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German Pages 410 [414] Year 2013
Veronika Hyden-Hanscho
Reisende, Migranten, Kulturmanager Mittlerpersönlichkeiten zwischen Frankreich und dem Wiener Hof 1630–1730
Geschichte Franz Steiner Verlag
VSWG – Beihefte 221
Veronika Hyden-Hanscho Reisende, Migranten, Kulturmanager
vierteljahrschrift für sozialund wirtschaftsgeschichte – beihefte Herausgegeben von Günther Schulz, Jörg Baten, Markus A. Denzel und Gerhard Fouquet
band 221
Veronika Hyden-Hanscho
Reisende, Migranten, Kulturmanager Mittlerpersönlichkeiten zwischen Frankreich und dem Wiener Hof 1630–1730
Franz Steiner Verlag
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Österreichischen Forschungsgemeinschaft (ÖFG) und des Amtes der Vorarlberger Landesregierung
Umschlagabbildung: Modestiche von Jean Le Pautre, angekauft von Prinz Eugen. Œuvres de Jean Le Pautre. Tome sixième. Albertina, Wien, HB 150.6, p. 52. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2013 Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-10367-1
INHALTSVERZEICHNIS ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...................................................................... 7 TABELLENVERZEICHNIS............................................................................ 9 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ................................................................... 11 VORWORT .................................................................................................... 13 1 FRAGESTELLUNG, THEORIE, METHODE ......................................... 15 2 KULTURKONSUM AUF REISEN .......................................................... 35 2.1 Kavalierstour ...................................................................................... 38 2.2 Gesandtschaftsreise ............................................................................ 55 Schlussfolgerungen ............................................................................ 69 3 FRANZÖSISCHSPRACHIGE MIGRANTINNEN IN WIEN: HERKUNFT UND EMIGRATIONSMOTIVE ......................................... 71 3.1 Theorie, Methoden der Datenerfassung und Überblick ..................... 75 3.2 Lothringen und die Franche-Comté ................................................... 84 3.3 Urbane Zentren und Sprachkontaktgrenzen außerhalb Frankreichs .. 92 Schlussfolgerungen .......................................................................... 104 4 IMMIGRANTINNEN ALS TRÄGER VON KULTUR: ARBEITSFELDER UND ARBEITGEBER ............................................ 107 4.1 Nachfrage und Angebot französischer Arbeitskräfte in Wien ......... 109 4.2 Französische Tapezierer in kaiserlichen Diensten ........................... 124 Schlussfolgerungen .......................................................................... 138 5 KLEIDER MACHEN LEUTE................................................................. 141 5.1 Moderezeption und Modekonsum ................................................... 143 5.2 Schneider, Sticker, Hut- und Perückenmacher ................................ 160 Schlussfolgerungen .......................................................................... 176
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Inhaltsverzeichnis
6 INTEGRATION UND REMIGRATION ................................................ 179 6.1 Vom Spracherwerb zum Bürgerrecht .............................................. 181 6.2 Scheitern von Kulturtransfer: Französische Köche in Wien ............ 204 Schlussfolgerungen .......................................................................... 220 7 ALEXANDRE BERGERET: DIMENSIONEN EINES VERMITTLERS223 7.1 Harrach und Bergeret: Persönlichkeiten und Beziehung ................. 225 7.2 Informations-, Wissens- und Kulturmanagement ............................ 241 Schlussfolgerungen .......................................................................... 260 8 BERGERETS NETZWERK .................................................................... 263 8.1 Sozialkapital in Paris und Wien ....................................................... 267 8.2 Kommunikation, Transportnetzwerk und Macht ............................. 281 Schlussfolgerungen .......................................................................... 297 9 ZUSAMMENFASSUNG......................................................................... 301 UNGEDRUCKTE QUELLEN ..................................................................... 309 Österreichisches Staatsarchiv ................................................................... 309 Wiener Stadt- und Landesarchiv .............................................................. 309 Archives Nationales, Paris ....................................................................... 310 GEDRUCKTE QUELLEN ........................................................................... 311 LITERATUR ................................................................................................ 313 BIOGRAPHISCHE DATEN ZU FRANZÖSISCHSPRACHIGEN MIGRANTINNEN IN WIEN 1630–1730 ............................................... 339 AUSWERTUNGEN DER NETZWERKANALYSE ZU FRANZÖSISCHSPRACHIGEN IMMIGRANTINNEN ........................ 379 Degree-Werte ........................................................................................... 379 Betweenness-Werte .................................................................................. 385 Edge-Betweenness-Werte ........................................................................ 392 REGISTER ................................................................................................... 401
ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Promenade des französischen Königs und der französischen Königin in Fontainebleau in Begleitung des Hofes; angekauft von Prinz Eugen. Œuvres de Jean Le Pautre. Tome premier. Albertina, Wien, HB 150.1, p. 138/301. ............................................................................................................. 45 Abbildung 2: Regionale Herkunft französischsprachiger MigrantInnen (mit gesicherter Herkunft) in Wien, 1630–1730............................................................ 82 Abbildung 3: Regionen französischsprachiger Emigration nach Wien, 1630– 1730; Karte: Europa 1648, IEG Maps – Kartenserver am Institut für Europäische Geschichte Mainz.............................................................................. 83 Abbildung 4: Arbeitgeber französischsprachiger MigrantInnen in Wien, 1630– 1730. .................................................................................................................... 113 Abbildung 5: Berufe französischsprachiger MigrantInnen in Wien, 1630–1730. Die Dezimalzahlen ergeben sich durch Mehrfachnennung von Berufen in den Quellen bei Perückenmachern und Barbieren so wie im Fall Trehet als Tapezierer und Ingenieur...................................................................................... 122 Abbildung 6: Genderaspekt französischsprachiger ImmigrantInnen in Wien, 1630–1730. .......................................................................................................... 123 Abbildung 7: Modestiche von Jean Le Pautre, angekauft von Prinz Eugen. Œuvres de Jean Le Pautre. Tome sixième. Albertina, Wien, HB 150.6, p. 52..... 150 Abbildung 8: Wanderwege savoyischer Wanderhändler im 17. und 18. Jahrhundert; Karte: Europa Flussnetz, IEG Maps – Kartenserver am Institut für Europäische Geschichte Mainz............................................................................ 157 Abbildung 9: Warensortiment von Maurice Montfort, Anteil der Waren am Verkauf und am Umsatz, 1724–1740. .................................................................. 159 Abbildung 10: Verhältnis endo- und exogamer Ehen französischsprachiger ImmigrantInnen in Wien, 1630–1730. ................................................................. 187 Abbildung 11: Eheverhalten französischsprachiger Migranten in Wien, 1630– 1730. .................................................................................................................... 187 Abbildung 12: Personen mit den höchsten Betweenness-Centrality-Werten (an der Größe der Knoten ablesbar) im französischen ImmigrantInnennetzwerk, 1620–1720, Ausschnitt......................................................................................... 194
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 13: Wohnorte und Hausbesitz französischsprachiger ImmigrantInnen in Wien 1630–1730; Grundrissplan der Stadt Wien 1683 von Daniel Suttinger in einer Lithographiereproduktion von Albert Camesina 1876; Wiener Stadt- und Landesarchiv, Kartographische Sammlung 881. ................... 198 Abbildung 14: Netzwerkgröße Bergeret. ............................................................. 268 Abbildung 15: Teilnetzwerk Alexandre Bergerets zur Anwerbung von Köchen, 1676. .................................................................................................................... 272 Abbildung 16: Bergerets Verbindungen zum Wiener Hof, Ausschnitt aus dem Teilnetzwerk 1694–1699...................................................................................... 277 Abbildung 17: Multiplexität und Netzwerkgröße Bergeret und Harrach. ........... 284 Abbildung 18: Multiplexe Verbindungen im Bergeret-Netzwerk, Ausschnitt aus dem Teilnetzwerk 1701–1703. ............................................................................. 286 Abbildung 19: Waren- und Geldflüsse im Netzwerk Bergeret, Teilnetzwerk 1677/1678; Karte: Umrisskarte Version 1, IEG Maps – Kartenserver am Institut für Europäische Geschichte Mainz. ..................................................................... 290 Abbildung 20: Clustering Coefficient Bergeret, 1669–1703. .............................. 295
TABELLENVERZEICHNIS Tabelle 1: Französischsprachige Händler in Wien, 1630–1730. .......................... 156 Tabelle 2: Kulturmanagement Bergeret an Harrach, Produktübersicht, 1678– 1699. .................................................................................................................... 246
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS AAK AN AVA FHKA HHStA HKA HZ HZAB IMIS JB MC MIÖG MÖSTA N. F. OGE 18 OMeA ÖStA RHR StA VSWG WStLA ZHF
Adelsakt Archives Nationales, Paris Allgemeines Verwaltungsarchiv Finanz- und Hofkammerarchiv Haus-, Hof- und Staatsarchiv Hofkammerarchiv Historische Zeitschrift Hofzahlamtsbücher Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien Jahrbuch Minutier central des notaires parisiens Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs Neue Folge Österreichische Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts Obersthofmeisteramt Österreichisches Staatsarchiv, Wien Reichshofrat Staatenabteilung Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Wiener Stadt- und Landesarchiv Zeitschrift für historische Forschung
VORWORT Die vorliegende Forschungsarbeit entstand als Dissertation im Fach Frühe Neuzeit am Institut für Geschichte der Karl-Franzens-Universität Graz. Sie resultierte aus meiner wissenschaftlichen Tätigkeit für das vom Austrian Science Fund (FWF) geförderte Projekt P 20629–G08 „Cultural Transfer from the Southern Atlantic to Central Europe in Times of War and Crisis (1640–1740): France and Spain as Intermediaries for the Habsburg Territories“. Mein besonderer Dank gilt der Projektleiterin Renate Pieper, die meine Arbeit von Beginn an unterstützt, begleitet und wissenschaftlich betreut hat. Wolfgang Schmale danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens. Bedanken möchte ich mich auch bei den Mitarbeitern des Österreichischen Staatsarchivs, des Wiener Stadt- und Landesarchivs, der Albertina und der Archives Nationales in Paris für die kompetente Betreuung meiner Archivrecherchen. Vor allem Zdislava Röhsner war mir mit zahlreichen Ratschlägen das HarrachArchiv betreffend behilflich. Für die gute Zusammenarbeit, für wertvolle Diskussionen, Hinweise und hilfreiche Anregungen während meiner Forschungsarbeit am Institut für Geschichte in Graz bedanke ich mich bei meiner Projektmitarbeiterin Jutta Wimmler, bei Martin Khull-Kohlwald und Werner Stangl sowie bei Erika Windberger vom Institut für Germanistik und Gernot Stocker, Division for Bioinformatics am Biocenter Innsbruck Medical University. Das mühevolle Korrekturlesen haben dankenswerterweise Barbara Holzapfel und Natalie Remmer übernommen. Mein Dank ergeht auch an die Herausgeber der VSWG, allen voran Günther Schulz, für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe der VSWG-Beihefte und an den Steiner Verlag für die Betreuung der Publikation. Die Drucklegung dieser Arbeit wurde durch die finanzielle Förderung der Österreichischen Forschungsgemeinschaft (ÖFG) und des Amtes der Vorarlberger Landesregierung ermöglicht, ohne deren Zuwendungen die vorliegenden Forschungsergebnisse einem breiteren Fachpublikum nicht zugänglich gemacht hätten werden können. Graz/Wrocław, im Sommer 2012
Veronika Hyden-Hanscho
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FRAGESTELLUNG, THEORIE, METHODE
„Der Luxus ist zu Wien sehr eingerissen, und nimmt fast von Jahr zu Jahr mehr zu. Man imitiret alle Franzoesische und auslaendische moden; man traeget nichts als auswaertige Etoffes, Tuecher, Spitzen, und Galanterie-Waaren; Die Kleider muessen, so viel es moeglich, a la françoise gemacht werden; und sonderlich excediren die Vornehmen hierinnen am meisten, wiewohl das gemeine Volck ebenfalls auf diese Thorheit schon gerathen ist, so sein Vermoegen meistentheils, wie jener Philosophe, mit sich an dem Leibe herum traeget.“1
Johann Basilius Küchelbeckers Allerneueste Nachricht vom Römisch-Kaiserlichen Hofe dokumentierte 1732, vier Jahre vor Maria Theresias Hochzeit mit Franz Stephan von Lothringen, die Rezeption französischer Kultur und im Besonderen französischer Mode in Wien. Dieser Befund zur kulturellen Präsenz Frankreichs in Wien überrascht angesichts des politischen Antagonismus zwischen den beiden Höfen. Die Vermittlung von Kultur unterlag in der Frühen Neuzeit unterschiedlichen Dynamiken und Konjunkturen. So wurde die französische Kultur an den deutschen Fürstenhöfen früher und eingehender rezipiert als in Wien. Denn Christian Thomasius prangerte bereits 1687, rund 45 Jahre vor Küchelbecker, in seinem Discours, Welcher Gestalt man denen Frantzosen in gemeinem Leben und Wandel nachahmen solle die Kopierfreudigkeit alles Französischen an deutschen Höfen an: „Frantzösische Kleider / Frantzösische Speisen / Frantzösischer Haußrath / Frantzösische Sprachen / Frantzösische Sitten / Frantzösische Sünden ja gar Frantzösische Kranckheiten sind durchgehends im Schwange. […] Derowegen sey es so / man ahme denen Frantzosen nach / denn sie sind doch heut zu tage die geschicktesten Leute / und wissen allen Sachen ein recht Leben zugeben.“2
Die Gegenüberstellung von Thomasius und Küchelbecker lässt erkennen, dass Rezeptionsprozesse französischer Kultur innerhalb des Reichs je nach Ausprägung politischer Sympathien oder Antipathien und nach kulturpolitischen Konjunkturen verschieden schnell und intensiv verliefen.3 So zeigte die bisherige Forschung mit einem Fokus auf das 18. und 19. Jahrhundert, dass der Kulturtransfer zwischen Frankreich und Sachsen besonders fruchtbar war.4 Allerdings fand diese 1
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Johann Basilius KÜCHELBECKER: Allerneueste Nachricht vom Roemisch= Kaeyserl. Hofe Nebst einer ausführlichen Historischen Beschreibung der kayserlichen Residentz=Stadt Wien, und der umliegenden Oerter, (...) Andere Auflage, von neuen uebersehen und durchgaengig vermehret und verbessert. Hanover 1732, S. 426. Christian THOMASIUS: Deutsche Schriften. Hg. v. Peter von Düffel. Stuttgart 1970, S. 8–12. Vgl. Ulrich-Christian PALLACH: Deutsche Handwerker im Frankreich des 18. Jahrhunderts. In: Jean Mondot/Jean-Marie Valentin/Jürgen Voss (Hg.): Deutsche in Frankreich Franzosen in Deutschland 1715–1789. Sigmaringen 1992, S. 93. Zum Kulturtransfer zwischen Frankreich und Sachsen vgl.: Michel ESPAGNE/Matthias MIDDELL: Region und interkultureller Transfer am Beispiel Sachsen. Aix-en-Provence 1995.
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1. Fragestellung, Theorie, Methode
Kulturvermittlung unter gänzlich anderen Voraussetzungen statt, als dies in Wien im 17. und 18. Jahrhundert der Fall war. Der Antagonismus zwischen den Häusern Habsburg und Bourbon, der seit Karl V. und Franz I. das europäische Mächteverhältnis bestimmte, kennzeichnete nicht nur das politische, sondern auch das kulturelle Selbstverständnis des Wiener Hofes.5 Frankreichs Eingreifen in den 30-jährigen Krieg, seine Allianzen mit der Pforte, die Reunionspolitik Ludwigs XIV. und sein Ziel, die ungeklärte spanische Sukzession für seinen Enkel zu entscheiden, trennten Paris und Wien im 17. und frühen 18. Jahrhundert nicht nur politisch, sondern auch kulturell, zumal Wien traditionell in kulturellen Angelegenheiten nach Italien blickte. Die Bedeutung von politischen Faktoren und Entscheidungen für kulturelle Transferprozesse erfuhren grundsätzlich in der Forschung noch wenig Berücksichtigung.6 Daher stellt sich unter diesen politischen Voraussetzungen prinzipiell die Frage nach der Vermittlung französischer Kultur an den Wiener Hof. Die Forschung zu den deutschen Fürstenhöfen verwies darauf, dass Kupferstecher, Bibliothekare, Übersetzer, Diplomaten, Kaufleute und hugenottische Flüchtlinge im kulturellen Austausch mit Frankreich als Vermittler eine wichtige Rolle spielten. Auch für Wien stellte sich heraus, dass Florimond Claude MercyArgenteau, kaiserlicher Gesandter in Paris von 1766 bis 1790, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfolgreich als kultureller Vermittler zwischen Ver-
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Katharina MIDDELL: Hugenotten zwischen Leipzig und Lyon – die Familie Dufour. In: Gregor Kokorz/Helga Mitterbauer (Hg.): Übergänge und Verflechtungen. Kulturelle Transfers in Europa. Bern 2004, S. 47–72. Allgemein zum französisch-deutschen Kulturtransfer: Jean MONDOT/Jean-Marie VALENTIN/Jürgen VOSS (Hg.): Deutsche in Frankreich Franzosen in Deutschland 1715–1789. Sigmaringen 1992. Günter BERGER/Franziska SICK (Hg.): Französisch-deutscher Kulturtransfer im Ancien Régime. Tübingen 2002. Michel ESPAGNE/Werner GREILING (Hg.): Frankreichfreunde. Mittler des französisch-deutschen Kulturtransfers (1750– 1850). Leipzig 1996. Thomas HÖPEL/Katharina MIDDELL (Hg.): Réfugiés und Emigrés. Migration zwischen Frankreich und Deutschland im 18. Jahrhundert. Leipzig 1997. Sowie Michel ESPAGNE/Etienne FRANÇOIS/Werner GREILING/Matthias MIDDELL (Hg.): Deutsch-französische Kulturbibliothek. Mehrbd. Reihe. Leipzig seit 1993. Zum Antagonismus zwischen Habsburg und Bourbon vgl. zuletzt: Guido BRAUN: Von der politischen zur kulturellen Hegemonie Frankreichs 1648–1789. Darmstadt 2008. Rainer BABEL: Deutschland und Frankreich im Zeichen der habsburgischen Universalmonarchie 1500– 1648. Darmstadt 2005. Jean BÉRENGER: Kaiser Leopold I. und Frankreich. In: Klaus Malettke/Christoph Kampmann (Hg.): Französisch-deutsche Beziehungen in der neueren Geschichte. Berlin 2007, S. 109–128. Klaus MALETTKE: Les relations entre la France et le SaintEmpire au XVIIe siècle. Paris 2001. Klaus MALETTKE: Frankreich, das Reich und das europäische Staatensystem im 17. Jahrhundert. In: Francia 29/2 (2002), S. 15–32. Alexandre Y. HARAN: Le lys et le globe. Messianisme dynastique et rêve impérial en France à l'aube des temps modernes. Seyssel 2000. Jörg ULBERT: Die österreichischen Habsburger in bourbonischer Sicht am Vorabend des Spanischen Erbfolgekriegs. In: Christoph Kampmann/Katharina Krause/Eva-Bettina Krems [u.a.] (Hg.): Bourbon – Habsburg – Oranien. Konkurrierende Modelle im dynastischen Europa um 1700. Köln/Weimar/Wien 2008, S. 241–254. Vgl. BRAUN: Hegemonie 2008, S. 151.
1. Fragestellung, Theorie, Methode
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sailles und Wien fungierte.7 Seine Kulturvermittlung spielte sich jedoch unter völlig veränderten politischen Gegebenheiten ab. Durch Maria Theresias Hochzeit mit Franz Stephan von Lothringen und mehr noch durch das Renversement des alliances von 1757 und die Heirat Maria Theresias Tochter, Maria Antonia, mit dem französischen Dauphin wurden neue kulturpolitische Voraussetzungen für den Kulturtransfer von Frankreich nach Wien geschaffen. Für das 17. und frühe 18. Jahrhundert hingegen spricht das politisch antagonistische Klima vermeintlich gegen das Zustandekommen kultureller Transferprozesse zwischen Paris und Wien. Trotzdem kam Küchelbecker 1732 zum Befund, französische Moden bestimmten das gesellschaftliche Leben in Wien. Daher stellt sich die Frage nach dem Weg der Kulturvermittlung zwischen Frankreich und dem Wiener Hof umso mehr für das 17. und frühe 18. Jahrhundert. Vor allem der kulturelle Mittler zwischen Frankreich und dem Wiener Hof erhält für diese Fragestellung besonderes Gewicht und soll im Zentrum dieser Arbeit stehen. Explizit Mittlerpersonen wurden bisher abgesehen vom französisch-deutschen Forschungskontext, der sich vor allem auf das Refuge der Hugenotten und auf Vermittlerpersonen aus dem Umfeld der schönen Künste konzentrierte, selten empirisch erforscht. Für Österreich ist neben der Studie zu Mercy-Argenteau die Frühe Neuzeit betreffend nur die Arbeit von Bianca Lindorfer zur Spanienrezeption des österreichischen Adels im 17. Jahrhundert zu erwähnen.8 Helga Mitterbauers Analyse der Kulturvermittlung durch Franz Blei hat den Literaturbetrieb des fin de siècle zum Gegenstand.9 Für die Frühe Neuzeit fehlen entsprechende Studien. Gerade vor dem Hintergrund des im 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts vorherrschenden politischen Antagonismus zwischen Habsburg und Bourbon war eine erfolgreiche Frankreichrezeption abhängig von den Vermittlungsinstanzen. Im Forschungsinteresse dieser Arbeit stehen daher jene Menschen im Umfeld des Wiener Hofes, die eine, wie noch differenziert zu zeigen sein wird, teilweise mehr und teilweise weniger erfolgreiche und breit angelegte Frankreichrezeption in Wien ermöglichten. Die Rolle des kulturellen Mittlers zwischen Versailles und Wien, seine Möglichkeiten zur Initiierung von kulturellen Transferprozessen, die Umstände seines Handelns oder Nicht-Handelns, seine Persönlichkeit, seine Vernetztheit mit Handlungsträgern anderer Herkunft oder Stand und nicht zuletzt auch seine soziale, kulturelle und wirtschaftliche Lage im ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhundert werden hier thematisiert. Diese Fragestellung lässt es vor allem zu, sowohl Akteure der Senderkultur, wie zum Beispiel emigrierte Handwerker in ihrer Profession, als auch Akteure der Empfängerkultur, welche im 7 8
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Vgl. Veronika M. HIRSCHBERGER: Botschafter Mercy-Argenteau und der französische Kultureinfluss auf Österreich (1766–1790). Salzburg: Diss. 1980. Leider war es bis dato der Autorin verwehrt, Einblick zu nehmen: Bianca M. LINDORFER: Cosmopolitan Aristocracy and the Diffusion of Baroque Culture. Cultural Transfer from Spain to Austria in the Seventeenth Century. Florenz: Diss. 2009. Vgl. Helga MITTERBAUER: Ein Mann mit vielen Eigenschaften. Studie zur Rolle Franz Bleis als Kulturvermittler. Graz: Diss. 2000. Helga M ITTERBAUER: Kulturvermittlung um 1900: Hermann Bahr, Franz Blei und Max Brod. In: Kokorz/Mitterbauer (Hg.): Übergänge 2004, S. 75–98.
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1. Fragestellung, Theorie, Methode
konsumorientierten Adel, aber auch in der kaiserlichen Familie zu finden waren, in ihrem facettenreichen Handeln besser verständlich zu machen. Durch den Fokus auf Handlungsspielräume von Mittlerpersonen ohne Einschränkung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Lage können auch die Umstände für das Funktionieren und Scheitern von Transferprozessen verdeutlicht werden, was bisher kaum versucht worden ist. Kampmann wies darauf hin, dass die Rivalität zwischen den Häusern Habsburg und Bourbon mit dem 30-jährigen Krieg nach einer Phase der relativen Überschattung neuerlich an Schärfe gewann, nicht zuletzt durch den Kriegseintritt Frankreichs 1635.10 Deshalb erscheint es sinnvoll, den Betrachtungszeitraum noch im 30-jährigen Krieg um 1630 anzusetzen. Dadurch ist gewährleistet, dass neben dem französisch-österreichischen Gegensatz als Konstante auch ein Forschungsfeld entsteht, in dem Frankreich gerade noch nicht zum maßgebenden Modell Europas aufgestiegen war und daher dieser Prozess von Wien aus mitverfolgt werden kann. Guido Braun unterstrich die Tatsache, dass Frankreich aufgrund der innenpolitischen Lage vor 1661 nicht imstande war, auf dem kulturellen Sektor über seine eigenen Grenzen hinaus zu wirken.11 Infolgedessen soll besonders die Herrschaft Ludwigs XIV., der die französische Hegemonie auch kulturpolitisch inszenierte, und seine Rezeption in Wien berücksichtigt werden. Der Endpunkt für diese Untersuchung ist schwerlich an einer Jahreszahl festzumachen, denn die Frankreichrezeption Wiens fand sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in einem allgemeinen europäischen Kontext wieder und verstärkte sich teilweise noch.12 Trotzdem wird der Betrachtungszeitraum um 1730 abgeschlossen, da die kulturellen und politischen Beziehungen des Wiener Hofes mit Frankreich ab der Mitte des 18. Jahrhunderts durch Franz Stephan von Lothringen und das Renversement des alliances deutlich in eine neue Phase traten, die bereits in älteren aber auch neueren Arbeiten Beachtung fand.13 Zur theoretischen Verankerung der vorliegenden Arbeit ist zu sagen, dass sie sich im methodischen und theoretischen Konzept der Kulturtransfertheorie be10 Vgl. Christoph KAMPMANN: Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg. Geschichte des europäischen Konflikts. Stuttgart 2008, S. 7–11. 11 Vgl. BRAUN: Hegemonie 2008, S. 29. 12 Vgl. dazu grundlegend BRAUN: Hegemonie 2008, S. 151. 13 Vgl. Renate ZEDINGER: Franz-Stephan von Lothringen (1708–1765). Monarch, Manager, Mäzen. Wien/Köln/Weimar 2008. Wolfgang SCHMALE: Kulturtransfer im theresianischen Zeitalter? In: JB OGE 18 17 (2002), S. 104–107. Renate ZEDINGER: (Hg.): Lothringens Erbe. Franz Stephan von Lothringen (1708–1765) und sein Wirken in Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst der Habsburgermonarchie. St. Pölten 2000. Renate ZEDINGER: Lothringen – Toskana – Mitteleuropa. Kulturtransfer als Folge eines Ländertausches (1737–1765). In: Brigitte Mazohl-Wallnig/Marco Meriggi (Hg.): Österreichisches Italien – Italienisches Österreich? Interkulturelle Gemeinsamkeiten und nationale Differenzen vom 18. Jahrhundert bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Wien 1999, S. 549–569. Sowie Christine LEBEAU: Aristocrates et grands commis à la Cour de Vienne (1748–1791). Le modèle français. Paris 1996. HIRSCHBERGER: Botschafter 1980. Hans WAGNER: Der Höhepunkt des französischen Kultureinflusses in Österreich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Österreich in Geschichte und Literatur 5 (1961), S. 507–517.
1. Fragestellung, Theorie, Methode
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wegt. Diese ist eine interdisziplinäre Theorie der Geistes- und Kulturwissenschaften, die vor allem in der Philologie und Geschichtswissenschaft ihre Verankerung fand. Sie ging in den späten 1980er Jahren aus einer kritischen Auseinandersetzung mit der Komparatistik hervor und versucht, die kulturellen Transferprozesse zwischen Kulturen zu fokussieren und zu untersuchen. Ihre Genese wird hier in aller Kürze und ihr Theoriegebilde nur in den wesentlichen Grundstrukturen erklärt. Im Folgenden wird es darum gehen, welche Überlegungen des Kulturtransferkonzepts für diese Arbeit und die Fragestellung des Kulturtransfers von Frankreich an den Wiener Hof von besonderer Relevanz sind. Im Zuge von Recherchen in französischen Bibliotheken und Archiven stießen die Germanisten Michel Espagne und Michael Werner in den 1980er Jahren auf umfangreiches Quellenmaterial zur deutschen Kulturgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts. Aus der Suche nach Erklärungsmustern für die kulturelle Referenz Deutschlands und ihrer Bedeutung für Frankreich resultierte eine grundlegende Kritik an der Rezeptions- und Einflussforschung, aber vor allem an der historischen Komparatistik, die sich im Wesentlichen, festgemacht am deutschfranzösischen Vergleich, damit beschäftige, nationale Einheiten einander gegenüberzustellen.14 In einer der programmatischen Schriften wirft Espagne der Komparatistik vor, von abgegrenzten Kulturräumen zu sprechen und durch ihren nationalen Blickwinkel Oppositionen durch den Vergleich zweier Systeme weiter zu verhärten, statt von veränderbaren Identitäten ausgehend Berührungspunkte zu finden. Der historische Vergleich unterstreiche prinzipiell Unterschiede und Differenzen anstatt auf Gemeinsamkeiten hinzuweisen und er parallelisiere synchrone Strukturen, ohne deren unterschiedliche Entstehung, Entwicklung und Bedeutung zu berücksichtigen.15 Im Zentrum von Fragestellungen der Kulturtransfertheorie steht daher das Gemeinsame zweier oder mehrerer interagierender kultureller Systeme und seine differenzierte Geschichte. Diese Perspektive kann vermehrt zu einer höheren Integrationsstufe europäischer Bewusstseinsbildung beitragen.16 Die neue Sichtweise, die das Kulturtransferkonzept einbrachte, liegt darin, fremde Elemente in der eigenen Kultur nicht nur wahrzunehmen, sondern sie als verflochten mit dem Eigenen und dadurch auch als identitätsstiftend für das Eigene zu sehen: „Fremdes und Eigenes sind nicht ergänzende Momente, sondern im Grunde identische Momente eines einzigen historischen Konstrukts“.17
14 Vgl. Johannes PAULMANN: Internationaler Vergleich und interkultureller Transfer. Zwei Forschungsansätze zur europäischen Geschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts. In: HZ 267 (1998), S. 668–674. Joseph JURT: Das wissenschaftliche Paradigma des Kulturtransfers. In: Berger/Sick (Hg.): Kulturtransfer 2002, S. 15–19. 15 Vgl. Michel ESPAGNE: Les transfers culturels franco-allemands. Paris 1999, S. 35–49. 16 Vgl. Jürgen OSTERHAMMEL: Transferanalyse und Vergleich im Fernverhältnis. In: Hartmut Kaelble/Jürgen Schriewer (Hg.): Vergleich und Transfer. Komparatistik in den Sozial-, Geschichts- und Kulturwissenschaften. Frankfurt am Main 2003, S. 440. 17 Michel ESPAGNE: „Kulturtransfer“ – Europäische Geschichte gegen den Strich nationaler Mythen. In: Wolfgang Schmale (Hg.): Kulturtransfer. Kulturelle Praxis im 16. Jahrhundert. Wien 2003, S. 15.
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1. Fragestellung, Theorie, Methode
Zum grundlegenden Verständnis des Forschungsansatzes ist es unumgänglich, die Begriffe Kultur und Transfer zu hinterfragen, denn ihre Definition ist auch Ausgangspunkt für die im Folgenden ausgeführten Untersuchungen. Bereits 1985 haben Espagne und Werner erste Überlegungen zu einer Theorie des Kulturtransfers angestellt und darin den Begriff der Kultur anhand Edgar Morins Positionen als veränderliches Kommunikationssystem definiert, das einem dauernden Veränderungsprozess im Austausch zwischen Individuum und Gesellschaft unterliegt.18 Gerade diese von Espagne und Werner als operativ bezeichnete Begriffsbestimmung ist, da sie sowohl Wissen, Wahrnehmungsmuster, Symbole und Praktiken, aber auch materielle Güter und deren semantischen Gehalt einschließe, dahingehend kritisiert worden, dass sie eine Untersuchung der vorangehenden und nachfolgenden Entwicklung von Kultur in den beiden zu untersuchenden Räumen ausspare.19 Lüsebrink hat in späterer Folge versucht, die Definition von Kultur in einen anthropologischen Kontext einzubetten, und führt Geert Hofstede an, der unter Kultur die kollektive Programmierung des Geistes versteht, die die Mitglieder einer Gruppe von anderen unterscheide. Daneben berücksichtigt Lüsebrink auch Alexander Thomas Erklärung von Kultur als kollektives Orientierungssystem.20 Im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Theorie auf die Frühe Neuzeit integrierte Martin Mulsow Elemente der Konsumtheorie in KulturtransferFragestellungen: Seiner Ansicht nach fungieren materielle Objekte wie Bücher, Luxuswaren, handwerkliche Erzeugnisse oder Rohstoffe als Grundlage von Kulturtransfer. Davon zu unterscheiden seien Konsumpraktiken, die mit dem Gut importiert werden können, aber auch, ohne an ein Produkt gebunden zu sein, zu neuen Wahrnehmungen führen.21 Allen diesen Erklärungsversuchen ist gemein, dass Kultur im Wesentlichen als etwas Prozessuales verstanden wird, das sich verändert und sich nicht auf Ideen und Kunst beschränkt, sondern ganz bewusst die materiellen Seiten, Technologien, Praktiken und letztlich auch Güter miteinbezieht. Die Breite des angedachten Kulturbegriffs sollte weniger als Defizit und vermehrt als Chance erkannt werden, die ein weites Forschungsfeld auf den verschiedensten Ebenen eröffnet22 und die der Wahrnehmungsrealität der 18 Vgl. Michel ESPAGNE/Michael WERNER: Deutsch-Französischer Kulturtransfer im 18. und 19. Jahrhundert. Zu einem neuen interdisziplinären Forschungsprogramm des C.N.R.S. In: Francia 13 (1985), S. 504. 19 Vgl. Christiane EISENBERG: Kulturtransfer als historischer Prozess. Ein Beitrag zur Komparatistik. In: Kaelble/ Schriewer (Hg.): Vergleich 2003, S. 403–404. 20 Vgl. Hans-Jürgen LÜSEBRINK: Interkulturelle Kommunikation. Interaktion, Fremdwahrnehmung, Kulturtransfer. Stuttgart/Weimar 2005, S. 10–13 und 129. 21 Vgl. Martin MULSOW: Konsumtheorie und Kulturtransfer. Einige Perspektiven für die Forschung zum 16. Jahrhundert. In: Schmale (Hg.): Kulturtransfer 2003, S. 131–143. Weiterführende Überlegungen zur Kultur als Ware finden sich bei Paul NOLTE: Der Markt und seine Kultur – ein neues Paradigma der amerikanischen Geschichte? In: HZ 264 (1997), S. 329– 360. 22 Auf interessante „Neuanläufe“ infolge der Offenheit des Konzepts hat auch Höpel hingewiesen, vgl. Thomas HÖPEL: Kulturtransfer im Vergleich. Revolutionsemigranten in Preußen und Sachsen an der Wende zum 19. Jahrhundert. In: Kokorz/Mitterbauer (Hg.): Übergänge 2004, S. 23–26.
1. Fragestellung, Theorie, Methode
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Menschen von Kultur Berücksichtigung zollt. Ausgehend von diesen Erklärungsversuchen sind in weiterer Folge für die vorliegende Arbeit vor allem die materielle Kultur, die damit verbundenen Praktiken und Techniken sowie die Konsumkultur als Untersuchungsgegenstand hervorzuheben. Kultur-Transfer in Ableitung von transferre wird als ein dynamischer Prozess verstanden. Die Begriffsbestimmung von Transfer hängt innerhalb eines interdisziplinären Forschungsansatzes immer von der jeweiligen Wissenschaft ab, die sich dem Begriff nähert. In einem geschichtswissenschaftlichen Kontext untersucht der Transfer historische Veränderungen eines kulturellen Systems durch den Eintritt von Fremdem. Die Zeit und Zeiträume sind unabdingbare Faktoren in der Untersuchung von Transfers, das bedeutet, der Kulturtransfer arbeitet diachron.23 Neben Zirkulation kultureller Elemente24, Import- und Exportmechanismen25 oder Prozessen wechselseitigen Austauschs und Kommunikation26 erscheint die Übertragung im eigentlichen Sinn, der Weg und die Vermittlung eines kulturellen Phänomens von einer Senderkultur in eine Empfängerkultur, als besonders wertvoll für historische Fragestellungen, die die Frühe Neuzeit betreffen.27 Die grundlegende Struktur und Terminologie des Kulturtransfers geht davon aus, dass ein bestimmtes kulturelles Element (Ideen, Technologien, Praktiken und Güter) von einer Ausgangskultur über eine oder verschiedene Vermittlungsinstanzen in eine Empfängerkultur transferiert wird, wo es im Zuge seiner Rezeption und Integration in das eigene Bewusstsein verschiedenste produktive Umdeutungen und Neuinterpretationen erlebt. Der Fokus des Transfers liegt eindeutig auf Seiten der Empfängerkultur, hier werden beim Aufnahmeprozess unterschiedliche Selektions-, Vermittlungs- und Rezeptionsprozesse in Gang gesetzt, die ganz entscheidend von den Bedürfnissen und Befindlichkeiten der Aufnahmekultur geprägt sind, welche innersystemische Konjunktur genannt werden. Sie gibt wichtige Impulse für die Motive des Transfers und beschreibt somit sowohl sozial-, wirtschafts- und mentalitätsgeschichtliche wie auch identitätsstiftende, geschlechterspezifische und konsumorientierte Gegebenheiten, Defizite oder Wünsche des Empfängers.28 Gerade bei der Untersuchung der materiellen Ebene von Kultur23 Vgl. zum Faktor Zeit: Hartmut KAELBLE: Die interdisziplinären Debatten über Vergleich und Transfer. In: Kaelble/ Schriewer (Hg.): Vergleich 2003, S. 475. 24 Vgl. Helga MITTERBAUER: Dynamik – Netzwerk – Macht. Kulturelle Transfers „am besonderen Beispiel“ der Wiener Moderne. In: Mitterbauer/Scherke (Hg.): Ent-grenzte Räume. Kulturelle Transfers um 1900 und in der Gegenwart. Wien 2005, S. 112. 25 Vgl. OSTERHAMMEL: Transferanalyse. In: Kaelble/Schriewer (Hg.): Vergleich 2003, S. 448. 26 Vgl. Sven EXTERNBRINK: Internationale Beziehungen und Kulturtransfer in der Frühen Neuzeit. In: Thomas Fuchs/Sven Trakulhun (Hg.): Das eine Europa und die Vielfalt der Kulturen. Kulturtransfer in Europa 1500–1850. Berlin 2003, S. 230. 27 Vgl. die Überlegungen Strohmeyers und Lüsebrinks: Arno STROHMEYER: Kulturtransfer durch Diplomatie: Die kaiserlichen Botschafter in Spanien im Zeitalter Philipps II. und das Werden der Habsburgermonarchie (1560–1598). In: Schmale (Hg.): Kulturtransfer 2003, S. 206. LÜSEBRINK: Kommunikation 2005, S. 129. 28 Vgl. LÜSEBRINK: Kommunikation 2005, S. 129–138. JURT: Paradigma. In: Berger/Sick (Hg.): Kulturtransfer 2002, S. 22–33. Matthias M IDDELL: Kulturtransfer zwischen Frankreich und Sachsen. In: Berger/Sick (Hg.): Kulturtransfer 2003, S. 39–43. ESPAGNE/WERNER: Kultur-
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1. Fragestellung, Theorie, Methode
transfer muss berücksichtigt werden, dass nicht jeder Transfer von kulturellen Objekten zwangsläufig zu einer Neuinterpretation in der Empfängerkultur führt. Produkte können auch ohne Verwendungszusammenhang, oder wie es Lüsebrink formuliert, ohne Software29 vermittelt werden. Kulturelles Objekt und Funktion bzw. kulturelle Codierung können innerhalb von Transferprozessen auch unterschiedliche Wege gehen und müssen einander nicht bedingen, auch wenn dies zweifelsohne meistens der Fall ist.30 Die Kulturtransfertheorie wurde in den vergangen Jahren auf andere Betrachtungszeiträume als das 18. und 19. Jahrhundert (Frühe Neuzeit und Moderne/ 20. Jahrhundert)31 wie auch auf außereuropäische Referenzwelten32 und auf er-
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transfer. In: Francia 13 (1985). ESPAGNE: Transfers 1999. PAULMANN: Vergleich. In: HZ 267 (1998), S. 649-685. Vgl. Geert Hofstede, zitiert nach Hans-Jürgen LÜSEBRINK: Kulturtransfer – neuere Forschungsansätze zu einem interdisziplinären Problemfeld der Kulturwissenschaften. In: Mitterbauer/Scherke (Hg.): Räume 2005, S. 27–28. Vgl. die Ergebnisse folgender Studie: Laurier TURGEON: Échange d'objets et conquête de l'Autre en Nouvelle-France au XVIe siècle. In: Laurier Turgeon/Denys Delâge/Réal Ouellet (Hg.): Transferts culturels et métissages Amérique/Europe XVIe–XXe siècle. Paris 1996, S. 164–168. Vgl. für die Frühe Neuzeit: Robert MUCHEMBLED/William MONTER/Heinz SCHILLING [u.a.] (Hg.): Cultural Exchange in Early Modern Europe. 4 Bde. Cambridge 2007. Gesa STEDMAN/ Margarete ZIMMERMANN (Hg.): Höfe – Salons – Akademien. Kulturtransfer und Gender im Europa der Frühen Neuzeit. Hildesheim 2007. FUCHS/TRAKULHUN (Hg.): Europa 2003. SCHMALE (Hg.): Kulturtransfer 2003. Vgl. die Studien zur Moderne und Gegenwart: MITTERBAUER/SCHERKE (Hg.): Räume 2005. KOKORZ/MITTERBAUER (Hg.): Übergänge 2004. Federico CELESTINI/Helga MITTERBAUER (Hg.): Ver-rückte Kulturen. Zur Dynamik kultureller Transfers. Tübingen 2003. Sabine VOGEL: Kulturtransfer in der frühen Neuzeit. Die Vorworte der Lyoner Drucke des 16. Jahrhunderts. Tübingen 1999. Vgl. Hans-Jürgen LÜSEBRINK (Hg.): Das Europa der Aufklärung und die außereuropäische koloniale Welt. Göttingen 2006. Dagmar OSWALD: Der Kulturbegriff im japanischen Denken und Auswirkungen nicht nur west-östlicher Begegnungen in den darstellenden Künsten, S. 283–301, Andrea FRUHWIRTH: Der Lotus im Treibhaus. Transfer und Transformation des Buddhismus oder Eine „Religion der Vernunft und der Wissenschaft“ betritt deutschen Boden, S. 303–327, Ulrike TISCHLER: Interkulturalität am Schnittpunkt zweier Kontinente. Zur Istanbuler Pera-Gesellschaft im 20. Jahrhundert, S. 361–376. Alle in: Kokorz/Mitterbauer (Hg.): Übergänge 2004. Ebenso die Beiträge: Thomas FUCHS: Aufbruch in fremde Welten. Die Formierung der protestantischen Missionsbewegung im 18. Jahrhundert, S. 185–204, Sven EXTERNBRINK: Internationale Beziehungen und Kulturtransfer, S. 227–248, Peter J. BRENNER: Paradies Amerika? Die Einverleibung Amerikas durch den alten Kontinent, S. 251–289, Sven TRAKULHUN: Kanonen auf Reisen. Portugal und die Kunst des Krieges auf dem südostasiatischen Festland 1500–1600, S. 307–327, Winfried SPEITKAMP: Der verweigerte Kulturtransfer. Bilder Afrikas vor der Kolonisierung, S. 405–424. Alle in: Fuchs/ Trakulhun (Hg.): Europa 2003. Cornel A. ZWIERLEIN: Introduction: La Terre Sainte et le Nouveau Monde: Transferts culturels extra-européens au XVIe siècle?, S. 151–154, Megan ARMSTRONG: The Holy Land and Franciscan Reform, S. 155–165, Maria Matilde BENZONI: De la Méditerranée aux Nouveaux Mondes: le processus de transfert culturel „extraeuropéen“ en Europe au XVIe siècle entre histoire des relations internationales et histoire des savoirs et des pratiques culturelles, S. 167–176. Alle in: Schmale (Hg.): Kulturtransfer 2003.
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weiterte Themenstellungen theoretisch ausgeweitet und spezifiziert, wodurch neue Begrifflichkeiten eingebracht worden sind. Fragen nach A- und Dissymmetrien33, nach trilateralem Kulturtransfer und Mehrpoligkeit34 und nach genderspezifischen Aspekten35 haben die Kulturtransfertheorie ganz wesentlich bereichert und abgesichert und bieten dem Forscher eine Vielzahl an theoretischen Ordnungsmöglichkeiten für kulturwissenschaftliche Fragestellungen und ihre Antworten. Insofern plädiere ich jedoch für eine Rückbesinnung auf die wesentlichen Anliegen der Kulturtransfertheorie, die Erklärbarkeit von Fremdem in der eigenen Kultur oder den Erkenntnisgewinn für die eigene Identität, den man aus der Vermittlung fremder Kulturelemente erhält. Dadurch bleibt das Theoriegebilde für vielerlei Fragestellungen kompatibel, interessant und anwendbar. Die Sicht auf das Spezifische jeder Fragestellung nach kulturellen Transferprozessen sollte nicht zu sehr von Terminologien überlagert sein. Die Praktikabilität der Kulturtransfertheorie wurde durch die Überwindung des Nationenbegriffs und die dadurch mögliche Anwendbarkeit auf die Frühe Neuzeit weiter gesteigert. In den frühen Arbeiten zum Kulturtransfer im 18. und 19. Jahrhundert war der Griff zur Nation als zu beobachtendes System der Aufnahme eine logische Konsequenz. Dennoch ist der Nationenbegriff der Komparatistik verhaftet geblieben und zog den Terminus der „verspäteten Nation“ nach sich, der zu Recht von Reinhart Koselleck kritisiert worden ist.36 Daher hat die Kulturtransfertheorie bereits früh die Region neben der Nation als Beobachtungsraum theoretisch abgesichert37 und spricht heute zunehmend von Kulturräumen, was im Hinblick auf die Verwendung der Theorie für Fragestellungen in der Frühen Neuzeit und im Speziellen für die hier angestellten Forschungen über französische Kultur im Umfeld des Wiener Hofes von Bedeutung ist. Der Begriff des Kulturraums impliziert, dass die Menschen der Frühen Neuzeit zunehmend räumliche Grenzen wahrnahmen. Besonders im Laufe des 17. Jahrhunderts kann man anhand von Karten die fortschreitende Visualisierung und Erfahrbarkeit von Regionen- und Nationengrenzen durch Linien erkennen. Die Wahrnehmung des französischen und deutschen Kulturraums verstärkte sich durch den 30-jährigen
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Laurier TURGEON (Hg.): Regards croisés sur le métissage. Laval 2002. TURGEON/DELÂGE/ OUELLET (Hg.): Transferts 1996. Vgl. Michael WERNER: Dissymmetrien und symmetrische Modellbildungen in der Forschung zum Kulturtransfer. In: Hans-Jürgen Lüsebrink/Rolf Reichardt (Hg.): Kulturtransfer im Epochenumbruch Frankreich – Deutschland 1770 bis 1815. Bd. 1. Leipzig 1997, S. 87–101. LÜSEBRINK: Kommunikation 2005, S. 131. Vgl. Michel ESPAGNE: Der theoretische Stand der Kulturtransferforschung. In: Schmale (Hg.): Kulturtransfer 2003, S. 63–75. Hans-Jürgen LÜSEBRINK: Trilateraler Kulturtransfer. Zur Rolle französischer Übersetzungen bei der Vermittlung von Lateinamerikawissen im Deutschland des 18. Jahrhunderts. In: Berger/Sick (Hg.): Kulturtransfer 2002, S. 81–97. Vgl. STEDMAN/ZIMMERMANN (Hg.): Höfe 2007. Vgl. Urs MÜLLER: Feldkontakte, Kulturtransfer, kulturelle Teilhabe. Winckelmanns Beitrag zur Etablierung des deutschen intellektuellen Felds durch den Transfer der Querelle des anciens et des modernes. Leipzig 2005, S. 890–891. Vgl. Wolfgang SCHMALE: Historische Komparatistik und Kulturtransfer. Europageschichtliche Perspektiven für die Landesgeschichte. Bochum 1998.
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Krieg. Der Westfälische Friede hatte eine klarere Ordnung der europäischen Staatenwelt zur Folge, dem eine eminente Selbst- und Fremdwahrnehmung Frankreichs unter Ludwig XIV. folgte.38 Erkennbar ist dies auch an nationalen Zuschreibungen und Stereotypisierungen, die im ausgehenden 17. Jahrhundert auf beiden Seiten gebräuchlich waren.39 Heute wird von Frankreich ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts an als „Kulturmodell“ gesprochen, das politisch von Ludwig XIV. gewollt und teilweise instrumentalisiert wurde.40 Die Herkunftszuschreibung französischen Kulturgutes wurde in einem deutschsprachigen Umfeld nicht verschwiegen. Die herangezogenen Quellen zeigen, dass eine klare Zuordnung eines kulturellen Phänomens als francois/frantzösisch erfolgte. Die Sprache gilt als eines der wichtigsten Merkmale von Identität und nationaler Zugehörigkeit, die in Frankreich, das einen frühen staatlichen Einigungsprozess durchlaufen hatte, infolgedessen bereits im 16. und 17. Jahrhundert Normierungsprozessen unterzogen wurde.41 Die Sprachzugehörigkeit wird im Folgenden, sofern genauere Angaben in den Quellen fehlen, als vorsichtige Grundlage für die Bewertung der Zugehörigkeit einer Person zum französischen Kulturraum herangezogen, im Bewusstsein, dass diese Methode auch zu Ungenauigkeiten führen kann. Besonders in Grenzräumen mit Mehrsprachigkeit, mit geteilten Lehenszugehörigkeiten, im Besatzungszustand oder mit durch den Westfälischen Frieden nicht eindeutigen Herrschaftszugehörigkeiten können weniger klare Aussagen getroffen werden42. Dies betrifft im Wesentlichen die Räume Lothringen43 und Savoyen44, wobei auch die Franche-Comté bis zum Frieden von Nimwegen und die französischsprachigen Teile der Spanischen Niederlande in dieser Hinsicht Probleme aufwerfen können. Dennoch sind französische Namen ein und nicht selten der einzige Anhaltspunkt für die Präsenz von 38 Vgl. Wolfgang SCHMALE: „Grenze“ in der deutschen und französischen Frühneuzeit. In: Wolfgang Schmale/ Reinhard Stauber (Hg.): Menschen und Grenzen in der Frühen Neuzeit. Berlin 1998, S. 56–70. 39 Vgl. Winfried SCHULZE: Die Entstehung des nationalen Vorurteils. Zur Kultur der Wahrnehmung fremder Nationen in der europäischen Frühen Neuzeit. In: Schmale/Stauber (Hg.): Menschen 1998, S. 29–41. 40 Zum Modellbegriff und Frankreich als Kulturmodell vgl. William H. SEWELL: The Empire of Fashion and the Rise of Capitalism in Eighteenth-Century France. In: Past and Present 206 (2010), S. 81–120. Wolfgang SCHMALE: Das Konzept „Kulturtransfer“ und das 16. Jahrhundert. Einige Theoretische Grundlagen. In: Schmale (Hg.): Kulturtransfer 2003, S. 50–52. Grundlegend: Peter BURKE: Ludwig XIV. Die Inszenierung des Sonnenkönigs. Frankfurt am Main 1995. 41 Vgl. SCHULZE: Entstehung. In: Schmale/Stauber (Hg.): Menschen 1998, S. 44–45. 42 Vgl. MALETTKE: Relations 2001, S. 15–17, insbesondere für Bestimmungen des Westfälischen Friedens Metz, Toul, Verdun, das Elsaß, Breisach und Philippsbourg betreffend S. 160–177. 43 Vgl. Yves LE MOIGNE: Das französische Königtum und die Aufteilung des lothringischen Raumes (1608–1697). In: Michel Parisse (Hg.): Lothringen – Geschichte eines Grenzlandes. Saarbrücken 1984, S. 281–327. ZEDINGER: Franz Stephan 2008, S. 21–22. 44 Vgl. Andrea PÜHRINGER: „E tutta questa miseria è italiana.“ Italienische Emigranten in deutschen Städten des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Fuchs/Trakulhun (Hg.): Europa 2003, S. 353– 354.
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Franzosen in den Quellenbeständen österreichischer Archive. Sie müssen jedoch einer etymologisch-anthroponomastischen Überprüfung45 unterzogen werden, wobei selbst dann keine völlig gesicherten Aussagen getroffen werden können. Der aufnehmende Kulturraum, in diesem Fall der Wiener Hof und sein Umfeld, ist deutlich schwerer greifbar als das „Modell“ Frankreich. Der Begriff „Österreich“ erscheint als historisch zu vielseitig besetzt, da er sowohl dynastische, patrimoniale, territoriale als auch räumliche Definitionen enthält.46 Der Wiener Hof als Empfängersystem ist insofern praktikabler, als er in erster Linie die Dynastie, das Haus Österreich, verkörpert und gleichzeitig die neben dem Herrscherhaus wichtigen Trägerschichten, die auch wirtschaftlich für einen Kulturimport in Frage kamen, nämlich den ständischen Adel, bündelte. Zwei Entwicklungen waren dafür ausschlaggebend: Zum einen kristallisierte sich Wien erst nach dem 30-jährigen Krieg als dauerhafte Residenz der Habsburger heraus47, wo schließlich auch sämtliche Machtlinien der Erbländer und des Reiches zusammenliefen, und zum anderen ermöglichte der in den Hintergrund tretende Ständekampf ab 1630 dem Kaiser, die führenden Adelsfamilien der Erbländer durch Ämter im Hofstaat anzusiedeln.48 Die Familien Harrach, Liechtenstein und Khevenhüller, die in dieser Studie Beachtung finden, waren durch ihre Ämter mehr oder weniger mit dem Kaiserhaus verbunden und im Wiener Hofstaat vertreten, was in der Untersuchung durch die weit verstreuten Besitzungen der Familien eine gewisse geographische Durchlässigkeit hin zu peripheren Gebieten der Erbländer erlaubt. Ebenso durchlässig erweist sich der Wiener Hof aus einer sozialen Betrachtungsweise. Die Anwesenheit des Herrscherhauses und der führenden Adelsfamilien zog auch eine verbesserte Auftragslage für Künstler, Handwerker und Händler nach sich, die so ins Blickfeld der Kulturtransferforschung gelangen. Denn dass Französinnen und Franzosen in Wien durchaus präsent waren und innerhalb der kaiserlichen und adeligen Beschäftigung sich und ihr Wissen, ebenso wie es die bisher besser erforschten und zahlenmäßig in Wien stark vertretenen ItalienerInnen taten49, einbrachten, ist ein Anliegen, das es im Folgenden nachzuweisen 45 Z. B.: Albert DAUZAT: Dictionnaire étymologique des noms de famille et prénoms de France. Paris 1951. 46 Vgl. Grete KLINGENSTEIN: Was bedeuten „Österreich“ und „österreichisch“ im 18. Jh.? In: Richard Plaschka (Hg.): Was heißt Österreich? 2. Aufl. Wien 1996, S. 175–213. 47 Vgl. Robert J. W. EVANS: Die Habsburger. Die Dynastie als politische Institution. In: Arthur Geoffrey Dickens (Hg.): Europas Fürstenhöfe. Herrscher, Politiker und Mäzene 1400–1800. Graz/Wien/Köln 1978, S. 121–124, 145. 48 Vgl. Thomas WINKELBAUER: Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter. Teil 1. Wien 2003/2004, S. 77–78. 49 Vgl. Brigitte MAZOHL-WALLNIG/Marco MERIGGI (Hg.): Österreichisches Italien – Italienisches Österreich? Interkulturelle Gemeinsamkeiten und nationale Differenzen vom 18. Jahrhundert bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Wien 1999. Rupert Pichler: Italiener in Österreich. Österreicher in Italien. Einführung in Gesellschaft, Wirtschaft und Verfassung 1800– 1914. Wien 2000. Jean-Michel THIRIET: Mourir à Vienne aux XVIIe–XVIIIe siècles. Le cas des Welsches. In: JB des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 34 (1978), S. 204–217. JeanMichel THIRIET: Fragestellungen im Rahmen einer Studie über eine Minderheit im Ancien Régime. Überlegungen zu den Italienern in Wien (1619–1740). In: Grete Klingen-
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gilt.50 Die vermehrte Berücksichtigung von Unterschichten neben der Elitenforschung ist auch eine Forderung der Kulturtransferrichtung, die hier zumindest ansatzweise eingelöst werden kann.51 Seit ihrem Bestehen hat die Kulturtransfertheorie dem kulturellen Mittler eine zentrale Rolle im Zustandekommen und in der Praxis von kulturellen Transferprozessen eingeräumt: „Selbstverständlich wird ein interkultureller Transfer nicht nur von abstrakten Konjunkturen und geistigen Konstellationen bestimmt: es ist zuallererst das Werk realer Vermittlerpersönlichkeiten.“52 Dadurch liegt der Fokus bei der Betrachtung von Vermittlungsinstanzen auf Personen und ihrem Handeln, wenngleich spätere Arbeiten theoretisch und empirisch auch Institutionen und Medien als Vermittlungsinstanzen untersucht haben.53 Dass Mittlerpersönlichkeiten in Transferprozessen eine wichtige Rolle spielen, ist in vielerlei Hinsicht eingeräumt, erwähnt und eingefordert worden. Dennoch gibt es verhältnismäßig wenige theoretische und empirische Arbeiten54, die die Rolle des kulturellen Mittlers systematisch aufarbeiten, obwohl die Person des Mittlers in zahlreichen Untersu-
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stein/Heinrich Lutz (Hg.): Spezialforschung und Gesamtgeschichte. Wien 1981, S. 189–196. Jean-Michel THIRIET: La mort d'après la clause testamentaire Welsche dans la Vienne baroque. Rennes: Diss. 1976. Konrad JEKL: Die Italiener in Wien in der ersten Hälfte des 18. Jhdt. Wien: Diss. 1953. Franz PESENDORFER: Auf den Spuren italienischer Geschichte in Wien. Wien 2002. Theophil ANTONICEK: Italienische Musikerlebnisse Ferdinands II. 1598. Wien/Graz 1968, S. 91–111. Und überblicksartig: Ferdinand OPLL: Italiener in Wien. Katalog zur Kleinausstellung des Wiener Stadt- und Landesarchivs. Wien 1987. Silvio FURLANI/ Adam WANDRUSZKA: Österreich und Italien. Ein bilaterales Geschichtsbuch. Wien/München 1973. Vgl. unter anderem auch: Jutta SCHUMANN: Die andere Sonne. Kaiserbild und Medienstrategien im Zeitalter Leopolds I. Berlin 2003. Margarete BUCEK: Geschichte der Seidenfabrikanten Wiens im 18. Jahrhundert (1710–1792). Eine wirtschafts-, kulturhistorische als auch soziologische Untersuchung. Wien 1974. PÜHRINGER: Miseria. In: Fuchs/Trakulhun (Hg.): Europa 2003, S. 353-377. Auer sprach den Französinnen und Franzosen im 17. und 18. Jahrhundert eine untergeordnete Rolle für das kulturelle Leben Wiens zu: vgl. Leopold AUER: Der Kaiserhof der frühen Neuzeit in seiner Wirkung auf die Gesellschaft. In: Klaus Malettke/Chantal Grell/Petra Holz (Hg.): Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.–18. Jh.) Münster [u.a.] 2001, S. 395. Vgl. Martin SCHEUTZ: Kulturtransfer der Namenlosen und der Nachbarn. Versuch einer Ergänzung zu einem Konzept. In: Schmale (Hg.): Kulturtransfer 2003, S. 288. ESPAGNE/WERNER: Kulturtransfer. In: Francia 13 (1985), S. 506. Vgl. stellvertretend LÜSEBRINK: Kommunikation 2005, S. 133. Martina DRESCHER/Robert DION: Konversationsbücher als Instanzen des Kulturtransfers. In: Berger/Sick (Hg.): Kulturtransfer 2002, S. 187–207. Marina DMITRIEVA-EINHORN: Case molto simile all'italiane. Italienrezeption und Kulturtransfer in Ostmitteleuropa im 16. Jahrhundert. In: Schmale (Hg.): Kulturtransfer 2003, S. 242. Darüber hinaus haben die Translationswissenschaften zahlreiche Arbeiten zur Relevanz von Übersetzungen für den Kulturtransfer geleistet. Vgl. zuletzt: Dorothea NOLDE/Claudia OPITZ (Hg.): Grenzüberschreitende Familienbeziehungen. Akteure und Medien des Kulturtransfers in der Frühen Neuzeit. Köln/Weimar/Wien 2008. Im deutsch-französischen Kontext sind zu erwähnen: MONDOT/VALENTIN/VOSS (Hg.): Deutsche 1992. ESPAGNE/MIDDELL (Hg.): Region 1995. ESPAGNE/GREILING (Hg.): Frankreichfreunde 1996. Für Österreich: MITTERBAUER: Mann 2000. Einen Fokus auf Personen hat auch der Sammelband: STEDMAN/ZIMMERMANN (Hg.): Höfe 2007.
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chungen in verschiedensten Dimensionen mitberücksichtigt worden ist. Dies hängt womöglich damit zusammen, dass die Geschichte solcher Mittler aufgrund ihrer Heterogenität, Individualität und ihrer sozial und wirtschaftlich nicht eindeutigen Zuordnung in Kategorien eher mehrerer ineinander verwobener Geschichten gleicht und starke biographische Züge in sich trägt. Espagne, Werner, Keller und jüngst Lüsebrink sowie Mitterbauer haben die Träger kultureller Transferprozesse nach sozialen und funktionalen Gesichtspunkten kategorisiert. Diese bislang singulär gebliebenen Ausführungen bilden die theoretische Folie, die diese Arbeit maßgeblich umspannt. Vordergründig muss auf die katalytische Funktion55 eines Mittlers zwischen zwei sich antagonistisch gegenüberstehenden kulturellen Systemen wie Frankreich und dem Wiener Hof hingewiesen werden. Angesichts der dynastischen, politischen, kulturellen und sogar persönlichen Gräben zwischen Paris und Wien, die sich auch anhand der herrschenden Persönlichkeiten problemlos nachzeichnen lassen, erhält die Rolle des Vermittlers eine existentielle Bedeutung für das Gelingen von kulturellen Transferprozessen. Leopold I. wie auch seine Söhne Joseph I. und Karl VI. lebten den dynastischen Grundkonflikt zwischen Habsburg und Bourbon. Die spanische Sukzession und die durch religiöse Einstellungen geprägte Haltung der Pietas Austriaca waren biographische Grunderfahrungen aller drei Herrscher. Hinzu traten im Besonderen bei Leopold I. aber auch bei seinen Söhnen negative persönliche Erfahrungen mit Ludwig XIV. und permanente politische und kriegerische Auseinandersetzungen mit Frankreich wie die französische Unterstützung der Pforte in den Türkenkriegen und die Expansionspolitik Frankreichs an seinen Grenzen zum Reich. Nicht zuletzt bedingte das spanische Hofzeremoniell und das persönliche Interesse des Kaisers an italienischer Kultur, dass es für den Import französischer Kulturphänomene am Wiener Hof verschwindend geringe Möglichkeiten gab.56 Leopold I. soll Ludwig XIV. als „arroganten Betrüger, dessen Falschheit nur durch seine dünkelhafte Verachtung für alle Regeln des guten Verstandes übertroffen wurde"57 charakterisiert und laut einem Reisebericht von 1705 verlautbart haben, „es wäre ihm eben nicht gefällig/ daß diejenigen leute/ so in seinem dienste stünden/ seiner feinde sprache im munde führten“58. Auch von seinen Nachfolgern sind solche Zitate überliefert, Joseph I. schrieb zu Beginn des Spanischen Erbfolgekriegs an Kurfürst Johann Wilhelm von Baden:
55 Vgl. LÜSEBRINK: Kulturtransfer. In: Mitterbauer/Scherke (Hg.): Räume 2005, S. 33. 56 Vgl. zur politischen Lage: BÉRENGER: Kaiser Leopold I. In: Malettke/Kampmann (Hg.): Beziehungen 2007, S. 109–128. Zu den Herrscherpersönlichkeiten: John P. SPIELMAN: Leopold I. Zur Macht nicht geboren. Graz/Wien/Köln 1981. Bernd RILL: Karl VI. Habsburg als barocke Großmacht. Graz/Wien/Köln 1992. SCHUMANN: Sonne 2003, S. 208–228. Zum Zeremoniell: Volker BAUER: Die höfische Gesellschaft in Deutschland von der Mitte des 17. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Versuch einer Typologie. Tübingen 1993, S. 63–66. 57 Zitiert nach SPIELMAN: Leopold I. 1981, S. 59 58 Zitiert nach Friedrich POLLEROß: Kunstgeschichte oder Architekturgeschichte. Ergänzende Bemerkungen zur Forschungslage der Wiener Barockarchitektur. In: Friedrich Polleroß (Hg.): Fischer von Erlach und die Wiener Barocktradition. Wien/Köln/Weimar 1995, S. 64.
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1. Fragestellung, Theorie, Methode „Ich bin auf die Teufelsfranzosen so sehr erbittert, daß ich nichts mehr wünsche, als ihnen nur einmal mores zu lehren und zeigen, was die kaiserlichen Reichstruppen, wenn sie in gutem 59 Verständnis mit einander sein, thun können [...]“.
In dieser Atmosphäre brauchte es Persönlichkeiten, die nicht nur das persönliche Interesse, sondern auch die Mittel zu einem Brückenschlag zur französischen Kultur besaßen und darin eine Notwendigkeit sahen. Diese fanden sich vor allem im Adel, der sich in Wien den gesamteuropäischen Entwicklungen auf kultureller Ebene nicht verschloss. Darüber hinaus darf man sich von den oben genannten Zitaten regierender Kaiser eben nicht zur Schlussfolgerung hinreißen lassen, die schwierigen Bedingungen für französischen Kulturtransfer hätten diesen prinzipiell im Keim erstickt, wodurch sich eine gewisse Ambivalenz in den kaiserlichen Entscheidungen ergibt, die es aufzuzeigen gilt. Kulturelle Vermittlung ist eng verknüpft mit jeglicher Art von Dislozierung, woraus sich zwei Kategorien von Mittlern ergeben. Auf der einen Seite steht der interkulturelle Mittler, der im Wesentlichen als Reisender auftritt und sowohl der Ausgangs- wie auch der Empfängerkultur angehören kann. Auf der anderen Seite stehen Menschen mit Migrationshintergrund60, die sich in der Zielkultur im Normalfall dauerhaft niederlassen und durch ihren kulturellen Hintergrund ihre neue Umgebung in vielerlei Hinsicht beeinflussen können. Dabei kommt der Gesichtspunkt des Berufes61 stark zum Tragen, neben Künstlern und Händlern treten somit auch Handwerker und Kleinkrämer in das Betrachtungsfeld. Eine Typologisierung von Michael Werner unterscheidet drei Gruppen, nämlich émigrés/immigrés et voyageurs von professionnels de la médiation culturelle und transporteurs des références culturelles.62 Diese Einteilung zeigt die Konzentration des Forschungsansatzes auf Themenstellungen das 18. und 19. Jahrhundert betreffend. Katrin Keller überprüfte dieses Modell auf Anwendbarkeit für die Frühe Neuzeit. Demnach würden Reisende, Kaufleute, Diplomaten, Arbeitsmigranten, Glaubensflüchtlinge und Pilger als Migranten und Reisende von Professionalisten mit beruflicher Ausrichtung auf Transferprozesse (Buchhändler, Übersetzer, Lehrer und Akademiker) und Transporteuren (Künstler und Gelehrte), die durch ihre Arbeitsweise sehr rasch Kulturtransfer initiieren können, zu unterscheiden sein.63 Bei weitem nicht alle genannten Gruppen stehen in Zusammenhang mit der hier gestellten Frage, so etwa die der Glaubensflüchtlinge, da die österreichischen Erblande nur in Ausnahmefällen das Ziel von hugenottischer Auswanderung darstellten. Daneben ist eine solche Einteilung aufgrund verschiedener Überschneidungen auch nicht vordergründig zielführend. 59 Zitiert nach Charles W. INGRAO: Josef I. Der „vergessene“ Kaiser 1982, S. 50. 60 Zu den Begriffen Migrantenbiographie und interkultureller Mittler vgl. : LÜSEBRINK: Kulturtransfer. In: Mitterbauer/Scherke (Hg.): Räume 2005, S. 35. 61 Vgl. Michel ESPAGNE: Die Rolle der Mittler im Kulturtransfer. In: Lüsebrink/Reichardt (Hg.): Kulturtransfer 1997, S. 309–329. 62 Vgl. Michael WERNER: Les usages de l'échelle dans la recherche sur les transferts culturels. In: Espagne/Middell (Hg.): Region 1995, S. 44–45. 63 Vgl. Katrin KELLER: Zwischen Wissenschaft und Kommerz. Das Spektrum kultureller Mittler im 16. Jahrhundert. In: Schmale (Hg.): Kulturtransfer 2003, S. 272–282.
1. Fragestellung, Theorie, Methode
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Im Forschungsinteresse dieser Arbeit stehen Mittlerpersönlichkeiten, deren Gemeinsamkeit der Aspekt der Dislozierung bzw. deren erfolgreiche Überwindung ist. Reisende, MigrantInnen und Kulturmanager bilden den thematischen Schwerpunkt der folgenden Untersuchung. Die Reisenden stammten großteils aus der Empfängerkultur und waren Vermittler und Konsumenten zugleich. Innerhalb der Gruppe der Reisenden liegt der Fokus auf jungen Adeligen auf Kavalierstour und Gesandtschaftsreisenden. Migration als dauerhafte Form der Dislozierung bildet einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit. MigrantInnen aus Frankreich und den französischsprachigen Gebieten des Reichs bzw. aus den Sprachkontaktzonen in Flandern und Savoyen agierten auf unterschiedlichste Art und Weise als Vermittler französischer Kultur. Ihre beruflichen Tätigkeitsbereiche und ihre Aufgaben korrespondierten mit den von den Wiener Adeligen konsumierten Bereichen französischer Kultur. Diese orientierten sich in hohem Maße am französischen Modell der Repräsentation Ludwigs XIV. Biographien französischer ImmigrantInnen in Wien und ihr Wirkungsbereich sind bisher kaum bekannt.64 Schließlich soll mit Alexandre Bergeret als Kulturmanager ein Mann im Mittelpunkt stehen, der als Kammerdiener der französischen Dauphine in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts über Geschäftsverbindungen nach Wien Kulturtransfer in größerem Rahmen ermöglichte. Anhand dieser Vermittlerpersönlichkeit aus der Ausgangskultur kann beispielhaft das Spektrum an Handlungsspielräumen kultureller Mittler erfasst werden. Bergeret diente zahlreichen Wiener Adeligen in Paris als Anlaufstelle für Kulturimporte, er vermittelte jedoch nicht nur Waren, sondern auch Wissen und Informationen über die neuesten Entwicklungen am Pariser Luxusmarkt. Dass die Kulturtransfertheorie durch die Untersuchung von Vermittlungsinstanzen auch Forschungsergebnisse für die Sozialgeschichte oder die Migrationsgeschichte leisten kann, ist durchaus angezweifelt worden.65 Besonders die empirischen Studien zum hugenottischen Refuge zeigen aber, dass zahlreiche Aspekte der Migrationsforschung durch den Blickwinkel des Kulturtransfers neu belebt werden. Es geht dabei weniger um das Ziel der Assimilation der ImmigrantInnen als um ihren Wirkungsbereich und ihre Rezeption im Empfängerland.66 Die Beurteilung der Integrationsfähigkeit von MigrantInnen tritt in den Hintergrund, da eben nicht die Veränderung der MigrantInnen in ihrem Exil, sondern jene der kulturellen Phänomene im aufnehmenden Land im Interesse der Kulturtransferforschung liegt.67 Daher erhalten Verbindungen und Netzwerke der Auswanderer mit 64 Vgl. Günter BERGER: Franzosen in Wien. In: Peter Eppel (Red.): Wir. Zur Geschichte und Gegenwart der Zuwanderung nach Wien. Wien 1996, S. 28–38. Herbert TSCHULK: Franzosen in Wien. Kleinausstellung des Wiener Stadt- und Landesarchivs. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1984. Walter PILLICH: Jean Trehet. Ein französischer Künstler im Dienst des Wiener Hofes 1686–1740. In: JB des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 12 (1955/56), S. 130–144. 65 Vgl. EISENBERG: Kulturtransfer. In: Kaelble/Schriewer (Hg.): Vergleich 2003, S. 405. 66 Vgl. Reingard EßER: Migrationsgeschichte und Kulturtransferforschung. In: Fuchs/Trakulhun (Hg.): Europa 2003, S. 72–75. 67 Vgl. PÜHRINGER: Miseria. In: Fuchs/Trakulhun (Hg.): Europa 2003, S. 358.
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1. Fragestellung, Theorie, Methode
der Kultur und der Gesellschaft ihrer Herkunft und das Schicksal von remigrierenden Menschen für die kulturelle Entwicklung des Gastlandes besondere Bedeutung. Dies lässt sich auch für die Französinnen und Franzosen in Wien um 1700 gut nachvollziehen, denn nicht alle ImmigrantInnen blieben, einige machten aber Karriere. Dabei waren besondere Fähigkeiten und Verbindungen aus der Herkunftskultur nicht unwesentlich, da gerade eine besondere Qualifikation das ausschlaggebende Motiv für eine Anstellung von ImmigrantInnen am Wiener Hof darstellen konnte. Dies wird theoretisch dadurch untermauert, dass Gesellschaften der Frühen Neuzeit Faszination und Abgrenzung neben Neugierde, Pragmatismus und Synkretismus als Grundhaltungen für den Umgang mit Fremdem und Fremden in ihrer unmittelbaren Erfahrungswelt einsetzten.68 Eine Auseinandersetzung mit den Französinnen und Franzosen in Wien fand also in jedem Fall statt. Zu definieren, wie sie genau aussah, ist unter anderem Ziel dieser Arbeit. Für die professionelle Organisation von Kulturtransfer durch Mittlerpersönlichkeiten führte Stephan Hoppe den Begriff des „Kunstmanagers“ ein, den er besonders an fürstlichen Höfen der Frühen Neuzeit verortet.69 Prinz Eugen von Savoyen blieb als prominente Mittlerpersönlichkeit im französisch-österreichischen Kontext sowohl als Immigrant wie auch als Vermittler und Konsument französischer Kultur in einer Person am Wiener Hof bisher beispiellos.70 Von ihm wissen wir, dass er neben seinem Dienst für den Kaiser kaum die Zeit besaß, selbst seine zahlreichen Bücherkäufe, Sammlungsvorhaben und Kunstinvestitionen in die Tat umzusetzen. Er hatte mehrere spezialisierte Mitarbeiter, die ihm künstlerische und organisatorische Vorschläge unterbreiteten und ihm das tägliche Geschäft auf dem Kunstmarkt abnahmen. Dieses Aufgabenspektrum an Wissens-, Informations- und Kulturmanagement wuchs mit der Rezeption des repräsentativen französischen Kulturmodells an und verlangte nach professionell arbeitenden Vermittlungsinstanzen. Mit der Person und Arbeitsweise von Alexandre Bergeret gilt es, eine Vermittlerpersönlichkeit aufzuarbeiten, die noch vor Prinz Eugen 37 Jahre lang als Kulturmanager zwischen Paris und Wien agierte und deren Arbeit 68 Vgl. LÜSEBRINK: Kommunikation 2005, S. 95–101. 69 Vgl. Stephan HOPPE: Fürstliche Höfe im Alten Reich als Knotenpunkt des Kunsttransfers am Beginn der Neuzeit. Überlegungen zur Methodik und einschlägige Beispiele. In: Fuchs/Trakulhun (Hg.): Europa 2003, S. 60–61. 70 Vgl. Karl GUTKAS (Hg.): Prinz Eugen und das barocke Österreich. Salzburg/Wien 1985. Karl GUTKAS (Hg.): Prinz Eugen und sein Belvedere. Wien 1963. Max BRAUBACH: Prinz Eugen von Savoyen. Eine Biographie. 5 Bde. Wien 1963–1965, im Besonderen Bd. 5. Georg PILTZ: Prinz Eugen von Savoyen. Weg und Werk des edlen Ritters. Biographie. Berlin 1991. Zu einzelnen Aspekten: Max BRAUBACH: Die Gemäldesammlung des Prinzen Eugen von Savoyen. In: Gert von der Osten (Hg.): Festschrift für Herbert von Einem zum 16. Februar 1965. Berlin 1965, S. 27–43. Walter PILLICH: Martin Tourneville, der Buchbinder des Prinzen Eugen und Kaiser Karls VI. in Wien. In: Wiener Geschichtsblätter 18/4 (1963), S. 236–242. Leopold AUER/Jeremy BLACK: Ein neu entdecktes Inventar der Gemäldesammlung Prinz Eugens. In: MÖStA 38 (1985), S. 331–346. Stefan SCHMIDT: Die Gärten des Belvedere. In: Géza Hajós (Hg.): Historische Gärten in Österreich. Vergessene Gartenkunstwerke. Wien/Köln/Weimar 1993, S. 241–249.
1. Fragestellung, Theorie, Methode
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in einer privaten Korrespondenz zwischen Bergeret und seinem Kunden Ferdinand Bonaventura von Harrach ihren Niederschlag fand. Das für diese Untersuchung ausgewertete Quellenmaterial zeigt der Forschungsfrage entsprechend eine große Bandbreite an ungedruckten personenbezogenen Quellen vor allem aus dem Österreichischen Staatsarchiv (sowohl Haus-, Hof- und Staatsarchiv als auch Allgemeines Verwaltungsarchiv) und dem Wiener Stadt- und Landesarchiv sowie den Archives Nationales, Paris. Gedruckte Quellen, wie zeitgenössische Lexika und Journale, wurden nur als ergänzendes Material herangezogen. Im Mittelpunkt des Interesses steht die Auswertung von EgoDokumenten nach der Definition von Winfried Schulze.71 Dazu gehören Selbstzeugnisse im engeren Sinn, vor allem Briefe, Tagebücher, Tagzettel und die diplomatische Korrespondenz. Eine Vielzahl an privaten Korrespondenzen aus verschiedenen adeligen Familienarchiven (Harrach, Khevenhüller-Metsch und Liechtenstein) bilden einen ersten großen Schwerpunkt an verwendeten Dokumenten. Daneben wurden weitere „unbeabsichtigte“ Ego-Dokumente ausgewertet, wie Reiserechnungen, Abrechnungen, Testamente und Verlassenschaftsabhandlungen. Weiters sind objektbezogene Quellen wie Haushalts- und Küchenabrechnungen sowie Inventare berücksichtigt worden. Ein zweiter Schwerpunkt liegt in der Bearbeitung von personenbezogenen Quellen herrschaftlicher und städtischer Ämter, die teilweise seriellen Charakter aufweisen. Dies betrifft in erster Linie die Protokolle und Akten des Obersthofmeisteramtes, Passbriefe und Privilegien des Reichshofrates, Patente, Notariatsakte, Verträge sowie Bürgereidbücher und Totenbeschauprotokolle. Dieser Pool an Quellen fand Ergänzung um die vom Österreichischen Staatsarchiv dankenswerterweise online gestellten Quellenauswertungen zum Hofstaat Leopolds I., die wiederum auf einer ungeheuren Quantität von Hofstaatsverzeichnissen, Hofzahlamtsbüchern, Adelsakten, Totenbeschauprotokollen und Ehematriken aus dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv, dem Hofkammerarchiv, dem Allgemeinen Verwaltungsarchiv, dem Wiener Stadt- und Landesarchiv sowie aus den Archiven der Pfarren von St. Stephan und St. Michael besteht.72 Dieser sehr heterogene und umfangreiche Quellenpool war notwendig für die möglichst umfassende Untersuchung von MigrantInnen in der Frühen Neuzeit, die quellentechnisch über ihre Lebensdaten hinaus schwer zu erfassen sind73. Viele der MigrantInnen sind nur über die akribische Auswertung von Ego-Dokumenten wie Briefen zu registrieren, da die Quellenbestände der städtischen Ämter im 17. Jahrhundert noch Lücken aufweisen. Die Auswertung der migrationshistorischen Daten zu den 131 dokumentierten französischsprachigen Personen aus Frankreich, den ehemaligen Reichsgebieten und Sprachkontaktzonen wurde in 71 Vgl. Winfried SCHULZE: Ego-Dokumente: Annäherung an den Menschen in der Geschichte? In: Winfried Schulze (Hg.): Ego-Dokumente. Annäherungen an den Menschen in der Geschichte. Berlin 1996, S. 20–28. 72 Vgl. http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx [Stand 21.03.2011]. 73 Vgl. Katharina MIDDELL/Matthias MIDDELL: Forschungen zum Kulturtransfer. Frankreich und Deutschland. In: Grenzgänge. Beiträge zu einer modernen Romanistik 1994/2, S. 110.
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1. Fragestellung, Theorie, Methode
Tabellenform bearbeitet und ist dem Leser im Anhang mit entsprechenden Quellenangaben zugänglich gemacht. Darüber hinaus kam sowohl bei der Bearbeitung der migrationshistorischen Daten als auch bei der Auswertung der BergeretKorrespondenz methodisch die historische Netzwerkanalyse zum Einsatz. Die Netzwerkanalyse findet seit Längerem breite Anwendung zur Erhebung relationaler Daten in der Migrationsforschung, aber auch bei zahlreichen weiteren soziologischen und wirtschaftlichen Fragestellungen.74 Seit geraumer Zeit bedient sich auch die Geschichtswissenschaft dieser Methode zur relationalen Datenerhebung.75 Die historische Netzwerkanalyse stellt eine effiziente und zuverlässige Methode dar, um mithilfe mathematischer Berechnungen größere und unüberschaubare Quellenbestände zugänglich und interpretierbar zu machen. Dies gilt sowohl für Gesamtnetzwerke als auch für ego-zentrierte Netzwerke. Alle in dieser Arbeit angestrengten netzwerktheoretischen Berechnungen basieren auf einem Analysetool des Max-Planck-Instituts für Informatik Saarbrücken76, die graphische Realisierung wurde mit der Open-Source-Software Cytoscape77 umgesetzt. Diese Arbeit fokussiert den Menschen als aktiven und passiven Handlungsträger von kulturellen Transferprozessen, weshalb in drei großen Abschnitten die Aspekte der Reise, der Migration und des Kulturmanagements aufgearbeitet werden. Das zweite Kapitel beschreibt den Wiener Adel anhand von Mitgliedern der drei Familien Liechtenstein, Harrach und Khevenhüller und ihre Möglichkeiten zum Konsum französischer Kultur im konkreten Fall der Kavalierstour. In ausgewählten Beispielen wird auch die Rolle von Gesandtschaftsreisen für die Vermittlung von Kultur innerhalb von Transferprozessen und Möglichkeiten adeligen Konsums behandelt. Im großen Abschnitt Migration geht es in Kapitel drei in erster Linie um die Erfassung französischer MigrantInnen, ihrer Herkunftsregion und den damit verbundenen Emigrationsmotiven. Dabei werden vor allem die regionalgeschichtlich verankerten Push- und Pull-Faktoren wie Anwerbung, Flucht und Arbeitsmigration in den wichtigsten Herkunftsregionen Lothringen, FrancheComté, Paris, Lyon und Savoyen Thema sein. Im vierten Kapitel stehen die Anstellungsmodalitäten, Arbeit- und Auftraggeber französischsprachiger MigrantInnen in Wien im Vordergrund, die sich am Hof und im Hofadel fanden. Das Bei74 Vgl. Dorothea JANSEN: Einführung in die Netzwerkanalyse. Grundlagen, Methoden, Forschungsbeispiele. 3. überarb. Aufl. Wiesbaden 2006. Christian STEGBAUER (Hg.): Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie. Ein neues Paradigma in den Sozialwissenschaften. Wiesbaden 2008. Betina HOLLSTEIN/Florian STRAUS (Hg.): Qualitative Netzwerkanalyse. Konzepte, Methoden, Anwendungen. Wiesbaden 2006. 75 Vgl. Charles WETHERELL: Historical Social Network Analysis. In: International review of social history 43, Supp. 6 (1998), S. 125–144. John F. PADGETT/Christopher K. ANSELL: Robust Action and the Rise of the Medici, 1400–1434. In: American Journal of Sociology 98/6 (1993), S. 1259–1319. 76 Vgl. Yassen ASSENOV/Fidel RAMÍREZ/Sven-Eric SCHELHORN/Thomas LENGAUER/Mario ALBRECHT: Computing topological parameters of biological networks. In: Bioinformatics 24 (2008), S. 282–284. 77 Vgl. Paul SHANNON/Andrew MARKIEL/Owen OZIER [u.a.]: Cytoscape: A Software Environment for Integrated Models of Biomolecular Interaction Networks. In: Genome Research 13 (2003), S. 2498–2504. Bzw. http://www.cytoscape.org/ [Stand 21.03.2011].
1. Fragestellung, Theorie, Methode
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spiel der französischen Tapissiers im Hofdienst zeigt Möglichkeiten erfolgreichen Kulturkonsums in Wien auf, aber auch seine Begrenztheit und die vertane Chance der Gründung einer Gobelinmanufaktur in Wien. Kapitel fünf widmet sich in extensio dem Kulturtransfer im Bereich der Mode und Kosmetik anhand savoyischer Wanderhändler, französischer Schneider, Sticker, Hutmacher und Perückenmacher. Die Mode war mit Abstand das meist rezipierte Element der französischen Repräsentationskultur in Wien. Die Beschäftigung mit diesem Thema wird zeigen, dass es in diesem Bereich auch zur Decodierung der bestehenden spanischen Mode kam, dass hier in Ansätzen Mischformen entstanden und damit eine produktive Umdeutung statt fand. Das sechste Kapitel zeigt sowohl den Erfolg der französischen ImmigrantInnen in Wien im wirtschaftlichen und sozialen Leben als auch ihr Scheitern anhand von ausgesuchten Beispielen. Als Faktoren für die Integration der französischsprachigen ImmigrantInnen werden vor allem der Arbeitsmarkt, die Vernetzung mit der Mehrheitsbevölkerung, exogame Heiratsverbindungen und der Erwerb des Bürgerrechts herausgearbeitet. Besondere Beispiele erfolgreicher Migrantenbiographien finden hier Berücksichtigung. Anhand der Remigration zweier französischer Köche werden die Ursachen für das Scheitern des Kulturtransfers im Bereich der Kulinarik deutlich. Der dritte Abschnitt widmet sich der Person Alexandre Bergeret und seinem Kulturmanagement. In Kapitel sieben geht es grundlegend um die Biographie von Bergeret und seine Beziehung zu seinem wichtigsten Kunden Ferdinand Bonaventura von Harrach. Es zeigt seinen wirtschaftlichen Erfolg durch seine Vermittlertätigkeiten und seinen sozialen Aufstieg in Paris und am Hof Ludwigs XIV. Daneben gibt dieses Kapitel auch einen Überblick über die Vermittlungsarbeit für Harrach und untersucht Bergerets weitere Funktionen im Wissens- und Informationsmanagement für seinen Kunden. Das letzte Kapitel analysiert Bergerets Netzwerk, das er für sein professionelles Kulturmanagement benötigte. Eine ausgedehnte ego-zentrierte Netzwerkanalyse erforscht Bergerets Sozialkapital in Paris und Wien und die soziale Reichweite dieses Netzwerks. Die Untersuchung der Multiplexität von Bergerets Beziehungen demonstriert die Funktionsweise des Netzwerks und seine geographische Reichweite. Die Analyse geht schließlich auch auf Kontrollstrategien in ego-zentrierten Netzwerken ein. Besonders Kapitel acht unterstreicht die Wichtigkeit von Vermittlerpersönlichkeiten für den Kulturtransfer zwischen Paris und Wien. Die Arbeit zeigt, dass Kulturtransfer in erster Linie als Produkt agierender, reagierender und interagierender Personen zu verstehen ist und dass die wirtschaftlichen und sozialen Interessen dieser Personen sowie ihre Handlungsspielräume kulturelle Transferprozesse wesentlich beeinflussen.
