sowohl über ihre Ahnen als auch über ihre Nachkommen Schande gebracht (Ann. 4,3). Bis auf die Sonderstellung jener reichen Freigelassenen, die nicht in die Körperschaften der seviri Augustales aufgenommen wurden, und des vermögenden und einflussreichen Hofpersonals war die gehobene soziale Position in der Prinzipatszeit identisch mit der Zugehörigkeit zu einem der privilegierten ordines.251 Diese Zugehörigkeit war – entsprechend der Höhe der Positionen in der Hierarchie des Senatorenstandes, des Ritterstandes und der Dekurionenstände in den einzelnen Städten – mit der Koinzidenz der privilegierten sozialen Stellung durch Vermögen, hohe Funktionen und Ansehen – weitgehend identisch. Das bedeutete, dass man durch die Erfüllung bestimmter sozialer Voraussetzungen nicht selbstverständlich Mitglied der führenden sozialen Schichten wurde wie z. B. in einer modernen Klassengesellschaft durch Erlangung eines Vermögens bestimmter Größe, eines angesehenen Berufes oder eines privilegierten Wohnortes. Die Aufnahme in einen Ordo erfolgte durch einen formellen Akt, und die Zugehörigkeit wurde durch Standesabzeichen und auch durch Standestitel zum Ausdruck gebracht. Der Sohn eines Senators wurde zwar »automatisch« Senator, da der Rang seit Augustus grundsätzlich erblich war. »Neue Männer« wurden aber in diesen Stand von dem Kaiser aufgenommen, der ihnen – falls sie das 27. bis 28. Lebensjahr noch nicht überschritten hatten – den latus clavus, den breiten Purpurstreifen, als Standessymbol für die Kleidung überreichte, in dessen Besitz sie sich um die niedrigeren Senatsämter bewerben konnten; oder aber, falls es sich um Männer in einem höheren Alter handelte, wurden diese vom Kaiser in eine entsprechende Ranggruppe gewesener senatorischer Beamten eingereiht. Die Aufnahme der Ritter in ihren Stand erfolgte dadurch, dass der Kaiser ihnen den equus publicus (d. h. das »Staatspferd«, das Symbol des für die Ritter ursprünglich obligatorischen berittenen Heeresdienstes) verlieh, worauf in vielen Fällen die Übernahme ritterlicher Dienststellungen folgte. Die Ritter trugen dann als Standesabzeichen einen schmalen Purpurstreifen, den angustus clavus, auf ihrer Tunica und einen goldenen Ring. In den Dekurionenstand der einzelnen 250 Darüber ausführlich P. Garnsey, Social Status and Legal Privilege (Anm. 239), 234 ff.; siehe auch D. Daube, The Defence of Superior Orders in Roman Law (Oxford 1956). Das klassische Werk über das Strafrecht der Römer ist Th. Mommsen, Das römische Strafrecht (Leipzig 1899). 251 Über die ordines in Rom siehe C. Nicolet (Ed.), Des ordres à Rome (Paris 1984). Vgl. auch Anm. 168.
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Städte wurde man durch die Bekleidung einer städtischen Magistratur oder zumindest durch die offizielle Eintragung in die Dekurionenliste (album decurionum) aufgenommen. Ebenso förmlich wurde der Ausschluss aus einem Ordo vollzogen, was einen eindeutigen sozialen Abstieg darstellte.252 Somit waren die Oberschichten korporativ verfasst, so dass Eintritt und Mitgliedschaft klar zu kontrollieren waren. Auf diese Art und Weise wurde die Hierarchie der Gesellschaftsordnung streng gewahrt. Die Mitglieder der höheren ordines, die man im Gegensaz zu den ordines decurionum als »Reichsstände« bezeichnen kann, unterschieden sich von anderen Menschen auch durch ihre Rangtitel.253 Den Mitgliedern des Senatorenstandes einschließlich der Frauen und Kinder der Senatoren – stand der Titel clarissimus zu, wobei aber die Mitglieder der konsularen Spitzengruppe des Senatorenstandes (wie auch ihre Frauen) mit dem Titel consularis bezeichnet wurden. Die Ritter führten den Rangtitel equo publico oder eques Romanus, aber die ritterlichen Prokuratoren betitelte man je nachdem, ob sie jährlich 60.000, 100.000, 200.000 oder später auch 300.000 Sesterzen verdienten, als sexagenarius, centenarius, ducenarius bzw. trecenarius, und den höchsten ritterständischen Amtsträgern standen seit der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts je nach Rangstufe die Titel egregius, perfectissimus und – in der Spitzenstellung der Prätorianerpräfektur – eminentissimus zu, was eine allmähliche Angleichung der Spitzengruppe des Ritterstandes an die senatorischen clarissimi bedeutete.254 Unter den Faktoren, die bestimmten, ob ein Einzelner zu den privilegierten Oberschichten oder zu den Unterschichten der römischen Gesellschaft gehörte, ist an erster Stelle – entsprechend der aristokratischen Struktur dieser Gesellschaft – die persönliche Herkunft zu nennen. Die von einer Familie einmal erlangte soziale Position war zumeist erblich, so die Zugehörigkeit zum Senatorenstand drei Generationen lang auch prinzipiell, die Zugehörigkeit zum Ritterstand oft wenigstens faktisch, und die Zugehörigkeit zum Dekurionenstand zumindest seit dem 2. Jahrhundert ganz allgemein. Die Kaiser haben diese Kontinuität in der Zusammensetzung der führenden ordines auch bewusst gefördert, z. B. dadurch, dass sie, wie schon Augustus (z. B. Dio 55,13,6), verarmten Senatoren finanziell zu Hilfe kamen, damit diese das vorgeschriebene Mindestvermögen für die Standeszugehörigkeit aufweisen konnten. Ein Kastensystem war die römische Gesellschaft zwar nie, persönliche Leistung wurde geschätzt, und Einzelne wie Juvenal übten am Prinzip des Geburtsadels auch Kritik (8,1 ff.). Das alles aber änderte nichts daran, dass der Sohn einer vornehmen Familie für die Aufrechterhaltung der ererbten Position kaum et252 Siehe z. B. Tac., Ann. 12,59. Über solche Fälle des Statusverlustes siehe M. Heil, in: W. Eck – M. Heil (Hrsg.), Senatores populi Romani. Realität und mediale Präsentation einer Führungsschicht (Stuttgart 2005), 295 ff. 253 Über Rangtitel generell siehe H.-G. Pflaum, in: Recherches sur les structures sociales (Anm. 12), 159 ff., zur Adaptation senatorischer Rangtitel in griechischer Sprache A. Arjava, Tyche 6, 1991, 17 ff. 254 Zu dieser Entwicklung siehe G. Alföldy, Chiron 11, 1981, 190 ff. = in: ders., Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 183 ff.
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was zu tun brauchte. Selbst die höchsten Ämter konnte man sola generis claritate »verdienen« (Plin., Paneg. 58,3). So wurde zum Konsulat, zu einem für das höchste Sozialprestige hochwichtigen, von vielen Senatoren vergeblich ersehnten Amt, zumindest in der Antoninenzeit grundsätzlich jeder Senator zugelassen, der von einem Vater konsularen Ranges (oder von weiteren konsularen Ahnen) abstammte; und wessen Vater die besonders angesehene Stellung eines consul ordinarius (als eponymer Konsul des Jahres) innegehabt hatte, besaß ein ungeschriebenes Anrecht auf dasselbe Privileg.255 Dagegen galt die niedrige Herkunft stets als Makel, der humiliore loco natus war stets benachteiligt, und der homo novus, der in die höheren Stände aufstieg, musste durch industria vel fortuna (Tac., Ann. 3,55) starke soziale Barrieren durchbrechen. Sehr stark abhängig war die soziale Position des Einzelnen ferner davon, welche Rechtsstellung er innehatte. Nur den Bürgern, in denen noch Aelius Aristides eine privilegierte Minderheit erblickte, kamen die Rechte zu, die für eine gehobene Stellung nach römischen Kriterien erforderlich waren (was nicht ausschloss, dass in Gemeinden ohne römisches Bürgerrecht, z. B. in griechischen poleis, unter ihren Landsleuten auch reiche und einflussreiche Nichtbürger herausragten). Selbst unter den Bürgern gab es zwei Kategorien, nämlich die der Vollbürger (cives Romani) und die der »Halbbürger« in den Gemeinden mit latinischem Recht (ius Latii); die Angehörigen dieser zuletzt erwähnten Gemeinden, in denen entweder nur die Magistrate oder auch die Dekurionen das volle römische Bürgerrecht besaßen, waren von den Vollbürgern durch den Nichtbesitz gewisser Rechte unterschieden, d. h. sie galten als peregrini. Von den subalternen Dienststellungen abgesehen waren Ämter im Staatsdienst sowie in der Verwaltung der als Municipien oder Kolonien organisierten Städte nur römischen Bürgern zugänglich, nur sie wurden für den verhältnismäßig angesehenen Dienst in den römischen Legionen herangezogen, und nur sie verfügten über verschiedene privatrechtliche Privilegien, u. a. das der Vererbung des Vermögens durch legales Testament. Vermögen, Einfluss und höheres Ansehen folgten zwar aus dem Besitz des Bürgerrechtes keineswegs automatisch, doch war die Bevorzugung des Bürgers dem Nichtbürger (peregrinus) gegenüber im Ganzen betrachtet eindeutig. Ebenso entscheidend konnte ein weiterer rechtlicher Unterschied sein, der darin lag, ob jemand durch freie Geburt oder durch Freilassung die persönliche Freiheit besaß oder als Sklave grundsätzlich das Eigentum eines Anderen darstellte. Der Unfreie war häufig einer besonders schlechten Behandlung ausgesetzt, konnte weder seinen Beruf noch seinen Aufenthaltsort frei wählen, seine Möglichkeiten für Vermögensbildung waren von vornherein sehr beschränkt, und außer in subalternen
255 G. Alföldy, Konsulat und Senatorenstand unter den Antoninen (Anm. 223), 84 ff. Gegen die – grundlose – Kritik an diesen Ergebnissen, die manche englische Forscher geäußert haben, siehe G. Alföldy, Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 151 ff. und J. Hahn – P. M. M. Leunissen, Phoenix 44, 1990, 60 ff.
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Ämtern (z. B. als Gemeindepolizist, Verwalter öffentlicher Archive, Zollbeamter usw.) konnte er keine öffentlichen Funktionen ausüben. Aber auch der Freigelassene war dem Freigeborenen gegenüber häufig benachteiligt. Die Hierarchie von ingenui, liberti und servi wurde vom Dichter Martial als so wichtig empfunden, dass er empfahl, für Liebesdienste eine Freigeborene einer Freigelassenen und diese einer Sklavin gegenüber zu bevorzugen, außer wenn die Sklavin durch ihre Schönheit hervorsticht (3,33,1 ff.). Welchen Makel die unfreie Herkunft für eine Familie auch noch Generationen später bedeutete, geht aus einigen Bestimmungen der Kaiser sehr deutlich hervor: Tiberius hat verboten, dass Söhne von Freigelassenen den ritterlichen Rang erhielten (Plin., N. h. 33,32); Claudius erlaubte die Aufnahme des Sohnes eines Freigelassenen in den Senatorenstand nur, wenn er zuerst von einem römischen Ritter adoptiert worden war (Suet., Cl. 24,1); Nero hat selbst diese Regelung verboten (Suet., Nero 15,2).256 Selbst die mächtigen kaiserlichen Freigelassenen wurden von den Vornehmen, obwohl sich diese vor ihnen oft genug servil benahmen, als »Sklaven« verachtet (z. B. Tac., Ann. 14,39). Die freie Geburt war dagegen, insgesamt gesehen, eine unvergleichbar günstigere Ausgangsposition. Bei weitem nicht gleichgültig war ferner, aus welchem Teil des Imperium Romanum jemand stammte und zu welchem Volk er gehörte. Grundsätzlich war zwar die römische Gesellschaft wie seit eh und je für die alieni und externi, wie Kaiser Claudius sagte, selbst in ihren Spitzenpositionen offen (CIL XIII 1668 = ILS 212); Aelius Aristides hob in seiner Rede auf Rom (60) hervor, dass vornehme und kultivierte Personen in allen Teilen des Reiches ohne Unterschied zwischen dem Westen und dem Osten zu finden seien. Was breitere Bevölkerungsschichten betraf, erklärte Trajan, dass nulla provincia est, quae non et peritos et ingeniosos homines habeat (Plin., Ep. 10,40,3). Nichtsdestoweniger konnten gewisse alte Vorrechte und Vorurteile im Verlauf der Kaiserzeit nur langsam und nicht einmal vollständig abgebaut werden.257 Zumindest unter den ersten Kaisern wurde die Vormachtstellung Italiens und der Italiker noch als selbstverständlich empfunden. Tiberius wies ausdrücklich daraufhin, dass Italien durch die Gütereinfuhr aus den Provinzen eine privilegierte Stellung genoss (Tac., Ann. 3,54), und die Maßnahmen des Kaisers Claudius, die Provinzialen durch Bürgerrechtsverleihung und durch Zulassung in den Senat stärker als bisher zu integrieren, stießen in konservativen Kreisen auf Kritik. Seit den Reformen dieses Herrschers wurden die diskriminierenden Vorstellungen zumindest gegenüber den Einwohnern der lateinischen Provinzen weitgehend abgebaut (vgl. z. B. Tac., Hist. 4,74 über die Gleichberechtigung der Gallier), obwohl gewisse Vorurteile, so etwa, dass die Gallier hitzköpfig oder die Afrikaner wortbrüchig, die Nordvölker stumpfsinnig seien, lange nicht verschwanden. Gegenüber den Einwoh-
256 Spätere Herrscher haben sich an diese Regelungen allerdings nicht gehalten. 257 Siehe zu dieser Problematik A. N. Sherwin-White, Racial Prejudice in Imperial Rome (Cambridge 1967); J. P. V. D. Balsdon, Romans and Aliens (London 1979); M. Sordi (Ed.), Conoszenze etniche e rapporti di convivenza nell’antichità (Milano 1979).
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nern der östlichen Reichshälfte, die durch die griechische Sprache und vor allem durch ihre als unrömisch geltenden Sitten den Römern fremd vorkamen, hielten sich die alten Vorurteile zäher. Juvenal z. B., obwohl er Nachkomme eines Freigelassenen war, blickte mit tiefer Verachtung auf Ritter aus Kleinasien (7,14 f.), und er fühlte sich nicht wohl in Rom, wo es von Syrern wimmelte, als ob der Orontes in den Tiberis münde (3,60 ff.). Ebenso geringschätzig äußerte sich über Cappadocier und Syrer Martial (10,76,1 ff.). Sehr ausgeprägt waren die Vorurteile gegen die Juden258 und vor allem gegen die Ägypter, die noch in der Späten Kaiserzeit als habgierig, undiszipliniert, leichtsinnig und unberechenbar abgestempelt wurden (z. B. HA, Q 8,1 ff.). Derartige diskriminierende Vorstellungen verschiedenen Minderheiten gegenüber hatten auch klare soziale Folgen. So war es äußerst selten, dass Juden wie Tiberius Iulius Alexander, ein vom jüdischen Glauben abgefallener Ritter aus Alexandria in Ägypten unter Nero und Vespasian, zu hohen Ehren kamen, und der erste in strengem Sinne ägyptische Senator, Aelius Coeranus, gelangte in den Senatorenstand erst mehr als zwei Jahrhunderte danach, dass Ägypten römische Provinz geworden war. Nicht aus »rassischen« Gründen, sogen wegen ihrer als superstitio betrachteten Religion waren in den ersten drei Jahrhunderten des Kaisertums die Christen diskriminiert. Die frühen Christen waren den römischen Behörden auch als soziale Bewegung verdächtig,259 und das Stigma der superstitio haftete an ihnen auch später. Doch war der Märtyrertod von Christen bis zu den großen Christenverfolgungen seit Decius selten;260 die christlichen Gemeinden konnten zumeist weitgehend
258 Zur diskriminierenden Gesetzgebung gegen die Juden vgl. H. Botermann, Das Judenedikt des Kaisers Claudius. Römischer Staat und Christiani im 1. Jahrhundert (Stuttgart 1996). Zu den Juden und zu ihrer Stellung im Kaiserreich siehe A. F. Segal, Rebecca’s Children. Judaism and Christianity in the Roman World (Cambridge, Mass. 1986); P. R. Trebilco, Jewish Communities in Asia Minor (Cambridge 1991); K. R. Stow, The Jews in Rome (Leiden 1995); A. M. Rabello, The Jews in the Roman Empire. Legal Problems from Herod to Justinian (Aldershot 2000); M. Williams, in: J. Huskinson (Ed.), Experiencing Rome. Culture, Identity and Power in the Roman Empire (London 2000), 305 ff.; S. Schwartz, Imperialism and Jewish Society, 200 B.C.E. to 640 C.E. (Princeton 2001); für die Spätantike K. L. Noethlichs, Die Juden im christlichen Imperium Romanum (4.-6. Jahrhundert) (Berlin 2001). Über die jüdische Gesellschaft unter Roms Herrschaft siehe S. Schwartz, in: Social Relations in the Roman World (Anm. 182), 548 ff.; zur Sklaverei bei den Juden C. Heszer, Jewish Slavery in Antiquity (Oxford 2005). Zum Verhalten der Juden gegenüber den Römern siehe N. R. M. de Lange, in: P. D. A. Garnsey – C. R. Whittaker (Eds.), Imperialism in the Ancient World (Cambridge 1978), 255 ff.; zu den jüdischen Aufständen in Alexandria unter Caligula und unter Trajan M. Clauss, Alexandria. Schicksale einer antiken Weltstadt (Stuttgart 2003), 38 ff. und 160 ff. 259 Soziale Komponente im frühen Christentum: G. Theissen, Studien zur Soziologie des Urchristentums2 (Tübingen 1983); R. Günther, Die sozialutopische Komponente im frühen Christentum bis zur Mitte des 2. Jahrhundert (Berlin – Leipzig 1987); A. J. Blasi, Early Christianity as a Social Movement (New York – Frankfurt am Main 1988); Ph. F. Esler, The First Christians in Their Social Worlds. Social-scientific Approaches to New Testament Interpretation (London 1994); E. W. Stegemann – W. Stegemann, Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt (Stuttgart – Berlin – Köln 1995). 260 Vgl. G. Bowersock, Martyrdom and Rome (Cambridge 1995); G. E. M. de Ste. Croix, Christian Persecution, Martyrdom, and Orthodoxy (Oxford 2006).
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ungestört existieren.261 In ihnen waren verschiedene Schichten der römischen Gesellschaft, auch gehobene Kreise vertreten, in seltenen Fällen sogar Angehörige der senatorischen Aristokratie.262 Rein persönliche Fähigkeiten und Leistungen, Geschick, Bildung, politische Verdienste waren nichtsdestoweniger wichtig, auch wenn ihrer Auswirkung auf die Bestimmung der sozialen Position unverkennbare Grenzen gesetzt waren und sie eher nur in Ausnahmefällen zu glänzenden Karrieren führen konnten. Welche persönliche Vorteile finanzielles Geschick und zähes Engagement in der Wirtschaft bringen konnten, zeigt sich am besten durch das sagenhafte Vermögen, das nach dem Satyricon des Petronius Trimalchio trotz Rückschläge in seinen Geschäften erwirtschaftete.263 Auch wenn die Darstellung seiner Figur literarisch überzogen sein mag, bringt sie die öffentliche Meinung über die wirtschaftlichen Erfolge mancher Freigelassenen deutlich zum Ausdruck. Auch Bildung konnte eine große Rolle spielen.264 Intellektuelle Berufe waren zwar mit einigen für das politische Leben wichtigen Ausnahmen wenig angesehen und oft von Freigelassenen und Sklaven ausgeübt, aber zumindest einzelne Vertreter solcher Disziplinen konnten ein großer Vermögen und hohes Ansehen erwerben. Als Grammatiker und Philologen, die als Lehrer tätig waren, konnten es sogar Unfreie weit bringen.265 Ärzte, die häufig unfreier Her-
261 Vgl. W. Speyer, Frühes Christentum im antiken Strahlungsfeld (Tübingen 1989); M. Sordi, The Christians and the Roman Empire (London 1994); G. Gottlieb – P. Barceló (Hrsg.), Christen und Heiden in Staat und Gesellschaft des 2. bis 4. Jh. Gedanken und Thesen zu einem schwierigen Verhältnis (München 1992); P. Guyot – R. Klein, Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen II. Die Christen in der heidnischen Gesellschaft (Darmstadt 1994); R. von Haehling (Hrsg.), Rom und das himmlische Jerusalem. Die frühen Christen zwischen Anpassung und Ablehnung (Darmstadt 2000). 262 Zur Zusammensetzung der christlichen Gemeinden siehe G. Schöllgen, Ecclesia sordida? Zur Frage der sozialen Schichtung frühchristlicher Gemeinden am Beispiel Karthagos zur Zeit Tertullians (Münster 1984); P. Lampe, Die stadtrömischen Christen in den ersten beiden Jahrhunderten (Tübingen 1987); C. W. Griggs, Early Egyptian Christianity from its Origins to 451 C.E. (Leiden – New York – Köln 1990); J. Martin – B. Quint (Hrsg.), Christentum und antike Gesellschaft (Darmstadt 1990); A. H. Becker, Christian Society, in: Social Relations in the Roman World (Anm. 182), 567 ff. Zu christlichen Senatoren siehe W. Eck, Chiron 1, 1971, 381 ff. und M. Durst, Jahrb. f. Antike und Christentum 31, 1988, 91 ff.; zur Führung der christlichen Gemeinden M. Ziegler, Successio. Die Vorsteher der stadtrömischen Christengemeinden in den ersten beiden Jahrhunderten (Bonn 2007). Zum Verhältnis des frühen Christentums zur Sklaverei und zu christlichen Sklaven siehe P. Allard, Les esclaves chrétiens depuis les premiers temps de l’église jusqu’à la fin de la domination romaine en Occident6 (Paris 1914); H. Gülzow, Kirche und Sklaverei in den ersten drei Jahrhunderten (Bonn 1969, Nachdruck Münster 1999); G. de Ste. Croix, in: D. Baker (Ed.), Church Society and Politics (Oxford 1975), 1 ff.; J. A. Harril, The Manumission of Slaves in Early Chrstianity (Tübingen 1995); J. A. Glenay, Slavery in Early Christianity (New York – Oxford 2002, Paperback 2006). 263 Vgl. dazu Anm. 189. 264 Zur Bedeutung der Bildung in der römischen Welt siehe bes. H.-I. Marrou, Histoire de l’éducation dans l’antiquité (Paris 1948, Reprint 1965); J. Christes, Bildung und Gesellschaft. Die Einschätzung der Bildung und ihrer Vermittler in der griechisch-römischen Antike (Darmstadt 1975); St. F. Bonner, Education in Ancient Rome. From the elder Cato to the younger Pliny (Berkeley – Los Angeles 1977). 265 J. Christes, Sklaven und Freigelassene als Grammatiker und Philologen im antiken Rom (Wiesbaden 1979).
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kunft waren, erwarben durch ihre Honorare manchmal riesige Summen wie Publius Decimius Eros Merula, ein Freigelassener in Asisium, der nach beträchtlichen öffentlichen Spenden ein Vermögen von wohl 800.000 Sesterzen hinterließ.266 Die Kenntnis des Rechtes verhalf zu Spitzenstellungen wie etwa im Falle des Senators Salvius Iulianus, eines »neuen Mannes« aus Afrika in der Mitte des 2. Jahrhunderts, der von Hadrian angesichts seiner doctrina schon als Quästor ein doppeltes Gehalt bezog.267 Unter den führenden Senatoren gab es glänzend ausgebildete Redner und Anwälte wie den jüngeren Plinius und – vor allem im Osten – Philosophen wie z. B. Herodes Atticus und noch zahlreiche andere.268 Zu zwei führenden Senatoren der Flavierzeit, Titus Eprius Marcellus und Quintus Vibius Crispus, bemerkte Tacitus, dass sie aus niedrigen und armen Verhältnissen, sine commendatione natalium, sine substantia facultatum, allein durch ihre oratoria eloquentia unter die potentissimi civitatis aufgestiegen waren (Dial. 8,2 f.). Die politischen und militärischen Verdienste um einen Kaiser und die dadurch erwiesene Loyalität konnten entscheidend wichtig sein, insbesondere in krisenhaften innenpolitischen Situationen. Lucius Tarius Rufus z. B., ein Konsul unter Augustus, stieg aus der infima natalium humilitas, vermutlich als ein ehemaliger liburnischer Seemann, in die Führungsspitze der römischen Gesellschaft auf, vor allem wohl deshalb, weil er sich in der Schlacht bei Actium besonders ausgezeichnet hatte.269 Vespasian hat mindestens an die 20 römische Ritter, die ihn im Jahre 69 aktiv unterstützten, in den Senatorenstand aufgenommen.270 Soldaten, die sich in den Kriegen ausgezeichnet hatten, belohnten die Herrscher nicht nur mit den dona militaria, was sich für die spätere Karriere als günstige Voraussetzung erwies,271 sondern nahmen gelegentlich sogar ihre Beförde266 CIL XI 5400 = ILS 7812. Vgl. zu ihm S. 178 und 186. Zur Stellung der Ärzte in der römischen Gesellschaft vgl. H. Gummerus, Der Ärztestand im römischen Reiche nach den Inschriften (Helsingfors 1932). 267 CIL VIII 24094 = ILS 8973. Zu den Juristen der Kaiserzeit, unter denen sich zahlreiche Senatoren und noch mehr Ritter befanden, siehe W. Kunkel, Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen2 (Graz – Wien – Köln 1967); R. A. Bauman, Lawers and Politics in the Early Roman Empire. A Study of Relations between the Roman Jurists and the Emperors from Augustus to to Hadrian (München 1989); P. Eich, Zur Metamorphose des politischen Systems in der römischen Kaiserzeit (Anm. 199), 372 ff.; zuletzt bes. D. Liebs, Hofjuristen der römischen Kaiser bis Justinian (München 2010), 15 ff. 268 Zur sozialen Stellung der Philosophen in der römischen Welt siehe G. W. Bowersock, Greek Sophists in the Roman Empire (Oxford 1969); J. Hahn, Der Philosoph und die Gesellschaft. Selbstverständnis, öffentliches Auftreten und populäre Erwartungen in der hohen Kaiserzeit (Stuttgart 1989). 269 Plin., N. h. 18,37; dazu G. Alföldy, Epigr. Studien 5, 1968, 100 ff. 270 Siehe hierzu W. Eck, Senatoren von Vespasian bis Hadrian (München 1970), 103 ff.; G. W. Houston, Amer. Journ. of Philol. 98, 1977, 35 ff.; J. Devreker, Latomus 39, 1980, 70 ff. Zur senatorischen Führungselite unter Vespasian im Allgemeinen siehe W. Eck, in: L. Capogrossi Colognesi – E. Tassi Scandone (Eds.), La Lex de imperio Vespasiani e la Roma die Flavi (Atti del Convegno, 20–22 novembre 2008) (Roma 2009), 231 ff. 271 Zu den militärischen Auszeichnungen und zu ihrer Bedeutung für die spätere Laufbahn siehe V. A. Maxfield, The Military Decorations of the Roman Army, London 1981; M. Z˙yromski, Eos 84, 1996, 115 ff.
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rung persönlich vor, obwohl dies normalerweise den einzelnen Armeekommandeuren vorbehalten war.272 Aber das persönliche meritum konnte die Bedeutung anderer Faktoren für die Bestimmung der sozialen Position nur modifizieren und verringern, nicht außer Kraft setzen. Wirtschaftliches Geschick besaß nicht die hochwichtige Funktion wie in einer modernen industriellen Gesellschaft. Trimalchio konnte zwar das Kaiserpriesteramt des sevir Augustalis erhalten, aber angesichts seiner unfreien Herkunft die entscheidenden sozialen Barrieren für einen weiteren Aufstieg nicht überwinden. Ähnliches gilt auch für die Bildung. Für eine gehobene soziale Position stellte sie im Allgemeinen eine Voraussetzung dar, und sie war bei einer politischen Karriere äußerst behilflich. Aber etwa das Stigma der unfreien Herkunft wurde auch durch die Bildung nicht beseitigt. Der Arzt Merula hatte für die Aufnahme in die privilegierten höheren ordines ebenso wenig eine Chance wie Trimalchio. Darüber hinaus waren es nur wenige, politisch unmittelbar nutzbare Bildungsbereiche wie vor allem Rechtswissenschaft und Rednerkunst, die tatsächlich große soziale Vorteile brachten. Dennoch gab es auch hier Grenzen. Wo sie lagen, ist am ehesten daraus zu ersehen, dass unter Domitian die Stelle eines Rhetorikprofessors als gut genug für einen aus seinem Stand ausgetretenen Senator betrachtet wurde (Plin., Ep. 4,11,1f.). Nur im politischen und militärischen Dienst für den Kaiser zählten die persönlichen Verdienste und Leistungen wirklich entscheidend (Plin., Paneg. 70,8), jedoch ohne dass sie zugleich die Bedeutung der vornehmen Herkunft außer Kraft gesetzt hätten. Diese Ambivalenz war für die römische Gesellschaftsordnung höchst charakteristisch: Sie beharrte einerseits auf dem aristokratischen Prinzip des Vorranges der adligen Geburt und überhaupt der Bestimmung der sozialen Position durch Herkunft, zugleich bot sie jedoch auch einen Spielraum für persönliche Qualitäten und Ambitionen. Dass sich auf diese Art und Weise in den führenden Gruppen der römischen Gesellschaft große Qualitätsunterschiede zwischen nobiles und homines novi bemerkbar machten, war schon Tacitus bekannt. Der Senatorenstand Der ordo senatorius schloss seinen Kreis seit dem Beginn der Kaiserzeit noch enger als während der Späten Republik. Im Zeitalter des Zweiten Triumvirates war die Zahl der Senatoren auf mehr als 1.000 angewachsen; nach der Reinigung des Senats von »unwürdigen« Elementen legte Augustus die Zahl der Senatsmitglieder auf 600 fest.273 Sehr erheblich änderte sich diese Zahl auch in den folgenden beiden Jahr272 G. Alföldy, in: A. Chaniotis – P. Ducrey (Eds.), Army and Power in the Ancient World (Stuttgart 2002), 123 ff. 273 Suet., Aug. 35,1; Dio 52,42,1 f. und 54,14,1. Zur Senatspolitik des Augustus siehe die Literatur in Anm. 224, dort auch die Literatur zur Zusammensetzung des ordo senatorius unter Augustus, siehe auch Anm. 297. Über den Senatorenstand während der Frühen und Hohen Kaiserzeit zusammenfassend: F. Millar, The Emperor in the Roman World (Anm. 199), 290 ff.; W. Eck, in: A. Schiavone (Ed.),
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hunderten kaum, zumal jährlich jeweils nur 20 Senatoren als vigintiviri eine senatorische Ämterlaufbahn beginnen bzw. als quaestores in den Senat eintreten konnten. Allerdings kamen zu diesen Personen – wie unter Vespasian und dann ständig seit Domitian – auch ehemalige Ritter hinzu, die im Rang eines gewesenen Quästors oder in einem höheren Rang in den Senatorenstand aufgenommen wurden, so dass die Zahl der Senatoren seit dem Ende des 1. Jahrhunderts leicht gewachsen sein dürfte; erheblich höher als 600 war sie jedoch auch am Ende des 2. Jahrhunderts kaum. Somit war der Senatorenstand stets ein zahlenmäßig sehr kleiner, exklusiver Ordo. Wichtig für seine Geschlossenheit war auch, dass er nach unten, zum Ritterstand, noch deutlicher als früher abgegrenzt wurde.274 Am Ende der Republik und teilweise auch unter Augustus waren die Grenzen zwischen dem Senatorenstand und dem Ritterstand noch fließend: Der Sohn eines Senators besaß grundsätzlich den Rang eines Ritters; um senatorische Ämter konnten sich sowohl Söhne von Senatoren als auch Ritter bewerben; es gab sogar einige Ämter, die ebenso einem Senator wie einem Ritter zugewiesen werden konnten, ohne dass er seine Standeszugehörigkeit hätte wechseln müssen. Augustus zog die Grenzen enger. Die Söhne von Senatoren wurden in den ordo senatorius formell einbezogen (Suet., Aug. 38,3, vgl. Dig. 23,2,44) und dadurch von den eigentlichen Rittern getrennt, und das erforderliche Mindestvermögen des Senators, das früher nur demjenigen des Ritters mit einer Höhe von 400.000 Sesterzen entsprochen hatte, wurde zwischen 18 und 13 v. Chr. auf 1,000.000 festgelegt.275 Die Unterscheidung zwischen den Angehörigen des einen und des anderen Standes wurde durch eine Reform Caligulas im Jahre 38 endgültig geregelt (Dio 59,9,5): Ein Ritter, der ein senatorisches Amt erhielt oder den breiten Purpurstreifen als senatorisches Standesabzeichen tragen durfte, gehörte seitdem institutionell zum ersten Stand und gab sämtliche formalen Bindungen zu seinem ehemaligen Ordo auf. Durch diese Entwicklung wurden auch die senatorischen und ritterlichen Ämter definitiv voneinander getrennt.
Storia di Roma II 2. L’Impero mediterraneo. I principi e il mondo (Torino 1991), 73 ff.; R. J. A. Talbert, in: The Cambridge Ancient History2 X. The Augustan Empire, 43 B.C.–A.D. 69 (Cambridge 1996), 324 ff.; W. Eck, in: The Cambridge Ancient History2 XI (Anm. 182), 214 ff. Vgl. auch A. Ferrill, in: J. W. Eadie – J. Ober (Eds.), The Craft of the Ancient Historian. Essays in the Honor of Chester G. Starr (Lanham 1985), 353 ff. Senatorische Familien: Siehe u. a. M. Corbier, in: S. B. Pomeroy (Ed.), Women’s History and Ancient History (Chapel Hill – London 1991), 173 ff.; W. Eck, in: B. Rawson – P. Weaver (Eds.), The Roman Family in Italy. Status, Sentiment, Space (Oxford 1997), 73 ff. Über einige führende Senatoren und ihre Familien vgl. A. Krieckhaus, Senatorische Familien und ihre patriae (1.-2. Jahrhundert n. Chr. (Hamburg 2006). Zum Senatorenstand in der Frühen und Hohen Kaiserzeit siehe außer der in diesem Kapitel angeführten Literatur noch die weiteren Arbeiten, die in der Bibliographie im Abschnitt B 3.6 angeführt werden. 274 Zum folgenden siehe A. Chastagnol, Mél. de l’École Fr. de Rome, Antiquité 85, 1973, 583 ff. = in: Des ordres à Rome (Anm. 251), 175 ff., nach dem von einem senatorischen Stand in strengem Sinne überhaupt erst ab Augustus oder Caligula gesprochen werden kann. 275 Dio 54,17,3 und 54,26,3 f. Zum Census der Senatoren unter Augustus siehe C. Nicolet, JRS 66, 1976, 30 ff.
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Das tatsächliche Vermögen der meisten senatorischen Familien hat den vorgeschriebenen Mindestcensus weit übertroffen. Ihr Reichtum kam zum kleineren Teil aus Geldverleih, aus dem Verkauf handwerklicher Produkte, die auf ihren Gütern hergestellt wurden, und aus dem Gehalt, das senatorische Reichsbeamten bezogen; das höchste Jahresgehalt, dasjenige des Prokonsuls von Africa und von Asia, betrug 1,000.000 Sesterzen.276 Entscheidend waren aber ihre landwirtschaftlichen Einnahmequellen. Jeder Senator war zugleich Großgrundbesitzer. Viele Senatoren besaßen Güter sowohl in Italien als auch in den Provinzen. Nachdem die Zahl der provinzialen Senatoren erheblich zugenommen hatte, führte Kaiser Trajan die Verpflichtung ein, dass die Senatoren ein Drittel ihres Vermögens in Italien in Grund und Boden zu investieren hatten, damit sie Rom und Italien als ihre Heimat betrachten konnten.277 Das Vermögen des jüngeren Plinius, der seinen Reichtum durch Erbschaften und Heiraten, ferner durch Geldverleih und auch als Verwalter von reichen Erbschaften erworben hatte, lag fast ausschließlich in Ländereien (sum quidem prope totus in praediis, Ep. 3,19,8); seine Güter befanden sich in der Umgebung seiner Heimatstadt Comum in Oberitalien und in der Gegend von Tifernum Tiberinum sowie in Umbrien. Obwohl er für die Versorgung seiner Landsleute und seines Personals mit recht ansehnlichen Geldspenden aufkommen konnte, gehörte er nicht zu den reichsten Senatoren; sein Gesamtvermögen lässt sich auf etwa 20,000.000 Sesterzen schätzen.278 Es gab auch erheblich reichere Senatorenfamilien (vgl. S. 140 f.), und vor allem im Osten waren auch ihre Ausgaben für öffentliche Zwecke nicht selten enorm hoch. So bezeichnete es der Vater des Tiberius Claudius Herodes Atticus als eine Kleinigkeit, für die Wasserversorgung von Troia 4,000.000 Denare zu verschenken, und er beschenkte alle Bürger von Athen regelmäßig mit Geld, Opferfleisch und Wein. Der Sohn ließ neben seinen zahlreichen übrigen Stiftungen in Griechenland, Epirus und Italien in Athen das Stadion in Marmor ausbauen und das Odeion errichten, in Korinthos ein Theater, in Delphi ein Stadion, in Olympia eine Wasserleitung bauen.279 Der Reichtum, ferner die dadurch ermöglichte Freigebigkeit und luxuriöse Lebensart waren jedoch nicht nur für die Senatoren, sondern auch für zahlreiche 276 Zu den Gehaltstufen der senatorischen und ritterlichen Reichsbeamten siehe bes. G. Alföldy, Chiron 11, 1981, 183 ff. = in: ders., Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 176 ff. 277 Plin., Ep. 6,19,1 ff. Grundbesitz der Senatoren in Italien: A. M. Andermahr, Totus in praediis. Senatorischer Grundbesitz in Italien in der Frühen und Hohen Kaiserzeit (Bonn 1998). 278 Finanzen und Lebensart des Plinius: Siehe bes. Plin., Ep. 2,17,1 ff.; 3,19,1 ff.; 5,6,1 ff.; 8,2,1 ff.; 9,36,1 ff.; CIL V 5262 = ILS 2927 = AE 1999, 747 (dort mit der richtigen Ergänzung nach G. Alföldy), dazu R. Duncan-Jones, Papers of the British School at Rome 33, 1965, 177 ff.; dens., The Economy of the Roman Empire2 (Anm. 178), 17 ff. Vgl. noch R. Martin, Revue des Études Anciennes 69, 1967, 62 ff.; A. Chastagnol, in: ders., Le sénat romain à l’époque impériale (Paris 1992), 145 ff. 279 Herodes Atticus: Philostr., Vitae Soph. 2,1 (546 ff.), dazu P. Graindor, Un milliardaire antique, Hérode Atticus et sa famille (Kairo 1930); W. Ameling, Herodes Atticus I–II (Hildesheim – Zürich – New York 1983); J. Tobin, J., Herodes Attikos and the City of Athens. Patronage and Conflict under the Antonines (Amsterdam 1997).
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Ritter und außerdem auch für die Spitzengruppen der Freigelassenen charakteristisch. Deshalb waren es weniger wirtschaftliche als soziale, rechtliche, politische und ideologische Faktoren, die bei den Mitgliedern des ersten Standes das Gefühl der Zusammengehörigkeit und der Exklusivität förderten. Verwickelte, durch mehrfache Heiraten und durch Adoptionen komplizierte familiäre Beziehungen und Freundschaften verbanden viele Senatoren miteinander.280 Von der Breite derartiger Kontakte zeugt am deutlichsten die Korrespondenz des jüngeren Plinius oder des Marcus Cornelius Fronto mit ihren Freunden,281 ferner nicht zuletzt die Sitte, dass viele Senatoren auch die Namen von Verwandten annahmen; den »Rekord« in der Polyonymie führte Quintus Pompeius Senecio, Konsul des Jahres 169, dessen vollständige Nomenklatur insgesamt 38 Einzelnamen aufweist.282 Wichtig war ferner, dass die staatlichen Funktionen der Senatoren von einheitlicher Natur waren. Das ergab sich einerseits aus dem Charakter ihrer Ämter, die eine Bewährung als Jurist, Verwaltungsbeamter und Militärkommandeur erforderten, andererseits aus ihrem Privileg, an Senatsberatungen teilzunehmen und an Entscheidungen dieses Gremiums mitzuwirken, wofür die gleichen Erfahrungen wie für die Ausübung der senatorischen Ämter nötig waren. Dementsprechend einheitlich war auch die Bildung, über die die Senatoren verfügten. Die jungen Senatoren wurden, vor allem durch eine rein private Erziehung im Familien- und Verwandtenkreis und durch die Ausübung der niedrigeren senatorischen Ämter, in der Rechtswissenschaft, Rednerkunst und Kriegskunst ausgebildet, was nicht ausschloss, dass begabte und interessierte junge Männer sich auch gründliche historische, literarische und philosophische Kenntnisse aneigneten.283 Dieses Erziehungssystem verpflichtete den Senator zugleich den Idealen des römischen Staates und der Tradition seiner eigenen Familie; dadurch wurde die einheitliche Denk- und Verhaltensweise bei den meisten Mitgliedern des ersten Stan-
280 Zu den Familienbeziehungen von Senatoren vgl. etwa den – z. T. hypothetischen – Stammbaum der Familie des Lucius Munatius Plancus Paulinus (Konsul 13 n. Chr.) bei J. Morris, Bonner Jahrb. 165, 1965, 88 ff. (mit Beilage). Zur Bedeutung der persönlichen Beziehungen in der römischen Welt, u. a. bei Beförderungen siehe R. P. Saller, Personal Patronage under the Empire (Cambridge 1982); dens., in: The Cambridge Ancient History2 XI (Anm. 182), 817 ff. Zur Bedeutung der Patronage bei der Beförderung von Senatoren siehe S. 167 mit Anm. 311; zur Patronage von Rittern durch Senatoren S. 167 mit Anm. 328. 281 Korrespondenz des Plinius: A. N. Sherwin-White, The Letters of Pliny. A Historical and Social Commentary (Oxford 1966). Freunde Frontos: H.-G. Pflaum, in: Hommages à J. Bayet (Bruxelles 1964), 544 ff. 282 CIL XIV 3609 = ILS 1104 = Inscr. It. IV 1, 126. Zur Polyonomie der römischen Aristokratie siehe O. Salomies, Adoptive and Polyonymous Nomenclature in the Roman Empire (Helsinki 1992); B. Salway, JRS 84, 1994, 131 ff. 283 Für die Ausbildung eines jungen Senators siehe etwa Tac., Agr. 4,1 ff. über Cnaeus Iulius Agricola. Über die Rechtsgelehrten senatorischen – und ritterlichen – Ranges siehe W. Kunkel, Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen (Anm. 267) und D. Liebs, Hofjuristen der römischen Kaiser bis Justinian (Anm. 267).
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des stark gefördert.284 Diese senatorische Gesinnung kam zunächst in dem stolzen Selbstbewusstsein zum Ausdruck, zum erlauchtesten Stand (amplissimus ordo) zu gehören, zugleich auch in der Überzeugung, dass jener Senator, der die Anforderungen für die Zugehörigkeit zu seinem Stand voll erfüllt, unübertrefflich sei, wie etwa Gaius Aufidius Victorinus, von dem Fronto, sein Schwiegervater, sagte, er sei ein omnium optimarum artium praecipuus vir (De nep. amisso 2,3). Zu dieser Gesinnung gehörte ferner die Bereitschaft, dem römischen Staat zu dienen (Plin., Ep. 4,23,3), oder zumindest das Streben nach politischer Karriere, aber auch der Anspruch, die Mühen und Gefahren in der Ausübung der hohen Funktionen durch hohen Lebensstandard auszugleichen (Tac., Ann. 2,33). Das Gefühl der Zusammengehörigkeit bei den Senatoren war durch alle diese Faktoren, trotz mancher Rivalitäten und Reibereien zwischen einzelnen Personen, Familien oder Interessengruppen, sehr deutlich ausgeprägt: Wenn das Haus eines Adligen abbrannte, sagte Juvenal, ergriff die Trauer die gesamte Aristokratie, und alle halfen dem Geschädigten, während einem gewöhnlichen Sterblichen niemand zu Hilfe kam (3,209 ff.). Ihre hohe Stellung in der Gesellschaft bekundeten die Mitglieder der senatorischen Aristokratie unter anderem durch ihre luxuriösen Häuser in Rom285 und ihre nicht weniger luxuriös ausgestatteten Villen in der Umgebung der Reichshauptstadt, außerdem durch die vielen Monumente ihrer Selbstdarstellung, die ihnen gleichermaßen in ihrer Heimat, in Rom, in ihren Villen und an den Orten ihrer Amtstätigkeit gesetzt wurden.286 Diese Geschlossenheit des Senatorenstandes war umso bemerkenswerter, als der ordo senatorius in seiner Zusammensetzung heterogen und im Verlauf der Prinzipatszeit ständiger Fluktuation unterworfen war. Viele Ehen im Kreis des senatorischen Adels blieben kinderlos. Daran änderten auch die Privilegien nichts, die den Vätern von drei Kindern gewährt wurden. Unter den Adoptivkaisern hatte von den konsularen Senatoren höchstens jeder zweite einen erwachsenen Sohn, der in die 284 Zu den Verhaltensnormen der Senatoren vgl. E. Baltrusch, Regimen morum. Die Reglementierung des Privatlebens der Senatoren und Ritter (Anm. 75); D. Barghop, Forum der Angst. Eine historisch-anthropologische Studie zu Verhaltensmustern von Senatoren im Römischen Kaiserreich (Frankfurt am Main 1994). Für die Wertvorstellungen der Senatoren lehrreich sind u. a. die Tugenden der Provinzstatthalter, die in ihren Inschriften verherrlicht werden, siehe dazu S. Panciera, in: H.-G. Pflaum. Un historien du XXe siècle (Anm. 240), 457 ff. = in: ders., Epigrafi, epigrafia, epigrafisti (Anm. 170), 1223 ff. Zur senatorischen Mentalität vgl. auch H. Leppin, Klio 74, 1992, 221 ff. 285 Zu den senatorischen Häusern in Rom siehe W. Eck, Scripta Classica Israelica 16, 1997, 162 ff.; über die Häuser der hispanischen Senatoren in der Reichshauptstadt G. Alföldy, in: C. Castillo – F. J. Navarro – R. Martínez (Eds.), De Augusto a Trajano: un siglo en la historia de Hispania (Pamplona 2000), 69 ff. 286 Zur Verbreitung dieser Monumente im Imperium Romanum siehe ausführlich G. Alföldy, in: Senatores populi Romani (Anm. 252), 53 ff.; zur Selbstdarstellung der Senatoren siehe auch die weiteren Studien verschiedener Autoren in demselben Band. Für die senatorische Selbstdarstellung in der augusteischen Zeit grundlegend W. Eck, in: F. Millar – F. Segal (Hrsg.), Caesar Augustus. Seven Aspects (Oxford 1984), 129 ff. = in: ders., Monument und Inschrift (Anm. 210), 1 ff.; in diesem Band sind auch die weiteren Studien von Werner Eck zur senatorischen Selbstdarstellung gesammelt vorgelegt. Zu diesem Thema vgl. zuletzt auch H. I. Flower, in: Social Relations in the Roman World (Anm. 182), 271 ff.
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Fußstapfen des Vaters treten konnte.287 Dies bedeutete, dass von den gleichzeitig vorhandenen Senatorenfamilien eine Generation später nur noch etwa die Hälfte existierte. Die Blutopfer des Standes unter Tiberius, Caligula, Claudius, Nero, im Vierkaiserjahr und unter Domitian haben die Reihen der Senatoren noch weiter gelichtet. Während sich am Ende der Republik noch etwa 50 Familien ältester Herkunft der Abstammung von den »trojanischen Urahnen« der Römer gerühmt hatten (Dion. Hal. 1,85,3), gab es schon unter Claudius nur noch sehr wenige wirklich alte Familien (Tac., Ann. 11,25). Um die Mitte des 2. Jahrhunderts meinte Apuleius (Flor. 8), dass auf die zahllosen gewöhnlichen Menschen nur wenige Senatoren, auf diese aber ebenfalls nur ganz wenige nobiles, Mitglieder einer neuen Nobilität, entfielen.288 Am Ende dieses Jahrhunderts galt seiner Ahnenreihe nach Manius Acilius Glabrio (Konsul wohl 173) als vornehmster Senator, der seinen Stammbaum auf Aeneas zurückführte (Herod. 2,3,4) und dessen Familie schon 191 v. Chr. einen Konsul gestellt hatte. So musste der Senatorenstand immer wieder durch homines novi ergänzt werden, was schon Augustus in hohem Maße tat.289 Die »neuen Männer« spielten innerhalb des ordo senatorius während der Prinzipatszeit eine sehr wichtige Rolle. Schon unter Augustus ragten aus der senatorischen Führungsschicht nicht wenige mächtige homines novi empor wie z. B. Marcus Vipsanius Agrippa oder Titus Statilius Taurus. Seit Vespasian (der selbst ein homo novus war) stellten die »neuen Männer« die Mehrheit jener Senatoren, denen die wichtigsten Dienststellungen in der Reichsverwaltung, die Militärkommandos und die Statthalterschaften der kaiserlichen Provinzen, anvertraut wurden.290 Daneben waren es häufig die homines novi, wie schon einst Cato oder Cicero, die die Anschauungen ihrer neuen sozialen Heimat, mit denen sie sich vollständig identifizierten, am deutlichsten artikulierten; Tacitus und Plinius der Jüngere sind hierfür die besten Beispiele. Dass solche Männer in der Führungsspitze des Senatorenstandes überrepräsentiert waren, ergab sich aus dem Zusammentreffen zweier Faktoren. Einerseits waren die homines novi, oft von vornherein angesichts ihrer glänzenden Fähigkeiten für die Mitgliedschaft im ersten Stand ausgesucht, in der Regel sehr bestrebt, die vollständige Integration in die römische Aristokratie durch große Verdienste in der Reichsverwaltung zu erlangen; andererseits wurden sie von den Kaisern auch deshalb stark gefördert, weil sie durch die enge Bindung an das Herr287 Über die Kinderlosigkeit der römischen Aristokratie siehe J. P. V. D. Balsdon, Roman Women (Anm. 18), 194 ff.; G. Alföldy, Konsulat und Senatorenstand unter den Antoninen (Anm. 223), 85 f. 288 Zum Begriff der nobilitas während der Kaiserzeit vgl. M. Gelzer, Kleine Schriften I (Anm. 48), 136 ff.; K. Schneider, Zusammensetzung des römischen Senats von Tiberius bis Nero (Zürich 1942); H. Hill, Historia 18, 1969, 230 ff. (wie er nachweist, bezog man in die nobilitas auch einige besonders verdiente Familien ein, die erst in der Kaiserzeit senatorischen Rang erhalten hatten). 289 Siehe die Literatur in Anm. 224. 290 Über die Rolle der homines novi in der Kaiserzeit siehe bes. R. Syme, Tacitus (Anm. 223), II 566 ff.; unter Augustus: T. P. Wiseman, New Men in the Roman Senate (Anm. 92), 10 f.; in der Antoninenzeit: G. Alföldy, Konsulat und Senatorenstand unter den Antoninen (Anm. 223), bes. 83 ff. 91 ff. 95 ff.
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scherhaus als eine besonders loyale Stütze der Monarchie galten. So hielt etwa Nero den Publius Memmius Regulus, einen aus Ruscino in der Gallia Narbonensis gebürtigen »neuen Mann«, für das subsidium rei publicae, den er für den Fall, dass ihm etwas passieren würde, als seinen Nachfolger vorgesehen hat.291 Die homines novi waren vorwiegend Männer aus der Oberschicht der Städte des Reiches, sehr häufig Söhne verdienter Ritter. Die meisten von ihnen erhielten in ihren jungen Jahren das Recht, die Tunica mit dem breiten Purpurstreifen zu tragen und durch die Wahl im Senat ein niedriges senatorisches Amt, normalerweise den Vigintivirat, zu erlangen (ius honorum). Dazu kamen noch die ehemaligen Ritter, die nach einer begonnenen ritterlichen Offiziers- und Beamtenlaufbahn in einer ihrem Alter entsprechenden Rangstufe in den Senatorenstand aufgenommen werden konnten (adlecti in amplissimum ordinem).292 Die Entscheidung, wem ein derartiges Privileg für den sozialen Aufstieg zufiel, wurde in allen Fällen vom Kaiser getroffen. Doch kam dabei – vor allem bei der Empfehlung junger Männer für die Zulassung zur senatorischen Ämterlaufbahn – der Protektion durch mächtige Verwandte und Bekannte eine außerordentlich große Rolle zu: Wer von einem so einflussreichen Senator wie z. B. von Plinius als iuvenis probissimus gravissimus eruditissimus, omni denique laude dignissimus empfohlen wurde (Ep. 2,9,2 ff.), sah in der Regel einer großen Zukunft entgegen.293 Zu Beginn der Kaiserzeit kamen zahlreiche »neue Männer« noch aus Italien. Jedoch ging die Rekrutierung neuer Senatoren aus den Städten der italischen Halbinsel spätestens im 2. Jahrhundert zurück; die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Italiens haben die Entstehung neuer Großgrundbesitzerfamilien mehr und mehr verhindert. Dafür rückten – im Zuge der Integration der Provinzen in das Reich – in stets steigender Zahl provinziale homines novi in den Senat nach. In der Antoninenzeit gab es »neue Männer« aus Italien kaum mehr, abgesehen von homines novi aus dem nördlichen Teil der Halbinsel zwischen den Alpen und dem Po, aus einem Land, das in vielfacher Hinsicht einer »Provinz« gleichkam, und in dem stets eine starke Grundbesitzeraristokratie vorhanden war.294 Durch das Aussterben vieler äl291 Tac., Ann. 14,47. Zu Regulus siehe G. Alföldy, CIL VI 41071a und demnächst einen Beitrag, der sich in Vorbereitung befindet. 292 Zu diesen beiden Möglichkeiten für die Aufnahme von homines novi in den ordo senatorius und zu den Modalitäten für den Eintritt der »neuen Männer« in den Senatorenstand siehe D. McAlindon, JRS 47, 1957, 191 ff.; A. Chastagnol, Bull. de la Soc. Nat. des Ant. de France 1971, 282 ff.; dens., Rev. Hist. de Droit Fr. et Étranger 53, 1975, 375 ff. = in: Des ordres à Rome (Anm. 251), 199 ff. = in: ders., Le sénat romain à l’époque impériale (Anm. 278), 87 ff.; vgl. auch dens., Historia 25, 1976, 253 ff. = Le sénat romain à l’époque impériale 71 ff. 293 Zur Bedeutung der Patronage siehe Anm. 276 und bes. S. 161 mit Anm. 311. Plinius hatte allerdings mit seiner Fürsprache betreffend die Aufnahme von jungen Freunden in den Senatorenstand nicht immer Erfolg, siehe über seine »less successful friends« R. Syme, Historia 9, 1960, 362 ff. = in: ders., Roman Papers (Anm. 225), II 477 ff. 294 Zur Geschichte der senatorischen Familien Norditaliens siehe G. Alföldy, Städte, Eliten und Gesellschaft in der Gallia Cisalpina (Anm. 247), bes. 259 ff. Vgl. G. E. F. Chilver, Cisalpine Gaul. Social and Economic History from 49 B. C. to the Death of Trajan (Oxford 1941). Die große Veroneser
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terer italischer Senatorenfamilien wurde die Umschichtung des Senatorenstandes nur noch beschleunigt. Verschiedene kaiserliche Maßnahmen zugunsten der Integration der Provinzialen, so etwa die Erteilung des ius honorum an den Adel der Tres Galliae durch Claudius im Jahre 48,295 förderten diesen Umschichtungsprozess ebenfalls. Unter den ersten Kaisern war die Zahl der provinzialen Senatoren noch recht bescheiden; die Zahl der uns bekannten Senatsmitglieder provinzialer Herkunft unter Augustus und Tiberius bewegt sich jeweils nur etwa um ein Dutzend.296 Sie kamen mehrheitlich aus den am stärksten urbanisierten und romanisierten Provinzen wie hauptsächlich aus Südgallien und aus der Baetica. Unter Nero betrug die Zahl der nachgewiesenen provinzialen Senatoren bereits an die 50; seit Vespasian stieg ihre Zahl erheblich weiter, und neben Südgalliern und Hispaniern gab es in wachsender Zahl auch Senatoren aus anderen Reichsteilen, vor allem aus Africa, Asia, Galatia. Unter Antoninus Pius erreichte die Zahl der Provinzialen zumindest unter den konsularen Senatoren bereits beinahe diejenige der Italiker, und unter Mark Aurel haben die zuerst Erwähnten in der Führungsspitze erstmals die Mehrheit erlangt.297 Dennoch führte dieser Umschichtungsprozess zu keinen radikalen sozialen oder politischen Folgen. Auch die provinzialrömischen Senatoren wie z. B. Familie der Gavii konnte ihre führende Position zwei Jahrhunderte lang, vom Beginn der Kaiserzeit bis zum Beginn des 3. Jahrhunderts, halten, siehe G. Alföldy, Städte, Eliten und Gesellschaft in der Gallia Cisalpina 157 ff. und 302 ff. 295 Tac., Ann. 11,23 ff. und CIL XIII 1668 = ILS 212. Siehe dazu die Literatur in Anm. 225. 296 Zu de homines novi unter Augustus siehe die Literatur in Anm. 224 und 290. 297 Zur Zusammensetzung des Senatorenstandes während der Hohen Kaiserzeit siehe bes. A. Chastagnol, in: Mélanges de philosophie, de littérature et d’histoire ancienne offerts à P. Boyancé (Paris – Roma 1974), 163 ff. (Senatoren unter Augustus); S. J. De Laet, De samenstelling van den romeinschen senaat gedurende de eerste eeuw van het Principaat (28 v. Chr. – 68 n. Chr.) (Antwerpen 1941); A. Bergener, Die führende Senatorenschicht im frühen Prinzipat (14–68 n. Chr.) (Bonn 1965); P. Lambrechts, La composition du sénat romain de l’accession au trône d’Hadrien à la mort de Commode (117–192) (Antwerpen 1936); G. Alföldy, Konsulat und Senatorenstand unter den Antoninen (Anm. 223), 61 ff. Zusammenfassende Skizze: M. Hammond, JRS 47, 1957, 74 ff. Senatoren aus den einzelnen Regionen Italiens und aus den einzelnen Provinzen: Siehe die einzelnen Studien in: Auctores varii, Epigrafia e ordine senatorio. Atti del Colloquio Internazionale Roma 1981 (Roma 1983). Weitere Spezialuntersuchungen zu einzelnen regionalen Senatorengruppen: A. Caballos Rufino, Los senadores hispanorromanos y la romanización de Hispania (siglos I-II) I. Prosopografía (Écija 1990); ders., in: L. de Blois (Ed.), Administration, Prosopography and Appointment Policies in the Roman Empire. Proceedings of the First Workshop of the International Network Impact of the Roman Empire (Leiden, June 28 – July 1, 2000) (Amsterdam 2001), 255 ff. (Hispanier); P. Le Roux, in: M. L. Caldelli – G. L. Gregori – S. Orlandi (Eds.), Atti della XIVa Rencontre sur l’épigraphie in onore di Silvio Panciera con altri contributi di colleghi, allievi e collaboratori (Roma 2008), II 1003 ff. (Senatoren aus der Hispania citerior, mit einigen Lücken); E. Tobalina Oraá, in: XII Congressus Internationalis (Anm. 191), 1437 ff. (hispanische Senatoren der julisch-claudischen Zeit); G. Alföldy, in: De Augusto a Trajano (Anm. 285), 69 ff. (Präsenz hispanischer Senatoren in Rom); ders., Epigr. Studien 5, 1968, 99 ff. (Dalmatiner); H. Halfmann, Die Senatoren aus dem östlichen Teil des Imperium Romanum bis zum Ende des 2. Jh. n. Chr. (Göttingen 1979); A. R. Birley, ZPE 116, 1997, 209 ff. (griechische Senatoren unter Hadrian). Zu methodischen Fragen beim Studium der senatorischen Familien vgl. W. Eck, Chiron 3, 1973, 375 ff. Zur Geschichte einzelner senatorischer Familien vgl. etwa das Beispiel der Familie der Gavii aus Verona, siehe dazu Anm. 294, dort auch zu den norditalischen Senatoren im Allgemeinen.
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Gnaeus Iulius Agricola aus dem südgallischen Forum Iulii, der Schwiegervater von Tacitus, oder der Redner Marcus Cornelius Fronto aus der numidischen Stadt Cirta haben ebenso die Ideale und Anschauungen der römischen Senatsaristokratie vertreten wie ihre Standesgenossen, deren Heimat in Italien lag. Die innere Hierarchie des Senatorenstandes ergab sich nicht aus der Gruppierung seiner Mitglieder nach ethnischen oder regionalen Gesichtspunkten. Sie folgte aus der Rangstellung der einzelnen Ämter, die der Senator durch verschiedene Möglichkeiten des cursus honorum erreichen konnte. Die senatorische Ämterlaufbahn unterschied sich durch die Schaffung der zahlreichen neuen Ämter im Dienst des Kaisers vom republikanischen cursus honorum sehr deutlich.298 Im Normalfall trat ein Senator im Alter von 18 bis 20 Jahren als vigintivir in Rom die Ämterlaufbahn an. Die Nachkommen vornehmer Familien konnten das Amt des triumvir monetalis erhalten, die übrigen die Ämter des decemvir stlitibus iudicandis oder des quattuorvir viaraum curandarum oder – am Ende der Hierarchie der zwanzig Männer – die Dienststellung des triumvir capitalis bekleiden.299 Danach ging der junge Senator in der Regel, von einem ihm wohlgesonnenen Armeekommendeur nominiert, als tribunus legionis in eine Provinz; anschließend erhielt mit 25 Jahren als quaestor formell die Mitgliedschaft im Senat; er war dann entweder tribunus plebis oder aedilis 298 Wichtigste Literatur zur senatorischen Laufbahn in der Hohen Kaiserzeit: E. Birley, Proceedings of the British Academy 39, 1954, 197 ff. = in: ders., The Roman Army. Papers 1929–1986 (Amsterdam 1988), 75 ff.; ders., Carnuntum-Jahrb. 1957, 3 ff. = in: ders., The Roman Army 93 ff. (auch zur ritterlichen Laufbahn); J. Morris, Listy Filologické 87, 1964, 316 ff. und ebd. 88, 1965, 22 ff. (Altersbestimmungen bei der Beförderung); G. Alföldy, Die Legionslegaten der römischen Rheinarmeen (Köln – Graz 1967); ders., Fasti Hispanienses. Senatorische Reichsbeamte und Offiziere in den spanischen Provinzen des römischen Reiches von Augustus bis Diokletian (Wiesbaden 1969); W. Eck, in: ANRW II 1 (Berlin – New York 1972), 158 ff.; G. Alföldy, Konsulat und Senatorenstand unter den Antoninen (Anm. 223), 33 ff.; ders., Ancient Society 7, 1976, 263 ff. = in: ders., Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 100 ff. (mit Nachträgen); ders., Jahrb. d. Historischen Forschung 1975 (1976), 26 ff.; A. R. Birley, The Fasti of Roman Britain (Oxford 1981), 4 ff.; P. M. M. Leunissen, ZPE 89, 1991, 217 ff.; E. Tobalina Oraá, El cursus honorum senatorial durante la época julio-claudia (Barañáin, Navarra 2007). Ein Musterbeispiel für eine erfolgreiche senatorische Laufbahn ist der cursus honorum des aus der kleinen hispanischen Stadt Liria Edetanorum stammenden M. Cornelius Nigrinus Curiatius Maternus (AE 1973, 283), der nach Domitians Ermordung Trajans Rival um die Nachfolge Nervas war, siehe die Literatur in Anm. 227; O. Salomies, in: J. Bodel (Ed.), Epigraphic Evidence. Ancient History from Inscriptions (London – New York 2001), 91 ff. bezeichnet die Inschrift dieses »exemplary governor« als Beispiel für die Bedeutung solcher Inschriften für die historische Forschung. Über die prosopographische Forschung, die sich dem Studium der römischen Aristokratie und der Beförderung der Reichsbeamten widmet, wurde in der englischen Forschung z. T. heftige, aber unbegründete Kritik geübt; siehe dagegen über die Erkenntnismöglichkeiten dieser Forschungen insbesondere W. Eck, in: A. K. Bowman – H. M. Cotton – M. Goodman – S. Price (Eds.), Representations of Empire: Rome and the Mediterranean World (Oxford 2002), 131 ff.; vgl. auch G. Alföldy, in: W. Eck (Hrsg.), Prosopographie und Sozialgeschichte. Studien zur Methodik und Erkenntnismöglichkeit der kaiserzeitlichen Prosopographie. Kolloquium Köln 24.-26. November 1991 (Köln – Wien – Weimar 1993), 61 ff. 299 Zum Vigintivirat und zur Rangordnung der vigintiviri siehe St. Brassloff, Hermes 39, 1904, 618 ff. und Jahreshefte d. Österr. Arch. Inst, 8, 1905, 60 ff.; E. Birley, Proceedings of the British Academy 39, 1954, 157 ff. = in: ders., The Roman Army (Anm. 298), 75 ff.; W. Eck, ANRW II 1 (Berlin – New York 1974), 173 ff.; G. Alföldy, Konsulat und Senatorenstand (Anm. 223), 96 ff.
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und mit 30 praetor (die Altersgrenzen, die durch persönliche Privilegien manchmal auch etwas vorgezogen wurden, galten in der Praxis eher als untere Grenzen). Diese Ämter konnte der Senator auch durch kaiserliche Nominierung bei den Wahlen im Senat als candidatus Augusti erhalten, was einer besonderen kaiserlichen Förderung gleichkam und normalerweise die Weichen für eine spätere Laufbahn im kaiserlichen Dienst stellte.300 Vom Herrscher besonders bevorzugte junge Senatoren durften die Quästur als quaestor Augusti, als Privatsekretär des Kaisers bekleiden wie z. B. der Historiker Tacitus, der unter Titus oder zu Beginn der Regierungszeit Domitians in dieser Stellung diente, die ihm einen für seine geschichtsschreiberische Tätigkeit einzigartig nützlichen Einblick in die Geheimnisse der kaiserlichen Machtausübung ermöglichte301. In prätorischem Rang konnte man im Kompetenzbereich des Senats einige Ämter erhalten, vor allem als proconsul in einer Senatsprovinz. Viele Dienststellungen jedoch, unter ihnen die Stellen eines Legionskommandeurs (legatus legionis), der Ärarpräfekten und des Statthalters in einer kaiserlichen Provinz (legatus Augusti pro praetore) ohne Legionsbesatzung oder nur mit einer Legion, gehörten zum kaiserlichen Dienstbereich und wurden direkt vom Herrscher vergeben.302 Um das 40. oder in den meisten Fällen um das 43. Lebensjahr konnte der Senator Konsul werden, wobei es jährlich mehrere, unter den Antoninen z. B. meist vier oder fünf, Konsulpaare gab, damit der Konsulat kein Privileg einer kleinen Senatorengruppe blieb wie in der Späten Republik.303 Die wichtigsten Ämter in der Reichsverwaltung wurden konsularen Senatoren verliehen, so die Kuratelen in der Stadt Rom,304 die Statthalterschaften in den kaiserlichen Provinzen mit mehreren Legionen und die hochrangigen Prokonsulate in den Senatsprovinzen Africa und Asia.305 Besonders 300 Vgl. M. Cébeillac, Les ›quaestores principis et candidati‹ aux Ier et IIème siècles de l’Empire (Milano 1972). 301 Siehe G. Alföldy, Röm. Mitt. 102, 1995, 251 ff. (vgl. AE 1955, 92). 302 Legionskommandos: G. Alföldy, Die Legionslegaten der römischen Rheinarmeen (Anm. 298); ders., Konsulat und Senatorenstand unter den Antoninen (Anm. 223), bes. 96 ff.; Th. Franke, Die Legionslegaten der römischen Armee in der Zeit von Augustus bis Trajan I-II (Bochum 1991). Ärarpräfekten: M. Corbier, L’aerarium Saturni et l’aerarium militare. Administration et prosopographie sénatoriale (Paris – Roma 1974). Zu den Provinzstatthaltern siehe Anm. 305. 303 Zu den Konsulaten siehe u. a. W. Eck, in: La Lex de imperio Vespasiani e la Roma dei Flavi (Anm. 270), 231 ff. (Konsuln unter Vespasian); ders., in: G. Zecchini (Ed.), ›Partiti‹ e fazioni nell’esperienza politica romana (Milano 2009), 155 ff.; G. Alföldy, Konsulat und Sentorenstand unter den Antoninen (Anm. 223), bes. 33 ff. (dort auch zum Alter der Konsuln; die Liste der Konsuln für diese Epoche müsste heute erheblich ergänzt bzw. modifiziert werden); P. M. M. Leunissen, Konsuln und Konsulare (Anm. 223), 129 ff. 304 Siehe bes. A. Kolb, Die kaiserliche Bauverwaltung und Aufbau der curae operum publicorum unter dem Prinzipat (Stuttgart 1993). 305 Für alle prätorischen, konsularen und auch ritterlichen Statthalterschaften grundlegend. B. E. Thomasson, Laterculi praesidum I-III (Göteborg 1984/90) (Ergänzungen sind im Internet zugänglich). Fasti von Statthaltern für einzelne Epochen: W. Eck, Chiron 12, 1982, 281 ff. und ebd. 13, 1983, 147 ff. (Fasti für die Jahre 69–138/139); G. Alföldy, Konsulat und Senatorenstand unter den Antoninen (Anm. 223) (Fasti für die Jahre 138–180); P. M. M. Leunissen, Konsuln und Konsulare (Anm. 223) (Fasti für die Jahre 180–235). Unter den Fasti für die Statthalter und z. T. auch für andere Reichsbeamten in den
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herausragende Senatoren konnten ihre Laufbahn mit einem wiederholten Konsulat und als Präfekt der Reichshauptstadt (praefectus urbi) abschließen.306 Die einzelnen Laufbahntypen waren verschieden; sie spiegeln die innere Schichtung des Senatorenstandes wider. Am deutlichsten sind diese Laufbahntypen in der Antoninenzeit zu unterscheiden, nachdem sie – nach einer langen Entwicklung mit verschiedenen Experimenten – eine ziemlich feste Gestalt angenommen hatten.307 Eine kleine Spitzengruppe, bestehend aus den Nachkommen der älteren, in der Republik oder unter den früheren Kaisern geadelten Familien und aus den näheren Verwandten des regierenden Herrschers, verfügte über patrizischen Rang, der wichtige Privilegien sicherte: Der Patrizier begann seine Laufbahn normalerweise in der vornehmsten Klasse der vigintiviri als Münzmeister (triumvir monetalis), erhielt die Quästur und die Prätur bei den Senatswahlen sehr häufig durch kaiserliche Kommendation, brauchte die grundsätzlich plebejischen – und kostspieligen – Ämter des Volkstribunen oder des Ädils nicht zu übernehmen, stieg schon mit 32 oder 33 Jahren zum Konsul auf und konnte auf die oft mühevolle Ausübung prätorischer und konsularer Ämter in den Provinzen, die er für sein Sozialprestige nicht nötig hatte, verzichten. Andere Senatoren, unter ihnen insbesondere die sich schon früh als tüchtig erweisenden homines novi, wurden von den Herrschern in ihrer Laufbahn ebenfalls stark gefördert, aber teilweise in ganz anderer Form. Nachdem sie – auch häufig durch kaiserliche Unterstützung bei den Senatswahlen für die niedrigeren Ämter – prätorischen Rang erlangt hatten, wurden sie als Kommandeure und Statthalter in den Spitzenämtern der Reichsverwaltung eingesetzt und durcheinzelnen Provinzen sowie gelegentlich auch zu ihrer Tätigkeit seien hier folgende Werke hervorgehoben: B. E. Thomasson, Fasti Africani. Senatorische und ritterliche Amtsträger in den römischen Provinzen Nordafrikas von Augustus bis Diokletian (Stockholm 1996); G. Alföldy, Fasti Hispanienses (Anm. 298; eine Neubearbeitung zusammen mit J. M. Abascal ist in Vorbereitung); für Hispanien siehe auch G. Alföldy, in: R. Haensch – J. Heinrichs (Hrsg.), Herrschen und Verwalten. Der Alltag der römischen Administration in der Hohen Kaiserzeit (Köln – Weimar – Wien 2007), 325 ff. (gegenwärtiger Stand der Forschung zu den Fasti und zur Verwaltung der hispanischen Provinzen); A. R. Birley, The Roman Government of Britain (Oxford 2005); W. Eck, Die Statthalter der germanischen Provinzen vom 1.-3. Jahrhundert (Köln – Bonn 1985); H.-G. Pflaum, Les fastes de la province de Narbonnaise (Paris 1978) (auch über die Ritter und die senatorischen Offiziere aus der Narbonensis); G. Winkler, Die Reichsbeamten von Noricum und ihr Personal bis zum Ende der Römerherrschaft (Wien 1969); G. Alföldy, Noricum (Anm. 185), 242 ff. (für Noricum vgl. auch noch G. Winkler, Römisches Österreich 28, 2005, 31 ff.); J. Fitz, Die Verwaltung Pannoniens in der Römerzeit I-IV (Budapest 1993/95); A. Jagenteufel, Die Statthalter der römischen Provinz Dalmatia von Augustus bis Diokletian (Wien 1958); I. Piso, Fasti provinciae Daciae I. Die senatorischen Amtsträger (Bonn 1993); B. Rémy, Les fastes sénatoriaux des provinces romaines d’Anatolie au Haut-Empire (31 avant J. C. – 284 après J.-C.) (Pont-Bithynie, Galatie, Cappadoce, Lycie-Pamphylie et Cilicie) (Paris 1988), siehe auch dens., Les carrières sénatoriales dans les provinces romaines d’Anatolie au Haut-Empire (31 av. J.-C. – 284 ap. J.-C.) (Pont-Bithynie, Galatie, Cappadoce, Lycie-Paphylie et Cilicie) (Paris 1989); E. Da˛browa, The Governors of Roma Syria from Augustus to Septimius Severus (Bonn 1998); A. Jördens, Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit. Studien zum praefectus Aegypti (Stuttgart 2009). Zur Bedeutung derartiger Arbeiten vgl. A. R. Birley, in: XII Congressus Internationalis (Anm. 191), 165 ff. 306 Siehe K. Wojciech, Die Stadtpräfektur im Prinzipat (Bonn 2010). 307 Siehe G. Alföldy, Konsulat und Senatorenstand unter den Antoninen (Anm. 223), bes. 37 ff.
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liefen, wie neben vielen anderen z. B. Sextus Iulius Severus, der führende General Hadrians,308 eine lange Ämterlaufbahn.309 Das gilt auch für weitere Senatoren, die von den Herrschern weniger zügig gefördert wurden und zwischen Prätur und Konsulat auch Senatsämter übernahmen. Diese privilegierten Senatorengruppen – unter den Antoninen etwas weniger als die Hälfte aller Senatoren – bildeten als Konsulare (bzw. als für den Konsulat bestimmte Senatoren) die Führungsspitze des Imperiums. Die übrigen Senatoren, die weder durch ihre besonders vornehme Herkunft noch durch ihre Fähigkeiten und Leistungen hervorstachen, wurden von den Herrschern kaum gefördert; sie erhielten nach der Prätur zumeist nur Senatsämter und hatten kaum Aussicht, den begehrten Rang eines Konsuls zu erreichen. Alles in allem ist festzustellen, dass die Beförderung der senatorischen – wie auch der ritterständischen – Reichsbeamten und Truppenkommandeure von den Herrschern gezielt gesteuert wurde, wobei sie in der Auswahl und bei der Beförderung der Inhaber hoher Stellen nicht nur auf ihre Privilegien durch ihre Geburt und auf ihre Loyalität, sondern oft auch auf ihre Eignung für die Ausübung eines bestimmten Amtes achteten, so dass man sogar von einem gewissen Trend zur Spezialisierung der Stelleninhaber sprechen kann.310 Der von manchen englischen Forschern geäußerte Einwand, wonach man in Bezug auf die Römische Kaiserzeit nicht von »Beförderungsregeln« oder von »Laufbahntypen« o. ä. sprechen sollte, weil bei der Ernennung und dem Avancement der Reichsbeamten und Offiziere die Patronage durch einflussreiche Aristokraten die entscheidende Rolle gespielt habe,311 verkennt die Realitäten. Natürlich spielte die Fürsprache hochgestellter Persönlichkeiten bei der Auswahl des Kandidaten für eine Stelle und bei der Beförderung der Reichsbeamten und Kommandeure stets eine große Rolle, aber die Patronage kam immer innerhalb des Rahmens der allmählich gefestigten Beförderungsmodalitäten zur Geltung und wurde durch die Förderung unfähiger Günstlinge höchstens in Ausnahmesituationen außer Kraft gesetzt. Die Folge dieser Praxis war, dass die soziale Hierarchie auch innerhalb des ersten Standes eine deutliche Ausprägung erhielt. Zugleich ergab sich aber daraus auch, dass für die Besetzung der wichtigsten Kommandos und Ämter nur eine ganz kleine Auswahl von Männern zur Verfügung stand. Solange das Imperium keinen größeren außen- und innenpolitischen Schwierigkeiten entgegensah, funktionierte das aristokratische Auswahl- und Beförderungssystem zumeist gut. In außergewöhn-
308 Dio 69,13,2, CIL III 2830 = ILS 1056. 309 Vgl. bes. G. Alföldy, Bonner Jahrb. 169, 1969, 233 ff. = in: ders., in: Römische Heeresgeschichte (Anm. 227), 3 ff. (über die Generalität des römischen Heeres). 310 Siehe dazu insbesondere W. Eck, in: Administration, Prosopography and Appointment Policies (Anm. 297), 1 ff. (Spezialisierung in der staatlichen Administration in der Hohen Kaiserzeit). 311 Siehe bes. R. P. Saller, Personal Patronage under the Empire (Anm. 280); dagegen G. Alföldy, Hist. Zeitschr. 238, 1984, 674 ff. in der Besprechung dieses Buches. Richtig über die Rolle der Patronage in der senatorischen Laufbahn P. M. M. Leunissen, Chiron 23, 1993, 101 ff. Zur Patronage im Allgemeinen vgl. noch die Literatur in der Bibliographie im Abschnitt A 4,3.
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lichen Situationen aber – wie z. B. im Bataveraufstand im Jahre 69, als mehrere senatorische Legionslegaten kläglich versagten – zeigten sich seine Mängel deutlich, und unter den neuen Voraussetzungen, in denen sich das Römische Reich seit den Donaukriegen Mark Aurels und erst recht im 3. Jahrhunderts befand, war die Krise dieses Systems und damit überhaupt in den oberen Rängen in der sozialen Hierarchie Roms unvermeidlich. Der Ritterstand Der ordo equester zählte erheblich mehr Mitglieder als der Senatorenstand.312 An der jährlichen Reiterparade in Rom am 15. Juli nahmen unter Augustus bis zu 5.000 Ritter teil (Dion. Hal. 6,13,4). Diese stellten allerdings nur eine Minderheit des Ritterstandes dar, da sich viele Ritter nicht nach Rom zum Fest begaben, und da die equites, die das 35. Lebensjahr überschritten hatten, von der Verpflichtung, zu reiten, befreit waren (Suet., Aug. 38,3). Nach Strabo (3,5,3; 5,1,7) erreichte die Zahl der Angehörigen des zweiten Standes in Gades und Patavium, in den beiden Städten mit den meisten Rittern zu Beginn der Kaiserzeit, jeweils 500; im südgallischen Arausio gab es im Theater drei Sitzreihen für equites (CIL XII 1241a = ILS 5655). Die Gesamtzahl der Ritter unter Augustus wäre vielleicht auf die 20.000 zu schätzen wie gegen Ende der Republik;313 in den beiden ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit ist sie durch den stets wachsenden Zugang der Provinzialen zum Ritterstand zweifellos erheblich gewachsen. Als Angehörige eines führenden Ordos besaßen auch die Ritter ein Standesbewusstsein, das sich in der sorgfältigen Angabe ihres Rangtitels in ihren Ehren- und Grabinschriften, ihre Statussymbole314 oder in ihrem Zusammenschluss innerhalb der Gesellschaft einzelner Städte (z. B. CIL II 1380 = ILS 5080a) zeigt. Dennoch war der ordo equester nie ein derartig homogener Stand wie der ordo senatorius. Wenn seine meisten Mitglieder eine gemeinsame Gesinnung und gemeinsame Verhaltensformen aufwiesen, so lag das daran, dass es für die Ritter überhaupt keine 312 Über den ordo equester der Kaiserzeit zusammenfassend A. Stein, Der römische Ritterstand (München 1927). Aus der neueren Literatur sind besonders zu erwähnen: F. Millar, The Emperor in the Roman World (Anm. 199), 313 ff.; W. Eck, in: Storia di Roma II 2. L’Impero mediterraneo (Anm. 273), 73 ff.; P. Eich, Zur Metamorphose des politischen Systems (Anm. 199), 358 ff.; W. Eck, in: H.-G. Pflaum. Un historien du XXe siècle (Anm. 240), 485 ff. (soziopolitische Macht und öffentliche Repräsentation der Ritter). Führungselite des Ritterstandes: G. Alföldy, Chiron 11, 1981, 169 ff. = in: ders., Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 162 ff. (mit Nachträgen). Die Geschichte des Ritterstandes während der julisch-claudischen Zeit behandelt ausführlich S. Demougin, L’ordre équestre sous les Julio-Claudiens (Paris – Roma 1988). Über den allmählichen Aufstieg der Ritterstandes während der Kaiserzeit siehe M. Christol, in: S. Demougin – H. Devijver – M.-Th. Raepsaet-Charlier (Eds.), L’ordre équestre. Histoire d’une aristocratie (IIe siècle av. J.-C. – IIIe siècle ap. J.-C.) (Paris – Roma 1999), 613 ff.; P. Eich, Zur Metamorphose des politischen Systems 344 ff. und 350 ff. 313 Siehe S. 114 mit Anm. 177. 314 Zur ritterlichen Standessymbolik siehe H. Gabelmann, Jahrb. d. Deutschen Arch. Inst. 92, 1977, 322 ff.; siehe ferner oben, Anm. 101.
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standesspezifischen Denk- und Verhaltensweisen gab, sondern dass sie die Ideale und Sitten der Senatoren übernahmen, zumal diejenigen unter ihnen, die in den Staatsdienst eintraten, ebenso wie diese vor allem über juristische und militärische Ausbildung verfügten. Die mit dem Senatorenstand verglichen lockere Struktur des Ritterstandes, die oft unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnisse einzelner Standesmitglieder, die heterogene Zusammensetzung des zweiten Ordos und die häufig sehr unterschiedliche berufliche Tätigkeit einzelner Ritter haben die Herausbildung einer ebenso geschlossenen gesellschaftlichen Gruppe wie bei den Senatoren nicht ermöglicht. Wichtig war zunächst, dass die Zugehörigkeit zum Ritterstand zumindest formell nicht erblich war. Die Aufnahme erfolgte durch eine Rangerhöhung der Einzelperson und nicht des Geschlechtes; somit war der Ritterstand kein Geburtsadel wie der Senatorenstand, sondern ein Personenadel. In der Praxis kam es allerdings häufig vor, dass der Sohn eines Ritters ebenfalls unter die equites aufgenommen wurde (z. B. CIL X 3674 = ILS 6335); man sprach auch von »ritterlichen Familien« (z. B. Tac., Hist. 1,52). Aber es war kaum möglich, dass ritterliche Geschlechter, den senatorischen ähnlich, die Zugehörigkeit zu ihrem Stand viele Generationen hindurch aufrechterhielten, und das lag keineswegs nur an der Kinderlosigkeit nicht weniger ritterlicher Familien. Es gibt nachweisbare Fälle, in denen der Sohn eines Ritters denselben Rang nicht erhielt (z. B. CIL IX 1655 = ILS 6496). Verständlicherweise besser dokumentiert ist der Vorgang, dass der Sohn eines Ritters in den Senatorenstand aufstieg. Die ritterlichen Familien bildeten die wichtigste Nachschubquelle für die fortlaufende Ergänzung des Senatorenstandes. Jene Familie z. B., aus der der spätere Kaiser Septimius Severus stammte, schied dadurch aus dem Ritterstand aus, dass ihre Nachkommen nacheinander in den Senatorenstand aufgenommen wurden.315 Überhaupt waren die Beziehungen zwischen den Angehörigen des Senatorenstandes und des Ritterstandes durch Eheschließungen, verwandtschaftliche Kontakte und Freundschaften sehr eng; der jüngere Plinius z. B. korrespondierte nicht nur mit Senatoren, sondern auch mit zahlreichen Rittern. Noch offener war der Ritterstand nach unten, zu den Dekurionenständen der einzelnen Städte, hin. Sehr viele Ritter, vor allem diejenigen, die keine Ämterlaufbahn im Staatsdienst anstrebten oder sie mangels Fähigkeiten und Beziehungen nicht antreten konnten, bekleideten städtische Ämter und gehörten zu gleicher Zeit sowohl dem ordo equester als auch dem ordo decurionum einer Stadt oder auch mehrerer Städte an. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ritter konnten recht unterschiedlich sein. Nach Martials eigenen Erfahrungen reichte das erforderliche Mindestvermögen von 400.000 Sesterzen, gemessen an den Anforderungen einer standesgemäßen Lebensart, nur für eine bescheidene Existenz, und nach Gellius gab es sogar Ritter, die sich kaum hinreichend ernähren konnten (Noct. Att. 11,7,3). Der Mehrheit ging 315 Zur Familie des Septimius Severus siehe A. R. Birley, The African Emperor Septimius Severus2 (London 1988), 212 ff.
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es aber entschieden besser, z. B. dem Schriftsteller Columella, der in verschiedenen Teilen Mittelitaliens über Grundbesitz verfügte, und bekannt sind auch steinreiche Ritter, die mit ihrem Vermögen auch viele Senatoren übertrafen wie etwa Publius Vedius Pollio, der Freund des Augustus, dessen unermesslicher Reichtum berühmt war (Dio 54,23,1 ff.). Verschieden waren auch die Quellen des Reichtums der Ritter. Diejenigen, die als Prokuratoren im höheren Staatsdienst standen, bezogen je nach Rangklasse ein Jahresgehalt von 60.000, 100.000, 200.000 und seit Kaiser Mark Aurel auch 300.000 Sesterzen; die Inhaber der ritterlichen Spitzenämter, vor allem der Prätorianerpräfekt, wurden noch besser bezahlt.316 Ausschlaggebend waren jedoch die privaten wirtschaftlichen Quellen. Es gab unter den Rittern viele Großhändler, Großunternehmer und Bankiers wie etwa Cornelius Senecio, der nach Seneca alle Erwerbsmöglichkeiten, auch die bei den Rittern populäre Pachtung von Zolleinnahmen, ausschöpfte (Ep. 101,1 ff.). Im Ganzen genommen waren die Mitglieder des Ritterstandes an den nichtagrarischen Einnahmequellen stärker als die Senatoren interessiert. Aber die Hauptquelle des Vermögens war auch bei den Rittern der Grundbesitz. Nach Quintilian (4,2,45) waren die stadtrömischen Geschworenen (iudices), die mehrheitlich (3.000 von insgesamt 5.000) über ritterlichen Rang verfügten, Besitzer von Gütern; bei den vielen equites in Italien und in den Provinzen, die dort zugleich zum Dekurionenstand in den Städten gehörten, war das nicht anders. Auch die soziale Zusammensetzung des Ritterstandes war heterogen. Nicht wenige Ritter waren niedriger Herkunft. Es gab unter ihnen Söhne von Freigelassenen wie Vedius Pollio. Sie arbeiteten sich zumeist durch wirtschaftliches Geschick empor oder verdankten ihren Aufstieg unter die equites ihren guten Beziehungen zu mächtigen Römern wie der spätere Kaiser Publius Helvius Pertinax der vornehmen senatorischen Familie der Hedii aus seiner ligurischen Heimat und dem Schwiegersohn Mark Aurels, Tiberius Claudius Pompeianus (HA, P 1,1 ff.); er selbst förderte warm die Karriere des pannonischen Ritters Marcus Valerius Maximianus.317 Selbst Freigelassene wurden gelegentlich in den Ritterstand aufgenommen318 wie etwa Antonius Musa, der Arzt des Kaisers Augustus (Dio 53,30,3), und auch später wurden Freigelassene im Dienst der Kaiser wie etwa Icelus unter Galba (Suet., Galba 14,2) auf diese Art und Weise belohnt. Jedoch waren das Ausnahmefälle, da der Makel der unfreien Herkunft mit dem Standesdenken kaum zu vereinbaren war. Selbst Horaz, libertino patre natus (Serm. 1,6,6), litt unter diesem Vorwurf. In der Frühen Kaiserzeit wurde der ritterliche Rang nicht selten auch führenden Mitgliedern des einheimischen Stammesadels in den Provinzen gewährt. Zu dieser Kategorie von
316 Siehe die Literatur in Anm. 276. 317 Über Pertinax und Maximianus siehe G. Alföldy, in: Römische Heeresgeschichte (Anm. 227), 326 ff. 318 Siehe W. Eck, in: L’ordre équestre. Histoire d’une aristocratie (Anm. 312), 5 ff., Liste der ehemaligen Freigelassenen mit Ritterrang ebd. 23 ff., Söhne von Freigelassenen mit Ritterrang 26 ff.
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Rittern gehörten etwa der Cherusker Arminius319 und auch mehrere Führer des nordgallisch-germanischen Aufstandes gegen Rom im Jahre 69 wie der Treverer Iulius Classicus und anscheinend auch der Bataver Iulius Civilis.320 Zahlreiche Ritter stiegen in den ordo equester nach einer langen Militärlaufbahn, aufgrund persönlicher Verdienste, auf, nämlich durch die Übernahme von Centurionenstellen bis zum Rang eines primus pilus (mit einem Gehalt von 60.000 Sesterzen), wie etwa der aus Dalmatien stammende Quintus Marcius Turbo, der seine Centurionenlaufbahn unter den flavischen Kaisern begonnen hatte und unter seinem Freund Hadrian die höchsten ritterlichen Ämter erreichte.321 Die meisten Ritter gehörten jedoch zum ordo decurionum der Städte des Reiches und verdankten ihren Rang hauptsächlich ihrem Vermögen. Unter den 53 sicher oder wahrscheinlich erwiesenen Rittern aus der Provinz Dalmatia bekleideten mindestens 20 städtische Ämter und waren Angehörige der Oberschicht der dortigen Städte; von 22 ermittelten equites aus Noricum stammten die meisten nachweislich aus dortigen führenden städtischen Familien; in den Kolonien und Municipien der Provinz Hispania citerior gab es viele Ritter, die zumindest unter den Flaviern, Trajan und Hadrian die jährlich wechselnden Provinzialoberpriester stellten.322 In seiner ethnischen Zusammensetzung war der Ritterstand ebenfalls stärker als der Senatorenstand gemischt, wobei die Aufnahme der Provinzialen in den zweiten Stand ebenso wenig zu radikalen sozialen oder politischen Folgen führte wie beim ersten Stand.323 Da den ritterlichen Minimalcensus auch viele Provinziale aufbrin319 Vell. 2,118,2; siehe über ihn H. von Petrikovits, Bonner Jahrb. 166, 1966, 175 ff. = in: ders., Beiträge zur römischen Geschichte und Archäologie (Bonn 1976), 323 ff.; D. Timpe, Arminius-Studien (Heidelberg 1970). 320 Siehe hierzu die Literatur in Anm. 474. 321 Zu diesen Primipilarenlaufbahnen siehe B. Dobson, ANRW II 1 (Berlin – New York 1972), 392 ff.; dens., in: Recherches sur les structures sociales (Anm. 12), 99 ff.; dens., Die Primipilares. Entwicklung und Bedeutung, Laufbahnen und Persönlichkeiten eines römischen Offiziersranges (Köln – Bonn 1978); vgl. B. Dobson – D. J. Breeze, Epigr. Studien 8, 1969, 100 ff.; B. Dobson, in: Kaiser, Heer und Gesellschaft (Anm. 151), 139 ff. 322 Siehe die Literaturangaben in Anm. 323. 323 Über die Zusammensetzung des Ritterstandes vgl. E. Birley, Roman Britain and the Roman Army2 (Kendal 1961), 154 ff.; vgl. auch dens., Epigr. Studien 8, 1969, 70 ff. = The Roman Army (Anm. 298), 70 ff. Ritter aus Africa: M. G. Jarrett, Historia 12, 1963, 209 ff.; ders., Epigr. Studien 9, 1972, 146 ff.; R. Duncan-Jones, Papers of the British School at Rome 35, 1967, 147 ff. Ritter aus Hispanien: A. Caballos Rufino, in: L’ordre équestre. Histoire d’une aristocratie (Anm. 312), 462 ff.; zu zahlreichen Rittern aus Hispanien siehe auch H.-G. Pflaum, in: Colloque International du C. N. R. S., Les empereurs romains d’Espagne, Madrid 1964 (Paris 1965), 87 ff. = in: ders., Scripta varia II. La Gaule et l’Empire romain (Paris 1981), 334 ff. und G. Alföldy, Flamines provinciae Hispaniae citerioris (Anm. 196). Ritter aus der Gallia Narbonensis: H.-G. Pflaum, Les fastes de la province de Narbonnaise (Anm. 305), 195 ff. Ritter aus den nördlichen Provinzen: L. Mrozewicz, in: L’ordre équestre. Histoire d’une aristocratie (Anm. 312), 31 ff.; ders., in: E. Frézouls (Ed.), La mobilité sociale dans le monde romain. Actes du colloque de Strasbourg (novembre 1988) (Strasbourg 1992), 215 ff. (Aufstieg aus den Dekurionenständen). Ritter aus den germanischen Provinzen: G. Alföldy, Corsi di Cultura sull’Arte Ravennate e Bizantina 24, 1977, 7 ff. Ritter aus Noricum: G. Alföldy, Noricum (Anm. 185), 124 f. und 274 ff. Ritter aus Pannonien: A. Mócsy, RE Suppl. IX, 1962, 713. Ritter aus Dakien: L. Balla, Acta Class. Univ. Sci-
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gen konnten, waren die Einwohner der Provinzen im ordo equester bereits unter Augustus stärker als im Senatorenstand repräsentiert; die Existenz von 500 Rittern im südhispanischen Gades (siehe S. 162) zeugt hiervon deutlich. Nichtsdestoweniger verlief die ethnische Umschichtung des Ritterstandes in der Prinzipatszeit in der gleichen Bahn wie der Wandel in der Zusammensetzung des Senatorenstandes. Unter den ritterlichen Militärtribunen, die im Zeitraum von Augustus bis Caligula zu ermitteln sind, war das Verhältnis zwischen Italikern und Provinzialen 90 : 29, unter Claudius und Nero 25 : 20, unter den Flaviern 21 : 30, im 2. Jahrhundert 117 : 143.324 Die Italiker dominierten in der julisch-claudischen Zeit auch unter den Kommandeuren der Hilfstruppen, die wir aus den Militärdiplomen kennen.325 Die Herkunftsangaben für die Präfekten und Tribunen der Hilfstruppen in den Militärdiplomen zeigen den deutlichen Aufstieg der Provinzialrömer vor allem seit der Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert. Zugleich ist es aber bemerkenswert, dass unter den Truppenkommandeuren auch noch im 2. Jahrhundert zahlreiche Italiker zu finden sind, darunter auch Söhne kaiserlicher Freigelassenen aus Rom, die wohl von den Herrschern für diese Posten empfohlen wurden. Ebenso wie die meisten provinzialen Senatoren kamen auch die meisten equites provinzialer Herkunft im 1. Jahrhundert aus einigen stärker urbanisierten Gebieten wie Hispanien, Südgallien und Asia; in zahlreichen Provinzen schuf die Urbanisation mit ihren sozialen Folgen erst allmählich die Voraussetzungen für die Herausbildung reicher und römisch gesinnter Familien, deren Angehörige mit dem equus publicus ausgezeichnet werden konnten. Der früheste uns bekannte Ritter aus Africa, der in kaiserlichen Dienst trat, wurde erst im vierten Jahrzehnt des 1. Jahrhunderts in den ordo equester aufgenommen, und von 162 nachgewiesenen afrikanischen Rittern mit einem normalen cursus honorum erhielten ihren Rang vor Hadrian nur sechs. Unter 22 norischen equites ist der früheste unter Trajan bezeugt, und auch die frühesten uns bekannten pannonischen Ritter erscheinen erst zu Beginn des 2. Jahrhunderts.326
ent. Debrecen. 13, 1977, 51 ff. Ritter aus Dalmatien: J. J. Wilkes, in: Adriatica praehistorica et antiqua. Miscellanea G. Novak dicata (Zagreb 1970), 529 ff. Ritter aus Kleinasien: S. Demougin, in: L’ordre équestre. Histoire d’une aristocratie (Anm. 312), 579 ff. 324 Angaben nach der unveröffentlichten Arbeit von H. Devijver, Het militaire tribunaat der angusticlavii in het Vroeg-Reomeinse Keizerrijk (Leuven 1966). 325 Über die Zusammensetzung des ritterlichen Offizierskorps aufgrund der Angaben in den Militärdiplomen mit ihren zumeist überaus präzisen Herkunftsangaben vgl. G. Alföldy, in: W. Eck – H. Wolff (Hrsg.), Heer und Integrationspolitik. Die römischen Militärdiplome als historische Quelle (Köln – Wien 1986), 385 ff. = in: G. Alföldy, Römische Heeresgeschichte (Anm. 227), 89 ff.; Widerspruch dagegen von H. Devijver, The Equestrian Officers of the Roman Imperial Army II (Amsterdam 1992), 109 ff. Siehe jetzt ausführlich G. Alföldy, ZPE (im Druck) aufgrund der Heranziehung auch der seit 1984 publizierten zahlreichen neuen Militärdiplome, die das im Jahre 1986 entworfene Bild durchaus bestätigen. 326 Siehe die Literaturangaben für die Ritter aus den hier genannten Provinzen in Anm. 323.
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Die berufliche Tätigkeit der Ritter war unterschiedlich. Viele von ihnen übernahmen höchstens städtische Ämter oder die Funktion eines iudex in Rom, andere verzichteten ganz auf eine öffentliche Tätigkeit. Diejenigen, die ihren Aufstieg in den zweiten Stand durch eine Centurionenlaufbahn erlangten, waren Berufsoffiziere, konnten jedoch in der letzten Phase ihres cursus honorum als Prokuratoren und Präfekten auch die höchsten ritterlichen Ämter übernehmen. Am häufigsten begann aber die Laufbahn der zum Staatsdienst zugelassenen equites, oft nach der Bekleidung von Verwaltungsämtern in der Heimatstadt und nicht selten nach der Tätigkeit als praefectus fabrum eines hohen staatlichen Amtsträgers, mit Offiziersstellen in ritterlichem Rang (militia equestris).327 Demnach diente ein Ritter zuerst als Kommandeur einer 500 Mann starken Infanterietruppe (praefectus cohortis), nachher entweder als Stabsoffizier in einer Legion oder als Kommandeur einer 1.000 Mann starken Infanteriekohorte (tribunus legionis, tribunus cohortis), schließlich als Kommandeur einer 500 Mann starken Reitertruppe (praefectus alae); dazu konnte seit dem 2. Jahrhundert noch das Kommando einer Reitertruppe von 1.000 Mann Stärke hinzukommen.328 Die besonders qualifizierten und ambitionierten Ritter konnten nachher als procurator Augusti die hohen Stellen in der Wirtschafts- und Finanzverwaltung des Reiches und auch die Statthalterschaft in einigen kleineren Provinzen erhalten.329 Die am ehesten Geeigneten unter ihnen wurden 327 Zur praefectura fabrum siehe B. Dobson, in: M. G. Jarrett – B. Dobson (Eds.), Britain and Rome. Essays to Eric Birley on his Sixtieth Birthday (Kendal 1966), 61 ff. Zur ritterlichen Laufbahn vgl. u. a. S. Demougin, in: Administration, Prosopography and Appointment Policies (Anm. 297), 24 ff. Ein Musterbeispiel für eine ritterliche Laufbahn ist der erst vorz kurzem bekannt gewordene cursus honorum des von der kleinen Mittelmeerinsel Cossura (Pantelleria) stammenden Ritters mit dem Namen Appuleius aus trajanischer Zeit, durch dessen Inschrift (AE 2005, 678) sogar ein bisher völlig unbekanntes prokuratorisches Amt, nämlich die sexagenare Prokuratur für die Verwaltung des Hafens von Puteoli und der von dort nach Rom weitergeleiteten Getreidelieferungen, nachgewiesen werden konnte, siehe G. Alföldy, ZPE 151, 2005, 193 ff. Neuerdings ist diese Prokuratur auch durch weitere Inschriften belegt, siehe dens., ZPE 2011 (im Druck). Zu den besonders wichtigen neugefundenen Inschriften römischer Ritter gehört auch die in Lavinium ans Tageslicht gekommene Inschrift des Prokurators Gaius Servilius Didorus u. a. mit der Nennung der Prokuratur der früher unbekannten Provinz Hispania superior unter Severus Alexander (AE 1998, 282), siehe darüber ausführlich G. Alföldy, Provincia Hispania superior (Heidelberg 2000, spanisch: A Coruña 2002). 328 Ritterliche Offiziere: E. Birley, Roman Britain and the Roman Army2 (Anm. 323), 133 ff.; ders., Carnuntum-Jahrb. 1957, 13 ff. = in: ders., The Roman Army (Anm. 298), 93 ff.; ders., in: Corolla memoriae E. Swoboda dedicata (Graz – Köln 1966), 54 ff. = in: ders., The Roman Army 147 ff.; G. Alföldy, Die Hilfstruppen der römischen Provinz Germania inferior (Düsseldorf 1968), 111 ff.; H. De vijver, De Aegypto et Exercitu Romano sive Prosopographia Militiarium Equestrium quae ab Augusto ad Gallienum seu statione seu origine ad Aegyptum pertinebant (Lovanii 1975); ders., The Equestrian Officers of the Roman Imperial Army I-II (Amsterdam 1989/92) (Sammlung von Studien des Autors). Prosopographisches Sammelwerk zu den ritterlichen Offizieren: H. Devijver, Prosopographia militiarum equestrium quae fuerunt ab Augusto ad Gallienum I–V mit Supplement (Leuven 1976/93) und Pars Sexta. Laterculi alarum – cohortium – legionum (Leuven 2001). Zur Herkunft der ritterlichen Offiziere siehe die Literatur in Anm. 324–325. Zur Patronage von Senatoren bei der Beförderung ritterlicher Offiziere siehe H. Devijver, in: L’ordre équestre. Histoire d’une aristocratie (Anm. 312), 237 ff. 329 Über die Prokuraturen grundlegend H.-G. Pflaum, Les procurateurs équestres sous le Haut-
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schließlich in den höchsten Hofämtern eingesetzt (besonders nachdem diese Ämter seit den Flaviern und vor allem seit Hadrian nicht mehr kaiserlichen Freigelassenen übertragen worden waren). Sie konnten nach den Stellen des Befehlshabers der stadtrömischen Feuerwehr (praefectus vigilum), des obersten Beamten mit Zuständigkeit für Getreidelieferungen nach Rom (praefectus annonae) und des Vizekönigs von Ägypten (praefectus Aegypti) die höchste ritterliche Dienststellung, diejenige des Prätorianerpräfekten (praefectus praetorio), erlangen.330 Nur die Ritter, die in den Staatsdienst gingen, bildeten einen »Beamtenadel«, während die Mehrheit der equites für diesen Dienst nicht herangezogen wurde, zumal es z. B. um die Mitte des 2. Jahrhunderts nur ungefähr 550 ritterliche Offiziersstellen und (unter Antoninus Pius) nur wenig mehr als 100 Prokuratorenstellen gab. Das bedeutete, dass der Ritterstand an der politischen Führung des Römischen Reiches nicht in dem Maße wie der Senatorenstand beteiligt war, dessen für den Konsulat nicht vorgesehene Mehrheit zumindest zu den niedrigeren senatorischen Ämtern Zugang fand. Aber die Ritter in den hohen Stellungen gehörten zusammen mit den führenden Senatoren zur Führungselite des Reiches, und der Prätorianerpräfekt war oft der zweite Mann im Staat. Die Funktionen, der Rang und die Privilegien der senatorischen und ritterlichen Führungskräfte waren voneinander kaum verschieden. Diese beiden Gruppen der militärisch-politischen Führungsschicht des Reiches erschienen auch im Urteil der römischen Gesellschaft kaum als zwei voneinander getrennte Eliten. Die Annäherung der beiden Stände wurde auch dadurch begünstigt, dass nicht wenige Ritter hohen Ranges in den Senatorenstand übernommen wurden.331 Die entscheidende Trennlinie in der sozialen und noch mehr in der politischen Hierarchie innerhalb der höchsten Gruppen der römischen Gesellschaft verlief somit nicht einfach zwischen Senatoren und Rittern, sondern zwischen den einzelnen Rangklassen innerhalb dieser beiden führenden ordines.
Empire romain (Paris 1950), Kurzfassung: ders., Abrégé des procurateurs équestres (Paris 1974), deutsch: RE XXIII, 1957, 1240 ff.; ders., Les carrières procuratoriennes équestres sous le Haut-Empire romain I–IV (Paris 1960/61), dazu Supplément (Paris 1982). Irreführend ist das Buch von L. Loreto, Il comando militare nelle province procuratorie 30 a.C. – 280 d.C. Dimensione militare e dimensione costituzionale (Napoli 2000); siehe darüber G. Alföldy, Gnomon 76, 2004, 184 ff. 330 Über die hohen Präfekturen siehe R. Sablayrolles, in: L’ordre équestre. Histoire d’une aristocratie (Anm. 312), 361 ff.; P. Eich, Zur Metamorphose des politischen Systems (Anm. 199), 159 ff.; über den Präfekten von Ägypten ausführlich A. Jördens, Statthalterliche Verwaltung (Anm. 305); über den praefectus annonae H. Pavis d’Escurac, La préfecture de l’annone. Service administratif impérial d’Auguste à Constantin (Paris – Roma 1976). Zur Stellung der Ritter in der Führungsschicht des Imperium Romanum siehe die Literatur in Anm. 218 und 312. 331 Vgl. u. a. B. Salway, in: Herrschaftsstrukturen und Herrschaftspraxis (Anm. 210), 115 ff.
die städtischen eliten: die ordines decurionum
Die städtischen Eliten: die Ordines decurionum Noch gemischter als der Ritterstand war die Elite der städtischen Gesellschaft.332 Im Gegensatz zum Senatorenstand und zum Ritterstand gab es für den Zusammenschluss der Angehörigen dieser Ranggruppe keine übergreifende Institution im ganzen Reich, keinen »Reichsstand«. Die Standesorganisation der städtischen Elite, in den römisch organisierten Gemeinden mit dem Namen ordo decurionum, bestand als selbständige Körperschaft in jeder einzelnen Stadt. Er fasste dort, in bewusster Trennung von der städtischen Plebs, die Ratsmitglieder und Magistrate zusammen (die im Folgenden gemeinsam »Dekurionen« genannt werden). Die Zugehörigkeit zu einem derartigen lokalen Ordo war grundsätzlich ebenso wenig erblich wie der ritterliche Rang; aufgenommen wurde in den Ordo derjenige reiche Bürger, der nach Erfüllung des 22. oder des 25. Lebensjahres oder etwas später durch die Ausübung städtischer Magistraturen – seit dem 2. Jahrhundert auch ohne die Bekleidung dieser Funktionen – für die Ratsmitgliedschaft (decurionatus) herangezogen wurde. Da die Söhne der Dekurionen jedoch deren Vermögen erbten, kam es schon in der Frühen Kaiserzeit häufig vor, dass Angehörige einer Familie mehrere Generationen hindurch zum ordo decurionum einer Stadt gehörten, und da sich zumindest im 2. Jahrhundert in den Städten kaum mehr umwälzende Umschichtungen (z. B. durch den Aufstieg von Freigelassenen) vollzogen, war der Dekurionat in der Praxis immer häufiger erblich, indem die Söhne der Dekurionen in den Ordo einbezogen wurden.333 Darum gab es im Laufe der Zeit immer mehr Dekurionen, die diesen Status besaßen, obwohl sie nie ein Amt bekleidet hatten. Der Ordo der einzelnen Städte zählte zumeist 100 Mitglieder. Nur selten wich man von dieser Regel ab, am ehesten noch im Osten, wo der Ältestenrat (gerousia) der größeren Städte auch mehrere Hunderte von Mitgliedern aufweisen konnte, ferner in ganz kleinen Städten, in denen keine 100 Mann zu finden waren, die die Kosten des Dekurionates hätten tragen können. So erwähnt die lex Irnitana, das Stadtgesetz des kleinen Municipiums Irni in der Provinz Baetica, nur 53 Ratsmitglieder.334 In einigen italischen Städten wie in Cures und Veii hießen aber die Dekurionen bezeichnenderweise centumviri (z. B. CIL IX 4959 = ILS 460 und CIL XI 3805 = ILS 6579). Im album decurionum der süditalischen Stadt Canusium aus dem Jahre 223 werden zwar 164 decuriones aufgezählt, aber ohne die 39 Ehrendekurionen aus dem Senatoren- und dem Ritterstand, die patroni der Gemeinde waren, 332 Zu den städtischen Eliten des Imperium Romanum im Allgemeinen siehe u. a. J. Gagé, Les classes sociales dans l’Empire romain (Anm. 182), 153 ff.; T. P. Wiseman, in: ders., Roman Studies, Literary and Historical (Liverpool 1987), 335 ff.; zu Rechtsfragen W. Langhammer, Die rechtliche und soziale Stellung der Magistratus Municipales und der Decuriones (Wiesbaden 1973). 333 Vgl. P. Garnsey, ANRW II 1 (Berlin – New York 1972), 241 ff. 334 Lex Irnitana, Kap. XXXI, siehe AE 1986, 333. Zu diesem Stadtgesetz siehe bes. J. González, JRS 76, 1986, 147 ff.
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und ohne die 25 Dekurionensöhne (praetextati) beträgt die Zahl der tatsächlichen Ratsmitglieder genau 100.335 Bei den rund 2.000 Städten im Römischen Reich wäre dementsprechend wahrscheinlich mit insgesamt 200.000 bis 250.000 Dekurionen zu rechnen. Im römischen Nordafrika betrug ihre Zahl nach Richard Duncan-Jones etwa 25.000, was etwa 2% aller erwachsenen Männer in den Städten entsprechen dürfte.336 Paradoxerweise führte die einheitliche Organisationsform der städtischen Eliten zu einer starken Heterogenität ihrer Zusammensetzung. Die Bedeutung und die Bevölkerungszahl der einzelnen Städte und demzufolge auch ihre Sozialstruktur wiesen oft erhebliche Unterschiede auf; dementsprechend war auch die tatsächliche soziale Position der zumeist jeweils 100 führenden Männer des ordo decurionum nach Vermögen, wirtschaftlicher Tätigkeit, Bildung und Herkunft von Stadt zu Stadt recht unterschiedlich.337 Das zeigt sich schon in der uneinheitlichen Festsetzung des 335 CIL IX 338 = ILS 6121 = M. Chelotti – M. Silvestrini, in: M. Chelotti – R. Gaeta – V. Morizio – M. Silvestrini, Le epigrafi romane di Canosa I (Bari 1985), 45 ff. Nr. 35. Siehe zu diesem epigraphischen Dokument ausführlich S. 237 mit Anm. 542. 336 R. Duncan-Jones, Papers of the British School at Rome 31, 1963, 159 ff.; vgl. dens., The Economy of the Roman Empire2 (Anm. 182), 283 ff. 337 Zu den Eliten italischer Städte siehe u. a. M. Cébeillac-Gervasoni, Les élites municipales de l’Italie péninsulaire de la morte de Caesar à la morte de Domitien entre continuité et rupture: classes sociales et pouvoir central (Paris – Roma 2000); P. Castrén, Ordo populusque Pompeianus. Polity and Society in Roman Pompeii (Roma 1975); H. Mouritsen, Elections, Magistrates and Municipal Élite. Studies in Pompeian Epigraphy (Roma 1988); vgl. auch M. L. Gordon, JRS 17, 1927, 165 ff. (ebenfalls über Pompeii); J. D’Arms, JRS 64, 1974, 104 ff. (Puteoli), dens., Amer. Journ. of Philol. 97, 1976, 387 ff. (Ostia), außerdem H. Mouritsen, JRS 95, 2005, 38 ff. (Selbstdarstellung der Eliten von Ostia und Pompei im Licht der Inschriften; im gleichen Atemzug werden hier auch die Freigelassenen mitbehandelt). Für Norditalien siehe St. Breuer, Stand und Status. Munizipale Oberschichten in Brixia und Verona (Bonn 1996). Zur Oberschicht der italischen Städte vgl. auch S. Demougin, Ancient Society 6, 1975, 143 ff. (iudices der stadtrömischen Dekurien aus den italischen Kolonien und Municipien). Über die ordines decurionum in Hispanien siehe die zusammenfassende Arbeit von L. Curchin, The Local Magistrates of Roman Spain (Toronto – Buffalo – London 1990); über die städtischen Eliten im nordöstlichen Teil Hispaniens G. Fabre – M. Mayer – I. Rodà, Mél. de l’École Fr. de Rome, Antiquité 102, 1990, 525 ff.; über Augusta Emerita J. C. Saquete, Las elites sociales de Augusta Emerita (Mérida 1996). Über die Eliten der hispanischen Städte Tarraco, Barcino und Saguntum siehe die vergleichende Studie von G. Alföldy, Gerión 2, 1984, 183 ff. = in: ders., Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 239 ff., wo die großen strukturellen Unterschiede einerseits in den beiden zuerst genannten Kolonien (zwischen denen auch erhebliche Unterschiede bestanden), andererseits dem stockkonservativen Municipium von Saguntum aufgezeigt wurden. Zu Tarraco siehe auch G. Alföldy, RE Suppl. XV, 1978, 620 ff. = ders., Tarraco (Tarragona 1991), 63 f. (in spanischer Sprache). Zu Mitgliedern des ordo decurionum zahlreicher Städte der Hispania citerior siehe dens., Flamines provinciae Hispaniae citerioris (Anm. 196), 20 ff. Städtische Eliten in den Tres Galliae: M. Dondin-Payre, in: Roman Rule and Civic Life: Local and Regional Perspective (Anm. 216), 357 ff. Über die Eliten in den Städten der nördlichen Provinzen siehe G. Rupprecht, Untersuchungen zum Dekurionenstand in den nordwestlichen Provinzen des Römischen Reiches (Kallmünz 1975); L. Mrozewicz, in: La mobilité sociale dans le monde romain (Anm. 323), 215 ff.; G. Alföldy, Noricum (Anm. 185), 117 ff. (Liste der bekannten Mitglieder der städtischen Eliten: 264 ff.); R. Wedenig, Epigraphische Quellen zur städtischen Administration in Noricum (Klagenfurt 1997); L. Mrozewicz, Eos 70, 1982, 299 ff. (Moesia inferior). Städtische Oberschichten in den griechischen Provinzen: H. W. Pleket, Münstersche Beiträge zur antiken Handelsgeschichte 3. l, 1994, 3 ff.;
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Mindestvermögens der Dekurionen. In vielen größeren und mittleren Städten wie in Karthago oder im oberitalischen Comum betrug der erforderliche Minimalcensus 100.000 Sesterzen. In weniger bedeutenden städtischen Gemeinden war er niedriger und lag in den kleinen afrikanischen Municipien nur bei 20.000 Sesterzen. Da in Africa im 2. Jahrhundert selbst ein Vermögen von 60.000 Sesterzen nur als bescheiden galt (Apul., Apol. 101), waren die Dekurionen zahlreicher Kleinstädte nur nach lokalen Maßstäben »reich«. Auch innerhalb einer Provinz konnte es zwischen den ordines einzelner Städte große Unterschiede geben. In Tarraco etwa, der reichen Hauptstadt der Provinz Hispania citerior, besaßen die meisten uns bekannten städtischen Würdenträger die ritterliche Vermögensqualifikation, und die Aufnahme in den Ordo dieser Stadt war für reiche Fremde – z. B. für Grundbesitzer aus dem Inneren des Landes und für Söhne oder weitere Nachkommen emporgestiegener Freigelassenen – gleichbedeutend mit sozialem Aufstieg.338 Dagegen gelangten die Dekurionen aus den kleineren Städten im hispanischen Binnenland nur selten in den ordo equester und konnten sich auch um das Amt des Provinzialoberpriesters in Tarraco erst seit der Regierungszeit Hadrians häufiger erfolgreich bewerben, als die Eliten der großen Städte an der Bekleidung dieses Amtes kaum mehr interessiert waren.339 Die meisten Dekurionen waren zwar überall Besitzer von Gütern auf den städtischen Territorien, wo sie – wie z. B. in Noricum oder in Pannonien oder in der Umgebung von Tarraco – häufig über Villen verfügten.340 Aber die Größe und auch die Rentabilität der einzelnen Güter konnten recht verschieden sein. So konnten die Ländereien der reichen
J. Bartels, Städtische Eliten im römischen Macedonien. Untersuchungen zur Formierung und Struktur (Berlin 2008); D. Geagan, The Athenian Elite. Romanization, Resistance and the Exercise of Power (Oxford 1997); F. Quass, Die Honoratiorenschicht in den Städten des griechischen Ostens. Untersuchungen zur politischen und sozialen Entwicklung in hellenistischer und römischer Zeit (Stuttgart 1993); E. Stephan, Honoratioren, Griechen, Polisbürger. Kollektive Identitäten innerhalb der Oberschicht des kaiserzeitlichen Kleinasien (Göttingen 2001); C. Schulte, Die Grammateis von Ephesos. Schreiberamt und Sozialstruktur in einer Provinzhauptstadt des römischen Kaiserreichs (Stuttgart 1994). 338 G. Alföldy, Gerión 2, 1984, 198 ff. = in: ders., Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 244 ff. Zu den Söhnen von Freigelassenen in den Dekurionenständen vgl. M. L. Gordon, JRS 21, 1931, 65 ff.; P. Garnsey, in: Essays in Honour of C. E. Stevens (Farnborough 1975), 167 ff. Ein gutes Beispiel für die Verhältnisse der Eliten in einer römischen Stadt bietet W. Eck, Köln in römischer Zeit. Geschichte einer Stadt im Rahmen des Imperium Romanum (Köln [2004]), 315 ff. 339 G. Alföldy, Flamines provinciae Hispaniae citerioris (Anm. 196), bes. 37 ff. und 58 f. Zu den municipalen Eliten kleinerer Städte im hispanischen Binnenland vgl. G. Alföldy, Römisches Städtewesen auf der Neukastilischen Hochebene (Anm. 235), 110 ff. 340 Zu den römischen Villen im Allgemeinen siehe F. Reutti, Die römische Villa (Darmstadt 1990). Besitztümer und Villen in Pannonien: A. Mócsy, RE Suppl. IX, 1962, 698 f. 714 und Pannonia and Upper Moesia (Anm. 236), 169 ff. Für die Geschichte einer reichen Dekurionenfamilie mit Villenbesitz in Pannonien bietet die Luxusvilla von Baláca mit den Grabinschriften von mehreren Generationen der Besitzer ein aufschlussreiches Beispiel: G. Alföldy, Balácai Közlemények 8, 2004, 23 ff. (AE 2003, 1352–1361 und Tituli Romani in Hungaria reperti 82–90b). Über die Besitztümer und Villen der Eliten von Tarraco auf dem ager Tarraconensis siehe D. Gorostidi, Les inscripciones romanes de l’Ager Tarraconensis amb una col.laboració de P. Berni Millet (Tarragona 2010).
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städtischen Bürger Galliens einen Umfang bis zum 10 km.2 erreichen, während die Güter der reichsten Dekurionen von Aquincum höchstens 3 bis 4 km.2 umfassten und auf dem Territorium vieler Städte noch entschieden kleiner waren.341 Zwischen den einzelnen ordines decurionum bestanden auch noch zahlreiche weitere Unterschiede. In großen Handelszentren wie z. B. in Ostia, Aquileia oder Salona gab es unter den Dekurionen auch viele Kaufleute und Unternehmer.342 In größeren Städten war der Ordo oft auch in anderer Hinsicht stark gemischt. So bestand er beispielsweise in Salona – entsprechend der Bevölkerungsstruktur dieser Kolonie – aus den Nachkommen der frühen italischen Siedler, Veteranen, den Nachkommen reicher Freigelassener, immer wieder neu zuströmenden Einwanderern aus Italien und mehreren Provinzen und zugewanderten Einheimischen aus dem dalmatinischen Bergland.343 Demgegenüber waren z. B. in Aquincum die uns bekannten Dekurionen im 2. Jahrhundert romanisierte Kelten;344 in den kleinen pannonischen wie auch in den innerdalmatinischen Municipien waren sie ebenfalls Einheimische, oft nur verhältnismäßig wohlhabende Bauern, die hinter den Dekurionen der großen Städte nicht nur im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Lage, sondern auch angesichts ihrer politischen Beziehungen und ihres Bildungsstandes weit zurückblieben.345 In der Regel war nicht einmal der ordo decurionum ein und derselben Stadt homogen, nicht nur deshalb, weil die Schicht der Reichen wie etwa in Salona schon durch Herkunft und Beruf gemischt war. Analog der sozialen Hierarchie innerhalb des Senatoren- und des Ritterstandes wies oft auch der Ordo der einzelnen Städte eine innere Schichtung auf, in steigendem Maße ungefähr seit dem Beginn des 2. Jahrhunderts, als viele Dekurionen allmählich mit finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert wurden und immer weniger in der Lage waren, die Lasten ihrer Standeszugehörigkeit zu tragen.346 So wurde bereits unter Hadrian ein Unterschied zwischen den primores viri und den inferiores innerhalb des Ordo einer Stadt wie in Clazomenai in Kleinasien registriert (Dig. 50,7,5,5). Aber schon früher gab es in vielen Städten einzelne herausragende Familien, die ihre Standesgenossen überflügelten, da ihre Angehörigen unverhältnismäßig häufig die städtischen Magistraturen 341 Zu den Besitzgrößen siehe die Literatur in G. Alföldy, Noricum (Anm. 185), 321 mit Anm. 113. 342 Über das Interesse lokaler Eliten für das Handelswesen siehe A. Wallace-Hadrill, in: J. Rich – A. Wallace-Hadrill (Eds.), City and Country in the Ancient World (London – New York 1991), 241 ff. Zur Wirtschaftsmentalität städtischer Eliten am Beispiel der Familie der afrikanischen Aemilia Pudentilla siehe A. Gutsfeld, KIio 74, 1992, 250 ff. 343 G. Alföldy, Bevölkerung und Gesellschaft der römischen Provinz Dalmatien (Anm. 236), 108 ff. Städtische Eliten in Dalmatien im Allgemeinen: J. J. Wilkes, Dalmatia (Anm. 236), 297 ff. 344 A. Mócsy, Die Bevölkerung von Pannonien (Anm. 236), 70 f. 345 Es ist aufschlussreich, dass es in einigen pannonischen Kleinstädten auch das Amt des scriba zur municipalen Laufbahn gehörte – wohl deshalb, weil die meisten Mitglieder des ordo decurionum schreibunkundig waren. Siehe dazu A. Mócsy, Archaeologiai ’Értesíto˝ 91, 1964, 16 f.; zu den städtischen scribae in dieser Provinz vgl. auch G. Alföldy, Epigraphica 26, 1964 (1965), 95 ff. 346 P. Garnsey, ANRW II 1 (Berlin – New York 1972), 229 ff.
die städtischen eliten: die ordines decurionum
bekleideten, sich u. a. durch großzügige Stiftungen und Spenden auszeichneten und nicht selten in den Ritterstand, manchmal sogar in den Senatorenstand aufgenommen wurden. Eine solche Familie war in der Frühen Kaiserzeit – bis in das 2. Jahrhundert – im hispanischen Saguntum diejenige der Baebii, aus der auch Personen ritterlichen und senatorischen Ranges emporstiegen.347 Vor allem im 2. Jahrhundert sind derartige Familien oft nachzuweisen, so z. B. die Valerii im pannonischen Poetovio, eine Familie, die auch mehrere Ritter und bezeichnenderweise auch einen der frühesten pannonischen Senator hervorbrachte.348 Wenn die einzelnen ordines decurionum in den vielen und teilweise recht verschiedenartig strukturierten Gemeinden im Römischen Reich trotz aller Unterschiede auch wichtige gemeinsame Merkmale aufwiesen, dann angesichts der gemeinsamen Rechte und Pflichten und der daraus folgenden einheitlichen Funktionen ihrer Angehörigen in den verschiedenen Städten. Nicht nur die strafrechtlichen Privilegien der decuriones waren einheitlich, sondern auch ihre Aufgabe, die Selbstverwaltung der Städte in der Justiz, im Finanzwesen, in der Versorgung mit Lebensmitteln, in der Bautätigkeit und in der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zu gewährleisten. Diese Aufgabe wurde einerseits durch die Beschlüsse der Dekurionen als Gemeinderat erfüllt, anderereits durch die Tätigkeit der Magistrate, die zumindest in der Frühen Kaiserzeit grundsätzlich gerade auf diesem Weg in den ordo decurionum gelangten. So eröffnete sich auch für die Angehörigen dieser Eliten die Möglichkeit für eine standesspezifische Ämterlaufbahn. Im Normalfall war ein Dekurio zuerst aedilis und dann duumvir (in zahlreichen Städten mit dem Titel quattuorvir aedilicia potestate bzw. quattuorvir iure dicundo), d. h. Vizebürgermeister und danach Bürgermeister für jeweils ein Jahr. Er konnte jedoch auch weitere Ämter übernehmen wie die städtische Quästur für die Verwaltung der städtischen Finanzen, die in zahlreichen Städten das niedrigste, z. B. in Tarraco jedoch eine hohes Amt, in Saguntum das höchste Amt der Stadtverwaltung war;349 er konnte entweder als duumvir iterum (eventuell sogar als duumvir tertium usw.) oder als duumvir quinquennalis, der jedes fünfte Jahr für den Census der Stadtbürger verantwortlich war, auch wiederholt als Bürgermeister fungieren und außerdem municipale Priesterämter – wie vor allem das Flaminat für die Pflege des Kultes eines Herrschers oder aller Herrscherr – bekleiden.350 Ebenso wichtig war auch die gemeinnützige wirtschaftliche Funktion der Dekurionen. Sie bezahlten – zusammen mit den reichen Freigelassenen – die meisten 347 G. Alföldy, Los Baebii de Saguntum (Valencia 1977) (spanisch und deutsch). 348 G. Alföldy, Arheološki Vestnik 15/16, 1964/65, 137 ff. 349 G. Alföldy, Gerión 2, 1984, 198 ff. und 212 ff. = in: ders., Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 244 f. und 258 ff. 350 Zu den städtischen Ämtern vgl. bes. W. Liebenam, Städteverwaltung in römischen Kaiserreiche (Leipzig 1900); F. F. Abbott – A. C. Johnson, Municipal Administration in the Roman Empire (Princeton 1926), ferner A. K. Bowman, The Town Councils of Roman Egypt (Toronto 1971). Zum städtischen Flaminat siehe u. a. M. S. Bassignano, Il flaminato nelle province romane dell’Africa (Roma 1974).
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öffentlichen Ausgaben der Städte. So wurde von einem Dekurionen erwartet, dass er der Gemeinde eine Geldsumme für seinen Rang zahlte (summa honoraria) oder die Kosten für die Errichtung öffentlicher Bauwerke übernahm. Das Gleiche galt auch für die Verleihung des Ehrenamtes der städtischen Priester, das z. B. in der afrikanischen Stadt Mustis 5.000 Sesterzen kostete, wobei reiche Bewerber auch die doppelte Summe bezahlten.351 In den übrigen afrikanischen Städten betrug der Preis einzelner Ämter zumeist eine Summe zwischen 2.000 und 20.000 Sesterzen.352 Reiche städtische Würdenträger brachten nicht selten erheblich höhere Summen auf und glänzten auch durch häufige Wohltätigkeit. Oft bezahlten sie die Kosten für öffentliche Bauwerke, veranstalteten Spiele oder besorgten Lebensmittel für ihre ärmeren Mitbürger.353 Ein Aulus Quinctilius Priscus z. B., der im italischen Ferentinum eine städtische Ämterlaufbahn durchlief, stellte seine Grundstücke im Wert von 70.000 Sesterzen der Gemeinde zur Verfügung und stiftete aus dem jährlichen Gewinn dieser Güter Lebensmittel (CIL X 5853 = ILS 6271). Doch war diese munificentia im Vergleich mit nicht wenigen sehr kostspieligen Aufwendungen durch andere Mitglieder des Dekurionenstandes noch immer bescheiden. Ein Dekurio orientalischer Herkunft, Gaius Domitius Zmaragdus, finanzierte im 2. Jahrhundert im Municipium von Carnuntum die Errichtung des Amphitheaters aus eigener Tasche (CIL III 14359,2 = ILS 7121), und die Summe von rund zweieinhalb Millionen Sesterzen, die der berühmte Opramoas aus Rhodiapolis, nicht eimal römischer Bürger, in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts für die Städte Lykiens aufbrachte, entsprach der Freigebigkeit reicher Senatoren und Ritter.354
351 Siehe AE 1968, 586. 588. 591. 595. 599. 352 Zu diesem System siehe R. Duncan-Jones, Papers of the British School at Rome 30, 1962, 65 ff.; dens., The Economy of the Roman Empire2 (Anm. 182), 82 ff.; M. Leglay, in: Akte des IV. Internat. Kongresses für griechische und lateinische Epigraphik 1962 (Wien 1964), 224 ff.; P. Garnsey, JRS 61, 1971, 116 ff.; dens., Historia 20, 1971, 309 ff. 353 Siehe bes. St. Mrozek, in: H. Kloft, (Hrsg.), Sozialmaßnahmen und Fürsorge (Anm. 145), 155 ff. (privater Euergetismus); H. Kloft, Astadt 22, 1995, 82 ff. (städtischer Euergetismus). Zu diesem System der Munifizenz in den Städten siehe B. Laum, Stiftungen in der griechischen und römischen Antike I–II (Berlin 1914); hierzu und zur Finanzierung der Städte im Allgemeinen die verschiedenen Beiträge in: Auctores varii, Il capitolo delle entrate nelle finanze municipali in Occidente ed in Oriente. Actes de la Xe Rencontre franco-italienne sur l’épigraphie du monde romain, Rome, 27–29 mai 1996 (Paris – Roma 1999); zum Euergetismus zusammenfassend F. Jacques – J. Scheid, Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit (Anm. 182), 353 ff.; zuletzt K. M. Coleman, in: Social Relations in the Roman World (Anm. 182), 343 ff. Vgl. außerdem H. Galsterer, Atti dell’Accademia Roveretana degli Agiati, 7° ser. 8 A (2) Nr. 248, 1998, 75 ff. Zu den Leistungen der städtischen Eliten in Italien vgl. J. Andreau, Ktema 2, 1977, 157 ff.; B. Goffin, Euergetismus in Oberitalien (Bonn 2002); G. Wesch-Klein, G., Liberalitas in rem publicam. Private Aufwendungen zugunsten von Gemeinden im römischen Afrika bis 284 n. Chr. (Bonn 1990); E. Frézouls, in: Nourrir la plèbe (Anm. 214) 1 ff. (Euergetismus im römischen Kleinasien); F. Oertel, Die Liturgie (Leipzig 1917). 354 IGRR III 739; siehe ausführlich Ch. Kokkinia, Die Opramoas-Inschrift von Rhodiapolis. Euergetismus und soziale Elite in Lykien (Bonn 2000). Zur Aktivität von Senatoren zugunsten der Städte siehe W. Eck, in: W. Eck – H. Galsterer – H. Wolff, Studien zur antiken Sozialgeschichte. Festschrift F. Vittinghoff (Köln – Wien 1980), 283 ff.
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Im 1. Jahrhundert beruhte dieses System der Leitourgie und die Übernahme öffentlicher Funktionen in den Städten, d. h. der munera publica, im Großen und Ganzen auf der Basis der Freiwilligkeit, da vor allem das aufblühende Wirtschaftsleben in den vielen neu gegründeten Städten den Mitgliedern der lokalen Oberschicht oft glänzende finanzielle Möglichkeiten sicherte. Als jedoch ungefähr seit der Regierungszeit Hadrians die inferiores unter den Dekurionen zu derartigen Aufwendungen immer weniger fähig waren, begann eine Entwicklung, die zur wachsenden staatlichen Reglementierung des Leitourgiesystems führte – mit der Konsequenz, dass der Dekurionat für manche Reiche eine Last zu werden begann.355 Bereits in der Antoninenzeit zeichnete sich diese Tendenz deutlich ab. Sie zeigt sich am ehesten in den wiederholten Anträgen von Stadteinwohnern und von Provinziallandtagen, die um die Befreiung von den Lasten ersuchten. Wirklich schwerwiegende Folgen ergaben sich aus dieser Entwicklung jedoch erst nach der Regierungszeit Mark Aurels. Im Ganzen gesehen waren aber die städtischen Eliten in der Prinzipatsepoche durchaus in der Lage, ihre für das Imperium hochwichtige wirtschaftliche Funktion zu erfüllen. Zugleich bildeten sie auch durch ihre politischen Funktionen das Rückgrat des römischen Herrschaftssystems: Ihre Mitglieder entlasteten durch die Übernahme der Gemeindeverwaltung den Staat; außerdem trugen sie als gemeinsame Oberschicht der Städte und der städtischen Territorien, trotz aller ethnischen und sozialen Unterschiede, als Vertreter der römischen Ideale und Sitten356 sehr wesentlich dazu bei, dass die Einheit des Imperium Romanum gewahrt werden konnte. Weitere städtische Eliten und hochgestellte Gruppen: Seviri Augustales und weitere reiche Liberti, Familia Caesaris Nicht zu derselben kommunale Elite wie die Dekurionen gehörte eine andere, ebenfalls reiche soziale Schicht in den Städten, die im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage ihrer Angehörigen und auf die sehr häufige Auszeichnung mit dem honos des Priesteramtes der seviri Augustales für die Pflege des Herrscherkultes zu den Oberschichten der römischen Gesellschaft zu zählen ist, nämlich die Spitzengruppe der reichen und dementsprechend auch angesehenenen Freigelassenen.357 Sie führten, 355 Zu den munera publica in der Kaiserzeit vgl. u. a. H. Horstkotte, ZPE 111, 1996, 233 ff. Vgl. N. Lewis, Leitourgia Papyri. Documents on Compulsory Public Service in Egypt under Roman Rule (Philadelphia 1963). 356 Vgl. hierzu E. P. Forbis, Municipal Virtues in the Roman Empire. The Evidence of ltalian Honorary Inscriptions (Stuttgart 1996), außerdem J. Huskinson, in: dies. (Ed.), Experiencing Rome. Culture, Identity and Power (Anm. 258), 95 ff. 357 Über die reichen liberti vgl. bes. A. M. Duff, Freedmen in the Roman Empire2 (Cambridge 1958), 69 ff. und 124 ff., ferner G. Fabre, in: Actes du Colloque 1973 sur l’esclavage (Paris 1976) 417 ff. (liberti in den Städten der Iberischen Halbinsel). Über die Augustalen siehe ausführlich R. Duthoy, Epigraphica 36, 1974 (1975), 134 ff. (soziale Bedeutung der Augustalität); dens., Epigr. Studien 11, 1976, 143 ff. (Verbreitung der Augustalität); dens., ANRW II 16, 2 (Berlin – New York 1978), 1254 ff. (allgemeiner Überblick). Zur Entstehung der Augustalität vgl. P. Kneissl, Chiron 10, 1980, 291 ff. Seviri
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entsprechend ihrer Organisation in einem Sechs-Männer-Kollegium mit jährlich wechselnder Zusammensetzung und ihren Aufgaben in der Pflege des Kaiserkultes, zumeist den Titel sevir Augustalis oder nur die Bezeichnung sevir bzw. Augustalis (manchmal mit verschiedenen weiteren Zusätzen). Angesichts des Makels ihrer unfreien Herkunft, die die seviri Augustales trotz des Aufstiegs in den Kreis der honesti nie ganz ablegten, konnten selbst die reichsten Freigelassenen nur in wenigen Ausnahmefällen in den ordo decurionum einer Stadt eintreten.358 nicht selten kam es jedoch vor, dass sie für ihre Verdienste mit den äußeren Amtszeichen eines Dekurionen (ornamenta decurionalia) ausgezeichnet wurden, ohne dass sie dadurch Mitglieder des ordo decurionum geworden wären.359 Manchmal konnten aber reiche Freigelassene sogar in den Ritterstand aufsteigen.360 Die Augustalen besaßen jedenfalls ähnlich wie städtischen Dekurionen das gehobene Sozialprestige, den honos. Davon zeugen die Inschriften, die sie ob honorem seviratus, aus dem Anlass der Aufnahme in die Augustalenkörperschaft, normalerweise römischen Staatsgöttern stifteten.361 Somit zählten sie in der Gesellschaft zu den honesti und sind dementsprechend nicht mit mehreren Forschern als eine »Mittelschicht«, sondern als Teil der Eliten zu betrachten.362 Sie bildeten in den Städten eine eigene Körperschaft, die innerhalb der Gesellschaft der Kommune neben dem ordo decurionum ebenso einen »zweiten Stand« darstellte wie der Ritterstand neben dem Senatorenstand in der Gesellschaft Augustales in Hispanien: J. M. Serrano Delgado, Status y promoción social de los libertos en Hispania Romana (Sevilla 1988) (dort auch über die Freigelassenen im Allgemeinen); I. Arrizabalaga Lafuente, Hispania Antiqua 18, 1994, 251 ff.; in Pannonien: G. Alföldy, Acta Ant. Hung. 6, 1958, 433 ff. 358 Die Bedeutung dieser Ergänzungsmöglichkeit der Dekurionenstände wird von P. López Barja de Quiroga, Historia 66, 1995, 328 ff. überschätzt; siehe dagegen auch W. Eck, in: L’orde équestre. Histoire d’une aristocratie (Anm. 312), 16. 359 G. L. Gregori, in: A. Sartori – A. Valvo (Eds.), Ceti medi in Cisalpina. Atti del colloquio internazionale 14–16 settembre 2000 Milano (Milano 2002), 37 ff. behandelt die durch norditalische Inschriften bezeugten führenden Freigelassenen, die mit den ornamenta decurionalia ausgezeichnet wurden, als »ceti medi«; vgl. aber dazu Anm. 362. 360 Siehe S. 164 mit Anm. 318. 361 Siehe etwa für Hispanien G. Alföldy, Revista de la Universidad Complutense 19, 1979 (1981), 195 ff.; die dort erwähnten Inschriften finden sich jetzt unter Inscriptions romaines de Catalogne I 31 (Ausa) und IV 1. 10. 11. 17 (Barcino) sowie CIL2/14, 785 (Dertosa). 362 A. Abramenko, Die munizipale Mittelschicht im kaiserzeitlichen ltalien. Zu einem neuen Verständnis von Sevirat und Augustalität (Frankfurt am Main – Berlin – Bern 1993) zählt die seviri Augustales nicht zu der Oberschicht der Städte, sondern erblickt in ihnen eine »Mittelschicht«. Ihm folgen die Autoren des Sammelbandes Ceti medi in Cisalpina (Anm. 359), die die seviri Augustales verschiedener norditalischer Städte als »ceti medi« behandeln. Ich halte die Verwendung der Begiffe »Mittelschicht« oder »ceti medi« für diese soziale Schicht, deren Angehörige ebenso über honos verfügten und ebenso ständisch organisiert waren wie die Dekurionen, für ähnlich unbegründet wie andererseits auch die oben (Anm. 79) erwähnte Paraphrasierung des römischen Ritterstandes als »middle class«. Siehe hierzu ausführlicher S. 204 f. Es sei hier angemerkt, dass die seviri Augustales von F. Vittinghoff, Hist. Zeitschr. 230, 1980, 46 = in: ders., Civitas Romana (Anm. 235), 265 als »Ersatzorganisation für den Dekurionenrat«, von St. Breuer, Stand und Status (Anm. 337), 33 f. und 63 ff. als »erweiterte städtische Oberschicht«, von W. Eck, Köln in römischer Zeit (Anm. 338), 344 ff. als eine »Hilfselite« bezeichnet und somit jedenfalls nicht als »Mittelschicht« angesehen werden.
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des Imperiums. Ihr Verband wurde gelegentlich wie z. B. in Ostia (CIL XIV 373 = ILS 6141, CIL XIV 367 = 6164) ausdrücklich als ordo Augustalium, in Tarraco als corpus sevirorum Augustalium (CIL II2/14, 1237) bezeichnet, woraus hervorgeht, dass sie tatsächlich als eine ständische oder zumindest standesähnliche Organisation galten. Man sah manchmal sogar in der gesamten Statusgruppe der Freigelassenen eine standesähnliche Organisation, die gelegentlich als libertinus ordo bezeichnet wurde.363 Solche Verbände fehlten nur in den kleinen Agrarstädten, in denen es kaum reiche liberti gab.364 Hie und da waren in derartigen Körperschaften auch ingenui (unter ihnen oft Söhne von Freigelassenen) zusammengefasst, aber zumindest in den größeren Städten entsprach der Augustalis als reicher Parvenu unfreier Herkunft dem sozialen Typus Trimalchios, dem Petronius mit seinem Roman ein bleibendes Denkmal gesetzt hat.365 Das elitäre Selbstbewusstsein dieser sozialen Schicht kommt nicht zuletzt durch die nicht selten üppige Ausstattung ihrer Grabdenkmäler zum Ausdruck,366 sondern auch durch die vielen Votivdenkmäler, die die seviri Augustales anlässlich des Erhaltes dieser Ehre (ob honorem seviratus) vor allem den römischen Staatsgöttern widmeten, um ihre Hingabe zur römischen Staatsreligion zu dokumentieren.367 Nicht zufällig fügten sie zu den Götternamen oft auch den Beinamen Augustus bzw. Augusta hinzu, was zum Ausdruck bringen sollte, dass diese Gottheiten untrennbar waren von der Göttlichkeit der Herrscher Roms, deren Kult die seviri Augustales – neben der vornehmen flamines aus dem ordo decurionum – im Namen der Aufsteiger aus dem Sklavenstand zu pflegen hatten,368 wie dies auch ihre Benennung Augustalis zeigt. Welch hohes Ansehen manche dieser Freigelassenen besaßen, verdeutlicht am besten der Fall des Lucius Licinius Secundus, libertus und Vertrauter des mächtigen hispanischen Senators Lucius Licinius Sura, des dreifachen Konsuls (das dritte Mal im Jahre 107): Nicht weniger als 23 Postamente von Ehrenstatuen sind uns erhalten, die in Barcino von hispanischen Stadtgemeinden, weiteren Perso363 So Cic., Verr. 2,3,184; Liv. 42,27,3, 45,15,3 und 45,4,10, siehe auch Cic., Phil. 2,3 über die Freigelassenen als infimus ordo. 364 So sind derartige Verbände unbekannt beispielsweise in den kleinen Städten Pannoniens und des hispanischen Binnenlandes (doch kommen sie vereinzelt sogar dort vor, siehe G. Alföldy, ZPE 27, 1977, 222 ff.). Aber für das stockkonservative Stadt Saguntum (vgl. Anm. 337) ist es kennzeichnend, dass dort die Aristokratie es ihren vielen Freigelassenen untersagt hat, einen Verband von seviri Augustales zu konstituieren, siehe G. Alföldy, Gerión 2, 1984, 221 = in: ders., Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 267. 365 Zu Trimalchios Figur siehe die Literatur in Anm. 189. 366 P. Zanker, Jahrb. d. Deutschen Arch. Inst. 80, 1975 (1976), 267 ff. Zur Selbstdarstellung der emporgestiegenen Freigelassenen siehe auch H. Mouritsen, JRS 95, 2005, 55 ff. 367 Siehe hierzu für Hispanien die Literatur in Anm. 361, für Norditalien G. Alföldy, Römische Statuen in Venetia et Histria. Epigraphische Quellen (Heidelberg 1984), 47 ff., wo nicht weniger als 22 solche Weihinschriften erfasst wurden. 368 Zum Gebrauch und zum Sinn des auch in den Inschriften anderer Dedikanten vorkommenden Götterbeinamens Augustus/Augusta siehe S. Panciera, in: The Representation and Perception of Roman Imperial Power (Anm. 198), 215 ff. = in: ders., Epigrafi, epigrafia, epigrafisti (Anm. 170), 521 ff.
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nenverbänden oder von Freunden und Klienten diesem Secundus dediziert wurden, der sowohl in Barcino als auch in der benachbarten Provinzhauptstadt Tarraco sevir Augustalis war.369 Wir kennen niemanden im Römischen Reich, nicht einmal einen Kaiser, der an ein und demselben Ort mit einer solchen Masse von Monumenten geehrt worden wäre. Die Finanzquellen dieser Kreise lagen sehr häufig im Handel, im Bankwesen und in der handwerklichen Produktion, doch auch im Grundbesitz. Übrigens legten auch diese Reichen ihre Gewinne in der Regel in Grund und Boden an, so dass sie häufig ebenso eine Grundbesitzerschicht der städtischen Territorien bildeten wie die Dekurionen. Die wirtschaftlichen Aufgaben dieser Freigelassenen unterschieden sich kaum von denjenigen der Dekurionen. Durch die Zahlung einer Geldsumme oder durch die Errichtung von Kultstatuen für die Aufnahme unter die Augustalen oder für andere Ehrungen, ferner durch die Finanzierung öffentlicher Bauarbeiten und Einrichtungen brachten sie einen bedeutenden Teil jener Aufwendungen auf, die für den Ausbau der Städte und für die Versorgung ihrer Bevölkerung erforderlich waren. Publius Decimius Eros Merula z. B., der reiche Arzt unfreier Herkunft in Asisium, zahlte dieser Stadt 2.000 Sesterzen für die Mitgliedschaft in der Organisation der vermögenden liberti und stiftete noch weitere 67.000 Sesterzen für die Errichtung von Statuen und die Pflasterung von Straßen.370 Andere Freigelassene konnten für öffentliche Zwecke auch erheblich höhere Summen bereitstellen, die, zumindest in der früheren Kaiserzeit, die Aufwendungen der Dekurionen nicht selten übertrafen. Die wirtschaftliche Blüte vieler Städte in dieser Epoche war zu einem guten Teil dieser sozialen Schicht zu verdanken. Im 2. Jahrhundert nahm ihre Bedeutung im Zuge des Rückganges der Sklaverei jedoch merklich ab. Das führte zu einer stärkeren Belastung der Dekurionen und darüber hinaus zu wachsenden finanziellen Schwierigkeiten in den Städten. Der Lage der reichen Freigelassenen der Städte war in mehrfacher Hinsicht diejenige der kaiserlichen Sklaven und Freigelassenen ähnlich, die die familia Caesaris bildeten.371 Sie litten zwar unter dem Makel der Unfreiheit und waren aus dem Kreis der honesti ausgeschlossen; die Adligen begegneten ihnen oft mit Verachtung oder sogar mit Hass.372 Angesichts ihrer guten wirtschaftlichen Verhältnisse und ihrer Machtstellung können aber auch sie im Ganzen genommen, trotz der 369 Inscriptions romaines de Catalogne IV 83–104, siehe noch ebd. I 125 (wohl aus Barcelona verschleppt). Vgl. bes. I. Rodà, Pyrenae 6, 1970, 167 ff. Wenn irgendwo, so hier kann man beim besten Willen nicht von einem Repräsentanten der »Mittelschichten« reden. 370 Siehe Anm. 266. 371 Zusammenfassend G. Boulvert, Esclaves et affranchis impériaux sous le Haut-Empire romain (Napoli 1970); ders., Domestique et fonctionnaire sous le Haut-Empire romain. La condition de l’affranchi et de l’esclave du prince (Paris 1974); P. R. C. Weaver, Familia Caesaris. A Social Study of the Emperor’s Freedmen and Slaves (Cambridge 1972). Kaiserliche Sklaven in Ägypten: I. Biežun´skaMałowist, in: M. Capozza (Ed.), Schiavitù, manomissione e classi dipendenti nel mondo antico (Roma 1979), 175 ff. 372 Siehe etwa die Ausfälle von Plinius gegen Pallas, S. 179.
städtische unterschichten
unterschiedlichen Rangstellung der einzelnen Angehörigen dieser Statusgruppe von den Vorstehern von Verwaltungsbüros bis zu den subalternen Verwaltungsfunktionären, in einem gewissen Sinne zu den höheren sozialen Schichten im Römischen Reich gezählt werden. Manche Freigelassene der Herrscher besaßen jedenfalls mehr Macht und Einfluss als führende Senatoren, so die berühmte und berüchtigte Trias der mächtigsten liberti am kaiserlichen Hof unter Kaiser Claudius, die die Lenkung der römischen Politik weitgehend in ihrer Hand hatte, nämlich der kaiserliche Generalsekretär (ab epistulis) Narcissus, der für Petitionen zuständige Kanzleichef (a libellis) Callistus und der Finanzsekretär (a rationibus) Pallas. Durch ihre Tätigkeit in den städtischen Zentren der Provinzverwaltung gehörten die kaiserlichen Sklaven und Freigelassenen in den Provinzhauptstädten und auch in anderen Zentren der Provinzialadministration zur gehobenen Bevölkerung der Städte, auch wenn sie mit den Gemeinden durch keine institutionellen Bindungen verbunden waren. Ihr Vermögen erlaubte es allerdings auch ihnen, die Städte finanziell zu unterstützen. Publius Aelius Onesimus etwa, ein Freigelassener Hadrians, stiftete seiner Heimatstadt Nacolea in Kleinasien für die Beschaffung von Getreide 200.000 Sesterzen.373 Für die finanziellen Kräfte derartiger Kreise ist es bezeichnend, dass Onesimus bei dieser Spende ausdrücklich auf die Bescheidenheit seiner Mittel (mediocritas) hinwies. Wie sehr sich die soziale Stellung dieser liberti und servi von derjenigen der gewöhnlichen Freigelassenen und Sklaven unterschied, zeigt sich auch darin, dass sie häufig Frauen freier Herkunft heiraten konnten. Ihr Dienst um die Person des Herrschers, in den zentralen Kanzleien der Reichsverwaltung am kaiserlichen Hof, ferner in den Büros der Provinzhauptstädte und der kaiserlichen Güter sicherte ihnen auch ein gewisses Ansehen. Aber das Stigma der unfreien Herkunft setzte auch für sie ähnliche Grenzen wie für die reichen Freigelassenen der Städte. Trotz größter Verdienste, trotz Macht und Reichtum konnten sie in den Ritterstand nur ganz in wenigen Ausnahmefällen und in den Senatorenstand überhaupt nicht eintreten. Dies galt sogar für die Spitze der familia Caesaris. Selbst Pallas, der es sich leisten konnte, die für seine Verdienste vom Senat angebotenen 15,000.000 Sesterzen mit einer von Plinius als unerträglich arrogant empfundenen Geste zurückzuweisen, erhielt nur die äußeren Rangabzeichen eines Prätors, ohne in den römischen Senatorenstand aufgenommen worden zu sein (Plin., Ep. 8,6,1 ff.). Städtische Unterschichten Die soziale Zusammensetzung der niederen Bevölkerungsschichten im Römischen Weltreich war noch viel heterogener als diejenige der Oberschichten. Das ergab sich vor allem aus der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Vielfalt der einzelnen Reichsteile. Zwar hatte diese Vielfalt auch für die Struktur der führenden Schichten 373 CIL III 6998 = ILS 7196 = Monumenta Asiae Minoris Antiqua V 202 = R. A. Kearsley, Greeks and Romans in Imperial Asia. Mixed Language Inscriptions (Bonn 2001), 97.
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wichtige Folgen, doch waren deren Mitglieder zumeist in Standesorganisationen oder in standesähnlichen Verbänden zusammengefasst und dort in den einzelnen Rangstufen durch einheitliche Standesmerkmale ausgewiesen. Ein Integrationsprozess vollzog sich während der Kaiserzeit auch bei den Unterschichten des Weltreiches, doch konnte er – hauptsächlich in den ländlichen Gebieten – nie dieselbe Wirkung wie in den höheren Rängen der römischen Gesellschaft erzielen. So gab es etwa zwischen italischen, afrikanischen oder pannonischen Dekurionen um die Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert höchstens graduelle Unterschiede angesichts ihrer Zahl, ihres Reichtums oder auch ihrer Kultur; aber während die Landbevölkerung Italiens um diese Zeit noch viele Sklaven umfasste, bestand sie im römischen Nordafrika bereits zu einem bedeutenden Teil aus Kolonen, in Pannonien dagegen vorwiegend aus unabhängigen Bauern. Auch waren die Unterschichten nicht nach ebenso klaren hierarchischen Merkmalen wie die Oberschichten gegliedert. Eindeutig waren nur jene Grenzen, die nicht horizontal wie z. B. zwischen Senatoren, Rittern und Dekurionen ohne ritterlichen Rang, sondern vertikal verliefen. Zunächst gab es eine unschwer erkennbare Trennung zwischen der plebs urbana und der plebs rustica,374 gegeben durch Unterschiede zwischen der Stadt- und Landbevölkerung in Wohnort, Beruf, wirtschaftlicher Aktivität, Lebensart, Aufstiegschancen, Kultur, Traditionen, Sitten. Sie war umso augenscheinlicher, als sie einen Gegensatz zur Struktur der Oberschichten darstellte, die keine derartige Trennung aufwies. Schon in den Begriffen urbanitas und rusticitas kam die allgemeine Auffassung über das unterschiedliche Kulturniveau von Stadt- und Landeinwohnern deutlich zum Ausdruck. Strabo teilte die Bevölkerung der römischen Welt in Einwohner der Städte und des Landes und noch in eine Zwischenkategorie (13,1,25); Galenos erblickte zwischen den gut versorgten Stadtbewohnern und der benachteiligten Landbevölkerung einen erheblichen sozialen Unterschied (6,749 f.). Klar definiert war ferner die unterschiedliche Rechtsstellung von Freigeborenen, Freigelassenen und Sklaven. Daraus folgten auch wichtige soziale Unterschiede, da diese rechtlichen Kategorien verschiedene Formen der Abhängigkeit der unteren Bevölkerungsgruppen von den Oberschichten widerspiegelten. Die Grenzen zwischen allen diesen Gruppen waren jedoch, trotz des im Allgemeinen spürbaren Gefälles vom urbanus zum rusticus oder vom ingenuus zum libertus und hiervon zum servus, keine eindeutigen sozialen Trennlinien. Besitz oder Nichtbesitz von Produktionsmitteln, relative Wohlhabenheit oder Armut, partielle oder totale Abhängigkeit von den Angehörigen der Oberschichten ergaben sich nicht einfach aus der Zugehörigkeit zu einer der aufgezählten Bevölkerungskategorien. Vielmehr war aufgrund dieser Faktoren auch innerhalb aller einzelnen erwähnten Gruppen eine tiefgreifende innere Schichtung vorhanden, nur war diese Schichtung stets graduell und wies keine klaren Grenzen auf. 374 Zu diesen Termini vgl. B. Kühnert, in: B. Kühnert – V. Riedel – R. Gordesiani (Hrsg.), Prinzipat und Kultur im 1. und 2. Jh. (Bonn 1995), 50 ff.
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Die niederen Bevölkerungsgruppen in den Städten375 wiesen noch eher einen gemeinsamen Charakter als diejenigen in den ländlichen Gebieten auf. Auch verfügten sie – im Ganzen gesehen – über eine etwas günstigere soziale Position als die Massen der Landbevölkerung. In den Städten gab es nicht selten bessere Verdienstmöglichkeiten, günstigere Chancen für den Berufswechsel, mehr Spielraum für das öffentliche Leben, mehr Spenden und nicht zuletzt bessere Unterhaltungsmöglichkeiten als auf dem Lande. Die reichen Freigelassenen, die in den Körperschaften der seviri Augustales zusammengefasst waren, stiegen bezeichnenderweise im Allgemeinen aus dem Kreis der städtischen liberti, nicht der Freigelassenen auf dem Lande auf. Die meisten Angehörigen der plebs urbana hatten freilich nicht so viel Glück. Immerhin konnten zumindest in den großen Städten wie vor allem in Rom zahlreiche von ihnen eine gesicherte Existenz finden. Es ist aufschlussreich, dass sie nach Juvenal auch dann noch zu den Armen gezählt wurden, wenn sie ein Vermögen von 20.000 Sesterzen und vier Sklaven besaßen (9,140 ff.). Selbst den Sklaven ging es in den Städten durchschnittlich wesentlich besser als auf dem Lande. Seneca sah in der leichteren Lage des städtischen Sklaven und in der schweren Arbeit des ländlichen Sklaven einen bemerkenswerten Unterschied (De ira 3,29,1); Columella warf den servi in den Städten vor, dass sie – im Gegensatz zu den tüchtig arbeitenden Unfreien auf den Gütern – nur an Belustigungen gewöhnt seien (1,8,1 f.). Wichtig war ferner, dass sich die Angehörigen der städtischen Unterschichten in Vereinen (collegia) organisieren durften. Diese vom Staat bzw. von der Stadtverwaltung kontrollierten Vereine ermöglichten auch ganz einfachen Leuten, selbst Sklaven, sich entweder mit ihren Berufskollegen (z. B. im collegium fabrum, das in vielen Städten vorhanden war und Handwerker umfasste) oder mit anderen Verehrern ein und derselben Gottheit zusammenzuschließen.376 Die Mitglieder solcher Kollegien verfügten über ein korporatives Selbstbewusstsein und konnten im Vorstand der Körperschaften die Tätigkeit städtischer Würdenträger nachahmen.377 Zugleich 375 Zur Lage der Plebs in den Städten des Kaiserreiches vgl. R. MacMullen, Roman Social Relations (Anm. 182), 63 ff.; St. Mrozek, Die städtischen Unterschichten ltaliens in den Inschriften der Römischen Kaiserzeit (populus, plebs, plebs urbana u. a.) (Wrocław – Warszawa – Kraków 1990). 376 J. P. Waltzing, Étude historique sur les corporations professionelles chez les romains I–IV (Louvain 1895/1900); E. Kornemann, RE IV (1900), 380 ff.; F. M. De Robertis, Storia delle corporazioni e del regime associativo nel mondo romano I–II (Bari 1974); F. Ausbüttel, Untersuchungen zu den Vereinen im Westen des römischen Reiches (München 1982); V. Weber, in: K.-P. Johne (Hrsg.), Gesellschaft und Wirtschaft des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert (Berlin 1993), 101 ff.; B. Bollmann, Römische Vereinshäuser. Untersuchungen zu den Scholae der römischen Berufs-, Kult- und Augustalen-Kollegien in Italien (Mainz 1998), 22 ff.; C. Zimmermann, Handwerkervereine im griechischen Osten des Imperium Romanum (Mainz 2002); J. S. Perry, The Roman Collegia. The Modern Evolution of an Ancient Concept (Leiden 2006); N. Tran, Les membres des associations romaines. Le rang social des collegiati en Italie et en Gaule sous le Haut-Empire (Paris – Roma 2006); J. S. Perry, in: Social Relations in the Roman World (Anm. 182), 499 ff. Über die corpora der navicularii siehe L. De Salvo, Economia privata e pubblici sevizi nell’Impero romano. I corpora naviculariorum (Messina 1992). Kultvereine: J. Scheid, in: Social Relations in the Roman World (Anm. 182), 535 ff. 377 Vgl. H. L. Royden, The Magistrates of the Roman Professional Collegia in ltaly from the First
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konnten diese Vereine aus den Mitgliedschaftsgebühren und den Spenden reicher Bürger für ihre Angehörigen bessere Mahlzeiten und eine ordentliche Bestattung finanzieren. Darüber hinaus wurden ihnen die gemeinnützlichen Aufgaben der städtischen Feuerwehr übertragen. Von großer Bedeutung war ferner, dass die plebs urbana in Rom häufig vom Kaiser, in den übrigen Städten zumeist von reichen Mitbürgern regelmäßig mit Getreide versorgt wurde.378 Dazu kamen als sozialer Vorteil noch die Möglichkeiten der Unterhaltung, vor allem Amphitheater-, Circus- und Theaterspiele, in Rom ebenfalls häufig vom Kaiser und in den anderen Städten von reichen Bürgern finanziert,379 schließlich die übrigen Belustigungsmöglichkeiten in einer Stadt, bis zum Besuch von Bordellen (von denen allein in Pompeii 28 nachgewiesen sind). Nichtsdestoweniger war das Leben der meisten Angehörigen der plebs urbana hart, wie wir dies vor allem über die Lebensverhältnisse der Plebs von Rom wissen.380 Von höhergestellten Kreisen wurden vor allem ihre niedersten Schichten verachtet, was aus dem Urteil des Tacitus über die stadtrömische plebs sordida et circo ac theatris sueta (Hist. 1,4) deutlich zum Ausdruck kommt.381 Ihre Wohnverhältnisse waren oft miserabel, ihre Arbeitsbedingungen häufig sehr ungünstig, ihre Kleidung und Nahrung in vielen Fällen mangelhaft, ihre Habe in der Regel sehr ärmlich.382 Von vorübergehenden Lebensmittelknappheiten wie z. B. im Jahre 32 in Rom (Tac., Ann. 6,13) waren vor allem sie stark betroffen. Bettler, die versuchten, Mitleid zu erregen (Seneca, Clem. 2,7), waren z. B. in Rom ein gewohnter Anblick.383 Auch Fleiß und Tüchtigkeit garantierten keineswegs wirtschaftlichen und sozialen Erfolg. Nicht einmal der oft profitable Handel brachte mit Sicherheit to the Third Century A.D. (Pisa 1988). 378 Siehe hierzu die Literatur in Anm. 214 und 353. 379 Zu den Unterhaltungsmöglichkeiten in den Städten siehe die Literatur in der Bibliographie im Abschnitt A 4.9. 380 Zur Lage der stadtrömischen Plebs von Rom in der Kaiserzeit siehe F. F. Abbott, The Common People of Ancient Rome (New York 1911); zur niederen Bevölkerung Roms vgl. auch P. Huttunen, The Social Strata in the Imperial City of Rome. A Quantitative Study of the Social Representation in the Epitaphs Published in the CIL VI (Oulu 1974); H. Kühner, Klio 73, 1991, 130 ff. (die Plebs von Rom bei Horaz); Z. Yavetz, in: A. Giovannini – K. Raaflaub (Eds.), Opposition et résistances à I’Empire d’Auguste à Trajan (Genève 1987), 135 ff. (die stadtrömische Plebs in der flavisch-trajanischen Zeit); J. Sünskes Thompson, Demonstrative Legitimation der Kaiserherrschaft im Epochenvergleich. Zur politischen Macht des stadtrömischen Volkes (Stuttgart 1993). Über die Wohnverhältnisse der Bevölkerungsmassen Roms siehe J. E. Packer, JRS 57, 1967, 80 ff. Viele Angaben über das Leben der niederen Stadtbevölkerung vor allem Roms finden sich bei J. Carcopino, La vie quotidienne à Rome à l’apogée de l’Empire (Paris 1939) = So lebten die Römer der Kaiserzeit (Stuttgart 1959). 381 Dazu Z. Yavetz, Athenaeum N. S. 43, 1965, 295 ff. 382 Siehe z. B. Martial 2,53,1 ff.; 11,56,1 ff.; 12,32,1 ff. 383 Über Armut und Elend im Imperium Romanum siehe u. a. A. Scobie, Klio 68, 1986, 399 ff.; C. R. Whittaker, in: A. Giardina, (Hrsg.), Der Mensch der römischen Antike (Frankfurt – New York – Paris 1991), 301 ff.; M. Prell, Sozialökonomische Untersuchungen zur Armut im antiken Rom. Von den Gracchen bis Kaiser Diokletian (Stuttgart 1997); vgl. auch A. R. Hands, Charities and Social Aid in Greece and Rome (London 1968), 72 ff. Weitere Literatur in der Bibliographie im Abschnitt A 4.2.
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etwas ein, wie von einem stadtrömischen Händler berichtet wurde, qui negotiando locupletem se speravit esse futurum; spe deceptus erat (CIL VI 9659 = ILS 7519). Heftige Unzufriedenheit erzeugten die sozialen Demütigungen, die arme Klienten, gleichgültig ob Freigeborene oder Freigelassene, im Hause der Reichen – oft genug gerade von deren Sklaven – erleiden mussten (z. B. Juvenal 3,184 ff.). Erst recht wurden auch die städtischen Sklaven häufig schlecht behandelt wie z. B. vom Senator Larcius Macedo (Plin., Ep. 3,14,1), der bezeichnenderweise ebenso der Sohn eines ehemaligen Sklaven war wie Vedius Pollio, dessen Grausamkeit den Unfreien gegenüber berüchtigt war (Dio 54,23,1 ff.). Die berufliche Tätigkeit der Angehörigen städtischer Unterschichten war sehr verschieden. Vor allem in ihrem Kreis, sehr häufig unter den Sklaven und Freigelassenen, waren die Vertreter der »Intelligenzschicht« des Römischen Reiches zu finden – abgesehen vor allem von Juristen, die häufig zu den gehobenen sozialen Schichten gehörten384. Als Rechtsberater, Verwalter von Häusern oder Vermögen, Ärzte, Pädagogen, Künstler, Musiker, Schauspieler und weitere Unterhalter, Wagenlenker, Gemeindeschreiber, Ingenieure, ja sogar auch als Philosophen versahen sie die meisten geistigen Berufe, deren Einschätzung ungefähr derjenigen des Handwerks entsprach, auch wenn manche Künstler, Athleten, Wagenlenker, Ärzte oder Philosophen ein hohes Ansehen erwerben konnten.385 Viele Sklaven waren Hausdiener und Luxussklaven, die keine Verwendung in der Produktion fanden.386 Das galt auch für viele Freigeborene und Freigelassene in den größeren Städten, vor allem in Rom, wo die breite Schicht der parasitären Getreideempfänger stets ein »Lumpenproletariat« darstellte. Vor allem in den kleineren Provinzstädten waren viele einfache Stadtbewohner nichts anderes als Bauern, die die umliegenden Güter bebauten. Hauptsächlich in den größeren Städten hatten jedoch die Mitglieder der städtischen Unterschichten zumeist als Handwerker und Kaufleute eine wirtschaftliche Funktion inne.387 Viele von ihnen verfügten über einen kleinen eigenen oder gepachteten 384 Siehe S. 149 mit Anm. 267. 385 Zu den Ärzten siehe S. 149 mit Anm. 266, zu den Pädagogen S. 148 mit Anm. 264 und 265, zu den Philosophen S. 149 mit Anm. 268. Schauspieler: H. Leppin, Histrionen. Untersuchungen zur sozialen Stellung von Bühnenkünstlern im Westen des Römischen Reiches während der Republik und des Prinzipats (Bonn 1992); siehe auch dens., in: Social Relations in the Roman World (Anm. 182), 660 ff. Wagenlenker: G. Horsmann, Die Wagenlenker der römischen Kaiserzeit (Stuttgart 1998). 386 Vgl. E. Herrmann-Otto, Sklaverei und Freilassung (Anm. 131), 160 ff. 387 Städtische Berufe: E. H. Brewster, Roman Craftsmen and Tradesmen of the Early Roman Empire (Philadelphia 1917); H. J. Loane, Industry and Commerce of the City of Rome 50 B. C. – 200 A. D. (Baltimore 1938); I. Calabi Limentani, Studi sulla società romana. Il lavoro artistico (Milano 1958); F. M. De Robertis, Lavoro e lavoratori nel mondo romano (Bari 1963); A. Burford, Craftsmen in Greek and Roman Society (Ithaca 1972); S. M. Treggiari, in: Non-Slave Labour in the Greco-Roman World (Anm. 106), 48 ff.; H. von Petrikovits, in: H. Jankuhn u. a. (Hrsg.), Das Handwerk in vor- und frühgeschichtlicher Zeit I (Göttingen 1981), 63 ff. (Berufsbezeichnungen der Handwerker). G. Zimmer, ANRW II 12, 2 (Berlin – New York 1985), 203 ff. (Handwerker im Allgemeinen); M. Donderer, Die Mosaizisten der Antike und ihre wirtschaftliche und soziale Stellung. Eine Quellenstudie (Erlangen 1989); L. Neesen, Demiurgoi und artifices. Studien zur Stellung freier Handwerker in antiken Städten (Frankfurt
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Betrieb, wo sie allein oder mit ein paar Sklaven oder Freigelassenen arbeiteten. So gab es z. B. in Rom noch zu Augustins Zeiten eine Straße der Silberschmiede mit vielen Werkstätten (De civ. Dei 7,4). Selbst Sklaven konnten einen kleinen Betrieb aufmachen wie z. B. in Britannien bei Eburacum eine kleine Goldschmiedewerkstatt (RIB 712 = ILS 3651). Sehr viele Handwerker waren jedoch in den Werkstätten vermögender Betriebsbesitzer tätig, so zahlreiche Sklaven in den Terra-Sigillata-Werkstätten von Arretium zu Beginn der Kaiserzeit,388 hauptsächlich Freigelassene in den oberitalischen Terra-Sigillata-Fabriken in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts und vor allem Handwerker freier Herkunft in den gallischen Terra-Sigillata-Betrieben in der darauf folgenden Epoche. Ähnlich war die Handelsstruktur. Zahlreiche kleine Händler besaßen einen eigenen Laden, z. B. Freigelassene in Rom, die dort etwa ihre Metallwarenläden aufmachten und in diesen auch eigene liberti beschäftigten (CIL VI 9664 = ILS 7536). Sklaven konnten zumindest als Vertreter (institor) des Herrn ein Geschäft führen (z. B. CIL IX 5027 = ILS 7546). Sehr viele Freigelassene und Sklaven waren jedoch als Agenten großer Geschäftshäuser tätig, so etwa zahlreiche liberti und servi der Familie der Barbii aus Aquileia in den Städten von Noricum und Pannonien.389 Wie aus allen diesen Angaben hervorgeht, konnte zwischen den ingenui, liberti und servi aufgrund ihrer Rechtsstellung eine gewisse soziale Abstufung vorhanden sein, jedoch waren die sozialen Unterschiede zwischen diesen Personengruppen keineswegs immer eindeutig. Überhaupt waren die Grenzen zwischen diesen Gruppen von vornherein locker, da sie sich – in den Städten, im Unterschied zum Land – sehr oft nur aus der generativen Struktur der einzelnen Bevölkerungskategorien ergaben: Der städtische Sklave hatte sehr oft die Aussicht, freigelassen zu werden, und erhielt die Freiheit, falls er dieses Alter erlebte, spätestens zumeist um sein 30. Lebensjahr; jeder Freigelassene war ein ehemaliger Sklave; sehr viele Freigeborene waren Nachkommen ehemaliger Unfreier, da das nach der manumissio geborene Kind des libertus bereits als ingenuus galt. Aus dieser großen inneren Beweglichkeit der städtischen Unterschichten folgte einerseits, dass ein sehr beträchtlicher Anteil der
am Main – Paris – New York 1989); M. Donderer, Die Architekten der späten römischen Republik und der Kaiserzeit. Epigraphische Zeugnisse (Erlangen 1996). Zu den Kaufleuten siehe noch J. Rougé, Recherches sur l’organisation du commerce maritime en Méditerranée sous l’Empire romain (Paris 1966), 269 ff.; O. Schlippschuh, Die Händler im römischen Kaiserreich in Gallien, Germanien und den Donauprovinzen Rätien, Noricum und Pannonien (Amsterdam 1974); J. du Plat – H. Cleere (Eds.), Roman Shipping and Trade. Britain and the Rhine Provinces (London 1978). Arbeit der städtischen liberti und servi: A. M. Duff, Freedmen in the Roman Empire2 (Anm. 357), 89 ff.; W. L. Westermann, The Slave Systems (Anm. 111), 90 ff.; ders., Journ. of Economic History 2, 1942, 149 ff. 388 Siehe u. a. G. Prachner, Die Sklaven und Freigelassenen im arretinischen Sigillatagewerbe (Wiesbaden 1980). 389 J. Šašel, Eirene 5, 1966, 117 ff. = in ders., Opera Selecta (Ljubljana 1992), 99 ff. Zu »Managern« im Dienst reicher Auftraggeber siehe J. J. Aubert, Business Managers in Ancient Rome (Anm. 102); zu erfolgreichen Wirtschaftsleuten siehe auch G. Camodeca, L’archivio puteolano dei Sulpicii (Napoli 1992).
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unteren Bevölkerungsschichten zumindest in den größeren Städten aus Personen unfreier Herkunft bestand. Tacitus sah das recht deutlich, als er hervorhob, dass sehr viele Angehörige der stadtrömischen Bevölkerung, ja selbst viele Ritter und zahlreiche Senatoren von Unfreien abstammten.390 Andererseits folgte aus dieser Struktur die Notwendigkeit, den Sklavenbestand stets aufzufrischen. Die starke Verbreitung der Sklaverei in den städtischen Zentren ist vor allem durch die Massen der Grab- und auch Weiheinschriften nachzuweisen, die in zahlreichen Städten des Reiches sehr viele servi und liberti bezeugen.391 Der Prozentsatz der Unfreien lässt sich nicht errechnen; die Annahme von P. A. Brunt, dass Italiens Gesamtbevölkerung unter Augustus ungefähr 7,500.000 betrug, von denen 3.000.000 Sklaven waren,392 ist wahrscheinlich, jedoch unbeweisbar. Die einzige einigermaßen gesicherte Angabe über die Zahl der Sklaven liegt für Pergamon vor, wofür Galenos (5,49) die Zahl der Bürger mit 40.000, die Zahl aller Erwachsenen mit Frauen und Sklaven mit 120.000 angibt; das würde bedeuten, dass die Unfreien
390 Tac., Ann. 13,27. 391 Über Sklaven und Freigelassene in der Kaiserzeit siehe zusammenfassend R. H. Barrow, Slavery in the Early Roman Empire (London 1928); A. M. Duff, Freedmen in the Roman Empire2 (Anm. 357); W. L. Westermann, The Slave Systems (Anm. 111), 84 ff.; K. R. Bradley, Slaves and Masters in the Roman Empire. A Study in Social Control (Oxford 1988); vgl. auch E. M. Schtajerman, Die Krise der Sklavenhalterordnung im Westen des römischen Reiches (Berlin 1964) mit einem allzu düsteren Bild. Einen trefflichen Überblick über die Hauptprobleme der Sklaverei bietet in knapper Form H. Schneider, in: A. Eggenbrecht u. a., Geschichte der Arbeit. Vom Alten Ägypten bis zur Gegenwart (Köln 1980), 95 ff. Wirtschaftliche Bedeutung der Sklaverei: Vgl. M. Corbier, Opus 1, 1982, 109 ff. Verbreitung der Sklaverei im kaiserzeitlichen Italien: Siehe J. Češka, Die Differenzierung der Sklaven in Italien in den ersten zwei Jahrhunderten des Prinzipats (tschechisch mit deutscher Zusammenfassung) (Praha – Brno 1959); E. M. Schtajerman – M. K. Trofimova, La schiavitù nell’Italia imperiale, I–III secolo (Roma 1975); W. Scheidel, JRS 95, 2005, 64 ff. Sklaven und Freigelassene in Rom: R. Günther, Frauenarbeit – Frauenbindung: Untersuchungen zu unfreien und freigelassenen Frauen in den stadtrömischen Inschriften (München 1987); W. Eck, in: Alte Geschichte und Wissenschaftsgeschichte (Anm. 229), 130 ff. Unfreie in den Provinzen: E. M. Štaerman – V. M. Smirin – N. N. Belova – J. K. Kolosovskaja, Die Sklaverei in den westlichen Provinzen des römischen Reiches im 1.-3. Jahrhundert (Stuttgart 1977) (Africa, Hispanien, Gallien, Donauprovinzen); M. Pavlak, in: XII Congressus Internationalis (Anm. 191), 1127 ff. (begrenzte Bedeutung der Sklaverei in den afrikanischen Provinzen); J. Mangas Manjarrez, Esclavos y libertos en la España romana (Salamanca 1971) (Hispanien); C. Camacho Cruz, Esclavitud y manumisión en la Bética romana: Conventus Cordubensis y Astigitanus (Córdoba 1997); A. Daubigney – F. Favory, in: Actes du Colloque 1972 sur l’esclavage (Anm. 117), 315 ff. (Gallia Narbonensis, Gallia Lugdunensis); L. Vidman, Listy Filologické 82, 1959, 207 ff., ebd. 83, 1960, 64ff. und 229 ff. sowie Acta Ant. Hung. 9, 1961, 153 ff. (Noricum); A. Mócsy, Acta Ant. Hung. 4, 1956, 221 ff. (Pannonien); G. Alföldy, Acta Ant. Hung. 9, 1961, 121 ff. (Dalmatien ); I. Biežun´ska-Małowist, Studii Clasice 3, 1961, 147 ff.; dies., in: I. Biežuńska-Małowist (Ed.), Storia sociale ed economica dell’età classica negli studi polacchi contemporanei (Milano 1975), 111 ff. (vernae in Ägypten); dies., in: Atti dell’ XI Congresso Internazionale di Papirologia Milano 1965 (Milano 1966), 433 ff. (Freigelassene in Ägypten), dies., L’esclavage dans l’Egypte gréco-romaine II. Période romaine (Wrocław 1977). Sklavinnen: S. Treggiari, Amer. Journ. of Ancient History 1, 1976, 76 ff.; dies., in: M. Capozza (Ed.), Schiavitù, manomissione e classi dipendenti (Anm. 371), 185 ff. Weitere Literatur bei J. Vogt – N. Brockmeyer, Bibliographie zur antiken Sklaverei (Anm. 131), 37 ff. 392 P. A. Brunt, Italian Manpower (Anm. 23), 124.
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dort um die Mitte des 2. Jahrhunderts ungefähr ein Drittel der Gesamtbevölkerung bildeten. Besonders vermögende Familien verfügten über viele Sklaven.393 Die augusteische Gesetzgebung berücksichtigte auch die Möglichkeit, dass ein dominus mehr als 500 servi besaß, und im stadtrömischen Palast des Lucius Pedanius Secundus, eines führenden Senators, befanden sich im Jahre 61 nach Tacitus 400 Sklaven (Ann. 14,43). Die bezeugte Höchstzahl von Sklaven im Eigentum eines Herrn beträgt 4.116 (Plin., N. h. 33,135). Nach Senecas berühmter Notiz war die Zahl der Unfreien so groß, dass sie für Rom eine ernsthafte Gefahr bedeutet hätten, wenn sie sich an einer besonderen Tracht hätten erkennen können (Clem. 1,24,1). Aus diesen Angaben folgt jedoch nicht, dass auch im Haushalt nur durchschnittlich reicher städtischer Familien viele Sklaven gelebt hätten. Die Sklavenpreise bewegten sich im 1. und 2. Jahrhundert, je nach der Marktlage in den einzelnen Reichsteilen zu verschiedenen Zeiten, ferner je nach Alter, Geschlecht und Ausbildung der Sklaven, im Allgemeinen wohl zwischen 800 und 2.500 Sesterzen (wobei freilich der Preis eines so gut ausgebildeten Arztes wie Publius Decimius Eros Merula bei seiner Freilassung auf 50.000 Sesterzen taxiert wurde).394 Das bedeutete, dass etwa ein städtischer Dekurio, dessen Gesamtvermögen zusammen mit Grundstück, Haus und Mobiliar nur 100.000 Sesterzen erreichte, sich höchstens einige Sklaven leisten konnte. In Noricum z. B. beträgt die epigraphisch bezeugte Höchstzahl von Sklaven in einem Haushalt nur sechs (CIL III 4962), und vor allem in den nördlichen Provinzen sind Grabinschriften, in denen auch auf eine breitere, aus mehreren Freigelassenen bestehende Klientel reicher Familien Bezug genommen wird, sehr selten. Für die Beschaffung von Sklaven gab es in der Kaiserzeit nicht mehr die unbegrenzten Möglichkeiten wie im 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. Unter Augustus wurden die Gefangenen nach den Eroberungsfeldzügen noch häufig versklavt, so etwa 44.000 Angehörige des Stammes der Salassi in den Westalpen im Jahre 25 v. Chr. (Strabo 4,6,7). Unter den Nachfolgern des Augustus führte Rom jedoch nur noch wenige Eroberungskriege, und auch in diesen Kriegen wurde die unterworfene Bevölkerung keineswegs immer in die Sklaverei verkauft. Da es bei den besiegten Völkern nur selten zum bewaffneten Widerstand gegen Rom kam, gelangten auch bestrafte Aufständische immer seltener auf den Sklavenmarkt; die Versklavung von 97.000 aufständischen Juden im großen Jüdischen Krieg 66–70 (Ios., Bell. Iud. 6,420) war eher ein Ausnahmefall wie der Aufstand selbst. Der Sklavenhandel mit den Nachbarvölkern des Reiches, z. B. mit den Germanen oder mit Äthiopien, konnte nur einen sehr geringen Teil des römischen Bedarfs an Sklaven decken.395 Die meisten Unfreien in der Prinzipatszeit stammten aus dem Römischen Reich und 393 Vgl. etwa S. Treggiari, Transact. Amer. Philol. Assoc. 105, 1975, 393 ff. über die Sklaven der senatorischen Familie der Volusii. 394 Zu den Sklavenpreisen vgl. W. L. Westermann, Th Slave Systems (Anm. 111), 100 f. Merula: Siehe Anm. 266. 395 Herkunftsangaben von Sklaven: Siehe M. Bang, Röm. Mitt. 25, 1910, 223 ff. und ebd. 27, 1912, 189 ff.; M. L. Gordon, JRS 14, 1924, 93 ff. Sklavenhandel: Siehe Anm. 397.
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wurden nicht durch offene Gewalt versklavt, umso weniger, als der Menschenraub bei den konsolidierten inneren Verhältnissen im Kaiserreich kaum möglich war. Viele Sklaven, nämlich die in zahlreichen Inschriften und Papyri bezeugten vernae (oikogeneis), waren Kinder aus Verbindungen zwischen Sklaven.396 Es ist jedoch anzunehmen, dass die natürliche Vermehrung der Sklavenfamilien den Sklavenbestand nicht ganz aufrechterhalten und schon ganz und gar nicht vergrößern konnte, schon deshalb nicht, weil die Sklaven die Freiheit häufig schon in heiratsfähigem Alter erlangten. Dass auf Trimalchios Gut täglich 70 Sklavenkinder auf die Welt gekommen seien (Petronius, Sat. 53), ist offenbar eine bewusste literarische Übertreibung. Eine unzweifelhaft wichtige, in der Forschung zumeist nicht richtig beachtete Nachschubquelle für den Sklavenbestand lag in der »freiwilligen« Versklavung von freien Reichsbewohnern.397 Es war offenbar eine häufig geübte Praxis, dass arme Familien ihre Kinder einfach aussetzten;398 diese wurden dann vom Finder als Sklaven (alumni, threptoi) aufgezogen. Welches Ausmaß dieser Gebrauch erreichen konnte, zeigt sich in einem Brief des Plinius an Trajan, in dem die Rechtsstellung der Findlinge in Bithynien als eine große, die ganze Provinz betreffende Frage bezeichnet wird (Ep. 10,65,1). Bei den schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen, in denen viele nominell freie, faktisch rechts- und mittellose Familien vor allem in den Provinzen lebten, kam es auch häufig vor, dass die Kinder als Sklaven verkauft wurden, oder dass sich auch Erwachsene als Sklaven verkauften. Bei den kleinasiatischen Phrygiern z. B., die auch während der Kaiserzeit besonders viele Sklaven stellten, war diese Sitte stark verbreitet (Philostr., Apoll. 8,7,12). Bei Dion von Prusa (Or. 15,22f.) lesen wir auf die Frage, »Aber wie meinst du, dass ich ein Sklave werden könnte«, folgende Antwort: »Weil doch unzählige Freie sich selbst verkaufen, so dass sie durch einen Vertrag Sklaven sind, gelegentlich sogar unter keineswegs annehmbaren, sondern außerordentlich harten Bedingungen«. Der Jurist Marcianus betrachtete die zuletzt erwähnte Möglichkeit für die Beschaffung von Sklaven (si quis se maior viginti annis ad pretium participandum vendere passus est) zumindest theoretisch als gleichrangig mit der Versklavung von Kriegsgefangenen und der Geburt von vernae (Dig. 1,5,51). 396 Siehe bes. E. Herrmann-Otto, Ex ancilla natus. Untersuchungen zu den »hausgeborenen« Sklaven und Sklavinnen im Westen des römischen Kaiserreiches (Stuttgart 1994). Vor der Überschätzung der Reproduktion der Sklavenfamilien warnt jedoch W. V. Harris, JRS 89, 1999, 62 ff., bes. 64 ff. gegen W. Scheidel, JRS 87, 1997, 247 ff. 397 Siehe bes. G. Alföldy, in: H. Schneider (Hrsg.), Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit (Darmstadt 1981), 365 ff. = in: ders., Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 315 ff.; ähnlich W. V. Harris, JRS 90, 1999, 72 ff.; für die spätrömische Zeit A. Demandt, Die Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian 284–565 n. Chr.2 (München 2007), 344 ff. Über die Bedeutung des Sklavenhandels siehe W. V. Harris, in: J. H. D’Arms – E. C. Kopff (Eds.), The Seeborne Commerce of Ancient Rome (Anm. 114), 117 ff. 398 Über die Aussetzung von Kindern siehe F. Kudlien, in: H. Hofmann (Hrsg.), Groningen Colloquia on the Novel II (Groningen 1989), 25 ff.; W. V. Harris, JRS 84, 1994, 1 ff.
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Derartige Methoden der Versklavung wurden nicht zuletzt deshalb häufig praktiziert, weil auf den Sklaven während der Kaiserzeit im Normalfall ein besseres Schicksal wartete als in den beiden letzten Jahrhunderten der Republik. Die Einsicht, dass politische und vor allem ökonomische Gesichtspunkte eine bessere Behandlung der Sklaven als etwa in Catos Sklavenkaserne erforderten, begann sich schon am Ende der Republik durchzusetzen. In der Kaiserzeit verbreitete sich diese Einstellung der Sklavenhalter mehr und mehr, auch angesichts der Tatsache, dass der Sklavenbestand nicht mehr unbegrenzt durch neue Sklaven aufgefrischt werden konnte. Die aufgeklärten, humanitären Ideen mancher philosophischer Schulen verstärkten diesen Trend. Vor allem um den Sklaven Anreiz für bessere Produktionsleistungen zu schaffen, wurden sie durch mannigfache Vergünstigungen angespornt. Dass der Profit eines Arbeitgebers nicht von der Brutalität der Ausbeutung, sondern vom Arbeitseifer der Produzenten abhängig ist, war schon Columella bestens bekannt (De re rust. 1,7,1). Zugleich war die Grausamkeit gegenüber Unfreien immer mehr verpönt. Augustus hat die grausame Behandlung der Sklaven durch Vedius Pollio entschieden missbilligt (Dio 54,23,2 ff.), auch wenn er sich, der römischen Tradition entsprechend, in das als Privatsphäre geltende Verhältnis zwischen Herrn und Sklaven nicht einmischte. Dennoch begann der Staat bereits während seiner Regierungszeit Maßnahmen zugunsten der Unfreien zu treffen. Die lex Petronia (19 v. Chr.) schrieb vor, dass ein Sklave nur durch die Zustimmung der Behörden zu tödlichem Kampf mit wilden Tieren verurteilt werden konnte. Die späteren Kaiser setzten die Gesetzgebung zum Schutz der Sklaven fort. Claudius betrachtete die Tötung alter und kranker Sklaven als Mord und ließ ihnen, falls sie von ihren Herren ausgesetzt wurden, staatliche Pflege und Freiheit gewähren; Domitian verbot die Kastrierung von Unfreien; Hadrian untersagte auch die Tötung straffälliger Sklaven durch ihren Herrn und darüber hinaus sogar ihre Einkerkerung in privaten Gefängnissen.399 Immer mehr führende Römer folgten diesen Verhaltensnormen, so etwa der jüngere Plinius, der seine Sklaven gut behandelte, ihnen sogar die testamentarische Verfügung über ihr eigenes Hab und Gut erlaubte und an ihrem Schicksal Anteil nahm (Ep. 8,16,1 ff.). Seneca sprach offen die Meinung aus, dass auch Sklaven Menschen seien (Ep. 47,1): Servi sunt? Immo homines! Servi sunt? Immo contubernales! Servi sunt? Immo humiles amici!400 Petronius ließ im Satyricon (71) Trimalchio das Gleiche sagen: Auch Sklaven sind Menschen, auch sie trinken die gleiche Muttermilch wie Andere, sie sind nur Opfer eines bösen Schicksals geworden. Besonders wichtig war, dass die Sklaven – zumindest in den Städten, nicht jedoch auf den Landgütern – sehr häufig freigelassen wurden und nach einem bestimmten Alter, im Einklang mit der lex Aelia Sentia spätestens um das 30. Lebensjahr, 399 Zur Rechtsstellung der Sklaven siehe W. W. Buckland, The Roman Law of Slavery. The Condition of the Slave in Private Law from Augustus to Justinian (Cambridge 1908); vgl. Th. Finkenauer, Die Rechtsetzung Mark Aurels zur Sklaverei (Stuttgart 2010). 400 Vgl. W. Richter, Gymnasium 65, 1958, 196 ff. und bes. J. Vogt, Sklaverei und Humanität. Studien zur antiken Sklaverei2 (Wiesbaden 1972).
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aus guten Gründen auf die manumissio hoffen konnten.401 Hierfür sprechen neben den juristischen und literarischen Quellen vor allem die Lebensaltersangaben in den Grabinschriften von servi und liberti aus ganz Italien und aus den westlichen Provinzen, die für diese Problematik in der früheren Forschung noch nie ausgewertet wurden. Ihre Aussagen dürften angesichts des identischen Bildes, das die bereits früher bekannten bzw. erst später gefundenen Inschriften bieten, für die Daten in der ursprünglichen Masse solcher Inschriften, von der freilich nur ein Bruchteil erhalten ist, als einigermaßen repräsentativ betrachtet werden. Demnach gab es in den Städten – anders als auf den Landgütern – kaum Sklaven mit einem höheren Lebensalter als mit 30 Jahren. Das kann nicht an der natürlich niedrigen Lebenserwartung der Zeit liegen, da wir viele Grabinschriften von Freigelassenen, d. h. von ehemaligen Sklaven kennen, für die ein höheres, manchmal erheblich höheres Lebensalter verzeichnet ist; außerdem kennen wir viele liberti und vor allem libertae, die angesichts ihrer Lebensaltersangaben schon unter 30 freigelassen wurden – was vor allem bei Sklavinnen häufig der Fall war.402 Diese Erkenntnis ist vor allem bei einigen englischen Kollegen auf Ablehnung gestoßen,403 doch wurde sie von anderen Althistorikern mit Zustimmung aufgenommen.404 Die gegen die Verwendung der epigraphischen Quellen geäußerten Einwände sind jedenfalls unbegründet und zeugen nur von der unzureichenden Kenntnis des sozialgeschichtlichen Quellenwertes dieser Dokumente.405 Außerdem stehen die aus der Analyse des Inschriftenma401 Siehe G. Alföldy, in: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit (Anm. 397), 336 ff. (mit Nachträgen) = in: G. Alföldy, Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 286 ff., bes. 322 ff. (mit weiteren ausführlicher Ergänzungen). Dieser viel Aufsehen erregende Beitrag ist zuerst in Rivista Storica dell’Antichità 2, 1972, 97 ff., in spanischer Sprache in Papeles del Laboratorio de Arqueología de Valencia 9, 1973, 99 ff. erschienen. 402 Vgl. P. R. C. Weaver, in: B. Rawson (Ed.), Marriage, Divorce and Children in Ancient Rome (Oxford 1991), 179 ff. 403 Siehe K. Hopkins, Conquerors and Slaves (Anm. 106), bes. 115. 127. 139 (über die Häufigkeit der Freilassungen vgl. aber ebd. 99 ff.); W. V. Harris, in: The Seeborne Commerce of Ancient Rome (Anm. 114), bes. 118 und 133 f.; ders., JRS 89, 1999, 70; vor allem Th. Wiedemann, Class. Quart. 36, 1985, 162 ff. In der Folge dieser Kritik ähnlich auch Th. Gerhardt, in: K.-P. Johne – U. Hartmann – Th. Gerhardt, Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr. (235–284) (Berlin 2008), 784. 404 Mir folgen unter Anderen K. R. Bradley, Slaves and Masters (Anm. 391), 83 (reservierter ders., Slavery and Society at Rome [Cambridge 1994], 163); E. Herrmann-Otto, Sklaverei und Freilassung (Anm. 131), 199; A. Demandt, Die Spätantike2 (Anm. 397), 348. Ohne mich zu nennen von der »regularity« der Freilassungen in den Städten im Gegensatz zu den Verhältnissen auf dem Lande spricht auch R. Saller, in: The Cambridge Ancient History2 XI (Anm. 182), 834 f. Siehe auch F. Vittinghoff, Hist. Zeitschr. 230, 1980, 35 = in: ders., Civitas Romana (Anm. 235), 256 über »die berechtigte Hoffnung der meisten Sklaven, vom Herrn in die Freiheit entlassen zu werden«; er wiederholt diese Position in Gesellschaft (Anm. 182), 188. 405 Ich hoffe die Einwände der Kritiker in: Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 322 ff. hinreichend entkräftet zu haben (leider wird von den meisten Kritikern nur mein an manchen Punkten wohl nicht immer ganz präzise formulierte Originalbeitrag aus dem Jahre 1972 zitiert), und ich kann nicht genug betonen, dass meine These nur die Sklaverei in den Städten, nicht auf den Landgütern betrifft, siehe auch S. 194. Hier sei sonst nur folgendes hinzugefügt. Der Einwand, wonach all die erwähnten
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terials gewonnenen Erkenntnisse im Einklang mit der literarischen Überlieferung.406 Die Freilassung von Sklaven war bereits unter Augustus so allgemein üblich, dass die Masse der liberti dem Staat als eine politische und soziale Gefahr erschien (vgl. Dion. Hal. 4,24,4 ff.). Die kaiserliche Regierung musste dem Strom eine Richtung geben, die mit den Interessen des römischen Staates zu vereinbaren war. Die lex Fufia Caninia (2 v. Chr.) beschränkte die Zahl der Sklaven, die beim Tode ihres Herrn durch Testament auf einmal die Freiheit erlangen sollten: Bei einem Bestand von 3 bis 10 Sklaven sollte höchstens die Hälfte, bei 11 bis 30 ein Drittel, bei 31 bis 100 ein Viertel und bei 101 bis 500 ein Fünftel in den Besitz der Freiheit gelangen. Die lex Aelia Sentia (4 n. Chr.) hat für den Manumissor das Mindestalter von 20 Jahren vorgeschrieben, ferner erschwerte sie jüngeren Sklaven (unter 30), durch die Festlegung der Modalitäten für ihre Freilassung, den Erwerb des Bürgerrechts.407 Das eigentliche Ziel dieser Gesetze lag nicht darin, die Freilassung grundsätzlich einzuschränken und die Zahl der liberti zu vermindern. Sie sollten nur verhindern, dass Personen unfreier Herkunft durch die Freilassung massenweise und vom Staat unkontrolliert das römische Bürgerrecht und dadurch einen allzu großen Einfluss auf das öffentliche Leben erhalten. Auch nach diesen beiden Gesetzen war es möglich, dass alle Sklaven eines Haushaltes freigelassen wurden (Gaius, Inst. 1,44), nur epigraphischen Angaben nur für eine kleine Gruppe privilegierter Sklaven und Freigelassenen repräsentativ seien, ist unbegründet. Gewiss konnten sich auch viele gewöhnliche Sklaven ein peculium anschaffen, aus dem sie sich die Anfertigung eines Grabdenkmals zu leisten vermochten, um von den Freigelassenen ganz zu schweigen. Und es ist nicht zu bezweifeln, dass die niederen Bevölkerungsschichten, selbst die Sklaven, oft eifrig bestrebt waren, das epigraphic habit der Oberschichten, d. h. die Sitte, ihr Dasein durch bleibende beschriftete Monumente zu verewigen, nachzuahmen wie deren Verhaltensweisen überhaupt; so rühmen sie sich in den Grabinschriften mit der Nennung der gleichen Tugenden wie die Angehörigen der Eliten (vgl. Anm. 284 und 459), abgesehen natürlich von den Eigenschaften, mit denen hochrangige Verwaltungsbeamten charakterisiert werden (siehe dazu Anm. 284). Es gibt sogar ganz primitive Grabdenkmäler von Sklaven, die zeigen, welchen Wert selbst offenbar ziemlich mittellose Unfreie darauf legten, dass ihr Name für die Nachwelt bewahrt wird (über ein solches Beispiel aus dem hispanischen Binnenland siehe G. Alföldy, ZPE 87, 1987, 254 f. Nr. 6). Außerdem ist damit zu rechnen, dass zahlreiche Grabinschriften armer Leute nicht auf Steindenkmäler gemeißelt, sondern auf Holztafeln geschrieben wurden, die uns nicht erhalten sind (zu solchen Inschriften siehe W. Eck, in: Imperium Romanum. Studien zu Geschichte und Rezeption [Anm. 214], 203 ff.). Zu dieser integrativen Funktion der epigraphischen Kultur Roms, die sich auch auf die niederen Bevölkerungsgruppen erstreckte, siehe u. a. G. Alföldy, in: Vivir en Tierra Extraña. Emigración e integración cultural (Anm. 205), 137 ff. Dass Inschriftenmassen für die Erhellung sozialgeschichtlicher Probleme – bei gebührender Vorsicht – trotz der verbreiteten Skepsis sehr sinnvoll herangezogen werden können, betonen unlängst u. a. M. A. Speidel, Heer und Herrschaft (Anm. 240), 486 ff.; A. Paki, in: XII Congressus Internationalis (Anm. 191), 1079 ff. 406 Geradezu absurd zu sein scheint mir die Meinung von Th. Wiedemann, Class. Quart. 36, 1985, 165, dass die römischen Autoren zwar viel von der Freilassung reden, die Freilassung sei für sie jedoch nur ein »Ideal« gewesen, die »neither prove, nor disprove, that it was practised«. 407 Zu den Freilassungsgesetzen und zur Rechtsstellung der liberti siehe W. W. Buckland, The Roman Law of Slavery (Anm. 399), 449 f.; A. M. Duff, Freedmen in the Roman Empire2 (Anm. 357), 12 ff. Zu den Freigelassenen im Allgemeinen siehe außer dem grundlegenden Buch von Duff bes. K. R. Bradley, Slaves and Masters in the Roman Empire (Anm. 391), 81 ff.; E. Herrmann-Otto, Sklaverei und Freilassung (Anm. 131), 160 ff.