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KULTURKONSUM AUF REISEN
„In Summa/ wann man den Pracht der Paläste der Statt Pariß betrachtet/ wann man die Länge und Breite der Gassen/ die 2. wundersame Perspectiv des Wassers von unten biß oben. Der Palast des Herzogen von Orleans/ […] mag wohl unter die vornehmste Fürstl. Paläst gezählet werden/ […] das Louvre oder Königliche Palast zu Pariß/ welche das herrlichste und schöneste Gebäu in gantz Europa/ ja der gantzen Welt ist. Der prächtige Hof/ der Glantz und Herrlichkeit desselben; Das grosse Gezeug von Gutschen/ die grosse Anzahl der Diener/ die Menge Volcks auff allen Gassen/ der Zulauff von Außländischen auß allen Orten Europä/ wann man alle Stücke dieses grossen Wercks gesehen/ muß man bekennen/ daß auf der Welt nichts Wundersamers seye.“1
Auf der Suche nach Wundersamem und Galantem – dem barocken Zeitgeist entsprechend – avancierte Paris und damit ganz Frankreich im 17. Jahrhundert zum bevorzugten Reiseziel Europas. Französische Bildungsideale, französische Etikette, Adels- und Hofkultur und nicht zuletzt der real- und machtpolitische Anspruch Frankreichs unter Ludwig XIV. bewirkten, dass in erster Linie Paris einen Knotenpunkt für Reisende aus allen Schichten darstellte. Nicht nur der junge Kavalier, der im Dienste eines Souverän stehende adelige Gesandte oder der reiche Patriziersohn2, sondern auch Studenten3, Kaufleute4 und Handwerker5 statteten Paris bzw. Frankreich im Zuge ihrer Aus- und Weiterbildung oder zum Zweck ihrer Persönlichkeitsbildung oder Vervollkommnung ihrer Weltgewandtheit einen Besuch ab.6 Aktive Rezeptions- und Lernprozesse unterschiedlicher Intensität begleiteten jede dieser Reisen. Daher eignen sich Reisende beinahe genuin als 1
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Adolf Theodor Herburr: Memorabilia Europae, Oder Denckwürdige Sachen/ Welche Ein Reisender in den fürnehmsten Städten Europae heutiges Tages zu observiren und in Acht zunehmen hat. Verm. u. verb. 4. Aufl. Matthäus Wagner 1684, S. 298–299. Vgl. Thomas GROSSER: Reiseziel Frankreich. Deutsche Reiseliteratur vom Barock bis zur Französischen Revolution. Opladen 1989, S. 102–130. Mathis LEIBETSEDER: Die Kavalierstour. Adlige Erziehungsreisen im 17. und 18. Jahrhundert. Köln/Weimar/Wien 2004, S. 17. Michael Wenzel Polet und Georg Adam Magain 1660 beispielsweise, ÖStA, HHStA, RHR, Passbriefe 13, Konv. 3, unfoliert. Gabriel Deinuß, Hofhandelsmann 1630 und Johann Baptista Pestaluzzi, Hofhandelsmann 1633 etwa; ÖStA, HHStA, RHR, Passbriefe 4, f. 26r–27v und ebda. Passbriefe 13, Konv. 2, unfoliert. Johann Sebastian Biseli, Koch 1686, Stephan Maior, Sattler 1681 und Nicolaus Hauska, Schneider 1694; ÖStA, HHStA, RHR, Passbriefe 2, f. 308r/v; ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 5, f. 372v. Ebda., Alte Akten 9, f. 605v. Ganz allgemein zu Frankreich als Reiseziel vgl. Thomas GROSSER: Erinnerungen und Souvenirs. Deutsche Reisende an den Stätten französischer Erinnerungskultur zwischen Kavalierstour und beginnendem Massentourismus (1700–1850). In: Eva Dewes/Sandra Duhem (Hg.): Kulturelles Gedächtnis und interkulturelle Rezeption im europäischen Kontext. Berlin 2008, S. 103–137. GOSSER: Reiseziel Frankreich 1989. Jeremy BLACK: France and the Grand Tour in the early eighteenth century. In: Francia 11 (1983), S. 407–416.
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2 Kulturkonsum auf Reisen
Untersuchungsgegenstand für Vermittlungsinstanzen kultureller Transferprozesse, was auch einer Forderung der Kulturtransferforschung entspricht.7 Lüsebrink spricht in diesem Zusammenhang von reisenden, interkulturellen Mittlern mit einem extrem vielschichtigen Funktionsspektrum.8 Von den Frankreichreisenden des 17. und 18. Jahrhunderts bieten sich Untersuchungen zur Kavaliertstour und zur Gesandtschaftsreise von im Dienste der Habsburger Stehender aus dem sich im 17. Jahrhundert formierenden gesamtösterreichischen Adel an, da die Quellenlage zu ihren Reisen am besten dokumentierbar ist und der Adel aufgrund seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung und Verpflichtung im Zeitalter des Barock auch real fremdes Kulturgut konsumierte. Beide Formen des Reisens wurden bisher von der Historiographie stets unter völlig anderen Fragestellungen untersucht. Die Kavalierstour wurde unter dem Gesichtspunkt der Reiseliteratur gesehen und theoretisch verschieden interpretiert: entweder als Vergnügungsreise wie in der älteren Literatur, als Übergangsritus bzw. „liminale Passage“ oder als Initiation und Integration junger Adeliger in die offizielle Adelswelt. Zahlreiche Fragestellungen etwa nach dem Bildungsweg, nach Ritterakademien, Reiserouten, der adäquaten Begleitung und Unterkunft oder dem Wandel der Tour sind bisher eingehend meist anhand von Fallbeispielen aus der Adelsforschung erörtert worden.9 Kaum beachtet wurde dagegen der reale Ertrag und Gütertransfer, der im Zuge einer Kavalierstour stattfand, und welche Veränderungen damit in der kulturellen Wahrnehmung und Selbsteinschätzung der Adeligen einhergingen.10 Genau dieser Problematik versucht die Kulturtransferforschung auf den Grund zu gehen,11 indem Reiseabrech7 8 9
Vgl. KELLER: Wissenschaft. In: Schmale (Hg.): Kulturtransfer 2003, S. 272–276. Vgl. LÜSEBRINK: Kulturtransfer. In: Mitterbauer/Scherke (Hg.): Räume 2005, S. 35. Vgl. Rainer BABEL/Werner PARAVICINI (Hg.): Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert. Ostfildern 2005. LEIBETSEDER: Kavalierstour 2004. Des Weiteren: Thomas FRELLER: Adlige auf Tour. Die Erfindung der Bildungsreise. Ostfildern 2007. Ivo CERMAN: Bildungsziele – Reiseziele. Die Kavalierstour im 18. Jahrhundert. In: JB OGE 18 18/19 (2004), S. 49–78. Michael G. BRENNAN: The origins of the Grand Tour. The travels of Robert Montagu, Lord Mandeville, William Hammond, Banaster Maynard. London 2004. Volker RÖßNER: Studium und Kavalierstour der fränkischen Reichsritter Christoph Ernst und Ludwig Reinhold Fuchs von Bimbach. Neustadt 2003. Attilio BRILLI: Als Reisen eine Kunst war. Vom Beginn des modernen Tourismus: Die „Grand Tour“. Berlin 1997. Gernot HEIß: Integration in die höfische Gesellschaft als Bildungsziel: Zur Kavalierstour des Grafen Johann Sigmund Hardegg 1646/50. In: JB für Landeskunde von Niederösterreich N. F. 48/49 (1982/83), S. 99–114. Ludwig FERTIG: Die Hofmeister. Ein Beitrag zur Geschichte des Lehrerstandes und der bürgerlichen Intelligenz. Stuttgart 1979. Eva-Marie LÖBENSTEIN: Die adelige Kavalierstour im 17. Jahrhundert. Ihre Voraussetzungen und Ziele. Wien: Diss. 1966. 10 Vgl. die theoretischen Ansätze bei Harry KÜHNEL: Die adelige Kavalierstour im 17. Jahrhundert. In: JB für Landeskunde von Niederösterreich N. F. 36 (1964), S. 364–384. Antje STANNEK: Telemachs Brüder. Die höfische Bildungsreise des 17. Jahrhunderts. Frankfurt/New York 2001, S. 162–176. 11 Vgl. Bernhard STRUCK: Reise und Kulturtransfer. Möglichkeiten und Grenzen eines Forschungskonzeptes. In: Stedmann/Zimmermann (Hg.): Höfe 2007, S. 213–240. Barbara MARX: Die Italienreise Herzog Johann Georgs von Sachsen (1601–1602) und der Besuch von
2.1 Kavalierstour
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nungen junger Kavaliere genauer auf ihren Konsumptionsgehalt hin untersucht werden. Ähnlich gestaltet sich die Forschungslage für die Gesandtschaftsreise österreichischer Diplomaten, die traditionell im Fokus der politischen Geschichte der internationalen Beziehungen steht. In den letzten zwei Jahrzehnten trat diesbezüglich ein Wandel ein, diplomatische Korrespondenzen sollen auch auf ihren kulturhistorischen Gehalt hin überprüft werden, was sowohl die Kulturtransferforschung als auch die Diplomatieforschung anerkennt.12 Dazu wurden bereits Arbeiten für die Casa de Austria im 16. Jahrhundert vorgelegt, welche Diplomaten und Gesandte als Vermittler in Transferprozessen untersuchten.13 Allerdings fehlen prinzipiell Studien zur diplomatischen Korrespondenz zwischen dem Wiener Hof und Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert und es stellt sich die Frage, inwieweit der Befund des 16. Jahrhunderts auch für das 17. und 18. Jahrhundert Geltung besitzt bzw. inwiefern Kontinuitäten und Brüche aufgezeigt werden können. Die folgenden Unterkapitel widmen sich genau den beiden soeben skizzierten Fragestellungen, beginnend mit der Kavalierstour. Die Protagonisten der Kavalierstour und der Gesandtschaftsreise mussten nicht zwingend, konnten aber ein- und dieselbe Person sein, denn so mancher junger Kavalier trat tatsächlich in den diplomatischen Dienst des Kaisers ein. Die folgende Untersuchung legt den Fokus auf Mitglieder dreier adeliger Häuser: Liechtenstein, Harrach und Khevenhüller. Alle drei Familien waren Mitglieder Cosimo III. de Medici (1668) in Dresden. Zur Kausalität von Grand Tour und Kulturtransfer, S. 373–428 und Joachim REES: Wahrnehmen in fremden Orten, was zu Hause Vortheil bringen und nachgeahmet werden könne. Europareisen und Kulturtransfer adeliger Eliten im Alten Reich 1750–1800, S. 513–540. Beide in: Babel/Paravicini (Hg.): Grand Tour 2005. 12 Vgl. Hillard von THIESSEN/Christian WINDLER: Einleitung: Außenbeziehungen in akteurszentrierter Perspektive. In: Hillard von Thiessen/Christian Windler (Hg.): Akteure der Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel. Köln/Weimar/Wien 2010, S. 1–4. Heiko DROSTE: Diplomacy as a Means of Cultural Transfer in Early Modern Times. The Swedish Evidence. In: Scandinavian Journal of History 31/2 (2006), S. 144–150. Jan Paul NIEDERKORN: Die Berichte der päpstlichen Nuntien und der Gesandten Spaniens und Venedigs am kaiserlichen Hof aus dem 16. und 17. Jahrhundert, S. 103 und Friedrich EDELMAYER: Gesandtschaftsberichte in der Frühen Neuzeit, S. 849–859. Beide in: Josef Pauser/Martin Scheutz/Thomas Winkelbauer (Hg.): Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.–18. Jahrhundert). Ein exemplarisches Handbuch. Wien/München 2004. EXTERNBRINK: Beziehungen. In: Fuchs/Trakulhun (Hg.): Europa 2003, S. 227–248. 13 Vgl. Markus NEUWIRTH: Diplomatischer Austausch und globaler Kunsthandel um 1600. In: Michael North (Hg.): Kultureller Austausch. Bilanz und Perspektiven der Frühneuzeitforschung. Köln/Weimar/Wien 2009. Arno STROHMEYER: Kulturtransfer durch Diplomatie: In: Schmale (Hg.): Kulturtransfer 2003, S. 391–408. Renate PIEPER: Papageien und Bezoarsteine. Gesandte als Vermittler von Exotica und Luxuserzeugnissen im Zeitalter Philipps II. und Maria STIEGLECKER: „Was ich eingethan und erkhauft, wille ich mit erster gelegenheit überschickhen.“ Zum Gütertransfer von Spanien an den Kaiserhof. Beide in: Friedrich Edelmayer (Hg.): Hispania – Austria II. Die Epoche Philipps II. (1556–1598). Wien 1999, S. 215– 224 und 225–245. Friedrich EDELMAYER: „Dinero, oro, plata y esmeraldas“. Die Neue Welt in den Berichten der kaiserlichen Gesandten am Hof Philipps II. In: Wolfram Krömer (Hg.): 1492–1992: Spanien, Österreich und Iberoamerika. Innsbruck 1993, S. 131–147.
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2 Kulturkonsum auf Reisen
des „gesamtösterreichischen“ Adels, der ein Produkt der konfessionell orientierten Rekrutierungspolitik der Habsburger und der Veränderungen in der Zusammensetzung des landständischen Adels Österreichs und den Ländern der Böhmischen Krone nach 1600 und verstärkt nach 1620 im Zuge der „nachweißenbergischen“ Konfiskationen war.14 Besonders die Familien Harrach und Liechtenstein verhielten sich loyal gegenüber der Gegenreformation und dem Kaiserhaus. Wie noch zu zeigen sein wird, traf dies auf die Familie Khevenhüller nur bedingt zu. Auch im Rang der Nobilitierung unterschieden sich die Adelshäuser, die Familie Liechtenstein wurde 1623 in den erblichen Reichsfürstenstand erhoben15, die Harrachs waren ab 1627 Reichsgrafen16 und die Familie Khevenhüller gehörte spätestens ab 1614 dem erbländischen Grafenstand17 an. Der unterschiedliche Adelsstand sowie die verschiedenen machtpolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Verflechtungen erlauben einen Vergleich der Adelshäuser in Bezug auf ihr Konsumverhalten französischer Kultur und ihre Möglichkeiten als kulturelle Mittler. 2.1
KAVALIERSTOUR
Aloys Thomas Raimund von Harrach absolvierte seine Kavalierstour in den Jahren 1686 bis 1688. Über die Bildungs- und Karriereziele seine Reise betreffend schrieb ihm sein Vater nach Paris: „Mein liebster sohn. ich habe mit freuden auß deinen schreüben von 21 oct vernomen, das du zu Paris glücklich ankomen bist, vnndt bereits in der academie deine exercitien angefangen hast, vnndt ist mir wohl sehr lieb das du so einen grossen eüfer vndt aplication darzue zeigest, dann ich zweifle nit, wann du anderst mit solhen lust forthfahrest, das du gar wohl profitiren werdest, vndt beÿ deiner heraußkunfft Ehr einlegen, du dinest einem herrn, der in allen gar wohl reuscirt, vndt wo es offt fest vnndt danz geben wirdt, alß wirst du genuegsam heben künnen, was du aniezo erlehrnest.“18
In der Ritterakademie von Paris sollte Aloys Thomas Raimund von Harrach das lernen, was ihm später am Hof in Wien einen glänzenden gesellschaftlichen Auftritt und bestmögliche Chancen für eine Ämterlaufbahn garantierte, nämlich höfisches Verhalten beim Tanz, zu Pferd und im Kampf. Seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert entwickelte sich die Kavalierstour zum festen und abschließenden Bestandteil der adeligen Ausbildung, die sich im Wesentlichen an zwei Anforderungen orientierte. Im Hinblick auf die aktive Mitarbeit des Adels im Hof-, Staatsund Militärdienst benötigte ein junger Adeliger stets fundierter werdende Grundlagenkenntnisse der Jurisprudenz, Logik und Rhetorik mit dem Ziel, eine klare 14 Vgl. Thomas WINKELBAUER: Fürst und Fürstendiener. Gundaker von Liechtenstein, ein österreichischer Aristokrat des konfessionellen Zeitalters. Wien/München 1999, S. 39–46. 15 Vgl. Constantin von WURZBACH: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich. Bd. 15. Wien1866, S. 116. 16 Vgl. Schloßmuseum Rohrau: Graf Harrach'sche Familiensammlung. 2. Aufl. 2000, S. 7. 17 Vgl. WURZBACH: Biographisches Lexikon. Bd. 11. 1864, S. 213. 18 ÖStA, AVA, Harrach 73, Korrespondenz Ferdinand Bonaventura von Harrach, Brief vom 10. Nov. 1686.
2.1 Kavalierstour
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juridische Argumentation führen zu können. Der Grundstein dazu wurde in den Latein- und Jesuitenschulen gelegt, erste vertiefende Kenntnisse erwarb sich der Kavalier beim Studium der Rechtswissenschaften, wobei einige dieses Studium bereits in Wien oder Salzburg betrieben, andere wiederum erst im Verlauf der Kavalierstour einem wirklichen Studium nachgingen. Bevorzugte Studienorte österreichischer Adeliger innerhalb des Reiches waren neben Löwen und Brüssel auch Dole und Besançon sowie außerhalb des Reiches Padua und Bologna. Dabei variierte die Intensität des Studiums teilweise erheblich, je nach dem, welche Ziele die Familie verfolgte. Charakteristisch ist, dass die meisten Kavaliere kürzere Studienzeiten an verschiedenen Universitäten und Ritterakademien mit unterschiedlichen Lehrern einem längeren Studium an ein- und demselben Ort vorzogen, einige schlossen ihr Studium mit dem Doktorat ab, was aber keineswegs für jeden ein Ziel der Tour darstellte.19 Neben dem humanistisch geprägten Bildungsideal stand als zweites und mit Sicherheit wichtigeres Ziel das Erlernen höfischer Umgangsformen im Vordergrund der Kavalierstour, ein Produkt absolutistischer Herrschaftstendenzen und der Veränderungen in der Legitimation und im Selbstverständnis des Adels. Seit dem 16. Jahrhundert hatten sich in Italien Ideale höfischer Lebensformen entwickelt, die erstmals in Baldassare Castigliones Werk Libro del Cortegiano von 1528 ihre theoretische Verankerung fanden. Im 17. Jahrhundert avancierte der französische Hof zum Vorbild europäischer Hofhaltung und adeliger Umgangsformen. Nicolas Faret veröffentlichte 1630 seine Version des vollendeten Kavaliers L’Honeste homme, ou L’art de plaire à la cour. Ritterliche Tugenden wurden durch anmutiges und zugleich ungezwungenes und selbstsicheres Auftreten, richtiges Verhalten bei Hof, Contenance und die Befähigung zur Konversation ergänzt. Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kam die Galanterie als höfisches Ideal hinzu. Daraus ergab sich ein bunter Fächerkanon aus Reiten, Fechten, Tanzen, Musik etc., den adeligen Exercitien und den sogenannten „adeligen“ Wissenschaften wie den modernen Disziplinen des Natur- und Völkerrechts, der Mathematik, der Geometrie, der Geographie, der Architektur, Kunst und Fortifikation. Die lebenden Sprachen Französisch und Italienisch nahmen im Hinblick auf die Konversationsfähigkeit des jungen Kavaliers einen besonders hohen Stellenwert ein.20 19 Vgl. Bianca M. LINDORFER: Vom Ritter zum weltgewandten Connaisseur: Wandel im Adelsideal und adliger Selbstdarstellung im 17. Jahrhundert. In: Zdislava Röhsner (Hg.): Wallenstein und noch viel mehr. 850 Jahre Familie Waldstein. Wien 2009, S. 21–44. Gernot HEIß: Bildungs- und Reiseziele österreichischer Adeliger in der Frühen Neuzeit. In: Babel/ Paravicini (Hg.): Grand Tour 2005, S. 217–235. LEIBETSEDER: Kavalierstour 2004, S. 9. 20 Vgl. HEIß: Bildungs- und Reiseziele In: Babel/Paravicini (Hg.): Grand Tour 2005, S. 217– 235. Eva BENDER/Doris HERZOG/Petra NIEHAUS: Die Kavalierstour. Pergrinomania oder die Raserey zu Reisen. In: Jörg Jochen Berns/Frank Druffner/Ulrich Schütte [e.a.] (Hg.): Erdengötter. Fürst und Hofstaat in der Frühen Neuzeit im Spiegel von Marburger Bibliotheks- und Archivbeständen. Marburg 1997, S. 572. LÖBENSTEIN: Kavalierstour 1966, S. 27–33. EvaMarie LÖBENSTEIN: Studien zur Kavalierstour österreichischer Adeliger im 17. Jahrhundert. In: MIÖG 79 (1971), S. 408–412.
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2 Kulturkonsum auf Reisen
Ziel jeder Kavalierstour war es, die wichtigsten europäischen Höfe und Städte Europas durch eigene Erfahrung und Einschätzung kennen zu lernen und sich die jeweiligen Verhaltens- und Konversationsformen anzueignen. Schon vor Ludwig XIV. zählte der französische Hof zu den wichtigsten Reisezielen österreichischer Adeliger neben Italien, den Spanischen Niederlanden und den Generalstaaten. Die von François de la Noue und Antoine de Pluvinel gegründeten Ritterakademien im Loiretal genossen eine hohe Reputation, Paris allein bot mit sechs Akademien die höchste Dichte an Ausbildungsstätten in Europa.21 Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts waren Paris und Versailles für junge Kavaliere unumgänglich geworden, wollten sie ihre Reise als Erfolg verbuchen. Karl Eusebius und Hartmann von Liechtenstein, die während ihrer Grand Tour selbst einige Zeit in Paris zugebracht hatten, attestierten Paris auf mehreren Ebenen den Vorrang vor anderen Städten: Der französische Hofadel sei sowohl für deutsche wie auch für andere Adelige das Vorbild an guten Manieren. Nur in Paris könnte ein Optimum an Vornehmheit, Sitten und Contenance erlernt werden. Darüber hinaus zeichneten sich die französischen und Pariser Akademien und ihr Lehrpersonal besonders aus und waren den italienischen in jedem Fall vorzuziehen. Nur der französische Tanz forme den Leib zu zierlichen Referenzen und anmutigen Verbeugungen, was ebenso für das Reiten und Fechten gelte.22 Alle in der Folge beschriebenen jungen Kavaliere statteten Paris zumindest für einige Zeit einen Besuch ab, Aloys Thomas Raimund von Harrach studierte fast ein Jahr und einen Winter in einer Pariser Ritterakademie23 und auch Sigmund Friedrich von Khevenhüller verbrachte fast ein ganzes Jahr in Frankreich, den Großteil davon in Paris.24 Obwohl sich bereits seit Beginn des 17. Jahrhunderts standardisierte Routen und Formen der Kavalierstour herausbildeten, war jede Reise individueller Ausdruck von standesgemäßen und beruflichen Zielen der jeweiligen adeligen Familie und ihrer finanziellen und sozialen Möglichkeiten. Als Karl Eusebius von Liechtenstein 1628 mit seinem Cousin Hartmann eine dreijährige Kavalierstour antrat, standen den beiden liechtensteinischen Söhnen gemeinsam allein für das erste Jahr 16.500 fl. zur Verfügung.25 Die Familie Liechtenstein gehörte seit dem 16. Jahrhundert zu den ökonomisch potentesten und einflussreichsten Familien 21 Vgl. Jean BOUTIER: Le Grand Tour des gentilshommes et les académies d'éducation pour la noblesse. France et Italie, XVIe–XVIIIe siècle. In: Babel/Paravicini (Hg.): Grand Tour 2005, S. 239–242. Norbert CONRADS: Ritterakademien der frühen Neuzeit. Bildung als Standesprivileg im 16. und 17. Jahrhundert. Göttingen 1982, S. 67–104. 22 Vgl. Gernot HEIß: Ihro keiserlichen Mayestät zu Diensten... unserer ganzen fürstlichen Familie aber zur Glori. Erziehung und Unterricht der Fürsten von Liechtenstein im Zeitalter des Absolutismus. In: Evelin Oberhammer (Hg.): Der ganzen Welt ein Lob und Spiegel. Das Fürstenhaus Liechtenstein in der frühen Neuzeit. Wien/München 1990, S. 159, 166–167. 23 ÖStA, AVA, Harrach 73, Korrespondenz Ferdinand Bonaventura von Harrach, Briefe vom 10. Nov. 1686 und vom 2. Okt 1687. 24 ÖStA, HHStA, Khevenhüller 24, 1686–1689. Khevenhüller Graf Sigmund Friedrich 1–5, 3, Rechnungsausweise, unfoliert. 25 Vgl. Herbert HAUPT: Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein. Erbe und Bewahrer in schwerer Zeit. München/Berlin/London [e.a.] 2007, S. 29.
2.1 Kavalierstour
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des österreichisch-böhmischen Adels mit ausgedehnten Besitzungen in Böhmen, Mähren, Schlesien und Niederösterreich. Karl Eusebius Vater Karl I. war bereits 1599 zum Katholizismus konvertiert und Obersthofmeister von Rudolf II. geworden. Kaiser Matthias erhob ihn 1608 in den erblichen Fürstenstand, womit das Haus Liechtenstein zum Reichsfürstenstand gehörte. Die Loyalität zu Ferdinand II. im böhmischen Aufstand brachte Karl weitere Güterzuwächse wie das Herzogtum Jägerndorf ein, 1622 schließlich wurde er zum Statthalter und Vizekönig von Böhmen ernannt.26 Karl Eusebius reiste daher als Vertreter einer aufstrebenden jungen Reichsfürstenfamilie in die Länder, die stattliche Apanage unterstrich die als genauest geplantes gesellschaftliches Ereignis inszenierte Reise. Als Hauptstudienort war Brüssel vorgesehen, wo Karl Eusebius und Hartmann von der Statthalterin Isabella Clara Eugenia persönlich empfangen wurden. Die Reiseroute sah für Karl Eusebius eigentlich nur einen kleinen Abstecher nach Paris vor und eine längere Tour durch Italien. Die dort ausgebrochene Pest jedoch verhinderte einen Giro d'Italia und so wichen die jungen Liechtensteins nach Paris aus, wo sie schließlich ein halbes Jahr blieben.27 Was Karl Eusebius von Liechtenstein als Aufwendung für ein Jahr erhielt, verbrauchte Ferdinand Bonaventura von Harrach für seine gesamte Reise nicht, er kam mit etwa 7.000 fl. aus. Ferdinand Bonaventura entstammte einer jüngeren Linie der alten böhmischen Adelsfamilie Harrach mit Besitzungen in Böhmen, Ober- und Niederösterreich, die 1627 in den Reichsgrafenstand erhoben worden war. Da seine Eltern früh verstarben, übernahm sein Onkel Kardinal und Erzbischof von Prag Ernst Adalbert von Harrach, der sich an den gegenreformatorischen Konfiskationen in Böhmen von 1620 beteiligt und davon profitiert hatte,28 die Vormundschaft. In seiner Pagenzeit bei Erzherzog Leopold, dem späteren Kaiser, lernte Ferdinand Bonaventura früh höfische Lebens- und Umgangsformen kennen. Nach seiner Schulzeit in Salzburg trat er 1655 besagte Kavalierstour zusammen mit Karl Franz von Scherffenberg und zeitweise auch mit Seifried Christoph von Breuner an. Die Reise führte über Besançon nach Dole, wo ein längeres Jusstudium begann, das er in Brüssel fortsetzte. Dole war ein beliebter Studienort für österreichische Adelige, da es zwar frankophon war, aber als Hauptstadt der Franche-Comté bis 1678 formal dem Römischen Reich angehörte und von den spanischen Habsburgern regiert wurde.29 Der Fokus auf die Rechtslehre war vom Vormund Ernst Adalbert so intendiert, da für Ferdinand Bonaventura eine Karriere im diplomatischen Dienst vorgesehen war. Von April bis August 1657 ging er in Paris seinen Exerzitien nach und lernte Französisch. Ferdinand Bonaventura von Harrach, der sich am kürzesten von allen beschriebenen Kavalieren in Frank26 Vgl. Herbert HAUPT: Fürst Karl I. von Liechtenstein. Hofstaat und Sammeltätigkeit. Textband. Wien/Köln/Graz 1983, S. 14–28. 27 Vgl. HAUPT: Fürst Karl Eusebius 2007, S. 30–39. 28 Vgl. Tomáš KNOZ: Die Konfiskationen nach 1620 in (erb)länderübergreifender Perspektive. Thesen zu wesentlichen Wirkungen, Aspekten und Prinzipien des Konfiskationsprozesses. In: Petr Mat'a/Thomas Winkelbauer (Hg.): Die Habsburgermonarchie 1620–1740. Stuttgart 2006, S. 109–110. 29 Vgl. HEIß: Bildungs- und Reiseziele. In: Babel/Paravicini (Hg.): Grand Tour 2005, S. 223.
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2 Kulturkonsum auf Reisen
reich und Paris aufhielt, entwickelte später eine besondere Vorliebe für die französische Kultur (vgl. Kap. 6, 7 und 8). In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts etablierte sich Paris vermehrt zum Studienort. Ferdinand Bonaventura von Harrachs Sohn Aloys Thomas Raimund studierte in Summe mehr als ein Jahr an einer Pariser Akademie. Über seine Ausgaben während seiner Zeit in Paris sind keine Quellen überliefert. Sigmund Friedrich von Khevenhüller hingegen hielt sich etwa zeitgleich von August 1687 bis Mai 1688 in Paris auf und verbrauchte allein in dieser Zeit über 4.600 fl.30, was erstaunlich ist, entstammte er doch einer protestantischen Kärntner Adelsfamilie, die sich gerade von den Konfiskationen und Auswanderungen nach 1628 erholte. Die Khevenhüller besaßen ursprünglich ausgedehnte Besitzungen in Villach, Spittal und Klagenfurt, darunter die beiden großen Herrschaften Landskron und Hochosterwitz. Ein Großteil der protestantischen Familienmitglieder wählte nach dem Generalmandat über die Reformation des Adels das Exil im Reich und in Schweden, wodurch die wichtigsten Grundherrschaften sowie wirtschaftlich einträgliche Betriebe veräußert oder konfisziert wurden.31 Auch Sigmund Friedrichs Großvater Siegmund zog ins Exil zuerst nach Nürnberg und dann nach Schlaining, das damals zur ungarischen Krone gehörte, in der der evangelische Ritus nicht verboten war. Sigmund Friedrichs Vater Ehrenreich wurde im Exil geboren und nachdem beide zum Katholizismus konvertierten Onkel, die die restlichen Kärntner Besitzungen innehatten, ohne Nachfahren gestorben waren und somit die Familie ohne katholischen Erben war, konvertierte Ehrenreich 1666, heiratete und übernahm, was noch übrig war: die verschuldete Herrschaft Hochosterwitz, Annapichl und ein Haus in Klagenfurt.32 Nach dem frühen Tod des Vaters Ehrenreich kümmerte sich die Mutter Benigna Rosina von Herberstein um die Angelegenheiten für ihren Sohn und schickte ihn zur Ausbildung nach Linz, wo die oberösterreichische Frankenburger Linie der Khevenhüller noch Besitzungen hatte. Dort besuchte er ab 1683 die Jesuiten-Schule und studierte in Salzburg und Prag mehrere Jahre Rechtswissenschaften. 1686 begann er seine Kavalierstour nach Brüssel, Holland, England, Frankreich, Spanien und Italien, während der er ein Reisejournal anlegte, das jedoch verloren gegangen ist.33 Daher kann seine Reise nur über die Reiseabrechnungen des Hofmeisters nachvollzogen werden. Die Mutter investierte viel Geld in die Ausbildung des Sohnes, weshalb sich seine Ausgaben trotz der angespannten finanziellen Lage in Kärnten kaum von anderen 30 ÖStA, HHStA, Khevenhüller 24, 1686–1689. Khevenhüller Graf Sigmund Friedrich 1–5, 3, Rechnungsausweise, unfoliert. 31 Vgl. Claudia FRÄSS-EHRFELD: Geschichte Kärntens. Bd. 2: Die ständische Epoche. Klagenfurt 1994, S. 304–307, 506–512, 690–699. Peter THALER: Von Kärnten nach Schweden. Die evangelischen Glaubensflüchtlinge der Familien Khevenhüller und Paul. Klagenfurt 2010, S. 24–61. Karl DINKLAGE: Kärnten um 1620. Die Bilder der Khevenhüller-Chronik. Wien 1980. 32 Vgl. Paul DEDIC: Kärntner Exulanten des 17. Jahrhunderts. In: Carinthia I 142 (1952), S. 356–358. 33 Vgl. Maria BREUNLICH-PAWLIK: Die Aufzeichnungen des Sigmund Friedrich Grafen Khevenhüller 1690–1738. In: MÖSTA 26 (1973), S. 240–241.
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Kavalieren unterschieden. Sogar ein jährliches Spielgeld von 300 fl. stand ihm zur Verfügung.34 Sigmund Friedrich profitierte größtmöglich von dieser Chance, machte Karriere bei Hof und ermöglichte der Familie nicht nur eine finanzielle Konsolidierung, sondern auch die Mehrung des Besitzes durch den Kauf verschiedenster Herrschaften in Niederösterreich und der Steiermark.35 Die einem Kavalier zur Verfügung stehende Geldsumme ist nicht unwesentlich für die Frage nach dem Ertrag der Reise im Hinblick auf konkrete kulturelle Transferprozesse. Jedes gesellschaftliche Auftreten, der Unterricht und jeder Einkauf des jungen Adeligen hingen vom finanziellen Hintergrund der Familie ab. Klagen der Söhne, von der Reise nicht optimal profitieren zu können, da es an Geldmitteln fehle, und die Tatsache, dass Frankreich und insbesondere Paris für einen Aufenthalt der teuerste Ort Europas waren,36 zeigen die Wichtigkeit einer ausfinanzierten Reise. Joachim Rees spricht im Zusammenhang von Kavalierstour und Kulturtransfer von der Schwierigkeit der Rekonstruktion konkreter Transferprozesse im Sinne einer Reisefolgenforschung.37 Natürlich kann nur in seltenen Fällen von einem Einkauf in der Fremde direkt auf die Rezeption und den produktiven Umgang mit fremdem Kulturgut geschlossen werden. Dennoch ist dieser Standpunkt aus zwei Gründen zu kritisieren. Zum Einen können solche Fälle von Rezeption sehr wohl dokumentiert werden, und im Zuge einer qualitativen Geschichtsbetrachtung gewinnen diese Beispiele an Relevanz. Zum anderen muss Kulturtransfer nicht immer eindeutig an Artefakten festgemacht werden, er zeigt sich oft versteckt im Verhalten und in der weniger empirisch nachweisbaren Haltung des Einzelnen. Hierfür ist der Bildungsgang eines Menschen ein wesentlicher Faktor der Sozialisierung. Alle vier jungen Adeligen absolvierten Ausbildungsprozesse an französischen Bildungseinrichtungen, die dem klassischen französischen Fächerkanon entsprachen. Dabei wurde im Besonderen darauf Wert gelegt, französische Tänze und die französische Kunst der Dressur vermittelt zu bekommen, da die französische Art zu tanzen und zu reiten Auswirkungen auf eine straffe und in jeder Hinsicht elegante Körperhaltung hätten, welche dann in der Praxis, bei Empfängen, Audienzen und in privaten Kreisen bei der Konversation angewandt wurde.38 Diese konsequente Einübung von Verhaltensweisen hatte mit Sicherheit je nach der Lern- und Aufnahmefähigkeit des jungen Kavaliers Auswirkungen auf sein persönliches Verhalten. Ferdinand Bonaventura von Harrach bestand beispielsweise darauf, dass sein Sohn Aloys Thomas Raimund einen zweiten Winter in Paris verbrachte, um dort
34 ÖStA, HHStA, Khevenhüller 24, 1686–1689. Khevenhüller Graf Sigmund Friedrich 1–5, 3, Rechnungsausweise, unfoliert. 35 Vgl. Ulrike ÖTTL: Die Familie Khevenhüller. In: Elisabeth Vavra (Hg.): Familie. Ideal und Realität. Horn 1993, S. 341–342. 36 Vgl. RÖßNER: Studium 2003, S. 19. 37 Vgl. Joachim REES: Wahrnehmen in fremden Orten. In: Babel/Paravicini (Hg.): Grand Tour 2005, S. 536. 38 Vgl. die Ausführungen Karl Eusebius von Liechtenstein über die adeligen Exerzitien bei HEIß: Ihro keiserlichen Mayestät. In: Oberhammer (Hg.): Welt 1990, S. 159.
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2 Kulturkonsum auf Reisen
die Exerzitien weiter zu betreiben und Perfektion zu erlangen.39 Außerdem legte er ihm immer wieder nahe, die Konversation mit hochstehenden Damen aus dem französischen Adel zu suchen, da er nur dort die Feinheiten der französischen Sprache und der Gesprächsführung lernen könne.40 Aloys Thomas Raimund partizipierte so an der französischen Salonkultur des 17. Jahrhunderts, wo unter erheblicher Beteiligung adeliger Frauen neben Konversation literarische Debatten geführt, Gedichte vorgetragen, die Tagespolitik kommentiert und Unterhaltung geboten wurde.41 Das französische Gesellschaftsleben, zu dem auch Jagden, Bälle, Paraden und das Spiel gehörte, sollte nach Möglichkeit nicht nur studiert, sondern inkorporiert werden (vgl. Abb. 1). Der Höhepunkt der Reise für den jungen Harrach in Paris war mit Sicherheit sein zweiter Auftritt am französischen Hof von Versailles. Bei einem Maskenball wurde Aloys Thomas Raimund vom Duc de Trémoille, Herzog von Thouars, zum Tanz aufgefordert und durfte zusammen mit der Prinzessin Conti42 vor Ludwig XIV. tanzen. Sowohl der Sohn als auch der Vater bezeichneten diese Gunst als singuläres Ereignis und höchste Auszeichnung für die Familie Harrach.43 Empfänge und Audienzen bei Ludwig XIV. waren für alle jungen Kavaliere nicht nur der Höhepunkt einer Reise durch Frankreich, sondern auch ein einschneidendes Erlebnis, das oft davon abhing, ob der jeweilige Botschafter die jungen Kavaliere aus der Heimat bei Hofe vorteilhaft einführen konnte. Bei Aloys Thomas Raimund von Harrach war es der österreichische Botschafter Wenzel Ferdinand von Lobkowitz, der die erste Audienz in Versailles organisierte44 und auch Sigmund Friedrich von Khevenhüller konnte die Verbindungen von Lobkowitz für sich nutzen und an einer Audienz bei Ludwig XIV. teilnehmen.45
39 ÖStA, AVA, Harrach 73, Korrespondenz Ferdinand Bonaventura von Harrach, Brief vom 2. Okt. 1687. 40 ÖStA, AVA, Harrach 73, Korrespondenz Ferdinand Bonaventura von Harrach, Briefe vom 20. Dez. 1687 und vom 22. Feb. 1688. 41 Vgl. Margarete ZIMMERMANN: Kulturtransfer in Salons des 16. Jahrhunderts. In: Stedman/ Zimmermann (Hg.): Höfe 2007, S. 61–63. 42 Conti war seit dem 16. Jahrhundert der Name für die jüngere Nebenlinie des Bourbonischen Adelshauses Condé, seine Mitglieder waren Prinzessinnen und Prinzen von Geblüt und gehörten somit zum französischen Hochadel. 43 ÖStA, AVA, Harrach 73, Korrespondenz Ferdinand Bonaventura von Harrach, Brief vom 28. März 1688 und ebda. Harrach 241, Korrespondenz Aloys Thomas Raimund, Brief vom 8. März 1688. 44 ÖStA, AVA, Harrach 73, Korrespondenz Ferdinand Bonaventura von Harrach, Brief vom 18. Nov. o.J. 45 Vgl. ÖTTL: Familie Khevenhüller. In: Vavra (Hg.): Familie 1993, S. 341.
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Abbildung 1: Promenade des französischen Königs und der französischen Königin in Fontainebleau in Begleitung des Hofes; angekauft von Prinz Eugen. Œuvres de Jean Le Pautre. Tome premier. Albertina, Wien, HB 150.1, p. 138/301.
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Um einen vollständigen Eindruck der französischen Adelswelt zu erhalten, wurden neben den gesellschaftlichen Höhepunkten Rundreisen durch das Land veranstaltet, die es zum Ziel hatten, möglichst viele Städte, Bauwerke, Befestigungsanlagen und Raritäten zu besichtigen. Dazu zählten in vorludovizischer Zeit in erster Linie die königlichen Schlösser Saint-Germain-en-Laye und Fontainebleau46 (vgl. Abb. 1) und im ausgehenden 17. und 18. Jahrhundert Versailles, Marly, Maintenon sowie das System der Wasserversorgung für die Gärten von Versailles mit den Aquädukten bei Maintenon (Eure) und Louveciennes (Seine) und der Maschine von Marly,47 einem hydraulischen Wasserpumpwerk, das damals als Wunderwerk der Technik galt und Anziehungspunkt für zahlreiche Reisende darstellte. Weiters bildeten die Schlösser der Loire wie Angers, Amboise und Blois, Burgund mit den Zentren Dijon, Besançon und Dole und Lothringen einen Fixpunkt in der Besichtigungstour, Letztere durch ihre Vergangenheit als habsburgische Reichsgebiete. Ferdinand Bonaventura von Harrach besuchte darüber hinaus die Abteikirche und Grablege der französischen Könige in St. Denis nördlich von Paris und die Seidenstadt Lyon und unternahm Reisen in die Bretagne, die Provence und das Languedoc.48 Sigmund Friedrich von Khevenhüller besichtigte die von Kardinal Richelieu erbaute Stadt Richelieu mit dem gleichnamigen Schloss sowie die Grotte der hl. Radegunde in Chinon,49 deren Verehrung im 17. Jahrhundert eine Wiederbelebung erfuhr.50 Neben der kulturellen Prägung, die jede Kavalierstour im Sinne einer Erziehung zur europäischen Adelskultur leistete, waren die jungen Kavaliere in erster Linie Konsumenten. Die oben genannten kleineren und größeren Budgets wurden nicht nur für Kost und Logis und zur Bezahlung der zahlreichen Lehrer und Professoren sowie für Postkutschen aufgewandt, sondern auch für persönliche Ausgaben, vor allem für Kleidung, Bücher und Instrumente, die in weiterer Folge nach Hause transferiert wurden. In den Abrechnungen der Hofmeister schlug der Posten Kleidung und Repräsentation mit den höchsten Beträgen zu Buche. Leibetseder geht davon aus, dass etwa ein Drittel der Reisekosten für Kost und Logis und etwa ein Viertel für neue Kleidungsstücke aufgewandt wurden. Mittel für Reise und Fortbewegung veranschlagt er mit etwa 15% und Kosten für die Bezahlung des Hofmeisters, des Personals und der Lehrer und Professoren mit weniger als 10%.51 Dieser Befund trifft auf die österreichischen Adeligen nicht ganz zu. 46 ÖStA, AVA, Harrach 334, Länderreise mit Baron Schärffenberg und Breuner, Abrechnungen Feb.–Mai und Mai–Aug. 1657, unfoliert. 47 ÖStA, AVA, Harrach 241, Korrespondenz Aloys Thomas Raimund, Briefe vom 27. Juli und 11. Aug. 1687 sowie ÖStA, HHStA, Khevenhüller 24, 1686–1689. Khevenhüller Graf Sigmund Friedrich 1–5, 3, Rechnungsausweise Okt.–Dez. 1687, unfoliert. 48 ÖStA, AVA, Harrach 334, Länderreise mit Baron Schärffenberg und Breuner, Abrechnungen 1655 undatiert und Feb.–Mai 1657, unfoliert. 49 ÖStA, HHStA, Khevenhüller 24, 1686–1689. Khevenhüller Graf Sigmund Friedrich 1–5, 3, Rechnungsausweise Aug.–Sept. 1687, unfoliert. 50 Vgl. Dorothée KLEINMANN: Radegunde. Eine europäische Heilige. Verehrung und Verehrungsstätten im deutschsprachigen Raum. Graz/Wien/Köln 1998. 51 Vgl. LEIBETSEDER: Kavalierstour 2004, S. 71–72.
2.1 Kavalierstour
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Aufgrund der unvollständigen Quellenlage zu den Abrechnungen können aber begrenzt Vergleiche gezogen werden: Ferdinand Bonaventura von Harrach gab während seiner Zeit im französischen Kulturkreis (Franche-Comté und Paris) insgesamt 682 fl. für den Neukauf von Kleidungsstücken und repräsentative Maßnahmen aus. Das sind etwa 10% seiner Gesamtausgaben, seine Zeit in den Niederlanden und Brüssel nicht eingerechnet.52 Hochgerechnet dürften die Ausgaben jedoch 20–25% nicht überstiegen haben. Sigmund Friedrich von Khevenhüller verbrauchte von den 4.660 fl. in Frankreich 19% (898 fl.) für die Instandhaltung und den Neukauf von Kleidung sowie für ähnliche repräsentative Ausgaben.53 Es zeichnet sich somit ab, dass im 17. Jahrhundert etwa 20% eines Reiseetats für Kleidung und Repräsentation verbraucht wurden, was etwas unter den Ausgaben der deutschen Kavaliere vornehmlich des 18. Jahrhunderts liegt. Werte österreichischer Adeliger für das 18. Jahrhundert liegen leider nicht vor. Kleiderkäufe waren während der gesamten Kavalierstour eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Der Kavalier musste sich, um sich Zugang zu den adeligen Kreisen der jeweiligen Stadt zu verschaffen, in der er sich aufhielt, den Moden des dortigen Adelsstandes beugen. Die richtige Kleidung oder Hoftracht war somit die Eintrittskarte zur Gesellschaft, zur Konversation oder zur Audienz beim König und entschied unter Umständen über den Erfolg oder Misserfolg einer Kavalierstour.54 Dies galt um so mehr in Paris, das im 17. Jahrhundert zur Modemetropole avancierte und wo Ludwig XIV. ein rigoroses Zeremoniell durchsetzte, das vor allem in der Mode seinen Ausdruck fand. Die Brüder Fuchs von Bimbach, die in permanenter Geldnot lebenden Söhne eines fränkischen Reichsritters, die von einer persönlichen Audienz bei Ludwig XIV. gesellschaftlich weit entfernt waren, beklagten sich 1684/85 immer wieder, dass besonders Kleiderkäufe, aber auch alles andere an Galanterie in Paris sehr teuer wären, dass sie daher auch keine Geschenke oder Muster nach Hause schicken und vor allem sich selbst nichts Anständiges kaufen könnten. Dies ärgerte die Brüder besonders, denn ihrer Einschätzung zufolge gäbe es in Paris keinen Kavalier, der nicht zumindest ein Kleid dort einkaufe und mit nach Hause nähme.55 Die Kleiderkäufe in Frankreich erfolgten nach verschiedenen Kriterien. Prinzipiell mussten für die Ausbildung in der Akademie und für den normalen gesellschaftlichen Umgang Kleidungsstücke angekauft werden. Ferdinand Bonaventura von Harrach kaufte sich 1655 nach seiner Ankunft in Dole einen Justaucorps, einen eng anliegenden Herrenanzug, mit dazugehörenden Strümpfen, Schuhen, Tüchern und einem Hut. Später kam ein Sommeranzug mitsamt Garnitur (Hut, Feder, Seidenstrümpfe, Schuhe) hinzu. Daneben wurde die dem permanenten Verschleiß ausgesetzte Kleidung ersetzt: Schuhe, Hemden, Unterhosen, Strümpfe, 52 ÖStA, AVA, Harrach 334, Länderreise mit Baron Schärffenberg und Breuner, Abrechnungen 1655–1657, unfoliert. 53 ÖStA, HHStA, Khevenhüller 24, 1686–1689. Khevenhüller Graf Sigmund Friedrich 1–5, 3, Rechnungsausweise Aug. 1687 bis Aug. 1688, unfoliert. 54 Vgl. LEIBETSEDER: Kavalierstour 2004, S. 81–82. STANNEK: Telemachs Brüder 2001, S. 162–176. 55 Vgl. RÖßNER: Studium 2003, S. 177 und 250.
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2 Kulturkonsum auf Reisen
Handschuhe und Manschetten. Verschiedene Besatzstoffe, Schärpen, Knöpfe, Fransen etc. wurden extra angekauft und appliziert. Als Harrach nach Paris kam, wurden nochmals ein schwarzer Anzug und ein Reitanzug mit der entsprechenden Garnitur angeschafft.56 Ähnliches zeigen die Abrechnungen für Sigmund Friedrich von Khevenhüller: Kurz nach seiner Ankunft in Paris wurden zwei neue Kleider in Auftrag gegeben, eines aus rotem und eines aus braunem Tuch mit der entsprechenden Garnitur, in diesem Fall Westen, Seidenstrümpfe und Castorhüte. Zusätzlich war eine Reithose mit Wams von Nöten.57 Für die Audienz beim König in Versailles waren weitere Investitionen zu tätigen: Aloys Thomas Raimund berichtete, dass er sich unter Anweisung des Gesandten Lobkowitz für die Audienz ein neues Kleid mit verbrämten Borten, einer samtenen Weste nach der neuesten Mode und silbernen Fransen gekauft habe.58 Auch für Sigmund Friedrich Khevenhüller ist der Kauf eines besonders reich ausgestatteten Kleides belegt: ein gestreiftes à la mode Tuchkleid mit einer Weste aus silbernem und rosenfarbenem Brokat inklusive Garnitur und goldenen und silbernen Fransen zur Ausstattung der Handschuhe.59 In welchem Ausmaß Paris bzw. Frankreich federführend in der Mode- und vor allem in der Textilerzeugung in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts geworden war, zeigt die Reiserechnung für den jungen Khevenhüller. Dieser kaufte in Paris nicht nur für den lokalen Bedarf, sondern deckte sich dort mit reichen Stoffen, Besatzartikeln, Knöpfen, Schnallen und Hüten zur weiteren Verwendung in Italien ein. Italien war mit der Textilproduktion in Mailand, Genua und Florenz eigentlich eine der ersten Adressen, um luxuriöse Stoffe und Spitzen einzukaufen.60 Um so mehr illustriert das Konsumverhalten Khevenhüllers die Etablierung Frankreichs als Mode- und Textilmacht. Im Detail deckte er sich mit Brokatstoffen, goldenen Schlingen, Knöpfen und Schnüren ein, die dann in Italien zu einem Anzug verarbeitet werden würden. Die bis dahin obligatorisch gewordenen Castorhüte, Hüte aus und mit Biberfell, durften auch nicht fehlen. Außerdem kaufte er vor seiner Abreise nach Italien in Lyon goldene und silberne Fransen als Garnitur für Handschuhe, golden und silbern, rot-seidenen Brokat für Westen und Taft zur Fütterung derselben.61 Lyon hatte sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Seidenstadt etabliert, in der auch alle anderen Arten von luxuriösen Textilien hergestellt wurden, wie etwa Brokate, Gold- und Silberfäden und Taft. 56 ÖStA, AVA, Harrach 334, Länderreise mit Baron Schärffenberg und Breuner, Abrechnungen 1655–1657, unfoliert. 57 ÖStA, HHStA, Khevenhüller 24, 1686–1689. Khevenhüller Graf Sigmund Friedrich 1–5, 3, Rechnungsausweise Okt. 1687, unfoliert. 58 ÖStA, AVA, Harrach 73, Korrespondenz Ferdinand Bonaventura von Harrach, Brief vom 18. Nov. o.J. 59 ÖStA, HHStA, Khevenhüller 24, 1686–1689. Khevenhüller Graf Sigmund Friedrich 1–5, 3, Rechnungsausweise Jän.–März 1688, unfoliert. 60 Vgl. Wiebke KOCH-MERTENS: Der Mensch und seine Kleider. Teil 1: Die Kulturgeschichte der Mode bis 1900. Düsseldorf/Zürich 2000, S. 241–246. 61 ÖStA, HHStA, Khevenhüller 24, 1686–1689. Khevenhüller Graf Sigmund Friedrich 1–5, 3, Rechnungsausweise April–Aug. 1688, unfoliert.
2.1 Kavalierstour
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Der Status Lyons als Motor der französischen Textilindustrie neben dem Luxusmarkt in Paris und den älteren Textilgebieten in der Bretagne und der Normandie sollte auch im 18. Jahrhundert anhalten.62 Die Achse Lyon – Paris stand im Ancien Régime als Synonym für die Produktion und den Vertrieb von Luxusprodukten im Speziellen aus dem Bereich der Textilindustrie, der Tapisserieherstellung, der Kosmetik und anderer Galanteriewaren aus der Metallverarbeitung. Lyon orientierte sich als Produktionsstätte am Pariser Markt und belieferte exklusiv die französische Metropole.63 Rund um die Rue St. Honoré, die sich im Herzen von Paris vom Hauptmarktgeschehen bei Les Halles zwischen Louvre und Palais-Royal parallel zu den Tuileries-Gärten Richtung Westen schlängelt, entwickelte sich im späten 17. und 18. Jahrhundert durch die Tätigkeiten der marchands merciers ein Luxuseinkaufsviertel von internationaler Reputation. Hochwertige Manufakturprodukte aller Sparten aus ganz Frankreich sowie importierte Exotika wurden dort konzentriert angeboten.64 Aloys Thomas Raimund von Harrach war über einzelne Händler und Gewerbebetriebe, ihre Waren und Adressen bestens informiert. Der spärliche Archivbestand zu seiner Kavalierstour weist neben der allgemeinen Instruktion des Vaters eine undatierte, nicht signierte Liste mit Adressen in Paris auf, in die ein kleines Blatt mit Modezeichnungen eingelegt wurde. Unklar ist, ob die Liste vom Vater für den Sohn oder vom Sohn für den Vater angefertigt worden ist. In jedem Fall legt sie die Schlussfolgerung nahe, dass Aloys Thomas Raimund Kenntnis über Einkaufsmöglichkeiten in Paris hatte und diese sehr wahrscheinlich auch nutzte. Darunter finden sich sieben Eintragungen zu Detailhändlern von „etoffes riches et de soÿe en detail“, alle aus der Rue St. Honoré oder anderen angrenzenden Straßen wie der Rue du Roule oder der Rue des Bourdonnais. Weitere Einträge nennen einen Händler von Stoffen, Seide und Taft, drei Sattler, einen Herrenschuster gegenüber der damals neu errichteten Comédie-Française, einen Kammmacher, zwei Barbiere, einen Juwelier, sechs Schneider, alle in der Umgebung der Rue St. Honoré angesiedelt, jeweils eine Adresse für Tapisserien bzw. Tapeten und für Gewehre und schließlich auch drei Bankiers.65 Die Zusammensetzung der einzelnen Bereiche von Mode und Kosmetik über Schuhmacher hin zu Büchsenmachern und Bankiers deckt somit auch wesentliche Bedürfnisse eines auf Tour befindlichen jungen Adeligen ab.
62
Vgl. André PELLETIER/Jacques ROSSIAUD/Françoise BAYARD/Pierre CAYEZ: Histoire de Lyon. Des origines à nos jours. Lyon 2007, S. 478–505. SEWELL: The Empire of Fashion. In: Past and Present 206 (2010), S. 87–105. 63 Vgl. Lesley Ellis MILLER: Paris – Lyon – Paris: dialogue in the design and distribution of patterned silks in the 18th century. In: Robert Fox/Anthony Turner (Hg.): Luxury trades and consumerism in Ancien Régime Paris. Studies in the history of the skilled workforce. Aldershot/Brookfield/Singapore [e.a.] 1998, S. 139–167. 64 Vgl. Carolyn SARGENTSON: The manufacture and marketing of luxury goods: the marchands merciers of late 17th- and 18th-century Paris. In: Fox/Turner (Hg.): Luxury trades 1998, S. 99–137. 65 ÖStA, AVA, Harrach 115, Aloys Thomas Raimund, Länderreise, unfoliert.
50
2 Kulturkonsum auf Reisen
Zu einem gelungenen Auftritt in der französischen Gesellschaft gehörte jedoch nicht nur die richtige Kleidung, sondern auch die richtige Toilette. Ferdinand Bonaventura von Harrach ließ während seiner Zeit in Burgund und in Paris regelmäßig einen Barbier kommen, der jedes Quartal bezahlt wurde. In Paris lagen die Ausgaben für Haarkosmetik etwas höher als in Burgund. Darüber hinaus kaufte er regelmäßig Puder, Pomaden und Jasminpaste.66 Knapp 30 Jahre später hatte sich die Haarmode längst geändert, Perücken waren unter Ludwig XIV. in Mode gekommen. Dementsprechend versorgte sich Sigmund Friedrich von Khevenhüller mit Perücken verschiedenster Art, insgesamt sieben in zehn Monaten Aufenthalt in Paris. Der Preis dafür lag zwischen 8–12 fl. und bildete einen ungleich höheren Ausgabenposten als Harrachs Ausgaben für Haarpuder (1 fl. und weniger).67 Ein letzter Bereich der standesgemäßen Ausstattung und Repräsentation bildete die Livrée der Dienerschaft. Sowohl Harrach als auch Khevenhüller beschäftigten einen Diener, den sie auch standesgemäß einkleiden ließen.68 Die in den Abrechnungen angegebenen Preise vor allem für Kleidung und Textilien unterschieden sich bei Harrach und Khevenhüller doch beträchtlich. Khevenhüller gab mehr Geld für jeden einzelnen Posten aus. Obwohl das 17. Jahrhundert in Frankreich prinzipiell eine Zeit stagnierender Preise war, boomte der Pariser Luxusmarkt.69 Khevenhüller musste daher in den 1680er Jahren trotz sinkender Preise für Nahrungsmittel seine Kleider und Kosmetika teurer einkaufen als Harrach 1657. Kleiderkäufe im Zuge von ausbildungsbedingten Reisen waren im 18. Jahrhundert nicht mehr nur auf junge Kavaliere beschränkt. Mit der Internationalisierung der Mädchenausbildung in Adelskreisen wurden junge Damen vermehrt auf Reisen geschickt, wobei unter Umständen größere Summen für den Erwerb von luxuriösen Textilien, Kleidung und Kosmetika aufgewendet wurden. Friedrich August von Harrach, Sohn von Aloys Thomas Raimund, seit 1732 Obersthofmeister der Statthalterin der österreichischen Niederlande Erzherzogin Elisabeth in Brüssel und nach ihrem Tod 1740–1744 Interimsstatthalter, achtete beispielsweise sehr auf die standesgemäße Erziehung seiner Töchter. Während eine der jüngsten einige Jahre in einem Pariser Kloster verbrachte, wurde Maria Rosa, die Älteste, 1738 von Brüssel nach Paris in den Haushalt der Tante Anna Maria von Liechtenstein, Gattin des kaiserlichen Botschafters in Paris (1735–1740) und 1739 schließlich nach Wien zur Erziehung und Introduktion bei Hof durch die Großeltern ge-
66 ÖStA, AVA, Harrach 334, Länderreise mit Baron Schärffenberg und Breuner, Abrechnungen 1655–1657, unfoliert. 67 ÖStA, HHStA, Khevenhüller 24, 1686–1689. Khevenhüller Graf Sigmund Friedrich 1–5, 3, Rechnungsausweise Okt. 1687–Juni 1688, unfoliert. 68 ÖStA, AVA, Harrach 334, Länderreise mit Baron Schärffenberg und Breuner, Abrechnungen Mai–Aug. 1657, unfoliert. ÖStA, HHStA, Khevenhüller 24, 1686–1689. Khevenhüller Graf Sigmund Friedrich 1–5, 3, Rechnungsausweise Okt. 1687, unfoliert. 69 Vgl. Françoise BAYARD/Philippe GUIGNET: L'économie française aux XVIe, XVIIe et XVIIIe siècles. Paris 1991, S. 107–116 und 122–123.
2.1 Kavalierstour
51
schickt.70 Vom April 1739 sind Kleiderrechnungen für Maria Rosa aus Paris erhalten, die sich insgesamt auf über 1.010 fl. beliefen, eine Summe, die keiner der untersuchten Kavaliere zuvor in Paris in mehreren Monaten ausgegeben hatte, selbst bei Berücksichtigung des Preisanstiegs im 18. Jahrhundert. Unter den einzelnen Posten finden sich 20 Ellen weißer und silberner Gros de Tours, ein starker Seidenstoff aus Tours,71 um allein 714 fl., weiters verschiedene Mäntel und Umhänge sowie ein Domino aus rosenfarbenem Taft mit silberner Gaze und Bändern (ein weites Mantelkleid mit Kapuze für Maskenbälle) und Besatzstoffe wie Ärmelknoten, Spitzen, Bänder, Taft etc. Außerdem kaufte Maria Rosa paniers aus grünem Taft, das waren seitlich unterhalb des Mieders angebrachte Körbe, die dem Rock eine seitlich ausladende, aber vorne abgeflachte Kuppelform gaben, Strümpfe, Schuhe und mehrere barbes,72 Frisurteile aus Gaze oder Band.73 Allein an der Zusammensetzung der Kleidungsstücke ist erkennbar, dass dieser Einkauf tatsächlich einer bevorstehenden Introduktion bei Hof in Wien zugedacht war. Prachtvolle Manteau-Kleider mit elliptischem Reifrock bildeten um 1740 unter dem Namen robe à la française die Hofkleidung Europas. Im nicht offiziellen Bereich hatten sich jedoch längst bequemere Negligékleider mit losem Manteau am Rücken durchgesetzt, die Watteaufaltenkleider, wie der von Maria Rosa gekaufte Domino.74 Die Kleidung war sicher mit Abstand der kostenintensivste und repräsentativste Ausgabenposten auf Kavalierstouren und Bildungsreisen.75 Sie wurde natürlich auch an anderen niederländischen, flämischen, italienischen oder englischen Stationen adäquat eingekauft. Dennoch kann von einer direkten Beeinflussung der jungen Adeligen in Paris und Frankreich ausgegangen werden, denn schließlich wurde der Konsum durch die praktische Anwendung bei Hofe, in der Konversation oder beim Spiel begleitet und diente der standesspezifischen Geschmacks- und Persönlichkeitsbildung nach französischem Vorbild. Ferdinand Bonaventura von Harrach ist im Hinblick auf die Reisefolgenforschung ein gutes Beispiel. Sein 70 Vgl. Beatrix BASTL: „Ins herz khan man kein sehen“ Weibliche Kommunikations- und Beziehungskulturen innerhalb der adligen „familia“ der Frühen Neuzeit. In: Eva Labouvie (Hg.): Schwestern und Freundinnen. Zur Kulturgeschichte weiblicher Kommunikation. Köln/Weimar/Wien 2009, S. 318. Beatrix BASTL: „Ich kenne alle europäischen Länder“ Die Briefe der Maria Anna von Harrach an ihren Vater (1733–1748). In: Harald Heppner/Alois Kernbauer/Nikolaus Reisinger (Hg.): In der Vergangenheit viel Neues. Spuren aus dem 18. Jahrhundert ins Heute. Wien 2004, S. 213–216. Elisabeth GARMS-CORNIDES: Hofmeister auf Grand Tour. In: Babel/Paravicini (Hg.): Grand Tour 2005, S. 270–271. 71 Vgl. Johann Georg KRÜNITZ: Oekonomische Enzyklopädie, oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirtschaft. Berlin 1773–1853. Bd. 20, 1–648, vgl. http://www.kruenitz1.uni-trier.de/ [Stand 15.08.2010]. 72 Vgl. KRÜNITZ: Enzyklopädie, Bd. 3, 364–899, vgl. http://www.kruenitz1.uni-trier.de/ [Stand 15.08.2010]. 73 ÖStA, AVA, Harrach 2693, Wien Reisen, Hausausgaben, Rechnungen über Reisen Mobilieninventare u. degl. 1707–1750, unfoliert. 74 Vgl. Annemarie BÖNSCH: Formengeschichte europäischer Kleidung. Wien/Köln/Weimar 2001, S. 192, 198–199. 75 Zum Einfluss der französischen Mode auf den Wiener Hof, siehe Kap. 5.
52
2 Kulturkonsum auf Reisen
Besuch in Paris stellte nur den Anfang von Kulturkonsum in Frankreich dar, dem der Graf bei allen Gelegenheiten versuchte, nachzugehen. Kultur- und Wissenstransfer erfolgte aber nicht nur bei Audienzen und Konversation, sondern vor allem auch über den Ausbildungsweg an Ritterakademien und Universitäten. Für die Studien und Exerzitien wurden ebenfalls Utensilien und Lernunterlagen angeschafft: Bücher, Druckgraphiken, Landkarten, wissenschaftliche Instrumente, Musikinstrumente, Reitutensilien und Waffen.76 In erster Linie stand die juristische und naturwissenschaftliche Bildung des Kavaliers im Vordergrund, wozu er verschiedenste Unterlagen und Bücher benötigte. Ferdinand Bonaventura von Harrach besorgte sich gleich nach seiner Ankunft in Burgund einen Reiseführer, mehrere Schriften französischer Schriftsteller, die in der Abrechnung nicht näher genannt werden sowie die Schriften und Unterlagen der Akademie in Dole. Kurze Zeit später folgten weitere nicht näher definierte französische Philosophiebücher und andere „kuriose“ Bücher. Im Jahr darauf kaufte er als politisches Werk Le ministere du Cardinal de Richelieu, eine Ausgabe von Georges de Scudérys Alaric77 und lieh sich andere Bücher, darunter eines über Kyros II. In Paris erwarb er geographische Karten, Gazetten und weitere Bücher.78 Sigmund Friedrich von Khevenhüller agierte ähnlich, er schaffte sich in Paris drei Landkarten, ein Buch über Fortifikation und weitere 28 in den Rechnungen nicht näher benannte Werke an.79 Was Instrumente und Reitutensilien anbelangt, verhielt sich Ferdinand Bonaventura eher konservativ. Er brachte außer Sporen, einer Reitgerte, zwei Degen mit Wehrgehängen und Schärpe nur eine Gitarre nach Hause.80 Sein Sohn hingegen schickte bereits von unterwegs Dinge für den persönlichen Gebrauch per Post nach Hause, so neben Büchern ein Jagdhorn, Schläger für das Ballspiel, verschiedene Mappen, ein Gemälde und ein Klistier.81 Dies war eine Einlaufspritze, die in Frankreich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bei medizinischen Therapien aller Art äußerst beliebt war.82 Gerade der Kauf des Klistiers zeigt die Suche der Adeligen nach Neuem und Kuriosem. Der junge Khevenhüller gab etwas weniger Geld für Kuriositäten aus: ein kristallenes Schälchen, ein Paar Castagnetten, ein Degen, eine Lanze und ein Set
76 Vgl. REES: Wahrnehmen. In: Babel/Paravicini (Hg.): Grand Tour 2005, S. 531. LEIBETSEDER: Kavalierstour 2004, S. 186, 187, 196. 77 Wahrscheinlich: Georges de Scudéry: Alaric, ou Rome vaincue: poëme héroïque. Bruxelles: A. Courbé 1656. 78 ÖStA, AVA, Harrach 334, Länderreise mit Baron Schärffenberg und Breuner, Abrechnungen 1655–1657, unfoliert. 79 ÖStA, HHStA, Khevenhüller 24, 1686–1689. Khevenhüller Graf Sigmund Friedrich 1–5, 3, Rechnungsausweise, unfoliert. 80 ÖStA, AVA, Harrach 334, Länderreise mit Baron Schärffenberg und Breuner, Abrechnungen 1655–1657, unfoliert. 81 ÖStA, AVA, Harrach 73, Korrespondenz Ferdinand Bonaventura von Harrach, Brief vom 26. Dez. 1688. 82 Vgl. Robert JÜTTE: Ärzte, Heiler und Patienten. Medizinischer Alltag in der frühen Neuzeit. München/Zürich 1991, S. 135.
2.1 Kavalierstour
53
an geometrischen Instrumenten für die Fortifikationslehre,83 das sehr wahrscheinlich aus Stäben, Messkette, Messtisch, Quadranten, einem Kompass und einem Astrolabium zur Winkelmessung am Himmel bestand.84 Diese Beispiele zeigen letztlich, dass der Erwerb von Kulturgütern unter Adeligen nicht nur der Befriedigung eines oberflächlichen Bedürfnisses nach Kuriositäten diente, sondern dass tatsächlich Wissens- und Kulturtransferprozesse impliziert waren. Zwei letzte Beispiele unterschiedlicher Art sollen den direkten Ertrag von Kulturtransfer verdeutlichen. In den Abrechnungen zur Kavalierstour von Ferdinand Bonaventura von Harrach scheinen regelmäßig jedes Quartal Ausgaben für sogenannte eaux de citron, eaux ordinaires oder juis rafraichissants auf,85 die in Summe höher waren als die Ausgaben für Bücher. Diese Erfrischungsgetränke waren der Vorläufer der modernen Limonade und einfach zuzubereiten, indem Brunnenwasser mit Zitronensaft und oder -schale und Zucker angereichert und abgeseiht wurde.86 Erfrischungsgetränke aus Fruchtsaft kannten die Araber seit dem 13. Jahrhundert, über Spanien und Sizilien dürfte sich das Wissen um die Zubereitung in der Frühen Neuzeit bis nach Frankreich verbreitet haben,87 wo es im 17. Jahrhundert zusammen mit anderen Veränderungen in der Küchenpraxis (vgl. Kap. 6.2) und mit dem Anstieg des Zuckerkonsums bekannt wurde. Im Le Confiturier françois von François Pierre de la Varenne von 1660 finden sich erste veröffentlichte Rezepte zur Herstellung des Zitronenwassers. Etwa gleichzeitig entstand eine eigene Innung der limonadiers in Paris. Limonaden wurden ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Paris zu moderaten Preisen direkt auf der Straße vermarktet.88 Ferdinand Bonaventura von Harrach konnte sich bereits während seiner Kavalierstour für die Besonderheiten der französischen Küche begeistern. Er konsumierte in Dole regelmäßig Zitronenwasser, ließ es sich teilweise auch von seinen Ärzten verschreiben. Mit Alkohol versetztes und destilliertes Zitronenwasser wurde allgemein als kühlende und das Herz stärkende Medizin verabreicht.89 Harrach dürfte meist jedoch kein Fertigprodukt getrunken haben, denn seine Abrechnungen weisen stets „sucre et citrons pour faire des eaux ordinaires“ aus. Einmal wurden in Paris sogar eigene Krüge für die Zubereitung angekauft. In
83 ÖStA, HHStA, Khevenhüller 24, 1686–1689. Khevenhüller Graf Sigmund Friedrich 1–5, 3, Rechnungsausweise, unfoliert. 84 Vgl. Johann Heinrich ZEDLER: Grosses vollständiges Universallexicon aller Wissenschaften und Künste. Leipzig: 1731–1754, Bd. 10, S. 939. 85 ÖStA, AVA, Harrach 334, Länderreise mit Baron Schärffenberg und Breuner, Abrechnungen 1655–1657, unfoliert. 86 Vgl. ZEDLER: Universallexicon 1731–1754, Bd. 17, S. 654. 87 Vgl. Kenneth F. KIPLE/Kriemhild Coneè ORNELAS: The Cambridge World History of Food. Bd. 2. Cambridge 2000, S. 1800. 88 Vgl. Susan PINKARD: A Revolution in Taste. The rise of French cuisine, 1650–1800. Cambridge 2009, S. 58. Andrew F. SMITH: The Oxford companion to American food and drink. Oxford/New York 2007, S. 354. Jean-Louis FLANDRIN/Philip HYMAN/Mary HYMAN: Le Cuisinier françois. Paris 1983, S. 59. 89 Vgl. ZEDLER: Universallexicon 1731–1754, Bd. 62, S. 813.
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2 Kulturkonsum auf Reisen
Dole ließ er die Zutaten extra aus Dijon oder Besançon kommen, wenn sie nicht vorrätig waren.90 Ferdinand Bonaventura von Harrachs Vorlieben und Konsum französischer Kulinarik setzten sich später fort. Er ließ in Paris französische Köche für seinen Haushalt in Wien anwerben (vgl. Kap. 6.2). Ein ähnliches Beispiel von direkter Reisefolgenforschung ist die Anwerbungspraktik von Karl Eusebius von Liechtenstein, der ja, nur weil in Italien die Pest ausgebrochen war, längere Zeit in Paris verbrachte. Sein Onkel Gundaker bat seinen Sohn Hartmann und seinen Neffen Karl Eusebius, in Paris geschultes Fachpersonal aufzunehmen und dieses dann nach Hause zu bringen. Er dachte dabei an einen Bereiter und einen Fechtmeister, da er der Meinung war, dass zu Hause ein ausgesprochener Mangel an gutem Personal herrsche. Der Franzose Antoine de Pluvinel (1555–1620), ein Schüler von Giovanni Pignatelli in Neapel, hatte als Reitlehrer von Ludwig XIII. zu Beginn des 17. Jahrhunderts die bis dahin vorherrschende neapolitanische Reitschule in Frankreich revolutioniert und die neue französische Reitschule begründet, indem er bei seinen Lehrmethoden auf Gewalt dem Pferd gegenüber verzichtete. Sein Werk Le Manège Royal erschien 1623 posthum. Die Liechtensteins besaßen bereits unter Karl Eusebius Vater Karl I. Pferdezuchten und Gestüte von hervorragendem Ruf,91 sowohl der Vater als auch der Sohn waren an qualifiziertem Fachpersonal zur Fortführung der Zucht interessiert. Tatsächlich nahm Karl Eusebius in Paris Edouard de la Valle als Bereiter auf, den er 1631 nach Feldsberg schickte. Als fürstlicher Stallmeister arbeitete de la Valle von 1632–1656 für Karl Eusebius von Liechtenstein92 und wurde auf dessen Betreiben von Ferdinand III. sogar in den Herrenstand erhoben. Karl Eusebius schätzte an de la Valle seine hohe fachliche Kompetenz und sein pädagogisches Feingefühl ihm, seinem Schüler, gegenüber.93 Es ist in jedem Fall davon auszugehen, dass der Franzose direkten Einfluss auf den jungen Liechtenstein nahm und ihn in Fachfragen beriet. Schließlich kann die Kavalierstour über die Persönlichkeitsbildung des einzelnen Kavaliers hinaus auch als Beschaffungs- und Weiterbildungsmöglichkeit für die Familie zu Hause angesehen werden, wie das eben genannte Beispiel ebenfalls gezeigt hat. Die Kavalierstour erfüllte dadurch ganzheitliche Ansprüche, die Erkenntnisse des Kavaliers für die Gesamtheit der Grundherrschaft und der Familie in herrschaftlicher, wirtschaftlicher, sozialer und repräsentativer Hinsicht nutzbar zu machen.94 Sowohl in der Familie Liechtenstein als auch Harrach wurden die Söhne von ihren Vätern oder Vormündern dazu angehalten, entweder Fachkräfte und Dienstpersonal oder Galanteriewaren oder beides nach Hause zu schicken. Gundaker von Liechtenstein bestellte bei Sohn und Neffe in Paris neben Fachpersonal auch Mode- und Textilwaren für die weiblichen Mitglieder der Fa90 ÖStA, AVA, Harrach 334, Länderreise mit Baron Schärffenberg und Breuner, Abrechnungen Aug.–Nov. 1655, Mai–Aug. 1657, unfoliert. 91 Vgl. HAUPT: Fürst Karl I. 1983, S. 34. 92 Vgl. Herbert HAUPT: Von der Leidenschaft zum Schönen. Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein (1611–1684) Quellenband. Wien 1998, S. 15, 16, 20, 23 und 38. 93 Vgl. HAUPT: Fürst Karl Eusebius 2007, S. 37 und 40. 94 Vgl. REES: Wahrnehmen. In: Babel/Paravicini (Hg.): Grand Tour 2005, S. 532.
2.2 Gesandtschaftsreise
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milie95, was wiederum die Rolle Frankreichs als Modevorbild hervorhebt. Ferdinand Bonaventura von Harrach beauftragte seinen Sohn Aloys Thomas Raimund, Kopfputz für Frauen, sogenannte barbes, nach Hause zu schicken, was dem Sohn Kopfzerbrechen bereitete, da diese in Paris schwer zu bekommen waren. Er entschädigte den Vater mit Schuhschnallen, die es in Wien nicht gab, und unterrichtete den Vater genauestens über die neuen Moden höhergestellter Persönlichkeiten des französischen Hofadels.96 Der Erfolg einer Kavalierstour lässt sich an zwei Dingen ablesen, in erster Linie am Bildungsstand des jeweiligen Kavaliers und in zweiter Linie an seinen Souvenirs, die er nach Hause mitbrachte. Anhand der vier Beispiele konnte die Relevanz einer Kavalierstour für kulturelle Transferprozesse eindeutig nachgewiesen werden. Unterschiedliche Lernprozesse im Bereich der adeligen Wissenschaften und Exerzitien fanden statt. Die intensivsten Transferprozesse zwischen Paris und Wien sind im Bereich der Mode und Repräsentation zu verorten. Dabei ging es nicht nur um die Wahl der Kleidung, sondern auch um die Gesamterscheinung des Kavaliers und sein adäquates Verhalten. Jeder Adelige, der eine Tour absolvierte, kam weltgewandter und damit „französischer“ nach Hause und jeder der Beschriebenen machte Karriere am Kaiserhof. Dabei ist zu erwähnen, dass Sigmund Friedrich von Khevenhüller als Sohn eines Konvertiten keine Ausnahme darstellte. Seine Tour unterschied sich nicht von anderen und seine Laufbahn als innerösterreichischer Regierungsrat, Landeshauptmann von Kärnten und Statthalter von Niederösterreich war nicht weniger erfolgreich. Sowohl Ferdinand Bonaventura von Harrach als auch sein Sohn Aloys Thomas Raimund profilierten sich als Diplomaten und wurden somit wieder in kaiserlichem Auftrag auf Reisen geschickt. Die Gesandtschaftsreise stellte somit im Leben eines Adeligen die zweite Möglichkeit dar, als kultureller Mittler zwischen Paris und Wien zu fungieren. 2.2
GESANDTSCHAFTSREISE
Ferdinand Bonaventura von Harrach wurde 1669 als kaiserlicher Botschafter nach Paris geschickt, da Ludwig XIV. anlässlich der Taufe seines zweitgeborenen Sohnes Philippe Charles Kaiser Leopold I. als dessen Onkel um die Patenschaft bat. Harrach sollte dem französischen Hof Leopolds Antwortschreiben überbringen und den Herzog von Orléans, Ludwigs Bruder Philippe, um die Stellvertretung ersuchen. Im Februar 1669 reiste Harrach daher nach Paris, überbrachte der Königin von Frankreich, Marie-Thérèse, Galanteriegeschenke ihrer Schwester, der Kaiserin in Wien,97 wohnte der Taufe bei und reiste Ende März wieder ab.98 Am 15. März berichtete Harrach nach einer seiner Audienzen bei Hofe: 95 Vgl. HAUPT: Fürst Karl Eusebius 2007, S. 37. 96 ÖStA, AVA, Harrach 241, Korrespondenz Aloys Thomas Raimund, Briefe vom 6. Nov. 1686, 6. Jan. 1687 und 7. April 1687. 97 ÖStA, HHStA, StA Frankreich, Berichte und Weisungen 24, Harrach an Leopold I. 1669, f. 1r.
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2 Kulturkonsum auf Reisen „Sie haben mir zuverstehen gegeben, man finde alhir von Cleinodien schöne sachen gemachter, wan ich waß zu kauff verlangte: ich habe mich aber Entschuldigt, das ich von E: K: M: keinen befehl habe, doch mich erboten, das ich vber mich orden wolle, es Euer Kaÿ. Maÿ. zuberichten vnd folgendts zusollicitiern, [...]“99
Von einem Auftrag, in Paris Kleinodien zu kaufen, oder von anderweitigen Aufträgen bezüglich der Einkäufe von Kulturgütern nahm Leopold I. Abstand, Harrach kehrte der offiziellen diplomatischen Korrespondenz zufolge ohne Souvenir nach Wien zurück. Gesandtschaftsreisen und ihre archivalischen Überlieferungen sind im Zuge der Kulturtransferforschung vermehrt ins Interesse kulturhistorischer Fragestellungen gerückt. Das Gesandtschaftswesen mit der Einrichtung von ständigen Gesandten und Botschaftern entwickelte sich in Europa im 16. Jahrhundert flächendeckend nach venezianischem Vorbild. Bereits Karl V., der auf die diplomatischen Strukturen und Institutionen Burgunds zurückgreifen konnte, entsandte fast durchgehend Botschafter nach Paris.100 Mit der Abdankung Karls V. kam es zur Trennung der Kaiser- von der spanischen Königswürde und die spanischen Gesandten waren nicht mehr länger Repräsentanten des Kaisers. Daher richtete Wien eine permanente Gesandtschaft in Madrid ein, deren Botschafter regelmäßig an die Kaiser Bericht erstatteten.101 Von Beginn an war es die Aufgabe der kaiserlichen Gesandten in Madrid, nicht nur über politische, militärische und dynastische Entwicklungen und Tendenzen am spanischen Hof zu informieren, sondern auch detailliert über die spanischen Konsum- und Lebensgewohnheiten Aufschluss zu geben. Der Bericht über Luxusartikel, Exotika und Kunstgegenstände und diesbezügliche Kaufabsichten in Wien wurden in der Diplomatischen Korrespondenz nicht etwa nebenbei erwähnt, sondern standen an prominenter Stelle als Bestandteil der Briefabschlüsse und nahmen einen erheblichen Teil dieser Korrespondenz ein. Die Botschafter wickelten die Ankäufe von Luxusgütern für die kaiserlichen Bibliotheken, Sammlungen und Kuriositätenkammern über ihr in Madrid erfolgreich aufgebautes soziales und wirtschaftliches Netzwerk ab und übernahmen somit Managementaufgaben im Kulturtransfer zwischen Spanien und Österreich, die verstärkt als elementarer Bestandteil ihrer Aufgaben angesehen wurde.102 Für Ru-
98 Vgl. Historische COMMISSION bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften (Hg.): Allgemeine Deutsche Biographie. Leipzig 1875–1912. Bd. 10, S. 629–632. 99 ÖStA, HHStA, StA Frankreich, Berichte und Weisungen 24, Harrach an Leopold I. 1669, f. 3v. 100 Vgl. Martin LUNITZ: Die ständigen Gesandten Karls V. in Frankreich – zum Strukturwandel des Gesandtschaftswesens im 16. Jahrhundert. In: Horst Rabe (Hg.): Karl V. Politik und politisches System. Konstanz 1996, S. 117–135. Martin LUNITZ: Diplomatie und Diplomaten im 16. Jahrhundert. Studien zu den ständigen Gesandten Kaiser Karls V. in Frankreich. Konstanz 1988. 101 Vgl. Michael ROHRSCHNEIDER: Das französische Präzedenzstreben im Zeitalter Ludwigs XIV. Diplomatische Praxis – zeitgenössische französische Publizistik – Rezeption in der frühen deutschen Zeremonialwissenschaft. In: Francia 36 (2009), S. 142–143. 102 Vgl. v. a. PIEPER: Papageien. STIEGLECKER: „Was ich eingethan. Beide in: Edelmayer (Hg.): Hispania 1999, S. 215–224 und 225–245. Darüber hinaus: STROHMEYER: Kulturtransfer
2.2 Gesandtschaftsreise
57
dolf II. sind Ankäufe von Luxusgütern über seine spanischen Gesandten durchgehend bis 1598 belegt.103 Da im Verlauf des 17. Jahrhunderts Frankreich die bis dahin von Spanien ausgeübte Vorreiterrolle in den Bereichen Kultur, Repräsentation und Luxus übernahm, könnte die entsprechende diplomatische Korrespondenz aus Paris ab etwa 1648 kulturelle Transferprozesse nach Wien abbilden. Der Befund der offiziellen Korrespondenz der kaiserlichen Gesandten in Frankreich aus den Jahren 1640 bis 1716 zeigt aber, dass keiner der Botschafter und Gesandten Kaufaufträge oder -absichten der Habsburger in Wien thematisierte. Die Inhalte ihrer Berichte beschränkten sich rein auf die Erörterung politischer, staatlicher, zwischenstaatlicher, militärischer, wirtschaftlicher, dynastischer, personeller und gesellschaftlicher Gegebenheiten und Entwicklungen in Frankreich.104 Der einzige Warentransfer von Paris nach Wien von 1640 bis 1716 bestand in der Übersendung eines Geschenks der französischen Königin an ihre Schwester, die Kaiserin in Wien, in Form von nicht näher definierten französischen Raritäten und der 1667 in Paris erschienenen propagandistischen Schrift von Antoine Aubery Des iustes pretentions du Roy sur L'Empire über die Universalmachtansprüche des französischen Königs an Leopold I.105 Leopold ließ daraufhin eine Zusammenfassung von Auberys Thesen verfassen, um auf die machtpolitischen Pläne Ludwigs XIV. aufmerksam zu machen.106 Darüber hinaus wurden 1666 fünf Portraits von Mitgliedern der französischen Königsfamilie aus propagandistischen Gründen an die Kaiserin nach Wien gesandt.107 Nun kann man allein in der Übersendung diplomatischer Berichterstattung ein Produkt von Austauschprozessen und somit Kulturtransfer im Sinne eines Wissenstransfers verorten.108 Allerdings ist es für die Qualität und Intensität von Kulturtransfer nicht unerheblich, ob tatsächlich Kulturgüter von Paris nach Wien transferiert wurden oder nicht. Insofern ist zu konstatieren, dass nach der offiziellen Korrespondenz der kaiserlichen Gesandten zwischen Paris und Wien kein Kulturtransfer im Auftrag des Kaiserhauses stattgefunden hat, wofür es eine Reihe von Gründen gab. Zunächst ist insgesamt die These zu vertreten, dass das Interesse an fremden Kulturgütern im Kaiserhaus mit Leopold I. schwand bzw. sein Interesse an Exotika und Luxusgütern prinzipiell sank. Denn auch der Gütertransfer von Madrid
103 104 105 106 107
108
durch Diplomatie. In: Schmale (Hg.): Kulturtransfer 2003, S. 391–408. EDELMAYER: „Dinero“. In: Krömer (Hg.): Spanien 1993, S. 131–147. Vgl. LINDORFER: Ritter. In: Röhsner (Hg.): Wallenstein 2009, S. 41. ÖStA, HHStA, StA Frankreich, Berichte und Weisungen 23 (1618–1659), 24 (1640–1669), 25 (1681–1687), 26 (1680–1699) und 27 (1701–1716). ÖStA, HHStA, StA Frankreich, Berichte und Weisungen 24, Wicka an Leopold I. 1669, f. 209v sowie 1667 VIII–IX, f. 14v, 18r, 25v, 74r und 1667 XI–XII, f. 53v. Vgl. SCHUMANN: Sonne 2003, S. 129–131. Vgl. Isabelle RICHEFORT: Présents diplomatiques et diffusion de l'image de Louis XIV. In: Lucien Bély (Hg.): L'invention de la diplomatie. Moyen Age – Temps modernes. Paris 1998, S. 265. Vgl. DROSTE: Diplomacy as a Means of Cultural Transfer. In: Scandinavian Journal of History 31/2 (2006), S. 145.
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nach Wien nahm in seiner Qualität und Quantität ab und beschränkte sich auf den Ankauf von Büchern und einigen wenigen Kulturgütern für die erste Frau Leopolds I. Margarita Teresa, einer geborenen Infantin von Spanien.109 Die Familienbande zu den spanischen Habsburgern in Madrid gestalteten sich ob der fehlenden Nachkommen zunehmend schwierig, Margarita Teresa war die letzte Spanierin in Wien. Verbindungen mit dem französischen Hof existierten darüber hinaus keine, Leopolds persönliche Einstellung den Bourbonen und der französischen Sprache und Kultur gegenüber verhinderten eine wirkliche Rezeption französischer Kultur in Wien auf offiziellem Wege. Die Biographie Karls VI. zeigt hierzu Parallelen.110 Der Antagonismus der beiden Herrscherhäuser spiegelte sich außerdem in den diplomatischen Beziehungen zwischen Paris und Wien wider. Er verhinderte wohl auch sonst übliche Gabentauschverhältnisse zwischen dem französischen Hof und dem kaiserlichen Gesandten.111 Wien unterhielt ständige Gesandtschaften ersten Ranges, also Botschafter, nur in Madrid, Rom, Venedig und Konstantinopel. Seit dem 16. Jahrhundert gab es eine mehr oder weniger festgelegte Hierarchie der Staaten, in der nach dem Papst und dem Kaiser, Frankreich vor Spanien, Portugal, Polen und England rangierte. Durch die Personalunion der deutschen Kaiserwürde und der spanischen Königskrone unter Karl V. genossen die spanischen Gesandten als Repräsentanten des Kaisers den Vorrang vor den französischen Gesandten und versuchten auch nach der Abdankung Karls V. diesen Status beizubehalten, was den bis ins 18. Jahrhundert geführten Präzedenzstreit zwischen Frankreich und Spanien auslöste.112 Ab dem 16. Jahrhundert wurde den spanischen Botschaftern in Wien im Sinne der Casa de Austria der Vortritt vor den französischen eingeräumt. In weiterer Konsequenz entsandte Frankreich, um das Rangproblem in Wien zu umgehen, stets nur Gesandte zweiten oder dritten Ranges nach Wien, also Envoyés, Abgesandte, Residenten oder Agenten. Wien überließ die diplomatischen Beziehungen zu Frankreich überhaupt lange Zeit großteils Spanien und schickte seinerseits ebenfalls nur Gesandte zweiten Ranges nach Paris. Nachdem der österreichische Gesandte 1635 mit dem Kriegseintritt Frankreichs aus Paris abberufen worden war, vertraten die Residenten Pater Georg 109 Vgl. Klaus MÜLLER: Das kaiserliche Gesandtschaftswesen im Jahrhundert nach dem Westfälischen Frieden (1648–1740). Bonn 1976, S. 295. Aufschluss könnte auch die Dissertation von Bianca Lindorfer geben, da sie den Kulturtransfer von Spanien nach Wien im 17. Jahrhundert über Diplomatische Korrespondenzen behandelt, diese war jedoch bis dato nicht einsehbar: Bianca M. Lindorfer: Cosmopolitan Arcistocracy and the Diffusion of Baroque Culture. Cultural Transfer from Spain to Austria in the Seventeenth Century. Florenz: Diss. 2009. 110 Vgl. SPIELMAN: Leopold I. 1981. RILL: Karl VI. 1992. 111 Von Thiessen stellte jüngst Gabentauschverhälntisse zwischen verfeindeten Höfen in Frage, vgl. Hillard von THIESSEN: Diplomatie vom type ancien. Überlegungen zu einem Idealtypus des frühneuzeitlichen Gesandtschaftswesens. In: Thiessen/Windler (Hg.): Akteure 2010, S. 498. 112 Vgl. ROHRSCHNEIDER: Präzedenzstreben. In: Francia 36 (2009), S. 135–179. Michael ROHRSCHNEIDER: Friedenskongress und Präzedenzstreit: Frankreich, Spanien und das Streben nach zeremoniellem Vorrang in Münster, Nijmege und Rijswijk (1643/44–1697). In: Kampmann/ Krause/Krems/Tischer (Hg.): Bourbon 2008, S. 228–240.
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Sigmund von Herberstein 1643,113 Walderode 1654 bis 1656 und Möller 1659 die kaiserlichen Interessen in Paris.114 1667 sah sich Wien anlässlich der offensiven Politik Frankreichs in den spanischen Angelegenheiten gezwungen, wieder einen Residenten nach Paris zu senden, Johann Franz von Wicka übernahm diese Aufgabe bis 1669, als er sich nach anhaltenden finanziellen und persönlichen Problemen115 aus dem Amt zurückzog. 1670 wurde Gottlieb Amadeus von Windischgrätz als außerordentlicher Gesandter nach Paris geschickt, um die Wiedereinsetzung Karls von Lothringens zu fordern. Sein forsches Auftreten während der Audienz bei Ludwig XIV. hinterließ jedoch keinen positiven Eindruck in Versailles.116 Erst nach dem Frieden von Nimwegen rang man sich in Wien durch, wieder einen Residenten, der dem hohen Adel angehörte, nach Paris zu schicken. Heinrich Franz von Mansfeld versuchte von 1680–1682 vergeblich mit Ludwig XIV. über dessen Réunionen zu verhandeln, 1682 bis 1685 kümmerte sich Mansfelds Sekretär Chassignet um die Berichterstattung, 1685 wurde dieser durch den Residenten Johann Friedrich Seilern abgelöst, der im selben Jahr wegen Rangstreitigkeiten mit Ludwig XIV. durch Wenzel Ferdinand von Lobkowitz als kaiserlichem Abgesandten ersetzt wurde.117 Lobkowitz blieb bis zum Ausbruch des Pfälzischen Erbfolgekrieges 1688 in Paris, danach wurde Philipp Ludwig Wenzel von Sinzendorf 1699 als extraordinari Abgesandter in Paris eingesetzt, der aber 1701 aufgrund des Spanischen Erbfolgekrieges das Land wieder verlassen musste.118 Nach dem Frieden von Utrecht wurde Joseph Lothar von Königsegg offiziell als Botschafter entsandt, dieser weilte aber nur 1718 wirklich in Paris119 und wurde bis 1719 von Christoph von Penterriedter vertreten, der von 1715 bis 1728 mit größeren Unterbrechungen immer wieder aus Paris Bericht erstattete.120 1726 wurde mit Stephan Wilhelm von Kinsky ein Botschafter nach Paris beordert, der länger als drei Jahre dort blieb.121 Erst der Friede von Utrecht machte eine ständige Vertretung der kaiserlichen Interessen im Rang eines Botschafters in Paris erforderlich. Bis dahin hatte man sich bis auf Mansfeld, Lobkowitz und Sinzendorf mit Gesandten zweiten Rangs beholfen, von denen viele nicht dem Wiener Hofadel angehörten und die zudem 113 ÖStA, HHStA, StA Frankreich, Berichte und Weisungen 23, Herberstein an Trautmannsdorf 1643. 114 Vgl. MÜLLER: Gesandtschaftswesen 1976, S. 60–61, 74–75. Leopold AUER: Diplomatisches Zeremoniell am Kaiserhof der Frühen Neuzeit: Perspektiven eines Forschungsthemas. In: Ralph Kauz/Giorgio Rota/Jan Paul Niederkorn (Hg.): Diplomatisches Zeremoniell in Europa und im mittleren Osten in der Frühen Neuzeit. Wien 2009, S. 49. Andreas PEČAR: Die Ökonomie der Ehre. Höfischer Adel am Kaiserhof Karls VI. Darmstadt 2003, S. 210–213. Jean BÉRENGER: La diplomatie impériale. In: Bély (Hg.): L'invention 1998, S. 125–138. 115 ÖStA, HHStA, StA Frankreich, Berichte und Weisungen 24, Wicka an Leopold I. 1667 VIII– IX, f. 35r–36r. 116 Vgl. WURZBACH: Biographisches Lexikon. Bd. 57 1889, S. 49. 117 Vgl. MÜLLER: Gesandtschaftswesen 1976, S. 123. 118 Vgl. COMMISSION (Hg.): Allgemeine Deutsche Biographie 1875–1912. Bd. 34, S. 408–412. 119 Vgl. COMMISSION (Hg.): Allgemeine Deutsche Biographie 1875–1912. Bd. 16, S. 523–525. 120 Vgl. COMMISSION (Hg.): Allgemeine Deutsche Biographie 1875–1912. Bd. 25, S. 361–362. 121 Vgl. WURZBACH: Biographisches Lexikon. Bd. 11 1864, S. 303–304.
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während ihrer kurzen Missionen kaum in der Lage waren, entsprechende Netzwerke in Paris und Versailles aufzubauen, sofern sie diese nicht hatten. Die kaiserlichen Gesandten in Paris eigneten sich daher nur beschränkt als Anlaufstelle für Adelige aus Wien, die sich für französische Kulturgüter interessierten. Vice versa gestaltete sich das Verhältnis des Wiener Hofes zu den französischen Gesandten zweiten Ranges. Der Rangstreit mit Spanien belastete den Umgang mit den französischen Envoyés permanent. Der Kaiser achtete darauf, dass spanische und französische Gesandte im Zeremoniell erst gar nicht aufeinandertrafen, denn dies konnte zu ernsthaften Auseinandersetzungen führen.122 Die französischen Gesandten versuchten jedoch ihre Präzedenz vor Spanien einzufordern und provozierten diesbezüglich teilweise Konflikte. Jacques Brethel de Grémonville, Sondergesandter von 1664 bis 1673, glaubte bei einer Hofveranstaltung in der zweiten Reihe unter der Hofgesellschaft Platz nehmen zu dürfen. Er musste unter Handgreiflichkeiten vom durchaus Frankreich-freundlichen Obersthofmeister Wenzel Eusebius von Lobkowitz entfernt werden.123 1682 ließ François Cadot Marquis de Sébeville in Wien eine Festdekoration anbringen, die aus einer Sonne mit Lilien bestand und die Aufschrift fulget ubique, „er strahlt überall“, trug.124 ClaudeLouis-Hector Marquis de Villars war 1698 für Verhandlungen über die spanische Erbfolge nach Wien gekommen. 1699 wollte er an einem zu Ehren der Vermählung von Erzherzog Joseph abgehaltenen Kammerfest teilnehmen, was ihm durch den Obersthofmeister Anton Florian von Liechtenstein verweigert wurde, da Envoyés nicht zugelassen waren und noch keine Antrittsaudienz beim Erzherzog statt gefunden hatte. Villars reagierte äußerst gekränkt und drohte mit der sofortigen Abreise, sollte keine Entschuldigung seitens Liechtensteins erfolgen. Der Vorfall zog angesichts der bevorstehenden ungelösten spanischen Erbfolge ernsthafte diplomatische Verstimmungen nach sich und beschäftigte zwei Hofkonferenzen sowie alle anderen anwesenden Botschafter in Wien.125 Trotz der angespannten Situation war es für Gesandte nicht unmöglich als Vermittler in kulturellen Angelegenheiten zu fungieren. 1681 berichtete Erzherzogin Eleonore, Herzogin von Lothringen, dass sie die Frau des französischen Gesandten aufsuchen werde, um zu sehen welche Raritäten und Moden sie aus Frankreich mitgebracht habe.126 Allerdings verliefen Transferprozesse im 17. und 18. Jahrhundert offensichtlich über private Wege und Kanäle. Kaufinformationen 122 1661 eskalierte der Rangstreit zwischen französischem und spanischem Botschafter in London, wo es zu einer Straßenschlacht mit etlichen Toten kam. Ludwig XIV. reklamierte daraufhin eine Entschuldigung vom spanischen König, verbunden mit der Anerkennung der französischen Präzedenz. Vgl. THIESSEN: Diplomatie. In: Thiessen/Windler (Hg.): Akteure 2010, S. 481. 123 Vgl. PEČAR: Ökonomie 2003, S. 240. 124 Vgl. Rouven PONS: Gesandte in Wien. Diplomatischer Alltag um 1700. In: Susanne Claudine Pils/Jan Paul Niederkorn (Hg.): Ein zweigeteilter Ort. Hof und Stadt in der frühen Neuzeit. Wien 2005, S. 172. 125 Vgl. PEČAR: Ökonomie 2003, S. 241–242. 126 ÖStA, AVA, Harrach 321, Korrespondenz Eleonora Erzherzogin an Johanna Theresia, Brief vom 2. Jän. 1681.
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und -aufträge wurden nicht mehr offiziell verbreitet, sondern in privaten Korrespondenzen weitergeleitet. Dies zeigt auch eine vergleichbare Studie zu Schweden im 17. Jahrhundert.127 Die private Korrespondenz der einzelnen Gesandten und Botschafter stellen dafür eine mögliche Fundgrube dar.128 Dies bedeutet, dass personale Netzwerke und ihre Erforschung um so mehr an Bedeutung für die Kulturtransferforschung erlangen. Das obige Beispiel zeigt auch, dass die Rolle der Frau als Vermittlerin und ihr soziales Netzwerk im Hinblick auf die Initiierung von Transferprozessen nach wie vor zu wenig beachtet wird. Im Verlauf des 17. Jahrhunderts war es üblich geworden, dass die Frau eines Botschafters ihren Mann auf seiner Mission begleitete. Sie nahm einen festen Platz im Gefolge einer Botschaft ein und genoss das Recht auf eigene Audienzen mit Zeremoniell bzw. bei niedrigerem Gesandtenrang zumindest auf eine Präsentation bei Hof.129 Schließlich muss auch erwähnt werden, dass der Diplomat des 17. und 18. Jahrhunderts Vermittler und Konsument zugleich war,130 was sich nicht in Korrespondenzen, sondern in Abrechnungen niederschlägt. Diese Thesen sollen im Folgenden anhand eines Beispiels verdeutlicht werden. Ferdinand Bonaventura von Harrach und seine Frau Johanna Theresia, geborene Lamberg, und ihre Gesandtschaftsreisen werden dabei im Zentrum der Untersuchung stehen. Harrach kehrte 1657 von seiner Kavalierstour aus Frankreich zurück. Seine erste diplomatische Mission führte ihn 1661 nach Spanien, wo er seine Frau Johanna Theresia von Lamberg, Tochter des kaiserlichen Botschafters Johann Maximilian von Lamberg in Madrid, kennenlernte und 1662 heiratete. Seine weiteren Gesandtschaften 1665, 1673 bis 1677 und 1697 bis 1698 hatten stets Madrid zum Ziel und die Frage der spanischen Erbfolge zum Inhalt.131 1669 allerdings reiste er für zwei Monate nach Paris an den Hof Ludwigs XIV., um Kaiser Leopolds Direktiven bezüglich seiner Patenschaft für den zweitgeborenen Sohn des Sonnenkönigs zu überbringen. Die Reise hatte somit höchsten politisch-diplomatischen Charakter.132 Während seines zweimonatigen Aufenthalts am Hof – es darf davon ausgegangen werden, dass Harrach auch dort untergebracht war oder zumindest königliches Personal in Anspruch nehmen durfte – stellte er die Weichen für seinen späteren Kulturkonsum aus Frankreich. Als Kammerdiener stellte man ihm Alexandre Bergeret zur Verfügung,133 mit dem der Graf bis zu seinem Tod 37 127 Vgl. Heiko DROSTE: Unternehmer in Sachen Kultur. Die Diplomaten Schwedens im 17. Jahrhundert. In: Fuchs/ Trakulhun (Hg.): Europa 2003, S. 205–226. 128 Neben dem Familienarchiv Harrach im Allgemeinen Verwaltungsarchiv des Österreichischen Staatsarchivs würde sich vor allem das Familienarchiv Lobkowitz in Roudnice nad Labem dafür eignen. Vgl. EDELMAYER: Gesandtschaftsberichte. In: Pauser/Scheutz/Winkelbauer (Hg.): Quellenkunde 2004, S. 855. 129 Vgl. MÜLLER: Gesandtschaftswesen 1976, S. 109. 130 Vgl. Lucien BÉLY: Espions et ambassadeurs au temps de Louis XIV. Paris 1990, S. 338–340. 131 Vgl. Katrin KELLER/Alessandro CATALANO: Die Diarien und Tagzettel des Kardinals Ernst Adalbert von Harrach (1598–1667). Wien/Köln/Weimar 2010, Bd. 1, S. 187–188. 132 ÖStA, AVA, Harrach 334, Frankreich 1664–1669, unfoliert. Hier finden sich neben Reiseabrechnungen auch lateinische Weisungen Leopolds I. und verschiedene Schriften auf Spanisch. 133 ÖStA, AVA, Harrach 677, Karl (1662–1684) Biographica, Instruktion für die Länderreise, unfoliert.
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Jahre lang in Korrespondenz stand. In dieser Zeit beriet der Franzose Harrach permanent in Fragen der Mode und der Repräsentation (vgl. Kap. 7 und 8) und übernahm darüber hinaus den Einkauf und den Versand nach Wien.134 Es zeichnet sich bereits hier ab, dass nicht mehr die Diplomaten selbst die eigentlichen Vermittlerfunktionen ausübten, wie dies im 16. Jahrhundert noch der Fall war, sondern diese wurden an fachkundige Personen delegiert und der Diplomat fungierte selbst verstärkt als Konsument. Harrach wohnte am 24. März 1669 der Taufe des Kindes bei. Taufen der enfants de France stellten neben dem religiös-familiären vor allem einen politischen Akt dar, zu deren Anlass spezielle Taufbecken aus der Sainte Chapelle de Vincennes verwendet wurden, die auf das Jahr 897 zurückgehen und eine Nachbildung jener Schale sein sollen, in der Clovis getauft worden war. Die Taufe unterstrich somit symbolisch die Verbindung der Bourbonen zu den Anfängen der Monarchie. Die Teilnahme und die Kleidung waren strickten zeremoniellen Vorgaben unterworfen.135 Für diesen Anlass ließ sich Harrach beim königlichen Schneider und Kammerdiener Roger Costar neu einkleiden und eine Reihe anderer Kleider anfertigen, die er nach Wien mitnahm. Die Abrechnung des Schneiders, datiert auf den Tag vor der Taufe, die sich auf über 677 fl. belief,136 ist deshalb von hoher Relevanz, da gerade um 1670 in Frankreich die Mode in der Männerbekleidung neue Akzente setzte. Statt der weiten Rheingrafenhose setzte sich der schlanke, eng anliegende Männerrock, genannt Justaucorps, durch, der bis zur Französischen Revolution die Männermode dominieren sollte.137 Harrach ließ von Costar einen besonders teuren und wertvollen Justaucorps aus blauem Moiré anfertigen, der für die Taufe gedacht war, was sich an der aufwendigen Verarbeitung und der Garnitur ablesen lässt. Moiré war ein schwerer Seidenstoff, der nach Damastart mit Blumenmuster auf einem Gros de Tours-Grund gewebt und in Tours und Lyon hergestellt wurde.138 Harrachs Justaucorps wurde mit rotem Taft gefüttert, mit silbernen und goldenen Borten und 60 Goldknöpfen verziert und mit einer Weste aus weißem Brokat und seidenen Hosen kombiniert. Dazu kamen silberne Spitzen zur Weste und ebensolche Manschetten zur Bluse, ein Gurt mit silbernen und goldenen Fransen, ein Castorhut mit Feder, ein Degen und Seidenstrümpfe. Darüber hinaus ließ Harrach zwei weitere Seidenkleider anfertigen, die ähnlich aufwendig mit Silber- und Goldfäden verziert waren, einen weiteren Justaucorps aus Tuch und Satin und ein schwarzes Kleid mit Mantel ebenfalls aus Seide und Taft. Mehrere Garnituren an seidenen, wollenen und baumwollenen Strümpfen vervollständigten den Einkauf.139 Strümpfe aus Baumwolle waren zu dieser Zeit noch eher ungewöhnlich, da die Trikotage von Baumwolle erst im 134 ÖStA, AVA, Harrach 217 und 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret. 135 Vgl. Frédérique LEFERME-FALGUIÈRES: Les courtisans: une société de spectacles sous l'Ancien Régime. Paris 2007, S. 95–105. 136 ÖStA, AVA, Harrach 334, Frankreich 1664–1669, unfoliert. 137 Vgl. BÖNSCH: Formengeschichte 2001, S. 153–166. 138 Vgl. KRÜNITZ: Enzyklopädie, Bd. 93, 1–335, http://www.kruenitz1.uni-trier.de/ [Stand 15.08.2010]. Alexandra FAU: Histoire des tissus en France. Rennes 2006, S. 18–19. 139 ÖStA, AVA, Harrach 334, Frankreich 1664–1669, unfoliert.
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18. Jahrhundert wirklich in Europa Verbreitung fand. Baumwolle wurde aber über Marseille nach Frankreich eingeführt und dort zu Strickwaren wie Strümpfen, Hauben und Ähnlichem verarbeitet.140 Die Herstellung von Strickwaren sowohl von Hand als auch protomaschinell war seit Beginn des 17. Jahrhunderts in Frankreich durch Techniktransfer aus England bekannt, 1650 verbesserten Londoner Stricker die Funktionsweise der maschinellen Trikotage, die durch Colberts Wirtschaftsspionage auch in Frankreich breit zum Einsatz kam.141 Baumwollstrümpfe waren also ein Produkt multipler kultureller Transferprozesse: Der Rohstoff kam aus Indien,142 die Technik aus England, das Endprodukt wurde als französisch angesehen. Besonders hervorzuheben sind ein Hut für seinen Sohn Karl und eine nach der neuesten Mode gekleidete und frisierte große Puppe. Auch in der Frauenbekleidung führte Frankreich ab 1670 Neuerungen ein. Große geraffte, taillierte Überkleider, der Manteau, wurden vorne geöffnet und ließen den Rock sichtbar werden. Dazu trug man Dekolleté, ein Mieder, Spitzenärmel und eine HurluberluFrisur, bei der die Haare beidseitig in große Lockenansammlungen gelegt wurden.143 Etwa diese Aufmachung dürfte die Puppe, die Harrach nach Wien mitbrachte, gehabt haben. Modepuppen aus Frankreich zu verschicken war in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nichts Neues, Ludwig XIV. versandte sie an alle europäischen Höfe zur Demonstration seines neuen Mode- und Repräsentationsstils.144 Auch Madame de Sévigné versprach ihrer Tochter, eine Puppe mit Hurluberlu-Frisur zur Anschauung zu verschicken.145 Die dahintersteckende Intention scheint klar, die Puppe sollte der Familie und möglicherweise auch weiteren Kreisen in Wien zur Betrachtung und Ansicht dienen. Der Vorbildcharakter solch einer Puppe gepaart mit dem Hauch der Neuheit und Rarität darf in der Verbreitung neuer Moden nicht unterschätzt werden, auch wenn die Puppe nicht mit den kostbarsten Stoffen ausgestattet war. Harrach könnte einer der ersten gewesen sein, der Justaucorps und Modepuppen 1669 in Wien verbreitete. Von 1673 bis 1676 war Ferdinand Bonaventura mit der diplomatischen Vertretung des Kaisers in Madrid betraut, wohin ihn seine Frau Johanna Theresia mit den Kindern begleitete. 1676 schickte er seine Familie nach Hause, um später selbst nachzukommen. Johanna Theresia reiste über Frankreich nach Wien, dabei machte sie im Oktober in der Seidenstadt Lyon Halt, wo sie weitreichende Ein140 Vgl. FAU: Histoire des tissus 2006, S. 14 und 48. 141 Vgl. Joan THIRSK: Knitting and Knitware, c. 1500–1780. In: David Jenkins: The Cambridge History of Western Textiles. Bd. 1. Cambridge 2003, S. 567–582. 142 Indien war im 17. Jahrhundert der größte Baumwollproduzent, die Waren wurden über alle europäischen Handelskompanien nach Europa verschifft, vgl. Beverly LEMIRE: Fashioning cottons: Asian trade, domestic industry and consumer demand, 1660–1780. In: Jenkins: History of Western Textiles 2003, S. 494. 143 Vgl. James LAVER: Histoire de la mode et du costume. Paris 1990, S. 110–112. 144 Vgl. Philip MANSEL: Dressed to Rule. Royal and Court Costume from Louis XIV. to Elizabeth II. New Haven/London 2005, S. 8–9. 145 Vgl. Richard CORSON: Fashions in Hair. The first five thousand years. 3. Aufl. London 1971, S. 228.
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käufe von Kleidern und Textilien tätigte. Dies ist um so verwunderlicher, als Johanna in Spanien aufwuchs, am Hof von Philipp IV. und Maria Anna von Österreich sozialisiert worden war146 und innerhalb der Ehe die spanischen Interessen weit konsequenter verfocht als ihr Mann. Insgesamt gab Johanna in Lyon über 728 fl. für die Anschaffung von Textilien und Kleidern aus, wobei nur 70 fl. auf die Löhne der Handwerker und der Rest auf die Rohmaterialien fielen, von denen der Großteil für den zu gründenden Haushalt in Wien bestimmt war.147 Zuvörderst ließ sie sich, die Kinder und die Hausangestellten, die mit ihr reisten, neu einkleiden, darunter ein legeres Kleid für zu Hause, mehrere Röcke und Mieder.148 Unter den Rohmaterialien rangierte als teuerster Posten Brokatstoff um 123 fl. Weiters kaufte sie Seide und Spitzen aller Art, Etamine (Mischgewebe aus Leinen und Wolle149), Serge (Mischgewebe aus Seide und Wolle), Barracan (Barchent, Mischgewebe aus Baumwolle und Leinen150) sowie Bänder aus Satin und gemustert in allen Farben, silberne und goldene Borten, Litzen und Knöpfe.151 Der Großteil der Textilien, vor allem Seide, Brokat, Barchent, Satin sowie Bänder und Borten waren Erzeugnisse, die direkt in Lyon hergestellt wurden.152 Die Anschaffungen der Gräfin waren so umfangreich, dass für den Weitertransport nach Wien extra eine neue Reisetruhe angeschafft werden musste, um die Textilien adäquat verstauen und verpacken zu können.153 Offensichtlich war der Bereich der Textilproduktion und die dazugehörenden Dienstleistungsbetriebe der Textilverarbeitung, Mode und Repräsentation eine der ersten Referenzen Frankreichs im Ausland und beim Wiener Adel (vgl. Kap. 5). Ferdinand Bonaventura von Harrach unterhielt 1683 Korrespondenz mit Chassignet, dem 1682 bis 1685 in Paris verbliebenen Sekretär des Gesandten Heinrich Franz von Mansfeld. Chassignets Karriere in Paris startete mit einer Inhaftierung in der Bastille. Er hatte 1682 mit einem Diener des Marquis de Sébeville Probleme bekommen und wurde für drei Monate arrestiert. Die Freilassung erfolgte im Zuge eines Gefangenenaustauschs. Ein französischer Spion, der in Wien inhaftiert war, wurde des Landes verwiesen, woraufhin auch Chassignet frei kam. Die Situation hätte Chassignet durchaus das Leben kosten können. Der französische Spion war nämlich in Wien zum Tode verurteilt worden und gleiches 146 Vgl. Susanne Claudine PILS: Schreiben über Stadt. Das Wien der Johanna Theresia Harrach 1639–1716. Wien 2002, S. 18–20. 147 ÖStA, AVA, Harrach 2979, Rechnungen Madrid und Varia, Spanien 1676, Reiserechnung nach Wien, unfoliert. 148 ÖStA, AVA, Harrach 2979, Rechnungen Madrid und Varia, Spanien 1676, Reiserechnung nach Wien, Nr. 5, 6, 8, unfoliert. 149 Vgl. KRÜNITZ: Enzyklopädie, Bd. 11, 450–897, http://www.kruenitz1.uni-trier.de/ [Stand 15.08.2010]. 150 Vgl. ZEDLER: Universallexicon 1731–1754, Bd. 3, S. 232 und Bd. 34, S. 64. 151 ÖStA, AVA, Harrach 2979, Rechnungen Madrid und Varia, Spanien 1676, Reiserechnung nach Wien, Nr. 1, 2, 3, 4, 7, unfoliert. 152 Vgl. PELLETIER/ROSSIAUD/BAYARD/CAYEZ: Lyon 2007, S. 478–505. FAU: Histoire des tissus 2006, S. 19. 153 ÖStA, AVA, Harrach 2979, Rechnungen Madrid und Varia, Spanien 1676, Reiserechnung nach Wien, unfoliert.
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befürchtete man auch für den österreichischen Sekretär.154 Nur drei direkte Briefe Chassignets an Harrach sind belegt, aus denen die vermittelnden Aufgaben des Sekretärs etwas klarer werden. Er unterrichtete Harrach in erster Linie darüber, wie sich die Botschafter und Gesandten anderer Souveräne verhielten. Als eindeutigen Nachteil empfand Chassignet, dass Ludwig XIV. 1683 seinen endgültigen Umzug nach Versailles vornahm und der Hof sich großteils nicht mehr in Paris aufhielt, was zu einem Informationsvakuum in der Hauptstadt führte. Darüber hinaus dokumentierte der Sekretär das Interesse französischer und schweizerischer Personen, in den Dienst des Kaisers überzutreten. Sein Unvermögen auf diese Anfragen antworten zu können, demonstriert die unzureichenden Kenntnisse und Kompetenzen eines Sekretärs, der mit den Aufgaben eines Gesandten oder Botschafters konfrontiert wurde. Unter diesen Interessenten befand sich auch eine Person, die besondere Kenntnisse in der Kunst des Feuerwerks habe, diese sei bereit gewesen, mit mehreren Arbeitern nach Wien zu kommen.155 Ob Harrach an der Vermittlung von Feuerwerksspezialisten interessiert war, lässt sich nicht mehr nachvollziehen, der Fall zeigt aber, welche Möglichkeiten selbst ein Sekretär in Paris bei der Anwerbung von qualifiziertem Fachpersonal hatte. Eine tatsächlich stattgefundene Vermittlung eines Ingenieurs an den Wiener Hof deutete Chassignet ebenfalls an.156 Die Korrespondenz mit Chassignet zeigt ein weiteres Mal, dass Kulturtransfer an der Wende zum 18. Jahrhundert verstärkt über die Netzwerke von Mittelsmännern funktionierte und weniger über den Adeligen vor Ort selbst, obwohl dies Vorteile hatte. Auf seiner letzten Gesandtschaftsreise nach Spanien 1697 bis 1698 nahm Ferdinand Bonaventura von Harrach die Rückreise über Frankreich und hielt sich etwa drei Wochen in Paris auf. Seinen gesamten Aufenthalt investierte er in den Kulturkonsum verschiedenster Art. Zum einen besuchte er die neuen Bauten Ludwigs XIV. in Marly, Saint-Cloud und Versailles,157 da diese weder 1657 noch 1669 schon standen sowie einige Stadtpaläste. Des Weiteren wohnte er einer Vorführung der Pariser Oper bei, die er mit der Wiener Oper verglich und die kaiserlichen Aufführungen für besser befand,158 und interessierte sich für eine Reihe von Künstlern und Kunsthandwerkern. Dabei entstanden unterschiedlich weitreichende Rezeptionsprozesse im Sinne einer Reisefolgenforschung. Einen ganzen Tag lang unterhielt sich Harrach in Paris mit dem Architekten Pierre Cottard über sein Haus in Wien und über den möglichen Bau eines Gartenpalais in Pruck. Cottard fertigte einige Zeichnungen und Risse an, die er Harrach mitgab.159 Das Projekt kam nie zur Ausführung, als sein Sohn Aloys Thomas Rai154 ÖStA, AVA, Harrach 677, Karl Biographica, Korrespondenz des Hofmeisters Bilek, Briefe vom 2. und 5. Okt. 9. Nov. 1682 und 22. Jän. 1683, sowie Korrespondenz des Ferdinand Bonaventura I. vom 10. Dez. 1682. 155 ÖStA, AVA, Harrach 223, Korrespondenz Chassignet, Brief vom 25. Juni 1683. 156 ÖStA, AVA, Harrach 223, Korrespondenz Chassignet, Brief vom 23. Aug. 1683. 157 ÖStA, AVA, Harrach Handschriften 134, Tagebuch Ferdinand Bonaventura, S. 476–478, 481–486 und 488–490. 158 ÖStA, AVA, Harrach Handschriften 134, Tagebuch Ferdinand Bonaventura, S. 463 159 ÖStA, AVA, Harrach Handschriften 134, Tagebuch Ferdinand Bonaventura, S. 487.
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mund aber an die Errichtung eines Gartenpalais in Wien dachte, holte auch er 1725 noch ohne konkrete Vorgaben Bauvorschläge und Pläne renommierter französischer Architekten ein, so von Haneteau d'Enghien und dem Lothringer Jean Nicolas Jenesson. Zum Zug kam schließlich Johann Lucas von Hildebrand als Hausarchitekt der Familie.160 Alexandre Bergeret, der sich auch 1698 um den Aufenthalt des Grafen in Paris kümmerte, veranlasste Harrach, den seit kurzem für seine Porträtmalereien bekannt gewordenen Hyacinthe Rigaud, einen Schüler von Charles Lebrun, aufzusuchen. Harrach besichtigte die Porträts des Königs, des Dauphins und des Prinzen Conti und ließ sich überzeugen, von Rigaud ein Gemälde für sein Haus in Wien anfertigen zu lassen. Drei Tage lang saß er Modell.161 Das Bild im Stil des bekannten Paradebildnisses von Ludwig XIV. kam mit Verspätung erst 1699 in Wien an162 und hängt heute in der Harrachschen Familiensammlung im Schlossmuseum Rohrau.163 Kupferstiche, Goldschmiedearbeiten, sogenannte „indianische“ Waren, Produkte aus Ebenholz und französische Kutschen und Wägen164 stießen ebenso auf die Besichtigungslust und das Interesse des Grafen in Paris. Tatsächlich kaufte Harrach vor allem exotische Luxusprodukte für sein Haus in Wien, so beispielsweise in einem Spezialgeschäft für Waren aus Ebenholz ein Brettspiel und 30 Teller.165 Ebenholz wurde seit dem 13. Jahrhundert aus Asien in kleinen Mengen nach Europa importiert, im 16. Jahrhundert steigerte sich der Import durch Portugiesen und Niederländer aus Ceylon, ab dem 17. Jahrhundert auch verstärkt durch die Franzosen aus Madagaskar und Île de France (Mauritius). Frühe Zentren der Kunsttischlerei für Luxusmöbel und Accessoires waren Antwerpen und Augsburg. In Frankreich wurde 1638 die Gilde der ébénistes-menuisiers gegründet. In weiterer Folge nahm das Gewerbe in Frankreich mit der Anwerbung niederländischer und deutscher Kunsthandwerker wie André Boulle unter Ludwig XIV. seinen bedeutenden Aufschwung.166 Ob Harrach Gegenstände aus afrikanischem oder asiatischem Ebenholz erwarb, kann nicht mehr festgestellt werden, auch wenn Madagaskar und Île de France als wahrscheinlich gelten. „Indianische“ Schreibtische kannte Harrach bereits aus Madrid. In Paris suchte er auch dafür ein Spezialgeschäft auf, kaufte aber ob der hohen Preise lediglich einen Ochsen aus Metall und mehrere écrans,167 das waren Feuerschirme, die zur Abdeckung von 160 Vgl. Wilhelm Georg RIZZI: Ein französisches Projekt für ein Gartenpalais der Familie Harrach. In: Wiener JB für Kunstgeschichte 34 (1981), S. 180–182. 161 ÖStA, AVA, Harrach Handschriften 134, Tagebuch Ferdinand Bonaventura, S. 464, 475, 480 und 491. 162 ÖStA, AVA, Harrach 774, Kunst und Wissenschaft, Rigaud, Brief vom 12. Mai 1699. 163 Vgl. Schloßmuseum Rohrau: Familiensammlung 2000, S. 13. 164 ÖStA, AVA, Harrach Handschriften 134, Tagebuch Ferdinand Bonaventura, S. 464, 465, 469 und 491. 165 ÖStA, AVA, Harrach Handschriften 134, Tagebuch Ferdinand Bonaventura, S. 465. 166 Vgl. Madeleine DOBIE: Orientalism, Colonialism, and Furniture in Eighteenth-Century France. In: Dena Goodman/Kathryn Norberg (Hg.): Furnishing the Eighteenth Century. New York/London 2007, S. 17. 167 ÖStA, AVA, Harrach Handschriften 134, Tagebuch Ferdinand Bonaventura, S. 464.
2.2 Gesandtschaftsreise
67
offenen Öfen, Kaminen und Herden dienten.168 Bei „indianischen“ Waren kann nicht davon ausgegangen werden, dass dies Importe aus den französischen Kolonien Amerikas waren. Gerade diese Feuerschirme wurden in Frankreich von den marchands-merciers, den Pariser Luxushändlern, entworfen, hergestellt und vertrieben.169 Lediglich das Design mutete „indianisch“ an, wobei zwischen Westund Ostindien kein Unterschied gemacht wurde. Schließlich kaufte Harrach auch einen französischen Wagen, eine chaise roulante. Frankreich war im 17. und 18. Jahrhundert durch technische Neuerungen federführend in der Produktion von Kutschen und repräsentativen Wagen geworden (vgl. Kap. 4.1). Harrachs Wagen, mit dem er anschließend die Rückreise nach Wien antrat, zeichnete sich durch eine sehr elastische Wagenaufhängung durch Federn und eine besondere Gabeldeichsel aus.170 Die Einkäufe Ferdinand Bonaventuras schienen diesmal wirklich alle Lebensbereiche zu umfassen, bisher hatten stets die Textilindustrie und die französische Mode im Vordergrund gestanden. Was Harrach bei seiner Kavalierstour noch fehlte, nämlich die Weitsicht, das Wissen, der Geschmack und die finanzielle Unabhängigkeit eines 60-jährigen weitgereisten Adeligen in hohen Ämtern schlug sich 1698 in seinen Einkäufen in Paris nieder. Dennoch fehlten Textilien und Moden auch dieses Mal nicht. Unter den zahlreichen Anschaffungen von Textilien sind jene hervorzuheben, die der Graf speziell für die bevorstehende Hochzeit des Römischen Königs und späteren Josephs I. in Wien tätigte, für die er tief in die Tasche griff: schwarz-goldener und blau-goldener Brokat für seine Frau und seine Tochter und einen ähnlichen Stoff für sich selbst, dazu für die Frauenkleider goldene Spitzen.171 Außerdem kaufte er zahlreiche Galanteriewaren wie Handschuhe, Borten, Fransen etc. und Kosmetikartikel wie Haarpflegemittel, Haarpuder, aber auch Hustenpastillen und eau de la reine,172 ein Riechwasser, das sowohl als Parfum als auch als Allheilmittel gegen verschiedene Unpässlichkeiten verwendet wurde.173 Nicht unwesentlich für den Haushalt in Wien ist die Anwerbung eines französischen Kochs und der Erwerb von zwei Dessertservices, davon eines in Silber.174 Gerade süße Desserts als letzter Teil in der Speisenfolge waren eine Errungenschaft, die auf grundlegende Veränderungen in der französischen Küche zurückzuführen waren (vgl. Kap. 6.2).175 168 Vgl. KRÜNITZ: Enzyklopädie, Bd. 10, 1–455, http://www.kruenitz1.uni-trier.de/ [Stand 15.08.2010]. 169 Vgl. SARGENTSON: Manufacture. In: Fox/Turner (Hg.): Luxury trades 1998, S. 111. 170 ÖStA, AVA, Harrach Handschriften 134, Tagebuch Ferdinand Bonaventura, S. 500 und 504. Sowie vgl. Rudolf H. WACKERNAGEL: Zur Geschichte der Kutsche bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. In: Wilhelm Treue (Hg.): Achse, Rad und Wagen. Fünftausend Jahre Kultur- und Technikgeschichte. Göttingen 1986, S. 222–227. 171 ÖStA, AVA, Harrach Handschriften 134, Tagebuch Ferdinand Bonaventura, S. 465 und 466. 172 ÖStA, AVA, Harrach Handschriften 134, Tagebuch Ferdinand Bonaventura, S. 469. 173 Vgl. Annick LE GUÉRER: Le Parfum. Des origines à nos jours. Paris 2005, S. 103, 146–148. 174 ÖStA, AVA, Harrach Handschriften 134, Tagebuch Ferdinand Bonaventura, S. 466 und 472. 175 Vgl. Jean-Louis FLANDRIN: L'ordre de succession des mets en France aux XVIIe et XVIIIe siècles. In: Lothar Kolmer/Christian Rohr (Hg.): Mahl und Repräsentation. Der Kult ums Essen. Paderborn/München/Wien [u.a.] 2000, S. 173–174.
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2 Kulturkonsum auf Reisen
Zählt man die Kavalierstour hinzu, so scheint es, als habe Harrach keine Gelegenheit ausgelassen, in Paris Luxuseinkäufe für sich und seinen Haushalt in Wien zu tätigen. Dazu musste er nicht als Botschafter nach Paris geschickt worden sein. Seine politischen Aufgaben in der spanischen Frage hinderten ihn nicht, auf Zwischenstationen in Frankreich persönlichen Neigungen und europäischen Kulturtrends nachzukommen. Was seine Reisen und Korrespondenzen für die kulturell-diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und Wien zeigen, ist, dass Kulturtransfer in dieser politisch-diplomatischen Konstellation zwischen Paris und Wien nicht im Auftrag des Kaisers und nicht auf offiziellen Wegen funktionierte, sondern dass der Adel die treibende Kraft war, der sich an persönlichen Vorlieben und internationalen Entwicklungen orientierte. Die Vermittlung wurde deshalb auch nicht in diplomatischen Korrespondenzen sichtbar, sondern im privaten Briefverkehr verschiedenster Adeliger und ihrer Korrespondenten in Frankreich, wodurch neue Netzwerke an Relevanz gewannen, wie etwa jenes von Alexandre Bergeret (vgl. Kap. 7 und 8). Dies sollte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch einmal ändern. Der Langzeitdiplomat Maria Theresias und Josephs II. in Paris, Florimond Claude Mercy-Argenteau, der von 1766 bis 1790 fast 25 Jahre lang die kaiserlichen Interessen in Paris vertrat, entwickelte sich trotz seiner introvertierten Persönlichkeit zum intensiven Vermittler zwischen Paris und Wien in vielerlei Angelegenheiten. Er warb zahlreiche französische Fachkräfte und Künstler aus den unterschiedlichsten Bereichen, von der Textilindustrie über das Ingenieurswesen bis hin zur Architektur, für Wien an. Er kümmerte sich um zahlreiche österreichische Studenten und Auszubildende, die in Frankreich ihr Wissen und ihre Künste erweitern wollten, leitete Wissen weiter und tätigte für das Kaiserhaus und den Staatskanzler Kaunitz Bücher- und Pflanzeneinkäufe. All dies schlug sich interessanterweise wieder in der offiziellen diplomatischen Korrespondenz nieder.176 Allerdings, und dies erklärt noch einmal die Situation im 17. und beginnenden 18. Jahrhundert, funktionierte Mercy-Argenteaus Vermittlung vor dem Hintergrund völlig veränderter politischer Gegebenheiten. Mit Franz I. Stephan war 1745 ein frankophoner Lothringer zum Kaiser gewählt geworden, dem nach seiner Hochzeit mit Erzherzogin Maria Theresia 1736 zahlreiche lothringische und frankophone Spezialisten unterschiedlicher Herkunft an den Wiener Hof folgten. Wenzel Anton von Kaunitz hatte das Renversement des alliances mit Frankreich lange betrieben und 1756 im Vertrag von Versailles zum Abschluss gebracht. Frankreich stellte nicht mehr länger eine Bedrohung für Österreich dar, sondern war zu einem Bündnispartner geworden und man unterhielt konfliktfreie diplomatische Beziehungen. Das Bündnis zwischen Frankreich und Österreich wurde 1757 und 1758 erneuert und die Annäherung zwischen Habsburgern und Bourbonen langte 1770 durch die Hochzeit des Dauphins Ludwig mit der österreichischen Erzherzogin Maria Antonia an einem Höhepunkt an. Die politischen Beziehungen zwischen Paris und Wien in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind vergleichbar mit jenen zwischen Madrid und Wien im 16. und 17. Jahrhundert, 176 Vgl. HIRSCHBERGER: Botschafter 1980.
2.2 Gesandtschaftsreise
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auch wenn die Allianz mit Frankreich lange nicht so vertieft werden konnte wie jene mit Madrid, die über Jahrhunderte bestanden hatte. Dennoch ist offensichtlich, dass politisches Klima und realpolitische Bündnisse sich direkt in der Anbahnung von kulturellen Transferprozessen niederschlugen und sowohl zu unterschiedlicher Intensität als auch zu unterschiedlichen Vermittlungsformen auf diplomatischer Ebene führten. Ebenso ist die Herrscherpersönlichkeit in dieser Frage zu berücksichtigen. Leopold I. zeigte weder an spanischen noch an französischen Kulturimporten in besonderer Weise Interesse. Schlussfolgerungen Bis ins 17. Jahrhundert hinein ergaben sich kulturelle Transferprozesse in Wien vorwiegend mit Spanien, der spanischen Kultur und ihren Luxus- und Exotikerzeugnissen aus der Neuen Welt. Gerade die Reisen der Familie Harrach zeigten, dass diese Konstante im Verlauf des 17. Jahrhunderts aufbrach und Frankreich als neue kulturelle Referenz hinzukam. In einigen Bereichen wie der Mode und Repräsentation entwickelte sich die französische Kultur sogar zur einzig rezipierten Version kulturellen Ausdrucks, was über die unzähligen Einkäufe von Textilien und die Inanspruchnahme von französischen Schneidern nicht nur durch die Familie Harrach dokumentierbar ist. Sowohl die Kavalierstour als auch die Gesandtschaftsreise stellten in erster Linie praktikable Möglichkeiten zum Kulturkonsum und zum Kulturtransfer dar, wobei beide Reiseformen nicht miteinander zu vergleichen sind. Die Kavalierstour als Vorform des Tourismus war eine Bildungsreise, die jeden jungen Adeligen führender Häuser beinahe zwangsweise nach Frankreich brachte, wo er sich das französische Bildungs-, Gesellschafts- und Repräsentationsideal aneignete. Kulturtransfer auf allen Ebenen war explizit intendiert und von der Familie zu Hause gewollt, auch wenn das Budget die Einkäufe und Anwerbungen der Kavaliere oft einschränkte. In den meisten Fällen gingen die Erwerbungen aber trotzdem über den täglichen Bedarf an Einkäufen hinaus, Warentransfers und Souvenirs zogen auch nach der Reise eine Auseinandersetzung mit dem Kulturmodell Frankreich nach sich. Gerade die Kavalierstour beeinflusste den österreichischen Adel und sein Selbstverständnis und Verhalten nachhaltiger, als dies die Literatur bisher dokumentierte. Für die Gesandtschaftsreise hingegen galten andere Regeln und Maßstäbe besonders im Fall Paris – Wien. Durch den Antagonismus der beiden regierenden Häuser waren die diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und Österreich an einem Tiefpunkt angelangt. Die Habsburgischen Kaiser hegten vor 1745 kein Interesse an kulturellem Austausch mit Paris. Die Botschafter, die der Kaiser an den französischen Hof entsandte, waren großteils Gesandte zweiten oder dritten Ranges, nicht aus dem Hofadel und blieben isoliert, sofern überhaupt Residenten nach Paris geschickt wurden. Der Kulturtransfer, der für die kaiserlichen Abgesandten in Madrid im 16. Jahrhundert belegt ist, fand in dieser Weise zwischen Paris und Wien überhaupt nicht statt. Die Praxis des Kulturtransfers vom 16. zum 17. Jahrhundert veränderte sich erheblich, dennoch entwickelten sich über Netz-
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2 Kulturkonsum auf Reisen
werke von Gesandten kulturelle Transferprozesse, die sich über weite Strecken in den privaten Bereich und die private Korrespondenz verlagerten. Im Zentrum stand der Wiener Hofadel als Konsument, der den realen Transfer zunehmend an fachkundige Vermittler oder Korrespondenten in Frankreich delegierte. Französische Textilien und Luxusartikel stießen dabei auf besonderes Interesse. Ferdinand Bonaventura von Harrach verkörperte als kaiserlicher Botschafter in Spanien politisch die Aufrechterhaltung der Casa de Austria und die familiären und politischen Verbindungen zwischen Spanien und Österreich, die auch kulturell ihren Niederschlag gefunden hatten. Dennoch war es gerade die Familie Harrach, die privat auch andere Wege in der Kulturrezeption beschritt. Besonders Ferdinand Bonaventura dürfte der französischen Kultur besonders viel abgewonnen haben können, was seine lebenslange Zusammenarbeit mit Alexandre Bergeret in kulturellen Angelegenheiten deutlich zeigt. Seine Gesandtschaftsreisen sind ein Beweis dafür, dass sich politische Loyalität zum habsburgischen Kaiserhaus und der Kulturkonsum in Frankreich nicht ausschlossen. Eine systematische Untersuchung weiterer Adelshäuser, die in dieser Intensität hier unterlassen werden muss, könnte dieser These eine profundere Basis zu Grunde legen. Kulturkonsum war nicht nur in Form von Waren und Produkten möglich, in vielen Bereichen war ein Wissenstransfer vonnöten, der oft nur über die Anwerbung von Fachkräften aus Frankreich herbeigeführt oder intensiviert werden konnte, wie es das Beispiel des französischen Bereiters und Stallmeisters für das Haus Liechtenstein zeigte. Französische Spezialisten oder High-Potentials, wie man heute sagen würde, migrierten meist dauerhaft nach Wien, ihre Geschichte wird Thema der nächsten vier Kapitel sein.
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FRANZÖSISCHSPRACHIGE MIGRANTINNEN IN WIEN: HERKUNFT UND EMIGRATIONSMOTIVE
Johanna Theresia von Harrach, Tochter des kaiserlichen Gesandten Johann Maximilian von Lamberg am spanischen Hof, musste sich 1677 von ihrem Vater bezüglich der von ihrem Mann angestellten Diener den Vorwurf machen lassen, statt Einheimischen oder Spaniern Franzosen zu beschäftigen: „dein her hadt franzosen zu kech zu guzi zu kamerdiener zu balwirer schau das er dir auch nit franzesisch kombt.“1 Dies war ihr auch schon von anderer Seite zu Ohren gekommen: „aber ich hab sohn offt geherdt das mir haben das hauß voller franzosen“2. Diese Zitate deuten den Paradigmenwechsel in der Anstellung von fremden Fachkräften durch den österreichischen Adel an. Die Anwerbung französischer Arbeitskräfte war auch für die Familie Khevenhüller zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein probates Mittel, ihren Kindern eine französische Erziehung angedeihen zu lassen. Gouvernanten aus Besançon waren dabei besonders beliebt, auch wenn dies nicht immer einfach zu arrangieren war. So schrieb der Khevenhüllersche Hofmeister: „il faut plus de tems et de mistere, pour faire venir une Gouvernante de Besancan.“3 Die Anwerbung sollte jedoch nicht das einzige Motiv für eine Emigration von Französinnen und Franzosen nach Wien darstellen. Besonders Lothringer und Burgunder aus der Franche-Comté wie auch Savoyer hatten ganz andere Gründe zur Auswanderung, die Frage nach den Emigrationsmotiven französischsprachiger Personen wird in der Folge nach regionalgeschichtlichen Aspekten behandelt werden. Bei der Betrachtung von kulturellen Transferprozessen im Ancien Régime ist den verschiedensten Vermittlungsinstanzen und im Speziellen der Person des kulturellen Mittlers besonderes Augenmerk zu schenken. Nicht nur Michel Espagne und Michael Werner als Vertreter der Kulturtransfertheorie weisen der realen Vermittlerpersönlichkeit einen eminent wichtigen Stellenwert innerhalb von kulturellen Transferprozessen zu: „Ihre jeweilige Rolle lässt sich sowohl singulärmonographisch wie auch gegebenenfalls von spezifischen Gruppenbildungen her beschreiben.“4 Auch die historische Migrationsforschung wies anhand von ausgesuchten Beispielen nach, dass Wissenstransfer und Innovationen weniger über das Rezipieren von Büchern, sondern viel mehr durch MigrantInnen und ihr angewandtes und kulturell kodiertes Wissen verbreitet wurden.5 Der Aspekt der Dislo1 2 3 4 5
ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel der Johanna Theresia vom 25. Aug. 1677. ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel der Johanna Theresia vom 25. Aug. 1677. ÖStA, HHStA, Khevenhüller, Kammer am Attersee, Fasz. 11, Umschlag Monnot, Brief 18 vom 6. Feb. 1717. ESPAGNE/WERNER: Kulturtransfer. In: Francia 13 (1985), S. 506. Innovationen im Bank- und Versicherungswesen sowie in Handel und Großgewerbe wurden in der frühen Neuzeit vor allem von italienischen und niederländischen MigrantInnen in Eu-
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3 Französischsprachige MigrantInnen in Wien: Herkunft und Emigrationsmotive
zierung ist für die Migrationsforschung ebenso grundlegend wie für den Kulturtransfer. MigrantInnen nehmen ihr in der Ausgangskultur vorgeprägtes, kulturell kodiertes und erlerntes Wissen, ihre andersartigen oder neuen Arbeitstechniken und eventuell sogar ihr Werkzeug mit und bringen all dies in einem Austauschprozess in die neue Umgebung ein. Die katalytische Rolle, die MigrantInnen als kulturelle Mittler einnehmen können, wird von der Forschung nach wie vor zu wenig beachtet,6 wofür die kulturelle Verankerung der MigrantInnen in ihrem Herkunftsland ausschlaggebend ist. Kulturelle Mittler wurden bisher von der Kulturtransferforschung zwar immer implizit berücksichtigt, aber selten als Motor für das Gelingen oder Scheitern von kulturellen Transferprozessen verstanden. Die Frage nach der Präsenz französischer Kultur in Wien ist daher in erster Linie die Frage nach den Französinnen und Franzosen in der Residenzstadt. Über sie ist bisher wenig bekannt, ihre Zahl und Bedeutung für das kulturelle Leben in Wien bis Maria Theresia ist bisher trotz Prinz Eugen als sekundär bewertet worden.7 Diese Einschätzung wird einer eingehenden Analyse nicht stand halten. Eine differenzierte Betrachtung von französischsprachigen ImmigrantInnen in Wien im Hinblick auf ihr Wanderungsverhalten, ihre Integration in Wien und ihre Möglichkeiten zu kulturellen Austauschprozessen in Wien ist das Ziel. Dabei werden Fragen nach Herkunft, Ausbildung, Profession, Arbeitgeber, Arbeitsumfeld und Heiratsverhalten beispielhaft beantwortet. Die Grundlage dieser Untersuchung bildet ein nach den gegebenen Möglichkeiten der Quellen- und Literaturauswertung8 quantitativ erfasster Pool an französischsprachigen Personen. Da die Da-
6
7 8
ropa verbreitet. Vgl. Heinz SCHILLING: Die frühneuzeitliche Konfessionsmigration. In: IMISBeiträge 20 (2002), S. 75–76. Vgl. zur Rolle der Zuwanderung: MITTERBAUER: Dynamik. In: Mitterbauer/Scherke (Hg.): Räume 2005, S. 111. Und zur katalytischen Rolle der Mittler: LÜSEBRINK: Kulturtransfer. In: Mitterbauer/Scherke (Hg.): Räume 2005, S. 33. SCHILLING: Konfessionsmigration. In: IMISBeiträge 20 (2002), S. 75. Vgl. AUER: Kaiserhof. In: Malettke/Grell/Holz (Hg.): Hofgesellschaft 2001, S. 395. Eine quantitativ lückenlose Erfassung von Französinnen und Franzosen in Wien ist aufgrund der Quellenlage nicht möglich. Die herangezogenen Quellenbestände und Literatur zeigen aber eine fundierte Datenmenge, die zu qualitativen Aussagen berechtigt. Folgende Quellenbestände wurden untersucht: Die Obersthofmeisteramtsprotokolle 1663–1713, die Obersthofmeisteramtsakten 1650–1710 sowie überwiegende Teile der Passbriefe und der Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien des Reichshofrates im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien; des weiteren ausgesuchte Quellen im Wiener Stadt- und Landesarchiv: Totenbeschauprotokolle, Testamente, Verlassenschaftsabhandlungen, Bürgereidbücher und Einzelakten aus dem Hauptarchiv; außerdem kleinere Bestände der Familienarchive Harrach und Khevenhüller-Metsch. Edierte Quellen: Herbert HAUPT: Von der Leidenschaft zum Schönen. Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein (1611–1684) Quellenband. Wien 1998. Herbert HAUPT: Kulturgeschichtliche Regesten aus den geheimen Kammerzahlamtsrechnungen Kaiser Josephs I. (1705–1711). In: MÖSTA 36 (1983). Herbert HAUPT: Kunst und Kultur in den Kameralzahlamtsbüchern Kaiser Karls VI. Teil I: Die Jahre 1715–1727. In: MÖSTA Erg. Bd. 12 (1993). Quellenauswertungen des Haus-, Hof- und Staatsarchiv auf Basis der Hofzahlamtsbücher, Hofstaatsverzeichnisse, Trauungsmatriken, Testamente, Adelsakten und Akten der Hofämter zum Hofstaat Kaiser Leopold I. des HHStA und des Wiener Stadt- und Landesarchivs vgl. http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx [Stand: 15.09.2009]. Literatur:
3 Französischsprachige MigrantInnen in Wien: Herkunft und Emigrationsmotive
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tenmenge und die Aussagekraft der Daten von Fall zu Fall stark variieren,9 können Fragen nach dem Wanderungs- und Heiratsverhalten und nach der Integration nur auf einer qualitativen Ebene beantwortet werden. Quantitative Aussagen werden nur im Bereich der Berufssparten französischsprachiger MigrantInnen und ihrer Arbeitgeber abgeleitet. Über die Zahl der Französinnen und Franzosen in Wien an der Wende zum 18. Jahrhundert gibt es bis dato wenig Referenzmaterial. Fest steht, dass Wien in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, verstärkt nach dem Ende der zweiten Türkenbelagerung, und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein enormes Bevölkerungswachstum erlebte, das auch die Sozialstruktur der Stadt an der Wende zum 18. Jahrhundert grundlegend veränderte. Die Wandlung Wiens zur dauerhaften Residenz der Habsburger zog die Etablierung des Hofstaats und eines zentralen Behörden- und Verwaltungsapparates nach sich. Da der Hof eine Fülle von repräsentativen und administrativen Aufgaben zu bewältigen hatte, stellte er einen Brennpunkt dar, der neben den großen Adelsfamilien, die sich mit zahlreichen Palaisbauten in der Nähe der Hofburg niederließen, auch eine Vielzahl von Händlern, Künstlern, Handwerkern und Kleingewerbetreibenden anzog. Alles in allem kam es zu einem gewaltigen Bevölkerungswachstum: Rund 29.000 Einwohner lebten um 1600 in Wien, 70 Jahre später, kurz vor der zweiten Türkenbelagerung, waren es bereits 80.000 und um 1700 zählte Wien ca. 114.000 Menschen. Dieser Wert sollte sich im Laufe der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch einmal beträchtlich erhöhen auf 175.000.10 Das Bevölkerungswachstum ist größtenteils auf Migration zurückzuführen. Sie wurde bedingt durch eine hohe Fluktuation in vielen Handwerkszweigen und die Arbeitsmigration des Hofgesindes und der Hofbediensteten. Mehr als die Hälfte der Wiener Bevölkerung des 18. Jahrhunderts war nicht in Wien geboren worden.11 Dabei spielten Französinnen und Franzosen jedoch zahlenmäßig eine untergeordnete Rolle, der Großteil der Zuwandernden kam aus den österreichischen Erblanden, aus dem ober- und westdeutschen sowie aus dem süd- und osteuropäiHerbert HAUPT: Das Hof- und hofbefreite Handwerk im barocken Wien 1620 bis 1770. Ein Handbuch. Innsbruck/Wien 2007. 9 Die Quellenlage zur Bevölkerungsgeschichte und ihren Bewegungsmassen lässt vor der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine nur „lückenhafte“ Datenerfassung zu. Vgl. Christian PFISTER: Bevölkerungsgeschichte und historische Demographie 1500–1800. München 1994, S. 4. Wilfried REININGHAUS: Wanderungen von Handwerkern zwischen hohem Mittelalter und Industrialisierung. In: Gerhard Jaritz/Albert Müller (Hg.): Migration in der Feudalgesellschaft. Frankfurt/New York 1988, S. 181–182. 10 Vgl. Sylvia HAHN: Österreich. In: Klaus J. Bade/Pieter C. Emmer/Leo Lucassen/Jochen Oltmer (Hg.): Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Paderborn [u. a.] 2007, S. 172–173. Ehmers Werte für die Wiener Bevölkerung liegen etwas unter jenen von Hahn: 1700: 100.000 Einwohner und 1750: 170.000 Einwohner, vgl. Josef EHMER: Wien und seine Handwerker im 18. Jahrhundert. In: Karl Heinrich Kaufhold/Wilffried Reininghaus (Hg.): Stadt und Handwerk in Mittelalter und Früher Neuzeit. Köln/Weimar/Wien 2000, S. 196. 11 Vgl. Thomas BUCHNER: Möglichkeiten von Zunft. Wiener und Amsterdamer Zünfte im Vergleich (17.–18. Jahrhundert). Wien 2004, S. 133.
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3 Französischsprachige MigrantInnen in Wien: Herkunft und Emigrationsmotive
schen Raum. Um 1742 beispielsweise sind Werte für die Herkunft der nicht in Wien geborenen bürgerlich Gewerbetreibenden bekannt. Hier scheinen 13 Franzosen auf, was 1,6% aller aus dem Ausland Kommenden sind.12 Von den bürgerlichen Handwerkern und Händlern sind jedoch die Hof- und hofbefreiten Handwerker zu unterscheiden. Hof- und Hofbefreite waren Gewerbetreibende, die entweder direkt Anstellung am Hof fanden oder über ein Privileg, die Hofbefreiung, in Wien eine Werkstätte führten. Unter ihnen waren Fremde zahlenmäßig stärker vertreten, da der Hof Ausländern durch die Zunftbefreiung gesteigerte Möglichkeiten zur Existenzgründung bot. Umgekehrt nutzte der Kaiser die Hofbefreiung, um gut ausgebildete und qualifizierte Fachkräfte, die in der Regel aus Italien, Frankreich und den Niederlanden kamen, anzuwerben.13 Der Hof als Arbeitgeber ist nicht zu unterschätzen, denn die vom Hof initiierte lokal wirksame Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen wird im Wien des ausgehenden 17. Jahrhunderts auf 750.000 fl. geschätzt, ein Wert, der die nicht höfische Nachfrage in jedem Fall überstieg.14 Für den Zeitraum 1620–1770 veranschlagt Haupt von 329 Hofbefreiten mit eindeutig gesicherter Herkunft 20 aus Frankreich, das sind 6,5%.15 Insgesamt jedoch wird von 1.100 fremd- und deutschsprachigen Ausländern ausgegangen (25% der gesamten Hofbefreiten), davon kamen 492 Personen nicht aus dem deutschen Sprachraum (~11% der gesamten Hofbefreiten). Unter diesen 492 Personen nicht deutscher Muttersprache fanden sich 142 Personen vermutlich französischer Muttersprache, was 3,2% aller Hofbefreiten oder 28,9%16 jener mit nicht deutscher Muttersprache sind.17 Französinnen und Franzosen bzw. französischsprachige MigrantInnen bildeten nach den ItalienerInnen die stärkste Einwanderungsgruppe der Hofbefreiten mit nicht deutscher Muttersprache, ein Grund, sie und andere französischsprachige MigrantInnen, die in Wien fassbar waren, zu untersuchen. Dabei werden in einem ersten Schritt die Methoden der Datenerfassung und Bewertung dargelegt, welche die Grundlagen für die Untersuchung der regionalen Herkunft und der Auswanderungsmotive bilden. Nach einem Überblick über die Herkunftsorte französischsprachiger MigrantInnen in Wien werden die wichtigsten Herkunftsregionen und die damit einhergehenden Emigrationsmotive genauer analysiert.
12 Vgl. Annemarie STEIDL: Auf nach Wien! Die Mobilität des mitteleuropäischen Handwerks im 18. und 19. Jahrhundert am Beispiel der Haupt- und Residenzstadt. Wien 2003, S. 64. 13 Vgl. HAHN: Österreich. In: Bade/Emmer/Lucassen/Oltmer (Hg.): Enzyklopädie Migration 2007, S. 173–176. 14 Vgl. Andreas WEIGL: Die Bedeutung des Wiener Hofes für die städtische Ökonomie in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts. In: Pils/Niederkorn (Hg.): Ein zweigeteilter Ort? 2005, S. 69. 15 Im Vergleich zu 36% aus dem Deutschen Reich, 22,5% aus den Habsburgischen Erblanden, 14% aus Italien und 9,5% aus den südlichen Niederlanden. 16 Im Vergleich zu 45,9% Italienern (226 absolut), 12,6% Flamen (62 absolut), 3,7% Spaniern (18 absolut) und 8,9% anderen (44 absolut). 17 Vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 61–74.
3.1 Theorie, Methoden der Datenerfassung und Überblick
3.1
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THEORIE, METHODEN DER DATENERFASSUNG UND ÜBERBLICK
Paris, Blois, Lyon, Clermont-Ferrand, Aubusson im Limousin, Valence und Grasse in der Provence, Nantes, die Bretagne, Monchalon in der Normandie, Armentières und Grivasne in der Picardie, Besançon, Nancy, Metz und Neuville in Lothringen sowie Brüssel, Luxemburg und Sallanches in Savoyen: Die Herkunftsorte der französischsprachigen ImmigrantInnen in Wien zeigen eine breite West-Ost- und Nord-Süd-Verteilung im französischen Sprachraum. Obwohl Frankreich in der Frühen Neuzeit eine Reihe unterschiedlich motivierter und zahlenmäßig sehr divergenter Emigrationen kannte, gilt es in der Historiographie nicht als ausgesprochenes Auswanderungsland. Moch erklärt die im Vergleich zu England zögerliche französische Auswanderung mit der höheren Abgabenpflicht der ländlichen Bevölkerung. Dadurch konnten sich auch kleine Grundbesitzer bis ins 18. Jahrhundert halten. Insgesamt behaupteten sich die ländlichen Grundbesitzer aller Schichten in Frankreich wirtschaftlich relativ gut und geografisch stabil und wiesen ein geringes Bevölkerungswachstum auf, wodurch Emigration hätte virulent werden können.18 Neben den 160.000–170.000 Hugenotten, die in mehreren Wellen Frankreich zwischen 1680 und 1705 verließen, ist vor allem die Auswanderung in die französischen Kolonien zu nennen. Während etwa 200.000– 300.000 Französinnen und Franzosen die Antillen19 als Migrationsziel wählten, litten die nordamerikanischen Kolonien stets unter der nur schleppend vorangehenden Besiedelung. Geschätzten 33.000–70.000 französischen EmigrantInnen in Kanada, Acadie und Louisiane standen etwa 700.000 englische ImmigrantInnen in den 13 Kolonien in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gegenüber.20 Daneben kennt Jean-Pierre Poussou für das 18. Jahrhundert noch etwa 3.000–5.000 Franzosen jährlich, die meist nur temporär in andere europäische Staaten, ins Reich, nach Italien, Spanien und in die Schweiz auswanderten, darunter vor allem Lothringer, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Ungarn und im Banat angesiedelt wurden.21 Wien oder die österreichischen Erblande galten laut bisheriger Geschichtsschreibung weder als Zielland hugenottischer noch anderer französischer Emigration.
18 Vgl. Leslie Page MOCH: Moving Europeans. Migration in Western Europe since 1650. 2. Aufl. Bloomington/Indianapolis 2003, S. 10. 19 Die Schätzungen für die Antillen im 17./18. Jahrhundert gehen weit auseinander, die frühere Geschichtsschreibung ging von 200.000 Einwanderern aus. Vgl. Jean-Pierre POUSSOU: Mobilité et Migrations. In: Jacques Dupâquier (Hg.): Histoire de la population française. Bd. 2. Paris 1995, S. 127–128. Neueste Zahlen liegen bei 300.000, vgl. Gilles HAVARD/Cécile VIDAL: Histoire de l'Amérique française. 2. Aufl. Paris 2008, S. 205. 20 Schätzungen für die Besiedelung der Nouvelle France divergieren extrem: Moogk spricht von 37.000 vgl. Peter MOOGK: Manon's Fellow Exiles: Emigration from France to North America before 1763. In: Nicholas Canny (Hg.): Europeans on the Move. Oxford 1994, S. 252. Mario Boleda nennt 33.500 ImmigrantInnen als realistisch, während Leslie Choquette von 70.000 ausgeht, vgl. HAVARD/VIDAL: Histoire de l'Amérique 2008, S. 205. 21 Vgl. POUSSOU: Mobilité. In: Dupâquier (Hg.): Histoire de la Population 1995, S. 132–133.
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3 Französischsprachige MigrantInnen in Wien: Herkunft und Emigrationsmotive
Bei der Beschreibung von MigrantInnen als Mittler für kulturelle Transferprozesse steht der kulturelle Input an Werten, Fähigkeiten und Fertigkeiten der migrierenden Personen im Mittelpunkt der Betrachtung. Die Kulturtransferforschung verweist darauf, dass Transferprozesse nicht von der Quantität der MigrantInnen abhängen, sondern von der Qualität ihrer kulturellen Kodierung.22 Somit steht die Kulturtransfertheorie auch im Vergleich zur rezenten Migrationsforschung für einen positiv besetzten Migrationsbegriff, der die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Empfängerkultur durch die MigrantInnen betont, anstatt Migration als Problem oder Kosten-Nutzen-Rechnung zu begreifen.23 Bereits eine einzige Person kann durch ihr angewandtes Wissen und ihre Fertigkeiten im Empfängerland kulturelle Veränderungen herbeiführen. Dafür ausschlaggebend ist die Herkunft der MigrantInnen, da sie die kulturelle Prägung der Immigrierenden vorgibt und damit einhergehend ihre Motivation zur Auswanderung. Die Emigrationsmotive der französischen MigrantInnen in Wien tragen zum Verständnis kultureller Transferprozesse zwischen Frankreich und Wien und der dabei vermittelten Kultur bei. Unter dem von Patrick Manning jüngst eingeführten Begriff crosscommunity migration24 zeichnet sich diesbezüglich auch in der historischen Migrationsforschung ein Paradigmenwechsel ab. Nicht das Wanderungsgeschehen großer MigrantInnenströme und seine Bedeutung für die Sozialgeschichte stehen im Forschungsinteresse, wie es etwa die sozialhistorische Migrationsforschung fordert,25 sondern individuelles Migrationsverhalten und die durch Migration hervorgerufenen Veränderungen menschlichen Daseins. Migration als Ausdrucksform menschlichen Verhaltens wird so zum Ausgangspunkt sprachlichen und kulturellen Wandels: „[migration] is a story of the transformation of human life again and again“26. Die Frage nach den Emigrationsgründen für Französinnen und Franzosen im 17. und 18. Jahrhundert ist für die Erforschung der Mittlerpersönlichkeiten zwischen Paris und Wien nicht unwesentlich, da die Emigrationsmotive Aufschluss darüber geben, welche kulturelle Kodierung französischsprachige MigrantInnen nach Wien transferierten. Wien galt nicht als bevorzugtes Ziel französischer Emigration, daher bedurfte es triftiger Gründe oder Anreize für die Auswanderung. Die historische Migrationsforschung kennt diesbezüglich eine lange Tradition an Theorie- und Methodendiskussion,27 die im selben Maße vielfältig und 22 Vgl. Michel ESPAGNE: Minderheiten und Migration im Kulturtransfer. In: Höpel/Middell (Hg.): Réfugiés 1997, S. 248. 23 Ein Paradigmenwechsel im Bezug auf die Sichtweise von Migration kündigt sich in Wissenschaft und Politik an. Vgl. Elisabeth BECK-GERNSHEIM: Wir und die Anderen. Frankfurt am Main 2004, S. 10–17 und S. 156–158. 24 Vgl. Patrick MANNING: Migration in World History. New York/London 2008, S. 6–11. 25 Vgl. Klaus J. BADE: Sozialhistorische Migrationsforschung. Göttingen 2004, S. 13–25. 26 MANNING: Migration 2008, S. 6. 27 Einen Überblick geben beispielsweise Christiane HARZIG/Dirk HOERDER/Donna GABACCIA: What is Migration History? Cambridge/Malden 2009, S. 53–114. Sylvia HAHN: Migration – Arbeit – Geschlecht. Arbeitsmigration in Mitteleuropa vom 17. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Göttingen 2008, S. 21–94. Christof PARNREITER: Theorien und Forschungsansätze
3.1 Theorie, Methoden der Datenerfassung und Überblick
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komplex ist wie das Phänomen Migration selbst.28 Aus diesem Grund erscheint ein Methodenmix durchaus zielführend.29 Für die Bewertung der Emigrationsmotive der Französinnen und Franzosen in Wien eignen sich sozial- und wirtschaftshistorische Herangehensweisen,30 in erster Linie die Erklärung von Migration anhand des erweiterten Push-Pull-Modells. Das von der neoklassischen Ökonomie angeregte Modell von Push- und Pull-Faktoren erklärte Migration ursprünglich mit dem Einkommensunterschied am Arbeitsmarkt. Da diese Sichtweise Migration jedoch nicht hinreichend erklären kann, wurde das Modell immer wieder angepasst. Es beschreibt prinzipielle Überlegungen und Gründe von Migration. PushFaktoren können in als gesellschaftlich oder wirtschaftlich negativ oder einschränkend empfundenen Rahmenbedingungen liegen, in Krieg, in einer fehlenden Lebensgrundlage, in zu niedrigen Löhnen oder in Perspektivenlosigkeit.31 Diese Push-Faktoren können in subsistence und betterment migration32 unterschieden werden. Allerdings ist die Grenze zwischen Personen, die wandern, um ihre Existenz zu sichern, und Menschen, die ihre finanzielle oder arbeitsmarkttechnische Situation verbessern wollen, fließend. Die Willkürlichkeit und begriffliche Unklarheit solcher Einteilungen wird zunehmend von der Migrationssoziologie erkannt.33 Jeder Migrierende sucht schließlich seine individuelle Lebenssituation zu verbessern. Pull-Faktoren wiederum erklären Migration anhand von als besser vermuteten Lebens- und Arbeitsbedingungen in einem anderen Land oder Kulturraum. Recruitment-Strategien (Anwerbung) am Arbeitsmarkt und die Wichtigkeit von familiären oder kollegialen Netzwerken, die positive Anreize für
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zu Migration. In: Karl Husa/Christof Parnreiter/Irene Stacher (Hg.): Internationale Migration. Die globale Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Frankfurt/Wien 2000, S. 25–52. Oder der Sammelband: Jan LUCASSEN/Leo LUCASSEN (Hg.): Migration, Migration History, History. Old Paradigms and New Perspectives. Bern/Berlin/Frankfurt [u.a.] 1999. Vgl. MOCH: Moving Europeans 2003, S. 18. Ein Methoden-Mix wird zum Beispiel empfohlen von STEIDL: Auf nach Wien! 2003, S. 30– 37. Mark HÄBERLEIN/Martin ZÜRN: Minderheiten als Problem der historischen Forschung. In: Mark Häberlein/Martin Zürn (Hg.): Minderheiten, Obrigkeit und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit. St. Katharinen 2001, S. 26. PARNREITER: Theorien. In: Husa/Parnreiter/Stacher (Hg.): Internationale Migration 2000, S. 26. Für eine interdisziplinäre und multiperspektivische Herangehensweise an Migration plädieren: Dirk HOERDER: Cultures in Contact. World Migrations in the Second Millennium. Durham/London 2002, S. 8–21. Leslie P. MOCH/James H. JACKSON: Migration and the Social History of Modern Europe. In: Historical Methods 22/1 (1989), S. 27–36. Vgl. Leo LUCASSEN: Southeast Europe and the need for a comparative history of migration and membership. In: Helmut Konrad/Stefan Benedik (Hg.): Mapping Contemporary History II. Wien/Köln/Weimar 2010, S. 125–129. Vgl. Dirk HOERDER/Leo LUCASSEN/Jan LUCASSEN: Terminologien und Konzepte in der Migrationsforschung. In: Bade/Emmer/Lucassen/Oltmer (Hg.): Enzyklopädie Migration 2007, S. 32. Vgl. Jan LUCASSEN/Leo LUCASSEN: Migration, Migration History, History: Old Paradigms and New Perspectives. In: Lucassen/Lucassen (Hg.): Migration 1999, S. 18–19. Vgl. Ingrid OSWALD: Migrationssoziologie. Konstanz 2007, S. 73–74.
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3 Französischsprachige MigrantInnen in Wien: Herkunft und Emigrationsmotive
Migration schaffen, sind für das Zustandekommen von Migration ebenso zu berücksichtigen.34 Bei der Zusammenstellung des Personenpools, der in der Folge als französischsprachig gilt, müssen einige Bemerkungen zu den verwendeten Methoden vorweggenommen werden. In erster Linie muss darauf hingewiesen werden, dass aufgrund der hier verwendeten Quellen die genaue Herkunft aller berücksichtigten Personen nicht genau eruiert werden kann.35 Für 74 der 131 dokumentierten Personen ist die französische Herkunft (inkl. Lothringen) nachweisbar, jeweils zwei Personen kommen aus Brüssel und Dünkirchen, eine aus Luxemburg, vermutlich 13 aus Savoyen, 39 Personen verbleiben mit ungesicherter Herkunft. Da die Galloromania (das Verbreitungsgebiet des Französischen und seiner Regionalsprachen) im 17. und 18. Jahrhundert neben Frankreich wie heute auch die südlichen Niederlande, Lothringen und die Franche-Comté und in den Sprachkontaktzonen auch Savoyen, aber nur teilweise das Elsaß umschloss, ist es schwierig eine genaue territorial-herrschaftliche Unterscheidung zu treffen. Zumal Frankreich zwischen 1630 und 1730 vor allem durch die Reunionspolitik Ludwigs XIV. wichtige territoriale Erwerbungen in diesen Sprachkontaktzonen machte bzw. bestimmte Gebiete wie Lothringen dauerhaft besetzte.36 Teile Savoyens beispielsweise sprachen Frankoprovenzalisch, eine Sprachvarietät, die sich in einigen Gebieten bis heute erhalten hat. Nachdem die Sprache aber identitätsstiftend und ein Ausdruck von Kultur ist37 und sowohl Lothringen und Flandern wie auch Sa34 Vgl. HARZIG/HOERDER/GABACCIA: Migration History 2009, S. 76–83. 35 Auf dieses Problemfeld weisen auch Bade und Haupt hin. Vgl. BADE: Sozialhistorische Migrationsforschung 2004, S. 19. HAUPT: Handwerk 2007, S. 68. 36 1648, Westfälischer Friede: Anerkennung der vollen Souveränität Frankreichs über die drei Bistümer Metz, Toul, Verdun sowie die österreichischen Besitzungen und Rechte im Elsaß (Vogtei über 10 Reichsstädte, Sundgau) und Breisach, Philippsburg und Pinerolo. 1659, Pyrenäenfrieden: Neben der Cerdagne und Roussillon erhielt Frankreich vor allem das Artois (ohne Aire und Saint-Omer), Teile Flanderns, des Hennegaus und Luxemburgs. 1668, Frieden von Aachen: Frankreich erwarb in den Spanischen Niederlanden die Städte Charleroi, Binache, Ath, Douai, Lille, Armentières, Courtrai, Tournai, Bergues, Furnes, Menin und Oudenaarde. 1670–1697, Besetzung Lothringens, nachdem es bereits 1633–1661 besetzt worden war. 1678, Friede von Nimwegen: Frankreich erhielt die Freigrafschaft Burgund (Franche-Comté). Ab 1681 Reunionspolitik beginnend mit der Annexion Straßburgs, 1684 Besetzung Luxemburgs; 1697, Friede von Rijswijk: das Elsaß wurde französisch, andere zuvor erlangte Eroberungen mussten aber restituiert werden. 1714, Friede von Rastatt: Restitution von Breisach, Freiburg und Kehl sowie 1713 in Utrecht Teile Flanderns. 1735, Präliminärfrieden von Wien: Lothringen und Bar gelangten unter französische Verwaltung. Vgl. Klaus MALETTKE: Die Bourbonen. Bd. 1: Von Heinrich IV. bis Ludwig XIV. 1589– 1715. Stuttgart 2008, S. 153–154, 162–163, 214–215, 224–225 und 238–239. Jean MEYER: Geschichte Frankreichs. Bd. 3: Frankreich im Zeitalter des Absolutismus 1515–1789. Stuttgart 1990, S. 513. 37 Vgl. Peter BURKE: Languages and Communities in Early Modern Europe. Cambridge 2004, S. 5–7, 160–162.
3.1 Theorie, Methoden der Datenerfassung und Überblick
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voyen kulturell mit Frankreich in einem Austauschverhältnis standen, wird der Sprachraum des Französischen als Grundlage und Repräsentant französischer Kultur gewertet. Besonders Fachkräfte aus Brüssel wurden von Zeitgenossen als französisch subsumiert. Dies zeigt das Beispiel Martin Tourneville, Buchbinder aus Brüssel, der ab 1714 neben Etienne Boyet aus Paris für Prinz Eugen zu arbeiten begann. Lady Mary Wortley Montagu berichtete über Tourneville und Boyet 1717 nach ihrem Wienaufenthalt, dass Prinz Eugen „zwei der berühmtesten Pariser Buchbinder“38 für seine Bibliothek verpflichten konnte. Darüber hinaus werden einige Beispiele zeigen, dass Personen aus den französischsprachigen Reichsgebieten in Wien und am Hof als Fremde wahrgenommen wurden. Reichszugehörigkeit war insofern kein Kriterium für die Zugehörigkeit zum Hof oder zur Mehrheitsbevölkerung in Wien. Nichtsdestotrotz konnten französischsprachige Personen aus dem Reich zu Vermittlern zwischen Frankreich und Wien werden. Der französische Kulturraum des 17. und 18. Jahrhunderts ist weiter zu fassen als seine politischen Grenzen. Zur Absicherung jener Personen als französischsprachig, deren Herkunft in den Quellen nicht eindeutig gekennzeichnet ist, werden zwei Methoden in Kombination miteinander oder mit anderen interpretierbaren Daten verwendet: zum einen Erkenntnisse der Paläographie und zum anderen Erkenntnisse der Onomastik. Die französischen Handschriften wandelten sich durch den Einfluss Italiens in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts von einer gotischen Form zu einer lateinischen, die in deutlichem Gegensatz zu den deutschen Kurrenten stand.39 Gleichzeitig erhöhte sich der Alphabetisierungsgrad in Frankreich durch wirtschaftliche Erfordernisse in Handel und Bankenwesen sowie durch die Verordnung von Blois 1579, die die eigenhändige Unterzeichnung von notariellen Akten verlangte.40 Damit wuchs die Zahl jener, die zumindest ihren Namen schreiben konnten. Französischsprachige und in französischer lateinischer Schrift abgefasste Texte, die zudem mit einem französischen Namen signiert worden sind, sind ein Nachweis, dass der Schreiber französischsprachig war. Dies betrifft vor allem in Wien datierte Handwerkerrechnungen. Darüber hinaus kann als französischsprachig angesehen werden, wer seine Dokumente auf Deutsch in deutscher Kurrentschrift abfasste oder abfassen ließ und in französischer Sprache und Schrift unterschrieb oder Anmerkungen einfügte. Schließlich wurden bis zum Ende des 18. Jahrhunderts fremdsprachige Begriffe, Namen und Zitate in deutschen Texten durch lateinische Schrift wiedergegeben und damit innerhalb eines in Kurrent abgefassten Textes hervorgehoben. Die Paläographie kennt dafür zahlreiche Beispiele.41 Namensträ-
38 Zitiert nach PILLICH: Martin Tourneville. In: Wiener Geschichtsblätter 18/4 (1963), S. 237. 39 Vgl. Hellmut GUTZWILLER: Die Entwicklung der Schrift vom 12. bis ins 19. Jahrhundert. Solothurn 1981, S. 22–24. 40 Vgl. Gabriel AUDISIO/Isabelle BONNOT-RAMBAUD: Lire le français d'hier. Manuel de Paléographie moderne XVe–XVIIIe siècle. Paris 1991, S. 23–45. 41 Vgl. Elisabeth NOICHL/Christa SCHMEIßER: Deutsche Schriftkunde der Neuzeit. Ein Übungsbuch mit Beispielen aus bayrischen Archiven. München 2007, S. 12, 43, 45, 51, 53, 67, 73, 79, 93, 99 und 105. Kurt DÜLFER/Hans-Enno KORN: Schrifttafeln zur deutschen Paläographie
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3 Französischsprachige MigrantInnen in Wien: Herkunft und Emigrationsmotive
ger, die in deutschen Kurrenten lateinisch geschrieben wurden und zudem einen französischen Namen aufweisen, gelten daher als französischsprachig. Die Onomastik42 und verstärkt die Arealanthroponomastik (ortsgebundene Namenkunde) gilt als brauchbare Methode zur Untersuchung von mittelalterlichen und neuzeitlichen Wanderungsbewegungen und interethnischen Beziehungen.43 Im besonderen Fall zwischen der Galloromania und Wien gibt es dafür mehrere Anhaltspunkte. Bis ins 19. Jahrhundert hinein wurden Namen in Texten mit offiziellem Charakter eingedeutscht. Dabei wurden die Vornamen allonomisch dem Kontext angepasst (Jean > Johann), wodurch sie kaum Aussagewert besitzen. Die Familiennamen allerdings wurden den Phonem-Graphem-Beziehungen und den Phonemsubstitutionsregeln gemäß eingedeutscht.44 Sie können folglich für die Untersuchung der französischsprachigen MigrantInnen in Wien herangezogen werden. Die Entwicklung der Familiennamen im französischen und deutschen Sprachgebiet begünstigte dies, da die Bildung und Festigung der Familiennamen ein langwieriger Prozess war. Beginnend im 14. Jahrhundert schloss die Fixierung und Vererbung der Familiennamen erst im 18. Jahrhundert ab, im Französischen etwas früher (16./17. Jahrhundert) als im Deutschen. Familiennamen wurden in beiden Sprachgebieten erst mit dem Konzil von Trient 1563 flächendeckend angenommen, da die Kirche begann, Tauf- und Traumatrikeln zu führen. Trotz der zunehmenden Vererbung von Familiennamen blieb ihre Schreibung bis ins 18. Jahrhundert hinein variabel, was einer Eindeutschung entgegenkam.45 Arealanthroponomastische Auswertungen enden daher erst im 18. Jahrhundert. Somit spiegelt der Betrachtungszeitraum 1630–1730 sowohl im französischen wie auch im deutschen Sprachgebiet ein in dieser Zeit relativ unverfälschtes Namenskorpus wider.