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eben nicht auf einmal durch Testament und nicht mit der Folge, dass alle ehemaligen Sklaven wahllos römische Vollbürger wurden. Dieses Privileg kam, abgesehen von geregelten Ausnahmefällen, nur den »reifen« Sklaven zu, die zum Zeitpunkt der Freilassung bereits das 30. Lebensjahr erreicht hatten. Ähnliche Ziele verfolgte auch die lex Iunia (vielleicht 19 n. Chr.), die den in jungem Alter oder nach informellen Methoden freigelassenen Personen statt römischen Vollbürgerrechtes nur latinisches Recht gewährte, ferner auch die lex Visellia (24 n. Chr.), die es den Freigelassenen verbot, städtische Magistraturen zu übernehmen. So konnten und wollten alle diese Gesetze die allgemeine Praxis, den Sklaven nach Ablauf einer bestimmten Zeit (oft um ihr 30. Lebensjahr) die Freiheit zu gewähren, nicht unterbinden. Vielmehr folgten die Sklavenhalter dieser Praxis im 1. und 2. Jahrhundert der Kaiserzeit in den Städten des Römischen Reiches ganz allgemein wie etwa der jüngere Plinius (Ep. 8,16,1). Nach dem Traumdeutungsbuch des Artemidorus Daldianus war in der Antoninenzeit die Erwartung der Sklaven, die Freiheit zu erlangen, durchaus begründet; fraglich waren im Normalfall höchstens der Zeitpunkt und die Modalitäten der Freilassung, nicht ihr Vollzug.408 Die Aussicht auf die Freilassung ließ viele Sklaven hoffen. Sie konnte unter Umständen sogar einen Anreiz dafür bieten, dass ein armer Nichtbürger seine Kinder oder sich selbst als Sklave verkaufte: Durch die Freilassung erwarb man ja, falls der Herr ein Bürger war, automatisch das römische Vollbürgerrecht oder zumindest das latinische Recht und dadurch ein Privileg, das z. B. ein armer Bauer in der Frühen Kaiserzeit in den meisten Provinzen nur schwer, z. B. durch einen nicht weniger mühevollen 25jährigen Militärdienst in einer Hilfstruppe, oder überhaupt nicht erhalten konnte. Davon abgesehen wurde der Sklave in der Zwischenzeit im Hause des Herrn ernährt und sehr oft in einem Berufszweig, z. B. in einem Handwerk, ausgebildet. Unter derartigen Umständen konnte die Versklavung für einen Peregrinen sogar »attraktiv« werden; so sah man z. B. in Westkleinasien nach Philostrat (Apoll. 8,7,12) darin nichts Schlimmes. Für den Herrn ergab sich der Vorteil aus diesem System zunächst aus dem Arbeitsfleiß des Sklaven, der die Aussicht auf die Freiheit nicht verspielen wollte und außerdem häufig ein kleines peculium erwirtschaften musste, um sich davon bei der manumissio durch die Erstattung des Kaufpreises freizukaufen. Noch wichtiger waren aber die Vorteile, die der ehemalige Herr aus dem Patronatsverhältnis mit seinem libertus durch dessen wirtschaftliche und moralische Verpflichtungen zog. Diese Verpflichtungen konnten von der Abgabe eines Anteils aus dem Verdienst des Freigelassenen bis zu den persönlichen Dienstleistungen wie z. B. Pflege auf dem Krankenbett reichen.409 So war dieses System in 408 Den Hinweis auf Artemidoros verdanke ich I. Hahn, der die Bedeutung des Traumdeutungsbuches dieses Autors als sozialgeschichtliche Quelle herausgestellt hat, siehe seine Untersuchung Traumdeutung und gesellschaftliche Wirklichkeit. Artemidorus Daldianus als sozialgeschichtliche Quelle (Konstanz 1992). 409 Siehe ausführlich G. Fabre, Libertus (Anm. 173), 267 ff.; W. Waldstein, Operae libertorum. Untersuchungen zur Dienstpflicht freigelassener Sklaven (Stuttgart 1986), außerdem aus der älteren Li-
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Wirklichkeit nur eine raffiniertere Form der Ausbeutung als die Sklaverei ohne Freilassung, und die tatsächliche Lage vieler Freigelassener war entschieden ungünstiger als die ihrer kleinen Spitzengruppe, deren Angehörige, wie z. B. Trimalchio, durch den Tod des patronus von diesen sozialen Bindungen befreit wurden. Andererseits war das System nur solange funktionsfähig, bis die freiwerdenden Sklaven immer wieder durch neue Unfreie ersetzt werden konnten. Aber in der Frühen Kaiserzeit war diese Form der Sklaverei durchaus praktikabel und wurde in den Städten allgemein so gehandhabt. Viele Herren schafften sich Sklaven anscheinend mit dem Ziel an, um diese nach Ablauf einer bestimmten Zeit freizulassen und dadurch eine für sie besonders rentable soziale Abhängigkeitsform herzustellen. Ländliche Unterschichten Auf dem Lande war die Lage der Sklaven zumeist erheblich anders als in den Städten, und das gilt für städtische und ländliche Unterschichten im Allgemeinen. Die soziale Zusammensetzung der plebs rustica, deren Angehörige die überwiegende Mehrheit der Reichsbevölkerung bildeten, war in den einzelnen Teilen des Imperium Romanum noch unterschiedlicher als diejenige der städtischen Unterschichten. Es gab zwar auch auf dem Lande ingenui, liberti und servi, aber ihre Zahlenstärke im Verhältnis zueinander war in den einzelnen ländlichen Gebieten noch uneinheitlicher als in den Städten. Außerdem konnten diese Begriffe ganz unterschiedliche soziale Positionen umfassen, da z. B. ein frei geborener Bauer ebenso ein kleiner Grundbesitzer oder Pächter wie ein landloser Lohnarbeiter sein konnte.410 Auch bei den Sklaven muss zwischen einzelnen sozialen Gruppen differenziert werden, vor allem zwischen den Sklaven, die auf kleineren bäuerlichen oder auf mittelgroßen municipalen Gütern in kleinerer Zahl und oft in einem patriarchalen Verhältnis zu teratur H. Lemonnier, Étude historique sur la condition privée des affranchis aux trois premiers siècles de l’Empire romain (Paris 1887); J. Lambert, Les operae liberti. Contributions à l’histoire des droits de patronat (Paris 1934). 410 Zum römischen Bauerntum während der Kaiserzeit und über die ländliche Besiedlung im Allgemeinen siehe zusammenfassend R. MacMullen, ANRW II 1 (Berlin – New York 1972), 253 ff.; dens., Roman Social Relations (Anm. 182), 1 ff.; C. R. Whittaker, in: Non-Slave Labour in the Greco-Roman World (Anm. 106), 73 ff.; J.-N. Robert, La vie à la campagne dans l’Antiquité romaine (Paris 1985); L. De Ligt, Münstersche Beiträge zur antiken Handelsgeschichte 9, 2, 1990, 24 ff.; ders., ebd. 10, 1, 1991, 33 ff.; M. Tarpin, Vici et Pagi dans l’Occident romain (Paris – Roma 2002). Über die Landbevölkerung in einzelnen Teilen des Reiches siehe M. I. Finley, in: Studies in Roman Property (Anm. 166), 103 ff. (Italien); G. Ch. Picard, ANRW II 3 (Berlin – New York 1975), 98 ff. (Gallien und Nordafrika); H. Bender – H. Wolff (Hrsg.), Ländliche Besiedlung und Landwirtschaft in den Rhein-Donau-Provinzen des Römischen Reiches. Vorträge eines Internationalen Kolloquiums vom 16.-21. April 1991 in Passau (Espelkamp 1994). Landwirtschaft, Landleben: W. E. Heitland, Agricola. A Study of Agriculture and Rustic Life in the Greco-Roman World (Cambridge 1921); K. D. White, Roman Farming (London 1970); vgl. dens., Country Life in Classical Times (London 1977) (Quellensammlung); Ch. Witschel, Klio 83, 2001, 113 (neue Forschungen zur römischen Landwirtschaft). Latifundien: Siehe in Anm. 97 auch mit Literatur zur Kaiserzeit.
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ihrem Herrn arbeiteten, und den zu größeren Gruppen zusammengefassten Sklaven auf den Latifundien.411 Vor allem in den Teilen des Reiches, in denen – wie z. B. in den Donauländern – die Konzentration des Grundbesitzes in wenige Hände in der früheren Kaiserzeit noch kaum eingesetzt hatte, unterschieden sich die nicht gerade zahlreichen Sklaven der kleineren und größeren Bauern und der Grundbesitzer aus dem Dekurionenstand der einzelnen Städte von der »freien« bäuerlichen Bevölkerung oft kaum. Sie waren bei der Produktionsarbeit häufig zusammen mit dem Herrn und dessen Angehörigen tätig und konnten sowohl eine eigene Familie gründen als auch ein kleines eigenes Vermögen erwerben. Dagegen war die Lage der Unfreien auf den großen Gütern häufig recht ungünstig, auch wenn es hier Unterschiede gab, ganz abgesehen davon, dass die Verwalter der Güter aus dem Sklavenstand, die vilici und actores, innerhalb des ländlichen Sklaventums über eine privilegierte Stellung verfügten. Es ist bezeichnend, dass ein solcher Sklave von seinen Angehörigen stolz als agricola optimus gerühmt werden konnte (CIL X 6592 = ILS 7451), ferner, dass für die Gutsverwaltung nicht selten städtische Sklaven herangezogen wurden (z. B. Plin., Ep. 9,20,2). Die Bewirtschaftung der Latifundien durch Sklavenmassen war keineswegs überall verbreitet, wo es große Güter gab. Im römischen Nordafrika und in Ägypten z. B. arbeiteten auf den Latifundien der privaten Großgrundbesitzer und des Kaisers vorwiegend nominell freie Bauern. In Italien war die Sklavenarbeit auf den großen Gütern zumindest im 1. Jahrhundert noch heimisch. Am besten bezeugt ist sie durch das Werk Columellas über die Landwirtschaft aus den sechziger Jahren dieses Jahrhunderts.412 Columella teilte im Großen und Ganzen noch die alte Auffassung Catos und Varros, dass aus einem Gut maximaler Profit durch Verwendung von Sklaven erwirtschaftet werden könne. Um die Rentabilität der Produktion zu steigern, empfahl er, die Arbeit der Unfreien in höchstem Maße zu spezialisieren. Auch wenn er unnötige Brutalität vermied, ließ er die Sklaven hart, teilweise auch nach der alten Methode in Fesseln, arbeiten, und auch er erblickte in den Sklaven nicht viel mehr als Geräte (De re rust. 1,8,8). Jedoch besserte sich die Lage der Sklaven in der Prinzipatszeit auch auf den Latifundien. Ungefähr eine Generation nach Columella bemerkte der jüngere Plinius, dass es auf seinen Gütern ebenso wenig gefesselte Sklaven gebe wie überhaupt in deren Nachbarschaft (Ep. 3,19,7). Auch Freigelassene fehlten auf dem Lande und in der Landwirtschaft keineswegs. Auf den kleineren und mittleren Besitztümern waren nicht selten auch liberti tätig, so z. B. auf den Grundstücken norischer Bauern oder auf den Parzellen von Veteranen in Dalmatien und Pannonien.413 Überhaupt scheinen die Sklaven solcher 411 Zur Sklaverei auf dem Lande siehe u. a. E. Herrmann-Otto, Sklaverei und Freilassung (Anm. 131), 144 ff. 412 Dazu H. Gummerus, Der römische Gutsbetrieb (Anm. 98), 73 ff.; N. Brockmeyer, Arbeitsorganisation und ökonomisches Denken (Anm. 98), 137 ff.; vgl. G. Hentz, Ktema 5, 1980, 151 ff. Siehe noch die Literatur in Anm. 98. 413 Siehe die einschlägige Literatur in Anm. 391.
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Herren häufiger freigelassen worden zu sein als die Unfreien auf den großen Gütern. Die Praxis der Freilassung war jedoch auch auf den Latifundien nicht unbekannt. Der jüngere Plinius gewährte seinen Sklaven großzügig die Freiheit offenbar ohne Rücksicht auf ihre berufliche Spezialisierung (Ep. 8,16,1). Eine Inschrift aus dem italischen Forum Livi aus dem 1. Jahrhundert enthält die Instruktionen eines Gutsbesitzers aus dem Ritterstand an seine Freigelassenen, die sein Gut bebauten (CIL XI 600). Aber im Großen und Ganzen wurde die Freilassung der Sklaven auf dem Lande, insbesondere auf den Latifundien, viel seltener praktiziert als in den Städten.414 Columella spricht lediglich bei einer einzigen Gelegenheit von der manumissio: Er empfiehlt nur, jenen Sklavinnen die Freiheit zu gewähren, die mehr als drei Sklavenkinder auf die Welt gebracht haben (De re rust. 1,8,19). Daraus folgt, dass Großgrundbesitzer seines Schlages ihre Sklaven kaum freizulassen pflegten, ferner, dass sie an der Aufrechterhaltung ihres Sklavenbestandes durch die Geburt von vernae sehr interessiert waren. Es ist anzunehmen, dass jene wirtschaftlichen und sozialen Vorteile, die sich für einen Herrn durch die Freilassung seiner Sklaven in der Stadt boten, auf dem Lande kaum zu erwarten waren. Für eine erfolgreiche Tätigkeit als Handwerker oder Kaufmann waren eigene Initiative und ein gewisser Spielraum erforderlich; ein Sklave mit Aussicht auf Freilassung und insbesondere ein libertus mit seiner persönlichen Freiheit konnten diese Voraussetzungen besser erfüllen als ein Sklave mit aussichtslosem Schicksal. Dagegen erschienen den Gutsherren solche Überlegungen offenbar al kontraproduktiv. Wie unrentabel für sie die Beschäftigung freier Arbeitskräfte im Gegensatz zur Sklavenarbeit sein konnte, geht sehr deutlich aus der Überlegung des Plinius hervor, dass er ein Gut, das unter dem früheren Besitzer von den coloni als inbecilli cultores heruntergewirtschaftet wurde, durch Sklaven in Ordnung bringen müsse (Ep. 3,19,6 f.). Jedoch wurde es in der Kaiserzeit immer schwieriger, die für die Bewirtschaftung der Latifundien erforderlichen Sklavenmassen von Generation zu Generation zu ersetzen. Wenn Columella den Müttern von drei Sklavenkindern eine nach seiner Denkweise ganz enorme Belohnung versprach, dann konnte die natürliche Vermehrung der Sklavenfamilien den Bestand schwerlich aufrechterhalten. Freie Reichsbewohner aus der peregrinen Bevölkerung der Provinzen – durch die allmähliche Verbreitung des römischen Bürgerrechtes wohl in stets sinkender Zahl – ließen sich wahrscheinlich kaum auf dem Land, sondern eher in den Städten versklaven, wo sie bessere Zukunftsaussichten hatten. So ging die Sklaverei auf dem Lande in der Kaiserzeit ständig, wohl schneller als in den Städten, zurück. Auf den Latifundien übernahm in steigendem Maße das System des Kolonats ihre Rolle.415 Der colonus 414 Vgl. beispielsweise das Bild, das uns die Grabinschriften von Sklaven und Freigelassenen in der Umgebung von Toletum (Toledo) in Hispanien vermitteln, wo es unter anderem große Güter gab: G. Alföldy, ZPE 67, 1987, 249 ff. 415 Grundlegend M. Rostovtzeff, Studien zur Geschichte des römischen Kolonates (Leipzig 1910); siehe auch R. Clausing, The Roman Colonate (New York 1925); P. Collinet, Le colonat dans l’Empire romain (Bruxelles 1937); weitere Literatur bei J. Vogt – N. Brockmeyer, Bibliographie zur antiken
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war ein Pächter, der einen kleinen Teil des Gutes pachtete, diesen zusammen mit seiner Familie bebaute (so dass seine Frau colona hieß, z. B. CIL VI 9273 = ILS 7454), und dem Gutsbesitzer aus den erwirtschafteten Produkten eine bestimmte Abgabe entrichtete. In einigen Provinzen, vor allem im römischen Nordafrika und auch dort insbesondere auf den umfangreichen kaiserlichen Gütern, deren Arbeitsorganisation auch für die privaten Latifundien ein Modell bot, war dieses System bereits im 1. Jahrhundert stark verbreitet. Die viel zitierte Inschrift aus Henchir-Mettich aus den letzten Jahren Trajans bezeugt das Kolonatsystem als Grundlage für die Bewirtschaftung der kaiserlichen Güter nicht erst für die damalige Zeit, sondern, unter Berufung auf eine frühere lex Manciana, bereits für eine frühere Epoche.416 Auch in Italien war dieses System schon längst bekannt, erschien jedoch z. B. dem Columella (De re rust. 1,7,1 ff.) wesentlich unproduktiver als die Sklavenwirtschaft, so dass er es nur für die Bebauung von Gütern in unfruchtbaren Gegenden empfahl, in denen sich die Verwendung der kostbaren Sklaven nicht gelohnt hätte. Seit dem 2. Jahrhundert breitete sich diese Bewirtschaftungsform jedoch auch in Italien allgemein aus. Die meisten coloni waren persönlich Freie, unter denen es gelegentlich auch Freigelassene gab (z. B. CIL IX 3674 = ILS 7455). Jedoch wurden für das Pachtsystem auch Sklaven herangezogen, die als quasi coloni bereits im 1. Jahrhundert (Dig. 33,7,12,3) praktisch unter den gleichen Voraussetzungen wie die »eigentlichen« Kolonen lebten. Die Arbeit und die Wohnverhältnisse waren kaum verschieden. Auch die als Pächter verwendeten Sklaven wurden nicht schlechter als die »freien« coloni behandelt, z. B. konnte man sie natürlicherweise nicht mehr fesseln. Zugleich waren die sozialen Aufstiegsmöglichkeiten durch Wechsel des Wohnortes und des Berufes auch bei den nominell »freien« Kolonen oft kaum besser als bei den Sklaven. Dadurch verloren die traditionellen Unterschiede in der Rechtsstellung von Freigeborenen, Freigelassenen und Sklaven ihre soziale Bedeutung mehr und mehr. Eine ganz homogene bäuerliche Bevölkerung entstand aus den Kolonen auf den großen Gütern jedoch nicht, da sich neue soziale Unterschiede herausbildeten. So werden in der Inschrift aus Henchir-Mettich gleich mehrere Kategorien der Landarbeiter der kaiserlichen Güter bezeugt: die »normalen« coloni, nämlich die Kleinpächter, die coloni inquilini, auf den Gütern ansässige, landlose und zu verschiedenen Arbeitsleistungen verpflichtete Bauern, und stipendiarii, weitere Bauern, die teils auf
Sklaverei (Anm. 131), 45 ff. Anfänge des Kolonatsystems in Italien, seine Darstellung bei den Juristen: N. Brockmeyer, Historia 20, 1971, 732 ff. Vgl. noch A. Giardina, in: The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World (Anm. 17), 749 ff. 416 CIL VIII 25902; vgl. auch CIL VIII 25943. Zum Kolonat in Nordafrika und zu den einschlägigen inschriftlichen Quellen siehe bes. J. Kolendo, Le colonat en Afrique sous le Haut-Empire (Paris 1976); dens., in: Terres et paysans dépendants dans les sociétés antiques. Colloque Besançon 1974 (Paris 1979), 391 ff.; C. R. Whittaker, Klio 60, 1978, 331 ff.; D. Flach, Chiron 8, 1978, 441 ff. (mit ausführlicher Behandlung der inschriftlichen Quellen); dens., ANRW II 10, 2 (Berlin – New York 1982), 427 ff.
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dem Gut, teils außerhalb des Gutes wohnten und von denen die zuerst Genannten wiederum bestimmte Arbeitsleistungen zu erbringen hatten. In der Prinzipatszeit stellten die Sklaven und die Kolonen allem Anschein nach nur eine Minderheit der Landbevölkerung des Imperium Romanum dar. In den einzelnen Teilen des Reiches lebten, von Gebiet zu Gebiet unterschiedlich zusammengesetzt, weitere umfangreiche bäuerliche Bevölkerungsgruppen. Kleine Grundbesitzer, die eigenes Land im Wert unter dem Dekurionencensus der nächsten benachbarten Stadt besaßen, gab es in den meisten Provinzen. Der Typus dieses kleinen, selbständigen Bauerngutes, das in den Georgica Vergils besungen worden war, verschwand in der Frühen Kaiserzeit auch in Italien keineswegs. Wie es aus den Angaben der Besitzgrößen auf den Alimentartafeln vom Veleia und Beveventum hervorgeht, existierten zu Beginn des 2. Jahrhunderts in der Umgebung von Veleia und Beneventum, also in zwei so verschiedenen Gebieten wie auf den nördlichen Abhängen der Apenninen und in Campanien, noch zahlreiche kleine Besitztümer.417 Ferner gab 417 Siehe hierzu Anm. 243.
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es in den meisten Teilen des Reiches massenweise ganz arme, land- und mittellose Bauern, die ihre Existenz als Tagelöhner und Saisonarbeiter auf den Gütern vermögender Bauern sowie municipaler Grundbesitzer und auf den Latifundien zu sichern versuchten. In vielen Gegenden gab es Hirten, die, wie selbst in Italien, nicht an Menschen gewöhnt waren und in jedem Fremden einen Feind erblickten (Fronto, Ad M. Caes. 2,12). Dazu kamen noch die kleinen Händler, die auch auf den ländlichen Marktplätzen nicht fehlten, und insbesondere die kleinen Handwerker, die entweder in den Dörfern oder in den Werkstätten größerer Güter z. B. als Schmiede oder Töpfer tätig waren. Zur Landbevölkerung gehörten schließlich auch die kleinen Pächter und die Sträflinge,418 die in den Bergwerken arbeiteten. Einheitlichere Strukturen entfalteten sich bei der Landbevölkerung des Imperium Romanum erst in der späteren Kaiserzeit, nachdem der Großgrundbesitz und das Kolonatsystem überall in den Vordergrund getreten waren. Aber in einer Hinsicht war die Lage der Landbevölkerung auch in der früheren Kaiserzeit fast überall ähnlich: Die am ehesten unterdrückten sozialen Schichten im Römischen Reich waren überall die ärmeren und ganz armen Gruppen der Landbevölkerung. Am schlimmsten ging es unter diesen Gruppen nicht einmal den Sklaven der Latifundien, die für den Herrn einen Wert darstellten und zumindest regelmäßig ernährt wurden, sondern vor allem den Massen der nominell »freien« Bauern, die mittellos waren und in den Provinzen häufig auch noch nicht über die privilegierte Stellung des römischen Bürgers verfügten. In Judäa z. B. oder auch in Ägypten war das Schicksal der »freien« Landbevölkerung entschieden ungünstiger als die Lage der Sklaven auf Columellas Gut. Philo (De spec. leg. 3,159 ff.) malt ein recht düsteres Bild: Die Landbevölkerung litt entsetzlich unter der Steuerlast; wenn ein Bauer entfloh, wurden seine Familienangehörigen oder Nachbarn brutal misshandelt und oft zu Tode gequält. Die Stände-Schichten-Struktur und ihre Auswirkungen Zusammenfassend lässt sich die Sozialstruktur der sog. Prinzipatsepoche am ehesten in der Form einer Pyramide darstellen (Abb. auf S. 196), die zwar weder die äußerst ungleiche Zahlenstärke einzelner Schichten widerspiegelt noch den ständigen Wandel der Gesellschaft innerhalb der beiden ersten Jahrhunderte der Kaiserzeit zum Ausdruck zu bringen vermag und die Dinge naturgemäß schematisiert, dennoch einige besonders wichtige Merkmale der sozialen Hierarchie wohl einprägsam veranschaulicht. Da die Kriterien für die Existenz eines eigenständigen Mittelstandes nicht vorhanden waren (S. 203 f.), lässt sich behaupten, dass sich die Gesellschaft in zwei – ungleich große – Hauptgruppen, in Oberschichten und Unterschichten,
418 Zu Sträflingen vgl. R. MacMullen, in: ders., Changes in the Roman Empire (Anm. 240), 204 ff. 557 ff.
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gliederte.419 Dabei bildeten Senatoren, Ritter und Dekurionen ohne Ritterrang, zu denen noch die in den Augustalenkörperschaften zusammengefassten reichen Freigelassenen und – mit einer gewissen Berechtigung – auch die Mitglieder der familia Caesaris (oder zumindest ihre Spitzengruppen) zu zählen sind, insgesamt höchstens etwa 250.000 oder maximal 300.000 erwachsene Männer. Sie bildeten somit selbst zusammen mit ihren Frauen und Kindern nur eine winzige Minderheit der Gesamtbevölkerung des Reiches. Die eigentliche Führungsschicht, die aus den Inhabern der höheren senatorischen Ämtern sowie aus der Gruppe der hochgestellten Ritter bestand, umfasste am Ende der augusteischen Zeit wohl nur etwa 160 und um die Mitte des 2. Jahrhunderts ungefähr doppelt so viele Personen. Die meisten Angehörigen der gehobenen sozialen Schichten, die durch ihren Besitz, ihre Machtfunktionen und ihr Ansehen über den gewöhnlichen Massen standen, wurden nach klaren hierarchischen Kriterien in einzelnen ordines oder in Ordo-ähnlichen Organisationen, d. h. in geschlossenen, korporativ verfassten Personenverbänden mit spezifischen Vermögenssätzen, Funktionen und Rangmerkmalen zusammengefasst. Diese Organisationsformen, von den Römern ordo genannt, lassen sich angesichts ihrer charakteristischen Merkmale als »Stände« betrachten, da ihre charakteristischen Merkmale vielfach an die Struktur mittelalterlicher Stände erinnern. In ihnen wurde also die Elite der Gesellschaft, ohne irgendwelche Unterscheidung zwischen städtischen und ländlichen Oberschichten, vereint, wobei die reichen Freigelassenen und die Mitglieder der familia Caesaris, die nur im Hinblick auf ihren Besitzstand und zum Teil auf ihren politischen Einfluss zu den Oberschichten gezählt werden können, in die privilegierten Personenverbände von Senatoren, Rittern und Dekurionen mit hohem Ansehen nicht aufgenommen wurden. Allerdings lässt sich auch bei den reichen Freigelassenen ein klarer Trend zur Nachahmung von Standesorganisationen – im Rahmen der städtischen Körperschaften der seviri Augustales – beobachten, und die familia Caesaris stellte ebenfalls einen Ordo-ähnlichen, juristisch und funktionell definierbaren Personenverband dar. Während die Augustalenkörperschaften in der sozialen Hierarchie mit ihren auf die Pflege des Kaiserkultes begrenzten öffentlichen Funktionen eindeutig unterhalb der Dekurionenstände rangierten, muss die schematische Darstellung der sozialen Pyramide der Tatsache Rechnung tragen, dass die Spitzengruppe der familia Caesaris mit ihrer Machtposition und auch mit ihren finanziellen Verhältnissen nicht nur die Dekurionenstände überflügelte, sondern auch in die Führungselite des Imperium hineinragte. Die Unterschichten bestanden aus stark heterogenen Gruppen der Bevölkerungsmassen von Stadt und Land. Im Gegensatz zu den privilegierten ordines sind sie nicht als Stände zu definieren. Ohne mit dem Begriff »Schicht« unbedingt ein-
419 Zur Dichotomie der kaiserzeitlichen Gesellschaft – die mehrere Forscher leugnen (vgl. S. 203 f.) – bekennen sich ausdrücklich u. a. auch F. Jacques – J. Scheid, Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit (Anm. 182), 328 ff. Zur grundlegend dichotomischen Struktur der Gesellschaft der römischen Kaiserzeit (seiner Meinung nach seit Hadrian) siehe auch A. Demandt, Die Spätantike2 (Anm. 397), 325.
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ander überlagernde soziale Gruppen zu meinen, können wir am ehesten wohl von einzelnen Schichten – oder vielleicht besser: von einzelnen Bevölkerungsblöcken – sprechen, die vor allem aufgrund ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit entweder in der Stadt oder auf dem Lande, ferner nach rechtlichen Kriterien als ingenui, liberti oder servi signifikante Merkmale aufwiesen. Die Grenzen zwischen den einzelnen Unterschichten oder Blöcken verliefen diesen Merkmalen entsprechend von unten nach oben, d. h. sie konnten die soziale Stellung des Einzelnen nur zum Teil bestimmen. Eindeutige horizontal verlaufende soziale Trennlinien gab es innerhalb der niederen Bevölkerung nicht, im Gegensatz zu den klaren Positionsunterschieden zwischen den einzelnen Oberschichten. So konnten die Positionen innerhalb ein und derselben unteren Bevölkerungsschicht voneinander weit entfernt, die Positionen einzelner Angehöriger verschiedener Unterschichten einander sehr nahe liegen. Selbstverständlich ist mit diesem Schema nicht die gesamte Wirklichkeit der römischen Gesellschaftsordnung während der ersten Jahrhunderte der Kaiserzeit erfasst. Auf zwei Schwächen dieses Modells muss gebührend aufmerksam gemacht werden. Einerseits waren bei seiner Skizzierung die rechtlichen und organisatorischen Gliederungskriterien ausschlaggebend, wobei die Grenzen, die sich zwischen gesellschaftlichen Gruppen aufgrund der Funktionen und des Sozialprestiges ergaben und mit den Grenzen zwischen juristisch definierbaren Personenverbänden und Personengruppen nicht unbedingt übereinstimmen, nicht voll zur Geltung kommen. Nach funktionellen Merkmalen und den diesen entsprechenden Prestigemerkmalen ließen sich die Oberschichten des Imperium Romanum eher so beschreiben, dass es zwei Hauptschichten der gehobenen Bevölkerung gab: einerseits eine kommunale Elite, andererseits eine Reichsaristokratie. Zu der kommunalen Elite gehörten als niedrigere Einzelschicht die in den Augustalenverbänden zusammengefassten reichen Freigelassenen, als höhere Einzelschicht die »gewöhnlichen« Dekurionen und Magistrate sowie deren Kollegen, die zugleich auch Mitglieder des Ritterstandes waren, jedoch nur in städtischem und nicht auch in staatlichem Dienst standen. Die Angehörigen der Reichsaristokratie dagegen übten im Staatsdienst militärische und politische Funktionen aus oder waren hierfür – wie vor allem die Senatoren ohne Ämter – zumindest vorgesehen. Doch ragte aus dieser Reichsaristokratie noch die politisch-militärische Führungselite empor, die aus den Senatoren in den hohen Ämtern, ferner aus den hohen ritterlichen Staatsfunktionären bestand. Andererseits muss noch betont werden, dass das hier entworfene Modell, welches die sozialen Unterschiede zwischen einzelnen Bevölkerungsschichten betont, der sozialen Stratifikation als gesellschaftlichem Charakteristikum ein einseitiges Übergewicht gibt. Für die Bestimmung sozialer Realitäten waren in der römischen Welt keineswegs nur die festgeschriebenen Positionen innerhalb einer gesellschaftlichen Hierarchie ausschlaggebend, sondern auch die stets höchst wichtigen persönlichen Beziehungen zwischen einzelnen höher und niedriger gestellten Personen wie z. B. innerhalb der familia zwischen einem Sklaven und seinem Herrn, in einer Stadtgemeinde zwischen einem plebejischen Klienten und seinem patronus aus der kommunalen Elite,
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oder auf einem Gut zwischen den Landarbeitern und dem Gutsherrn.420 Während sich die Angehörigen eines privilegierten Ordos bewusst zusammenschlossen und sich von anderen hierarchischen Gruppen der Gesellschaft in vielfacher Hinsicht absonderten, waren die einzelnen Gruppen der niederen Bevölkerung im Reich eher mit ihren jeweiligen Herren oder patroni als miteinander verbunden. Nichtsdestoweniger waren auch die sozialen Unterschiede, bedingt durch die weiter oben (S. 138 ff.) ausführlich behandelten Mechanismen der sozialen Schichtung, eine Realität, deren Bedeutung ebenfalls nicht verkannt werden darf, zumal den zeitgenössischen Schriftstellern stets diese Art der sozialen Gliederung als ausschlaggebendes Element erschien.421 Angesichts der hier beschriebenen Gliederung wäre die römische Gesellschaftsordnung in den beiden ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit, ebenso wie auch in anderen Epochen der römischen Geschichte, am ehesten durch den Begriff der »Stände-Schichten-Struktur« zu erfassen. Dagegen wäre der Begriff »Klasse« für die Definition dieser Sozialordnung weniger geeignet.422 Eine gesellschaftliche Klasse entsteht aufgrund des gemeinsamen Verhältnisses ihrer Angehörigen zur wirtschaftlichen Produktion. In ganz vereinfachter Form ergibt sich dieses Verhältnis aus dem Eigentum oder Nichteigentum an Produktionsmitteln (in einer antiken Gesellschaft wären das Grund und Boden, ferner Werkstätte mit entsprechender Ausrüstung), aus der Arbeitsteilung und aus der Verteilung der erwirtschafteten Güter. Wäre die römische Gesellschaft der Prinzipatsepoche eine Klassengesellschaft gewesen, so hätte es dort zwei Klassen geben müssen: die obere Klasse, deren Angehörige die Produktionsmittel besaßen, an der Produktionsarbeit unbeteiligt waren und vom Profit der durch andere erwirtschafteten Güter lebten, und die untere Klasse, deren Mitglieder weder über Land noch über eigene Mittel für die handwerkliche Produktion verfügten, direkte Produktionsarbeit leisteten und die obere Klasse durch ihre Produkte ernährten. Einzelne Gruppen der römischen Gesellschaft würden diese ökonomischen Kriterien zweifellos weitgehend erfüllen: Die Senatoren könnten unschwer der ersten, die Sklaven auf den Latifundien der zweiten Kategorie zugeordnet werden. Dennoch kann ein derartiges Klassenmodell der gesamten Wirklichkeit der römischen Gesellschaftsordnung nicht gerecht werden. Zunächst müsste zwischen der oberen und der unteren Klasse eine »Mittelklasse« eingeführt werden, deren Angehörige über Produktionsmittel verfügten und trotzdem Direktproduzen420 Zu den sozialen Beziehungen zwischen den Angehörigen unterschiedlicher sozialer Schichten vgl. W. Eck, in: Colonato y otras formas de dependencia no esclavistas. Actas del Coloquio 1978. Memorias de Historia Antigua (Oviedo) 2, 1978, 41 ff. Zu solchen Beziehungen vgl. die reiche Literatur in der Bibliographie in den Abschnitten A 3.2 und A 4.3. 421 Siehe dazu S. 205 mit Anm. 438. 422 So doch J.-U. Krause, Klassen (Anm. 124), u. a. mit einer Definition dieses Begriffes. Zur Frage der Verwendung des Begriffes »Klasse« für die römische Gesellschaft vgl. W. V. Harris, in: T. Yuge – M. Doi (Eds.), Forms of Subordination and Control in Antiquity (Anm. 34), 598 ff. Es soll hier angemerkt werden, dass das englische Wort »class« viel neutraler und deshalb viel beliebiger verwendbar ist als der erheblich stärker vom Marxismus geprägte Begriff »Klasse« in der deutschen Sprache.
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ten waren; hierzu müssten aber so unterschiedliche soziale Gruppen gezählt werden wie unabhängige Bauern, die eigenes Land besaßen, Kolonen, die zumindest über gepachtetes Land verfügten, ferner Handwerker mit einem kleinen eigenen Betrieb. Entscheidend ist jedoch, dass die römische Gesellschaft keineswegs nur nach den erwähnten wirtschaftlichen Kriterien gegliedert war, sondern auch nach sozialen und rechtlichen Gesichtspunkten, die mit den wirtschaftlichen nicht vollkommen übereinstimmten. Die Dekurionen der Städte waren nicht selten direkt produzierende Bauern, dennoch gehörten sie als Mitglieder eines privilegierten Standes mit ihren Amtsfunktionen und ihrem honos zu den Oberschichten. Demgegenüber wiesen die reichen Freigelassenen vom Schlage Trimalchios zwar alle ökonomischen Kriterien einer »herrschenden Klasse« auf, da sie Produktionsmittel besaßen, nicht direkt produzierten und von der Arbeit eines von ihnen abhängigen Personals lebten; jedoch waren ihnen der Eintritt in die höheren Stände, die Übernahme höherer Amtfunktionen und ein den Mitgliedern führender ordines entsprechendes soziales Ansehen verwehrt. So wäre es wirklichkeitsfremd, die römische Gesellschaft der Prinzipatsepoche unbedingt als eine Klassengesellschaft zu definieren, um von einer »Sklavenhaltergesellschaft« gänzlich zu schweigen:423 Sie war eine in Stände und Schichten gegliederte Gesellschaft mit einer recht eigenartigen Struktur, die sich trotz gemeinsamer Züge auch von anderen vorindustriellen Gesellschaften erheblich unterscheidet. Dieses Modell der Sozialstruktur des Imperium Romanum mit der Wiedergabe der »sozialen Pyramide«, das mehrfach auch an anderen Orten vorgetragen wurde,424 ist in zahlreiche Überblicke und Lehrbücher bzw. Handbücher über die Geschichte Roms eingegangen.425 Zugleich hat aber diese Beschreibung der kaiserzeitlichen Gesellschaftsordnung eine lebhafte Diskussion mit z. T. scharfer Kritik hervorgerufen. Mehrere prominente Kenner der der Geschichte Roms und speziell auch der römischen Sozialgeschichte wie Friedrich Vittinghoff und Rolf Rilinger lehnten sie sehr weitgehend, Frank Kolb und Karl Christ zumindest an einzelnen wesentlichen Punkten ab und entwickelten z. T. andere Ideen über die Sozialord-
423 Die marxistische Theorie, die an der Bestimmung der »antiken Gesellschaftsordnung« als Klassengesellschaft auch noch in jüngerer Zeit festhielt, rückte bereits seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts zumindest von der Theorie der »Sklavenhaltergesellschaft« zunehmend ab (vertreten z. B. noch von E. M. Schtajerman, Vestnik Drevnej Istorii 1969, 4, 37 ff.), siehe etwa H. Kreissig, Ethn.-Arch. Zeitschr. 10, 1969, 361 ff. 424 G. Alföldy, zuerst in spanischer Sprache in Papeles del Laboratorio de Arqueología de Valencia 11, 1975, 407 ff., dann deutsch unter dem Titel »Die römische Gesellschaft – Struktur und Eigenart« in Gymnasium 83, 1976, 1 ff. = in: ders., Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 42 ff., französisch in Cahiers de Clio 82/83, 1985, 11 ff. Siehe dazu auch die »Nachbetrachtung« in: G. Alföldy, Die römische Gesellschaft 69 ff. 425 Nur als einige der vielen Beispiele seien hier genannt L. de Blois – R. J. van der Spek, Een Kennismaking met de Oude Wereld (Muiderberg 1983), 189; H. Kloft, Die Wirtschaft der griechisch-römischen Welt. Eine Einführung (Darmstadt 1993), 202; E. Herrmann-Otto, Sklaverei und Freilassung (Anm. 131), 188; vgl. M. Peachin, in: Social Relations in the Roman World (Anm. 182), 9.
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nung Roms.426 Mehrere Fachleute haben, ohne immer auf die Diskussion mit meinen Thesen ausführlich einzugehen, ebenfalls z. T. andere Konzepte vorgetragen, obwohl wir in vielen Fragen die gleiche Meinung vertreten.427 Die Diskussion ist heute nicht abgeschlossen.428 Das am ehesten ausgewogene Urteil über diese Diskussion hat m. E. Aloys Winterling vorgetragen, der den hier formulierten Grundthesen ausdrücklich zustimmt, jedoch einige Modifizierungen vorschlägt.429 Kritische Diskussion muss immer willkommen sein, und aus all den Werken, in denen über die römische Sozialordnung andere Konzepte als hier vorgelegt wurden, kann man viel lernen. Auch die von mir angeregten Versuche, den Aufbau der römischen Gesellschaft durch ein anderes Schaubild als durch die von vielen begrüßte 426 K. Christ, in: Studien zur antiken Sozialgeschichte (Anm. 354), 197 ff. = in: ders., Römische Geschichte und Wissenschaftsgeschichte II. Geschichte und Geschichtsschreibung der römischen Kaiserzeit (Darmstadt 1983), 169 ff.; F. Kolb, in: Bericht über die 33. Versammlung deutscher Historiker in Würzburg 1980 (Stuttgart 1982), 131 f.; F. Vittinghoff, Hist. Zeitschr. 230, 1980, 31 ff. = in: ders., Civitas Romana (Anm. 235), 253 ff.; R. Rilinger, Saeculum 36, 1985, 299 ff. (dort generell über modeme und zeitgenössische Vorstellungen von der Gesellschaftsordnung der römischen Kaiserzeit). Es soll jedoch betont werden, dass Christ und Vittinghoff in ihren ausführlichen Darstellungen der Gesellschaftsordnung der Kaiserzeit (Anm. 182) von meinen Ergebnissen viele Erkenntnisse übernahmen. St. Breuer, Stand und Status (Anm. 337), 26 ff. stellt das von mir entworfene Gliederungsmodell demjenigen von Christ gegenüber (dessen Ansichten er ebd. S. 30 mit dem Schaubild einer »alternativen sozialen Pyramide« veranschaulicht) und schließt sich seiner Meinung an, wonach es in der kaiserzeitlichen Gesellschaft fünf einander überlagernde Schichten gegeben habe, nämlich die imperiale Führungsschicht, eine imperiale Oberschicht, die regionalen und lokalen Oberschichten, die Mittelschichten und die Unterschichten. Gegen dieses Modell ist vieles einzuwenden, so vor allem, dass der Senatorenstand, der sich immer geschlossen als eine Einheit verstand, in zwei Schichten zerfällt, dass der Unterschied zwischen dem Senatorenstand und dem Ritterstand nicht zum Vorschein kommt, dass die »Mittelschichten« ein Konglomerat ganz unterschiedlicher sozialer Gruppen werden (vgl. S. 204 f.) und dass bei den Unterschichten kein Unterschied gemacht wird zwischen der plebs urbana und der plebs rustica, zwischen Freien und Sklaven, zwischen römischen Bürgern und Nichtbürgern. 427 Siehe bes. P. Garnsey – R. Saller, The Roman Empire. Economy, Society and Culture (Berkeley – Los Angeles 1987), 107 ff.; H.-J. Gehrke, in: Das alte Rom. Geschichte und Kultur des Imperium Romanum (Anm. 182), 167 ff.; nochmals ausführlich K. Christ, Geschichte der römischen Kaiserzeit (Anm. 182), 350 ff.; F. Jacques – J. Scheid, Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit (Anm. 182), 317 ff., bes. 328 ff.; W. Dahlheim, Geschichte der römischen Kaiserzeit (Anm. 182), 48 ff. und 208 ff. 428 Zu den Diskussionen über die Sozialstruktur des Imperium Romanum vgl. H. Tvarnø, in: E. Christensen (Ed.), Studies in Ancient History and Numismatics Presented to Rudi Thomsen (Aarhus 1988), 114 ff. Über die Verdienste meiner Ausführungen zur römischen Sozialstruktur (und zur römischen Sozialgeschichte überhaupt) siehe jetzt M. Peachin, in: Social Relations in the Roman World (Anm. 182), 8 f. 429 A. Winterling, ZIF: Mitteilungen (Universität Bielefeld, Zentrum für Interdisziplinäre Forschung) 3, 1998, 1 ff. und etwas erweitert in Klio 83, 2001, 93 ff. = in: ders., Politics and Society in Imperial Rome (Malden 2009), 99 ff. Hier heißt es nach dem Referat über die kritischen Ansichten von Friedrich Vittinghoff und Rolf Rilinger unter anderem (S. 191): »Gleichwohl hat Alföldy an seiner Gesellschaftspyramide festgehalten, und der Erfolg scheint ihm recht zu geben. Sie ist in der Forschung breit rezipiert und häufig übernommen worden. Dies scheint nicht ohne Grund erfolgt zu sein. Meine These ist, dass Alföldy ein zentrales Strukturelement der kaiserzeitlichen Gesellschaft zutreffend beschreibt, die sich daraus ergebende Aporie jedoch nicht wahrgenommen, sondern durch Inkonsistenz seines Modells überdeckt hat.« Ob diese letzte Feststellung zutrifft oder nicht, sollte jeder Leser selbst beurteilen.
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»soziale Pyramide« darzustellen, sind erwägenswert, doch scheinen sie mir das Modell der Gliederung der römischen Gesellschaft zumeist eher unnötig zu komplizieren und die »Pyramide« durch kein prägnantes Schaubild ersetzen zu können.430 Auch halte ich die meisten Einwände gegen die am Anfang der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts – unter dem Eindruck der damals sehr aktuell gewordenen Diskussionen über die Aktualität sozialgeschichtlicher Fragestellungen in der Geschichtswissenschaft – entwickelten, hier mit einigen Korrekturen und Ergänzungen wiederholten Ansichten nach wie vor für gut begründet.431 So meine ich, dass die von Friedrich Vittinghoff und Rolf Rilinger vertretene Auffassung, wonach die römische Gesellschaft sich nicht wie eine moderne Gesellschaft in verschiedene soziale Schichten gliederte, sondern auf den Einheiten von Familien und Kommunen (familia uns civitas) beruhte, nicht zutrifft. Nicht teilen kann ich auch die von Vittinghoff zunächst stark betonte, später nicht mehr so deutlich unterstrichene Auffassung, wonach es im Imperium Romanum keine einheitliche Gesellschaftsordnung, sondern viele verschiedene Gesellschaftssysteme gegeben habe. Die vielen regional orientierten Forschungen haben deutlich gezeigt, dass sich das römische Gesellschaftssystem infolge des Romanisationsprozesses fast überall mehr oder weniger durchsetzen konnte, wobei der Grad des Erfolges dieser Entwicklung natürlich von Region zu Region unterschiedlich war, aber von einem Scheitern der Romanisation kann nur in Ausnahmefällen die Rede sein, so vor allem bei den Reiternomaden, bei den Einwohnern einiger Berglandschaften und zumindest bis zu einem gewissen Grad bei den Juden.432 Die Bedeutung der familiären und kommunalen Verbände für das gesellschaftliche Leben der Römer würde niemand leugnen. Aber diese Fundamente des römischen Lebens stehen, wie dies u. a. Aloys Winterling richtig betont hat,433 in überhaupt keinem Gegensatz zur Vorstellung über eine tiefgreifende soziale Stratifikation, denn trotz der Zusammengehörigkeit der Menschen innerhalb einer Kommune oder selbst in einem Familienverband was es nicht gleichgültig, ob sie reich oder arm waren, ob sie Macht ausüben konnten oder nicht, ob sie angesehen waren oder als gewöhnliche Menschen galten. Irreführend ist m. E. auch ein von mehreren Forschern geteilter Kernpunkt der Kritik, wonach die Vorstellung einer dichotomischen Gesellschaft abwegig sei, da die römische Gesellschaft so nur eine winzig kleine »Oberschicht« und eine rie430 Siehe F. Jacques – J. Scheid, Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit (Anm. 182), 335 und 340; A. Winterling, Klio 83, 2001, 102. St. Breuer, Stand und Status (Anm. 337), 30. 431 Zur Kritik habe ich ausführlich Stellung genommen: G. Alföldy, Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 69 ff. mit einer »Nachbetrachtung über Struktur und Eigenart«. Vgl. auch folgende Arbeiten mit einigen Präzisierungen: G. Alföldy, Chiron 11, 1981, 207 ff. = Die römische Gesellschaft 200 ff.; ders., in: Epigrafía y sociedad en Hispania durante el Alto Imperio (Anm. 222), 159 ff., bes. 160 f.; ders., in: Carmona Romana (Anm. 222), 381 ff., außerdem ders., Rev. de la Univ. Complutense 18, 1979 (1981), 177 ff., bes. 209 ff. und ders., Römische Statuen in Venetia et Histria (Anm. 367) (soziale Stratifikation im Spiegel statuarischer Ehrungen). 432 Siehe dazu bes. S. 147. 433 A. Winterling, Klio 83, 2001, 105.
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sige Masse von Untertanen gehabt habe, was unhistorisch sei, da wir mit einem bedeutenden Mittelstand oder mit bedeutenden mittleren Schichten rechnen müssen. Es ist jedoch eine nicht zu leugnende – und auch in anderen vorindustriellen Gesellschaften nicht unbekannte – Realität, dass Roms Staat und Gesellschaft immer von einer sehr kleinen Gruppe von Mächtigen und Einflussreichen beherrscht wurde, wobei sich diese Grundstruktur der Gesamtordnung vom Staat auch auf die einzelnen Kommunen übertrug. Jedenfalls steht die von zahlreichen Fachleuten geteilte Ansicht, wonach wir mit einem breiten römischen »Mittelstand« rechnen müssen, auf schwachen Füßen.434 Hierzu gerechnet werden hauptsächlich die in den Augustalenverbänden zusammengefassten reichen Freigelassenen, aber von manchen Forschern wahllos auch so unterschiedliche soziale Gruppen wie Dekurionen, Freigelassene, die kostspielige Grabdenkmäler zurückließen, nicht zu den höheren Ständen gehörende Stifter verschiedener Monumente, Ärzte, Apparitoren der hohen Magistrate, Mitglieder von Kollegien, Centurionen, Soldaten, Veteranen,435 und es darf daran erinnert werden, dass der Terminus »middle class« einmal sogar für den römischen Ritterstand in Anspruch genommen wurde.436 Es ist natürlich immer leicht, in einer stark strukturierten Gesellschaft wie in der römischen immer irgendwelche soziale Gruppen ausfindig zu machen, die zwischen zwei anderen Gruppen »in der Mitte« standen. Die als »Mittelschicht« o. ä. gekennzeichneten seviri Augustales teilten aber, wie gezeigt (S. 175 ff.), mit der Elite der Gesellschaft deren wichtigste Statusmerkmale, nämlich die wohlhabende wirtschaftliche Position, das Recht auf die Ausübung leitender Funktionen im öffentlichen Leben, das gesellschaftliche Ansehen und die Organisation in Ständen oder in standesähnlichen Verbänden. Die meisten anderen als »Mittelschichten« angesehen sozialen Gruppen lassen aber gemeinsame Statusmerkmale sehr weitgehend vermissen. Das Militär lässt sich in die soziale Hierarchie der Zivilgesellschaft überhaupt nicht einordnen, 434 Für die Existenz eines römischen Mittelstandes hat sich vor allem K. Christ ausgesprochen, in: Studien zur antiken Sozialgeschichte (Anm. 131), 197 ff. = in: ders., Römische Geschichte und Wissenschaftsgeschichte II (Anm. 426), 169 ff. A. Abramenko, Die munizipale Mittelschicht im kaiserzeitlichen ltalien (Anm. 362), der von einem »neuen Verständnis von Sevirat und Augustalität« spricht, hat die seviri Augustales als die »Mittelschicht« der kaiserzeitlichen Gesellschaft hingestellt. In dem von A. Sartori und A. Valvo herausgegebenen Sammelband Ceti medi in Cisalpina (Anm. 359) sehen die meisten Autoren Abramenko folgend die seviri Augustales als »Mittelschicht« an, bei den Autoren dieses Bandes macht sich aber geradezu eine Inflation des Begriffes »ceti medi« bemerkbar. 435 K. Christ, in: Studien zur antiken Sozialgeschichte (Anm. 354), 220 fasste unter diesem Begriff folgende soziale Gruppen zusammen: »Munizipalaristokratie kleinerer Städte, die unabhängigen Ingenui, Centurionen, Unteroffiziere und Mannschaften der Legionen, Prätorianer und Angehörige der hauptstädtischen Sonderformationen, Veteranen«. Seiner Ansicht folgen A. Gara, Athenaeum 79, 1991, 335 ff., bes. 350 ff. (»strati intermedi«) und St. Breuer, Stand und Status (Anm. 337), 26 ff., bes. 30 f., siehe Anm. 426. Die übrigen oben erwähnten sozialen Gruppen erscheinen in den Beiträgen des Sammelbandes Ceti medi in Cisalpina (Anm. 359), unter deren Autoren sich nur einige wenige über den Begriff »ceti medi« Gedanken machten, so S. Roda (27 ff.), F. Mainardis (S. 153 ff.) und A. Sartori (S. 241 ff.). 436 Siehe Anm. 79.
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sondern war im Ganzen gesehen vielmehr ein Abbild der Gesellschaft (S. 139). Eine spezifische Funktion wie dem Mittelstand in einer modernen Gesellschaft wie z. B. die Betreuung des technologischen Apparates des Staates kam keiner der oben genannten gesellschaftlichen Gruppen zu. Intellektuelle, Kaufleute oder kleinere Unternehmer, die in einer modernen Gesellschaft den Kern des Mitteltandes bilden, zählten in der römischen Welt normalerweise zum gewöhnlichen Volk, oder, falls sie ein Vermögen erwirtschaften konnten, stiegen sie in die Verbände der seviri Augustales oder in den ordo decurionum ihrer Stadt auf. Somit dürfte es besser sein, auf das Postulat eines »römischen Mittelstandes« zu verzichten. 437 Ein wesentlicher Punkt in dieser Hinsicht ist übrigens das eigene Bild der Römer über ihre Sozialordnung. Für die meisten römischen Autoren gab es in ihrer Gesellschaft immer nur die beiden Hauptgruppen von divites und pauperes, potentes und tenuiores, honesti und humiles,438 und in den Kommunen wurde vor allem nach Ausweis der Inschriften immer zwischen dem ordo und der plebs unterschieden. Höchstens für manche griechische Autoren wie Artemidorus Daldianus zählten die Handwerker, außerdem auch kleine Spezialgruppen wie die Athleten, weder zu den Eliten noch zum gewöhnlichen Volk, sondern galten als mezoi oder metrioi. Diese Kategorisierung entsprach der altgriechischen Tradition, die bereits ähnlich von Menschen »in der Mitte« gesprochen hatte.439 Durch die Eigenart der geschilderten Struktur der römischen Gesellschaft wird verständlich, wie weit in der Prinzipatszeit die Elastizität der Sozialordnung reichen konnte. Da sich das römische Stände-Schichten-Modell auch in den Provinzen fast überall entweder durchsetzte oder der sozialen Entwicklung zumindest die Haupt437 Gegen die Annahme der Existenz einer reichsübergreifenden oder städtischen »Mittelklasse« vgl. auch F. Jacques – J. Scheid, Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit (Anm. 182), 400 ff. Vgl. Anm. 419. 438 Über die Ansichten der römischen Autoren über ihre Gesellschaftsordnung siehe folgende Arbeiten: A. Michel, in: Recherches sur les structures sociales (Anm. 12), 225 ff. (ordines und classes bei den römischen Historikern); J. Béranger, ebd. 259 ff. = in: ders., Principatus (Anm. 168), 77 ff. (ordines und classes bei Cicero); H. Braunert, in: Monumentum Chiloniense. Studien zur augusteischen Zeit. Festschrift für E. Burck (Amsterdam 1975), 9 ff. = in: ders., Politik, Recht und Gesellschaft in der griechisch-römischen Antike. Gesammelte Aufsätze und Reden (Stuttgart 1980), 255 ff. (Urteil des Augustus über die römische Gesellschaft nach den Res Gestae Divi Augusti); M. Giacchero, in: Miscellanea di studi classici in onore di E. Manni III (Roma o. J.), 1087 ff. (Seneca); G. Alföldy, Ancient Society 11/12, 1980/81, 349 ff. = in: ders., Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 306 ff. (Sueton); ders., in: Bonner Historia-Augusta-Colloquium 1975/76 (Bonn 1978), 1 ff. = Die römische Gesellschaft 434 ff. (Historia Augusta); M. J. Hidalgo de la Vega, Sociedad e ideologia en el imperio romano: Apuleyo de Madaura (Salamanca 1986); H. Graßl, Sozialökonomische Vorstellungen in der kaiserzeitlichen griechischen Literatur (Anm. 236); I. Hahn, Traumdeutung und gesellschaftliche Wirklichkeit. Artemidorus Daldianus als sozialgeschichtliche Quelle (Anm. 408); H. Schlange-Schöningen, Die römische Gesellschaft bei Galen. Biographie und Sozialgeschichte (Berlin 2003). 439 Vgl. S. Roda, in: Ceti medi in Cisalpina (Anm. 359), 27. In den Digesten (Dig. 47,10,15) erscheint zwar eine Dreiteilung der Gesellschaft in honestiores – liberi humilioris loci – servi, aber für diese Unterscheidung lag nicht die soziale Position, sondern der rechtliche Status der einzelnen Personengruppen zugrunde.
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richtung wies, öffneten sich die Spitzenpositionen allmählich auch ehemaligen »Nichtrömern«, während die Italiker zugleich ihre frühere führende Rolle langsam verloren. Diese Art der Durchlässigkeit im sozialen System ist jedoch nicht zu verwechseln mit der vertikalen Mobilität, die in der Möglichkeit lag, die soziale Position entweder innerhalb ein und derselben sozialen Schicht oder durch Wechsel der Statuszugehörigkeit zu verbessern – oder eventuell zu verschlechtern.440 Die Aufstiegschancen richteten sich nach den Grenzen, die innerhalb der sozialen Pyramide verliefen. Die bereits Privilegierten verfügten über beträchtliche Möglichkeiten. Falls sie ihre vorhandenen wirtschaftlichen Mittel geschickt nutzten, und wenn sie im Rahmen eines municipalen, ritterlichen oder senatorischen cursus honorum auf der Leiter der hierarchisch gestaffelten Ämter emporstiegen, dann konnten sie ihre soziale Position erheblich verbessern, wie z. B. der jüngere Plinius, der zu seinen geerbten Gütern auch neue hinzukaufte und die einzelnen Stufen der senatorischen Laufbahn bis zur konsularen Rangstufe erklomm. Aber auch der Aufstieg aus dem Dekurionenstand einer Gemeinde in den Ritterstand und von dort in den Senatorenstand war – entweder innerhalb einer Generation oder durch Generationswechsel – nicht übermäßig schwierig. Die Entfernung zwischen den Censussätzen der einzelnen ordines war für viele Reiche nicht unüberwindbar, und die führenden Stände, die infolge der häufigen Kinderlosigkeit immer wieder aufgefrischt werden mussten, fanden ihre natürliche Nachschubquelle stets in dem eine Rangstufe niedriger liegenden Stand. Vergleichbare Aufstiegsmöglichkeiten fehlten auch bei den Unterschichten, vor allem in den Städten, keineswegs. Da in ein und derselben niederen Bevölkerungskategorie sehr unterschiedliche soziale Positionen zusammengefasst sein konnten, war die Verbesserung der eigenen Lage innerhalb einer solchen Kategorie, vor allem durch Geschick und Glück in der wirtschaftlichen Aktivität, durchaus möglich. Dies galt ebenso für städtische Handwerker, die sich zu bereichern vermochten, wie für ländliche Sklaven, die sich zum Gutsverwalter emporarbeiten konnten. Infolge der lockeren Struktur der Unterschichten war zumindest in den Städten auch der Statuswechsel möglich, da die Sklaven dort sehr oft freigelassen wurden und da die nach der manumissio geborenen Kinder des libertus als Freigeborene galten. Der Dienst im römischen Heer, um den sich in der Frühen Kaiserzeit viele arme Leute aus Italien und aus den Mittelmeerprovinzen, später hauptsächlich Söhne bäuerlichen Familien aus den Garnisonsprovin-
440 Soziale Mobilität in der Hohen Kaiserzeit: K. Hopkins, Past and Present 32, 1965, 12 ff.; P. R. C. Weaver, ebd. 37, 1967, 3 ff. (Aufstieg kaiserlicher Freigelassenen und Sklaven); H. W. Pleket, Tijdschrift voor Geschiedenis 84, 1971, 215 ff.; H. Castritius, Mitt. d. Techn. Univ. Braunschweig 8, 1973, 38 ff.; R. MacMullen, Roman Social Relations (Anm. 182), 97 ff.; N. Purcell, Papers of the British School at Rome 51, 1983, 125 ff. (sozialer Aufstieg der apparitores der senatorischen Amtsinhaber); E. Frézouls (Ed.), La mobilité sociale dans le monde romain (Anm. 323), F. Vittinghoff, Gesellschaft (Anm. 182), 249 ff.; J. D’Arms, in: Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte in der römischen Kaiserzeit (Anm. 182), 401 ff.; A. Gara, Athenaeum 79, 1991, 335 ff.; P. Saller, in: The Cambridge Ancient History2 XI (Anm. 182), 834 ff.
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zen bewarben,441 garantierte nicht nur Sold, Verpflegung und Kleidung, sondern konnte, vor allem den Centurionen über den Primipilat, den Weg zu manchmal sogar sehr erfolgreichem sozialen Aufstieg eröffnen.442 Außerdem gewährte die Entlassung nach dem langen Militärdienst durch die honesta missio dem Veteranen den honos, das Sozialprestige der Angehörigen der Oberschicht, weiterhin in der Frühen Kaiserzeit durch die missio agraria die Zuweisung von Grund und Boden, später zumeist eine finanziellen Gratifikation durch die missio nummaria.443 In den Provinzen waren die Besitzer vieler villae rusticae wohlhabende Veteranen, und vor allem in den Militärprovinzen rekrutierten sich die ordines decurionum häufig aus diesem Personenkreis, dessen Angehörige außer entsprechende finanizielle Mittel bereits auch über den honos verfügten.444 Dennoch darf die soziale Mobilität als positiver Faktor im gesellschaftlichen Leben der Prinzipatszeit nicht überbewertet werden. Diejenigen, die von den geschilderten Möglichkeiten tatsächlich Gebrauch machen konnten, bildeten im Ganzen gesehen nur eine Minderheit, auf dem Lande wahrscheinlich eine sehr kleine Minderheit. Von den ungefähr 90 Rittern z. B., die jährlich als Kohortenpräfekten die niedrigste ritterliche Offiziersstelle übernahmen, konnten nur zwei Drittel als Militärtribunen die nächste Rangstufe und nur ein Drittel als Alenpräfekten die dritte Rangstufe erreichen. Vor allem war die entscheidende soziale Trennlinie, die zwischen Unterschichten und Oberschichten verlief, nur schwer zu überschreiten. Wer nicht von vornherein entsprechende wirtschaftliche Mittel besaß, konnte diese durch Arbeitsfleiß oder weitere persönliche Qualitäten keineswegs unbedingt erwerben. Insbesondere galt das für die niedere Bevölkerung der ländlichen Gebiete, in denen das Vermögen durch den Besitz an Grund und Boden eher konstant verteilt war als in der Stadt. Gewiss war sozialer Aufstieg auch auf dem Lande möglich. Man beruft sich hierfür zu Recht auf die berühmte Inschrift aus Mactar (aus dem 441 Vgl. hierzu bes. G. Forni, Il reclutamento delle legioni da Augusto a Diocleziano (Milano 1953); dens, ANRW II 1 (Berlin – New York 1974), 339 ff. = in: ders., Esercito e marina di Roma antica. Raccolti di contributi (Stuttgart 1992), 11 ff. 442 Über die Aufstiegschancen der Centurionen siehe die in Anm. 321 zitierten Arbeiten von B. Dobson; über den Militärdienst als Instrument der sozialen Mobilität im Allgemeinen siehe G. Alföldy, in: Army and Power in the Ancient World (Anm. 272), 123 ff. 443 Zur Versorgung der Veteranen siehe bes. J. C. Mann, Legionary Recruitment and Veteran Settlement during the Principate (London 1983); St. Link, Konzepte der Privilegierung römischer Veteranen (Stuttgart 1989). Zur Lage der Veteranen vgl. bes. E. Todisco, I veterani in Italia in età imperiale (Bari 1999); C. Ricci, Soldati e veterani nella vita cittadina dell’Italia imperiale (Roma 2010). Zur Ansiedlung von Veteranen in den Provinzen siehe G. Alföldy, Historia 13, 1964, 167 ff. = Römische Heeresgeschichte (Anm. 227), 298 ff.; A. Mócsy, Pannonia and Upper Moesia (Anm. 236), 73 ff. und 116 ff.; P. Sänger, in: P. Herz – P. Schmid – O. Stoll (Hrsg.), Zwischen Region und Reich. Das Gebiet der oberen Donau im Imperium Romanum (Berlin 2010), 121 ff. (Veteranen in Ägypten). 444 Zum Aufstieg von Veteranen in die Elite der Städte im den nördlichen Provinzen siehe L. Mrozewicz, Eos 77, 1989, 65 ff. Ein gutes Beispiel für einen solchen Ausftieg einer Veteranenfamilie bieten J.-M. Lassère et al., Les Flavii de Cillium. Étude du Mausolée de Kasserine (CIL VIII, 211–216) (Paris – Roma 1993).
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3. Jahrhundert), in der ein ehemaliger kleiner Landarbeiter stolz vom Erfolg seines Fleißes berichtet: Er stammte aus einer mittellosen Familie, betätigte sich bei Ernten 12 Jahre lang als Saisonarbeiter und 11 Jahre lang als Vormann; durch seine Arbeit wurde er Gutsbesitzer und aufgrund dieser Qualifikation Dekurio in seiner Heimatstadt, in der er schließlich zum Bürgermeister aufstieg.445 Aber häufig war ein solcher Werdegang gewiss nicht, zumal von dem Lohn eines Landarbeiters, der über keinen eigenen Grund und Boden verfügte, das erforderliche Mindestvermögen eines Dekurionen – selbst beim niedrigsten Census der Kleinstädte – nur schwer zusammenzusparen war. In den städtischen Berufen war es leichter, Geld zu machen. Dem sozialen Aufstieg waren jedoch auch in den Städten Grenzen gesetzt, nicht zuletzt durch die vielfachen Restriktionen angesichts der persönlichen Herkunft und Rechtsstellung, die oft auch die wirtschaftlich Erfolgreichen, vor allem die tüchtigen Freigelassenen, an der Integration in die Oberschicht hinderten. Somit war es in der Prinzipatszeit, im Gegensatz zu den Verhältnissen in einer modernen Industriegesellschaft, nur selten möglich und jedenfalls untypisch, dass sich jemand aus sehr niedrigen Verhältnissen bis auf die höchsten Stufen der sozialen Pyramide emporarbeiten konnte. Der Lebensweg der führenden Angehörigen der familia Caesaris oder der reichen Freigelassenen, der Trimalchio zu dem Ausspruch veranlasste, er sei aus einem Frosch ein König geworden (Petronius, Sat. 77), stellte angesichts der weiterhin vorhandenen sozialen Barrieren für diese Personen keinen Hinweis auf uneingeschränkte soziale Mobilität dar. Davon abgesehen verdankten solche Personen ihre Karrieren keineswegs nur ihrer persönlichen Tüchtigkeit, sondern ihrem persönlichen Glück, nämlich reichen Erbschaften kinderloser Herren, ferner der Zugehörigkeit zum unfreien Personal des Kaisers entweder durch Geburt oder durch den Sklavenhandel. Die einzige institutionalisierte Möglichkeit für den Aufstieg vom Boden bis zur Spitze der sozialen Pyramide war die Laufbahn jener Centurionen, die über den Primipilat in den Ritterstand aufstiegen. Aber z. B. um die Mitte des 2. Jahrhunderts gab es gleichzeitig nur etwa 2.000 Centurionen, von denen jeweils nur etwa ein Drittel den Primipilat mit dem ritterlichen Rang und weniger als zehn eine hohe ritterliche Rangstufe erreichen konnten.446 Das Schicksal des späteren Kaisers Pertinax, der Sohn eines ehemaligen Sklaven war, sich zuerst als mittelloser Lehrer betätigte, dann durch Protektion in den Ritterstand aufgenommen wurde, sich durch seine glänzenden militärischen Fähigkeiten auszeichnete und senatorischen Rang erhielt, unter die führenden Konsulare aufstieg und nach dem Sturz des Commodus zum Kaiser gewählt wurde, war einmalig und nur unter den neuen Bedingungen möglich, die die militärische und politische Krise des Reiches unter Mark Aurel und Commodus mit sich brachte.447 Früher war ein ver445 CIL VIII 11724 = ILS 7457 = ILTun 528. 446 Zu den Aufstiegschancen der Primipilaren siehe B. Dobson, in: Recherches sur les structures sociales (Anm. 12), 103. 447 Über den Werdegang des Pertinax siehe HA, Pert. 1,1 ff. und AE 1963, 52; dazu H.-G. Kolbe, Bonner Jahrb. 162, 1962, 407 ff.; G. Alföldy, Römische Heeresgeschichte (Anm. 227), 326 ff.
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gleichbarer Aufstieg einer Familie höchstens durch mehrfachen Generationswechsel denkbar. So stammten die Vitellier nach der Tradition von einem Freigelassenen ab, der Schuhflicker gewesen war; sein Sohn erwarb am Ende der Republik durch Versteigerungen bereits Vermögen; aus der Ehe dieses Vitellius mit einer Prostituierten stammte dann ein Sohn, der in den Ritterstand aufgenommen wurde und unter Augustus auch den Rang eines kaiserlichen Prokurators erhielt; der Ritter hatte dann vier Söhne, die schon alle Senatoren waren, von denen einer als dreifacher Konsul zu den vornehmsten Männern in Rom gehörte; dessen Sohn war schließlich Aulus Vitellius, der Kaiser (Suet., Vit. 2,1 ff.). Immerhin wies das römische Gesellschaftssystem vielfache soziale Aufstiegschancen auf, die man zumindest anstreben konnte. Diese Durchlässigkeit trug zu seiner Stärke und Stabilität wesentlich bei. Dazu kam noch, dass der soziale Abstieg, der zu besonderer Erbitterung der Betroffenen führen konnte, unter den konsolidierten Verhältnissen der Prinzipatszeit ein eher seltener Vorgang war. Massenweise betroffen waren davon höchstens die Einwohner der Provinzen in den ersten Generationen nach ihrer Unterwerfung, in der Kaiserzeit also immer engere Kreise. Verarmte und verschuldete Familien, vor allem auf dem Lande, die z. B. ihre Kinder als Sklaven verkaufen mussten, gab es zwar immer (S. 187), aber breite Bevölkerungsschichten erlebten selten gleichzeitig einen derartigen Abstieg.448 Bei Naturkatastrophen wie z. B. beim großen Erdbeben in Kleinasien im Jahre 17 n. Chr. kam die kaiserliche Regierung der Bevölkerung zur Hilfe (Tac., Ann. 2,47). Vor allem einmal gewährte Privilegien wie persönliche Freiheit, Bürgerrecht und Zugehörigkeit zu einem Ordo, wurden einer Person höchst selten, zumeist nur bei Straftaten, abgesprochen, und die Nachkommen der Privilegierten erbten Freiheit und Bürgerrecht automatisch, die Zugehörigkeit zu einem Ordo meistens zumindest faktisch. Schon diese innere Verfassung der römischen Gesellschaft erklärt, warum die sozialen Spannungen und Konflikte während der Prinzipatszeit kaum zu offenen Revolten führten. Klassenkämpfe waren infolge der Sozialstruktur von vornherein ebenso wenig möglich wie während der Späten Republik. Die einzelnen Gruppen der niederen Bevölkerung waren in unterschiedlicher Form an die Oberschichten gebunden und hatten dementsprechend oft sehr verschiedene Interessen, während innerhalb der Unterschichten zugleich keine klaren sozialen Trennlinien vorhanden waren. So konnte sich keine übergreifende revolutionäre Klasse entfalten, zumal sich die niederen Bevölkerungsgruppen in verschiedenen Teilen des Reiches normalerweise mit ihren domini und patroni, nicht mit den anderswo ihnen gleichgestellten Menschen solidarisch fühlten. Überhaupt war das römische Herrschaftssystem in der Prinzipatszeit so stark, und die inneren Verhältnisse des Reiches waren so weit konsolidiert, dass die vorhandenen sozialen Spannungen kaum zum Ausbruch offener Revolten führen konnten.
448 Zu Fällen des sozialen Abstiegs vgl. Anm. 252.
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Das Kaisertum war ein politischer Rahmen, der sich für den Zusammenhalt der aristokratisch regierten römischen Gesellschaft – unter den Voraussetzungen eines Weltreiches – am ehesten eignete. Es verkörperte ein einheitliches und stabiles Herrschaftssystem, das den Interessen der Oberschichten bestens entsprach. Mit dem Ausbau einer geregelten Reichsverwaltung449 und mit der Aufrechterhaltung eines stehenden Heeres450 wurde ein Machtapparat geschaffen, der die permanente und einheitliche Kontrolle der Beherrschten garantierte und anstelle der desolaten Verhältnisse der Späten Republik ebenso politische Stabilität wie Rechtssicherheit garantierte. Zugleich war dieser Apparat durch die einheitlich festgesetzten Normen der Machtausübung und die zentrale Kontrolle der Beamten auch für die Massen erträglicher als früher, zumal er kein aufgeblähtes und unerträgliches bürokratisches Instrument war: Der gesamte Apparat der Reichsverwaltung zählte nur ungefähr 10.000 Personen;451 die Zahlenstärke des Heeres betrug nicht mehr als annähernd 400.000 oder maximal 450.000 Mann.452 Außerdem wurden die Angehörigen der Oberschichten in das System der Machtausübung in einer ausgewogenen hierarchischen Staffelung einbezogen. Während in der Späten Republik immer wieder einzelne, einander bekämpfende oligarchische Faktionen die Herrschaft besessen hatten und breite führende soziale Schichten, z. B. die meisten Ritter, an der Macht nur wenig beteiligt gewesen waren, entsprach die Aufteilung der öffentlichen Funktionen zwischen dem ordo senatorius, dem ordo equester und den ordines decurionum mit der Heranziehung der seviri Augustales für die Pflege des Herrscherkultes unter der zentralen Lenkung des Reiches durch den Kaiser den sozialen und politischen Realitäten. Die Führungselite, die die Administration des Reiches und somit das 449 Für das Verwaltungssystem des Kaiserreiches als Einführung noch immer grundlegend J. Bleicken, Verfassungs- und Sozialgeschichte des Römischen Kaiserreiches (Anm. 182), I 127 ff.; ebenso grundlegend jetzt P. Eich, Zur Metamorphose des politischen Systems (Anm. 199). Siehe sonst bes. F. Millar, JRS 56, 1966, 156 ff.; W. Eck, Die staatliche Organisation Italiens in der hohen Kaiserzeit (München 1979); dens., Die Verwaltung des Römischen Reiches in der Hohen Kaiserzeit. Ausgewählte und erweiterte Beiträge I-II (Basel 195/97); G. Wesch-Klein, Provincia. Okkupation und Verwaltung des Imperium Romanum (Anm. 109). Eine Quellensammlung für die Verwaltungsgeschichte des Kaiserreiches bietet B. Levick, Government of the Roman Empire. A Sourcebook (London – New York 2000). Wie viele Kenntnisse uns die papyrologischen Quellen über die Geschichte der Verwaltung Ägyptens und deren sozialen Zusammenhänge bieten, wird exemplarish gezeigt von Th. Kruse, Der königliche Schreiber und die Gauverwaltung. Untersuchungen zur Verwaltungsgeschichte Ägyptens in der Zeit von Augustus bis Philippus Arabs (30 v. Chr. – 245 n. Chr.), I-II (Leipzig 2002). 450 Über das Heer siehe zusammenfassend Y. Le Bohec, L’armée romaine sous le Haut-Empire3 (Paris 2010) = Die römische Armee von Augustus zu Konstantin d. Gr. (Stuttgart 2010). Siehe sonst bes. A. von Domaszewski – B. Dobson, Die Rangordnung des römischen Heeres2 (Köln – Graz 1967, 3. Aufl. Wien 1981); G. Webster, The Roman Imperial Army of the First and Second Centuries A. D. (London 1969). Aus der jüngeren Literatur siehe vor allem die Studien in: Kaiser, Heer und Gesellschaft (Anm. 151). 451 Zur Zahl der Angehörigen des staatlichen Verwaltungsapparates siehe G. Alföldy, in: A. Chaniotis – A. Kuhn – Ch. Kuhn (Hrsg.), Applied Classics. Comparisons, Constructs, Controversies (Stuttgart 2009), 68. 452 G. Alföldy, in: Kaiser, Heer und Gesellschaft (Anm. 151), 34 mit weiterer Literatur.
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politische Leben zu leiten hatte, war, anders als während der Republik, im Ganzen genommen durchaus funktionsfähig. Von größter Bedeutung war die Tatsache, dass die Römer es verstanden haben, ihr soziopolitisches System für die unterworfenen Völker zu öffnen und ihre Eliten in die Ausübung der Macht einzubeziehen.453 Das hat schon Vergil (Aen. 6,851–853) mit seinen berühmten Worten angedeutet, dass es Roms Aufgabe sei, die Völker zu beherrschen (imperio regere populos), diejenigen, die Widerstanden leisten, zu bekriegen (debellare superbos), aber diejenigen, die sich unterwerfen, zu schonen (parcere subiectis) und den Frieden mit der Ausbreitung der Sittlichkeit Roms zu krönen (paci imponere morem). Im gleichen Sinne sagte Plinius der Ältere (N. h. 3,39) von Italien, es sei »nach Entscheidung der Götter dafür auserwählt, dass es … die zerstreuten Staaten vereint, die Sitten zähmt, die unterschiedlichen und rauen Sprachen so vieler Völker durch die Gemeinsamkeit des Zungenschlages zum Gespräch miteinander zusammenbringt und der Menschheit höhere Kultur gibt, kurz, dass es die Heimat aller Völker der ganzen Welt wird.« In der Rede des Kaisers Claudius über die Verleihung des ius honorum an die Gallier, vor allem in der von Tacitus umgestalteten Version, lesen wir, wie nützlich für Rom all die Maßnahmen waren, die seine Politiker von Romulus an getroffen haben, um andere Völkerschaften oder deren führende Männer in ihre Gemeinschaft aufzunehmen.454 Tacitus betonte (Ann. 11,24): »Was hat den Untergang der Athener und der Spartaner herbeigeführt? Die Tatsache, dass sie, obwohl sie militärisch stark waren, ihre besiegten Feinde von sich als Fremde ferngehalten haben. Der Gründer unserer Stadt, Romulus war so weise, dass er jedwedes Volk an demselben Tag unter die Bürger aufnahm, an dem er sie besiegt hatte.« Aelius Aristides (Or. 26,94. 97. 101) rühmte Rom, dass es durch seine Infrastrukturmaßnahmen, unter anderem durch die Gründung und Förderung von Städten, die ganze Erde gleichsam gesund gemacht und überall eine geordnete und kultivierte Lebensweise eingeführt habe. Rutilius Namatianus hat die einzigartige Attitüde der Römer, die sich durch ihre Integrationspolitik manifestierte, mit einem kurzen Satz auf den Punkt gebracht, indem er von Rom sagte: Quos timuit, superat; quos superavit, amat (De reditu suo 1,72). Die Völker wurden durch die römische Integrationspolitik nicht gezwungen, mit der Aufgabe ihrer eigenen Kultur Römer zu werden. Vielmehr wurden ihre Traditionen, unter anderem ihre religiösen Kulte, insofern sie für Rom keine politische Gefahr darstellten wie etwa die Druiden in Gallien, respektiert. Zugleich wurde ihnen, sofern sie hierfür als reif erschienen, nicht nur das römische Bürgerrecht gewährt, sondern ihre kooperationsbereiten Eli-
453 Zum Erfolg der Integrationspolitik Roms, die in einem gewissen Sinne sogar als ein Vorbild für die heutige Europäische Union gelten kann, und zur Rolle der supranationalen Elite siehe ausführlich G. Alföldy, in: Applied Classics (Anm. 451), 58 ff., bes. 62 f. und 69 f. Siehe hierzu auch die Ausführungen über die Romanisierung in G. Alföldy, in: Limes XIX (Anm. 127), 25 ff. mit ausführlicher Bibliographie. 454 Tac., Ann. 11,24; CIL XIII 1668 = ILS 212, siehe dazu Anm. 225.
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ten all die Privilegien zugestanden, die während der Republik – mit ganz wenigen Ausnahmen – nur den Italikern zugekommen waren.455 Zugleich sicherte das Kaisertum der römischen Gesellschaft auch ideologische und ethische Normen, die hauptsächlich den führenden sozialen Schichten, aber auch breiteren Bevölkerungsgruppen ein einheitliches Bezugssystem boten. Diese Normen ergaben sich aus der erneuerten religiösen und moralischen Tradition Roms, die dadurch an die Anforderungen der Kaiserzeit angepasst wurden, dass sie mit dem Herrscherkult und der moralischen Verpflichtung zur Loyalität dem Kaiser gegenüber verbunden waren. Die einzelnen sozialen Gruppen pflegten den Kult des Herrschers durch eigene Priester: Die sodales Augustales und die Mitglieder weiterer Sodalitäten waren Senatoren, die Provinzialoberpriester häufig Ritter; in den Städten gab es municipale flamines der regierenden oder konsekrierten Herrscher aus dem Dekurionenstand, seviri Augustales aus dem Kreis der führenden Freigelassenen, magistri und ministri der Laren des Kaisers unter weiteren Freigelassenen und den Sklaven. Außer in den östlichen Provinzen, in denen die religiöse Verehrung von Herrschern auf eine lange Vergangenheit zurückblickte, konnte der Kaiserkult tiefe religiöse Bedürfnisse zwar nicht unbedingt befriedigen, obwohl die pompösen Kaiserfeste zweifellos auch religiöse Emotionen wecken konnten. Aber darauf kam es in der römischen Religion auch früher nicht an; ihre wichtigste Funktion lag stets darin, Verhaltensweisen vorzuschreiben, die vor allem Ergebenheit gegenüber den Staatsinteressen verlangten, und diese politische Ethik bildete auch unter den Kaisern ihre Substanz. Der Herrscherkult, in jeder Provinz und in jeder Stadt institutionalisiert und durch die Bekleidung der Ämter der Kaiserpriester auch Vehikel des sozialen Aufstiegs attraktiv, erwies sich jedenfalls als ein religionspolitisches Instrument, das geeignet war, die gesamte Bevölkerung des Imperium Romanum zu erfassen.456 Auch ist nicht zu verkennen, dass die römische Religion mit ihrer bunten Götterwelt, in der sich jeder die ihm passende Gottheit aussuchen konnte,457 die Angehörigen der unterschiedlichsten sozialen Gruppen zu motivieren vermochte, wie davon nicht zuletzt die vielen Weihinschriften zeugen, die einer Gottheit wegen der glücklichen Geburt eines Kindes, wegen der Heilung von einer Krankheit, wegen der glücklichen Heimkehr von einem Feldzug o. ä. gesetzt wurden und echte religiöse Gefühle verraten.458 Wie weit sich die römischen Verhaltensnormen im 455 Zu diesem Doppelcharakter des Romanisierungsprozesses siehe die Literatur in Anm. 453. 456 Zum Herrscherkult siehe Anm. 195. 457 Kulte einzelner sozialer Schichten: J. Beaujeu, in: Hommages à J. Bayet (Bruxelles 1964) 54 ff.; W. Eck, in: ders. (Hrsg.), Religion und Gesellschaft in der römischen Kaiserzeit. Kolloquium zu Ehren von Friedrich Vittinghoff (Köln – Wien 1989), 15 ff.; ders., in: M. Mayer – J. Gómez Pallarès (Eds.), Religio deorum. Actas del Coloquio Internacional de Epigrafía Culto y sociedad en Occidente (Sabadell (Barcelona) [1992]), 151 ff.; J. Scheid, in: Senatores populi Romani (Anm. 252), 271 ff.; Zs. Várhelyi, The Religion of Senators in the Roman Empire (Cambridge usw. 2010) (alle über die Religiosität der Senatoren bzw. der gesamten Führungselite); F. Bömer, Untersuchungen über die Religion der Sklaven (Anm. 136). 458 Zur Bedeutung der römischen Religion während der Kaiserzeit siehe bes. J. H. W. G. Liebe
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Weltreich ausbreiteten, zeigt sich insbesondere durch die Vorliebe für die Verwendung traditioneller Wertbegriffe in den Inschriften.459 Klare Alternativen zu diesem Bezugssystem waren in der Frühen und Hohen Kaiserzeit kaum vorhanden. Die Unfreien z. B. pflegten zumeist Kulte, die mehr oder weniger auch bei den Oberschichten verbreitet waren. Schon deshalb konnten die ganz wenigen bewussten Gegner des römischen Herrschaftssystems, so vor allem die Vertreter mancher philosophischer Richtungen und Sekten, nur mit sehr beschränktem Erfolg gegen Rom hetzen.460 Natürlich gab es im Reich nicht wenig Kriminalität,461 aber die Behörden sind damit fertig geworden. In vielen Teilen des Imperium wurden die ländlichen Gebiete immer wieder durch Räuber und Banditen (latrones) verunsichert, die für die Reisenden Gefahr bereiteten, denn zahlreiche Inschriften berichten über den Tod von Menschen mit den Worten occisus a latronibus o. ä.;462 sie konnten auch einzelne Villen angreifen und plündern.463 Die staatliche Ordnung wurde aber dadurch nicht ernsthaft gefährdet. Nur unter Commodus kam es in Obergermanien dazu, dass gegen Banditen, die hauptsächlich fahnenflüchtige Soldaten, daneben wohl auch unzufriedene Landarbeiter waren und nicht nur Villenwirtschaften ausraubten, sondern die legio VIII Augusta in ihrer Festung Argentorate (Strasbourg) belagerten, ein regelrechter Krieg geführt werden musste (bellum desertorum).464 schuetz, Continuity and Change in Roman Religion (Oxford 1979); R. MacMullen, Paganism in the Roman Empire (New Haven – London 1981). Vgl. S. 240 f. auch noch für das 3. Jahrhundert. 459 Zur Ausbreitung römischer Wertvorstellungen im Reich siehe G. Alföldy, Die Rolle des Einzelnen in der Gesellschaft des Römischen Kaiserreiches. Erwartungen und Wertmaßstäbe (Heidelberg 1980). 460 Über die antirömische Propaganda siehe R. MacMullen, Enemies of the Roman Order. Treason, Unrest, and Alienation in the Empire (Cambridge, Mass. 1966), 46 ff. 461 Siehe hierzu etwa B. Santalucia, Verbrechen und ihre Verfolgung im antiken Rom (Lecce 1997). Zu Kriminalität und Gewaltanwendung vgl. G. F. Fagan, in: Social Relations in the Roman World (Anm. 182), 467 ff. Weitere Literatur in der Bibliographie im Abschnitt A 4.7. 462 Siehe bei W. Riess, Apuleius und die Räuber. Ein Beitrag zur historischen Kriminalitätsforschung (Stuttgart 2001), 17 f. mit Anm. 55. 463 Zu Räubern und Banditen siehe R. MacMullen, Enemies of the Roman Order (Anm. 460), 255 ff.; B. D. Shaw, Past and Present 105, 1984, 3 ff.; G. Polara, Potere e contropotere nell’antica Roma. Bande armate, terrorismo e intellettuali (Roma – Reggio Calabria 1986); A. J. L. Van Hooff, Ancient Society 19, 1988, 105 ff.; V. Neri, in: Der Mensch der römischen Antike (Anm. 383), 337 ff.; dens., I marginali nell’Occidente tardoantico. Poveri, ›infames‹ e criminali nella nascente della società cristiana (Bari 1998); B. C. McGing, Bull. of the Amer. Soc. of Papyrologists 35, 1998, 159 ff. (Banditenwesen in Ägypten); Th. Grünewald, Räuber, Rebellen, Rivalen, Rächer. Studien zu Latrones im römischen Reich (Stuttgart 1999); W. Riess, Apuleius und die Räuber (Anm. 434); Th. Grünewald, Bandits in the Roman Empire: Myth and Reality (London – New York 2004); C. Wolff, Les brigands en Orient sous le Haut-Empire romain (Paris – Roma 2003); G. G. Fagan, in: Social Relations in the Roman World (Anm. 182), 467 ff.; W. Riess, ebd. 693 ff. 464 G. Alföldy, Bonner Jahrb. 171, 1971, 367 ff. = in: ders., Die Krise des Römischen Reiches. Geschichte, Geschichtsschreibung und Geschichtsbetrachtung (Stuttgart 1989), 69 ff. (mit Nachträgen). Vgl. A. Baldini, Corsi di Cultura sull’Arte Ravennate e Bizantina 24, 1977, 43 ff. (mit einer ungerechtfertigten Überbewertung der Quellen, insbesondere der Rottweiler Tafel, deren Inschrift keineswegs
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Angesichts der Stärke des Kaisertums war jede Auflehnung gegen das römische Herrschaftssystem zwecklos. Flavius Iosephus hat diese Überzeugung deutlich formuliert (Bell. Iud. 2,345 ff.). Zu sozialen Unruhen gab es auch entschieden weniger Anlass als während der beiden letzten Jahrhunderte der Republik, auch wenn die soziale Harmonie, die von Aelius Aristides in seiner Romrede gerühmt wurde (Or. 26, 29 ff.), nur eine Illusion war. Durch die Neubestimmung der Machtfunktionen im Rahmen des Kaisertums gab es innerhalb der Oberschichten kaum Konflikte, die nicht mit friedlichen Mitteln hätten ausgetragen werden können. Die städtische Plebs wurde ziemlich regelmäßig versorgt; die Sklaven wurden erheblich besser als früher behandelt und sehr häufig freigelassen; selbst die bäuerlichen Massen, darunter die zuerst noch sehr aufsässige Landbevölkerung in einigen erst unter Augustus unterworfenen Gebieten wie in Norddalmatien oder in Südpannonien, konnten durch fortschreitende Romanisierung und Urbanisierung manche soziale Vorteile verbuchen. Überhaupt erscheint es fast wie ein Wunder, dass die Römer es verstanden haben, die vielen Völker, die sie durch blutige Kriege zu ihren Untertanen gemacht hatten, in ihr sozipolitisches und soziokulturelles System sehr weitgehend zu integrieren. Dank dieser Politik war der innere Friede des Imperium im Ganzen gesehen gesichert. Wenn es hin und wieder dennoch zum Widerstand einzelner Völker oder Volksgruppen gegen die römische Herrschaft kam, der sich manchmal zu großen, für Rom gefährlichen Aufständen entwickeln konnte, so gab es hierfür immer irgendwelche spezifische Ursachen, wie auch im Falle der sozialen Unruhen. Trotz der Stärke des römischen Herrschaftssystems und trotz seiner breiten Akzeptanz bei der Reichsbevölkerung kam es auch während der Prinzipatszeit, räumlich und zeitlich voneinander isoliert und in der Motivation unterschiedlich, gelegentlich zu sozialen Unruhen oder in den Provinzen zum Ausbruch mit Gewalt ausgetragener politischer Konflikte, die auch sozialer Hintergründe nicht entbehrten.465 Diese Bewegungen den von R. Egger und nach ihm von Baldini angenommenen Text enthält); O. Hekster, Commodus. An Emperor at the Crossroad (Amsterdam 2002), 65 ff. 465 Zu sozialen Konflikten im Kaiserreich siehe zusammenfassend siehe G. Alföldy, Heidelberger Jahrbücher 20, 1976, 1 ff. = in: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit (Anm. 397), 372 ff. (mit Nachträgen) = in: ders., Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 82 ff. (mit weiteren Nachträgen). Siehe auch H. P. Kohns, in: K. Dietz – D. Hennig – H. Kaletsch (Hrsg.), Klassisches Altertum, Spätantike und frühes Christentum. Adolf Lippold zum 65. Geburtstag gewidmet (Würzburg 1993), 257 ff. (Anstifter von Demonstrationen und Unruhen). Zu sozialen Konflikten in der griechischen Welt während der Republik und der Kaiserzeit siehe G. E. M. de Ste. Croix, The Class Struggle in the Ancient Greek World from the Archaic Age to the Arab Conquests (London 1981). Zu Unruhen und Aufständen in den beiden ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit im Allgemeinen siehe Th. Pekáry, Ancient Society 18, 1987, 133 ff. = in: ders., Ausgewählte Kleine Schriften (St. Katherinen 1994), 203 ff.; J.-U. Krause, Klassen (Anm. 124), 1189 ff.; für sie Severerzeit J. Sünskes Thompson, Aufstände und Protestaktionen im Imperium Romanum. Die severischen Kaiser im Spannungsfeld innenpolitischer Konflikte (Bonn 1990). In einen ganz anderen Zusammenhang gehören die Machtkämpfe zwischen verschiedenen Thronprätendenten, die zumeist durch Bürgerkriege ausgetragen wurden; siehe dazu E. Flaig, Den Kaiser herausfordern. Die Usurpationen im römischen Reich (Frankfurt am Main 1992).
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lassen sich nur in einer Hinsicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen, aber gerade diese Gemeinsamkeit ist für das Verständnis der sozialen Konflikte der Kaiserzeit wichtig: Sie gingen zumeist von Bevölkerungsgruppen aus, auf denen aus spezifischen Gründen ein im Allgemeinen untypischer, besonders starker Druck lastete. Zu großen Sklavenaufständen wie in der Späten Republik gab das Schicksal der Unfreien während der Kaiserzeit keinen Anlass mehr. Die schlechte Behandlung der Sklaven in einzelnen Fällen, vor allem auf den Latifundien, konnte aber gelegentlich noch immer zu offener Auflehnung führen. Unter Nero tötete ein Sklave den Stadtpräfekten Pedanius Secundus nach Tacitus (Ann. 14,42) entweder deshalb, weil dieser ihm die (in den Städten sonst allgemein übliche) Freilassung verweigert hatte, oder aus Eifersucht. Der Senator Larcius Macedo, ein Zeitgenosse des jüngeren Plinius, wurde von seinen Sklaven wegen seiner Grausamkeit tödlich verwundet.466 Zu regelrechten Aufständen von Sklaven kam es aber unseres Wissens nur im Jahre 9 oder 10 n. Chr. in Apulien, im Jahre 24 im benachbarten Calabrien, ferner im Jahre 54 wieder in Calabrien.467 Es handelte sich um die traditionellen Gebiete von Sklavenbewegungen mit vielen Hirten, deren Lage besonders schlecht war und die zugleich nur schwer zu kontrollieren waren. Normalerweise kam der Widerstand einzelner Sklaven gegen ihre Herren jedoch höchstens darin zum Ausdruck, dass sie – vor allem von den Gütern – entflohen.468 Weiterhin konnte es im Kreis der Plebs einzelner Städte Aufruhr geben, wenn das Hauptproblem der armen städtischen Bevölkerung, die Versorgung mit Lebensmitteln, nicht zufriedenstellend gelöst wurde. So brachen unter Tiberius sogar in der von den dort stationierten Elitetruppen gut überwachten Reichshauptstadt Unruhen aus.469 Philostrat (Apoll. 1,15) beschreibt, wie am Ende des 1. Jahrhunderts einmal im pamphylischen Aspendos ein solcher Aufruhr ausbrach. Der Anlass lag in einer Hungersnot, hervorgerufen dadurch, dass die Grundbesitzer das Getreide für den Export zurückhielten. Auch Dion von Prusa berichtet, wie er um die gleiche Zeit einmal zusammen mit den Grundbesitzern in seiner Heimatstadt beinahe umgebracht wurde, da der Pöbel sie verdächtigt hatte, die Getreidepreise erhöht zu haben. Von demselben Autor erfahren wir, wie es in der kilikischen Provinzhauptstadt Tarsos zwischen den Mitgliedern des lokalen Ordo und den durch kynische Philosophen aufgehetzten Volksmassen, vor allem den »Leinewebern« (die auch als Nichtbürger der Stadt benachteiligt waren), zu einem offenen Zusammenstoß
466 Plin., Ep. 3,14,1 ff. Ein anderer dominus als Opfer seines Sklaven, der später Selbstmord beging: CIL XIII 7070 = ILS 8511 = CLE 1007. 467 Aufstand im Jahre 9 oder 10: AE 1990, 222, darüber ausführlich G. Camodeca, in: Il territorio alifano: archeologia, arte, storia. Convegno di Studi S. Angelo d’Alife, 26 aprile 1987 (Minturno 1990), 123 ff. (mit Verbesserung von G. Alföldy, Fasti Hispanienses [Anm. 298], 149 ff.). Aufstand im Jahre 24: Tac., Ann. 4,27. Aufstand im Jahre 54: Tac., Ann. 12,65. 468 Siehe hierzu ausführlich H. Bellen, Studien zur Sklavenflucht im römischen Kaiserreich (Wiesbaden 1971). 469 Siehe dazu R. F. Newbold, Athenaeum 52, 1974, 110 ff.
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kam.470 Wie leicht gerade die Handwerkermassen großer kleinasiatischer Städte in Aufruhr zu bringen waren, zeigt die Affäre des Apostels Paulus mit den Silberschmieden von Ephesos.471 Gefährlich waren alle diese Bewegungen für Rom keineswegs; sie erforderten höchstens polizeiliche Maßnahmen. Anders verhielt es sich bei Massenrevolten der unterdrückten Provinzbevölkerung gegen die römische Herrschaft.472 Sie stellten für das Imperium Romanum, wie etwa der Aufstand am Niederrhein und in Nordgallien im Jahre 69, eine große Gefahr dar, die nur durch ein großes militärisches Aufgebot und eine ausgedehnte Kriegführung zu beseitigen war. Freilich handelte es sich bei diesen Aufständen ebenso wenig um soziale Bewegungen wie seinerzeit bei den Revolten der italischen Verbündeten und der Provinzeinwohner gegen die römische Republik. Ihre Ursachen waren hauptsächlich politische und militärische oder wirtschaftliche Maßnahmen Roms, die ganz verschiedene Schichten der Bevölkerung gleichermaßen trafen. Am gallischen Aufstand im Jahre 21, der durch die forcierte wirtschaftliche Ausbeutung der gallischen Provinzen ausgelöst worden war, beteiligten sich Adlige der Stämme, ihre bäuerlichen Klienten und auch Sklaven.473 im Jahre 69 wurden die aufständischen Treverer und Bataver von ihrem Adel gegen Rom geführt. Jedoch spielten soziale Motive auch bei diesen Bewegungen eine Rolle, ebenso wie während der Späten Republik bei den Aufständen der Italiker und der Provinzialen. Die meisten Träger des antirömischen Widerstandes gehörten stets zur einfachen Landbevölkerung: Der Druck der römischen Herrschaft lastete in den Provinzen vor allem auf ihnen, da die Angehörigen der lokalen Oberschicht mit Rom leicht einen Kompromiss schließen konnten. Die gewaltsamen Rekrutierungsmaßnahmen des Vitellius, die im Jahre 69 bei den Batavern den Aufstand auslösten, trafen dort vor allem die Massen der niederen Bevölkerung (Tac., Hist. 4,14), weniger die Oberschicht; während Iulius Civilis, ein Mitglied des vornehmsten Stammesadels (Tac., Hist. 4,13), die Führung der Aufständischen übernahm, kämpfte sein Neffe Iulius Briganticus als Offizier im Rang eines Ritters auf römischer Seite (ebd. 4,70).474 Am deutlichsten lassen sich die sozialen Hintergründe des großen jüdischen Aufstandes 66–70 erkennen. Die Ursachen dieser Revolte gegen Rom lagen in der extrem harten Unterdrückung der jüdischen Bevölkerung Judäas, 470 Aufruhr in Prusa: Dion Chrys., Disc. 46,7 ff.; in Tarsos: ebd. 34,1 ff., dazu D. Kienast – H. Castritius, Historia 20, 1971, 62 ff. 471 Acta App. 19,24 ff.; dazu A. N. Sherwin-White, Roman Society and Roman Law in the New Testament (Oxford 1963), 83 ff. 472 Zu den Revolten der einheimischen Bevölkerung der Provinzen im Allgemeinen siehe St. L. Dyson, ANRW II 3 (Berlin – New York 1975), 138 ff. Siehe auch A. Giovannini – K. Raaflaub (Eds)., Opposition et résistances à l’Empire d’Auguste à Trajan (Genève 1987). 473 Tac., Ann. 3,40 ff. Zu den Aufständen in Gallien siehe ausführlich R. Urban, Gallia rebellis. Erhebungen in Gallien im Spiegel antiker Zeugnisse (Stuttgart 1999). 474 Zu den Aufständen im Jahre 69 siehe L. Bessone, La rivolta batavica e la crisi del 69 d. C. (Torino 1972); R. Urban, Der Bataveraufstand und die Erhebung des Iulius Classicus (Trier 1985); vgl. noch O. Schmitt, Bonner Jahrb. 193, 1993, 141 ff.
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die außerdem treu zu ihrer monotheistischen Tradition stand und bei der die integrierende Wirkung des römischen Herrscherkultes nie zur Geltung kommen konnte. Die Massen der Aufständischen rekrutierten sich aus den besonders verzweifelten Bauern, und die am ehesten entschlossenen Gruppen unter ihnen trachteten nicht nur nach der Befreiung vom römischen Joch, sondern auch nach der Beseitigung der Herrschaft der eigenen Grundbesitzer und Oberpriester.475 Auch der Bar-KochbaAufstand in den Jahren 132–136 machte deutlich, dass sich die jüdische Bevölkerung mit dem Stil der römischen Herrschaft nicht abfinden konnte.476 Ein ständiges Unruhepotential stellten die nomadischen Volksstämme im römischen Nordafrika dar, deren Lebensform mit dem römischen way of life nicht zu vereinbaren war.477 Aber erschüttern konnten die politische und soziale Ordnung Roms auch alle diese Aufstände und Unruhen nicht. Die Krise des römischen Staates während des 3. Jahrhunderts und in ihrem Zuge die tiefgreifende Umwandlung der gesellschaftlichen Ordnung Roms hatte andere Wurzeln.
475 Siehe H. Kreissig, Die sozialen Zusammenhänge des judäischen Krieges (Berlin 1970) 127 ff. Zum Verhältnis der jüdischen Gesellschaft zu Rom siehe vgl. die Literatur in Anm. 258. 476 Zu diesem Aufstand siehe W. Eck, JRS 89, 1999, 76 ff.; dens., Rom herausfordern. Bar Kochba im Kampf gegen das Imperium Romanum. Das Bild des Bar Kochba-Aufstandes im Spiegel der epigraphischen Überlieferung. (Roma 2007). 477 Zum Widerstand gegen die römische Herrschaft in Nordafrika siehe M. Benabou, La résistance africaine à la romanisation (Paris 1976) und insbesondere A. Gutsfeld, Römische Herrschaft und einheimischer Widerstand in Nordafrika. Militärische Auseinandersetzungen Roms mit den Nomaden (Stuttgart 1990).