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des 16.–20. Jahrhunderts. 11. überarb. Aufl. Marburg 2004, Tafel 8, 10, 11, 17, 19, 20, 22, 26 und 28. GUTZWILLER: Entwicklung 1981, S. 16, 25 und 30. Als Hilfsmittel zur Erstellung des Personenpools wurden verwendet: Albert DAUZAT: Dictionnaire étymologique des noms de famille et prénoms de France. Paris 1951. Albert DAUZAT: Les noms de famille de France. 3. Aufl. Paris 1977. Laurent FORDANT: Tous les noms de France et leur localisation en 1900. Paris 1999. Rosa KOHLHEIM/Volker KOHLHEIM: Familiennamen. Herkunft und Bedeutung von 20.000 Nachnamen. Mannheim/Leipzig/Wien [u. a.] 2005. Vgl. Konrad KUNZE: Namenkunde. Vor- und Familiennamen im deutschen Sprachgebiet. 5. Aufl. München 2004, S. 187. Walter WENZEL: Familiennamen. In: Andrea Brendler/Silvio Brendler (Hg.): Namenarten und ihre Erforschung. Hamburg 2004, S. 724 und 734. Vgl. Walter HAAS: Personennamen in mehrsprachigen Ländern und Regionen: Schweiz. In: Ernst Eichler/Gerold Hilty/Heinrich Löffler [u.a.] (Hg.): Namenforschung. Ein internationales Handbuch zur Onomastik. Berlin/New York 1995, S. 1240. Vgl. Martina PITZ: Das französische Personennamensystem. In: Rosa Kohlheim/Volker Kohlheim (Hg.): Europäische Personennamensysteme. Ein Handbuch. Hamburg 2007, S. 221–224. Dieter KREMER: Morphologie und Wortbildung der Familiennamen: Romanisch. In: Eichler/Hilty/Löffler [u.a.] (Hg.): Namenforschung 1995, S. 1263. Rosa KOHLHEIM: Entstehung und geschichtliche Entwicklung der Familiennamen in Deutschland. In: Eichler/Hilty/Löffler [u.a.] (Hg.): Namenforschung 1995, S. 1280–1282.
3.1 Theorie, Methoden der Datenerfassung und Überblick
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Weiters kennt die französische und deutsche Namenforschung außer der Hugenottenmigration ins Reich vor 1750 keinen größeren grenzüberschreitenden Namensexport französischer Familiennamen.46 „Hugenottennamen“47 wie Dupré, Duval, Marchand oder Dupuis finden sich auch in Wien wieder. Schließlich spricht auch für die Verwendung der Onomastik als Methode, dass Familiennamen trotz Binnenmigrationen insgesamt relativ landschaftsfest waren und das französische Namenkorpus trotz Sprachkontaktgrenzen verhältnismäßig homogen blieb. Dies dokumentieren Untersuchungen, die die Frequenz von Namen im französischsprachigen Raum beobachteten. Sie zeigen klare Unterschiede zwischen Frankreich und Wallonien, Luxemburg, Brabant und Brüssel und auch im Elsaß sind entsprechend der alten Sprachgrenze nach wie vor deutsche Namen stark vertreten.48 Menschen aus dem Elsaß und Straßburg wurden dementsprechend in der Erfassung französischsprachiger MigrantInnen nicht berücksichtigt, Personen aus Lothringen, der Franche-Comté, Savoyen und den südlichen Niederlanden sehr wohl. Eine Gesamtaufstellung des Personenpools mit allen relevanten Daten findet sich im Anhang. Abgesehen von MigrantInnen aus Savoyen und den südlichen Niederlanden, auf die an späterer Stelle eingegangen werden wird, bildeten Französinnen und Franzosen die größte Zahl der untersuchten Personen. Die Migrationsmotive, über die die Quellen teilweise schweigen, lassen sich anhand der regionalen Herkunft der MigrantInnen in ihren wesentlichen Zügen darstellen. Ebenso wie bestimmte Regionen MigrantInnen anzogen und aufnahmen, waren es nur bestimmte Regionen Frankreichs, aus denen sich Personen für eine dauerhafte Existenz in Wien entschieden, deren Gründe auch in den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten der Region zu suchen sind.49 Für 54 Französinnen und Franzosen lässt sich die genaue regionale Herkunft angeben (vgl. Abb. 2): 15 Personen kamen aus Lothringen (27,78%), 13 aus Paris und Umgebung (24,07%), zwölf aus Savoyen (18,18%), fünf aus der Franche-Comté (9,26%), vier aus der Picardie (7,41%), jeweils drei aus Lyon und dem Loiretal, weitere zwei jeweils aus der Bourgogne, der Bretagne, dem Limousin und der Provence, während das Languedoc, die Auvergne und die Normandie nur einmal als Herkunft aufscheinen. Ein ähnliches Bild ergab die arealanthroponomastische Untersuchung der Familiennamen von Französinnen und Franzosen mit unklarer regionaler Herkunft: Vier Personen dürften aus der Region Normandie, Picardie, Pas-de-Calais und drei Personen aus der Franche-Comté stammen und jeweils eine Person aus dem Loiretal, aus der Dordogne und dem Südwesten.
46 Vgl. WENZEL: Familiennamen. In: Brendler/Brendler (Hg.): Namenarten. 2004, S. 718–719. 47 Vgl. die Verwendung des Begriffs allgemein bei: KOHLHEIM/KOHLHEIM: Familiennamen 2005. 48 Vgl. KREMER: Morphologie und Wortbildung: Romanisch. In: Eichler/Hilty/Löffler [u.a.] (Hg.): Namenforschung 1995, S. 1263–1275. 49 Zur Bedeutung der Region für die historische Migrationsforschung der Frühen Neuzeit vgl. MOCH: Moving Europeans 2003, S. 9.
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Regionen des französischen Sprachraums
3 Französischsprachige MigrantInnen in Wien: Herkunft und Emigrationsmotive
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Anzahl der MigrantInnen
Abbildung 2: Regionale Herkunft französischsprachiger MigrantInnen (mit gesicherter Herkunft) in Wien, 1630–1730.
Auch die noch weiter gefasste Untersuchung der Familiennamen jener Personen mit unklarer Herkunft ergänzt das bisherige Herkunftsbild, wonach sich der Osten und der Norden als die beiden Emigrationsräume schlechthin herauskristallisieren: Von diesen französischsprachigen MigrantInnen mit unklarer Herkunft dürften insgesamt 14 Personen aus Nordfrankreich, davon sieben aus dem Raum Picardie, Pas-de-Calais, zwei aus der Normandie und weitere fünf aus dem Raum Normandie bzw. Bretagne gekommen sein. Insgesamt elf Personen stammten mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Ostfrankreich, davon drei aus dem Raum Champagne, Îlede-France, ebenso viele aus dem Raum Bourgogne, Franche-Comté und jeweils eine aus dem Elsaß und aus Lothringen. Aus Savoyen kam zusätzlich zu den 12 Personen mit gesicherter Herkunft noch eine mit unklarer Herkunft hinzu. Zwei Personen kamen aus dem Raum Loire und Südfrankreich, eine Person aus dem Massif Central. Zu gleichen Ergebnissen kam Jean-Michel Thiriet bei seiner Untersuchung von Wiener Testamenten der lingua franca. Neben Wallonen und Savoyern rangierten bei ihm Lothringer, Pariser und Burgunder unter den zahlenmäßig am stärksten vertretenen Französinnen und Franzosen in Wien (vgl. Karte, Abb. 3).50
50 Vgl. THIRIET: La mort 1976, S. 111.
3.1 Theorie, Methoden der Datenerfassung und Überblick
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Abbildung 3: Regionen französischsprachiger Emigration nach Wien, 1630–1730; Karte: Europa 1648, IEG Maps – Kartenserver am Institut für Europäische Geschichte Mainz.
Die regionale Herkunft der französischsprachigen MigrantInnen in Wien zeigt ein klar verteiltes geographisches Bild. Der Schwerpunkt der französischen Auswanderung liegt in Ostfrankreich und damit in den zwischen Kaiser und König über mehrere Jahrhunderte umkämpften Gebieten und den Sprachkontaktzonen, die teilweise im 17. Jahrhundert noch formal zum Heiligen Römischen Reich gehörten. 44,5% aller Französinnen und Franzosen mit eindeutiger Ortsherkunft in Wien kamen entweder aus Lothringen, das den höchsten Migrationsanteil stellte, aus der Franche-Comté oder aus der Picardie. Diese Gebiete sind auch in den arealanthroponomastischen Untersuchungen als Herkunftsregion quantitativ stark vertreten. Ein zweiter Schwerpunkt der französischen Emigration liegt in Nordfrankreich, das waren im Wesentlichen die Picardie, die Normandie, die Bretagne und die Île-de-France. Davon besonders hervorzuheben ist Paris und Umgebung, denn 24% aller Französinnen und Franzosen mit eindeutiger Ortsherkunft kamen aus der Hauptstadt und auch die Regionen Île-de-France und Centre sind unter den französischsprachigen MigrantInnen in Wien als Namensherkunft relativ gut vertreten. Somit zeichnet sich in der französischsprachigen Migration nach Wien eine klare Nord-Ost-Ausrichtung ab, die den Süd-Westen Frankreichs nur marginal oder nicht tangierte. Während einige wenige Auswanderer noch aus dem
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3 Französischsprachige MigrantInnen in Wien: Herkunft und Emigrationsmotive
Loiretal, dem Limousin, der Auvergne und der Provence kamen, stammte niemand aus den Regionen Aquitaine, Midi-Pyrénées oder Roussillion. Die wichtigsten Herkunftsregionen der französischen MigrantInnen in Wien, beginnend mit Lothringen, werden im Folgenden einer eingehenden Analyse unterzogen. 3.2
LOTHRINGEN UND DIE FRANCHE-COMTÉ
Das Haus Lothringen litt seit der Frühen Neuzeit und verstärkt ab dem 17. Jahrhundert unter den geteilten Lehenshoheiten seiner Länder. Obwohl der Großteil des geografisch uneinheitlichen51 Herzogtums seit 925 beständig Teil des Heiligen Römischen Reiches war und die Herzöge von Lothringen ihre Eigenständigkeit und Unabhängigkeit mit dem Vertrag von Nürnberg 1542 im Reich und nach außen zu wahren wussten, unterstand das Herzogtum Bar jedoch seit 1301 dem französischen König, seiner Lehenshoheit und der Jurisdiktion des Pariser Parlaments. Im 17. Jahrhundert gelangte Lothringen zusehends ins Blickfeld der französischen Expansionspolitik, da es geografisch dem Elsaß und damit der angestrebten Rheingrenze vorgelagert war. Die Herzöge von Lothringen sahen im Reich und im Kaiser ihre natürliche Schutzmacht, auch wenn Heiratsverbindungen sowohl ins Reich und zu den Habsburgern als auch zu den Bourbonen bestanden, gestaltete sich ihre Politik im Gegensatz zu den Herzögen von Savoyen fast ohne Ausnahme pro kaiserlich, also pro habsburgisch.52 Abraham Des Troubles begründete seine Auswanderung aus Lothringen mit den unhaltbaren Zuständen in seiner Heimat bedingt durch Krieg und stand damit paradigmatisch für viele LothringerInnen, nicht zuletzt auch für die herzogliche Familie, die ihre Existenz in den Erblanden und besonders in Wien neu zu begründen versuchten: „Allergnedigster Herr. Nachdem der vielfaltiger schweren Kriegsleutten halber, so nun /:leider:/ eine geraume Zeither in dem Hertzogthumb Lothrigen continuirt haben, Ich genottiget worden, von Hauß auß: vnd in diese Ew. Kaÿ. Maÿ. Erblande, dhar Ich mich dann bißher etliche Jahr lang aufgehalten, zu weichen, […]“53
Tatsächlich erlebte Lothringen zwischen dem 30-jährigen Krieg und dem Ende des Spanischen Erbfolgekrieges fast 68 Jahre französischer Besatzung, die das Land ökonomisch und demographisch schwerst belasteten. Trotz einer Neutralitätserklärung Karls IV. 1632 unterstützte er die kaiserlichen Truppen bei Hagenau 51 Das Herzogtum Lothringen bestand im 17. Jahrhundert aus einer Ansammlung von verschiedenen territorial nicht zusammenhängenden Ländereien, zusätzlich standen die drei Bistümer Metz, Toul und Verdun sowie die Vogtei über 10 Reichsstädte unter französischer Herrschaft, vgl. Fußnote 36 und Abb. 3. 52 Vgl. Franz PESENDORFER: Lothringen und seine Herzöge. Im Zeichen der drei Adler. Graz/ Wien/Köln 1994, S. 111–122. Jean COUDERT: Le siècle d'or de la Lorraine indépendante. In: Michel Parisse (Hg.): Histoire de la Lorraine. Toulouse 1977, S. 231–267. Rainer BABEL: Lorraine et Barrois. In: Lucien Bély (Hg.): Dictionnaire de l'Ancien Régime. Royaume de France XVIe–XVIIIe siècle. 2. Aufl. Paris 2005, S. 759–760. 53 ÖStA, HHStA, RHR, Passbriefe 17, Konvolut 1, unfoliert.
3.2 Lothringen und die Franche-Comté
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und provozierte durch seinen Vertragsbruch Frankreich, das sofort reagierte. Richelieu ließ die beiden Herzogtümer Bar und Lothringen besetzen, wodurch Lothringen Schauplatz des 30-jährigen Krieges wurde, dessen Leid von Jacques Callot in seinen Kupferstichserien Petites und Grandes Misères de la guerre54 eindrücklich festgehalten wurden. Die erste Besatzung dauerte etwa 28 Jahre bis 1661, die aufgrund der seit den 1630er Jahren kursierenden Epidemien, im Wesentlichen Pest, Typhus und Scharlach,55 und wegen der nach dem 30-jährigen Krieg einsetzenden Fronde einen eklatant hohen demographischen Verlust in Lothringen hervorrief. Insgesamt verlor das Herzogtum etwa die Hälfte seiner Bevölkerung, einzelne Landstriche wiesen ein Defizit von über 60% auf. Souilly beispielsweise zählte 1630 noch 585 Haushalte, 1635 noch 487, 1636 nur noch 94, bis 1650 erholte sich die Bevölkerung wieder auf 138 Haushalte, um bis 1658 nach der Fronde wieder auf 95 zu sinken. Die Verwüstungen des Kriegs bewirkten, dass sich die Ernährungssituation durch brachliegende Felder und geplünderte Viehbestände katastrophal verschlechterte, die Kontributionszahlungen an die französischen Besatzer ruinierten das Land finanziell und wirtschaftlich. Karl IV. und ein Teil des lothringischen Adels wählten das Exil: diejenigen, die sich für Habsburg und gegen Bourbon entschieden, traten in bayerische, württembergische oder österreichische Dienste.56 Diesem Beispiel folgten auch LothringerInnen aus nicht adeligen Schichten, von denen Richard La Chambre, Leibschneider und Kammerdiener des lothringischen Herzogs und seiner Gemahlin, einer der ersten war, der Anfang der 1640er Jahre nach Wien gekommen sein muss. 1642 suchte er um das Privileg einer Hofbefreiung an, das er auch erhielt. La Chambre gab an, dass er beim herzoglichen Paar, das sich zur Zeit in Wien aufhielt, bereits sieben Jahre gedient habe und nun in Wien und besonders am kaiserlichen Hof bleiben wolle.57 Dass La Chambre mit der Entourage des Herzogs Nikolaus-Franz nach Wien kam und nun die Möglichkeit ergriff, in Wien Fuß fassen zu können, um nicht mehr nach Lothringen zurückkehren zu müssen, ist durchaus möglich. Nikolaus-Franz, der 1634 nach der Abdankung seines Bruders Karls IV. kurzfristig die Regierung in Lothringen übernommen hatte und nach dem Eindringen der Franzosen mit seiner Frau Claudia aus Nancy über Umwege nach Wien geflohen war, empfahl seinen Hofschneider selbst an den kaiserlichen Hof. Aus einem Rekommandationsschreiben Heinrich von Starhembergs geht hervor, dass dieser sich dadurch bemüßigt fühlte, trotz der bereits hinreichenden Anzahl an Hofschneidern dem Kaiser die Erteilung des
54 Zur Deutung der Kupferstiche vgl. Paulette CHONÉ: Die Kriegsdarstellungen Jacques Callots: Realität als Theorie. In: Benigna von Krusenstjern/Hans Medick (Hg.): Zwischen Alltag und Katastrophe. Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe. Göttingen 2001, S. 409–426. 55 Vgl. zu den Epidemien in Lothringen: Guy CABOURDIN: Terre et hommes en Lorraine (1550– 1635). Toulois et Comté de Vaudémont. Bd. 1. Nancy 1977, S. 99–104. 56 Vgl. Yves LE MOIGNE: La Monarchie Française et le partage de l'espace lorrain (1608–1697). In: Parisse (Hg.): Histoire de la Lorraine 1977, S. 300–303. 57 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 2, Fasz. 2, Konv. 1, f. 3r/v.
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3 Französischsprachige MigrantInnen in Wien: Herkunft und Emigrationsmotive
Privilegs für La Chambre anzuraten.58 Die Flucht der herzoglichen Familie nach Wien zog die Migration weiterer Lothringer in die kaiserliche Residenzstadt nach sich. Dezidierte Zahlen zur Gesamtemigration aus dem Herzogtum gibt es für das 17. und 18. Jahrhundert nicht,59 die lothringische Emigration nach Wien blieb über den Betrachtungszeitraum 1630–1730 unter Berücksichtigung verschiedener Phasen aber relativ konstant. Karl IV. kehrte erst 1662 nach dem Frieden von Vincennes in sein Herzogtum zurück, das nach 28 Jahren französischer Besatzung noch immer brach lag, da die Kriegshandlungen bis zum Ende der Fronde und zum Abschluss des Pyrenäenfriedens anhielten. Karl IV. versuchte, die im Friedensvertrag Frankreich zugesagten Abrüstungen und die Schleifung der Befestigungswälle von Nancy zu umgehen, und stand auch weiterhin mit den spanischen Habsburgern in Verbindung, weswegen Ludwig XIV. 1670 Lothringen ein zweites Mal besetzte und Karl fliehen musste. Die zweite Besatzung dauerte noch einmal etwa 28 Jahre bis 1698 und zeigte nun eindeutige Zeichen einer Französisierung: Militärisch, administrativ und juridisch wurde Lothringen in die französische Militärorganisation, Verwaltung und Rechtssprechung eingegliedert. Französinnen und Franzosen aus der Picardie, der Normandie und der Auvergne, insbesondere Handwerker, die Vaubans Befestigungspläne verwirklichen sollten, schlossen teilweise die Lücken in der Bevölkerungsstruktur. Die Aufrüstung Frankreichs verschaffte Lothringen sogar einen wirtschaftlichen Aufschwung, der über Gewerbe und Handel hinausgehend auch die Landwirtschaft in Gang brachte.60 Dennoch emigrierten gerade während der zweiten Besatzungszeit der Franzosen besonders viele LothringerInnen nach Wien: Fünf von insgesamt 15 LothringerInnen kamen zwischen 1670 und 1693: Abraham Des Troubles dürfte bereits in den 1670er Jahren geflüchtet sein,61 Nikolaus Gangloff vor 1680,62 Nikolaus de Bernony vor 1686,63 Nikolaus de la Vigne vor 168764 und Johann Tonteur vor 1693,65 während in den Zeiten der besonders harten Missstände, der ersten Besat-
58 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 2, Fasz. 2, Konv. 1, f. 2r. 59 Seriöse Schätzungen über die Zahl der EmigrantInnen aus Lothringen fehlen in der Literatur mangels entsprechender quantitativer Studien, vgl. Norman LAYBOURN: L'émigration des Alsaciens et des Lorrains du XVIIIe au XXe siècle. 2 Bde. 3. Aufl. Strasbourg 1990. 60 Vgl. LE MOIGNE: La Monarchie. In: Parisse (Hg.): Histoire de la Lorraine 1977, S. 297–300, 305. PESENDORFER: Lothringen 1994, S. 149–150. 61 Des Troubles gibt im Passansuchen an, seit seiner Flucht bereits einige Jahre in Wien ansässig zu sein. ÖStA, HHStA, RHR, Passbriefe 17, Konvolut 1, unfoliert. 62 Liber promulgationum St. Martin 1680 als Bräutigam erfasst, vgl. http://www.oesta.gv.at/site/ 6662/default.aspx [Stand 15.09.2009]. 63 Trauungsmatriken St. Stephan 1686 als Bräutigam erfasst, vgl. http://www.oesta.gv.at/site/ 6662/default.aspx [Stand 15.09.2009]. 64 Heiratet 1687 in Wien, vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 409. 65 Trauungsmatriken St. Stephan 1693 als Bräutigam erfasst, vgl. http://www.oesta.gv.at/site/ 6662/default.aspx [Stand 15.09.2009].
3.2 Lothringen und die Franche-Comté
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zungszeit nur zwei Personen, nämlich La Chambre und La Vesne,66 und aus der zwischenzeitlichen Regierungszeit Karls IV. nur Fontenoy, der ab 1665 in Wien in den Quellen aufscheint,67 nach Wien auswanderten. Aber auch diese Phase lothringischer Emigration ist im Lichte der herzoglichen Familie zu sehen. Karl IV. begab sich nach 1670 wieder in kaiserliche Dienste, die herzogliche Familie von Nikolaus-Franz und Claudia von Lothringen, deren Sohn als Karl V. titularisch das Erbe antrat, weilte bereits seit 1634 in Wien, wo Karl V. 1643 geboren worden war. Das weitere Schicksal der herzoglichen Familie ist eng mit dem Wiener Hof verbunden. Karl V., Schwager von Leopold I., stand zeit seines Lebens erfolgreich im kaiserlichen Dienst gegen die Türken. Sein Sohn Leopold, 1679 in Innsbruck geboren, konnte nach dem Frieden von Rijswijk 1698 Lothringen wieder in Besitz nehmen. Die persönlichen, politischen und militärischen Bindungen des Hauses Lothringen an Habsburg und Wien waren in dieser Zeit gestärkt worden, ein Grund, auch Flüchtlinge aus dem besetzten Lothringen und Sympathisanten der herzoglichen Familie in Wien aufzunehmen. Die Emigration von Nicolaus Vallete, deren genauer Zeitpunkt nicht aus den Quellen hervorgeht, ist sicherlich in diesem Lichte zu sehen. Seine Funktion als herzoglicher Leibmedicus in Wien dokumentiert seine persönlichen Bindungen an die herzogliche Familie. Gleichzeitig war die Migration möglicherweise auch ein Kalkül, um eben diese Bindung der Familie Vallete an das sich im Exil befindliche herzogliche Haus aufrecht zu erhalten, denn die in Lothringen zurückbleibende Familie durfte ein herzogliches Salzdeputat ihr Vorrecht nennen.68 Betrachtet man die Emigration aus Lothringen unter dem wirtschaftlichen Aspekt, so stimmt die Einschätzung Irsiglers, dass gerade ökonomisch und sozial treibende Kräfte das Land verließen.69 Die oben genannten Auswanderer waren entweder Goldschmied, Hutmacher, Chirurg oder Ingenieur. Die Regierungszeit Leopolds in Freiheit währte genau vier Jahre, da mit dem Ausbruch des Spanischen Erbfolgekriegs Frankreich 1702 Nancy wiederum bis 1714 besetzte und Leopolds Hof nach Lunéville umzog. In diese 12 Jahre Besatzung fällt die dritte Auswanderungsphase nach Wien, bevor mit Franz Stephan nach 1736 und dem Umzug seines Hofes nach Wien der Schlusspunkt in der lothringischen Emigration gesetzt wurde.70 Bereits 1702 wurde Joseph de la Pierre71 66 Ab 1652 für das Kaiserhaus in Wien und anderweitig tätig, ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 5, f. 336r. 67 Fontenoy arbeitete ab 1665 als Goldschmied für Karl Eusebius von Liechtenstein. Vgl. HAUPT: Leidenschaft 1998, S. 74. 68 Vgl. WStLA, Alte Ziviljustiz, A1 Testamente, 10.135/17. Jh. 69 Vgl. Franz IRSIGLER: Wirtschaftsräume und neue Grenzen. Eine Skizze der Entwicklung des Obermoselraumes vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. In: Alfred Heit (Hg.): Zwischen Gallia und Germania, Frankreich und Deutschland. Konstanz und Wandel raumbestimmender Kräfte. Trier 1987, S. 228. 70 In diesem Zusammenhang dürfte auch Matthaeus Grosjean vor 1731 nach Wien gekommen sein. Vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 469. 71 De la Pierre muss vor 1702 nach Wien gekommen sein, da er 1702 dem Grafen Khevenhüller erbrachte Leistungen bereits in Rechnung stellt. Sein Immigrationsdatum ist nicht genauer
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in Wien fassbar, Antonia Gerardin ab 1705,72 die Familie Anton Pinon ab 170773 und Johann Baptista Marchand ab 1708.74 Dass die Emigration auch in dieser letzten Phase in vielen Fällen eine Flucht war, beschreibt Jean Baptiste Monnot. Der wahrscheinlich aus der Franche-Comté oder der Bourgogne stammende Hofmeister und Hausangesellter der Familie Khevenhüller in Linz schildert 1706 die Flucht von drei Lothringern, die sich den kaiserlichen Truppen anschließen wollten und in offensichtlich schlechtem gesundheitlichen Zustand waren: „quil y a eu 8 jours que me promenent proche de la riviere, ie vis des francois debarquer pour entrer dans la ville, qui ne savoit pas un mot dallemand, ie m'acoste deux comme nous le pouvé croire, et leurs demandes dou ils venoit, ils m'on repondus qu'ils venoient tous 3 de Loraine, et mesme de Nancy, et qu'ils éttoit iondre Mr. le General Derbevillé, il a un qui s'apelle Mr. Bufrenelle […] mais ie luy persuadois de n'en rient faire avec ces deux camarades qui ont des figures tous 3 fort grellés, et en mechant equipages comme sonts tous ces Mersieurs qui sortent de Loraine [...]“75
Offenbar waren die drei Flüchtlinge vom 16. April 1706 nicht die einzigen, denn Monnot berichtet weiters auch von einem Vertrauten, Mr. Parissot, der nach Nancy zurückkehren sollte.76 Das Netz zwischen Lothringen und Wien war weiter verzweigt, als es die 15 hier namentlich erwähnten LothringerInnen vermuten lassen. Dies zeigt sich auch in der Tatsache, dass zu Beginn des 18. Jahrhunderts neben der Flucht ein anderes Motiv für eine lothringische Auswanderung nach Wien hinzukam, nämlich die Anwerbung (Recruitment). Lothringer wurden aufgrund verschiedenster Qualifikationen von Wien aus angeworben, was zum Beispiel für gut ausgebildete Fachkräfte wie den Ingenieur Matthaeus Grosjean galt. Auch Monnot deutete diese Vorgehensweise 1717 an, bei der junge Frauen aus Lothringen, aber noch verstärkt aus Besançon (Franche-Comté), vom österreichischen Adel als Gouvernante engagiert wurden.77 Die wirtschaftliche und soziale Lage Lothringens im 17. Jahrhundert gestaltete sich im Vergleich zu Frankreich weitgehend problematisch, die politischen und dynastischen Bindungen an Wien hingegen bestanden seit langem und intensivierten sich im Verlauf des 17. Jahrhunderts. Darin sind sicherlich Gründe für die relativ zahlreiche Emigration zu sehen, ausschlaggebend war aber auch das Beispiel, das die herzogliche Familie vorgab.
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eruierbar. ÖStA, HHStA, Khevenhüller, Kammer am Attersee, Fasz. 13, Umschlag De La Pierre, Brief 282 vom 6. Mai 1702. Im Liber promulgationum von St. Martin 1705 als Braut erfasst, vgl. http://www.oesta.gv.at/ site/6662/default.aspx [Stand 15.09.2009]. Vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 248. Vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 573. ÖStA, HHStA, Khevenhüller, Kammer am Attersee, Fasz. 11, Umschlag Monnot, Brief 1 vom 16. April 1706. ÖStA, HHStA, Khevenhüller, Kammer am Attersee, Fasz. 11, Umschlag Monnot, Brief 1 vom 16. April 1706. ÖStA, HHStA, Khevenhüller, Kammer am Attersee, Fasz. 11, Umschlag Monnot, Brief 19 vom 6. Februar 1717.
3.2 Lothringen und die Franche-Comté
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Ähnliche Gründe für die Entscheidung zur Emigration finden sich in der Franche-Comté, (Freigrafschaft Burgund oder Hochburgund). In den Quellen sucht man diese Begriffe allerdings vergebens, denn die Verkürzungen „Bourgogne“ oder „Burgund“ sind gebräuchlich, wodurch es zu Verwechslungen und zu falschen Herkunftszuteilungen mit dem Herzogtum Burgund kommen kann, das seit 1477 französisch und ab 1482 Krondomäne war. Dieses Problem illustriert das folgende Zitat. Caspar Ambros Maignin de Fleurey, Hofmeister der Familie Harrach ab 1673, schreibt 1677 über seine Karrieremöglichkeiten: „C'est pourquoy /puisque Vre Exc. à la bonté de me dire que peutestre iamais ie ne deserviray mon Poste en Bourgogne. Si ce n'est sous le bon plaisir du Roy de France/ a cett heure. bien loing de Solliciter mon retour en Espagne, ie n'y songe plus du tout, [...]“78
Maignin stand offensichtlich vor seiner Zeit in Wien in spanischen Diensten, weshalb mit dem Begriff „Bourgogne“ hier nur die Franche-Comté gemeint sein kann, da sie vor 1678 den Spanischen Habsburgern gehörte. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass Personen, die als Herkunft „Burgund“ oder „Bourgogne“ angaben, möglicherweise aus der Franche-Comté stammten, was aber nachträglich nicht mehr eruiert werden kann. Zusammen genommen stammten fast 15% aller Französinnen und Franzosen mit bekannter Ortsherkunft in Wien aus der Region Bourgogne und/oder Franche-Comté. Auch von den Französinnen und Franzosen mit unklarer Ortsherkunft kamen laut arealanthroponomastischer Untersuchung etwa 17% aus der Franche-Comté. Neben seiner Reichszugehörigkeit seit 1033 bildete die Franche-Comté (die heutigen Departements Haute-Saône, Doubs und Jura) einen wesentlichen Bestandteil des Burgundischen Länderkomplexes. Mit dem Tod Karls des Kühnen fiel die Freigrafschaft im Vertrag von Senlis 1493 anders als das Herzogtum Burgund an die Habsburger und durch die Teilungsverträge von Worms (1521) und Brüssel (1522) an deren spanische Linie. Weit entfernt von den habsburgischen Machtzentren garantierte zuerst das Reich und dann eingeschränkt Madrid weitgehende Autonomie durch eigene Regenten, Parlament und Steuerbewilligung, was es der Bevölkerung ermöglichte, Sprache, Institutionen und Kultur, die im Wesentlichen französisch waren, beizubehalten. Neutralitätsvereinbarungen mit Frankreich und den Eidgenossen, die auch den militärischen Schutz übernahmen, sollten das Land vor Invasionen schützen, was bis 1635 der Fall war. Während das 16. Jahrhundert eine Periode von wirtschaftlicher Prosperität und Bevölkerungswachstum darstellte, endete diese Phase mit dem Eintritt Frankreichs in den 30-jährigen Krieg. Die Franche-Comté avancierte im 17. Jahrhundert zu einer der wichtigsten militärischen Verbindungen Spaniens zwischen seinen italienischen und niederländischen Besitzungen für sichere Truppenverschiebungen, weshalb sie auch vermehrt ins Visier Frankreichs geriet. 1636 überrannten die französischen Truppen das Land und die Franche-Comté ereilte bis 1644 das gleiche Schicksal wie Lothringen: Krieg, Plünderung, Pest und Hunger halbierten die Be78 ÖStA, AVA, Harrach 279, Korrespondenz Caspar Ambros Maignin de Fleurey, Brief vom 18. Feb. 1677.
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3 Französischsprachige MigrantInnen in Wien: Herkunft und Emigrationsmotive
völkerung von etwa 410.000 vor dem Krieg auf 215.000 im Jahr 1657.79 Dennoch sind aus dieser Zeit keine burgundischen ImmigrantInnen in Wien zu verzeichnen, einer der ersten, Johann Dubois, erscheint in den Wiener Quellen nicht vor 1656.80 Vergleichbar mit der lothringischen Auswanderung setzte jene aus der Franche-Comté erst mit den verstärkten Bedrohungen Frankreichs und wiederholten Besatzungszeiten ein, also in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. 1663 verlängerte Frankreich die Neutralitätserklärung nicht mehr. Ohne effiziente Landesverteidigung fiel die Franche-Comté im Devolutionskrieg 1668 und wenige Jahre später im Holländischen Krieg 1674 noch einmal in die Hände von Ludwig XIV., der bereits 1674 die administrative und juridische Eingliederung des Landes veranlasste. Der Friedensvertrag von Nimwegen 1678 sprach die FrancheComté endgültig Frankreich zu. Bekannt ist, dass die burgundische Bevölkerung die französische Besatzung und schließlich Einverleibung nicht tatenlos hinnahm. Da sie seit Jahrhunderten an ihre Eigenständigkeit und Freiheit gewöhnt war, protestierten viele gegen die französische Bevormundung,81 was während der Kriegshandlungen und auch danach bis zum Tod Ludwigs XIV. zu einer Welle von Emigrationen führte.82 Zahlen zur Gesamtemigration aus der Region in der Frühen Neuzeit gibt es jedoch keine. Maignin de Fleurey weist darauf hin, dass auch er sich aus dieser Motivation heraus für die Emigration entschloss, denn auf eine Rückkehr war nur unter Duldung Ludwigs XIV. zu hoffen. Seiner Enttäuschung bezüglich seiner nicht realisierbaren Zukunft in burgundisch-spanischen Diensten gab er bereits 1677 Ausdruck.83 Im gleichen Zeitraum, zwischen 1666 und 1691, also innerhalb von 25 bis 30 Jahren muss sich die burgundische Immigration in Wien vollzogen haben. Dem Beispiel Maignins folgten bereits vor 1666 Johann Claudius Guillemin,84 vor 1678 Claudius Antonius Bugnet,85 vor 1687 Nicola Dumont,86 1690 Claudius 79 Zur Geschichte der Franche-Comté, vgl. Maurice GRESSET: Franche-Comté. In: Bély (Hg.): Dictionnaire de l'Ancien Régime. 2005, S. 568–569. Maurice GRESSET/Jean-Marc DEBARD: La Franche-Comté des Habsbourg. In: Roland Fiétier (Hg.): Histoire de la Franche-Comté. Toulouse 1977, S. 205–238. 80 In Trauungsmatriken St. Stephan 1656 als Bräutigam erfasst, vgl. http://www.oesta.gv.at/site/ 6662/default.aspx [Stand 15.09.2009]. 81 Aktiver Widerstand führte zwischen 1674 und 1678 zu Überfällen auf französische Soldaten und zu offenem Aufruhr, passiver Widerstand schützte die im Untergrund arbeitenden Aufwiegler und behinderte die französische Administration bei ihrer Arbeit. Vgl. Maurice GRESSET/Pierre GRESSER/Jean-Marc DEBARD: Histoire de l'annexion de la Franche-Comté et du Pays du Montbéliard. Roanne 1988, S. 269–270. 82 Vgl. Maurice GRESSET/Jean-Marc DEBARD: La Franche-Comté dans la Monarchie française. In: Fiétier (Hg.): Histoire de la Franche-Comté 1977, S. 241. 83 ÖStA, AVA, Harrach 279, Korrespondenz Caspar Ambros Maignin de Fleurey, Brief vom 18. Feb. 1677. 84 Liber promulgationum St. Martin, 1666 als Bräutigam erfasst, vgl. http://www.oesta.gv.at/ site/6662/default.aspx [Stand 15.09.2009]. 85 Liber promulgationum St. Martin, 1678 als Bräutigam erfasst, vgl. http://www.oesta.gv.at/ site/6662/default.aspx [Stand 15.09.2009].
3.2 Lothringen und die Franche-Comté
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Bernardus Bechet87 und vor 1691 Joseph Anton Bauer.88 Guillemin, Bechet und Bauer kamen aus der neuen Hauptstadt Besançon, die bis 1664 Reichsunmittelbarkeit genoss, welche sie mit der Eingliederung in die Freigrafschaft unter die Herrschaft Philipps IV. verlor.89 Bechet gehörte als Priester der burgundischen Geistlichkeit an, die neben der Landbevölkerung als besonders antifranzösisch galt. Besonders in den Jahren 1674–1678 führten offen bekundete Aussagen oder Aktionen gegen die französische Besatzung oder Ludwig XIV. bzw. Loyalitätsbekundungen für den spanischen König zur Ausweisung von burgundischen Geistlichen in zentralfranzösische Gebiete, weshalb einige Geistliche in die Schweiz flohen. Der aktive und passive Protest in der Geistlichkeit hielt bis zum Ableben Ludwigs XIV. an, da die Hoffnung auf einen nochmaligen Herrschaftswechsel zum Reich oder zurück zu Spanien durch den 1688 ausbrechenden Pfälzischen Erbfolgekrieg bis 1697 und den 1700 bis 1714 dauernden Spanischen Erbfolgekrieg immer wieder genährt wurden.90 Bechet muss einer jener Habsburgorientierten Geistlichen gewesen sein, sein genaues Emigrationsdatum ist nicht eruierbar, aber vor seiner Bitte um Aufnahme in den kaiserlichen Dienst 1691 hatte er geraume Zeit im Reich als Erzieher verbracht,91 sodass eine Emigration in den 1670er oder 1680er Jahren möglich ist. Er wies auch dezidiert darauf hin, dass seine Vorfahren dem „hoch löbl. Ertzhauß Öesterreich treü gelaisten Kriegsdienst“92 erwiesen hätten. Vor allem während des Spanischen Erbfolgekriegs verstärkte sich der Widerstand der Burgunder gegen die französische Herrschaft noch einmal. Um 1710 gab es unter der Landbevölkerung eine erneute Auswanderungswelle ins Reich, die sogar vom Kaiser und vom Preußischen König für sinnvoll erachtet wurde.93 Für die Zeit des Spanischen Erbfolgekriegs finden sich in Wien allerdings keine neuen ImmigrantInnen aus der Franche-Comté. Nach dem Spanischen Erbfolgekrieg beruhigte sich die Lage in der FrancheComté und das Motiv der Flucht wurde ähnlich wie in Lothringen vom Recruitment abgelöst. Dabei ging es im Wesentlichen darum, Frauen für den Dienstleistungssektor in adeligen Haushalten anzuwerben. Die Familie Sprinzenstein beispielsweise versuchte im September 1716 über Jean-Baptiste Monnot, den Khevenhüllerischen Hausmeister, ein Kindermädchen aus Besançon zu bekommen. Trotz Monnots schwindenden Beziehungen dorthin (seine burgun86 Vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 377. 87 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 263r–264r. ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 8, f. 229v–230r. 88 Trauungsmatriken St. Stephan, 1691 als Bräutigam erfasst, vgl. http://www.oesta.gv.at/site/ 6662/default.aspx [Stand 15.09.2009]. 89 Der Kaiser tauschte Besançon 1664 gegen Frankenthal ein, wodurch es seiner Sonderstellung verlustig wurde. 90 Vgl. GRESSET/GRESSER/DEBARD: Histoire de l'annexion de la Franche-Comté 1988, S. 271-273, 279–280. 91 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 311r. 92 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 263v. 93 Vgl. GRESSET/GRESSER/DEBARD: Histoire de l'annexion de la Franche-Comté 1988, S. 280-281.
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3 Französischsprachige MigrantInnen in Wien: Herkunft und Emigrationsmotive
dische Herkunft ist nicht gesichert, aber wahrscheinlich94) gelang es, über eine seiner Hausangestellten, Mademoiselle Fraichot aus Besançon, und ihren Bruder, Grenadier im Regiment Harrach und zuvor Leutnant in Frankreich, deren Schwester kommen zu lassen, die in männlicher Begleitung und nach sofortiger Bezahlung der Reisekosten den Dienst annahm. 1717 deutete auch Graf Khevenhüller an, dieselbe Vorgehensweise einschlagen zu wollen, woraufhin Monnot darauf verwies, dass es unbedingt notwendig sei, einen Mann des Vertrauens zu finden, der das Mädchen auf der Reise begleite. Dies treibe zwar die Kosten in die Höhe, verhindere aber, dass Frauen zweifelhafter Moral oder verwahrloste Waisen unter den Interessentinnen wären.95 Das Beispiel Jean-Baptist Monnots zeigt seine Vermittlerrolle in mehr als einer Instanz: Zum einen waren für das Recruitment von französischen Arbeitskräften Vermittlerpersonen mit Netzwerken nach Frankreich von größter Wichtigkeit, auch wenn diese oft über mehrere Zweigstellen verliefen. Zum anderen konnte es dadurch zum Effekt der Kettenmigration kommen, wodurch sich Bekanntschaften und Netzwerke weiterentwickelten. Das Schicksal und die Motive der lothringischen und burgundischen Auswanderinnen und Auswanderer ähneln sich frappant. In beiden Regionen ist die Flucht als Push-Faktor das vorherrschende Motiv zur Auswanderung, in beiden Regionen setzte diese aber erst ein, als die verheerenden Auswirkungen des 30-jährigen Krieges vorbei waren und sich politisch abzeichnete, dass das Land einer längeren französischen Besetzung ausgesetzt war, die schließlich entweder in eine neuerliche Besetzung wie im Fall von Lothringen oder in die endgültige Annexion der Franche-Comté mündete. Die EmigrantInnen der ersten Besatzungszeit Lothringens sind spärlich, erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts vermehrt sich ihre Zahl merklich, jene aus der Franche-Comté beschränkt sich überhaupt auf die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die Bindung an das Haus Habsburg darf in beiden Fällen nicht unterschätzt werden. Verwüstungen, Plünderungen, Hunger und Epidemien können also großteils als Gründe zur Auswanderung ausgeschlossen werden. Im 18. Jahrhundert gesellte sich die Anwerbung durch österreichische Adelige als Auswanderungsmotiv hinzu, sie war auch richtungsweisend für den größten Arbeitskräftemarkt Frankreichs, die Hauptstadt Paris. 3.3
URBANE ZENTREN UND SPRACHKONTAKTGRENZEN AUßERHALB FRANKREICHS
Obwohl Ludwig XIV. den Hof und damit das gesamte gesellschaftliche Leben 1682 nach Versailles verlegte, blieb Paris die Hauptstadt und damit das Zentrum des Königreichs, wo sich nach wie vor Verwaltungsämter, privater Reichtum, staatliches Vermögen und Luxuswaren und auch ein breiter Arbeitsmarkt von 94 Dies belegen die Quellen und seine Namensherkunft, die eindeutig auf die Franche-Comté verweist. Vgl. DAUZAT: Les noms 1977, S. 308. 95 ÖStA, HHStA, Khevenhüller, Kammer am Attersee, Fasz. 11, Umschlag Monnot, Brief 19 vom 6. Feb. 1717.
3.3 Urbane Zentren und Sprachkontaktgrenzen außerhalb Frankreichs
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Dienstpersonal über höher qualifizierte Handwerker zur Herstellung von Luxusartikeln bis zu sehr gut ausgebildeten Künstlern und Ingenieuren sammelten. 1650 zählte Paris etwa eine halbe Million Einwohner, sein Einzugsgebiet umfasste nicht nur die Île-de-France und die Hochebenen der Brie und Beauce, sondern auch die Bourgogne, die Champagne und in geringerem Ausmaß die Normandie und das Cantal, wobei die Stadt nicht nur Menschen anzog, sondern sie auch nach deren Fähigkeiten aussiebte.96 Paris bot als Arbeitsmarkt gute Chancen zur Weitervermittlung. Das Recruitment war eines der zentralen Emigrationsmotive für Französinnen und Franzosen, nach Wien zu kommen. Die Immigration von PariserInnen nach Wien beschränkte sich zeitlich im Wesentlichen auf die Regierungszeit Ludwigs XIV.,97 zum einen, da zu Lebzeiten des Sonnenkönigs seine kulturelle Vorbildwirkung am größten war und zum anderen, da Frankreich vor 1661 noch kein vergleichbares kulturelles Modell anzubieten hatte. Die Anwerbung von Arbeitskräften aus Paris für den österreichischen Adel betraf vor allem das Dienstpersonal. Ferdinand Bonaventura von Harrach engagierte für seinen Haushalt in Wien ein Mädchen aus Paris, das der Familie Harrach über ihren Korrespondenten in Paris, Alexandre Bergeret, später Kammerdiener bei der französischen Dauphine, vermittelt wurde. 1676 schrieb Bergeret an Harrach, dass die Tochter von Madame Benier, die das Vertrauen Bergerets besaß, bereit sei, über Lyon, wo Harrachs Frau Johanna Theresia auf ihrer Rückreise einen Zwischenstopp einlegen wollte, nach Wien zu reisen. Das Mädchen sollte den Töchtern der Familie zur Hand gehen, da Bergeret ihre Fähigkeiten im Frisieren hervorhob. Zusätzlich sei sie in etwa so groß wie die Tochter Josepha von Harrach, singe und tanze gut und sei geistreich.98 Das Dienstpersonal in Paris war im 17. Jahrhundert zahlreich und sollte bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts auf 40.000 durch die Kopfsteuer erfasste Familien ansteigen. Bis zu 90% der Dienstboten stammten aber aus dem Einzugsgebiet rund um Paris oder von noch weiter her.99 Insofern dürfte das Pariser Dienstmädchen Benier eine Ausnahme dargestellt haben. Auch die Familie Khevenhüller suchte Anfang des 18. Jahrhunderts, wie bereits erwähnt, längere Zeit nach einem geeigneten Dienstmädchen, für das 1719 auch eine Pariserin in Erwägung gezogen wurde, die
96 Vgl. Jean MEYER: Geschichte Frankreichs. Bd. 3 1990, S. 94, 88–89. Ältere Untersuchungen gehen von geringeren Pariser Einwohnerzahlen aus: 1650: 430.000, 1700: 510.000, 1750: 570.000, vgl. Bernard LEPETIT: La population urbaine. In: Dupâquier (Hg.): Histoire de la population 1995, S. 93–94. 97 Petrus Jardin erscheint als Erster nicht vor 1664 in Wien: Trauungsmatriken St. Stephan 1664, als Bräutigam erfasst, vgl. http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx [Stand 15.09.2009]. Etienne Boyet kam 1713 als letzter namhafter Pariser nach Wien, vgl. Pillich: Martin Tourneville. In: Wiener Geschichtsblätter 18/4 (1963), S. 237. 98 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Bergeret, Brief vom 23. Aug. 1676. 99 Vgl. Georges DETHAN: Paris au temps de Louis XIV. 1660–1715. Paris: Hachette 1990, S. 218.
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vom Hausmeister Monnot als nützlich und anständig empfohlen wurde. Über den Erfolg des Projekts ist allerdings nichts bekannt.100 Etwas schwieriger gestaltete sich die Suche des Korrespondenten Bergeret nach einem geeigneten Koch und Küchenjungen für den Grafen Harrach. Köche gehörten zum besser ausgebildeten Dienstpersonal eines herrschaftlichen Hauses. Das Gehalt wurde im Vorhinein ausverhandelt, denn Bergeret informierte Harrach über Gagen zwischen 800 livres für einen Koch, der als Referenz 20 Jahre Erfahrung und eine Anstellung beim Venezianischen Botschafter aufweisen konnte, und 150 livres, die der Graf Montecuccoli seinem Koch bezahlte, der eigentlich traiteur (Feinkosthändler) war.101 Die Suche nach einem Koch gestaltete sich schwierig, entweder waren die Gehaltsforderungen der Kandidaten zu hoch, oder es gab Probleme mit den Ausreisepapieren. Einige dürften ihm schlichtweg abgesprungen sein.102 Nach zwei Monaten Suche berichtete Bergeret am 20. September 1676 endlich nach Wien, dass er einen Koch namens Mercier, Maître traiteur, für das Engagement bei Harrach habe überreden können.103 Der Arbeitsmarkt an Köchen war offensichtlich bei weitem nicht gesättigt. Mercier wählte dann einen Sous-chef seiner Wahl aus, Mignon, der sich sofort mit Bergeret über Lyon auf die Reise nach Wien begab (vgl. auch Kap. 6.2). Auch die Familie Lamberg beschäftigte Franzosen aus Paris in ihrem Haushalt, einen Küchenjungen und einen Barbier, der den Sohn des Grafen Lamberg in Französisch unterrichten sollte.104 Durch die Kumulation der zahlreichen Gesandtschaftshaushalte zusätzlich zu den Stadthäusern des Adels und den reichen Haushalten von Beamten, Financiers und Händlern gab es in Paris eine permanente Nachfrage nach Küchenpersonal aller Qualifikationen, was die Gagen in die Höhe trieb und das Anwerben von gut ausgebildetem und vertrauenswürdigem Küchenpersonal im Vergleich zu Dienstoder Hauspersonal erheblich erschwerte. Einen ganz anderen Grund gab Jean Trehet für seine Emigration aus Paris an, als er 1686 nach Wien kam. Aus den Protokollen des Obersthofmeisters geht hervor, dass er sich irgendetwas zu Schulden hatte kommen lassen, da er „wegen eines ihme geschehenen Vnrechts auß franckhreich disgustirter“ ausreisen musste und dadurch eine Rückkehr nach Frankreich nicht in Frage käme (vgl. auch Kap. 4.2).105 Persönliche Gründe können zwar so manchen Franzosen zur Ausreise gezwungen haben, bildeten aber innerhalb der französischen Emigration nach Wien die Ausnahme, ebenso wie die Ausweisung Jean Dumonts aus Frankreich aufgrund seiner Gegnerschaft zu Ludwig XIV. Dumont machte in Wien als kai-
100 ÖStA, HHStA, Khevenhüller, Kammer am Attersee, Fasz. 11, Umschlag Monnot, Brief 21 vom 25. Mai 1719. 101 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Bergeret, Brief vom 23. Aug. 1676. 102 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Bergeret, Briefe vom 31. Aug. und vom 6. Sept. 1676. 103 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Bergeret, Brief vom 20. Sept. 1676. 104 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Bergeret, Brief vom 31. Aug. 1676. 105 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 244r.
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serlicher Historiograph Karriere und wurde 1723 von Karl VI. geadelt.106 In einigen Fällen können die Emigrationsmotive nicht mehr klar nachgezeichnet werden, wie für die Hutmacher Richard und Gervais Fauconet. Viktor Thiel sah in der von Kaiser Leopold I. 1659 ausgestellten Hoffreiheit für Fauconet eine Anwerbung,107 da er im Glauben nach Wien kam, hier Hüte nach Pariser Art und Qualität herzustellen. Dezidierte Hinweise auf eine Anwerbung durch den Kaiser oder Mitglieder des Hofadels fehlen in den Quellen aber,108 auch wenn dies erklären würde, warum hoch qualifizierte Fachkräfte den Pariser Luxusartikelmarkt verlassen sollten. Ähnliches gilt für den in Paris führenden Büchsenmacher Jacques la Mort de Lamarre, der über Prag 1673 nach Wien kam. In einem Inventar der Kaiserin Claudia Felicitas von 1676 ist bereits eine Flinte verzeichnet, „so der hiesige französische Büxenmacher Ihr Maÿ. verEhrt hat“109. Es kann sich dabei nur um Lamarre handeln, da kein anderer französischer Büchsenmacher in Wien bekannt ist und es unter Kunsthandwerkern durchaus üblich war, nach Ankunft in Wien dem Kaiser ein Werk aus der eigenen Werkstatt zu verehren, um auf sich aufmerksam zu machen.110 Ebenso kann für Jacob van Schuppen, Maler, Mitglied der Pariser Académie Royale de Peinture et Sculpture seit 1704 und etwa ab 1716 in Wien Präfekt an der kaiserlichen Akademie der Malerei und Bildhauerei, eine Anwerbung nicht eindeutig nachgewiesen werden.111 Der innerhalb des Untersuchungszeitraums letzte Pariser, der Buchbinder Etienne Boyet, wurde für Prinz Eugen angeworben. Eugens Generaladjutant Georg Wilhelm von Hohendorff umwarb den Sohn des königlichen Hofbuchbinders Luc Antoine Boyet 1713 bei einer seiner Reisen nach Paris. Die Höhe der zugesagten Pension von 1.500 livres zuzüglich freiem Quartier und Sonderbezahlung für Buchbindearbeiten112 zeigt, dass nur ein geschicktes Recruitment und hohe Entlohnungen dem Pariser Niveau entsprechend zum Erfolg führten. Die Anwerbung kann im Vergleich zu Lothringen und der Franche-Comté als charakteristisch für den Pariser Arbeitsmarkt angesehen werden, sie beschränkte sich abgesehen von Etienne Boyet auf die erste Hälfte der Regierungszeit Ludwigs XIV. 1664 bis 1686 und ging einher mit der gezielten Rezeption des ludovizischen Kulturmodells in Wien. Neben der Hauptstadt sei noch ein zweiter wichtiger urbaner Raum erwähnt, Lyon mit etwa 95.000 Einwohnern an der Wende zum 18. Jahrhundert, nach Paris die zweitgrößte Stadt Frankreichs. Über die Motive der Auswanderung aus Lyon ist dezidiert nichts bekannt. Allerdings kann angenommen werden, dass auch hier zwei Aspekte ausschlaggebend waren. Lyon galt im 16. Jahrhundert als erster Finanzumschlagplatz in Frankreich und einer der wichtigsten in Europa. Diese 106 Vgl. HAUPT: Kammerzahlamtsbücher Karls VI. 1983, S. 163. Die Herkunft Dumonts aus Paris ist zwar nicht belegt, aber wahrscheinlich. 107 Vgl. Viktor THIEL: Gewerbe und Industrie. Wien 1910, S. 12. 108 WStLA, Hauptarchiv, Akten und Verträge 3/1659, f. 4r. 109 ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 3, Mappe Claudia Felicitas, f. 57r. 110 Vgl. Johannes RAMHARTER: Waffen. In: Uwe Wieczorek (Hg.): Meisterwerke der Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein. Skulpturen, Kunsthandwerk, Waffen. Bern 1996, S. 268. 111 Vgl. HAUPT: Kammerzahlamtsbücher Karls VI. 1983, S. 181. 112 Vgl. Pillich: Martin Tourneville. In: Wiener Geschichtsblätter 18/4 (1963), S. 237.
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Stellung verlor die Stadt an Paris an der Wende zum 17. Jahrhundert und erlebte darauf folgend strukturelle Veränderungen im wirtschaftlichen Bereich, wodurch es sich ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zur Textilmetropole entwickelte, die in der Seidenherstellung und -verarbeitung führend war.113 Daneben hatte sich jegliche Verarbeitung von Edelmetallen im Kunsthandwerk und in der Präzisionsarbeit in Lyon etabliert. Sowohl Robert de Noielle,114 Perlhefter und Goldsticker ab 1617 in Wien fassbar, wie auch Bartholomaeus Dubois,115 Gold- und Silberfabrikant ab 1695 in Wien, entstammten diesen beiden Wirtschaftszweigen. Abwerbungen von lyonischen Arbeitern aus dem textilen Sektor sind für ganz Europa bekannt, vor allem dann, wenn die allgemeine Nachfrage nach Lyoner Produkten sank und Arbeitslosigkeit drohte, was im 17. Jahrhundert öfters der Fall war.116 Das Sinken der Realeinkommen im textilen Sektor auf lange Sicht und der zunehmende Verlust von sozialem Status der maîtres und ouvriers de soie im Vergleich zu den Händlern der Halb- oder Fertigprodukte können sich positiv auf die Emigrationsentscheidung ausgewirkt haben.117 Recruitment und betterment migration können auch für die lyonische Auswanderung als realistische Gründe angesehen werden. Schließlich stammte ein beträchtlicher Teil der französischen und französischsprachigen ImmigrantInnen in Wien aus Nordfrankreich. Das waren von Osten nach Westen Französisch-Flandern (von Ludwig XIV. eroberte ehemals zu den Spanischen Niederlanden gehörige Orte, heute Nord-Pas-de-Calais), das Artois, die Picardie, die Normandie und die Bretagne. Ähnlich wie für Lyon können nur wenige Aussagen über die Auswanderungsmotive aus diesen Regionen getroffen werden, einige Bemerkungen dazu sind aber angebracht. Bis zur französischen Annexion des Artois 1659 verlief die Grenze zwischen Frankreich und den Spanischen Niederlanden entlang der östlichen picardischen Grenzen. 1668 erwarb Frankreich weitere Städte in Flandern, darunter Lille und Armentières. Die Auswanderung für Migranten mit genannter Ortsherkunft aus diesen Gebieten beschränkte sich allerdings auf die 1690er Jahre, ein Zusammenhang mit den Kriegshandlungen in den Niederlanden und Flandern während des Pfälzischen Erbfolgekriegs ist denkbar, aber nicht nachweisbar. Sowohl beim Perückenmacher Thomas Gandon ist die genaue Ortsherkunft durch die Bezeichnung „Piscar“ in den Quellen nicht mehr nachvollziehbar, als auch beim Koch Franz Dorle die Angabe Grivasne sowie beim Chirurgen Simon Debucomps der Ortsname Bellovavensi als Herkunftsort wenig Aufschlüsse gibt. Allein der Perückenmacher Ludwig Desain weist eine klare Ortsherkunft auf. Er stammte aus dem seit 1668 französischen Armentières. Direkte Auswirkungen der französischen Annexion in 113 Vgl. Jean-Pierre GUTTON: Lyon et Lyonnais. In: Bély (Hg.): Dictionnaire de l'Ancien Régime 2005, S. 770–774. 114 Vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 615. 115 Vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 376. 116 Vgl. PELLETIER/ROSSIAUD/BAYARD/CAYEZ: Lyon 2007, S. 382, 484. 117 Vgl. Ulrich-Christian PALLACH: Fonctions de la mobilité artisanale et ouvrière–compagnons, ouvriers et manufacturiers en France et aux Allemagnes (17e–19e siècles). In: Francia 11 (1983), S. 394.
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den 1690er Jahren können ausgeschlossen werden.118 Zudem kam keiner der drei Picarden bzw. Wallonen aus dem textilen Sektor. Die Textilindustrie war der wichtigste Wirtschaftsbereich in Frankreich, und Nordfrankreich erbrachte etwa die Hälfte der französischen Textilproduktion, so auch die Picardie und das Artois.119 Nur zwei Immigranten in Wien, deren Namensherkunft auf die Picardie schließen lässt, sind der Textilindustrie zuzurechnen, nämlich der Sticker Johann Philipp Joseph De Lisle120 und der Schneider Johann Peter Poussin121. Insgesamt können mehrere Aspekte für eine Emigration aus der Picardie bzw. FranzösischFlandern ausschlaggebend gewesen sein: Hier wäre zum einen die wirtschaftliche Krise der 1690er Jahre zu nennen. Zwischen 1693 und 1709 kam es in ganz Frankreich zu Hunger und ungeheuren Teuerungsraten bedingt durch schlechte Ernten und kalte Winter. Ähnlich wie in der Franche-Comté gab es in den Jahren nach der französischen Annexion der flandrischen Gebiete jeweils Widerstände gegen die französische Herrschaft, allerdings weit weniger explosiv. Darüber hinaus erlebten die französischen Gebiete Flanderns ab dem Zeitpunkt der Annexion einen wirtschaftlichen Niedergang, der besonders die so bedeutende Textilwirtschaft betraf. 1698 lagen 50% der textilen Produktionsstätten brach, da mit der spanischen Herrschaft auch deren Absatzmarkt verloren gegangen war,122 während aber gerade die zweite Hälfte der Regierungszeit Ludwigs XIV. in der Picardie eine lange Phase der wirtschaftlichen Depression (1640–1680) ablöste.123 Neben betterment migration müssen auch Abwerbungen qualifizierter Arbeitskräfte aus der Picardie und dem Artois für möglich gehalten werden. Gegen Westen hin nahm die Emigration aus Nordfrankreich zahlenmäßig immer mehr ab. Die Bretagne und Normandie orientierten sich zweifelsohne am atlantischen Raum und dessen Möglichkeiten zur Emigration. Dennoch fördert die Analyse der Quellen zur Auswanderung von Peter Lesage, Hutmacher aus Monchalon in der Normandie, eine neue Facette der Motive zu Tage. Er gab bei seinem Ansuchen um die Erteilung einer Hofbefreiung 1664 an, dass er sein erlerntes Handwerk einige Jahre in der Fremde ausgeübt habe und auch seit seinem Aufenthalt in Wien drei Jahre dem Hof nachgezogen sei und die Hofgesellschaft bedient habe.124 Die Gesellenwanderung mit dem Ziel, Erfahrungen zu sammeln und neue oder bessere Arbeitstechniken zu erlernen, war ein Mobilitätsmodell, das es Handwerkern erlaubte, aus ihrer engen regionalen und sozialen Umgebung auszubrechen, um mitunter auch einen sozialen Aufstieg zu erfahren. Im Gegen118 Desain ist ab 1697 in Wien fassbar, Gandon ab 1692, Debucomps ab 1683, Dorle ab 1699, vgl. Trauungsmatriken St. Stephan, vgl. http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx [Stand 15.09.2009]. 119 Vgl. BAYARD/GUIGNET: L'économie française 1991, S. 169. 120 Ab 1713 in Wien fassbar, vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 353. 121 Ab 1673 in Wien fassbar, vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 284. 122 Vgl. Louis TRENARD: Histoire des Pays-bas français. Toulouse 1972, S. 290–294 und 304– 305. 123 Vgl. Pierre DEYON: Les progrès économiques et les sociétés provinciales. In: Robert Fossier (Hg.): Histoire de la Picardie. Toulouse 1974, S. 282, 285. 124 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 9, Konv. 1, f. 10r.
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satz zum Reich war die Gesellenwanderung in Frankreich nicht verpflichtend und bei weitem nicht so institutionalisiert, wodurch viele Handwerker sich auf eine „Tour de France“ beschränkten, die aber eine Möglichkeit darstellte, die sogenannten Standjahre zu überbrücken.125 Hutmacher galten insgesamt als besonders mobil, denn sie durchquerten Nord- und Mitteleuropa und nicht selten ließen sich wandernde Handwerker an einer ihrer Destinationen endgültig nieder,126 wie dies Lesage auch in seinem Ansuchen klar herausstrich: „in dero Residenz Statt Wienn mich häuslich niderzulassen genaigt vndt entschlossen bin“127. Lesage stellte damit nicht nur eine Ausnahme innerhalb der französischen ImmigrantInnen und ihrer Auswanderungsmotive, sondern auch innerhalb der französischen Handwerker dar. Die Auswertung aller französischsprachigen MigrantInnen in Wien ergab, dass neben Menschen aus Frankreich auch MigrantInnen aus Savoyen und den südlichen Niederlanden in Wien ihre Existenz zu sichern suchten. Beide Herkunftsorte stellen unterschiedliche Motive und Lebensentwürfe von Migrierenden dar, die im Folgenden kurz charakterisiert werden. Die Auswanderungssituation in den Sprachkontaktzonen, allen voran Savoyen, verhielt sich gegensätzlich zu den urbanen Zentren Paris und Lyon und zum wirtschaftlich gut entwickelten nordfranzösischen Raum. Ähnlich wie Lothringen und die Franche-Comté war Savoyen im 17. und 18. Jahrhundert rechtlich Teil des Heiligen Römischen Reichs,128 allerdings mit grundsätzlich anderen politischen, ökonomischen und kulturellen Voraussetzungen und Bindungen an Frankreich. Geographisch eingebettet zwischen Genf, Grenoble, Lyon und Turin als höchstgelegene Landschaft Europas mit den Alpenpässen Großer und Kleiner St. Bernhard und Mont-Cenis bestand das savoyische Kernland ursprünglich aus den Gebieten Faucigny, Genevois, Bresse, Bugey, Chablais, Tarantaise und Maurienne mit der Hauptstadt Chambéry. Savoyen galt seit dem 16. Jahrhundert wie Lothringen und die südlichen Niederlande etwa 250 Jahre lang als Zankapfel zwischen Bourbon und Habsburg und geriet im 17. Jahrhundert vermehrt ins Visier des expandierenden Frankreichs. Bresse und Bugey gingen 1601 an Frankreich verloren, wodurch sich die Herzöge von Savoyen vermehrt ihren italienischen Besitzungen zuwandten und diese zu vergrößern suchten: Neben Nizza und dem Aostatal bildete das Piemont politisch, wirtschaftlich und demographisch mit der neuen Hauptstadt Turin ab 1563 das savoyische Kernland. 1576 erwarben die Herzöge Oneglia, 1631 wurden ihnen Teile Montferrats zugesprochen. Wechselnde Heiratsverbindungen des Hauses Savoyen mit den Häusern Habsburg und Bourbon und auch eine durchaus opportunistische Bündnispolitik zwischen den beiden Konkurrenten Kaiser und König ermöglichten aber ein Überleben des Staates trotz mehrerer 125 Vgl. PALLACH: Fonctions de la mobilité. In: Francia 11 (1983), S. 372, 384–385. 126 Vgl. Wilfried REININGHAUS: Wanderungen. In: Jaritz/Müller (Hg.): Migration 1988, S. 184– 185. 127 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 9, Konv. 1, f. 10r. 128 Als Teil des Königreichs Burgund (Arelat) kam Savoyen 1033 zum Reich und schied erst 1801 aus diesem aus.
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französischer Besatzungen (1536–1559, 1690–1696 und 1703–1713) und den späteren Aufstieg zum Königshaus Piemont-Sardinien.129 Das ursprüngliche Herzogtum Savoyen (heute die Departements Savoie und Haute-Savoie) bestand im 17. und 18. Jahrhundert im Wesentlichen aus der alten Hauptstadt Chambéry und den Provinzen Faucigny und Chablais im Nordosten, Genevois im Nordwesten und den beiden südlichen Gebieten Tarantaise und Maurienne. Damit lag es im Einzugsgebiet zweier für Europa wichtiger Handelsrouten, zum einen jener von Marseille über Beaucaire bis Genua und zum anderen jener von Genua über die Lombardei nach Lyon, über welche Rohseide nach Lyon und Wolle aus der Dauphiné und Südfrankreich ins Piemont gelangten. Trotzdem verlor Chambéry im 16. und 17. Jahrhundert zunehmend seine wichtige Transitposition zu Gunsten der globaler agierenden Städte Lyon, Genua, Mailand und Turin, die im 17. Jahrhundert die Alpenpassage über den Simplon dem MontCenis vorzogen, da er für den Warentransport besser geeignet war. Savoyen war daher auf seine landwirtschaftliche Produktion angewiesen, die nur in den hochalpinen Gebieten, wo die Bauern Herr über ihr eigenes Land waren, durch die Herstellung von Käse und durch Viehzucht und -handel Überschüsse erwirtschaftete. Der handwerkliche Sektor produzierte im Wesentlichen für den Eigenbedarf, italienische und lyonische Investitionen in Manufakturwesen, Industrie und Kommerz zeigten bis weit ins 18. Jahrhundert hinein keine Erfolge. Einzig in Les Bauges gab es Betriebe, die Eisenwaren und in Annecy Produktionsstätten, die Seidenwaren erzeugten, die über die lokale Nachfrage hinaus fungierten.130 Das französischsprachige Savoyen blickte wirtschaftlich nach Südfrankreich und orientierte sich auch kulturell und administrativ mehr an Frankreich als an Turin, was nicht nur an der französischen Muttersprache der Savoyer lag. Franz I. gründete in Chambéry während der ersten französischen Besatzung 1536–1559 das Parlament, das unter dem Namen Senat auch nach dem Abzug der Franzosen alle Aufgabengebiete der Judikatur und der Legislative im Sinne der französischen Parlamente inne hatte. Bereits im 16. Jahrhundert etablierte sich in Annecy ein französischer Humanistenkreis rund um Marguerite de Valois, Tochter von Franz I. Auch das spätere savoyische Hofleben orientierte sich besonders im 17. Jahrhundert unter Christine von Frankreich und Maria Johanna Baptista von SavoyenNemours am französischen Vorbild.131 Wirtschaftlich trat die politische Grenze zu Frankreich zunehmend in den Hintergrund. Franzosen hoben in Savoyen die Salzsteuer ein, die savoyische Geldwirtschaft war seit der Geldreform von 1632 und der Einführung des livre in Savoyen an den livre tournois gebunden und vom Finanzmarkt Frankreichs abhängig. Geoffrey Symcox mutmaßte, dass die französi-
129 Vgl. Paul GUICHONNET: Histoire de la Savoie. Toulouse 1973, S. 231–332. Geoffrey SYMCOX: Victor Amadeus II. Absolutism in the Savoyard State 1675–1730. London 1983, S. 13–53. Bernard GROSPERRIN: Savoie. In: Bély (Hg.): Dictionnaire de l'Ancien Régime 2005, S. 1125–1126. 130 Vgl. SYMCOX: Victor Amadeus II. 1983, S. 26–29. GUICHONNET: Histoire de la Savoie 1973, S. 239, 301–302. 131 Vgl. GROSPERRIN: Savoie. In: Bély (Hg.): Dictionnaire de l'Ancien Régime 2005, S. 1126.
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sche Invasion sowohl 1690 wie auch 1703 und 1742 von der Bevölkerung sogar begrüßt wurde.132 Die savoyische Migration ins Reich setzte nicht erst im 17. Jahrhundert ein, denn bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts waren Wanderhändler und Hausierer aus Savoyen in süddeutschen Städten anzutreffen133 und wurden pejorativ „Savoyarden“134 genannt. Der Wanderhandel bildete in Savoyen eine traditionelle Erwerbsform135 für die Bevölkerung und blieb das Charakteristikum der savoyischen Auswanderung bis ins 19. Jahrhundert, deren Protagonisten bis nach Wien kamen, wo man sie auch als „Welsche Krämer“136 bezeichnete, da jeder Wanderhändler aus dem Süden gleichgültig welcher Herkunft und Muttersprache unreflektiert als „welsch“ angesehen wurde. Wanderhandel begann meist als saisonale Arbeitsmigration. Über Generationen hinweg aber als temporäre Migration praktiziert, führte er meist zu einer definitiven Einwanderung im Zielland. Aufgrund der wechselnden Migrationsformen sind Schätzungen über die Zahl der migrierenden Savoyer schwierig. Angaben zur Abwesenheit der männlichen Bevölkerung in den Wintermonaten mancher savoyischer Dörfer in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts belegen jedoch die massive Einbindung wesentlicher Bevölkerungsteile in den Wanderhandel. 1726 wurden in Magland beispielsweise 63% der männlichen Bevölkerung für „abwesend“ erklärt, in zahlreichen Dörfern lag die Quote bei über 40%.137 Da Savoyer fast ausnahmslos katholisch waren, galt Wien neben den Schweizer und süddeutschen bzw. vorderösterreichischen Städten, allen voran Freiburg und Breisach, verstärkt ab 1683 als beliebteste Großstadt für savoyische Einwanderer. Franziska Raynaud kennt allein für den Betrachtungszeitraum 1630 bis 1740 namentlich 46 Savoyer vorwiegend aus dem hochalpinen Faucigny,138 die sich definitiv in Wien niederließen.139 Die savoyische Einwanderung stellte innerhalb der gesamten französischsprachigen Immigration in Wien ein besonderes Kontinuum dar. Savoyer scheinen von 1620 bis weit ins 18. Jahrhundert zwar unter veränderten Verhältnissen, aber beständig auf, und sie bildeten auch einen relativ hohen Anteil der französischsprachigen Immigration in Wien 132 Vgl. SYMCOX: Victor Amadeus II. 1983, S. 28 und 33. 133 Vgl. Wilfried REININGHAUS: Wanderhandel in Deutschland. Ein Überblick über Geschichte, Erscheinungsformen und Forschungsprobleme. In: Wilfried Reininghaus (Hg.): Wanderhandel in Europa. Dortmund 1993, S. 31–45. 134 Vgl. Franziska RAYNAUD: Savoyische Einwanderungen in Deutschland. (15.–19. Jahrhundert). Neustadt an der Aisch 2001, S. 7. 135 Vgl. Paul GUICHONNET: L'émigration alpine vers les pays de langue allemande. In: Revue de géographie alpine 36/4 (1948), S. 533–576. 136 Vgl. Laurence FONTAINE: History of Pedlars in Europe. Cambridge 1996, S. 10. 137 Vgl. RAYNAUD: Savoyische Einwanderungen 2001, S. 19–20. 138 Die meisten savoyischen Migranten kamen aus Araches, Megève, St. Nicolas de Veroce, Magland-Saxel, Sallanches, St. Gervais und Scionzier; nur der Herkunftsort Bellentre liegt in der Tarantaise (Reihenfolge nach Anzahl der Nennungen). Vgl. RAYNAUD: Savoyische Einwanderungen 2001, S. 128–255. 139 Raynaud inkludiert auch die vorangegangenen Forschungen zu Wien von Chantal MAISTRE/ Gilbert MAISTRE/Georges HEITZ: Colporteurs et marchands savoyards dans l'Europe des XVIIe et XVIIIe siècles. Annecy 1992.
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vor 1661. Alle in dieser Studie berücksichtigten Personen mit sicherer oder wahrscheinlicher savoyischer Herkunft ließen sich als hofbefreite oder bürgerliche Händler identifizieren, einige davon dezidiert als Wanderhändler.140 1633 kam Valentin Zaller141 bei Ferdinand III. mit der Bitte um die Erteilung einer Hofbefreiung auf den Handel mit französischen kurzen Waren und begründete seine Migration darin folgendermaßen: „Allergnedigister herr, Euer Kaÿ. Maÿ. kann Ich Allervnderthenigist anzuefliehen nicht vnderlaßen, daß Ich über die zehen Jahr hero contenue nicht alhier vnd In dero Kaÿserlichen Kriegs vnd Feldtlägern mit allerhandt frantzösischen vnd kurzen Wahren zuuerkauffen, aufgehalten, zwar der Hofnung gelebt, Einsten mich widerumb in mein Patriam Nacher Savoÿa zuebegeben, so bin Ich aber seithero, weilen der meiste theill daselbsten durch deß Kriegs Vnruhe ruinirt, daran verhindert wordten, dahero an Jetzo Entschloßen, mein Leben alhir vnd beÿ Euer Kaÿ. Maÿ. hoffhaltung Allervndterthenigist zuzubringen, [...]“142
Savoyen litt im 17. Jahrhundert unter einer Reihe von Problemen, die durchaus als Push-Faktoren für Emigration verstanden werden können. Wie es Valentin Zaller eindringlich darstellte, wurde Savoyen mit dem französischen Kriegseintritt Schauplatz von Verwüstung und Zerstörung im Zuge des 30-jährigen Krieges. Mit den Kriegsfolgen gingen im 17. Jahrhundert mehrere Pestkalamitäten einher, dazu kamen der karge Boden in den äußerst hochgelegenen Alpentälern mit langen Wintern und anderen Naturgefahren, im Verlauf des 17. Jahrhunderts mehrere Missernten und Hunger und eine dennoch steigende Bevölkerung auch in den alpinen Gebieten seit dem 13. Jahrhundert. Die später folgenden französischen Besatzungen brachten der Bevölkerung neue wirtschaftliche Repressalien.143 1629 schrieb der Steuerbeamte Maurice Barfelly über die Eisenwarenmanufaktur in Annecy: „[…] la pauvreté du lieu a fait cesser tou cela, joint que l'air y est tellement malsain que les personnes y vivent fort peu. D'effet en 1629 tous les habitants y moururent sauf deux qui sont encore en vie, et les particuliers auxquels les fabriques appartiennent ont été contraints y faire venir des étrangers pour les tenir en pratique [...]“144
Nach dem 30-jährigen Krieg setzte verstärkt durch schlechte Ernten eine eklatante Teuerungswelle ein, ab 1649 sprach der Rechnungshof von einer Hungersnot, 1650 notierte er „Les stérilités et tempêtes ont ravagé la campagne et la mortalité qui s'y est étendue non moins que dans les villes a emporté le tiers des laboureurs“145.
140 Vgl. Tabelle im Anhang: Hanns Christoph Bonneth, Franz Bonneth, Andre Cleas, Antoine Cleas, Augustin Cleas, Balthasar Cugnioth, Johann Georg Cugnioth, Johann Ludwig Douex, Moritz Prian, Claudio Pugnieth, Franz Pugnieth und Valentin Zaller kamen sicher aus Savoyen, Jacob Chappuis und Peter Prian wahrscheinlich. 141 Auch Zahler in den Quellen, Unterschrift in lateinischer Schrift. 142 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 11, Konv. 4, f. 546r. 143 Vgl. RAYNAUD: Savoyische Einwanderungen 2001, S. 33–34. 144 Zitiert nach GUICHONNET: Histoire de la Savoie 1973, S. 244. 145 Zitiert nach GUICHONNET: Histoire de la Savoie 1973, S. 245.
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Wirtschaftlicher Druck und Überlebensängste sind mit Sicherheit insgesamt und im Besonderen für Valentin Zaller ausschlaggebend für eine Migration gewesen, die ihm seine Existenz sichern sollte (subsistence migration). Dennoch wäre die Suche nach den Motiven für die savoyische Auswanderung zu monokausal gesehen, würde sie hier enden. Der 30-jährige Krieg bzw. Krieg an sich brachte für den in Savoyen seit dem Spätmittelalter tradierten Wanderhandel neue Betätigungsfelder. Keine Armee kam ohne Marketender aus und ohne Zulieferer, die den Tross versorgten.146 Savoyer fanden hier über Jahre hinweg Möglichkeiten zum Broterwerb, auch wenn dies ein hohes Maß an Risiko in sich barg, wie es Jacob Chappuis147 in seinen 1635 und 1642 gestellten Anträgen auf einen kaiserlichen Freibrief zur Handelsniederlassung in Wien beschrieb: „[…] Auß beÿligendt vidimirten Abschrifften meiner Passbrieffen A. B. vernemben, Eur Kaÿ. Mt: Allergnedigist, waß massen dero Kaÿ. Armee, ich alß ein Marquetenter nachgezogen, vnnd denen beÿ derselben befindenten Soldaten mit Zuefuehr: vnd darraichung allerhandt meiner khuerzen französischen Wahren, neben meinen Erlehrnten Nestlerhandtwerch beÿgesprungen, biß Endtlich durch Vnglickhlichen Zuefall von den Schwedischen Ich gefangen, vnnd nit allein alles das meinig durch beschehene beraubung verlohren, sondern auch noch darzue Vmb außlößung meiner Persohn, ein zimbliche Summa darstreckhen müssen, vnd hierdurch mir mein gehabte tägliche Nahrungsmitl laider gar abgeschnitten wordten;“148
Gerade Push-Faktoren wie Kriegserfahrungen, Gefangenschaft und Lösegeldforderungen dienten dem Supplikanten in Wien sowohl bei Ferdinand II. wie auch bei dessen Nachfolger Ferdinand III. neben einer Rekommandation des Reichsgrafen Heinrich Wilhelm von Starhemberg von 1642149 als schlagkräftige Argumente und sorgten für einen positiven Bescheid. Dass Savoyen zum Reich gehörte und die Savoyer somit auch Untertanen des Kaisers wären, war bei keinem der Supplikanten ein Argument. Die savoyische Migration in der zweiten Hälfte des 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist noch weniger unter dem Aspekt der subsistence und viel mehr unter dem der betterment migration zu sehen. Denn weder bei der Familie Bonneth, die in erster und zweiter Generation in Wien ab 1633 als Hofhandelsmänner mit kaiserlichem Privileg150 tätig war (Franz ab 1633, Hanns Christoph ab 1642), noch bei Moritz Prian 1675 sind existenzbedrohende Gefahren Thema der Quellen. Vielmehr nannte sich Prian in seinem Passantrag nach Savoyen selbst als „Bürgerlicher Handlßmann in Wienn“151, was eindeutig zeigt, dass er fest im Wiener Bürgertum integriert war. Wie Raynaud 146 Vgl. FONTAINE: History of Pedlars 1996, S. 32. 147 In den Quellen auch Jacob Schöppi. Er hatte 1636 bereits unter Ferdinand II. ein Privileg auf Handel mit kurzen französischen Waren erhalten, muss aber 1642 bei Ferdinand III. neuerlich darum ansuchen; seine Herkunft ist leider ungesichert, einen Antrag unterzeichnete er selbst in lateinischer Schrift, seine Vita deutet auf eine savoyische Herkunft hin, der Name Chappuis ebenfalls, vgl. FORDANT: Tous les noms 1999, S. 180. 148 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 9, Konv. 1, f. 85r. 149 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 9, Konv. 1, f. 83r. 150 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 2, Fasz. 1, Konv. 4, f. 510r–511v sowie HHStA, Passbriefe 2, f. 238r–240v. 151 ÖStA, HHStA, RHR, Passbriefe 2, f. 132r.
3.3 Urbane Zentren und Sprachkontaktgrenzen außerhalb Frankreichs
103
nachwies, konnten sich viele der savoyischen Einwanderer in deutschen Städten den Erwerb des Bürgerrechts leisten, so auch der Großteil der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nach Wien kommenden Savoyer. Längst nicht alle savoyischen Auswanderer kamen aus ärmlichen oder existenzbedrohten Familien. Der Wanderhandel war offenbar ein so einträgliches Geschäft, dass er Menschen aus allen Bevölkerungsschichten inklusive Adeliger anzog. Die Motive sind eindeutig im Wunsch nach der Verbesserung der finanziellen und wirtschaftlichen Möglichkeiten zu suchen. Gerade nachgeborene Söhne, die kein Erbe zu erwarten hatten, suchten über den Wanderhandel Geld zu machen, um damit in der Heimat Ansehen, Prestige und die Anrede „Sieur“ zu erlangen.152 Eine letzte Facette von Auswanderungsmotiven bietet die zweite Sprachkontaktzone außerhalb Frankreichs, die südlichen Niederlande. Flandern, Brabant und Namur bildeten zusammen mit Luxemburg die südlichen Niederlande, den nordwestlichsten Teil des Heiligen Römischen Reiches an der Grenze zu Frankreich. Dieser Länderkomplex mit seinen wirtschaftlich und kulturell wichtigen Zentren Brüssel und Antwerpen wurde durch die Erbteilung von 1521/1522 als Spanische Niederlande der spanischen Linie der Habsburger zugesprochen. Auch nach der Anerkennung der Unabhängigkeit der Generalstaaten durch Spanien im Westfälischen Frieden blieb vor allem Flandern bis zum Frieden von Utrecht 1713 Kriegsschauplatz, bedingt durch die Expansionspolitik Ludwigs XIV. gegen die Habsburger. Die Emigration der Familie Le Grand aus Dünkirchen vor 1663 dürfte direkt mit den sich verschiebenden Machtverhältnissen in Südflandern zusammenhängen. Dünkirchen, bis zum Englisch-Spanischen Krieg (1655–1660) zu den Spanischen Niederlanden gehörig, fiel 1658 an England, das die Stadt 1662 an Ludwig XIV. verkaufte. Die Perückenmacherfamilie dürfte zwar den Krieg abgewartet haben, als die französische Herrschaft aber Gewissheit wurde, muss sie nach Wien migriert sein, wo sie 1663 zum ersten Mal aktenkundig wurde.153 Von einer Flucht ist allerdings nichts bekannt. Obwohl zum Reich gehörig und trotz der familiär-dynastischen Verbindungen der südlichen Niederlande nach Wien über die Casa de Austria, galten Wallonen in Wien als Fremde, ihre Aufnahme am Hof war nicht von vorn herein gesichert. Johann Hallet de Sapogne aus Luxemburg beispielsweise wurde 1700 vom Obersthofmeister als Hofbibliothekar mit dem Hinweis abgelehnt, dass „Ewer Kaÿ. Maÿ. nie frembde ordens persohn seiner obdenienz vnd Closter entziechen vnd deroselben die Bibliothec anvertrauen werden wollen“154. Auch Jean Boulenger aus Brüssel, zuerst Kammerdiener beim Grafen von Königsegg, dem damaligen Reichsvizekanzler, und später von diesem 1691 als Kurier an den Hof rekommandiert, wurde in Wien als Fremder wahrgenommen, was bei seinen Auseinandersetzungen mit den anderen diensttuenden Kurieren um Dienste und Vergütungen nicht unreflektiert blieb.155 152 153 154 155
Vgl. RAYNAUD: Savoyische Einwanderungen 2001, S. 33–35. ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 20v. ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 6, f. 101r. ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 8, f. 229r/v, f. 269r/v, f. 271r–272v und Alte Akten 9, f. 467r.
104
3 Französischsprachige MigrantInnen in Wien: Herkunft und Emigrationsmotive
Eine glänzende Karriere verfolgte Paul de Sorbait aus dem Hennegau, den sein Medizinstudium von Padua nach Wien führte. Als bewährter Pestarzt, Autor mehrerer medizinischer Werke und Leibarzt der Kaiserinwitwe Eleonora von Gonzaga bekleidete er an der Wiener Medizinischen Fakultät zuerst als Professor, dann als Dekan wichtige Ämter. Die Einführung der Anatomie als Grundlage der Medizin in Wien geht auf ihn zurück.156 Ein weiteres Familienmitglied, Jacob de Sorbait, schlug als Rittmeister und Unterfourier ebenfalls eine öffentliche Laufbahn im kaiserlichen Dienst ein.157 Belegt für die Zeit vor dem Frieden von Utrecht sind auch Anwerbungen von wallonischen Waffenschmieden aus Lüttich für eine 1657 in Wiener Neustadt angesiedelte „Armaturmeisterschaft“ zur Herstellung von Hieb-, Stich- und Schusswaffen sowie von Kürassen.158 Mit dem Wechsel der südlichen Niederlande von den spanischen Habsburgern zum Länderkomplex der österreichischen Habsburger 1713 setzte die Migration nach Wien vermehrt ein, was vor allem Juristen betraf, da Personen aus dem Verwaltungsapparat durch die veränderten Verwaltungsstrukturen verstärkt zur Zusammenarbeit mit Wien herangezogen wurden. Besonders in den ersten Jahren der Regierung Karls VI. ging es darum, in Wien eine Regionalverwaltung für die österreichischen Niederlande zu implementieren. Beamte prägten auch im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts die wallonische Migration nach Wien, die unter Maria Theresia kulminierte.159 Beamte oder Bedienstete des öffentlichen Sektors, der Verwaltung und kaiserlichen Dienstleistung können anhand der gezeigten Beispiele durchwegs als Charakteristikum der südniederländischen Migration nach Wien verstanden werden, deren Motivation zum größten Teil in einer Anwerbung durch das Kaiserhaus bzw. dessen Beauftragten zu finden ist. Schließlich ist auch die Anwerbung des besagten Martin Tourneville aus Brüssel als Buchbinder für Prinz Eugen 1714160 als direkte Folge der Friedensverhandlungen von Utrecht zu interpretieren. Schlussfolgerungen In der Bewertung der Herkunftsregionen und der Motive französischsprachiger ImmigrantInnen in Wien sind unterschiedliche Fragestellungen und Kategorien zu beachten. Zum einen fällt auf, dass der französischsprachige Raum anhand der Emigrationsmotive in zwei Sphären zerfällt, nämlich in jene vom nordfranzösischen, wirtschaftlich gut entwickelten Raum über Paris nach Lyon und in jene 156 Vgl. HAUPT: Leidenschaft 1998, S. 76. 157 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 5, f. 558r/v. 158 Vgl. Helfried VALENTINITSCH: Niederländische Waffenschmiede in Österreich zur Zeit der Türkenkriege. In: Othmar Pickl (Hg.): Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Österreichischen Niederlanden und den Österreichischen Erblanden im 18. Jahrhundert. Graz 1991, S. 71–84. 159 Vgl. Renate ZEDINGER: Migration und Karriere. Habsburgische Beamte in Brüssel und Wien im 18. Jahrhundert. Wien/Köln/Weimar 2004, S. 23–26. 160 Vgl. PILLICH: Martin Tourneville. In: Wiener Geschichtsblätter 18/4 (1963), S. 237.
3.3 Urbane Zentren und Sprachkontaktgrenzen außerhalb Frankreichs
105
Gebiete, die vor der französischen Expansion zum Reich gehörten wie Lothringen, die Franche-Comté und Savoyen sowie die südlichen Niederlande, wobei letztere eine Ausnahme bildeten. Für Emigranten aus dem französischen Kerngebiet, in erster Linie Paris, waren Pull-Faktoren ausschlaggebend wie die Mobilität der Handwerker, vor allem aber die gezielte Anwerbung des österreichischen Adels, der dies im Wesentlichen auf seinen Reisen vor Ort selbst oder aber zum Großteil über einen französischen Vertrauensmann, einen Korrespondenten oder über französische EmigrantInnen in den Erblanden bewerkstelligte. Für EmigrantInnen aus den neu erworbenen oder annektierten Gebieten der französischen Peripherie gaben eher Push-Faktoren wie in seltenen Fällen eine durch Krieg verwüstete Heimat oder in vielen Fällen die Flucht aus den von Ludwig XIV. bedrohten, besetzten oder annektierten Gebieten den Ausschlag zur Auswanderung. Dennoch lassen sich die Emigrationsmotive nicht nur auf die beiden Aspekte Flucht und Recruitment reduzieren. Die Grenze zwischen Flucht und betterment migration kann oft nicht klar gezogen werden, man muss davon ausgehen, dass beide Motive eng miteinander verschränkt waren, wie ja auch jede Flucht für den Emigrierenden eine Verbesserung der Lebenssituation bedeutete. Die savoyischen Wanderhändler wiederum entschieden sich fast ausnahmslos aus Gründen des betterment für die zuerst nur temporäre Migration und schließlich für die endgültige Niederlassung in Wien. Sozialer und finanzieller Aufstieg stand bei ihnen im Vordergrund. Die Wallonen bildeten die zweite Ausnahme, sie gerieten nie in den französischen Einflussbereich und wurden 1714 nach dem Frieden von Rastatt Österreich zugesprochen, wodurch die Anwerbung sowohl die Emigration des 17. wie auch des 18. Jahrhunderts dominierte. Persönliche Gründe und Gesellenwanderungen als Motive der Auswanderung blieben insgesamt die Ausnahme, direkte Kriegsfolgen ebenso. Schließlich sei auch darauf hingewiesen, dass in der Anwerbung von französischen Arbeitskräften insgesamt ein hoher Grad an Vernetzung für das Gelingen notwendig war, da Französinnen und Franzosen mit guten Chancen am eigenen Arbeitsmarkt nur nach eingehender Überprüfung des Angebots und des österreichischen Arbeitgebers durch eine Person ihres Netzwerks zu einem Grenzübertritt zu bewegen waren, außer sie hätten, wie es Jean-Baptiste Monnot formulierte, „le Diable au corps“161. Vertrauenspersonen wie Bergeret oder Monnot deuten an, dass der österreichische Adel in Frankreich besser vernetzt war, als dies die schwierigen diplomatischen Beziehungen zwischen Kaiser und König vermuten lassen, wodurch auch Kettenmigration in kleinem Ausmaß zur Realität der französischen Migration nach Wien gehörte. Beim Recruitment standen die besonderen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Französinnen und Franzosen wie auch ihr Stellenwert in der internationalen Bewertung im Vordergrund der Überlegungen des österreichischen Adels. In welchem Maße sie dies in Wien umsetzen konnten und inwieweit auch unkontrolliert eingewanderte ImmigrantInnen in Wien Fuß fassen konnten, steht im folgenden Kapitel zur Diskussion. Dabei werden die ein161 ÖStA, HHStA, Khevenhüller, Kammer am Attersee, Fasz. 11, Umschlag Monnot, Brief 19 vom 6. Feb. 1717.
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3 Französischsprachige MigrantInnen in Wien: Herkunft und Emigrationsmotive
zelnen Betätigungsfelder, die Arbeitgeber und der kulturelle Input der Französinnen und Franzosen untersucht.
4
IMMIGRANTINNEN ALS TRÄGER VON KULTUR: ARBEITSFELDER UND ARBEITGEBER
Als Claudius Bernardus Bechet aus Besançon (Burgund) sich 1690 in Wien bei Kaiser Leopold I. um die Aufnahme in die Hofkapelle bewarb, wurde sein Ansuchen auf eine Exspektanz (Anwartschaft) in einer ersten Reaktion mit folgenden Worten retourniert: „[...] obige Supplicanten zur gedult zu weißen, vnd absonderlichen den Bechet, alß an welchen zu zweifeln ob er nit ein franzoß, zuverstehen zu geben, daß für ihme keine Hoffnung seÿe“1. Ähnlich erging es Peter Quantin, der „natione gallus“ 1696 ein Ansuchen auf die Hoftapeziererstelle einbrachte und dem Leopold I. ausrichten ließ, „Eß ist einmahl nit rathsamb, zu einen würcklichen Hoffdiener einen franzoßen noch beÿ mir noch beÿ dem König auffzunehmen [...]“2. Während Quantin etwas später am Wiener Hof eine Anstellung fand, verlor sich die Spur Claudius Bernardus Bechets in den Quellen. Beide Fälle stehen nicht nur beispielhaft für das Schicksal von Französinnen und Franzosen in Wien, sondern sie zeigen auch auf, dass französischsprachige MigrantInnen zwischen Ablehnung und Karriere und zwischen Remigration und Integration in Wien ein breites Spektrum an Existenzmöglichkeiten vorfanden, welche im Folgenden im Zentrum der Beobachtung stehen werden. Während die traditionelle Migrationssoziologie den Eintritt eines Migranten in das Erwerbsleben und seine Eingliederung am Arbeitsmarkt des Zielortes nach wie vor als strukturelle Assimilation3 klassifiziert, gehen neuere Ansätze davon aus, dass es sich dabei um das erfolgreiche Einsetzen freier Ressourcen handle. Dies impliziert zwei mögliche Denkmuster: Zum einen kann der Blick im positiven Sinn auf MigrantInnen gelenkt werden, indem ihre bisher ungenützten Fähigkeiten und Fertigkeiten zielführend eingesetzt werden können. Zum anderen ermöglicht es eine Sichtweise, nach welcher der Strom von MigrantInnen eben aufgrund ihrer Ressourcen zunehmend über eine Kosten-Nutzenrechnung gelenkt werden will, wonach über Aufnahme oder Ablehnung des Immigrierenden entschieden wird.4 In dieser Diskussion nimmt die Kulturtransfertheorie eine klare Position ein, die die Immigration immer als positive Chance zur Veränderung und damit Weiterentwicklung der Aufnahmekultur auffasst. Beide Sichtweisen sind für die Betrachtung der französischen ImmigrantInnen in Wien nicht unwesent1 2 3 4
ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 311r. ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 5, f. 488v. Vgl. Hartmut ESSER: Welche Alternativen zur „Assimilation“ gibt es eigentlich? In: IMISBeiträge 23 (2004), S. 46. Zum Thema Migrationsmanagement vgl. Katrin MEYER/Patricia PURTSCHERT: Migrationsmanagement und die Sicherheit der Bevölkerung. In: Katrin Meyer/Patricia Purtschert/Yves Winter (Hg.): Gouvernementalität und Sicherheit. Zeitdiagnostische Beiträge im Anschluss an Foucault. Bielefeld 2008, S. 149–172.
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4 ImmigrantInnen als Träger von Kultur: Arbeitsfelder und Arbeitgeber
lich. Denn neben der Flucht erscheint das Recruitment das Hauptmotiv der französischen Emigration nach Wien gewesen zu sein. Die Anwerbung erlaubte es, gezielt benötigte Arbeitskräfte nach Wien kommen zu lassen. Die französische Immigration nach Wien ist deshalb vielfach gelenkte Arbeitsmigration qualifizierter oder hochqualifizierter Fachkräfte und keine von ungelernten oder bäuerlichen Schichten. Umgekehrt betrachtet, spiegelt die berufliche Orientierung der französischen ImmigrantInnen nicht nur das breite Spektrum des ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zunehmend vorherrschenden französischen Kulturmodells wider, sondern auch den Bedarf der Residenzstadt Wien, an diesem teilhaben zu können. Dabei ist es wesentlich, dass das französische Kulturmodell, das in Wien rezipiert wurde, ein höfisches, auf Repräsentation hin ausgerichtetes war, als dessen Synonym Versailles galt. Die Produkte und Produktionszweige, die von Ludwig XIV. intendiert und in Wien rezipiert wurden, entsprachen noch nicht jenen, die nach der Konsumtheorie von McKendrick und Brewer im 18. Jahrhundert für die Geburtsstunde der Konsumgesellschaft ausschlaggebend waren.5 Vergoldete Repräsentationswagen, Tapisserien und Seidenkleider sind Produkte, die im heutigen Sinn des Wortes Luxus bedeuten,6 als Zielpublikum klar den Hof fokussierten und für den zunehmenden Mittelstand in Frankreich bei weitem unerschwinglich blieben. Die zeitliche Untersuchung wird zeigen, dass die größte Konzentration von französischen ImmigrantInnen in Wien die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts und somit im Wesentlichen die Regierungszeit Ludwigs XIV. betraf. Dennoch sind billigere und einfachere Produkte für den Handel während des gesamten Betrachtungszeitraums konstant vorhanden. Frankreichs kultureller und ökonomischer Erfolg basierte im 17. Jahrhundert auf der in Manufakturen produzierten luxuriösen Bekleidungsindustrie für den Adel. Erst im 18. Jahrhundert setzte der wachsende Konsum mittlerer und unterer Schichten ein, die in Nachahmung des Adels eine breite Palette an billigen Accessoires, Einrichtungsgegenständen und Hausrat kauften.7 In Österreich bzw. Wien begann die Nachfrage mittlerer und unterer Schichten nach „Luxuswaren“ aus dem textilen Bereich wie auch nach Hausrat und Möbeln nach Sandgruber noch später, also nicht vor 1750, bedingt durch niedrige Einkommen, institutionelle und soziale Hemmnisse (Monopole, Privilegien, Marktbeschränkungen, Kleiderordnungen) und fehlendes oder falsch investiertes
5 6
7
Vgl. Neil MCKENDRICK/John BREWER/John Harold PLUMB: The Birth of a Consumer Society. The Commercialization of Eighteenth-Century England. London 1982. Luxus in zeitgenössischen Schriften und Diskursen bedeutete eigentlich jede Art, etwas Neues zu konsumieren oder mehr zu konsumieren als traditionell nötig. Vgl. Rainer BECK: Luxus oder Decencies. Zur Konsumgeschichte der Frühneuzeit als Beginn der Moderne. In: Reinhold Reith/Torsten Meyer (Hg.): „Luxus und Konsum“ – eine historische Annäherung. Münster/New York/München [u.a.]: 2003, S. 37. Vgl. Cissie FAIRCHILDS: The production and marketing of populuxe goods in eighteenth century Paris. In: John Brewer/Roy Porter (Hg.): Consumption and the World of Goods. London/New York 1997, S. 228–248.
4.1 Nachfrage und Angebot französischer Arbeitskräfte in Wien
109
Engagement des Adels und des Staates in Manufakturprojekte.8 Seide als Konsumobjekt wurde für die Mittel- und Unterschichten erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts interessant, sodass als Konsumenten besonders teurer Produkte à la française um 1700 nur der Adel und der Hof in Frage kamen. Konsum verbindet und vermittelt soziale Identität, was auch schon im 17. Jahrhundert für den Adel in zweierlei Hinsicht galt: Im Streben nach sozialer Distinktion vermittelte der Konsum des französischen Kulturmodells dem Adel eine soziale Identität und schuf über die internationale Kulturkonsumgemeinschaft eine Gruppenidentität, die für den Adel im Sinne einer absolutistischen Repräsentation wichtig war.9 In beschränktem Maße galt dies auch für den Wiener Hof. Die französischen ImmigrantInnen in Wien bildeten daher genau jene Branchen und Beschäftigungsnischen französisch-höfischer Kultur ab, die in Wien rezipiert werden wollten, aber mangels qualifizierter Fachkräfte unterbesetzt waren. Insofern lässt sich anhand der Verteilung der einzelnen Berufsfelder auch generell das Vordringen des französischen Kulturmodells in Wien nachzeichnen. 4.1
NACHFRAGE UND ANGEBOT FRANZÖSISCHER ARBEITSKRÄFTE IN WIEN
Ende November 1676 kehrte Johanna Theresia von Harrach nach einem längeren Aufenthalt in Spanien, wo ihr Mann bis auf Weiteres in der Funktion eines kaiserlichen Botschafters verblieb, mit ihren Kindern über Frankreich nach Wien zurück und bezog ein Stadthaus in der Schenkgasse. Bereits am 1. Dezember schrieb sie ihrem Mann aus Wien „er kauff nun zu lion vill ein dan hir ist Nichtß vnd alß helisch deier“. Im selben Brief riet sie ihrem Mann zum Kauf von seidenen Röcken, geblümten Kleidern, weiteren Kleiderstoffen, so auch von solchen, die verbrämt, also eingefasst sind, und von Kleidern für die Kinder und für ihn selbst, denn hier reue es sie und wohl auch ihn um das Geld.10 Der Bedarf und die Nachfrage an französischen Kulturprodukten und im Besonderen an exquisiten Textilien waren in Wien in hohem Maße gegeben. Allerdings beschränkte sich dies nicht nur auf Produkte, sondern betraf auch Handwerker und Künstler, die in gefragten Bereichen tätig waren und schloss neben dem Adel ebenfalls den Hof ein. So berichtete der Obersthofmeister 1698, dass man bei der Bestellung der Hoftänzer auf Supplikanten zurückgreifen solle, die noch nicht hinreichend perfektioniert sind, um sie weiter auszubilden, „weillen mann sonsten frembde brauchen müßen“11. Hier zeigt sich zum einen, dass der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften offenbar nicht gedeckt war, zum anderen aber, dass der Hof tendenziell versuchte, die 8
Vgl. Roman SANDGRUBER: Die Anfänge der Konsumgesellschaft. Konsumgüterverbrauch, Lebensstandard und Alltagskultur in Österreich im 18. und 19. Jahrhundert. Wien 1982, S. 93 und 285–297. 9 Vgl. Michael NORTH: Genuss und Glück des Lebens. Kulturkonsum im Zeitalter der Aufklärung. Köln/Weimar/Wien 2003, S. 2, 44–45, 62 und 219. 10 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel der Johanna Theresia vom 1. Dez. 1676. 11 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 5, f. 599r.
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4 ImmigrantInnen als Träger von Kultur: Arbeitsfelder und Arbeitgeber
Anstellung von Fremden und insbesondere von Franzosen zu vermeiden, wie dies auch die eingangs erwähnten Fälle Bechet und Quantin zeigten. Nichtsdestotrotz gab es immer wieder Bereiche, in denen die Nachfrage nach französischen Fachkräften besonders groß war. Einer dieser Bereiche war die Wagenherstellung und das Fahren mit französischen Repräsentationswagen. 1666 ließ sich Karl Eusebius von Liechtenstein den Sattler Louis Biannyer aus Frankreich auf seine Besitzungen nach Feldsberg (heute Valtice) in der Nähe von Wien kommen, da er sich zur Anschaffung eines französischen Wagens entschieden habe, „dieweil selbige wagen am besten gehen, unser ietziger satler aber mit solchen nit umbgehen kann, dieweil er keinen gesehen hat [...]“12. Der Wagen sollte ab 1669 in Wien zur weiteren Verwendung bleiben, wofür er mit teuren Textilien wie Fransen von roter und goldener Seide ausgestattet wurde.13 Das Fahren mit Wägen war bis ins 16. Jahrhundert Frauen und Kranken vorbehalten, da das Standesbewusstsein dem Mann nur das Reiten erlaubte, begann sich aber an der Wende zum 17. Jahrhundert als Fortbewegungsmittel für den Adel durchzusetzen. Karl IX. von Frankreich bezeichnete zwar das Fahren in Kutschen 1570 noch als asiatische Verweichlichung, ab 1576 bediente man sich jedoch am französischen Königshof repräsentativer Karossen. Bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts orientierte sich die adelige Karosse in ihrer Lenkung und Ausstattung an dem bis dahin üblichen Kobelwagen, der aus einem einfachen Fahrgestell mit Reibscheitlenkung und einem aufwendig gestalteten hölzernen Wagenkasten mit gewölbter Überdachung bestand.14 Der Reibscheitlenkung, im 16. Jahrhundert durch einen Drehschemel erweitert, mangelte es an Stabilität. Sie erzeugte in der Lenkung einen hohen Reibungswiderstand und erlaubte aufgrund der großen Vorderräder und der starren Lenkung nur einen begrenzten Einschlagwinkel.15 Etwa zeitgleich kam es in Italien und Frankreich in der Mitte des 17. Jahrhunderts zu Verbesserungen im Lenksystem, wobei sich der französische Wagenbau durch staatliche und private Nachfrage und Förderung im weiteren Verlauf als tonangebend durchsetzte. Bezeichnend dafür ist auch, dass sich der Premier Peintre du Roi Charles Lebrun persönlich mit Wagenentwürfen beschäftigte. Die wichtigste technische Neuerung der 1660er Jahre, die man 1667 De Mans zuschrieb, betraf das Lenksystem und das Fahrgestell: Die Verbindung zwischen dem Langbaum des Fahrgestells und den gelenkten Vorderrädern wurde nun über hoch geschwungene eiserne Seitenschweller, die sogenannten Schwanenhälse oder arc de fer à la fleche, gewährleistet, die den verkleinerten Vorderrädern mehr Beweglichkeit ermöglichten. Christian Huygens beschrieb 1667 die Vorzüge der französischen Wagen in einem Brief an seinen Schwager in Den Haag: „Cette calesche peut tourner si court que l'on veut, et mesme tout se rond sans que les 12 HAUPT: Leidenschaft 1998, S. 189. 13 Vgl. HAUPT: Leidenschaft 1998, S. 88. 14 Vgl. Rudolf H. WACKERNAGEL: Zur Geschichte der Kutsche bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. In: Wilhelm Treue (Hg.): Achse, Rad und Wagen. Fünftausend Jahre Kultur- und Technikgeschichte. Göttingen 1986, S. 205–212. 15 Vgl. Erik ACKERMANN: Die Achsschenkellenkung und andere Fahrzeug-Lenksysteme. München 1998, S. 12–15.
4.1 Nachfrage und Angebot französischer Arbeitskräfte in Wien
111
roues de derriere changent de place.“16 Außerdem wurde die Drehschemellenkung durch einen Drehkranz ersetzt, der die Lenkung flexibilisierte und gleichzeitig stabilisierte. Im Laufe der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ergänzte eine weitere Neuerung den französischen Wagenbau. Schon ab 1662 begann man in Paris mit der Einführung eines Federnsystems in der Wagenaufhängung, die unangenehme Stöße abfederte, den Komfort der Fahrgäste erhöhte und zur weiteren Stabilisierung des Wagens führte.17 Der Umgang mit der neuartigen Schwanenhalskonstruktion und der verbesserten Lenkung war in Wien und Umgebung bis dahin unbekannt, was der Hinweis des Fürsten von Liechtenstein auf die Fähigkeiten seines hiesigen alten Sattlers zeigt, der den Anforderungen nicht mehr entspräche und abzufertigen sei. Der Franzose Biannyer brachte das gesuchte Wissen über den richtigen Umgang mit französischen Wagen mit und blieb bis 1682 in liechtensteinischen Diensten. Insgesamt muss Karl Eusebius von Liechtenstein am Puls der Zeit gestanden haben. 1666 bereits ließ er einen französischen Wagen anschaffen, wobei sich erst kurz zuvor die Schwanenhälse in Paris durchgesetzt haben dürften, denn Huygens schrieb erst ein Jahr später einen Brief über die Vorteile der Erfindung. 1670 ließ sich Karl Eusebius zwei weitere Wägen aus Frankreich nach Wien kommen,18 die Einstellung Biannyers, der wahrscheinlich für den gesamten liechtensteinischen Fuhrpark zuständig war, zahlte sich mit Sicherheit aus. Wie Fürst von Liechtenstein so interessierte sich auch Ferdinand Bonaventura von Harrach für französische Wagen. 1673 gab er über seinen Pariser Korrespondenten, Alexandre Bergeret, eine Karosse in Paris in Auftrag,19 die Bergeret Ende 1673/Anfang 1674 persönlich zu Harrach nach Madrid überstellte20 und die Harrach während seiner spanischen Gesandtschaft sehr wahrscheinlich für repräsentative Zwecke verwendete. 1676 gab er noch einmal eine französische Prunkkarosse über Bergeret in Paris in Auftrag,21 die wiederum persönlich von Bergeret 1677 nach Wien gebracht wurde.22 Zeitgleich etwa beschäftigte Harrach auch einen französischen Kutscher, Du Chesne. Wie dieser in den Harrachschen Dienst kam, ist nicht nachvollziehbar, seine Anwesenheit in Wien ist von 1677 bis 1679 belegt. 1677 erwähnte Harrachs Schwiegervater Johann Maximilian von Lamberg den französischen Kutscher,23 in den Wiener Haushaltsabrechnungen der Harrachs
16 Zitiert nach einer Quellenabbildung: WACKERNAGEL: Geschichte der Kutsche. In: Treue (Hg.): Achse 1986, S. 224. 17 Vgl. WACKERNAGEL: Geschichte der Kutsche. In: Treue (Hg.): Achse 1986, S. 222–227. 18 Vgl. HAUPT: Leidenschaft 1998, S. 88. 19 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Bergeret, Brief vom 11. Aug. 1673. 20 ÖStA, AVA, Harrach 2979, Umschlag Madrid Rechnungen 1675/76 74 s.d. 1700, Reiserechnung von Bergeret s. d., unfoliert. 21 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Bergeret, Briefe vom 23., 31. Aug. und 14. Sept. 1676. 22 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Bergeret, Brief vom 4. Feb. 1677. 23 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel der Johanna Theresia vom 25. Aug. 1677.
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4 ImmigrantInnen als Träger von Kultur: Arbeitsfelder und Arbeitgeber
wurde er bis 1679 berücksichtigt.24 Du Chesne fuhr die Karossen der Harrachs nicht nur, er wartete sie auch, wofür er immer wieder Werkzeug und Rohmaterial, im Wesentlichen Beißzangen, Eisensprossen und Nägel sowie Schwämme zur Reinigung ankaufte und auch Veränderungen an der Wagenfarbe vornehmen ließ.25 Über den weiteren Verbleib Du Chesnes in Wien ist deshalb nichts bekannt, da die Quellen für die Wiener Haushaltsführung 1679 abreißen und erst für das 18. Jahrhundert wieder überliefert sind. Dennoch kann festgestellt werden, dass in beiden Fällen, Biannyer und Du Chesne, die Qualifikation der beiden, französische Wagen zu lenken und zu warten, ausschlaggebend für ihre Anstellung bei zwei der einflussreichsten Familien des Hofadels war. Diese Qualifikation konnten sich die Immigranten nur in Frankreich angeeignet haben. Das Fertigprodukt Karosse wurde zwar aus Frankreich importiert, um es aber in Wien zum Einsatz zu bringen, war dennoch das richtige Know-how gefragt, das die Franzosen mitbrachten. Kulturtransfer bedeutete in diesem Fall vor allem Wissenstransfer. Die Analyse der Arbeit- und Auftraggeber für französische ImmigrantInnen in Wien zeigt für den Betrachtungszeitraum 1630–1730 einen deutlichen Überhang an höfischen Auftraggebern. Die höfische Nachfrage betrug etwa 63%, die adelige lag bei fast 25% und die bürgerlich-städtische bei knapp 8% (vgl. Abb. 4). Bedenkt man, dass der gesamte Hofstaat Kaiser Leopolds I. 1675 mit etwa 1.600 Personen und um die Jahrhundertwende mit 2.000 Personen veranschlagt wurde, ergibt eine Hochrechnung auf die Familienangehörigen der Hofbediensteten, dass rund 10.000 Menschen direkt vom Hof lebten, sämtliche hofbefreiten und mit Privilegien ausgestatteten Gewerbetreibenden nicht eingerechnet. Die Nachfrage nach Dienstleistungen und Produkten durch den Hof darf in keinem Fall unterschätzt werden, mit geschätzten 750.000 fl. war sie ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für Wien.26 Der Anteil von 63% höfischen Arbeitgebern für französischsprachige MigrantInnen in Wien spiegelt in erster Linie die Beschäftigungsverhältnisse der ImmigrantInnen wider. Das heißt, 63% der Französinnen und Franzosen arbeiteten vor allem für den Hof bzw. gehörten dem sogenannten Hof- oder hofbefreiten Handwerk an.
24 ÖStA, AVA, Harrach 2556, Umschlag Rechnungen Wien 1678. 1679: Anno 1679, No. 26, unfoliert. 25 ÖStA, AVA, Harrach 2556, Umschlag Wien Rechnungen 1678, Rechnung No. 5 des Du Chesne, unfoliert. 26 Vgl. WEIGL: Die Bedeutung des Wiener Hofes. In: Pils/Niederkorn (Hg.): Ein zweigeteilter Ort 2005, S. 64–69.
Anzahl der Nennungen in den Quellen
4.1 Nachfrage und Angebot französischer Arbeitskräfte in Wien
113
120 100 80 60 40 20 0 Hof (63,58%)
Adel (24,5%) Bürgerliche (7,95%) andere Herrscherhäuser (3,97%)
Arbeitgeber
Abbildung 4: Arbeitgeber französischsprachiger MigrantInnen in Wien, 1630–1730.
Das Hofhandwerk entstand durch die mittelalterliche Reisetradition des Herrschers, wonach der Hof keine feste Residenz unterhielt und Handwerker und Dienstleister benötigte, die ihm auf seinen Reisen und in wechselnden Residenzen die nötige Versorgung gewährleisteten. Sie erhielten eine feste Bezahlung und genossen das besondere Vertrauen des Kaisers. Ab etwa 1572 entstand neben dem Hofhandwerk das hofbefreite Handwerk mit dem Ziel, weitere qualifizierte Fachkräfte an den Hof binden zu können, wobei Konfession und Herkunft eine untergeordnete Rolle spielten. Sie wurden durch einen Freibrief vom Zunftzwang befreit, durften neben ihrer Tätigkeit für den Hof in der Residenzstadt eigene Werkstätten oder Verkaufsläden betreiben, Gesellen beschäftigen und Lehrlinge ausbilden. Außerdem standen sie unter direktem Schutz des Herrschers und genossen ein Anrecht auf Unterbringung in Hofquartieren. Besonders seit Leopold I. wurden Privilegien verstärkt als Mittel zur merkantilistisch geprägten Förderung von Produktion und Gewerbe eingesetzt.27 Da weder das Bürgerrecht noch ein Nachweis der Meisterschaft bei der Vergabe von Hofbefreiungen dezidiert verlangt wurde und die Nachfrage nach hochwertiger, gewerblicher Produktion von Luxusartikeln im Umkreis des Hofes stieg,28 bildete gerade das Hof- und hofbefreite Handwerk eine Möglichkeit zur Existenzgründung für Französinnen und Franzosen in Wien. Über die Zahl der Hof- und hofbefreiten Handwerker gibt es nur Schätzungen: Ferdinand II. hatte während seiner Regierungszeit versucht, die bis dahin hohe Zahl der Hofbefreiungen von 350–400 zu reduzieren. Für Ferdi-
27 Vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 13–46. 28 Vgl. Gustav OTRUBA: Wiens Gewerbe, Zünfte und Manufakturen an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert. In: Wiener Geschichtsblätter 42 (1987), S. 126 und 128.
114
4 ImmigrantInnen als Träger von Kultur: Arbeitsfelder und Arbeitgeber
nand II. wie auch seinen Nachfolger Ferdinand III. fehlen genaue Angaben.29 Unter Leopold I. und Joseph I. hingegen mutierten die Hofbefreiungen zum wirtschaftspolitischen Stimulus, ältere Schätzungen gehen von 502 Hofhandwerkern für 1705 und von 484 für 1711 aus.30 Da Hofbefreite vom Hof nur bei Bedarf zu Arbeitsleistungen herangezogen wurden, stellten sie für das bürgerliche Handwerk eine ernstzunehmende Konkurrenz dar, denn sie belieferten in hohem Ausmaß auch den Adel und das Bürgertum, sofern dessen Finanzkraft dies zuließ. Der Pariser Ludwig Bourdois beispielsweise arbeitete als Hofperlhefter sowohl für den Hof, wie auch als bürgerlicher Sticker für nicht höfische bzw. nicht adelige Auftraggeber.31 Die Wiener Zünfte stellten zur Aufnahme neuer Mitglieder restriktive Ansprüche: Der Nachweis der Meisterschaft musste erbracht werden, womit im Normalfall der Erwerb des Bürgerrechts einherging. Zudem sahen die Zünfte die eheliche Geburt und die Verpflichtung zur Verheiratung und zur Haushaltsgründung für Meister vor. Die Aufnahme Fremder in die Wiener Zünfte war möglich, hing jedoch von den genauen Einzelumständen ab. Vor allem in jenen Bereichen, in denen die bürgerlichen Meister mit großer Konkurrenz im außerzünftischen Bereich rechnen mussten, wurden Neuaufnahmen vorgenommen, um die Konkurrenz zumindest an die eigenen Regeln zu binden.32 Nichtsdestotrotz blieben Franzosen als bürgerliche Gewerbetreibende in Wien die Ausnahme. Neben dem 1634 als bürgerlichem Pastetenkoch bezeichneten Nicola Haly, der seine Arbeit als hofbefreiter Pastetenkoch 1620 begonnen hatte,33 und der Familie Fauconet, die den Weg in das bürgerliche Hutmachergewerbe ebenfalls über eine Hofbefreiung fand, wurden nur wenige Franzosen Zunftmitglieder. 1684 kann Lorian Mandini aus Blois als bürgerlicher Perückenmacher nachgewiesen werden34 und um 1700 arbeitete Franz Langlois als Wiener Stadtkoch,35 was insofern bemerkenswert ist, da die letzte Novellierung der Handwerksordnung für die Wiener Stadtköche durch Leopold I. 1671 die Meisterzahl beschränkte und als zusätzliche Hürde den Nachweis des Kapitals zur Betriebsgründung forderte.36 Den Handel ausgenommen, bei dem Franzosen sehr wohl im bürgerlichen Bereich tätig waren, konnten sich Franzosen in Wien kaum im bürgerlichen Gewerbe durchsetzen. Auch für 1742 verzeichnete Thiel beispielsweise nur 13 Franzosen (0,27%) neben sieben Savoyern (0,15%)
29 Vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 37–42. 30 Vgl. THIEL: Gewerbe 1910, S. 9. 31 Trauungsmatriken von St. Stephan, vgl. http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx [Stand 15.09.2009]. 32 Vgl. BUCHNER: Möglichkeiten von Zunft 2004, S. 124–127. 33 WStLA, Alte Ziviljustiz, A2 Verlassenschaftsabhandlungen 12/15, 1634. HAUPT: Handwerk 2007, S. 479. 34 Trauungsmatriken von St. Stephan 1684 als Bräutigam erfasst, vgl. http://www.oesta.gv.at/ site/6662/default.aspx [Stand 15.09.2009]. 35 Trauungsmatriken von St. Stephan 1701 als Bräutigam erfasst, vgl. http://www.oesta.gv.at/ site/6662/default.aspx [Stand 15.09.2009]. 36 Vgl. THIEL: Gewerbe 1910, S. 86.
4.1 Nachfrage und Angebot französischer Arbeitskräfte in Wien
115
von insgesamt 4.773 bürgerlichen Handwerkern in Wien.37 Dies hatte wohl auch seine Gründe in der verhältnismäßig geringen Finanzkraft der Wiener Bevölkerung und in ihren Bedürfnissen verglichen mit jenen des Adels und des Hofes. Die adelige Nachfrage nach französischen Fachkräften ist von der höfischen nur schwierig zu trennen, zu verwoben waren die höfischen und adeligen Ansprüche an den Lebensstandard. Hofbefreite arbeiteten in erster Linie für den Hof, aber dieser allein konnte nicht allen Hofbefreiten die nötigen Aufträge zum Lebensunterhalt bieten. Umgekehrt war der Adel durch seine Empfehlungsschreiben nicht unwesentlich an der Aufnahme eines Hofbefreiten beteiligt. Besonders bei Französinnen und Franzosen spielte eine adelige Rekommandation unter Umständen eine wichtige Rolle, da die Habsburger und vor allem Leopold I. als bekannter Franzosengegner auf persönlicher, politischer und kultureller Ebene38 Französinnen und Franzosen nicht unreflektiert aufnahm und gerade ihnen gegenüber immer wieder eine ambivalente Einstellung an den Tag legte. Gezielte Anwerbung ebenso wie Vertröstungen und Verzögerungen bis hin zu brüsker Ablehnung je nach der „Brauch- und Verwendbarkeit“ der ImmigrantInnen waren Tatsache, wie es die folgenden Beispiele dokumentieren. Richard Fauconet, Hutmacher aus Paris, erlangte 1659 eine Hoffreiheit zur Herstellung von französischen Hüten, in der besonders hervorgehoben wurde, dass der Supplikant von ehelicher Geburt und katholischen Glaubens sei und zudem den Nachweis seiner Meisterschaft erbracht habe. Das waren Kriterien, die eigentlich für die Aufnahme in das zünftische Handwerk galten und Hofbefreiten selten abverlangt wurden. Die Hoffreiheit galt drei Jahre lang, danach sollte Fauconet sich um das Bürgerrecht bemühen und der Wiener Hutmacherzunft beitreten, sofern er in Wien bleiben wolle. Trotz der hohen Auflagen, deren Ursachen wohl eher in der gezielten Integration des Franzosen zu suchen sind, da die Hoffreiheit für Fauconet noch in die ersten Regierungsjahre Leopolds I. fällt, zeigte sich der Wille Leopolds, die Herstellung französischer Hüte in Wien ansässig zu machen, in den Vorsichtsmaßnahmen, die der Kaiser für Fauconet gegenüber den städtischen Hutmachern setzte. In der Hoffreiheit hieß es statt der sonstigen formelhaften Erklärungen gegenüber dem bürgerlichen Handwerk ausdrücklich, dass den bürgerlichen Meistern unter Androhung von Strafen die Störung des fauconetischen Hutmacherbetriebs oder gar die Nötigung der Person Fauconet untersagt sei.39 Ähnlich dezidierte Schutzvorkehrungen sind in Hoffreiheiten eher unüblich. Wie sehr Fauconet diesen Schutz von Nöten hatte, soll an anderer Stelle thematisiert werden (vgl. Kap. 5.2). Die besondere Hervorhebung des kaiserlichen Schutzes zeigt aber, welch wichtigen Stellenwert der Kaiser dem qualifizierten Pariser für den Wiener Luxusartikelmarkt beimaß. 1664 erlangte auch Peter Lesa-
37 Vgl. THIEL: Gewerbe 1910, S. 20. 38 Vgl. BÉRENGER: Kaiser Leopold I. In: Malettke/Kampmann (Hg.): Beziehungen 2007, S. 109–128. 39 WStLA, Hauptarchiv, Akten und Verträge 3/1659, f. 2r.
116
4 ImmigrantInnen als Träger von Kultur: Arbeitsfelder und Arbeitgeber
ge, Hutmacher aus der Normandie, nach drei Jahren Aufenthalt in Wien und Arbeiten für den Adel eine Hoffreiheit.40 Eine viel zögerlichere Anstellungspolitik Leopolds I. trotz eines höchst qualifizierten Supplikanten dokumentiert der Fall Jean Trehet.41 Der französische Tapezierer und Garteningenieur aus Paris wurde am 17. November 1686 erstmals beim Obersthofmeisteramt mit einer französischsprachigen Verpflichtung, sechs Monate lang Tapezierarbeiten für den Kaiser zu erledigen und Gartenzeichnungen anzufertigen, aktenkundig.42 Bereits bei seiner ersten Tätigkeit für den Hof zeigte sich, dass Trehet offensichtlich in zwei Künsten gut bewandert gewesen sein muss, neben dem Reparieren und dem Weben von Tapisserien versuchte er von Anfang an, seine Kompetenzen in der Gartengestaltung unter Beweis zu stellen. Sein Verbleib am Wiener Hof war nicht von vornherein klar: Am 16. Oktober 1687 kam es zum Aktenvermerk, dass man Trehet als Tapeziergehilfen aufnehmen wolle, er stimmte den Konditionen aber nicht zu, da die Bezahlung seiner bisherigen Stellung gegenüber keine Verbesserung brächte. Daraufhin wurde erwogen, Trehet wieder an einen der deutschen Fürstenhöfe zurückgehen zu lassen, wofür ihm an ausständiger Abgeltung seiner Dienste und an Reisekosten 200 fl. auszuzahlen wären.43 An anderer Stelle wurde seine Kompetenz überhaupt in Zweifel gezogen.44 Bis 1688 jedenfalls verlängerte der Hof Trehets Besoldung und Verbleib sporadisch.45 Dann setzten sich zwei einflussreiche Adelige für Trehet ein, Ferdinand Wilhelm von Schwarzenberg und Ferdinand Bonaventura von Harrach, die dem Kaiser rieten, ihn noch ein Jahr zu behalten, und ihm weitere Aufträge zukommen zu lassen. Die Rekommandation Schwarzenbergs und Harrachs und ihr Hinweis darauf, dass die meisten der kaiserlichen Wandteppiche in schlechtem Zustand wären und der Kaiser Stücke von hoher Qualität gebrauchen könne, verfehlten ihre Wirkung nicht. Am 19. Juli 1688 wurde mit Trehet vereinbart, dass er um 1.550 fl. zur Neuanfertigung von Tapisserien und Reparaturarbeiten für den Kaiser verpflichtet werde. Schwarzenberg und Harrach regten auch an, „Euer Kaÿ. Maÿ. köntten ihme auch eines von ihren schönen gemählden auf sein manier nachmachen lassen, weillen dieselbe in ihrer Kunstcammer dergleichen nit haben [...]“46. 1690 stand neben den gesuchten fachlichen Kompetenzen Trehets aber nach wie vor der Umstand im Raum, dass er Franzose war. Dies dürfte zumindest Leopold I., beunruhigt haben. Der Hofmeister lässt als Gegenargument protokollieren, dass Trehets bisheriges Verhalten keinen Anstoß erregt habe und dass er in den Festungsbau keine Einsicht haben werde, außerdem gäbe es genug Franzosen, die 40 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 9, Konvolut 1, f. 9r–13v. 41 Zu seiner Biographie vgl. PILLICH: Jean Trehet. In: JB des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 12 (1955/56), S. 130–144. 42 ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 7, f. 272r. 43 ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 7, f. 276r/v. 44 ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 7, f. 277r., unsigniert und undatiert. 45 Dafür sprechen zwei Akteneinträge, die eine befristete Bezahlung vermerken: ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 7, f. 279r. und 280r. 46 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 88r.
4.1 Nachfrage und Angebot französischer Arbeitskräfte in Wien
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im Dienste des Kaisers mit militärischen Angelegenheiten betraut wären. Der Kaiser ließ daraufhin durchklingen, dass er mit dem Verbleib Trehets am Hof einverstanden war, „in deme man nicht allezeit solche Leüthe finden thuet“, was schließen lässt, dass sogar Leopold I. mittlerweile von der hohen Qualifikation Trehets überzeugt war. Auch begann Trehet etwa ab 1690 mit seiner Arbeit als Gartenbauingenieur in den kaiserlichen Gärten.47 Da die Hofbefreiung nur bis zum Tod des Herrschers galt, stand bei der Konstituierung des Hofstaats von Joseph I. sein Verbleib in Wien erneut zur Diskussion. Joseph I. übernahm Trehet 1705 als „Spalliermacher“ (Tapezierer)48, ohne dass neuerliche Empfehlungen nötig gewesen wären. Ab 1696 etwa begann Trehet am Entwurf eines Gartenplans für Obersthofmarschall Heinrich Franz von Mansfeld zu arbeiten, der 1697 fertiggestellt wurde und in die Errichtung des heutigen Gartenpalais Schwarzenberg Eingang fand, was die Verstrickung höfischer und adeliger Auftraggeber für Franzosen neben den bewährten Empfehlungsschreiben beweist. Trehet soll sich möglicherweise auch bei der Planung des Liechtensteinischen Gartenpalais eingebracht haben.49 Darüber hinaus wurde er auch für Franz Anton von Harrach tätig, der sich 1709 als Erzbischof von Salzburg um die Ausgestaltung der Gärten von Hellbrunn, Mirabell und Kleßheim zu kümmern hatte. Zwei Aufträge an Trehet lassen sich nachweisen: Am 26. Dezember 1709 bestätigte Franz Anton seinem Bruder Aloys Thomas Raimund in Wien den Erhalt eines Aufrisses für den Garten in Kleßheim, am 27. Dezember 1710 einen zweiten nicht näher bestimmten Riss.50 Bezüglich der Gründe zur Heranziehung Trehets äußerte sich der Erzbischof folgendermaßen: „Es erfreuet mich zu vernemen, das der Treet so einen schenen ris zu den gartten klesheim gemacht hat, vnd bekhenne das ich auf meinen garten director alleweil weniger halten thue, indeme Er mir schon etliche ris gemacht hat zu den kleinen gartl, wo die blumen sollen hinkhumen, wo die salla Terena ist, welche mir alle sehr ubell gefallen [...]“51
Die beständige Qualität von Trehets Arbeit war das Geheimnis seines Erfolges, sie zog sich durch alle Etappen seiner Karriere am Kaiserhof (vgl. dazu auch das folgende Kap. 4.2). Der Hinweis der rekommandierenden Adeligen Schwarzenberg und Harrach dokumentierten von Anfang an das Können und die überaus hohe Qualifikation Trehets, die der Kaiser 1690 auch anerkannte. Daneben zeigt die Fülle von adeligen Aufträgen sowohl die hohe Akzeptanz seines Könnens ebenso wie die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften aus dem Bereich der französischen Gartengestaltung innerhalb des österreichischen Adels. Auch im hohen Alter von 71 Jahren soll Trehet noch außertourliche Anträge angenommen haben, wie die Mitarbeit in der Gartengestaltung des Schlosses Groß-Seelowitz 47 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 244r–245v. 48 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 6, f. 527v. 49 Vgl. PILLICH: Jean Trehet. In: JB des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 12 (1955/56), S. 137. 50 ÖStA, AVA, Harrach 73, Korrespondenz Franz Anton, Briefe vom 26. Dez. 1709 und vom 27. Feb. 1710 unfoliert. 51 ÖStA, AVA, Harrach 73, Korrespondenz Franz Anton, Brief vom 26. Dez. 1709, unfoliert.
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4 ImmigrantInnen als Träger von Kultur: Arbeitsfelder und Arbeitgeber
für Philipp Ludwig von Sinzendorf 1725.52 Ein ähnlich gelagertes Beispiel einer aufsteigenden Karriere ist die des hofbefreiten Chirurgen Johann Olivier Decore aus der Bretagne. Bei ihm gaben besondere Verdienste um den kaiserlichen Hofstaat den Ausschlag zur Beförderung zum kaiserlichen Hofbarbier. Leopold I. flüchtete im Sommer 1679 vor der Pest zuerst nach Mariazell, dann nach Prag und schließlich nach Linz. Ein Teil des Hofstaates dürfte allerdings in Wien verblieben sein, und Decore, so berichtete der Obersthofmeister, schreckte nicht davor zurück, trotz Quarantäne und hoher Ansteckungsgefahr den Hofstaat in Wien und auf seiner anschließenden Reise nach Prag zu betreuen und zu begleiten. Die fachlichen Qualitäten des französischen Barbiers wurden zwar in die Argumentation aufgenommen, aber vom Lob des treuen Dienstes bei weitem überwogen.53 Auch dieser Fall zeigt, dass Kompetenzen allein nicht immer für eine Anstellung bei Hof ausreichten, beim Kaiserhaus wog die Treue zu selbigem in jedem Fall mehr. Bei den von Leopold I. abschlägig beschiedenen Anträgen auf Aufnahme in den Hofdienst oder um eine Hoffreiheit ist wenig bis keine Stringenz in der Argumentation zu verzeichnen. Bei Claudius Bernardus Bechet und Peter Quantin wurde der negative Bescheid damit begründet, dass Franzosen am Wiener Hof keine Hoffnung auf Aufnahme hätten, da ihre Herkunft dies verhindere (vgl. Kapiteleingangszitat). Ludwig Le Sage wurde 1675 trotz 23-jähriger Dienste als Hartschier zu Feld und zu Hof und obwohl auch sein Vater dem Kaiser Kriegsdienste erwiesen habe, was auf eine burgundische oder lothringische Herkunft schließen lässt, die Besoldung nach seiner Dienstentlassung verweigert, wobei unter anderem auch das Argument vorgebracht wurde, Le Sage sei kein österreichischer Vasall.54 Bei Carl Carpentier gab der Obersthofmeister als Grund für das negative Ansuchen auf die Obertapezierstelle 1711 an, dass er als Fremder den bestehenden Hoftapezierern die Aufstiegsmöglichkeiten zunichte mache55 und als sich Antonius Verlet 1695 um eine Hoftänzerstelle bewarb, wurde sein Ansuchen nicht einmal behandelt,56 obwohl sich der Obersthofmeister drei Jahre später beklagte, man müsse bei den Tänzern auf weniger Erfolg versprechende Supplikanten zurückgreifen, da man sonst Fremde einstellen müsse bzw. ein Mangel an Tänzern herrsche.57 Anhand der Beispiele werden zwei Verhaltensmuster in der Behandlung von französischsprachigen Personen ersichtlich: Leopold I., aber auch sein Sohn Joseph I. verwendeten als Argument in ihren Absagen die französische oder fremde Herkunft der Antragsteller, was die prinzipielle Abneigung des Kaiserhauses gegenüber Französinnen und Franzosen zum Ausdruck bringt, die nur in Ausnahmefällen, wenn es etwa um hochqualifizierte Fachkräfte in gesuchten Sparten ging, wie im Fall Fauconet oder Trehet, überwunden wurde. Daneben zeigt die Zuwei52 Vgl. PILLICH: Jean Trehet. In: JB des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 12 (1955/56), S. 141. 53 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, S. 157. 54 ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 2, f. 470v–471v. 55 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 7, f. 98v–99v. 56 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 5, f. 451v–455v. 57 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 5, f. 599v.
4.1 Nachfrage und Angebot französischer Arbeitskräfte in Wien
119
sung der französischen Herkunft und der Fremdheit, dass es unerheblich war, ob der Supplikant wirklich Franzose war. Bechet wurde in einer ersten Reaktion als Franzose abgewiesen, obwohl der Obersthofmeister von Anfang an dessen burgundische Herkunft aus Besançon dokumentiert hatte. Auch weitere Angaben über seine Reichszugehörigkeit, über sein Wohlverhalten und seinen längeren vormaligen Aufenthalt im Reich brachten keine Verbesserung in der Argumentation. Im endgültigen Entscheid gegen die Bestellung Bechets argumentierte der Kaiser schließlich mit der fehlenden gesanglichen Leistung.58 Bei Ludwig Le Sage sind ähnliche Ungereimtheiten in der Zuweisung von Fremdheit zu erkennen, denn trotz 23-jähriger Dienstzeit für den Kaiser bezeichnete ihn dieser nicht als Vasall. Die Zuschreibungen von Fremdheit oder von ethnischer Zugehörigkeit wie „französisch“ respektive „natione gallus“ wurden vom Kaiser pauschal und wenig reflektiert bis willkürlich verwendet. Das entspricht jedoch der Verwendungspraxis dieser Zuschreibungen im 17. und 18. Jahrhundert. Der Begriff „fremd“ war ursprünglich als Antithese zum Bürger definiert und bezeichnete in rechtlicher Hinsicht Personen, die das Bürgerrecht nicht besaßen und somit auch von der gewerblichen Meisterschaft ausgeschlossen waren. Nach dem 30-jährigen Krieg im Zuge von kameralistisch geleiteter Gewerbepolitik begann der Wiener Hof zwischen In- und Ausländern zu unterscheiden, wodurch ethnische Bezeichnungen verstärkt Verwendung fanden. Dies betraf zuallererst Handwerker italienischer Herkunft, die als „Welsche“ von den „Teutschen“ zu trennen waren, aber auch Franzosen. Der Begriff des Fremden wurde nicht von jenem des Ausländers abgelöst, sondern beide Begriffe bestanden an der Wende zum 18. Jahrhundert zwar mit ursprünglich verschiedenen Bedeutungen nebeneinander und wurden zusehends nun auch unreflektiert verwendet, vor allem wenn es darum ging, in einer Argumentation taktisch im Vorteil zu sein und in der Gewerbepolitik eigene Ziele durchsetzen zu können.59 Insofern können die Fremdheits- und Franzosenzuschreibungen dort, wo die Fremdheit und die französische Herkunft als fraglich erscheint, als taktisches Argument verstanden werden, das der Kaiser zur Reglementierung der Hofbediensteten und Hofbefreiten mit dem Ziel der Sparsamkeit anwendete. Daher fußte nicht jede Absage auf einer Feindlichkeit gegenüber französischsprachigen Personen, die auf der anderen Seite allerdings auch Realität war, was die hohe Ambivalenz der kaiserlichen Personalpolitik unterstreicht. Adel und Hof garantierten somit wechselseitig Französinnen und Franzosen immer wieder die Existenzgründung in Wien. Während der Hof selbst nicht aktiv wurde, sondern auf Gesuche von Fachkräften und Empfehlungen von Adeligen reagierte, betrieben Adelige eine offensivere Anstellungspolitik, die oft über Mittelsmänner eingeleitet wurde. Alexandre Bergeret, Kammerdiener der französischen Dauphine, war als Korrespondent für Ferdinand Bonaventura von Harrach in Paris in Personalangelegenheiten immer wieder aktiv und warb Hausmädchen, Gouvernanten und Köche für den Grafen an, was bereits ausgeführt worden ist. 58 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 263r und 310v–311v. 59 Vgl. BUCHNER: Möglichkeiten von Zunft 2004, S. 134–140.
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4 ImmigrantInnen als Träger von Kultur: Arbeitsfelder und Arbeitgeber
Harrach wurde aber auch selbst aktiv, wenn es um heikle Angelegenheiten ging, wie die Anwerbung eines Kochs im Jahr 1698. Diese Aufgabe fiel eigentlich in den Kompetenzbereich von Alexandre Bergeret. Die 1676 von Bergeret vermittelten Köche konnten in Wien jedoch nicht reüssieren (vgl. Kap. 6.2). Als Harrach auf der Rückreise von Spanien 1698 geraume Zeit in Paris verbrachte, ließ er sich dort zweimal von einem wahrscheinlich von Bergeret vorher ausgesuchten Koch Proben von dessen Kochkunst vorführen. Nach sichergestellter Bereitschaft des Kochs, Frankreich auch wirklich verlassen zu wollen, und Harrachs positivem Befund, dass der Koch gut arbeite, nahm er ihn auf.60 Gerade die wiederholte Suche nach einem Koch durch Harrach selbst zeigt die Wichtigkeit französischer Fachkräfte für adelige Haushalte und die aktive Anwerbungspolitik durch österreichische Adelige. Zur selben Zeit versuchte Harrach auch den französischen Architekten Pierre Cottard für Planungsarbeiten für ein Gartengebäude in Prugg zu gewinnen, zu einer Anwerbung kam es jedoch nicht, Cottard zeichnete lediglich einige Aufrisse.61 Nachdem die Nachfrage nach Französinnen und Franzosen im Wesentlichen die adelig-höfische Welt betraf, orientierte sich auch das Angebot, nämlich die Tätigkeitsbereiche der französischsprachigen ImmigrantInnen, an höfischen und repräsentativen Berufssparten. Die Untersuchung der Berufe und Arbeitsfelder von Französinnen und Franzosen ergab, dass das Bekleidungshandwerk und Mode im weitesten Sinn eines der wichtigsten Berufsfelder von Französinnen und Franzosen darstellte (vgl. Abb. 5). Über 14% der französischsprachigen ImmigrantInnen arbeiteten in der Kleiderherstellung, darunter sieben Schneider, sechs Hutmacher, fünf Perlhefter und Sticker sowie ein Schuster. Dabei fällt auf, dass alle diese Berufe mit der Verarbeitung von Rohmaterialien, das bedeutet mit ihrer Veredelung, betraut waren. Keiner der Französinnen und Franzosen war in der Herstellung von Grundmaterialien tätig und so gab es keine Weber oder Gerber unter ihnen. Dies ist in Zusammenhang mit der hohen Anzahl der im Handel tätigen Franzosen zu sehen, nämlich über 16% der französischsprachigen ImmigrantInnen in Wien. Bestimmte textile Materialien wurden als Halb- oder Fertigware importiert, um sie in Wien weiter zu verarbeiten, was später noch ausgeführt werden wird. Ein weiteres wichtiges Betätigungsfeld für Franzosen war der Bereich Gesundheit und Kosmetik, mindestens 14 französischsprachige Barbiere und/oder Chirurgen (11%) waren in Wien tätig, dicht gefolgt von über elf Perückenmachern (8,8%), denn die Perücke stellte eine jener modisch-kosmetischen Maßnahmen dar, die in erster Linie mit dem französischen Hof assoziiert wurde. Nicht unwesentlich erscheint die hohe Anzahl von Hauspersonal, 9,1% der Französinnen und Franzosen. Das heißt, zwölf Personen waren im engeren Dienstleistungsbereich als Hausangestellte oder beispielsweise als Kutscher beschäftigt. Daneben arbeiteten auch acht französische Köche in Wien (6,1%) und ebenso viele im Bereich Kunst im engeren Sinn, darunter Maler, Musiker, Tänzer und Instrumentenmacher, acht Personen insgesamt (6,1%). Zahlenmäßig erst nach den Bereichen 60 ÖStA, AVA, Harrach, Handschriften 134, S. 465–466. 61 ÖStA, AVA, Harrach, Handschriften 134, S. 487.
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Kleidung, Handel, Gesundheit, Kosmetik, Dienstleistungen, Lebensmittelverarbeitung und Kunst kam der Bereich Innenraumgestaltung, das heißt sechs TapeziererInnen (4,58%). Fünf Personen, 3,8% der Französinnen und Franzosen, arbeiteten in der Metallverarbeitung, darunter drei Gold- und Silberarbeiter, ein Goldschmied und ein Büchsenmacher. Die restlichen Bereiche weisen nicht mehr als vier ImmigrantInnen auf: das Ingenieurswesen, der Bildungsbereich (Sprach- und Hofmeister), das Buchgewerbe (Buchbinder und Bibliothekare), die Jagd, das Sattlergewerbe sowie das Militär und die Historiographie (vgl. Abb. 5). Charakteristisch für die Verteilung der Berufe von Französinnen und Franzosen in Wien ist, dass sowohl in den stärker als auch in den weniger stark vertretenen Bereichen mit Ausnahme des Hauspersonals nur höher oder hochqualifizierte Berufe unter den französischsprachigen ImmigrantInnen vorkamen. Einfachste Tätigkeiten oder Berufe aus dem Bereich der Rohstoffgewinnung (Weber, etc.) wie auch bäuerliche Schichten fehlen gänzlich. Ihre Möglichkeiten zur Migration waren insgesamt gering. Sie hätten in einer Residenzstadt wie Wien keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt gehabt, galt es doch, Nischen und Lücken zu füllen. Dafür spricht auch das durchschnittliche Migrationsalter der Französinnen und Franzosen, das im Durchschnitt bei 25 Jahren, maximal jedoch bei 36 Jahren lag. Die überwiegende Mehrheit der Französinnen und Franzosen kam nicht zur Ausbildung nach Wien, sondern ließ sich in der Regel ausgelernt in Wien nieder. Das durchschnittliche Alter der ausgelernten Gesellen oder Meister lag in Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert bei etwa 25 Jahren, wenn man von einem Mindestalter von zwölf Jahren für Lehrlinge, einer maximalen Lehrzeit von sieben Jahren und einer weiteren dem Meisterbetrieb verpflichteten Arbeitsphase von bis zu sechs Jahren ausgeht.62 Bei einigen wenigen Franzosen geben auch die Quellen Aufschluss über den Grad der Ausbildung, Peter Quantin beispielsweise wurde vom Obersthofmeister als formal ausgelernt beschrieben.63 Somit kann ein überwiegender Teil der französischen Migration nach Wien als Arbeitsmigration bezeichnet werden. Dafür spricht auch der relativ hohe männliche Anteil der französischsprachigen ImmigrantInnen in Wien von über 87% (vgl. Abb. 6).
62 Vgl. Philippe WOLFF/Frédéric MAURO: Histoire générale du travail. Bd. 2: L'age de l'artisanat. Paris 1961, S. 335–336. 63 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 5, f. 461v.
122
4 ImmigrantInnen als Träger von Kultur: Arbeitsfelder und Arbeitgeber
Schneider
7
Hutmacher
6
Perlhefter und Sticker
5
Schuster
1
Perückenmacher
11,5
Gold- und Silberarbeiter
3
Goldschmied
1
Büchsenmacher
1
Sattler
2
Instrumentenmacher
1
Koch
8
Jäger
2
Berufe
Buchbinder und Bibliothekar
3
Barbier und Chirurg
14,5
Tapezierer
6,5
Ingenieur
4,5
Maler
1
Musiker
3
Tänzer
3
Sprachmeister und Hofmeister
4
Hartschier, Provisionär
1
Courier
1
Dienstpersonal
9
Handelsmann
21
Historiograph
1
Voluntier
1
Rittmeister
1
unklar
8 0
5
10
15
20
25
Anzahl der MigrantInnen
Abbildung 5: Berufe französischsprachiger MigrantInnen in Wien, 1630–1730. Die Dezimalzahlen ergeben sich durch Mehrfachnennung von Berufen in den Quellen bei Perückenmachern und Barbieren so wie im Fall Trehet als Tapezierer und Ingenieur.
4.1 Nachfrage und Angebot französischer Arbeitskräfte in Wien
123
Männer (87,77%) Frauen (5,04%) bei Männern erwähnte, namentlich unbekannte Frauen (2,88%) Französinnen, namentlich bekannt, Hochzeit in Wien (4,32%)
Abbildung 6: Genderaspekt französischsprachiger ImmigrantInnen in Wien, 1630–1730.
Die hohe Zahl an französischsprachigen ImmigrantInnen in den Bereichen Handel, Dienstleistung und Gesundheit auf der einen und im Bereich Bekleidung auf der anderen Seite spiegelt die Gesamtsituation der Wiener Ökonomie im 17. Jahrhundert wider. Um 1660 arbeiteten etwa 3% der Bevölkerung in der Landwirtschaft, etwa ein Drittel im Produktionssektor (inkl. Lebensmittelherstellung und Taglöhner) und zwei Drittel im Dienstleistungssektor (Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Gesundheitswesen sowie häusliche und höfische Bedienstete). Unter Einbeziehung der weiblichen Arbeitskräfte, die schwieriger zu erfassen sind, wird der Anteil der im tertiären Sektor arbeitenden Menschen in Wien in der Mitte des 17. Jahrhunderts auf 65–70% geschätzt. Wien erlebte demnach bedingt durch seinen Wandel von einer Haupt- zur Residenz- und damit zur Konsumptionsstadt zunächst im 17. Jahrhundert einen Tertiärisierungsprozess, der im 18. Jahrhundert durch die nun greifenden Maßnahmen im Manufakturwesen und die Entwicklung protoindustrieller Gewerbebetriebe wieder abnahm.64 Der Bedarf an den Lebensstandard hebenden Produkten und Dienstleistungen durch die zunehmende Oberschicht, den Adel und letztlich auch den Hof bestand aber bereits vor den ersten erfolgreichen Manufakturgründungen, wodurch Handel und Verkehr einen enormen Aufschwung erlebten. Dies schuf Platz für Betätigungsfelder von Französinnen und Franzosen. Damit im Zusammenhang steht die hohe Zahl der französischsprachigen Beschäftigten in den Bekleidungsgewerben. Das größte Wachstum der Wiener Gewerbesektoren vom ausgehenden Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert wies der Bekleidungssektor auf. Sein Anteil an gewerblichen Betrieben in 64 Vgl. Andreas WEIGL: Die Haupt- und Residenzstadt als Konsumptionsstadt. In: Karl Vocelka/Anita Traninger (Hg.): Wien. Geschichte einer Stadt. Bd. 2: Die frühneuzeitliche Residenz (16.–18. Jahrhundert). Wien/Köln/ Weimar 2003, S. 141.
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4 ImmigrantInnen als Träger von Kultur: Arbeitsfelder und Arbeitgeber
Wien stieg von einem Fünftel im Jahr 1454 auf über 40% 1736. Daran hatten nicht nur zünftische Meisterbetriebe Anteil, sondern in hohem Maße auch die außerzünftischen Gewerbetreibenden wie Störer65 zur Versorgung der Wiener Bevölkerung und Hofbefreite für die gehobenere Nachfrage.66 Von den wichtigsten Berufen soll im Folgenden die Rede sein: Neben den in der Mode, Kosmetik und Gesundheit tätigen Französinnen und Franzosen (inkl. Händler, Perückenmacher, Barbiere und Chirurgen) werden den TapeziererInnen jeweils eigene Kapitel gewidmet. 4.2
FRANZÖSISCHE TAPEZIERER IN KAISERLICHEN DIENSTEN67
Tapisserien gehörten seit dem ausgehenden Mittelalter zur ständig mitgeführten Ausstattung eines herrschaftlichen Hofes und galten aufgrund ihrer Kostbarkeit als Dekor, der anlassgebunden, repräsentativ und sozial determinativ verwendet wurde. Tapezierer und ihre Fertigkeiten, die zur fachgerechten Behandlung der Wandbehänge unersetzlich waren, nahmen einen wichtigen Stellenwert innerhalb der höfischen Dienstleister ein. Im Zuge fester, in barocker Lebensweise luxuriös gestalteter Residenzen verstärkte sich die Tendenz noch, nicht nur die Repräsentationsräume, sondern auch die Wohnbereiche der Herrschenden mit Tapisserien zu versehen. Dabei wurde zunehmend mehr Wert auf Motive, Dekor und luxuriöse Materialien gelegt.68 Die Herstellung und Verwendung von Bildteppichen blickte im 17. und 18. Jahrhundert bereits auf eine lange Tradition zurück. Das Lexikon von Johann Heinrich Zedler beschreibt Tapeten und Tapezerey folgendermaßen: „Tapeten, Tapete, Taper, Tapezerey […] heissen diejeningen Bekleidungen der Wände, welche man heut zu Tage an statt des Tafelwercks in den Putzstuben und Prunckzimmern zugebrauchen pfleget. Es bestehen diese entweder aus bunten seiden, oder halbseiden und wollen, oder gantz wollen, ingleichen manchmahl mit einem leinen Garn untermengten und mit allerley Figuren gewürckten Teppichten, […]“69
Die Qualität und Exklusivität der Rohstoffe und der damit einhergehenden Zuliefergewerbe machten aus einem gewebten Bild eigentlich erst das Luxusprodukt, das sich der Herrscher und der Adelige um 1700 an seine Wände hängen ließ. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden neben Wolle vornehmlich Seide und Metallfäden verarbeitet, beides Rohstoffe, die in der Erzeugung und in der Einfuhr teuer wa65 Als Störer wurden Handwerker bezeichnet, die ihre Tätigkeit ohne explizite Gewerbeberechtigung und außerhalb der Zunft ausübten, sozusagen „illegal“, aber von der Obrigkeit toleriert wurden. Vgl. STEIDL: Auf nach Wien 2003, S. 78–80. 66 Vgl. Andreas WEIGL: Gewerbliche Konjunkturen. In: Vocelka/Traninger (Hg.): Wien. Bd. 2, 2003, S. 146–149. 67 Teile der folgenden Ausführungen wurden von der Autorin vorab publiziert. Vgl. Veronika HYDEN-HANSCHO: Französische Tapissiers in kaiserlichen Diensten. In: JB OGE 18, 25 (2010), S. 123–144. 68 Vgl. Wolfgang BRASSAT: Tapisserien und Politik. Funktionen, Kontexte und Rezeption eines repräsentativen Mediums. Berlin 1992, S. 29–41. 69 ZEDLER: Universallexicon 1731–1754, Bd. 41, S. 1771.
4.2 Französische Tapezierer in kaiserlichen Diensten
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ren. Außerdem steigerte die fachgerechte Färbung der Garne den Wert einer vollendeten Tapisserie um einiges. Lichtunbeständige Färbungen von Garnen galten als Merkmal minderwertiger Ware. Färbereien und ihr Wissen um teure Farbstoffe wie Indigo oder Koschenille waren ausschlaggebend für künstlerisch hochwertige Tapisserien, denn an der Wende zum 18. Jahrhundert war die Palette der verwendeten Farbtöne auf bis zu 1.000 angestiegen, die je nach Schattierung variiert wurden. Die Herstellung eines Wandteppichs erfolgte in einem Wirkstuhl, bei dem nach bildlichen Vorlagen ohne Grundgewebe allein durch Kette und Schuss ein Gewebe erzeugt wurde. Der eigentliche Unterschied zur Weberei bestand darin, dass ein farbiger Eintrag oder Schuss nur innerhalb der von der Vorlage vorgegebenen Grenzen eingewebt wurde und nicht über die gesamte Gewebebreite. Dabei wurden zwei verschiedene Webstühle, der hochlitzige (haute lisse) und der tieflitzige (basse lisse), ohne Unterschied im Wirkergebnis verwendet.70 Welchen monetären Gegenwert Tapisserien in ihrer Produktion haben konnten, zeigt ein Auftrag Karls VI. an Jodocus de Vos in Brüssel von 1712, der nach alten Vorlagen eine zehnteilige Serie über den Tunisfeldzug Karls V. in Wolle und Seide nachwebte. Die Gesamtkosten machten trotz der nur spärlich eingesetzten Goldund Silberfäden 51.000 fl. aus.71 Zu den Aufgaben des Tapezierers gehörte jedoch nicht nur das Wirken von Bildteppichen. Dem Universallexikon von Zedler zufolge waren Tapezierer Kunsthandwerker, die Bettbehänge, Überzüge von Stühlen, Betten oder Ähnlichem herstellten und Räume mit Tapeten bekleideten. Der hauptsächliche Wirkungsbereich lag eindeutig an herrschaftlichen Höfen, die Tapezierer im Normalfall als fixen Bestandteil in ihrem Hofstaat beschäftigten: Tapezierer=Arbeit, bestehet in Verfertigung allerhand Garnituren, zu Beziehung und Ausstaffirung der Gemaecher, und sonderlich der Bettstellen selbige mit kuenstlichen Zierrathen von Seide, Wolle, Leinwand und Federn zu versehen, die Gardinen kuenstlich anzubringen, und den Bettstellen selbst eine artige und der Mode gemaesse Gestalt zu geben [...]“72
Der Tapezierer des 18. Jahrhunderts hatte also über die bloße Produktion von Bildteppichen hinaus Aufgaben zu versehen, die heute einem Innenarchitekten zustehen, wie etwa die Herstellung und Montage von Möbelbehängen, von Wandverkleidungen und die textile Ausstattung von Räumen insgesamt. Besondere Fähigkeiten und Wissen in Farb- und Formgebung für die Zimmergestaltung und über Motive und ihre inhaltlichen und mythologischen Aussagen gehörten zu den Kernkompetenzen eines guten Tapezierers. Über die vom Kaiserhaus beschäftigten Tapezierer hinaus sind für Wien kaum bürgerliche oder freiberufliche Tapezierer nachweisbar. Der Grund dafür lag so70 Vgl. Dora HEINZ: Europäische Wandteppiche I von den Anfängen der Bildwirkerei bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Braunschweig 1963, S. 1–14. 71 Vgl. Georg KUGLER/Rotraud BAUER: Die Nachwebung der Tunis-Serie für Kaiser Karl VI. durch Jodocus de Vos, Brüssel 1712–1721. In: Wilfried Seipel (Hg.): Der Kriegszug Kaiser Karls V. gegen Tunis. Kartons und Tapisserien. Wien 2000, S. 111–114. 72 ZEDLER: Universallexicon 1731–1754, Bd. 41, S. 1773.
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wohl im fehlenden Angebot als auch in der fehlenden Nachfrage. Zum einen gab es im Vergleich zu Frankreich und den Niederlanden im deutschen Sprachraum keine annähernd erfolgreiche Tapisserieproduktion, und zum anderen waren Wandteppiche in ihrer Anschaffung zu teuer für ein breites Publikum und Kaiser und Adel beschäftigten eigene Fachkräfte. Zwischen 1680 und 1730 standen geschätzte 27 TapeziererInnen im Dienst des Kaiserhauses, davon kamen sieben sicher aus Frankreich, einer wahrscheinlich.73 Mindestens ein Viertel der kaiserlichen TapeziererInnen waren französischsprachig, in Frankreich aufgewachsen und ausgebildet worden: Jean Trehet, Antoine und Jean de Chazaux, Marguerete La Quoste, Anne de But, Peter Quantin, Carl Carpentier und Claudio Lefort. Eine ähnliche Dominanz Fremder in einem Handwerksbereich in Wien wiesen sonst nur die Italiener in den Baugewerben (Maurer, Steinmetze, Stuckateure), in der Zunft der Rauchfangkehrer und später neben den Franzosen in der Seidenerzeugung auf.74 Die Aufnahme französischer Tapissiers am Wiener Hof gestaltete sich jedoch immer wieder schwierig, wie der Fall Jean Trehet bereits zeigte. Um die Arbeitsumstände und das Wirken der französischen TapeziererInnen in Wien erfassen zu können – und damit Kulturtransfer von Frankreich an den Wiener Hof sichtbar machen zu können –, lohnt es sich, noch einmal auf Trehet zurückzukommen und anhand seiner Biographie, der seiner engeren Mitarbeiter sowie anhand der Tapeziererkarrieren von Peter Quantin und Carl Carpentier Handlungsspielräume und Perspektiven für erfolgreichen Kulturtransfer aufzuzeigen. In seiner ersten Arbeitsvereinbarung verpflichtete sich Jean Trehet 1686, sechs Monate lang an den Neustätter und an anderen Tapisserien zu arbeiten, wofür ihm 300 fl. ausgezahlt wurden. Gleichzeitig sollte er für den Kaiser Gartenzeichnungen anfertigen. Darüber hinaus wurde vereinbart, dass Trehet, wenn der Kaiser ihm Bilder zur Verfügung stellen würde, diese in haute lisse ausführen solle, der Preis dafür würde noch vereinbart werden.75 Trehet dürfte über Zwischenstationen im Reich nach Wien gekommen sein,76 Hinweise auf eine protestantische Konfession finden sich in den Quellen nicht. Bereits bei seiner Anstellung und auch ein Jahr danach dürfte vor allem ein Hintergedanke im Raum gestanden haben, nämlich der Plan, dass Trehet in Wien aufgrund seiner Erfahrung eine Tapisseriemanufaktur aufbauen und leiten sollte. Obwohl schon 1687 absehbar war, dass das Projekt nicht zustande kommen werde,77 konnte Trehet als Tapezierer in kaiserlichen Diensten bleiben. 1688 begann er mit der Arbeit an vier Teppichen fructus belli und reparierte sechs französische Werke.78 Neben den Reparaturarbeiten an den zahlreichen niederländischen Tapisserien, die Leopold I. 73 Zu Claudio Lefort fehlen biographische Angaben weitgehend, der Name Lefort ist aber ein alter französischer Taufname, der vor allem im Westen und Süd-Westen Frankreichs verbreitet war. Vgl. DAUZAT: Dictionnaire étymologique 1951, S. 262. 74 Vgl. EHMER: Wien. In: Kaufhold/Reininghaus (Hg.): Stadt und Handwerk 2000, S. 199–200. STEIDL: Auf nach Wien! 2003, S. 66–67 und 137–144. 75 ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 7, f. 272r. 76 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 244r. 77 ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 7, f. 276r. 78 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 123v.
4.2 Französische Tapezierer in kaiserlichen Diensten
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im Regelfall ankaufen ließ,79 wurde Trehet offensichtlich auch damit beauftragt, Werke im französischen Stil, Gobelins also, anzufertigen. 1690 jedenfalls lässt der Obersthofmeister protokollieren: „Der Spalliermacher Joann Trechet bringet vnterth: vor, daß vnser lieben frawen bildt wie auch Ew'er Kaÿ. Maÿ. Contrefait in Teppich gemachet und deroselben praesentiert habe [...]“80. Neben dem Porträt des Kaisers und der Madonnenkomposition wurde besonders hervorgehoben, dass Trehet beim Reparieren von verfaulten und zerrissenen Wandteppichen ein neues Fries so einsetzen könne, dass man es nicht merkt.81 Auch wenn Trehet ab etwa 1690 verstärkt als Garteningenieur Verwendung fand, was schließlich zu seiner Hauptaufgabe in Wien wurde, muss er 1688 bereits so mit Arbeit überhäuft gewesen sein, dass man ihm zur termingerechten Fertigstellung der Arbeiten erlaubte, vier Tapissiers aus Frankreich anwerben zu dürfen. Auf diesem Wege kamen Jean und Antoine de Chazaux, Marguerete La Quoste und Anne de But nach Wien.82 Letztere heiratete Trehet 1689 in der Franziskanerkirche in Wien. Über die vier französischen Tapissiers, die Trehet nach Wien brachte, ist insgesamt wenig bekannt. Antoine und Jean de Chazaux jedenfalls entstammten einer traditionsreichen französischen Tapeziererfamilie. Die Familie Deschazaulx war seit dem 16. Jahrhundert als Tapissiers in Aubusson (Limousin) tätig und lässt sich bis ins 18. Jahrhundert weiterverfolgen. Etienne und Jacques Deschazaulx aus Aubusson schienen 1661 in Bordeaux auf, Jacques unterhielt bis 1702 in Limoges einen eigenen Verkaufsladen. Im ausgehenden 17. Jahrhundert sind mehrere Deschazaulx in den Aubussoner Wirkerlisten verzeichnet. Für die beiden in Wien tätigen de Chazaux lassen sich folgende Aussagen treffen: 1681 wurde ein von Antoine Deschazaulx signierter Teppich (Ein ländliches Fest mit Arabeskenbordüre) in Aubusson registiert, 1688 holte Trehet ihn nach Wien und 1699 tauchte der Name Antoine de Chaseau mit Frau und Kindern in einer Berliner Kolonialliste auf. Es ist gut möglich, dass Antoine, nachdem das Wiener Manufakturprojekt gescheitert war, Wien verließ und nach Berlin ging. 1715 ließ sich ein Antoine Deschazaulx in Autun nieder, eine Übereinstimmung der Person ist möglich, aber nicht gesichert.83 1685 wanderte Jean, Sohn des Pierre, Deschazaulx nach Erlangen aus, wo er eine Tapisseriemanufaktur gründete, 1688 erfolgte sein Umzug nach Wien. 1701 verzeichnete das Hof-Contralor-Ambt in Wien, dass Joanni de Schassanx mit der Ausbesserung der Gobelinserie Die 79 Anlässlich seiner Vermählung mit der spanischen Infantin Margarita Teresa ließ Leopold I. über den Kaufmann Bartholome Triangl zwei Tapisserieserien ankaufen: eine 7-teilige Jagdserie mit Brüsseler Stadtmarke und eine achtteilige Serie „Der Reitunterricht“ mit Brüsseler Stadtmarke um 8.327 fl. Vgl. Rotraud BAUER: Barocke Tapisserien aus dem Besitz des Kunsthistorischen Museums Wien. Ausstellung in Schloss Halbthurn. Eisenstadt 1975, S. 34– 50 und 52–54. 80 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 243r. 81 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 244r. 82 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 123v–124r. 83 Zu biographischen Angaben der Familie Deschazaulx vgl. Heinrich GÖBEL: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal. Bd. 1. Leipzig 1928, S. 246–247, 339, 353 und 523–538.
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Historia der Paur in den Garten betraut worden war.84 Er kehrte aber angesichts seines Unternehmens in Erlangen nach Bayreuth zurück. Über eine protestantische Konfession der de Chazaux ist soweit nichts Konkretes bekannt, sie ist aber mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, vor allem da der Großteil der auswandernden protestantischen Tapissiers, die sich nach 1685 an deutschen Fürstenhöfen niederließen, eben aus Aubusson kamen.85 Der Familienname ist noch bis 1723 in Aubussoner Wirkerlisten als Tapissiers nachweisbar. Ganz anders verlief die Aufnahme Peter Quantins an den kaiserlichen Hof. Am 7. Juni 1692 trat er mit einem Ansuchen um eine Hoftapezierstelle an den Obersthofmeister heran (vgl. Eingangszitat). Dabei brachte er vor, bereits Arbeiten für den Hof getätigt zu haben, nämlich ein kostbares Bett, das nach München verschickt worden war. Dieses Ansuchen wurde vorläufig auf Eis gelegt,86 durch das Ableben des bisherigen Obertapezierers Augustin Kelle drei Jahre später aber wieder relevant. Als besonders an Quantin bemerkte der Obersthofmeister, dass er ein formal ausgelernter Tapezierer sei, der die Spalliere sowie Betten und Sessel richtig adjustieren könne. Außerdem sei er bereits ein Jahr hier, mit einer Deutschen verheiratet und spräche gut Deutsch.87 Etwas später beschwerte sich der Untertapezierer, der sich ebenfalls um die vakante Stelle beworben hatte, und bat „inständtig, mann soll ihme alß einen alten diener keinen frembden vorziehen“88. Der Obersthofmeister unterstrich jedoch noch einmal, dass Quantin für seine Kompetenzen sehr gelobt werde, und machte dem Kaiser auch Vorschläge, wie man beide Tapezierer kostengünstig anstellen könne, da am Hof ein chronischer Mangel an Tapezierern herrsche. Als besonders wertvoll erscheint der Vorschlag des Obersthofmeisters, man solle Quantin aufnehmen und ihn später in den Hofstaat des Königs (Erzherzog Joseph) übergeben, bis dahin könnten die übrigen Tapezierer von ihm lernen.89 Dies beweist, dass die fachlichen Fähigkeiten französischer Tapissiers die der heimischen übertrafen und sie zu Ausbildungszwecken herangezogen wurden. Leopold I. wies zwar das Ansuchen zurück (vgl. Eingangszitat), trotzdem führte die Liste zur Komplettierung der kaiserlichen Hofbediensteten Josephs I. 1705 Quantin als kaiserlichen Tapezierer.90 Ein späterer Eintrag in den Protokollen des Obersthofmeisters von 1712 bestätigt die Annahme, dass Quantin von Joseph I. in seinen Hofstaat aufgenommen worden war.91 Die näheren Umstände seiner Aufnahme gehen daraus nicht hervor, es ist aber offensichtlich, dass bei Quantin bis auf die Empfehlung des Obersthofmeisters die 84 Vgl. PILLICH: Jean Trehet. In: JB des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 12 (1955/56), S. 133. 85 Vgl. zur Manufaktur in Erlangen: Dora HEINZ: Europäische Tapisseriekunst des 17. und 18. Jahrhunderts. Die Geschichte ihrer Produktionsstätten und ihrer künstlerischen Zielsetzungen. Wien/Köln/Weimar 1995, S. 320 und 326–327. 86 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 5, f. 30v. 87 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 5, f. 461v. 88 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 5, f. 487v. 89 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 5, f. 487v–488r. 90 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 6, f. 527v. 91 Vgl. PILLICH: Kunstregesten aus den Hofparteienprotokollen. In: MÖSTA 13 (1960), S. 520.
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fachlichen Kompetenzen im Vordergrund der Überlegungen standen. Als mögliches Eintrittsdatum Quantins in das kaiserlich hofbefreite Handwerk kann 1699 herangezogen werden, da er 1701 in einem Ansuchen um ein Hofquartier nach eigenen Angaben bereits zwei Jahre Hofdienst geleistet hatte.92 Noch ambivalenter gestaltete sich die Causa Carl Carpentiers. Er bewarb sich im Februar 1711 um eine Exspektanz auf die Obertapezierstelle mit dem Hinweis darauf, dass er die Tapezierkunst erlernt und mehrere Leute von Rang bedient habe, so auch 10 Jahre lang den Oberstkämmerer, Graf von Waldstein. Darüber hinaus versuchte Peter Quantin, der amtierende Obertapezierer, den Bittsteller zu unterstützen, da Carpentier seine Tocher heiraten wollte. Beide Empfehlungen, sowohl die des Grafen Waldstein als auch die des kaiserlichen Tapezierers, halfen nicht, und so wurde der Antrag von Joseph I. abschlägig beschieden. Denn der Obersthofmeister hatte gegen die Aufnahme Carpentiers eingebracht, dass ein Fremder den jetzt im Dienst des Kaisers stehenden Untertapezierer und Tapeziergehilfen die Möglichkeit zur Beförderung nehmen würde.93 Carpentier blieb aber in Wien und leistete 1720 wieder Arbeiten für den Hof.94 Aus diesen drei Fallbeispielen lässt sich ersehen, dass die Akzeptanz der französischen Tapissiers am Kaiserhof äußerst ambivalent gehandhabt und jeder Fall individuell abgehandelt wurde. Die Qualifikation spielte dabei eine relativ große Rolle. Empfehlungen hoher Adeliger konnten unter Umständen auch entscheidend sein. Die französische Herkunft wurde als Hinderungsgrund vom Kaiserhaus in Erwägung gezogen und von möglichen Konkurrenten eingefordert, war aber im Endeffekt auf längere Sicht gesehen nicht ausschlaggebend dafür, dass Französinnen und Franzosen Hofarbeiten übernahmen. Die Konfession war bei keinem der Ansuchen Thema. Zum Arbeitsfeld der Tapissiers lässt sich vordergründig sagen, dass Reparaturarbeiten alter und defekter Tapisserien zum Hauptaufgabengebiet gehörten, daneben galt es, den täglichen Arbeiten im Bereich der Ausstattung der kaiserlichen Zimmer nachzukommen. Neuanfertigungen von Tapisseriearbeiten ergaben sich selten, da in Wien die Produktionsstätten dazu fehlten. Dies ist im Zusammenhang mit dem gescheiterten Manufakturprojekt Trehets zu sehen. Jean Trehet trat 1686/87 in Wien eigentlich mit dem Ziel an, eine Tapisseriemanufaktur ins Leben zu rufen und zu leiten, was eindeutig aus den Akten des Obersthofmeisters hervorgeht. Hinter diesem Projekt standen mehrere Überlegungen. Das Wirken von Bildteppichen als Kunsthandwerk war in Wien nicht ansässig, die Tapisserien wurden meist aus den südlichen Niederlanden eingeführt. Daneben suchten Leopolds kameralistische Berater den Import ausländischer Luxuswaren im Sinne einer positiven Zahlungsbilanz des Staates weitestgehend zu reduzieren und regten Manufakturgründungen in verschiedenen neuen Produktionsbereichen an. Zu diesem Zweck wurde bereits 1666 das Kommerzienkollegium geschaffen, das neben Manufakturgründungen auch die Anwerbung von Fachkräften organisierte. Die ersten Manufakturbetriebe auf dem Tabor in 92 Vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 621. 93 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 7, f. 98v.–99v. 94 Vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 292.
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Wien, von Johann Joachim Becher angeregt, konnten kaum wirtschaftliche Erfolge verbuchen trotz weitreichender staatlicher Hilfestellungen wie Steuerbegünstigungen, Verkaufsprivilegien, Liefergarantien oder Religionsfreiheit und Dispens vom Militärdienst für die angeworbenen Arbeiter. In diese Zeit fällt auch das kaiserliche Vorhaben der Tapisserieerzeugung. Eine der wenigen Manufakturen aus dem 17. Jahrhundert von Bestand war die k. k. Wollzeugfabrik in Linz. Manufakturen von Luxusprodukten konnten sich erst im 18. Jahrhundert wirklich etablieren wie die Seidenmanufaktur des Genfers Jean François Dunant, der 1717 mit 17 Arbeitern aus Lyon nach Wien übersiedelte.95 Die Lage in Trehets Herkunftsland sah freilich anders aus. In Frankreich hatte das Weben von Bildteppichen seit dem Mittelalter seinen Platz in der gewerblichen Produktion mit wechselndem Erfolg. Heinrich IV. hatte bereits vor seiner Krönung zum französischen König in Navarra Ambitionen gezeigt, das Tapisseriehandwerk zu beleben. Er setzte zu Beginn des 17. Jahrhunderts die entscheidenden Impulse durch die Neugründung von Wirkwerkstätten in den Galerien des Louvre. Mit Privilegien, finanziellen Subventionen und der Anwerbung von flämischen Fachkräften unterstützte Heinrich seine Vorhaben, Wandteppiche in großen Stückzahlen produzieren zu lassen, der Absatzmarkt wurde zudem von ihm durch Monopolgarantien und Einfuhrverbote abgesichert. Ludwig XIII. und Ludwig XIV. konnten auf diesen Strukturen aufbauen und förderten den Gewerbezweig weiter. Die Kenntnisse der Tapisserieerzeugung, die Trehet nach Wien mitbrachte, gehen auf die umfassenden Reformen Ludwigs XIV. zurück, der auf Initiative von Colbert 1667 die „Manufacture Royale des Meubles de la Couronne“ in den Räumlichkeiten der Gobelins, daher auch Gobelinmanufaktur genannt, gründete. Den Anlass zur Gründung lieferte wie in anderen Angelegenheiten auch Nicolas Fouquet, bis zu seiner Verhaftung 1661 Oberintendant der Finanzen, der seit 1658 ein privates Tapisserieatelier unterhielt, das die kostbaren Wandbehänge für seinen Schlossbau Vaux-le-Vicomte lieferte. Als künstlerischen Leiter hatte Fouquet Charles Lebrun engagiert. Colbert und Ludwig XIV. übernahmen Lebrun als tonangebenden Künstler und Leiter des Unternehmens, da ihnen zu Repräsentationszwecken ein allumfassendes Konzept zur Innenraumgestaltung vorschwebte, das von Lebrun entworfen heute als Style Louis XIV. bezeichnet wird. Das königliche Unternehmen beinhaltete nicht nur eine Tapisseriewirkerei, sondern Künstler und Handwerker, die die gesamte Ausstattung der königlichen Bauten bewerkstelligen sollten, so auch Goldschmiede, Steinschneider, Metallarbeiter, Möbeltischler und -dekorateure und für die Teppichherstellung wesentlich: eine Färberei.96 Die Tapisserieherstellung stellte prinzipiell und unter den Lebrunschen Vorgaben noch verstärkt einen hochqualifizierten und äußerst arbeitsteiligen Vorgang dar. Die künstlerische Gestaltung der Vorlagen, sogenannte gezeichnete, dann in 95 Vgl. HAHN: Migration 2008, S. 179–181. Günther CHALOUPEK/Dionys LEHNER/Herbert MATIS/Roman SANDGRUBER: Österreichische Industriegeschichte. 1700 bis 1848. Die vorhandene Chance. Wien 2003, S. 28 und 171–194. 96 Vgl. HEINZ: Tapisseriekunst 1995, S. 122–136.