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VI. Die Krise des römischen Reiches IM 3. JAHRHUNDERt und die römische gesellschaft
Die Umwandlungsprozesse im Imperium Romanum während des 3. Jahrhunderts Als Aelius Aristides im Jahre 143 oder 144 seine Romrede hielt, war er überzeugt davon, dass das Imperium Romanum in seinem Zeitalter die höchste Vollkommenheit erreicht hatte: An Kriege glaube man nicht mehr (70), die Welt feiere sozusagen ein ständiges Fest, und die Städte wetteifern um Glanz und Schönheit (97 ff.). Schon etwas mehr als zwei Jahrzehnte später befand sich das Römische Reich an den Nordgrenzen in einem Verteidigungskrieg, der schlimmer zu sein schien als irgendein anderer Krieg seit Menschengedenken (HA, MA 17,2) und Kaiser Mark Aurel (161–180) dazu zwang, den größeren Teil seiner Regierungszeit an der Donaufront zu verbringen. Diese Zeit erschien der Nachwelt als eine Epoche, in der ohne diesen Herrscher profecto quasi uno lapsu ruissent omnia status Romani (Epit. de Caes. 16,2). Cassius Dio sah im Tode dieses Kaisers, angesichts der politischen Krisen während der Alleinherrschaft des Commodus (180–192) und der veränderten Machtstrukturen unter Septimius Severus (193–211) sowie seinen Nachfolgern das Ende eines goldenen Zeitalters und den Beginn einer Epoche von Eisen und Rost (71,36,4). Unter Philippus (244–249) verglich ein zeitgenössischer Beobachter das Imperium Romanum mit einem kranken und verwesten Körper und einem hoffnungslos verirrten, sinkenden Schiff.478 Einige Jahre später sah der heilige Cyprian 478 Es handelt sich um die Festrede eines unbekannten griechischen Rhetors auf einen Herrscher, der die Herrschaft des Imperium Romanum in einer katastrophalen Situation des Reiches übernahm und einen Sohn hatte. Sie ist im Corpus der Reden des Aelius Aristides überliefert (Ps.-Arist., Eis Basilea). Von C. P. Jones, JRS 62, 1972, 134 ff. wurde diese Rede Aelius Aristides zugewiesen und dementsprechend auf Antoninus Pius bezogen, in der Forschung herrscht jedoch sehr weitgehender Konsens darüber, dass das dort entworfene Bild über die Zustände des Reiches auf keinen Fall aus dieser konsolidierten Zeit stammen kann, sondern dass die Rede unter Philippus Arabs gehalten wurde (zumal
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schon das Weltende heranzubrechen.479 Unter Valerian (253–260) sowie während der Alleinherrschaft des Gallienus (260–268) schien das Schicksal des Imperiums durch Barbarenangriffe und inneren Zerfall besiegelt worden zu sein.480 Erst unter den großen Soldatenkaisern nach Gallienus, vor allem unter Claudius II. (268–270), Aurelian (270–275), Probus (276–282) und insbesondere unter Diokletian (284– 305), wurde eine Stabilisierung erreicht. Lange Zeit waren sich die Historiker einig, dass die Jahre von 193 bis 284, d. h. von dem Regierungsantritt des Septimius Severus mit den damals sofort ausgebrochenen Bürgerkriegen bis zum Beginn der Herrschaft Diokletians, oder zumindest die Epoche der rasch wechselnden »Soldatenkaiser« von 235 oder 249 bis 284, als die »Krise des 3. Jahrhunderts« zu bezeichnen seien. Auch die jüngere Forschung, in der die Verwendung des Krisenbegriffes für die Charakterisierung dieser Epoche von nicht wenigen Historikern in Frage gestellt wird, zweifelt nicht daran, dass sich in den Strukturen des Imperium Romanum während des 3. Jahrhunderts oder teilweise schon seit den Regierungszeiten von Mark Aurel und Commodus, trotz der Kontinuität verschiedener Elemente in seinem Gefüge, tiefgreifende Umwandlungsprozesse vollzogen.481 Antoninus Pius zwei Adoptivsöhne hatte und nicht nur einen, wie dies der Rede zu entnehmen ist). Grundlegend dazu E. Groag, Wiener Studien 40, 1928, 20 ff.; weitere Literatur bei G. Alföldy, Die Krise des Römischen Reiches (Anm. 464), 324 Anm. 18 und bei L. de Blois, Talanta 10/11, 1978/79, 18 f.; siehe außerdem bes. dens., Greek, Roman and Byzantine Studies 27, 1986, 279 ff. 479 Siehe dazu S. 268 f. 480 In diesem Urteil waren sich zumindest die späteren römischen Autoren einig. Siehe Eutrop 9,9,1; HA, Tyr. Trig. 5,7 (vgl. HA, Aurel. 21,1); Zosimos 1,27,1. 481 Zur Problematik des Krisenbegriffes siehe ausführlich S. 265 f. Ausgezeichnet beschrieben werden die wichtigsten Veränderungen uns Krisensymptome im Römischen Reich um die Mitte des 3. Jahrhunderts in knapper Form von L. de Blois, The Policy of the Emperor Gallienus (Leiden 1976), 9 ff. Zur Geschichte des Imperium während des 3. Jahrhunderts sind insbesondere folgende Werke zu nennen: Forschungsberichte und Quellensammlungen: G. Walser – Th. Pekáry, Die Krise des römischen Reiches. Bericht über die Forschungen zur Geschichte des 3. Jahrhunderts (Berlin 1962); X. Loriot – D. Nony, La crise de l’Empire romain 235–285 (Paris 1997); O. Hekster, Rome and its Empire, AD 193–284. Debate and Documents in Ancient History (Edinburgh 2008); B. Bleckmann, Die Reichskrise des 3. Jh. in der spätantiken und byzantinischen Geschichtsschreibung. Untersuchungen zu den nachdionischen Quellen der Chronik des Johannes Zonaras (München 1992). Zusammenfassende Darstellungen: S. A. Cook – F. E. Adcock – M. P. Charlesworth – N. H. Baynes (Eds.), The Cambridge Ancient History XII. The Imperial Crisis and Recovery, A. D. 193–324 (Cambridge 1939); P. Petit, Histoire générale de l’Empire romain (Paris 1974), 507 ff.; M. Le Glay, Rome. Grandeur et chute de l’Empire, Paris 1992, 245 ff.; M. Le Glay – J.-L. Voisin – Y. Le Bohec, Histoire romaine2 (Paris 1994), 433 ff.; M. Christol, L’Empire romain du IIIe siècle. Histoire politique 192–325 après J.-C. (Paris 1997); A. Heuss, Römische Geschichte (Anm. 34), 411 ff.; K. Christ, Geschichte der römischen Kaiserzeit (Anm. 182), 401 ff.; P. Cosme, L`état romain entre éclatement et continuité. L`empire romain de 192–325 (Paris 1997); J.-M. Carrié – A. Rousselle, L’Empire romain en mutation des Sévères à Constantin (Paris 1999); D. S. Potter, The Roman Empire at Bay, AD 180–395 (London – New York 2004); A. Bowman – Av. Cameron – P. Garnsey, The Cambridge Ancient History2 XII. The Crisis of Empire AD 193–227 (Cambridge 2005); K.-P. Johne –Th. Gerhardt – U. Hartmann, (Hrsg.), Deleto paene imperio Romano. Transformationsprozesse des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert und ihre Rezeption in der Neuzeit (Stuttgart 2006); K.-P. Johne – U. Hartmann – Th. Gerhardt, Die Zeit der Soldatenkaiser (Anm. 403); M. Sommer, Die
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Die kaiserliche Herrschaft erlebte seit dem Ende des 2. Jahrhunderrts und insbesondere im 3. Jahrhundert tiefgreifende Veränderungen. Der Machtanspruch der Kaiser wurde gesteigert. Im neuen politischen System, das die Forschung aufgrund der Tatsache, dass sich die Kaiser Seit Septimius Severus als domini bezeichneten, zumindest früher Dominat nannte, entwickelte sich der Staat noch mehr als zuvor zu einer allmächtigen Institution, die von den Untertanen totale Hingabe forderte und sie noch stärker als früher reglementierte.482 Nicht nur sein Machtapparat wurde vergrößert, sondern auch der Begriff des Herrschers änderte sich. Während sich Augustus, wie auch seine Nachfolger noch fast zwei Jahrhunderte lang, als princeps, der »Erste« unter den Bürgern und als pater patriae, »Vater« der gesamten Reichsbevölkerung hatte verherrlichen lassen, war der dominus ein uneingeschränkter »Herr« über seine Untertanen fast im gleichen Sinne wie ein Herr über seine Sklaven. Seit den Severern verlangten die Herrscher von den Stadtgemeinden und den Truppen regelmäßig die offizielle Erklärung der Bereitschaft zur devotio gegenüber ihrem numen und ihre maiestas, d. h. zur vollständigen Hingabe von Leib und Leben für ihre göttliche Macht und ihre Majestät. Seit Caracalla (211–217) enden die Inschriften auf den Postamenten der Kaiserstatuen in obligatorischer Weise mit dieser Erklärung.483 Seit Aurelian forderten die Kaiser offen und ohne jegliche
Soldatenkaiser2 (Darmstadt 2010). Maßnahmen der Herrscher gegen die Krise: R. MacMullen, Roman Government’s Response to Crisis, A. D. 235–337 (New Haven 1976). Zusammenfassende Arbeiten über mentale Strukturen und einzelne Regionen des Imperium: K. Strobel, Das Imperium Romanum im ‚3. Jahrhundert‘. Modell einer historischen Krise? Zur Frage mentaler Strukturen breiter Bevölkerungsschichten in der Zeit von Marc Aurel bis zum Ausgang des 3. Jh. n. Chr. (Stuttgart 1993) (vgl. dazu unten, S. 259 und 267); Ch. Witschel, Krise – Rezession – Stagnation? Der Westen des römischen Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr. (Frankfurt 1999) (vgl. auch dens., Journ. of Roman Arch. 17, 2004, 251 ff.); J. Haas, Die Umweltkrise des 3. Jahrhunderts n. Chr. im Nordwesten des Imperium Romanum. Interdisziplinäre Studien zu einem Aspekt der allgemeinen Reichskrise im Bereich der beiden Germanien sowie der Belgica und Raetia (Stuttgart 2006). Aufsatzsammlungen und wichtige Einzelstudien: A. Alföldi, Studien zur Geschichte der Weltkrise des 3. Jahrhunderts nach Christus (Darmstadt 1967); G. Alföldy, Die Krise des Römischen Reiches (Anm. 464); O. Hekster – G. de Kleijn – D. Slootjes (Eds.), Crises and the Roman Empire: Proceedings of the Seventh Workshop of International Network Impact of Empire (Nijmegen, June 20–24, 2006) (Leiden 2007); K.-P. Johne, Kaiser, Konsuln und Kolonen. Studien zur Kaiserzeit und Spätantike (Hamburg 2007). Soziale Entwicklung: Vgl. bes. M. Rostovtzeff, Gesellschaft und Wirtschaft (Anm. 182), II 106 ff.; J. Gagé, Les classes sociales dans l’Empire romain (Anm. 182), 249 ff. Krisenbewusstsein: Siehe S. 266 ff. 482 Die Begriffe »Prinzipat« und »Dominat« können freilich keine voneinander scharf abgrenzbaren historischen Perioden bezeichnen, da die Entwicklung eine kontinuierliche war; siehe J. Bleicken, Prinzipat und Dominat. Gedanken zur Periodisierung der römischen Kaiserzeit (Wiesbaden 1978). Die Regierungszeiten des Septimius Severus und Caracallas markieren jedoch eine deutliche Wende. Über die Soldatenkaiser als neuer Typus von Herrschern vgl. K.-P. Johne, in: Deleto paene imperio Romano (Anm. 481), 125 ff. Zu Veränderungen in der Perzeption der kaiserlichen Macht während des 3. Jahrhunderts siehe L. de Blois, in: L. de Blois – P. Funke – J. Hahn (Eds.) The Impact of Imperial Rome on Religion, Ritual and Religious Life in the Roman Empire. Proceedings of the Fifth Workshop of International Network Impact of Empire, Münster, June 30 – July 4, 2004 (Leiden – Boston 2006), 268 ff.; vgl. auch E. Manders, in: Crises and the Roman Empire (Anm. 481), 275 ff. 483 Zu dieser epigraphischen Formel und zu ihrer Bedeutung siehe bes. H.-G. Gundel, Epigraphica
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Verklausulierung die Verehrung als Gott.484 Zugleich behaupteten die Herrscher von sich seit Caracalla allgemein, dass sie ihre Vorgänger durch ihre Qualitäten übertreffen,485 obwohl Herodian, der die Geschichte der zwischen 180 und 238 regierenden Kaiser beschrieb, zu Recht vermerkte, dass es damals mehrere jüngere Herrscher gab, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben ungeeignet waren (1,1,6). Das System der kaiserlichen Herrschaft wurde zwar, trotz des Hasses breiter Bevölkerungsgruppen auf einzelne Herrscher wie vor allem auf Maximinus Thrax (235– 238) (S. 248), von niemandem in Frage gestellt,486 auch nicht von den Christen. Der afrikanische Kirchenvater Tertullian und sein Landsmann, der Karthager Bischof Cyprian forderten ihre Glaubensbrüder auf, für das Heil des Reiches und seiner Herrscher zu beten.487 Die Bekundung der Loyalität zum Herrscher war nicht nur eine Pflicht, sondern beruhte, vor allem bei den einfachen Menschen, wohl oft auf echten Gefühlen. Ein beredtes Beispiel für den Eifer der Untertanen, dem Kaiser zu huldigen, ist das Monument, das in Rom die Tiberfischer und die Kanalreiniger dem Kaiser Caracalla am 4. April des Jahres 211, am fingierten 25. Geburtstag des in Wirklichkeit erst 23 Jahre alten Herrscher setzten: Sie nannten ihn »den besten und treuen, aus dem Sternhimmel auf die Erde herabgestiegenen Antoninus, den donnernden Augustus, den Mehrer des Weltalls, den größten Herrn«, sie rühmten ihn wegen seiner Taten mit weiteren schmeichelhaften Worten, wünschten ihm hundert Jahre und beteten für ihn mit den Worten, die der Kaiser selbst hören wollte.488 Das kaiserliche Regime erwies sich für viele Untertanen jedoch als lästig. Davon zeugen die zahlreiche Bittschriften, die während des 3. Jahrhunderts verschiedene Gemeinden an die Herrscher richteten. Sie sind voll von Klagen über die ihnen aufgebürdeten Lasten und über die Übergriffe des Militärs sowie der Zivilverwaltung, und sie erflehen die Kaiser um Hilfe.489
15, 1953 (1955), 128 ff. und bes. C. Fenechiu, La notion de numen dans les textes littéraires et épigraphiques (Cluj-Napoca 2008), 147 ff. Vgl. auch G. Alföldy, CIL VI p. 4320 zu 1057/1058. 484 M. Clauss, Kaiser und Gott (Anm. 195), 186 f. und 521. Seit seiner Regierungszeit war es üblich, dass der Herrscher auch perpetuus genannt wurde, siehe ebd. 259. 485 Siehe über die einschlägigen inschriftlichen Dokumente A. Scheithauer, ZPE 72, 1988, 155 ff. 486 Zur ungebrochenen Akzeptanz der kaiserlichen Herrschaft durch die Reichsbevölkerung auch während der Wirren des 3. Jahrhunderts und zur kaiserlichen Selbstdarstellung in dieser Zeit in Ägypten siehe J. de Jong, Emperors in Egypt. The Representation and Perception of Roman Imperial Power in Greek Papyrus Texts from Egypt, AD 183–284 (Nijmegen 2006). Mit Maximinus Thrax begann in der Geschichte des Kaisertums in mehrfacher Hinsicht eine Wende, was m. E. zu Unrecht geleugnet wird von K. Hagemans, Imperial Authority and Dissent in the Roman Empire in AD 235–238 (Leuven 2006) und von H. Börm, Gymnasium 115, 2008, 69 ff. 487 Siehe G. Alföldy, Die Krise des Römischen Reiches (Anm. 464), 316 f. und 340 f. mit den Quellenstellen. 488 CIL VI 40638, siehe G. Alföldy, in: G. Bonamente – M. Mayer (Eds.), Historiae Augustae Colloquium Barcinonense MCMXCIII (Bari 1996), 9 ff. 489 Hierüber siehe P. Herrmann, Hilferufe aus römischen Provinzen. Ein Aspekt der Krise des römischen Reiches im 3. Jhdt. n. Chr. (Göttingen 1990); vgl. auch Th. Gerhardt, in: Die Zeit der Soldatenkaiser (Anm. 403), 778 ff. Vgl. S. 243 mit Anm. 562.
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Zugleich erlebte aber das Kaisertum dramatische Umwälzungen. Vor allem seit der Ermordung des Severus Alexander im Jahre 235 war die Macht der Herrscher so labil wie nie zuvor. Sie wurden ein Spielball ihres eigenen militärischen Machtapparates. Die antoninische Dynastie hatte von Nerva bis Commodus fast hundert Jahre lang mit einer ununterbrochenen Kontinuität mit friedlich geregelten Herrscherwechseln regiert. Zwischen dem Tod Mark Aurels auf dem Krankenbett im Jahre 180 und der Abdankung Diokletians im Jahre 305 gab es dagegen kaum Kaiser, die nicht durch Mord am Vorgänger, offene Gewalt, Militärrevolten oder Bürgerkriege auf den Thron gebracht und auf die gleiche Art und Weise gestürzt worden wären.490 Die Kriege zwischen den Thronprätendenten nach der Ermordung des Commodus in der letzten Nacht des Jahres 192 leiteten eine Epoche ein, in dem sich die Kaiser auf ein gewaltsames Ende vorbereiten mussten. Septimius Severus, der alle seine Rivalen besiegte, konnte noch eine neue Dynastie gründen und starb an einer Krankheit, aber alle Nachfolger aus seiner Dynastie wurden umgebracht. Zwischen 235 und 284 gab es nicht weniger als rund 20 Kaiser, außerdem eine lange Reihe von Usurpatoren, die sich in einzelnen Teilen des Provinzialreiches gegen die Zentralregierung in Rom erhoben, aber nach einer zumeist kurzen Regierungszeit von der Bühne verschwanden. Die meisten Herrscher wurden ermordet oder starben in Bürgerkriegen; Decius und sein Sohn Herennianus fielen im Jahre 251 in der Schlacht gegen die Goten bei Abryttus in der Moesia superior; Valerian geriet im Jahre 260 in persische Gefangenschaft und starb als Sklave am persischen Königshof. Das blutige Ende von sechs Herrschern allein im Jahre 238, die fortlaufenden Usurpationen und die Entstehung von Sonderreichen in den gallisch-germanischen Provinzen, an der mittleren Donau und im Osten unter Gallienus zeigten die Tiefpunkte der politischen Krise an. Ähnlich katastrophal gestaltete sich die außenpolitische Lage des Reiches. Nach der Atempause, die die erfolgreiche Gegenoffensive Mark Aurels gegen die Germanen dem Imperium verschafft hatte, ging der Sturm seit Severus Alexander (222– 235) und Maximinus Thrax (235–238) immer wieder los. Vor allem der wachsende Druck der Barbaren entlang der Donau- und der Rheingrenze, nicht nur durch die traditionellen Gegner Roms wie Markomannen, Quaden und Sarmaten, sondern auch durch neue Feinde wie vor allem die Franken und die Alamannen im Westen, an der Donau insbesondere durch die Goten, aber auch durch die Vandalen und weitere Völker, außerdem im Osten durch das in der späteren Phase der Severerzeit zustande gekommene Neupersische Reich mit seiner expansionistischen Politik gegen Rom, führten eine zuvor nie da gewesene Bedrohung des Imperium Romanum herbei. Herodian ließ den Kaiser Macrinus sagen: In früheren Kriegen ging es um irgendwelche Grenzverläufe oder Flussgrenzen, jetzt geht es um alles (4,14,6). 490 Siehe ausführlich F. Hartmann, Herrscherwechsel und Reichskrise. Untersuchungen zu den Ursachen und Konsequenzen der Herrscherwechsel im Imperium Romanum der Soldatenkaiserzeit (Frankfurt am Main – Bern 1982).
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Die nördlichen und östlichen Provinzen wurden zu Schauplätzen ununterbrochener Kriege; die sich wiederholenden Barbareneinbrüche setzten dort Städte, Villen und Militärlager in Schutt und Asche und zwangen die Bevölkerung zur Flucht. Um die Mitte des 3. Jahrhunderts konnten die Barbaren auch nach Italien eindringen, das seit den Zeiten Hannibals und seit den Kriegen gegen die Kimbern und Teutonen am Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. keinen Feind mehr gesehen hatte. Im Jahre 259 oder 260 íst es den Franken gelungen, durch Niedergermanien und Gallien bis nach Hispanien vorzudringen, wo sie Tarraco, die Hauptstadt der Provinz Hispania citerior eroberten. Früher undenkbare militärische Katastrophen ereigneten sich, so der Tod der Decier in der Schlacht von Abryttus gegen die Goten oder die Gefangennahme Valerians durch die Perser. Bedeutende römische Siege waren selten, so in der Regierungszeit des Gallienus ein Sieg bei Augsburg über die Juthunger, als die römischen Streitkräfte – die durch bewaffnete Zivilisten verstärkt werden mussten – die aus Italien als Sklaven verschleppten Gefangenen befreien konnten,491 der Sieg des Kaisers Claudius II. über die Goten oder die Einnahme der persischen Hauptstadt Ktesiphon durch Carus. Das römische Oberkommando musste einsehen, dass die jenseits des Rheins und der Donau liegenden Territorien nicht mehr verteidigt werden können. 259/260 räumten die Römer das Gebiet des heutigen Bundeslandes Baden-Württemberg, d. h. einen großen Teil der Germania Transrhenania, und im Jahre 271 war Kaiser Aurelian gezwungen, die gesamte Provinz Dacia mit ihren bedeutenden Städten und Bergwerken aufzugeben und die römische Bevölkerung südlich der Unteren Donau anzusiedeln. Die ständigen Kriege führten zu einer neuen Machtposition des Heeres. Die Hauptursache der Diskontinuität der kaiserlichen Herrschaft mit ihren ständigen Dramen lag darin, dass das Heer, das in den vorausgehenden Jahrhunderten ein Instrument für die Sicherung der kaiserlichen Macht gewesen war, seit Septimius Severus, infolge seiner gewachsenen Bedeutung in den Bürgerkriegen und in der Abwehr der Barbareneinbrüche ein eigenständiger Machtfaktor geworden ist.492 Die Labilität der Monarchie ergab sich unmittelbar aus der Vormachtstellung des Militärs, insbesondere der großen Provinzarmeen in Pannonien und Mösien, am Rhein und in Syrien. Die Herrschaft des Militärs bedeutete zugleich eine radikale Veränderung der früheren Machtstrukturen. Das Heer, zuvor eine Art Abbild der römischen Sozialstruktur, ist innerhalb der Gesellschaft, nach den Worten eines späteren römischen Autors als corpus militare, das eigene Wege ging,493 ein privilegierter Sonderkörper geworden. Der Senat, der nach dem Konzept des Augustus an der Seite des Herrschers als oberstes Beratungs- und Beschlussorgan an der Ausübung der Macht beteiligt gewesen war, verlor sein altes Privileg, die Kür eines neuen Kaisers durch 491 AE 1993, 1231; Erstpublikation: L. Bakker, Germania 71, 1993, 369 ff., seitdem siehe u. a. I. König, Historia 46, 1997, 341 ff. 492 Siehe zu dieser Entwicklung ausführlich G. Alföldy, in: Kaiser, Heer und Gesellschaft (Anm. 151), 44 ff. 493 Eutrop 9,1,1, von hier HA, Max. 8,1.
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seinen Beschluss zu legitimieren. Maximinus Thrax z. B. brachte seine Verachtung dem Senat gegenüber dadurch zum Ausdruck, dass er den Senat nie besuchte. Die Senatoren behielten zwar ihren Rang als primus ordo der römischen Gesellschaft, aber sie büßten ihre politische Macht allmählich ein. Ihre früheren Machtfunktionen übernahmen mehr und mehr die Spitzenkräfte des ordo equester, unter ihnen in steigender Zahl solche Kommandeure, die durch eine Militärlaufbahn emporgestiegen sind. Im Zuge dieser Entwicklung ging die politisch-militärische Vorherrschaft Italiens und der Mittelmeerprovinzen mehr und mehr zurück. Die neuen militärischen Führer einschließlich der sog. Soldatenkaiser, die vom Heer auf dem Thron erhoben wurden und selbst als Militärs emporgestiegen waren,494 rekrutierten sich zunehmend aus den nördlichen Grenzprovinzen, wo die wichtigsten Armeen stationiert waren und aus deren Bevölkerung sie ergänzt wurden. Maximinus Thrax, ein gewöhnlicher Soldat, kam aus Thrakien oder aus der Moesia inferior. Decius war Pannonier; Claudius II. stammte ebenso aus den Donauprovinzen wie auch Aurelian; Probus war wiederum ein Sohn Pannoniens. Diese Entwicklung setzte sich, dank der Macht der Donauarmeen, auch in den nachfolgenden Jahrzehnten fort: Diocletian war Dalmatiner, sein Mitregent Maximianus Pannonier, ihre Helfer und Vize-Regenten Constantius I. und Galerius kamen ebenfalls aus den Donauländern wie auch ihre Nachfolger einschließlich Konstantins des Großen und seiner Söhne. Aus all dem folgte ein tiefgreifender Wandel in den Machtstrukturen des Reiches: Nicht nur die militärische, sondern auch die politische Macht verlagerte sich von Rom, Italien und den Mittelmeerländern in die Donauprovinzen, unter ihnen insbesondere auf Pannonien, das wichtigste Bollwerk der Grenzverteidigung mit seinen besonders schlagkräftigen Truppen.495 Zu recht stellte ein Redner in seinem Panegyricus auf Kaiser Maximian die rhetorische Frage: »Wer zweifelt daran, dass, während früher Italien die Herrin der Völker war dank ihrer alten Tradition, nun ist diese Pannonia, dank ihrer Tapferkeit?«496 Auch das Wirtschaftsleben des Reiches wurde mit früher nicht geahnten Schwierigkeiten konfrontiert, obwohl diese in den einzelnen Teilen des Reiches nicht gleichzeitig und nicht mit der gleichen Stärke auftraten. Ägyptens oder Nordafrikas Wirtschaftsleben etwa blieb von ihnen, wenn auch nicht ganz, weitgehend verschont, während die meisten anderen Regionen des Reiches viel stärker von krisenhaften Entwicklungen betroffen waren.497 Der heilige Cyprian entwarf um 253 ein düs494 Siehe zu ihnen die in Anm. 482 zitierte Arbeit von K.-P. Johne. 495 Siehe hierzu die grundlegende Studie von A. Alföldi, Studien zur Geschichte der Weltkrise (Anm. 481), 228 ff. über die Vorherrschaft der Pannonier im Römischen Reich im 3. Jahrhundert. 496 Paneg. 3,3,9. Zu diesem Identitätsgefühl der Pannonier siehe G. Alföldy, in: G. Hajnóczi (Ed.), La Pannonia e l’Impero romano. Atti del convegno internazionale »La Pannonia e l’Impero romano« (Roma, 13–16 gennaio 1994) (Milano 1995), 37 f. und in: G. Urso (Ed.), Dall’Adriatico al Danubio. L’Illirico nell’età greca e romana. Atti del convegno internazionale Cividale di Friuli, 25–27 settembre 2003 (Pisa 2004), 218 f.; demnächst ders., Rivista Storica dell’Antichità, im Druck. 497 Zur wirtschaftlichen Entwicklung des Imperium Romanum während des 3. Jahrhunderts siehe M. Corbier, in: The Cambridge Ancient History2 XII (Anm. 481), 393 ff.; K. Ruffing, in: Deleto paene
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teres Bild: Die Lebensmittel waren knapp, die Preise stiegen, die Bergwerke waren erschöpft, die handwerklichen Fähigkeiten sanken; dazu kam noch, dass es für die Landwirtschaft an Bauern fehlte (Ad Demetr. 3 f.). In der Agrarproduktion zeigten sich, in erster Linie wegen des wachsenden Mangels an Arbeitskräften, zunehmend Schwierigkeiten. Das Phänomen der agri deserti, die Entvölkerung der Ländereien, die nicht mehr bebaut wurden, ist ein häufiger Gegenstand zeitgenössischer Klagen, und die Flucht der Landbevölkerung war im 3. Jahrhundert ein häufiges Phänomen.498 Die Bevölkerungszahl und die allgemeine Lebenserwartung gingen – nicht zuletzt infolge der sich wiederholenden Epidemien – wohl überall zurück. Dionysios von Alexandria, ein Zeitgenosse Cyprians, war von diesen Vorgängen in seiner Heimatstadt tief beeindruckt.499 Klimawandel und Naturkatastrophen beschleunigten diese unheilvollen Entwicklungen.500 Die städtischen Wirtschaftszweige erlebten eine Periode des Niederganges. Die handwerkliche Produktion nahm erheblich ab; so stellten z. B. im Nordwesten des Reiches die früher blühenden Terra-SigillataBetriebe während des 3. Jahrhunderts die Produktion ein. Der Handel wurde vor allem in den umkämpften Grenzprovinzen immer wieder unterbrochen. Der römische Denar, der Jahrhunderte lang eine festen Wert besessen hatte, zeigte schon unter Mark Aurel die ersten Zeichen der Verschlechterung seines Silberwertes und büsste seit Caracalla seinen früheren Wert gänzlich ein.501 Die Inflation war nicht einzudämmen; seit Gallienus nahm sie beunruhigende Ausmaße an.502 Die Folgen der ständigen Kriege und der wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren für die Bevölkerung verheerend; Armut und Elend griffen um sich. Unter Decius wurde in einer Verhandlung vor dem Präfekten von Ägypten auf die Verarmung sowohl der Städte als auch der Dörfer nach Septimius Severus wie auf eine allbekannte Tatsache hinimperio Romano (Anm. 481), 223 ff. Ältere Literatur bei G. Walser – Th. Pekáry, Die Krise des römischen Reiches (Anm. 481), 81 ff. Zu Ägypten vgl. noch Anm. 621 und 628. 498 Vgl. dazu G. Alföldy, Die Krise des Römischen Reiches (Anm. 464), 331. Siehe bes. R. P. Duncan-Jones, in: S. Swain – M. Edwards (Eds.), Approaching Late Antiquity. The Transition from Early to Late Antiquity (Oxford 2004), 20 ff., bes. 23 ff., der zeigt, dass dieses Problem nicht nur im 3. Jahrhundert vorhanden war; ähnlich schon Th. Pekáry, in: R. Günther – St. Rebenich (Hrsg.), E fontibus haurire. Festschrift für H. Chantraine (Paderborn usw. 1994), 185 ff. = in: ders., Ausgewählte kleine Schriften (Anm. 465), 268 ff. Siehe auch Anm. 660, 763 und 788. 499 Bei Eus., Hist. eccl. 7,21,9 f. Zum Mangel an Arbeitskräften und zur Entvölkerung des Landes vgl. P. Salmon, Population et dépopulation dans l’Empire romain (Bruxelles 1974); C. R. Whittaker, in: Studies in Roman Property (Anm. 166), 137 ff.; zum Bevölkerungsrückgang siehe auch L. Wierschowski, 76, 1994, 355 ff. Zu den Epidemien, die sich vor allem zwischen 250 und 280 wiederholten, und zu ihren Folgen siehe die Literatur bei L. de Blois, in: L. de Blois – J. Rich (Eds.), The Transformation of Economic Life under the Roman Empire. Proceedings of the Second Workshop of the International Network Impact of Empire Nottingham, July 4–7, 2001 (Amsterdam 2002), 214 mit Anm. 27. Unbegründet ist die Skepsis über den Bevölkerungsrückgang bei J.-M. Carrié – A. Rousselle, L’Empire romain en mutation (Anm. 481), 519 ff. mit dem Argument, dass er nicht messbar ist. 500 Siehe dazu J. Haas, Die Umweltkrise des 3. Jahrhunderts (Anm. 481). 501 Vgl. Th. Pekáry, Historia 9, 1969, 443 ff. und bes. R. Bland, in: C. E. King – D. G. Wigg (Eds.), The Thirteenth Oxford Symposium on Coinage and Monetary History 1993, Berlin 1996, 63 ff. 502 K. Ehling, in: Deleto paene imperio Romano (Anm. 481), 843 ff.
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gewiesen.503 Als Diokletian im Jahre 301 mit seinem Maximaltarif für Preise und Löhne der Inflation ein Ende bereite wollte, setzte er für verschiedene Waren Preise fest, die in zweifacher Höhe der in den ersten beiden Jahrhunderten der Kaiserzeit ziemlich konstanten Werte lagen,504 und sein Urteil über die wirtschaftliche Entwicklung der seiner Herrschaftr vorausgehenden Zeit war sehr ungünstig.505 Die kaiserlichen Regierungen, deren Ausgaben durch die Steigerung der Kosten für die Unterhaltung des Heeres und des zivilen Verwaltungsapparates neue Dimensionen erreichten, konnten im Reich keine Investitionen mehr tätigen wie früher. Es ist symptomatisch, dass in der Stadt Rom, die von Augustus bis Caracalla fast jeder Herrscher mit prächtigen neuen Bauwerken bereichert hatte, nach der Errichtung der Caracallathermen bis zum Bau der Thermen Diokletians überhaupt keine ähnlichen Bauten entstanden sind. In Hispanien etwa, wo seinerzeit vor allem Augustus und Domitian, hin und wieder aber auch andere Kaiser monumentale öffentliche Bauwerke gestiftet hatten, fanden nach der Restaurierung des Amphitheaters von Tarraco, Hauptstadt der Provinz Hispania citerior, durch Elagabal bis zur Renovierung einer Basilika in derselben Stadt durch Diokletian und Maximianus ebenfalls keine ähnlichen kaiserlichen Initiativen statt.506 Tiefgreifende Veränderungen vollzogen sich während des 3. Jahrhunderts auch in der geistig-moralischen Orientierung der römischen Gesellschaft. Ihr früheres Bezugssystem bot nicht mehr eine überall befolgte Richtschnur. Der mos maiorum als Sittenkodex, die politische Ethik im Sinne der uneingeschränkten Hingabe zu der res publica, die Treue zu den alten religiösen Traditionen Roms und der Kaiserkult als wichtigstes ideologisches Instrument für die Sicherung des Zusammenhaltes der unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen im Rahmen der ideologisch-politischen Ordnung des kaiserlichen Imperium reichten nicht mehr aus, um einer von permanenten innenpolitischen Krisen, von ständigen inneren und äußeren Kriegen, von wachsender Armut und nicht zuletzt von den Übergriffen des eigenen Staatsapparates gequälten, verunsicherten und sich wandelnden Gesellschaft geistige und moralische Orientierung zu bieten,507 obwohl die alten griechisch-römischen Kulte im 3. Jahrhundert noch keineswegs verschwanden.508 Der Neoplatonismus bot zwar teilweise neue Richtlinien für die Orientierung im Leben, konnte jedoch 503 Pap. Lond. 2565. Zu Recht wurde dieses Dokument bereits von J. Moreaux, Scripta Minora (Heidelberg 1964), 36 als ein Zeichen der Wirtschaftskrise des 3. Jahrhunderts bewertet. 504 Siehe dazu ausführlich W. Kuhoff, Diokletian und die Epoche der Tetrarchie (Frankfurt am Main 2001), 543 ff., Hinweis auf die Editionen ebd. 544 f. Anm. 1212. 505 Siehe dazu M. A. Speidel, Historia 58, 2009, 486 ff. 506 Zu den baulichen Stiftungen der Kaiser in Hispanien siehe G. Alföldy, Madrider Mitteilungen 52, 2011, im Druck. 507 Zum tiefgreifenden Wandel der ethischen Vorstellungen während des 3. Jahrhunderts siehe L. de Blois, Mnemosyne 47, 1994, 166 ff. 508 Zur Kontinuität der römischen Religion im 3. Jahrhundert vgl. J. H. W. G. Liebeschuetz, Continuity and Change in Roman Religion (Anm. 458), 233 ff.; R. Lane Fox, Pagans and Christians in the Mediterranean World from the Second Century A.D. to the Conversion of Constantine2 (London
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nur bei der kleinen Gruppe von Intellektuellen Fuß fassen.509 Die orientalischen Mysterienreligionen, vor allem der populäre Kult des Unbesiegbaren Sonnengottes Mithras und das Christentum, versprachen dagegen nicht nur Trost und Erlösung, sondern erfüllten entschieden tiefere theologische, moralische und mit ihrer Liturgie auch emotionelle Bedürfnisse als die traditionelle römische Religion. Zugleich boten die christliche Gemeinden, aber auch die Mysteriengemeinschaften wie hauptsächlich der Mithraskult den Menschen einen neuen sozialen Rahmen, in dem sie sich geborgen fühlen konnten. Darüber hinaus war das Christentum, noch besser als etwa die neoplatonische Philosophie, in der Lage, die Ursachen allen Übels der Zeit durch eine systematische Theorie zu erklären. So wuchs die Anhängerschaft dieser geistigen Strömungen von Tag zu Tag. Das Militär hing bezeichnenderweise sehr stark am Kult des Mithras, der als unbesiegbarer Gott das Soldatenideal verkörperte; breite Bevölkerungsmassen vor allem im Osten und in Africa bekannten sich zum Christentum.510 Seit der Verschärfung der innen- und außenpolitischen und der wirtschaftlichen Krisen um die Mitte des 3. Jahrhunderts war der Siegeszug des Christentums unverkennbar, und die Attraktivität dieser Religion für die Gesellschaft des Imperium Romanum zeigte sich nicht nur in ihrer Ausbreitung im ganzen Reich, sondern auch in ihrer Fähigkeit, gleichzeitig die verschiedensten sozialen Schichten, in Einzelfällen auch Angehörige der Führungselite, anzusprechen. Der römische Staat musste auf diese Entwicklung reagieren. Er tat es, indem er den mos maiorum mit allen seinen religiösen und ethischen Implikationen wieder zu beleben versuchte.511 Nur als Beispiele für dieses Programm der Soldatenkaiser seien hier erwähnt der Befehl des Kaisers Decius, die verfallenden Denkmäler der Götterkulte wiederherzustellen, und die Verkündung der restitutio pietatis durch Claudius II.512 Was von den neuen geistigen Strömungen mit diesem Programm, 2006), 572 ff. Zu den Bemühungen der Herrscher um die Wiederbelebung der römischen Religion und zur Erneuerung alter Kulte mit Erfolg vor allem in den Donauländern siehe S. 241 f. und S. 269. 509 So war z. B. de Einfluss von Plotinus auf Kaiser Gallienus geringer als angenommen wird, siehe L. de Blois, in: A. A. R. Bastiaensen – A. Hilhordt – C. H. Kneepkens (Eds.), Fructus centesimus. Mélanges offerts à Gerard J. Bartelink à l’occasion de son soixante-cinquième anniversaire (Dordrecht 1989), 60 ff. 510 Orientalische Kulte: zusammenfassend M. J. Vermaseren, Die orientalischen Religionen im Römerreich (Leiden 1981). Zur Verbreitung und zur Zusammensetzung der Anhängerschaft des Mithraskultes siehe M. Clauss, Cultores Mithrae. Die Anhängerschaft des Mithras-Kultes (Stuttgart 1992). Zur Überlegenheit des Christentums über die heidnische Religion vgl. Th. Fleck, in: Deleto paene imperio romano (Anm. 481), 289 ff. Zur sozialen Zusammensetzung der christlichen Gemeinden und zum Eindringen des Christentums in den Senatorenstand in der vorkonstantinischen Zeit vgl. Anm. 262. 511 Siehe hierzu G. Alföldy, in: Religion und Gesellschaft in der römischen Kaiserzeit (Anm. 457), 58 ff. = in: ders., Die Krise des Römischen Reiches (Anm. 464), 352 ff.; mir folgt M. Schuol, in: Die Zeit der Soldatenkaiser (Anm. 403), 927 ff. 512 Decius: G. Alföldy, Römische Statuen in Venetia et Histria (Anm. 367), 92 Nr. 63 = J. B. Brusin, Inscriptiones Aquileiae (Udine 1991/93), 382. Siehe zu dieser Inschrift und zu ihrem Kontext in der Religionspolitik des Decius, die auch zu der Christenverfolgung führte, G. Alföldy, Römische Statuen in Venetia et Histria 46. 50. 72 und in: Die Krise des Römischen Reiches (Anm. 464), 358, außerdem M. Schuol, in: Die Zeit der Soldatenkaiser (Anm. 403), 931. Zur Religionspolitik des Decius siehe
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wie die Mithrasreligion, zu vereinbaren war, wurde gefördert; was dazu wie das Christentum einen Widerspruch darstellte, wurde mit der üblichen Härte des gewandelten Herrschaftssystems unterdrückt: Die systematischen Christenverfolgungen unter Decius, Valerianus und später unter Diokletian zeigten, dass auf diesem Gebiet von den Herrschenden keine Toleranz erwartet werden konnte. Bei einigen Gruppen innerhalb der Führungselite des Reiches und vor allem bei den traditionstreuen Armeen sowie der sie tragenden lokalen Gesellschaft in den Donauprovinzen, hauptsächlich in Pannonien, fiel dieses geistige Erneuerungsprogramm auf einen günstigen Boden und hatte eine beachtliche Resonanz,513 aber den meisten Menschen im Reich sagte es nichts. Diese Entwicklung hat aber bedeutet, dass die römische Gesellschaft ideologisch in einander gegenüberstehende Fronten zerfiel. Darüber hinaus klammerten sich die politisch maßgebenden Kreise der Gesellschaft, nämlich die Herrscher, die führenden Beamten und die Offiziere des Heeres, in ihrer konservativen Geisteshaltung an ein weitgehend überholtes, veraltetes Wertesystem, das nichts anderes als das Bezugssystem jener gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung war, zu deren Erschütterung mit ihren politischen Maßnahmen nicht zuletzt auch sie selbst beitrugen. Dieser Widerspruch war eklatant, wurde jedoch nicht erkannt. Die Kaiser des 3. Jahrhunderts wollten vor Diokletian die römische Welt nicht wirklich verändern, vielmehr waren sie davon überzeugt, dass ihre Maßnahmen zur Wiederherstellung der bewährten alten Ordnung erforderlich und auch erfolgreich seien. »Reform« bedeutete für sie nach den Worten eines Panegyrikers selbst noch unter Diokletian, das Reich ad antiquam firmitatem und ad pristinam gloriam reformare,514 und das einzige uns vollständig bekannte politische Programm aus dem 3. Jahrhundert, das Cassius Dio in seinem Geschichtswerk in der fingierten Rede des Maecenas vor Augustus vortrug, war nichts anderes als die Forderung nach der Rückkehr zu den Idealen der Antoninenzeit. Während des 3. Jahrhunderts war die konservative Haltung der Kaiser teilweise noch zeitgemäß und konnte bei den wichtigsten Stützen ausführlicher A. Alföldi, Studien zur Geschichte der Weltkrise (Anm. 481), 285 ff.; R. Andreotti, in: Studi in onore di A. Calderini e R. Paribeni I (Milano 1956), 369 ff.; H. A. Pohlsander, ANRW II 16, 3 (Berlin – New York 1986), 1826 ff.; zu seinem Christenedikt J. B. Rives, JRS 89, 1999, 135 ff.; zu seiner Politik bes. A. R. Birley, in: E. Frézouls – H. Jouffroy (Eds.), Les empereurs illyriens. Actes du colloque de Strasbourg (11–13 octobre 1990) (Strasbourg 1998), 57 ff. Zur Religionspolitik der Christenverfolger im Allgemeinen siehe J. Vogt, Zur Religiosität der Christenverfolger im Römischen Reich (Heidelberg 1962). B. Bleckmann, in: Deleto paene imperio romano (Anm. 481), 57 ff. meint, dass die christenfeindliche Religionspolitik des Decius nicht von dessen Bestrebung motiviert wurde, die alte Religion zu erneuern, sondern von der Toleranz seines Vorgängers Philippus den Christen gegenüber. Das eine schließt das andere freilich nicht aus, und das Programm der restitutio pietatis durch Decius ist nicht zuletzt im Licht der Inschrift aus Aquileia unverkennbar; siehe auch AE 1973, 235 (Decius als restitutor sacrorum). Parole der restitutio pietatis auf Münzen des Claudius II.: Roman Imperial Coinage V 1, 227 Nr. 188. 513 Siehe dazu S. 241 f. 514 203 Paneg. 5,8,3 und 5,14,4; vgl. G. Alföldy, Greek, Roman and Byzantine Studies 15, 1974, 109 f. = in: ders., Die Krise des Römischen Reiches (Anm. 464), 339 f.
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des Regimes, vor allem bei den donauländischen Soldaten, das Bewusstsein wecken, dass sie die Retter des römischen Reiches seien. Aber eine Dauerlösung war auf dieser Basis nicht mehr möglich. Das Imperium konnte aus dem Chaos nur durch tiefgreifende Reformen der politischen, militärischen, sozialen, wirtschaftlichen und religiösen Strukturen des Reiches herausgeführt werden. Dies einzusehen war ein Verdienst Diokletians und Konstantins des Großen. Der Senatorenstand Keine einzige soziale Schicht der römischen Gesellschaft blieb von den Umwandungsprozessen während des 3. Jahrhunderts unberührt, auch nicht der Senatorenstand, dessen Angehörige auch in dieser Epoche und auch noch später ebenso wie in der früheren Kaiserzeit die reichste und angesehenste Gruppe der Gesellschaft bildeten.515 Die ethnische Zusammensetzung des ordo senatorius änderte sich zwar nach der Mitte des 2. Jahrhunderts keineswegs radikal. Die Zahl der Senatoren provinzialer Herkunft nahm weiterhin zu, diejenige der Italiker weiterhin ab, und unter den Provinzialen waren vor allem die Afrikaner und der Adel aus den Ostprovinzen stärker als früher vertreten.516 Aber wohl zumindest ein Drittel der Senatoren kam auch noch im 3. Jahrhundert aus Italien, ganz abgesehen davon, dass das weitere Eindringen der Provinzialen in den höchsten Stand ebenso wenig zu einer bemerkenswerten Änderung senatorischer Ideale und Verhaltensweisen führte wie im 2. Jahrhundert. Wichtig war ferner, dass die führenden Vertreter des Militärs, die oft sehr niedriger Herkunft waren und zumeist aus den Randgebieten des Imperiums wie z. B. aus Pannonien oder Mösien stammten, kaum die Aufnahme in den Senatorenstand anstrebten. Somit kam es in der Zusammensetzung des ersten Standes zu keinem Wandel, der die Verschiebung des politischen Gewichtes auf die nördlichen Grenzländer unmittelbar widerspiegelt hätte. Auch der Reichtum und das hohe Sozialprestige der Senatoren blieben unangetastet. Die Hauptquelle für das Vermögen der Senatorenfamilien war nach wie vor der Großgrundbesitz wie z. B. bei den Gordianen, von denen es hieß, dass sie in den Provinzen über so viele Güter verfügten wie sonst niemand (HA, Gord. 2,3). Da unter den einzelnen Produktionszweigen von den krisenhaften Entwicklungen des Wirtschaftslebens der Agrarsektor noch am wenigsten betroffen war, wurden die Grundlagen des Reichtums der Senatoren kaum erschüttert. Vielmehr konnten sie ihre Latifundien durch den Erwerb mittlerer und kleiner Güter, deren Besitztümer von Kriegen, Investitionsschwierigkeiten oder Naturkatastrophen viel stärker 515 Über den Senatorenstand im 3. Jahrhundert siehe A. Chastagnol, in: ders., Le sénat romain à l’époque impériale (Anm. 278), 201 ff.; M. Heil, in: Die Zeit der Soldatenkaiser (Anm. 403), 715 ff. Über Senatoren und Ritter in dieser Zeit vgl. auch K.-P. Johne, in: ders. (Hrsg.), Gesellschaft und Wirtschaft Gesellschaft und Wirtschaft des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert (Anm. 376), 135 ff. 516 Vgl. G. Barbieri, L’albo senatorio da Settimio Severo a Carino (193–285) (Roma 1952); P. M. M. Leunissen, Konsuln und Konsulare (Anm. 223), 74 ff.
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als die in verschiedenen Regionen verteilten senatorischen Güter getroffen wurden, noch weiter vergrößern. Auch das Ansehen der Senatoren hat kaum gelitten. Der Standestitel clarissimus, den die Mitglieder des Ordo seit der spätantoninischen Zeit in ihren Inschriften regelmäßig mit Stolz anführten, bezeichnete nach wie vor den höchsten sozialen Rang hinter demjenigen des Kaisers. Cassius Dio meinte, dass dem Senatorenstand die durch ihre Abstammung vornehmsten, die besten und zugleich vermögendsten Männer, ebenso aus Italien wie aus den Provinzen, angehören sollten (52,19,2); die Senatoren dachten auch später nicht anders. Es war bezeichnend, dass die Kaiser, die den Thron aus niedrigen Verhältnissen kommend bestiegen, den senatorischen Rang für sich ebenso selbstverständlich wie das nach wie vor hoch angesehene senatorische Amt eines ordentlichen Konsuls in Anspruch nahmen. Ganz anders verhielt es sich mit den Funktionen und der politischen Macht der Senatoren. Während die clarissimi ihr Wohlhaben und ihr hohes Ansehen behielten, verloren sie jene Macht, über die sie in der Prinzipatszeit in den wichtigsten Vollzugsorganen der kaiserlichen Herrschaft verfügt hatten. Die Ursache lag vor allem darin, dass die Kaiser das Imperium Romanum unter den schwierigen Bedingungen des 3. Jahrhunderts mit ganz anderen Mitteln als die früheren Herrscher zusammenhalten mussten. Hierfür waren einerseits effektivere Staatsorgane nötig als der Senat, der von den Herrschern nach den Worten von Andreas Alföldi nicht mehr »wie ein ehrwürdiger, aber gelähmter Großvater liebevoll verhätschelt« werden konnte.517 Die Regierenden mussten in den besonders brenzligen Bereichen der Herrschaftsausübung auf einen breiteren und auch in seiner Qualifikation eher geeigneten Personenkreis als der Senatorenstand zurückgreifen. Dementsprechend vollzog sich der Wandel, der zur Entpolitisierung des Senatorenstandes führte, auf zwei Wegen. Einerseits wurde der Senat als Institution, die sich für die Verwirklichung verschiedener Ziele der kaiserlichen Politik oft als hinderlich erwies, aus dem politischen Geschehen weitgehend ausgeschaltet, zumal die meisten Kaiser seit Maximinus Thrax ihre Regierungszeit fern von Rom auf Feldzügen verbrachten. Stattdessen wuchs die Bedeutung des kaiserlichen consilium und der kaiserlichen Bürokratie, in denen neben einigen nach wie vor einflussreichen Senatoren Militärs, Juristen und Verwaltungsexperten ritterlichen Ranges den Ton angaben.518 Andererseits wurden die früher den Senatoren vorbehaltenen Truppenkommandos und die meisten hohen Verwaltungsämter einem anderen Personenkreis, nämlich wiederum Rittern, übertragen. Den Senatoren verblieben nur zivile Ämter, darunter allerdings auch hohe Posten wie der Konsulat, die Prokonsulate von Africa und Asia sowie das oberste Richteramt in Stellvertretung des Herrschers.519 517 A. Alföldi, in: Historia Mundi IV. Römisches Weltreich und Christentum (München 1956), 211. 518 Zum consilium principis der Kaiser siehe die Literatur in Anm. 210. 519 M. Christol, Mél. de l’École Fr. de Rome, Antiquité 97, 1985, 431 ff. (über die ordentlichen Konsuln); ders., Essai sur l’évolution des carrières sénatoriales dans la 2e moitié du IIIe siècle ap. J.-C. (Paris 1986); M. Peachin, Iudex vice Caesaris. Deputy Emperors and the Administration of Justice during the Principate (Stuttgart 1996).
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Das harmonische Verhältnis zwischen Kaiser und Senat, worauf im 2. Jahrhundert Trajan, Hadrian, Antoninus Pius und Mark Aurel ihre Monarchie basiert hatten, wurde schon unter Commodus erschüttert. Zwischen diesem Kaiser und der Elite des Senatorenstandes kam es immer wieder zu politischen Konflikten, die zahlreiche führende Senatoren das Leben kosteten.520 Nichts zeigte deutlicher die neue Einstellung des autoritären Kaisertums dem führenden Stand gegenüber als ein von Cassius Dio beschriebener Auftritt des Commodus im Colosseum (72,21,1 f.), als der junge Herrscher als Gladiator »einen Strauß tötete, dessen Kopf abschnitt und dorthin kam, wo wir Senatoren saßen, in der linken Hand mit dem Kopf, in der rechten mit dem blutigen Schwert, während er nichts sagte, nur grinsend eine Kopfbewegung machte, um zu zeigen, dass er mit uns das Gleiche vorhatte.« Nach dem Sturz des Commodus und seines Nachfolgers Pertinax zerfiel der Senatorenstand in einzelne politische Gruppierungen, die die verschiedenen Thronprätendenten unterstützten. Der von seiner Familientradition und Gesinnung her keineswegs senatsfeindliche Septimius Severus rechnete im Jahre 197 mit seinen Gegnern grausam ab,521 wie dies später auch Caracalla mit seinen tatsächlichen oder vermeintlichen senatorischen Feinden tat. Zugleich wurde der Senat für wichtige Entscheidungen immer weniger herangezogen. Maximinus Thrax ließ als erster Herrscher weder seine Proklamation vom Senat zumindest nachträglich sanktionieren, noch betrat er während seiner dreijährigen Herrschaft die Stadt Rom und den Senatssaal. In einzelnen Fällen konnte zwar der Senat noch immer die politische Initiative ergreifen, so im Jahre 193, als Pertinax – freilich durch eine von seinen Anhängern entsprechend vorbereitete Szene – vom Senat zum Kaiser proklamiert wurde, ferner im Jahre 238, als der Senat gegen Maximinus Thrax den Krieg erklärte und in der Person des Pupienus und Balbinus zwei eigene Kandidaten zu Kaisern ausrief, sowie im Jahre 275, als nach dem plötzlichen Tod Aurelians in der Person des Tacitus wiederum ein »Senatskaiser« auf den Thron gehoben wurde. Aber das waren Ausnahmefälle; die politische Initiative lag in ähnlichen Situationen normalerweise beim Heer. Zugleich wurden den Senatoren allmählich ihre meisten wichtigsten Ämter entzogen. Der ideale römische Senator war nach seiner traditionellen Ausbildung domi militiaeque pollens (HA, Aur. 3,3 über einen führenden Senator der Antoninenzeit), gleichzeitig Verwaltungsbeamter und Feldherr, aber während er über eine beachtliche juristische Ausbildung verfügte, war er ganz und gar kein Berufsoffizier, sondern erlernte die Kunst der Armeeführung, wenn überhaupt, während der Ausübung seiner Kommandos. Schon die Kriege unter Mark Aurel hatten gezeigt, dass die neuen, 520 F. Grosso, La lotta politica al tempo di Commodo (Torino 1964) 125 ff.; O. Hekster, Commodus (Anm. 464), 50 ff. 521 Siehe dazu G. Alföldy, Bonner Historia-Augusta-Colloquium 1968/69 (Bonn 1970), 1 ff. = in: ders., Die Krise des Römischen Reiches (Anm. 464), 164 ff. (mit zahlreichen Nachträgen). Zum widersprüchlichen Verhältnis zwischen Septimius Severus und dem Senat siehe G. Alföldy, Bonner Jahrb. 168, 1968, 112 ff. und A. R. Birley, Septimius Severus, the African Emperor (Anm. 315); vgl. auch dens., Bonner Jahrb. 169, 1969, 247 ff. zu den Ereignissen im Jahre 193.
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schwierigen Aufgaben der Reichsverteidigung von senatorischen Generälen alten Stils kaum zu meistern waren. Herodian formulierte in einer fingierten Rede des Septimius Severus gegen seinen Hauptgegner Clodius Albinus in brutaler Offenheit, was viele Zeitgenossen von den Feldherrntugenden des alten Adels gedacht haben dürften: Dieser Mann – aus vornehmstem Geschlecht (2,15,1) – gehört nicht in den Krieg, sondern in einen Tanzchor (3,6,7). Die einzige Lösung war, für die Kommandos Ritter heranzuziehen, die durch ihre standesspezifische Offizierslaufbahn mehr militärische Erfahrung als ein durchschnittlicher Senator besaßen. So griffen die Kaiser seit Mark Aurel immer häufiger auf die bereits früher bekannte Methode zurück, verdiente ritterliche Offiziere in den Senatorenstand aufzunehmen und ihnen die Legions- und Armeekommandos zu übertragen. Die beiden erfolgreichsten Feldherren Mark Aurels, der spätere Kaiser Pertinax und Valerius Maximianus, einer der frühesten pannonischen Senatoren, gehörten zu diesem Personenkreis. Jedoch wurde dadurch die Kluft zwischen viri militares und viri docti, diserti, litterati innerhalb des Senatorenstandes immer größer, umso mehr, als die zuerst Genannten während ihrer langen militärischen Laufbahn in den Provinzen oft kaum Gelegenheit hatten, sich in Rom aufzuhalten, dort an Senatssitzungen teilzunehmen und sich mit den Traditionen der Aristokratie ganz vertraut zu machen.522 Dazu kam noch, dass die zunehmende kaiserliche Bürokratie auch immer mehr juristisch beschlagene Fachkräfte für die Zivilverwaltung brauchte; auch diese waren eher unter den Rittern zu finden. Bezeichnenderweise überwogen unter den führenden Juristen schon seit der Antoninenzeit nicht mehr die Senatoren wie früher, sondern die Ritter.523 Gallienus, ein großer Reformer des römischen Heerwesens, zog aus dieser Entwicklung die Konsequenz: Kommandos und mit ihnen verbundene Statthalterschaften wurden seit 262 bis auf wenige Ausnahmen nur noch Rittern übergeben, die nicht mehr in den Senatorenstand eintraten.524 Es handelte sich nicht um ein grundsätzliches Verbot des Militärdienstes für die Senatoren, wie die spätere Überlieferung diese Reform missverstanden hat (Aur. Victor, Caes. 33,34). Die Reform war auch keine senatorenfeindliche Maßnahme, da die meisten Senatoren den mühevollen Militärdienst längst nicht mehr anstrebten. Aber die wichtigsten Funktio522 Zu dieser Entwicklung siehe G. Alföldy, Die Legionslegaten der römischen Rheinarmeen (Anm. 298), 110 ff. und Bonner Jahrb. 169, 1969, 242 ff. = Römische Heeresgeschichte (Anm. 227), 12 ff. (mit Nachträgen). Pertinax, Valerius Maximianus: Siehe dens., Situla 14/15, 1974, 199 = in: ders., Römische Heeresgeschichte 326 ff. (mit ausführlichen Nachträgen). 523 Zu den Juristen des 3. Jahrhunderts siehe L. de Blois, in: Administration, Prosopography and Appointment Policies (Anm. 297), 136 ff.; D. Liebs, Hofjuristen der römischen Kaiser bis Justinian (Anm. 267), 51 ff. 524 Zur Reform des Gallienus grundlegend H.-G. Pflaum, Historia 25, 1976, 109 ff., mit Betonung der Rolle der ritterlichen Berufsmilitärs, die nach einer langen Soldaten- und Centurionenlaufbahn die hohen Kommandos übernahmen. Siehe noch bes. B. Malcus, Opuscula Romana 7, 1969, 213 ff.; L. de Blois, Gallienus (Anm. 481), 57 ff.; M. Christol, in: Epigrafia e ordine senatorio (Anm. 297), 143 ff.; W. Kuhoff, Diokletian (Anm. 504), 413 ff., jeweils mit weiterer Literatur. Zu den einzelnen Personen vgl. u. a. G. Alföldy, Byzantinoslavica 34, 1973, 236 ff.
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nen im Reichsdienst waren den Angehörigen des Senatorenstandes seither faktisch entzogen. Die senatorische Ämterlaufbahn schrumpfte auf wenige niedrige zivile Ämter in Rom, auf den Konsulat, auf die Statthalterschaft in einigen Provinzen ohne Armee und auf einige weitere Ressorts zusammen.525 Das bedeutete, dass die Funktionen der Senatoren auch in der Zivilverwaltung eingeschränkt wurden. Von einer totalen politischen Entmachtung des ordo senatorius kann zwar keine Rede sein, da durch die verbliebenen Ressorts, außerdem durch Reichtum und Einfluss noch immer Macht ausgeübt werden konnte, aber mit der ehemaligen politischmilitärischen Führungsrolle des Senatorenstandes im Kaiserreich war es vorbei. Der Ritterstand Das 3. Jahrhundert war die große Zeit des römischen Ritterstandes.526 Da die meisten höheren Offiziere, jedoch auch viele kaiserlichen Beamten in höheren Stellungen dem ordo equester angehörten, bildeten die Ritter die militärisch ebenso wie politisch aktivste Oberschicht und die wichtigste Stütze des Staates. Seit Macrinus (217–218), der als Prätorianerpräfekt zum Kaiser proklamiert wurde, stellten sie auch eine Reihe von Kaisern, unter ihnen Maximinus Thrax, Philippus, Claudius II., Aurelian, Probus, Carus. Dieser enorme Machtzuwachs des Ritterstandes war sowohl den Qualitäten und Ambitionen seiner Angehörigen als auch den Interessen des Kaisertums zu verdanken. Viele Ritter waren erfahrene, oft durch eine lange Militärlaufbahn ausgewiesene Berufsoffiziere wie z. B. in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts Traianus Mucianus aus Thrakien, der sich vom einfachen Soldaten empordiente;527 andere waren ausgezeichnete Berufsjuristen wie z. B. in der Severerzeit Papinianus, Ulpianus, Paulus oder auch Macrinus, der im Jahre 217 den kaiserlichen Thron bestieg.528 Zugleich strebten viele Ritter die hohen Stellen im Reichsdienst mit viel Eifer an, da diese außer Sozialprestige und hohen Gehältern auch immer mehr Macht und Einfluss gewährten.529 Die Förderung dieses Personenkreises lag auch im Interesse der Kaiser, einerseits im Hinblick auf die wachsenden Aufgaben in der Reichsverteidigung und in der Reichsverwaltung, insbesondere in der Finanzverwaltung, andererseits um in den ständigen politischen Wirren des 3. Jahrhunderts sich mit dem jeweiligen Personenadel eine loyale Anhängerschaft zu sichern. So war das 3. Jahrhundert von der steigenden Macht der Ritter gekenn525 Siehe Anm. 519. 526 Zum Ritterstand im 3. Jahrhundert siehe den Überblick bei M. Heil, in: Die Zeit der Soldatenkaiser (Anm. 403), 737 ff. 527 IGBulg. III2 1570 = IGRR I 1496 = ILS 9479, dazu bes. M. Christol, Chiron 7, 1977, 393 ff.; siehe auch W. Kuhoff, Diokletian (Anm. 504), 419 f. mit weiterer Literatur. 528 Zu den Juristen siehe Anm. 523. 529 Zur ritterlichen Führungselite zusammenfassend siehe G. Alföldy, Chiron 11, 1981, 169 ff. = in: ders., Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 162 ff. Zu den Prätorianerpräfekten, die an der Spitze der ritterlichen Hierarchie standen, siehe L. L. Howe, The Pretorian Prefect from from Commodus to Diocletian (A. D. 180–395) (Chicago 1942)
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zeichnet. Dieser Trend wurde bereits unter Septimius Severus deutlich, der das Kommando der damals aufgestellten drei neuen Legionen nicht mehr senatorischen Legaten, sondern ritterlichen Präfekten übertrug, und er erreichte seinen Höhepunkt mit der Reform des Gallienus.530 Da der Bedarf des römischen Staates an geeigneten Offizieren und Beamten erheblich anstieg, nahm auch die Zahl der Ritter zu. Seit Septimius Severus konnten Centurionen und sogar principales (vom gewöhnlichen Dienst befreite Soldaten mit Spezialaufgaben, häufig in der Verwaltung) den ritterlichen Rang leichter und häufiger als früher erreichen. Beim Militär war die Zugehörigkeit zum ordo equester häufig faktisch erblich, da auch die Söhne ritterlicher Centurionen in diesen Stand einbezogen wurden. Wie der Personalbedarf in der hohen Verwaltung, vor allem in der Verwaltung der Reichsfinanzen, wuchs, zeigt sich am deutlichsten in der Vermehrung der Prokuraturen. Unter Augustus gab es wenig mehr als 20, unter Trajan schon mehr als 80, unter Antoninus Pius bereits mehr als 100, unter Mark Aurel etwa 125, unter Septimius Severus bereits mehr als 170 und unter Philippus mehr als 180 Prokuratorenstellen.531 Da insbesondere die Soldaten unter den Rittern sehr häufig aus den Provinzen, vor allem aus den militärischen Grenzprovinzen, stammten, nahm die Zahl der Provinzialen im ordo equester noch wesentlich stärker als im 2. Jahrhundert zu.532 Unter den Provinzialen waren hauptsächlich Einwohner der Ostprovinzen, Nordafrikas, aber auch der donauländischen Provinzen stärker als früher vertreten. Durch den Aufstieg vieler Soldaten niedriger Herkunft in den Ritterstand erfolgte dort eine merkbare soziale Umschichtung, zumal das Bildungsniveau der ehemaligen Gemeinsoldaten aus den Grenzprovinzen oft niedrig war; Maximinus Thrax z. B. galt als ein primitiver »Halbbarbar«. Aber eine »Barbarisierung« des Ritterstandes vollzog sich keineswegs, und das lag primär nicht daran, dass es unter den Rittern auch im 3. Jahrhundert noch zahlreiche Vertreter der stark romanisierten Provinzen und auch Italiker gab. Auch die oft ungebildeten Offiziere waren bestrebt, römische Ideale zu übernehmen; sie waren sogar überzeugt, dass sie die wirklichen Erben der einstigen großen Römer seien wie etwa die Pannonier, von denen es am Ende des 3. Jahrhunderts hieß, dass ihre engere Heimat dank ihrer Tapferkeit die Herrin der Völker sei.533 Die wirtschaftliche Lage dieser militärisch und politisch aktiven Ritter war zumeist recht gut. Sie bezogen hohe Gehälter; manche von ihnen kamen aus Grundbe530 Siehe dazu S. 232 mit Anm. 524. Zu dieser Entwicklung siehe C. W. Keyes, The Rise of the Equites in the Third Century of the Roman Empire (Princeton 1915); G. Lopuszanski, Mél. d’Arch. et d’Hist. 55, 1938, 131 ff.; H.-G. Pflaum, Les procurateurs équestres (Anm. 329), 82 ff.; J. Osier, Latomus 36, 1977, 674 ff.; M. Christol, in: L’ordre équestre. Histoire d’une aristocratie (Anm. 312), 613 ff. 531 Siehe H.-G. Pflaum, Les procurateurs équestres (Anm. 329), 29 ff.; kurzer Überlick: ders., Abrégé des procurateurs équestres (Anm. 329), 43. 532 Zusammensetzung des Ritterstandes im 3. Jahrhundert: H.-G. Pflaum, Les procurateurs équestres (Anm. 329), 186 ff.; vgl. auch E. Birley, Epigr. Studien 8, 1969, 70 ff. = in: ders., The Roman Army (Anm. 298), 21 ff. 533 Siehe dazu S. 224 mit Anm. 496.
städtische oberschichten
sitzerfamilien, und die meisten von ihnen investierten ihre hohen Gehälter in Grund und Boden. Ihr Ansehen und ihr Selbstbewusstsein sind durch ihre wachsende Macht erheblich gestiegen. Ihre Rangstellung galt zwar nach wie vor als »zweiter Rang« unter den Privilegierten (Dio 52,19,4), aber es war bezeichnend, dass die höchsten ritterlichen Rangstufen seit Mark Aurel ebenso mit glanzvollen Titeln verbunden waren wie der senatorische Rang: Die Prätorianerpräfekten waren eminentissimi, die höchsten Prokuratoren perfectissimi, die Angehörigen der nächsten Ranggruppe der Prokuratoren egregii.534 Wie diese erfolgreichen Ritter von sich und von ihrem Stand dachten und wie sie von anderen gesehen wurden, mag daraus hervorgehen, was die Zeitgenossen – außerhalb des Senatorenstandes – von der persönlichen Leistung der Juristen und insbesondere der Offiziere hielten. Herodian legte dem Kaiser Macrinus die Worte in den Mund, dass sein Aufstieg aus dem Ritterstand auf den Thron vollauf berechtigt sei, da die beste Qualifikation weder in der adligen Geburt noch im Reichtum liege, die auch bei Unwürdigen vorhanden sind, sondern im persönlichen Verdienst (5,1,5 ff.). Von dieser Entwicklung war allerdings keineswegs der ganze Ritterstand erfasst. Es gab auch im 3. Jahrhundert viele Ritter, die die Zugehörigkeit zum ordo equester nur ihrem entsprechenden Mindestvermögen durch Grundbesitz zu verdanken hatten und der lokalen Oberschicht in einer Stadt angehörten wie z. B. in Aquincum Aurelius Vettianus, zusammen mit mehreren Dekurionen possessor in der Umgebung der genannten Stadt.535 Die sozialen Unterschiede zwischen den politisch oder militärisch engagierten und den gewöhnlichen Rittern waren im 3. Jahrhundert viel größer als in der Prinzipatszeit und liefen allmählich auf eine Art Zweiteilung des Ritterstandes hinaus: Während sich die eine, zahlenmäßig kleinere Gruppe der Ritter zur mächtigsten Oberschicht des römischen Staates entwickelte, teilten die gewöhnlichen Ritter das Schicksal der Dekurionenstände und sanken zusammen mit diesen auf das Niveau einer zwar nach wie vor privilegierten und noch verhältnismäßig wohlhabenden, doch vom Staat stark belasteten sozialen Schicht, ohne Macht und Einfluss außerhalb des kommunalen Lebens. Städtische Oberschichten Im ordo decurionum der Städte gab es auch im 3. Jahrhundert vermögende und angesehene Männer. Ein solcher war z. B. der durch den »Marmor von Thorigny« bekannte Titus Sennius Sollemnis aus der Gallia Lugdunensis, unter den Severern viermal hintereinander Bürgermeister in der Gemeinde der Viducassier.536 Er konnte allein für die Finanzierung von Gladiatorenspielen 332.000 Sesterzen aufbringen;
534 Dazu H.-G. Pflaum, in: Recherches sur les structures sociales (Anm. 12), 177 ff.; G. Alföldy, Chiron 11, 1981, 190 ff. = in: ders., Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 183 ff. 535 CIL III 10570 = ILS 7127 = Tituli Aquincenses 926. 536 H.-G. Pflaum, Le Marbre de Thorigny (Paris 1948) zu CIL XIII 3162
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er zeichnete sich durch seine Autorität bei seinen Landsleuten im gallischen Landtag aus und erwarb sogar die Freundschaft von Statthaltern, die ihn zu den boni viri zählten, seine honesti mores rühmten und ihm reiche Geschenke schickten. Die meisten Dekurionen waren jedoch entschieden weniger wohlhabend. Das lag zunächst an der allgemeinen wirtschaftlichen Schwäche vieler Städte, von der auch deren Oberschicht betroffen war. Da zahlreiche Dekurionen nicht nur aus dem Grundbesitz, sondern auch aus Handwerk und Handel Profit erzielt hatten, war insbesondere der Rückgang dieser Wirtschaftszweige für sie ein harter Schlag. Besser gestellte Handwerker und Kaufleute gab es unter den Dekurionen auch weiterhin, am ehesten noch in der Severerzeit z. B. in den Städten am Donaulimes, in denen damals zahlreiche syrische und kleinasiatische Kaufleute erschienen, um die vorübergehende wirtschaftliche Blüte dieser Städte zu nutzen; sie wurden dort, wie vor allem in Brigetio, oft in den lokalen Ordo aufgenommen.537 Der allgemein verbreitete Typus des Dekurionen war jedoch noch mehr als in der frühen Kaiserzeit der Grundbesitzer auf dem städtischen Territorium wie etwa die erwähnten possessores bei Aquincum. Viele unter diesen Dekurionen waren bestrebt, ohne die Städte zu verlassen auch in ihren Gütern präsent zu sein, auf denen sie häufig Villen besaßen. In den nördlichen Provinzen des Reiches z. B. sind zahlreiche Villen in der zweiten Hälfte des 2. und zu Beginn des 3. Jahrhunderts entstanden.538 Mangel an Arbeitskraft, Verwüstung durch Barbareneinfälle und Bürgerkriege wirkten sich dann auch auf die landwirtschaftliche Produktion der municipalen Güter recht ungünstig aus. In Noricum z. B. wurden mehrere um die Mitte des 3. Jahrhunderts zerstörte Villen auf den Gütern nicht mehr wiederaufgebaut,539 und in Gallien blieben in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts zahlreiche Villen verlassen und ausgedehnte Landstrecken unbebaut.540 Schlimm war für die Dekurionen auch ihre steigende Belastung durch den Staat. Die senatorischen Großgrundbesitzer und die führenden Gruppen der Ritter verfügten über weitgehende wirtschaftliche Privilegien und wurden von den Kaisern aus politischen Gründen vorsichtig behandelt; die niedere Bevölkerung der Städte und des Landes war zumeist so arm, dass bei ihr nur wenig zu holen war. So waren die Dekurionenstände der Städte jene soziale Schicht, deren finanzielle Kraft sich für die rapide steigenden Ausgaben des römischen Staates als besonders wichtig erwies. Nachdem die Belastung der Dekurionen für die Ausgaben der Städte bereits im 2. Jahrhundert zugenommen hatte, wurde sie seit Septimius Severus zu einem staatlich reglementierten System ausgebaut. Was das römische Recht über die Lasten (munera) der städtischen Dekurionen und der Inhaber der Magistraturen (honores) in der Späten Kaiserzeit vorschrieb, ging weitgehend auf die Bestimmungen
537 Vgl. A. Mócsy, RE Suppl. IX, 1962, 714. 538 Für Pannonien siehe A. Mócsy, Pannonia and Upper Moesia (Anm. 236), 239 und 242. 539 Zur Entwicklung in Noricum siehe G. Alföldy, Noricum (Anm. 185), 171 ff. 540 Vgl. Ch. Witschel, Krise – Rezession – Stagnation? (Anm. 481), 332 ff.
städtische oberschichten
unter Septimius Severus und seinen ersten Nachfolgern zurück (Dig. 50,4,1 ff.). So wurden die Verpflichtungen der Mitglieder des ordo decurionum sehr genau festgelegt. Dazu gehörten neben vielen anderen Lasten die Versorgung ihrer Stadt mit Lebensmitteln und Trinkwasser, die Renovierung von Straßen, die Beheizung der öffentlichen Bäder, die Veranstaltung öffentlicher Spiele, anwaltliche Tätigkeit für die Interessen der Gemeinde. Die Übernahme dieser Lasten erfolgte nicht mehr auf freiwilliger Basis wie früher: Sie wurden vom Staat, in den Provinzen vom Statthalter, nach festen Regeln verteilt. Das bedeutete zugleich das Ende für eigene Initiativen, die in der Frühen Kaiserzeit im Wirtschaftsleben der Städte eine sehr große Rolle gespielt hatten. Entziehen konnte man sich den Pflichten nicht: Falls z. B. ein Dekurio seine Gemeinde verließ, so hatte der Statthalter Sorge zu tragen, dass er zurückgerufen und mit den entsprechenden munera belastet wurde. Nicht einmal die Entscheidung, wer in den Ordo einer Stadt aufgenommen werden sollte und wer nicht, blieb ganz im Ermessen der Gemeinderäte und der betroffenen Personen. Wer das für einen Dekurionencensus erforderliche Mindestvermögen aufbringen konnte, musste in seiner Gemeinde entweder auf dem Wege über die Magistraturen oder ohne Ämter bekleidet zu haben Dekurio werden und die entsprechenden Lasten tragen. Das führte dazu, dass der Dekurionenrang noch häufiger als früher erblich wurde, da die Söhne der Dekurionen als Erben des Familienvermögens in den Ordo eintreten mussten.541 In der Liste der Dekurionen von Canusium aus dem Jahre 223 zeigt sich das deutlich, da sie oft Dekurionen aus ein und derselben Familie und neben den 100 regulären Ratsmitgliedern auch 25 minderjährige Dekurionensöhne anführt.542 So wandelten sich die einst begehrten städtischen honores – unbeschadet der Tatsache, dass sie durch das Sozialprestige und die rechtlichen Privilegien der Amtsausübung für viele, hauptsächlich für soziale Aufsteiger, weiterhin attraktiv sein konnten – im Ganzen betrachtet immer mehr in unfreiwillig übernommene Ämter, die weniger honos gewähten als dass sie zu munera verpflichteten.543 Für die unfreiwilligen Dekurionen galten ihre Aufgaben als onera invita (Dig. 50,1,18). Die Unannehmlichkeiten (vexationes), die die Dekurio-
541 H. Horstkotte, ZPE 57, 1984, 211 ff. widerlegt in seiner Studie über Magistratus und Dekurionat im Lichte des Albums von Canusium die Idee einer gesetzlich überall vorgeschriebenen Zwangserblichkeit des Dekurionates überzeugend, berücksichtigt jedoch die faktische Erblichkeit, die zweifellos nicht ohne einen gewissen Druck von oben üblich war, viel zu wenig (vgl. ebd. 222). Zu den Verhältnissen in den Städten des Reiches während des 3. Jahrhunderts siehe u. a. Th. Fischer, in: K. Johne (Hrsg.), Gesellschaft und Wirtschaft des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert (Anm. 376), 135 ff.; P. Cosme, L`état romain entre éclatement et continuité (Anm. 481), 162 ff.; zur Lage der städtischen Aristokratien V. Weber, in: Gesellschaft und Wirtschaft des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert 245 ff. 542 CIL IX 338 = ILS 6121, siehe vor allem M. Chelotti – R. Gaeta – V. Morizio – M. Silvestrini, Le epigrafi romane di Canosa (Bari 1985), 45 ff. Nr. 35 mit ausführlicher Analyse der Namen der einzelnen Mitglieder des Ordo und mit Herausstellung der Erblichkeit der Mitgliedschaft im Stadtrat. Zu diesem Dokument siehe ferner B. Salway, in: A. E. Cooley, (Ed.), The Epigraphic Landscape of Roman Italy (London 2000), 115 ff. 543 Zu den munera publica vgl. u. a. H. Horstkotte, ZPE 111, 1996, 233 ff.
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nen bei der bürokratischen Festlegung ihrer Verpflichtungen erleiden mussten, und noch mehr die finanziellen Lasten selbst hatten diese einst starke und selbstbewusste soziale Schicht erheblich geschwächt und in einzelnen Städten weitgehend ruiniert. Es ist kennzeichnend, dass beispielsweise im römischen Hispanien, wo die lokalen Dekurionenstände im 1. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts im politischen, sozialen und wirtschaftlichen Leben ihrer Heimatgemeinden recht aktiv waren, sehr viele Monumente ihrer stolzen Selbstdarstellung zurückließen und es finanziell ermöglichten, dass zahlreiche ihrer Angehörigen bzw. deren Nachkommen in den Ritterstand oder sogar in den Senatorenstand aufsteigen konnten, in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts nur wenige und im 3. Jahrhundert kaum noch Spuren hinterließen.544 Weitgehend verschwunden ist nach der Antoninenzeit eine weitere früher sehr vermögende und wirtschaftlich besonders aktive Bevölkerungsschicht der Städte: diejenige der reichen Freigelassenen. Der soziale Typus Trimalchios war unter den wirtschaftlichen Verhältnissen des 3. Jahrhunderts unvorstellbar. Die Augustalenkörperschaften in den Kolonien und Municipien, die in der früheren Kaiserzeit die reichen liberti vereint hatten, bestanden zwar auch im 3. Jahrhundert, aber unter ihren Mitgliedern, die übrigens häufig nicht mehr Freigelassene, sondern Personen freier Herkunft waren, gab es kaum noch herausragende Finanzkräfte. Damit war die Substanz dieser ehemals reichen Aufsteigerschicht gebrochen. Ein vergleichbares Schicksal wartete, wenn auch aus ganz anderen Gründen, auf eine andere, in der Prinzipatszeit vielfach einflussreiche und vermögende soziale Gruppe, nämlich auf die kaiserlichen Sklaven und Freigelassenen. Unter Commodus und den Severern war die Machtstellung dieser Schicht noch recht bedeutend, sogar viel stärker als unter den Kaisern von Trajan bis Mark Aurel, da die autoritär regierenden Herrscher wie Commodus, Septimius Severus oder Caracalla in den politischen Konflikten mit der Elite des Reiches auf ihr loyales Hauspersonal besonders angewiesen waren. Unter Elagabal (218–222) schienen die Freigelassenen am Hof beinahe die Führung des Staates übernommen zu haben. Aber die darauf folgende politische Entwicklung des Reiches führte dazu, dass die Macht der familia Caesaris zerschlagen wurde. Mit dem Sturz des Severus Alexander im Jahre 235 nahm die Geschichte der Kaiserdynastien, die durch die Machtkontinuität einzelner Herrscherfamilien eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Herausbildung eines übermächtigen Hofpersonals bildeten, für ein Jahrhundert ihr Ende. Die immer häufigeren Regierungswechsel, die sich in der Regel durch die Ermordung eines Herrschers vollzogen, bewirkten eine ständige Fluktuation in der Zusammensetzung des Hofpersonals: Nach der Ermordung eines Kaisers wurden zunächst auch seine treuesten persönlichen Diener meistens umgebracht; so ließ z. B. Caracalla
544 Vgl. dazu die Listen der epigraphisch bezeugten Magistrate in Tarraco, Barcino und Saguntum bei G. Alföldy, Gerión 2, 1984, 229 ff. = Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 275 ff.
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nach dem erfolgreichen Anschlag auf seinen Bruder und Mitregenten Geta sofort dessen Sklaven und Freigelassene niedermetzeln (Dio 77,3,1a). Das Militär in der Gesellschaft des 3. Jahrhunderts Zu allen zuvor beschriebenen Veränderungen in den höheren Rängen der Gesellschaftspyramide Roms kam während des 3. Jahrhunderts noch der Wandel in der sozialen Stellung des Militärs hinzu.545 Es waren nicht nur die mit ritterlichem Rang ausgezeichneten Offiziere und Kommandeure des Heeres, die damals über eine gehobene soziale Position verfügten. Auch die Soldaten vom Centurionenrang abwärts bildeten eine ziemlich einheitliche soziale Gruppe mit den Möglichkeiten politischer Einflussnahme, z. B. bei der Wahl von Herrscherkandidaten, mit Prestige, Privilegien und mit einer verhältnismäßig günstigen wirtschaftlichen Lage. Septimius Severus ließ den Soldaten, denen er seine Herrschaft zu verdanken hatte, verschiedene früher unvorstellbare Priviliegien zukommen. Er erlaubte den Centurionen und auch den principales, d. h. den von gewöhnlichen Militärpflichten befreiten, hauptsächlich für Verwaltungsaufgaben herangezogenen Soldaten, den goldenen Ring, also einen ritterlichen Statussymbol, zu tragen (Herod. 3,8,5), womit sie zu Kandidaten für die Aufnahme in den römischen Ritterstand erklärt wurden. Das bedeutete für das Militär einen enormen Anstieg des Sozialprestiges. Die sozialen Vorteile des Militärdienstes lagen neben den früher kaum denkbaren Aufstiegsmöglichkeiten durch persönliche Tüchtigkeit vor allem in den finanziellen und steuerrechtlichen Privilegien. Da die Herrschaft der Kaiser noch viel eher als in der Prinzipatsepoche von der Loyalität des Heeres abhängig war, musste sie teuer erkauft werden. Wie wichtig es war, die Treue des Militärs durch finanzielle Mittel zu sichern, zeigt sich am deutlichsten in den letzten Worten des Septimius Severus zu seinen Söhnen (Dio 76,15,2): »Bleibt im Einvernehmen, bereichert die Soldaten, und kümmert euch wenig um alles andere.« Ein gewöhnlicher Legionssoldat, der unter Augustus einen Jahressold von 225 Denaren und seit Domitian jährlich 300 Denare bezogen hatte, erhielt unter Septimius Severus bereits 550 und seit Caracalla 750 Denare, obwohl die Lebenshaltungskosten in diesem Zeitraum noch nicht erheblich gestiegen waren.546 Bei seiner Entlassung wurde der Soldat entweder mit Land versorgt oder bekam wiederum Geld, seit Caracalla 5.000 Denare. Noch wichtiger waren jedoch die Donative bei den Regierungswechseln. Schon Kaiser Mark Aurel hatte im Jahre 161 jedem Prätorianersoldaten in Rom 5.000 Denare geschenkt, und im 3. Jahrhundert, als die Regierungswechsel sozusagen an der Tagesordnung waren, konnte ein Soldat durch Donative unschwer ein Vermögen erwerben. Dazu 545 Zur Sozialgeschichte des Heeres in der späteren Kaiserzeit siehe bes. R. MacMullen, Soldier and Civilian in the Later Roman Empire (Cambridge, Mass. 1963). Zum folgenden vgl. bes. G. Alföldy, in: Kaiser, Heer und Gesellschaft (Anm. 151), 44 ff. 546 Zu dem allmählichen Anstieg der Soldzahlungen während der Kaiserzeit siehe die Literatur in Anm. 240.
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kam noch die Möglichkeit, vor allem während der Bürgerkriege, Beute zu machen, ferner die Tatsache, dass das Militär auch in den Zeiten der schlimmsten Inflation regelmäßig und bevorzugt mit Proviant und Kleidung versorgt wurde. Somit war der Heeresdienst auch für viele Soldaten, die nicht einmal bis zum Centurionenrang aufstiegen, ein zwar risikoreiches, doch rentables Geschäft. Ein Veteran konnte unschwer über einen dem Dekurionencensus entsprechenden Besitz verfügen, ohne dass er vom Staat ebenso wie ein Dekurio zur Kasse gebeten worden wäre. Es ist aufschlussreich, dass z. B. in Pannonien in der Zeit der severischen Kaiser Soldaten und Veteranen es sich leisten konnten, Tempel zu bauen oder prächtige Votivdenkmäler zu stiften, was in der früheren Kaiserzeit, als nur Senatoren, Ritter und den Angehörige städtischer Eliten die Möglichkeit für solche Stiftungen hatten, undenkbar gewesen wäre.547 Ein Legionsveteran im 3. Jahrhundert, der übrigens offenbar nie an Kriegen teilgenommen hatte, sondern als principalis in Britannien immer nur in verschiedenen Büros der Provinzialadministration und der Verwaltung seiner Legion Dienst geleistet hatte, war sogar in der Lage, sich in seiner afrikanischen Heimatstadt Madauros zum Preis von 30.000 Sesterzen ein Grabdenkmal zu errichten.548 Der gemeinsame Beruf, dessen Ausübung mit wichtigen Privilegien, aber auch mit Gefahren verbunden war, schmiedete die Soldaten als Gemeinschaft zusammen. Das Gefühl ihrer Zusammengehörigkeit machte sich sehr deutlich dadurch bemerkbar, dass sie sich, zumeist getrennt nach einzelnen Rangstufen, viel häufiger als früher in Vereinen (scholae oder collegia) zusammenschlossen.549 Dazu kamen die gemeinsamen Kulte der Soldaten und das stolze Bewusstsein der politischen Bedeutung des Heeres, die von der kaiserlichen Propaganda vor allem durch die Münzprägung – mit Parolen wie z. B. fides exercitus – ununterbrochen gerühmt wurde. Sehr wichtige Folgen hatte auch die Reformmaßnahme des Septimius Severus mit der Erteilung der Erlaubnis an die Soldaten, die früher während ihrer Dienstzeit nur im Konkubinat mit Frauen zusammenleben durften, zu heiraten und legale Familien zu gründen.550 Dadurch entfaltete sich in den Grenzprovinzen eine eigenständige Gesellschaftsschicht, die aus den Soldaten in den Festungen und aus ihren Angehörigen in deren unmittelbarer Nähe bestand. Weiter gestärkt wurde diese Schicht dadurch, dass die Soldaten auch nach ihrer Entlassung häufig in der Nähe ihres 547 Siehe hierzu G. Alföldy, in: L. Ruscu – C. Ciongradi – R. Ardevan – C. Roman – C. Ga˘zdac (Eds.), Orbis Antiquus. Studia in honorem Ioannis Pisonis (Cluj-Napoca 2004), 15 ff., bes. 20 f. 548 G. Alföldy, in: A. Mastino (Ed.), L’Africa romana. Atti del VI convegno di studio Sassari 1988, Sassari 1989, 135 ff. (vgl. ILAlg I 2203 und AE 1989, 830). 549 Siehe E. Kornemann, RE IV 1, 1900, 400. 550 Zur Heiratserlaubnis und zu den Soldatenfamilien siehe G. Alföldy, in: Kaiser, Heer und Gesellschaft (Anm. 151), 48 f. und 53 ff.; S. E. Phang, in: Ph. Freeman – J. Bennett – Z. T. Fierna – B. Hoffmann (Eds.), Limes XVIII. Proceedings of the XVIIIth International Congress of Roman Frontier Studies held in Amman, Jordan (September 2000, Oxford 2002, 873 ff.; dies., The Marriage of Roman Soldiers (13 BC – AD 235) (Leiden 2004), bes. 104 ff.; O. Stoll, Jahrb. d. Röm.-Germ Zentralmus. Mainz 53, 2006, 217 ff.
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Dienstortes blieben. Sie zählten dort zur Oberschicht in den Siedlungen neben den Hilfstruppenkastellen und in jenen Städten, die sich neben den Legionslagern schon früher herausgebildet hatten. Zumeist waren es, wie z. B. im Fall von Aquincum und Carnuntum, zwei städtische Siedlungen, nämlich die ehemaligen, von Septimius Severus mit dem Rang einer Kolonie ausgestatteten canabae legionis unmittelbar neben dem Lager und in einem Sicherheitsabstand davon die »Zivilstadt«, zuvor ein Municipium und seit Septimius Severus ebenfalls eine Kolonie. Eine weitere Rolle in der Stärkung dieser Schicht spielte die Erblichkeit des Soldatenberufes. Da der Militärdienst wichtige soziale Vorteile mit sich brachte, wählten auch viele Söhne aus Soldatenfamilien den Beruf des Vaters,551 was auch den Interessen des Staates entsprach, da die fortlaufende Ergänzung des Heeres auf diese Art und Weise am besten gesichert werden konnte. Ein sehr schönes Beispiel für die Erblichkeit der Soldatenberufes stellt ein Grabstein aus Aquincum ungefähr aus der Severerzeit dar, auf dem nicht nur ein Soldat, sondern neben ihn stehend auch sein kleiner Sohn – zwar nicht bewaffnet wie der Vater, aber wie dieser gekleidet – abgebildet ist:552 Wäre er nicht viel zu früh gestorben, wäre er wie sein Vater Soldat geworden. Die Ehefrauen der Soldaten waren übrigens nicht selten Töchter ihrer Kameraden.553 Die Ideale der so zustande gekommenen »Militärgesellschaften« in den nördlichen Grenzprovinzen lassen sich nicht nur an der starken Verbreitung des Kultes des unbesiegbaren Mithras in diesen Grenzländern erkennen.554 In den Donauprovinzen, vor allem in Pannonien fällt auch auf, wie eifrig im 3. Jahrhundert – anders als früher – die Kulte der römischen Staatsgötter gepflegt und dass dort in dieser Zeit sogar altrömische Götterkulte wieder belebt wurden, die in Italien schon längst in Vergessenheit geraten waren555 wie z. B. der Kult des Mars Gradivus, der den Soldaten in jenem Augenblick zu Hilfe kommt, in dem in der Schlacht die erste Kampflinie auf den Feind stoßt,556 oder der Kult der Göttin Salacia, der Personifikation des unruhigen Meeres und der Springkraft der Quellen.557 In Pannonien wurden im 3. Jahrhundert 551 Siehe G. Alföldy, in: Kaiser, Heer und Gesellschaft (Anm. 151), 49 mit Beispielen aus Noricum. 552 CIL III 15159 = Tituli Aquincenses 545 mit Foto. 553 Vgl. G. Alföldy, in: Kaiser, Heer und Gesellschaft (Anm. 151), 49. 554 Siehe dazu die Angaben bei M. Clauss, Cultores Mithrae (Anm. 510), bes. 77 ff. (Britannien), 102 ff. (Germania superior), 128 ff. (Noricum), 163 ff. und 177 ff. (Pannonien), 191 ff. (Dakien), 218 ff. (Moesia inferior); zu den Soldaten unter den Adepten ebd. 267 ff. 555 Zur Wiederbelebung der römischen Kulte während des 3. Jahrhunderts hauptsächlich in den Donauländern und dort insbesondere in Pannonien, wo sie – wie unter anderem de Juppiterkult – auch in dieser Epoche die weitaus am stärksten verbreiteten Kulte waren, siehe G. Alföldy, in: Religion und Gesellschaft in der römischen Kaiserzeit (Anm. 157), 53 ff. = in: ders., Die Krise des Römischen Reiches (Anm. 464), 349 ff. Siehe auch M. Schuol, in: Die Zeit der Soldatenkaiser (Anm. 399), 927 ff., die mir folgt. 556 Tituli Aquincenses 213. Zur Verbreitung dieses Kultes vor allem im 3. Jahrhundert vgl. G. Alföldy, in: Religion und Gesellschaft in der römischen Kaiserzeit (Anm. 453), 90 = in: ders., Die Krise des Römischen Reiches (Anm. 464), 378. 557 Über eine Inschrift mit Widmung an diese Göttin in Vindobona aus dem Jahre 268 demnächst G. Alföldy, Tyche, im Druck. Der Kult ist epigraphisch sonst nur in Dalmatien ungefähr in der Seve
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auch alte römische Feste eifrig gefeiert,558 was sich in anderen Teilen des Imperium in der Zeit kaum nachweisen lässt. Es ist kein Wunder, dass das Christentum in diesen Provinzen, bevor es unter Diokletian eine ersten Spuren hinterlassen hat, keinen Fuß fassen konnte. Das stolze Selbstbewusstsein, das vor allem die pannonischen Soldaten als Garanten des Fortbestandes des Imperium Romanum erfüllte, drückte der gallische Rhetor Mamertinus in einer Festrede im Jahre 291 besonders prägnant aus. Er sagte von Diokletian und seinem Mitregenten Maximianus genau das, was zweifellos viele Soldaten aus den nördlichen Grenzprovinzen gerne von sich hörten (Paneg. 3,3,9): »Ihr wurdet nicht in irgendwelchem friedlichen, von Genüssen verdorbenen Erdteil geboren und erzogen, sondern in diesen Provinzen, die durch das einem zwar geschwächten Feind entgegengesetzte, dennoch stets in Waffenbereitschaft befindliche Grenzverteidigungssystem zu unermüdlicher Alltagsarbeit und Ausdauer ausgerüstet sind, wo das ganze Leben Militärdienst ist, wo selbst die Frauen kräftiger sind als die Männer anderer Völker.« Unterschichten Vom Prozess der sozialen Umschichtung waren auch die unteren Bevölkerungsschichten erfasst.559 Die wahren Opfer der schweren Zeiten waren die arbeitenden Massen sowohl in den Städten als auch auf dem Lande. Mochte der Dekurionenstand in den Städten noch so stark belastet gewesen sein, seine Angehörigen konnten in ihren Villen noch immer häufig ein durchaus angenehmes Leben führen, und als honestiores konnten sie sich bei den Übergriffen des Militärs und der staatlichen Bürokratie auf ihre Privilegien berufen. Dagegen steigerten sich im 3. Jahrhundert sowohl die Armut als auch die Unterdrückung der niederen Bevölkerungsschichten in einem beachtlichen Ausmaß. Verhältnismäßig besser war ihre Lage trotz der häufigen Kriege höchstens in den Militärzonen, wo sie von ihren engen Beziehungen zum Heer profitierten. In Pannonien z. B. konnten sich kleine Bauern auch im 3. Jahrhundert erfolgreicher gegen die Großgrundbesitzer behaupten als etwa in Africa. Aber in den meisten Teilen des Reiches ging es den Angehörigen der Unterschichten schlecht, ohne erhebliche Unterschiede von Wohnort und Beruf, regionaler Zugehörigkeit oder Rechtsstellung. Diese Nivellierung führte dazu, dass die einzelnen Schichten der humiliores eine immer einheitlichere Gestalt annahmen.
rerzeit und in Dakien in den Jahren 235–238 bezeugt: AE 2007, 1102 (Tragurium) und AE 1998, 1101 (Sarmizegetusa), siehe G. Alföldy, in: Miscellania Emilio Marin, Split 2011, im Druck. 558 G. Alföldy, in: Religion und Gesellschaft in der römischen Kaiserzeit (Anm. 457), 91 f. = in: ders., Die Krise des Römischen Reiches (Anm. 464), 378 f. Zu den dort genannten Angaben sind noch zahlreiche weitere Angaben hinzuzfügen, siehe demnächst G. Alföldy, in: Miscellania Emilio Marin (Anm. 557), wo die Wiederbelebung alter Kulte und alter Götterfeste in Illyricum während des 3. Jahrhunderts ausführlich behandelt werden. 559 Zur niederen Bevölkerung im 3. Jahrhundert siehe Th. Gerhardt, in: Die Zeit der Soldatenkaiser (Anm. 403), 763 ff.
unterschichten
Wie arm die Massen waren, geht aus vielen Quellen hervor. Die Feststellung in einem Prozess vor dem Präfekten von Ägypten unter Decius, wonach die Städte und die Länder nach Septimius Severus überall arm geworden sind, wurde bereits erwähnt (S. 224). Aber das Elend traf schon unter Septimius Severus gleichermaßen verschiedene Bevölkerungsgruppen, z. B. Sklaven und nominell freie Bauern. Bulla, ein Bandenführer in Italien, sagte damals bei einer Vernehmung offen, dass die Sklaven von ihren Herren deshalb flohen und sich in Räuberbanden zusammenrotten, weil sie von ihren Herren nicht ernährt würden; selbst schlecht bezahlte kaiserliche Freigelassene schlossen sich diesem Banditen an (Dio 76,10,5). Zu gleicher Zeit schrieben Gutsbesitzer aus Ägypten dem Kaiser, dass im Bezirk von Oxyrhynchos ganze Dörfer zu veröden drohten, da die Steuerlast die Einwohner zugrunde richte (Pap. Oxy. 705). Nach den Severern verschlimmerte sich die Situation noch weiter. Wie die ärmeren Bevölkerungsschichten selbst nach den energischen Stabilisierungsmaßnahmen Diokletians lebten, geht aus den Preis- und Lohnangaben im Maximaltarif aus dem Jahre 301 hervor.560 Damals kostete z. B. ein Pfund Fleisch je nach Qualität 6 bis 20 Denare, ein Sextarius (0,547 Liter) Wein 8 bis 30 Denare, ein Sextarius Öl 8 bis 40 Denare, ein Paar Schuhe 50 bis 120 Denare; zugleich erhielt z. B. ein einfacher Landarbeiter täglich 25 Denare und für sich selbst Verpflegung, ein Tischler 50 Denare. Eine Familie mit Kindern, die von einem derartigen Gehalt Miete, Kleidung und Nahrung finanzieren und außerdem noch hohe Steuern zahlen musste, verfügte über nicht viel mehr als über das Existenzminimum. Ebenso schlimm war die offene, oft brutale Unterdrückung, die für die Sicherung der erforderlichen Arbeits- und Abgabenleistungen notwendig war und ebenfalls wahllos die meisten sozialen Gruppen der niederen Bevölkerung betraf. Für diesen Zweck bot der Staat einen Apparat von Sicherheitskräften und Beamten auf. Einwohner von Städten und Dörfern beschwerten sich immer wieder gegen die Übergriffe dieses Apparates. So haben schon unter Commodus die Kolonen des Saltus Burunitanus in Africa den Kaiser darum gebeten, ihre vom Großpächter dieser kaiserlichen Domänen eigenwillig erhöhte Arbeitspflicht wieder in Einklang mit einem früheren kaiserlichen Gesetz zu regeln. Es ist bezeichnend, dass der Pächter den Kolonen sogar Soldaten auf den Hals schickte, die Verhaftungen vornahmen und zahlreiche Kolonen zusammenschlugen.561 Im 3. Jahrhundert waren ähnliche Vorgänge auf der Tagesordnung, unter anderem in Kleinasien und in Thrakien, wo mehrere Bitt- und Klageschriften gegen gewalttätige Beamte, Polizeikräfte und Soldaten erhalten geblieben sind. In diesen Urkunden werden nicht nur Steuerdruck, Ausbeutung, Willkür, Erpressung und Gewalt beklagt, sondern einmal auch, dass die Vertreter der Staatsgewalt die Bevölkerung einer Ortschaft sogar ihrer allernotwendigsten Mittel beraubt haben.562 Hart genug waren freilich auch die Maß560 Siehe Anm. 504. 561 CIL VIII 10570 = ILS 6870, siehe dazu D. Flach, Chiron 8, 1978, 441 ff. 562 Die Inschrift bei J. Keil – A. v. Premerstein, Bericht über eine 3. Reise in Lydien und den an-
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nahmen, die mit den Gesetzen und kaiserlichen Verordnungen völlig im Einklang standen. Die Staatsmacht war überall gegenwärtig. Auch die städtischen Bevölkerungsmassen, vor allem die Handwerker und Händler, waren davon betroffen: Sie wurden – ähnlich wie die Angehörigen der städtischen Oberschicht im Dekurionenstand – in gut kontrollierbaren Personenverbänden, nämlich in Kollegien vereint. Solche Assoziationen hatte es freilich auch schon früher gegeben, aber ihr Ziel lag nun nicht mehr so sehr wie zuvor darin, dass die Mitglieder einen Verein bilden, der gemeinsame Mahlzeiten und Feste feiert, seinen Mitgliedern in der Organisation des Vereinslebens Posten bietet und für ihre ordentliche Bestattung sorgt, sondern dafür, dass ihre Tätigkeit kontrolliert und den Interessen des Staates entsprechend gelenkt wird. Schon ein Reskript des Septimius Severus über einen Handwerkerverein in der norischen Stadt Solva zeigt deutlich, worauf es dem Staat ankam: Die Armen sollten eine gemeinnützige Tätigkeit ausüben, wofür sie von der Übernahme der Gemeindelasten befreit wurden; wer jedoch unter den Kollegiumsmitgliedern finanziell besser gestellt war oder sich einer handwerklichen Tätigkeit entzog, sollte ähnlich wie die Dekurionen mit den öffentlichen munera belastet werden.563 Diese Nivellierung der sozialen Positionen innerhalb der Unterschichten brachte wichtige Konsequenzen mit sich. Ob jemand nach den alten Regeln persönlich frei oder unfrei war, galt nicht mehr als entscheidender Faktor der sozialen Abhängigkeit. Beschleunigt wurde diese Entwicklung noch dadurch, dass die Zahl der Sklaven und dementsprechend auch diejenige der Freigelassenen im 3. Jahrhundert erheblich zurückging. Die Gründe lagen einerseits in den großen Schwierigkeiten für den Nachschub des Sklavenbestandes. Andererseits erwies sich die früher stets Profit bringende Ausbeutung von Sklaven und Freigelassenen unter den neuen wirtschaftlichen Voraussetzungen als unrentabel: Es waren immer kleinere Kreise, die es sich leisten konnten, für die Sklaven einen Kaufpreis zu zahlen, die vernae oder die als ausgesetztes Kind gekauften Sklaven zunächst lange ohne Gegenleistung zu ernähren und auszubilden, während sich die Investition erst viel später rentieren sollte. Die Sklaverei verschwand zwar keineswegs; die traditionellen juristischen Unterschiede zwischen Sklaven, Freigelassenen und Freien wurden weiterhin aufgrenzenden Gebieten Ioniens (Denkschriften d. Akad. Wien 1914), 11 Nr. 9 = Tituli Asiae Minoris V 1, 611. Zu diesen Bittschriften siehe die treffliche Analyse von P. Herrmann, Hilferufe aus römischen Provinzen (Anm. 489), dessen gut fundierte Ergebnisse Ch. Witschel, Krise – Rezession – Stagnation? (Anm. 481), 60 ff. m. E. überhaupt nicht überzeugend damit wegdiskutieren will, dass solche Inschriften nur »als Zeichen wachsenden politischen oder kulturellen Selbstbewusstseins im Zusammenhang mit der Romanisierung oder der Erhöhung des persönlichen bzw. des Gemeinde-Status« zu betrachten seien. Siehe dagegen auch M. A. Speidel, Heer und Herrschaft (Anm. 240), 487 ff. 563 G. Alföldy, Historia 15, 1966, 433 ff. (AE 1966, 277, vgl. AE 1983, 731); siehe auch dens., Noricum (Anm. 185), 269. Vgl. hierzu auch Dig. 50.6.6 (59), 12 über die Verleihung der immunitas unter den Kollegiumsmitgliedern nur für die teniores. Zu den Kollegien im Allgemeinen siehe die Literatur in Anm. 376; zu ihrer Lage im 3. Jahrhundert vgl. E. Groag, Vierteljahresschr. f. Sozial- u. Wirtschaftsgesch. 2, 1904, 481 ff.; V. Weber, in: Gesellschaft und Wirtschaft des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert (Anm. 376), 113 ff.