4.2 Französische Tapezierer in kaiserlichen Diensten
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Öl gemalte Kartons, unterlag den Direktiven von Lebrun. Er brachte zwei Neuerungen ein: Zum einen verwarf er die bisher gestaltenden Grisaillefassungen (in Grau, Weiß und Schwarz) und reduzierte die aufwändigen Bordüren zu einer schlichten Umrandung des Bildes. Zum anderen folgte er einer akademischen und von starkem Pathos erfüllten Formgebung in den Motiven.97 Die Herstellung der Kartons, die in einem eigenen Arbeitsschritt von Patronenmalern oder Kartonniers nach den Vorlagen der Maler angefertigt wurden, überwachte Lebrun als Premier Peintre du Roi penibel, denn er legte Wert auf größtmögliche Präzision. Die eigentliche Schwierigkeit lag darin, die Entwürfe detailreich und genau zu malen und dabei die Umsetzung in die Wirkerei zu berücksichtigen. Die meisten Maler hatten sich auf einen Bereich spezialisiert, etwa auf die Ausführung der Figuren, der Landschaften, der Bordüren oder der Blumen. Diese Arbeitsteilung herrschte auch unter den Wirkern, die je nach Aufgabe als Kopf-, Gewand- und Landschaftswirker unterschiedlich bezahlt wurden, da die Wiedergabe von Gesichtern besondere Herausforderungen an den Wirker stellte. In den königlich französischen Manufakturen sorgten Zeichenschulen für eine bessere künstlerische Ausbildung der Wirker. Ihnen oblag es schließlich, mit dem zur Verfügung stehenden Material eine in Modellierung und Farbgebung vollendete Wirkarbeit zu leisten. Zur Wiedergabe von Schattierungen und Farbübergängen wendeten die Wirker die Technik der Schraffen an, bei der Farbübergänge erzielt wurden, indem die Länge und Anzahl der Einträge einer Farbe allmählich ab- die einer anderen allmählich zunahmen. Auch in dieser Technik dominierten neben den Flamen vor allem Franzosen.98 Zur Garantie der bestmöglichen Arbeitsbedingungen legte Ludwig XIV. im Gründungsedikt der Gobelinmanufaktur 1667 Richtlinien zur Qualitätssicherung, Privilegien und Vergünstigungen für die Manufaktur und ihre Handwerker fest. Neben der Einquartierung der Wirker und ihrer Familien in den Gobelins ist hervorzuheben, dass die Arbeiter der Manufaktur während ihrer Tätigkeit von jeglicher Steuerlast befreit waren und auch der zivilen Gerichtsbarkeit entzogen wurden, damit sie nicht von ihrer Arbeit abgelenkt werden konnten. Schließlich wurde zur Anwerbung flämischer Fachkräfte das Reglement erlassen, dass die Einbürgerung in der Manufaktur tätiger Fremder bereits nach zehn Jahren Arbeit in den Gobelins mit uneingeschränkten Rechten vor sich gehen konnte. Ein umfassendes Einfuhrverbot von ausländischen Tapisserien schützte den Absatzmarkt der Manufaktur.99 Die Rohmaterialien wurden den Atelierleitern zur Verfügung gestellt und auf die fertigen Teppiche gegengerechnet. In den 1660er Jahren soll die königliche Manufaktur in drei Hautelisse-Ateliers und einer BasselisseWerkstätte insgesamt 250 Tapezierer und 60 Lehrlinge beschäftigt haben.100 Ne97 Vgl. GÖBEL: Wandteppiche. Bd. 1, 1928, S. 115. 98 Vgl. HEINZ: Wandteppiche 1963, S. 7–12. 99 Vgl. Auszüge aus dem „Edikt des Königs zur Errichtung einer Manufaktur für die Möbel der Krone in den Gobelins. Im Parlament am 21. Dezember 1667 registriert“ in deutscher Übersetzung bei Michael STÜRMER: Herbst des alten Handwerks. Meister, Gesellen und Obrigkeit im 18. Jahrhundert. München/Zürich 1986, S. 240–243. 100 Vgl. HEINZ: Tapisseriekunst 1995, S. 138.
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ben den in ihrer Qualität der Farben und Kompositionen führenden Gobelins in Paris gab es noch eine Reihe anderer namhafter Manufakturen, die annähernd gehaltvolle Teppiche herstellten, nämlich Beauvais, Aubusson, woher die de Chazaux kamen, und Felletin. Schließlich bezeugt die Existenz zahlreicher kleiner Zweigniederlassungen oder privater Ateliers, die im Durchschnitt etwa zehn Tapissiers und Gehilfen beschäftigten und den Landadel in eingeschränkter Qualität belieferten, die breite Fächerung des Tapisseriehandwerks in ganz Frankreich. Im Vergleich dazu zeigen die Gutachten von Jean Trehet für Leopold I. von 1687 ein ganz anderes Bild von handwerklichem Engagement und politischem Willen. Der Entwurf für die Wiener Manufaktur sah ein Atelier von drei Zimmern und vier Webstühlen vor. Insgesamt wollte Trehet sieben oder acht Gesellen verpflichten, die nach der Elle bezahlt werden sollten, was durchaus üblich war. Da die Gesellen mit Frau und Kindern anreisten, kämen die Reisekosten für jeden Gesellen auf 100 fl., auch für ihre Unterbringung sollte gesorgt werden. Die Stelle des Direktors der Manufaktur wollte er mit 900 fl. jährlich dotiert wissen, für diese Position war Trehet selbst im Gespräch. Bereits die Eckdaten des Vorhabens zeigen, dass die Manufaktur in ihrer Größe kaum mehr als ein Prestigeprojekt darstellte, sie hätte wahrscheinlich nicht einmal den kaiserlichen Bedarf abgedeckt. In Ermangelung von Zulieferbetrieben musste man auch die Rohmaterialien einführen. Trehet veranschlagte für Gold, Silber, feine Seide und Garn aus Brüssel und Antwerpen pauschal 2.000 fl. und präzisierte dann, dass die Elle von luxuriöseren Geweben aus Gold, Silber und Seide in der Produktion mit 50 fl. zu veranschlagen sei, die Elle ohne Gold- und Silberwirkerei aber mit 40 bis 45 fl. bewertet werde.101 Trehet rechnete in seinem Kostenvoranschlag mit 5.000 fl. im Gesamten zur Errichtung der Manufaktur ohne laufende Kosten.102 Einen Punkt, den Trehet in seinem Entwurf kaum berücksichtigte, waren die künstlerischen Vorlagen für die Teppiche, die erst nach der ersten Probe relevant geworden wären. Sollten die Patronen und Kartons auch zugekauft werden, hätte dies das Projekt finanziell weiter belastet. Trehets Einschätzungen zur Sinnhaftigkeit des Manufakturprojekts gingen allerdings in eine ganz andere Richtung. Der Obersthofmeister notierte in seinen Akten: „Dieser Mensch [Trehet] hat in beÿsein deß Adami Selbst gestanden, daß Euer Maÿ. die tapezereÿen viell leichter auß Niderlandt kommen lassen können, alß solche alhier zumachen sein möchten. Werden also zu einen solchen Verlag die media abgehen, vnd tempore belli die Cammer dieselbe nit formieren können.“103
Trehet selbst war offensichtlich nicht von dem Vorhaben überzeugt, denn sein Manufakturentwurf ist aufgrund der vielen offenen Punkte eher als halbherzig zu bezeichnen. Dazu kommt die chronische Geldnot des Kaisers, der ein solches Projekt kaum finanzieren konnte, vor allem da die laufenden Kosten für die Erhaltung der Manufaktur, die Einfuhr der Rohstoffe und womöglich auch der künstleri101 ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 7, f. 286r–287v. 102 ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 7, f. 276r. 103 ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 7, f. 276r.
4.2 Französische Tapezierer in kaiserlichen Diensten
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schen Vorlagen noch hinzugekommen wären. Die Verbesserung der Infrastruktur in Wien durch die Gründung einer hochqualifizierten Färberei wurde nicht einmal in Betracht gezogen. Beide, Kaiser und Trehet, hatten 1687, im Jahr der Schlacht von Mohács – die Auseinandersetzung mit den Osmanen war noch nicht abgeschlossen –, weder die Mittel noch den Willen zur Umsetzung des Projekts, sodass die Einfuhr von Fertigprodukten aus den südlichen Niederlanden, von Trehet empfohlen, dem bisherigen Usus der Habsburger entsprach und auch weiterhin praktiziert wurde. Ferdinand Bonaventura von Harrach, der auch ein Förderer von Trehet war, soll während seines Aufenthaltes in Brüssel 1680 bereits für Leopold I. Tapisserien angekauft haben.104 Es zeichnet sich die Tendenz ab, dass Wien zwar französische Fachkräfte benötigte, um die laufend anfallenden Arbeiten qualitätsorientiert bewältigen zu können. Dabei stellt sich die berechtigte Frage, warum nicht Flamen an den Kaiserhof geholt wurden, denn politische und dynastische Verbindungen zu den Spanischen Niederlanden über das Haus Habsburg bestanden und nach 1714 war Brüssel als eines der Zentren der Tapisserieherstellung Teil der Österreichischen Niederlande. Graf Harrach beispielsweise hätte auf seiner Reise nach Brüssel nicht nur Tapisserien für Leopold I. kaufen, sondern auch Fachkräfte anwerben können. Interessant ist dabei auch der Aspekt, dass der Franzose Trehet in den Quellen des Obersthofmeisteramtes des öfteren als „Niederländischer Spalliermacher“105 bezeichnet wurde, wohl da der kaiserliche Hof Tapisserien und ihre Herstellung aufgrund der bisherigen Tradition unweigerlich mit Brüssel und nicht mit Frankreich in Verbindung brachte. Auch in Planung war, dass die sieben bis acht Gesellen, die in der Manufaktur in Wien hätten arbeiten sollen, aus den Niederlanden kommen sollten.106 Insgesamt gesehen scheiterte die Anwerbung flämischer Fachkräfte sehr wahrscheinlich an den fehlenden finanziellen Mitteln des Kaisers, da andere Höfe in solche Projekte mehr Geld zu investieren bereit waren, allen voran der französische König selbst, sodass Trehet in der Anwerbung auf Franzosen zurückgriff, von denen die Brüder de Chazaux mit hoher Wahrscheinlichkeit einen protestantischen Hintergrund hatten und sich vor ihrer Auswanderung in prekären Verhältnissen befanden. Die Rezeption von Tapisserien an sich und damit des Kunsthandwerks war in Wien „niederländisch“ konnotiert, obwohl hinreichend qualifizierte Französinnen und Franzosen dieses Handwerk in Wien neben Einheimischen vertraten. Nach dem Scheitern des Manufakturvorhabens war der Hof nach wie vor auf den Ankauf von ausländischen Fertigprodukten angewiesen, ein Import von französischen Gobelins fand aber nicht statt. Französi104 Vgl. Rotraud BAUER: Historische Schlachten auf Tapisserien aus dem Besitz des Kunsthistorischen Museums Wien. Ausstellung in Schloss Halbthurn. Eisenstadt 1976, S. 16. 105 Alternierend mit „französischer Spalliermacher“ zum Beispiel in der Relatio 21: ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 88r/v, 122v und 123v: „attestation für den Niederländischen Spalliermacher und seine aus franckhreich anhero berueffenen leüth“, und auf f. 241r–243r. 106 ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 7, f. 286r: „Vor einen solchen Gesöllen herunter zubringen, kost auf das wenigst Einer pr: 100 fl.“ Der Terminus „herunter zubringen“ deutet auf die Niederlande (Spanische oder Vereinigte) als Herkunftsland hin, da es in Norddeutschland kein Zentrum für die Tapisserieerzeugung gab.
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sche Teppiche kamen erst mit Franz I. Stephan und der Übersiedlung seiner privaten Besitztümer aus Lothringen nach Wien.107 Die Habsburger kauften weiterhin in den südlichen Niederlanden ein, wie der bereits erwähnte Ankauf der TunisSerie durch Karl VI. in Brüssel zeigt. Andere deutsche Höfe hingegen betrieben Manufakturprojekte zur Herstellung von Tapisserien gezielter und erfolgreicher und profitierten von der durch das Edikt von Fontainebleau 1685 ausgelösten Auswanderung französischer und protestantischer Tapissiers.108 Pierre Mercier beispielsweise legte 1686 den Grundstein für die kurfürstliche Tapetenfabrik in Berlin, nach seinem Weggang verblieb sein Neffe Jean Barraband in Berlin, während Mercier in Dresden unter August dem Starken eine neue Manufaktur gründete. Auch in Stuttgart, Hannover, Würzburg und Magdeburg ließen sich französische Wirker vornehmlich aus Aubusson nieder, deren Unternehmen durch Privilegien und freie Religionsausübung von den Landesherren gefördert wurden und die in erster Linie deren Aufträgen nach Luxusware nachkamen. Die meisten Unternehmen überlebten kaum länger als ein oder zwei Generationen, da die ausschließliche Ausrichtung der Ateliers auf den adeligen Auftraggeber die Implementierung einer längeren Tapisserietradition verhinderte. Ein ähnliches Bild zeigte die Manufaktur in Erlangen, wie erwähnt von Jean de Chazaux 1686 gegründet, der auch um die Jahrhundertwende für den Kaiser in Wien tätig war. Sein Betrieb wurde von seinem Sohn Jean II. übernommen und galt in der Jahrhundertmitte als wohlhabend, überlebte aber den Tod des Meisters Jean II. 1779 nicht. Die einzige über das 18. Jahrhundert hinaus erfolgreiche Manufakturgründung war jene des Kurfürsten Max Emanuel in München, der sich seine Wirker direkt aus Paris kommen ließ.109 Neben Jean Trehet ist Peter Quantins Wirken und Arbeiten in Wien in den Quellen gut nachweisbar. Als wahrscheinliches Eintrittsdatum in den Hofdienst gilt 1699, nachdem er bereits 1692 ein erstes Ansuchen gestellt hatte. 1698, also zwischen dem Erstansuchen und der endgültigen Aufnahme am Hof, muss Quantin nach Frankreich gereist sein, die Dauer und der Zweck der Reise sind 107 Franz I. Stephan bekam als Herzog Franz III. von Lothringen am 4. Feb. 1730 von Ludwig XV. eine achtteilige Tapisserieserie Les sujets de la fable d'après Raphael mit mythologischen Darstellungen geschenkt. Die Tapisserien stammen aus der Manufaktur der Gobelins und entstanden 1693–1704, signiert durch Jean Lefebvre I und Ian Ians. Vgl. Gerlinde GRUBER: Tapisserien. In: Rotraud Bauer (Hg.): Wohnen im Schloss. Tapisserien, Möbel, Porzellan und Kleider aus drei Jahrhunderten. Ausstellung im Schloss Halbthurn. Eisenstadt 1991, S. 58–65. 1735 ließ Franz Stephan seinen gesamten häuslichen Besitz in Lothringen, darunter auch diese Tapisserien auf den Umzug nach Wien vorbereiten. Vgl. ZEDINGER: Franz Stephan 2008, S. 64–65. 108 Obwohl das Toleranzedikt von Nantes seit 1598 den Hugenotten in Frankreich die freie Religionsausübung gewähren sollte, war es unter Ludwig XIV. zu einer sukzessiven Bedrängung der Rechte der Protestanten gekommen, Behinderungen in der Berufsausübung führten zu existenziellen Nöten, wodurch der Auswanderungsprozess schon vor 1685 einsetzte. Für die Tapissiers, die nach Wien kamen, kann allerdings eine protestantische Konfession nicht hinreichend und nicht für alle nachgewiesen werden. Vgl. Barbara DÖLEMEYER: Die Hugenotten. Stuttgart 2006, S. 18–26. 109 Vgl. HEINZ: Tapisseriekunst 1995, S. 194–196 und 320–334.
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unbekannt. Auf jeden Fall traf er 1698 in Paris Graf Ferdinand Bonaventura von Harrach, als dieser auf seiner Rückreise von Spanien nach Wien in Paris einen Zwischenstopp einlegte. Quantin war nicht allein unterwegs, sondern reiste mit dem Juwelier Hauerbrucker, beide wurden von Harrach als „von Wienn“110 bezeichnet. Sie verließen Paris am 1. November 1698 mit der Post in Richtung Wien, nachdem Quantin ein Schreiben Harrachs erhalten hatte.111 Ob dieses eine Empfehlung enthielt, die Quantin die Aufnahme am Hof erleichterte, lässt sich nicht sagen. Die Reise dokumentiert jedoch zwei wichtige Aspekte. Zum einen beweist sie, dass Quantin nicht der protestantischen Konfession angehörte, wie es bei den de Chazaux der Fall gewesen sein dürfte, da Hugenotten bei der Wiedereinreise nach Frankreich verhaftet worden wären. Zum anderen zeigt sie Quantins Verbindungen nach Frankreich trotz seiner Migration. Es ist anzunehmen, dass er in Paris auch nach beruflicher Weiterbildung suchte, was für seine Verwendung in Wien wiederum von Vorteil war. 1705 schien Quantin jedenfalls als Obertapezierer im Hofstaat von Joseph I. auf, 1711 wurde er nicht von Karl VI. übernommen, sondern wechselte in den Hofstaat der Kaiserin Witwe Amalia Wilhelmine.112 Seine Betätigungsfelder lagen mit Sicherheit nicht im Neuweben von hochwertigen Tapisserien, wofür es in den Quellen keinen Anhaltspunkt gibt. Selbst Trehet dürfte nur Weniges neu geschaffen haben. Vielmehr oblagen ihm als Obertapezierer zum einen Restaurierungsarbeiten bestehender Wandteppiche und zum anderen die Verwaltung, Instandsetzung und Neuanfertigung von Innenraumgestaltungen. Diese Qualifikation war bei seiner Bewerbung am Kaiserhof ausschlaggebend, er selbst berief sich 1692 auf die Anfertigung eines Bettes, das der Kaiser nach München verschickte.113 Teile der Innenausstattung von Schloss Schönbrunn sollen auf ihn zurückgehen. Neben den laufenden Arbeiten verzeichnete der Hof nur die Zusatzleistungen, die extra entlohnt wurden. 1710 fertigte Quantin zu Nicolai zwei extra feine Truhen für die Erzherzoginnen Maria Josepha und Maria Amalia, Töchter der Kaiserin Amalia Wilhelmine, um 531 fl. an, für die er 1711 mit 400 fl. abgefertigt wurde.114 Nach dem Tod von Joseph I. war es Peter Quantin, der der nunmehrigen Kaiserinwitwe Amalia ihre neuen Räumlichkeiten einrichtete, wofür er 1716 mit 1.500 fl. ausbezahlt wurde.115 Einer der größeren Aufträge bestand in der Anfertigung eines Paradebettes, der dazu gehörigen Tapezierarbeiten und zweier besonders gemachter Reisebetten anlässlich der Vermählung der Erzherzogin Maria Josepha mit Friedrich August III., dem späteren Kurfürst von Sachsen und König von Polen. Quantin wurde in zwei Raten ausbezahlt, 1719 erhielt er 3.000 fl. und
110 111 112 113 114 115
ÖStA, AVA, Harrach Handschriften 134, Tagebuch Ferdinand Bonaventura, S. 466. ÖStA, AVA, Harrach Handschriften 134, Tagebuch Ferdinand Bonaventura, S. 468. ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 7, f. 171v. ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 5, f. 30v. Vgl. HAUPT: Kulturgeschichtliche Regesten. In: MÖSTA 36 (1983), S. 358 und 370. Vgl. HAUPT: Kunst und Kultur in den Kameralzahlamtsbüchern. In: MÖSTA, Erg.bd. 12 (1993), S. 23.
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1720 eine Restzahlung von 1.235 fl.116 Für dieselbe Erzherzogin Maria Josepha, nunmehrige Kurfürstin von Sachsen, fertigte er nochmals ein neues Reisebett um 200 fl. an und in weiterer Folge ein Kinderbett und eine Wiege mit Stickereiarbeiten für 2.500 fl., die der Kurfürstin nach Sachsen nachgeschickt wurden. Auch diese Summe wurde in Raten abgeglichen, 1720 mit 1.500 fl. und 1721 mit 1.000 fl., 1722 erhielt Quantin noch einmal 500 fl. zur Auszahlung an den bürgerlichen Spiegelhändler Martin Pichlmayr, von dem er offensichtlich Rohmaterialien bezogen hatte.117 1722 fielen für die Kaiserin Witwe Amalia weitere nicht näher definierte Tapezierarbeiten an, die sich auf 1.050 fl. beliefen.118 Auch die jüngere Tochter von Joseph I., Erzherzogin Maria Amalia, wurde anlässlich ihrer Hochzeit mit dem Kurfürsten von Bayern und späterem Kaiser Karl VII. mit Ausstattungsstücken versehen, die Peter Quantin anfertigte. Ein Paradebett und ein Wiegenbett mit Stickerei um 4.500 fl. gingen nach München.119 Die Arbeiten Quantins sind im Kontext der barocken Raumfolge und der repräsentativen Funktion von Innendekor und Möbeln zu sehen, beides waren Grundlagen des französischen Zeremoniells und der königlichen Selbstdarstellung. Durch den Hang zur Extraversion, die unter Ludwig XIV. ihren Höhepunkt erlebte, stand der Herrscher und seine Familie inszeniert, aber vermehrt auch im privaten Bereich im Rampenlicht. Privates wurde von der Geburt bis zum Tod öffentlich zur Schau getragen. Das Schlafzimmer des Königs lag an dritter Stelle in der barocken Raumfolge und das Paradebett galt als das zentrale Möbelstück, das Macht, Prestige und Reichtum zugleich ausdrückte, und es bildete die Bühne für das königliche lever.120 Bei der Morgenaudienz des Königs anwesend zu sein, bedeutete eine der höchsten Ehrerbietungen für den Hof und seine Mitglieder. Dementsprechend wurden die Prunkbetten aus teuren Rohstoffen und Materialien wie Seide, Damast, Brokat und Federn, hergestellt und aufwändigst mit Vorhängen, Fransen, Draperien, Schnitzwerk, Golddekor und Stickereien verziert. Die Paradebetten ludovizischen Stils fanden bald Nachahmer sowohl im hohen Adel als auch an anderen europäischen Fürstenhöfen, wozu Daniel Marot, protestantischer Architekt und Kupferstecher, wesentlich beitrug, als er 1685 in die nördlichen Niederlande auswanderte und für Wilhelm III. von Oranien-Nassau zu arbei-
116 Vgl. HAUPT: Kunst und Kultur in den Kameralzahlamtsbüchern. In: MÖSTA, Erg.bd. 12 (1993), S. 42. 117 Vgl. HAUPT: Kunst und Kultur in den Kameralzahlamtsbüchern. In: MÖSTA, Erg.bd. 12 (1993), S. 54, 65 und 76. 118 Vgl. HAUPT: Kunst und Kultur in den Kameralzahlamtsbüchern. In: MÖSTA, Erg.bd. 12 (1993), S. 76. 119 Vgl. HAUPT: Kunst und Kultur in den Kameralzahlamtsbüchern. In: MÖSTA, Erg.bd. 12 (1993), S. 90. 120 Das lever war eine spezifisch französische Form der Audienz, die in Wien nicht praktiziert wurde, was aber nicht bedeutet, dass Paradebetten in Wien und Mitteleuropa im 18. Jahrhundert als repräsentatives Möbelstück nicht von Wichtigkeit waren. Vgl. Jeroen DUINDAM: Vienna and Versailles. The Courts of Europe's Dynastic Rivals, 1550–1780. Cambridge 2003, S. 153 und 164.
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ten begann. Paradebetten stellten für den Tapezierer eines jener Möbelstücke dar, die äußerst zeit- und arbeitsintensiv waren.121 Zwei Entwicklungen kamen an der Wende zum 18. Jahrhundert besonders zum Tragen. Zum einen entwickelte sich in Frankreich und Italien das frei stehende Paradebett mit vorkragendem Baldachin, das am Fußende ohne Pfosten auskam (lit à l'impériale). Das verminderte den Platz für Schnitzarbeiten und favorisierte aufwändige Draperien, die der Tapezierer in Seide, Brokat, Gobelins und Fransen ausführte, wodurch er weitere Kompetenzen in der Herstellung eines Paradebettes übernahm.122 Parallel zur Anfertigung von Betten lag auch die textile Ausstattung der Sitzgelegenheiten im Aufgabenbereich eines Tapezierers. Stühle und Sessel wurden im 18. Jahrhundert zunehmend bequemer gestaltet. Sowohl die Sitzflächen als auch die Rücken- und Armlehnen erfuhren nicht nur im höfischen Bereich eine durchgehende Polsterung. Zum zentralen Arbeitsbereich eines Tapezierers gehörte daher ab dem 18. Jahrhundert das Bespannen von Möbeln mit hochwertigen Stoffen.123 Quantins Aufgabenbereich ist in diesem Sinne auch als politisch zu verstehen, gingen die Parade- und Wiegenbetten doch als Geschenke nach München und Dresden und dokumentierten dort die kaiserliche Herkunft der Erzherzoginnen und ihre Möglichkeiten zur höfischen Repräsentation. Zudem spiegeln die Arbeiten Quantins einen Trend wider, der im ausgehenden 17. Jahrhundert in Beauvais und nach 1700 in Frankreich seinen Ausgang nahm. Mit der Zunahme von Groteskenmotiven in Wandbehängen von Beauvais und späteren Groteskenbordüren und -ornamenten in ganz Frankreich, die auf Jean Berain124 zurückgehen, kam die Forderung auf, die Möbelbespannungen und das weitere Interieuer eines Zimmers auf die Tapisserien abzustimmen, um so ein homogenes Ganzes in der Innendekoration zu erreichen.125 Gesamtraumkonzeptionen und Adaptierungen, wie es Quantin für die Kaiserinwitwe durchführte, lagen im Trend. Hierzu passt auch die Aktennotiz, dass Quantin 1707 Borten und Fransen zu seinem Gebrauch, die überflüssig in den kaiserlichen Tapeziergewölben lagerten, gegen einen Abschlag an seiner Besoldung käuflich erwarb.126 Lebensläufe französischer und englischer bürgerlicher Tapissiers im 18. Jahrhundert zeigen in ähnlicher Weise die veränderten Aufgabenbereiche und das neue Berufs-
121 Vgl. grundlegend Riccardo MONTENEGRO: Enzyklopädie der Wohnkultur von der Antike bis zur Gegenwart. Köln 1997, S. 100–137. Megan ALDRICK: Baroque. In: Joanna Banham (Hg.): Encyclopedia of Interior Design. London/Chicago 1997, S. 98–103. Annabel WESTMAN: State Beds. In: Banham (Hg.): Encyclopedia of Interior Design 1997, S. 1226– 1228. 122 Vgl. Sigrid HINZ: Innenraum und Möbel von der Antike bis zur Gegenwart. 2. Aufl. Berlin 1980, Abb. 268–273. 123 Vgl. MONTENEGRO: Enzyklopädie der Wohnkultur 1997, S. 136–137. 124 Berain entwarf aus Groteskenvorlagen c- und s-förmige Ornamente, denen Akanthusblätter entwuchsen, die im deutschen Sprachraum als Laub- und Bandlwerk rezipiert wurden. Vgl. Günter IRMSCHER: Das Laub- und Bandlwerk. Zur Geschichte eines vergessenen Ornaments. Salzburg 1991. 125 Vgl. HEINZ: Tapisseriekunst 1995, S. 148 und 155. 126 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 6, f. 702v–703r.
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bild des Tapezierers hin zum Entwerfer, Hersteller und letztlich nur noch Händler von Innenraumgestaltung.127 Schlussfolgerungen Mit der Rezeption repräsentativer Wagen und der französischen Innenraumgestaltung wurden in Wien wichtige Bestandteile des französischen Kulturmodells nicht nur wahrgenommen, sondern auch im öffentlichen Leben umgesetzt. Selbst wenn von einer produktiven Neuinterpretation in beiden Bereichen nicht gesprochen werden kann, kam es zu kulturellen Transferprozessen, da es zumindest in der Innenraumgestaltung nicht nur bei einer reinen Nachahmung blieb. Auftraggeber und Konsumenten der von französischen ImmigrantInnen nach Wien gebrachten französischen Kulturelemente waren in erster Linie der Wiener Hof und der Adel. Dabei fungierten Hofbefreiungen im Wesentlichen als Sprungbrett für französische ImmigrantInnen, in Wien Fuß fassen zu können und bildeten oftmals die Grundlage zur Integration in den Wiener Arbeitsmarkt und zu teilweise erfolgreichen Karrieren. Die ambivalente Haltung des Kaiserhauses gegenüber Französinnen und Franzosen kann in diesem Zusammenhang nur noch einmal wiederholt werden. Wichtig dabei ist vor allem das Ergebnis, dass Französinnen und Franzosen offensichtlich Lücken im Arbeitsmarkt schlossen, die sich durch das erweiterte Konsumverhalten des Adels und des Hofes ergeben hatten und die der Wiener Arbeitsmarkt selbständig nicht zu regeln im Stande war. Ein Großteil der französischen ImmigrantInnen waren ArbeitsmigrantInnen, was die Beispiele der Kutscher für die Häuser Liechtenstein und Harrach zeigten und was auch den Großteil der TapeziererInnen, jedenfalls Jean Trehet und seine nachgeholten Mitarbeiter Antoine und Jean de Chazaux, Marguerete La Quoste und Anne de But, betraf. Aber auch in anderen Bereichen waren direkte Anwerbungen zu verzeichnen, vor allem im Dienstleistungssektor bei Köchen und Hauspersonal. Im Zuge dessen konnte auch gezeigt werden, wie wichtig dabei sowohl die persönlichen Kontakte der Adeligen nach Frankreich als auch Netzwerke innerhalb der Migrierenden waren. Zudem kann dem Adel insgesamt eine wichtige Rolle in der Anwerbung von französischen Arbeitskräften beigemessen werden, da er durch Empfehlungsschreiben die Entscheidungen des Kaisers zur Anstellung von Französinnen und Franzosen immer wieder erfolgreich beeinflussen konnte. Besonders im Hinblick auf die Möglichkeiten zum Kulturtransfer, die die Immigrierenden nach Wien mitbrachten, ist darauf hinzuweisen, dass die Fähigkeiten und Fertigkeiten, das Know-how, in der Residenzstadt nicht immer optimal genutzt werden konnte. Dies zeigte eindrücklich das gescheiterte Projekt zur Er127 Vgl. Natacha COQUERY: Fashion, Business, Diffusion: An Upholsterer's Shop in EighteenthCentury Paris. In: Dena Goodman/Kathryn Norberg (Hg.): Furnishing the Eighteenth Century. New York/London 2007, S. 63–77. Clive EDWARDS: Turning Houses into Homes. A History of the Retailing and Consumption of Domestic Furnishings. Aldershot 2005, S. 13–37.
4.2 Französische Tapezierer in kaiserlichen Diensten
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richtung einer Tapisserie-Manufaktur. Besonders bei den Tapezierern Jean Trehet und Peter Quantin dauerte der Anstellungsprozess besonders lang, sodass die Kapazitäten der an sich hochqualifizierten Arbeitskräfte nicht best möglichst eingesetzt werden konnten. Dazu kam noch, dass eine erfolgreiche Anwerbung von hugenottischen Glaubensflüchtlingen in Wien tatsächlich nicht funktionierte, obwohl über Patente die Religionsfreiheit hätte gewährt werden können. Wien war nicht attraktiv genug. Die wenigen Protestanten, die den Weg nach Wien fanden, blieben nicht lange, wodurch ein großer Pool an Arbeitskräften für Wien ungenutzt blieb. Die Aufteilung der verschiedensten Arbeitsbereiche der Französinnen und Franzosen konnte schließlich auch demonstrieren, dass französische ImmigrantInnen zwar vor allem im höfisch-repräsentativen Bereich tätig waren. Diese Arbeitsfelder beinhalteten aber weitreichende Aufgaben, wie die Ernährung, die häuslichen Gegebenheiten oder die Obsorge über die Gesundheit derer, die Dienstleistungen von französischen ImmigrantInnen in Anspruch nahmen. Ein Schwerpunkt dabei lag sicherlich neben Dienstleistungen in Haushalt und Küche und neben der Innenraumgestaltung in den Bereichen Mode, Kosmetik und Gesundheit, was ganz grundsätzlich das französische Modell der Repräsentation und der barocken Lebens- und Gestaltungswelt absolutistischer Herrschaft implizierte und was Thema der folgenden Ausführungen sein wird.
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KLEIDER MACHEN LEUTE
Dieses alte Sprichwort und seine Bedeutung stehen paradigmatisch für die Rolle der Bekleidung und der Mode in der höfischen Welt der Frühen Neuzeit. Ein Zitat von Johanna Theresia von Harrach in einem ihrer Tagzettel an ihren Mann in Spanien verdeutlicht den Unterschied von Sein und Schein: „ich bin sohn ganz ein franzesin, das er sich verwundern wirdt, was ich vir ein schene damä bin“.1 Die Gräfin bezeichnete sich in übertragenem Sinn nur aufgrund der Wahl und Ausstattung ihrer Kleidung als Französin, ohne dabei ihre wirkliche Identität in Frage zu stellen, und definierte damit sogleich das vorherrschende Schönheitsideal. Kleidung fungierte in streng hierarchisch gegliederten Gesellschaften in weit größerem Ausmaß als heute als interpretationsfähiges Zeichensystem und Kommunikationsmedium. Sie vermittelte Informationen über Herkunft, den sozialen Rang, die Schicht- und Gruppenzugehörigkeit, die Identität und die wirtschaftliche Lage des Trägers, die wiederum über dessen gesellschaftliche Inklusion und Exklusion Aufschlüsse gab. Die Kleidung ließ auch innerhalb des Adels unterschiedliche Rollenzuweisungen zu, so waren beispielsweise die Hofdamen in Wien an der schwarzen Grundfarbe ihrer Gewänder und an einer Schlaufe am Rücken, in der sie ihre Schleppe befestigten, um mehr Bewegungsfreiheit zu erlangen, erkennbar.2 Gerade in der Welt der repräsentativen Höfe und des Hofadels gab die Art und Weise, sich zu kleiden, detaillierte Aufschlüsse über die Funktionen und Ämter einer Person oder über Öffentlichkeit und Privatheit und deren unterschiedliche Anlässe. Der Wandel von Kleidung und Moden unterlag, was teilweise auch heute noch der Fall ist, den dialektischen Prinzipien von Distinktion und Nachahmung. Das bedeutete, dass die Individualität eines Kleidungsträgers soweit zurückzustellen war, dass sie dessen gesellschaftliche Inklusion nicht gefährdete.3 Der Adel in Wien lavierte also in Modeangelegenheiten im 17. Jahrhundert stets zwischen den Ansprüchen des Kaiserhauses, das dem spanischen Hofzeremoniell verhaftet war, neuen Modetrends aus ganz Europa und den eigenen Ansprüchen. Wenn Johanna Theresia von Harrach ihrem Mann 1676 berichtet, dass Don Pedro Clicano bei ihr in französischer Kleidung erschienen sei und dass dies um einiges besser aussehen würde als die spanische Mode, was sie des Weiteren auch von
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ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 5. Dez. 1676. Vgl. Katrin KELLER: Hofdamen. Amtsträgerinnen im Wiener Hofstaat des 17. Jahrhunderts. Wien/Köln/Weimar 2005, S. 125–126. Vgl. Anne-Kathrin REICH: Kleidung als Spiegelbild sozialer Differenzierung. Städtische Kleiderordnungen vom 14. bis zum 17. Jahrhundert am Beispiel der Altstadt Hannover. Hannover 2005, S. 22–28. Clare Haru CROWSTON: Fabricating Women. The seamstresses of Old Regime France, 1675–1791. Durham/London 2001, S. 27–30.
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5 Kleider machen Leute
anderen Wiener Adeligen und ihren Bediensteten schrieb,4 so bedeutet dies nicht nur, dass Don Pedro der Justaucorps besonders gut stand, sondern meint auch, dass Don Pedro sich modern kleidete, die französische Mode in Wien gerade aktuell geworden war und dies in der Hofgesellschaft reflektiert wurde. Bis zum Beginn des 30-jährigen Krieges dominierte in ganz Europa die spanische Mode und das damit einhergehende Schönheitsideal, das die Frau auf ihr Gesicht und ihre Hand reduzierte und den restlichen Körper in ein enges Korsett und einen steifen Reifrock zwängte. Die körperlichen Reize wurden im Sinne der Keuschheit und der Spiritualität negiert und der Körper zum Zweck der Anmut und Unnahbarkeit geometrisiert. Sowohl der faltenfreie Rock wie auch das hochgeschlossene Korsett bildeten jeweils ein Dreieck, wobei Letzteres mit einer Halskrause oder einem Spitzenkragen abschloss. Im Gegensatz dazu bekleidete sich der Mann mit einer kurzen ausgepolsterten, kegelförmigen Hose, der Heerpauke, die das männliche Glied in einer Schamkapsel, auch Braguette genannt, ostentativ hervortreten ließ, was die männlichen Ideale von Kraft, Macht und Kühnheit verdeutlichte. Das spanische Wams gestaltete sich aber ebenso eng in der Taille wie das der Frauen und ebenso geometrisch kegelförmig mit steifem Stehkragen, sodass auch Männer teilweise ein Korsett trugen.5 Der 30-jährige Krieg führte aufgrund der fehlenden Beweglichkeit in der spanischen Hoftracht in ganz Europa zu einem Aufweichen der strengen Körperformen. Zuvor aber hatte bereits Frankreich unter Ludwig XIII. begonnen, die spanische Strenge in ihren Modeformen zurückzudrängen, was mit dem allgemeinen Wechsel vom Streben nach Regelmäßigkeit und Ordnung in der Renaissance hin zu mehr Beweglichkeit, Leichtigkeit und Vergänglichkeit im Barock einherging. „Vanitas“ und „carpe diem“ wirkten sich nicht nur auf alle Bereiche der Kunst, sondern auch auf die Mode aus, die zunehmend Ausdrucksmittel für Flüchtigkeit, Momenthaftigkeit, rasche Veränderung von Zuständen und in hohem Maße für alle Formen der Übersteigerung wurde. Die Abkehr von den körperlichen Zwängen der spanischen Mode und seinem Farbendiktat schwarz, das sich in Frankreich nie richtig durchgesetzt hatte, fiel unter Ludwig XIII. zusammen mit dem Aufstieg Lyons zur Textilmetropole Frankreichs, das weit über Frankreichs Grenzen hinaus exportierte. Italiens und Frankreichs Manufakturen produzierten nun um die Wette luxuriöse Materialien wie draps d'or, draps d'argent und verschiedenste Seidenstoffe aus Mailand, Genua, Florenz, aber vor allem aus Tours und Lyon, venezianische Reliefspitzen, Wollsamt aus Abbeville und Compiègne und verschiedene Woll-, Leinen- und Mischgewebe wie Etamin, Ratin, Serge, Batist,
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ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel Johanna Theresia vom 5. Dez. 1676 und vom 10. Dez. 1676. Vgl. Georges VIGARELLO: Histoire de la beauté. Le corps et l'art d'embellir de la Renaissance à nos jours. Paris 2004, S. 27–38. Isabelle PARESYS: The dressed body: The moulding of identities in sixteenth-century France. In: Herman Roodenburg (Hg.): Cultural Exchange in early modern Europe. Bd. 4: Forging European Identities, 1400–1700. Cambrigde 2007, S. 227–235. Erika THIEL: Geschichte des Kostüms. Die europäische Mode von den Anfängen bis zur Gegenwart. Berlin 1973, S. 310–318, 365.
5.1 Moderezeption und Modekonsum
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Baracan und Kamelott, die der französische Adel trotz zahlreicher Luxusverbote nicht müde wurde zu tragen.6 5.1
MODEREZEPTION UND MODEKONSUM
Schon vor dem 30-jährigen Krieg verschwand in Frankreich die Braguette durch längere und weitere Hosen, die schließlich schlank und faltenlos zum Knie reichten. Der Reifrock wurde durch weiche und biegsame Auspolsterungen um die Hüften ersetzt, die ab den 1630er Jahren auch nicht mehr getragen wurden, sodass der Rock flach fallend natürliche Falten warf. Auch beim Oberkörper wurde das strenge Korsett bei den Männern durch ein geschlitztes und weiteres Wams, bei den Frauen durch Mieder ersetzt. Die Halskrause fiel bei Männern wie bei Frauen zuerst zu einem Spitzenbesatz herab und wurde später obsolet, wodurch der Weg frei war für lange Haartracht bei Männern und lockige gebauschte Frisuren bei Frauen und schließlich für die Perücke, die in Frankreich bereits in den 1620er Jahren getragen wurde, da Ludwig XIII. seine Haare vorzeitig verloren hatte. Wesentlich dabei war, dass im Sinne der barocken Lebensweise nun die Form und die Oberflächengestaltung der Textilien eminent an der Erscheinung der Mode Anteil hatten. Statt geometrisierten Formen kamen bewegliche, gebauschte, üppig drapierte Stoffverarbeitungen in Mode, denn weiche glänzende Stoffe entfalteten ihre Strahlkraft erst im Faltenwurf oder im freien Schwung des Körpers. Dies zeigte sich in übersteigerter Form in der Rheingrafenhose, die ab der Jahrhundertmitte bis ca. 1680 in ganz Europa getragen wurde. Sie erlaubte dem Mann überladen mit Nesteln, Rüschen, Maschen, Spitzen und Federn zu erscheinen, wobei überflüssig gewordene Gewandteile wie Nesteln Dekorationsfunktionen erhielten. Die letzte gravierende Veränderung in der Männermode erfolgte wenige Jahre darauf. Ab den 1670er Jahren wurde alternativ zur Rheingrafenhose mit kurzem und engem Wams der Justaucorps modern, der mit einer weiten Pumphose kombiniert wurde. Der Justaucorps, ein eng anliegender, knielanger Ärmelrock, ist für Ludwig XIV. bereits 1666/67 auf einem Gemälde von Henri Testelin anlässlich der Gründung der Akademie der Wissenschaften belegt und sollte für weit über 100 Jahre lang die Männermode dominieren. Auf Anregung von Kriegsminister François-Michel Le Tellier Marquis de Louvois wurden erstmals Uniformen für Soldaten entworfen, wodurch der oben eng anliegende nach unten hin glockig geschnittene Ärmelrock entstand, dessen breite Manschetten mit kostbaren Bändern besetzt wurden und der über eine Knopfreihe praktisch verschließbar war. Der Justaucorps verdeckte das Wams und den größten Teil der Hosen (culottes), die immer weniger voluminös gestaltet waren, sodass vom 6
Vgl. KOCH-MERTENS: Mensch und seine Kleider 2000, S. 241–246. Olivier ZELLER: L'environnement du textile lyonnais (XVIe–XVIIIe siècles). In: Jacques Bottin/Nicole Pellegrin (Hg.): Échanges et cultures textiles dans l'Europe pré-industrielle. Villeneuved'Ascq 1996, S. 379–395. Didier TERRIER: Les deux âges de la proto-industrie. Les tisserands du Cambrésis et du Saint-Quantinois, 1730–1880. Paris 1996, S. 21–24.
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5 Kleider machen Leute
Hemd nur noch die spitzenbesetzten Hemdsärmel sichtbar waren und der Kragen losgelöst vom Hemd zu einem spitzenbesetzten Halstuch, der cravate, mutierte, der zwischen den herabhängenden Haarteilen der Allongeperücke seinen Platz fand (vgl. Abb. 7).7 Der Justaucorps wurde wie alle Moden Ludwigs XIV. schnell vom französischen Hof aufgenommen und auch in Wien rezipiert. Alexandre Bergeret, der Korrespondent von Ferdinand Bonaventura von Harrach, beschrieb 1671 die Kleiderkäufe des Grafen von Windischgrätz in Paris: ein Campagnekleid von grau-weißem Droguet d'Espagne, einen Justaucorps besetzt mit tiefroten und vergoldeten Knöpfen, den schönsten und modischsten von Paris, mit verschiedensten Bändern (durchlässig, gemustert oder einfärbig silbern), die Weste aus weißem Satin mit Blumen, Strümpfe und Schuhe, ein mit roten und goldenen Knöpfen verziertes Wehrgehänge aus gefärbtem Bisamleder, alles mit Spitze besetzt und gefüttert mit weißem Taft, der einen besonderen Effekt hervorruft; außerdem ließ sich Windischgrätz einen spitzenbesetzten Justaucorps anfertigen mit einer bestickten und parfümierten Lederweste, wie es auch der König nun trage. Daher wolle Bergeret für Harrach einen eben solchen aus goldener und silberner Spitze anfertigen lassen.8 Harrach importierte über einen längeren Zeitraum (ca. 1670– 1700) immer wieder Kleider, Stoffe, Spitzen, Zubehör wie Galonen oder Knöpfe und Ähnliches auch in größeren Mengen über Alexandre Bergeret.9 Der französische Justaucorps mit Weste und Hosen avancierte an der Wende zum 18. Jahrhundert zur bestimmenden Konvention in der Männerbekleidung in Wien. Eine Aufstellung der Garderobe für Graf Sigmund Khevenhüller (niederösterreichischer Statthalter) aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts dokumentiert das Vorherrschen des Justaucorps mit aufwendigen Applikationen: „1. ein drap d'argenenes Kleid sambt Veste, mit silbern Krepinen. M: der Rockh mit Praunen, vnd Veste mit weissen daffet gefiedert, ohne hossen. 2. Ein graues Kleid, von perpetuel mit silbern Borten verbramt, sambt einer Roth diechenen Veste, mit silbenen borten, eingefast, vnd silber aufgenäht. M der rokh mit rothen Barcan die veste, aber sehr schlecht ohne Hossen. 3. ein Roth diechenener Rokh mit gold aufgened, mit Rothen daffet gefiedert samt drap d'orenes Veste mit goldenen franzen, ohne hossen. [...] 5. Ein ganz braun diechenes mit gleicher seiden aufgenedtes kleid sambt Veste vnd 2 par hossen M: der Rockh vnd Veste mit Rothen Creson gefiederet. [...] 7. Ein drap d'argenes Camisol mit weissen daffet gefiedert.“10
Drap d'or und drap d'argent, Taft zur Fütterung, Perpetuel,11 Barcan, ein Mischgewebe aus Wolle und Kamelhaar,12 und Krepp fungierten als Grundstoffe, auf
7
Vgl. BÖNSCH: Formengeschichte 2001, S. 153–166. KOCH-MERTENS: Mensch und seine Kleider 2000, S. 265–280. 8 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 9. Jän. 1671. 9 Vgl. dazu Kap. 7 und 8. 10 ÖStA, HHStA, Khevenhüller, Kammer am Attersee, Fasz. 7, IV: Schulden, Zahlungen und Abrechnungen des Grafen Sigmund Khevenhüller, f. 20r/v, unsigniert, undatiert. 11 Perpetuel, Perpétuan: ein strapazierfähiger gemusterter Wollstoff, der vor allem in der Normandie und dem Languedoc hergestellt wurde, vgl. KRÜNITZ: Enzyklopädie 1773–1853. Bd. 108, 685–1024, vgl. http://www.kruenitz1.uni-trier.de/ [Stand 15.01.2010].
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den Besatzstoffe wie goldene und silberne Borten, Fransen, Krepine und Seide aufgenäht wurden. Von Importen französischer Kleider ist in der Familie Khevenhüller nichts bekannt, weshalb angenommen werden kann, dass der Großteil der Kleidungsstücke in Wien bzw. von hiesigen Schneidern hergestellt wurde, was den eigentlichen Vorgang des Kulturtransfers beweist. Die Zuordnung der Männerkleidung als französisch wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zunehmend unterlassen, in besagter Aufstellung für Sigmund Khevenhüller fehlt sie gänzlich, in einer zweiten Aufstellung seiner Equipage wird die Zuweisung nur inkonsequent durchgeführt. Die Aufzählung der Garderobe nennt verschiedene Kleider aus façonniertem (gemustertem) drap d'argent, Perpetuel und façonniertem Tuch mit Spitzen und silbernen und goldenen Knöpfen versehen, erst beim vierten Kleidungsstück wird der Zusatz „Reiß Kleidt. 4.tes Kleidt de france, mit dergl. Knöpfen Neü.“13 beigefügt. Dies zeigt die Übernahme der französischen Männermode, die zusehends unreflektiert Verwendung fand. Ähnliche Entwicklungen wie in der Herrenmode sind auch in der Frauenbekleidung zu verzeichnen. Nach der Befreiung der Frau aus dem spanischen Reifrock betrafen die Modeneuheiten nicht so sehr den Rock, dessen Form sich bis 1740 abgesehen von der Länge der Schleppe und von verschiedenen Raffungen des Oberrockes, des manteau, auf der Rückseite wenig veränderte, sondern die Gestaltung des Mieders und des Kopfputzes. Das Mieder wurde wieder enger geschnürt, mit dem Blankscheit aus Fischbein, Holz oder Eisen gestärkt und verlängerte die Taille nach unten spitz zulaufend. Durch den Wegfall des Spitzenkragens ab der Mitte des 17. Jahrhunderts entwickelten sich verschiedene DekolletéFormen, die den oberen Teil der Brust und sogar die Schultern sehen ließen. Dazu kam noch die Entblößung der Unterarme, was ein absolutes Novum in der Mode darstellte und starke erotische Signale sendete. Die engen spanischen Ärmel wurden nun am Oberarm barock drapiert und gebauscht, ähnlich wie beim Justaucorps blieb vom Hemd der Dame nur der Spitzenbesatz am Ärmelsaum sichtbar (vgl. Abb. 7). Die Haartracht der Frauen entwickelte besonders in der zweiten Hälfte des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts ausladend-voluminöse Formen: Aus dem strengen spanischen Haarknoten wurden zuerst nur einige Lockensträhnen und Ponyfransen gelöst, dann wurden beidseitige Lockenanhäufungen, die Hurluberlu-Frisur modern, und schließlich kam die Fontange, die ausgehend von einer Haube mithilfe eines Gerüsts aus Stoff, Metallstäben und Bändern die Frisur extrem erhöhte.14 Spätestens ab den 1670er Jahren ist die französische Frauenmode in Wien am Hof nachweisbar. Dieser Trend zeichnete sich bereits für die Männermode ab, 12 Barcan, Bercan, Baracan: Stoff aus Kamel- oder Ziegenhaaren und Wolle, eine Art des Camelot zumeist aus Valenciennes (F), Brüssel, Abbeville (F), Amiens (F) und Rouen (F), vgl. KRÜNITZ: Enzyklopädie 1773–1853. Bd. 4, 1–655, vgl. http://www.kruenitz1.unitrier.de/ [Stand 15.01.2010]. 13 ÖStA, HHStA, Khevenhüller, Kammer am Attersee, Fasz. 7, IV: Schulden, Zahlungen und Abrechnungen des Grafen Sigmund Khevenhüller, f. 21r/v, unsigniert, undatiert. 14 Vgl. BÖNSCH: Formengeschichte 2001, S. 168–175. KOCH-MERTENS: Mensch und seine Kleider 2000, S. 282–288.
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sodass die 1670er Jahre in Wien als der Beginn einer breiteren französischen Moderezeption verstanden werden können. Für diese Trendwende könnte Kaiserin Claudia Felicitas verantwortlich gezeichnet haben, die zweite Frau Leopolds I. In einem ihrer posthum angefertigten Schrankinventare finden sich Kleiderimporte aus Paris: ein Kleid von „strauchfarbenem“ französischem Atlas mit drei mittelmäßigen silbernen und zwei schwarzen Spitzen besetzt; ein besonders wertvoller Manteau aus Paris von reichem silbernem, goldenem, violettem und nacrefarbenem15 Brokat mit isabellfarbener (beiger) Fütterung und mit goldener und silberner Spitze besetzt; zusammen mit diesem Manteau kamen noch weitere Kleidungsstücke aus Paris: eine grüne Sottane (Unterrock) gold- und silberbestickt und mit farbiger Spitze verbrämt und 1 ½ Ellen Zeug, dazu Bänder und Spitze; weiters weiße Leinwand mit französischen Spitzen, ein französisches Stürzel16 von allerhand farbigem Futter und sechs Paar französische Handschuhe.17 Der monetäre Gegenwert französischer Kleiderlieferungen betrug laut Abrechnung für Kaiserin Claudia Felicitas 1.618 fl. 48 kr., eine ansehnliche Summe.18 Besonders typisch für die französische Frauenmode ist die Manteau-JupeKombination. Sie bestand aus einem Überrock, der sich vorne in der Mitte teilte und hinten gerafft und aufgebauscht wurde, einem hervortretenden reich verzierten Unterrock und zahlreichen Band- und Spitzenbesätzen vor allem in Gold, Silber und Schwarz. Die französischen Besatzstoffe und Spitzen ersetzten die bis dahin venezianische Spitze. Den wirtschaftlichen Sieg über die ausländische Konkurrenz schaffte Colbert in den 1660er Jahren. Zur selben Zeit kam Johanna Theresia von Harrach aus Spanien zurück und berichtete, dass sie sich ihr „spänisch kleidt richten lasen auff franzesisch das [sie] auff laxenburg komen kan vnd [sich] ein däffetel zu ein vnderockh gespendirt“19 habe. Die Gräfin Harrach muss nach ihrer Ankunft sehr rasch bemerkt haben, dass sie für einen Hofbesuch in Laxenburg nun französische Kleider benötigte und ließ sich eines ihrer spanischen Kleider umarbeiten, auch hier eine klassische Manteau-Jupe-Kombination aus Taft. An anderer Stelle bemerkte sie: „zu den feine farben rockh mues ich golt vnd silberne spiz kauffen, das ich wos anzulegen hab wan die keiserin kombt.“20 Die Verwendung der französischen Mode am Hof war offenbar in besonderem Maße an die Kaiserinnen gebunden, in diesem Fall bereits Eleonore Magdalena von der Pfalz, auch wenn die barocke Mode aus Frankreich dieser zutiefst gläubigen und
15 „Nackherfarb“ von franz. nacre, bedeutet permuttfarben, vgl. KRÜNITZ: Enzyklopädie 1773– 1853. Bd. 100, 1–312, vgl. http://www.kruenitz1.uni-trier.de/ [Stand 15.01.2010]. 16 „Stürzel“ von Sturz als Bezeichnung für die Kopfbedeckung der Frauen, meist eine Haube oder ein Flor, vgl. KRÜNITZ: Enzyklopädie 1773–1853, Bd. 177, 382–762, vgl. http://www.kruenitz1.uni-trier.de/ [Stand 15.01.2010]. 17 ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 3, 1676–78, Unsere Majestät Claudia Felicitas betreffend, f. 54r, 56v–57r, 58v, 59v und 66v. 18 ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 2, 1669–1675, 136v. 19 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel Johanna Theresia, vom 30. April 1677. 20 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel Johanna Theresia, vom 5. Dez. 1676.
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meist in schwarz gekleideten Frau wahrscheinlich nicht viel bedeutete.21 Die Belege für Kaufanweisungen der Gräfin Harrach an ihren Mann für Lyon sind zahlreich, meist betreffen sie Bänder und Spitzen aller Art, besonders schwarze, goldene und silberne Spitze, immer wieder Kleiderstoffe sowie Halstücher für die Livrée und Perücken, die in Wien besonders teuer waren.22 Neben dem Import französischer Kleider bestand auch die Möglichkeit, sich Kleider nach französischer Art und teilweise aus französischen Stoffen in Wien anfertigen zu lassen. Johanna Theresia beteuerte 1676, sie hätte einen Schneider namens Ambrosi Fux gefunden, der die Kleider auch zu ihrer Zufriedenheit herstellte.23 Tatsächlich finden sich in den Rechnungen des Schneiders für die Jahre 1678/79 zahlreiche als französisch benannte Kleider für die Töchter der Harrachs: Als Grundstoff dafür verwendete Fux schwarzen geblümten Samt, schwarzen Brokat, gefärbten Brokat, doppelten Parat (meist schwarzer Stoff aus Wolle und Seide) und grünes Zeug. Dies zeigt zwar nach spanischem Usus nach wie vor großteils Schwarz als Grundfarbe für die Frauenbekleidung, charakteristisch für die französische Mode waren allerdings die Applikationen und Einfassungen, die Fux den Kinderkleidern zukommen ließ. Darunter finden sich typischerweise immer wieder Galonen24 zum Einfassen des Ausschnitts, silberne und goldene Spitzen, Seide, Taftbänder für den Rockbesatz, französischer Taft für das Futter des Leibstücks und der Ärmel und weiters insgesamt 40 Dutzend Knöpfe, zwei Dutzend Kamisol Knöpfe für Westen und Mieder, außerdem Barchent und Leinwand zum Füttern der Ärmel und der Leibstücke, Genferband und Fischbein.25 Die französischen Moden wurden in Wien breit rezipiert, worauf auch die Schneider zu reagieren hatten, wobei sich sehr wahrscheinlich immer wieder Mischformen ergaben. Die Kleiderbestellungen der Harrachs zeigen eine Vorliebe für Schwarz. Dies steht sicher im Zusammenhang mit dem politischen Tätigkeitsbereich der Familie Harrach, nämlich der spanischen Gesandtschaft, und der spanischen Hoftracht in Wien, die aber nun nach französischem Vorbild mit Spitzen und Borten verfeinert und im Schnitt abgeändert wurde (Dekolleté). Diese Mischformen aus spanischer und französischer Mode ergaben gerade in der Übergangszeit neue modische Erscheinungsformen und im Sinne von Kulturtransfer eine produktive Umdeutung. Die Verbreitung der Modeneuheiten verlief nicht nur über persönliche Beziehungen, Briefverkehr und eigene Reiseerfahrungen, sondern auch verstärkt über mediale Mittel. Monats- und Wochenschriften wie der Mercure Galant und die 21 Vgl. Hildegard LEITGEB: Kaiserin Eleonore Magdalena Theresia. In: Karl Gutkas (Hg.): Prinz Eugen und das barocke Österreich. Marchfeldschlösser, Schlosshof und Niederweiden. Wien 1986, S. 43–44. 22 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel Johanna Theresia, vom 19. Dez. 1676. 23 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel Johanna Theresia, vom 19. Dez. 1676. 24 Galonen: Gewebe von Gold, Silber, Seide oder Wolle, meist in Form von Borten zum Einfassen von Kleidungsstücken, Ornaten und Möbeln, vgl. KRÜNITZ: Enzyklopädie 1773–1853, Bd. 15, 519–1035, vgl. http://www.kruenitz1.uni-trier.de/ [Stand 15.01.2010]. 25 ÖStA, AVA, Harrach 2556, Wien Rechnungen 1678 unfoliert und Wien Rechnungen 1678/1679 unfoliert.
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Gazette, die Harrach sich ab 1678 nach Wien schicken ließ,26 enthielten neben politischen Angelegenheiten auch stilbildende Informationen über Moden. Ludwig XIV. verwendete die Mode nicht nur als Mittel zur Beherrschung der innenpolitischen Situation und zur Gestaltung des Hoflebens, sondern auch als Instrument der Außenpolitik und zur Demonstration der französischen Überlegenheit in Repräsentation und Textilwirtschaft. Daher sandte Frankreich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in regelmäßigen Abständen Modepuppen, sogenannte fameuses poupées, bekleidet mit den neuesten Modeerscheinungen aus Paris und Versailles, an alle großen europäischen Höfe, so auch nach Wien und London.27 Modepuppen kursierten ab dem 14. Jahrhundert zwischen Frankreich, Italien und England. Erst im 17. Jahrhundert entwickelte sich jedoch ihre Gestaltung in den Pariser Salons zu einem gesellschaftlichen Ereignis und erst unter Ludwig XIV. erhielt sie kulturpolitische Bedeutung. Die Puppen wurden anfangs viermal jährlich im Hôtel Rambouillet nach der neuesten Mode eingekleidet, wo die Marquise de Rambouillet einen der ersten Pariser Salons mit gesellschaftlichen Ereignissen, geistreicher Konversation und philosophischen Debatten unterhielt. 1669 brachte Ferdinand Bonaventura von Harrach solche Modepuppen erstmals persönlich nach Wien.28 Später übernahmen die Versailler Hofdamen die Einkleidung der Puppen und schließlich die Modehändlerinnen der Rue Saint-Honoré, die diese nun monatlich versandten. Modepuppen gelangten auch in Zeiten des Krieges eskortiert durch Europa zu ihren Empfängern. Dies zeigt ihren wirtschaftlichen Stellenwert und den der Modeindustrie für Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert.29 Daneben kursierten besonders in Frankreich im 18. Jahrhundert lose Kupferstiche mit Modedrucken als Verbreitungsmedium. Sie erklärten die Damen- und Herrenmoden teilweise mithilfe detaillierter Beschriftungen und hatten regen Anteil an der Verbreitung von Modeneuheiten und -mustern. Darüber hinaus gab es ab dem 16. Jahrhundert auf dem Buchmarkt die recueils de costumes, Publikationen über Mode, die im ausgehenden 17. Jahrhundert in Frankreich unterstützt durch Einzeldrucke von Kupferstechern wie Jean Berain, Sébastien Leclerc und Jean Le Pautre zahlenmäßig extrem anstiegen.30 Ein besonders eindrückliches Beispiel dafür sind die Kupferstiche von Jean Le Pautre (1618–1682), die JeanPierre Mariette in den 1720er Jahren für Prinz Eugen ankaufte und katalogisierte (vgl. Abb. 7). Le Pautre stach typische Damen- und Herrenmode aus den 1670er/1680er Jahren nach Jahreszeiten aufgeteilt, die bereits 1678 im L'Extraordinaire Mercure galant erschienen und kommentiert wurden:31 26 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 12. Sept. 1678. 27 Vgl. Philip MANSEL: Dressed to Rule. Royal and Court Costume from Louis XIV. to Elizabeth II. New Haven/ London 2005, S. 8–9. 28 Vgl. Kap. 2.2. 29 Vgl. Annemarie KLEINERT: Die frühen Modejournale in Frankreich. Studien zur Literatur der Mode von den Anfängen bis 1848. Berlin 1980, S. 21–23. 30 Vgl. Daniel ROCHE: The culture of clothing. Dress and fashion in the Ancien Regime. Cambridge 2004, S. 11–14. 31 Vgl. CROWSTON: Women 2001, S. 37–39.
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Die Herren erscheinen alle in einem typischen mehr oder weniger reich mit Bändern, Galonen und Knöpfen besetzten Justaucorps aus Satin, bestickter Seide und drap de Hollande in Grau, Nussbraun und couleur de prince32 und einer seidenen in Gold und Silber reich bestickten oder gewirkten Schärpe. Dazu werden bestickte Halstücher, mit Spitzen besetzte Hemden, bestickte Handschuhe, Fransen und bestickte Wehrgehänge kombiniert. Die Dentelle au point war eine französische Spitze vor allem aus Alençon, Argentan, Paris und Valenciennes.33 Als wesentliches Charakteristikum der französischen Herrenmode sind auch die Castor-Hüte zu erwähnen, bei Le Pautre einmal als kurzhaariger schwarzer, das andere Mal als grau-weißer Hut beschrieben (vgl. Abb. 7 die beiden Hüte des habit d'Hyuer). Castor, zu deutsch Biber, wurde ab dem 16. Jahrhundert sporadisch und gegen Ende des Jahrhunderts vermehrt von französischen Pelzhändlern, die in Nordamerika mit den Algonkins Handel trieben, nach Paris gebracht, wo er von Heinrich III. (1551–1589) hoffähig gemacht wurde. Während Biberpelze unter der autochthonen Bevölkerung als Schmuck oder Bekleidung wenig Prestige besaß, entwickelte sich der Biberhut in Paris in Form von castor gras und castor sec zur bestimmenden Mode für das gesamte 17. Jahrhundert, wobei der castor gras für seinen besonders weichen Flaum bekannt war, da er, bevor er nach Frankreich kam, von nordamerikanischen Trappern solange abgetragen worden war, bis das steife Außenhaar abfiel und das dichte Unterhaar übrig blieb. Der castor sec hingegen wurde in getrocknetem Zustand nach Europa gebracht. Castorhüte bestanden nicht immer zur Gänze aus Biberfell, bei den demi-castors wurde das Biberfell nur beigemischt.34
32 Mit Couleur de Prince, zu Dt. Königsfarbe, ist goldgelb gemeint, vgl. KRÜNITZ: Enzyklopädie. 1773–1853, Bd. 117, 1–294, vgl. http://www.kruenitz1.uni-trier.de/ [Stand 15.01.2010]. 33 Vgl. KRÜNITZ: Enzyklopädie 1773–1853, Bd. 159, 373–743, vgl. http://www.kruenitz1.unitrier.de/ [Stand 15.01.2010]. 34 Vgl. TURGEON: Échange d'objets. In: Turgeon/Delage/Ouellet (Hg.): Transferts 1996, S. 161– 168. Sowie: Michael SONENSCHER: The hatters of eighteenth-century France. Berkeley/Los Angeles/London 1987, S. 36–38.
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Abbildung 7: Modestiche von Jean Le Pautre, angekauft von Prinz Eugen. Œuvres de Jean Le Pautre. Tome sixième. Albertina, Wien, HB 150.6, p. 52.
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Alle Damenkleider auf Le Pautres Kupferstichen zeigen eine typische ManteauJupe-Kombination: Der Überrock aus changierendem Taft, Gaze, schwarzem Samt oder rotem Brokat mit goldenen Blumen wird auf der Rückseite gerafft und bildet eine Schleppe, sodass der Unterrock fast zur Gänze sichtbar wird. Dieser wiederum ist aus Taft, weißem Satin, feuerrotem Plüsch oder anderen farbigen Grundstoffen und wird ergänzt durch große und kleine Seidenspitzen in Gold und Silber oder seidene Klöppelspitzen. Die Manschetten sind aus ähnlichen Materialien meist doppelt oder dreifach ausgeführt. Dazu werden exquisite mit Steinen besetzte Haken (Agraphen), Gürtel aus Goldgewebe, Handschuhe mit geklöppelter Seidenspitze35 und ein Hermelinmuff getragen. Auch bei den Kopfbedeckungen dominieren leichte luxuriöse Stoffe wie Seidenspitze, Rohseide oder bestickte Gaze. Neben der bloßen Kopie französischer Mode in Wien und dem exklusiven Import von Fertigwaren (vgl. Familie Harrach) dienen im Wesentlichen zwei Parameter als Beweis für den gelungenen Kulturtransfer im engeren Sinn. Dies ist zum einen die Präsenz von französischen Handwerkern aus dem Bereich der Bekleidungs- und Textilindustrie in Wien und zum anderen die Einfuhr französischer Textilwaren großteils über savoyische Wanderhändler. Beides wird in der Folge näher erläutert, wobei mit dem Handel begonnen wird, da er nicht nur chronologisch früher einsetzte, sondern auch den Transfer der Textilien als Grundlage für die Bekleidungshandwerke nach Wien bewerkstelligte. Die Einfuhr französischer Textil- und Luxusprodukte nach Wien wird in der Literatur stets zitiert, aber selten detailliert behandelt. Ausgangspunkt für ihre Präsenz in Wien sind meist Kleiderordnungen, Luxusverbote oder Einfuhraufschläge und -verbote. Für das 17. und beginnende 18. Jahrhundert sind in diesem Zusammenhang drei Patente für Wien zu berücksichtigen. Am 31. März 1644 erließ Ferdinand III. ein Patent für Wien, in welchem er auf den Import von ausländischen Waren einen zusätzlichen Aufschlag von drei Kreuzern pro Gulden (= 5%) einheben ließ, wobei er sich auf eine Vorlage aus dem Jahr 1642 berief. Der Verwendungszweck ist im Patent klar angegeben, das Geld sollte die niederösterreichischen Landstände in der Erbringung der Kontributionszahlungen für den Kaiser finanziell unterstützen, was einen eindeutigen Bezug zur Kriegsfinanzierung herstellt. Französische Waren wurden explizit nicht erwähnt, Teile der Waren, die genauestens angegeben wurden, gehörten aber eben zu den klassischen französischen Importwaren: „allerhand Seidenen Wahren in genere: Item Faden Gold vnd Silber: Als Porten, Gallonen, Spitzen, Schlingen vnd dergleichen, allerhand Gestickwerck, edlen Futter, weissen Spitzen,
35 Zu den Begriffen französischer Spitzen: die points de France ist eine weiße Zwirnspitze aus der Normandie, daneben gab es die blondes, eine geklöppelte Spitze aus roher Seide mit einem netzartigen Grund, das reseau genannt wurde, daher dürfte réseau d'Angleterre eine seidene Klöppelspitze sein; schließlich gab es noch die points d'Espagne, eine aus Chenille oder Schmelzfäden hergestellte seidene Spitze; vgl. KRÜNITZ: Enzyklopädie 1773–1853, Bd. 5, 429–856 und Bd. 114, 1–266, vgl. http://www.kruenitz1.uni-trier.de/ [Stand 15.01.2010].
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5 Kleider machen Leute [...] Schlayr, […] Straussenfedern [...]. Item allerley Sorten von Tüchern, dern die Elen uber Vier Gulden verkaufft wird [...]“36
Von dem Ziel, die französischen Importe ernsthaft einzuschränken, kann 1644 noch nicht die Rede sein. Dies änderte sich mit Leopold I., der am 22. September 1674 für Wien ein Einfuhrverbot französische Waren betreffend erließ, das er 1676 auf das ganze Römische Reich auszudehnen versuchte.37 Auch 1674 dürfte der politische Hintergrund im seit 1672 entbrannten Holländischen Krieg gegen Frankreich gelegen haben, dennoch stehen in der Argumentation nun der Geldfluss ins Ausland und der für die Untertanen schädliche Luxuskonsum im Vordergrund. Dabei erscheinen Brokat, Zeuge und Bänder als Haupteinfuhrartikel, denn diese durften zumindest weiterhin aus Italien, Holland und der Schweiz importiert werden,38 was die Unmöglichkeit des völligen Verzichts dieser Produkte zeigt. 1702 veröffentlichte Leopold anlässlich der Kriegsdeklaration gegen Frankreich im Spanischen Erbfolgekrieg wiederum ein Patent „wider die Cron Franckreich“, das den Warenhandel, schriftliche Korrespondenz und den Austausch von Wechselbriefen oder Schuldscheinen verbot. Die Argumentation verlief eindeutig über die zu vermeidende wirtschaftliche Unterstützung des verfeindeten Landes.39 Auch dieses politisch motivierte Einfuhrverbot kann als Wirtschaftsregulativ nicht ernst genommen werden, womöglich förderte es nur alternative Kaufmethoden und Schmuggel. Dem Konsum von französischen Luxusgütern war prinzipiell auch nicht über Kleiderordnungen beizukommen, da die Einhaltung von Kleiderordnungen im Allgemeinen anzuzweifeln ist40 und die Verbindlichkeit der Kleiderordnungen für den hohen und Hofadel an der Wende zum 18. Jahrhundert aufzuweichen begann. Während der Hofadel durch das Zeremoniell bei bestimmten Anlässen einer starken Reglementierung der Kleidung unterlag, herrschten bei zahlreichen geselligen Anlässen wie Bällen, Festen, Jagden oder Theaterbesuchen etc. keine Vorgaben für die adelige Kleidung. Dadurch ergab sich ein breiter Freiraum zur persönlichen modischen Profilierung, die sich verstärkt an einer sich rasch verändernden Hofmode (Distinktion durch modischen Wechsel und Wandel) orientierte als an einem gesellschaftlichen Code von bestimmten Stoff- oder Schmucknormen (Kleiderordnungen).41 Der Schmuggel von französischen Textilien war ein nicht unwesentlicher Faktor, der möglicherweise aufgrund fehlender Daten nach wie vor unterschätzt wird. Zu Beginn der 1680er Jahre brachten die gesamten hofbefreiten Handelsleute eine Petition beim Obersthofmeister ein, in der sie angaben, dass ausländische Kaufleute und Frauen allerhand verbotene Waren, vor allem Seide und Schmuck, 36 37 38 39 40
WStLA, Patente 408/1644. Vgl. ZEDLER: Universallexicon 1731–1754, Bd. 52, S. 43–45. WStLA, Patente 659/1674. WStLA, Patente 913/1702. Luxuspatent Leopolds I. 1671: Tragen von Schmuck, Hüten und Perücken wurde dem Adel verboten bzw. beschränkt, vgl. Gertraud HAMPL-KALLBRUNNER: Beiträge zur Geschichte der Kleiderordnungen mit besonderer Berücksichtigung Österreichs. Wien 1962, S. 51–54. 41 Vgl. Martin DINGES: Der „feine Unterschied“. Die soziale Funktion der Kleidung in der höfischen Gesellschaft. In: ZHF 19 (1992), S. 62–65.
5.1 Moderezeption und Modekonsum
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in Wien vertrieben und auch keine Maut bezahlen würden, wodurch deren Waren billiger als die der hofbefreiten Händler wären.42 Für 1681 ist ebenfalls ein Beschwerdefall dokumentiert, wonach ein für das Kaiserhaus und den Obersthofmeister arbeitender Handelsmann für Galanterien durch Schleichhandel auch französische Waren nach Wien gebracht hätte. Obwohl der Ausgang des Falls unklar bleibt, ist davon auszugehen, dass der Handelsmann mit einer Verwarnung davon gekommen sein dürfte, denn die Eingabe empfahl, von einer Verurteilung abzusehen, sofern eine Maut von 124 fl. 31 kr. gezahlt werde, was auf einen relativ hohen Warenwert schließen lässt.43 Nicht zuletzt musste sich diesbezüglich auch Johanna Theresia von Harrach Beschwerden über den französischen Korrespondenten ihres Mannes, Alexandre Bergeret, anhören. Als Bergeret nämlich im Herbst 1676 mit einer von Ferdinand Bonaventura bestellten Warenladung nach Wien reiste, um diese sicher zu übergeben, führte er auch Kleider (fünf bestickte Justaucorps und Westen), mehrere Garnituren Bänder, Überwürfe, die reich bestickt und gefüttert waren, und chaperons, also Fontangehauben, auf seine eigene Rechnung mit, die er in Wien weiterverkaufte.44 Johanna Theresia selbst deckte sich bei ihm mit Seidentaft und Bändern auf Vorrat ein. Dabei dürfte Bergeret gute Gewinne erzielt haben, da er eine Elle Band, das in Lyon 10 Sous (= 15 kr.) kostete, in Wien für einen halben Taler (= 45 kr.) weiterverkaufte, was aber laut Gräfin von Harrach in Wien noch als preiswert galt. Kurze Zeit später jedoch wurde sie mit Beschwerden durch den Kanzleisekretär konfrontiert, dass in ihrem Namen Contrebande-Waren verkauft würden.45 Bei einer Aufschlagspanne von 200% und einem Gewinn von nicht ganz 30 kr. pro Elle abzüglich der Selbstkosten, ist es allerdings einleuchtend, dass Schmuggel überaus einträglich war, und man muss davon ausgehen, dass sich vor allem der Adel über solche oder ähnliche Netzwerke mit Luxustextilien aus Frankreich eindeckte. Daneben kamen französische Textilien auch auf legalen Handelswegen nach Wien. Obwohl Wien in der Frühen Neuzeit weder als Handels- noch als Finanzplatz mit den führenden Messeorten Europas wie der Champagne, Lyon, Frankfurt am Main oder Paris verglichen werden kann, bildete es dennoch einen Knotenpunkt für den Venedighandel von Italien nach Norden und Osten, respektive nach Böhmen, Ungarn und Siebenbürgen. Über die Donau war es an den Handel der süddeutschen Städte Augsburg, Ulm und Nürnberg angebunden. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts und verstärkt nach dem 30-jährigen Krieg nahm der Venedighandel der Wiener stetig ab und durch die Aufhebung des Gästehandelsverbots, das den direkten Handel zwischen stadtfremden Kaufleuten außerhalb der Jahrmärkte verbot, dominierten bereits ab Maximilian II. (1527–1576) oberdeutsche Händler den Wiener Markt. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts bekamen sie von oberitalienischen Kaufleuten Konkurrenz, die Wien mit Seidenwaren und
42 43 44 45
ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 5, f. 709r–712r. ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 5, f. 283r/v. ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 20. Sept. 1676. ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel Johanna Theresia, vom 2. und 28. Dez. 1676.
154
5 Kleider machen Leute
italienischem Tuch versorgten, und zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Oberhand gewannen. Der Großhandel und der Finanzmarkt, den die sogenannten Niederlagsverwandten oder Niederleger inne hatten, lag somit zu einem bedeutenden Anteil in der Hand von ausländischen Kaufleuten,46 zumeist italienischen, zu denen sich im 17. Jahrhundert auch vereinzelt Franzosen gesellten, so ist ab 1666 Anton Cointerell aus Paris als Handelsmann und spätestens ab 1676 als Niederleger in Wien belegt.47 Trotz des Stapelrechts, das den Wiener Händlern den Detailhandel sichern sollte, war der Bedarf Wiens an Textilien nur ungenügend gedeckt, sodass man besonders bei Qualitätswaren und Luxusprodukten wiederum auf ausländische Händler angewiesen war, die sich ähnlich wie im Handwerk über Hofbefreiungen in Wien niederließen. Dieses Manko in der Versorgung der Stadt vermochten auch die privilegierten Hauptjahrmärkte Wiens nicht auszugleichen, die kaufkräftigsten Kunden wie der hohe Adel gehörten kaum zum Kundenstock der Jahrmärkte.48 Händler stellten die meist vertretene Berufsgruppe (16%) unter den französischsprachigen ImmigrantInnen in Wien im 17. und 18. Jahrhundert. Der Großteil davon (16 Personen von 22) arbeitete im 17. Jahrhundert als hofbefreite Handelsleute, erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts finden sich auch unter den bürgerlichen Händlern Französischsprachige. Von 22 beobachtbaren Handelsleuten kamen sicher elf und zwei wahrscheinlich aus Savoyen, die diese Gruppe daher dominierten. Die Betrachtung der gehandelten Waren aller französischsprachiger Händler ergab einen eindeutigen Fokus auf textile Waren, die teilweise explizit als französische Waren angegeben wurden. Darunter fielen vor allem sogenannte Kurzwaren, aber auch Stoffe wie Seide und Samt sowie silbergewirkte Bänder und Spitzen, eben genau jene Waren, die der Grundausstattung französischer Kleidung dienten. Die folgende Tabelle 1 zeigt eine Aufstellung aller dokumentierten Händler, ihrer Berufsbezeichnung, ihrer Herkunft und ihres Warensortiments.
46 Vgl. Erich LANDSTEINER: Handel und Kaufleute. In: Vocelka/Traninger (Hg.): Wien 2003, S. 185–214. 47 Trauungsmatriken St. Stephan 1666 als Bräutigam erfasst, vgl. http://www.oesta.gv.at/si te/6662/default.aspx [Stand 15.01.2010]. 48 Vgl. Irmtraut HERING: Die privilegierten Wiener Hauptjahrmärkte. Von ihrer Gründung im Jahre 1278 bis zu ihrer Aufhebung im Jahre 1872. Wien: Diss. 1965, S. 14–15, 38.
155
5.1 Moderezeption und Modekonsum Name Zaller Valentin
Zeitraum 1623–1633
Herkunft Savoyen
Carlo Anthoni Dupre Johann
1630–1687 1631–1631
unklar unklar
Chappuis Jacob
1635–1642
Cugnioth Balthasar
1637–1671
Savoyen (?) Marketender, Nestler, Hofhandelsmann Savoyen Hofhandelsmann
Prian Peter
1637–1639
Savoyen (?) Hofhandelsmann
Boneth Hanns Christoph
1642–1642
Savoyen
Hofhandelsmann
Pugniet Franz
1653–1666
Savoyen
Hofhandelsmann
Cugnioth Johann Georg Cointerell Anton
1657–1677
Savoyen
bürg. Handelsmann
1666–1698
Paris
Hofhandelsmann, Niederleger Hofhandelsmann, bürg. Handelsmann
Pugniet Claudius 1672–1681
Savoyen
Prevoist Franz
unklar
1673–1681
Berufsbezeichnung Marketender, Hofhandelsmann Hofhandelsmann Hofhandelsmann
Hofhandelsmann
Waren französische und kurze Waren49 französische Waren50 unterschiedliche französische Waren aus Paris nach Wien51 französische Kurzwaren und Kurzwaren allgemein52 franz., engl., ital. und niederl. Tücher, Seide und Kurzwaren, Gallanterien, Leinwand, weiße Waren und Spitze, allerlei Spezereien, Wachs, Honig, Häute und Leder, Wein53 kurze französische u. ähnliche Waren54 Seide, Samt, Goldstücke, allerlei Tücher und ähnliche Handelswaren55 franz., engl., ital. und niederl. Tücher, allerlei Seide, Kurzware, Zeuge, Gallanterien56 Zeuge (Stoffe) und Wein57 unklar Seide aller Art, gold- und silbergewirkte Bänder, Borten, Farben58, kurze Waren kurze Waren59
49 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 11, Fasz. 11, Konv. 4, f. 545r–546v. 50 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 2, Fasz. 2, Konv. 1, f. 9r–14v. 51 ÖStA, HHStA, RHR, Passbriefe 4, unfoliert. 52 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 9, Konv. 1, f. 82r–90v. 53 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 2, Fasz. 2, Konv. 1, f. 111r–114r. 54 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 8, Konv. 2, f. 353r–357r. 55 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 2, Fasz. 1, Konv. 4, f. 510r–510v. 56 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 8, Konv. 2, f. 402r–403r; Fasz. 11/3, f. 307r–308r. 57 WStLA, Alte Ziviljustiz, A2, Verlassenschaftsabhandlungen, Fasz. 3/24, 1678. 58 ÖStA, HHStA, RHR, Passbriefe 13, unfoliert. 59 ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 5, f. 369v.
156
5 Kleider machen Leute
Name Prian Moritz
Zeitraum 1675–1679
Herkunft Savoyen
Du Buisson C. Le Cler Augustin Le Trouteur Nicola Granger Thomas
1678–1678 1681–1681 1681–1688
unklar unklar unklar
1681–1709
unklar
Douex Johann Ludwig Cleas Antoine Cleas Augustin
1683–1684
Savoyen
1689–1729 1692–1693
Savoyen Savoyen
Cleas Andre 1694–1709 Guissart Lambert 1717–1717
Savoyen unklar
Berufsbezeichnung Waren bürg. Handelsmann Bilder, Bücher und Elfenbeinarbeiten60 Handelsmann Haarpulver und Pomade61 Hofhandelsmann kurze Waren62 Hofhandelsmann kurze Waren63 Handelsmann, hofbefreiter Perückenmacher bürg. Handelsmann bürg. Handelsmann Hofhandelsmann, bürg. Handelsmann bürg. Handelsmann Handelsmann
französische Waren aus Paris64 unklar unklar unklar unklar Spitzen und Hemden65
Tabelle 1: Französischsprachige Händler in Wien, 1630–1730.
Die zeitliche Verteilung der Tabelle zeigt, dass französische Textilwaren ab 1630 in Wien präsent waren, womit die Rezeption der Waren deutlich früher einsetzte als die des französischen Modekonzepts, nämlich mitten im 30-jährigen Krieg, als sich unter Ludwig XIII. die Mode in Frankreich bereits deutlich vom spanischen Vorbild abgekehrt hatte und obwohl die französische Textilindustrie zu dieser Zeit Italien noch nicht überflügelt hatte. Eine besondere Vermittlerposition nahmen die savoyischen Händler in Wien ein, die seit dem 16. Jahrhundert als Wanderhändler deutschsprachige Gebiete mit Kramwaren versorgten und sich im 17. und 18. Jahrhundert vor allem auf die katholischen und habsburgischen Gebiete entlang des Rheins und der Donau konzentrierten und in Wien überdurchschnittlich vertreten waren. Savoyische Wanderhändler in Wien stammten aus dem französischsprachigen Herzogtum Savoyen, zumeist aus den hochgebirgigen Landschaften Faucigny oder Tarantaise, das über die internationalen Handelsrouten über den Mont-Cenis und Chambéry direkt mit Lyon verbunden war. Savoyen galt über den Arbeitsmarkt als Einzugsgebiet für die Textilmetropole Lyon und des Weiteren auch für die Franche-Comté, Paris und Burgund.66 Geschätzte 6,5% der lyonischen Handelspartner von 1625 bis 1650 waren Savoyer, von 1675 bis 1690 stellten sie nach wie vor 2,1% der Lyoner Klientel.67
60 61 62 63 64 65 66 67
HAUPT: Leidenschaft 1998, S. 93, 109, 224, 235, 245, 249, 269. ÖStA, AVA, Harrach 2556, Wien Rechnungen 1678, unfoliert. ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 5, f. 369v. ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 5, f. 369v. ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 24. Okt. 1701. ÖStA, HHStA, Khevenhüller, Kammer am Attersee 11, Teil 1: f. 194r–195v. Vgl. MAISTRE/MAISTRE/HEITZ: Colporteurs 1992, S. 29. Vgl. PELLETIER/ROSSIAUD/BAYARD/CAYEZ: Lyon 2007, S. 498.
5.1 Moderezeption und Modekonsum
157
Abbildung 8: Wanderwege savoyischer Wanderhändler im 17. und 18. Jahrhundert; Karte: Europa Flussnetz, IEG Maps – Kartenserver am Institut für Europäische Geschichte Mainz.
Die Wanderhändler zogen je nach Erfolg und Organisation ihres Unternehmens mit ihrer Krätze, einem hölzernen Behältnis für ihre Waren, oder mit einem Maultierpack über die Schweiz an den Bodensee, von wo aus sie über verschiedene Routen in die Niederlande, nach Norddeutschland und Wien gelangten. Dabei galten die Zurzacher Messen nahe Zürich als Knoten- und Treffpunkt für Savoyer, wo sie großteils auch ihren Einkauf tätigten (vgl. Karte, Abb. 8). Daneben bezogen sie Waren aus Straßburg und Lyon.68 Zahlreiche Wanderhändler ließen sich im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts, nachdem sie vom Kaiser eine Hofbefreiung erlangt hatten, in Wien nieder und bemühten sich um das Stadtrecht, Claudius Pugniet und Augustin Cleas beispielsweise waren sowohl hofbefreite wie auch 68 Vgl. RAYNAUD: Savoyische Einwanderungen 2001, S. 67–68, 86–89.