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rechterhalten und im römischen Recht genau registriert. Aber zugleich folgte die Rechtsentwicklung dem sozialen Wandel und festigte immer mehr die neuen Abhängigkeitsformen. Die einheitlichen Regeln für die Erfassung der städtischen humiliores in den Kollegien deuten diesen Wandel an. In voller Klarheit lässt sich dieser Wandel in den Gesetzen und Verordnungen verfolgen, die die Lage der Kolonen regelten. Der Niedergang vieler kleiner und mittelgroßer Güter führte notwendigerweise zur Konzentration des Grundbesitzes in wenigen Händen, und die Verbreitung der Latifundienwirtschaft in den meisten Reichsteilen bewirkte die Ausbreitung des Kolonatsystems: Die Großgrundbesitzer waren auf die Massen abhängiger Arbeitskräfte angewiesen, und da es keine Sklavenmassen mehr gab, erschien die Institution des Kolonats als die am ehesten geeignete Bewirtschaftungs- und Ausbeutungsform. Ein großer Teil der Bestimmungen im römischen Recht, der sich auf die Kolonen bezieht, stammt bezeichnenderweise aus dem 3. Jahrhundert. So wurde die Form festgelegt, nach der ein Grundbesitzer und ein colonus einen Vertrag (locatio, conductio) abzuschließen hatten. Demnach verpachtete der Besitzer das entsprechende Landstück für fünf Jahre, während der Kolone sich zur jährlichen Zahlung einer Geldsumme verpflichtete. Dennoch kam die perpetua conductio, d. h. die Bindung des Pächters an das gepachtete Grundstück auf Lebenszeit, schon im 3. Jahrhundert häufig vor. Viele Kolonen waren angesichts des Steuerdruckes und der Verwüstungen überhaupt nicht in der Lage, ihre finanziellen Verpflichtungen jährlich zu erfüllen; diese verschuldeten Pächter wurden dann von den Besitzern als billige Arbeitskräfte – oft mit Gewalt – auf dem Gut zurückgehalten.564 So entstand auf dem Lande eine breite, im Allgemeinen sehr arme und häufig brutal unterdrückte Bevölkerungsschicht, die nach einheitlichen Regeln an die Oberschichten gebunden und somit ziemlich homogen war. Der Wandel in der Sozialstruktur Die Veränderungen in der Zusammensetzung und in der Lage sowohl der höheren als auch der niederen Bevölkerungsschichten hatten für die Gesamtstruktur der römischen Gesellschaft sehr bedeutsame Folgen. Da die Erschütterungen im politischen Leben in Verbindung mit der ständigen Gefährdung des Reiches durch äußere Feinde, die Veränderungen in den Machtstrukturen innerhalb der Gesellschaft durch den Machtzuwachs des Heeres, die wirtschaftlichen Probleme der Zeit und der Wandel in der geistigen Orientierung breiter Bevölkerungsgruppen viel tiefer in das Leben der Gesellschaft griffen als seinerzeit die vornehmlich innenpolitische 564 Zum Kolonat in der früheren Kaiserzeit und auch im 3. Jahrhundert siehe die Literatur in Anm. 415 und 416; für das 3. Jahrhundert dazu noch bes. N. Brockmeyer, Arbeitsorganisation und ökonomisches Denken (Anm. 94), 254 ff.; vgl. noch W. Held, Klio 53, 1971, 239 ff.; neuerdings J.-M. Carrié – A. Rousselle, L’Empire romain en mutation (Anm. 481), 679 ff.; K-P. Johne, in: ders. (Hrsg.), Gesellschaft und Wirtschaft Gesellschaft und Wirtschaft des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert (Anm. 376), 64 ff. Siehe auch die Literatur über den Kolonat der Spätantike die Literatur in Anm. 737.
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Krise der Römischen Republik, war auch die Entwicklung der sozialen Strukturen einem stärkeren Wandel unterworfen als drei Jahrhunderte zuvor. Die traditionelle Gesellschaftsordnung war mit teilweise völlig neuen Entwicklungen konfrontiert, und allmählich nahmen neue Ordnungselemente Gestalt an, in denen Vorzeichen und Vorstufen der seit Diokletian und Konstantin entstandenen vielfach neuen Sozialordnung zu erkennen sind. Bemerkenswert ist zunächst, wie sich die Grundlagen für die soziale Schichtung änderten. Macht, Reichtum, Ansehen und Zugehörigkeit zu einem führenden Ordo hingen nicht mehr so eng miteinander zusammen wie in den beiden ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit. In der ganzen früheren Geschichte Roms wäre es unvorstellbar gewesen, dass ein durch Ansehen und Reichtum privilegierter Adel nicht zugleich die politisch mächtigste Oberschicht mit den wichtigsten Staatsfunktionen gewesen wäre; im 3. Jahrhundert demonstrierte die Geschichte des Senatorenstandes das Gegenteil. Ebenso merkwürdig erscheint der Wandel von traditionellen Privilegien zu sozialen Nachteilen. Die Tatsache, dass die früher attraktiven städtischen honores für viele zu einer Last geworden sind, widersprach der früheren Sozialordnung ebenso wie die Tendenz, dass die Dekurionenstände nicht mehr durch die Zuwahl von Aufsteigern aus anderen sozialen Schichten fortlaufend regeneriert wurden, sondern dass ihr Fortbestand eher durch die Erblichkeit des Dekurionenranges gewährleistet wurde. Zugleich verschob sich das Verhältnis zwischen Herkunft und persönlicher Leistung in ihrer Bedeutung für die Bestimmung der sozialen Position. Die adlige Geburt wurde zwar nach wie vor von Vielen besonders geachtet, aber politische Loyalität, juristische Bildung und insbesondere militärische Verdienste waren von noch höherem Stellenwert als früher. Auch war der »Parvenu« nicht mehr wie zuvor mit allen Mitteln bestrebt, sich in der Geburtsaristokratie zu assimilieren. Herkömmliche rechtliche Kriterien wie freie Geburt und Besitz des Bürgerrechtes verloren ihre früher ausschlaggebende Bedeutung. Auch der persönlich »Freie« wurde vom Staat und von den Mächtigen zunehmend wie ein Unfreier behandelt, und seit Caracalla, der im Jahre 212 allen freien Einwohnern des Reiches das römische Bürgerrecht gewährt hatte, war die trennende Funktion eines anderen früher sehr wichtigen persönlichen Privilegs nicht mehr vorhanden. Verloren ging ebenso der Vorteil, der sich früher daraus ergab, dass jemand aus Italien oder aus einer stark romanisierten Provinz stammte. Bezeichnenderweise stammen die meisten Kaiser von der Peripherie des Reiches. Macrinus kam aus Mauretanien, Elagabal und Severus Alexander stammten aus Syrien, die Gordiane aus Cappadocia, Philippus aus Arabia. Die meisten Soldatenkaiser kamen jedoch, wie schon erwähnt (S. 224), aus den Donauländern, deren Armeen die mächtigsten und angesehensten Heeresgruppen bildeten. Zu Recht bemerkte Aurelius Victor zu Diokletian und seinen Mitregenten (Caes. 39,26): »Sie hatten alle in Illyricum ihre Heimat; obwohl sie nur über wenig Bildung verfügten, waren sie in das Elend des Landes und des Militärdienstes zur Genüge eingeweiht und bewährten sich hinlänglich für den Staat.«
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In der Struktur der Gesellschaft vollzogen sich große Veränderungen. Die Machtstellung und die wirtschaftliche Lage einzelner privilegierter sozialer Schichten wurden erschüttert; das frühe klare hierarchische System der Stände der honestiores geriet ins Wanken. Die niederen Bevölkerungsschichten, die die meisten Lasten der schwierigen Zeiten zu tragen hatten, litten unter steigender Unterdrückung und befanden sich oft in einer verzweifelten Situation. Durch diese Entwicklung und die rechtliche Nivellierung waren die Weichen für die Herausbildung einer neuartigen Schicht der humiliores gestellt, die, im Vergleich mit den untereinander stark differenzierten Unterschichten der Späten Republik und der Frühen Kaiserzeit, verhältnismäßig homogen war. Aus allen diesen Veränderungen in der Wirtschaft und in der Gesellschaft erwuchsen neue soziale Spannungen und Konflikte, die nicht selten zum offenen Ausbruch kamen und die alte Ordnung noch weiter untergruben. Alle diese Änderungen führten zur Auflockerung der früheren sozialen Hierarchie. Von der Tragweite der Veränderungen im sozialen Gefüge Roms erahnten schon die Zeitgenossen der severischen Kaiser einiges. Tertullian sah sich zu der Bemerkung veranlasst, dass zu seiner Zeit humiles sublimitate, sublimes humilitate mutantur (Apol. 20,2). Auch Cassius Dio war der Ansicht, dass zu seiner Zeit in der sozialen Hierarchie Roms alles auf den Kopf gestellt wurde (80,7,2): Er erregte sich darüber, dass auch ehemalige Tänzer hohe Kommandos erhielten (77,21,2), dass Centurionen und Söhne von Ärzten zum Legionskommandeur aufsteigen konnten (80,7,1). Wohl nichts zeigt die Ungültigkeit der früher als selbstverständlich geltenden hierarchischen Regeln so prägnant wie die von Cassius Dio (76,10,7) überlieferte Antwort des Räuberführers Bulla auf die Frage des Prätorianerpräfekten Papinianus, warum er Bandit geworden sei: »Und warum bist du Präfekt?« Die soziale Pyramide gliederte sich z. T. anders als früher. In der Prinzipatszeit bestanden die Oberschichten, abgesehen vom Hofpersonal, aus den Ständen der Senatoren und Ritter sowie der städtischen Dekurionen und aus den Augustalenkörperschaften mit mehr oder weniger graduellen Unterschieden in Funktion, Vermögen und Ansehen. Die Gliederung der Oberschichten innerhalb der Sozialordnung des 3. Jahrhunderts war uneinheitlich und widersprüchlich. Es gab einen sehr vermögenden und hoch angesehenen, doch politisch weitgehend entmachteten Senatorenstand; es gab einen Ritterstand, dessen führende Schicht vor allem durch enorme Macht gekennzeichnet war, dessen gewöhnliche Mitglieder aber, deren Aktivitäten sich auf den Bereich des kommunalen Lebens beschränkten, sich nur noch wenig von den gewöhnlichen Dekurionen der Stadtgemeinden unterschieden. Diese Letzteren gehörten angesichts ihres Besitzes und ihres Sozialprestiges nach wie vor zu den Oberschichten, aber ihr früherer Glanz mit großen freiwilligen Aufwendungen zugunsten ihrer Heimatgemeinde und mit der früher als sehr wichtig empfundenen stolzen Selbstdarstellung durch prächtige Monumente war vorbei, und nicht wenige von ihnen dürften die von den Vorfahren geerbten Aufgaben im kommunalen Leben nicht mehr so sehr als eine Auszeichnung, sondern eher als eine Last betrachtet haben. Zu all dem kam, dass die Soldaten dank der Machtposition des Heeres, aber
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auch angesichts ihrer verhältnismäßig günstigen Wirtschaftslage und ihrer rechtlichen Privilegien, zusammen nicht nur mit den Veteranen, sondern auch mit ihren Frauen und Kindern, faktisch ebenfalls zu den gehobeneren Bevölkerungsschichten zu zählen waren. Somit war die innere Differenzierung jener sozialen Gruppen, die als honestiores galten, im 3. Jahrhundert, trotz mancher gemeinsamer Privilegien, eine andere und erheblich stärker als in der früheren Kaiserzeit. Die Unterschiede in der Stellung einzelner Gruppen der humiliores haben sich, im Gegensatz zu den Oberschichten, verringert. Infolge der wachsenden finanziellen Belastung und der gleichzeitig gesteigerten politischen Benachteiligung aller niederen Bevölkerungsgruppen war diese Entwicklung nicht aufzuhalten. Daran änderten auch die nach wie vor bestehenden Unterschiede in der Geschichte einzelner Reichsteile sowie zwischen einzelnen Berufsgruppen nur wenig. Jene sozialen Vorteile z. B., die die niederen Volksmassen in den Städten in der früheren Kaiserzeit besaßen, schwanden weitgehend. Die ziemlich verschiedenartig strukturierten Oberschichten entwickelten sich auch während des 3. Jahrhunderts zu keiner »Klasse«. Ihr einzig wirklich gemeinsames Merkmal war, dass sie über Grundbesitz verfügten, während sie durch andere Merkmale voneinander getrennt waren – auch durch ihr Verhältnis zur Produktionsarbeit, da die Soldatenfamilien in der Regel und die Dekurionenfamilien zumindest der kleineren Agrarstädte ihr Land wohl häufig selbst (eventuell zusammen mit einigen abhängigen Landarbeitern) bebauten, während die reichen Großgrundbesitzer aus dem Senatorenstand und aus den Spitzengruppen des Ritterstandes auf ihren Gütern Massen von Kolonen und anderen abhängigen Landarbeitern Produktionsarbeit leisten ließen. Die humiliores wiesen dagegen durch die Angleichung der juristischen und sozialen Positionen unzweifelhaft mehr Kriterien als in der früheren Kaiserzeit auf, die Anlass geben könnten, von einer »Klasse« – oder von je einer Klasse in den Städten und auf dem Land – zu sprechen. Dennoch waren sie trotz gemeinsamer Produktionsarbeit und Abhängigkeit in einer entscheidenden Hinsicht noch immer sehr gemischt: Ein Teil von ihnen, wie vor allem die Kolonen als Pächter und die Handwerker, verfügte noch immer über Produktionsmittel, andere dagegen besaßen diese nicht wie z. B. die ganz armen Bauern, die als Lohn- und Saisonarbeiter ihren Lebensunterhalt verdienen mussten. Die widersprüchlichen Entwicklungen der römischen Gesellschaft während des 3. Jahrhunderts blieben nicht ohne Folgen. Die sozialen Spannungen verschärften sich, neue Konflikte entstanden, und es kam mehrfach zum Ausbruch offener sozialer Konflikte, die nicht mehr mit friedlichen Mitteln, sondern mit brutaler Gewalt ausgetragen wurden.565 Die Konflikte spielten sich einerseits innerhalb der Ober565 Zur Einschätzung der sozialen Konflikte des 3. Jahrhunderts siehe F. Kolb, in: Bonner Festgabe Johannes Straub (Bonn 1977), 277 ff.; im Wesentlichen ähnlich G. Alföldy, Heidelberger Jahrb. 20, 1976, 111 ff. = in: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit (Anm. 397), 372 ff. = in: ders., Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 82 ff. J.-U. Krause, Klassen (Anm. 124), 1194 f. meint, dass sich diese Konflikte im 3. Jahrhundert im Vergleich mit den beiden vorausgehenden Jahrhunder-
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schichten, andererseits zwischen einzelnen Gruppen der Unterschichten und den Herrschenden ab. So waren der Senatorenstand und die Dekurionenstände in zahlreichen Städten von den Konflikten ähnlich betroffen wie die unterdrückten Massen in den Städten und auf dem Lande. Ein gemeinsames Merkmal verband diese Konflikte miteinander: Der Hauptgegner waren für alle unzufriedenen Gruppen die neuen politisch herrschenden Schichten, zu denen die mächtigen ritterlichen Offiziere und Verwaltungsbeamten sowie das Militär gehörten und vor allem durch die autoritär regierenden Kaiser repräsentiert wurden, die zumeist aus diesen Schichten aufgestiegen waren und ihnen die Macht verdankten. Wie verhasst manch ein Soldatenkaiser mit seinem Unterdrückungsapparat im 3. Jahrhunderts bei verschiedenen Gruppen der Bevölkerung, von den Senatoren bis zur Plebs der Städte und bis zu den einfachen Bauern, sein konnte, geht am ehesten aus Herodians Bericht über die Gewaltherrschaft des Maximinus Thrax hervor (7,3,1 ff.): Er unterdrückte die Senatoren und die Reichen, aber auch die Bürger der Städte und die Bevölkerung in den Provinzen; der Hass griff auf das ganze Reich über, jeder rief die rächenden Götter, bis endlich aus einem unscheinbaren Anlass die offene Revolte ausbrach. Der Senatorenstand fand such mit der Einschränkung seiner Machtposition in den ersten Jahrzehnten nach Mark Aurel keineswegs ab, zu einer offenen Revolte war er jedoch unfähig. Sein Widerstand gegen das Kaisertum, das die Senatoren nicht mehr wie unter den »guten Kaisern« der antoninischen Dynastie hofierte, beschränkte sich vor allem auf Verschwörungen mit dem Ziel, einen Herrscher auf den Thron zu bringen, von dem die Rückkehr zum früheren Herrschaftsstil zu erwarten war. Unter Commodus kam es wiederholt zu Versuchen, ihn zu stürzen,566 bis in der Person des Pertinax endlich ein den Senatoren genehmer Kaiser den Thron bestiegen hat. Es ist jedoch bezeichnend, dass dieser bei der Zivilbevölkerung und auch bei den Provinzarmeen recht populäre Herrscher schon nach drei Monaten von der Prätorianergarde gestürzt wurde. Ebenso wenig nützte es dem Senatorenstand, dass seine konservativen Kreise bei innenpolitischen Wirren zumeist den schwächeren Herrscher oder Thronprätendenten unterstützten, so den Clodius Albinus gegen Septimius Severus, den Geta gegen seinen Bruder Caracalla. Die Rache der Sieger hat die Machtposition des Senats immer weiter untergraben, denn Severus ließ nach dem Sieg über Albinus 29 oppositionelle Senatoren hinrichten,567 und Caracalla rechnete mit seinen Gegnern ebenfalls brutal ab. Nur im Jahr 238 waren der Aufstand und die Kriegführung des Senats gegen Maximinus Thrax erfolgreich, aber nur deshalb, weil in Rom das Volk gegen die Herrschaft des Militärs die Partei des
ten nicht verschärften. Ich bin entgegensetzter Meinung: G. Alföldy, Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 87 ff. Vgl. noch M. Mazza, Lotte sociale e restaurazione autoritaria nell III secolo d. C. (Catania 1973), der die Transformationen während des 3. Jahrhunderts in erster Linie durch soziale Konflikte erklären wollte. 566 Vgl. dazu die Literatur in Anm. 520. 567 Siehe dazu die Literatur in Anm. 521.
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Senats ergriff,568 weil der Widerstand gegen den Kaiser auch bei der Bevölkerung der Provinzen und Italiens aufflammte und weil Maximinus schließlich auch die Unterstützung seiner eigenen Soldaten verlor.569 Groß muss die Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen auch bei vielen Dekurionen gewesen sein, die im Gegensatz zum Senatorenstand auch zu lästigen finanziellen Leistungen gezwungen wurden. Die Dekurionen einer Stadt konnten freilich im Normalfall gegen den Militär- und Beamtenapparat des Staates nichts ausrichten. Umso bezeichnender ist es, dass im Jahre 238 Angehörige städtischer Eliten trotzdem den verzweifelten Weg des Aufstandes wählten. Der offene Widerstand gegen Maximinus Thrax brach zunächst im afrikanischen Thysdrus aus, wo die städtischen Grundbesitzer aus der Umgebung Karthagos mit ihren bäuerlichen Anhängern einen Prokurator des Kaisers umbrachten und den Prokonsul von Africa, Gordianus, zum Kaiser proklamierten (Herod. 7,4,1 ff.). Der Bewegung schloss sich auch die niedere Bevölkerung der Städte und des Landes in der Provinz Africa an, doch wurde sie von der Legion der Nachbarprovinz Numidien brutal unterdrückt, und die Repression, der vor allem die führenden Bürger der Städte zum Opfer fielen, machte auch vor den städtischen und ländlichen Unterschichten nicht halt (Herod. 7,9,1 ff.). Schon das afrikanische Bündnis von Dekurionen und städtischen sowie ländlichen Volksmassen gegen Maximinus zeigt, wie unzufrieden breite Gruppen der Unterschichten mit dem Herrschaftssystem gewesen sein müssen. Die Plebs der Städte, im Rahmen der Kollegien zu unfreiwilligen Arbeitsleistungen und bei geringer Vermögensbildung zu Abgaben gezwungen, außerdem wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht selten schlecht versorgt, revoltierte seit dem Ende des 2. Jahrhunderts mehr als einmal.570 Unter Commodus führte die Getreideknappheit in Rom zu einem regelrechten Bürgerkrieg zwischen dem Volk und der Garnison,571 und heftige politische Demonstrationen gegen das bestehende Regime, wie etwa im Jahre 193 gegen Didius Iulianus, wiederholten sich auch später. Im Jahre 238 kam es in Rom zu einem Volksaufstand gegen die Prätorianergarde; unter Aurelian brachen bei den Arbeitern der kaiserlichen Münzstätte Unruhen aus, an denen nach Aurelius 568 Herod. 7,7,1 ff. und 7,11,1 ff. 569 Zum folgenden vgl. M. Rostovtzeff, Gesellschaft und Wirtschaft (Anm. 182), II 163 ff.; zu den Ereignissen im Jahre 238 bes. T. Kotula, Eos 51, 1959/60, 197 ff.; X. Loriot, ANRW II 2 (Berlin – New York 1975), 688 ff.; K. Hagemans, Imperial Authority and Dissent (Anm. 486). Für die Beurteilung der Vorgänge in Africa grundlegend F. Kolb, Historia 24, 1977, 440 ff. Zu Maximinus Thrax und dem Senat siehe K. Dietz, Senatus contra principem. Untersuchungen zur senatorischen Opposition gegen Kaiser Maximinus Thrax (München 1980), dazu G. Alföldy, Gnomon 54, 1982, 478 ff. 570 Siehe I. Hahn, in: V. Beševliev – W. Seyfarth (Hrsg.), Die Rolle der Plebs im spätrömischen Reich (Berlin 1969), 39 ff. 571 Dazu C. R. Whittaker, Historia 13, 1964, 348 ff.; siehe ferner G. Alföldy, in: Die Krise des Römischen Reiches (Anm. 464), 81 ff. (mit ausführlicher Analyse der Erzähltechnik Herodians über diese Revolte im Zusammenhang mit dem Sturz des Prätorianerpräfekten Cleander); O. Hekster, Commodus (Anm. 464), 72 ff.
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Victor (Caes. 35,6) 7.000 Aufständische beteiligt waren. Ähnlich waren die Gefühle gegen einzelne Herrscher und ihren Machtapparat nicht selten auch bei der einfachen Bevölkerung von Städten, zumal sie unter der Brutalität der Militärherrschaft in den Provinzen oft mehr zu leiden hatte als in Rom. Das Gemetzel in Alexandria z. B., das Caracalla veranstaltete,572 oder der Ruf des Maximinus, vor dessen Heer die Bevölkerung von Emona bis zum letzten Mann entfloh (Herod. 8,1,4), steigerten die Hassgefühle. Auch die Feindseligkeit des Heeres gegen die Plebs war offensichtlich. Herodian brachte sie deutlich zum Ausdruck, als er Maximinus Thrax sagen ließ, dass das Volk in Rom nur zum Geschrei fähig sei und beim Anblick von zwei oder drei Bewaffneten in Panik ausbreche (7,8,6). Häufig noch schlimmer war die Lage der niederen Bevölkerung auf dem Lande, da sie vor Unterdrückung und Gewalt am wenigsten Schutz fand. Als im Jahre 238 Maximinus Thrax aus Pannonien gegen Italien zog, flüchtete bezeichnenderweise nach Aquileia, dem wichtigsten Stützpunkt der Aufständischen, die gesamte Bevölkerung des Umlandes, da sie von den Soldaten nichts Gutes zu erwarten hatte (Herod. 8,2,4). Verschuldete Kolonen, aber auch Sklaven ergriffen häufig die Flucht. Das römische Recht musste sich mit diesem Problem seit der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts ständig befassen. Diese fugitivi,573 aber auch aus den Städten entflohene Menschen und manchmal sogar Fahnenflüchtige aus dem Heer vereinigten sich häufig in Räuberbanden. Diese latrones gefährdeten die öffentliche Sicherheit seit dem Ende des 2. Jahrhunderts so stark, dass gegen sie, wie Tertullian sagte (Apol. 2,8), in allen Provinzen Sicherheitskräfte aufgeboten werden mussten. In manchen Fällen erwuchsen aus derartigen Bewegungen regelrechte Aufstände. Schon unter Mark Aurel kam es in Ägypten zu einer Revolte der Hirten (boukoloi);574 unter Commodus musste Rom in Obergermanien gegen die Massen fahnenflüchtiger Soldaten und revoltierender Bauern ernsthaft Krieg führen.575 In der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts wurden die gallischen Provinzen von der Bewegung der Bagaudae (»die Kämpfer«) beunruhigt, an der sich breite Massen unabhängiger Bauern, flüchtiger Kolonen und Räuber beteiligten. Obwohl Kaiser Maximianus sie in einem Feldzug besiegte, kam es in Gallien und auch in Hispanien später noch wiederholt zu Revolten der Bagauden.576 572 Dio 77,22,3 f.; Herod. 4,9,6 ff. 573 H. Bellen, Studie zur Sklavenflucht (Anm. 468), 118 ff. Zum Bandenwesen siehe die Literatur in Anm. 463. 574 Dio 71,4,1 f.; dazu J. Schwartz, Ancient Society 4, 1973, 193 ff., A. Baldini, Latomus 37, 1978, 634 ff.; M. Clauss, Alexandria (Anm. 258), 186 ff. 575 Zum bellum desertorum siehe Anm. 464. 576 Über die Bagauden siehe zusammenfassend E. A. Thompson, Past and Present 2, 1952, 11 ff. und in: M. I. Finley (Ed.), Studies in Ancient Society (London 1974), 304 f., deutsch in: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit (Anm. 397), 29 ff.; B. Cüth, Die Quellen der Geschichte der Bagauden. Acta Univ. A. József, Acta Antiqua et Archaeologica 9 (Szeged 1965); W. Kuhoff, Diokletian (Anm. 504), 36 ff. mit zusätzlicher Literatur in Anm. 70; weitere Literatur in Ph. Badot – D. De Decker, Klio 74, 1992, 324 ff. (über die Anfänge der Bagaudenbewegung); für die Spätantike siehe
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Insbesondere die Ereignisse des Jahres 238 machten deutlich, dass das kaiserliche Herrschaftssystem des 3. Jahrhunderts, zumindest wenn es sich in einer so extremen Form gebärdete wie unter Maximinus Thrax, beim Senatorenstand, bei Dekurionen, bei den städtischen und bei den ländlichen Volksmassen gleichermaßen Ablehnung und Widerstand hervorrief. Aber gerade die Zusammensetzung dieser »Koalition« musste es verhindern, dass eine einheitliche revolutionäre Bewegung der Unterdrückten zustande kam. Solange es darum ging, sich gegen die Gewaltherrschaft des Militärs und der kaiserlichen Bürokratie zu wehren, waren die Ziele aller betroffenen Gruppen die gleichen. Aber sonst waren die Interessen naturgemäß sehr verschieden. Das zeigte sich auch im Jahre 238 in voller Klarheit. Das stadtrömische Volk erhob sich gemeinsam mit den Senatoren gegen Maximinus, lehnte jedoch die vom Senat eingesetzten Kaiser Pupienus und Balbinus zunächst heftig ab und setzte die Proklamation eines dritten Herrschers durch, der als Enkel Gordians Popularität genoss (Herod. 7,10,5 ff.); als später Pupienus und Balbinus von der revoltierenden Prätorianergarde ermordet wurden, blieb das Volk ruhig. Schon angesichts dieser Interessenunterschiede konnten die sozialen Bewegungen nichts gegen das Herrschaftssystem ausrichten. Abgesehen davon war auch fast jeder Widerstand zwecklos, da das Militär der entscheidende Machtfaktor war. Die blutige Unterdrückung der afrikanischen Revolte gegen Maximinus durch eine einzige Legion demonstrierte die Stärke des Heeres deutlich. Dass Maximinus während der Belagerung Aquileias doch gestürzt wurde, ergab sich nicht durch die Stärke seiner Gegner, sonder dadurch, dass ihn seine eigenen unzufriedenen Soldaten umbrachten. Das Herrschaftssystem blieb aber dadurch unverändert, ebenso wie auch bei allen anderen Revolten des Heeres, bei denen stets nur die Person des Kaisers ausgetauscht, aber nicht die Grundlagen des kaiserlichen Regimes verändert wurden. Allerdings muss betont werden, dass der hohe Grad der Unzufriedenheit mit dem Regime des MaximinusThrax eher eine Ausnahme als den Regelfall darstellte. Die meisten anderen Herrscher, obwohl sie mit harter Hand regierten, provozierten die Reichsbevölkerung bei weitem nicht in dem Maße wie der thrakische Soldatenkaiser. Insgesamt gesehen lässt sich sagen, dass das Kaisertum zwar stark genug war, um soziale Bewegungen und Revolten mit seinem Machtapparat zu unterdrücken, aber nicht, um – ähnlich dem Prinzipat der früheren Kaiserzeit – einen konsolidierten politischen Rahmen zu bieten, in dem breite soziale Gruppen für die uneingeschränkte Unterstützung der bestehenden Ordnung zu gewinnen waren. Die sozialen Probleme, die das 3. Jahrhundert überschatteten, wurden durch die mit offener Gewalt ausgetragenen Konflikte nicht gelöst. Auch die Durchlässigkeit des sich verändernden Gesellschaftssystems konnte die Spannungen nicht entschär-
noch Anm. 765. Zu Aufständen der niederen Landbevölkerung in der Kaiserzeit im Allgemeinen siehe Ch. Hall, Aufstände der plebs rustica in der römischen Kaiserzeit. Studien zur antiken Sozialgeschichte (München 2008).
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fen.577 Vielmehr gehört es zu den merkwürdigen Widersprüchen des sozialen Wandels während dieser Zeit, dass die innere Mobilität der römischen Gesellschaft, die in der Prinzipatszeit erheblich zum Abbau von sozialer Unzufriedenheit und Spannungen beigetragen hatte, nun neue Reibungsflächen schuf. Für die Bevölkerung in den Randzonen des Imperiums, aus denen sich das römische Heer zum größten Teil rekrutierte, ergaben sich durch den Militärdienst bisher kaum geahnte Möglichkeiten für den sozialen Aufstieg. Der Lebensweg der meisten Soldatenkaiser, die nicht selten aus ganz einfachen Verhältnissen stammten wie z. B. Maximinus Thrax oder Galerius, demonstrierte diesen Wandel in aller Deutlichkeit. Ebenso gab es für tüchtige und ambitiöse Personen niedriger Herkunft, die über ein gewisses Bildungsniveau verfügten, gute Aufstiegschancen in der kaiserlichen Administration. Aber die breiten Massen der Reichsbevölkerung konnten von den Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs weniger als in der früheren Kaiserzeit Gebrauch machen. Der Lebensweg des zum Bürgermeister seiner Heimatstadt aufgestiegenen einfachen Landarbeiters in Mactar (S. 208) war nicht typisch. Vielmehr dürften die Aufstiegschancen der Dekurionen, der städtischen Kollegiumsmitglieder und der Kolonen, die durch strenge Bestimmungen an ihre vorgeschriebenen Funktionen gebunden wurden, geringfügig gewesen sein. Die Entstehung neuer Vermögen war bei diesen Schichten der Bevölkerung kaum möglich, da der erwirtschaftete Reichtum durch Steuern an den Staat abgegeben werden musste. Dazu kam noch, dass die Möglichkeiten des sozialen Abstiegs, im Gegensatz zur Prinzipatszeit, durch Kriege, wirtschaftliche Schwierigkeiten und Repression stark zunahmen. Wie Herodian zur Regierungszeit des Maximinus bemerkte, konnte man täglich armen Menschen begegnen, die einen Tag vorher noch reich waren (7,3,3). Alles in allem ging aus den Transformationsprozessen und Umwälzungen des 3. Jahrhunderts eine Gesellschaft hervor, die zwar noch immer grundlegende Elemente der traditionellem Sozialordnung wie deren fundamentale Dichotome, die Gliederung in schmale, ständisch organisierte Oberschichten und in die Massen der abhängigen niederen Bevölkerung in Stadt und Land und noch vieles mehr bewahrte, aber zahlreiche neue Elemente aufwies und vor ganz neuen Herausforderungen stand. Diese konnten nur durch umfassende und tiefgreifende Reformen bewältigt werden, die die Machtstrukturen, die Reichsverwaltung, das Heerwesen, das Wirtschaftsleben, die sozialen Strukturen und das geistige Leben des Imperium Romanum in vielfacher Hinsicht auf neue Grundlagen stellten. Die rasch wechselnden Soldatenkaiser und selbst der länger regierende, reformfreudige Gallienus waren hierzu, trotz ihrer letztlich erfolgreichen Bemühungen um die Bewältigung der militärischen und politischen Krisen, nicht in der Lage. Erst die Reformen Diokletians und Konstantins, die sich während deren jeweils langer Regierungszeit 577 Zum umstrittenen Problem der sozialen Mobilität in der späteren Kaiserzeit siehe R. MacMullen, JRS 54, 1964, 49–53 = in: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit (Anm. 397), 155 ff.; für die Spätantike siehe S. 311 mit Anm. 780.
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auf alle Bereiche des Lebens erstreckten und aus den Erfahrungen der krisenhaften Entwicklungen des 3. Jahrhunderts radikale Konsequenzen zogen, konnten die Voraussetzungen für den Fortbestand des Römischen Reiches für zwei weitere Jahrhunderte schaffen. Beschleunigter Wandel und Krise des Römischen Reiches Am Schluss der Betrachtungen zu der allgemeinen Entwicklung des Imperium Romanum und zu den Umwandlungsprozessen in seinem sozialen Gefüge während des 3. Jahrhunderts stellen sich zwei übergreifende Fragen, die teils seit langem umstritten sind, teils erst in der jüngeren historischen Forschung heftig diskutiert wurden. Die erste Frage lautet: Wo lagen die Ursachen für die großen Veränderungen in den Strukturen des Reiches während dieser Epoche? Besonders aktuell ist heute die zweite Frage: Ist es richtig, die Geschichte des 3. Jahrhunderts als Epoche einer ebenso langen wie generellen Krise des Imperium Romanum zu betrachten, wie dies mehrere Generationen lang die communis opinio der Historiker war, oder ist es zweckmäßiger, unter Betonung der Kontinuität zahlreicher Strukturelemente auch während dieser Epoche und der unterschiedlichen Entwicklungen in den einzelnen Reichsteilen, nur einen Wandel, allenfalls einen »beschleunigten Wandel« im Gefüge des Imperiums zu konstatieren, was die Meinung mehrerer Althistoriker der letzten Generation ist? Zuallererst muss festgestellt werden, dass die folgenträchtigen Transformationsprozesse in den Strukturen des Imperium Romanum nicht auf einen Schlag erst an der Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert, mit dem Sturz der antoninischen Dynastie sowie mit den Bürgerkriegen und den militärisch-politischen Reformen des Septimius Severus, und schon gar nicht erst mit dem Sturz der severischen Dynastie verbunden mit der Machtergreifung des ersten Soldatenkaisers begannen, sondern zumindest teilweise schon hinter den Kulissen der scheinbar heilen Welt der antoninischen Monarchie heranreiften. Die Veränderungen in der Wirtschafts- und Sozialstruktur des Imperiums, die seit der spätantoninischen und der severischen Zeit deutlich wurden und danach beschleunigt auftraten, gingen zumindest zum Teil auf früher begonnene Umwandlungsprozesse zurück. Wirtschaftliche Schwierigkeiten, die zu Veränderungen in der ökonomischen und sozialen Struktur der Städte führten, gab es in Italien und in einigen Mittelmeerprovinzen nicht erst im 3. Jahrhundert. In den früher blühenden hispanischen Provinzen z. B. zeigte die Oberschicht der Städte bereits um die Mitte des 2. Jahrhunderts Erschöpfungserscheinungen.578 Auch die intensiven wirtschaftlichen Aktivitäten der emporstrebenden Freigelassenen gingen in den Städten seit der Mitte des 2. Jahrhunderts erkennbar zurück. Die Gründe für solche Entwicklungen sind vor allem in den Strukturschwächen des auf die Städte und ihrer Territorien basierenden Wirtschaftssystems zu erblicken. 578 Siehe S. 120 mit Anm. 183, außerdem S. 226 und 255.
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Diese Strukturschwächen ergaben sich schon daraus, dass in den ersten anderthalb Jahrhunderten der Kaiserzeit immense Summen in ökonomisch zumeist unrentable Repräsentationsbauten wie Fora, Tempel, Theater, Amphitheater, Zirkusse usw. investiert wurden; dadurch wurden die finanziellen Kräfte vieler Kommunen überfordert. Nicht wenige, vor allem kleinere Städte, die hauptsächlich unter Augustus und den flavischen Kaisern die municipale Autonomie im Zuge umfassender Urbanisationsprogramme erhalten hatten, erwiesen sich nach einem kurzen wirtschaftlichen Aufschwung mit intensiver Bautätigkeit und nach einem kurzzeitigen Glanz der lokalen Eliten, die die Privilegierung der Kommunen nach sich zog, bald als wenig lebensfähig, da die schmalen lokalen Oberschichten kaum in der Lage waren, die Kosten des kommunalen Lebens auf Dauer zu tragen. Dazu kam, dass die reichsten Familien zahlreicher Provinzen wie etwa diejenigen Hispaniens, die in den Senatorenstand aufgestiegen waren, ihr Vermögen, das für die wirtschaftliche Blüte ihrer Heimatstädte ein besonders wichtiges Fundament dargestellt hatte, von dort auszogen und in Italien investierten, wohin sie sich umsiedelten, um dort Grundbesitz zu erwerben und um in ihren Palästen in Rom sowie in ihren luxuriösen Villen auf dem Land das standesgemäße, kostspielige Leben eines römischen Senators zu führen.579 Zugleich ließ der Rückgang der Sklaverei das Problem des Mangels an ausreichenden Arbeitskräften für die verschiedenen Sektoren der Produktion akut werden, zumal sich die Bevölkerung des Imperium Romanum im 2. Jahrhundert allem Anschein nach nicht mehr vermehrte.580 Der Rückgang der Sklaverei führte auch dazu, dass es nicht mehr so viele emporstrebende, in der Wirtschaft besonders aktive Freigelassene vom Schlag Trimalchios gab wie früher. Die unerwarteten Barbareneinbrüche in das Reich unter Mark Aurel haben Rom auch vor ganz neue außenpolitische Herausforderungen gestellt und die Voraussetzungen für den Machtzuwachs des Heeres geschaffen. Diese Kriege haben zugleich deutlich gemacht, dass für die Armeeführung unter den neuen militärischen Bedingungen anstelle der bisher kommandierenden »allround gentlemen« aus der Senatsaristokratie militärisch erfahrene Spezalisten erforderlich waren; das führte zu einer beginnenden Umschichtung der militärisch-politischen Führungselite des Reiches. Dazu kamen unter den letzten Antoninen auch weitere Probleme. Die Pest unter Mark Aurel hat die Bevölkerung des Reiches dezimiert.581 Der Herrschafts579 Auf diesen Vorgang weist die Notiz in der Biographie Mark Aurels (HA, Aur. 11,6) hin, nach der Hispanien damals infolge der Italica adlectio erschöpft war, siehe G. Alföldy, in: De les estructures indígenes a l’organització provincial (Anm. 183), 30 und in: The Cambridge Ancient History2 XI (Anm. 182), 460 f., mit Rückgriff auf eine Idee von R. Syme, JRS 54, 1964, 147 f. = in: ders., Roman Papers II (Anm. 225), 626 ff. Zu den Besitztümern eingewanderter senatorischer Familien in Italien siehe A. M. Andermahr, Totus in praediis. Senatorischer Grundbesitz in ltalien (m. 273); zur Präsenz hispanischer Senatoren und zu ihren Häusern in Rom siehe die Literatur in Anm. 279; Villen der hispanischen Senatoren in Tibur: R. Syme, Ancient Society 13/14, 1982/83, 241 ff. = in: ders., Roman Papers IV (Anm. 225), 94 ff. 580 L. Wierschowski, Klio 76, 1994, 355 ff. 581 Zu den Folgen dieser Epidemie siehe R. P. Duncan-Jones, Journ. of Roman Arch. 9, 1996,
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stil des Commodus bereitete der bisherigen harmonischen Zusammenarbeit der Reicharistokratie ein Ende; die Machtkämpfe zwischen den Thronprätendenten nach seinem Sturz bzw. nach der Ermordung seines Nachfolgers Pertinax durch die machthungrigen Prätorianer führten schon nach wenigen Monaten eine schwere innenpolitische Krise herbei. Die verstärkten und sich stets wiederholenden Barbareneinbrüche in das Reich seit Severus Alexander und vor allem seit der Mitte des 3. Jahrhunderts mit dem Zwang, ständig und noch dazu gleichzeitig an mehreren Fronten Abwehrkriege zu führen, in ihrer Folge mit dem enormen Machtzuwachs des Militärs, das der Hauptakteur dieser Kriege wurde, stellten dann in allen Bereichen des Lebens ganz neue Herausforderungen an das soziopolitische und das wirtschaftliche System Roms. Vor allem die steigenden Kosten für die Bezahlung des Militärs verursachten große Probleme in den Staatsfinanzen und führten eine Währungskrise herbei. Zu all dem kamen noch weitere Faktoren, so etwa, dass das überall zunehmende Großgrundbesitz für viele mittlere Güter, also für die typischen Dekurionengüter, eine gefährliche Konkurrenz bedeutete, außerdem, dass von den Folgen der Barbareneinbrüche mit den durch sie verursachten Zerstörungen in den betroffenen Provinzen eine Dekurionenfamilie sich nicht so rasch erholen konnte wie ein senatorischer Großgrundbesitzer, der häufig in verschiedenen Reichsteilen Güter besaß. Nicht zu vergessen ist ferner, dass die traditionellen Wertvorstellungen für die geistige Orientierung der Gesellschaft unter den Bedingungen der veränderten Welt ihre Überzeugungskraft mehr und mehr einbüssten. Schon der flüchtige Hinweis auf diese verschiedenen, vielfältigen historischen Prozesse zeigt, dass es unmöglich ist, die Ursachen der tiefgreifenden Veränderungen im Gefüge des Römischen Reiches während des 3. Jahrhunderts auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Jede monokausale Erklärung bliebe notwendigerweise unbefriedigend. Die Krise des Imperium Romanum lässt sich weder mit Michael Rostovtzeff durch den Konflikt zwischen dem städtischen Großbürgertum und den ländlichen Volksmassen erklären, noch in der Tradition des Marxismus durch die Krise der Sklavenwirtschaft infolge ihrer angeblicher Unproduktivität oder infolge des mangelnden Sklavennachschubs begründen, um von den zahlreichen weiteren Theorien ganz zu schweigen, die für die wachsenden Schwierigkeiten des Römischen Reiches teils wirtschaftliche und soziale, teils ideologische und moralische oder häufig vor allem außenpolitische Ursachen verantwortlich machen.582 Die Umwandlungsprozesse im Inneren des Reiches waren sehr unterschiedlich, sie verliefen parallel, griffen ständig ineinander und beeinflussten sich gegenseitig, und 108 ff. Zu Epidemien im 3. Jahrhundert siehe Anm. 499. 582 Zu den verschiedenen Ansichten über die Ursachen der Krise des 3. Jahrhunderts und überhaupt des Niederganges der römischen Welt siehe K. Christ (Hrsg.), Der Untergang des römischen Reiches (Darmstadt 1970) und vor allem A. Demandt, Der Fall Roms. Die Auflösung des Römischen Reiches im Urteil der Nachwelt (München 1984), siehe dazu S. 317–319. Die marxistische Sicht, die zuletzt E. M. Schtajerman in ihrem Buch Die Krise der Sklavenhalterordnung (Anm. 391) vertrat, ist heute out of date.
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sie waren mit den außenpolitischen Krisen verzahnt, so dass es schwer zu erkennen ist, was Ursache, was Symptom und was Wirkung war. Wenn wir die Ursachen für die Transformationsprozesse zu gewichten versuchen, dann ließe sich zusammenfassend sagen, dass die mit krisenhaften Entwicklungen verbundenem Veränderungen im Imperium Romanum auf das Zusammenwirken innerer und äußerer Ursachen zurückzuführen sind: Die Barbareneinbrüche trafen das römische Weltreich in einer Zeit, in der seine inneren Schwächen sich zu vertiefen begannen, und sie trafen das Imperium mit einer Härte, der Roms innere Strukturen nur wenig gewachsen waren. Konkret zeigte sich dieser Widerspruch darin, dass das Reich gerade im Zeitalter der ständigen Barbarenangriffe mehr Soldaten als vorher, für ihre Versorgung mehr Geld und mehr Produkte und für deren Erwirtschaftung mehr Arbeitskräfte als vorher benötigt hätte – aber gerade in diesem Zeitalter weniger Wirtschaftskraft und geringere Produktionskräfte als vorher aufbieten konnte. Die Folgen waren die Labilität und der Wandel der bisherigen Strukturen, verbunden mit der Verunsicherung und Resignation der Zeitgenossen. Wie soll aber der Historiker die Epoche charakterisieren, die von all diesen Veränderungen in der Geschichte des Römischen Reiches gekennzeichnet war? Werner Eck hat den heutigen Stand der Diskussion über diese in der jüngeren Forschung heftig umstrittenen Frage mit dem Titel eines Beitrages zu dieser Problematik auf den Punkt gebracht: »Krise oder Nichtkrise, das ist hier die Frage.«583 Die Vorstellungen über die Geschichte der späteren römischen Kaiserzeit in der historischen Wissenschaft standen lange unter dem maßgebenden Einfluss von Edward Gibbon, dem Begründer der systematischen Erforschung dieser Epoche im 18. Jahrhundert, der die Idee entwickelt hatte, dass auf die »golden age« der Antoninen bis zu Ende des Weströmischen Reiches im Jahre 476 eine dreihundert Jahre lang dauernde Epoche von »decline and fall« folgte.584 Gibbon sprach in Bezug auf die Geschichte des 3. Jahrhunderts noch nicht von »Krise«, sondern charakterisierte die am ehesten katastrophale Periode dieser Epoche mit Ausdrücken wie »the disruption of the Empire« und »general misfortunes of the reigns of Valerian and Gallienus«.585 Auch Theodor Mommsen verzichtete auf die Kennzeichnung dieser Epoche mit einem prägnanten historischen Terminus technicus und sprach in seinen Berliner Vorlesungen, die unsere Hauptquelle für seine Ideen über die Geschichte des Kaiserreiches sind, allenfalls davon, dass das Imperium Romanum noch nie so
583 W. Eck, in: Crises and the Roman Empire (Anm. 481), 24 ff. 584 E. Gibbon, The History of the Decline and Fall of the Roman Empire (1776/88). Über Gibbons Werk siehe bes. W. Nippel, Edward Gibbon – The History of the Decline and Fall of the Roman Empire, in: Erinnerungsorte der Antike (Anm. 65), 644 ff. Über den Einfluss Gibbons auf die Beurteilung der Geschichte des 3. Jahrhunderts siehe auch M. Mazza, Lotte sociale e restaurazione autoritaria (Anm. 565), 17 ff. 585 E. Gibbon, The Decline and Fall of the Roman Empire. An Abridgement by D. M. Low, New York 1960, 235 ff.
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schlecht regiert worden war wie unter Valerianus und Gallienus.586 Die Idee der »Krise des 3. Jahrhunderts« tauchte zuerst in einem Artikel von Léon Homo über »L’empereur Gallien et la crise de l’Empire romain au IIIe siècle« im Jahre 1913 auf587 und wurde durch den zehn Jahre später in Brüssel an einem Historikerkongress gehaltenen Vortrag von Michael Rostovtzeff »La crise sociale et politique de l’Empire romain au IIIe siècle après J.-C.« ein Gemeingut der Historie.588 Bald danach begann Andreas Alföldi mit der Veröffentlichung einer langen Reihe von grundlegenden Beiträgen zur Geschichte des 3. Jahrhunderts, in denen er ebenfalls von der Krise dieser Epoche sprach und die er im Jahre 1967 in einem Sammelband unter dem Titel »Studien zur Geschichte der Weltkrise des 3. Jahrhunderts nach Christus« zusammenfasste.589 Nicht zuletzt unter seinem Einfluss gaben im Jahre 1939 die Herausgeber dem XII. Band der Cambridge Ancient History den Titel »The Imperial Crisis and Recovery«.590 In den nachfolgenden Jahrzehnten wurde die Geschichte des 3. Jahrhunderts allgemein als eine generelle und permanente Krise verstanden, so beispielsweise im Forschungsbericht von Gerold Walser und Thomas Pekáry für die Geschichte der Jahre 193–284,591 von den Verfassern der besten deutschsprachigen Überblicke über die Geschichte Roms bzw. der römischen Kaiserzeit, nämlich Alfred Heuss und Karl Christ592 und auch von weiteren deutschen Althistorikern,593 von Ramsay MacMullen in seinem wichtigen Buch über die Reaktion der Kaiser auf die Krise des Reiches im Zeitraum zwischen 235 und 284,594 von verschiedenen Forschern aus England, Frankreich, Italien, Belgien, den Niederlanden, Spanien, Russland usw.,595 nicht zuletzt auch von mir selbst ebenso 586 Th. Mommsen, Römische Kaisergeschichte. Nach den Vorlesungs-Mitschriften von Sebastian und Paul Hensel 1882/86. Herausgegeben von Barbara und Alexander Demandt (München 1992), 469. 587 L. Homo, Revue Historique 113, 1913, 1 ff. und 225 ff. Zur Geschichte der Verwendung des Krisenbegriffes für die Transformationsprozesse des 3. Jahrhunderts vgl. Th. Gerhardt, in: Deleto paene imperio Romano (Anm. 481), 381 ff.; K.-P. Johne – U. Hartmann, in: Die Zeit der Soldatenkaiser (Anm. 403), 1025 ff. 588 M. Rostovtzeff, Musée Belge 27, 1923, 234 ff. 589 A. Alföldi, Studien zur Geschichte der Weltkrise (Anm. 481). 590 S. A. Cook – F. E. Adcock – M. P. Charlesworth – N. H. Baynes, The Cambridge Ancient History XII. The Imperial Crisis and Recovery (Anm. 481). 591 G. Walser – Th. Pekáry, Die Krise des römischen Reiches (Anm. 481). 592 A. Heuss, Römische Geschichte (Anm. 34), 407 und 411 ff.; K. Christ, Geschichte der römischen Kaiserzeit (Anm. 182), 401 ff. 593 Siehe bes. J. Moreau, Scripta Minora (Anm. 503), 26 ff. und P. Herrmann, Hilferufe aus römischen Provinzen (Anm. 489), bes. 66. 594 R. MacMullen, Roman Government’s Response to Crisis (Anm. 481). Vgl. Zu diesen Werk G. Alföldy, Die Krise des Römischen Reiches (Anm. 464), 343 ff. 595 Siehe unter Anderen A. R. Birley, Bulletin of the John Rylands University Library of Manchester 58, 2, 1976, 253 ff.; P. Petit, Histoire génerale de l’Empire romain (Anm. 481), 297 ff.; A. Chastagnol, in: ders., Le sénat romain à l’époque impériale (Anm. 278), 201 ff.; F. Jacques, in: A. Giardina, Società romana e impero tardoantico I. Istituzioni, ceti, economie (Roma 1986), 81 ff.; N. Palazzolo, ebd. 57 ff.; L. de Blois, The Policy of the Emperor Gallienus (Anm. 481); ders., Historia 33, 1984, 358 ff.; J. Moreau, Scripta Minora (Anm. 503), 26 ff. (der zugleich sehr sinnvoll dafür plädierte, dass man
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in den im Sammelband »Die Krise des römischen Reiches« (Anm. 464) zusammengefassten zahlreichen Studien wie in den früheren Ausgaben des hier vorliegenden Buches in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts, deren Grundkonzept hauptsächlich auf den Einfluss von Rostovtzeff und Alföldi zurückzuführen ist.596 Die erste Kritik an der Verwendung des Begriffes »Krise« für die Bezeichnung der Vorgänge im 3. Jahrhundert wurde im Jahre 1977 von Frank Kolb geäußert, von dem der später von mehreren Forschern aufgegriffene Vorschlag stammt, statt von »Krise« von einem »beschleunigten Wandel« zu sprechen.597 Nicht viel später meinte auch der englische Archäologe Richard Reece, dass nicht »crisis«, sondern »change« das richtige Wort sei.598 Die Generalattacke gegen den Gedanken, dass die Geschichte des 3. Jahrhunderts als eine permanente, noch dazu totale Krise des Imperium Romanum verstanden werden soll, begann erst mit der im Jahre 1989 erschienenen Heidelberger Habilitationsschrift von Karl Strobel.599 Sie war vor allem als Widerlegung meiner eigenen, in dem Sammelband »Die Krise des Römischen Reiches« (Anm. 464) zusammengefassten Studien vertretenen These gedacht, wonach das 3. Jahrhundert nicht nur als Epoche einer allgemeinen Krise zu betrachten sei, sondern auch als eine Epoche, in der es nach Ausweis vieler Äußerungen der Zeitgenossen auch eindeutige Reflexionen über die Vorgänge ihrer Zeit gegeben habe, die den Namen »Krisenbewusstsein« verdienen, das uns es recht dazu berechtigen sollte, von einer umfassenden »Krise« zu sprechen. Nach Strobel kann man nur mit »Strukturwandel« oder allenfalls mit einem »beschleunigtem Wandel« rechnen. Gegen die Annahme eines »Krisenbewusstseins« bei einzelnen Autoren des 3. Jahrhunderts sprachen sich auch andere Althistoriker aus. So vertrat in Strobels Folge zehn Jahre später auch Christoph Schuler die Meinung, dass der Heilige Cyprian mit seinen Äußerungen über den schlechten, ja katastrophalen Zustand des Römischen Reiches nicht die aktuelle Situation des Imperium reflektiert, wie ich meinte.600 Gleichzeitig damit schrieb Martin Zimmermann in seiner Habilitations»Krise« und »Niedergang« voneinander unterscheidet); J. Ma. Blázquez, Hispania 28, 108, 1968, 5 ff.; J. M. Roldán Hervás, Historia de Roma (Salamanca 1995), 411 ff.; J. B. Tsirkin, Gerión 5, 1987, 253 ff., usw. 596 Das in diesen Arbeiten entworfene Bild über eine »totale Krise« oder über den »Zerfall der Gesellschaft« im 3. Jahrhundert o. ä. halte ich heute für stark revisionsbedürftig. Allerdings betrachte ich die Ergebnisse der in dem Sammelband »Die Krise des Römischen Reiches« (Anm. 464) zusammengefassten Einzelstudien nach wie vor als gültig. 597 F. Kolb, in: Bonner Festgabe J. Straub (Anm. 565), 277 mit Anm. 2. 598 R. Reece, in: A. King – M. Henig (Eds.), The Roman West in the Third Century I (Oxford 1981), 27 ff. 599 K. Strobel, Das Imperium Romanum im ›3. Jahrhundert‹ (Anm. 481). mit den Hauptthesen auf S. 340 ff. Vgl. zu diesem Buch die kritischen Bemerkungen u. a. von A. R. Birley, Bonner Jahrb. 195, 1995, 704 ff. und von L. de Blois, L’Antiquité Classique 64, 1995, 489 ff. Die Habilitation Strobels wurde übrigens entsprechend seinem Wunsch von mir betreut, da ich meinte, dass ich verpflichtet sei, auch Arbeiten zu fördern, die meinen eigenen Positionen widersprechen. 600 Ch. Schuler, in: M. Zimmermann (Hrsg.), Geschichtsschreibung und politischer Wandel im 3.
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schrift, dass auch das Geschichtswerk Herodians nicht als Quelle für »Krisenempfindung« betrachtet werden könne, da Herodian in der Beschreibung der Fehlgriffe der Kaiser seiner Zeit nur im Banne der Tradition der antiken Historiographie moralisiert.601 Im selben Jahr 1999 legte Christian Witschel seine Dissertation vor, die seit den Werken von Michael Rostovtzeff und Andreas Alföldi einer der wichtigsten Beiträge zur Erforschung der Geschichte des 3. Jahrhunderts ist.602 Gestützt auf die superbe Kenntnis der literarischen, inschriftlichen und archäologischen Quellen und der Fülle der modernen Fachliteratur beschreibt der Autor die Phänomene sowohl der Kontinuität als auch des Wandels der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Strukturen in Italien, Hispanien, Nordafrika, Gallien, Germanien, Rätien und Britannien, einschließlich einer Analyse der verschiedenen Modelle für die Erfassung der Natur der Transformationsprozesse, des Aussagewertes der einzelnen Quellengattungen und einiger »fundamentaler Elemente« der römischen Welt wie Urbanismus, Landwirtschaft und Grenzverteidigung. Seine Schlussfolgerung ist, dass die Idee einer »Weltkrise« abgelehnt und die Transformationsprozesse des 3. Jahrhunderts – wie schon von Kolb und Strobel – als »beschleunigter Wandel« verstanden werden müssen, wobei die Geschichte dieser Zeit gleichzeitig von Kontinuität und von »vielfältigen Veränderungen« insbesondere im Zeitraum zwischen 250/260 und 280/290 gekennzeichnet gewesen sei. Die Arbeiten Strobels und Witschels haben auf die jüngste Forschung einen beachtlichen Einfluss ausgeübt. Einige Gelehrte schlossen sich ihrer Ablehnung des »Krisenmodells« an603 oder leugnen das Vorhandensein einer Krise zumindest in
Jh. n. Chr. (Stuttgart 1999), 183 ff. 601 M. Zimmermann, Kaiser und Ereignis. Studien zum Geschichtswerk Herodians (München 1999), bes. 285 ff. (auch diese Habilitationsschrift wurde von mir mitbetreut). Siehe auch dens., in: H. Brandt (Hrsg.), Gedeutete Realität. Krisen, Wirklichkeiten, Interpretationen (3.-6. Jh. n. Chr.) (Stuttgart 1999), 41 f.; ähnlich auch H. Sidebottom, ANRW II 34, 4 (Berlin – New York 1998), 2766 ff. 602 Ch. Witschel, Krise – Rezession – Stagnation (Anm. 481), mit den Hauptthesen auf S. 375–377 (auch diese Arbeit ist weitgehend in Heidelberg entstanden). Witschel ist auf das Thema mehrfach zurückgekommen, so im Beitrag »Re-evaluating the Roman West in the 3rd c. AD.« in Journ. of Roman Arch. 17, 2004, 251 ff., außerdem in seinen Studien über Nordafrika im 3 Jahrhundert in: Deleto paene imperio Romano (Anm. 481), 145 ff. und über Hispanien im 3. Jahrhundert in: J. Andreu Pintado – J. Cabrero Piquero – I. Rodà de Llanza (Eds.), Hispaniae. Las provincias hispanas en el mundo romano (Tarragona 2009), 473 ff., wo er sich auf S. 495 f. nochmals gegen die Annahme einer »globalen Krise« ausspricht. Siehe auch den wichtigen Beitrag von B. Borg – Ch. Witschel über Veränderungen im Repräsentationsverhalten der römischen Eliten während des 3. Jahrhunderts in: Inschriftliche Denkmäler als Medien der Selbstdarstellung in der römischen Welt (Anm. 220), 47 ff. 603 So J.-M. Carrié, Cahiers du Centre Gustave Glotz 10, 1999, 255 ff.; J. F. Drinkwater, in: The Cambridge Ancient History2 XII (Anm. 481), 28 ff., bes. 64, wo er für die Termini »transformation« oder »change«statt »crisis« plädiert; M. T. Boatwright – D. Gargola – R. J. Talbert, The Romans from Village to Empire. A History of Ancient Rome from Earliest Times to Constantine, New York – Oxford 2004, 432, wo es – sehr vereinfacht – heißt, dass es in der Mitte des 3. Jahrhunderts keine Krise gab, da die Kontinuität überwog. Siehe auch noch A. Marcone, Athenaeum 95, 2007, 141 ff.; H. Börm, Gymnasium 115, 2008, 69 ff. Eine undifferenzierte Verwendung des Begriffes »Krise« in Bezug auf das 3. Jahrhundert lehnt auch A. Watson, Aurelian and the Third Century (London 2004), 1 ff. ab.
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einzelnen Sektoren, so vor allem in der Wirtschaft.604 Andere ließen sich zumindest verunsichern, indem sie entweder von »sogenannter Krise« sprechen605 oder das Wort Krise mit Anführungsstrichen versehen,606 oder dass sie dieses Wort, das einige von ihnen früher ohne Bedenken benutzt hatten, nun durch andere, nicht gerade prägnante Ausdrücke wie »éclatement«, »mutation« oder »bay« ersetzen.607 Manche Autoren reden dagegen auch weiterhin ohne Bedenken über die Krise des 3. Jahrhunderts.608 Mehrere besonders sachkundige Historiker sind der Ansicht, dass man zwar kaum oder überhaupt nicht von einer allgemeinen, übergreifenden Krise, wohl aber von einem Geflecht verschiedener Krisen, vor allem von einer politischen Krise, außerdem durchaus auch von anderen Krisen sprechen kann.609 Am deutlichsten vertrat diese Meinung schon Marcel Le Glay im Jahre 1992 in seinem von allen Kritikern des »Krisenmodells« unbeachtet gelassenen Werk über die Geschichte der Kaiserzeit, in dem er die Existenz sowohl einer Krise, sogar der »grande crise de l’Empire« zwischen 235 und 285, als auch eines Krisenbewusstseins bejahte, zugleich aber meinte, dass es doch besser sei, nicht von einer allgemeinen, einheitlichen Krise, sondern von verschiedenen Krisen, nämlich von je einer politisch-militärischen, sozialen, demographische, religiösen und moralischen Krise zu sprechen.610 Peter Eich, der zwar von der »sogenannten Krise des 3. Jahrhunderts« spricht, meint dennoch, dass der Krisenbegriff für die politisch-militärische Entwicklung des Reiches nach wie vor akzeptabel sei.611 Olivier Hekster, 604 So K. Ruffing, in: Deleto paene imperio Romano (Anm. 481), 223 ff.; siehe auch dens., in: Die Zeit der Soldatenkaiser (Anm. 403), 817 ff. 605 So P. Herz, in: H.-J. Gehrke – H. Schneider (Hrsg.), Geschichte der Antike. Ein Studienbuch (Stuttgart – Weimar 2000), 329. 606 So etwa W. Scheidel, Rivista Storica dell’Antichità 21, 1991, 145 ff.; M.-H. Quet (Ed.), La »Crise« de l’Empire romain de Marc Aurèle à Constantin (Paris 2006). 607 Siehe etwa P. Cosme, L’état romain entre éclatement et continuité (Anm. 481), der allerdings nicht nur von dem starken Wandel der Strukturen des Imperiums (bes. 143 ff.), sondern auch über »les crises du IIIe siècle« im Zeitalter der Soldatenkaiser spricht (97 ff.); J.-M. Carrié – A. Rousselle, L’Empire romain en mutation (Anm. 481), bes. 89 ff. (allerdings sprechen sie ebd. 129 ff. doch von einer »crise monétaire«); D. S. Potter, The Roman Empire at Bay (Anm. 481), anders noch ders., Prophecy and History in the Crisis of the Roman Empire. A Historical Commentary on the Thirteenth Sibylline Oracle (Oxford 1990). 608 So unter Anderen L. Wierschowski, Klio 76, 1994, 355 ff.; A. Cepas Palanca, Crisis y continuidad en la Hispania del siglo III (Madrid 1997); X. Loriot – D. Nony, La crise de l’Empire romain 235–285 (Anm. 481); P. Southern, The Roman Empire from Severus to Constantine (London – New York 2001); A. Giardina, in: The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World (Anm. 17), 757 ff.; M. Sommer, Die Zeit der Soldatenkaiser2 (Anm. 481), 126 f., vgl. auch 13 (der aber die Idee einer »Weltkrise« zu Recht ablehnt). 609 Vgl. bes. M. Christol, L’Empire romain du IIIe siècle (Anm. 481), 119 ff. über die Jahre 249–284 als Epoche von »crises et bouleversements«, »La période qui s’étend de 249 à 274 est une période cruciale dans l’évolution de l’Empire … Rude période en effet, pour les contemporains.« (S. 163). 610 M. Le Glay, Rome. Grandeur et chute de l’Empire (Anm. 481), 245 ff. Vgl. auch M. Le Glay – J.L. Voisin – Y. Le Bohec, Histoire romaine2 (Anm. 481), 433 ff. über »les crises« zwischen 235 und 284. 611 P. Eich, Zur Metamorphose des politischen Systems (Anm. 199), 338 ff., auch mit besonderer Würdigung meines Buches »Die römische Gesellschaft« (Anm. 218).
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der auf die Problematik der Krise ausführlich einging, meint abschließend: »There were certainly third-century crises, possibly even an empire-wide crisis in the years after 260, when financial problems became even more pronounced.«612 Klaus-Peter Johne und Udo Hartmann, ausgezeichnete Kenner der der Geschichte des 3. Jahrhunderts, lehnen den Bergiff »Weltkrise« ab, aber sie akzeptieren die Meinung, dass die Zeit der Soldatenkaiser als Epoche einer allgemeinen Krise zu betrachten sei, in der bei der Bevölkerung des Reiches auch ein Krisenbewusstsein verbreitet war.613 Mehrere prominente Historiker verteidigen eindringlich die Auffassung, dass es in den von ihnen untersuchten, räumlich teilweise weit voneinander entfernt liegenden Regionen des Imperium, die sie bestens kennen, so Anthony R. Birley Britannien, Yann Le Bohec die Gallia Lugdunensis, Jochen Haas – der erste Forscher, der für die Lebensverhältnisse der Menschen im 3. Jahrhundert in verdienstvoller Weise auch naturwissenschaftliche Quellen systematisch ausgewartet hat – das römische Deutschland, Werner Eck das römische Köln oder Johannes Nollé Klenasien, dass es dort zumindest um die Mitte oder in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts eine Krise gab, die nach ihnen mit einem Bewusstsein der Krise durch die Betroffenen verbunden war.614 Alan Bowman, Peter Garnsey und Averil Cameron, die Herausgeber der neuen Edition des XII. Bandes der Cambridge Ancient History, gaben diesem Band in der Tradition der ersten Ausgabe von 1939 den Titel »The Crisis of Empire AD 193–327« und begründeten diese Wahl mit dem »incontrovertible fact that the period from Septimius Severus was marked by serious dislocation, disturbance and threat to the fabric of the Roman empire«, mit »fundamental and far-reaching changes in the nature of imperial power and the organization of the empire«.615 Thomas Gerhard kommt nach dem Überblick über die verschiedenen Forschungspositionen in der Beurteilung der Geschichte des 3. Jahrhunderts zu dem Resultat, dass eine umfassende »Reichskrise« in der Zeit der Soldatenkaiser nicht geleugnet werden kann616. Besonders hervorzuheben seien hier schließlich die Stellungnahmen von zwei herausragenden Kennern der Geschichte des 3. Jahrhunderts zu dem Streit »Krise oder Nichtkrise«. Lukas de Blois, der dezidiert dagegen argumentiert, dass die »Krise des 3. Jahrhunderts« nur ein »Mythos« sei, sieht in der Regierungszeit des Severus Alexander oder überhaupt in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts schon das »onset of crisis« und in den nachfolgenden Jahren bis 284 612 O. Hekster, Rome and its Empire, AD 193–284 (Anm. 481), 83 ff., bes. 86. 613 K-P. Johne – U. Hartmann, Die Zeit der Soldatenkaiser (Anm. 403), 1025 ff. Siehe schon K.-P. Johne, in: ders. (Hrsg.), Gesellschaft und Wirtschaft des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert (Anm. 376), bes. 377 ff. 614 A. R. Birley, in: Crises and the Roman Empire (Anm. 481), 45 ff.; Y. Le Bohec, in: Ll. Pons Pujol (Ed.), Hispania et Gallia: dos provincias del Occidente romano (Barcelona 2010), 165 ff.; J. Haas, Die Umweltkrise des 3. Jahrhunderts (Anm. 481); W. Eck, in: Crises and the Roman Empire 24 ff.; J. Nollé, in: Deleto paene imperio Romano (Anm. 481), 271 ff. 615 A. Bowman – Av. Cameron – P. Garnsey, The Cambridge Ancient History2 XII (Anm. 481), XIII. 616 Th. Gerhardt, in: Deleto praene imperio romano (Anm. 481), 406 f.
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die Epoche einer Krise zumindest in den von den Kriegen betroffenen Regionen und in ihrem Hinterland, wo die Krise »a harsh reality« war.617 Wolfgang Liebeschuetz gibt auf die Frage »Was there a Crisis of the Third Century?« die Antwort: »Crisis« ist »an appropriate description of what happened to the Roman Empire in the third century«.618 Alles in allem kann behauptet werden, dass sich die kritischen Vorstellungen einiger Repräsentanten der jüngeren Forschergeneration über die Beurteilung der Geschichte des 3. Jahrhunderts, trotz unleugbarer und bleibender Verdienste ihrer Studien, in der Forschung nur wenig durchsetzen konnten.619 Christian Witschel hat natürlich Recht, dass die großen Transformationsprozesse nicht überall gleichzeitig begannen und nicht alle Teile des Reiches in der gleichen Weise berührten. Darauf wurde aber auch schon früher auch von denen, die dennoch eine allgemeine Krise angenommen hatten, hingewiesen.620 Es sei hier erlaubt, hierzu aus den früheren Ausgaben der hier vorliegenden Arbeit zu zitieren: »Die Krise begann nicht überall gleichzeitig und war in den einzelnen Reichsteilen von unterschiedlicher Wirkung. Ägypten und Africa etwa, die von Barbareneinbrüchen weitgehend verschont blieben und wo sich z. B. die Verbreitung des Großgrundbesitzes und des Kolonats bereits vor dem 3. Jahrhundert vollzogen hatte, waren weniger als etwa Spanien oder Syrien betroffen. In den Donauprovinzen, vor allem in Pannonien, Mösien, Dakien, war das Wirtschaftsleben unter den Severern blühender denn je; umso steiler war dort der Niedergang in den darauf folgenden Jahrzehnten.«621 Dass die sozioökonomischen Transformationsprozesse beispiels617 Siehe vor allem die Schrift von L. de Blois, »The Crisis of the Third Century of the Roman Empire: A Modern Myth?«, in: The Transformation of Economic Life (Anm. 499), 204 ff., bes. 217. Zu erwähnen sind außerdem ders., in: Administration, Prosopography and Appointment Policies (Anm. 297), 136 ff.; ders., in: Limes XVIII (Anm. 550), 13 ff. (über »the onset of crisis« unter Severus Alexander); ders., in: Deleto paene imperio romano (Anm. 481), 25 ff. 618 W. Liebeschuetz, in: Crises and the Roman Empire (Anm. 481), 11 ff., bes. 18. 619 Hier sei zu dem Unterschied zwischen den älteren und den neuen Ansichten über die Geschichte des 3. Jahrhunderts folgende Bemerkung erlaubt. Michael Rostovtzeff und Andreas Alföldi, deren Werke die Forschung mehrere Generationen lang prägten, mussten in ihrer Jugend bzw. auch später große historische Umwälzungen und Katastrophen erleben, so Rostovtzeff die russische Revolution von 1917, Alföldi den Zusammenbruch der Österreichisch-Ungarischen Monarchie mit der Verstümmelung Ungarns im Jahre 1918 und die kommunistische Machtübernahme in seiner Heimat nach 1945. Beide wurden von diktatorischen Regimen in die Emigration gezwungen, was nach einem geflügelten Wort von Sir Ronald Syme (Proceedings of the British Academy 48, 1962, 40) die beste Schule für einen Historiker sei, wie schon für Thukydides und Gibbon. Beide Gelehrten fanden in der Emigration eine neue Heimat, Rostovtzeff zuerst in England, später in den USA, Alföldi zuerst in der Schweiz, danach ebenfalls in den USA, und beide haben intensiv auch in anderen Ländern gearbeitet, der eine im Nahen Osten, der andere in Italien. Ich meine, dass dieser Lebensweg beiden großen Althistorikern eine besondere Fähigkeit verlieh, historische Umwälzungen mit einer besonderen Empfindsamkeit zu betrachten und die Geschichte als globalen Prozess zu begreifen. Diese Lebenserfahrung fehlt den (seinerzeit jungen) deutschen Kollegen, die in Freiheit, Sicherheit und Wohlstand aufgewachsen sind. 620 Das unterstreicht W. Eck, in: Crises and the Roman Empire (Anm. 481), 26 zu Recht gegen Witschel. Siehe etwa M. Le Glay, Rome. Grandeur et chute de l’Empire (Anm. 481), 252: »Il faut distinguer et les moments et les régions.« 621 G. Alföldy, Römische Sozialgeschichte3 (Stuttgart 1984), 133. Über Ägypten im 3. Jahrhundert
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weise in Hispanien bereits in der Antoninenzeit begannen, wurde schon betont (S. 255). Nicht überzeugend ist auch die Meinung von Witschel und anderen Kritikern der »Krisentheorie«, dass mit »Krise« ein viel zu unscharfer Begriff ins Spiel gebracht wurde, und Strobel hat nirgends richtig erklärt, was an diesem Begriff auszusetzen sei. Die von ihnen und anderen empfohlenen, sachlich natürlich zutreffenden Begriffe »Wandel« oder »change« sind keineswegs adäquatere Begriffe als »Krise«, da sich die Geschichte nie in Stillstand befindet, sondern einem ständigen Wandel unterworfen ist. »Beschleunigter Wandel« ist gewiss ein zutreffendes Wort, doch nicht so prägnant wie eben »Krise«, da beschleunigte Umwandlungsprozesse sich in unterschiedlicher Weise vollziehen können, z. B. auch als Revolutionen oder als Kollaps von Regimen. Außerdem überschätzt Witschel, wie auch manche andere Forscher, m. E. die Elemente der Kontinuität der traditionellen Strukturen während des 3. Jahrhunderts, so etwa im römischen Hispanien. Dort erwiesen sich viele Städte schon seit der spätantoninischen Zeit – manche noch früher – nicht mehr als lebensfähig oder verwandelten sich sogar fast oder ganz in Ruinen, so z. B. solche früher blühende, von Witschel nur am Rande erwähnte urbane Zentren wie Saguntum, Carthago Nova, Segobriga.622 Zugleich hat sich das sog. epigraphic habit, dessen Kontinuität in Witschels Argumentation für den Fortbestand urbaner Strukturen und traditionellen Mentalitäten eine große Rolle spielt, seit der spätantoninischen Zeit noch stärker – und zwar nicht nur aus mentalen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen – gewandelt, als dies von ihm angenommen wird. In der besonders inschriftenreichen Stadt Tarraco z. B., woher wir aus der früheren Kaiserzeit Hunderte von beschrifteten Postamenten für Statuen der Eliten kennen, hörte die Herstellung solcher Monumente und damit die Selbstdarstellung der Eliten ungefähr zwischen 160 und 200 fast vollständig und mit der Severerzeit vollständig siehe A. C. Johnson, Journ. of Juristic Papyrology 4, 1950, 151 ff. und zuletzt bes. K. Ruffing, in: Deleto paene imperio Romano (Anm. 481), 223 ff. und in: Die Zeit der Soldatenkaiser (Anm. 403), 817 ff.; über Nordafrika Ch. Witschel, in: Deleto paene imperio (Anm. 481), 145 ff.; über Pannonien P. Oliva, Pannonia and the Onset of Crisis in the Roman Empire (Praha 1962) und A. Mócsy, Pannonia and Upper Moesia (Anm. 236), 217 ff.; vgl. auch die ähnliche Entwicklung in Noricum, G. Alföldy, Noricum (Anm. 185), 159 ff. 622 Hier sei nur zu Carthago Nova gesagt, dass in dieser früher blühenden Stadt, die sich bereits in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts im Niedergang befand, im 3. Jahrhundert das Theater, das Amphitheater, die Straßen und die Häuser, die als Mülldeponien benutzt wurden, bereits verfallen waren und das Forum sowie die ihm benachbarten Bauten als Steinbruch dienten; das Umland war schon entvölkert. Siehe A. Pontolinos Marín – J. M. Noguera Celdrán – B. Soler Huertas, in: XII Congressus Internationalis (Anm. 191), 56 f. (wo der Niedergang der Stadt irrtümlich auf den Maureneinbruch nach Hispanien in den Jahren 171–172 zurückgeführt wird). In Carthago Nova hörte das früher blühende epigraphic habit bereits in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts auf, siehe A. U. Stylow, in: XII Congressus Internationalis 1422 f. Über die Kontinuität des Städtewesens und der epigraphischen Kultur der Städte in Hispanien während des 3. Jahrhunderts entwerfen in der jüngeren Literatur einige Autoren ein viel zu optimistisches Bild, so A. Cepas Palanca, Crisis y continuidad en la Hispania del siglo III (Anm. 608); M. Kulikowski, Late Roman Spain and its Cities (Baltimore – London 2004), 35. 62. 66 ff. 87 ff.; Ch. Witschel, in: Hispaniae. Las provincias hispanas (Anm. 602), 475 ff., der allerdings auch die tiefgreifenden Veränderungen in der Struktur der Städte hervorhebt.
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auf, und die für die Ehrung der Herrscher und der höchsten Reichsbeamten in obligatorischer Weise auch noch später von Statthaltern und anderen hohen Reichsbeamten gesetzten Monumente dieser Art, die übrigens nichts mit dem epigraphic habit der Bevölkerung zu tu haben, sind ohne eine einzige Ausnahme wiederverwendete frühere statuarische Denkmäler.623 An einem wichtigen Punkt ist Witschels Kritik an den früheren Arbeiten über die Krise des 3. Jahrhunderts allerdings vollauf berechtigt: Bis auf manche Ansätze bei einigen Forschern624 hat es kein Vertreter der »Krisentheorie« für nötig erachtet, den Begriff »Krise« zu definieren, und der von Andreas Alföldi seinem Sammelband gegebene Titel »Weltkrise des 3. Jahrhunderts« war eher ein rhetorischer Griff, um einen attraktiv wirkenden Buchtitel zu finden, als eine Überschrift, die Theorieansprüche erfüllen sollte – ebenso wenig wie z. B. Ronald Symes heiß umstrittener, in Wirklichkeit nur als werbewirksame Überschrift gedachter Buchtitel »The Roman Revolution«.625 Es ist zweckmäßig, hier die neuhistorischen Kollegen zu Rate zu ziehen, die auf diesem Gebiet normalerweise viel eher versiert sind als die Althistoriker. Die wohl beste Definition der historischen Krisen ist m. E. diejenige von Rudolf Vierhaus, der schreibt: »Krisen sind Prozesse, die durch Störungen des vorherigen Funktionierens politisch-sozialer Systeme entstehen, und dadurch gekennzeichnet sind, dass die systemspezifischen Steuerungskapazitäten nicht mehr ausreichen, sie zu überwinden bzw. nicht mehr zur Anwendung gebracht werden. Solche Störungen können an verschiedenen Stellen und in unterschiedlichsten Bereichen des jeweiligen Systems auftreten und sich mit zeitlichen Verzögerungen auf andere Bereiche, schließlich das ganze System auswirken. Damit wird ein krisenhafter Vorgang zur Systemkrise.«626 Ich würde hinzufügen, dass eine historische Krise, die diesen Namen verdient, folgende drei Hauptkriterien erfüllen müsste: erstens, dass die frühere Gesamtordnung eines Systems plötzlich labil wird; zweitens, dass die der traditionellen Ordnung zugrunde liegenden Strukturen einem beschleunigten Wandel unterworfen sind; und drittens, dass die Zeitgenossen, wenn schon nicht durch systematisch erarbeitete Krisenanalysen von dazu berufenen Intellektuellen, so doch zumindest gefühlsmäßig begreifen, dass ihre Epoche im Gegensatz zu der davor liegenden Zeit von Labilität und Wandel gekennzeichnet ist. Ungefähr das gleiche sagt Werner Eck in seiner Auseinandersetzung mit Christian Witschel: »Krise heißt …, dass alles erkennbar und relativ plötzlich vieles anders, vor allem vieles schlech623 Siehe jetzt G. Alföldy, in: A. Donati (Ed.), Officina lapidaria. Atti del Convegno AIEGL – Borghesi 2010, im Druck, außerdem in CIL II2/14, 2, p. CVI. 624 Vgl. Anm. 595 zu Jacques Moreau und Anm. 626 zu Peter Herrmann, außerdem G. Alföldy, Greek, Roman and Byzantine Studies 15, 1974, 105 = in: ders., Die Krise des Römischen Reiches (Anm. 464), 335. 625 Siehe Anm. 125. 626 R. Vierhaus, Zum Problem historischer Krisen., in: K.-G. Fabre – Ch. Meier (Hrsg.), Historische Prozesse (München 1978), 328 f. Zitiert wird diese Krisendefinition auch von P. Herrmann, Hilferufe aus römischen Provinzen (Anm. 489), 328 f. und von H. Bruns, in: Fondements et crises (Anm. 128), 369.
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ter wurde, dass die Belastungen oft als eine nicht mehr tragbare Last empfunden wurden, dass vieles nicht nur nicht mehr wie gewohnt funktionierte, sondern in seiner Funktion zusammenbrach.«627 Aus all dem folgt freilich nicht, dass das Wort »Krise« für die Beschreibung einer Epoche, die auch zahlreiche Elemente von Kontinuität aufweist, zu negativ besetzt sei, wie Witschel meint, denn niemand hat je behauptet, dass sich im Laufe des 3. Jahrhunderts alles verändert hätte. Ich meine, dass die Transformationsprozesse des 3. Jahrhunderts – im Ganzen gesehen – all den genannten Kriterien für die Konstituierung einer Krise voll und ganz entsprechen.628 Was die Gesellschaftsordnung betrifft, soll damit nicht gesagt werden, dass sie in eine totale Krise geraten sei und ihre Strukturen einer »radikalen Umwälzung« unterworfen worden seien. Aber es wäre völlig verkehrt zu leugnen, dass der Strukturwandel im 3. Jahrhundert unvergleichlich tiefer griff als die historischen Prozesse während der ersten beiden Jahrhunderte der Kaiserzeit, mit dem Resultat, dass die von Diokletian und Konstantin aufgrund der Erfahrungen aus der Geschichte des 3. Jahrhunderts in vielfacher Hinsicht neu organisierte Gesellschaft sich von derjenigen der früheren Kaiserzeit, trotz alles Kontinuität verschiedener Grundelemente, doch wesentlich unterschied.629 Richtig durchdacht werden muss auch die Problematik der vor allem von Karl Strobel, aber auch von Christian Witschel und einigen weiteren Forschern geleugneten Existenz eines »Krisenbewusstseins« bei den Zeitgenossen des 3. Jahrhunderts, das ich in verschiedenen Untersuchungen aufgezeigt habe.630 Diese Arbeiten fanden bei zahlreichen sachkundigen Fachleuten ausdrückliche Zustimmung und regten
627 W. Eck, in: Crises and the Roman Empire (Anm. 481), 30. 628 Aus dem Komplex »Krise des 3. Jahrhunderts« sollte man nicht einmal die Wirtschaft ausklammern, wie dies Kai Ruffing mit Berufung auf die Prosperität der Städte Ägyptens tut (siehe Anm. 497 und 621); eine ähnliche Skepsis über eine Wirtschaftskrise findet such auch bei J.-M. Carrié – A. Rousselle, L’Empire romain en mutation (Anm. 481), 515 ff. Von der Krise der römischen Wirtschaft während des 3. Jahrhunderts spricht dagegen Th. Pekáry, Die Wirtschaft der griechisch-römischen Antike2 (Anm. 57), 117 ff. Was Ägypten betrifft, lassen sich die Erkenntnisse über die relativ günstige Situation der Städte in Ägypten oder in Nordafrika (vgl. dazu Witschels in Anm. 602 zitierte Arbeit) nicht auf andere Regionen wie z. B. selbst auf das von den Kriegen ebenso wenig wie diese Regionen getroffene Hispanien übertragen. Allerdings berichten die Papyri auch aus Ägypten über Verarmung und über die Entvölkerung des Landes, siehe S. 225 f. Zum Niedergang der römischen Landwirtschaft in der späteren Kaiserzeit, die schon am Ende des 2. Jahrhunderts begann, siehe u. a. W. Jongmann, in: Crises and the Roman Empire (Anm. 481), 245 ff. (»Gibbon was right«); R. P. Duncan-Jones, in: Approaching Late Antiquity. The Transition from Early to Late Empire (Anm. 498), 20 ff. 629 An diesem Punkt bin ich anderer Meinung als Ch. Witschel, Krise – Rezession – Stagnation (Anm. 481), 22. Siehe hierzu auch S. 273 ff. 630 G. Alföldy, Hermes 99, 1971, 629 ff. = in: ders., Die Krise des Römischen Reiches (Anm. 464), 273 ff. (mit Nachträgen) über Herodian, Historia 22, 1973, 479 ff. = Die Krise des Römischen Reiches 195 ff. (mit Nachträgen) über Cyprian; Greek, Roman and Byzantine Studies 15, 1974, 98 ff. = Die Krise des römischen Reiches, 341 ff. (mit Nachträgen) über die Autoren des 3. Jahrhunderts im Allgemeinen, etwas gekürzte deutsche Fassung in: G. Alföldy u. a. (Hrsg.), Krisen in der Antike. Bewusstsein und Bewältigung (Düsseldorf 1975), 112 ff.
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auch weitere ähnliche Studien mit dem gleichen Resultat an.631 Strobel hat in einem schwer verdaubaren Methodenkapitel seines Buches über das 3. Jahrhundert dargelegt, dass für das Verständnis der Reaktionen von Zeitgenossen auf die Vorgänge in ihrer Gegenwart die Erkenntnisse der historischen Anthropologie und der Psychologie herangezogen werden müssen, die uns lehren sollten, dass die Wahrnehmung der Realitäten durch die Menschen primär nicht durch ihre eigene Lebenserfahrung bestimmt ist: »Subjektives Zeiterleben und das fundamentale Verhältnis zur Zeit, das die Einstellung zur Zeitenfolge, zum Heute und Morgen bestimmt, sind dabei in ihrer komplexen Grundstruktur kultur-, traditions- und epochenbezogen und zugleich individuell ausgebildet«, womit die Wahrnehmung der Realitäten in erster Linie »kulturell geprägt wird.632 Zu diesem m. E. nicht ganz durchdachten Diskurs vermerkte Anthony Birley wohl recht zutreffend: »This section may not be to every one’s taste.«633 Strobels Kritik an einem »Krisenbewusstsein« im 3. Jahrhundert folgt sehr weitgehend auch Christian Witschel, auch wenn er Strobels totalen Negativismus nicht immer teilt.634 Hier gilt der Satz von Jakob Burckhardt: »Klagen über die schlechten Zeiten sind vorhanden aus allen Jahrhunderten, welche eine Literatur hinterlassen haben. Im römischen Reich aber wird der Verfall auf eine Weise eingestanden, welche gar
631 Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch L. de Blois in seinen Studien über die Ansichten der griechischen Autoren des 3. Jahrhunderts über ihre Zeit, Historia 33, 1984, 358 ff. und ANRW II 34, 3 (Berlin – New York 1998), 3391 ff., ders. in seiner Studie über den tiefgreifenden Mentalitätswandel in dieser Epoche, Mnemosyne 47, 1994, 166 ff.; D. S. Potter, Prophecy and History in the Crisis of the Roman Empire (Anm. 607); L. Polverini, in: Alte Geschichte und Wissenschaftsgeschichte (Anm. 229), 344 ff. über das Millenium von Rom im Bewusstsein der Zeitgenossen. Ausdrücklich zustimmend zu meinen Arbeiten über die Existenz eines Krisenbewusstseins im 3. Jahrhundert sprechen sich aus außer L. de Blois in seinen zitierten Arbeiten auch K.-P. Johne – U. Hartmann, in: Die Zeit der Soldatenkaiser (Anm. 403), 1049; M. Sommer, Soldatenkaiser2 (Anm. 481), 125. Siehe außerdem bes. M. Le Glay, Rome. Grandeur et chute de l’Empire (Anm. 481), 246 f. mit dem Schluss, dass nach der im Allgemeinen eher optimistischen Sicht der Gegenwart in der vorausgehenden Epoche »dans la deuxiéme moitié du IIIe siècle le ton et l’empleure des critiques et des réflexions changent. Les contemporains réalisent clairement qu’ils vivent un temps de crise, de crise grave et générale, entendons tous les domaines de l’existence.« Siehe ferner A. Giardina, in: The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World (Anm. 17), 763: »The perception of contemporaries is unanimous«. Vgl. noch L. Polverini, in: Fondements et crises (Anm. 128), 444 f., nach dem es erlaubt ist, von einer »percezione della crisi« zumindest »con riferimento a precisi ambiti sociali, geografici e ideologici o a concrete situazioni storiche« zu sprechen. Siehe auch noch Anm. 636. 632 K. Strobel, Das Imperium Romanum im ›3. Jahrhundert‹ (Anm. 481), 26 ff., bes. 29. Diese Position erinnert mich fatal an die in Deutschland in den jüngsten Zeit so virulente sog. Sarrazin-Debatte, ausgelöst durch das berühmte und berüchtigte Buch des Ökonomen und Politikers Thilo Sarrazin, Deutschland schafft sich ab: Wie wir unser Land aufs Spiel setzen (München 2010), nach dem die Intelligenzstufe und die Verhaltensweisen von Moslimen oder auch von Juden durch die Genen ihrer Rasse bestimmt seien. 633 A. R. Birley, Bonner Jahrb. 195, 1995, 707. 634 Ch. Witschel, Krise – Rezession – Stagnation? (Anm. 481), 25 ff. Strobels Position hält auch Y. Le Bohec, Das römische Heer in der Späten Kaiserzeit (Stuttgart 2010), 7 für übertrieben.
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keinen Zweifel übrig lässt.«635 Anders als die Werke von Autoren der vorausgehenden Epochen sind die Schriften der Autoren des 3. Jahrhunderts mit Cassius Dio beginnend voll von Klagen über die Probleme und Schwierigkeiten ihrer Gegenwart, nicht selten mit Hinweisen darauf, dass die Situation früher besser war. Vor allem Herodian und Cyprian, also je ein Vertreter der Heidentums und des Christentums, aber auch viele andere heidnische und christliche Schriftsteller, unter ihnen in besonders eindrucksvoller Weise der unbekannte griechische Autor in seinem Panegyrikus auf Philippus Arabs, beschreiben ausführlich die Defizite und Katastrophen der Zeit. Um zu behaupten, dass all diese Klagen nichts mit der Wahrnehmung der historischen Realitäten der Zeit zu tun haben, was nicht nur Strobel, sondern auch Witschel und andere tun, muss man wirklich ziemlich voreingenommen sein. Was Herodian betrifft, Martin Zimmermann hat gewiss recht, dass er in der Schilderung der Taten der Kaiser von der moralisierenden Arbeitsweise der antiken Historiographie beeinflusst ist, aber das ändert nichts an Herodians klarem Urteil über die krisenhaften Vorgänge seiner Zeit und nicht zuletzt an seinem Blick auch für soziale Probleme, den Zimmermann ebenfalls leugnet.636 Im Hinblick auf Cyprian hat Christoph Schuler in seiner kritischen Stellungnahme637 nicht gebührend berücksichtigt, dass Cyprian mit der Beschreibung der vielen Übel seiner Zeit, die nach seiner Feststellung das Römische Reich in einer besonderen continuatio, cumulatio und celeritas – also, wenn man so will, wie ein geballter »beschleunigter 635 J. Burckhardt, Die Zeit Constantins des Großen (Basel 1853) = Gesamtausgabe II, Berlin – Leipzig 1929, 207, englisch in: The Age of Constantine the Great (New York 1949), 216. 636 Siehe dazu oben mit Anm. 601. Gegen Zimmermanns Ansicht über die Realitätsferne Herodians siehe auch L. de Blois, in: The Transformation of Economic Life (Anm. 499), 210 Anm. 18. Mir folgt auch G. Marasco, ANRW II 34, 4 (Berlin – New York 1998), 2837 ff.; diametral dagegen mit einer kaum nachvollziehbaren Negativismus H. Sidebottom, ebd. 2792 ff.; unentschlossen B. Kuhn-Chen, Geschichtskonzeptionen griechischer Historiker im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. Untersuchungen zu den Werken von Appian, Cassius Dio und Herodian (Frankfurt am Main usw. 2002), 260. Vom dem »unerschütterlichen Optimismus«, der nach Zimmermann, Kaiser und Ereignis (Anm. 601), 327 Herodians Werk anstelle der Erkenntnis von krisenhaften Entwicklungen kennzeichnen soll, vermag ich beim besten Willen nichts zu erkennen. Auch die Leugnung der zahlreichen Reflexionen über die krisenhaften Entwicklungen seiner Zeit bei Herodian durch Ch. Witschel, Krise – Rezession – Stagnation? (Anm. 481), 53 f. mit der Meinung, bei der Beschreibung der großen Veränderungen würde es sich nur um literarische Topoi handeln, wird diesem Autor nicht gerecht: Welcher Autor früherer Zeiten hat eine so geballte Kritik über die Entwicklungen in verschiedenen politischen und sozialen Bereichen geboten? Einen Überblick über die Diskussion der Frage eines Krisenbewussteins bei Herodian bietet Th. H. Aber, Herodians Darstellung der Kaisergeschichte nach Marc Aurel (Basel 2006), 55 f. 637 Siehe Anm. 600. Schuler weist freilich zu Recht darauf hin, dass in der Beurteilung Cyprians die Forschung zumeist mir folgt. Auch Strobel, der in seinem Buch über das 3. Jahrhundert (Anm. 481) Cyprian ein langes Kapitel widmet (139 ff.) und sogar zu dem m. E. völlig abwegigen Resultat kommt, dass Cyprian nie das bevorstehende Weltende erwartet habe, kann mich mit seiner Kritik an meiner Interpretation nicht im geringsten überzeugen. Ch. Witschel, Krise – Rezession – Stagnation? (Anm. 481), 56 ff. meint in Strobels Folge ebenfalls völlig zu Unrecht, dass Cyprian keine Realitäten seiner Zeit beschreibt, sondern nur apokalyptische Topik ausbreitet, aber er leugnet wenigstens nicht, dass die Erwartungen des bevorstehenden Weltunterganges zu Cyprians Zeiten vielleicht doch »auf ein momentan erhöhtes Unsicherheitsgefühl« zurückgingen.
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Wandel« – treffen (Ad Demetr. 17), keineswegs einfach apokalyptische Topoi über das nahende Weltende wiederholt. In Kenntnis der Chronologie seiner Schriften, die sich auf einen Zeitraum von 12 Jahren von 246 bis 258 erstrecken, lässt sich sagen, dass Cyprian zunächst durchaus nicht an das rasch kommende Weltende gedacht hat, sondern erst durch Ereignisse des Jahres 251 zu der Überzeugung kam, dass das Ende der Welt unmittelbar bevorsteht; er hat aber diese Erwartung in seinen letzten Jahren wieder aufgegeben, da das Ende doch nicht gekommen war. Schuler erkennt diese Entwicklung der Ideen Cyprians an, zieht aber daraus nicht den richtigen Schluss. Auch unterschätzt er, wie übrigens auch Witschel, dass Cyprian nicht nur über die Vorgänge in seiner afrikanischen Heimat gut informiert war, sondern, durch seine Korrespondenz mit seinen z. T. einflussreichen Glaubensbrüdern in Rom, aber auch anderswo, sogar über vertrauliche Entscheidungen der großen Politik; so hatte er z. B. über die bevorstehende Christenverfolgung durch Decius früher Kenntnis als die Statthalter der Provinzen (Ep. 80,1). Nicht alle Christen lebten nur im Banne der Apokalypse, sondern viele erwarteten die Wiederkunft Christi entsprechend der Ermahnung des Kirchenvaters Tertullian, dass man die Zeichen der Zeit beachten muss: cursus saeculi intuere, tempora labentia dinumera, metas consummationis specta (Spect. 19,2). Als Indizien für die Erkenntnis oder zumindest die Erahnung der Probleme und Transformationen der Zeit ist die Literatur des 3. Jahrhunderts, die vielleicht als eine Sammlung von Reflexionen eines kleinen Kreises von Intellektuellen abgetan werden könnte, keineswegs unsere einzige Quelle. Die Herrscher waren sich dessen bewusst, dass ihre Zeit von großen Problemen und Gefahren für das Imperium Romanum gekennzeichnet war. Severus Alexander hat in seinem Edikt über das aurum coronarium offen eingestanden, dass sich der römische Staat damals in einer zeitbedingten Notlage, eigentlich in einem Niedergangsprozess (klinon), befand.638 Ramsay MacMullen hat gezeigt, dass die verschiedenen Reformmaßnahmen der Herrscher im Zeitalter der Soldatenkaiser gezielte Rektionen auf die zeitgenössischen Entwicklungen waren.639 Dem kann hinzugefügt werden, dass die späteren Reformen Diokletians und Konstantins nur auf der klaren Erkenntnis des Bedarfes umfassender Reformen unter Berücksichtigung der Erfahrungen ihrer Vorgänger gedeutet werden können. MacMullens Erkenntnisse können auch dadurch ergänzt werden, was in der hier vorliegenden Arbeit über das kaiserliche Programm der restitutio pietatis als Fundament für die Erneuerung des Reiches gesagt wurde (S. 226 f.). Unterstrichen werden muss auch, dass die Herrscher sich vor allem nach der Regierungszeit des Gallienus als Wiederhersteller der Ordnung des Imperiums feiern ließen. Diokletian selbst hat gesagt, dass das Römische Reich nur deshalb wieder in einen ruhigen Stand versetzt werden konnte, weil dafür mit viel Schweiß gearbeitet 638 Siehe hierzu bes. J. Moreau, Scripta Minora (Anm. 503), 34 f.; neuerdings A. Jördens, Statthalterliche Verwaltung (Anm. 305), 142 ff. 639 Siehe Anm. 594.
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worden war.640 Außerdem muss betont werden, dass wir auch über epigraphische, numismatische und archäologische Quellen verfügen, die uns über die Unzufriedenheit, sogar die Verzweiflung breiter Massen der Reichsbevölkerung über die aktuellen Zustände im Reich oder auch über die Angst von Zeitgenossen vor allem vor den Barbareneinbrüchen informieren. Hierzu gehören vor allem die von Peter Herrmann als deutliche Zeichen einer Krisenempfindung gedeuteten, von Christian Witschel zu Unrecht bagatellisierten Bittschriften an die Kaiser mit dem Ersuchen, die Ausbeutung, Misshandlung und Unterdrückung der Bevölkerung zu beenden.641 Berücksichtigt werden müssen aber auch die von Anthony Birley und von Johannes Nollé analysierten Inschriften und archäologische Befunde sowie die Münzbilder, die unter anderem auf die weit verbreitete Angst der Reichsbevölkerung vor Barbareneinbrüchen hinweisen.642 Erwähnt sei hier schließlich ein interessanter Beitrag des Archäologen Klaus Fittschen über die Entwicklung der römischen Kunst im 3. Jahrhundert in einem von mir vor fast vier Jahrzehnten unter dem Eindruck der Ölkrise von 1973 initiierten Sammelband von Studien über »Krisen in der Antike«, in dem er den Niederschlag der Krise in den bildenden Künsten erörtert.643 Natürlich wäre es verkehrt, für die Antike ein überall gleichermaßen verbreitetes und eindeutig zum Ausdruck gebrachtes Krisenbewusstsein anzunehmen, wie dies die Welt während der letzten hundert Jahre – dank der modernen Medien, die über alle Ereignisse sofort die ganze Welt informierten und sie auch mit suggestiven Kommentaren interpretierten – vor allem während der Weltwirtschaftskrise der Jahre 1929–1932, während der Ölkrise von 1973 und während der internationalen Banken- und Währungskrise der Jahre 2008–2009 erleben konnten. Von einem ähnlichen Krisenbewusstsein konnte in einer antiken Gesellschaft keine Rede sein.644 Auch darüber bräuchte man kaum ein Wort zu verlieren, dass die Massen der Reichsbevölkerung natürlich nicht den gleichen relativ weiten Blick für verschiedene Probleme hatten wie die Intellektuellen, deren Schriften uns erhalten 640 So im Edikt De pretiis (Anm. 406), Praefatio 5. Über die Propaganda der restitutio orbis siehe G. Alföldy, in: Religion und Gesellschaft in der römischen Kaiserzeit (Anm. 457), 94 ff. = in: ders., Die Krise des Römischen Reiches (Anm. 464), 384 ff. und in: Miscellania Emilio Marin (Anm. 558). 641 Zu Witschels Deutung der Hilferufe siehe Anm. 562. 642 In der Münzprägung des 3. Jahrhunderts hat übrigens nicht nur Johannes Nollé (Anm. 614), sondern schon vor ihm M. Christol, Revue Numismatique 6o ser. 18, 1976, 82 ff. Reflexionen über die Krise der Epoche erkannt. 643 K. Fittschen, in: Krisen in der Antike (Anm. 630), 112 ff. Dagegen K. Strobel, Das Imperium Romanum (Anm. 481), 39 ff. 644 Siehe dazu G. Alföldy, in: Die Krise des Römischen Reiches (Anm. 464), 345 ff. zu der Kritik von R. MacMullen, Roman Government’s Response to Crisis (Anm. 481), 218, nach dem ich »a far more rational assesment of the times by contemporaries« angenommen habe, als dies nachweisbar ist. Vielleicht habe ich mich seinerzeit nicht immer vorsichtig genug ausgedrückt, aber ich sehe zwischen unseren Ansichten keinen nennenswerten Unterschied. Auch Ch. Witschel, Krise – Rezession – Stagnation? (Anm. 481), 54 kämpft gegen Windmühlen, wenn er meint, dass jemand bei den Autoren des 3. Jahrhunderts das Interesse »an einer tiefreichenden Analyse einer Krise« in heutigem Sinne entdecken wollte oder will.
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sind. Daraus folgt aber nicht, dass sie es nicht begriffen haben, was – wie etwa die Armut, der Steuerdruck und die Willkür des Staatsapparates oder die Bedrohung durch die Barbaren – ihre eigene Lebenswelt unmittelbar betraf, und dass sie unfähig waren, das alles als ein Zeichen schlechter Zeiten zu betrachten, die sich von der glücklicheren Vergangenheit unterscheiden. Um Missverständnisse zu vermeiden, wäre es vielleicht zweckmäßiger, in Bezug auf das 3. Jahrhundert statt von »Krisenbewusstsein« wie bei den großen Krisen in den letzten hundert Jahren eher von »Krisenempfindung« zu sprechen, wie ich dies in meinem Beitrag »Zeitgeschichte und Krisenempfindung bei Herodian« getan habe.645 Daran ist jedenfalls schwerlich zu zweifeln, dass im 3. Jahrhundert viele Zeitgenossen begriffen oder zumindest gespürt haben, dass die Welt nicht mehr wie früher in Ordnung war. Im Zusammenhang mit der Frage »Krise oder Nichtkrise« bleibt freilich noch eine weitere Frage zu erörtern, die sowohl Historiker der Krise der römischen Republik als diejenigen der Geschichte des 3. Jahrhunderts n. Chr. beschäftigt. Wie allgemein bekannt, kommt das Wort »Krise« aus der Sprache der griechischen Medizin, in der krisis den Moment bezeichnet, in dem es sich entscheidet, ob der Kranke geheilt wird oder stirbt. Deshalb könnte erwartet werden, dass das Wort »Krise« als Metapher in der Historie für die Beschreibung kurzfristiger Prozesse und nicht für die Charakterisierung solcher Transformationen benutzt wird, die sich auf ein ganzes Jahrhundert erstrecken, wie dies z. B. für die Krise der römische Republik von manchen Forschern beanstandet wurde.646 In der Tat hat schon Fergus Millar in seiner Besprechung des Buches von Roger Rémondon, »La crise de l’empire romain de Marc-Aurèle à Anastase« aus dem Jahre 1964 die berechtigte Frage gestellt: »Can a crisis last 356 years?«.647 Klaus-Peter Johne und Udo Hartmann lehnen es für die Zeit der Soldatenkaiser ab, eine 50 Jahre lange Zeitspanne als Periode einer generellen Wirtschaftskrise zu betrachten,648 und Averil Cameron weist ebenfalls nicht ohne Grund darauf hin, dass die Inflation im Gebrauch des Wortes »Krise« in der Geschichtswissenschaft inzwischen viel Skepsis hervorgerufen hat.649 Allerdings ist die historische Wissenschaft nicht dazu verpflichtet, bei der Benutzung einer Metapher exakt der ursprünglichen Bedeutung eines Wortes zu folgen. In der Tat wurde und wird das Wort »Krise« von den Historikern für recht verschiedene Prozesse 645 G. Alföldy, Hermes 99, 1971, 429 ff. = in: ders., Die Krise des Römischen Reiches (Anm. 464), 273 ff. (mit Nachträgen). F. Vittinghoff, Hist. Zeitschr. 198, 1964, 529 ff. = Civitas Romana (Anm. 235), 435 ff. benutzt für die Beschreibung der Reflexionen der Zeitgenossen über die Situation des Imperium Romanum in der Spätantike den Begriff »geschichtliches Selbstverständnis«, was ebenfalls eine durchaus akzeptable Wortwahl ist. 646 Siehe Anm. 630. 647 F. Millar, JRS 55, 1965, 275. 648 K.-P. Johne – U. Hartmann, in: Deleto paene imperio Romano (Anm. 481), 1033. 649 Av. Cameron, Settimane di studio del Centro italiano sull’ alto medioevo 45, 1998, 9 ff., bes. 31. Allerdings war Averil Cameron als Mitherausgeberin der Neuausgabe des XII. Bandes der Cambridge Ancient History einverstanden damit, dass ein Zeitraum 134 Jahren mit der Überschrift »The Crisis of Empire AD 193–327« bezeichnet wird, siehe Anm. 481.
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mit unterschiedlich langer Dauer verwendet.650 So dürfte es nicht unberechtigt sein, folgenden Schluss zu ziehen: Es steht außer Zweifel, dass im Verlauf des 3. Jahrhunderts, nach einem Vorspiel in der Severerzeit, insbesondere im Zeitraum 235–284 immer wieder innen- und außenpolitische Krisen ausbrachen, aber auch, dass darüber hinaus die Transformationsprozesse in der wirtschaftlichen Produktion, im Währungssystem, in der demographischen Entwicklung, in der Sozialstruktur und im sozialen Leben, außerdem auch in der ideologisch-moralischen Sphäre viele Erscheinungen gegeben hat, die von der Labilität und dem beschleunigten Wandel der früheren Ordnung des Imperium Romanum zeugten und die Reichsbevölkerung mit Sorge und Angst erfüllten. Damit verdienen diese Entwicklungen die zusammenfassende Bezeichnung als »Krise«. Im Sinne der Definition umfassender Systemkrisen durch Rudolf Vierhaus kann man dann sagen, dass die Störungen, die in der römischen Welt mit unterschiedlicher Zeitstellung und in unterschiedlichen Bereichen des bestehenden Systems auftraten, ständig ineinander griffen und schließlich auf das ganze System auswirkten – was alles zusammen die »historische Krise« ausmacht. So dürfte es nicht abwegig sein, das 3. Jahrhundert als Epoche einer lange andauernden allgemeinen Krise des Römischen Reiches anzusehen, die zwar in den einzelnen Teilen des Imperium nicht nur mit unterschiedlichen Zeitverschiebungen und in unterschiedlicher Intensität auftrat, sondern neben dramatischen Tiefpunkten auch Ruhepausen kannte, die alte Ordnung nicht wie eine Revolution völlig vernichtet und durch eine ganz neue Ordnung ersetzt hat, sondern aus der alten Ordnung vieles bewahrte, aber im Ganzen gesehen alle Bereiche des Lebens umfasste.651 Zu all dem kommt noch, dass »Krise« im Sinne des ursprünglichen medizinischen Begriffes ein Vorgang mit offenem Ausgang sein sollte. Die Krise der römischen Republik, nach Christian Meier eine »Krise ohne Alternative«,652 war kein solcher Vorgang, die Krise des 3. Jahrhunderts dagegen schon. Die Alternative wäre im 3. Jahrhundert der Zerfall des Reiches gewesen – eine Gefahr, die um die Mitte des Jahrhunderts als eine realistische Bedrohung erschien. Doch konnte das Imperium Romanum noch genügend Kräfte aufbieten, um das Reich zu retten, aber nur zu dem Preis, dass seine Strukturen vollauf reformiert werden mussten. 650 Vgl. dazu H. Schöllgen (Hrsg.), Die Wahrnehmung von Krisenphänomenen. Fallbeispiele von der Antike bis in die Neuzeit (Köln – Weimar – Wien 2007). 651 Es sei hier erwähnt, dass selbst Frank Kolb, der als erster den Gebrauch des Wortes »Krise« durch den Terminus »beschleunigter Wandel« zu ersetzen vorschlug und auf den sich die Gegner des »Krisenmodells« gerne berufen, diesen Wandel als Kennzeichen des 3. Jahrhunderts »in allen Lebensbereichen« angesehen hat, Bonner Festgabe Johannes Straub (Anm. 565), 277. Vielleicht ließe sich der hier dargelegte Standpunkt auch mit Christian Witschels Position einigermaßen in Einklang bringen, der für die Zeit zwischen 250/260 und 280/290 »den Begriff Krise grundsätzlich gelten lassen« würde, »allerdings nur unter der Voraussetzung, dass man darunter nicht ein einheitliches Szenarium versteht, sondern auf die unterschiedlichsten regionalen Ausprägungen achtet«, Krise – Rezession – Stagnation (Anm. 481), 375. 652 Siehe Anm. 86.
VII. DIE SPÄTRÖMISCHE G ESELLSCHAFT
Voraussetzungen und allgemeine Merkmale Die sozialen Verhältnisse während der Späten Kaiserzeit beruhten weitgehend auf den Strukturen, die in der von Krisen geschüttelten Epoche von der spätantoninischen Zeit bis zu den Zeiten der Soldatenkaiser zustande gekommen waren. Das bedeutete keine völlige Abkehr von den Strukturelementen der Hohen Kaiserzeit, denn verschiedene traditionelle Grundlagen der Ordnung Roms hatten auch weiterhin Bestand, so etwa, trotz aller Veränderungen in ihrer Situation, die zentrale Bedeutung der Städte im politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben.653 Diokletian und Konstantin zogen aber aus den Entwicklungen des vorausgehenden Jahrhunderts die Lehren und trafen energische Maßnahmen, die das Herrschaftssystem, die Reichsverwaltung, die Grenzverteidigung und die Heeresorganisation, die Wirtschaft, das Sozialgefüge des Imperiums und mit der Anerkennung des Christentums als staatstragende Kraft unter Konstantin auch die geistige Orientierung des Römertums auf neue Grundlagen stellten.654 Somit war 653 Zur Bedeutung der Städte im Spätrömischen Reich vgl. F. Vittinghoff, in: H. Jankuhn – W. Schlesinger – H. Steuer (Hrsg.), Vor- und Frühformen der europäischen Stadt im Mittelalter (Göttingen 1973), 92 ff. Die ungebrochene Kontinuität des Städtewesens in der Spätantike wird von den meisten Autoren betont im Sammelband von J.-U. Krause – Ch. Witschel (Hrsg.), Die Stadt in der Spätantike – Niedergang oder Wandel? Akten des internationalen Kolloquiums in München am 30. und 31. Mai 2003 (Stuttgart 2006). Siehe aber S. 276 und 295 ff. mit Hinweisen auf den Niedergang der Städte. Vgl. noch Th. S. Burns – J. W. Eadie (Eds.), Urban Centers and Rural Contexts in Late Antiquity (Michigan 2001). 654 Über Kontinuität und Wandel der Strukturen im Spätrömischen Reich siehe bes. folgende zusammenfassende Arbeiten: E. Stein, Histoire du Bas-Empire I–II (Paris 1959); A. H. M. Jones, The Later Roman Empire 284–602. A Social, Economic and Administrative Survey I–III (Oxford 1964, Reprint 1984); A. Chastagnol, L’évolution politique, sociale et économique du monde romain 284–363 (Paris 1985); M. Christol – S. Demougin – Y. Duval – C. Lepelley – L. Pietri (Eds.), Institutions, société et vie politique dans l’Empire romain au IVe siècle ap. J.-C. (Paris – Roma 1992); Av. Cameron, The Later Roman Empire (AD 284–430) (London 1993); dies., The Mediterranean World in Late Antiquity, AD 395–600 (London – New York 1993); J. Martin, Spätantike und Völkerwanderung (München 1995); S. Corcoran, The Empire of the Tetrarchs: Imperial Pronouncements and Government, AD 284–324
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das Gesellschaftssystem des Spätrömischen Reiches ebenso von der Kontinuität herkömmlicher Strukturen wie von neuen Merkmalen gekennzeichnet.655 Ein neues Element war natürlich die rechtliche Integration der Christen in die römische Gesellschaft durch die konstantinische Wende, aber die Christen bildeten innerhalb der Gesellschaft keinen Sonderkörper, sondern waren nach sozialen Kriterien auf
(Oxford – New York 1996); H. Brandt, Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Diokletian und Konstantin bis zum Ende der konstantinischen Dynastie (284–363) (Berlin 1998); G. W. Bowersock – P. Brown (Eds.), Late Antiquity. A Guide to the Postclassical World (Cambridge, Mass. – London 1999); Av. Cameron – P. Garnsey (Eds.), The Cambridge Ancient History2 XIII. The Late Empire, A.D. 337– 425 (Cambridge 1998); Av. Cameron – B. Ward-Perkins – M. Whitby (Eds.), The Cambridge Ancient History2 XIV. Late Antiquity. Empire and Successors, A.D. 425–600 (Cambridge 2000); P. Garnsey – C. Humfress, The Evolution of the Late Antique World (Cambridge 2001); S. Mitchell, A History of the Later Roman Empire, AD 284–641. The Transformation of the Ancient World (Malden 2007). 655 Für die sozialen Verhältnisse in der Späten Kaiserzeit grundlegend: A. H. M. Jones, The Later Roman Empire (Anm. 654). Siehe auch bes. A. Piganiol – A. Chastagnol, L’Empire chrétien (325–395)2 (Paris 1972), 381 ff.; A. Chastagnol, L’évolution politique, sociale et économique du monde romain de Diocletien à Julien. La mise en place du régime du Bas-Empire (284–363) (Paris 1982), 265 ff.; A. Giardina (Ed.), Società romana e impero tardoantico I. Istituzioni, ceti, economie (Am. 595); F. Vittinghoff, Gesellschaft 2. Späte Kaiserzeit, in: Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte in der römischen Kaiserzeit (Anm. 182), 277 ff.; Av. Cameron, The Later Roman Empire (Anm. 654), 112 ff.; dies., The Mediterranean World in Late Antiquity (Anm. 654), 81 ff.; A. Marcone, in: The Cambridge Ancient History2 XIII (Anm. 654), 338 ff.; J.-U. Krause, Klassen (Anm. 124), 1195 ff. und 1208 ff.; A. Demandt, Die Spätantike2 (Anm. 397), 325 ff. Vgl. noch F. Tinnefeld, Die frühbyzantinische Gesellschaft. Struktur – Gegensätze – Spannungen (München 1977); J. Matthews, Political Life and Culture in Late Roman Society (London 1985); V. A. Sirago, L’uomo del IV secolo (Napoli 1989); R. Lim, Public Disputation, Power, and Social Order in Late Antiquity (Berkeley – Los Angeles 1995); R. W. Mathisen (Ed.), Law, Society, and Authority in Late Antiquity (Oxford 2001); P. Sarris, Economy and Society in the Age of Justinian (Cambridge 2006). Aus der früheren Literatur bieten noch immer nützliche Überblicke S. Dill, Roman Society in the Last Century of the Western Empire2 (London 1905); J. Gagé, Les classes sociales (Anm. 182), 335 ff.; A. Chastagnol, Le Bas-Empire (Paris 1969), 53 ff. Mangelhaft und irreführend ist die Arbeit von W. Held, Die Vertiefung der allgemeinen Krise im Westen des römischen Reiches. Studien über die sozialökonomischen Verhältnisse am Ende des 3. und in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts (Berlin 1974). Zu vielen Einzelfragen sehr nützlich S. Mazzarino, Aspetti sociali del quarto secolo. Ricerche di storia tardoromana (Roma 1951); W. Seyfarth, Soziale Fragen der spätrömischen Kaiserzeit im Spiegel des Theodosianus (Berlin 1963); M. Christol – S. Demougin – Y. Duval – C. Lepelley – L. Pietri (Eds.), Institutions, société et vie politique dans l’Empire romain au IVe siècle (Anm. 654). Für einzelne Fragen der spätrömischen Sozialgeschichte reiches Material findet sich bei A. Chastagnol u. a., Transformations et conflicts au IVe siècle ap. J.-C. (Bonn 1978). Zu einzelnen Regionen und Provinzen siehe bes. L. Ruggini, Economia e società nell’ »Italia annonaria«. Rapporti fra agricoltura e commercio del IV al VI secolo d. C. (Milano 1961); B. H. Warmington, The North African Provinces from Diocletian to the Vandal Conquest (Cambridge 1954); H.-J. Diesner, Der Untergang der römischen Herrschaft in Nordafrika (Weimar 1964); J. M. Blázquez, Estructura económica y social de Hispania durante la Anarquia militar y el Bajo Imperio (Madrid 1964); M. Kulikowksi, Late Roman Spain and its Cities (Anm. 622); R. Teja, Organización económica y social de Capadocia en el siglo IV, según los padres capadocios (Salamanca 1974); R. Bagnall, Egypt in Late Antiquity (Princeton 1993). Darstellung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in einer Provinz im 5. Jahrhundert durch einen Zeitgenossen: Eugippius, Vita Sancti Severini (für Noricum); dazu R. Noll, Eugippius. Das Leben des heiligen Severin (Berlin 1963); F. Lotter, Severinus von Noricum, Legende und Wirklichkeit, Stuttgart 1976.
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die einzelnen Schichten und Gruppen der Gesamtgesellschaft verteilt.656 Völlig neue soziale Kräfte kamen erst seit dem 5. Jahrhundert infolge der Herausbildung germanischer Territorialstaaten auf römischem Boden zur Geltung. Dennoch vermochten sie die Grundlagen der spätrömischen Gesellschaftsordnung in diesem Jahrhundert noch nicht wesentlich zu ändern. Das spätantike Gesellschaftssystem wurde erst seit dem 6. Jahrhundert, als die römische Ordnungsmacht im Westen überhaupt nicht mehr existierte, allmählich von einem völlig neuen Sozialgefüge abgelöst. Der Übergang von der »Antike« zum »Mittelalter« erfolgte jedenfalls im gesellschaftlichen Leben ebenso wie im Ganzen nicht auf einen Schlag, sondern stellte einen »breiten Streifen allmählicher Veränderungen« dar, in dem der Zerfall des Weströmischen Reiches nur in dem Sinne einen deutlichen Einschnitt bildete, dass dadurch im Westen der politische Rahmen für die römische Gesellschaft unterging.657 Die Kontinuität der Sozialentwicklung während der Späten Kaiserzeit ergab sich vor allem dadurch, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen, die sich während der Krise des 3. Jahrhunderts z. T. neu gebildet hatten, auch weiterhin wirksam blieben und zunächst keiner grundlegenden Änderung unterlagen.658 Unter Diokletian (284–305) und Konstantin dem Großen (306–337) wurde die wirtschaftliche Lage des Römischen Reiches durch harte Maßnahmen weitgehend stabilisiert und in der Folgezeit etwa bis zur Regierungszeit Valentinians I. (364–375) auch kaum erschüttert. Dennoch waren die Folgen des Strukturwandels, der sich im 3. Jahrhundert abgespielt hatte, nicht mehr rückgängig zu machen. In vielen Städten des Reiches wiesen die urbanen Strukturen zwar eine deutliche Kontinuität auf, aber auch die Zeichen des Verfalls sind nicht zu verkennen, wobei die großen Unterschiede zwi-
656 Zu den Christen in der spätrömischen Gesellschaft siehe bes. G. Bonamente – A. Nestori (Eds.), I cristiani e l’impero nel IV secolo. Colloquio sul Cristianesimo nel mondo antico (Macerata 1988); J. Martin – B. Quint (Hrsg.), Christentum und antike Gesellschaft (Anm. 262); P. Brown, Authority and the Sacred Aspects of the Christianisation of the Roman World (Cambridge 1995); Ch. Pietri, Société crétienne, in: ders., Christiana respublica. Éléments d’une enquête sur le christianisme antique II (Paris 1997), 771 ff.; M. Humphries, Communities of the Blessed. Social Environment and Religious Change in Northern Italy, AD 200–400 (Oxford 1999). Vgl. noch die Literatur in Anm. 262. 657 Vgl. dazu bes. F. Vittinghoff, in: P. E. Hübinger (Hrsg.), Zur Frage der Periodengrenze zwischen Altertum und Mittelalter (Darmstadt 1969), 298 ff.; zum Charakter der Übergangsperiode als »breiter Streifen allmählicher Veränderungen« H. Aubin, ebd. 93 ff., mit Hinweis auf dens., Antike und Abendland 3, 1948, 88 f. Zur Beurteilung des Überganges von der Antike zum Mittelalter siehe auch P. E. Hübinger, ebd. 14 ff. und bes. K. F. Stroheker, ebd. 206 ff. 658 Zur Wirtschaft in der Späten Kaiserzeit siehe bes. A. H. M. Jones, The Later Roman Empire (Anm. 654), 411 ff. und 712 ff.; Th. Pekáry, Die Wirtschaft der griechisch-römischen Antike2 (Anm. 57), 124 ff. Siehe sonst die Literatur oben in Anm. 628, dazu u. a. noch bes. G. Mickwitz, Geld und Wirtschaft im römischen Reich des 4. Jahrhunderts n. Chr. (Helsingfors 1932); F. W. Walbank, The Decline of the Roman Empire in the West (London 1946); K. Hannestad, L’évolution des ressources agricoles de l’Italie du 4ème au 6ème siècle de notre ère (København 1962); T. Précheur-Canonge, La vie rurale en Afrique romaine d’après les mosaïques (Paris 1962); P. Garnsey, Prolegomenon to a Study of Land in the Later Roman Empire (Amsterdam 1996); J. Banaji, Agrarian Change in Late Antiquity. Gold, Labour and Aristocratic Dominance (Oxford 2001).
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schen einzelnen Regionen beachtet werden müssen.659 So funktionierten z. B. in den hispanischen Städten, von denen zahlreiche bereits früher dem Niedergang preisgegeben worden waren (S. 264), die Wasserversorgung durch die Aquädukte und die Kanalisation zumeist nicht mehr. Die handwerkliche Produktion und das Handelsleben erreichten in den urbanen Zentren – vor allem in der westlichen Hälfte des Imperiums – nicht mehr die Prosperität wie in der früheren Kaiserzeit. So stieg die Bedeutung der Landwirtschaft als Hauptquelle des Einkommens und des Reichtums noch weiter an als früher. Doch musste auch sie an ständigen Strukturschwächen leiden, die sich vor allem aus dem Arbeitskraftmangel und auch aus der oft wenig rentablen Bewirtschaftung des Bodens durch Kolonen ergaben. Die Entvölkerung ländlicher Siedlungen ist zumindest im 5. und 6. Jahrhundert deutlich nachzuweisen; in den nördlichen Grenzprovinzen zog sich die Bevölkerung – auch aus den Städten – oft auch in die beschützten Höhensiedlungen zurück.660 In immensem Maße wuchsen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten nach dem Ausbruch der neuen politischen Krise infolge der beginnenden Völkerwanderung unter dem Druck der Hunnen (375). Diese Krise führte kurzfristig zur vernichtenden Niederlage Roms gegen die Goten bei Hadrianopel (378). Aber auch ihre langfristigen Folgen waren nicht zu übersehen. Nach dem Tode des Theodosius I. (379–395) wurde der westliche Teil des Reiches von Barbaren überflutet, mit dem Resultat, dass zahlreiche Städte zerstört oder weitgehend entvölkert wurden. Das hatte vor allem für das Handwerk und den Handel schlimme Folgen, auch wenn die Lage selbst innerhalb des römischen Westens in einzelnen Gebieten recht unterschiedlich sein konnte. Zu einem Stillstand der handwerklichen Produktion und des Handels kam es zwar nirgends, und auch das städtische Leben hörte in keinem Teil des Reiches gänzlich auf. Aber die Stadt-Land-Beziehungen basierten nicht mehr wie in der früheren Kaiserzeit auf der Stärke der städtischen Produktionszentren, sondern auf der wachsenden Bedeutung der Landgüter. Bezeichnenderweise gingen die großen Güter schon seit dem 4. Jahrhundert zunehmend dazu über, dass sie ihren Bedarf an handwerklichen Erzeugnissen nicht mehr hauptsächlich durch Han-
659 Zum Forschungsstand vgl. J.-U. Krause – Ch. Witschel (Hrsg.), Die Stadt in der Spätantike – Niedergang oder Wandel (Anm. 653). Sonst siehe bes. im Allgemeinen J. H. W. G. Liebeschuetz, Decline and Fall of the Roman City (Oxford 2001); für die Zustände in Rom B. Lançon, Rome in Late Antiquity. Everyday Life and Urban Change, A.D. 312–609 (New York 2000); über Rom und die Städte Italiens Ch. Witschel, Bonner Jahrb. 201, 2001 (2004), 113 ff.; für Nordafrika C. Lepelley, Les cités de l’Afrique romaine au Bas-Empire I-II (Paris 1979/81); für Hispanien M. Kulikowski, Late Roman Spain and its Cities (Anm. 622) (im Ganzen gesehen mit einem viel zu günstigem Urteil); für weitere Regionen siehe die Beiträge in J.-U. Krause – Ch. Witschel (Hrsg.), Die Stadt in der Spätantike – Niedergang oder Wandel. 660 Siehe dazu u. a. A. G. Poulter, in: The Transformation of Economic Life (Anm. 499), 245 ff. über den nordöstlichen Balkan; er spricht sogar von einem »collapse in the countryside«. Zum Verfall zahlreicher Städte siehe A. Lampen – A. Owzar (Hrsg.), Schrumpfände Städte. Ein Phänomen zwischen Antike und Moderne (Köln – Weimar – Wien 2009); dass dieses Phänomen nicht überall gleichermaßen nachweisbar ist, betont zu Recht Ch. Witschel, ebd. 17 ff.
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del, sondern weitgehend durch eigene Produktion deckten. Entsprechend diesen Voraussetzungen waren in der spätrömischen Gesellschaft die Besitzer von Latifundien noch eindeutiger als früher die wirtschaftlich maßgebende Führungsschicht, und die besitzlose Masse der niedrigeren Bevölkerung war von dieser Großgrundbesitzerschicht noch abhängiger als zuvor. Dass dieser sozialgeschichtliche Entwicklungsprozess mit dem Zerfall des Imperium Romanum verknüpft war, ist keineswegs nur auf den wachsenden Druck der Barbaren auf das Römische Reich zurückzuführen, sondern auf sehr komplexe und vielfache Ursachen, von denen die sozialen sich am ehesten unter dem Begriff der »Entfremdung der römischen Gesellschaft von ihrem Staatssystem« zusammenfassen lassen. Den wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten, den zunehmenden sozialen und politischen Problemen und den ideologischen Konflikten der Spätantike konnte die kaiserliche Monarchie nur eine forcierte Macht- und Zentralisierungspolitik entgegensetzen. Für die Verwirklichung dieser Politik war jedoch ein riesiger, recht kostspieliger Machtapparat erforderlich, und für den Staat stellte sich immer mehr das Problem, wie er die Existenz dieses Apparates aus den nur noch spärlich fließenden Wirtschaftsquellen in Stadt und Land sichern konnte. Der spätrömische Staat wandte, ähnlich wie teilweise auch schon die Monarchie des 3. Jahrhunderts, zunehmend verschärfte Methoden an, um Dekurionen, Kaufleute, Handwerker und Landarbeiter zu entsprechenden Arbeitsleistungen und Abgaben zu verpflichten, und er baute dieses Unterdrückungssystem durch die Forcierung der Berufserblichkeit, ferner durch einen komplizierten Steuersystem mit zahlreichen alten und neuen Steuern weiter aus.661 Die zunehmende Unfreiheit und der Steuerdruck lasteten schwer auf breiten Bevölkerungsgruppen, denen der Staat allmählich eher als Gegner und kaum noch als Beschützer erschien. Zugleich verkörperte aber der Staat auch nicht mehr die Interessen der Großgrundbesitzerschicht.662 Die heutige Forschung sieht zwar im spätrömischen Staatswesen keinen brutalen »Zwangsstaat« mehr wie viele frühere Althistoriker und hat von der kaiserlichen Herrschaft der Spätantike ein günstigeres Bild als die frühere Forschung.663 Dass 661 Siehe hierzu bes. A. Déléage, La capitation du Bas-Empire (Mâcon 1945); A. H. M. Jones, JRS 47, 1957, 88 ff.; J. Karayannopulos, Das Finanzwesen des frühbyzantinischen Staates (München 1958); E. Faure, Étude de la capitation de Dioclétien d’après le Panégyrique VIII (Paris 1961); I. Hahn, Acta Ant. Hung. 10, 1962, 123 ff.; W. Goffart, Caput and Colonate: towards a History of Late Roman Taxation (Toronto – Buffalo 1974); A. Cerati, Caractère annonaire et assiette de l’impôt foncier au Bas-Empire (Paris 1975). Über die Besteuerung der spätrömischen Senatoren siehe G. Gera – S. Giglio, S., La tassazione dei senatori nel tardo impero romano (Roma 1984). 662 Zur Bedeutung des Steuerdruckes für die Entfremdung zwischen Gesellschaft und Staat siehe A. H. M. Jones, Antiquity 33, 1959, 39 ff. = in: ders., The Roman Economy (Anm. 235), 82 ff., deutsch in: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit (Anm. 397), 100 ff. Zum Verhältnis zwischen Kaiser und Gesellschaft im Spätrömischen Reich vgl. R. Laqueur, in: Probleme der Spätantike, Vorträge … von R. Laqueur, H. Koch, W. Weber (Stuttgart 1920), 1 ff. 663 Gegen die Idee des »Zwangstaates« siehe bes. H. Horstkotte, Die ›Steuerhaftung‹ im spätrömischen ›Zwangsstaat‹2 (Frankfurt am Main 1988). Vgl. auch F. Vittinghoff, Gesellschaft 2. Späte Kaiserzeit (Anm. 655), 340 ff.
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das Kaisertum jedoch noch autoritärer war und dass der Herrscher der Gesellschaft noch stärker entrückte als zuvor, daran ist allerdings kaum zu zweifeln. Insgesamt betrachtet lässt sich sagen, dass das spätrömische Kaisertum gleichzeitig bemerkenswerte Stärken und ebenso deutliche Schwächen aufwies, wobei sich diese letzteren im Laufe der Zeit immer deutlicher zeigten. Averil Cameron hat das spätrömische Kaisertum zutreffend mit folgenden Worten charakterisiert: »During that period we can see both the resilience of the Roman imperial system and the inertia of premodern society.«664 Die Kaiser legten sich nicht nur Titel zu, die ihren Machtanspruch in einer früher zumindest in lateinischen Inschriften unvorstellbaren Weise bekundeten, so etwa Bezeichnungen wie dominus rerum humanarum (CIL VI 1198 = ILS 807), wobei das seit Konstantin dem Großen verbreitete Selbstlob bono rei publicae natus oder bono generis humani creatus665 nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass die Kaiser sich als uneingeschränkte Beherrscher des Menschengeschlechtes verstanden. Der Umgang mit ihnen wurde durch ein strenges, stark durch orientalische Vorbilder beeinflusstes Hofzeremoniell geregelt.666 Ungehorsam gegen die Herrscher galt nicht nur als Straftat, sondern als Sakrileg.667 Am kaiserlichen Hof diente ihnen eine große Schar von Subalternen.668 Unter diesen bekamen, anders als in den früheren Jahrhunderten des Kaisertums, bezeichnenderweise die Eunuchen eine besondere Verstrauensstellung und damit eine besondere Machtposition; sie waren nämlich von der sonstigen Führungselite isoliert, in deren Kreisen sogar verhasst, konnten keinen Erbadel konstituieren und waren somit allein auf den Kaiser fixiert, für den sie einen höchst effizienten Kontrollapparat bildeten.669 Der Kaiserbegriff der Heiden und der Christen unterschied sich zwar dadurch, dass der Herrscher für die Ersteren nach wie vor als Gott erschien (z. B. Paneg. 12,4,5), während die Letzteren in ihm einen Herrscher aus Gottes Gnaden erblickten. Am sakralen Charakter des Kaisers und somit an der unendlichen Entfernung zwischen Herrscher und Untertanen änderte das nichts, da der Kaiser auch in christlicher Sicht der Auserwählte der summa divinitas war, dem diese »die Regierung alles Irdischen übertrug«.670 Seine 664 Av. Cameron, The Later Roman Empire (Anm. 654), 193. Zum gleichzeitigen Traditionalismus und zur – begrenzten – Innovationsfähigkeit des spätrömischen Herrschaftssystems siehe F. M. Clover – R. S. Humphreys (Eds.), Traditions and Innovations in Late Antiquity (Madison 1989). 665 Zur Entwicklung der Kaisertitulatur in der Spätantike siehe bes. Th. Grünewald, Constantinus Maximus Augustus. Herrscherpropaganda in der zeitgenössischen Überlieferung (Stuttgart 1990). 666 A. Alföldi, Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreiche (Darmstadt 1970). 667 Zur Rechtsentwicklung in der Späten Kaiserzeit siehe F. Wieacker, Recht und Gesellschaft der Spätantike (Stuttgart 1965). Vgl. J. Harries, Law and Empire in Late Antiquity (Cambridge 1999). 668 Zum spätantiken Kaiserhof siehe A. Winterling, (Hrsg.), Comitatus. Beiträge zur Erforschung des spätantiken Kaiserhofs (Berlin 1998). 669 P. Guyot, Eunuchen als Sklaven und Freigelassene in der griechisch-römischen Antike (Stuttgart 1980); H. Scholten, Der Eunuch in Kaisernähe. Zur politischen und sozialen Bedeutung des praepositus sacri cubiculi im 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. (Frankfurt am Main 1995); über dieses Amt siehe auch J. A. Dunlap, Univ. of Michigan Studies, Human. Ser. 14, 1924, 161 ff. 670 Opt. Milev., App. 3. Über den Herrscherbegriff der Spätantike siehe W. Ensslin, Gottkaiser
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Machtstellung wurde seit den Verwaltungs- und Heeresreformen Diokletians und Konstantins durch einen weiter vergrößerten bürokratischen Apparat und durch ein reorganisiertes Heer – im 4. Jahrhundert mit einer Stärke von mindestens 435.000, doch eher etwa 560.000 Mann – gesichert.671 Der zivile Machtapparat umfasste das Privatpersonal des Herrschers (sacrum cubiculum) und das Personal der zentralen Verwaltungsressorts, die zusammen das Hofpersonal (comitatus) bildeten, ferner die vielen Behörden der zivilen Administration und der Armeekommandos in den einzelnen größeren Verwaltungsbezirken und in den einzelnen Provinzen des Reiches.672 Die Hauptaufgaben dieses Apparates lagen in der Sicherung der Reichseinheit sowie in der Kontrolle der Arbeitsleistungen und Abgaben. Dem gleichen Zweck diente auch die stark intensivierte Rechtspflege, die in aktiver gesetzgeberischer Tätigkeit und in der Kodifikation der Gesetze und Verordnungen zum
und Kaiser von Gottes Gnaden (München 1943); J. Straub, Vom Herrscherideal in der Spätantike2 (Stuttgart 1964); A. Pabst, Comitia imperii. Ideelle Grundlagen des römischen Kaisertums (Darmstadt 1997); F. Kolb, Herrscherideologie in der Spätantike (Berlin 2001); vgl. noch C. Kelly, Ruling the Later Roman Empire (Cambridge, Mass. – London 2004), außerdem A. Lippold, Historia 17, 1968, 228 ff.; J. Béranger, Mus. Helv. 27, 1970, 242 ff. = in: ders., Principatus (Anm. 168), 429 ff. 671 Zum spätrömischen Heerwesen siehe D. Van Berchem, L’armée de Dioclétien et la réforme constantinienne (Paris 1952); R. I. Frank, Scholae Palatinae (Rome 1969); D. Hoffmann, Das spätrömische Bewegungsheer I–II (Düsseldorf 1969/70); jetzt grundlegend Y. Le Bohec, L’armée romaine sous le Bas-Empire (Paris 2006) = Das römische Heer in der Späten Kaiserzeit (Anm. 634). Zur Stärke des spätrömischen Heeres vgl. bes. A. H. M. Jones, The Later Roman Empire (Anm. 654), 679 ff. Über die Versorgung des spätrömischen Heeres grundlegend: F. Mitthof, Annona militaris. Die Heeresversorgung im spätantiken Ägypten. Ein Beitrag zur Verwaltungs- und Heeresgeschichte des Römischen Reiches im 3. bis 6. Jh. n. Chr. Erster Teil: Darstellung. Zweiter Teil: Katalog (Firenze 2001). 672 Zum Staatsapparat siehe zusammenfassend J. B. Bury, History of the Later Roman Empire (Nachdruck New York 1958), 1 ff.; A. H. M. Jones, The Later Roman Empire (Anm. 654), 321 ff. und 366 ff.; A. Giardina, Aspetti della burocrazia nel Basso Impero (Roma 1977). Zu den wichtigsten Ämtern der Reichsverwaltung siehe: A. Chastagnol, La préfecture urbaine à Rome sous le Bas-Empire (Paris 1960); W. Sinnigen, The Officium of the Urban Prefecture during the Later Roman Empire (Roma 1957); J.-R. Palanque, Essai sur la préfecture du prétoire du Bas-Empire (Paris 1933); E. Stein, Untersuchungen über das Officium der Prätorianerpräfekten seit Diokletian (Wien 1922); J. Migl, Die Ordnung der Ämter. Prätorianerpräfekten und Vikariat in der Regionalverwaltung des Römischen Reiches von Konstantin bis zur Valentinianischen Dynastie (Frankfurt am Main 1994); A. E. R. Boak, Univ. of Michigan Studies, Human. Ser. 14, 1924, 1 ff. sowie M. Clauss, Der magister officiorum in der Spätantike (4.-6. Jahrhundert). Das Amt und sein Einfluss auf die kaiserliche Politik (München 1980) (über den magister officiorum); A. Demandt, RE Suppl. XII, 1970, 533 ff. (über den magister militum); P. Weiss, Consistorium und Comites Consistoriani. Untersuchungen zur Hofbeamtenschaft des 4. Jahrhunderts n. Chr. auf prosopographischer Grundlage (Würzburg 1975); R. Delmaire, Largesses sacrés et res privata. L’aerarium impérial et son administration du IVe au VIe siècle (Paris – Roma 1989); ders., Les responsables des finances imperiales au Bas-Empire romain (IVe-VIe s.). Études prosopographiques (Bruxelles 1989); ders., Les institutions du Bas-Empire romain de Constantin à Justinien I. Les institutions civiles palatines (Paris) 1995. Siehe noch Anm. 669 über das Amt des praepositus sacri cubiculi. Zur Verwaltung Italiens siehe F. M. Ausabüttel, Die Verwaltung der Städte und Provinzen im spätantiken Italien (Frankfurt am Main usw. 1988); G. A. Cecconi, Governo imperiale e élites dirigenti nell’Italia tardoantica. Problemi di storia politico-amminisitrativa (270–476 d. C.) (Como 1994). Vgl. auch Anm. 697.
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Ausdruck kam.673 Die Machtstellung des Kaisertums wurde besonders durch die Tatsache unterstrichen, dass der Senat bei der Ausübung der Herrschaft nicht mehr jene immerhin zu beachtende Kontrollinstanz verkörperte wie in der früheren Kaiserzeit. Im Westen des Imperiums, wo die Herrscher nicht in Rom, sondern in Trier, Mailand, Ravenna oder anderswo ihren Sitz hatten, konnten zwischen dem Kaiser und dem Senat nicht einmal mehr regelmäßige Konsultationen stattfinden. Im 4. Jahrhundert war dieses Regime stark genug, um seine Existenz fest zu behaupten und damit die Einheit des Reiches zu wahren. Aber durch die gewaltsame Unterdrückung breitester sozialer Gruppen beraubte es sich immer mehr seiner Wurzeln in der römischen Gesellschaftsordnung. Dadurch wurde das Kaisertum mit seinem Machtapparat allmählich zum Selbstzweck, zu einer Last, die die Gesellschaft eher nur noch bedrückte als förderte und zugleich die soziale Entwicklung hemmte. Der kaiserliche Machtapparat war in breiten Kreisen der Bevölkerung unpopulär, zumal die viel stärker als in früheren Jahrhunderten verbreitete Korruption der hohen Verwaltungsbeamten viel böses Blut hervorrief.674 Seit dem Beginn der Völkerwanderung war der Staat auch immer weniger in der Lage, seine Untertanen gegen den äußeren Feind zu schützen. Zugleich wurde er durch den in einem bisher unbekannten Maße gesteigerten Druck der Barbaren erheblich geschwächt, und seit der faktischen Zweiteilung des Reiches im Jahre 395 war sein Niedergang nicht mehr aufzuhalten. Während das Oströmische Reich, mit teilweise günstigeren sozialen Voraussetzungen und von den Barbaren weniger gefährdet als der Westen, sich halten und sein eigenes Herrschaftssystem allmählich reformieren konnte,675 ging das Weströmische Reich im 5. Jahrhundert seinem Ende entgegen. Die wiederholten Barbarenzüge, die vorübergehende Besetzung der Stadt Rom zuerst durch die Westgoten (410) und dann durch die Vandalen (455) und insbesondere die Bildung germanischer Territorialstaaten innerhalb des Reiches wie vor allem in Gallien, Hispanien und Nordafrika,676 zeigten die Schwäche des westlichen Imperiums in 673 Vgl. die Literatur in Anm. 667; zu den spätrömischen Juristen D. Liebs, Hofjuristen der römischen Kaiser bis Justinian (Anm. 267), 81 ff. 674 Zur Korruption in der Spätantike siehe bes. K. L. Noethlichs, Beamtentum und Dienstvergehen. Zur Staatsverwaltung in der Spätantike (Wiesbaden 1981); W. Schuller (Hrsg.), Korruption im Altertum. Konstanzer Symposium Oktober 1979 (München – Wien 1982); R. MacMullen, Corruption and the Decline of Rome (New Haven 1988). 675 S. Williams – G. Friell, The Rome that Did not Fall: The Survival of the East in the Fifth Century (London – New York 1999). 676 Siehe dazu F. Lot, Les invasions germaniques et la pénétration mutuelle du monde barbare et du monde romain2 (Paris 1945); R. Günther – A. Korsunskij, Germanen erobern Rom. Der Untergang des Weströmischen Reiches und die Entstehung germanischer Königreiche bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts (Berlin 1988); P. J. Heather, Goths and Romans 332–489 (Oxford 1991); Th. S. Burns, Th. Barbarians within the Gates of Rome. A Study of Roman Military Policy and the Barbarians, ca. 365–425 A. D. (Bloomington 1994); Th. S. H. Wolfram, The Roman Empire and its German Peoples (Berkeley 1997); W. Pohl (Ed.), Kingdoms of the Empire. The Integration of Barbarians in Late Antiquity (Leiden – New York – Köln 1998); Th. S. Burns, Rome and the Barbarians, 100 B. C. – A. D. 400 (Baltimore – London 2003); G. Harsall, Barbarian Migration and the Roman West 376–568 (Cambridge 2007); M.
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voller Deutlichkeit. Das Ende des alten politischen Ordnungsgefüges wird im Westen durch die Absetzung des letzten weströmischen Kaisers Romulus Augustulus durch den germanischen Söldnerführer Odoaker im Jahre 476 markiert. Unter diesen Voraussetzungen verschoben sich im Spätrömischen Reich die traditionellen Grundlagen für die soziale Schichtung noch mehr als im 3. Jahrhundert.677 Durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Imperiums wurde die Kluft zwischen Arm und Reich weiter vertieft. Für wie wichtig die Qualifikation durch Besitz empfunden wurde, zeigt sich etwa in einem Edikt Julians (361–363) über die Festsetzung strafrechtlicher Privilegien (Konfiskation des Besitzes statt Todesstrafe, wenn jemand das Vermögen eines Straftäters verbarg): Der Kaiser unterschied nicht zwischen honestiores und humiliores, wie das früher in ähnlichen Fällen geschah, sondern zwischen locupletes und denjenigen, die per egestatem abiecti sunt in faecem vilitatemque plebeiam (Cod. Theod. 9,42,5). Auch zwischen den Inhabern der Macht und den Machtlosen wuchs der soziale Unterschied noch weiter als früher, entsprechend dem gesteigerten Machtanspruch des Staates. Ein Autor aus dem 4. Jahrhundert hat die beiden Hauptgruppen der römischen Gesellschaft einerseits in den potentes, andererseits in den – zugleich armen – tenuiores erblickt (Anon., De reb. bell. 2,3). Entsprechend der Herrschaftsstruktur der spätantiken Monarchie ergab sich die tatsächliche Machtposition einzelner sozialer Gruppen freilich noch mehr aus ihrem Verhältnis zum Herrscher als in den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit. Das Hofpersonal verfügte über mehr Einfluss als die meisten Senatoren, und die wichtigsten Machtpositionen kamen den ständigen Ratgebern der Herrscher zu, umso mehr, als nicht wenige Kaiser als Kinder den Thron bestiegen, so dass sie von vornherein vom kaiserlichen Machtapparat gelenkt wurden.678 Die einflussreichsten Personengruppen bestanden aus den Mitgliedern des heiligen consistorium, das die Chefs der höchsten Verwaltungsressorts umfasste und im Gegensatz zum consilium principis der früheren Kaiserzeit ein ständiges Gremium bildete, aus führenden Generälen, aus vertrauten persönlichen Dienern der Herrscher und nicht zuletzt aus angesehenen und einflussreichen kirchlichen Würdenträgern. Dementsprechend beruhte auch das soziale Ansehen vor allem auf dem Besitz und auch auf der Machtposition, während die Zugehörigkeit zu einem geschlossenen Stand ihre frühere Bedeutung zum Teil verlor. Der Ritterstand ist einerseits nach oben im Senatorenstand, andererseits nach unten in den Ständen der Dekurionen – die in der Späten Kaiserzeit als Mitglieder der Stadträte (curiae) häufig als curiales bezeichnet
Kulikowski, Rome’s Gothic Wars from the Third Century to Alaric (Cambridge, Mass. 2007) = Die Goten vor Rom (Stuttgart 2009). 677 Zur sozialen Schichtung der spätrömischen Gesellschaft vgl. A. Chastagnol, in: Colloque d’histoire sociale, Saint-Cloud 1967 (Paris 1973), 49 ff.; A. Demandt, Die Spätantike2 (Anm. 397), 325 ff. 678 Vgl. W. Hartke, Römische Kinderkaiser. Eine Strukturanalyse römischen Denkens und Daseins (Berlin 1951).
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wurden – so gut wie vollständig aufgegangen.679 Dennoch gehörten breite Gruppen des Offizierskorps und des Beamtenapparates nach wie vor nicht dem Senatorenstand an, sondern bildeten unterhalb der senatorischen Rangklassen eigene Ranggruppen; zugleich entstand aber auch innerhalb des Senatorenstandes eine neue Hierarchie.680 Wie weit die teilweise neu formierten Ranggruppen als soziale Kategorien die früheren ordines ersetzen konnten, ist am ehesten aus einem Edikt aus dem Jahre 412 ersichtlich, in dem die Strafbestimmungen für Häresie nach Ranggruppen gegliedert festgesetzt wurden.681 Die Liste umfasst die illustres und spectabiles (Angehörige der beiden höchsten senatorischen Rangklassen), senatores und clarissimi (Senatsmitglieder und weitere Personen senatorischen Ranges), sacerdotales (Personen im Range von Provinzialpriestern), principales und decuriones (vornehme und gewöhnliche Kurialen), negotiatores, plebei (gewöhnliche »Freie« in Stadt und Land), circumcelliones (persönlich unabhängige Saisonarbeiter auf Gütern), und getrennt werden auch noch die servi und coloni angeführt. Dabei fällt auf, dass die Strafbestimmungen für die sacerdotales denjenigen für senatores entsprachen, während die clarissimi das Strafmaß der principales teilten, weiterhin, dass den Sklaven und Kolonen als Angehörigen offensichtlich ganz armer Schichten nicht wie den Gruppen auf den höheren Stufen der Hierarchie eine Geldstrafe, sondern Auspeitschung angedroht wurde. Bemerkenswert ist, dass ein Gesetz aus dem Jahre 382 in Konstantinopel für die Angehörigen einzelner Ranggruppen wie für senatores, milites, officiales (Mitglieder des zivilen Verwaltungsapparates) und servi auch im Alltag eine dem Rang entsprechende Kleidung vorschrieb (ebd. 14,10,1). Die Zugehörigkeit zu einer sozialen Ranggruppe aufgrund von Vermögen, Macht und Ansehen hing von der regionalen oder ethnischen Herkunft so gut wie gar nicht mehr ab. Bezeichnenderweise war das Offizierskorps des spätrömischen Heeres schon seit Konstantin dem Großen in hohem Maße aus Barbaren, vor allem aus Germanen, rekrutiert.682 Auch die persönliche Rechtsstellung spielte nur noch eine sekundäre Rolle. Die Bedeutung des Bürgerrechtes war schon früher verloren gegangen. Aber auch der Unterschied zwischen Freien und Sklaven besaß eher nur noch theoretische Bedeutung, da die erzwungenen Arbeitsleistungen, die Abgabeverpflichtungen und die Berufserblichkeit eine neue Form der Unfreiheit verkörperten, die die meisten Gruppen der Bevölkerung gleichermaßen trafen und die alten Kategorien von Freiheit und Unfreiheit weitgehend außer Kraft setzten. Demgegenüber wuchs die Bedeutung der persönlichen Herkunft für die Bestimmung der 679 Siehe die Literatur in Anm. 686. 680 Zur Bedeutung der Ranggesetzgebung und der daraus resultierenden Elitenkonkurrenz im Spätrömischen Reich vgl. S. Schmidt-Hofner, Chiron 40, 2010, 209 ff. 681 Cod. Theod. 16,5,52 und 16,5,54. 682 M. Waas, Germanen im römischen Dienst (im 4. Jh. n. Chr.)2 (Bonn 1971); vgl. K. F. Stroheker, Germanentum und Spätantike (Zürich – Stuttgart 1965), 9 ff. Siehe auch A. Demandt, Chiron 10, 1980, 609 ff. über die Zusammensetzung des spätrömischen Militäradels.
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sozialen Position erheblich: Das war eine unvermeidliche Folge aus der indirekt oder direkt weitgehend – wenn auch nicht überall im Reich – durchgesetzten Erblichkeit des Berufes bei Dekurionen, Kaufleuten, Handwerkern und Kolonen, ferner aus der staatlichen Förderung der Berufserblichkeit bei Soldaten und bei den officiales. Was die Geburtsaristokratie von der adligen Herkunft dachte, hätte man nicht deutlicher sagen können als der Senator Quintus Aurelius Symmachus: Das gute Blut lässt sich immer erkennen (Or. 8,3). Dennoch spielten zur gleichen Zeit die rein persönlichen Fähigkeiten und Leistungen und damit auch die Bildung eine große Rolle. Dieser scheinbare Widerspruch erklärt sich einerseits dadurch, dass die Barrieren, deren Stärke durch die Erblichkeit sozialer Positionen erheblich zunahm, normalerweise eben nur durch besondere persönliche Anstrengungen zu durchbrechen waren. Andererseits hat die Herrschaftsstruktur des Spätrömischen Reiches die Entfaltung persönlicher Fähigkeiten und individueller Leistungen, sofern sie direkt dem Staate zugute kamen, nicht nur ermöglicht, sondern geradezu verlangt. Die Interessen des Kaisertums lagen zwar in der Verwirklichung eines starr reglementierten Gesellschaftlichsystems; dafür war aber ein großer Machtapparat erforderlich, und so konnte sich der Einzelne entweder in der staatlichen Bürokratie oder im Militärdienst durch persönliche Bewährung schnell emporarbeiten. Dazu kamen auch die Möglichkeiten für den sozialen Aufstieg in der Kirche, wofür ebenfalls nicht vornehme Herkunft, sondern Bildung, Redefertigkeit oder Organisationsfähigkeit ähnlich wie auch in der kaiserlichen Bürokratie nötig waren. Bei allen diesen Voraussetzungen unterschied sich die soziale Gliederung im Spätrömischen Reich erheblich von derjenigen in der früheren Kaiserzeit. In seinen Grundzügen entsprach der Aufbau der sozialen Pyramide weitgehend jenem Modell, das sich während der Krise des 3. Jahrhunderts gebildet hatte, doch brachte er die Konsequenzen aus dem Wandel in der Struktur der höheren und niederen Bevölkerungsschichten, der sich im 3. Jahrhundert vollzogen hatte, noch deutlicher zum Ausdruck. Die honestiores setzten sich aus recht heterogenen, dem Rang nach tief gestaffelten sozialen Gruppen zusammen, und diese Staffelung war auch mit unterschiedlichen Grundbesitzverhältnissen und Machtpositionen der einzelnen höheren Schichten verknüpft. Zu den Oberschichten gehörten außer dem Kaiserhaus der Senatorenstand, in den formell auch die führenden Verwaltungsbeamten und Offiziere einbezogen wurden und der selbst ebenfalls in einzelne hierarchische Gruppen gegliedert war, außerdem die weiteren Ranggruppen des Offizierskorps und des Verwaltungspersonals sowie die übrige Bildungsschicht zusammen mit der höheren kirchlichen Hierarchie, außerdem die städtischen Kurialenstände, die jedoch angesichts ihrer starken Belastung und weitgehenden Bewegungsunfreiheit in mancherlei Hinsicht in die Nähe der Unterschichten gerückt wurden. Die humiliores der Städte und der ländlichen Gebiete dagegen bildeten eine verhältnismäßig homogene Bevölkerungsschicht, deren einzelne Gruppen durch Produktions- und Abgabeverpflichtungen, Berufszwang, starke soziale Abhängigkeit, Armut und niedriges Ansehen grundlegende gemeinsame Merkmale aufwiesen. Angesichts dieser Gemeinsamkei-
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ten besaß diese breite Schicht, wie schon im 3. Jahrhundert, im Gegensatz zu den Oberschichten unleugbare Merkmale einer »Klasse«, dennoch fehlte ihr nach wie vor das entscheidende Kriterium hierfür, nämlich das einheitliche Verhältnis zu den Produktionsmitteln: Sie umfasste nach wie vor ebenso direkte und indirekte Besitzer von Produktionsmitteln (Handwerker mit eigener Ausrüstung, Kleinbauern mit eigenem Land, Kolonen mit gepachteten Parzellen) wie völlig besitzlose Gruppen (Handwerker in staatlichen Manufakturen, Saisonarbeiter in der Landwirtschaft). Außerdem fehlte ein einheitliches »Klassenbewusstsein« der unterschiedlichen niederen Bevölkerungsgruppen vollkommen. So gliederte sich die römische Gesellschaft ebenso wie in allen früheren Epochen auch in der Späten Kaiserzeit in die beiden Hauptkategorien von Oberschichten und Unterschichten, ohne dass der ständische Aufbau bei den Ersteren ebenso ausschlaggebend gewesen wäre wie früher. Dennoch wies die Entwicklung der Kurialenstände noch mehr als schon im 3. Jahrhundert in die Richtung eines neuen Modells, bei dem der Adel von der Honoratiorenschicht der Städte immer stärker getrennt war. Die Kriterien eines echten »Mittelstandes« erlangten zwar die Kurialen ebenso wenig wie in früheren Zeiten,683 aber die gewaltigen sozialen Unterschiede, die sie nicht nur von den Unterschichten, sondern auch von den Großgrundbesitzern und von den Vertretern der staatlichen Macht trennten, brachten deutlich zum Ausdruck, wie anders die spätrömische Gesellschaft aufgebaut war als die Gesellschaft der früheren Kaiserzeit mit ihren privilegierten Ständen auf der einen und mit den Massen der einfachen Bevölkerung auf der anderen Seite. Bezeichnenderweise kam bei den Zeitgenossen der Spätantike die während der früheren Kaiserzeit bis auf bei einigen griechischen Schriftstellern völlig unbekannte Auffassung, dass sich die Bevölkerung nicht in zwei, sondern in drei Hauptgruppen gliedere, schon seit Konstantin auf. Ein Gesetz aus dem Jahre 326 unterschied zwischen den Inhabern der potior dignitas, den decuriones und den plebei (Cod. Theod. 13,5,5); Ammianus Marcellinus sprach von honorati, urbium primates und plebei (14,7,1); und in einem Edikt aus dem Jahre 409 ist von den drei Gruppen der possessores, curiales und plebei die Rede (Cod. Theod. 9,31,1). Die Führungsschicht Die Geschichte der römischen Führungselite während der Krise des 3. Jahrhunderts schien darauf hinauszulaufen, dass der Senatorenstand seine führende Position zugunsten des Ritterstandes verliert. Dennoch lag das Ergebnis dieser Entwicklung nicht darin, dass der ordo senatorius zu einem zweiten Stand zurückgestuft worden oder gar gänzlich verschwunden wäre. Ganz im Gegenteil ergab sich aus dem 683 S. Dill, Roman Society in the Last Century of the Western Empire2 (Anm. 655), 245 ff. bezeichnet sie als »middle class«, A. Chastagnol, Le Bas-Empire (Anm. 655), 58 spricht ebenfalls von »la classe moyenne«. Zu derartigen Definitionen vgl. S. 204 f.
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Strukturwandel im 3. Jahrhundert langfristig die Konsequenz, dass die führenden Gruppen des Ritterstandes im Senatorenstand aufgingen und dass der ordo equester als Stand zu existieren aufhörte.684 Beim Prestige des Senatorenstandes, das ebenso auf seiner nunmehr sehr alten Tradition wie auf dem Reichtum und dem hohen Ansehen seiner Mitglieder basierte, verstand es sich auch in der Späten Kaiserzeit von selbst, dass den höchsten sozialen Rang nach dem Herrscher der ordo senatorius einnahm. Er galt nach den Worten des Symmachus ebenso wie zuvor als pars melior humani generis (Ep. 1,52), seine Angehörigen galten in seinen Augen nach wie vor als nobilissimi humani generis (Or. 6,1).685 So war die höchste Ehrung, die den am ehesten verdienten ritterlichen Offizieren und Verwaltungsbeamten gewährt werden konnte, doch nicht die Erhöhung ihrer Rangpositionen außerhalb des ersten Standes wie unter Gallienus und unter Diokletian, sondern ihre Aufnahme in diesen Stand. Diese Einsicht stammte von Konstantin dem Großen, der zwischen 312 und 326 die höhergestellten Ritter in den Senatorenstand einreihte und zugleich die höheren ritterlichen Dienststellungen in senatorische Ämter umwandelte.686 Ein uns 684 Über den Senatorenstand in der Späten Kaiserzeit grundlegend A. Chastagnol, Rev. Hist. 244, 1970, 305 ff., deutsch in: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit (Anm. 397), 293 ff.; siehe auch A. Piganiol – A. Chastagnol, L’Empire chrétien (Anm. 655), 381 ff.; J. Matthews, Western Aristocracies and Imperial Court, AD 364–425 (Oxford 1975, Reprint with addenda Oxford 1990); S. Roda, Nobilità burocratica, aristocrazia senatoria, nobilità provinciali, in: A. Schiavone (Ed.), Storia di Roma III 1. Crisi e trasformazioni (Torino 1993), 643 ff.; D. Schlinkert, Ordo senatorius und nobilitas. Die Konstitution des Senatsadels in der Spätantike (Stuttgart 1996); A. Demandt, Die Spätantike2 (Anm. 397), 329 ff.; P. J. Heather, in: The Cambridge Ancient History2 XIII (Anm. 654), 184 ff. Vgl. noch P. Arsac, Rev. Hist. de Droit Fr. et Étranger 47, 1969, 198 ff. Über den spätrömischen Militäradel grundlegend A. Demandt, Chiron 10, 1980, 609 ff.; vgl. auch J. M. O’Flynn, Generalissimos of the Western Roman Empire (Edmonton 1983); E. P. Gluschanin, Der Militäradel des frühen Byzanz (Barnaul 1991). Über die spätantike Führungsschicht im Allgemeinen siehe H. Löhken, Ordines dignitatum. Untersuchungen zur formalen Konstituierung der spätantiken Führungsschicht (Köln – Wien 1982); F. Vittinghoff, in: Gesellschaft 2. Späte Kaiserzeit (Anm. 655), 310 ff. Über die Angehörigen der Führungselite in den letzten Jahrzehnten des Weströmischen Reiches siehe D. Henning, Periclitans res publica. Kaisertum und Eliten in der Krise des Weströmischen Reiches 454/5–493 n. Chr. (Stuttgart 1999). 685 Zum Selbstbewusstsein, zur Selbstdarstellung und zur Mentalität der Senatoren in der Spätantike siehe B. Näf, Senatorisches Standesbewusstsein in spätrömischer Zeit (Freiburg/Schweiz, 1995); S. Roda (Ed.), La parte migliore del genere umano. Aristocrazie, potere e ideologia nell’Occidente romano (Torino 1996); H. Niquet, Monumenta virtutum titulique. Senatorische Selbstdarstellung im spätantiken Rom im Spiegel der epigraphischen Denkmäler (Stuttgart 2000); St. Rebenich, in: H. Beck – P. Scholz – U. Walter (Hrsg.), Die Macht der Wenigen. Aristokratische Herrschaftspraxis, Kommunikation und ›edler‹ Lebensstil in Antike und Früher Neuzeit (München 2008), 163 ff. Der hohe Rang der Senatoren zeigte sich, ähnlich wie schon in den früheren Jahrhunderten der Kaiserzeit, auch an der häufigen Polyonymie, siehe dazu A. Cameron, JRS 75, 1985, 164 ff. Zur Selbstdarstellung den Senatoren siehe auch noch die Literatur in Anm. 286. Zur Einschätzung der Verhältnisse in der Späten Kaiserzeit durch die Senatoren im Spiegel ihrer Inschriften siehe G. Alföldy, in: Urban Centers and Rural Contexts in Late Antiquity (Anm. 653), 3 ff. 686 Zur Senatspolitik Konstantins vgl. A. Marcone, in: G. Bonamente – F. Fusco (Eds.), Costantino il Grande dall’Antichità all’Umanesimo. Colloquio sul Cristianesimo nel mondo antico, Macerata 78–20 dicembre 1990 II (Macerata 1993), 645 ff. Zum Ende des Ritterstandes siehe A. Stein, Der römi-
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bekannter führender Ritter, der nach einer langen ritterlichen Laufbahn in konsularem Rang unter die clarissimi aufgenommen wurde, war Gaius Caelius Saturninus, ein loyaler Gefährte des Herrschers.687 Damals gelangten aber sehr viele Personen aus allen Provinzen in den Senatorenstand (Paneg. 10,35,2). Nur die Ritter von der Ranggruppe der perfectissimi abwärts blieben weiterhin außerhalb des Senatorenstandes, doch wurde diese Rangstellung durch ihre Ausdehnung auf die niedrigeren Beamten des Staates und zugleich durch die Einreihung zahlreicher bisheriger perfectissimi in den Senatorenstand abgewertet. Diese Reform bedeutete faktisch das Ende des Ritterstandes, auch wenn er formell nicht abgeschafft wurde; seine Rolle wurde im Spätrömischen Reich teils von einzelnen neuen Gruppen des Senatorenstandes, teils von den rangniedrigeren Staatsbeamten und Offizieren übernommen. Aber diese Letzteren bildeten keinen eigenen Stand mehr, und falls sie während ihrer Laufbahn hohe Dienststellungen erreichten, kam auch ihnen senatorischer Rang zu. Dass Konstantin durch diese Politik die Wiederherstellung der Macht des Senatorenstandes angestrebt hätte, so dass seine Herrschaft nicht die Vollendung, sondern das Ende des sog. Dominates bedeuten würde, wäre ein kaum zulässiger Schluss.688 Es ging ihm wohl viel eher darum, die Rangstellung der höchsten Staatsfunktionäre mit dem höchsten sozialen Rang in Einklang zu bringen. Auch der Effekt seiner Reform lag nicht in der Wiederbelebung senatorischer Machtpositionen. Insofern die Senatoren neue Machtfunktionen erhielten, dann vor allem in den neuen Hofämtern an der Spitze der einzelnen Verwaltungsressorts, in denen sie einzig und allein zum Dienst für die kaiserliche Monarchie berufen wurden. Bezeichnenderweise wurden ihnen keine militärischen Dienststellungen übergeben. Die Zivilverwaltung und das Heereskommando waren im Spätrömischen Reich gänzlich voneinander getrennt (Cod. Iust. 1,29,1), und die Stellen der hohen Kommandeure wie der duces (Befehlshaber von Provinzarmeen), comites (Kommandeure überregionaler mobiler Streitkräfte) und magistri militum (Heermeister) bildeten nicht Bestandteile der senatorischen Ämterlaufbahn. Die Inhaber dieser Stellen kamen überhaupt nicht aus dem senatorischen Adel, sondern waren in der Regel Berufsoffiziere oft niedriger Herkunft. Die Heermeister besaßen zwar senatorischen Rang, und seit dem Ende des 4. Jahrhunderts wurden auch alle weiteren Kommandeure in senatorische Rangklassen eingereiht, aber das änderte nichts daran, dass die Angehörigen des Senatsadels aus den Kommandos ausgeschlossen waren: Nicht sie gelangten unter die viri militares, sondern umgekehrt erhielten die Letzteren formell den Rang des Senators.
sche Ritterstand (Anm. 312), 455 ff.; C. Lepelley, in: Società romana e impero tardoantico (Anm. 595), 227 ff.; dens., in: L’ordre équestre. Histoire d’une aristocratie (Anm. 312), 629 ff. 687 CIL VI 1704 = ILS 1214; siehe zu ihm ausführlich mit weiterer Literatur F. Mitthof, CIL VI 8, 3, p. 4739. 688 So M. T. W. Arnheim, The Senatorial Aristocracy in the Later Roman Empire (Oxford 1972); vgl. dagegen u. a. W. Eck, Gnomon 46, 1974, 673 ff.
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Infolge der Reform Konstantins wuchs der Senatorenstand erheblich. Während die Zahl der römischen Senatoren auch noch im 3. Jahrhundert – entsprechend der einst von Augustus festgesetzten Zahl – kaum viel mehr als 600 betragen hatte, wurde ihre Zahl unter Konstantin wohl mindestens verdreifacht. Dazu kam noch die Errichtung eines zweiten Senats in der neu gegründeten Reichshauptstadt Konstantinopel, dessen Mitgliederzahl nach Themistios (Or. 34,13) während der ersten drei Jahrzehnte seines Bestehens von 300 auf 2.000 stieg. So wäre für die Mitte des 4. Jahrhunderts insgesamt vielleicht mit ungefähr 4.000 Personen senatorischen Ranges (ohne Frauen) zu rechnen, und diese Zahl verringerte sich in den folgenden Jahrzehnten zunächst kaum, da an die Stelle der ausgestorbenen Familien homines novi rückten. »Neue Männer« wurden auch nach Konstantin immer wieder in den führenden Stand aufgenommen. Die Aufnahme erfolgte entweder in jüngerem Alter durch die Zulassung zur senatorischen Ämterlaufbahn zumindest von der Prätur aufwärts oder in höherem Alter, so etwa nach großen Verdiensten während einer militärischen Karriere, durch die adlectio in eine hohe Rangstufe.689 Somit gab es in der senatorischen Aristokratie der spätrömischen Zeit zwischen den einzelnen Gruppen der Führungsschicht größere Unterschiede als in den vorausgehenden Jahrhunderten. Dem Ansehen nach ragte aus dem Senatorenstand die Nobilität aus, die die vornehmsten und einflussreichsten Senatoren umfasste.690 Allerdings teilten alle senatorischen Rangguppen die gleichen Privilegien und Verpflichtungen. Die Mitglieder des Senatorenstandes waren von den gewöhnlichen Lasten und Steuern der städtischen Grundbesitzer befreit und wurden bei Strafverfahren nicht nur von strengen Maßnahmen wie von Folterung verschont, sondern vor standesgemäße Spezialgerichte gestellt. Finanziell waren sie nur zu einer jährlichen Grundbesitzsteuer (collatio glebalis oder follis), zu gemeinsamen Abgaben bei besonderen Anlässen (aurum oblaticium) und zur Veranstaltung öffentlicher Spiele verpflichtet.691 Entsprechend der Wirtschaftsstruktur des Spätrömischen Reiches waren sie normalerweise Großgrundbesitzer und verfügten in der Gesellschaft über hohes Ansehen. Aber ihre einzelnen Gruppen unterschieden sich schon im Hinblick auf ihr Vermögen und ihren Rang; dazu kamen noch die weiteren Unterschiede nach regionaler Zugehörigkeit, Herkunft und Funktionen, ferner nach Bildung, Tradition und nicht zuletzt Konfession. Die wirtschaftliche Entwicklung im Spätrömischen Reich, die zahlreiche kleinere und mittlere Besitztümer zugrunde richtete, hat die Entfaltung riesiger senatorischer Güter begünstigt. Nach Ammianus Marcellinus war für die Senatoren die 689 Dazu A. Chastagnol, in: Recherches sur les structures sociales (Anm. 12), 187 ff. Zu den Modalitäten der Aufnahme neuer Mitglieder in den spätrömischen Senatorenstand siehe P. Garbarino, Ricerche sulla procedura di ammissione al senato nel tardo impero romano (Milano 1988). 690 Vgl. hierzu T. D. Barnes, Phoenix 28, 1974, 444 ff. 691 Zur Besteuerung der Senatoren siehe Anm. 661; zu ihren finanziellen und sonstigen Privilegien S. Giglio, Il tardo impero d’Occidente e il suo senato. Privilegi fiscali, patrocinio, giurisdizione penale (Napoli 1990).
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Größe der Einkünfte durch ihre Güter in verschiedenen Provinzen eine Prestigefrage (14,6,10). Ihre Einnahmen bestanden ebenso aus Geld wie aus Agrarprodukten, vor allem aus Getreide und Wein. Die Höhe der Einnahmen bei den einzelnen senatorischen Gruppen war sehr unterschiedlich. Die reichsten Senatoren konnten zu Beginn des 5. Jahrhunderts auf ihren Domänen jährlich 4.000 Pfund, die Angehörigen der nächsten Gruppe der Reichen 1.500 bis 2.000 Pfund Gold eintreiben.692 Die Ländereien dieser Magnaten verteilten sich häufig auf ganz verschiedene Gebiete des Imperium Romanum, was zur Folge hatte, dass diese Vermögen auch von Barbarenzügen oder Naturkatastrophen viel weniger als die bescheidenen Güter von Dekurionen betroffen wurden. Sextus Petronius Probus, Konsul im Jahre 371, ein führendes Mitglied der angesehenen Familie der Anicii, verfügte nach Ammianus (27,11,1) über verstreute Ländereien beinahe in der ganzen römischen Welt und zeichnete sich durch diesen Reichtum ebenso aus wie durch den Ruhm seines Geschlechtes und seiner Macht.693 Sein jüngerer Zeitgenosse und führende Persönlichkeit unter den heidnischen Senatoren, Quintus Aurelius Symmachus, Konsul im Jahre 391, besaß drei Häuser in Rom, eine Reihe von Villen in der Umgebung Roms und in den schönsten Teilen Italiens, Ländereien in Samnium, Campanien, Apulien, Sizilien und Nordafrika.694 Als reichste senatorische Familie um die Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert galt diejenige der Valerii, bis Valerius Pinianus und seine Frau Melania zu Beginn des 5. Jahrhunderts als überzeugte Christen ihr Vermögen verkauften: Sie verfügten über Güter in Norditalien, Campanien, Apulien, Sizilien, Gallien, Hispanien, Africa, Numidien und Mauretanien, über ein Jahreseinkommen von angeblich 120.000 Pfund Gold (vielmehr über 120.000 solidi, Münzen aus Gold), ferner in Rom auf dem Mons Caelius über ein Haus, das zu erwerben kein Senator in der Lage war.695 Andere Senatoren konnten nur ein erheblich kleineres Vermögen aufweisen. Der Redner und Dichter Decimius Magnus Ausonius (Konsul 379), ein homo novus im spätrömischen Senat, erbte von seinem Vater, einem Kurialen, in Aquitanien nur ein Landstück mit 50 Hektar Ackerland, 25 Hektar Weinberg, 12,5 Hektar Weideland und mehr als doppelt so viel Wald.696 Die zahlreichen Kurialen, die im Westen und im Osten in den Senatorenstand aufstiegen, waren kaum reicher. Derartige Vermögensunterschiede veranlassten Konstantin sogar dazu, die Senatoren nach der Höhe ihrer Grundbesitzsteuer (zwei, vier oder acht folles = »Geldsäcke«) in drei Kategorien zu teilen, und Theodosius I. führte
692 Olympiodorus, Frg. 43f. (= Migne, PG 103, 280). 693 Siehe zu ihm die ausführlichen Literaturangaben bei G. Alföldy, CIL VI 8, 3. p. 4751 zu CIL VI 1751. 694 Siehe zu ihm die Literatur in Anm. 702. 695 Über die Familie der Valerii Piniani siehe W. Enßlin, RE XX 2, 1950, 1706 ff.; T. Spidlik, Melanie la Giovane: la benefattrice (383–440) (Milano 1996); siehe auch Anm. 705. 696 Über Ausonius und seinen Besitz siehe R. Étienne, Bordeaux antique (Bordeaux 1962), 351 ff.; dens., in: Institutions, société et vie politique dans l’Empire romain au IVe siècle (Anm. 654), 305 ff.; H. Sivan, Ausonius of Bordeaux. Genesis of a Gallic Aristocracy (London – New York 1993).
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auf Bitte des Senates noch eine vierte, niedrigste Kategorie ein (mit einer jährlichen Steuerpflicht von sieben solidi). Weitere Unterschiede zwischen einzelnen Senatorengruppen ergaben sich aus deren Rangstellung, die nicht der Vermögensgröße, sondern der Einschätzung einzelner senatorischer Dienststellungen und der mit ihnen verknüpften Machtposition entsprach. Die traditionelle Hierarchie der senatorischen Ämter war seit dem Verschwinden mehrerer Posten in der Mitte und der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts und insbesondere seit der Errichtung neuer Dienststellungen unter Diokletian und Konstantin nicht mehr gültig.697 Wohl gab es Bemühungen, das Ansehen einiger traditioneller Ämter wieder zu steigern. So wurde insbesondere seit Konstantin dem ordentlichen Konsulat in der Laufbahn ein erheblich höherer Rang als früher eingeräumt, dennoch wurde dieses Amt zugleich dadurch abgewertet, dass auch barbarische Generäle ohne einen senatorischen cursus honorum zum Konsulat zugelassen wurden.698 Die Spitzenpositionen kamen den Inhabern einiger modifizierter älterer Dienststellungen und der neuen Hofämter zu. Die Inhaber der wichtigsten neuern Posten waren die Stadtpräfekten von Rom und Konstantinopel, die Prätorianerpräfekten, die Prokonsuln von Achaia, Asia und Africa, der Hofvorsteher (quaestor sacri palatii), der Chef der Kanzleien und des Sicherheitspersonals (magister officiorum), der Personalchef (primicerius notariorum) und die beiden Chefs der Finanzressorts (comes sacrarum largitionum, comes rei privatae), ferner die Heermeister (magistri militum, magistri equitum).699 Die definitiven Formen der neuen Hierarchie wurden durch ein Gesetz Valentinians I. im Jahre 372 festgelegt: Der Senatorenstand wurde in die drei Ranggruppen der illustres, spectabiles und clarissimi aufgeteilt, und die erwähnten Spitzenpositionen wurden in die beiden ersten Ranggruppen eingereiht. Obwohl Theodosius I. den Rang einzelner Ämter erhöhte und damit die Zusammensetzung der Ranggruppen veränderte, blieben diese Rangkategorien weiterhin gültig (was weitere Rangunterschiede wie etwa zwischen Senatsmitgliedern und »gewöhnlichen« clarissimi nicht ausschloss). Die Ehrenplätze im Colosseum waren im 5. Jahrhundert den stadtrömischen Senatoren nach dieser Hierarchie zugewiesen.700
697 Zur Hierarchie der senatorischen Ämter und zur senatorischen Laufbahn im 4. Jahrhundert siehe zusammenfassend W Kuhoff, Studien zur zivilen senatorischen Laufbahn im 4. Jahrhundert n. Chr. Ämter und Amtsinhaber in Clarissimat und Spektabilität (Frankfurt am Main 1983). 698 Zum Konsulat in der Spätantike siehe A. Chastagnol, Rev. Hist. 219, 1958, 221 ff.; zu den einzelnen Konsuln R. S. Bagnall – A. Cameron – S. R. Schwartz – K. Worp, Consuls of the Later Roman Empire (Atlanta 1987). 699 Zu den neuen Ämtern siehe die Literatur in Anm. 672, siehe auch Anm. 669. 700 A. Chastagnol, Le sénat romain sous le règne d’Odoacre. Recherches sur l’épigraphie du Colisée au Ve siècle (Bonn 1966), gründlich revidiert von S. Orlandi, Epigrafia anfiteatrale dell’Occidente Romano VI. Roma. Anfiteatri e strutture annesse con una nuova edizione e commento delle iscrizioni del Colosseo (Roma 2004).
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Noch heterogener war der spätrömische Senatorenstand infolge der regionalen Zusammensetzung seiner Mitglieder,701 und die Bildung regionaler Senatorengruppen hatte erheblich wichtigere Folgen als in der früheren Kaiserzeit, als gemeinsame politische Interessen und Ideale die Unterschiede zwischen einzelnen regionalen Gruppen stark überlagert hatten. Zunächst gab es eine scharfe Trennung zwischen Senatoren aus dem Westen und aus dem Osten. Die Ersteren gehörten dem Senat von Rom, die Letzteren dem Senat von Konstantinopel an. Während der römische Senat viele angesehene und traditionsreiche Familien wie z. B. die Anicii, Ceionii oder Valerii aufweisen konnte, überwogen im Senat von Konstantinopel zumindest in den ersten Generationen die »Parvenus«, so dass ihre Körperschaft nur als ein senatus secundi ordinis betrachtet wurde (Exc. Val. 1,30). Zugleich waren die westlichen Senatoren noch viel eher ein Großgrundbesitzeradel als die östlichen, von denen nicht wenige aus der Handwerkerschicht Konstantinopels aufgestiegen waren (Libanios, Or. 42,11 und 22 ff.), und die Senatoren waren im Westen im Ganzen genommen auch in ihren Anschauungen viel konservativer als die Östlichen, was sich vor allem im heftigen Widerstand breiter Senatorenkreise im Westen gegen das Christentum zeigte. Aber auch in der westlichen Reichshälfte bildeten sich starke regionale Gruppen, nicht zuletzt deshalb, weil viele senatorische Großgrundbesitzer stets in ihrer Heimat lebten und in ihrem Stand nur zu ihren Nachbarn Kontakte pflegten. Hauptsächlich infolge der Barbareneinbrüche, die die senatorischen Domänen einer Region gemeinsam gefährdeten, entfalteten sich bei diesen Gruppen deutliche partikulare Interessen, die mit denjenigen anderer Gruppen nicht immer und mit den Interessen der kaiserlichen Zentralmacht überhaupt nur noch selten übereinstimmten. Die mächtigsten regionalen Gruppen in den westlichen Provinzen wurden aus den senatorischen Magnaten in Hispanien und insbesondere in Gallien, ferner auch noch in Nordafrika gebildet, wo sich sehr ausgedehnte senatorische Güter befanden. Aber es gab eine recht starke Senatorengruppe auch in Rom selbst. Ihre Angehörigen wohnten entweder dort oder zumindest in ihren italischen Villen, sie engagierten sich im Senat und waren politisch auch sonst aktiv; im stolzen Bewusstsein, dass sie die ältesten und besten Traditionen Roms wahrten, beanspruchten sie für sich besonderes Ansehen und führten zugleich einen entschlossenen Kampf gegen die Kirche, in der sie eine Gefahr für den mos maiorum und damit für die Grundlagen des römischen Staates erblickten. Der Kreis um Quintus Aurelius Symmachus in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts verkörperte diese Gruppe am deutlichsten, und Symmachus selbst, der »erste« Senator seiner Zeit (Sokr. 5,14), 701 Stadtrömische Senatoren: Vgl. bes. die Literatur in Anm. 684, 685 und 700. Afrikaner: M. Overbeck, Untersuchungen zum afrikanischen Senatsadel in der Spätantike (Frankfurt 1973). Hispanier: K. F. Stroheker, Germanentum und Spätantike (Anm. 682), 54 ff. Gallier: ders., Der senatorische Adel im spätantiken Gallien (Tübingen 1948); vgl. W. Held, Klio 58, 1976, 121 ff.; R. W. Mathisen, Roman Aristocrats in Barbarian Gaul. Strategies for Survival in an Age of Transition (Austin 1993). Über den Senat von Konstantinopel siehe P. Petit, L’Ant. Class. 26, 1957, 347 ff.; A. Chastagnol, Acta Ant. Hung. 24, 1976, 34 ff.; F. Tinnefeld, Die frühbyzantinische Gesellschaft (Anm. 655), 59 ff.
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Sohn eines angesehenen Senators, vermögender Großgrundbesitzer, Schriftsteller, Redner, Inhaber öffentlicher Ämter und ebenso engagierter wie einflussreicher Heide, brachte ihre Interessen und Ideale klar zum Ausdruck.702 Am deutlichsten waren innerhalb des Senatorenstandes jedoch die sozialen Unterschiede, die sich daraus ergaben, wie jemand Senator wurde. Auf der einen Seite standen die Nachkommen senatorischer Familien und auch jene »neuen Männer«, die in den führenden Stand schon in jungen Jahren eintreten konnten, auf der anderen Seite die Verwaltungsbeamten und insbesondere die Generäle niedriger Herkunft, die erst nach einer langen Laufbahn entweder im Beamtenapparat oder im Heer in fortgeschrittenem Alter in eine senatorische Rangklasse gelangten. Die Ersteren hatten ihr Vermögen zumeist schon von ihren Vorfahren geerbt, erlernten seit ihrer frühen Jugend die Verhaltensweisen eines vornehmen Mannes, verfügten sehr häufig über eine gute Ausbildung in den traditionellen Sparten wie Recht, Rednerkunst, Literatur, Geschichte, und sie übten sich in senatorischen Tugenden schon in den niedrigeren Ämtern wie in Quästur und Prätur. Dadurch bildeten sie einen traditionsbewussten und allgemein angesehenen Adel. Symmachus etwa stellte diesen Typus des spätrömischen Adligen sehr prägnant dar. Die Staatsbeamten und Kommandeure niedriger Herkunft konnten sich in diesem Adel viel weniger assimilieren als etwa in der früheren Kaiserzeit die in den Senatorenstand aufgenommenen führenden Ritter. Das lag vor allem daran, dass solche homines novi im Spätrömischen Reich in der Regel nicht wie die meisten Ritter der Prinzipatszeit aus einem verhältnismäßig hohen sozialen Stand, sondern oft aus äußerst niedrigen Verhältnissen bis zum senatorischen Rang aufstiegen. Sextus Aurelius Victor etwa, der Geschichtsschreiber im 4. Jahrhundert, stammte aus einer einfachen afrikanischen Bauernfamilie und erarbeitete sich den Zugang zur vita honestior, am Schluss sogar zur Stadtpräfektur in Rom, durch seine Bildung (Caes. 20,5). Bei solchen »neuen Männern« im Dienst der staatlichen Bürokratie waren die Tätigkeit in zivilen Verwaltungsressorts und die dafür erforderliche Bildung immerhin noch Faktoren, die sie mit den Angehörigen des traditionellen Adels verbanden. Aber zwischen dem Adel und den Generälen fehlten derartige Bande so gut wie ganz. Die Militärs waren sehr häufig barbarischer Herkunft oder Halbbarbaren wie etwa der Heermeister Flavius Stilicho, Sohn eines vandalischen Offiziers und einer Römerin. Ihre Karrieren wie etwa diejenige des Stilicho, ab ineunte aetate per gradus clarissimae militiae ad columen regiae adfinitatis evectus, spielten sich innerhalb des Heeresdienstes ab, mit dem der Adel nichts mehr zu tun hatte.703 Dementsprechend konnten viele höhere Offiziere auch den Bildungsidealen des Senatorenstandes nicht im geringsten 702 Siehe über ihn bes. J. A. McGeachy, Quintus Aurelius Symmachus and the Senatorial Aristocracy of the West (Chicago 1942); R. Klein, Symmachus: Eine tragische Gestalt des ausgehenden Heidentums (Darmstadt 1991). Weitere ausführliche Literaturangaben finden sich bei G. Alföldy, CIL VI 8, 3, p. 4737 zu CIL VI 1699; zum Vater des Redners siehe dens., ebd. p. 4737 zu CIL VI 1698. 703 Zu Stilicho siehe CIL VI 1731 = ILS 1278, siehe auch CIL VI 1730 = ILS 1277, zu ihm ausführlich Ch. Witschel, CIL VI 8, 3 p. 4746 mit Bibliographie.
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entsprechen; Vetranio etwa, der im Jahre 350 von seinen Truppen zum Kaiser proklamierte Heermeister in Illyricum, war schreibunkundig und galt sogar als prope ad stultitiam simplicissimus (Epit. de Caes. 41,25). So waren auch die Anschauungen und Ideale einzelner senatorischer Kreise verschieden. Die Fronten zwischen Heiden und Christen zogen innerhalb des Standes weitere Grenzen; während die Ersteren daran festhielten, alle Tugenden ad exemplum veterum zu verwirklichen,704 zeigten christliche Senatoren »unrömische« Verhaltensweisen wie Valerius Pinianus, der die aus dem Verkauf seines Vermögens erworbenen immensen Summen unter den Armen verteilte.705 Unter dem Druck des Staates bekehrten sich zwar zu Beginn des 5. Jahrhunderts die senatorischen Familien zumindest formell allgemein zum Christentum, aber aus ihrem Kreis ging auch weiterhin heftige Propaganda gegen die Kirche aus.706 Zu einer Synthese zwischen antiker Tradition und christlicher Auffassung, wie sie von Boethius (gest. 524) verkörpert wurde, war die senatorische Aristokratie erst später fähig. Aber immerhin konnte sich der Senatorenstand und somit der Senat als Institution nicht nur im Osten, sondern auch im Westen in der Spätantike Jahrhunderte lang behaupten. Er überlebte den Zusammenbruch des weströmischen Kaisertums im Jahre 476 und war im politischen, sozialen und kulturellen Leben Roms auch unter der Herrschaft der ostgotischen Könige Odoaker und Theoderich präsent.707 Die späteste Erwähnung des römischen Senats stammt aus dem Jahre 604.708 Noch weiter vertieft wurde die Desintegration der sozialen Oberschichten im Spätrömischen Reich dadurch, dass breite Gruppen von ihnen nicht nur aus dem Senatorenstand ausgeschlossen waren, sondern entsprechend ihren Funktionen, Le704 CIL VI 1741 = ILS 1243. 705 Über die Bekehrung von Senatoren zum Christentum siehe A. Chastagnol, Revue des Études Anciennes 58, 1956, 241 ff.; P. R. L. Brown, JRS 51, 1961, 1 ff.; R. von Haehling, Die Religionszugehörigkeit der hohen Amtsträger des Römischen Reiches seit Constantins I. Alleinherrschaft bis zum Ende der Theodosianischen Dynastie (Bonn 1978); vgl. dagegen T. B. Barnes JRS 85, 1995, 135 ff. Zur Rolle von Frauen in der Christianisierung der Senatsaristokratie siehe M. R. Salzman, Helios 16 1989, 207 ff. Zu Pinianus siehe Anm. 695 und bes. G. Disselkamp, »Christiani senatus lumina«. Zum Anteil der römischen Frauen der Oberschicht im 4. und 5. Jahrhundert an der Christianisierung der römischen Senatsaristokratie (Bodenheim 1997) (Melania); vgl. auch A. Fraschetti, La conversione da Roman pagana a Roma cristiana (Roma – Bari 1999). Siehe auch Anm. 696. 706 Siehe bes. A. Alföldi, Die Kontorniaten. Ein verkanntes Propagandamittel der stadtrömischen Aristokratie in ihrem Kampf gegen das christliche Kaisertum (Budapest 1943), außerdem A. Alföldi – E. Alföldi, Die Kontorniat-Medaillons. Teil 1: Katalog (Berlin 1976). 707 Zur Geschichte des Senatorenstandes und des Senats nach dem Ende des weströmischen Kaisertums siehe Ch. Pietri, in: J. Harmatta (Ed.), Actes du VIIe Congrès de la Fédération Internationale des Associations d’Études Classiques 2 (Budapest 1984), 231 ff.; S. J. B. Barnish, Papers of the British School at Rome 56, 1988, 120 ff.; Ch. Schäfer, Der weströmische Senat als Träger antiker Kontinuität unter den Ostgotenkönigen (490–540 n. Chr.) (St. Katharinen 1991); P. Garbarino, Contributo allo studio del senato in età giustinianea (Napoli 1992). 708 Zum Ende des Senats in Rom siehe A. Chastagnol, in: C. Lepelley (Ed.), La fin de la cité antique et le début de la cité médiévale. Actes du colloque tenu à l’Université de Paris X-Nanterre des 7–3 avril 1993 (Bari 1996), 345 ff.
die kurialen
bensart und Idealen zum Teil ganz andere Interessen verkörperten als zumindest der traditionsbewusste Adel innerhalb des ersten Standes. Das waren die breiten Gruppen der officiales und der Offiziere unterhalb der Rangklassen von clarissimi, ferner die Intellektuellen und unter diesen vor allem die Vertreter der kirchlichen Hierarchie. Die zumeist gesicherte finanzielle Lage dank fester Gehälter, die steuerund strafrechtlichen Privilegien, die günstigen Aufstiegsmöglichkeiten und nicht zuletzt der beträchtliche politische Einfluss qualifizierten diese Gruppen als Teile der gehobenen Gesellschaft. Wie hoch etwa das Ansehen der Kirchenfürsten am kaiserlichen Hof war, zeigte sich imter anderem am Einfluss des Mailänder Bischofs Ambrosius auf Theodosius I.709 Aber gerade das unterschiedliche geistige Niveau und die unterschiedlichen geistigen Ideale der erwähnten Gruppen brachten deutlich zum Ausdruck, dass sie keine einheitliche Stütze des Kaisertums sein konnten wie in der Prinzipatszeit die Stände von Senatoren, Rittern und Dekurionen. Die Offiziere waren sehr oft Barbaren ohne römische Bildung; unter den officiales gab es ebenso gebildete Heiden wie Christen; die besten Vertreter der Intelligenzschicht waren teils engagierte Heiden, teils eifrige Christen, und auch die Letzteren zerfielen als Angehörige der Orthodoxie oder einzelner Häresien in verschiedene Gruppen, die einander bekämpften. Die Kurialen Dass das spätrömische Kaisertum sich nicht auf eine weitgehend homogene Oberschicht mit einheitlichen Interessen stützen konnte, lag insbesondere an der einigermaßen zwiespältigen Stellung der curiales in der Gesellschaft der Spätantike.710 Die Kurialen gehörten in mehrfacher Hinsicht zu den privilegierten Oberschichten. Vor allem im 4. Jahrhundert gab es noch nicht wenige Personen, denen die Aufnahme in den Kurialenstand einer Stadtgemeinde als erstrebenswerter sozialer Aufstieg erschien. Die Kurialen waren zumeist reiche Leute, hauptsächlich Grundbesitzer. Auch wenn unter Umständen wie nach einem Reskript aus dem Jahre 342 eine Besitzgröße von 25 iugera (6,3 Hektar, ungefähr dreißig Mal kleiner als der Besitz des Ausonius bei Bordeaux), für die Qualifikation zum Kurialen bereits ausreichte (Cod. Theod. 12,1,33), so gab es doch auch erheblich besser gestellte Kurialen. Diese bildeten in den einzelnen Städten die Schicht der principales, eine Spitzengruppe der Eliten der Stadtbevölkerung, die Symmachus als optimates (Ep. 10,41), Ausonius als proceres (Mosell. 402) bezeichnete. Alle Kurialen besaßen strafrechtliche Privilegien, verfügten über Ansehen bei ihren Mitbürgern und konnten über sie sogar Macht ausüben. Nach dem christlichen Autor Salvianus, der die Verhältnisse 709 Vgl. N. B. Maclynn, Ambrose of Milan. Church and Court in a Christian Capital (Berkeley 1994). 710 Zu den Kurialenständen in der Spätantike siehe bes. H. Horstkotte, Klio 83, 2001, 152 ff.; A. Laniado, Recherches sur les notables municipaux dans l’Empire protobyzantin (Paris 2002); G. A. Cecconi, in: Die Stadt in der Spätantike – Niedergang oder Wandel? (Anm. 653), 285 ff.
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im Imperium Romanum in der ersten Hälfte bzw. um die Mitte des 5. Jahrhunderts in düsteren Farben darstellte,711 war der Kuriale in seiner Stadt ein Tyrann, der sogar glaubte, Macht und Ehre zu haben (De gub. Dei 5,18). Im Album der afrikanischen Stadt Thamugadi wohl aus dem Jahre 363 wurden die 190 Mitglieder des dortigen Ordos mit ihren alten Titeln und in der traditionellen Rangordnung angeführt.712 Noch ein Jahrhundert später kam den Kurialen sogar höchste kaiserliche Anerkennung zu: In der 7. Novelle des Kaisers Maiorianus wurde vermerkt, dass curiales nervos esse rei publicae ac viscera civitatum nullus ignorat. In manchen Teilen des Reiches, so unter anderem in Italien, konnte sich die Angehörigen der Kurialenstände auch noch als Euergeten betätigen,713 und in Nordafrika wiesen die municipalen Honoratiorenstände eine deutliche Kontinuität auf.714 Dennoch waren die öffentlichen Ämter, die einzelne Mitglieder des Ordo von Thamugadi übernommen hatten, für viele Kurialen eher munera als honores, und die von Maiorianus gerühmte Funktion der Kurialen bestand in ihren Leistungen zugunsten des Staates. Auch wenn es in der Stellung der Kurialen in den einzelnen Teilen des Reiches Unterschiede gab und von einem allgemeinen Zwang der Kurialen zu Leistungen und Abgaben für den Staat kaum die Rede sein kann, steht es außer Zweifel, dass die Pflichten der Angehörigen der städtischen Eliten in der Späten Kaiserzeit erheblich strenger reglementiert wurden als zuvor.715 Insbesondere seit der Gesetzgebung Konstantins des Großen wurden die Mitglieder der Kurialenstände in mancherlei Hinsicht nicht viel anders als Unfreie behandelt und belastet. Eine Zwangserblichkeit des Kurialenstatus wurde zwar gesetzlich nicht vorgeschrieben, war faktisch dennoch weitgehend vorhanden, da die Söhne aus Kurialenfamilien aufgrund ihres Besitzstandes in der Regel in die curiae eingeschrieben wurden.716 Für die Auffüllung der curiae wurde auch auf weitere Maßnahmen zurückgegriffen. So mussten nach einem Gesetz aus dem Jahre 317 in den Kurialenstand einer Stadt auch jene vermögenderen Personen eintreten, die sich dort als incolae nur 711 Zu Salvians Gesellschaftskritik siehe J. Badewien, Geschichtstheologie Sozialkritik im Werk Salvians von Marseille (Göttingen 1980). 712 A. Chastagnol, L’Album municipal de Timgad (Bonn 1978). 713 St. Mrozek, Historia 27, 1978, 355 ff. 714 Zu den städtischen Oberschichten im spätrömischen Nordafrika siehe bes. T. Kotula, Les principales d’Afrique. Étude sur l’élite municipale nord-africaine au Bas-Empire romain (Wrocław 1982). 715 Über die Gesetzgebung Diokletians, Konstantins und ihrer Nachfolger über die Kurialen siehe C. E. Van Sickle, JRS 28, 1938, 9 ff. (Diokletian); J. Gaudemet, Iura 2, 1951, 44 ff. (Konstantin); M. Nuyens, Le statut obligatoire des décurions dans le droit constantinien (Louvain 1964); W. Schubert, Zeitschr. f. Savigny-Stiftung f. Rechtsgesch., Rom. Abt. 86, 1969, 287 ff. (4.–6. Jahrhundert). Vgl. F. Vittinghoff, in: Stadt und Herrschaft (Anm. 235), 107 ff. und dens., Gesellschaft 2. Späte Kaiserzeit (Anm. 655), 327 ff., der vor verallgemeinernden Feststellungen hinsichtlich der ungünstigen Lage der Kurialen in der Späten Kaiserzeit zu Recht warnt, im Ganzen betrachtet aber ein zu optimistisches Bild entwirft. Siehe auch H. Horstkotte, ZPE 125, 1999, 243 ff. 716 Zur Frage Erblichkeit des Kurialenstatus siehe Th. Mommsen, Gesammelte Schriften III (Berlin 1907), 43 ff., vgl. aber dazu A. H. M. Jones, Eirene 8, 1970, 79 ff. = in: ders., The Roman Economy (Anm. 235), 396 ff.
die kurialen
vorübergehend aufhielten oder als Fremde in der Nähe Grund und Boden besaßen (Cod. Theod. 12,1,5). Die Bewegungsfreiheit der Kurialen wurde stark eingeschränkt. Selbst wenn sie etwa in einer Angelegenheit der Stadt den Kaiser besuchen wollten, durften sie ihre Gemeinde nur mit Genehmigung des Statthalters verlassen. Falls sie aus ihrer Stadt mehr als fünf Jahre abwesend waren, wurde ihr Vermögen konfisziert. Es wurde ihnen sogar verboten, sich auf ihrem Gut außerhalb der Stadt auf Dauer niederzulassen. Selbst für den Verkauf des eigenen Gutes benötigten sie eine Genehmigung durch den Statthalter.717 Eine Dauerbelastung stellten für sie ihre Leistungspflichten. Die Kurialen waren in ihrer Stadt für die Getreideversorgung, für die öffentliche Ordnung und für die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Bauwerke verantwortlich und mussten bei der Übernahme der Magistraturen öffentliche Spiele finanzieren. Darüber hinaus mussten sie für die Finanzen ihrer Gemeinde geradestehen und für Schulden die volle Haftung übernehmen.718 Vor allem wurde ihnen die Eintreibung der Kopf- und Bodensteuer in der Gemeinde übertragen, und zwar mit der Androhung strenger Strafen bei Versäumnissen und mit der Vorschrift der persönlichen Haftung für die Steuereinnahmen. Als »Tyrannen« erschienen sie ihren Mitbürgern insbesondere wegen dieser letzten Verpflichtung, und der Schachzug der kaiserlichen Politik, sie in der eigenen Gemeinde zu Steuereintreibern zu machen, trug zur Verschärfung der sozialen Gegensätze im Spätrömischen Reich erheblich bei. Allerdings waren die Kurialen durch diese Verpflichtungen, die unter den wirtschaftlichen Voraussetzungen der Späten Kaiserzeit keineswegs immer erfüllt werden konnten, selbst ebenfalls ein Opfer des Staates. Von einer Selbstverwaltung der Städte im Stil der früheren Kaiserzeit, mit dem eifrigen Wettbewerb der vermögenden Bürger um die Bekleidung der kommunalen Ämter, konnte unter derartigen Umständen kaum noch die Rede sein. Die wichtigste Funktion in der Verwaltung der Gemeinden hatte bezeichnenderweise der curator als der von der Regierung eingesetzte Aufseher der städtischen Finanzen inne. So ist es kein Wunder, dass der Kurialenrang von vielen nicht als Privileg, sondern geradezu als Strafe empfunden wurde. Es ist höchst aufschlussreich, dass im Jahre 375 der arianische Gouverneur der Diözese von Pontus gegen die orthodoxen Christen eine Maßnahme ergriff, die als Strafmaßnahme früher unvorstellbar gewesen wäre: Er ließ seine Gegner in die Kurialenlisten der Städte eintragen.719 Es ist lehrreich, dass selbst ein Historiker, der vor nicht langer Zeit vehement gegen die herrkömmliche Theorie des spätantiken »Zwangsstaates« ins Feld zog, die Geschichte der Kurialenstände in der Spätantike als einen Umwandlungsprozess »vom Honoratiorenzirkel zur Strafanstalt« bezeichnete.720 717 Zu den erwähnten Bestimmungen siehe Cod. Theod. 12,1,9; 12,1,143; 12,8,1 f.; 12,3,1 f. 718 Vgl. hierzu H. Horstkotte, Die ›Steuerhaftung‹ im spätrömischen ›Zwangsstaat‹2 (Anm. 663). 719 Basilius, Ep. 237,2; dazu R. Teja, Organización económica y social de Capadocia (Anm. 655), 181 f. 720 H. Horstkotte, ZPE 125, 1999, 243 ff., mit besonderer Betonung der Rekrutierungsvorschriften der Kurialen.