158
5 Kleider machen Leute
bürgerliche Handelsleute. Leider gibt es nur wenige Angaben über die genauen Warentransaktionen der Wiener Savoyer, über Quellen zur Familie Cugnioth werden sie beispielhaft etwas klarer: Balthasar Cugnioth aus Sallanches erhielt 1637 von Ferdinand III. einen Freibrief auf den Handel mit Textilien aller Art. 1653 ließ er seine beiden Söhne Johann Georg und Johann Christoph in die Hofbefreiung aufnehmen, von denen Johann Georg die Handlung des Vaters übernommen haben dürfte.69 Zusätzlich dürfte er eine Partnerschaft mit Herrn Praun eingegangen sein, der die beiden Rechnungen von 1657 und 1658 für Ferdinand Bonaventura von Harrach gleichwertig mit unterzeichnete. Der Ausstellungsort der Rechnungen war Prag, was entweder für die Reichweite der Cugnioths oder für einen Aufenthalt des kaiserlichen Hofes in Prag spricht. In diesen beiden Rechnungen wird das Warensortiment deutlich, mit dem die Wiener Savoyer handelten: Der erste, geringere Rechnungsbetrag von 1657 über 3 fl. 20 kr. enthielt eine Elle schwarzen Doppeltaft für 1 fl. 45 kr., zwölf Ellen französische Bänder für 54 kr., drei Dutzend Wamsknöpfe für 24 kr., fünf Ellen Galonen und Rundschnür für 12 kr. und ¼ Lot Seide für 5 kr. Ein Jahr später ist noch einmal eine Transaktion von höherem Wert belegt für 363 fl. 42 kr. 2 dl. Während die erste Rechnung insgesamt für Frankreich typische Waren aufwies und extra als französische Bänder ausgewiesene Waren enthielt, war das Sortiment der zweiten Rechnung abwechslungsreicher: Als teuerste Posten scheinen 16 Ellen schwarzer Samt um 108 fl., 15 Ellen schwarzer glatter Genueser Samt um 108 fl. 45 kr., weitere neun Ellen schwarzer Genueser Samt um 51 fl. 45 kr., reicher breiter französischer Tabia, ein mit Gummi Arabicum behandelter Glanzstoff, für 22 fl., 8 ½ Ellen Etamin für 27 fl. 38 kr. und acht Ellen grauer Baracan, ein französischer Stoff aus Kamel- oder Ziegenhaar, für 15 fl. auf. Daneben finden sich Posten im Wert kleiner als 15 fl.: vor allem weißer und silberfarbener Doppeltaft, seidene und silberfarbene Galonen, Schlingen, Näh- und Stopfgarn. Die zweite Rechnung weist als wichtigsten textilen Rohstoff Samt aus Genua auf, der zudem in Schwarz noch den Einfluss der spanischen Mode zu Beginn der Regierungszeit Leopolds I. beweist. Französische Produkte waren aber 1658 bereits relativ stark vertreten: Tabia, Etamin, Baracan, farbiger Taft und Galonen können als typisch französische Textilprodukte ausgemacht werden, ihr Wert belief sich auf 75 fl. 15 kr. 2 dl. (etwa 21% des Rechnungsbetrags).70 Insgesamt ist zu verzeichnen, dass französische Produkte über savoyische Händler nach Wien bzw. Prag kamen und dass darüber hinaus besonders exklusive Besatzstoffe wie Galonen, Glanzstoffe und Tabia dem französischen Modeideal entsprechend in kleinen Mengen schon relativ früh in Wien verkauft wurden. Dies lässt wiederum auf modische Mischformen zwischen spanischer und französischer Mode in Wien im Sinne einer produktiven Umdeutung durch Wiener Schneider schließen. Eine wesentlich größere Quellenfunde umfassende Studie über den savoyischen Händler Maurice Montfort, der von 1724 bis 1740 in Riegel am Kaisers69 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 2, Fasz. 2, Konv. 1, f. 111r–114r. 70 ÖStA, AVA, Harrach 2693, Umschlag Reise 1658/59, unfoliert.
159
5.1 Moderezeption und Modekonsum
tuhl (Oberrhein) eine Handlung betrieb, förderte ein ähnliches Warensortiment zu Tage (vgl. Abb. 9). Montfort vertrieb die verschiedensten Stoffsorten, darunter auch Droguet, Taft, Plüsch, Musselin, Seide und Brokat und klassische französische Kurzwaren wie Knöpfe, Garn, Bänder, Borten, Spitzen und Kamelhaar. Daneben handelte er auch mit Haushaltswaren (Messer, Schlösser, Schnallen, Schreibzeug, Färbemittel, Dochte und Lichter), Haarpuder sowie Tabak, Hanf, Lebensmitteln, Schießpulver und Eisen. Aus seinen Handelsbüchern geht jedoch hervor, dass zwei Warenbestände mit Abstand sowohl die meisten Verkäufe als auch den meisten Umsatz einbrachten und somit die Haupteinnahmequelle für Monforts Handlung darstellten, nämlich „Stoffe und Strümpfe“ sowie „Stoffe, Strümpfe und andere Waren“, die jedoch nicht weiter spezifiziert wurden (vgl. Abb. 9).71 Die folgende Abbildung zeigt eine Aufstellung seines Warensortiments und den Anteil der jeweiligen Waren an der Zahl der Verkäufe und am Umsatz.
0
5
10
15
20
25
Stoffe/Strümpfe
30
35
40 39,3
26,4 19,7
Stoffe/Strümpfe und andere Waren 13,9
unspezifizierte Waren
45
41,2
19,3
4,7 3,3
Kurzwaren
1,9 0,5
Kopfbedeckungen, Tücher, Handschuhe
Anteil der Waren von insgesamt 802 Verkäufen in %
3 3,7
Lebensmittel, Holz
2,2 2,2
Tabak
Umsatzanteil in % bei einem Gesamtumsatz von 49.517 fl.
1,4 1,2
Hanf Metall, Schießpulver
6,7
1
Haushaltswaren
5
0,8 2,2 0,4
Kalender 0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
Abbildung 9: Warensortiment von Maurice Montfort, Anteil der Waren am Verkauf und am Umsatz, 1724–1740.
Der Kundenstock savoyischer Händler gibt Aufschluss über die relativ breite Rezeption der französischen Modeprodukte quer durch alle Schichten, die gesellschaftliche Nähe zum Hof aufwiesen. Aus einer Schuldnerliste der Verlassen71 Vgl. Mark HÄBERLEIN: Savoyische Kaufleute und die Distribution von Konsumgütern im Oberrheingebiet, ca. 1720–1840. In: Rolf Walter (Hg.): Geschichte des Konsums. Stuttgart 2004, S. 91–95.
160
5 Kleider machen Leute
schaft Johann Georg Cugnioths, dem nicht so erfolgreichen Sohn von Balthasar Cugnioth, geht hervor, mit wem die Cugnioths in Wien Geschäfte abschlossen. Diese Liste der Kunden umfasst 43 Personen, von denen 16 nicht adelig und keinem Berufsstand zuzuordnen sind. Daneben erscheinen vier Personengruppen als wesentlich. Am häufigsten finden sich Personen aus dem Bereich der Verwaltung: der Collaltische Hofmeister, ein geheimer Sekretär, ein ehemaliger Amtstrabant, ein Praeceptor, ein Hausmeister, ein Kammerdiener und der Propst von Eisgran. Weiters werden sechs Handelsleute oder Handelsdiener aufgeführt und sieben Adelige und zwar Graf Budian, Graf Ernst von Traun, Graf Collalto, Graf Pallenta, Graf Weschinz und die Freiherren von Holstein und Rechniz. Außerdem in Verbindung mit Cugnioth standen zwei Hofschneider, ein Schneider, ein Schnurmacher und ein Salzversilberer sowie Michael Praun, der wohl noch auf die Partnerschaft des Vaters zurückgeht, und eine Person aus Neustadt führt aus Wien hinaus. Dieser Kundenstock weist als Schulden meist nur geringe Beträge unter 100 fl. auf, nur wenige Personen blieben Beträge über 100 fl. bis knapp über 1.000 fl. schuldig, wobei man davon ausgehen muss, dass es sich bei allen Beträgen um Teil- oder Restschulden der Betreffenden handelte.72 Die breite soziale Verteilung, von einfachen Bürgern und Handwerkern der Bekleidungsindustrie über Handelsleute und Personen aus den öffentlichen und adeligen Verwaltungsapparaten bis hin zu niederem und höherem Adel, zeigt die breite Distribution von Cugnioths Waren und den Bedarf daran, was die Grundlage für einen erfolgreichen Kulturtransfer französischer Mode durch französische Handwerker bildete. 5.2
SCHNEIDER, STICKER, HUT- UND PERÜCKENMACHER
Die Verarbeitung der französischen Textilien und Materialien besorgten in Wien unter anderem auch französische Handwerker der Mode- und Bekleidungsindustrie, nämlich Schneider, Sticker, Gold- und Perlsticker, Hutmacher, Schuster und Perückenmacher. Ihr Wirken soll nachfolgend im Zentrum der Betrachtung stehen, da es Ausdruck von gelungenem Kulturtransfer ist. Der chronologisch gesehen erste Schneider war Richard La Chambre, seine Flucht aus Lothringen und die Erlangung einer Hofbefreiung durch Ferdinand III. 1642 ist im Zusammenhang mit der Flucht des lothringischen Herzogpaares nach Wien zu sehen. Sowohl sein Ansuchen als auch das Empfehlungsschreiben Heinrich von Starhembergs erwähnen die Rekommandation des Herzogs,73 von einer gezielten Rezeption französischer Mode in Wien kann zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht ausgegangen werden. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass La Chambre nicht nur das Herzogpaar bediente, sondern auch den Hof und dass dabei durchaus ein französischer, vom spanischen sich unterscheidender Modestil verbreitet wurde. Quintin Bailet und Johann Peter Poussin sind beide ab 1673 in Wien als Schneider nach72 WStLA, Alte Ziviljustiz, A2, Verlassenschaftsabhandlungen, Fasz. 3/24, 1678. 73 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 2, Fasz. 2C, Konv. 1, f. 1r–6r.
5.2 Schneider, Sticker, Hut- und Perückenmacher
161
weisbar und erhärten somit die These, dass spätestens mit Claudia Felicitas von Österreich-Tirol, die am 15. Oktober 1673 Leopold I. heiratete, in Wien die eigentliche Veränderung, weg von der spanischen Mode Wiener Prägung hin zur robe à la française, in der Frauenbekleidung einsetzte. Quintin Bailet, dessen Herkunft nicht restlos geklärt ist, aber mit großer Wahrscheinlichkeit aus Frankreich kam,74 war ab 1673 Leibschneider der Kaiserin Claudia Felicitas und verblieb nach ihrem Tod am Hof. Ab 1679 war er auch für die letzte Frau Leopolds I., Eleonore Magdalena von Pfalz-Neuburg, als Leibschneider tätig. Von 1673 bis kurz vor seinem Tod 1696 erhielt Bailet regelmäßig einen Jahressold von 96 fl.75 Besondere Anfertigungen von Kleidern für die Kaiserinnen und für die „Junge Herrschaft“ wurden extra abgerechnet. Die Aufzeichnungen der Hofzahlamtsbücher aus der Hofkammer zeigen, dass Bailet kontinuierlich für die kaiserliche Familie arbeitete, von 1676 bis 1701 sind regelmäßig, teilweise jährlich, Sonderzahlungen an Bailet geflossen, die letzten beiden posthum, die einen Gesamtwert von über 15.000 fl. ausmachten. Dabei fanden sich von 1679 bis 1684 jährlich Kleider für die Kaiserin Eleonore Magdalena im Wert von jeweils 640 bis 1.257 fl. Anlässlich der Hochzeit der Erzherzogin Maria Antonia mit Kurfürst Maximilian II. Emanuel von Bayern 1685 erarbeitete Bailet das Brautkleid für die Tochter Leopolds I. aus erster Ehe im Wert von 1.016 fl. Im selben Jahr, womöglich ebenfalls zu diesem Anlass, fertigte er zwei Kleider für die junge Herrschaft (die Kinder von Eleonore Magdalena, der spätere Joseph I. und eventuell Erzherzogin Maria Elisabeth) im Wert von insgesamt 1.925 fl. an. Von 1688 bis 1701 wurden noch einmal acht verschiedene Kleideranfertigungen für die junge Herrschaft verzeichnet.76 Allein die Tatsache, dass man Bailet offensichtlich mit der Ausführung der offiziellen Kleider für die erzherzogliche Hochzeit betraute, zeigt, welches Vertrauen man in Wien auch bei höchst offiziellen und repräsentativen Anlässen in seine Fertigkeiten steckte. Ein Bildnis von Benjamin von Block (heute Kunsthistorisches Museum, Wien) zeigt Erzherzogin Maria Antonia 1684, ein Jahr vor ihrer Hochzeit mit dem Kurfürsten von Bayern, in reicher, französischer Robe, über den Schneider des Kleides ist leider nichts bekannt. Das Bild dokumentiert jedoch die wachsende Berücksichtigung der robe à la française in Wien bei öffentlich-repräsentativen Angelegenheiten. Inwiefern die Wertangaben in den einzelnen Rechnungen Bailets nur den Lohn oder auch Rohmaterialien, die der Schneider selbst besorgte, enthalten, geht zwar aus den Aufzeichnungen nicht hervor. Sämtliche Beträge Bailets dürften jedoch bereits inklusive der Rohmaterialien zu verstehen sein, da in den Obersthofmeisteramtsakten eigene Abrechnun74 Laut Dauzat ist Bailet ein sehr weit verbreiteter Familienname, Fordant siedelt ihn in folgenden Gegenden an: Nizza, Paris und Île-de-France; Balliet bes. im Elsass, an der Somme (Picardie) und im Nord-Pas-de-Calais; vgl. DAUZAT: Les noms 1977, S. 193. FORDANT: Tous les noms de France 1999, S. 52. 75 ÖStA, FHKA, HKA, HZAB 1673–1698 vgl. http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx [Stand 15.01.2010]. 76 ÖStA, FHKA, HKA, HZAB 1676–1701 vgl. http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx [Stand 15.01.2010].
162
5 Kleider machen Leute
gen über Ausgaben der Kaiserin Claudia Felicitas geführt wurden, bei denen auch Handwerker entlohnt wurden. Auch dort scheint Bailet zweimal auf mit kleineren Beträgen von 65 fl. 35 kr. für 1673 und 38 fl. für 1675.77 Zeitgleich mit Bailet wurde auch Johann Peter Poussin in Wien tätig, er war hofbefreiter Schneider und gleichzeitig hofbefreiter Handelsmann für das Haus Liechtenstein. 1682 ist eine Arbeit für Karl Eusebius von Liechtenstein belegt, die sich auf 179 fl. 30 kr. belief, bezahlt in zwei Raten, für „die zu einem klaidt vor ihro fürst. gnaden dargegebene notturfften“78, wobei Poussin als französischer Schneider von Wien betitelt wurde. Bei Poussin handelte es sich wahrscheinlich nur um Ausbesserungsarbeiten. Drei weitere hofbefreite SchneiderInnen aus Frankreich, über deren Wirken es kaum Belege gibt, arbeiteten in Wien. Joanne Hieronymo Chassignole und Maria de Vergine scheinen 1681 im Hofschema79 auf und Anton Prison ist von 1693 bis 1714 belegt.80 Ein besonderes Charakteristikum der französischen Mode bestand im Einsatz von goldenen, silbernen und anderweitig gefärbten hochwertigen Garnen, die entweder in Brokatstoffen oder in Form von Applikationen und Stickereien verarbeitet wurden. Borten und Posamente, Tressen und Bänder mussten unter dem Sammelbegriff Kurzwaren nach Wien importiert werden, was bereits erläutert worden ist, denn sowohl die Herstellung der Rohstoffe für Borten und Posamente, nämlich Gold- und Silberfäden, wie auch der Gewerbezweig der Bortenmacher konnten den Bedarf an Besatzstoffen im deutschen Sprachraum bei weitem nicht decken, wofür verschiedene Faktoren verantwortlich waren. Der Drahtzug von Gold, Silber, Kupfer und Messing zur Herstellung von feinstem Lahn, der dann auf Seidenfäden gesponnen wurde, kannte zwar eine gewisse Tradition in Wien, konnte sich aber im Vergleich zu anderen deutschen Städten wie Nürnberg längst nicht so etablieren. Thiel verzeichnet 1736 für Wien 45 bürgerliche Gold- und Silberdrahtzieher,81 ganz abgesehen von Frankreich, wo dieser Gewerbezweig vor allem in Lyon an die Textilindustrie gekoppelt war. Johann Georg Krünitz mutmaßte sogar, dass der Begriff des lyonischen, lionischen oder leonischen Drahtzugs, bei dem vergoldeter oder versilberter Kupfer- bzw. Messingdraht hergestellt wurde, auf Lyon als Herstellungsort zurückzuführen sei. Auf jeden Fall kamen laut seiner Expertise die feinsten Gold- und Silberfäden der Stärke 11 ½ aus Frankreich oder Holland, da diese Stärke in deutschsprachigen Gebieten nicht hergestellt werde.82 Die mit vergoldetem Silber, Kupfer oder Messing umsponnene Seide bzw. auch feinste Gold- und Silberdrähte bildeten nun die Grundlage für Brokatstoffe und für die Herstellung von Bändern, Borten und Galonen. Ähnliche Probleme zeigten sich in der Produktion der Besatzartikel in Wien, wo 1642 nur 15 Werkstätten bestanden, während Lyon im 17. Jahrhundert mit 1.500 Meistern 77 78 79 80 81 82
ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 3, f. 57r, 79r. HAUPT: Leidenschaft 1998, S. 112–113. ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 5, f. 374v, 388v. Vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 273. Vgl. THIEL: Gewerbe 1910, S. 22. Vgl. KRÜNITZ: Enzyklopädie 1773–1853, Bd. 9, 682–1361 und Bd. 82, 1–371, vgl. http://www.kruenitz1.uni-trier.de/ [Stand 15.01.2010].
5.2 Schneider, Sticker, Hut- und Perückenmacher
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und 8.000 Stühlen um 1660 das absolute Zentrum der Bandproduktion war. Die Wiener Bortenmacher profitierten auch nicht von der Erfindung der Bandmühle, die es ermöglichte, mehrere Bänder auf einem Mühlstuhl zu weben. Die Bandmühle wurde 1685 in Wien von Leopold I. verboten, 1719 wurde das Verbot noch einmal erneuert.83 Diese Maßnahme dürfte wohl kaum Arbeitsplätze gesichert haben, sondern die Wiener Bortenmacher nur noch bedeutungsloser und weniger konkurrenzfähig gegenüber den ausländischen Importen gemacht haben. Daher blieb als Gewerbezweig, der nicht ausgelagert werden konnte, nur mehr die Stickerei übrig, in der sich im Verlauf der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auch überdurchschnittlich viele Franzosen in Wien betätigten. Sechs französischsprachige Goldsticker, Perlhefter und Kammersticker aus Paris, Lyon, der Provence, Bretagne und Nantes sind für den Zeitraum 1617 bis 1746 in Wien fassbar, davon der Großteil, fünf Personen, nicht vor 1671, und konkurrierten mit den ansässigen meist bürgerlichen und zünftisch organisierten Stickern und den flämischen Familien van Ostayen und van Beurden84. Dies bestätigt wiederum die Einschätzung, dass eine breite Rezeption des französischen Modemodells nicht vor den 1670er Jahren in Wien einsetzte. Französische Sticker arbeiteten direkt für Mitglieder der kaiserlichen Familie, wie der hofbefreite Peter Deprez aus der Bretagne, der der Kaiserin Witwe Eleonora Magdalena Gonzaga von MantuaNevers (dritte Frau Ferdinands III.) von 1681 bis 1685 zugeordnet war. Von Deprez sind keinerlei Arbeiten dokumentiert, was wohl mit seinem frühen Tod im Alter von 32 Jahren zusammenhängt. Die schwierige Quellenlage zum Arbeitsalltag von Handwerkern allgemein kommt auch bei den Stickern zum Tragen. Genaue Informationen über Materialien, Art und Volumen der Aufträge liefern nur die Quellen zu Robert de Noielle aus Lyon, der als einziger der französischen Sticker vor den 1670er Jahren in Wien dokumentiert ist. Die Abrechnungen der geleisteten Arbeit bezeugen seine besonderen Qualifikationen als Sticker. Seit 1620 im Hofdienst stehend, arbeitete Noielle von 1634 bis 1646 kontinuierlich für das Haus Liechtenstein, dabei umfasste sein Aufgabenbereich neben dem Besticken von Textilien, das seine hauptsächliche Betätigung war, auch die Bearbeitung von Leder. Insgesamt bestellte Karl Eusebius von Liechtenstein bei Noielle Stickereiarbeiten im Wert von 7.450 fl. 30 kr., dieser Wert ist inklusive der Rohmaterialien zu verstehen, was aus einer Arbeitsvereinbarung mit Noielle hervorgeht.85 Es ist anzunehmen, dass der Macherlohn davon nur einen geringen Prozentsatz ausmachte, denn 1646 wurden ihm für Änderungsarbeiten an Hosen nur 12 fl. ausbezahlt.86 Zu den Arbeiten im Einzelnen ist zu sagen, dass in der Farbgebung die Verarbeitung von Gold- und Silberfäden vorherrschte: 1635 bestickte Noielle zwei Sättel in Gold und Silber für zusammen 700 fl., 1637 arbeitete er einen roten Samtsattel in Silber im Wert 83 Vgl. Reinhold REITH: Lexikon des alten Handwerks. Vom späten Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. München 1990, S. 38–42. 84 Vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 238–239, 620. 85 Vgl. HAUPT: Leidenschaft 1998, S. 154. 86 Vgl. HAUPT: Leidenschaft 1998, S. 47.
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von 350 fl. und roten Samt für einen Wagen in Gold für 375 fl. aus.87 Für die 1643 angefertigten drei fürstlichen Kleider und Umänderungen im Gesamtwert von 2.563 fl. 30 kr. fehlen die Farbangaben,88 in der Arbeitsvereinbarung für drei fürstliche Kleider von 1642 im Gesamtwert von 3.000 fl. hingegen wurde präzisiert, dass Noielle bestes und schönstes Pariser Gold und Silber für die Stickereien verwenden soll, das heißt blassgelbes stark mit Silber legiertes Blattgold, das auf Atlas in drei verschiedenen Grundfarben kombiniert wurde: Isabell (hellgelbcremefarben), Ocra (blass- bis goldgelb-rötlich) und Bleumourent (hell-, mattoder blassblau).89 Dabei sollten die isabell- und ocra-farbenen Kleider mit silbernen Cantillen, spiralenförmigen Röhrchen aus Silber- und Golddraht, und Lamé, einem gemusterten und bestickten Gewebe, verziert, das bleumourent-farbene Kleid hingegen in Gold nach vorgegebenen Mustern gearbeitet werden. Die Mustervorlagen bestimmte Karl Eusebius offenbar selbst, sie wurden dem Sticker vorgelegt und besiegelt.90 Profane Stickereien dieser Art haben sich bis in unsere Zeit nur wenige erhalten, die ältesten stammen aus den 1740er Jahren,91 weshalb vor allem Porträts der Dokumentation bestickter Gewänder dienen wie die Gemälde einzelner Personen der Familie Harrach aus der Ahnengalerie auf Schloss Prugg.92 Die Musterungen der Stickereien orientierten sich nicht nur an den Interessen der Auftraggeber wie im Fall von Liechtenstein/Noielle, sondern in hohem Maße an den Stoffmustern, für die die Entwicklungen in Frankreich ausschlaggebend waren. Die eigenständige Ent- und Weiterentwicklung der Muster durch Lyoner Zeichner und Dessinateurs war wesentlich am Erfolg der Lyoner Textilindustrie beteiligt, denn dies unterschied im Grunde Lyoner Stoffe von den italienischen. Große, schwere vegetabile Muster, welche die ganze Breite der Stoffbahn einnahmen, mit einer klaren Symmetrie und Flächenaufteilung in Spitzovalfelder herrschten bis zum Ende des 30-jährigen Kriegs vor. Dann entwickelten sich bewegtere Musterungen mit Spiralranken und geometrischen Ornamenten in der Nadelarbeit. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wichen die naturfern stilisierten Blüten und Spiralranken einem zunehmend phantastischen und bizarren Blumendekor, der sich aus Einflüssen von orientalischen und vor allem indischen Vorbildern ergab. Ab dem Beginn des 18. Jahrhunderts schließlich setzte sich das europäische Ornament wie zum Bei-
87 Vgl. HAUPT: Leidenschaft 1998, S. 21, 27 und 29. 88 Vgl. HAUPT: Leidenschaft 1998, S. 38. 89 Zu Pariser Gold und den Farbbedeutungen vgl. HAUPT: Leidenschaft 1998, S. 518, 510, 517 und 501. 90 Vgl. HAUPT: Leidenschaft 1998, S. 153–154. 91 Z. B. die im Württembergischen Landesmuseum Stuttgart aufbewahrte Prunkweste mit reicher Goldstickerei (franz., 1740–1745), vgl. Ruth GRÖNWOLDT: Stickereien von der Vorzeit bis zur Gegenwart. München 1993, S. 104 und 119–121. 92 Vgl. Dora HEINZ: Höfische Mode im Spiegel einer Ahnengalerie. In: Alte und moderne Kunst 5/4 (1960), S. 16–21.
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spiel das Laub- und Bandelwerk durch, bevor ab 1730 ausgeprägt naturalistische Dekors aus Frankreich übernommen wurden.93 Wie wesentlich das Sticken mit Gold- und Silberfäden für das französische Modemodell und seine Rezeption in Wien war, zeigt sich auch in der Person von Claudius Carl aus der Provence, der am 19. November 1676 eine Hoffreiheit auf das Gold-, Silber- und Seidensticken erhielt.94 1713 erlangte er zusammen mit Philipp Wallner, Johannes Baptista Peter Deffenini, Andreas Longo und Thomas Bello ein Privileg mit 15 Jahren Laufzeit auf den Betrieb einer Gold- und Silberdrahtzieherei, die er im Verlagssystem organisierte, da er sich auch kaiserlicher Gold- und Silberdrahtzugverleger nannte.95 Diese Betriebsgründung beweist, wie wenig Bedarfsdeckung an luxuriösen Textilien in Wien gegeben war, denn die wenigen Bestrebungen zur Errichtung von Textilmanufakturen, die noch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts initiiert wurden, waren entweder nicht von Erfolg gekrönt oder die Betriebe wurden unzulänglich gefördert und geführt wie das Manufakturhaus auf dem Tabor, sodass sich erst im Verlauf der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfolgreiche Textilmanufakturen in Wien etablieren konnten. Das Verlagssystem blieb bis weit ins 18. Jahrhundert die vorherrschende Produktionsweise im Textilgewerbe in und um Wien.96 Insgesamt gesehen kann die Arbeit der französischen Sticker als erfolgreich gewertet werden, denn 1682 kamen die bürgerlichen Sticker beim Stadtrat mit einer Klage gegen die französischen Perlsticker ein, woraus sich folgendes Bild zeichnen lässt: Die französischen Sticker müssen in Relation zu den Wiener Stickern besser ausgebildet gewesen sein und daher sehr erfolgreich, wodurch sie den Nachzug weiterer Sticker aus Frankreich und die Festsetzung einer eigenen Satzung außerhalb der Wiener Lade forcierten. Der Grund für die hohe Konkurrenzfähigkeit der französischen Sticker lag in der Größe ihrer Betriebe. Im Durchschnitt beschäftigten und unterwiesen sie sechs Lehrjungen und Gesellen und zusätzlich vier bis fünf Frauen in Lohnarbeit, wohingegen Frauenarbeit unter den Wiener Stickern eigentlich streng verboten und auch die Zahl der Lehrjungen auf einen beschränkt war. Das bedeutet, dass die Betriebe der Wiener deutlich kleiner dimensioniert waren und durch die Satzung auch dazu verpflichtet wurden, größere Aufträge oder verstärkte Nachfrage, die sie nicht bewältigen konnten, auf andere Meister zu verteilen, bzw. ihre Aufträge anderen zukommen zu lassen.97 Die Wiederholung der bestehenden Satzung 1683 beweist ein weiteres Mal, dass die Wirtschaftspolitik Leopolds I. darin bestand, alte Rechte auf Ansuchen der Zunft zu erneuern oder zu verschärfen, anstatt den Betrieben mehr Freiheiten in ihrer Organisationsform zu geben, um damit Konkurrenzfähigkeit zu ermöglichen. Die 93 Vgl. Dora HEINZ: Meisterwerke barocker Textilkunst. Wien 1972, S. 7–19. SEWELL: The Empire of Fashion. In: Past and Present 206 (2010), 91–93. 94 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 2, Fasz. 2, Konv. 1, f. 7r–8v. 95 Vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 292. 96 Vgl. Andreas WEIGL: Der Textil- und Bekleidungssektor und die Protoindustrialisierung. In: Vocelka/Traninger (Hg.): Wien 2003, S. 170–171. 97 WStLA, Hauptarchiv, Akten und Verträge 17/1683 f. 1r–12r.
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französischen Sticker, meist hofbefreit, aber auch bürgerlich, konnten in Summe mehr und größere Aufträge in kürzerer Zeit und in höherer Qualität bearbeiten. Allein die Tatsache, dass sich der Nachzug französischer Sticker offenbar rentierte, zeigt einmal mehr die starke Nachfrage in Wien nach französischen Fachkräften auf. Diese Nachfrage betraf in besonderem Maße auch französische Hutmacher in Wien. Der Hut war im 17. und 18. Jahrhundert mehr als nur ein modisches Accessoire, er war wichtiger Bestandteil des adeligen Verhaltenskodex: „Lorsqu'on salue quelqu'un, il faut prendre son chapeau avec la main droite, et l'ôter entierement de dessus sa tête et d'une maniere qui soit honête, en étendant le bras jusqu'en bas, et en tenant le chapeau par le bord, et le côté qui doit couvrir la tête tourné en déhors.“98
Der Geistliche und Pädagoge Jean-Baptiste de la Salle (1651–1719) widmete in seinem Werk über das richtige Verhalten in einer christlichen Gesellschaft zu Beginn des 18. Jahrhunderts dem Hut mehrere Artikel, worin er erklärt, welche Funktionen das Ziehen des Hutes beim Grüßen im Allgemeinen, beim Gruß von Personen von Rang, bei Anwesenheit sozial höher stehender Personen, bei der Offerierung und Annahme von Geschenken und besonders im Zusammenhang mit dem Essen an der Tafel besitzt. In späteren Editionen sollte dann auch zu lesen sein: „rien ne caractérise mieux un homme poli que la manière de saluer“99. Der Hut galt in der europäischen Mode insgesamt als wichtiger Bestandteil des öffentlichen Lebens und kennzeichnete den Cavalier, der daran Teil hatte. Die französische Hutmode des 17. und 18. Jahrhunderts gehörte schon vor Ludwig XIV. zum Modeprogramm. Bereits unter Ludwig XIII. mutierte der alte breitkrempige Filzhut durch luxuriöse Materialien wie Bänder, Borten, Straußenfedern, Castor oder Vikunja zu einem Prestigeobjekt. Vikunja war das äußerst weiche, dichte und feine Fell des südamerikanischen Kamels Vikunja, das nur in den Hochanden verbreitet und dessen Wolle aufgrund seiner Feinheit nur den Inkas vorbehalten war. Die Krempe des französischen Hutes wurde bis zur Jahrhundertmitte immer voluminöser und schlapper, sodass der Hut auch „Respondet“ genannt wurde, da er jede Bewegung des Hutträgers nachahmte. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ließ sich dieser ausladend große Hut mit den in Mode kommenden Perücken nicht mehr kombinieren, er benötigte wieder mehr Festigkeit und wurde an drei Seiten aufgerollt. Der so entstandene Dreispitz verlor mit der Allongeperücke seine eigentliche Funktion und wurde zum reinen Accessoire umfunktioniert, das man in der Hand oder unter dem Arm trug.100 Von 1659 an sind in Wien sechs französische Hutmacher belegbar, Peter Lesage aus Monchalon in der Normandie ab 1661, Estienne Mougenot ab 1678, Nikolaus Gangloff aus Lothringen ab 1680 und die Familie Fauconet aus Paris ab 1659 bestehend aus Richard, seinem Sohn Johann Jakob und seinem Bruder Gervais. Alle französischen Hutmacher arbeiteten vordergründig für den Hof oder den 98 Jean-Baptiste DE LA SALLE: Les regles de la bien-seance et de la civilité chrétienne. Paris 1708, S. 86. 99 Jean-Baptiste DE LA SALLE: Les règles de la bienséance et de la civilité chrétienne. Rouen 1797, S. 38. 100 Vgl. BÖNSCH: Formengeschichte 2001, S. 165–166.
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Hofadel. Peter Lesage erhielt 1661 eine Hofbefreiung mit der Begründung, er sei durch seine Wanderschaft an den Wiener Hof gelangt und diesem drei Jahre lang nachgezogen.101 Die Familie Fauconet erhielt bereits 1659 eine Hofbefreiung,102 eine direkte Anwerbung der Familie durch das Kaiserhaus wurde in der Literatur diskutiert,103 ist aber in den Quellen nicht nachweisbar. Richard und sein Sohn Johann Jakob Fauconet belieferten über einen längeren Zeitraum direkt den Hof104 und auch die Familie Harrach.105 Estienne Mougenot unterzeichnete seine Rechnungen für Graf Harrach mit „Chapelie de Cour“.106 Die Attraktivität der französischen Hutmacher lag in ihrer Fähigkeit, einen besonders arbeitsteiligen Produktionsvorgang, in dem teure und exotische Rohstoffe aus Übersee verarbeitet wurden, die Frankreich direkt aus seinen amerikanischen Kolonien bzw. aus dem Handel mit Westafrika bezog, in hoher Qualität zu bewältigen. Richard Fauconet und Peter Lesage erhielten ihre Hoffreiheiten im Besonderen für die Erzeugung von Castorhüten, Fauconet auch für die Herstellung von Vikunjahüten und anderer französischer Modehüte. Die Castorhüte nahmen dabei eine besondere Rolle ein, aus Biberfell wurden die qualitativ hochwertigsten Hüte hergestellt. Die wichtigsten und höchst bezahlten Produktionsstätten Frankreichs dafür lagen zuerst an der Atlantikküste, sehr bald konzentrierten sie sich auf Rouen, Lyon, Marseille und Paris, das direkt aus La Rochelle mit Fellen beliefert wurde. Mit den Fauconets aus Paris und Lesage aus der Normandie kamen die ersten französischen Hutmacher in Wien also aus den Zentren der französischen Huterzeugung. Das Hutmachergewerbe war relativ geldaufwendig, denn man benötigte größere Produktionsstätten, musste den Einkauf der Rohmaterialien bestreiten und im Normalfall aufgrund der Arbeitsteilung mehrere Gesellen oder zusätzliche Arbeitskräfte einstellen. Allein die Arbeitsgeräte und die Einrichtung der Produktionsstätten für eine Hutmanufaktur mit 30 Angestellten wurden in Frankreich auf 5.000 livres (~ 2.500 fl.) geschätzt. Die Auslagerung einzelner Arbeitsschritte kam aufgrund der geforderten hohen Qualifikation der Gesellen und Meister für das Gelingen der Produktion nicht in Betracht. Hutmacher gehörten zu den bestbezahlten Handwerkern, da die Huterzeugung komplexe Arbeitsschritte vorsah: In einem ersten Arbeitsgang wurden die Grannenhaare ausgezupft und das Fell geschoren, dann die Felle nach Farbe, Kardierung und Gewicht sortiert und gewalkt. Dabei musste das Fell zuerst von Schmutz befreit und eventuelles Haargewirr entfernt werden, bevor es konisch auf Holzbretter als Basis für den Hut aufgespannt und mit feuchten Tüchern bedeckt wurde. In einem weiteren Schritt wurde 101 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 9, Konv. 1, f. 10r. 102 WStLA, Hauptarchiv, Akten und Verträge 3/1659, f. 2r/v. 103 Vgl. Annemarie STEIDL: Regionale Mobilität der städtischen Handwerker. Wien: Diss. 1999, S. 64. 104 ÖStA, FHKA, HKA, HZAB 1682–1705 vgl. http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx [Stand 15.01.2010]. 105 ÖStA, AVA, Harrach 2979, Rechnungen Madrid und Varia, Umschlag Spanien 1675 Ausgaben, unfoliert. 106 ÖStA, AVA, Harrach 2556, Wien Rechnungen Hauptkassa, Umschlag Wien Rechnungen 1678, unfoliert.
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das Fell einem zweiten Walkvorgang mit einer Mixtur aus Wasser und Weinsediment unterzogen und schließlich zum Trocknen auf Holzmodel aufgezogen, die dem Hut seine Form verliehen. Die Holzmodel variierten nach Größe und nach der Mode, sodass ein Produktionsbetrieb mehrere Dutzend davon besitzen musste. In einem letzten Arbeitsschritt bekam der Hut Form und Schmuck: Letzte Noppen wurden entfernt, der Hut zurechtgeschnitten und dann gefärbt. Nach einem weiteren Trocknungsvorgang erfuhr der Hut eine letztmalige Appretur. Damit er die gewünschte Steifheit erlangte, wurde er unter Dampf mit Gummi Arabicum, einem Verdickungsmittel aus dem Senegal,107 bestrichen, was das besondere Können des Hutmachers erforderte, da es dafür keine Standardprozedur und kein Rezept gab. Federn und goldene oder seidene Bänder gaben dem Hut seine letzte Wertschöpfung. Biberhüte waren im Verkauf bis um das Vierfache teurer als normale Hüte.108 Die Familie Fauconet richtete sich vor den Toren der Stadt Wien eine Produktionsstätte für Hüte ein mit mehr als zwölf Dutzend Hutformen und mehreren Kesseln zur Erzeugung von Castor- und Vikunja-Hüten. Die Fauconets dürften von Anfang an Erfolg mit ihren Erzeugnissen gehabt haben. So berichtete Richard Fauconet noch im Jahr seiner Privilegierung, dass seine Hüte, die Pariser Qualität besaßen, von etlichen Adeligen in Wien gut angenommen wurden.109 Zur gleichen Zeit musste auch Peter Lesage bereits im Umkreis des Wiener Hofes tätig gewesen sein, der sich zwei Jahre nach den Fauconets in Wien niederließ.110 Beide Fälle dokumentieren Kulturtransfer als Wissens- und Techniktransfer. Die französischen Hutmacher in Wien waren durch ihre kaiserlichen Privilegien dazu berechtigt, Lehrjungen und Gesellen auszubilden, was insbesondere für die Familie Fauconet anzunehmen ist, da sie mit Sicherheit die nötigen Kapazitäten in der Produktion bereitstellen konnte und auch weitere Arbeitskräfte für die aufwendigen Produktionsschritte benötigte. Von Anfang an erregten die französischen Hutmacher in Wien den Zorn der städtischen und zünftisch organisierten Hutmacher. Kurz nach der Etablierung der Familie Fauconet sind zweimal tätliche Übergriffe seitens vier der zünftischen Hutmacher und des Rumormeisters der Zunft auf den Betrieb von Fauconet belegt. Dabei wurde die Einrichtung der Werkstatt samt Hutmodel und Kessel demoliert und ein Großteil der Hüte mitgenommen. Der Schaden der zweiten Gewaltaktion der Zunft belief sich laut Fauconet auf mehr als 100 fl.111 Nach Einkommen einer Klage Richard Fauconets beim Kaiser erging die Weisung an die städtischen Hutmacher, dass die mitgenommenen Hüte an Fauconet zu retournieren und der Schaden wieder gutzumachen sei und darüber hinaus stellte der Kaiser sicher, dass der geplante Erwerb des Bürgerrechts und der Eintritt Fauconets in die Hutmacherzunft ohne weitere Probleme von statten 107 Vgl. James L. A. WEBB: The Trade in Gum Arabic: Prelude to French Conquest in Senegal. In: Journal of African History 26 (1985), S. 149–168. 108 Vgl. SONENSCHER: Hatters 1987, S. 20–25, 32–33, 36–41, 44, 52, 56, 68–69. 109 WStLA, Hauptarchiv, Akten und Verträge 3/1659, f. 4r. 110 ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 9, Konv. 1, f. 9r–13v. 111 WStLA, Hauptarchiv, Akten und Verträge 3/1659, f. 4r/v.
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gehen sollte.112 Die Weisung des Kaisers zeigt deutlich die wirtschaftliche Förderung der Familie Fauconet und seines Betriebs. Einmal mehr füllten französische Fachkräfte Lücken in der Bedarfsdeckung des Wiener Handwerks im gehobenen Segment. Französische Hutmode war in Wien eigentlich ein Luxusprodukt, dennoch produzierten und verkauften die französischen Hutmacher in Wien ihre Hüte billiger als in Frankreich. Dies wird anhand der zahlreichen Huteinkäufe des Grafen Ferdinand Bonaventura von Harrach zwischen 1666 und 1678 deutlich: Gold verzierte Castorhüte in Lyon kosteten umgerechnet zwischen 9 fl. und 16 fl. 30 kr.,113 für einen Reisehut aus Castor gris bezahlte Harrach 1675 an seinen Korrespondenten Alexandre Begeret umgerechnet etwa 49 fl. 44 kr.,114 für einen Castor noire 16 fl. 30 kr.115 Die von den französischen Hutmachern in Wien verlangten Beträge liegen deutlich unter diesen beiden Werten, wobei Estienne Mougenot 1678 keine Castorhüte an Harrach lieferte, sondern graue Kamelhaarhüte um 3 fl.116 Johann Jakob Fauconet verlangte 1674/75 für einen schwarzen Hut, der nicht näher definiert wurde, aber wahrscheinlich zumindest teilweise aus Castor gearbeitet war, zwischen 3 fl. 56 kr. und 5 fl. 22 kr.117 Folglich kann davon ausgegangen werden, dass sich die französischen Hutmacher an den Wiener Markt anpassen mussten, das heißt, dass sie möglicherweise weniger teure Hüte aus Castor oder Vikunja herstellten, da die Nachfrage geringer oder die Rohstoffe schwer zu bekommen waren. Möglicherweise waren auch die Produktionskosten, im Wesentlichen der Macherlohn und die laufenden Kosten, in Wien billiger. Weiters zeigen die hohen Kosten der französischen Hüte, wie viel österreichische Adelige für ein Prestigeobjekt bereit waren auszugeben. Dagegen belegen die Ausgaben der Habsburger an die Familie Fauconet wieder ein anderes Bild. Das Herrscherhaus bezahlte in regelmäßigen Abständen für nicht näher definierte Arbeiten und Lieferungen an Richard Fauconet insgesamt 1.808 fl. von 1682 bis 1691 und an Johann Jakob Fauconet von 1698 bis 1705 insgesamt 3.263 fl.118 Die jährlichen Ausgaben des Hofes für Hüte lagen zwischen 35 fl. und 1.158 fl. Diese beträchtlichen Ausgaben werden nicht nur für die kaiserliche Familie gedacht gewesen sein, sondern Ausgaben für die Livrée einschließen, die ebenfalls mit Hüten auszustatten war. Insgesamt bildeten diese Einnahmen für die Familie Fauconet die Grundlage ihres wirtschaftlichen Erfolgs, der sich darin zeigte, dass Richard Fauconet mehrere Häuser in Wien kaufen 112 WStLA, Hauptarchiv, Akten und Verträge 3/1659, f. 1r/v. 113 ÖStA, AVA, Harrach 2693, Umschlag Reise 1658/59–66 Rechnungen Graf Ferdinand Bonav. I., unfoliert. 114 ÖStA, AVA, Harrach 2979, Umschlag Spanien 1675 Ausgaben d Ferd Bonav. I in Madrid, unfoliert. 115 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 12. April 1694. 116 ÖStA, AVA, Harrach 2556, Umschlag Wien Rechnungen 1678, unfoliert. 117 ÖStA, AVA, Harrach 2979, Umschlag Spanien 1675 Ausgaben d Ferd Bonav. I in Madrid, unfoliert und Umschlag Madrid 1674 unfoliert. 118 ÖStA, FHKA, HKA, HZAB 1682–1705, vgl. http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx [Stand 15.01.2010].
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konnte (vgl. Kap. 6.1). Das Aushängeschild „Zum Bibertier“ gab seiner Werkstatt am Kohlmarkt 9 lange Zeit einen Übernamen119 und ist ein weiteres Anzeichen einer gewissen gesellschaftlichen Akzeptanz eindeutig französisch konnotierter Mode in Wien. Der Hut war somit eines der ersten Segmente der französischen Mode, das sehr früh in Wien rezipiert wurde. Schon 1637 ließ sich Karl Eusebius von Liechtenstein seine Hüte mit Federn „auf franzößischem form“120 herrichten, als unter Ludwig XIII. der Hut gerade breitkrempiger und luxuriöser geworden war. Die eigentliche Verbreitung setzte vermutlich nach dem 30-jährigen Krieg ein, denn es ist anzunehmen, dass die Familie Fauconet 1659 nicht ganz ohne Vorbereitung nach Wien kam. Die Vermittlung der französischen Männermode setzte in der Folge ein und ab den 1670er Jahren auch die der französischen Frauenbekleidung. Ein letzter unabdingbarer Bestandteil der französischen Mode wurde ebenfalls beginnend in den 1670er Jahren rezipiert: Perücken. Sie waren keine Erfindung von Ludwig XIV., Haarersatzprodukte kaschierten während der Frühen Neuzeit im Normalfall einen krankheitsbedingten Haarausfall wie bei Elisabeth I. von England ab 1562. Die französische Mode der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ermöglichte in ihrer Abkehr von der spanischen Halskrause mit kurzem Haarschnitt schrittweise wieder längere und lockige Haarmoden für Männer. Bereits Ludwig XIII. soll nach vorzeitigem Haarausfall Perücken getragen haben. Von einer Perückenmode in Frankreich, bei der das Eigenhaar rasiert wurde, kann ab etwa 1629 gesprochen werden.121 Dass Perücken unter Ludwig XIV. zum unverzichtbaren Modeaccessoire aufsteigen konnten, lag an den verbesserten Produktionsmöglichkeiten von Perücken im Verlauf des 17. Jahrhunderts. Statt Lederhauben mit Haarbesatz wurden nun die Haare der Länge nach sortiert und in feines Leinen- oder Seidengewebe in Form von Tressen eingearbeitet. Der Perückenmacher nähte die einzelnen Tressen, die in ihrer Form und Größe variierten, nach Kopfformen entlang eines Monturbandes, das den Haaransatz vorgab, auf, sodass die eigentliche Perücke nur aus einem luftigen Netzgewebe bestand, das unter Umständen inwendig mit Stoffstreifen verstärkt oder gefüttert werden konnte.122 1656 ernannte Ludwig XIV. 48 Hof-Perruquiers und 1659 schuf er per Dekret die Grundlage zur Etablierung der ersten Perückenmacherzunft, die auch Bader und Barbiere berücksichtigte. In Wien wurde das Gewerbe gegen den Widerstand von Badern und Barbieren erst 1697 mit eigener Satzung zünftig, eine Verquickung der einzelnen Aufgabenbereiche zwischen Perückenmachern, Barbieren und Badern war von 119 Vgl. Paul HARRER: Wien. Seine Häuser, Menschen und Kultur. Wien: 1955, Bd. 1, S. 418, Bd. 6, S. 424. 120 HAUPT: Leidenschaft 1998, S. 28. 121 Vgl. Kristin KNEBEL: Die Herrenperücke als Kleidungsstück mit besonderer Bedeutung im späten 17. und 18. Jahrhundert. In: Jochen Luckhardt/Regine Marth (Hg.): Lockenpracht und Herrschermacht. Perücken als Statussymbol und modisches Accessoire. Braunschweig 2006, S. 16–17. 122 Vgl. Eva JORDAN-FAHRBACH: Techniken und Materialien zur Herstellung von Perücken. In: Luckhardt/Marth (Hg.): Lockenpracht 2006, S. 76.
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vornherein gegeben. Oft finden sich mehrere verwandte Berufsbezeichnungen, die auf eine Person zutrafen. Zwei der französischsprachigen Perückenmacher in Wien bezeichneten sich auch als Barbiere, einer als Komödienausstatter und Handelsmann. Barbiere arbeiteten neben der Haarpflege im medizinischen Bereich in der Wundversorgung und übten zusammen mit den Badern den Beruf des Chirurgen aus.123 Die Bereiche Kosmetik und Medizin können daher im 17. und 18. Jahrhundert nicht streng voneinander getrennt werden, was sich auch in der folgenden Darstellung niederschlägt. Seit Ludwig XIII. Perücken hoffähig gemacht hatte, wurden sie mehr oder weniger in ganz Europa getragen. Ab 1673 jedoch avancierte die von Ludwig XIV. bevorzugte Allongeperücke, eine lange gelockte Perücke, bei der ab den 1690er Jahren die Haarteile seitlich des Scheitels hoch auftoupiert wurden, zum unverzichtbaren Bestandteil der Hoftracht und unter anderem zum absolutistischen Machtsymbol. Sie verlieh dem Träger von Stand Würde, indem sie ihm insofern Disziplinierung abverlangte, als sie keine unkontrollierten Bewegungen tolerierte.124 Diese Entwicklung wurde relativ zeitgleich in Wien rezipiert. Der erste französischsprachige Perückenmacher, Peter Le Grand, ist ab 1663 in Wien fassbar,125 Augustin Menu ab 1671 und Johann Truchet ab 1673.126 Weitere sechs französischsprachige Perückenmacher folgten in den 1680er Jahren,127 wodurch sich eine klare Konzentration auf den Zeitraum 1671 bis 1686 ergibt, in dem acht von zwölf dokumentierbaren französischen Perückenmachern in Wien in den Quellen auftauchten. Dass bis dahin eine zünftische Organisation in Wien fehlte, dürfte den Immigrationsprozess der Perückenmacher vereinfacht haben, die fast ausnahmslos von einer Hofbefreiung lebten. 1670 fasste Ferdinand Bonaventura von Harrach auf Anraten seines französischen Korrespondenten Bergeret hin den Entschluss, seine Haare rasieren zu lassen und die Perücke zu nehmen, was Bergeret kommentierte mit: „Mr en sera touiour mieux Coiffes et plus Commodement“128. Gleiches weiß Bergeret auch vom Grafen Windischgrätz, der 1671 in Paris weilte, zu berichten129 und 1676 ging auch der Graf von Dietrichstein in Wien dazu über, große Perücken, also Allongeperücken, zu tragen, was ihm der Bewertung der Gräfin Harrach nach gut gestanden haben soll.130
123 Vgl. REITH: Lexikon des alten Handwerks 1990, S. 17–22. 124 Vgl. Christina WIETIG: Perücken, Puder und Schminke der Damen als Ausdruck aristokratischer Lebensart im gesellschaftlichen Kontext der Zeit – Kulturgeschichtliche Aspekte zur Körperbildästhetik. In: Luckhardt/Marth (Hg.): Lockenpracht 2006, S. 27. 125 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 20v. 126 Vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 375 und 587. 127 1680: Dupuy Jean (vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 376.), 1681: Bougrand Ludwig, Granger Thomas und Le Point Jean (ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 5, f. 370r.), 1684: Mandini Lorian (Trauungsmatriken St. Stephan 1684, http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx [Stand 15.01.2010].) und 1686: Le Grand Johann Michael (ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 21r.). 128 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 3. Feb. 1670. 129 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 13. Feb. 1671. 130 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel Johanna Theresia vom 19. Dez. 1676.
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Prinzipiell wurden Perücken nicht vorbehaltlos in Wien rezipiert. Johanna Theresia sprach sich zum Beispiel 1676 gegen das Rasieren der eigenen Haare aus, empfahl ihrem Mann aber, sich Perücken in Lyon zu kaufen, damit er, wenn er mit dem Kaiser im Freien stünde, etwas zum Aufsetzen habe, um sich in der Kälte keine Krankheit zu holen.131 Ähnlich argumentierte sie etwas später für den Kauf von Perücken in Lyon für ihren Mann und ihren Sohn, denn dem Sohn hätte man wegen Lausbefalls die Haare schneiden müssen und für ihren Mann fürchtete sie, dass er nach einer längeren Krankheit sicher die Haare verlieren werde.132 In Wien setzte sich weniger die Allongeperücke als viel mehr eine als „spanische Perücke“ bezeichnete Naturellperücke durch, die vorne relativ kurz geschnitten war und deren Haare am Oberkopf in Locken drapiert, nach hinten aber lose und spitz zuliefen. Die Bezeichnung „spanisch“ ist dabei weniger als Herkunftsbegriff und mehr als Pauschalbegriff für die „spanische Tracht“ in Wien zu verstehen. Daneben wurde für Anlässe von höchstem Amtscharakter, vor allem im Reichshofrat und im Orden zum Goldenen Vlies die Quarréperücke bevorzugt, bei der extreme Lockenmassen geordnet auf eigene Lappen aufgenäht wurden, um dieser schweren Perücke möglichst viel Ausdruck zu verleihen.133 Schließlich wurde es auch üblich, Livrée und Lakaien mit meist blonden Perücken ausstatten zu lassen. So ließ Graf Harrach 1676/77 über Bergeret Livrée-Perücken aus Paris kommen.134 Perücken bildeten im gesamten 18. Jahrhundert einen wesentlichen Bestandteil der Livrée-Ausstattung.135 Wie sehr das Perückenmachergewerbe in Wien auf den Zuzug von qualifizierten Handwerkern aus Frankreich angewiesen war, wo es seit kurzem eine zünftische Organisation und daher definierte Ausbildungswege gab, zeigt das Beispiel der Familie Le Grand. Peter Le Grand begann seine Arbeit am Kaiserhof etwa 1663 als Leibperückenmacher bei Leopold I., übernahm aber relativ rasch auch Barbieraufgaben bei Erzherzog Joseph, nämlich Haare schneiden, kämmen und einpudern.136 Dafür bekam er ab 1674 einen Jahressold von 144 fl. zuzüglich der Bezahlung für gelieferte Ware137 und ab 1686 Kostgeld als Ausgleich für seine besonderen Dienste beim Erzherzog. Der Erhalt einer fixen Bezahlung war allerdings keine Selbstverständlichkeit, denn 1674 gab es noch keinen Perückenmacher, der eine Fixanstellung im kaiserlichen Hofstaat genoss. Da Le Grand aber in Wien zuvor das Jurament zum Barbier abgelegt hatte, und somit von der Medizinischen Fakultät als Kontrollinstanz dazu berechtigt wurde, Heilkunde auf unte-
131 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel Johanna Theresia vom 15. März 1677. 132 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel Johanna Theresia vom 19. Dez. 1676 und vom 24. Okt. 1677. 133 Vgl. KNEBEL: Herrenperücke. In: Luckhardt/Marth (Hg.): Lockenpracht 2006, S. 18. 134 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 20. Sep. 1676. 135 ÖStA, HHStA, Khevenhüller, Kammer am Attersee 7/IV, f. 21r/v. 136 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 20v. 137 ÖStA, FHKA, HKA, HZAB 1674–1694 vgl. http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx [Stand 15.01.2010].
5.2 Schneider, Sticker, Hut- und Perückenmacher
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rem Niveau zu betreiben,138 bekam er als erster Perückenmacher am Hof eine Jahresbesoldung.139 Le Grands Sohn Johann Michael wurde 1686 mit Erlaubnis des Kaisers zur besseren Ausbildung nach Frankreich geschickt140 und erhielt 1694 die Exspektanz auf die Leibperückenmacherstelle zuerst bei Leopold I. und schließlich bei Joseph I., damals römisch-deutscher König.141 Das Perückenmachergewerbe war unter Umständen äußerst gewinnbringend, Johann Michael Le Grand erhielt neben seiner Besoldung von 144 fl. für geleistete Arbeiten Sonderzahlungen zum Beispiel im Wert von 740 fl.142 Bei der Erhebung der Vermögenssteuer wurde Peter Le Grands Gesamtvermögen 1681 auf 48.000 fl. geschätzt.143 Insgesamt reichten die Erträge dazu aus, dass Peter Le Grand zwei Hausangestellte bezahlen und seinen Nachkommen ein voll eingerichtetes Haus am Graben und einen Nachlass von über 3.700 fl. vererben konnte und dies, obwohl Perücken durchschnittlich in Wien unverhältnismäßig billiger waren als in Frankreich. Ferdinand Bonaventura von Harrach bezahlte für Perücken aus Paris zwischen 45 und 50 fl.144 Besondere Anfertigungen konnten bis zu 150 fl. kosten,145 dafür erhielt man in Wien gleich mehrere Perücken,146 wobei Preise zwischen 6 fl. und 40 fl.147 schwankten, ungeachtet der Qualität, was den Vergleich insgesamt erschwert. Das beste Haar zur Perückenherstellung wurde jedenfalls aus den Niederlanden oder Frankreich importiert.148 Die Entsprechungen der langen gelockten Haare der Männermode spiegelten sich in der Damenhaarmode ab 1671 in der Hurluberlu-Frisur wider, die darin bestand, zu beiden Seiten des Gesichts die Haare in Lockenbergen anzuhäufen, und ab den 1680er Jahren in der Fontange-Frisur, bei der die Haare auf ein StoffDraht-Gerüst drapiert wurden, wodurch eine ungeheure Erhöhung der weiblichen Silhouette erreicht wurde, ähnlich wie bei der Allongeperücke.149 Die Rezeption dieser Frisuren schlägt sich in den Quellen weniger klar nieder als die der Perücken. 1677 schrieb Johanna Theresia von Harrach ihrem Mann, dass sie sich von ihrem französischen Mädchen die Haare krausen ließ,150 womit durchaus eine Hurluberlu-Frisur gemeint sein könnte. Die zahlreichen Kosmetika zur Fixierung der Locken waren bei der Gräfin von Harrach aber nie Thema. Das 138 Vgl. Sonia HORN: Wiener Hebammen 1643–1753. In: JB d. Vereins f. Geschichte d. Stadt Wien 59 (2003), S. 36–38. 139 ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 2, f. 265r/v. 140 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 21r. 141 ÖStA, FHKA, HKA, HZAB 1694–1705 vgl. http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx [Stand 15.01.2010]. 142 ÖStA, FHKA, HKA, HZAB 1694 vgl. http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx [Stand 15.01.2010]. 143 ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 5, f. 537r. 144 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 12. April 1694. 145 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 13. Feb. 1671. 146 Vgl. HAUPT: Leidenschaft 1998, S. 107. 147 ÖStA, HHStA, Khevenhüller, Kammer am Attersee 7/I, f. 5r/v, 9r/v, 57r/v und 7/IV, f. 15r/v. 148 ÖStA, HHStA, Khevenhüller, Kammer am Attersee 13, Korrespondenz Graf Wahl, Brief 153. 149 Vgl. CORSON: Fashions in Hair 1971, S. 228. 150 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 31. Aug. 1677.
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5 Kleider machen Leute
17. Jahrhundert gilt gemeinhin als die Zeit der „trockenen Toilette“, bei der Puder, Schminke, Parfum und oftmaliges Wechseln der Wäsche Wasser und Seife in der Körperreinigung ersetzten, was in erster Linie auf Frankreich insbesondere im 18. Jahrhundert zutraf.151 In den deutschsprachigen Gebieten und somit auch in Wien wurde die Überbewertung von Schminke und Puder für die Körperpflege bei weitem nicht im selben Ausmaße nachgeahmt.152 Dies zeigt sich auch in der Haltung Johanna Theresias in Bezug auf ihre Frisuren und den Gebrauch von Kosmetika. Allein die Tatsache, dass sie die Frisierarbeit ihres französischen Mädchens betont, beweist, dass dies nichts Alltägliches war. Sie verhielt sich zudem in den Kosmetikbestellungen an ihren Mann äußerst bescheiden und bestellte lediglich eine garnitur de Paris (Haarmantel und Haube), was wohl ein FontangeAufsatz war, und drei bestimmte Pudersorten, die in Wien besonders ästimiert wurden, nämlich pude de pori, pude de la reine und pude de neris (Oleanderpuder).153 1694 überschickte Bergeret eine Fontange-Haube für umgerechnet 302 fl. 30 kr.154 Alles in allem bis auf die Fontange, mit der sich die Gräfin auch malen ließ,155 fehlen über weite Strecken Produkte wie Rouge, Bleiweiß, Pomaden oder Duftwässerchen und Parfums. Perücken und Haare wurden im Allgemeinen gegen Ende des 17. Jahrhunderts zunehmend gepudert, von einer besonderen Übernahme französischer Moden kann daher im Hinblick auf die Damenhaarmode und den Kosmetikbereich nicht gesprochen werden. Kosmetika fanden im 17. Jahrhundert neben der Schönheitspflege auch in der Heilkunde zu therapeutischen Zwecken Verwendung. Wohlriechende Essenzen wurden gleichzeitig äußerlich und innerlich zur Reinigung und Stärkung des Körpers eingesetzt.156 So ist es nicht verwunderlich, dass eau de la reine in Massen konsumiert wurde und man sich gegen Schwächeanfälle jeglicher Art damit einrieb.157 Dies erklärt aber keineswegs die starke Präsenz französischer Barbiere und Chirurgen in Wien. 14 französischsprachige Barbiere und Chirurgen aus ganz Frankreich, darunter auch ein Leibmedicus des lothringischen Herzogs, bildeten von 1630 bis 1730 die zweitgrößte Berufsgruppe unter den französischen ImmigrantInnen, ohne dass sich dafür ausgereifte Erklärungsmodelle aufdrängen. Im Folgenden sollen einige Interpretationsansätze präsentiert werden: Die Medizinische Fakultät der Wiener Universität stellte im 17. Jahrhundert die oberste Kontrollinstanz für die medizinische Ausbildung und Approbation aller in der Heil151 Vgl. Georges VIGARELLO: Wasser und Seife, Puder und Parfüm. Geschichte der Körperhygiene seit dem Mittelalter. Frankfurt/New York 1988, S. 26–30, 77–86 und 97–111. 152 Vgl. Sabine SANDER: Gesundheit statt Galanterie. Der Paradigmenwechsel in ärztlichen Schönheitsratgebern im Jahrhundert der Aufklärung. In: Gesnerus 60 (2003), S. 52. 153 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel Johanna Theresia vom 24. Okt. 1677 und vom 19. Aug. 1677. 154 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 12. April 1694. 155 Vgl. HEINZ: Höfische Mode. In: Alte und moderne Kunst 5/4 (1960), S. 20. 156 Vgl. Annick LE GUÉRER: Le Parfum. Des origines á nos jours. Paris 2005, S. 121–148. VIGARELLO: Wasser 1988, S. 105–111. 157 ÖStA, AVA, Harrach 73, Korrespondenz Franz Anton, Brief vom 10. Mai 1708 und vom 4. Okt. 1708.
5.2 Schneider, Sticker, Hut- und Perückenmacher
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kunde Tätigen dar. Neben den Medici oder Physici (Buchärzte), denen die innere Medizin und das Verschreiben von innerlich anzuwendenden Medikamenten vorbehalten war, bildeten Bader, Barbiere und Chirurgen im Bereich der praktischen Wundversorgung ein wichtiges Standbein der medizinischen Versorgung. Bader und Barbiere waren prinzipiell zünftisch organisiert, mussten jedoch an der Medizinischen Fakultät eine Zulassungsprüfung ablegen. Die Wiener Universität gehörte im 17. Jahrhundert nicht zu den Zentren der europäischen Medizin. Der Anteil an ausländischen, meist italienischen Ärzten war stets groß, sodass es nicht verwunderlich wäre, auch eine große Anzahl französischer Bader und Chirurgen in Wien zu finden.158 Aber auch die französischen Universitäten besaßen bei weitem nicht das Renommee der damals führenden Medizinischen Fakultät von Leiden. Paris und Montpellier boten aber Möglichkeiten zur fundierten, medizinischen Ausbildung, besonders die Chirurgie wurde in Frankreich durch ein eigenes Institut in Saint-Come gefördert, das ab 1656 unter der Aufsicht des Premier Barbier du Roy stand.159 Ein hoher Grad an Mobilität herrschte allgemein unter medizinisch Auszubildenden und Tätigen. Unter den französischen Barbieren in Wien, von denen der Großteil von Hofbefreiungen lebte, findet sich unter den regionalen Herkunftsorten nur Lothringen als mehrfach vertreten, was im Zusammenhang mit dem Exil der lothringischen Herzogsfamilie in Wien gestanden haben muss. Dies kann zumindest für den Leibmedicus des Herzogs, Nicolaus Vallete, angenommen werden. Der einzige direkte Bezug zur französischen Medikation zeigt sich in der Verwendung der Brechwurzel durch Mitglieder der Familie Harrach. Jean-Adrien Helvétius (1661– 1727), Leibarzt von Ludwig XIV., führte die Radix Ipecacuanha (Brechwurzel), die von einem portugiesischen Jesuiten in Brasilien entdeckt worden war, in Frankreich erfolgreich als geheime Rezeptur zur Behandlung der Dysenterie ein. 1690 verkaufte er seine Rezeptur, wodurch die Brechwurzel weitere Verbreitung fand.160 Bereits 1707 nahm Aloys Thomas Raimund von Harrach sie zur Bekämpfung von Magenschmerzen ein,161 aber Zusammenhänge mit der Konsultation des französischen Chirurgen Sannan 1679162 in Wien sind auszuschließen. Der gesundheitstherapeutisch-medizinische Bereich kann daher ähnlich wie die Kosmetik als wenig produktiv für den Kulturtransfer von Frankreich nach Wien beurteilt werden, obwohl die Anzahl der immigrierten Barbiere hoch war.
158 Vgl. HORN: Hebammen. In: JB d. Vereins f. Geschichte d. Stadt Wien 59 (2003), S. 35–38. Harry KÜHNEL: Mitterlalterliche Heilkunde in Wien. Graz/Köln 1965, S. 26, 29, 100–103. Sabine SANDER: Handwerkschirurgen. Sozialgeschichte einer verdrängten Berufsgruppe. Göttingen 1989, S. 41, 54. 159 Vgl. Alexandre LUNEL: La Maison médicale du Roi. XVIe–XVIIIe siècles. Seyssel 2008, S. 44–62. 160 Vgl. Werner GERABEK/Bernhard HAAGE/Gundolf KEIL/Wolfgang WEGNER: Enzyklopädie Medizingeschichte. Berlin/ New York 2005, S. 207 und 567. 161 ÖStA, AVA, Harrach 73, Korrespondenz Franz Anton, Brief vom 13. Jän. 1707. 162 ÖStA, AVA, Harrach 2556, Wien Rechnungen Hauptkassa, Umschlag Wien Rechnungen 1678, unfoliert.
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5 Kleider machen Leute
Schlussfolgerungen Kein anderes Element des französischen Kulturmodells wurde in Wien in so hohem Maße rezipiert wie die französische Mode. Dieser Rezeptionsprozess verlief in Etappen. Da Wien prinzipiell auf die Einfuhr ausländischer Textilprodukte angewiesen war, wurden französische Luxusprodukte kontinuierlich seit dem 30-jährigen Krieg und schon zuvor nach Wien importiert. Der reine Import der Waren bedeutete jedoch erst die Grundlage für erfolgreichen Kulturtransfer von Frankreich nach Wien.163 Denn mit dem Kauf oder der Verwendung der Waren wurde ein bestimmtes modisches und repräsentatives Programm verbunden, was sich vor allem in Aufträgen an französische Handwerker zeigte. Trotz der Anwesenheit einiger weniger französischer Handwerker aus der Textilverarbeitung in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Wien (Noielle, La Chambre) stellten diese vor 1659 noch eine Ausnahme dar. Das Gesamtbild der französischen Immigration nach Wien zeichnet ein klares Bild: Die größte Dichte von Französinnen und Franzosen in Wien lag zwischen 1660 und 1720. Dies geht einher mit der Tatsache, dass Frankreich vor 1661 eben noch kein ausgefeiltes kulturelles Modell anzubieten hatte und auch erst nach dem Pyrenäenfrieden und der persönlichen Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Ludwig XIV. über die dazu nötige politische Macht und Strahlkraft verfügte. Französische Handwerker des Hutmacher- und Stickereigewerbes und ihre Produkte wurden zeitlich gesehen noch vor den französischen Kleiderformen in Wien ab etwa 1659 wahrgenommen und verwendet. Erst in den 1670er Jahren setzte eine verstärkte Aufnahme der robe à la française und des Justaucorps ein, bei der die französische Mode als Gesamtbild rezipiert und damit auch vermehrt ein Diskurs über französische Moden geführt wurde. Der Prozess des Kulturtransfers am Beispiel der französischen Mode in Wien fand schrittweise statt, einzelne Elemente wie Hüte und Stickereien wurden schon sehr früh rezipiert, die importierten französischen Textilien waren bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts hinein nicht stringent als französisch konnotiert. Wie dies die Einfuhrverbote Leopolds I. zeigten, setzte erst mit der Verschärfung des politisch-dynastischen Konflikts im Zuge der ungeklärten Sukzession in Spanien ab 1670 etwa ein klares Verbot und damit auch eine Benennung französischer Waren ein. Zur gleichen Zeit begannen der Hof und der Hofadel in breiterem Maße französische Mode zu rezipieren und nachzuahmen. Dabei wurden oft bestehende Kleidungsstücke französisch umgearbeitet, bzw. es kam zu einer Vermischung der einzelnen Stile. Bänder, Borten und Tressen wurden nach französischer Mode auf schwarze Frauenröcke appliziert, was einer Dekodierung sowohl der französischen wie auch der spanischen Kleidungsnormen gleichkam und produktive Umdeutungen in Ansätzen ermöglichte. Männermoden (Justaucorps, Perücke) dürften früher und schneller ihren festen Platz in der Bekleidung des Wiener Adels gefunden haben, allen voran durch die Familien Liechtenstein und Harrach.
163 Vgl. MULSOW: Konsumtheorie. In: Schmale (Hg.): Kulturtransfer 2003, S. 134.
5.2 Schneider, Sticker, Hut- und Perückenmacher
177
Die in der Textil- und Lederverarbeitung tätigen französischen Handwerker trugen einen existenziellen Beitrag zur Rezeption französischer Moden bei. Bei ihrer Integration in den Arbeitsmarkt wirkten sich zwei innersystemische Faktoren besonders positiv aus: Zum einen steigerten der nach dem 30-jährigen Krieg in Wien etablierte Hof und der Hofadel insgesamt die Nachfrage nach Textilprodukten und Dienstleistungen, sodass der tertiäre Sektor und die Textilindustrie die am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige Wiens im ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhundert darstellten. Zum anderen konnte Wien diese Nachfrage über den eigenen Arbeitsmarkt nicht decken, besonders in ausgesuchten Branchen der Luxusproduktion wie dem Gold- und Silberdrahtzug, der Stickerei oder der Huterzeugung fehlte es an qualifizierten Arbeitskräften. Französinnen und Franzosen, die in diesen Bereichen tätig wurden, kamen oft aus den Zentren der Produktion höfischer Textilindustrie wie Paris und Lyon und füllten damit Lücken im Wiener Arbeitsmarkt. In besonders hohem Maße zeigte sich dies bei den Stickern, die sogar den Nachzug aus den eigenen Reihen selbst organisierten, und bei den Perückenmachern. Viele Bereiche, die ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Wien verstärkt nachgefragt wurden, besaßen in Wien selbst kaum gewerbliche Traditionen wie zum Beispiel der Gold- und Silberdrahtzug oder die Perückenproduktion. Für Perückenmacher existierte in Wien bis 1697 nicht einmal eine zünftische Organisation, wodurch die hohe Anzahl der französischen Perückenmacher zu erklären ist. Dieses Handwerk stellte einen beinahe genuin französischen Gewerbezweig dar, der durch Ludwig XIV. und seine Schaffung einer eigenen Perückenmacherzunft wichtige strukturelle, innovative und wirtschaftliche Impulse erfahren hatte. In vielen Fällen waren französische ImmigrantInnen den Wiener Gewerbetreibenden in ihren Kompetenzen überlegen. Dies, der Wertschöpfungsfaktor der einzelnen Gewerbe und die gehobenen und privilegierten Anstellungsverhältnisse der Französinnen und Franzosen durch Hofbefreiungen und Adelshäuser bildeten oft die Grundlage für wirtschaftliche Prosperität. Französinnen und Franzosen stellten damit in einzelnen Bereichen eine starke wirtschaftliche Kraft und durch ihre Ausbildungskompetenzen von Lehrlingen einen Innovationsmotor für einzelne Gewerbe in Wien dar wie der Schneiderei, Stickerei, Huterzeugung und Perückenherstellung. Nicht in jedem Bereich war dies in gleicher Qualität möglich, wie es das nächste Kapitel zeigen wird.
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INTEGRATION UND REMIGRATION
Jean-Baptiste Monnot, von 1706 bis 1732 im Dienst des späteren GeneralFeldmarschalls Ludwig von Khevenhüller stehend, beschrieb 1721 in Linz sein Verhältnis zur österreichischen Bevölkerung folgendermaßen: „[...] je n'ay pas encore mis ma pelice, de peur que ces trois droles ne me dèspouillassent en plaine rüe, pour reprendre chacun ce qu'il luy appartient, j'aurai la trois beaux valets de chambre – un Marchand, un Peletier, et un tailleur, vous savè comme ils aiment les Franzosen, et moy surtout, […]“1
Dabei ging es um 60 fl., die Monnot den drei Geschäftspartnern für die Anfertigung eines Pelzmantels und einer Hose schuldete, die der Graf versprochen hatte zu bezahlen. Die Hervorhebung des Wortes „Franzosen“ in der Quelle durch ungeübte Kurrentbuchstaben innerhalb des sonst in lateinischen Buchstaben verfassten französischen Briefs unterstreicht auch optisch, dass das Verhältnis zwischen ImmigrantInnen und Einheimischen nicht immer konfliktlos war, schließlich traute sich Monnot nicht mehr auf die Straße aus Angst vor seinen „Gläubigern“. Die Frage nach der Integration der französischen ImmigrantInnen in die Mehrheitsbevölkerung ist nicht unwesentlich, steht sie doch im Spannungsverhältnis zwischen geglücktem oder gescheitertem Kulturtransfer und somit zwischen Assimilation und Remigration. Selten reflektierten MigrantInnen des 17. Jahrhunderts explizit über ihre Migrationsintentionen, wie dies Alexandre Bergeret 1670 tat, wenn er an Graf Ferdinand Bonaventura von Harrach schrieb: „si ie quite la france c'est pour touiour, [...]“2. Das Zitat täuscht jedoch über die Tatsache hinweg, dass Migration keine Einbahnstraße war und Remigration stets eine sehr reale Option für Migrierende darstellte, wie das Beispiel des Kochs Mercier aus dem Haushalt der Familie Harrach zeigen wird. Die Begriffe Integration und Remigration stecken ein weites theoretisches Feld an möglichen Migrationsschicksalen ab. Obwohl jede größere Migrationsbewegung auch von Remigration begleitet wird, ist die Rückwanderung nach wie vor ein theoretisch und empirisch vernachlässigtes Feld der historischen Migrationsforschung, dem erst jüngst mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Einzelstudien existieren mit wenigen Ausnahmen nur für das 19. und 20. Jahrhundert, wobei der Anteil von bis zu einem Drittel Remigranten gemessen an der Gesamtmenge der jeweils Migrierenden ein hoher Wert ist. Insofern überrascht die geringe Anzahl an Untersuchungen zur Rückwanderung und ihren Gründen.3 Dahingegen 1 2 3
ÖStA, HHStA, Khevenhüller, Kammer am Attersee, Fasz. 11, Teil 2: Umschlag Monnot, Brief 28. ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 25. Dez. 1670. Zum Forschungsstand vgl. Edda CURRLE: Theorieansätze zur Erklärung von Rückkehr und Remigration. In: Informationszentrum Sozialwissenschaften Bundesamt für Migration und
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6 Integration und Remigration
bietet die Forschung zur Integration ein fast unüberschaubares Angebot an Beiträgen und Studien, die ebenfalls ihren Schwerpunkt auf das 19. und 20. Jahrhundert legen. Untersuchungen zum 17. und 18. Jahrhundert sind insgesamt selten.4 Darüber hinaus wurden Migrationsmodelle stets für die Erforschung einer bereits industrialisierten Welt erstellt, was bei Forschungen zur Frühen Neuzeit zu berücksichtigen ist. Zur Begrifflichkeit ist zu sagen, dass der Großteil der Konzepte zur Eingliederung von ImmigrantInnen in die Mehrheitsbevölkerung, von jenen der Chicago School bis zu Hartmut Esser, den Begriff der Assimilation verwendet. Seit den 1980er Jahren setzte sich jedoch vermehrt der Begriff der Integration durch, da die Assimilation zu sehr mit der Anpassung der ImmigrantInnen und der Einebnung von Unterschieden verbunden wurde.5 Mit Integration werden Teilbereiche der Assimilation abgedeckt, es geht im Großen und Ganzen um die Eingliederung der ImmigrantInnen in verschiedene soziale Systeme der Aufnahmegesellschaft, eine wissenschaftliche Schärfe lässt der Begriff der Integration jedoch vermissen.6 Im Folgenden wird dennoch von Integration die Rede sein, vor allem da der Begriff der Assimilation mit der Kulturtransfertheorie, die schließlich für das Zustandekommen von Kulturtransferprozessen auf die Wichtigkeit der ImmigrantInnenidentität in der Gastgesellschaft hinweist,7 nur schwer zu vereinen ist. Ganz grundsätzlich bedeutet Integration zunächst mit Hartmut Esser den Zusammenhalt einzelner Teile in einem systemischen Ganzen und im Speziellen die Systemintegration als Organisation der Beziehungen und die soziale Integration als Organisation der Beziehungen zwischen den einzelnen Akteuren einer Gesellschaft. Nach Hoffmann-Nowotny meint Integration nichts anderes als Partizipation an der Gesellschaft, Heckmann sieht darin die Inklusion neuer Bevölkerungsgruppen in die
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Flüchtlinge (Hg.): Sozialwissenschaftlicher Fachinformationsdienst „Migration und ethnische Minderheiten“ 2 (2006), S. 7–23. Luigi LORENZETTI/Anne-Marie GRANET-ABISSET: Les migrations de retour. Jalons d'un chapitre méconnu de l'histoire alpine. In: Reto Furter/AnneLise Head-König/Luigi Lorenzetti (Hg.): Les migrations de retour. Zürich 2009, S. 13–24. Beispielhaft für das 17.–19. Jahrhundert im europäischen Kontext seien erwähnt: FURTER/ HEAD-KÖNIG/LORENZETTI: Migrations de retour 2009. Arnold H. BARTON: Remigration to Sweden in European Perspecitve. In: Swedish-American Historical Quarterly 56/1 (2005), S. 57–75. Christopher KLESSMANN: Comparative Immigrant History: Polish workers in the Ruhr area and the North of France. In: Journal of Social History 20/2 (1986), S. 335–353. Tibor FRANK: Misintegration and Remigration. Temporary austro-hungarian Immigrants in the United States. In: Annales Universitatis Scientiarum Budapestinensis 23 (1983), S. 263– 270. Harry S. STOUT: The Morphology of Remigration: New England University Men and Their Return to England, 1640–1660. In: Journal of American Studies 10 (1976), S. 151–172. Beispielhaft aus der Kulturtransfertheorie vgl. Katharina MIDDELL: Hugenotten zwischen Leipzig und Lyon – die Familie Dufour. In: Kokorz/Mitterbauer (Hg.): Übergänge 2004, S. 47–72. Vgl. Ingrid OSWALD: Migrationssoziologie. Konstanz 2007, S. 108–109. Vgl. Jutta AUMÜLLER: Assimilation. Kontroversen um ein migrationspolitisches Konzept. Bielefeld 2009, S. 131. ESSER: Alternativen. In: IMIS-Beiträge 23 (2004), S. 45. Hartmut ESSER: Soziologie. Bd. 2: Die Konstruktion der Gesellschaft. Frankfurt/New York 2000, S. 285–289. Vgl. EßER: Migrationsgeschichte. In: Fuchs/Trakulhun (Hg.): Europa 2003, S. 74.
6.1 Vom Spracherwerb zum Bürgerrecht
181
bestehenden sozialen Strukturen.8 Dieses Kapitel fokussiert daher, inwiefern und über welche Strategien sich die französischen und savoyischen ImmigrantInnen in Wien und Umgebung in eine mehr oder weniger inhomogene Gesellschaft und ihren Arbeitsmarkt eingliedern konnten bzw. weshalb sie daran scheiterten. Die französische Immigration ist im Folgenden stets im Vergleich zur zahlenmäßig stärkeren und besser untersuchten italienischen zu beurteilen. Im Sinne einer sozialen Integration der Französinnen und Franzosen werden Sprachkompetenz, Eindeutschung der Nachnamen, endo- oder exogames Eheverhalten, ihre Vernetzung in Wien mit anderen Französinnen und Franzosen und mit der Mehrheitsbevölkerung sowie ihre Wohnsituation untersucht werden. Im Hinblick auf ihre Systemintegration sind der Erwerb des Bürgerrechts und die Bildung einer Community als tragfähiges soziales System Thema des ersten Unterkapitels. Aspekte von Desozialisierung oder Akkulturationsstress,9 die auch psychosomatische Auswirkungen berücksichtigen, können wegen fehlender Quellen nicht bearbeitet werden. 6.1
VOM SPRACHERWERB ZUM BÜRGERRECHT
Als der savoyische Handelsmann Augustin Cleas 1693 in Wien verstarb und sein Vetter Antoine Cleas als Universalerbe das Testament annehmen und „vergreifen“ lassen wollte, benötigte er dazu die Hilfe von Johann Tissot, ebenfalls savoyischer Handelsmann, Zeuge des Verstorbenen bei der Testamentsabfassung und nun Bevollmächtigter des Erben, da Cleas der deutschen Sprache nicht mächtig war und dadurch den Notariatsakt selbst nicht veranlassen konnte.10 Die Sprache der Mehrheitsbevölkerung zu beherrschen, stellt im Normalfall einen wesentlichen ersten Schritt für ImmigrantInnen zu einer erfolgreichen Sozial- wie auch Systemintegration dar. Denn durch das Verlassen der ursprünglich zugehörigen Sprachgemeinschaft verliert der Migrierende zunächst seine kommunikative Sicherheit, die Teilhabe an einer Wissens- und Erfahrungsgemeinschaft und nicht zuletzt den identitätsbildenden Interaktionsrahmen. Isolation und psychosoziale Instabilität können die Folge sein.11 Für das Zurechtfinden in der Mehrheitsbevölkerung ist der Spracherwerb daher eine grundlegende Voraussetzung. Der Befund der untersuchten Französinnen und Franzosen in Wien zeigt diesbezüglich, vor allem für die erste Generation, ein differenziertes Bild der Sprachkompetenz, das sich unterschiedlichen Anforderungen anpasste. Je nach Herkunft, Profession, Arbeitgeber und sozialer Stellung der MigrantInnen sind unterschiedliche Sprachkenntnisse zu verzeichnen. 8 9
Vgl. AUMÜLLER: Assimilation 2009, S. 106, 119, 127. Vgl. Kathrin DÜSENER: Integration durch Engagement? Migrantinnen und Migranten auf der Suche nach Inklusion. Bielefeld 2010, S. 189–190. Petrus HAN: Soziologie der Migration. Erklärungsmodelle, Fakten, Politische Konsequenzen, Perspektiven. Stuttgart 2000, S. 178– 209. 10 WStLA, Alte Ziviljustiz, A1 Testamente, 9417/1692. 11 Vgl. HAN: Soziologie der Migration 2000, S. 182–188.
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6 Integration und Remigration
Prinzipiell kann davon ausgegangen werden, dass Deutschkenntnisse für die Aufnahme in den Hofdienst oder für eine Hofbefreiung erforderlich waren. Dies zeigen die seltenen positiven Bewertungen des kaiserlichen Obersthofmeisters über vorhandene Sprachkompetenzen Anderssprachiger bei der Aufnhame in den Hofdienst, so etwa bei Claudius Bernardus Bechet, der sich vor seiner Bewerbung in Wien geraume Zeit im Reich aufgehalten und dort unterrichtet habe,12 oder bei Peter Quantin, der bei seiner Ankunft in Wien bereits fließend Deutsch sprach.13 Folglich wurde beim Sänger Jacob Fillet seine unzureichende Aussprache und Manier bemängelt.14 Am kaiserlichen Hof in Wien wurde bis Maria Theresia öffentlich nicht Französisch gesprochen, besonders unter Leopold I. galt Französisch am Hofe als verpönt. Der Kaiser verweigerte französischen Gästen, ihnen in ihrer Muttersprache zu antworten, obwohl dies üblich und Leopold der französischen Sprache mächtig war.15 Die meisten Hofhandwerker standen jahre- wenn nicht jahrzehntelang im Dienste eines Habsburgers, wie etwa Peter Le Grand als Perückenmacher und Leibbarbier, und durch den persönlichen Umgang mit den Mitgliedern der Herrscherfamilie ist davon auszugehen, dass der Großteil bereits in der ersten Generation profunde Deutschkenntnisse besaß. Dennoch wurden vor allem bei hochqualifizierten Fachkräften Ausnahmen in Kauf genommen. Jean Trehet, Tapezierer und Garteningenieur, dürfte bis zu seinem Lebensende Deutsch nur in Ansätzen erlernt haben, sein Testament verfasste er in französischer Sprache.16 Peter Deprez und Johann Nicola Lespine (La Vesne) hinterließen ebenfalls französische Testamente,17 wobei Peter Deprez durch seinen frühen Tod nur wenig Zeit zum Spracherwerb blieb. Lespine hingegen dürfte ähnlich wie Trehet trotz 44-jährigem Hofdienst den Sprachwechsel im privaten Bereich nicht vollzogen haben. In besonderen Sparten wie dem Theater, in dem vorwiegend Italiener vor und hinter den Kulissen arbeiteten, waren hingegen italienische und französische Sprachkenntnisse für die Kommunikation sogar von Nöten, um überhaupt aufgenommen zu werden.18 Andere Voraussetzungen fanden Französinnen und Franzosen im Dienst für eines der renommierten Adelshäuser vor. Zum Bildungsziel des Adels gehörte das Erlernen der französischen Sprache, mündliche wie schriftliche Kompetenzen wurden großteils vor Ort im Zuge einer Kavalierstour erworben. Der Großteil des Wiener Adels sprach mehr oder weniger gut Französisch, das nur bei Hofe nicht verwendet wurde.19 Viele von ihnen, sofern sie am diplomatischen Dienst interes12 13 14 15 16 17 18 19
ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 311r. ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 5, f. 487v. ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 7, f. 217v. Vgl. Ferdinand BRUNOT: Histoire de la langue française. Bd. 8.1. Le français hors de France au XVIIIe siècle. Paris 1967, S. 548. Vgl. PILLICH: Jean Trehet. In: JB des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 12 (1955/56), S. 142. WStLA, Alte Ziviljustiz, A1 Testamente 10.137/1686 und 10.291/1694. Vgl. JEKL: Italiener 1953, S. 33–37. Vgl. POLLEROß: Kunstgeschichte oder Architekturgeschichte. In: Polleroß (Hg.): Fischer von Erlach 1995, S. 64.
6.1 Vom Spracherwerb zum Bürgerrecht
183
siert waren, beherrschten Französisch auf hohem Niveau, so etwa Ferdinand Bonaventura von Harrach und sein Sohn Aloys Thomas Raimund, die ihre Korrespondenz teilweise auf Französisch führten,20 oder Ludwig Andreas Khevenhüller, dessen Kriegstagebuch auf Französisch verfasst ist.21 Darüber hinaus verwundert es nicht, dass der Posten des Hofmeisters in diesen beiden Familien mit Franzosen besetzt war. Caspar Ambros Maignin de Fleurey, der später am Kaiserhof als Hofkammerrat Karriere machte, ist dafür ein gutes Beispiel aus dem Haushalt der Harrach. Aus der Franche-Comté stammend, schrieb er fließend Französisch, Deutsch und Italienisch und beherrschte die deutsche Kurrentschrift.22 Französische ImmigrantInnen, die ihre Geschäfte und Dienstleistungen über den gräflichen Hofmeister abrechnen konnten, benötigten nicht unbedingt Deutschkenntnisse. Dies schlägt sich auch in den Handwerkerrechnungen nieder. Die Hutmacher Estienne Mougenot und Johann Jakob Fauconet (zweite Generation), der Chirurg Sannan sowie Carl Claude Brodeu und der Handelsmann Du Buisson verfassten ihre Rechnungen für das Haus Harrach in französischer Sprache. Der Schuhmacher Maurice Bosquillion ließ seine Rechnungen auf Deutsch schreiben, fügte aber in ungelenker Hand immer wieder Notizen auf Französisch und seine Unterschrift darunter.23 Trotz des Franzosen-freundlichen Klimas im Haushalt der Harrachs wirkten sich die fehlenden Deutschkenntnisse der beiden Köche Mignon und Mercier eher negativ auf ihren Verbleib in Wien aus, da die Verständigung mit dem übrigen Küchenpersonal schwierig war, was Thema des nächsten Unterkapitels sein wird. Nicht ganz so ausgeprägt, aber dennoch ein ähnliches Bild der Sprachkenntnisse zeigen die Franzosen, die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts für die Familie Khevenhüller arbeiteten. Jean-Baptiste Monnot (vgl. Eingangszitat), der in Linz zum Teil Beraterfunktionen für die Familie übernahm, korrespondierte mit Ludwig Andreas von Khevenhüller stets auf Französisch, selbst dessen Sohn François Louis aus der zweiten Generation richtete noch französische Briefe an den Grafen.24 Ebenso taten dies der Hofmeister Joseph Thévenot, der Handelsmann Guissart Lambert und der Handwerker de la Pierre.25 Während die französische Korrespondenz des Harrachschen Haushalts in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts noch eher die Ausnahme darstellte, entwickelte sich ab dem 18. Jahrhundert Französisch auch in Wien vermehrt zur Hof- und AlamodeSprache,26 dieser allgemeine Zeitgeist darf in diesem Kontext nicht unterschätzt 20 ÖStA, AVA, Harrach 73, Korrespondenz des Ferdinand Bonaventura und 241, Korrespondenz des Aloys Thomas Raimund. 21 ÖStA, HHStA, Khevenhüller 162, Tagebuch des Ludwig Andreas. 22 ÖStA, AVA, Harrach 279, Korrespondenz Maignin de Fleurey. 23 ÖStA, AVA, Harrach 2556, Wien Rechnungen Hauptkassa. 24 ÖStA, HHStA, Khevenhüller, Kammer am Attersee, Fasz. 10, Umschlag Monnot und Fasz. 11, Umschlag Monnot. 25 ÖStA, HHStA, Khevenhüller, Kammer am Attersee, Fasz. 12, Umschlag Jos. Thevenot, Fasz. 11, Umschlag Lambert Guissart und Fasz. 13, Umschlag De La Pierre. 26 Vgl. Johannes KRAMER: Französisch bei Hofe und auf den Höfen. In: Berger/Sick (Hg.): Kulturtransfer 2002, S. 209–218.