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Viele Kurialen fanden ihre Situation unerträglich und bemühten sich auf verschiedenen Wegen, ihren Lasten zu entfliehen. Die Flucht der Kurialen aus den Städten war ein wiederholtes Objekt der spätrömischen Gesetzgebung. Viele Angehörige der städtischen Oberschicht flohen nicht nur in das Heer, wo sie trotz der Vorschrift der Rückkehr in ihre Kurie (Cod. Theod. 12,1,22) noch immer am ehesten untertauchen konnten, sondern ersannen raffinierte Methoden, z. B. den Erwerb des Schutzes durch einen mächtigen Großgrundbesitzer aufgrund eines Verhältnisses mit einer dessen Sklavinnen.721 Das im Jahre 319 angeordnete Verbot dieses Tricks wurde nicht nur in den Codex Theodosianus (12,1,6), sondern auch noch in den Codex Iustinianus (5,5,3) aufgenommen; diese Form der Flucht wurde trotz des Verbots offensichtlich ebenso wie andere Methoden immer wieder praktiziert. In der Tat konnten die wiederholten Verfügungen die Entvölkerung der Kurien nicht unterbinden. Dass selbst eine große Stadt wie Karthago über nicht mehr genug Kurialen verfüge, wurde schon im Jahre 339 beklagt (Cod. Theod. 12,1,27). In den achtziger Jahren des 4. Jahrhunderts schrieb Libanios, dass in seiner Heimatstadt Antiochia in Syrien, wo es früher 600 oder sogar doppelt so viele Kurialen gegeben hatte, nicht einmal 60 mehr zu finden waren (Or. 48,4). In der gleichen Zeit fehlten in den kappadokischen Städten die Kurialen bereits so stark, dass einmal sogar ein vierjähriges Kind als Erbe eines Vermögens unter die Kurialen eingeschrieben wurde (Basilius, Ep. 84,2).722 Im Jahre 429 wurde offiziell festgestellt, dass in Africa nullus paene curialis idoneus in ordine cuiusquam urbis zu finden war (Cod. Theod. 12,1,186). Im Jahre 445 erging die Anordnung, dass der Ordo einer Stadt auch dann als arbeitsfähig zu betrachten sei, wenn er nur drei Kurialen aufweist (Nov. Val. 13,10). Diese Tatsachen zeigten den Untergang des Kurialenstandes und damit auch die katastrophale Schwächung des Städtewesens in den betroffenen Gebieten an. Selbst wenn die Entvölkerung der Kurien nicht immer auf unerträgliche Verpflichtungen zurückzuführen war, und selbst wenn die Lage in verschiedenen Teilen des Reiches unterschiedlich sein konnte, war der geschilderte allgemeine Trend nicht aufzuhalten. Der Niedergang der Kurialenstände verursache in vielen Städten große Schwierigkeiten für die Aufrechterhaltung des kommunalen Lebens. Um den Ausfall der Mittel für die Finanzierung der Kosten der Municipalorganisationen aus anderen Quellen zu decken, bemühten sich zahlreiche Gemeinden darum, dass einzelne reiche Leute, darunter auch senatorische Großgrundbesitzer, über die Stadtgemeinden den Patronat übernahmen, um als patroni für die gemeinschaftlichen Kosten
721 Dazu W. Seyfarth, Soziale Fragen der spätrömischen Kaiserzeit (Anm. 655), 82 f. 722 Zur Flucht von Dekurionen in Cappadocia siehe Th. A. Kopeček, Historia 23, 1974, 319 ff.; R. Teja, Organización económica y social de Capadocia (Anm. 655), 18 ff. Zu den Verhältnissen in Antiochia siehe P. Petit, Libanius et la vie municipale à Antioche au IVe siècle après J.-C. (Paris 1955) und bes. J. H. W. G. Liebeschuetz, Antioch. City and Imperial Administration in the Later Roman Empire (Oxford 1972), zur Flucht der Kurialen ebd. 174 ff.
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aufzukommen.723 Für manche Reiche war ein solcher Stadtpatronat noch immer mit Prestige und Ansehen verbunden. Oft konnte die schlechte Situation der Stadtgemeinden auch durch das Engagement der christlichen Kirche verbessert werden: Der Bischof stellte in der spätrömischen Stadt häufig die oberste Autorität dar und hatte manchmal sogar jenseits der Grenzen seiner Stadtgemeinde hohen Respekt wie etwa Synesios; um 400 Bischof von Kyrene.724 Er traf auch Sozialmaßnahmen,725 und die Umgestaltung der Städte in christlichen Zentren durch oft mit einem reichen Mosaikschmuck ausgestattete Kirchen war vermögenden christlichen Euergeten zu verdanken.726 Aber wirklich geheilt werden konnte das Städtewesen auch durch diese Formen der öffentlichen Wohltätigkeit kaum. Im Ganzen gesehen dürfte es nach wie vor berechtigt sein, die Geschichte der Städte im Spätrömischen Reich – zumindest im Westen de Imperium – im Gegensatz zur Ansicht zahlreicher heutiger Althistoriker nicht nur als »Wandel«, sondern durchaus auch als einen unverkennbaren »Niedergang« zu verstehen.727 Unterschichten Während die honestiores in der Späten Kaiserzeit in mehrere Schichten recht unterschiedlicher sozialer Stellung zerfielen, nahmen die einzelnen Bevölkerungsgruppen der humiliores eine immer einheitlichere Gestalt an. Ihre Nivellierung zeigte sich in der allgemeinen Armut in Stadt und Land ebenso wie in der weitgehenden Unfreiheit der städtischen und ländlichen Bevölkerungsmassen, die auf annähernd ähnliche wirtschaftliche, soziale und politische Bindungen zurückging. Die Sklaverei verlor ihre Bedeutung als wirtschaftliche und soziale Institution schon früher. »Das Resultat aber ist gewesen, dass sie nicht etwa der freien Arbeit Platz macht, sondern dass gleichzeitig mit ihr auch ihr Konkurrent, die freie Arbeit, zu Grunde geht. Die neuen Verhältnisse, wie sie sich seit dem Ende des 3. Jahrhunderts konsolidiert haben, kennen keine freie Arbeit mehr, sondern nur noch Arbeitszwang in den erblich gewordenen Ständen, bei der Landbevölkerung, den Kolonen, wie bei den
723 Siehe hierzu S. 313 f. 724 Siehe zu ihm T. Schmitt, Die Bekehrung des Synesios von Kyrene. Politik und Philosophie, Hof und Provinz als Handlungsräume eines Aristokraten bis zu seiner Wahl zum Metropoliten von Ptolemais (München 2001). 725 Siehe bes. R. Haensch, Chiron 37, 2007, 153 ff.; vgl. auch F. Vittinghoff, Gesellschaft 2. Späte Kaiserzeit (Anm. 655), 328 ff. 726 J. P. Caillet, Euergetisme monumental chrétien en Italie et ses marges d’après l’épigraphie des pavements de mosaïque (IV-VII) (Paris – Roma 1993). Vgl. auch die in Anm. 786 zitierte Untersuchung von St. Rebenich. 727 Anders die meisten Autoren im Sammelband Die Stadt in der Spätantike – Niedergang oder Wandel? (Anm. 653); ähnlich über die Städte Italiens in der Spätantike C. Lepelley, in: Institutions, société et vie politique dans l’Empire romain au IVe siècle (Anm. 654), 353 ff.; F. Vittinghoff, in: Gesellschaft 2. Späte Kaiserzeit (Anm. 655), 331 ff. G. A. Cecconi, in: Die Stadt in der Spätantike – Nieder gang oder Wandel? (Anm. 653), 285 ff., spricht m. E. dagegen richtig von »crisi e transformazioni«.
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Handwerkern, den Zünften – und ebenso bekanntlich bei den zu Hauptträgern der Steuerlast gewordenen Ratsherren«.728 Die Sklaverei verschwand in der Späten Kaiserzeit weder in den Städten noch auf dem Lande;729 nicht einmal die christliche Kirche setzte sich für die Abschaffung der Sklaverei ein.730 In Karthago gab es nach Augustinus in fast allen Familien Sklaven, in Kyrene nach Synesios sogar in allen Häusern; in Antiochia zählte zu den Zeiten des Libanios der Besitzer von zwei oder drei Sklaven nicht einmal zu den Reichen.731 Auf den Ländereien der senatorischen Valerii in Sizilien waren um die Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert noch 400 servi agricultores tätig,732 und um diese Zeit arbeiteten servuli auch auf den großen Gütern in Hispanien.733 Bezugsquellen waren auch außer der natürlichen Vermehrung der Sklavenfamilien vorhanden. Die Kinderaussetzung als Nachschubquelle für die Sklaverei ist auch in der Späten Kaiserzeit bezeugt, und häufig kam es auch vor, dass verschuldete Personen ihre Kinder oder sich selbst als Sklaven verkauften. Man konnte auch von den Barbaren Sklaven kaufen, und gelegentlich wurden auch barbarische Kriegsgefangene versklavt, so im Jahre 406 sogar große Massen jener Germanen, die unter Führung des Radagaisus nach Italien eingedrungen waren.734 In der Rechtstheorie wurden die Sklaven nach wie vor als eigene Kategorie betrachtet,735 und noch in den Institutionen Justinians (527–565) galt das Kriterium der persönlichen Freiheit oder Unfreiheit als das wichtigste personenrechtliche Unterscheidungsmerkmal (Iust., Inst. 1,3,7). Dennoch war die Unterscheidung zwischen Freiheit und Unfreiheit im traditionellen Sinne für die sozialen Verhältnisse nur noch von geringer Bedeutung. Die
728 Eduard Meyer, Kleine Schriften I (Halle 1924), 212. 729 Zur Sklaverei im Spätrömischen Reich siehe zusammenfassend. R. MacMullen, Historia 36, 1987, 359–382 = in: ders., Changes in the Roman Empire (Anm. 240), 236 ff. 374 ff.; A. Demandt, Die Spätantike2 (Anm. 397), 343 ff.; K. Harper, Slavery in the Late Mediterranean, AD 275–475. An Economic, Social and Institutional Study (Cambridge 2011). Sklaverei in den spätrömischen Städten: I. Hahn, Annales Univ. Sc. Budapestinensis, Sectio Hist. 3, 1961, 23 ff. = in: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit (Anm. 379), 128 ff. (über freie Arbeit und Sklavenarbeit in der spätantiken Stadt, grundlegend auch für die Handwerkerschicht); über die Sklaverei auf dem Lande W. L. Westermann, The Slave Systems (Anm. 111), 128 ff. Sklaverei im spätantiken Gallien: H. Grieser, Sklaverei im spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien (5.-7. Jh.) (Stuttgart 1997). 730 Zum Verhältnis des Christentums zur Sklaverei und zu christlichen Sklaven in der Spätantike siehe bes. R. Klein, Die Sklaverei in der Sicht der Bischöfe Ambrosius und Augustinus (Stuttgart 1988); G. Kontoulis, Zum Problem der Sklaverei bei den kappadokischen Kirchenvätern und Johannes Chrysostomus (Bonn 1993); R. Klein, Die Haltung der kappadokischen Bischöfe Basilios von Caesarea, Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa zur Sklaverei (Stuttgart 2000). Vgl. noch die Literatur in Anm. 262. 731 Karthago: Augustinus, Enarr. in Psalm. 124,7; Kyrene: Synesios, De regno 15; Antiochia: Libanios, Or. 31,11. 732 Gerontius, Vita Melaniae 18. 733 Oros., Hist. adv. pag. 7,40,6. 734 Oros., Hist. adv. pag. 7,37,16. 735 W. Seyfarth, Soziale Fragen der spätrömischen Kaiserzeit (Anm. 655), 127 ff. Zur Betrachtung der Sklaverei im politischen Denken der Späten Kaiserzeit siehe I. Hahn, Klio 58, 1976, 459 ff.
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Nivellierung zeigte sich selbst in der Rechtsentwicklung deutlich. Auf der einen Seite wurde im 4. Jahrhundert die Rechtsstellung der Sklaven durch verschiedene Gesetze verbessert, und sie wurden in mehrfacher Hinsicht den Freien gleichgestellt. So wurden christliche Sklaven gegen jüdische Herren in Schutz genommen; die Kastration der Sklaven wurde geahndet; selbst ihre körperliche Züchtigung war nur noch als letztes Disziplinierungsmittel erlaubt.736 Ein besonders humaner Ton spricht aus dem Gesetz Konstantins aus dem Jahre 325 mit dem Verbot, dass Angehörige einer Sklavenfamilie durch Verkauf an verschiedene Eigentümer voneinander getrennt wurden (Cod. Theod. 2,25,1). Aber auf der anderen Seite wurden die »freien« Bevölkerungsmassen durch die Einschränkung der freien Wohnorts- und Berufswahl sowie durch den Zwang zu Arbeitsleistungen und Abgaben weitgehend auf das Niveau von Sklaven heruntergedrückt. Insbesondere bei der Behandlung der Kolonen machte allmählich selbst die Rechtstheorie kaum mehr einen Unterschied zwischen »Freien« und »Unfreien«.737 Durch die Bindung an die Scholle (adscriptio glebae) galten die Kolonen schon am Ende des 4. Jahrhunderts als »Sklaven der Scholle«: et licet condicione videantur ingenui, servi tamen terrae ipsius cui nati sunt aestimentur (Cod. Iust. 11,52,1,1). Aber auch ihre Abgabeverpflichtungen den Großgrundbesitzern gegenüber stellten eine sehr starke persönliche Bindung dar, so dass sie selbst für die Rechtstheorie beinahe als Sklaven der Gutsherren erschienen.738 So bezeichnete die kaiserliche Gesetzgebung die Kolonen gelegentlich sogar als »Besitz« (Cod. Theod. 4,23,1). Die Vermögensrechte wurden den Kolonen ebenso entzogen wie den Sklaven, die nur durch das Wohlwollen des Herrn über ein eigenes peculium verfügen konnten. Die Kolonen besaßen das Recht nur zum Erwerben und nicht zum Veräußern, und was sie erwarben, gehörte rechtlich gesehen nicht ihnen, sondern dem Gutsherrn (Cod. Iust. 11,50,2,3). So konnte Justinian mit Recht feststellen, dass zwischen servi und adscripticii (an die Scholle gebundene Kolonen) eigentlich kein Unterschied vorhanden sei: Beide sind der potestas eines Herrn unterstellt, und während der Sklave mit eigenem Vermögen freigelassen werden kann, ist der Kolone zusammen mit dem Landstück, das er bearbeitet, zu
736 Cod. Theod. 16,9,1; Cod. Iust. 4,42,1; Cod. Theod. 12,1,39. 737 Zum Kolonat vgl. die Literatur in Anm. 415, 416 und 564; für die Späte Kaiserzeit siehe bes. M. Pallasse, Orient et Occident, à propos du colonat romain au Bas-Empire (Lyon 1950); A. H. M. Jones, Past and Present 13, 1958, 1 ff. = in: ders., The Roman Economy (Anm. 235), 1 ff., deutsch in: Sozialund Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit (Anm. 397), 81 ff.; ders., The Later Roman Empire (Anm. 654), 795 ff.; D. Eibach, Untersuchungen zum spätantiken Kolonat in der kaiserlichen Gesetzgebung unter Berücksichtigung der Terminologie (Bonn 1977); M. Carrié, Opus 1, 1982, 351–370; G. Giliberti, Servi della terra. Ricerche per una storia del colonato (Torino 1999); A. Marcone, Il colonato tardoantico nella storiografia moderna (da Fustel de Coulanges ai nostri giorni) (Como 1988); E. Lo Cascio (Ed.), Terre, proprietari e contadini dell’impero romano: Dall’affitto agrario al colonato tardoantico (Roma 1997); M. Mirkovic´, M., The Later Roman Colonate and Freedom (Philadelphia 1997); C. Grey, JRS 97, 2007, 155 ff.; A. J. B. Sirks, JRS 108, 2008, 120 ff. (Kolonat unter Justinian). 738 Zur Angleichung der Kolonen an die Sklaven bzw. umgekehrt vgl. C. R. Whittaker, in: M. Finley (Ed.), Classical Slavery (London 1967, Portland 2000), 111 ff.
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veräußern (ebd. 11,48,21,1). Die alltäglichen Lebensbedingungen der Sklaven und der »freien« Arbeitern waren in der Regel kaum voneinander zu unterscheiden, und zwar nicht nur auf den Gütern, sondern auch in den Städten. Nach Libanios mussten die nominell freien Handwerker, wenn sie nicht verhungern wollten, schwerer arbeiten als Sklaven (Or. 20,37). Dazu kam die Verachtung, die nominell freie oder unfreie humiliores seitens der Mächtigen gleichermaßen traf. Bezeichnenderweise gebrauchten die kaiserlichen Edikte das Wort faex (»Abschaum«) ebenso für das niedere Volk im Allgemeinen wie für die Sklaven.739 Selbstverständlich gab es auch innerhalb der großen Masse der humiliores soziale Unterschiede, so schon zwischen der Bevölkerung der Städte und des Landes, aber auch zwischen einzelnen Gruppen entweder in der Stadt oder auf dem Land, bedingt durch Beruf, Besitzverhältnisse und Formen der sozialen Bindungen an die honestiores. Zwischen der städtischen und der ländlichen Plebs war nicht nur im Hinblick auf Wohnort und Beruf ein Unterschied vorhanden, sondern auch in der sozialen Stellung. Die rusticana plebs wurde unter Diokletian als jene Bevölkerungsgruppe definiert, die außerhalb der ummauerten Zentralorte wohnt, die entsprechenden Abgaben an Agrargütern (annona) leistet und zur Kopfsteuerzahlung (capitatio) verpflichtet ist (Cod. Iust. 11,55,1). Der plebs urbana dagegen gewährte Diokletian die Befreiung von der Kopfsteuer, und Konstantin hat dieses Privileg im Jahre 313 bestätigt (Cod. Theod. 13,10,2). Die Verpflichtungen der niederen Stadtbevölkerung lagen in Sondersteuern wie in der collatio lustralis, in einer Vermögenssteuer, die die Kaufleute alle fünf Jahre in Gold zu entrichten hatten, und vor allem in Arbeitsleistungen. Dazu kam noch ein weiterer sozialer Unterschied: Die Massen der Landbevölkerung mussten zur gleichen Zeit sowohl den Hauptanteil der für die Aufrechterhaltung des Staatsapparates erforderlichen Abgaben aufbringen als auch den ihnen von den Gutsherren auferlegten Verpflichtungen nachkommen; die städtischen Kaufleute und Handwerker mussten dagegen theoretisch nur einen vom Staat festgesetzten Bedarf decken. So besaßen die Stadteinwohner gegenüber den ländlichen Massen manche Vorteile, und zumindest in einzelnen Fällen konnten sie davon auch Gebrauch machen. In Antiochia z. B. gab es im 4. Jahrhundert auch finanziell gut situierte Kaufleute und Handwerker, die hauptsächlich die Kaufkraft des dort ansässigen starken staatlichen Beamtenapparates nützen konnten.740 Aber es ist unwahrscheinlich, dass es im Spätrömischen Reich von der plebs urbana zu der plebs rustica ein ebenso deutliches soziales Gefälle gegeben hätte wie in der früheren Kaiserzeit: Auch die Lasten der Stadtbevölkerung waren drückend genug, Armut und Elend waren auch in vielen Städten groß,741 und die direkte staatli739 Faex … plebeia: Cod. Theod. 9,42,5; vgl. auch vulgaris faex bei Amm. Marc. 26,7,7; servilis faex: Cod. Theod. 16,5,21 und 6,27,18. 740 J. H. W. G. Liebeschuetz, Antioch (Anm. 722), 59 ff. 741 Über die Armut in der spätrömischen Gesellschaft siehe E. Patlagean, Pauvreté économique et pauvreté sociale à Byzance, 4e-7e siècles (Mouton – Paris – La Haye 1977); vgl. P. R. Brown, Poverty and Leadership in the Later Roman Empire (Hanover 2002).
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che Kontrolle war häufig viel schlimmer als die Unterdrückung durch Gutsbesitzer. Dazu kam noch, dass der Landarbeiter gegen Übergriffe des größten Ausbeuters, des Staates, gerade bei seinem Gutsherrn noch immer einen gewissen Schutz finden konnte, während ein städtischer Händler oder Handwerker korrupten Staatsbeamten gegenüber beinahe schutzlos war.742 Die plebs urbana umfasste Kaufleute, Handwerker, das niedrigere Personal der Gemeindeverwaltung, das Hauspersonal der städtischen Oberschicht und ganz arme Gelegenheitsarbeiter.743 Dementsprechend setzte sie sich, insbesondere in den größeren Städten, nicht nur aus den nominell »Freien«, sondern auch aus Sklaven und in geringer Zahl aus Freigelassenen zusammen. Die Sklaven bildeten dabei vor allem das Hauspersonal der reicheren Bürger und wurden für die Zwecke der Kommunalverwaltung herangezogen, fehlten jedoch auch unter den Handwerkern nicht. Vor allem in den größeren Städten des Imperium Romanum und auch in zahlreichen weiteren Städten der östlichen Reichshälfte waren die Bevölkerungsschichten von Kaufleuten und Handwerkern insbesondere im 4. Jahrhundert noch von beträchtlicher Größe. Libanios bezeugt für Antiochia Bäcker, Gemüsehändler, Silberschmiede, Goldschmiede, Gastwirte, Barbiere, Steinmetzen, Parfümeure, Metallarbeiter, Schuhmacher, Weber, Lebensmittelhändler, Textilwarenhändler.744 In Rom gab es nach der Notitia urbis Romae allein 254 kleine Bäckereibetriebe. In Konstantinopel begegnete man nach Johannes Chrysostomos ständig Schustern, Webern und Walkern, nach Themistios war die Stadt voll von Zimmerleuten, Baumeistern und weiteren Handwerkern.745 Viele städtische Handwerker waren in ihren eigenen kleinen Betrieben tätig, doch fehlten auch größere Privatbetriebe mit Sklaven oder Freien als Arbeiter nicht. Die eigentlichen »Großbetriebe« waren die staatlichen Manufakturen (fabricae), die im Spätrömischen Reich mit dem Ziel ins Leben gerufen wurden, die Schwierigkeiten in der Versorgung des Staates, vor allem des Heeres, mit den nötigen handwerklichen Erzeugnissen, unter anderem mit Waffen, zu eliminieren oder wenigstens zu mindern. Nach der Notitia Dignitatum gab es im Westen 20, im Osten 15 derartige »Fabriken«.746 Die meisten von ihnen 742 Zur Korruption im Spätrömischen Reich siehe S. 280 mit Anm. 674. 743 Zur städtischen Plebs in der Späten Kaiserzeit siehe zusammenfassend W. Seyfarth, Soziale Fragen der spätrömischen Kaiserzeit (Anm. 655), 104 ff.; dens., in: Die Rolle der Plebs im spätrömischen Reich (Anm. 570), 7 ff.; A. Kneppe, Untersuchungen zur städtischen Plebs des 4. Jahrhunderts n. Chr. (Bonn 1979). Zu einzelnen Schichten und Gruppen der niederen Stadtbevölkerung vgl. A. F. Norman, JRS 48, 1958, 79 ff. Kaufleute und Handwerker: Siehe noch bes. A. H. M. Jones, The Later Roman Empire (Anm. 654), 824 ff.; A. Piganiol – A. Chastagnol, L’Empire chrétien (Anm. 655), 314 ff. Zur Spezialisierung des Handwerks siehe H. von Petrikovits, ZPE 43, 1981, 285 ff. Zu den Vertretern des Christentums im niederen Volk und zu ihrer Rolle in der Kirche vgl. L. Pietri – Y. Duval, Y. – Ch. Pietri, in: Institutions, société et vie politique dans l’Empire romain au IVe siècle (Anm. 655), 373 ff. 744 Alle Angaben bei J. H. W. G. Liebeschuetz, Antioch (Anm. 722), 52 ff. 745 Migne, PG 47, 508 f. (Johannes); Themist., Or. 18,223. Siehe dazu I. Hahn, Annales Univ. Sc. Budapestinensis, Sectio Hist. 3, 1961, 23 ff. = in: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit (Anm. 397), 128 ff. 746 Zu solchen Fabriken siehe V. Aiello, in: L. Zerbini (Ed.), Roma e le province del Danubio. Atti
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waren auf die Herstellung einer Ware spezialisiert, so auf die Produktion von Schilden in Lauriacum, Carnuntum und Aquincum, von Bögen in Ticinum, von Pfeilen in Concordia, von Uniformen in Trier und anderswo. Gearbeitet haben in diesen Betrieben freigeborene Handwerker ebenso wie auch Sklaven; unter den Letzteren gab es auch Strafgefangene.747 Zumindest in den größeren Städten gliederte sich somit die Plebs in verschiedene Schichten, deren soziale Hierarchie von den noch am ehesten angesehenen, teilweise wohlhabenden Kaufleuten bis zu den Strafsklaven in den staatlichen Manufakturen reichte. Dennoch waren die Faktoren überaus deutlich, die eine Nivellierung der städtischen Unterschichten bewirkten. Alle Kaufleute und Handwerker arbeiteten unter strenger staatlicher Kontrolle. Sie diente, wie schon früher, der Zusammenfassung der Handwerker und Kaufleute in Kollegien, deren Mitglieder gut zu beaufsichtigen waren. Die Zugehörigkeit zu solchen Korporationen wurde sogar vielfach erblich, da die kaiserlichen Regierungen großen Wert darauf legten, dass es genügend Handwerker und Händler gab.748 Die Mailänder Kaufleute etwa waren in einem derartigen Organ (corpus mercatorum Mediolanensium) vereint;749 in Rom bildeten die einzelnen Berufsgruppen, z. B. die Bäcker (pistores), ähnliche Organisationen. Die Arbeiterschaft der einzelnen staatlichen fabricae bildete von vornherein geschlossene, kollegiumähnlich organisierte Gruppen, die besonders streng verwaltet wurden; die dort üblichen Strafen waren die gleichen wie im Heer. Noch stärker war die Abhängigkeit der Kaufleute und Handwerker dadurch, dass sie ihren Beruf – zumindest im Westen – nicht frei wählen konnten. Für die Reeder z. B. wurde ausdrücklich festgelegt, dass sie ihren Beruf nicht wechseln durften (sint perpetuo navicularii), und die Erblichkeit des Berufes war verpflichtend. Die Zwangserblichkeit bestand ebenso bei verschiedenen Handwerkern; bei den Bäckern ging der Berufszwang so weit, dass auch der Schwiegersohn eines Bäckers die Lasten dieses Berufes übernehmen und diesen Beruf nach der gleichen Verpflichtung ausüben musste, als wenn er in einer Bäckerfamilie geboren wäre.750 Und je größer die Schwierigkeiten des Staates wegen der Probleme in der handwerklichen Produktion waren, desto strenger wurde auch die Unterdrückung der Handwerker in den Zwangskorporationen. Nach dem Tode des Theodosius I. wurde ihnen im
del I Convegno Internazionale Ferrara – Cento, 15–17 Ottobre 2009 (Soveria Mannelli 2010), 421 ff. (fabricae in den Donauprovinzen). 747 Dazu A. Persson, Staat und Manufaktur im römischen Reiche (Lund 1923). Zur sozialen Stellung der Arbeiter in den fabricae siehe N. Charbonnel, in: F. Burdeau – N. Charbonnel – M. Humbert (Eds.), Aspects de l’Empire romain (Paris 1964), 61 ff. 748 Siehe hierzu V. Weber, in: Gesellschaft und Wirtschaft des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert (Anm. 376), 120 ff. 749 L. Ruggini, Economia e società dell’»Italia annonaria« (Anm. 655), 84 ff. 750 Naviculari, pistores: A. Piganiol – A. Chastagnol, L’Empire chrétien (Anm. 655), 315 f. und 319 f. Erwähnte Gesetze über navicularii: Cod. Theod. 13,5,19 und 13,5,12, über pistores: ebd. 14,3,2 und 14,3,14.
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westlichen Reichsteil ausdrücklich verboten, städtische Ämter zu übernehmen, auf das Land zu ziehen, in den Heeresdienst oder in den Dienst der Kirche einzutreten. Auch die wirtschaftliche Lage der plebs urbana war im Ganzen gesehen ziemlich ungünstig. Regelmäßig ernährt wurde zumindest das niedere Volk von Rom und Konstantinopel, vor dessen Unruhen die kaiserlichen Regierungen Angst hatten.751 Bei der rücksichtslosen Ausbeutung der Kaufleute und bei der Unterdrückung der Handwerker waren von ihnen nur wenige, am ehesten noch in den östlichen Städten, besser gestellt, und auch diesen drohte immer die Gefahr, dass sie ihren Besitz durch die zwangsweise zu erfolgende Aufnahme in den Kurialenstand verlieren. Selbst in einer nach spätantiken Maßstäben überdurchschnittlich reichen Großstadt wie Antiochia konnten im 4. Jahrhundert nach Libanios die Kaufleute ihre fünfjährige Steuer nur »weinend« bezahlen; wenn sie dazu nicht in der Lage waren, blieb ihnen als einziger Ausweg nur der Verkauf ihrer Kinder in die Sklaverei, um der Zahlungspflicht nachzukommen. Die meisten Handwerker Antiochias waren arm; ihre Wohnverhältnisse, oft in sehr armseligen Behausungen, waren miserabel; manche von ihnen waren so arm, dass sie schon durch die Kosten für einen Neuanstrich der kleinen eigenen Werkstatt ruiniert wurden.752 In vielen anderen Städten muss die Lage der niederen Bevölkerungsschichten noch schlimmer gewesen sein.753 In den großen Städten waren überall Massen kranker Bettler zu sehen, die in den Kirchen gepflegt und ernährt wurden.754 Für die Armut in afrikanischen Städten ist eine Geschichte vielsagend, die Augustinus erzählt: Ein alter Schneider in Hippo, der seinen Mantel verlor, besaß überhaupt kein Geld, um sich einen neuen zu kaufen; wie durch ein Wunder fand er einmal einen Fisch, den er verkaufen konnte, aber der Kaufpreis reichte noch immer nicht für einen Mantel aus, nur für etwas Wolle, aus der seine Frau ein notdürftiges Kleidungsstück anfertigen konnte.755 Nach Ammianus Marcellinus waren in Rom viele Menschen so arm, dass sie nicht unter einem eigenen Dach, sondern in Kneipen und in öffentlichen Bauten übernachten mussten (14,6,25 f.). Der Armut entsprach auch das allgemein niedrige soziale Ansehen der städtischen Unterschichten Nach Ammianus war die stadtrömische Plebs nur an Würfelspiel und an Wettrennen interessiert, so dass in Rom überhaupt nichts Ernsthaftes mehr betrieben werden konnte (14,6,2). Die plebs rustica umfasste ebenso wie die Plebs der Städte zahlreiche Bevölkerungsgruppen, deren tatsächliche Lage allgemein schlecht war und zwischen denen
751 E. Tengström, Bread fort he People. Studies of the Corn-Supply of Rome during the Late Empire (Stockholm 1974); siehe auch in Anm. 214 erwähnten Arbeiten von B. Sirks. 752 Kaufleute: Libanios, Or. 26,23 und 46,23; Handwerker: ebd. 20,36f.; 29,27; 33,32. Siehe dazu I. Hahn, Annales Univ. Sc. Budapestinensis, Sectio Hist. 3, 1961, 25 f. = in: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit (Anm. 397), 132 ff. Für Antiochia alle Angaben bei J. H. W. G. Liebeschuetz, Antioch (Anm. 722), 52 ff. 753 Zur Armut in der Spätantike siehe die Literatur in Anm. 741. 754 Palladius Monachius, Hist. Lausiaca 68. 755 Augustinus, De civ. Dei 22,8.
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keine ähnlich großen sozialen Unterschiede mehr bestanden wie etwa im 1. Jahrhundert n. Chr. z. B. zwischen selbständigen Bauern und in Fesseln arbeitenden Gutssklaven.756 Die große Masse der Landbevölkerung bestand aus Landarbeitern. Aber es gab auch zahlreiche Handwerker, vor allem auf den großen Gütern, deren Besitzern Palladius empfahl, die für sie wichtigen Gewerbezweige durch eigene Spezialarbeiter sichern zu lassen.757 In den Bergbaudistrikten gab es nominell freie Pächter sowie Strafsklaven als Bergarbeiter.758 Auch die Landarbeiterschaft war aus verschiedenen sozialen Gruppen zusammengesetzt.759 Auf den großen Gütern stellten die an die Scholle gebundenen Kolonen die Masse der Arbeitskräfte dar. Dennoch gab es auf den Latifundien auch inquilini, Landarbeiter, die dort ansässig waren, aber vor Valentinian I. noch das Recht besaßen, vom Gut wegzuziehen. Auch Lohnarbeiter fehlten nicht, die mit dem Gutsherrn ein contractum schlossen und einen ausgemachten Arbeitslohn (merces placita) erhielten (Cod. Iust. 11,48,8,1). Eine Spezialgruppe unter den Landarbeitern bildeten die Saisonarbeiter wie etwa die zahlreichen nordafrikanischen Wanderarbeiter (circumcelliones), die von Sommer zu Sommer bei der Ernte auf den großen numidischen Gütern Beschäftigung fanden.760 Selbst die unabhängigen Bauern mit einem kleinen eigenen Besitz waren in der Späten Kaiserzeit keineswegs verschwunden; in Syrien z. B. gab es nach Libanios nicht nur Dörfer mit einem einzigen Herrn, d. h. mit einem Großgrundbesitzer, sondern auch andere mit vielen kleinen Landbesitzern. Eine besondere Schicht der Landbevölkerung bildeten die barbarischen Gefangenen, die unter einzelne Gutsherren verteilt wurden und als tributarii oder quadam servitute dediti (Cod. Iust. 11,50,2), doch nicht ganz mit der Rechtlosigkeit von Sklaven, Produktionsarbeit leisten mussten. Schließlich gab es zumindest in einigen Teilen des westlichen Mittelmeerraumes wie auf Sizilien und in Hispanien auf den Gütern der Großgrundbesitzer auch Sklaven, doch sind sie in zahlreichen Provinzen wie z. B. in Syrien oder Cappadocia trotz der günstigen Quellenlage als landwirtschaftliche Arbeitskräfte überhaupt nicht mehr nachweisbar.761 Aus dieser Tatsache geht hervor, dass es in der Zusammensetzung der Landarbeiterschichten auch regionale Unterschiede gab.
756 Zum Land und zur Landbevölkerung der Spätantike siehe zusammenfassend T. Lewit, Agricultural Production in the Roman Empire, AD 200–400 (Oxford 1991); P. Garnsey, Prolegomenon to a Study of Land in the Later Roman Empire (Amsterdam 1996). 757 Palladius, Agr. 1,6 und 7,8. 758 Über Bergleute in der Späten Kaiserzeit siehe St. Mrozek, in: Die Rolle der Plebs im spätrömischen Reich (Anm. 570), 161 ff. 759 Zu den einzelnen Kategorien der Landbevölkerung siehe A. H. M. Jones, The Later Roman Empire (Anm. 654), 773 ff.; A. Piganol – A. Chastagnol, L’Empire chrétien (Anm. 655), 303 ff.; vgl. F. Tinnefeld, Die frühbyzantinische Gesellschaft (Anm. 655), 33 ff. 760 Über Lohnarbeiter siehe bes. W. Seyfarth, Soziale Fragen der spätrömischen Kaiserzeit (Anm. 655), 95 ff. 761 Für Syrien siehe zu den zitierten Angaben J. H. W. G. Liebeschuetz, Antioch (Anm. 722), 61 ff. Für Cappadocia vgl. R. Teja, Organización económica y social de Capadocia (Anm. 655), 67 f. (der jedoch analog zur früheren Kaiserzeit eine ausgedehnte Agrarsklaverei voraussetzt).
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Das gilt selbst für das System des Kolonats, das nicht überall gleichermaßen verbreitet war. Das Kolonatsystem wurde in einigen Randgebieten des Reiches, in denen sich die Latifundienwirtschaft erst spät herausbildete, nicht früher als in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts institutionalisiert, nämlich in Illyricum im Jahre 371 und in Palaestina im Jahre 386.762 Nichtsdestoweniger stellten die Kolonen die für die spätrömische Agrarstruktur am ehesten typische und zugleich am ehesten homogene Schicht der Landbevölkerung dar. Die Rechte des Kolonen bestanden im Gegensatz zu denjenigen des Sklaven im persönlichen Bodenbesitz und in der legalen Heiratsfähigkeit, ferner zumindest ursprünglich auch im Recht, in den Heeresdienst einzutreten. Angesichts seiner Pflichten und seiner sozialen Bewegungsunfreiheit lebte er jedoch de facto oft in einer ähnlichen Abhängigkeit wie ein Sklave. Nachdem die Bindung der Kolonen an das von ihnen gepachtete und bebaute Land bereits während des 3. Jahrhunderts in zunehmendem Maße praktiziert worden war, führte Diokletian im Zusammenhang mit der Reorganisation des Steuersystems die Bindung der Kolonen an die Scholle institutionell ein. Bezeichnenderweise wurde dieses als grundlegend empfundene Abhängigkeitssystem durch neue Gesetze immer weiter ausgebaut, was umso notwendiger war, als der Widerstand der Landbevölkerung gegen dieses System, vor allem durch die Flucht von den Gütern, seine Funktionsfähigkeit immer wieder bedrohte. Nach Lactantius hat schon die Reform Diokletians mit der enormitas des Steuerdruckes auf die Kolonen bewirkt, dass die Ländereien entvölkert wurden und verödeten.763 Konstantin ordnete im Jahre 332 an, dass derjenige, der einen flüchtigen Kolonen aufgenommen hatte, diesen dem ursprünglichen Gutsbesitzer zurückgeben und außerdem für die ausgefallene Steuer aufkommen musste, ferner, dass der fluchtverdächtige Kolone wie ein Sklave in Fesseln gelegt werden sollte (Cod. Theod. 5,17,1). Im Jahre 357 wurde festgelegt, dass der Besitzer beim Verkauf des Gutes dessen Kolonen nicht mitnehmen konnte, sondern zusammen mit dem Gut dem Käufer überlassen musste (Cod. Theod. 13,10,3). Eine Reihe späterer Gesetze schränkte die Bewegungsfreiheit der Kolonen noch stärker ein. Der Eintritt in das Heer oder in den Klerus wurde grundsätzlich auch ihnen verwehrt. Nach einem Gesetz aus dem Jahre 419 war der flüchtige Kolone auch noch nach 30 Jahren auf das Gut zurückzuschaffen, wo er geboren worden war, unbeschadet dessen, ob der ursprüngliche Gutsbesitzer noch am Leben war oder nicht (Cod. Theod. 5,18,1). Dabei war es selbstverständlich, dass die Zwangserblichkeit des Berufes für den 762 Cod. Iust. 11,53,1ff. und 11,51,1. 763 De mort. pers. 7,3. Zur Flucht der Landbevölkerung vgl. etwa A. E. R. Boak – H. C. Youtie, in: Studi in onore di A. Calderini (Milano 1957), 325 ff. (Ägypten); H. Bellen, Studien zur Sklavenflucht (Anm. 468), 122 ff.; M. Mirkovic´, Flucht der Bauern, Fiskal- und Privatschulden, in: E Chrysos (Hrsg.), Studien zur Geschichte der römischen Spätantike. Festgabe für Professor Straub (Athen 1989), 147 ff. Vgl. auch Th. Pekáry, in: R. Günther – St. Rebenich (Hrsg.), E fontibus haurire. Festschrift für H. Chantraine (Paderborn usw. 1994), 185 ff. = in: ders., Ausgewählte kleine Schriften (Anm. 188), 268 ff., außerdem auch noch Anm. 498, 660 und 788.
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Angehörigen einer Kolonenfamilie als colonus originarius ebenso bestand wie für zahlreiche Kaufleute und Handwerker in verschiedenen Städten. Durch ein Gesetz aus dem Jahre 380 wurde dem Kolonen sogar verboten, außerhalb seines Standes zu heiraten (Cod. Theod. 10,20,10). Einige weniger abhängige Gruppen der Landbevölkerung waren im Spätrömischen Reich gelegentlich wohl besser gestellt als die Masse der Kolonen. Dennoch verlief die Sozialentwicklung innerhalb der plebs rustica ebenso wie innerhalb der städtischen Unterschichten in die Richtung der allgemeinen Nivellierung. Die Abhängigkeitsform der coloni adscripticii fand eine in steigendem Maße starke Verbreitung, während die Masse der Landeinwohnergruppen mit anderer Rechtsstellung im Allgemeinen abnahm. Die institutionelle Einführung des Kolonatsystems in Illyricum und in Palaestina während des späten 4. Jahrhunderts brachte diesen Trend deutlich zum Ausdruck. Ferner war es bemerkenswert, dass die Form der sozialen Abhängigkeit auch bei den verschiedenen Landarbeitergruppen eine zunehmend einheitliche Gestalt annahm. Diese Entwicklung lässt sich nicht nur durch die Annäherung der Positionen von Sklaven und Kolonen aufgrund der Zuweisung verschiedener Rechte für die Ersteren und infolge der wachsenden Unfreiheit der Letzteren erkennen. Für die inquilini, die sich von den adscripticii angesichts ihres Rechts auf Freizügigkeit zunächst erheblich unterschieden, wurde unter Valentinian I. diese Bewegungsfreiheit eingeschränkt, und bald darauf verloren sie die Freiheit gänzlich, so dass sie nach dem Gesetz aus dem Jahre 419 bei Flucht von einem Gut selbst nach 30 Jahren ebenso zurückzuschaffen waren wie die gewöhnlichen Kolonen. Noch folgenschwerer war, dass die tatsächlichen Lebensbedingungen für die einzelnen Gruppen der plebs rustica weitgehend einheitlich, und das heißt zumeist einheitlich schlecht waren. Der Steuerdruck lastete auf der Landbevölkerung am schwersten, und ihre Gruppen waren den Vexationen durch die Steuereintreibung ohne Rücksicht darauf ausgeliefert, ob sie kleine Grundeigentümer oder nur Pächter von Grundstücken fremder Grundbesitzer waren. Dementsprechend war die Armut auf dem Lande ebenso eine allgemeine Erscheinung wie in den Städten. Dazu kamen noch die besonders harten Arbeitsbedingungen für die Landarbeiter im Allgemeinen. Es ist sehr bezeichnend, dass Konstantin im Jahre 321 für Richter, Handwerker und alle urbanae plebes die Arbeitsruhe an Sonntagen verordnete, zugleich jedoch vorschrieb, dass sich die Einwohner der ländlichen Gebiete auch an Sonntagen »frei und uneingeschränkt der Landarbeit widmen« (Cod. Iust. 3,12,2). Die spätrömische Gesellschaft und der Zerfall des Imperium Romanum Armut, Unfreiheit und Unterdrückung waren in allen Epochen der römischen Geschichte für breite soziale Schichten die normalen Lebensbedingungen. Im Spätrömischen Reich waren aber die Qualen der niederen Bevölkerung in mancherlei Hinsicht schlimmer denn je, und von Not und Leid waren breitere Kreise betroffen als
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früher. Da zahlreiche Angehörige der Dekurionenstände, die einst als Honoratioren geschlossen zur Elite der städtischen Gesellschaft und zu den Nutznießern des römischen Herrschaftssystems gehört hatten, nunmehr durch den Verlust ihrer früheren wirtschaftlichen, sozialen und politischen Position beinahe auf das Niveau der Unterschichten sanken, blieb in der Späten Kaiserzeit nur noch eine sehr dünne Bevölkerungsschicht übrig, die in ungestörtem Wohlstand lebte. Infolge dieser Entwicklung waren im Spätrömischen Reich die sozialen Spannungen sehr groß. Manche Zeitgenossen artikulierten die Gegensätze zwischen Arm und Reich in voller Deutlichkeit. Ambrosius fragte empört (De Nab. 1): »Wer von den Vermögenden strebt nicht danach, den Armen von seinem kleinen Besitz zu vertreiben, den Bedürftigen von seinem geerbten Landstück zu verjagen? … Täglich werden die Armen umgebracht.« Im 5. Jahrhundert entwarf Salvianus von der sozialen Ungerechtigkeit im dahinsiechenden Römischen Reich ein düsteres Bild (De gub. Dei 4,30): »In einer Zeit, in der der römische Staat entweder schon tot ist oder doch sicher in den letzten Zügen liegt, und dort, wo er noch zu leben scheint, von den Fesseln der Abgaben wie von Räuberhänden gedrosselt dahinstirbt, in einer solchen Zeit finden sich so viele Reiche, deren Abgaben die Armen bezahlen müssen, das heißt, es finden sich so viele Reiche, deren Abgaben die Armen töten.« Wie spannungsgeladen die spätrömische Gesellschaft war, zeigte sich in den sozialen Unruhen, die in Stadt und Land immer wieder zum Ausbruch kamen, und zwar aus ganz verschiedenen Anlässen.764 Dass die Landarbeiter, unter ihnen ebenso rechtlich unabhängige Bauern wie Kolonen und Sklaven, vor dem Steuerdruck und der schlechten Behandlung sehr häufig entflohen, sich in Räuberbanden zusammenrotteten und den römischen Staat zu militärischen Maßnahmen zwangen, war nach den Erfahrungen des 3. Jahrhunderts nichts Neues. Die Bewegung der Bagaudae, deren Teilnehmer in den Quellen als rusticani, agrestes, rustici, agricolae, aratores, pastores, latrones bezeichnet werden, ging auf die alten Vorbilder zurück; sie flammte in Gallien und auch in Hispanien weit bis in das 5. Jahrhundert hinein des öfteren auf.765 Aber selbst ländliche Widerstandsbewegungen konnten mit früher unbekannten Motiven verknüpft gewesen sein, die zu ihrer Entfaltung beitrugen. Am deutlichsten ist das in der Bewegung der Agonistiker zu beobachten, die im 4. Jahrhundert und zu Beginn des 5. Jahrhunderts Nordafrika, vor allem Numidia, 764 Zu den sozialen Spannungen und Konflikten im Spätrömischen Reich vgl. kurz G. Alföldy, Heidelberger Jahrbücher 20, 1976, 119 ff. = in: ders., Die römische Gesellschaft (Anm. 218), 90 ff.; ausführlicher F. Vittinghoff, 2. Späte Kaiserzeit (Anm. 655), 356 ff.; Ph. Badot – D. De Decker, Les Études Classiques 60, 1992, 235 ff.; A. Demandt, Die Spätantike2 (Anm. 397), 595 ff. Vgl. die unterschiedlichen Meinungen über die Vermengung dieser Spannungen in der späteren Kaiserzeit in Anm. 565. Zu den Aufständen der niederen Landbevölkerung zusammenfassend siehe Ch. Hall, Aufstände der plebs rustica (Anm. 576). 765 Zu den Bagauden, die sich schon am Ende des 3. Jahrhunderts bemerkbar machten, siehe Anm. 576; für die Spätantike siehe noch M. Doi, Klio 71, 1989, 344 ff.; J. F. Drinkwater, in: J. F. Drinkwater – H. Elton (Eds.), Fifth-Century Gaul. A Crisis of Identity? (Cambridge 1992), 208 ff.; L. Cracco Ruggini, Historia 44, 1996, 100 ff.
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stark beunruhigte und neben den Revolten in Gallien und Hispanien die am ehesten umfassende ländliche Widerstandsbewegung im Spätrömischen Reich darstellte.766 Ihre Träger waren hauptsächlich die circumcelliones, die Saisonarbeiter auf den großen Gütern Numidiens, die einerseits ohne Dauereinkommen und deshalb unter besonders schlechten sozialen Verhältnissen lebten,767 andererseits jedoch von den Grundbesitzern persönlich nicht so abhängig waren wie Sklaven oder Kolonen; angeschlossen haben sich ihnen jedoch auch flüchtige Kolonen und Sklaven.768 Ins Leben gerufen wurde diese Bewegung allerdings nicht so sehr als eine soziale, sondern in erster Linie als eine religiöse Strömung, da sie vom donatischen Kirchenschisma ausging. Sie richtete sich auch später nicht einfach gegen die Reichen, sondern stark auch gegen die katholische Kirche, deren episcopi et clerici nach Augustinus (Ep. 185,7,30) von den Circumcellionen mit besonderem Hass misshandelt wurden. In den Städten waren die auslösenden Momente für soziale Unruhen sehr verschieden und gelegentlich auch geringfügig. Bei den städtischen Volksmassen herrschte oft Unruhe; sie ließen sich häufig zu Massendemonstrationen und zu Unruhen mobilisieren.769 In Rom brachen immer wieder Hungerrevolten aus, da es dort wegen Missernten, Transportschwierigkeiten, politischer Konflikte und nicht zuletzt wegen Korruption häufig an Korn und auch an Wein mangelte. Allein im sechsten Jahrzehnt des 4. Jahrhunderts sind drei derartige seditiones überliefert.770 Es ist charakteristisch, dass der konkrete Anlass zum Ausbruch einer solchen Revolte die Verhaftung eines populären Wagenlenkers sein konnte (Amm. Marc. 15,7,2), da sie genügte, um die angestauten Hassgefühle zu entfesseln. Andererseits löste die Verhaftung eines Wagenlenkers in Thessalonike im Jahre 390 einen Aufruhr gegen den germanischen Heermeister Buthericus aus, der für das Volk den verhassten, fremden Militärapparat verkörperte.771 In Rom verursachte im Jahre 366 schon eine Papstwahl eine Rauferei, die mehr als 100 Tote kostete (Amm. Marc. 27,3,11 ff.). Einige Jahre später entzündete sich in kappadokischen Stadt Caesarea 766 Siehe bes. W. H. C. Frend, The Donatist Church. A Movement of Protest in Roman North Africa2 (Oxford 1971); H.-J. Diesner, in: Aus der byzantinischen Arbeit der DDR I (Berlin 1957) 106 ff.; dens., Der Untergang der römischen Herrschaft in Nordafrika (Anm. 655), 99 ff.; Th. Büttner – E. Werner, Circumcellionen und Adamiten (Berlin 1959); B. Baldwin, Nottingham Mediaeval Studies 6, 1962, 3 ff.; E. Tengström, Donatisten und Katholiken. Soziale, wirtschaftliche und politische Aspekte einer nordafrikanischen Kirchenspaltung (Göteborg 1964); R. MacMullen, Enemies of the Roman Order (Anm. 460), 200 ff.; M. Overbeck, Chiron 3, 1973, 457 ff. 767 Siehe zu ihnen A. Gotoh, Forms of Control and Subordination in Antiquity (Anm. 34), 303 ff.; J. E. Atkinson, Historia 41, 1992, 488 ff. 768 Kolonen (rusticana … audacia contra possessores suos) und fugitivi servi: Augustinus, Ep. 108,6,18. 769 Über die Rolle der städtischen Volksmassen in der Spätantike siehe R. MacMullen, in: Changes in the Roman Empire (Anm. 240), 250 ff. 385 ff. Zu Unruhen und Aufständen der plebs urbana in den spätrömischen Städten zusammenfassend A. Kneppe, Untersuchungen zur städtischen Plebs des 4. Jahrhunderts (Anm. 629), 20 ff. 770 H. P. Kohns, Versorgungskrisen und Hungerrevolten im spätantiken Rom (Bonn 1961). 771 Die Quellen bei A. Piganiol – A. Chastagnol, L’Empire chrétien (Anm. 655), 283 f.
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eine Revolte an der Absicht des Kaisers Valens (364–378), den ihm nicht genehmen Bischof Basilius abzusetzen.772 Im Jahre 387 kam es in Antiochia deshalb zu einem großen Aufruhr, weil der Stadtgemeinde die Erhöhung von Steuern verkündet wurde.773 Nicht selten gab es in den Städten, so in Alexandria oder in Antiochia, blutige Zusammenstösse zwischen Christen und Heiden, wie z. B. im Jahre 391 in der an erster Stelle genannten Stadt anlässlich der Zerstörung des berühmten Serapistempels durch die Christen.774 Diese Vielfalt der Anlässe für die sich stets wiederholenden Unruhen lässt aber nicht verkennen, dass ihnen die gleichen Ursachen zugrunde lagen: die sozialen Spannungen in den Städten, verursacht durch die Armut breiter Bevölkerungsmassen und durch ihre Unterdrückung durch den Staat. Dennoch konnten alle diese Widerstandsbewegungen, Revolten und Unruhen nicht zu einer sozialen Revolution der Unterschichten führen. Weder der Zerfall des römischen Herrschaftssystems noch der Übergang von der antiken zur mittelalterlichen Gesellschaftsordnung wurden durch eine Revolution herbeigeführt. Die am ehesten maßgebende Form der sozialen Abhängigkeit innerhalb der Grenzen des Imperium Romanum war ebenso vor wie nach dem Untergang des weströmischen Kaisertums die Bindung der Kolonenmassen an die Großgrundbesitzer, und vom 4. zum 6. Jahrhundert hat sich die Struktur der Großgrundbesitzerschicht ebenso wenig grundlegend geändert wie diejenige der ländlichen Massen. Die Revolten und Unruhen in den einzelnen ländlichen Gebieten und Städten, ähnlich wie auch die meisten vergleichbaren Widerstandsbewegungen in den früheren Epochen der römischen Geschichte, flammten voneinander räumlich und oft auch zeitlich getrennt auf; eine einheitliche revolutionäre Bewegung konnte sich nie entfalten. Das 772 Migne, PG 36, 569, dazu R. Teja, Organización económica y social de Capadocia (Anm. 655), 201 f. 773 R. Browning, JRS 42, 1952, 13 ff.; G. Downey, A History of Antioch in Syria (Princeton 1961), 428 ff.; J. H. W. G. Liebeschuetz, Antioch (Anm. 722), 104 f. und 164; H. Leppin, in: Gedeutete Realität (Anm. 601), 103 ff. 774 Siehe hierzu M. Clauss, Alexandria (Anm. 258), 276 ff. Über solche Konflikte ausführlich: J. Hahn, Gewalt und religiöser Konflikt. Studien zu den Auseinandersetzungen zwischen Christen, Heiden und Juden im Osten des Römischen Reiches (von Konstantin bis Theodosius II) (Berlin 2004); M. Gaddis, There is no Crime for those who have Christ. Religious Violence in the Christian Roman Empire (Berkeley 2005); Th. Sizgorich, Violence and Belief in Late Antiquity: Militant Devotion in Christianity and Islam (Philadelphia 2009); außerdem noch bes. C. Haas, Alexandria in Late Antiquity. Topography and Social Conflict (Baltimore – London 1997); E. Watts, Riot in Alexandria. Tradition and Group Dynamics in Late Antique Pagan and Christian Communities (Berkeley 2010). Zum Verhältnis zwischen Heiden und Christen im Spätrömischen Reich siehe auch R. MacMullen, Christianity and Paganism in the Fourth to Eighth Centuries (New Haven – London 1997); A. D. Lee, Pagans and Christians in Late Antiquity (London – New York 2000); in Rom: J. R. Curran, Pagan City and Christian Capital. Rome in the Fourth Century (Oxford 2000); zum Fortleben des Heidentums P. Chuvin, A Chronicle of the Last Pagans (Cambridge, Mass. 1990); P. Athanasiadi – M. Frede (Eds.), Pagan Monotheism in Late Antiquity (Oxford 1999). Nicht unproblematisch war auch das Verhältnis zwischen Christen und Juden, siehe M. Simon, Verus Israel. A Study of the Relations between Christians and Jews in the Roman Empire (AD 135–425) (Oxford 1986). Zur Lage der Juden im Allgemeinen siehe K. L. Noethlichs, Die Juden im christlichen Imperium Romanum (4.-6. Jahrhundert) (Berlin 2001).
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war schon deshalb unmöglich, weil der Denkhorizont der unterdrückten sozialen Schichten – ebenso wie stets auch früher in der Geschichte der römischen Gesellschaft – höchstens bis zur Auflehnung gegen Gewalt und Unterdrückung, doch nicht zur Entwicklung einer revolutionären Theorie zur Veränderung der Gesellschaft reichte. Bezeichnenderweise war das Ziel der flüchtigen Kolonen und Sklaven im Normalfall nicht die Vereinigung in Banden gegen die Großgrundbesitzer. Wie dies aus den Rechtsquellen hervorgeht, flohen sie zumeist nur von einem Gut auf ein anderes, von dessen Herrn sie eine bessere Behandlung erhofften. Auch die Träger der mit offener Gewaltanwendung ausgetragenen Widerstandsbewegungen, unter ihnen selbst die paramilitärisch organisierten Circumcellionen, waren nicht in der Lage, eine revolutionäre Ideologie zu entwickeln.775 Überhaupt gab es im Spätrömischen Reich, trotz der Nivellierung der unteren sozialen Schichten und trotz aller Konflikte zwischen Arm und Reich, ebenso wenig eine einheitliche revolutionäre Klasse wie in den früheren Perioden der römischen Geschichte: Die Interessen einzelner unterdrückter sozialer Gruppen konnten, je nach ihrer Stellung und Abhängigkeit, nach wie vor unterschiedlich sein, und derartige Unterschiede konnten sich selbst innerhalb ein und derselben Revolte deutlich zeigen. Das beste Beispiel hierfür stellte der Aufstand in Antiochia im Jahre 387 dar: Die Unruhe ging von den vornehmen Bürgern und Kurialen der Stadt aus, denen die Erhöhung der Steuern als Ersten mitgeteilt wurde; doch schaltete sich dann auch das von der Theaterclaque aufgehetzte städtische Volk ein, dessen Ziele aber von den meisten Angehörigen der städtischen Oberschicht nicht mehr geteilt wurden. Zugleich zeigte sich bei diesem Aufstand, dass es sich nicht um einen einfachen sozialen Konflikt zwischen höheren und niederen Schichten handelte. Der Hass richtete sich bezeichnenderweise gegen den Staat und kam am deutlichsten durch die Zerstörung ihrer Symbole, nämlich der Kaiserstatuen, zum Ausdruck,776 wie übrigens auch bei einem Aufstand im Jahre 382 in der kappadokischen Stadt Nazianz.777 Aber zur Unterdrückung derartiger einzelner Revolten war der römische Staat stark genug. In Antiochia konnte das Militär die Ruhe schnell wiederherstellen, und für den Terror, mit dem das Kaisertum gegen Aufständische häufig vorging, war bezeichnend, dass Theodosius I. im Jahre 390 in Thessalonike zur Strafe für die Ermordung des Buthericus 3.000 Menschen niedermetzeln ließ. Noch in den dreißiger Jahren des 5. Jahrhunderts war das weströmische Kaisertum in der Lage, gegen Aufständische
775 Vgl. bes. F. Vittinghoff, in: Zur Frage der Periodengrenze (Anm. 657), 298 ff., ferner ebd. 358 ff. (= Hist. Zeitschr. 192, 1961, 265ff.), mit Kritik an der marxistischen Revolutionstheorie. Zur marxistischen Beurteilung der Vorgänge in der Späten Kaiserzeit vgl. u. a. R. Günther, Klio 60, 1978, 235 ff. (Annahme einer »politischen Revolution in der Übergangsepoche zum Feudalismus« parallel mit der »sozialen Revolution« beim Übergang von der Antike zum Mittelalter). 776 Siehe Anm. 773. 777 Greg. Naz., Ep. 141, dazu R. Teja, Organización económica y social de Capadocia (Anm. 655), 202 f.
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in Noricum Militär einzusetzen.778 So konnten die Aufstände und Unruhen in dem Prozess, der zur Auflösung des römischen Herrschaftssystems führte, nur eine recht beschränkte Rolle spielen. In einzelnen Fällen trugen sie zwar zur Schwächung des Kaisertums bei, z. B. im Jahre 417, als die civitas Vasatica, eine Kleinstadt in Gallien, durch eine factio servilis in die Hände der Barbaren gespielt wurde.779 Aber dass das Weströmische Reich im 5. Jahrhundert dem Druck der barbarischen Völker nicht mehr standhielt, ergab sich nicht als Folge einer Revolution, sondern vor allem als Folge der Entfremdung zwischen Staat und Gesellschaft; die wiederholte Auflehnung einzelner sozialer Gruppen gegen den Staat war nur eines der vielen Zeichen dieser Entfremdung. Wie schon der Aufstand in Antiochia zeigte, waren die Hauptgegner der Unzufriedenen nicht die Großgrundbesitzer, sondern der Staatsapparat, der wägen der weit verbreiteten Korruption bei den Inhabern der hohen Ämter der Reichsverwaltung ohnehin in breiten Kreisen höchst unpopulär war. Welchen Grad die Korruption der Beamten unter den Voraussetzungen der spätrömischen Herrschaftsstrukturen selbst in den höchsten Rängen erreichen konnte, ist zur Genüge bekannt (z. B. Amm. Marc. 28,6,7 ff.). Die Ablehnung der kaiserlichen Willkürherrschaft war zugleich ein Ziel, das letztlich auch den Interessen der Großgrundbesitzer entgegenkam. Somit war der Niedergang des Weströmischen Reiches ein Prozess, dessen sozialgeschichtlicher Aspekt nicht in der Auflehnung der Unterschichten gegen ein von den Oberschichten getragenes Machtsystem lag, sondern darin, dass die römische Staatsordnung allmählich nur noch von einer ganz dünnen Schicht ihres eigenen Machtapparates getragen und zugleich eine Last für beinahe die gesamte Gesellschaft wurde. Es ist auch zu beachten, dass sich das System der sozialen Mobilität, das in der früheren Kaiserzeit zur Stabilisierung des römischen Herrschaftssystems im Weltreich zweifellos erheblich beigetragen hatte, in der Späten Kaiserzeit, nach ähnlichen Ansätzen schon während der Krise des 3. Jahrhunderts, zumindest im Westen eher als eine destruktive Kraft erwies. Grundsätzlich befürwortete das kaiserliche Regime im Weströmischen Reich durch die Forcierung des Berufszwanges und der Zwangserblichkeit von Berufen bei Kaufleuten, Handwerkern, Kolonen und auch bei den Kurialen ein statisches Sozialsystem; es förderte die Erblichkeit der sozialen Positionen auch innerhalb seines Machtapparates, indem es ermöglichte, dass die officiales in ihren Ämtern von ihren eigenen Söhnen abgelöst wurden (Cod. Theod. 7,22,3). Dennoch war die spätrömische Gesellschaft kein Kastensystem.780 Möglichkeiten 778 G. Alföldy, Noricum (Anm. 185), 214. 779 Paulinus von Pella, Euchar. 328 ff. (= CSEL 16, 304). 780 Zur sozialen Mobilität in der Späten Kaiserzeit siehe R. MacMullen, JRS 54, 1964, 49 ff., deutsch in: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit (Anm. 397), 155 ff. und bes. A. H. M. Jones, Eirene 8, 1970, 79 ff. = in: ders., The Roman Economy (Anm. 235), 396 ff., mit hoher Bewertung der Möglichkeiten sozialen Aufstiegs im Spätrömischen Reich im Gegensatz zur älteren Forschung (so etwa P. Charanis, Byzantion 17, 1944/45, 39 ff.). Nach F. Vittinghoff, Gesellschaft 2. Späte Kaiserzeit (Anm. 655), 349 ff. wurden im Spätrömischen Reich die Aufstiegschancen in der kaiserlichen
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für den sozialen Aufstieg wurden verschiedenen Gruppen der Bevölkerung auch institutionell eingeräumt. Wer unter den gewöhnlichen plebei durch Landbesitz oder Barvermögen die Qualifikation eines Kurialen erreichte, wurde in der betreffenden Stadt unter die curiales eingereiht (z. B. Cod. Theod. 12,1,133), und reiche Kurialen wurden unter die clarissimi aufgenommen. In der Praxis waren die Möglichkeiten für Berufswechsel und sozialen Aufstieg noch vielfältiger als früher; die verschiedenen gesetzlichen Restriktionen gegen den Berufswechsel von Kurialen, Kaufleuten, Handwerkern und Kolonen zielten gerade auf die Unterbindung dieser Praxis. Für die Christen ergaben sich gute Aufstiegschancen zumindest innerhalb der kirchlichen Hierarchie, aber auch weit darüber hinaus.781 Wie weit sie vor allem im Osten reichen konnten, zeigt sich am Beispiel des kappadokischen Eunomius im 4. Jahrhundert: Als Sohn eines kleinen Bauern wollte er nicht die Armut seines Vaters teilen, sondern lernte lesen und schreiben, wurde Schreiber und Pädagoge, ging nachher nach Konstantinopel, wo er als Schneider arbeitete, dann zog er nach Antiochia, wo er zum Diakon geweiht wurde; später wurde er Bischof von Kyzikos und lebte in seinen alten Tagen in der Nähe von Chalcedon auf seinem eigenen Besitz in einer Villa.782 Unter Valentinian III. (424–455) wurde zwar im Westen den verschiedenen Kategorien von Kolonen, den Sklaven sowie den in Zünften zusammengefassten Kaufleuten und Handwerkern und auch den Kurialen verboten, dass sie kirchliche Ämter übernahmen (Nov. Val. 35,3). Aber zumindest im Beamtenapparat des Staates und im Heeresdienst gab es immer gute Aufstiegsmöglichkeiten, trotz aller Verbote der Rekrutierung des Beamtenpersonals und des Heeres aus den abhängigen Bevölkerungsmassen. Dadurch entstanden jedoch merkwürdige Widersprüche. Während der Staat einerseits um die Durchsetzung des Prinzips des Berufszwanges und der Berufserblichkeit bemühte,783 machte er sich bei den betroffenen Bevölkerungsgruppen unbeliebt. Durch die Eröffnung von Aufstiegschancen im Machtapparat trug er andererseits selbst viel dazu bei, dass die strengen Vorschriften in der Praxis immer wieder ausgehöhlt wurden. Schließlich weckte er durch die Förderung der privilegierten Beamten- und Militärschicht, deren Angehörige oft niedriger Herkunft waren, bei den Massen der Unterprivilegierten wiederum nur Unzufriedenheit und vielfach sogar Hass.
Administration und in der Kirche im Vergleich mit der früheren Kaiserzeit sogar verbessert. Siehe auch J. G. Keenan, ZPE 17, 1975, 237 ff. über die soziale Mobilität im spätrömischen Ägypten. 781 Zur Stellung der Bischöfe bereits unter Konstantin dem Großen siehe H. A. Drake, Constantine and the Bishops. The Politics of Intolerance (Baltimore – London 2000). Zur kirchlichen Oberschicht vgl. W. Eck, Chiron 8, 1978, 561 ff.; zum Klerus im 5. und 6. Jahrhundert siehe J.-U. Krause, in: Die Stadt in der Spätantike – Niedergang oder Wandel? (Anm. 653), 413 ff. 782 Migne, PG 35, 264, dazu R. Teja, Organización económica y social de Capadocia (Anm. 655), 77. 783 Zu den Intentionen der kaiserlichen Gesetzgebung bei der Fixierung von Privilegien und Standeszugehörigkeit siehe D. Liebs, Rev. Internat. des Droits de l’Antiquité 24, 1977, 297 ff. am Beispiel der Legislation Konstantins des Großen.
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Es gab zahlreiche weitere Faktoren der Entfremdung der Untertanen vom Staat. Die Loslösung der spätrömischen Gesellschaft von ihrem Staat zeigte sich zunächst darin, dass im Westen die großen Güter unter ihren eigenen Herren wirtschaftlich und politisch zunehmend eigenständige Einheiten innerhalb des Staates bildeten. In ihrer Versorgung waren sie weitgehend autark; sie verfügten, wie eine Beschreibung des Großgrundbesitzes aus dem Jahre 369 verdeutlicht, über Weinberge, Olivenplantagen, Ackerfeld, Weiden, Wald, Siedlungen, städtische und ländliche Sklaven, Handwerker, Hauspersonal, Kolonen, Geräte, Vieh und Geld (Cod. Iust. 9,47,7,1). Der Gutsbesitzer zog sich immer mehr auf sein Latifundium zurück. Ausonius lebte am Ende des 4. Jahrhunderts noch, nachdem er beinahe zwei Jahrzehnte am kaiserlichen Hof verbracht hatte, abwechselnd in Burdigala oder auf seinem aquitanischen Gut.784 Aber bereits in den Jahren 327 und 354 mussten Gesetze erlassen werden, die die provinzialen Senatoren dazu zwangen, zur Veranstaltung von Spielen nach Rom zu kommen (Cod. Theod. 6,4,2 und 4), und im 5. Jahrhundert ließen sich viele Magnaten auf Dauer auf ihren Gütern nieder. Dort übten sie faktisch Herrschaftsgewalten aus: Über ihre Kolonen konnten sie entweder selbst als Richter befinden oder konnten nach ihrem eigenen Willen Richter einsetzen, sie besaßen das Recht auf körperliche Züchtigung und sogar das Exekutionsrecht. Insbesondere seit dem Ende des 4. Jahrhunderts waren sie bei der Abwehr von Barbarenangriffen zunehmend auf ihr eigenes Personal angewiesen. Viele Güter wurden befestigt, was ein Gesetz im Jahre 420 auch offiziell erlaubte (Cod. Iust. 8,10,10). Zahlreiche Gutsherren rüsteten ihr Personal wie im Jahre 407 in Hispanien die Brüder Didymus, Verinianus, Lagodius und Theodosiolus ihre Kolonen und Sklaven gegen Usurpatoren und Barbaren aus, und manchmal schlugen sich diese Privatarmeen gegen den Feind sogar erfolgreicher als reguläre Truppen.785 So blieb an Bindungen zwischen einem großen Gut und der kaiserlichen Zentralmacht oft kaum etwas mehr als die Steuerpflicht übrig, die sich für die Untertanen unter derartigen Voraussetzungen nur noch als eine geradezu sinnlose Last darstellte. Erheblich verstärkt wurde diese Entfremdung zwischen der Bevölkerung des Reiches und dem Kaisertum durch die sog. Patrocinienbewegung. Es handelte sich um eine modifizierte Form des Patronates mächtiger und reicher Personen über einzelne Menschen oder Personengruppen und sogar über ganze Gemeinden. Sie entwickelte sich unter den politischen und sozialen Bedingungen der Späten Kaiserzeit zu einer Form von Flucht vor Unrecht und Steuerdruck bei einzelnen unabhängigen Bauern und Kolonen oder sogar bei der Einwohnerschaft ganzer Siedlungen.786 Sal784 Siehe über ihn die Literatur in Anm. 696. 785 Siehe K. F. Stroheker, Archivo Español de Arqueología 45/47, 1972/74, 595. 786 Zum spätantiken Städtepatronat und zur Patrocinienbewegung siehe L. Harmand, Libanius: Discours sur les patronages (Paris 1955); über die Patrozinien zusammenfassend bes. I. Hahn, Klio 50, 1968, 261 ff. = in: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit (Anm. 397), 234 ff. Zu ähnlichen Bindungen zwischen Stadtgemeinden und mächtigen Personen L. Harmand, Un aspect social et politique du monde romain. Le patronat sur les collectivités publiques des origines au Bas-Em-
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vianus beschrieb diese Bewegung seiner Zeitgenossen wie folgt (De gub. Dei 5,38): Um der gewaltsamen Steuereintreibung zu entgehen, »liefern sie sich … Größeren zu Schutz und Schirm aus, ergeben sich den Reichen als Hörige und begeben sich sozusagen unter deren Gewalt und Botmäßigkeit«. Die Betroffenen stellten sich unter die Obhut (patrocinium) einer einflussreichen Person aus dem Militär oder der Zivilverwaltung oder einfach eines mächtigen Großgrundbesitzers, dem sie als Gegenleistung zunächst als »Geschenk«, später als regelmäßige Abgabe Agrarprodukte oder Geld aushändigten. Um die Mitte des 4. Jahrhunderts sind derartige Patrociniumsverhältnisse für Ägypten, Syrien und Illyricum bereits gut bezeugt.787 Hier zeigte sich zwischen Großgrundbesitzern und Unterschichten eine ganz eindeutige Interessengemeinschaft, die zugleich den Interessen des Staates gänzlich widersprach. Er versuchte die Bewegung dadurch zu stoppen, dass – seit dem Jahre 368 – er selbst defensores plebis einsetzte, die die Gemeinden vor Gewalt und Unrecht hätten schützen sollen. Aber diese Maßnahme blieb ebenso erfolglos wie die wiederholten Verfügungen gegen die Patrocinien aus den Jahren 360, 368, 395 und 399, und durch ein Gesetz aus dem Jahre 415 wurden sie schließlich legalisiert (Cod. Theod. 11,24,6). Das bedeutete, dass aus dem kaiserlichen Herrschaftssystem nicht mehr nur das Personal einzelner Güter, sondern faktisch die gesamte Bevölkerung breiter Distrikte herausgelöst wurde, zumal auch zahlreiche Stadtgemeinden auf diesem Wege nach Schutz strebten. Gleichzeitig machte aber diese Entwicklung ebenso wie die zunehmende Autonomie der großen Güter deutlich, dass der Zerfall der römischen Staatsordnung nicht mit der Veränderung oder auch nur der Schwächung der bestehenden Sozialordnung verknüpft war: Ganz im Gegenteil führte dieser Prozess zur Stärkung der Schicht der Großgrundbesitzer und zur weiteren Verbreitung der kolonatsähnlichen Abhängigkeit breiter Bevölkerungsmassen. Die Verbreitung der Patrocinien hatte für die kaiserliche Monarchie entschieden schlimmere Folgen als die einzelnen Aufstände und Revolten: Durch das häufige Ausbleiben von Steuern waren die für die Aufrechterhaltung des staatlichen Machtapparates erforderlichen Einnahmequellen stark gefährdet. Es blieb kaum eine andere Abhilfe übrig als die Steigerung des Steuerdruckes dort, wo das Herrschaftssystem noch funktionierte, unter anderem auf den kaiserlichen Domänen und in den Städten. Dass dadurch die Unzufriedenheit mit dem Staat nur weiter wuchs, zeigte sich schon bei der Steuererhöhung in Antiochia im Jahre 387 deutlich. So war auch die Zahl derjenigen immer niedriger, die noch bereit waren, sich für die pire (Paris 1957). Zum spätantiken Städtepatronat siehe J.-U. Krause, Chiron 17, 1987, 1 ff. und bes. dens., Spätantike Patronatsformen im Westen des römischen Reiches (München 1987). Vgl. auch St. Rebenich, in: A. Dörfler-Dierken – W. Kinzig – M. Vinzent (Hrsg.), Christen und Nichtchristen in der Spätantike, Neuzeit und Gegenwart. Beginn und Ende des Konstantischen Zeitalters. Internationales Kolloquium aus dem Anlass des 65. Geburtstages von Professor Adolf Martin Ritter (Mandelbachtal – Cambridge 2001), 61 ff. 787 Ägypten: Cod. Theod. 11,24,1, dazu etwa G. Diósdi, Journ. of Juristic Papyrology 14, 1962, 57 ff. Syrien: Libanios, Or. 47,1 ff. Illyricum: Amm. Marc. 19,11,3.
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Aufrechterhaltung des Kaisertums zu engagieren. Während sich im Spätrömischen Reich für die christliche Kirche solche hochbegabte Männer wie etwa Ambrosius von Mailand, Basilius von Caesarea, Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa oder Augustinus einsetzten, nahm die Gleichgültigkeit dem Schicksal der römischen Ordnungsmacht gegenüber zu. Die Passivität der Gesellschaft in der Stadt Rom, im Spätrömischen Reich nur noch eine ideelle Hauptstadt des Imperium Romanum, veranlasste schon Ammianus Marcellinus zu heftiger Kritik (14,6,2 ff.): Über Rom sei nichts mehr außer Revolten, dem Treiben in Kneipen und ähnlichen Nichtigkeiten zu berichten. Salvianus konnte im 5. Jahrhundert nur noch ein erschütterndes Zeugnis über die Gleichgültigkeit der römischen Gesellschaft ausstellen (De gub. Dei 7,6): »Wir spielen trotz der Furcht vor der Gefangenschaft, und mitten in der Todesangst lachen wir. Man möchte glauben, das ganze römische Volk sei mit sardonischem Kraut gesättigt worden: Es stirbt und lacht«. Breite Kreise zogen jedoch aus dem sichtlichen Niedergang der kaum noch erträglichen kaiserlichen Monarchie eine ganz andere Konsequenz: Sie bevorzugten das Leben unter der Herrschaft der Barbaren, da in den sich heranbildenden germanischen Territorialstaaten das Herrschaftssystem nicht auf einem erdrückenden Machtapparat und einem staatlichen Steuersystem, sondern auf feudalen Abhängigkeitsformen beruhte. Schon Orosius beklagte zu Beginn des 5. Jahrhunderts, dass es Römer gibt, qui malint inter barbaros pauperem libertatem, quam inter Romanos tributariam sollicitudinem sustinere (Hist. adv. pag. 7,41,7). Zu Zeiten des Salvianus war es allgemein üblich, dass breite Bevölkerungsgruppen, unter ihnen selbst höhergestellte und gebildete Personen, zu den Barbaren flüchteten: »Sie suchen bei den Barbaren die Menschlichkeit der Römer, weil sie bei den Römern die barbarische Unmenschlichkeit nicht ertragen können« (De gub. dei 5,21). Auf jeden Fall fehlte es in der Späten Kaiserzeit im Imperium Romanum eine ähnliche soziale und politische Kraft, die die Sache Roms so bewusst und so konsequen zu eigen gemacht hätte, wie während der Krise des 3. Jahrhunderts die Donauarmeen und die sie tragende »Militärgesellschaft« in den illyrischen Provinzen. So wurden nicht nur die Kräfte immer schwächer, die die Barbaren hätten aufhalten sollen, sondern man gewöhnte sich an sie als an das kleinere Übel im Vergleich mit der römischen Staatsordnung. Zugleich gehörte es zur Tragödie des Kaisertums, dass es sich gezwungen sah, die Niederlassung geschlossener germanischer Stammesverbände innerhalb der Grenzen des Reiches nicht nur zu dulden, sondern in seinem eigenen Interesse gelegentlich zu fördern; damit hat es sich jedoch im westlichen Reichsteil sein eigenes Grab geschaufelt. Infolge der Massenflucht der Bevölkerung vor dem Steuerdruck und der staatlichen Tyrannei – einerseits auf geschützte Privatgüter, andererseits zu den Barbaren – verödeten breite Gebiete. Welches Ausmaß die Entvölkerung ausgedehnter Distrikte bereits gegen Ende des 4. Jahrhunderts annahm, geht etwa aus der Feststellung des Ambrosius hervor, nach der der Tod ein gemeinsames Schicksal nicht nur der Menschen, sondern auch der Städte und der ländlichen Gebiete sei; man könne ja so viele tote Städte und Landstücke
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sehen (Ep. 39,3). Seit der Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert war die Entvölkerung der Städte und des Landes noch schlimmer,788 und für die Wiederbesiedlung der verödeten Gebiete im Interesse der römischen Wirtschaft gab es keine andere Möglichkeit als die Ansiedlung von Barbaren. Ein weiteres, besonders brennendes Problem für das Kaisertum war die Rekrutierung des Heeres, zumal der Eintritt in den Militärdienst allmählich beinahe allen Bevölkerungsgruppen des Reiches verboten wurde. Auch hierfür konnte nur auf Barbaren zurückgegriffen werden, die entweder in das reguläre römische Heer aufgenommen oder, wie seit dem Ende des 4. Jahrhunderts allgemein üblich, in ihren Stammesverbänden als Verbündete (foederati) herangezogen wurden.789 Dadurch wurde jedoch die Kluft zwischen der römischen Gesellschaft und dem Kaisertum, das sich allmählich nur noch mit barbarischer Militärhilfe halten konnte, noch tiefer. Die Ressentiments gegen den barbarischen Militärapparat kamen nicht selten zum Ausbruch, so etwa im Jahre 390 durch die Ermordung des Buthericus oder im Jahre 408 beim Sturz des Halbbarbaren Stilicho, nach dem patriotisch gesinnten Christen Orosius eines Mannes »aus dem feigen, habgierigen, treulosen und hinterlistigen Volk der Vandalen, der es für zu wenig hielt, dass er unter dem Herrscher selbst wie ein Herrscher regierte« (Hist. adv. pag. 7,38,1). Zugleich zerstörte die Aufnahme der germanischen Stammesverbände in das Reich die bisherige Infrastruktur des Herrschaftssystems. Natürlich wurden die Barbaren nicht nur in völlig entvölkerten Gebieten angesiedelt. Nach dem Einquartierungsgesetz aus dem Jahre 398 war in den besetzten Gebieten die ortsansässige Bevölkerung verpflichtet, ein Drittel von Haus und Hof an die Germanen abzugeben, was für Verwaltung, Justiz und Steuersystem schwerwiegende Folgen hatte. Im Ganzen gesehen funktionierte zwar in den besetzten Gebieten die Koexistenz zwischen römischer und germanischer Bevölkerung reibungsloser, als es bei den sprachlichen und kulturellen Unterschieden zu erwarten war. Die spätrömische Sozialordnung wurde nicht einmal durch die erforderliche Neuverteilung des Bodens und des Vermögens in ihren Grundlagen erschüttert, da die Sozialverfassung der Germanen derjenigen der spätrömischen Gesellschaft nicht diametral widersprach. Erst allmählich kamen einige Eigenschaften der germanischen Sozialordnung wie etwa das Gefolgschaftswesen stärker zur Geltung, doch selbst diese waren nicht unvereinbar mit den spätrömischen Gesellschaftsstrukturen. Durch die Existenz der militärisch kräftigen germanischen Stammesverbände innerhalb der Reichsgrenzen wurde aber die kaiserliche Zentralmacht auf lange Sicht wiederum nur geschwächt, und im römischen Westen, wo sie gänzlich von diesem Machtapparat abhängig war, musste die Stunde kommen, in der sie von diesem Apparat hinweggefegt wurde.
788 Claudianus, In Ruf. 2,38 ff. Über die Entvölkerung des Reiches als einen der Gründe für die Schwäche des römischen Herrschaftssystems siehe bes. A. E. R. Boak, Manpower Shortage and the Fall of the Roman Empire (Ann Arbor 1955); weitere Literatur in Anm. 498, 660 und 763. 789 Zur Rekrutierung der Barbaren für das spätrömische Heer siehe Y. Le Bohec, Das römische Heer in der Späten Kaiserzeit (Anm. 634), 70 ff. Vgl. sonst noch die Literatur in Anm. 676.
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Dass die Germanen im 5. Jahrhundert der ortsansässigen Bevölkerung des römischen Reiches nicht mehr so fremd erschienen wie früher, daran hatte das gemeinsame religiöse und ethische Bezugssystem von Römern und Barbaren, das Christentum, seinen entscheidenden Anteil. Der Beitrag des Christentums zum Niedergang des römischen Herrschaftssystems lag gewiss nicht darin, dass die christliche Lehre den römischen Patriotismus untergraben und damit der allgemeinen Resignation Tür und Tor geöffnet hätte, wie dies Edward Gibbon und zwei Jahrhunderte später auch Arnold Hugh Martin Jones gemeint haben. Der Patriotismus der christlichen Römer war im Allgemeinen nicht geringer als derjenige ihrer heidnischen Zeitgenossen; Romanus orbis ruit, et tamen cervix nostra erecta non flectitur, sagte der heilige Hieronymus (Ep. 60,16), und ausgerechnet für das christliche Kaisertum engagierte sich die Kirche – vor allem im Osten – mehr als etwa die heidnische Senatsaristokratie. Der ideologische Kampf zwischen Christen und Heiden und darüber hinaus die Streitigkeiten zwischen der katholischen Kirche und den zahlreichen Häresien waren schon eher eine zersetzende Kraft, dennoch lässt sich auch von ihnen nicht sagen, dass sie das Kaisertum als politische Ordnungsmacht entscheidend geschwächt hätten. Die Rolle des Christentums beim Zerfall der römischen Ordnungsmacht ergab sich allenfalls daraus, dass es auch von den Germanen übernommen und getragen wurde. Früher, durch die ganze Geschichte Roms, war das Bezugssystem der römischen Gesellschaft der mos maiorum, der zwischen Römern und Nichtrömern eine unüberwindbare Grenze zog.790 Den christlichen Römer verband aber mit dem christlichen Barbaren seine Religion und Ethik: Er war, wie Orosius sagte, inter Romanos Romanus, inter Christianos Christianus, inter homines homo (Hist. adv. pag. 5,2,6), und die christlichen Barbaren waren für ihn nicht mehr hostes, sondern fratres (ebd. 7,32,9). Aus dieser Optik erschien für Orosius selbst die Einnahme Roms durch Alarich im Jahre 410 als nicht einmal wirklich schlimm, schließlich seien die Westgoten ebenfalls Christen gewesen, und für Salvianus verkörperten die Germanen die christlichen Tugenden überhaupt entschieden besser als die Römer. Die christliche Romania aber, in der nach der Vision des Orosius Römer und Germanen miteinander leben sollten, war nur noch in seinem Wunschtraum das christliche Kaisertum; ihre Zukunft lag in der Herausbildung der germanisch regierten Territorialstaaten. Im Oströmischen Reich waren die sozialen und politischen Verhältnisse güns tiger und bewirkten keine so starke Entfremdung zwischen Staat und Gesellschaft wie im Westen. Die Beziehungen zwischen dem oströmischen Kaiser und der Grund und Boden besitzenden Oberschicht, vor allem dem Senat von Konstantinopel, waren eng. Die östliche Kirche war mit dem Staat stark verflochten und gewährte ihm viel Unterstützung. Da die östlichen Städte im Allgemeinen noch immer ein ziemlich kräftiges Wirtschaftspotential besaßen, war im Osten selbst der Kurialen790 Siehe dazu den grundlegenden Artikel von A. Alföldi, Schweizer Beiträhe zur Allgemeinen Geschichte 8, 1960, 37 ff., siehe auch in: The Congress of Roman Frontier Stdies (Durham 1952), 1 ff.
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stand der einzelnen Städte nicht nur weniger schwach, sondern unterstützte auch den Staat mehr als im Westen. Auch die Zwangserblichkeit der städtischen Berufe fehlte im Osten weitgehend. Vor allem war das Oströmische Reich auch vor den Barbaren entschieden besser geschützt als das westliche Imperium. So blieb ihm der Niedergang erspart. Im Westen war aber der Zerfall der kaiserlichen Ordnungsmacht nicht aufzuhalten. Ihre oft unmenschlichen Gesetze und Verbote waren wirklichkeitsfremd und in der Praxis unrealisierbar, ihre Zwangsmaßnahmen führten auf Dauer zu keinem Erfolg. Vielmehr schlug das Meiste, was das westliche Kaisertum für die Aufrechterhaltung seiner Existenz unternahm, auf lange Sicht fehl und schlug auf seine Existenzfähigkeit zurück. Die Struktur der Gesellschaft änderte sich dadurch nicht in ihren Grundlagen, eher wurde sie durch die Verbreitung der feudalähnlichen Abhängigkeitsformen zwischen einzelnen Großgrundbesitzern und breiten Bevölkerungsgruppen gefestigt. Jedoch wurde der alte politische Rahmen durch diese Entwicklung immer anachronistischer, bis er zerfiel. In dieser Hinsicht erinnerte die Krise des spätrömischen Kaisertums bis zu einem gewissen Grad an die Krise der Römischen Republik im letzten Jahrhundert ihrer Existenz: Auch damals wurden nicht die Grundstrukturen der bestehenden Gesellschaftsordnung geändert, sondern eine überholte politische Ordnungsform ging unter. Aber während auf den Ruinen der Republik ein zwar neues, dennoch nach wie vor grundlegend römisches Staatssystem errichtet werden konnte, übernahmen neue Staaten die Rolle des Weströmischen Reiches. Die Rolle der sozialen Entwicklungen im Niedergang und im Zusammenbruch des Römischen Reiches lässt sich im Lichte der dargestellten Entwicklungen zusammenfassend ziemlich eindeutig bestimmen. Bekanntlich herrschte in der althistorischen Forschung unter dem Einfluss von Edward Gibbons Werk »Decline and Fall« lange die Vorstellung, dass das Imperium Romanum im 5. Jahrhundert zum Opfer eines Jahrhunderte lang andauernden inneren – auch moralischen –Verfallsprozesses wurde791 – eine Idee, die einen führenden deutschen Politiker noch im Jahre 2010 zu seinem berüchtigten Ausspruch über die »spätrömische Dekadenz« im heutigen Deutschland motiviert hat. Wie die verschiedenen »inneren Ursachen« für den Untergang Roms im Einzelnen zu gewichten seien, darüber wurde und wird in der Wissenschaft seit Jahrhunderten gestritten.792 Eine neue Epoche in dieser Diskussion be gann mit dem im Jahre 1947 publizierten berühmten Satz von André Piganiol, »La civilisation romaine n’est pas mort de sa belle morte. Elle a été assassinée.«793 Nach dieser These waren die inneren Verhältnisse des Spätrömischen Reiches überhaupt 791 Zu Gibbon siehe die Literatur in Anm. 584. 792 Einen unübertrefflich detaillierten und informativen Überblick über die verschiedenen Theorien über die Ursachen für den »Fall Roms« bietet A. Demandt, Der Fall Roms (Anm. 582). Siehe darüber G. Alföldy, Der Fall der Fälle: Der Fall Roms. Eine Auseinandersetzung mit Alexander Demandt, in: ders., Die Krise des Römischen Reiches (Anm. 464), 464 ff.; vgl. auch A. Demandt, Die Spätantike2 (Anm. 397), 593 ff. 793 A. Piganiol, L’Empire chrétien (325–395) (Paris 1947), 422.
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nicht so problematisch, wie dies früher allgemein geglaubt wurde; vielmehr sei das westliche Imperium Opfer der Einfälle der Barbaren geworden, die Rom militärisch besiegt haben. Diese Ansicht wurde in den letzten Jahrzehnten von immer mehr Historikern zu eigen gemacht, so unter anderem auch von einem so prominenten Kenner der Geschichte der Spätantike wie Alexander Demandt.794 Zu den wichtigsten Argumenten der Anhänger dieser Position gehören, dass die plötzlich verstärkten Barbarenangriffe vor allem seit dem Beginn der Völkerwanderung im Jahre 375 Rom vor solche militärische Probleme gestellt haben, denen das Imperium trotz seiner stabilen inneren Ordnung und seiner funktionsfähigen Armeen nicht gewachsen war,795 dass die im Ganzen gesehen stabile spätantike Gesellschaftsordnung auch nach dem Zusammenbruch des weströmischen Kaisertums ohne irgendwelche große Erschütterung fortbestand796 und dass das Oströmische Reich, das den Barbarenangriffen viel weniger als die westliche Reichshälfte ausgesetzt war, noch bis zur Einnahme Konstantinopels durch die Türken im Jahre 1453 eine Kontinuität aufwies.797 Dass die erwähnten »außenpolitischen Faktoren« im Untergang des römischen Imperium im Westen eine entscheidende Rolle gespielt haben, ist selbstverständlich nicht zu verkennen. Doch ist auch daran schwerlich zu zweifeln, dass die hier geschilderten inneren Entwicklungen die Widerstandsfähigkeit und den Widerstandswillen der Römer gegen die äußeren Feinde erheblich geschwächt haben. Es sei hier darauf hingewiesen, dass der wohl beste Kenner des Spätrömischen Reiches, Arnold Hugh Martin Jones, nach dem der Kollaps des Weströmische Reiches letztlich von den Barbaren verursacht wurde, auch die inneren Entwicklungen im Reich, durch die seine Ordnung untergrabent wurde, sehr genau beschrieben hat.798 Somit müssen die sozialgeschichtlichen Faktoren, die zum Untergang Roms beitrugen, weiterhin im Blickfeld der Forschung bleiben. Es sei gestattet, diese Ausführungen mit einem Satz enden zu lassen, die ich in einem fiktiven Streitgespräch mit Alexander Demandt über die Ursachen für den Fall Roms mit Rückgriff auf Polybios geäußert habe:799 »Die Staaten gehen durch das Zusammentreffen innerer und äußerer Ursachen zugrunde.«
794 A. Demandt, Der Fall Roms (Anm. 582); 571 ff. (der ebd. 587 die Theorien über das Primat der »inneren Gründe« als »reine Eingeweindeschau« apostrophiert), siehe auch dens., Die Spätantike2 (Anm. 397), 593 ff., jeweils auch mit dem Überblick über die wichtigsten Arbeiten mit einer ähnlichen Position. 795 Diese Ansicht teilen unlängst u. a. P. J. Heather, The Fall of the Roman Empire (London 2006) und Y. Le Bohec, Das römische Heer in der Späten Kaiserzeit (Anm. 634), 265 ff. 796 F. Vittinghoff, Gesellschaft 2. Späte Kaiserzeit (Anm. 655), 362 ff. 797 A. H. M. Jones, The Later Roman Empire (Anm. 654), 1064 ff. und The Decline of the Ancient World (Cambridge 1966). 798 A. H. M. Jones, The Later Roman Empire (Anm. 654), 1025 ff. 799 G. Alföldy, Der Fall der Fälle (Anm. 792), 489.
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AKTUALISIERTE BIBLIOGRAPHIE Die wichtigsten Arbeiten zur römischen Sozialgeschichte 1984–2011
Inhaltsübersicht
A. ALLGEMEINE BIBLIOGRAPHIE 1. Bibliographien, Hilfsmittel, übergreifende Quellensammlungen 1.1. Bibliographien, Hilfsmittel, sozialgeschichtliche Methode 1.2. Übergreifende Quellensammlungen 2. Allgemeine Darstellungen, Sammelwerke, Arbeiten über übergreifende Themen 3. Themen der Historischen Demographie und der Sozialanthropologie 3.1. Historische Demographie, Sozialanthropologie 3.2. Die Familie 3.3. Die Ehe 3.4. Frauen 3.4.1. Die Frauen in der Gesellschaft 3.4.2. Frauen und Arbeit, Tätigkeiten von Frauen 3.4.3. Mächtige Frauen 3.4.4. Gebildete Frauen 3.4.5. Prostitution 3.4.6. Witwen und Waisen 3.5. Kindheit, Jugend 3.6. Liebe und Sexualität 3.7. Alter 3.8. Lebensdauer, Testament, Tod, Begräbnis 4. 4.1. 4.2. 4.3. 4.4.
Weitere Übergreifende Probleme und Phänomene der Sozialgeschichte Reichtum und Luxus Armut, Hunger, Ernährung Patronat und Klientel Freundschaft, Gastfreundschaft
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4.5. Sklaverei (allgemein) 4.6. Randgruppen, Behinderte, Fremde 4.7. Krieg und Gesellschaft, Räuber, Kriminalität, Gewaltanwendung, Strafen 4.8. Selbstdarstellung in der Gesellschaft, Kommunikation 4.9. Theater, Spiele, Unterhaltung und Kontakte in Bädern als soziale Phänomene 4.10. Bildung 5. Wirtschaft B. Bibliographie für die einzelnen Epochen 1. Die römische Gesellschaft bis 133 n. Chr. 1.1. Das frühe Rom 1.2. Die Ständekämpfe 1.3. Die Expansion 1.4. Oberschichten 1.4.1. Nobilität, Senatoren, Ritter 1.4.2. Städtische Oberschichten 2.1. Unterschichten 2.1.1. Die Plebs in Stadt und Land 2.1.2. Sklaven 2. Die Krise der Republik und die römische Gesellschaft 2.1. Allgemeine Darstellungen, Sammelwerke, Arbeiten über zentrale Themen 2.2. Sklavenkriege, Aufstände der Italiker und der Provinzialen 2.3. Die politische Krise der Römischen Republik und ihre sozialen Zusammenhänge 3. Die Gesellschaft der Kaiserzeit 3.1. Allgemeine Darstellungen, Werke über übergreifende Themen, Sammelwerke 3.2. Antike Autoren über die römische Gesellschaft 3.3. Diskussionen über die Sozialstruktur der Kaiserzeit, alternative Modelle 3.4. Augustus und die römische Gesellschaft 3.5. Die Ausbreitung des römischen Gesellschaftssystems im Reich 3.6. Der Senatorenstand 3.7. Der Ritterstand 3.8. Städtische und provinziale Eliten, ›Mittelschichten‹ 3.9. Unterschichten 3.9.1. Städtische Unterschichten 3.9.2. Ländliche Unterschichten
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3.9.3. Sklaven und Freigelassene 3.10. Heer und Gesellschaft in der Kaiserzeit 3.11. Soziale Mobilität 3.12. Euergetismus, Alimentation, Sozialpolitik 3.13. Religion und Gesellschaft 3.14. Soziale Konflikte, Unruhen, Aufstände 3.15. Die Wirtschaft der Kaiserzeit 3.16. Christen und Juden 3.17. Die Krise des 3. Jahrhunderts und die römische Gesellschaft 3.17.1. Allgemeine Darstellungen, Arbeiten über zentrale Themen 3.17.2. Gesellschaft und Wirtschaft während des 3. Jahrhunderts 4. Die spätrömische Gesellschaft 4.1. Allgemeine Darstellungen der Späten Kaiserzeit und ihrer Gesellschaft, Sammelwerke 4.2. Oberschichten 4.2.1. Senatoren und Führungselite 4.2.2. Städtische Oberschichten 4.3. Unterschichten 4.3.1. Städtische Unterschichten und Unruhen in den Städten 4.3.2. Ländliche Unterschichten 4.3.3. Sklaven 4.4. Soziale Konflikte 4.4.1. Allgemeine Darstellungen 4.4.2. Bagauden 4.4.3. Circumcellionen 4.4.4. Barbaren im Römischen Reich 4.5. Christen, Heiden und Juden 4.6. Die Familie in der Späten Kaiserzeit 4.7. Die Frau in der Späten Kaiserzeit
A. ALLGEMEINE BIBLIOGRAPHIE
1. Bibliographien, Hilfsmittel, übergreifende Quellensammlungen
1.1. Bibliographien, Hilfsmittel, sozialgeschichtliche Methode Barker, G. – Lloyd, J. (Eds.), Roman Landscapes: Archaeological Survey in the Mediterranean Region (London 1991). Krause, J.-U., Bibliographie zur römischen Sozialgeschichte I. Die Familie und weitere anthropologische Grundlagen (Stuttgart 1992). Krause, J.-U. – Mylonopoulos, L. – Cengia, R., Bibliographie zur römischen Sozialgeschichte II. Schichten, Konflikte, religiöse Gruppen, materielle Kultur (Stuttgart 1998). Schneider, H., Sozialwissenschaftliche Orientierung. Alte Geschichte und moderne Sozialwissenschaft, in: Faber. R. – Kytzler, B. (Hrsg.), Antike heute (Würzburg 1992), 81–92. 1.2. Übergreifende Quellensammlungen Cherry, D. (Ed.), The Roman World. A Sourcebook (Malden 2001). Parkin, T. G. – Pomeroy, A. J., Roman Social History. A Sourcebook (London 2007). Shelton, J.-A., As the Romans Did. A Sourcebook in Roman Social History (New York – Oxford 1988). Siehe auch A 3.1 (Suder), A 3.4.1 (Vérilhac – Vial – Dermezin) und B 4.1 (Rollins).
2. Allgemeine Darstellungen und Arbeiten über übergreifende Themen 2.1. Allgemeine Überblicke und Sammelwerke über die römische Gesellschaft Alföldy, G., Die römische Gesellschaft. Ausgewählte Beiträge (Stuttgart 1986). Bettini, M., Antropologia e cultura romana. Parentela, tempo, immagini dell’anima (Roma 1986) = Anthropology and Roman Culture. Kinship, Time, Images of Soul (Baltimore 1991). Boren, H. C., Roman Society. A Social, Economic, and Cultural History2 (Lexington, Mass. 1992). Di Donato, R., Per una antropologia storica del mondo antico (Firenze 1990). Giardina, A. (Ed.), L’uomo romano (Roma 1989) = Der Mensch der römischen Antike (Frankfurt am Main 1991). Huskinson, J. (Ed.), Experiencing Roman Culture, Identity and Power in the Roman Empire (London 2000). Krause, J.-U., Klassen (Gesellschaftsschichten). Reallexikon für Antike und Christentum XX (Stuttgart 2004), 1169–1227. MacMullen, R, Changes in the Roman Empire. Essays in the Ordinary (Princeton 1990). Momigliano, A. (Ed.), Storia di Roma I-IV (Torino 1991). Nicolet, C. (Ed.), Des ordres à Rome (Paris 1984). Nicolet, C., Rendre à César. Économie et société dans la Rome antique (Paris 1988). Peachin, M. (Ed.), The Oxford Handbook of Social Relations in the Roman World (Oxford 2011). Rawson, B., Roman Culture and Society. Collected Papers (Oxford 1991). Schwartz, S. Imperialism and Jewish Society, 200 B.C.E. to 640 C.E. (Princeton 2001).
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3. Themen der Historischen Demographie und der Sozialanthropologie 3.1. Historische Demographie, Sozialanthropologie Bagnall, R. S. – Frier, B. W., The Demography of Roman Egypt (Cambridge 1994). Cantarella, E., Famiglia romana e demografia sociale. Iura 43, 1993, 99–111. Casarico, L., Il controllo della popolazione nell’Egitto romano I. Le denunce di morte (Azzate 1985). Dahlheim, W., Bevölkerungsdichte. Die Herausforderung einer sozialwissenschaftlichen Disziplin an die Althistorie, in: Dahlheim, W. (Hrsg.), Festschrift Robert Werner zu seinem 65. Geburtstag (Konstanz 1989), 291–321. Delia, D., The Population of Roman Alexandria. Transactions of the Amer. Philol. Association 118, 1988, 175–292. Frier, B. W., Demography, in: Potter, D. S. – Mattingly, D. K. (Eds.), Life, Death, and Entertainment in the Roman Empire (Ann Arbor 1999), 85–109. Frier, B. W., Demography, in: Bowman, A. K. – Garnsey, P. – Rathbone, D. (Eds.), The Cambridge Ancient History2 XI. The High Empire A. D. 70–192 (Cambridge 2000), 787–816. Lo Cascio, E., The Size of the Roman Population. Beloch and the Meaning of the Augustan Census Figures. JRS 84, 1994, 23–40. Martin, J., Der Wandel des Beständigen. Überlegungen zu einer historischen Anthropologie, in: Winterling, A. (Hrsg.), Historische Anthropologie (Stuttgart 1996), 143–158. Nippel, W., Sozialanthropologie und Alte Geschichte, in: Meier, Ch. – Rüsen, J. (Hrsg.), Historische Methode (München 1988), 200–318. Parkin, T. G., Demography and Roman Society (Baltimore – London 1992). Russell, J. C., The Control of Late Ancient and Medieval Population (Philadelphia 1985). Salmon, P., La limitation des naissances dans la société romaine (Bruxelles 1999). Scheidel, W., Measuring Sex, Age and Death in the Roman Empire. Explorations in Ancient Demo graphy (Ann Arbor 1996). Scheidel, W., Debating Roman Demography (Leiden 2001). Scheidel, W., Demography, in: Scheidel, W. – Morris, I. – Saller, R. (Eds.), The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World (Cambridge 2007), 38–86. Sgarlata, M., Ricerche di demografia storica. Le iscrizioni tardo-imperiali di Siracusa (Città del Vaticano 1991). Shaw, B. D., Seasons of Death. Aspects of Mortality in Imperial Rome. JRS 86, 1996, 100–138. Suder, W., Census populi. Bibliographie de la démographie de I’antiquité romaine (Bonn 1988). Wierschowski, L., Die historische Demographie – ein Schlüssel zur Geschichte? Bevölkerungsrückgang und Krise des Römischen Reiches im 3. Jh. n. Chr. Klio 76, 1994, 355–380. 3.2. Die Familie Andreau, J. – Bruhns, H. (Eds.), Parenté et stratégies familiales dans l’antiquité romaine. Actes de la table ronde des 2–4 octobre 1986 (Paris – Roma 1990). Bannon, C. J., The Brothers of Romulus. Fraternal Pietas in Roman Law, Literature, and Society (Princeton 1997).
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A a libellis 179 a rationibus 179 ab epistulis 179 Abenteurer 107 Abgaben 243. 250. 277. 279. 287. 294. 299. 300. 314, s. auch Steuern Abryttus, Schlacht 222. 223 Abwanderung senatorischer Familien nach Italien 255, s. auch Italica adlectio Acilii Glabriones 50 Acilius Glabrio, Manius (Konsul 191 v. Chr.) 64 Acilius Glabrio, Manius (Konsul 175?) 155 Actium, Schlacht 103. 149 actores 193 Adel, s. Patrizier, Senatoren Adelsgeschlechter, s. einzelne gentes, Senatoren, Nobilität Ädilen, im frühen Rom 31, in der Kaiserzeit 159 adlecti in amplissimum ordinem 156 Adlektionen, adlectio in den Senatorenstand 113. 125. 143. 146. 149. 151. 156. 285 Adoptionen 64. 146. 153 adscripticii, s. coloni adscripticii adscriptio glebae, s. Bindung der Kolonen an die Scholle aediles curules 41 aediles plebis 41 aediles, in den Städten 173 aediles, s. Ädilen Aelius Aristides über Bürger 145, über Gleichberechtigung der Provinzialen 146, über Rechtsgleichheit 142, über Rom 135. 211. 218, über soziale Dichotomie 138, über soziale Harmonie 214 Aelius Coeranus 147 Aelius Onesimus, Publius 179 Aelius Seianus, Lucius 142
Aemilii, Aemilier 49. 64 Aemilius Lepidus, Marcus 103 Aemilius Paullus, Lucius 64. 65 Aeneas als Ahne der Acilii Glabriones 155 Africa (Provinz und nordafrikanische Region), Eroberung 61, während der Republik 74. 76. 104. 114. 115, in der Prinzipatszeit 120–122. 136. 140. 159. 169. 174. 180. 193. 195. 217, im 3. Jh. 227. 242. 243. 250. 263. 269, in der Späten Kaiserzeit 288. 290. 294. 296. 303. 307–308 Afrikaner 134. 146. 149. 157. 166. 234. 291, frühester Ritter aus Africa 166 Agenten von Geschäftshäusern 184 ager privatus 66 ager publicus 30. 38–39. 66. 71 Agonistiker 307–308 Agrarfrage, s. Gracchen, Sempronii Gracchi Agrarkommission 98 Agrarproduktion, s. Landwirtschaft agrestes (Bagaudae) 307 agri deserti 224, s. auch Entvölkerung agricola optimus (Grundbesitzer)193 agricolae (Bagaudae) 307 agricolae (Grundbesitzer) 70 Agrigentum 57 Ägypten 63. 120. 122. 123. 137. 140. 141. 193. 196. 221. 251. 263. 266. 305. 312. 314, s. auch Präfekten Ägyptens Ägypter 147 Ahnenkult 53 Aktiengesellschaften 67 Alamannen 221 Alarich 317 album decurionum aus Canusium 144. 169. 237 album von Thamugadi 294 Alexandria 123. 147. 309, Serapistempel 309
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alieni 146 Alimentarstiftung 130 Alimentartafeln 140. 196 Altersbestimmungen 64. 68. 143. 158–160 alumni 187 Ambrosius von Mailand 293, über Arme 307, über Entvölkerung 315–316 amicitia 129, s. auch Freunde, Freundschaft amicus Caesaris 129 Ammianus Marcellinus über Armut 303, über die Gleichgültigkeit der römischen Gesellschaft 315, über die Plebs von Rom 303, über senatorische Güter, über soziale Gliederung 284 Amphitheaterspiele, s. Gladiatorenspiele amplissimus ordo 154 Ämterlaufbahn 230–231, senatorische, während der Republik 51. 64. 83. 106, in der Prinzipatszeit 158–161, Einschrumpfung im 3. Jh. 232–233, in der Späten Kaiserzeit 287. 289, ritterliche 132. 232, städtische 172. 173 Amtsmissbrauch 99 Analphabeten 172 Angst der Reichsbevölkerung im 3. Jh. 272, vor den Barbareneinbrüchen 270 angustus clavus 69 Anicii 288. 290 annona 300 Annuität 52 Anonymus, De rebus bellicis über soziale Gliederung 281 Ansehen 124. 125. 138. 142–143. 230. 246. 247. 281. 282. 285. 287. 290. 293. 297, s. auch dignitas, honesti, honos, potior dignitas Ansiedlung von Barbaren 316 Antiochia 123. 296. 298. 300. 303, Aufstand (im J. 389) 309–311. 314 Antiochos IV 63 Antium 43. 112 Antoninus Pius 118. 134. 157. 219. 231. 234 Antonius Musa 164 Antonius, Marcus 103. 106. 107. 117 anulus aureus, s. goldener Ring Anwälte, s. Rechtsberater Apenninen 196 Apparitoren, apparitores 203. 204 Appian über die Späte Republik 95–96. 105 Appuleius Saturninus, Lucius 94. 101. 104. 106 Appuleius von Cossura 167 Apuleius über die Senatoren 155 Apulien 7. 215. 288 Aquädukte, s. Wasserleitungen
Äquer 30 Aquileia 171. 184. 227–228. 251 Aquincum 172. 236. 241. 302 Aquitanien 288. 313 Arabia 246 Ärarpräfekten 131. 159 aratores (Bagaudae) 307 Arausio 162 Arbeitskraftmangel 225. 236. 255. 257. 276 Architekten 184. 301 Architektur im Dienste des Herrschers 127 Archivverwalter 146 argentarii 70 Argentorate 213 Arianer 295 Aristonikos 90. 92–94. 104 Aristonikosaufstand 89–90. 93 Aritienses 131 Armeekommando, s. Heereskommando Armeen s. Heer Arminius 165 Armut, Arme 206, im frühen Rom 25. 30. 33. 34, während der Republik 36–39. 44. 48. 71. 74. 83. 90. 98. 105. 107. 110, in der Prinzipatszeit 139–141. 181. 182. 196, im 3. Jh. 215. 236. 243–244. 253, in der Späten Kaiserzeit 281. 283. 292. 300. 301. 303. 307. 309. 312, s. auch Verarmung Arpinum 112 Arretium 184 Artemidorus Daldianus über Freilassungen 191, über soziale Gliederung 205 Ärzte 148–150. 164. 183. 204. 247 Asia (Provinz), Eroberung 61, während der Republik 99, in der Kaiserzeit 157. 159. 166, s. auch Kleinasien Asisium 149 Aspendos 215 Assimiliation, s. Integration, Romanisierung Astura 112 asylum 25 Athen 46. 94. 152 Athenion 9 Äthiopien 186 Athleten 183. 206 Atilii 50 Atilius Regulus, Marcus 50. 57 Attika 90 Attius Clausus 23 auctoritas des Herrschers 125, sozialer Rang 138 Aufidius Victorinus, Gaius 154 Aufruhr in den Städten 215–216. 308–310
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Aufstände, der Italiker gegen Rom 82. 87–88, der Plebs der Städte 214–215, der Provinzialen 87–88. 93–94. 165, des Volkes in Rom 250, in der Späten Kaiserzeit 307–311, s. auch Aufruhr, Hungerrevolten, Konflikte, Sklavenaufstände Aufstieg, Aufsteiger 79. 114. 173. 208–209. 237. 238. 246. 247. 253. 290. 291. 293. 311, s. auch homo novus, soziale Mobilität Augsburg, Schlacht 223 augures 43 Augusta Emerita 170 Augustalen, s. seviri Augustales Augustalenkörperschaften, s. seviri Augustales Augustinus 314, über Armut 303, über Handwerker in Rom 184, über Rom 65, über Sklaven 298 Augustus 103. 117. 118. 122. 127. 128. 130. 132. 133. 135. 141. 143. 150. 157. 162. 164. 166. 188. 209. 214. 219. 234. 239. 255. 287, Bauwerke in Rom 127. 226, Besitz 127, Selbstdarstellung 127, über das bellum servorum 93, s. auch Freilassungsesetze des Augustus, Senatspolitik des Augustus Augustus/Augusta als Götterbeiname 177 aurea aetas 128 aurea templa 128 Aurelian 219–221. 233. 250 Aurelii (gens Aurelia) 17 Aurelius Symmachus, Quintus, Persönlichkeit 290–291, über optimates 283, über die Senatoren 285 Aurelius Vettianus 233 Aurelius Victor, Sextus, Persönlichkeit 191, über Diokletian und seine Mitregenten 246 aurum coronarium 269 aurum oblaticium 287 Ausonius, s. Decimius Magnus Ausonius Auspeitschung 143. 282. 313 Ausschluss aus einem Stand 144 Aussetzung von kranken und alten Sklaven 188 Austritt aus dem Senatorenstand 150 B Bacchanalienprozess 83 Bäcker 301. 302 Baetica 133. 134. 157. 169 Bagauden, Bagaudae 251. 307 Baláca, Villa 171 Balbinus 252 Balkanhalbinsel 121, Eroberung 109 Banditen 213. 243, s. auch latrones, Räuber
Bankiers, Bankwesen 55. 58. 62. 69–70. 121–124. 164. 178 Barbaren 135. 276. 277. 280. 282. 298. 311. 313. 315–319, s. auch Ansiedlung von Barbaren, barbarische Generäle, Germanen, Hunnen usw. Barbarenangriffe, Barbareneinbrüche 219. 222. 223. 255–257. 260. 276. 280. 290. 318–319 barbarische Generäle 289. 291, Ressentiments gegen sie 316 Barbiere 301 Barbii 184 Barcino 170. 177–178. 238 Bar-Kokhba-Aufstand 217 Basilius von Caesarea 315 Bataver 165. 216 Bataveraufstand 162. 217 Bauern, im frühen Rom 24–26. 30. 36. 44, während der Republik 51. 55–56. 58–59. 65. 71.73. 74. 76. 79. 81. 94. 98–100. 108. 110. 124, in der Prinzipatszeit 183. 191. 192. 196. 201, im 3. Jh. 242. 243. 248. 249. 251, in der Späten Kaiserzeit 284. 304. 307. 312. 313, in Italien und in den Provinzen 192, in Ägypten 137. 141, in Kleinasien 90, in Pannonien 180, s. auch Kolonen Baumeister, s. Architekten Bautätigkeit der Herrscher 226 Beförderung von Soldaten durch den Kommandeur, durch den Herrscher 149–150 Beförderungsregeln 161 Belastung der Dekurionen, s. Lasten der Dekurionen Beleidigungen 142. 143 bellum desertorum 213. 251 bellum servorum 93 bellum sociale, s. Bundesgenossenkrieg Beneventum 50. 149. 196 Bergbau, Bergwerke, Bergarbeiter 61. 69. 80. 112. 120–122. 127. 196. 225. 304 Berufsoffiziere 233. 286, s. auch viri militares Berufszwang 302. 312, s. auch Erblichkeit der Berufe, Zwangsmaßnahmen Besitz, s. Reichtum Besitzgrößen 66. 140. 172. 196. 288. 293, s. auch Vermögensgrößen Besitzklassen, s. Censusklassen Bestechung 141, s. auch Korruption Betriebe s. Handwerk, Handwerker Bettler 182. 303 Beute 55. 65. 68. 117. 240 Bevölkerungsrückgang 224. 255, s. auch agri
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deserti, Entvölkerung, Flucht der Land bevölkerung Bevölkerungsstärke 46, s. auch Bevölkerungszahlen Bevölkerungsverluste 72. 74. 115, d. auch Enhtvölkerung Bevölkerungszahlen, im frühen Rom 22, im 3. Jh. v. Chr. 47, in der Kaiserzeit 122, in Italien 185, in Pergamon 185–186, s. auch Bürgerzahlen Bezugsquellen von Sklaven 186–188. 298, s. auch alumni, Geburten in Sklavenfamilien, Kinderaussetzung, Massenversklavung, Menschenraub, Sklavenhandel, vernae, Versklavung freier Menschen Bildung 51. 140. 148. 150. 153. 169. 172. 246. 283. 287. 291 Bindung der Kolonen an die Scholle 299. 304. 395 Bischöfe 293. 297. 308. 309. 312 Bithynien 114, s. auch Pontus et Bithynia Bittschriften 221. 243. 270 Boethius 292 boni viri 236 bono generis humani creatus 278 bono rei publicae natus 278 Bordeaux, s. Burdigala boukoloi 251 Brigetio 236 Britannien 122. 136. 184. 240. 262 Bruttosozialprodukt 123 Bulla 242. 247 Bundesgenossen 43. 58. 62. 73–74. 79. 99. 101. 108, s. auch Italiker Bundesgenossenkrieg 94–95. 101–102. 104 Burdigala 293. 313 Bürgerkriege, während der Späten Republik 84. 95. 96. 98. 100–105. 108. 113. 114. 116, in der Kaiserzeit 222, 254, in Rom zwischen dem Volk und der Garnison (im J. 238) 250 Bürgerrecht, Bürgerrechtsverleihungen, während der Republik 45. 46. 88. 94. 95. 99. 101. 110. 111. 113, in der Prinzipatszeit 120. 124. 134. 135. 140. 145. 146. 191. 209. 212, im 3. Jh. 222. 223. 240. 246, verschwindende Bedeutung 282 Bürgerzahlen 134 Bürokratie 231. 237. 279. 283, s. auch Reichsverwaltung Buthericus 308. 310. 316 C Caelius Saturninus, Gaius 286
Caesarea (Cappadocia) 308–309 Caieta 112 Calabria 214 calceus patricius 23 Cales 50 Caligula 131. 132. 141. 151. 154. 166 Calpurnii 50 Campanien 196. 288 canabe legionis 241 candidatus Augusti 159 Cannae, Schlacht 72 Canusium 169. 237 capitatio 300 capite censi 100 Cappadocia 296. 304. 308–310. 312. Cappadocier 147. 246 Capua 50. 74. 90. 91 Caracalla 134. 220. 221. 225. 231. 238–239. 249. 251, Geburtstag 221 Caracallathermen 226 Carnuntum 174. 241. 302 Carthago Nova 264 Carus 223. 233 Cassius Dio über beginnende Krise des Reiches 218, über Commodus 231, über den Senatorenstand 230, über soziale Umwälzungen 247 Castrum Novum 43 Cato, s. Porcius Cato, Marcus Ceionii 290 celeres 22 Censoren, censor 33. 41. 49, s. auch Zensur Censusklassen 34–35. 100 Censussätze, Censusqualifikation 65. 112. 151. 165–166. 170–171. 196. 207. 209. 237, s. auch Dekurionencensus Censuszahlen, s. Bevölkerungszahlen cententarii 144 centumviri 169 Centurien, centuriae, im frühen Rom 21. 34, während der Republik 52. 56. 56. 69 Centurionen 139. 165. 204. 207. 208. 234. 239. 247 Centurionenlaufbahn, s. Militärlaufbahn Centurionensöhne 234 Ceres, Tempelgründung auf dem Aventin 31 Chalcedon 312 Cherusker 165 Christen, Christentum, Diskriminierung 147–148, im 3. Jh. 221. 227–228. 268–269, in der Späten Kaiserzeit 273–275. 292. 293. 312. 317, s. auch christliche Senatoren Christenverfolgungen 147. 228
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christliche Senatoren 147. 288. 290. 292 Chrysogonus, Freigelassener Sullas 113 Cicero 25. 51. 106. 116. 155, Besitztümer 112, über dignitas 111, über Gallier 115, über Monarchie 117, über Ritter 70, über die römische Gesellschaft 105, über Stände 110, über den Verlust der res publica 117 Circumcellionen, circumcelliones 282. 304. 308. 310 Circusspiele 182 cives Romani, s. Bürgerrecht, Bürgerrechts verleihungen civitas 203 civitas sine suffragio 43 civitas Vasatica 311 clarissimi 144. 230. 282. 289. 293. 312 classes 205 classis 34 Claudii 7. 49. 64, s. auch gens Claudia Claudius 122. 125. 128. 132–135. 141. 146. 154. 157. 166. 179. 188, über das ius honorum der Gallier 211, über die Provinzialen 146 Claudius Caecus, Appius 39 Claudius Herodes Atticus, Tiberius, der Ältere 152 Claudius Herodes Atticus, Tiberius, der Jüngere 123. 149. 152 Claudius II. 219. 223. 224. 233, religions politisches Restaurationsprogramm 227 Claudius Pompeianus, Tiberius 164 Claudius Pulcher, Appius 98 clavus 23, s. auch angustus clavus, latus clavus Clazomenai 172 Cleander 250 clementia 125 clerici 308 cliens, s. Klienten, Klientel Clodius Albinus 232. 249 Clusium 19 Codex Iustinianus 296 Codex Theodosianus 296 collatio glebalis 287 collatio lustralis 300 collegia, s. Kollegien collegium fabrum 181 Collina tribus 32 coloni (als Ranggruppe) 282 coloni adscripticii 299 coloni inquilini 195 coloniae civium Romanorum 43 coloniae Latinae 43 coloniae, s. Kolonien
colonus originarius 306 Colosseum 230. 289 Columella 164, über städtische und ländliche Sklaven 181, über die Behandlung von Sklaven 188. 193. 194. 196 comes rei privatae 289 comes sacrarum largitionum 289 comitatus 279 comites 286 comitia curiata 21. 32 comitia tributa 32 Commodus 209. 213. 218. 219. 222. 231. 238. 243. 249. 250. 256, als Gladiator 231 Comum 152. 170 concidicio 138 concilia plebis 31 concilium provinciae, s. Provinziallandtag Concordia 302 concordia ordinum 106 conductio 245 congiaria 71 coniuratio Catilinae 107 coniuratio servorum 78 conscripti 24. 51 consilium principis 129. 141. 230. 281 consistorium 279. 281 Constantius I. 224 Constitutio Antoniniana 134–135 consul ordinarius 145 consulares 144 consules, s. Konsuln contractum 304 Cornelii, Cornelier, Adelsgeschlecht 49. 64. 68, s. auch gens Cornelia Cornelii, Freigelassene Sullas 107 Cornelius Balbus, Lucius 115 Cornelius Cinna, Lucius 102. 104 Cornelius Fronto, Marcus 153. 154 Cornelius Gallus, Gaius 130 Cornelius Lentulus, Gnaeus 140 Cornelius Nigrinus Curiatius Maternus, Marcus 134 Cornelius Scipio Aemilianus, Publius 64. 68. 71. 83. 97 Cornelius Scipio Africanus, Publius 65. 68. 69. 83. 97 Cornelius Senecio 164 Cornelius Sulla, Lucius 88. 94. 95. 102–103. 105. 107. 108. 112–114. 117 corpora der navicularii 181 corpus mercatorum Mediolanensium 302 corpus militare 222 corpus sevirorum Augustalium 177
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Corsica, Eroberung 46 Coruncanii 50 Cossura 167 Cumae 19. 112 curator der städtischen Finanzen 295 Cures 169 curiae (im frühen Rom), s. Kurien curiae (in den Städten) 281 curiales, s. Kurialen curio maximus 21 cursus honorum, s. Ämterlaufbahn Cyprian über die Krise des Reiches 218–219. 221. 224. 260 D Dakien, Dacia 121. 122. 136. 263, Aufgabe Dakiens 223 Dalmatien 121. 136. 172. 193. 214 Dalmatiner 165. 224 decemviri stlitibus iudicandis 158 Decimius Eros Merula, Publius 149. 150. 178. 186 Decimius Magnus Ausonius 288. 313, über proceres 293 Decius 147. 222–225. 227. 228. 243, religionspolitisches Restaurationsprogramm 228 decuriae im frühen Rom 21 decurionatus 169, s. auch Dekurionen decuriones (Ranggruppe der gewöhnlichen Dekurionen) 282 decuriones, s. Dekurionen dediticii 134–135 defensor plebis (Herrscher) 130 defensores plebis (Beamten) 314 Dekurionen, decuriones, in der Prinzipatszeit 123. 142. 145. 169–175. 178. 180. 186. 197. 198. 200. 207, im 3. Jh. 234–237. 247. 250. 252, wirtschaftliche Probleme seit dem 2. Jh. und im 3. Jh. 172. 236. 253, in der Späten Kaiserzeit 277. 281. 282. 284. 288, Zahl 169. 236, s. auch Eliten, lokale, Kurialen Dekurionencensus 237. 240 Dekurionenfamilien 248. 256 Dekurionensöhne 169. 237 Dekurionenstände 138. 141. 163–165. 169–177. 205. 206. 211. 235. 242. 244. 246. 247. 249. 307, s. auch Kurialen Delos 76 Delphi 152 Demagogie 100. 107. 108 Demetrios, Freigelassener des Pompeius 113 Demokratisierung in Athen 46 Demonstrationen 250. 308
Demütigungen 183 Deutschland, Römerzeit 262 devotio 220 Diakon 312 Dichotomie der Gesellschaft, im frühen Rom 22–24, während der Späten Republik 109, in der Kaiserzeit 138. 142. 199–201. 206–207. 253. 284 Dichter 128. 288 dictator, s. Diktatur Didius Iulianus 250 Didymus 313 Diener 24. 28. 183. 239 dignitas 111. 117. 125. 138. 142, s. auch potior dignitas Diktatur 24. 40. 102. 108 Diokletian 128. 219. 222. 224. 226. 228. 242. 243. 246. 253–254. 266. 269. 273. 275. 285. 289. 300. 305, Urteil über die Wirtschaftsentwicklung des 3. Jh. 226, s. auch Maximaltarif Diokletiansthermen 225 Dion von Prusa über Versklavung freier Menschen 187 Dionysios von Alexandria über Bevölkerungsrückgang 224 Diskriminierung von Provinzialen 146–147 divites 205 Domänen, kaiserliche 243 Domänen, s. Großgrundbesitz, Latifundien Dominat 220. 286 domini 210. 219 dominus (der Herrscher) 220 dominus rerum humanarum 278 Domitian 128. 132. 134. 141. 151. 154. 159. 239 Domitii Ahenobarbi 50 Domitius Zmaragdus, Gaius 174 dona militaria 149 Donatisten 308 Donative 239 Donaukriege Mark Aurels 162. 218 Donauländer, Donauraum, Donauprovinzen 122. 134. 193, im 3. Jh. 224. 234. 241. 263, religiöse Entwicklung im 3. Jh. 228, Vorherrschaft im 3. Jh. 224 Donaulimes 236 Dorfgemeinschaft 121 Druiden 212 ducenarii 144 duces 286 Durchlässigkeit der Gesellschaft, s. soziale Mobilität duumvir iterum, dummvir tertium 173
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duumviri 173 duumviri quinquennales 173 E Eburacum 184 Edikte 125. 269. 281. 282. 284. 300 egregii 144. 235 Eheschließungen, zwischen Patriziern und Plebejern 23. 30. 33. 35, von Senatoren 152. 153, zwischen Angehörigen ritterlicher und senatorischer Familien 163, zwischen kaiserlichen Sklaven bzw. Freigelassenen und freien Frauen 179, von Soldaten 240 Ehrendekurionen 169 Ehrenplätze 289 Ehrenstatuen für Senatoren 53–54. 132 Einkerkerung von Sklaven 188 Einquartierung von Barbaren 316 Einwohnerzahlen in den Städten 122–123 Elagabal 226. 238. 248 Eliten, lokale, während der Republik 62. 74. 75. 84. 94. 95. 107. 110. 113. 114, in der Prinzipatszeit 124. 128. 135. 141. 156. 165. 169–178. 240. 250, im 3. Jh. 235–238. 250, s. auch Dekurionen, ordo decurionum, kommunale Elite, Kurialen, seviri Augustales eminentissimi 144. 235 Emona 251 Empfehlungen, s. Patronage Enna 90 Ennius über Rom 53 Entfremdung zwischen Staat und Gesellschaft 277. 280. 311 Entlassung aus dem Heeresdienst 101. 239 Entvölkerung 236. 264. 276. 315–316, s. auch agri deserti, Bevölkerungsrückgang, Flucht Ephesos 216 Epidemien 225, s. auch Pest epigraphic habit 190. 264–265, s. auch Inschriften, Selbstdarstellung Epirus 76. 112. 152 episcopi, s. Bischöfe Eprius Marcellus, Titus 149 eques Romanus 55. 144 equites, im frühen Rom 22–23. 34, währen der Republik 65. 69, s. auch Ritter equo publico (Rangtitel) 144 equus publicus, s. Staatspferd Erblichkeit, der Berufe 282–283. 302. 305–306. 318, des Dekurionenranges 236. 246. 283, des Konsulates 145, des Kurialenstatus 294, des Soldatenberufes 233. 240. 283, der
Standeszugehörigkeit 143–145. 163. 169. 283, der Zugehörigkeit zu Kollegien 302 Erbschaften, Vererbung 112. 145. 152 Erdbeben 209 Erpresser, Erpressung 68. 70. 243 Erziehung 65. 153 Esquilina tribus 32 Etrurien 50. 73. 78. 121 Etrusker 17–19. 21. 25. 30. 42. 43. 57–58, Sozialordnung 24 Euergeten 110. 173. 174. 294. 297, s. auch Spenden, Stiftungen Eunomius 312 Eunuchen 278 Eunus 90. 91 Exekutionsrecht 313 Exekutive 141 exempla als Leitschnur 53 Expansion 38–39. 42–45. 54. 61. 63–68. 81. 82. 109. 121–122 externi 146 F Fabier, Fabii 14. 23. 49. 50. 64 Fabius Maximus Aemilianus, Quintus 64 Fabius Maximus Verrucosus, Quintus 49 Fabius Pictor, Quintus 15 fabri 34 fabricae 301–302 factio servilis 311 factiones (in der Republik) 124 facultas 138 faeneratores 70 Fähigkeiten und Leistungen als soziales Qualifikationsmerkmal 112. 140. 148. 182. 246. 283 Fahnenflüchtige 213. 251 familia Caesaris 132. 143. 178–179. 198. 208 Familien, familia 19. 20. 26. 27. 200. 203. 243, s. auch Dekurionenfamilien, ritterliche Familien, Sklavenfamilien, Soldatenfamilien Fernhandel 109 Fesselung, von Kolonen 305, von Sklaven 78. 92. 193. 304. 305 Feste, altrömische 241–242 Fidenae 36–38. 104 fides 26 fides exercitus 240 Finanzkräfte, s. Bankiers Finanzverwaltung 132 Findlinge, s. alumni, Kinderaussetzung, threptoi Flaminat, flamines in den Städten 173. 177. 212 Flaminius, Gaius 50. 54. 56
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Flavier 133. 135. 165. 166. 255 Flavius Iosephus über Roms Stärke 214 Flavius Stilicho 291. 317 Flavius, Gnaeus 39 Florus über die Gesellschaft der Späten Republik 110 Flucht, vor den Barbaren 223, von Kolonen 251. 305–307. 310, von Kurialen 296, der Landbevölkerung 225. 256. 305. 307, der Römer zu den Barbaren 315, von Sklaven 78. 93. 215. 251. 307. 310, s. auch fugitivi foederati 316 folles, follis 287. 288 Folter 78. 143. 197. 287 Formiae 112 Forum Iulii 157 Forum Livi 194 Franken 222. 223 Frauen 20, einflussreiche 141, von Senatoren 144, s. auch Eheschließungen, Sklavinnen, Soldatenfrauen Fregellae 94 freie Geburt als soziales Qualifikationsmerkmal 145. 146. 180. 246 Freigeborene, ingenui 146, 177. 180. 183. 184. 192. 199 Freigelassene, im frühen Rom 20, während der Republik 52. 56. 62. 71. 80. 107. 110. 113. 114, in der Prinzipatszeit 123. 136. 138. 143. 148. 149. 172. 175–181. 183–185. 198. 199. 209. 212, im 3. Jh. 238–239. 244. 254. 255, in der Späten Kaiserzeit 301, in Rom, Italien und in den Provinzen 185, s. auch Frei lassung, manumissio Freigelassene, kaiserliche 132. 138–141. 146. 164. 173. 178–179. 194. 199. 201. 238–239. 243, als Ritter 164. 176, s. auch familia Caesaris Freilassung 39. 56. 78. 80. 187–192. 207. 215, Alter der Sklaven bei der Freilassung 189–190, Häufigkeit von Freilassungen 188–192, s. auch Freigelassene, Freilassungsgesetze des Augustus, Massenfreilassungen Freilassungsgesetze des Augustus 189–190 Freilassungssteuer 56 Freunde des Herrschers 129–130 Freunde, Freundschaften 153. 163. 164. 177. 236, s. auch amicitia Fronto, s. Cornelius Fronto, Marcus frumentatio 108, s. auch Spenden fugitivi 251, s. auch Flucht Führungselite, politisch-militärische 134.
159–161. 168. 200. 202, Zahl der Angehörigen in der Prinzipatszeit 198 Fulvii 6. 50 Fulvius Flaccus, Marcus 94. 98 G Gades 115. 162. 166 Galatia 157 Galba 142. 164 Galenos über die Bevölkerung Pergamons 185, über Stadt- und Landbevölkerung 180 Galerius 224. 253 Gallia Lugdunensis 235. 262 Gallien, Eroberung 92, 103. 109. 114. 117, Aufstände 216, in der Prinzipatszeit 121. 136. 170. 172. 184. 212. 216, im 3. Jh. 236, in der Späten Kaiserzeit 280. 288, 290. 307–308. 311, s. auch Aquitanien, Gallia Lugdunensis, Südgallien Gallienus 128. 219. 223. 225, Reform 232. 234. 253. 258. 269. 285 Gallier 37. 42. 115. 146. 211 Gallischer Adel, Aufnahme in den Senatorenstand 125. 133. 157 Gastwirte 301 Gauner 106 Gebet der Christen für den Herrscher 221 Gefangene, s. Kriegsgefangene, Strafgefangene Gefängnisse 188 Gegner der römischen Herrschaft 213 Gehalt von Primipilaren 165 Gehälter, Gehaltstufen von Reichsbeamten 144. 149. 152. 164. 234–235 Geld 113. 123, 124. 140. 152, s. auch Geldwirtschaft, Münzprägung Geldgeschäfte 124, s. auch Bankiers, Bankwesen Geldspenden 130, s. auch Spenden Geldstrafe 282 Geldverleihung, Geldverleiher 69–70. 112. 123. 152, s. auch argentarii, faeneratores Geldverschlechterung 225 Geldwirtschaft 46. 48. 54. 61. 69. 70. 80. 109. 121 Gelegenheitsarbeiter 301 Geliebte 112 Gemeindepolizisten 146 Gemeindeschreiber 183, s. auch scribae Gemüsehändler 301 gens Claudia 21. 23 gens Fabia 21 gentes, s. Sippen gentiles 21
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Gerichtshöfe 103, s. auch Geschworenen gerichte, Senatsgerichte Germanen 117. 186. 275. 282. 298. 308. 315–317, Sozialverfassung 316, s. auch Alamannen, Franken, Goten, Kimbern, Markomannen, Quaden, Teutonen, Vandalen Germania Transrhenania 223 Germanien 136, s. auch Niedergermanien, Obergermanien gerousia 169 Geschlechter, s. Sippen Geschworenen 164 Geschworenengerichte 101. 102. 106 Gesetze, Gesetzgebung 38. 99. 102. 244. 245. 279–280. 282. 284. 294–296, 299. 305. 306. 312. 313. 316. 317, s. auch einzelne leges, Freilassungsgesetze des Augustus, Kurialengesetze, Legislative, Unmenschlichkeit der Gesetze, Zwölftafelgesetz Geta 239. 249 Getreideempfänger, Zahl 114 Getreideknappheit, s. Lebensmittelknappheit Getreidelager 99 Getreidepreise 99 Getreidespenden, s. frumentatio, Spenden Getreideverteilung 99. 100, s. auch Spenden Gewaltanwendung 96. 97. 99. 100. 101. 108. 243. 310, s. auch Bürgerkriege, Folter, Massenhinrichtungen, Mord, Schlägereien Gewerbe, s. Handwerk Gladiatoren 78. 91 Gladiatorenspiele 143. 182. 234–234, Höhe der Kosten 234 Gläubiger 91 Gleichgültigkeit der römischen Gesellschaft 315 goldener Ring 22. 143. 239 Goldgruben 121 Goldschmiede 184. 301 Gordiane 229. 246 Gordianus (I.) 250 Gordianus (III.) 252 Goten 222. 223. 276, s. auch Westgoten Grabinschriften von Sklaven und Freigelassenen 185–191 Gracchen 66. 80. 95–100. 105. 106. 109. 116, s. auch die beiden Sempronii Gracchi Grammatiker 148 Gratifikation der Soldaten bei der Entlassung, s. Entlassung Grausamkeiten 183. 188. 215. s. auch Folter, Kreuzigung, Mord, Massenhinrichtungen gravitas 138 Gregor von Nazianz 315
Gregor von Nyssa 314 Griechen, im frühen Rom 17–18, während der Republik 81. 84 Griechenland, Eroberung 61, während der Republik 74. 75. 79. 88. 91, in der Kaiserzeit 136 griechische Provinzen, s. Ostprovinzen Großfamilie 121 Großgrundbesitz, Großgrundbesitzer 136. 140. 193. 229. 236. 242. 246. 248. 277. 287. 290. 291. 296. 304. 309. 312. 314. 317, Verselbständigung der Großgrundbesitztümer 313, s. auch Latifundien Großhändler, s. Kaufleute Großpächter 243, s. auch publicani, Unter nehmer Großstädte 122. 303 Großunternehmer, s. Unternehmer Grundbesitz 23. 27. 38–39. 41. 44–45. 48. 54. 101. 109. 111. 113. 124. 140. 164. 236. 245. 283, Grundbesitz von Senatoren in Italien und in den Provinzen 152, von Rittern in Italien und in den Provinzen 164, s. auch Besitzgrößen, Latifundien Grundbesitzer, während der Republik 44. 62. 70. 71. 75–76. 97. 98. 105. 110, in der Prinzipatszeit 124. 136. 140. 171. 178. 192. 194. 208. 216, im 3. Jh. 236. 250, in der Späten Kaiserzeit 293. 300. 301. 305. 308. 311, s. auch Großgrundbesitz, Großgrund besitzer Grundbesitzsteuer 287. 288. 299, s. collatio glebalis, follis Grundstücke, s. Güter Güter 66. 76. 78. 89. 91. 109. 111. 119. 120. 140. 152. 164. 171–172. 182. 183. 189. 193. 194. 196. 200. 206. 229. 236. 245. 256. 276–277. 288. 290. 298. 305. 306. 313, Befestigung von Gütern 313, Wert von Gütern 140. 174, s. auch Besitzgrößen, Grundbesitzer, Grundbesitz Gutsbesitzer, Gutsherren, s. Grundbesitzer Gutsverwalter 78. 193 H Hadrian 128–130. 133–135. 161. 165. 171. 172. 188. 231 Hadrianopel, Schlacht 276 Halbbarbaren 234. 291. 316 Halbbürger 145 Handel, im frühen Rom 18. 25, während der Republik 41. 46. 48. 54. 68–70. 80. 109, in der Prinzipatszeit 121. 123. 124. 178.
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182–183, im 3. Jh. 225. 236, in der Späten Kaiserzeit 276–277, s. auch Fernhandel Handelsschiffe 54 Händler, s. Kaufleute Handwerk, im frühen Rom 18. 25, während der Republik 41. 46. 48. 54. 57. 70. 80. 110, in der Prinzipatszeit 121. 123. 152. 178, im 3. Jh. 225. 236, in der Späten Kaiserzeit 276 Handwerker, im frühen Rom 25. 36, während der Republik 44. 46. 54–55.107. 110, in der Prinzipatszeit 181. 183. 184. 196. 201. 206. 218. im 3. Jh. 236. 244. 248, in der Späten Kaiserzeit 277. 279. 284. 290. 300–303. 306. 312. 313 Häresien 282. 293. 317 Hass auf Herrscher 249. 310, auf das Militär 251, auf den Staat 310, auf Staatsbeamten 308 Hausdiener, s. Diener Häuser, in Rom 112, von Senatoren 154. 288, Wert von Häusern 186, s. auch Paläste Hedii 164 Heer, während der Republik 69. 97. 100. 102. 113. 117, in der Prinzipatszeit 138. 210, im 3. Jh. 223–224. 239–242. 245. 247–248, in der Späten Kaiserzeit 279. 286, Abbild der Sozialstruktur 139. 205. 223, als Gemeinschaft 240, Zahlenstärke 210. 279, s. auch corpus militare, Hilfstruppen, Infanterie, Legionen, Militärdienst, Reiteradel, Reitertruppen, Rekrutierung, Soldaten Heeresdienst, s. Militärdienst Heereskommando 125. 139. 141–142. 155. 161. 230–232. 282. 286 Heeresreform des Marius 100–101. 103. 117 Heermeister 279. 286. 289. 292. 298 Heiden 282. 293. 317, s. auch heidnische Senatoren heidnische Senatoren 290. 291 Heirat, s. Eheschließungen Heiratserlaubnis für die Soldaten 240 Helvius Pertinax, Publius 164. 208. 231. 232. 249. 255 Henchir-Mettich, Inschrift 195 Hercules als Ahne der Fabier 49 Herdonius, Appius 27–28 Herkunft als soziales Kriterium 62. 111. 124. 132. 138. 144–145. 150. 246. 282–283, Kritik an der Bevorzugung der adligen Herkunft 235 Herodes Atticus, s. Claudius Herodes Atticus, Tiberius, der Jüngere 123. 149. 152 Herodian über Herkunft und Leistung 235,
über die Herrscher 221, über Kriege gegen die Barbaren 222, über die Krise des Reiches 260, über senatorische Generäle alten Stils 232, über sozialen Abstieg 253 Herrscher als Bezugspunkt der Gesellschaft 127. 281 Herrscher als Gott 126. 220–221. 278, s. auch Herrscherkult Herrscher als Magistrat von Städten 130–131 Herrscher und Herrscherhaus als Spitze der Gesellschaft 118. 124–127 Herrscher, Auserwählter der summa divinitas 278, aus Gottes Gnaden 278 Herrscherkult 126. 127. 173. 175–176. 211 Herrscherwahl durch das Heer 238 Hieron von Syrakus 19 Hieronymus 317 Hilferufe, s. Bittschriften Hilfstruppen 166. 191 Hinrichtungen 113, s. auch Massenhinrichtungen, Proskriptionen hippeis 23 Hippo 303 Hirten 25. 26. 75. 78–79. 90. 91. 196. 215. 251 Hispania citerior 135. 165 Hispania superior 167 Hispanien, Hispania, Eroberung 61. 109, während der Republik 74. 75. 79. 104. 114. 115, in der Prinzipatszeit 120–122. 130. 133. 135. 136. 170. 177. 238, wirtschaftliche Probleme seit der Mitte des 2. Jh. 120. 254, im 3. Jh. 223. 226. 238. 263. 264, in der Späten Kaiserzeit 276. 280. 288. 290. 298. 304. 307–308. 313, s. auch Baetica, Hispania citerior, Hispania superior Hispanier 133–134. 157. 166 Hispellum 152 Historia Augusta über soziale Dichotomie 142 Hochmut und Arroganz der Nobilität 67 Hofämter 289, s. auch einzelne Ämter Hofpersonal 141. 143. 238. 247. 281, s. auch familia Caesaris, Freigelassene, kaiserliche, Sklaven, kaiserliche Hofzeremoniell 126. 278 Höhensiedlungen 276 homerische Gesellschaft 20 homo novus, homines novi, während der Republik 50–51. 63–64. 67. 73. 79. 80. 99. 102. 106. 112. 113. 116, in der Prinzipatszeit 125. 143. 145. 149. 150. 155–156. 160–161, in der Späten Kaiserzeit 287. 290. 291, s. auch Adlektionen honesta missio 207
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honesti mores 236 honesti, honestiores 138. 142. 176. 178. 204. 205. 242. 247. 248. 281. 283. 297. 300 honorati 284 Honoratioren, s. Dekurionen, Eliten, lokale, Kurialen honores, städtische 235. 236. 246. 294, s. auch Magistrate honos 175–177. 207, s. auch dignitas, honesti, honestiores Hoplitenphalanx, Hoplitenpoliteia 23. 30 Horaz 164 Humanität den Sklaven gegenüber 188–189. 299 humiles, humiliores 139. 142. 205. 242. 244. 247. 248. 281. 283. 297. 300 Hungerrevolten 215–216. 308 Hungersnot 215 Hunnen 276 Hütten als Wohnhäuser 141 I Icelus 164 Ideale, Verhaltensnormen der Gesellschaft 116. 173. 212. 213. 226–227. 234, s. auch mos maiorum, senatorische Ideale illustres 282. 289 Illyricum 305. 306. 314 imbecilli cultores (Kolonen) 94 Imperialismus 74–75 Imperien, außerordentliche 103 imperium proconsulare maius 125 incolae 294 Infanterie, plebejische 23. 30. 34 Infanterietruppen 167 inferiores (unter den Dekurionen) 172. 175 Inflation 225–226 Ingenieure 183 ingenui, s. Freigeborene Initiativen der Herrscher 128 inquilini 304. 306 Inschriften, Medien der Selbstdarstellung 127–128. 170, Quellen für die Sozialgeschichte 11–12. 189–190, s. auch Grabinschriften Insignien des Herrschers 125 institor 184 Integration der Provinzen und der Provinzialen 114–115. 118. 119–120. 133–135, 211–212, s. auch Romanisation Intellektuellen 68. 148–149. 183. 269. 270, s. auch Ärzte, Juristen, Künstler, Musiker, Pädagogen, Philologen, Philosophen,
Rechtsberater, Redner, Rhetorikprofessoren, Schriftsteller, viri diserti, docti, litterati interrex 24 Investitionen 121. 123 Irni 169 Istrien 76 Italica adlectio 255 Italien, Vereinigung unter römischer Herrschaft 43. 44. 58, Neuverteilung des Bodens während der Späten Republik 116, in der Kaiserzeit 146. 170. 242, in der Späten Kaiserzeit 279. 297. 298, Besitztümer reicher Familien 112, Heimat von Senatoren 156, Verteilung der Güter 140, Vormachtstellung im Reich 146, wirtschaftliche Schwierigkeiten seit dem 2. Jh. 156, Verlust der Vorherrschaft 224, in der Späten Kaiserzeit 294, s. auch Norditalien Italiker, während der Republik 43. 58–59. 72. 80–82. 87. 94–96. 98. 99. 104–105. 110. 115, in der Kaiserzeit 157. 166. 206. 212. 229, s. auch Aufstände iudex vice Caesaris, s. oberstes Richteramt iudices, s. Geschworenen 164 Iugurtha 104. 117 Iulius Agricola, Gnaeus 158 Iulius Alexander, Tiberius 147 Iulius Briganticus 216 Iulius Caesar, Gaius 103. 106. 108. 112–114. 116. 117 Iulius Civilis 165. 216 Iulius Classicus 165 Iulius Severus, Sextus 161 iuniores 34 ius auxilii 31 ius Flavianum 39 ius honorum 156. 157. 211 ius intercedendi 31 ius Latii, s. latinisches Recht iustitia 125 J Jahreseinkommen spätrömischer Senatoren 288 Johannes Chrysostomos über Handwerker in Konstantipel 301 Judäa 196. 217 Juden 142. 147. 186. 203. 217. 299. 309 Jüdischer Krieg 186. 217 Julian 281 Juppiter, Tempel auf dem Kapitol 31 Juristen 149. 153. 230. 232. 235 Justinian über Sklaven 298 Justiz 141
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Juthunger 223 Juvenal über die Armen 141, über Geburtsadel 144, über Orientalen 147, über Solidarität der Senatoren 154 K Kaiser, s. Herrscher Kaisereid 131 Kaiserfeste 126 Kaiserhof 126. 179. 278 Kaiserkult, s. Herrscherkult Kaiserreisen 130 Kaiserstatuen 220, Symbole der kaiserlichen Herrschaft 310 Kaisertitulatur 125 Kanalisation 276 Kanalreiniger 231 Kapitalverbrechen 142 Kappadokien, s. Cappadocia Karthago 61. 64. 68. 75. 76. 116, in der Kaiserzeit 170. 250. 296. 298 Kastrierung von Sklaven 188 Kaufleute, im frühen Rom 25. 36, während der Republik 44. 46. 54–55. 58. 62. 80. 94. 110, in der Prinzipatszeit 124. 164. 183. 184. 196, im 3. Jh. 236. 244, in der Späten Kaiserzeit 277. 300–303. 312 Kelten 172 Keramikproduktion 121 Kilikien 216 Kilikier 90. 91 Kimbern 104. 114. 223 Kinder, in die Kurien eingeschrieben 294, von Senatoren 144, s. auch Soldatenkinder Kinderaussetzung 187. 244. 298, s. auch Findlinge Kinderkaiser 281 Kinderlosigkeit 207, von Rittern 163, von Senatoren 63–64. 154–155 Kirche 283. 290. 298. 308. 312. 314–315. 317, s. auch Christen Kirchenbauten 297 Kirchenfürsten 293 Klassen 200–201. 248. 284. 310 Kleidungsvorschrift 282 Kleinasiaten 147. 172. 236 Kleinasien 73. 88. 90. 91. 187. 191. 208. 215. 242, s. auch Asia Kleinbauern, s. Bauern Kleinstädte 123. 183. 255 Kleisthenes 52 Kleon 90 Klienten, Klientel, im frühen Rom 21. 23.
25–26. 28. 44, während der Republik 48. 51–52. 55. 65. 68, in der Kaiserzeit 177. 183. 186. 216, Reichsbevölkerung als Klientel des Herrschers 120. 130 Klimawandel 224 klinon 269 Kodifikation von Gesetzen und Verordnungen 278–279 Koexistenz der Römer mit den Barbaren 316. 317 Kollegialität 52 Kollegien, collegia, in der Prinzipatszeit 181–182. 204, im 3. Jh. 244. 245. 250. 253, in der Späten Kaiserzeit 302. 312, der Soldaten 240, s. auch Kultvereine Köln 171. 262 Kolonen, Kolonat, in der Prinzipatszeit 180. 194–196. 201, im 3. Jh. 243. 245. 248. 253. 263, in der Späten Kaiserzeit 276. 282. 284. 299. 304. 305. 308–310. 312. 313, Kolonen als Besitz 299, Rechtsstellung 299. 305, Sklaven der Gutsherren 299, Sklaven der Scholle 299 Kolonien, Kolonisation 145. 238, in Italien 43. 55. 56. 73. 95, in Africa 99, in Hispanien 135. 166, in den Provinzen 100. 110. 114. 116. 135, s. auch Veteranenkolonien kommunale Elite 198, s. auch Dekurionen, Eliten, lokale, Kurialen Konflikte zwischen dem Heer und der Zivilbevölkerung 250–251 Konflikte zwischen den Herrschern und dem Senat 132. 231 Konflikte, soziale, zwischen Patriziern und Plebejern 28–45, während der Republik 48–49. 57–58. 62. 67–68. 70. 73–75. 78–84. 85–109. 113. 115–117, in der Prinzipatszeit 210. 213–217, im 3. Jh. 248–252, in der Späten Kaiserzeit 307–310 Könige, Königtum, in Rom 17–19. 24. 29, ostgotische Könige 292, s. auch Sklavenkönige Konkubinat 240 Konstantin der Große 128. 224. 246. 253–254. 266. 269. 273. 275. 282. 284–289. 294. 299. 300. 305. 306 Konstantinopel 282. 290. 303. 310 Konsuln, Konsulat, im frühen Rom 24. 40. 41, während der Republik 49–51. 64. 66–68. 100. 208. 215, in der Prinzipatszeit 102. 112. 131. 149. 153. 159–161. 177, im 3. Jh. 230, in der Späten Kaiserzeit 288. 289, erster Konsul provinzialer Herkunft 115
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Kontorniaten 292 Kontrolle der Staatsbeamten 210 Korinthos 75. 152 Korruption 116. 280. 301. 311, s. auch Bestechung Kosten, der Gladiatorenspiele 235, der Grabdenkmäler 240, des Heeres 256 Kredite 55 Kreuzigung 78. 143 Kriegsgefangene 57. 61. 65. 71. 75. 76. 87. 298. 304 Kriegskunst, Ausbildung 163 Kriegsschiffe 54 Kriminalität 213 Krise ohne Alternative 60. 272 Krise, der Republik 60. 62. 79. 83. 85–87. 115–117. 245–246. 317, des 3. Jh. 245–272, erste Anzeichen in Hispanien in spätantoninischer Zeit 120, kennzeichnendes Merkmal des 3. Jh. 218. 272, Ursachen 254–257, in der Diskussion 257–272, Krise durch beginnende Völkerwanderung 276, des spätrömischen Kaisertums 317 Krisen, Begriff 86–87. 219. 264–266, Dauer von Krisen 271–272 Krisenbewusstsein, Krisenempfindung, in der Republik 87, im 3. Jh. 259. 262. 266–271 krisis 271 Ktesiphon 223 Kulte, fremder Völker 212, der Soldaten 240, der Staatsgötter 176. 177. 241, s. auch Mithraskult, Mysterienkulte, Religion, Staatsreligion Kultvereine 181 Kunst im Dienst des Herrschers 127 Künstler 183 Kuratele in Rom 159 Kurialen, Kurialenstände 281. 282–284. 288. 293–297. 303. 310. 312, im Osten 317–318, Tyrannen 294. 295 Kurialengesetze 294–295 Kurialenschwund 296 Kurien im frühen Rom 20. 22, in spätantiken Städten 294 Kyrene 297. 298 Kyzikos 312 L Lactantius über Steuerdruck 305 Laelius, Gaius 83 Lagodius 313 Landarbeiter, s. Bauen, Kolonen, Lohnarbeiter, Saisonarbeiter
Landwirtschaft 25. 46. 66–67. 72. 120–123. 276. 288, s. auch Bauern, Güter Lanuvium 112 Larcius Macedo 183. 215 Lasten der Dekurionen 175. 236–237. 246. 247, der Kollegiumsmitglieder 244, der Kurialen 294–295, s. auch munera Latein 134 Latifundien, latifundia 66. 112. 140. 193. 194. 196. 229. 245. 277. 304. 305. 313 Latiner 17. 99 latinisches Recht 135. 145. 191 latrones 213. 251. 307 latus clavus 69. 143 Laufbahntypen (senatorische) 160–161 Laureion 90 Lauriacum 301 Lavinium 167 Lebenserwartung 225 Lebensmittelhändler 301 Lebensmittelknappheit 182. 225. 250. 308 Lebensmittelpreise 71. 243 Lebensmittelversorgung 215, s. auch Spenden Legaten des Kaisers 125, s. auch Legionslegaten, Statthalter legatus Augusti pro praetore, s. Statthalter legatus legionis, s. Legionslegaten leges duodecim tabularum, s. Zwölftafelgesetz leges frumentariae, s. Sempronius Gracchus, Gaius leges Liciniae Sextiae 38–30. 65. 82. 83. 98 Legion im frühen Rom 21, als Gemeinschaft 139 Legionen 91. 138. 143. 213. 259 Legionslegaten 131. 159 Legislative 141, s. auch Gesetze, Gesetzgebung Leineweber 216 Leistungen, s. Fähigkeiten und Leistungen Leiturgie 175, s. auch Euergetismus, munera publica, Spenden, Stiftungen lex Aelia Sentia 188. 190 lex agraria 99 lex Calpurnia de repetundis 83 lex Canuleia 35 lex Claudia 54. 67 lex curiata de imperio 21 lex Fufia Caninia 190 lex Hortensia 38. 41 lex Irnitana 169 lex Iulia 90 v. Chr. 95 lex Iunia 181 lex Manciana 195 lex Ogulnia 41
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lex Ovinia 41 lex Petronia 188 lex Plautia Papiria 95 lex Poetelia Papiria 39 lex Publilia 41. 50 lex reddendorum equorum 69 lex Roscia 69 lex sacrata 31 lex Valeria de provocatione 39 lex Villia annalis 64. 68. 83 lex Visellia 191 Libanios über über Bauern 304, über Handwerker 299. 301, über Kaufleute 301. 303, über Kurialenschwund 296, über Sklaven 298 liberi humilioris loci 206 libertae 189 libertas 207 liberti, s. Freigelassene libertinus ordo 177 Liburner 149 licinisch-sextische Gesetze, s. leges Liciniae Sextiae Licinius Crassus Dives Mucianus, Publius 66 Licinius Crassus, Marcus 91. 112 Licinius Lucullus, Lucius 112. 116 Licinius Secundus, Lucius 177 Licinius Stolo, Gaius 38 Licinius Sura, Lucius 177 Liebesdienste 146 Ligurien 164 litterae aureae 127–128 Livia (Schwiegertochter des Tiberius), 143 Livius Drusus, Marcus 94. 98. 101. 104 locatio 245 locupletes 281 Lohnarbeit, Lohnarbeiter, während der Republik 57. 73. 110, in der Kaiserzeit 122. 192. 196, in der Späten Kaiserzeit 304, s. auch mercennarii, obaerati, operarii, Saisonarbeiter Löhne 243 Lollia Paulina 141 Lösegeld 57. 65. 75 Loyalität zur Monarchie 140. 149. 156. 161. 220. 233. 239. 246 Luceres 21 Lumpenproletariat 71. 107. 183 Luxus 83. 112. 116. 152–153 Luxussklaven 183 Lykien 174 M Macedonia s. Makedonien Macht 124. 125. 138. 139. 141–142. 210–211.
233. 234. 246. 281. 282. 286, der familia Caesaris 179, des Heeres 223–224. 247. 255. 288, des Herrschers 124. 220–221. 278–280, der Kurialen 293–294 Machtapparat 277. 279–281. 283. 315. 316, s. auch Heer, Verwaltungsapparat Machtfrage am Ende der Republik 88. 93 Macrinus 221. 222. 234. 246 Mactar, Inschrift 208. 253 Madauros 240 Magdalensberg 121 magister equitum, im frühen Rom 40, in der Späten Kaiserzeit 289 magister officiorum 279. 289 magister populi 24 Magistrate, Magistraturen, im frühen Rom 24. 31–32. 40–41, während der Republik 49–52. 63–64. 80. 83. 99, städtische 143–145. 159. 172–173. 198. 236. 238, s. auch die einzelnen Ämter magistri der Laren des Herrschers 212 magistri militum, s. Heermeister Magnaten, s. Reichtum, Reiche Mahlzeiten. luxuriöse 112 maiestas des Herrschers 230 Mailand 280. 302 Maiorianus über die Kurialen 294 Makedonien 136, Eroberung 61 Makedonische Kriege, Dritter Makedonische Krieg 61. 75 Mamilii 50 Manlius Vulso, Gnaeus 65 Manufakturen 284. 301. 302 manumissio 26. 184. 189. 191. 194, s. auch Freilassung Marcianus über die Versklavung von Freien 187 Marcius Rutilus, Gaius 41 Marcius Turbo, Quintus 165 Marius, Gaius 64. 67. 88. 95. 99. 100. 102–105. 107. 108. 112. 114. 117 Mark Aurel 118. 134. 157. 162. 164. 175. 209. 218. 222. 225. 231. 232. 235. 238. 239. 249. 255 Markomannen 222 Mars Gradivus 241 Martial über freie und unfreie Geburt 146, über Orientalen 147, über die Reichen 140, über Ritter 163–164 Märtyrer 147 Massenfreilassungen 114 Massenhinrichtungen, Massenmorde 93. 102. 106. 249. 251. 310, s. auch Proskriptionen Massentumulte 96–98. 108
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Massenversklavungen 57. 75. 76. 114 Mauretanien 246. 288 Maximaltarif Diokletians 226. 243 Maximianus 224. 242 Maximinus Thrax 221. 222. 224. 231. 234. 249–253 Melania 288 Memmius Regulus, Publius 156 Menschenraub 76. 89. 91. 114. 187 mercennarii 73. 110 merces placita 304 Metallarbeiter 301 Metallwarenläden 184 metrioi 205 mezoi 205 Mietpreise 71 Militär, s. Heer, Soldaten Militärdienst, während der Republik 74. 76. 101, in der Kaiserzeit 134. 191. 206–207, in der Späten Kaiserzeit 283 Militärdiplome 166 Militärgesellschaft des 3. Jh. 240–242. 315 Militärlaufbahn 165. 167. s. auch Offiziers laufbahn Militärrevolten 222 Militärtribunen, ritterliche 166. 167, senatorische 158–159 milites (als Ranggruppe) 282 milites gregarii 138 militia equestris 167 Minderwertigkeitskomplexe der homines novi 67 ministri der Laren des Herrschers 212 Minturnae 43 Missernten 308 missio agraria 207 missio nummaria 207 Mithraskult 227. 228. 241 Mithridates 84. 88. 93. 102. 104. 112. 117 Mittelstand, Mittelschichten 55. 70. 176. 17. 202. 204–206. 284 Möbel im Millionenwert 140–141 Mobiliar, Wert 186 Moesia inferior 170. 224 Moesia superior 222 Monarchie als politischer Rahmen für die römische Gesellschaft 118. 124. 210, Akzeptanz 221, Labilität 222, Veränderungen in der Struktur im 3. Jh. 220–222, in der Späten Kaiserzeit 277–280 Mons Caelius 288 moralischer Verfall 81. 83. 105. 116
Mord 100. 101. 103. 108. 188. 223, s. auch Massenhinrichtungen, Massenmorde Mörder 107 mos maiorum, mores 53. 81–83. 116. 125. 175. 225. 227. 235. 317 Mösien 136. 223. 229. 263, s. auch Moesia inferior, Moesia superior munera, munera publica 175. 236–237. 244. 294, s. auch Lasten der Dekurionen Municipien 114. 123. 135. 145. 166. 172. 174. 237. 241 munificentia 174, s. auch Euergeten, Spenden, Stiftungen Münzprägung, Anfänge 46 Münzstättenarbeiter 250–251 Musiker 183 Mustis 173 Mysterienkulte 227, s. auch Mithraskult N Nacolea 179 Narbo 131 Narbonensis, s. Südgallien Narcissus 140. 179 Naturkatastrophen 209. 225. 288, s. auch Epidemien, Erdbeben, Pest navales socii 57 navicularii 302 Nazianz 310 negotiatores (als Ranggrupe) 282 Neoplatonismus 226–227 Nero 132. 141. 154. 156. 157. 166 Nerva 142. 222 neue Männer, s. homo novus, homines novi Neupersisches Reich 222 nexum 27. 33 Nichtbürger 145. 191 Niedergermanien 142. 223 Nivellierung der Unterschichten im 3. Jh. 242–245 nobiles als Gegensatz zu homines novi in der Kaiserzeit 150, während der Republik: s. Nobilität nobilitas, Begriff 49 Nobilität, während der Republik 41. 49–51. 58. 64–65. 73. 79. 97. 104. 109–110. 112, in der Kaiserzeit 155. 287 Nomaden, s. Reiternomaden nomen gentile 21 Nordafrika, s. Africa Norditalien, 95. 121. 152. 170. 177. 184. 288, Heimat von Senatoren 156 Nordprovinzen 170. 223, s. auch Donauländer
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Nordvölker 136. 146 Noricum 121. 127. 136. 171. 184. 186. 274. 300–301 Noriker 165 Normen, s. Ideale, mos maiorum Notitia Dignitatum über fabricae 301–302 Notitia urbis Romae über Handwerker 301 Notstandsgesetzgebung, s. Staatsnotstand Nuceria 90 Numantia 64. 68 numen des Herrschers 126. 220 Numidien 250. 188. 304. 307–308 O obaerati 110 Obdachlose 303 Obergermanien 142. 214. 251 Oberitalien, s. Norditalien Oberpriester, jüdischer 217 Oberschichten, Zahl der Angehörigen 198, s. bes. Senatoren, Senatorenstand, Ritter, Ritterstand, Dekurionen, Dekurionenstände, seviri Augustales, Sozialordnung, Stände oberstes Richteramt 230 Octavianus, s. Augustus Odoaker 281. 292 officiales 282. 283. 293 officium in kaiserlichem Dienst 131 Offizierskorps, s. Heereskommando Offizierslaufbahn 231. 232, ritterliche 167. 234, s. auch militia equestris Ogulnii 50 Ohnmacht der Republik 115–116 oikogeneis 187 Oligarchie 58. 65. 67. 73. 79. 84. 88. 94. 98. 102–105. 108. 116. 117. 124 Olivenplantagen 78 Olympia 152 onera invita 237 operae der Klienten 26 operarii 73 Opramoas 174 Optimaten, optimates 88. 98. 102. 105. 117 optimates (in den Städten) 293 ordines, s. Stände, einzelne ordines, einzelne Stände ordo Augustalium 177 ordo decurionum, s. Dekurionenstände ordo equester, s. Ritter, Ritterstand ordo senatorius, s. Senatoren, Senatorenstand ordo, Begriff 110. 198 ordo-plebs Gegenüberstellung 205 orgiastische Kulte 83
Orientalen 134. 174 ornamenta decurionalia 176 Orosius über die Barbaren 317, über die Flucht von Römern zu den Barbaren 315, über die Koexistenz mit den Barbaren 317 Orthodoxie 293. 295 Osten, griechischer, s. Ostprovinzen Ostia 43. 169. 170. 172. 177 Ostprovinzen, in der Prinzipatszeit 133. 135 170–171. 212, im 3. Jh. 223. 227. 229. 234 Oströmisches Reich 280. 317. 319 Otacilii 50 Oxyrhynchos 243 P Pächter 182. 195. 196. 243. 245. 248. 304. 306, s. auch Großpächter, Kolonen Pächtung von Zolleinnahmen 164 Pädagogen 183. 209. 312 Palaestina 305. 306 Paläste 140. 255 Palatina tribus 32 Palladius über Handwerker 304 Pallas 179 Pamphylien 215 Pannonien, in der Prinzipatszeit 121. 136. 171. 172. 184. 193, im 3. Jh. 223. 224. 234. 240–242. 263, religiöse Entwicklung, römische Kulte im 3. Jh. 228. 241–242, Vorherrschaft im 3. Jh. 224. 234 Pannonier 166. 224. 229. 234 Panormus 57 Papinianus 233. 247 Papstwahl 308 Parfümeure 301 Parther 142 Parvenus, s. homines novi pastores (Bagaudae) 307 pastorum coniuratio 79 Patavium 162 pater familias 20. 26. 27. 33 pater patriae 130. 220 patres 24. 41. 44 patres maiorum gentium 24 patriarchale Sklaverei 192–193 patrimonium Augusti 127 Patriotismus 317 Patrizier, im frühen Rom und während der Republik 18–24. 28–29. 31. 35–44. 49. 50, in der Kaiserzeit 160 Patrocinien, patrocinium, Patrocinienbewegung 313–314 Patronage 156. 161. 167
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Patronat 52. 199, s. auch Klienten, Klientel wesen patroni 26. 56. 113. 191–192. 199–200. 209. 296, Herrscher als patronus der Reichsbevölkerung 129. 130 Paulus, Apostel 216 pauperes 205 peculium 190. 299 peregrini, s. Nichtbürger perfectissimi 144. 235. 286 Pergamon 90. 92. 93. 104. 123 perpetua conductio 245 Persien, s. Neupersisches Reich Personenadel 163. 233 persönliche Leistung gegenüber adliger Herkunft 235 Pertinax, s. Helvius Pertinax, Publius Pest 255–256 Petelia 123 Petronius Probus, Sextus 288 Petronius über die Bedeutung des Besitzes 140, über Neureiche 123, über Sklaven als Menschen phalerae 23 Philippus Arabs 218. 228. 233. 234. 246 Philo über die Landbevölkerung 197 Philologen 148 Philosophen 68. 183. 213. 215 Philosophie 81–82. 116, s. auch Neoplatonismus Philostrat über Aufruhr in Aspendos 215 Phrygier 187 pietas 125 pistores, s. Bäcker Plantagenwirtschaft 70. 76–78. 82 Plautii 50 Plautus 69–71. 76. 78 plebei (als Ranggruppe) 282. 284, s. auch Plebs in den Städten Plebejer, s. plebei, Plebs plebiscita 31 Plebs als faex 281. 300 Plebs in den Städten des Reiches, in der Prinzipatszeit 169. 181–184, 215–216, im 3. Jh. 243–244. 249, in der Späten Kaiserzeit 300–303. 308. 310. 312, s. auch plebs urbana Plebs in Rom, im frühen Rom 18. 23–26. 28–44. 46. 82, während der Republik 48. 49. 50. 57. 71. 73. 107. 111, in der Prinzipatszeit 130. 139. 215, im 3. Jh. 249–250, in der Späten Kaiserzeit 303, s. auch plebs urbana
plebs rustica 180. 192. 202. 300. 303. 306, s. auch rusticana plebs plebs sordida 182 plebs urbana 180. 181. 202. 300. 301. 303, s. auch urbanae plebes Plinius der Ältere 140, über Roms Berufung 211 Plinius der Jüngere 123. 142. 149. 155. 156. 296, Behandlung seiner Sklaven 188. 191. 193. 194, Korrespondenz und Freundschaften 153. 163, über Pallas 179, Vermögen 152 poleis, in Süditalien 36, im griechischen Osten 135. 145 politische Ausbildung und Erfahrung 61. 65. 111. 113 politische Kultur der Republik 53 politische Verdienste 148. 150, s. auch Loyalität zur Monarchie Polybios über Rom 51. 53. 56, über den Untergang von Staaten 319 Polyonymie 153. 285 Polytheismus 212 pomerium 17 Pompeii 112. 122. 170 Pompeius Senecio, Quintus 153 Pompeius, Gnaeus 103. 106. 108. 114 Pompeius, Quintus 64 Pompeius, Sextus 93. 103 Pomponius Atticus, Titus 112–113 pontifices 43 Pontus 295 Pontus et Bithynia 142, s. auch Bithynien Popularen, populares 88. 98. 102. 104. 105. 108. 117 populus 24 populus Romanus 22. 27. 31 Porcius Cato, Marcus, der Ältere 23. 25. 27. 38. 51. 68. 70. 71. 82. 83. 155, Anschauungen, Verhaltensweisen, Werke 66. 77. 78. 188. 193 Porcius Cato, Marcus, der Jüngere 106 Porsenna 19 possessores 233. 236 Postumii 64 potentes 205. 281 potestas des Herrn 299 potior dignitas 184 praefectus Aegypti, s. Präfekten Ägyptens praefectus alae 167 praefectus annonae 168 praefectus cohortis 167 praefectus fabrum 167 praefectus praetorio, s. Prätorianerpräfekten praefectus urbi, s. Stadtpräfekten
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praefectus vigilum 168 praepositus sacri cubiculi 278. 279 praetextati 170, s. auch Dekurionensöhne praetores, s. Prätoren, Prätur Präfekten Ägyptens 130. 168. 225. 243 Präfekturen, hohe 168, s. auch einzelne praefecti Prätoren, Prätur, im frühen Rom 24. 40, während der Republik 64. 68, in der Hohen Kaiserzeit 130. 159, in der Späten Kaiserzeit 287. 291 Prätorianer, Prätorianergarde 138. 239. 250 Prätorianerpräfekten, Prätorianerpräfektur in der Hohen Kaiserzeit 129. 131. 141. 142. 144. 168. 233. 235. 247. 250, in der Späten Kaiserzeit 279. 289 Preise 243, s. auch Lebensmittelpreise Preissteigerung im 3. Jh., s. Inflation Priester 40. 212, in den Städten 173–174, s. auch augures, flamines, pontifices, Provinzialoberpriester primicerius notariorum 289 Primipilat, Primipilaren 165. 208 primores viri 172 primus ordo 224 primus pilus, s. Primipilat, Primipilaren princeps 219, des genus humanum 124 princeps senatus 24. 112 principales (im Heer) 138. 234. 239. 240 principales (in den Städten) 282. 293 principes civitatis 124 Privatarmeen 313 Privilegien 111. 126. 139. 142. 143. 145. 161. 173. 204. 212. 239. 246. 281. 287. 293. 300 Probus 219. 224 proceres 129. 293 procuratores Augusti, s. Prokuratoren Profitdenken 66. 82 Prokonsuln, proconsules, 132. 159. 230. 250. 289, s. auch Statthalter Prokurator des Hafens von Puteoli 167, der Provinz Hispania superior 167 Prokuratoren, Prokuraturen 132. 164. 167–168. 209. 235 Prokuratorenstellen, Zahl 168. 234 proles 33 Proletarier, proletarii 33–34. 36. 55. 62. 71. 73. 74. 79–81. 84. 97. 100. 101. 110. 113. 114 Propaganda gegen die Kirche 292 Proskriptionen 108. 113–114 prosopographische Forschungsmethode 158 Prostituierten 209 Protektion s. Patronage
Provinzen, während der Republik 64–75. 81. 93–94, in der Kaiserzeit 119. 133–135. 140. 146–147. 156. 206. 209. 216–217. 249, s. auch Integration, Provinziale, Romanisation Provinziale, während der Republik 74–75. 79. 80. 83–84. 87–88. 93–94. 96–97. 113–115, in der Prinzipatszeit 119–120. 133–135. 157. 162. 166, im 3. Jh. 229. 234, in der Späten Kaiserzeit 286 Provinziallandtage 126. 175. 236 Provinzialoberpriester 126. 165. 171. 212 provocatio 39–40 Prusa 216 Prusias II. 63 Pseudo-Aristides, Eis basilea über die Krise des Reiches 219. 222. 223 publicani 69. 75. 94. 97. 99. 132 Publilius Philo, Quintus 41. 50 Punische Kriege: Erster Punischer Krieg 46–47. 50, Zweiter Punischer Krieg 49. 58. 60–61. 63. 64. 66. 67. 69. 71–72. 74–76. 79. 81. 89. 94. 109. 116, Dritter Punischer Krieg 61 Pupienus 252 Puteoli 112. 167. 170 Pydna, Schlacht 64. 65 Pyrrhos 43 Q Quaden 221 quaestor Augusti 159 quaestor sacri palatii 289 quaestores, s. Quästoren, Quästur qualitas 138 quasi coloni 195 Quästoren, Quästur, während der Republik 40. 71, in der Hohen Kaiserzeit 151. 159, in der Späten Kaiserzeit 291 quattuorviri viarum curandarum 158 Quinctilius Priscus, Aulus 174 Quirites 22 R Radagaisus 298 Ramnes 21. 32 Rangtitel 143. 162. 235, s. auch einzelne Rangtitel Ratgeber der Herrscher 129. 281, s. auch consilium principis Rätien 136 Räuber, Räuberbanden 90. 213. 243. 247. 251. 307, s. auch Banditen, latrones Raufereien 308, s. auch Massentumulte, Schlägereien
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Ravenna 280 Rechtlosigkeit 111 Rechtsberater 149. 183 Rechtsbrecher 70 Rechtssicherheit 210 Rechtswissenschaft 150. 153, s. auch Juristen Reden als politisches Mittel 96. 106 Redner, Rednerkunst, Redefertigkeit 149. 150. 153. 283. 288. 291 Reformen, Reformgesetze, während der Republik 37. 82. 83. 97–101. 107. 108, in der Kaiserzeit 128, des Septimius Severus 240, im 3. Jh. 228, des Gallienus 232. 234. 253, der Soldatenkaiser 269, Diokletians 253–254. 273. 279. 305, Konstantins 253–254. 273. 279. 285–287, im Oströmischen Reich 280, Scheitern von Reformversuchen 82–83. 97–99. 116 Reformpolitiker 88. 97–101. 106 Regierungsstil der Herrscher 128–129 Reichsaristokratie 199–200 Reichsstände 144. 169, s. auch Ritterstand, Senatorenstand Reichsverwaltung 131. 141. 155. 210–211. 232–234. 279. 311, s. auch Bürokratie, Prokonsuln, Prokuratoren, Statthalter, Wirtschaftsverwaltung Reichtum, Reiche, während der Republik 33. 46. 51. 65–69. 109. 111–113, in der Prinzipatszeit 123. 124. 138. 140–141. 152. 164. 165. 183, im 3. Jh. 229. 235. 236. 239–240. 246. 247, in der Späten Kaiserzeit 281. 282. 285. 287. 288. 290. 293. 297. 298. 307, Reichtum des Herrschers 126–127 Reiteradel 22–23. 34. 63 Reiternomaden 204. 217 Reiterparade 162 Reitertruppen 167 Rekrutierung 72. 97. 100–101. 207. 217. 241, von Barbaren 316 Religion 53. 66. 212–213. 225, der Soldaten 227. 241–242, der Sklaven 92, s. auch Kulte religionspolitisches Restaurationsprogramm im 3. h. 227–221. 241–242. 269, s. auch Claudius II., Decius, restitutio pietatis Rentabilität, der Freilassung für die Sklaven halter 191–192, der Sklavenarbeit 193 renuntiatio amicitiae 130 res privata des Herrschers 127 res publica 226, als res populi 52–53 Reskripte 244. 293 Respekt, Reverenz 142 restitutio pietatis 227–228. 269
Revolution, keine in Rom 86–87. 116 Revolutionsbegriff 86–87 rex, s. Könige, Königtum Rhetorikprofessoren 150 Rhodiapolis 174 Richter 132. 306. 313, s. auch Geschworenengerichte Ritter, im frühen Rom 22–23, während der Republik 55, 62. 63. 65. 79. 91. 99. 101. 102. 105–108. 110. 112. 115. 116, in der Prinzipatszeit 123. 125. 131. 142. 143. 146. 147. 151. 153. 156. 162–169. 174. 180. 185. 198. 199. 207–208, 212. 217. 238. 240, im 3. Jh. 230. 233–235. 239, im 4. Jh. 285, Zahl der Ritter 114. 162 ritterliche Familien 163 ritterliche Offiziersstellen, Zahl 168 Rittersöhne 163, als Senatoren 156 Ritterstand, Definition 55, Entstehung 55. 63. 69, während der Republik 79. 80. 97. 99. 106. 113–114, in der Prinzipatszeit 131. 132. 136. 138. 141. 143. 162–168. 179. 194. 199. 204. 206. 210. 291, im 3. Jh. 233–235. 247. 248, Ende des Ritterstandes 281–282. 284–286, Ergänzung des Ritterstandes 163. 173 Rivalisierung der Adelsgeschlechter 52. 67–68. 79. 124 Rohstofflager, s. Bergbau, Bergwerke Rom, Anfänge und Stadtwerdung 15–18, Aufruhr unter Tiberius 215, Einnahme durch die Westgoten 289. 317, Einnahme durch die Vandalen 280, Hungerrevolten 308, kaiserliche Bauten 127. 226, Läden 184, Senatorengruppe in Rom 299, s. auch Häuser von Senatoren, Plebs in Rom Romanisation 134. 203. 211–212 Romulus 16. 21. 24 Romulus Augustulus 281 Ruhm, s. Ansehen ruma 17 Rupilius, Publius 64 Ruscino 156 rusticana plebs 300 rusticani, rustici (Bagaudae) 307–308 rusticitas 180 rusticus 180 Rutilius Namatianus über die Offenheit Roms den Fremden gegenüber 211 S Sabiner 17. 21. 23. 27 sacerdotales 282
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sacrosanctitas 31 sacrum cubiculum 279 Saguntum 170. 173. 238. 264 Saisonarbeiter 73. 196. 208. 248. 282. 284. 304. 307, s. auch Circumcellionen Sakrileg 278 Salacia 240–241 Salassi 186 Sallust 116, über die Republik und ihre Krise 65. 81. 84. 105. 116 Salona 171 Saltus Burunitanus 243 Salvianus über christliche Tugenden der Barbaren 317, über die Flucht von Römern zu den Barbaren 315, über die Gleichgültigkeit der römischen Gesellschaft 315, über die Kurialen 294, über die Patrocinien 313–314, über Roms Niedergang 307 Salvius 91. 92 Salvius Iulianus 149 Samniten 42 Samnium 288 Sardinien, Eroberung 46 Sarmaten 221 Sarmizegetusa 242 Schauspieler 183 Schichten 203–204, s. auch einzelne soziale Schichten, soziale Schichtung Schiffbau 54–55 Schlägereien, s. Massentumulte, Raufereien Schlosser 71 Schmiede 196 Schmuckgegenstände 112. 141 Schneider 303. 312 scholae der Soldaten 240 Schreiber 312 Schriftsteller 291, s. auch einzelne Autoren, Intellektuellen Schuhflicker 209, s. auch Schuhmacher Schuhmacher, Schuster 71. 301 Schulden 106. 111–112, s. auch Schuldsklaverei Schuldknechtschaft, s. Schuldsklaverei Schuldsklaverei 26. 27. 33. 37. 39. 56 Scipionen 63. 65–66. 68. 79. 82. 112. 117, s. auch die einzelnen Cornelii Scipiones scribae 172, s. auch Gemeindeschreiber seditiones 308 Seeleute 149 Seeräuber 114 Segobriga 264 Sekten 213 Selbstbewusstsein, der Freigelassenen 178, der Kollegiumsmitglieder 181, der Pannonier
233. 242, der Ritter 235, der Senatoren 154. 230. 285, der Soldaten 242 Selbstdarstellung reicher Freigelassenen 177–178, der Herrscher 127, der Senatoren 154. 285, städtischer Eliten 170. 247. 263–264 Selbstmord 130 Selbstverwaltung der Städte 173–174. 295 Seleukidenreich 61. 63 Sempronii 64 Sempronius Gracchus, Gaius 74. 94. 98. 99. 101. 104. 106. 107 Sempronius Gracchus, Tiberius 71–73. 85. 96–99. 103. 104. 106. 107 Sena Gallica 43. 56 Senat von Konstantinopel 290 Senat, im frühen Rom 24. 38. 42, während der Republik 51. 80. 91. 102–104. 106. 107, in der Prinzipatszeit 141. 153, Machtverlust im 3. Jh. 223. 230. 231, in der Späten Kaiserzeit 280. 290, unter den ostgotische Königen 292, späteste Erwähnung 292 Senatoren, Senatsaristokratie, im frühen Rom 44, s. auch patres, im 3. Jh. v. Chr. 48–49. 54, im 2. Jh. v. Chr. 62–68. 70. 75. 81. 82, während der Späten Republik 97. 99. 105–107. 109–110. 112. 116, in der Prinzipatszeit 119. 125. 129. 131. 132. 141–143. 147. 150–162. 169. 178–180. 184. 185. 198. 200. 212. 240. 255, im 3. Jh. 229–233. 236, in der Späten Kaiserzeit 281. 282, 284–293. 313, Blutopfer der Senatoren 154. 231, Engagement von Senatoren für die Städte 174, Zahl der Senatoren in der Hohen Kaiserzeit 113. 150. 151. 287, in der Späten Kaiserzeit 287, s. auch christliche Senatoren Senatorensöhne 151 Senatorenstand, während der Republik 106. 113, in der Prinzipatszeit 131. 132. 136. 138, 141. 150–162. 165. 166. 202. 206. 210. 238, im 3. Jh. 229–233. 247–249. 252, in der Späten Kaiserzeit 283–293, Ergänzung des Senatorenstandes 164. 168. 172. 285. 287. 291, s. auch Adlektionen senatores (als Ranggruppe) 282 senatorische Ideale und Lebensweise 66. 153–154. 231. 290–292, s. auch Traditionsbewusstsein Senatsgerichte 102 Senatskaiser 231 Senatspolitik des Augustus 133. 150. 151. 155, Konstantins 285–286 senatus secundi ordinis 290
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Seneca über die Armen 141, über Bettler 182, über Bürgerrechtsverleihungen 134, über Sklaven als Menschen 188; über städtische und ländliche Sklaven 181, über die Zahl der Sklaven 186, Senecas Reichtum 141 seniores 34 Sennius Sollemnis, Titus 235 Septimius Severus 128. 134. 218. 219. 222. 223. 225. 231. 232. 234. 236–241. 243. 244. 254, Aufstieg seiner Familie 163, letzte Worte 239 Sergius Catilina, Lucius 93. 107 Sertorius, Quintus 104. 108 servi (als Ranggruppe) 282 servi agricultores 298 servi, s. Sklaven servianische Verfassung 23. 34–35. 47 Servilität von Senatoren 131. 146 Servilius Glaucia, Marcus 106 Servius Tullius 28 servuli 298 Severer 238. 240 Severus Alexander 167. 222. 238. 246. 255. 262. seviri Augustales, Sevirat 128. 143. 150. 175–178. 180. 198. 204. 210. 212. 238, Varianten der Titulatur 176 sexagenarii 144 Sextius Lateranus, Lucius 38. 41 Sezession, secessio 27. 30. 32. 42 Sicherheitskräfte 243. 251 Silberschmiede 184. 216. 301 Sinuessa 43. 112 Sippen 17. 20–22, s. auch gens, Geschlechter Sitten, s. mos maiorum, mores Sitzplätze für Ritter im Theater 162 Sizilien, Eroberung 46, während der Republik 79. 89–92. 114, in der Späten Kaiserzeit 288. 298. 304 Skandale 104 Sklaven, kaiserliche 132. 138–139. 239, s. auch familia Caesaris Sklaven, Sklaverei, bei den Etruskern 24, im frühen Rom 20. 26–28. 33. 39–40, im 3. Jh. v. Chr. 47. 48. 56–58, im 2. Jh. v. Chr. 62. 65. 71. 73. 74–79. 81. 82. 89, während der Späten Republik 91–93. 96. 104. 107. 110–112. 114, in der Prinzipatszeit 119. 136. 145–146. 148. 178. 180. 180. 183–196. 199. 200. 206. 208. 212. 214. 216, im 3. Jh. 243–245. 255, in der Späten Kaiserzeit 282, 297–301. 304–308. 310. 312. 313, Geburten in Sklavenfamilien 187. 194, Herkunft der
Sklaven 76. 91. 92. 221, Rechtsstellung 184. 188. 299, Sklaven in Rom, Italien und in den Provinzen 185, Sklaven als Sachen betrachtet 77. 115–116. 193, Tötung von Sklaven 188, Zahl der Sklaven 57. 76. 77. 90. 91. 114. 185–187. 298, s. auch Flucht von Sklaven, patriarchale Sklaverei, Schuldsklaverei, Sklavenfamilien, vernae usw. Sklavenaufstände, während der Republik 57–58. 78–79. 83–84. 87–93, auf Sizilien 85. 89–91. 104, Unruhen von Sklaven in Rom und anderswo (um 135/132), 90, s. auch Aristonikosaufstand, Spartakusaufstand, Verschwörungen von Sklaven Sklavenfamilien 76. 194. 298 Sklavenhandel 57. 76. 89. 186. 298 Sklavenkasernen 77 Sklavenkinder, s. Sklaven, Geburten in Sklavenfamilien, Sklavenfamilien, vernae Sklavenkönige 90–93 Sklavenkriege, s. Sklavenaufstände Sklavenmärkte 76 Sklavenpreise, während der Republik 76, in der Kaiserzeit 186. 244 Sklaverei und Christentum, christliche Sklaven 298. 299 Sklavinnen 91. 146. 189. 194. 296 societates publicanorum 69 socii, s. Verbündete sodales Augustales 212 Söhne von Ärzten 247 Söhne von Freigelassenen 146. 164. 166. 171. 177. 183. 209 Söhne von Rittern als Senatoren 209 Sold 101. 113. 139. 207. 239 Soldaten, während der Republik 55. 65. 101. 102. 117, in der Prinzipatszeit 139. 149–150. 204, im 3. Jh. 239–243. 247–248. 251. 252, s. auch Heer, Rekrutierung Soldatenehen 240–241 Soldatenfamilien 240. 248 Soldatenfrauen 240–241 Soldatenkaiser 219. 224. 227. 246. 249. 253. 269. 271 Soldatenkinder 242 solidi 288. 289 Solon 23. 27. 38 Solva 244 Sonderreiche 222 Sonntagsruhe 306 soziale Beziehungen zwischen Angehörigen einzelner Stände und Schichten 199–200, s. auch Klientel, Patronat usw.
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soziale Mobilität 80. 113. 124. 185. 206–208. 283, s. auch Aufstieg, sozialer Abstieg soziale Schichtung, Grundlagen und Kriterien, im frühen Rom 22–24, während der Republik 48. 62, während der Späten Republik 111–113, in der Prinzipatszeit 138–150, im 3. Jh. 245–248. 253, in der Späten Kaiserzeit 281–284. 311–312 soziale Spannungen, s. Konflikte sozialer Abstieg 113. 209. 253, s. auch Ausschluss aus einem Stand, Austritt aus dem Senatorenstand Sozialordnung, archaische 17, ihre Auflösung 36–45; im 3. Jh. v. Chr. 45–59, im 2. Jh. v. Chr. 61–79, während der Späten Republik 109–116, in der Prinzipatszeit 118–217, im 3. Jh. 218–234, in der Späten Kaiserzeit 273–376 Spartacus 78. 89. 91. 92 Spartacusaufstand 88. 89 spectabiles 282. 289 Spenden, Stiftungen 72. 73. 107. 111. 113. 130. 149. 152. 173. 174. 178. 179, Höhe von Spenden und Stiftungen 152. 174. 178. 179. 181. 235. 240, s. auch Euergeten Spezialisierung, Spezialisten 161. 255. 304 Spiele 130. 174. 237 Staatsbeamten, s. Verwaltungsbeamten Staatsgebiet des frühen Rom, Ausdehnung 36–38, s. auch Expansion Staatsnotstand 100 Staatspferd 143. 166 Staatsreligion 177, s. auch Kulte der Staatsgötter Städte, während der Republik 110, in der Prinzipatsepoche 123, in der Späten Kaiserzeit 273. 275–276. 295–297, Niedergang von Städten 276. 297, Städtetypen 122–123, Zahl der Städte 122. 135. 136, s. auch Dekurionen, Dekurionenstände, Eliten, Einwohnerzahlen in den Städten, Kolonien, Magistrate, Municipien, Urbanisation städtische Eliten, s. Eliten, lokale Stadtpatronat 169. 296–297 Stadtpräfekten, in der Hohen Kaiserzeit 160, in der Späten Kaiserzeit 279. 289. 291, von Konstantinopel 289 Stammesadel 164–165. 216 Stände, im frühen Rom 23–26. 35. 36. 44, während der Republik 48. 50. 62. 65. 69, während der Späten Republik 110, in der Kaiserzeit 132. 138–139. 142. 143. 150. 162–163. 176–177, 179–180. 201–202. 206.
210, im 3. Jh. 230–239. 246. 247, Aufnahme in einen Stand 143–144 Ständekämpfe 19. 28. 36–42. 47 Standesabzeichen, s. Statussymbole Standesbewusstsein der Ritter 163, der Senatoren 63. 143 Stände-Schichten-Struktur 119. 120. 131. 197–206 Standestitel 142, s. auch Rangtitel Statilius Taurus, Titus 155 Statthalter, Statthalterschaften, während der Republik 75. 102, in der Prinzipatszeit 125. 141–142. 155. 159. 167, im 3. Jh. 232. 233. 236. 237. 295, s. auch Prokonsuln Statuen, monumentale 126, s. auch Ehren statuen Statussymbole 23. 69. 143. 162 Statusverlust, s. sozialer Abstieg, Ausschluss aus einem Stand Steinmetzen 301 Stellmacher 71 Steuerausfälle 314 Steuereintreiber, s. publicani, Zollbeamten Steuererhöhung 309. 310. 314 Steuern, Steuerelast, im frühen Rom 23, im 3. Jh. 196. 242. 253, in der Späten Kaiserzeit 277. 295. 300. 303. 305. 306. 315, enormitas des Steuerdruckes 305 Steuerpacht 99 Steuerpflicht 313 Stiftung von Bauwerken durch den Herrscher 127. 130. 226 Stiftungen, s. Spenden, Stiftungen Stilicho, s. Flavius Stilicho stipendiarii 195–196 Strabo über Stadt- und Landbevölkerung 180 Strafen, Strafmaßnahmen 74. 142. 282. 295. 302, s. auch Auspeitschung, Exekutionsrecht, Geldstrafe, Kreuzigung, Todessstrafe, Zwangsarbeit Strafgefangene, Strafsklaven 196. 302. 304 Sträflinge, s. Strafgefangene Strafrecht 142–143. 209. 281. 287. 293 Straftaten 142. 278 Straßenkuratoren 131 Straßennetz 99. 134 Streik, s. Sezession Strohmänner 67 Suburana tribus 32 Südgallien 115. 121. 133. 134. 136. 156–158 Südgallier 157. 166 Süd-Nord-Gefälle 136 Sueton über soziale Dichotomie 142
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Sulla, s. Cornelius Sulla, Lucius Sulpicius Rufus, Publius 102. 106. 108 summa honoraria 173 superstitio 147 Symmachus, s. Aurelius Symmachus, Quintus Synesios 297, über Sklaven 298 Syrer 90. 147. 236 Syrien 109. 113. 123. 136. 223. 246. 263. 304. 314, Eroberung 109 T Tacitus (Kaiser) 230 Tacitus 155, über homines novi 149. 150, über „Municipale“ 143, über Nachkommen von Sklaven 185, über die Offenheit Roms den Fremden gegenüber 211, quaestor Augusti 159 Tagelöhner s. Lohnarbeiter talio 33 Tänzer 247 Tarentum 42. 76 Tarius Rufus, Lucius 149 Tarquinii 19 Tarquinius Superbus 19. 17 Tarracina 43 Tarraco 135. 170. 171. 173. 177. 178. 223. 238. 264–265, Amphitheater 226, Augustus tempel 135, Basilika 226 Tarsos 216 Tauschmittel, archaische 46 Technologie 121. 122 Tempel, von Soldaten gebaut 240 tenuiores 138. 205. 244. 281 Terentius 76 Terra-sigillata-Werkstätte 121. 184. 225 Territorialstaaten auf römischem Boden 275. 280. 315. 317 Terror 100, s. auch Gewaltanwendung Tertullian 221, über soziale Umwälzungen 247, über Unsicherheit 251, über die Urbanisation des Reiches 135 Testament 145. 191 Teutonen 104. 114. 223 Textilhandwerker 71 Textilwarenhändler 301 Thamugadi 294 Theaterclaque 310 Theaterspiele 182 Themistios über Handwerker in Konstantinopel, über die Zahl der Senatoren 287 Theoderich 292 Theodosiolus 313 Theodosius I. 276. 288–289. 293. 310
Thessalonike 308. 310 Thraker 224 Thrakien 92. 233. 243 threptoi 187 Thronprätendenten 214. 222. 231. 255, s. auch Usurpatoren Thysdrus 250 Tiberfischer 231 Tiberius 132. 134. 141. 146. 157. 215 Tibur 50 Ticinum 302 Tifernum Tiberinum 152 Tischler 243 Tities 21. 32 Titus 59 Töchter von Soldaten 241 Todesstrafe 142 Töpfer 71. 196, s. auch Terra-Sigillata-Werkstätte trabea 23 Tracht des Herrschers 125 Traditionsbewusstsein, Traditionsgebundenheit, Traditionstreue 53. 124. 127. 132. 154. 226. 290, s. auch exempla, mos maiorum Tragurium 242 Traianus Mucianus 233 Trajan 130. 133–135. 152. 165. 232. 235. 239, über die Provinzialen 146 Transportschwierigkeiten 308 trecenarii 144 Treverer 165. 216 tribuni plebis, s. Volkstribunen, Volkstribunat tribunicia potestas 125 tribunus legionis, s. Militärtribunen Tribus 31–32. 34. 39. 52. 55–56. 71. 95. 103 tribus rusticae 32 tribus urbanae 32 tributarii 304 Trier 280. 302 Trimalchio 123. 140. 141. 148. 150. 177. 187. 188. 192. 201. 208. 238. 255 triumviri capitales 158 triumviri monetales 158. 160 Troia, Aquädukt 152 Tüchtigkeit, s. Fähigkeiten Tugenden 125. 291 Tusculum 50. 112 Tyrannis in Griechenland 52 U Übergang von der Antike zum Mittelalter 275 Übergriffe des Militärs und des Verwaltungspersonals 221. 226. 242. 243. 270. 301
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Ulpianus 233 Umbrien 152 unfreie Herkunft als Makel 148. 150. 164. 178. 179 Unmenschlichkeit spätrömischer Gesetze und Verbote 318 Unterdrückung 29. 35. 75. 88. 94. 115. 242. 243. 247. 251. 270. 277. 280. 301–303. 306. 309. 310 Untergang des Weströmischen Reiches 275. 281. 311–319, Diskussion über die Ursachen 317–319 Unterhaltung 182 Unternehmer, Unternehmertätigkeit, während der Republik 54. 58. 61. 64. 67. 69–70. 80. 94. 97, in der Kaiserzeit 122. 124. 164, s. auch publicani Unterschichten, Gliederung in der Kaiserzeit 199–201, s. auch bes. Bauern, Kolonen, Plebs, Sklaven, Sozialordnung urbanae plebes 306 Urbanisation 119. 122. 134–135. 255, s. auch Kolonien, Municipien, Städte urbanitas 180 urbanus 180 urbium primates 284 Usurpatoren 222. 313, s. auch Thronprätendenten V Valens 309 Valentinian I. 275. 289. 304 Valentinian III. 312 Valerianus 219. 222. 223. 228. 258 Valerii 49. 288. 290. 298 Valerii Piniani 288 Valerius Maximianus, Marcus 164. 232 Valerius Pinianus 288. 292 Vandalen 280. 291 Varro über Roms Gründung 16, über Sklaven 77. 115–116. 193 Vedius Pollio 164. 183. 188 Veii 30. 36–39. 169 Veleia 140. 196 Verarmung im 3. Jh. 225–226. 236 Verbannung 106 Verbote 318, Verbot des Berufwechsels 302–303, der Bewegungsfreiheit 305, des Eintritts in den Beamtenapparat 312, des Eintritts in das Heer 312. 166, des Eintritts in den Klerus 312, der Heirat außerhalb des Standes 306 Verbündete, s. Bundesgenossen
Vereine, s. Kollegien Verfassung der Republik 51, ihr Zusammenbruch 117 Verfassungsbrüche 108 Vergil über Bauerngüter 196, über Roms Berufung 211 Vergottung des Herrschers, s. Herrscher als Gott, Herrscherkult Verinianus 313 Verleger 112 Vermietung von Häusern 112 Vermögen, s. Reichtum Vermögensgrößen 140–141. 149. 152. 171. 161, 181. 186. 288 Vermögensqualifikation, s: Censusqualifikation vernae 87. 207. 195. 243 Verpflichtungen der Freigelassenen dem Patronus gegenüber 191 Verschuldung 30. 38. 41, s. auch Schuldsklaverei Verschwörungen von Sklaven 27–28 Versklavung freier Menschen 20. 56. 186. 187. 191. 210. 298 Versteigerungen 113 Verwalter, von Häusern, von Vermögen 182 Verwaltungsapparat des Reiches 244, in der Späten Kaiserzeit 279–280. 282. 300, Zahlenstärke 210, s. auch Machtapparat Verwaltungsbeamten 153. 283. 286. 291. 293. 300. 301. 311, s. auch einzelne Ämter, officiales, Verwaltungsapparat Verwüstungen, s. Zerstörungen Vespasian 122. 135. 141. 142. 149. 141. 155. 157 Veteranen, während der Republik 100. 107. 108. 113. 114, in der Prinzipatszeit 135. 142. 172. 193. 204, im 3. Jh. 240 Veteranenkolonien 122 Vetranio 292 Vettius, Titus 90. 91 Veturii 50 Vexationen, vexationes 237. 306 Vibius Crispus, Quintus 149 Viducassier 235 Vigintivirat, vigintiviri 156. 158, s. auch einzelne Ämter vilici, s. Gutsverwalter 78 villae rusticae, s. Villen Villen 66. 140. 154. 171. 207. 213. 223. 236. 242. 255. 288. 312 Vipsanius Agrippa, Marcus 155 viri diserti, docti, litterati 232 viri militares 232. 286 viri nobiles 49, s. auch Nobilität
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Viriatus 75 virtus 125 vita honestior 291 Vitellier 209 Vitellius, Aulus 142. 209. 217 Vitruvius über Süd-Nord-Gefälle 136 Völkerwanderung 276. 280. 319 Volkstribunen, Volkstribunat, im frühen Rom 38, während der Republik 52. 64. 98. 100–103. 105. 106. 108, in der Kaiserzeit 159 Volksversammlung, im frühen Rom 21. 24. 32. 34–35. 38. 40–42, während der Republik 51–52. 54. 56. 64. 74. 80. 88. 95. 96. 98. 99. 108 Volsinii 57–58. 143 Volsker 30 Volusii 186 Vorurteile über Provinziale 115 Vulci 19 W Waffenfabriken 92. 301–302 Wagenlenker 183. 308 Wahlen 51 Wahrsager 90. 91 Währung 122 Waisen 23 Walker 301 Wanderarbeiter, s. Saisonarbeiter Wasserleitungen 152 Wasserversorgung der Städte 276, s. auch Wasserleitungen Weber 301 Weinberge 78
Weltkrise 262. 265 Werkstätte in kaiserlichem Besitz 127 Westgoten 280. 317 Weströmisches Reich 275. 280. 311 Widerstand gegen Rom 75. 93–94, s. auch Aufstände Wirtschaft, im frühen Rom 23, 25. 27, während der Republik 46. 54. 76, während der Späten Republik 109, in der Prinzipatszeit 118. 120–123, im 3. Jh. 224–226. 254–255. 261. 271, in der Späten Kaiserzeit 275. 287–288 wirtschaftliches Geschick 148. 150 Wirtschaftsdenken 122 Wirtschaftsverwaltung 132 Witwen 23 Wohnverhältnisse der Armen 141 Z Zensur, im frühen Rom 41, während der Republik 51. 70. 83, siehe auch Censoren Zerstörungen und Verwüstungen durch Barbareneinfälle 223. 236. 245. 256. 276 Zimmerleute 301 Zivilverwaltung, s. Reichsverwaltung Zollbeamten 146 Zünfte, s. Kollegien Zusammengehörigkeitsgefühl der Senatoren 154 Zwangsarbeit 142. 143 Zwangserblichkeit von Berufen, s. Erblichkeit von Berufen Zwangsmaßnahmen 295. 297. 299. 302–303. 305–306. 318, s. auch Erblichkeit der Berufe, Verbote Zwangsstaat 277. 295 Zwölftafelgesetz 20. 26. 27. 32–33. 35. 39
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Géza Alföldy alisierte, auf den doppelten Umfang erweiterte und um einen umfangreichen Anmerkungsapparat sowie um ein Verzeich nis der in den letzten Jahrzehnten erschienenen Fachlitera tur bereicherte Neuausgabe der im Jahre 1985 vorgelegten 3. Auflage. Sie ist nach wie vor die einzige zusammenfassende Darstellung der Geschichte der Gesellschaft Roms von den Anfängen bis zur Spätantike. Ihren Gegenstand bilden Fra gen wie die Grundlagen für die soziale Gliederung, die ein zelnen Schichten und Gruppen der Gesellschaft, ihre Durch lässigkeit, ihre Konflikte, ihre Ideale, ihre Krisen und ihr Selbstverständnis in den einzelnen Epochen. Sie stützt sich auf die Ergebnisse der internationalen Forschung, lässt durchge hend die antiken literarischen und epigraphischen Quellen sprechen und bietet auch Raum für die kritische Diskussion über umstrittene Probleme der römischen Sozialordnung.
Franz Steiner Verlag
ISBN 978-3-515-09841-0
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Römische Sozial geschichte
Franz Steiner Verlag
Geza Alföldy
www.steiner-verlag.de
Römische Sozialgeschichte
Die 4. Auflage der Römischen Sozialgeschichte ist eine aktu