184
6 Integration und Remigration
werden. Die erste Generation der französischsprachigen ImmigrantInnen favorisierte sicherlich in jenen Bereichen, wo dies möglich war, die französische Sprache, grundlegende Deutschkenntnisse dürfte aber der Großteil aufgewiesen haben. Mangelhafte Sprachkompetenzen im Deutschen waren daher nicht per se ein Grund für das Scheitern von Integration oder Kulturtransfer. Für die zweite Generation können aufgrund von fehlenden Quellen diesbezüglich keine Angaben gemacht werden. Es kann jedoch festgestellt werden, dass die zweite Generation, sofern diese erfassbar ist, profunde Französischkenntnisse im Mündlichen wie im Schriftlichen aufwies, was die Briefe und Rechnungen eines Johann Jakob Fauconet und eines François Louis Monnot zeigen. Eine Sonderstellung kam den savoyischen hofbefreiten Händlern zu. Durch den über Generationen tradierten Wanderhandel stellten Sprachbarrieren kaum ein Problem für Savoyer in Wien dar. Darüber hinaus waren sie durch die Lage Savoyens in einer Sprachkontaktzone an Mehrsprachigkeit gewöhnt. Im Aostatal überlebte ein hoch-alemannischer Dialekt als Sprachinsel und direkt an das französischsprachige Gebiet grenzten italienischsprachige.27 Es ist anzunehmen, dass das tägliche Geschäft keine größeren Probleme für savoyische Einwanderer darstellte, profunde Deutschkenntnisse waren aber keinesfalls bei jedem Händler vorauszusetzen, wie das Eingangsbeispiel von Antoine Cleas zeigte, der für einen Notariatsakt Beistand benötigte. Äußerst integrationswillig zeigten sich die Savoyer, was das Eindeutschen ihrer Namen anbelangte. Dabei ist nicht die prinzipiell übliche Eindeutschung von nicht deutschen Namen in öffentlichen Texten der Wiener Kanzleien relevant, sondern ob der Migrant auch selbst mit dem eingedeutschten Namen unterzeichnete. Bei französischen ImmigrantInnen kursierten zwar in allen Wiener Dokumenten zahlreiche Namensvariationen, die im Wesentlichen zeigen, dass deutschsprachige Schreiber gemäß der Phonemsubstitutionsregeln und der Phonem-Graphem-Beziehungen die französischen Namen dem Deutschen anpassten, jedoch existiert kein bekannter Beleg dafür, dass französische MigrantInnen mit diesem Namen selbst unterschrieben. Unter den Savoyern hingegen gibt es im gesamten deutschen Sprachraum zahlreiche Belege dafür, sogar Übersetzungen der Namen waren üblich, wie etwa Le Roy zu „König“ oder Lavigne zu „Reb“.28 In Wien ist für Jacob Chappuis auch die Schreibform Schöppi belegt.29 Der Name Valentin Zaller dürfte ebenso zustande gekommen sein.30 Die Gründe für die Eindeutschung sind sicherlich in der Pragmatik international oder zumindest überregional tätiger Händler zu suchen. Der Spracherwerb von MigrantInnen hing nicht unwesentlich damit zusammen, in welcher sprachlichen Umgebung sich der Migrierende in Wien bewegte. Das Einheiraten in die Wiener Mehrheitsbevölkerung konnte sich dabei positiv, ein endogames Heiratsverhalten eher negativ auf die soziale Integration auswir27 28 29 30
Vgl. RAYNAUD: Savoyische Einwanderungen 2001, S. 46. Vgl. RAYNAUD: Savoyische Einwanderungen 2001, S. 45. ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 9, Konv. 1, f. 84v–85v. ÖStA, HHStA, RHR, Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien 11, Fasz. 11, Konv. 4, f. 545r–546v.
6.1 Vom Spracherwerb zum Bürgerrecht
185
ken. Dabei ist vorauszuschicken, dass sich das Heiratsverhalten der Herkunftskultur Frankreich und jenes der Zielkultur in Wien gemäß des European Marriage Patterns31 nicht grundsätzlich unterschieden. In Frankreich lag das Heiratsalter bei der ersten Ehe im Durchschnitt bei 26,6 (Männer) bzw. 24,5 (Frauen) Jahren auf dem Land und in den Städten etwas höher bei 29,9 (Männer) bzw. 27,5 (Frauen) Jahren. Prinzipiell ist von einem hohen Grad an geographischer und professioneller Endogamie auszugehen. Bei der Wahl des Ehepartners für die Kinder orientierten sich die Eltern stets an sozialökonomischen Kriterien, die im Wesentlichen darauf abzielten, den gesellschaftlichen Status der Ehepartner und der Familie beizubehalten. Besitzstandswahrung und möglicher sozialer Aufstieg bedingten eine gesellschaftliche Endogamie und einen hohen Grad an Ehen, deren Partner beide aus dem gleichen Beruf oder zumindest aus ähnlichen Berufsfeldern stammten. Damit einher ging eine geographische Endogamie, denn die meisten Ehepartner in Frankreich stammten aus einem Umkreis von maximal 10–20 km. In den Städten herrschte etwas mehr Mobilität durch größere Einzugsgebiete und die einzige Ausnahme bildete der Adel, der einen hohen Grad an exogamen Verbindungen aufwies.32 Sozialer Aufstieg war in Frankreich selten, aber über Generationen möglich, durch die Kombination von Vermögen und Einheiraten in die Handels- oder Finanzwelt und parallel dazu durch den Einstieg in Beamtenkarrieren galt sogar eine Anoblierung für realistisch.33 Ähnlich gestalteten sich die Verhältnisse in Wien. Das Erstheiratsalter lag in der Residenzstadt unter den Ratsbürgern bei 30,5 (Männer) bzw. 23,6 (Frauen) Jahren. Männer heirateten damit in Wien noch etwas später als in französischen Städten, Frauen dafür um einiges früher. Für Inwohner, das waren alle Personen, die nicht adelig oder bürgerlich waren, fehlen allerdings Vergleichswerte. Auch in Wien wurden vorwiegend geographisch und berufsbezogen endogame Ehen geschlossen, wobei nicht davon auszugehen ist, dass im Gewerbe regelmäßig untereinander geheiratet wurde. Vorkenntnisse der Braut für ein bestimmtes Tätigkeitsfeld waren nicht zwingend. Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts verschmolz das „mitleidende“ Bürgertum (steuerzahlend) mit der städtischen Mittelschicht, das waren Hofagenten und -handwerker, Dekretisten, Schreiber, Kammerdiener und gehobenes Hauspersonal. Ein gewisses Maß an sozialer Mobilität mit Heirats- und Aufstiegschancen war auch in Wien durch die Möglichkeiten der kaiserlichen 31 Vgl. Martin KRIEGER: Heiratsverhalten und Familienstrukturen im Wandel. In: Olaf Mörke/Michael North (Hg.): Die Entstehung des modernen Europa 1600–1900. Köln/Weimar/Wien 1998, S. 51–60. Joseph EHMER: Heiratsverhalten, Sozialstruktur, ökonomischer Wandel. England und Mitteleuropa in der Formationsperiode des Kapitalismus. Göttingen 1991, S. 15–18. 32 Vgl. John A. DICKINSON: Capital d'exploitation, âge et mobilité au mariage en Normandie au XVIIIe siècle. In: Luigi Lorenzetti/Anne-Lise Head-König/Joseph Goy (Hg.): Marché, migrations et logiques familiales dans les espaces français, canadien et suisse, 18e–20e siécles. Bern/Berlin/Brüssel [u.a.] 2005, S. 197–209. François LEBRUN/Antoinette FAUVE-CHAMOUX: Le mariage et la famille. In: Dupâquier (Hg.): Histoire de la population 1995, S. 300–305. 33 Vgl. Pierre CHAUNU: L'Etat. In: Pierre Chaunu/Richard Gascon (Hg.): Histoire économique et sociale de la France. Bd. 1: 1450–1660. Teil 1: L'Etat et la Ville. Paris 1977, S. 209–213.
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6 Integration und Remigration
Residenz gegeben.34 Wiederverheiratungen nach einem Witwenstand kennzeichneten darüber hinaus in Frankreich und in Wien das Heiratsverhalten.35 Bei einem durchschnittlichen Migrationsalter von 25–35 Jahren unter den französischsprachigen ImmigrantInnen ist es daher nicht verwunderlich, dass die überwiegende Mehrheit unverheiratet nach Wien kam. Von 131 dokumentierten Personen sind nur vier Fälle sicher belegt, in denen die Familiengründung in Frankreich stattgefunden haben muss und bei denen die Frau und etwaige Kinder an der Übersiedlung nach Wien partizipierten. Aufgrund der schlechten Quellenlage für einen Teil der Ehepartner können die folgenden Ausführungen über das Heiratsverhalten der französischen ImmigrantInnen nur als Richtlinie verstanden werden, denn von 131 dokumentierten Personen liegen nur für 56 Männer und eine Frau vermutlich erster Generation verwertbare Daten vor, die durch teilweise Wiederverheiratung in Summe 66 Ehen schlossen. Dennoch überrascht das Ergebnis durchaus, denn der Anteil an exogamen Ehen, das heißt mit Partnern aus der Wiener Mehrheitsgesellschaft, überwiegt klar den der endogamen Ehen. Von 66 untersuchten Ehen wurden 54,5% exogam und nur 39,4% endogam geschlossen (vgl. Abb. 10). Betrachtet man das Heiratsverhalten der Männer genauer, so wird ersichtlich, dass 28 Personen, also die Hälfte der untersuchten Immigranten, nur exogame Ehen, weitere fünf Personen endo- und exogame Ehen in beiderlei Reihenfolge geschlossen haben. Nur 35,7% der untersuchten Männer heirateten französischsprachige Frauen, wobei nur vier Personen ihre Frauen aus Frankreich mitbrachten, ebenso viele heirateten in Wien Französinnen und der Großteil unter ihnen, nämlich zwölf Männer, heiratete Frauen der zweiten Generation, also Töchter von französischen Immigranten (vgl. Abb. 11).
34 Vgl. Andreas WEIGL: Frühneuzeitliches Bevölkerungswachstum. Andreas WEIGL: Die (bürgerliche) Mittelschicht. Susanne Claudine PILS/Andreas WEIGL: Zur Geschichte von Ehe und Familie im frühneuzeitlichen Wien. In: Vocelka/Traninger (Hg.): Wien 2003, S. 120, 255– 260, 276–277. 35 Vgl. Gérard DELILLE: Remariages, mobilité sociale et construction de réseaux d'alliances en Europe Occidentale (Xe–XVIIIe siècle). In: Christophe Duhamelle/Jürgen Schlumbohm (Hg.): Eheschließungen im Europa des 18. und 19. Jahrhunderts. Muster und Strategien. Göttingen 2003, S. 363–386.
187
6.1 Vom Spracherwerb zum Bürgerrecht
12
endogame Ehen mit Frauen 1. Generation
14
Art der Ehe
endogame Ehen mit Frauen 2. Generation
endogame Ehen gesamt
26
exogame Ehen
36
Ehen mit Partnern anderer Herkunft
4 0
5
10
15
20
25
30
35
40
Anzahl der Nennungen in den Quellen
Art und Ort der Eheschließung
Abbildung 10: Verhältnis endo- und exogamer Ehen französischsprachiger ImmigrantInnen in Wien, 1630–1730.
3
Männer, die in Wien Frauen anderer Herkunft geheiratet haben
28
Männer, die exogam geheiratet haben 5
Männer, die in Wien endo- und exogam geheiratet haben
20
Männer, die endogam geheiratet haben insgesamt Männer, die in Wien endogam Frauen 2. Generation geheiratet haben
12
Männer, die in Wien endogam Frauen 1. Generation geheiratet haben
4
Männer, die ihre Frauen aus Frankreich mitgebracht haben
4
0
5
10
15
Anzahl
Abbildung 11: Eheverhalten französischsprachiger Migranten in Wien, 1630–1730.
20
25
30
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6 Integration und Remigration
Verallgemeinert man diese Werte, bedeutet dies, dass bereits in der ersten Generation mehr als die Hälfte der französischsprachigen Immigranten über Eheverbindungen Anschluss an die Wiener Mehrheitsgesellschaft fanden und sich integrierten. Einer der Gründe dafür liegt sicher darin, dass die französischsprachige Migration nach Wien fast zu 88% männlich war. Jene Männer, die ihre Familie also nicht mitbrachten, waren, wollten sie heiraten, auf den Wiener Heiratsmarkt angewiesen. Offenbar wurde auch nicht in Erwägung gezogen, Frauen für die Hochzeit aus Frankreich nach Wien anzuwerben, was möglicherweise auch am fehlenden Prestige der kaiserlichen Residenz Wien oder an den geringen Möglichkeiten und am Willen der Männer scheiterte. Vermehrt endogame Ehen wurden vor allem zwischen Immigrantentöchtern und Männern der ersten Migrantengeneration geschlossen, aber auch diese Möglichkeit zur endogamen Eheschließung war ob der insgesamt relativ kleinen MigrantInnenzahl begrenzt. Auf der anderen Seite bringen exogame Ehen zum Ausdruck, dass ein Großteil der Immigranten prinzipiell mit ihrer Lebenssituation in Wien zufrieden war, dass die Integration und der Verbleib in der Mehrheitsgesellschaft das Ziel der französischen Immigranten war und nicht die Remigration. Von den wenigen dokumentierten Söhnen mit französischem Migrationshintergrund sind nur exogame Eheschließungen bekannt und auch unter den Töchtern heiratete immerhin ein Drittel exogam. Eheschließungen mit Partnern anderer Herkunft, ItalienerInnen oder SpanierInnen etwa, blieben in beiden Generationen die Ausnahme. Schließlich zeigt das hohe Maß an Exogamie auch die Akzeptanz der französischen Migranten durch die Wiener Mehrheitsbevölkerung. Vergleicht man die in Wien konstatierten geringen Endogamie- und hohen Exogamiewerte mit Ergebnissen ähnlicher Studien, zeichnet sich durchaus Kontinuität im Integrationsverhalten französischsprachiger MigrantInnen ab. Französische Händlerkolonien in Sevilla an der Wende zum 17. Jahrhundert integrierten sich ebenso rasch über Eheschließungen in die Mehrheitsbevölkerung wie in Wien 100 Jahre später, da die Französinnen und Franzosen in Sevilla zahlenmäßig nicht die stärkste Einwanderergruppe waren.36 Auch savoyische Händler in Oberdeutschland suchten über Eheverbindungen mit oberdeutschen Frauen ihre Integration in die lokalen Handelskreise zu gewährleisten, Zuzüge aus Savoyen stellten eine Ausnahme dar.37 Im Zusammenhang mit der geographischen Exogamie steht die Frage nach berufsbezogener Endogamie und möglichem sozialem Aufstieg. Prinzipiell kann festgehalten werden, dass Fälle von sozialem Abstieg über Eheverbindungen bei französischsprachigen ImmigrantInnen nicht nachweisbar sind. Der überwiegende Großteil heiratete Frauen mit gleichem sozialem Status, was vor allem auf die endogamen Ehen zutraf. Dabei wiesen die Tapezierer und die 36 Vgl. Eberhard CRAILSHEIM: Seville and the European Atlantic Trade. A Network Study of French and Flemish Merchant Communities in Early Modern History (1580–1640). Graz: Diss. 2008, S. 79, 306–307. 37 Vgl. Martin ZÜRN: Savoyarden in Oberdeutschland. Zur Integration einer ethnischen Minderheit in Augsburg, Freiburg und Konstanz. In: Carl Hoffmann/Rolf Kießling (Hg.): Kommunikation und Region. Konstanz 2001, S. 402–407.
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Händler die größte professionelle Endogamie auf. Sowohl Jean Trehet als auch Carl Carpentier heirateten eine Tapeziererin bzw. eine Tapezierertochter,38 Anton Cointerell ehelichte die Witwe von Franz Pugniet,39 ebenfalls Handelsmann, und der Savoyer Antoine Cleas die Tochter eines Wiener hofbefreiten Händlers.40 Darüber hinaus gab es mehrere Ehen zwischen Perückenmachern und Schneidern bzw. ihren Töchtern. Exogame Eheschließungen gewährleisteten unter Umständen sogar den sozialen Aufstieg für französischsprachige Immigranten in Wien, wie die folgenden drei Beispiele demonstrieren. Der Pariser Hutmacher Richard Fauconet konnte aufgrund seiner guten finanziellen Reputation seine Kinder äußerst vorteilhaft verheiraten. Fauconet selbst ehelichte in zweiter Ehe Elisabeth Thimb, Tochter eines Kürschners und Witwe eines Stadt- und Landgerichtsbeisitzers. Seinen Sohn Johann Jakob, der das väterliche Gewerbe übernahm, verheiratete er mit Maria Barbara Resch, Tochter des Hutmachers Konrad Resch. Die Identität der Gattin seines Sohnes Joseph Anton liegt leider im Dunkeln. Der Sohn Ignatius allerdings ehelichte Maria Barbara von Sader,41 die Tochter Maria Elisabeth den kaiserlichen Fourier Joseph Faber, Sohn des Gerichtsadvokaten und öffentlichen Notars Andreas Faber, und die zweite Tochter Anna Maria Katharina ging die Ehe mit dem hofbefreiten Handelsmann Wolf Augustin Sautermeister von Sautersheim42 aus einer freiherrlichen Familie ein, die 1742–1764 den Bürgermeister von Buda stellte.43 Somit schaffte Fauconet es, seine Kinder nicht nur im ansässigen Wiener Hutmachergewerbe zu verankern, sondern auch in den niederen Adel einzuheiraten, was gemäß dem wirtschaftlichen Erfolg der Familie nun auch das gesellschaftliche Prestige förderte. Eine Erhebung in den Adelsstand für französische Immigranten ist weder für die Familie Fauconet noch für andere bekannt. Die Anoblierung stellte aber für andere französischsprachige Immigranten in Wien einen durchaus realistischen Weg zum sozialen Aufstieg dar, insbesondere für savoyische Händler sind mehrere Anoblierungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts belegt, nachdem sie sich erfolgreich im Großhandel, im Manufakturwesen und am Finanzmarkt integriert hatten, etwa für die Familien Saillet, Decret, Puthon und Roux.44 Eine besonders frühe Erhebung in den Adelsstand war jene der Familie Prian. Der Vater, Moritz Prian, hatte bereits 1612 unter Erz38 Vgl. für Trehet PILLICH: Jean Trehet. In: JB des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 12 (1955/56), S. 133. Bzw. für Carpentiers Eheprojekt mit der Tochter Peter Quantins: ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 7, f. 98v. 39 Trauungsmatriken St. Stephan 1666, vgl. http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx [Stand 15.04.2010]. 40 Liber promulgationum St. Michael 1695, vgl. http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx [Stand 15.04.2010]. 41 WStLA, Alte Ziviljustiz, A2, Verlassenschaftsabhandlungen, 349/1 1718. 42 Trauungsmatriken St. Stephan 1685–1697 und das Liber promulgationum St. Michael 1693, vgl. http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx [Stand 15.04.2010]. 43 Vgl. Franz SCHAMS: Vollständige Beschreibung der königl. freyen Haupt Stadt Ofen in Ungern. Ofen 1822, S. 525. J. G. MEUSEL: Vermischte Nachrichten und Bemerkungen historischen und litterarischen Inhalts. Erlangen 1816, S. 115–117. 44 Vgl. MAISTRE/MAISTRE/HEITZ: Colporteurs 1992, S. 110–112.
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herzog Matthias Kriegsdienst geleistet und war fortan als bürgerlicher Handelsmann tätig, seine Kinder trugen ab 1654 den Reichsadelstitel von Zallanzen,45 was auf die Herkunft der Familie aus Sallanches hinweist. Die Erhebung in den Ritterstand brachte unter anderem vorteilhafte Heiratsverbindungen zustande. Der Sohn Joseph Jakob heiratete die Tochter eines Zahlmeisters, ein weiterer Sohn, Matthias, ehelichte Christina Regina Ungrecht von Ungrechtsberg, die Tochter eines kaiserlichen Dieners und Weisboten in Österreich unter der Enns.46 Die Braut entstammte einer Salzburger Bürger- und Fleischhackerfamilie, die 1570 in den Reichsadelsstand von Ungrechtsberg erhoben wurde und seit 1630 immer wieder den Weisboten der Landeskanzlei in Österreich unter der Enns stellte.47 Die Tochter von Moritz Prian, Regina Katharina, heiratete in zweiter Ehe den niederösterreichischen Regierungsrat Johann Michael Seiz. Auch bei der Familie Prian zeigt sich klar, dass Heiratsverbindungen zwischen Handel, Beamtentum und Finanzwelt aus dem niederen Adel angestrebt wurden. Dass besonders das Hofhandwerk über Heiraten die Verbindung zum kaiserlichen Beamtentum und zum Handel suchte, illustriert das letzte Beispiel der Familie Le Grand aus Dünkirchen. Peter Le Grand, Perückenmacher und Leibbarbier Leopolds I., heiratete in erster Ehe endogam die Tochter des hofbefreiten Barbiers und Perückenmachers Johann de Mally, Anna Maria,48 in zweiter Ehe exogam Pauline Susanna Konstanze Stembler, Tochter des Handelsmanns und Mitglieds des Äußern Rats Sebald Stembler, und in dritter Ehe Petronilla Podentiana Huber, Tochter des Kanzlisten der Hofkammer Johann Huber.49 Jede Ehe spiegelt ein weiter gestecktes gesellschaftliches Ziel und die fortschreitende gesellschaftliche Integration Le Grands wider. Sein Sohn, Johann Michael Le Grand, der seine Ausbildung in Frankreich genoss,50 heiratete schließlich die Tochter eines Stadtrichters und kaiserlichen Baubestandsinhabers, Marianna Geiger.51 1709 wurde Le Grand in den Ritterstand erhoben und erhielt das Adelsprädikat Edler von Granenfeld.52 Für alle drei genannten Familien ist charakteristisch, dass der gesellschaftliche Aufstieg stets durch die Kombination von Kapital oder Hofdienst mit Eheverbindungen aus dem aufsteigenden Bürgertum, das Karrieren in der Beamtenschaft, Wirtschaft oder im Finanzwesen anstrebte und teilweise bereits geadelt worden war, funktionierte. Das Heiratsverhalten der französischsprachigen ImmigrantInnen kann insgesamt durch die zahlreichen exogamen Ehen als Zei45 ÖStA, AVA, Reichsadelsakten, AAK 10.IV.1654. 46 Trauungsmatriken St. Stephan 1660–1688, vgl. http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx [Stand 15.04.2010]. 47 Vgl. Walter von HUECK: Genealogisches Handbuch des Adels. Bd. 15. Limburg 2004, S. 139–140. 48 Vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 542. 49 Trauungsmatriken St. Stephan 1680, 1690, vgl. http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx [Stand 15.04.2010]. 50 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, f. 21r. 51 Trauungsmatriken St. Stephan 1691, vgl. http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx [Stand 15.04.2010]. 52 ÖStA, AVA, Hofadelsakten, AAK 27.IX.1709.
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chen erfolgreicher Integration in die Wiener Mehrheitsbevölkerung gewertet werden, bei der die ImmigrantInnen in der Regel nicht an Sozialprestige verloren. Ein weiterer Ausdruck von Sozialintegration ist der Grad der Vernetzung von MigrantInnen innerhalb der eigenen community und innerhalb der Aufnahmegesellschaft. In Bezug auf die ItalienerInnen im barocken Wien kann durchaus von einer ethnic community gesprochen werden, die den Zuwandernden Orientierung, Ansprache und Schutz bot und somit zu einer Binnenintegration führte. Damit ist die Integration von MigrantInnen in die Gruppe der Migrierenden gleicher Herkunft gemeint.53 1625 gründete der Beichtvater des Kaisers, Professor der Universität Wien und Jesuit Guglielmo Lamormaini, die Congregazione della Presentazione e di San Rocco, die fortan als Italienische Kongregation die von den Jesuiten getragenen Maßnahmen zur Gegenreformation und Rekatholisierung in der Öffentlichkeit stützen sollte. Die Italienische Kongregation in Wien war damit von Anfang an konfessionell verankert. Parallel dazu gründeten die italienischen Seidenweber 1690 in der Leopoldstadt einen Hilfsverein für ihr Gewerbe, die Confraternità del Sovvegno,54 die ebenso religiöse Ziele verfolgte und 1696 bereits 120 Mitglieder zählte, bei deren Zusammenkünften besonders die Pflege der italienischen Sprache im Vordergrund stand.55 Beide Institutionen wurden 1784 unter dem Namen „Italienische Kongregation“ vereint, die noch heute besteht. Jekl geht davon aus, dass auch den Savoyern in Wien eine ähnliche Vereinigung zur Verfügung stand.56 Belegt ist jedoch nur die Beteiligung des Savoyers Nicolas Revenaz an der Gründung des Wiener Salesianerinnenordens MariaeHeimsuchung durch Kaiserinwitwe Amalia Wilhelmine.57 Eine französische community im Sinne eines Vereins oder einer Bruderschaft wurde in Wien nie gegründet, man kann also prinzipiell davon ausgehen, dass die französische Binnenintegration im Vergleich zu den ItalienerInnen in Wien äußerst gering ausgebildet war. Dies lag natürlich auch an der Größe der communities. Die ItalienerInnen stellten als größte MigrantInnengruppe, die nicht aus dem Reich kam, mit 2– 5% an der Wiener Bevölkerung58 einen merkbaren Anteil, während sich die Anzahl der französischen MigrantInnen deutlich darunter befunden haben muss. Daher soll die Vernetzung der Französinnen und Franzosen anhand einer sozialen Netzwerkanalyse mehr Aufschluss über ihre sozialen Beziehungen zueinander und zur Wiener Bevölkerung geben. Die Netzwerkanalyse stellt mittlerweile ähnlich wie in den Sozialwissenschaften auch in der Geschichtswissenschaft ein hilfreiches Methodeninstrument zur 53 Vgl. OSWALD: Migrationssoziologie 2007, S.119–125. 54 Vgl. Walther BRAUNEIS: Die Italienische Congregation in Wien. In: Mitteilungen der internationalen Stiftung Mozarteum 3/4 (1999), S. 32. Sowie OPLL: Italiener 1987, S. 11. 55 Vgl. THIRIET: La mort 1976, S. 37–38. 56 Vgl. JEKL: Italiener 1953, S. 56. 57 Vgl. RAYNAUD: Savoyische Einwanderungen 2001, S. 81. 58 Schätzungen divergieren erheblich: 5–10% vgl. THIRIET: La mort 1976, S. 127. Jekl geht hingegen im gleichen Zeitraum von nur 2.000 ItalienerInnen aus (= 2–3% der Wiener Bevölkerung), vgl. WEIGL: Frühneuzeitliches Bevölkerungswachstum. In: Vocelka/Traninger (Hg.): Wien 2003, S. 124.
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Analyse und Veranschaulichung von sozialen Beziehungen und Verflechtungen dar. Der Ausgangspunkt der Netzwerkanalyse sind reale Interaktionen und Beziehungen zwischen Akteuren, aus deren Zusammenwirken und Gesamtheit Gruppen, Gruppenzugehörigkeiten, individuelle Handlungsspielräume und Abhängigkeiten abgeleitet werden können. Netzwerke sind Ausdruck von sozialem Kapital, das für die Integration von ImmigrantInnen nicht unwesentlich ist.59 Das im Folgenden erarbeitete soziale Netzwerk der französischsprachigen ImmigrantInnen in Wien ist als Gesamtnetzwerk konzipiert, sämtliche Beziehungen aller Französischsprachigen zu anderen ImmigrantInnen und NichtimmigrantInnen wurden dokumentiert. Das Netzwerk zeigt keine Momentaufnahme, sondern einen Überblick über zwei Generationen, der mit dem Betrachtungszeitraum 1660–1720 korreliert. Eine Gewichtung von starken und schwachen Beziehungen, weak und strong ties, wird nur mittelbar getroffen und nur in der graphischen Umsetzung des Netzwerks sichtbar sein (vgl. Abb. 12). Als strong ties wurden die Familienverhältnisse gewertet, worunter Ehen, Nachkommen, Geschwister, Vettern, Patenschaften und mögliche Verwandtschaften fallen. Arbeitsverhältnisse, Bekanntschaften sowie Zeugenschaften wurden dagegen als lockere Beziehungen qualifiziert. 21 der dokumentierten Personen blieben unverbunden und konnten in kein Netzwerk integriert werden, 28 weitere Personen wiesen zwar zwischen ein und sechs Beziehungen auf, konnten aber nicht an ein größeres Netzwerk angeschlossen werden und werden in der folgenden Analyse nicht weiter behandelt. Die Gründe für ihre geringe Vernetzung können an den fehlenden sozialen Bindungen der Personen liegen oder auch in der prekären Quellenlage über diese Personen begründet sein, was ein prinzipielles Problem bei der Erstellung historischer Netzwerke ist. Alle verbleibenden Personen konnten einem größeren Netzwerk zugeordnet werden, was zeigt, dass die überwiegende Mehrheit der französischsprachigen ImmigrantInnen prinzipiell Verbindungen zu anderen Französischsprachigen unterhielt. Allerdings beträgt die Dichte, jener Wert, der das Verhältnis der realisierten Beziehungen zur Zahl der möglichen Beziehungen angibt, im Netzwerk nur 0,008, was ein äußerst geringer Wert ist verglichen beispielsweise mit einem Augsburger Händlernetzwerk des 16. Jahrhunderts, dessen Dichte bei 0,13 liegt.60 Dies bedeutet, dass das Netzwerk der französischen ImmigrantInnen nur bedingt effizient war und bei weitem nicht das Potential nutzte, das möglich gewesen wäre. Diese These kann durch weitere Kennzahlen untermauert werden. Der Degreewert erfasst die Zahl der direkten Verbindungen einer Person, gibt also an, wie hoch ihre Kommunikationsaktivität ist.61 Nur 14 Personen unterhielten mehr als acht Verbindungen, darunter finden sich neben dem Perückenmacher Peter Le 59 Vgl. WETHERELL: Network Analysis. In: International review of social history 43, Supp. 6 (1998), S. 125–144. Mark HÄBERLEIN: Brüder, Freunde und Betrüger: Soziale Beziehungen, Normen und Konflikte in der Augsburger Kaufmannschaft um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Berlin 1998, S. 20–23. 60 Vgl. HÄBERLEIN: Brüder 1998, S. 67. 61 Vgl. JANSEN: Einführung Netzwerkanalyse 2006, S. 132–133 und 137.
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Grand, dem Sticker Carl Claudius, dem Tapezierer Jean Trehet, dem Hutmacher Richard Fauconet und dem Hofmeister Caspar Ambros Maignin de Fleurey auch die adeligen Häuser Harrach und Liechtenstein, die offensichtlich mit französischen ImmigrantInnen gut vernetzt waren (genaue Aufstellung der Degreewerte siehe Anhang). Noch klarer umreißt die Betweenness die Struktur des Netzwerks, denn sie analysiert die Anzahl der kürzesten Verbindungen zwischen Punktepaaren durch einen Punkt und ist daher das Maß für die mögliche Kommunikationskontrolle. Sie deutet an, welche Personen Informationen oder Ressourcen monopolisieren konnten und damit Schlüsselpositionen inne hatten.62 Den höchsten BetweennessGrad weist die Familie Liechtenstein mit 0,335 auf (vgl. Abb. 12). Sie unterhielt Verbindungen zu drei Franzosen mit sehr hohen Betweennesswerten, nämlich Jean Trehet (0,288), Johann Nicola La Vesne dit Lespine (0,251) und Richard Fauconet (0,212). Die Familie Liechtenstein war also in noch höherem Maße als die Familie Harrach (Betweenness 0,196) in der Lage, Schlüsselpositionen innerhalb der Kommunikation des Netzwerks zu übernehmen. Interessant ist auch die Person Peter Deprez, da sie den zweithöchsten Betweennesswert aufweist: 0,322 (vgl. Abb. 12) und dies, obwohl Deprez früh verstarb und nur etwa vier Jahre in Wien wirkte. Als Sticker gehörte er allerdings zu einer Immigrantengruppe, die innerhalb ihres Gewerbes sehr geschickt agierte (vgl. Kap. 5.2). Deprez stellte das Verbindungsglied zu zwei wichtigen Clustern her, nämlich zum Cluster um Anton Cointerell, der wiederum die savoyischen Händlerfamilien Pugniet und Douex an sich band, und zu einem zweiten Savoyer-Cluster, jener der Familie Cleas, an den auch Prinz Eugen von Savoyen und die Brüssler Familie Tourneville angebunden waren. Der Mittelsmann zwischen Deprez und der Familie Cleas war der Notar Kirchstatter, der für beide und im Übrigen auch für Gervais Fauconet die Testamentsangelegenheiten übernahm.63 Es ist wohl kein Zufall, dass drei französischsprachige Immigranten innerhalb von sechs Jahren denselben Notar wählten, eine Bekanntschaft kann als wahrscheinlich gelten. Immerhin fanden sich ähnliche Sachverhalte zur Häufung bestimmter Notare auch in den Testamenten italienischer MigrantInnen.64
62 Vgl. JANSEN: Einführung Netzwerkanalyse 2006, S. 134–137. 63 WStLA, Alte Ziviljustiz, A 1 Testamente 9062/1687, 9417/1692, 10.137/1686. 64 Vgl. THIRIET: La mort 1976, S. 110.
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Abbildung 12: Personen mit den höchsten Betweenness-Centrality-Werten (an der Größe der Knoten ablesbar) im französischen ImmigrantInnennetzwerk, 1620–1720, Ausschnitt.
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Die Analyse der wichtigsten Verbindungen zwischen jenen Akteuren mit den höchsten Betweennesswerten (Edge Betweenness, siehe Anhang) ergab, dass unter den 30 wichtigsten Verbindungen fast ausschließlich die Arbeit oder die Zeugenschaft als Interaktion auftritt. Sowohl die adeligen Familien Liechtenstein und Harrach waren über weak ties (Arbeitsverhältnisse) mit französischen ImmigrantInnen verbunden, als auch die Französinnen und Franzosen untereinander großteils über schwache Verbindungen, nämlich Zeugenschaften, interagierten. Dieses Ergebnis geht mit den vorwiegend exogamen Eheschließungen einher und lässt auf eine schwache Intensität des Netzwerks schließen, in dessen Zentrum eindeutig ein relativ kleiner Kreis von sehr erfolgreichen Franzosen operierte. Die hohen Betweennesswerte für die Häuser Liechtenstein und Harrach erscheinen jedoch quellenbedingt. Der Großteil dieser Franzosen mit hohen Zentralitätswerten kam nicht aus Rand- oder Sprachkontaktzonen, sondern direkt aus Frankreich: Peter Deprez, Claudius Carl, Jean Trehet, die Familie Fauconet, der Zuckerbäcker La Vesne dit Lespine, Maignin de Fleurey und die Perückenmacher Granger und Truchet. Eine höhere Dichte von Lothringern um die Personen La Vesne dit Lespine, die Ärzte Nicolaus Vallete, Anton und Niclas Pinon, Nikolaus Gangloff und die Familie Marchant ist in der Nähe des Hauses Lothringen auszumachen, von einer community kann aber auch hier nicht die Rede sein. Carl Claudius aus Grasse könnte die Verbindung zur italienischen Gemeinde hergestellt haben, denn dieser war 1713 mit Johannes Baptista Peter Deffenini, Andreas Longo und Thomas Bello eine geschäftliche Kooperation eingegangen, darüber hinaus war er mit dem Stukkateur Santino Bussi bekannt und übernahm zusammen mit ihm die Patenschaft für den Sohn des Fortifikationsingenieurs Donato Allio.65 Flamen und Savoyer nahmen im französischsprachigen Netzwerk eher Randpositionen ein, besonders die Savoyer waren nur über wenige schwache Beziehungen mit den Franzosen verbunden. Allein die große Präsenz von Personen aus der Wiener Mehrheitsbevölkerung im Netzwerk macht deutlich, dass die französischsprachigen ImmigrantInnen in Wien gut integriert waren. Den hohen Integrationsgrad der französischen ImmigrantInnen unterstreicht auch die Tatsache, dass es zu keiner residentialen Konzentration oder Segregation der Französinnen und Franzosen am Wohnungsmarkt in Wien kam. Die Absonderung von MigrantInnen in suburbanen städtischen Siedlungsgebieten oder ihre räumliche Konzentration auf transitorische Zonen einer Großstadt, wie es heute üblich ist,66 war auch im 17. und 18. Jahrhundert eine Möglichkeit zur Ansiedlung von MigrantInnen. Eine Konzentration der ItalienerInnen im 18. Jahrhundert in den Vorstädten Mariahilf, Spittelberg, Neubau, Josephstadt und Leopoldstadt sind belegt.67 Dennoch wohnten ItalienerInnen, die für den Hof arbeiteten, großteils in der Stadt, da sie Anspruch auf ein Hofquartier hatten. Insgesamt stellte sich die Situation am Wiener Wohnungsmarkt recht prekär dar. Die Wohnungsnot manifestierte sich vor allem nach der zweiten Türkenbelagerung, als Wien zur kaiserli65 Vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 292. 66 Vgl. HAN: Soziologie der Migration 2000, S. 223. 67 Vgl. JEKL: Italiener 1953, S. 56–57.
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chen Residenz ausgebaut wurde und der Hofadel und höfische Beamte noch mehr als zuvor in die innere Stadt drängten. Der Anteil der adeligen Wohnparteien verdreifachte sich zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert, während die bürgerlich Gewerbetreibenden in die Vorstädte verdrängt wurden. Der Wandel der Sozialstruktur der Stadt war auch an der sozialen Gliederung der Hausbesitzer abzulesen, ab 1664 nahm der adelige Hausbesitz verstärkt auf Kosten der bürgerlich Gewerbetreibenden und auf Kosten des Hofpersonals und der Hofbeamten zu.68 Lady Mary Wortley Montagu schilderte die Quartiersnot in Wien 1716 in einem Brief an Lady Mar folgendermaßen: „Da die Stadt für die Menge der Menschen, die in ihr zu leben wünscht, viel zu klein ist, scheinen die Baumeister diesem Missgeschick dadurch abzuhelfen, dass sie eine Stadt über die andere türmen, die meisten Häuser haben fünf, manche sogar sechs Stockwerke. […] es gibt kein Haus, in welchem nicht fünf oder sechs Familien leben. Die Wohnungen der vornehmsten Damen und sogar die der Staatsminister sind nur durch eine dünne Wand von denen eines Schneiders oder Schusters getrennt und ich kenne niemanden, der in einem Haus mehr als zwei Stockwerke besitzt, eines für den Eigenbedarf und eines darüber für die Dienerschaft. Jene, die ein eigenes Haus besitzen, vermieten den nicht beanspruchten Teil an wen immer, so dass die großen Treppen […] ebenso gemeinschaftlich und schmutzig sind wie die Straße.“69
Das Hofquartierwesen, das auf dem mittelalterlichen Regal des Landesfürsten beruhte, für seinen Hof und dessen Personal unentgeltliches Quartier in einer Stadt beziehen zu dürfen, trug in Wien keineswegs zu einer Entspannung am Wohnungsmarkt bei. Im 17. Jahrhundert war jeder Hausbesitzer verpflichtet, ein Drittel seines verfügbaren Raumes als Hofquartier zur Verfügung zu stellen, wofür dieser auch ein Drittel des üblichen Mietzinses erhielt. Befreiungen von der Quartierpflicht waren meist gut bezahlt, aber nur unter besonderen Umständen zu erwirken. Hofbedienstete wie die Hofhandwerker profitierten von ihrem Anrecht auf die Unterbringung in einem Hofquartier. Von zahlreichen Französinnen und Franzosen sind Unterbringungen in einem Hofquartier belegt. Das Mietverhältnis war selten konfliktfrei, da sich die Hausbesitzer vehement gegen die aufoktroyierte Einquartierung wehrten, beispielsweise durch bauliche Maßnahmen oder Vandalismus am eigenen Besitz.70 Die einquartierten Beamten und Handwerker hingegen blieben den Mietzins oft säumig. 1690 beschwerte sich Johann Andre Ziani, dass er neben anderen Einquartierungen in seinem Haus auch den Tapezierer Jean Trehet beherberge, über welchen er sich schon mehrmals beschwert habe und von dem er innerhalb von drei Jahren noch keinen Mietzins erhalten habe. Ziani forderte daher die Auslogierung Trehets und die Bezahlung der ausständi-
68 Vgl. WEIGL: Die (bürgerliche) Mittelschicht. In: Vocelka/Traninger (Hg.): Wien 2003, S. 256. PILS: Schreiben über Stadt 2002, S. 51–57. 69 Lady Mary MONTAGU: Briefe aus Wien. Hg. v. Maria Breunlich. Wien 1985, S. 10–12. 70 Vgl. Joseph KALLBRUNNER: Das Wiener Hofquartierwesen und die Maßnahmen gegen die Quartiersnot im 17. und 18. Jahrhundert. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 5 (1925), S. 24–36.
6.1 Vom Spracherwerb zum Bürgerrecht
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gen Miete. Der zuständige Hofmarschall vertröstete ihn jedoch für ein weiteres halbes Jahr.71 Durch die Unterbringung in Hofquartieren, die selten in den Vorstädten zu finden waren, siedelten sich die meisten Französinnen und Franzosen in der inneren Stadt an und zwar großteils in unmittelbarer Nähe zum kaiserlichen Hof und entlang der wichtigsten Straßenzüge zum Hof. Eine besonders hohe Konzentration von französischsprachigen ImmigrantInnen fand sich am Kohlmarkt und am Graben mit zentraler Lage und in absoluter Nähe zu den wichtigsten Adelspalais und zum Hof. Relativ häufig wurde auch die Herrengasse, die Tuchlauben, die Bognergasse, der Stock-im-Eisen-Platz, der Platz Am Hof, die Singerstraße und die Kärntnerstraße als Wohnort genannt. Damit konzentrierten sich die meisten Quartiere französischer ImmigrantInnen auf das süd-westlich ausgerichtete Viertel um den Hof, den Graben und die Kärntnerstraße (vgl. Karte Abb. 13). Einzelne wohnten auch im bürgerlichen nord-östlichen Teil der Stadt am Hohen Markt, in der Beckerstraße und am Salzgries. Nur wenige Französinnen und Franzosen lebten in den Vorstädten Leopoldstadt, Josephstadt, Liechtenthal und auf der Wieden,72 wodurch sich in den Vorstädten nur wenig sozialräumlicher Kontakt zu den italienischen ImmigrantInnen ergab. Dieser konnte nur innerhalb der Stadtmauern durch Verbindungen unter den Hofbefreiten hergestellt werden. Von einer Marginalisierung der französischen ImmigrantInnen über den Immobilienmarkt kann daher nicht gesprochen werden, vielmehr zeigt die sozialräumliche Gliederung der Stadt, dass Französinnen und Franzosen innerhalb der Stadt gut integriert waren und überdurchschnittliche Nähe zum Kaiserhaus aufwiesen. Dieser Befund geht einher mit der Tatsache, dass sich unter ihnen auch einige Hausbesitzer fanden, die im Plan des Daniel Suttinger von 1684 eingetragen sind, so mehrfach die Familie Fauconet am Kohlmarkt,73 Carl Claudius und Peter Lesage in der Bräunerstraße, Johann Olivier Decore am Stock-im-Eisen-Platz und Niclas Pinon in der Kurrentgasse Ecke Staindelgasse74 (vgl. Abb. 13).
71 ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 8, f. 143r–144r. 72 Vgl. personenbezogene Angaben bei HAUPT: Handwerk 2007 sowie http://www.oesta.gv.at/ site/6662/default.aspx [Stand 15.04.2010] bzw. in der Tabelle im Anhang. 73 Vgl. HARRER: Wien. 1955, Bd. 1: S. 418–419, Bd. 5: S. 200, Bd. 6: S. 412, 424. 74 Vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 248, 292, 352, 549.
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Abbildung 13: Wohnorte und Hausbesitz französischsprachiger ImmigrantInnen in Wien 1630– 1730; Grundrissplan der Stadt Wien 1683 von Daniel Suttinger in einer Lithographiereproduktion von Albert Camesina 1876; Wiener Stadt- und Landesarchiv, Kartographische Sammlung 881.
Die Bilanz der Französinnen und Franzosen, was ihre Sozialintegration in Wien betrifft, ist bereits in der ersten Generation eindeutig als positiv zu bewerten. Allein die geringe Zahl der französischsprachigen ImmigrantInnen und ihre Ansiedlung im Hof- und hofbefreiten Gewerbe erleichterten neben der Systemintegration vor allem die Sozialintegration erheblich, wie sich dies in den hohen Exogamiewerten, einer fehlenden französischen community, der starken Vernet-
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zung zur Mehrheitsbevölkerung in Wien und der sozialräumlichen Integration zeigt. Es muss betont werden, dass die Integration der ersten Generation einer erheblichen Leistung entspricht, die selten von Einwanderergruppen geleistet werden kann.75 Allerdings stellt die Integration der Französinnen und Franzosen durch die geringe Dichte ihres Netzwerks kein Gruppenphänomen dar, vielmehr ist davon auszugehen, dass der Großteil der Migrierenden einzeln und direkt über den Arbeitsmarkt in Wien eingebunden wurde. Die französischen ImmigrantInnen gehörten nicht der Unterschicht an, sondern brachten gefragte Qualifikationen mit, die ihnen den Start in den Wiener Arbeitsmarkt über den Hof und Hofbefreiungen und damit in die Systemintegration erheblich erleichterten (vgl. Kap. 4 und 5). Neben dem Arbeitsmarkt und der fehlenden Bildung einer community gilt schließlich der Erwerb des Bürgerrechts als Endpunkt einer Integrationsleistung, die die Immigranten als vollwertige steuerzahlende Bürger mit Wiener Bürgern gleichberechtigte und sie damit sogar über die zahlreichen Inwohner, also in Wien Lebende ohne Bürgerrecht, hob. Das Wiener Bürgerrecht stellte keine Voraussetzung für Einwanderer dar, in Wien sesshaft zu werden oder Hausbesitz zu erwerben. Allerdings war es Ausdruck von politischer und wirtschaftlicher Partizipation. Die Bedingungen, in Wien „mitleidender“ Bürger zu werden, brachte wenig Hürden mit sich, ein Hausbesitz war nicht zwingend. Der Bürgereid konnte mit der Großjährigkeit abgelegt werden und verlangte die eigenständige Haushaltsgründung in Wien. Er verpflichtete den Bürger, mit der Stadt zu „leiden“, also Steuern zu entrichten und persönlich zum Gemeinwohl beizutragen und bedeutete zugleich einen Treueid gegenüber dem Landesherrn. Die Eidtaxe betrug im 17. Jahrhundert moderat rund 2 fl.76 Das Bürgerrecht war jedoch seinerseits Voraussetzung, einer Zunft beitreten zu können und damit auch, einen Meisterbetrieb in Wien führen zu dürfen.77 Darüber hinaus ermöglichte es das aktive und passive Wahlrecht für die politischen Gremien der Stadt, wobei für Mitglieder des Rats der Hausbesitz verpflichtend war. Für die politische und wirtschaftspolitische Teilhabe in Wien brachte der Erwerb des Bürgerrechts durchaus Vorteile. Angesichts der zahlreichen nichtzünftigen Handwerker und Hofbefreiten relativiert sich allerdings die Notwendigkeit des Bürgerrechts erheblich. So ist es auch nicht verwunderlich, dass nur wenige französischsprachige Immigranten die Aufnahme in die Bürgerschaft erwirkten. Zwischen 1686 und 1722 erwarben 15 Personen mit französischsprachigem Migrationshintergrund das Wiener Bürgerrecht, darunter waren vier savoyische Händler: alle Vertreter der Familie Cleas,78 nämlich Augustin, Andre, und Antoine und Johann Peter Douex.79 Die Einbürgerung von savoyischen Händlern ist 75 Vgl. DÜSENER: Integration 2010, S. 181–183 76 Vgl. Richard PERGER: Die Wiener Ratsbürger 1396–1526. Ein Handbuch. Wien 1988, S. 14– 15. Josef PAUSER: Verfassung und Verwaltung der Stadt Wien. In: Vocelka/Traninger (Hg.): Wien 2003, S. 60–62. 77 Vgl. BUCHER: Möglichkeiten von Zunft 2004, S. 124–127. 78 WStLA, Bürgereidbücher, B1, Duplikate Bd. 33, f. 90r, 110r, 279r, 280r. 79 WStLA, Bürgereidbücher, B1, Originale Bd. 1, f. 45v.
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auch für andere süddeutsche Städte belegt und kann als Charakteristikum der savoyischen Integration angesehen werden. Die Savoyer strebten prinzipiell eine doppelte Integration sowohl in die eigene Landsmannschaft als auch in die Aufnahmegesellschaft an, denn nur dies garantierte ihnen auch ihren wirtschaftlichen Erfolg in der Kaufmannschaft der deutschen Städte.80 Unter den zehn französischen Immigranten, die das Bürgerrecht erwarben, sticht die Familie Fauconet mit vier Familienmitgliedern hervor. Richard Fauconet und sein das Hutmachergewerbe übernehmender Sohn Johann Jakob legten 1690 den Bürgereid ab, der Sohn Joseph Anton, der am Hof als Hofbuchhalteroffizier Karriere machte, wurde 1697 Wiener Bürger und Ignatius erst 1708 behauster Bürger.81 Die Initiative zur Einbürgerung ging zwar auf die kaiserliche Auflage, der Wiener Hutmacherzunft beitreten zu müssen, zurück, dennoch ist die Familie Fauconet in diesem Zusammenhang sicher als vorbildlich einzustufen, engagierte sich doch Richard Fauconet in der Folgezeit auch real in der bürgerlichen Stadtregierung als Mitglied des Äußern Rats,82 auch wenn dieser im 17. Jahrhundert kaum mehr politische Relevanz besaß. Neben den Fauconets erlangten Bartholomaeus Dubois, Gold- und Silberfabrikant aus Lyon, ein weiterer Handelsmann namens Le Conte, der Perückenmacher und Wachshändler Johann Truchet, der Perückenmacher Jean Dupuy, der Chirurg Niclas Pinon und der Stadtkoch Franz Langlois das Wiener Bürgerrecht sowie der Perückenmacher Johann Michael Le Grand flämischer Herkunft.83 Insgesamt kann das Bürgerrecht nur als optionale Möglichkeit der Systemintegration gewertet werden, die äußerst wenige französische Immigranten ansprach, nämlich solche, die im Handel tätig waren oder sich in eine der Wiener Zünfte integrieren wollten. Der wichtigste Bereich der Systemintegration stellte sicherlich der durch den Hof abgesicherte Arbeitsmarkt dar. Einige Besonderheiten, die savoyische und lothringische Einwanderung betreffend, und die Immigrantenbiographie von Richard Fauconet sollen abschießend den Sachverhalt der Integration französischsprachiger ImmigrantInnen in Wien exemplarisch veranschaulichen. Der savoyische Handelsmann Augustin Cleas vererbte bei seinem Tod 1693 neben Spenden an Arme und Armenhäuser in Wien 100 fl. an Arme in seinem Geburtsort Landry, eben soviel an die dortige Armenausspeisung und 50 fl. an die Kapuziner in St. Moritz nördlich von Landry, damit sie 100 Messen zu seinem Seelenheil lesen.84 Ähnlich verfuhr sein Landsmann Johann Ludwig Douex, der seinen drei Geschwistern in Sallanches zusammen 450 fl. hinterließ.85 Als Charakteristikum der savoyischen Einwanderer gilt, dass sie vergleichbar mit den ItalienerInnen, aber in weit größerem Ausmaß als Französinnen und Franzosen die Bindung zu ihrer savoyischen Heimat bzw. zu ihrem Geburtsort über Jahrzehnte 80 81 82 83
Vgl. ZÜRN: Savoyarden. In: Hoffmann/Kießling (Hg.): Kommunikation 2001, S. 395–401. WStLA, Bürgereidbücher, B1, Duplikate Bd. 33, f. 181r, 193v, 217r. WStLA, Alte Ziviljustiz, A1 Testamente 842/1707. WStLA, Bürgereidbücher, B1, Duplikate Bd. 33, f. 138v, 204r, 226r, 289r, 320r bzw. B1 Originale Bd. 1, f. 56r. 84 WStLA, Alte Ziviljustiz, A1 Testamente 9417/1692. 85 WStLA, Alte Ziviljustiz, A1 Testamente 8734/1684.
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aufrecht erhielten. Das bedeutet Integration in die Mehrheitsgesellschaft trotz hoher Binnenintegration. Kaum ein Testament savoyischer Einwanderer enthält keine Angaben über Legate an in Savoyen hinterbliebene Verwandte oder Freunde.86 Zudem flossen bereits zu Lebzeiten oft Geldmittel nach Savoyen zurück, indem dort teilweise beträchtliche Summen in Form von Stiftungen in die Infrastruktur des Landes investiert wurden. Nicolas Saillet etwa ließ 1706 in St. Gervais-LesPraz um 12.000 sav. fl. (= 2.400 fl.) ein Schulhaus erbauen und eine Lehrstelle einrichten. Daneben investierten Wiener Savoyer auch in Sakralbauten und ihre Instandhaltung und Ausstattung oder ließen Votivgaben in ihren Heimatgemeinden anbringen. Nicolas Revenaz beispielsweise dankte der Heiligen Jungfrau von Notre-Dame-de-la-Gorge in Savoyen für die Befreiung Wiens 1683 von den Türken mit einem Ex-voto-Gemälde, das die türkische Belagerung Wiens zeigt. Antoine Cleas wiederum ließ anlässlich der überstandenen Wiener Pest von 1713 eine Ex-voto-Inschrift in seiner Heimatgemeinde anbringen.87 Der über Jahrhunderte tradierte Wanderhandel band selbst emigrierte Savoyer an die zurückbleibenden Verwandten, ihre Versorgung war moralische und religiöse Verpflichtung zugleich. Dennoch spielte die Remigration kaum eine Rolle innerhalb der savoyischen Immigration nach Wien. Die französischen ImmigrantInnen hingegen waren durch die fehlende Binnenintegration weniger eng an Frankreich gebunden, Spenden oder Legate an französische Einrichtungen oder Personen bildeten die Ausnahme in ihren Testamenten. Lediglich unter den Lothringern sind Versuche, die Rückkehroption in das Herzogtum aufrechtzuerhalten, zu verzeichnen. Nicolaus Vallete aus Nancy, Leibmedicus des Herzogs von Lothringen, ließ seine Familie zurück, um dem Herzog nach Wien zu folgen. Der Grund lag wohl darin, dass seine Familie in Lothringen ein herzogliches Salzdeputat inne hatte.88 Für den Fall einer Verlängerung des Deputats oder einer Restitution des Herzogs mit darauffolgender Rückkehr nach Lothringen, war es von Vorteil, wenn die Familie dieses Deputat auch in personam vor Ort repräsentierte. Allein der Umstand, dass Vallete ohne Frau und Kinder nach Wien kam, verweist darauf, dass er seine Rückkehr zum Zeitpunkt der Emigration für möglich und realistisch hielt. Valletes Kontakte nach Lothringen waren zum Zeitpunkt seiner letztwilligen Verfügung intakt, die Vormundschaft für seine Enkel und die Exekution seines Testaments übergab er mit 150 fl. einem Lothringer Kollegen, Dr. Sellier.89 Auch Nicola La Vesne dit Lespine, hofbefreiter Zuckerbäcker, behielt sich zeit seines Lebens Besitz in Lothringen ein, obwohl er zwei Drittel seines Lebens in Wien verbrachte. Dabei handelte es sich um nicht näher definierte Mobilien und Immobilien.90 Die Rückkehroption lebte vor allem unter jenen ImmigrantInnen fort, die aus Lothringen und 86 Vgl. THIRIET: La mort 1976, S. 205 und 209. 87 Vgl. RAYNAUD: Savoyische Einwanderungen 2001, S. 24 und 83. MAISTRE/MAISTRE/HEITZ: Colporteurs 1992, S. 56–58. 88 WStLA, Alte Ziviljustiz, A1 Testamente 10.135/1685. 89 WStLA, Alte Ziviljustiz, A1 Testamente 10.135/1685. 90 WStLA, Alte Ziviljustiz, A1 Testamente 1029/1694.
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der Franche-Comté91 kamen, jenen beiden französischsprachigen Reichsgebieten, die im Verlauf des 17. Jahrhunderts von Ludwig XIV. entweder dauerhaft besetzt oder erobert wurden, denn ihre Emigration war unter Umständen nicht freiwillig erfolgt. Remigration als möglichen Ausgang einer temporären Migration blieb unter französischsprachigen ImmigrantInnen in Wien eine selten angedachte und realisierte Option, denn bei gelungener Integration der Migrierenden verlor diese Option an Attraktivität und Sinn. Wie häufig dies zutraf, zeigt die Migrantenbiographie des vielleicht erfolgreichsten französischen Immigranten in Wien neben Jean Trehet, nämlich Richard Fauconet: 1659 kam Fauconet im Alter von 27 Jahren vermutlich zusammen mit seinem Bruder Gervais nach Wien und erhielt vom Kaiser eine Hofbefreiung zur Herstellung französischer Modehüte respektive Castor- und Vikunja-Hüte. Noch im selben Jahr sah er sich mehreren Gewaltakten mit Sachschaden an seiner Werkstatt seitens der Wiener Hutmacherzunft ausgesetzt.92 In dieser Aktion einen nur gezielt fremdenfeindlichen Akt zu sehen, ginge an der Realität der damaligen Fremderfahrung vorbei. In erster Linie handelte es sich um den Versuch, die zünftischen Privilegien zu wahren und den Arbeitsmarkt gegenüber Eindringlingen zu sichern, seien dies nun Hofbefreite, Störer oder eben auch Hofbefreite anderer Herkunft. Die Haltung der Wiener Stickerzunft gegenüber den Bestrebungen der französischen Sticker zeigte hierzu Parallelen93 und ähnliche Verhaltensweisen waren den italienischen ImmigrantInnen gegenüber zu beobachten.94 Dies bedeutet jedoch nicht, dass protonationale Vorurteile und Stereotypen im 17. und 18. Jahrhundert nicht in Europa kursierten und gerade in Verbindung mit Arbeitsmarktproblemen Verwendung fanden (vgl. Kap. 6.2).95 Richard Fauconet setzte sich jedenfalls mit einer Beschwerde bei Leopold I. erfolgreich zur Wehr.96 Die volle bürgerliche Integration Fauconets erfolgte 1690, als er zusammen mit seinem Sohn Johann Jakob das Bürgerrecht erlangte.97 In weiterer Folge wurde er sogar Mitglied des Äußern Rats,98 was zeigt, in welchem Ausmaß sich Fauconet für das politische Geschehen der Stadt und die Stadtverwaltung interessierte. Sein Hutmachergewerbe, das gemeinhin als äußerst einträglich galt, sicherte der Familie Fauconet grundsätzlich den Lebensunterhalt.99 Da91 Caspar Ambros de Maignin de Fleurey, Hofmeister bei Ferdinand Bonaventura von Harrach: „peutestre iamais ie ne deserviray mon Poste en Bourgogne“ ÖstA, AVA, Harrach 279, Korrespondenz Maignin de Fleurey vom 18. Feb. 1677. 92 WStLA, Hauptarchiv, Akten und Verträge 3/1659, f. 1r–4v. 93 WStLA, Hauptarchiv, Akten und Verträge 10/1683, f. 1r/v. 94 Vgl. JEKL: Italiener 1953, S. 59. 95 Vgl. SCHULZE: Entstehung. In: Schmale/Stauber (Hg.): Menschen 1998, S. 25–41. Joseph BERGHOLD: Ursachen und Konsequenzen des Feindbildes „Zuwanderer“. In: Sir Peter Ustinov Institut (Hg.): Feindbild Zuwanderer. Vorurteile und deren Überwindung. Wien 2009, S. 1–9. 96 WStLA, Hauptarchiv, Akten und Verträge 3/1659, f. 1r–4v. 97 WStLA, Bürgereidbücher, B1, Duplikate Bd. 33, f. 181r. 98 WStLA, Alte Ziviljustiz, A1 Testamente 842/1707. 99 Auch englische Hutmacher waren äußerst wohlhabend und investierten in andere Bereiche, vgl. David CORNER: The Tyranny of Fashion: The Case of the Felt-Hatting Trade in the Late
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neben stieg Richard Fauconet erfolgreich in den Immobilienmarkt und in das Wechselgeschäft Wiens ein, denn in den Wiener Totenbeschauprotokollen wurde er als bürgerlicher Wechselherr tituliert.100 Den Grundstein für seinen Immobilienbesitz legte Fauconet 1672 mit dem Kauf des Hauses am Kohlmarkt 9 zusammen mit seiner Frau Anna Maria, geb. Zeller, das nach ihrem Tod 1684 in seinen Alleinbesitz überging. Zum Haus am Kohlmarkt 9 gehörte auch ein Soldatenquartierhaus auf der Mölkerbastei, Schreyvogelgasse 12. 1685 kaufte er vom Grafen Lannoy auch das Haus am Kohlmarkt 3 und seine zweite Ehefrau Elisabeth Som, geb. Thimb, brachte ein Haus am Hohen Markt Nr. 6 mit in die Ehe, das sie ihm 1700 testamentarisch hinterließ. Darüber hinaus kaufte Fauconet 1688 für 6.000 fl. Kaufschilling das Ballhaus in der Himmelpfortgasse, in dem abwechselnd oder gleichzeitig deutsche und italienische Theatergruppen gastierten und untergebracht waren. 1703 kaufte Prinz Eugen von Savoyen das Ballhaus auf, um das Areal für seinen geplanten Palaisbau zu verwenden. Ein Haus in der Gumpendorferstraße außerhalb der Stadtmauern „auf der Wienn“ rundete Fauconets Hausbesitz ab, von dem auszugehen ist, dass er einträgliche Mietzinsen erwirtschaftete, was wiederum die Grundlage für Fauconets Wechsel- oder Geldgeschäfte bildete.101 In 48 Jahren erarbeitete sich Richard Fauconet in Wien ein Vermögen, das seinesgleichen sucht: Menschen mit einem Nachlass von mehr als 10.000 fl. galten in Wien als reich, Hausbesitz war meist ein Merkmal von Reichtum, im 17. und 18. Jahrhundert dürften etwa 3% der Bevölkerung dieses Kriterium erlangt haben, unter ihnen auch mehrere Franzosen.102 Richard Fauconet hinterließ seinen fünf erbberechtigten Kindern neben den besagten Häusern am Kohlmarkt 3 und 9 sowie Schreyvogelgasse 12 und in der Gumpendorferstraße und neben mobilem Besitz in Silber und Gold Geld in Summe von 146.125 fl. in bar, das ihnen bereits zu Lebzeiten des Vaters ausbezahlt wurde.103 Diese Besitzakkumulation zeigt nicht nur Fauconets wirtschaftlichen Erfolg im Hutgewerbe, sondern den Einstieg in den Immobilienmarkt und das Wechselgeschäft und damit verbunden sozialen Aufstieg, der sich auch in den Heiratsverbindungen der Kinder niederschlug. Darüber hinaus war Richard Fauconet der einzige Franzose, der es schaffte, seinen Namen längerfristig im Haus- und Namensgedächtnis der Wiener und damit im kollektiven Gedächtnis der Stadt zu verankern. Sein Haus am Kohlmarkt 9 erhielt nach den von ihm angefertigten Castorhüten den Übernamen „zum Bibertier“, das Ballhaus in der Himmelpfortgasse wurde bis zur Übernahme durch Prinz Eugen „Fokanedihaus“ genannt und eine kleine Brücke über die Wien als Verlängerung der Schleifmühlgasse in der Nähe seines Hauses in der Gumpendorferstraße wur-
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Seventeenth and Eighteenth Centuries. In: N. B. Harte (Hg.): Fabrics and Fashions. Studies in the economic and social history of dress. London 1991, S. 160–161. WStLA, Totenbeschreibamt, B1 Totenbeschauprotokolle 1705–1708, f. 309v. WStLA, Alte Ziviljustiz, A1 Testamente 842/1707. Sowie vgl. HARRER: Wien. Seine Häuser 1955, Bd. 1: S. 418–419, Bd. 5: S. 200, Bd. 6: S. 412, 424, Bd. 7: S. 153. Vgl. WEIGL: Die Haupt- und Residenzstadt. In: Vocelka/Traninger (Hg.): Wien 2003, S. 139. WStLA, Alte Ziviljustiz, A1 Testamente 842/1707.
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de bis 1859 als „Fokanedisteg“ bezeichnet.104 Auch wenn diese Bezeichnungen heute nicht mehr gebräuchlich und auch nicht mehr bekannt sind, so zeigt dieses Beispiel doch auf eindrückliche Weise einmal mehr, welche Möglichkeiten Wien französischen ImmigrantInnen bieten konnte, wie schnell eine erfolgreiche Integration möglich war und welche Akzeptanz die Wiener Bevölkerung grundsätzlich dazu beisteuerte. Sowohl die Sozialintegration wie auch die Systemintegration der Französinnen und Franzosen können prinzipiell als äußerst gelungen angesehen werden. Kaum eine ImmigrantInnengruppe konnte sich so schnell und so effektiv in die Wiener Mehrheitsbevölkerung integrieren, woraus eine geringe Nachhaltigkeit resultierte. Der Einfluss der französischen Kultur ist heute in Wien weit weniger sichtbar als jener der ItalienerInnen. Französinnen und Franzosen erlangten nie eine vergleichbare Kontinuität in ihrer Immigration in Wien wie die ItalienerInnen und die schwache Binnenintegration, die rasche Integration in die Mehrheitsbevölkerung und die Konzentration auf privilegierte Arbeitgeber wie Adel und Hof schufen eigentlich keine besonders geeignete Grundlage für intensiven Kulturtransfer von Frankreich nach Wien. Inwiefern Vorurteile und ethnische Identifikationen eine Rolle spielten und wie sich Erfolg und Scheitern in MigrantInnenbiographien niederschlug, wird das nächste Unterkapitel zeigen. 6.2
SCHEITERN VON KULTURTRANSFER: FRANZÖSISCHE KÖCHE IN WIEN
1678 kehrte der französische Koch Mercier nach Paris zurück und dem Wiener Haushalt der Familie Harrach den Rücken. Alexandre Bergeret, Harrachs Korrespondent in Paris, der die Anwerbung Merciers zuwege gebracht hatte, vermerkte dazu resignierend: „le Cuisinier mercier est arive il sest reconsillier avec son beau pere et est comme auparavant dans son Autel de bezanson nous ne nous voyons pas“105. Unter anderen Voraussetzungen und Bedingungen konnte sich der Integrationsprozess weit schwieriger bis unmöglich gestalten und in solchen Fällen war Remigration die Konsequenz. Fälle von Remigration finden sich vereinzelt vor allem unter jenen französischen Immigranten, die Arbeitsmigration betrieben und deren Existenz in Frankreich unter Umständen wieder hergestellt werden konnte, wie im Fall Mercier, der sich mit seiner Familie aussöhnte und seine alte Arbeit wieder aufnehmen konnte. Dies war prinzipiell jedoch nicht selbstverständlich. Unter den französischsprachigen ImmigrantInnen in Wien sind nur sehr wenige Fälle von Remigration belegt. Neben den hugenottischen Tapissiers aus Aubusson (vgl. Kap. 4.2) betraf dies die beiden französischen Köche der Familie Harrach. Dabei ist zu beachten, dass die Remigration eng mit der Rezeption der französischen Küche und deren Scheitern in Wien zusammenhängt und nur in Verbindung mit dem Thema Küche, Kochtechnik und Zubereitung zu verstehen ist. Mit dem 104 Vgl. HARRER: Wien 1955, Bd. 1, S. 418–419. 105 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 21. Okt. 1678.
6.2 Scheitern von Kulturtransfer: Französische Köche in Wien
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Ende der Renaissance-Küche setzte in Frankreich eine Reihe von Veränderungen in der Wahl und der Zubereitung der Lebensmittel ein, die die französische Küche fortan von anderen abhob und besonders im Geschmack neue Akzente setzte. Zwei Faktoren wirken sich auf kulturelle Transferprozesse im Bereich der Kulinarik prinzipiell ungünstig aus. Zum einen ist die Nahrungszubereitung und -aufnahme ein kulturell vermittelter Vorgang, der viel stärker als beispielsweise die Mode zur personalen Identitätsbildung beiträgt. Was gegessen und wie dies zubereitet wird, ist Teil des individuellen, kulturellen Gedächtnisses.106 Zum anderen sind Veränderungen in den Essgewohnheiten der longue durée zuzuordnen, soziokulturelle Geschmacksmuster verändern sich nur über Generationen hinweg, denn Geruch und Geschmack sind Träger kultureller Vergangenheit.107 Die identitätsbildende Dimension der Küche und ihre Resistenz gegen kurzfristige Modeerscheinungen stellten schlechte Voraussetzungen für den Kulturtransfer in diesem Bereich zwischen Paris und Wien dar. So ist es nicht verwunderlich, dass Reiseführer des beginnenden 18. Jahrhunderts den Frankreichreisenden auf die großen Unterschiede zwischen der „deutschen“ und der französischen Küche vorbereiteten, wie dies Joachim Christoph Nemeitz in seiner „Reiseanleitung“ Séjour de Paris 1717, tat: „Diejenigen/ die bey harten Speisen aufferzogen sind/ die werden ihre Rechnung sehr übel zu Paris finden. Denn man ißt daselbsten keine Schincken/ Mettwurst/ geräuchert und gesaltzen Fleisch/ wenig Sauer-Kraut/ Pumpernickel und dergleichen. […] Ihr Brod ist weiß/ und die Speisen sind alle frisch. Auch wird es denen/ die viel Gewürtze auf dem Essen lieben/ im Anfange gar frembd vorkommen/ wenn sie alle Speisen in ihrer natürlichen Gestalt/ und wenn man ja noch etwas überflüßiges thut/ mit einer Sauce erscheinen sehen. Denn die Frantzosen fragen nicht viel nach den Gewürtzen/ die aus der Levant kommen [...]“108
Die Kochtradition und die Kochbuchliteratur im deutschsprachigen Raum orientierte sich im 17. Jahrhundert sowohl an der Verbindung der Koch- mit der Heilkunst, das heißt, an der von Galens Säftelehre geleiteten antiken Diätetik, als auch an der Hausväterliteratur. Beides waren Traditionen des Spätmittelalters, die in der Renaissance weiterentwickelt wurden. Besonders Humanistenkreise, zu denen auch der italienische Kochbuchautor Bartolomeo Platina gehörte, rezipierten eingehend die antike Diätetik nach Apicius, Galen und Plinius. Die 1485 erstmals erschienene Küchenmeisterei wurde bis 1674 13-mal aufgelegt und für den Adel wurde Marx Rumpolts Ein new Kochbuch von 1581 mit einem Geleitwort von Kaiser Rudolf II. und die Georgica curiosa von 1682 des Wolf Helmhard von Hohberg, einem protestantischen Landedelmann aus Lengenfeld bei Krems, rich106 Vgl. Ferdinand FELLMANN: Kulturelle und personale Identität. In: Hans Jürgen Teuteberg/ Gerhard Neumann/Alois Wierlacher (Hg.): Essen und kulturelle Identität. Europäische Perspektiven. Berlin 1997, S. 34–35. 107 Vgl. Hans Jürgen TEUTEBERG: Prolegomena zu einer Kulturpsychologie des Geschmacks. In: Alois Wierlacher/Gerhard Neumann/Hans Jürgen Teuteberg (Hg.): Kulturthema Essen, Ansichten und Problemfelder. Berlin 1993, S. 134–135. 108 Joachim Christoph NEMEITZ: Séjour de Paris Oder Getreue Anleitung, Welchergestalt Reisende von Condition sich zu verhalten haben etc. 3. verm. u. verb. Aufl. Frankfurt 1728, S. 391–392.
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tungsweisend.109 Der Einfuss der Diätetik ist auch im ältesten, gedruckten Kochbuch Österreichs Ein Koch= und Artzney=Buch von 1686 aus Graz nicht zu übersehen, schloss sich doch an das Kochbuch ein ebenso ausführliches Arzneibuch an. Alle Lebensmittel und Gewürze besaßen nach Galens Viersäftelehre spezielle Eigenschaften. Pfeffer und Ingwer beispielsweise sollten gegen die Pest wirksam sein. Die übermäßige Verwendung von exotischen Gewürzen wie Safran, Pfeffer, Muskat, Nelken und Ingwer und ein starker Hang zu Schaugerichten bildeten somit die Grundzüge der adeligen Tafel.110 Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts stieg der europäische Gewürzimport stetig an, um sich danach auf hohem Niveau einzupendeln. Während der Gewürzverbrauch in Westeuropa, vor allem in Frankreich, ab der Jahrhundertmitte wieder abnahm, stieg der mittel- und osteuropäische Gewürzkonsum in Kombination mit hohem Fleischverbrauch weiter an, was auf eine Weiterführung der Speisenüberwürzung schließen lässt.111 Wien kannte abgesehen von Krisenzeiten kaum Nahrungsmittelengpässe, die Versorgungslage mit Grundnahrungsmitteln wie Getreide und Salz aus Oberösterreich, Ochsen, Schafe, Geflügel und Wildbret aus Ungarn und der Steiermark, Fischen aus der Donau und Böhmen war prinzipiell gut. Luxuriöse Lebensmittel wie Seefische, Austern, Mortadella, Käse, Wein, Früchte und Konfekt wurden vorwiegend aus Italien importiert. Gewürze brachte der Fernhandel. Bei den Gemüsen standen verschiedene Kohlsorten und Rettich im Vordergrund, Artischocken, Gurken und Salate kennzeichneten den vornehmen Tisch. An Fasttagen wurden Wassertiere aller Art verarbeitet, Krebse, Krabben, Muscheln, Seesterne, Schnecken und Frösche sowie Biber und Otter gehörten je nach Stand zur Eiweißzufuhr. Zahlreiche Reiseberichte über Wien, von Enea Silvio Piccolomini aus dem 15. Jahrhundert bis hin zu Johann Basilius Küchelbecker von 1730, bestätigen, dass sich nicht nur der Adel, sondern auch das Bürgertum einen gehobenen Lebensmittelstandard leisten konnte und im Vergleich zu Berlin und London der Rindfleischverbrauch besonders hoch gewesen sei.112 Der Truthahn war die einzige Zutat aus der neuen Welt, die im 17. Jahrhundert in Wien als eingebürgert gelten konnte. Als indianisches Huhn, Indian, Pute oder Poger und ab 1683 als türkisches Huhn findet sich der Truthahn, der vermutlich im 16. Jahrhundert über Spanien und Italien nach Mitteleuropa kam, in regelmäßigen Abständen auf den Wiener Speisezetteln.113 109 Vgl. Hannes ETZLSTORFER: Küchenkunst und Tafelkultur. Kulinarische Zeugnisse aus der Österreichischen Nationalbibliothek. Wien 2006, S. 89–90, 102, 208–218 und 224. Manfred LEMMER: Nachwort. In: Marx Rumpolt: Ein new Kochbuch. Nachdruck d. Ausg. Frankfurt a. Main 1581. Hildesheim 1980, S. 10–12. 110 Vgl. Brian COWAN: Neue Welten, neue Geschmäcker. In: Paul Freedman (Hg.): Essen. Eine Kulturgeschichte des Geschmacks. Darmstadt 2007, S. 198–201. 111 Vgl. Fernand BRAUDEL: Sozialgeschichte des 15.–18. Jahrhunderts. Der Alltag. München 1985, S. 232–234. 112 Vgl. Andreas GUGLER: Der Tisch der Wiener – ein kulturgeschichtlicher Exkurs. In: Vocelka/ Traninger (Hg.): Wien 2003, S. 162–166. 113 Vgl. ETZLSTORFER: Küchenkunst 2006, S. 117. Waverley ROOT: Das Mundbuch. Eine Enzyklopädie alles Essbaren. Frankfurt 1994, S. 363–365.
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Die Essenszubereitung basierte auch im ausgehenden 17. Jahrhundert noch auf dem Zusammenspiel starker Würz- und Süßungsmittel. Essig und Salz bildeten dabei die Basis, die je nach dem, ob das Ergebnis pikant oder süß-sauer mit Zucker und den verschiedensten Gewürzen aufgebessert wurde. Dabei wurden meist mehrere Gewürze kombiniert, wie etwa Zucker, Zimt, Nelken, Pfeffer, Ingwer und Muskatnuss.114 Das anonyme Grazer Kochbuch von 1686, das von Eleonora Maria Rosalia von Liechtenstein in die zweite Auflage ihres äußerst erfolgreichen Arzneibuchs Freywillig auffgesprungener Granat-Apfel (Wien, 1699) fast ohne Abänderungen übernommen wurde und durch 14 Auflagen große Breitenwirkung erfuhr,115 zeigt diesen traditionellen Ansatz in den Fleisch-, Suppen-, Pasteten- und Fischspeisen. In fast der Hälfte aller dieser 78 Rezepte soll Essig entweder zum Marinieren, Kochen oder Begießen verwendet werden. In seltenen Fällen zeigt sich der Säureüberhang auch in Angaben wie mit viel oder scharfem Essig bzw. dass es wohl sauer wird. Zucker kommt um einiges weniger häufig vor, ein Beweis dafür, dass er aufgrund seines hohen Importpreises nach wie vor mehr Gewürz und Konservierungsmittel als Nahrungsmittel war. In weit über der Hälfte der Rezepte wird standardmäßig Pfeffer verwendet, in fast einem Drittel der Anweisungen Muskatnuss, Muskatblüte (Macis) oder beides. Ingwer, Zimt und Gewürznelken werden in einem Viertel der Rezepte verlangt. Eher selten sind Safran und Petersilie vorgeschrieben.116 Abgesehen von den Gewürzen zeigt das Grazer Kochbuch insgesamt wenige Einflüsse von außen, Nahrungsmittel oder Produkte aus Übersee fehlen gänzlich. Weder die damals neuen Getränke Rum, Tee und Schokolade noch der Truthahn werden erwähnt. Ausländische Rezepte sind äußerst spärlich aufgenommen, vier spanische und jeweils ein böhmisches, ungarisches, polnisches, englisches, französisches, italienisches und schweizerisches Rezept sollen lediglich die Internationalität und den Bildungsstand des Verfassers dokumentieren. Unter den zahlreichen Mehlspeisen am Beginn des Buches war Honig zwar bereits durch Zucker ersetzt worden, französische Rezepte lassen sich unter (böhmischen) Kolatschen und den häufig vertretenen Aufläufen auf Milchbasis nicht finden, Rahmsaucen und Mayonnaisen fehlen ebenso.117 Während Wien also im 17. Jahrhundert konsequent die Renaissance-Küche weiterentwickelte, bahnten sich in Frankreich bereits im ausgehenden 16. und verstärkt im 17. Jahrhundert grundsätzliche Veränderungen in der Zusammenstellung der Zutaten und ihrer Verarbeitung an. Mit der Vulgarisierung des Gewürzkonsums wandte sich der Adel von den exotischen Gewürzen Safran, Ingwer, Zimt, Nelken, Muskat und teilweise auch vom Pfeffer ab und suchte neue Merkmale der sozialen Distinktion in der Essenszubereitung. Damit wurde ein weitreichender Wandel in der Geschmackswelt eingeleitet, der den Eigengeschmack der 114 Vgl. Andreas KÜHNE: Essen und Trinken in Süddeutschland. Das Regensburger St. Katharinenspital in der Frühen Neuzeit. Regensburg 2006, S. 252. 115 Vgl. Herta NEUNTEUFEL: Das erste gedruckte Grazer Kochbuch. In: Biblos 23 (1974), S. 285. 116 Vgl. Ein Koch= und Artzney=Buch. Gedruckt zu Gratz. Bey denen Widmanstetterischen Erben 1688, S. 55–74, 88–116. 117 Vgl. Herta NEUNTEUFEL: Kochkunst im Barock. Aus der Welt der steirischen Küche um 1686. Graz/Wien 1976, S. 13, 18, 24–27, 101–102.
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einzelnen Lebensmittel und seine Geschmacksintensivierung in den Vordergrund der Zubereitung stellte. Exotische Gewürze und ihre Kombination untereinander und Essig als Grundlage von Fleischspeisen wurden infolgedessen als brutal empfunden, feine und zarte Geschmacksnuancen bestimmten fortan die Zusammensetzung der Gerichte. Daher gewannen einheimische leichte Kräuter wie Petersilie, Rosmarin, Thymian, Schnittlauch, Estragon und Frühlingszwiebel stark an Prestige. Das Nahrungssortiment wurde nicht nur innerhalb der Fleischspeisen, sondern auch in der Menge und Artenvielfalt der Gemüse reichhaltiger, vor allem bei einheimischen Gemüsen wie Erbsen, Brokkoli, Sellerie, Fenchel, Artischocken, Kohlrabi, Linsen und Champignons. Auf die Qualität der Gemüse und ihre Reife legte man besonderen Wert.118 Um den Eigengeschmack der Nahrungsmittel besser hervorheben zu können, konzentrierten sich die französischen Köche bei jedem Gericht auf eine Hauptzutat, die nicht mehr in Essig, sondern mit Fett oder fetthaltigen Saucen zubereitet wurde. Unter den Fetten setzte sich in Frankreich im Verlauf des 16. und 17. Jahrhunderts die Butter gegenüber Olivenöl, Schmalz, Speck, Rinder- und Gänsefett durch, obwohl sie an Fasttagen verboten war. Dispens vom Fasten war für den französischen Adel in der Frühen Neuzeit durchaus üblich, möglicherweise fand die Aristokratie gerade darin ihre soziale Distinktion wieder, die sie bei exotischen Gewürzen verloren hatte. Zudem gehörte Butter traditionell in weiten Teilen Frankreichs zur Regionalküche.119 Als letzte folgenreiche Veränderung im Geschmack ist die klare Trennung von Sauer und Süß zu erwähnen. Mit dem langsam steigenden Zuckerkonsum der Oberschicht im 16. und 17. Jahrhundert durch Überseeimporte aus dem portugiesischen Brasilien120 wechselte der Zucker vom Gewürz zum Konservierungsmittel und Geschmacksverstärker, der außer bei Backwaren ausschließlich in Verbindung mit Früchten Verwendung fand. Die Geschmacksrichtung süß-sauer, die im Grazer Kochbuch um 1700 noch mehrere Male fast explizit formuliert wurde,121 verschwand somit gänzlich aus französischen Rezepten. Süßes wurde in der Folge auf den letzten Gang im service à la française als Dessert festgelegt, wo fast nur Früchte – gezuckert, kandiert, als Kompott oder in Teig – gereicht wurden. Die galenische Diätetik verlor durch
118 Vgl. PINKARD: Revolution 2009, S. 60–64, 71–78, 95–122. FLANDRIN/HYMAN/HYMAN: Cuisinier 1983, S. 14–29. 119 Vgl. Jean-Louis FLANDRIN: Le goût et la nécessité: Sur l'usage des graisses dans les cuisines d'Europe occidentale (XIVe–XVIIIe siècle). In: Annales 38/2 (1983), S. 369–391. 120 Der Großteil des Zuckers für Europa kam aus der portugiesischen Kolonie Brasilien (durch Realunion Portugals mit Spanien 1580–1640 habsburgisch). 1621 fielen die Holländer in Brasilien ein und übernahmen bis 1654 den Zuckerhandel. Auch nach ihrer Vertreibung durch die Portugiesen bestimmten sie den Zuckerexport über die W.I.C. Abgesehen von Anbauversuchen ab 1644 auf Guadelupe musste Frankreich bis in die 1660/70er Jahre Zucker importieren. Erst mit den Bemühungen Colberts wurden die Grundlagen für den Zuckeranbau auf den französischen Antillen geschaffen, die im 18. Jahrhundert große Gewinne einbrachten. Vgl. Jean MEYER: Histoire du sucre. Paris 1989, S. 81–122. Paul BUTEL: Histoire des Antilles françaises XVIIe–XXe siècle. Paris 2002, S. 29, 47, 69–88. 121 Vgl. Ein Koch= und Artzney=Buch. Gedruckt zu Gratz 1688, S. 70, 72, 73, 90, 106.
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diese Umstellungen in der Essenszubereitung weitgehend an Einfluss.122 In weiterer Folge kam es zur arbeits- und ausbildungstechnischen Trennung der Bereiche Küche und Pâtisserie bzw. Confiserie in Frankreich, während dies in Wien, vgl. das Grazer Kochbuch, in diesem Ausmaß an der Wende zum 18. Jahrhundert noch nicht der Fall war. Eigene Publikationen für Pâtissiers und die Ausdifferenzierung und Spezialisierung des Berufs folgten. Der hohe Grad an Professionalität und Spezialisierung, der die französische Küche im 17. Jahrhundert im Allgemeinen kennzeichnete, ist auf weitere Veränderungen und Verbesserungen der Kochtechniken und der technischen Hilfsmittel zurückzuführen. Die Zubereitung von Fleisch, Gemüse und Fisch in butter- oder fetthaltigen Saucen, Frikassee oder Ragout genannt, die die Hauptzutat und ihren originären Geschmack begleiten sollte, entwickelte zunehmend vielfältige und komplizierte Kochvorgänge. Neben einer einfachen Buttersauce, wurden auch Bouillon- und Weinsaucen sowie Rahm- und Einbrennsaucen modern. Zusätzlich verwendete man Eidotter als Bindemittel in Saucen, besondere Formen wie die Sauce hollondaise, béarnaise oder blanche entstanden. Zur adäquaten Zubereitung waren differenzierte Kochvorgänge notwendig wie Schmoren, Dünsten, Pochieren, Sautieren, Reduzieren und Karamellisieren, welche eine ständige Kontrolle der Temperaturzufuhr, der Kochzeiten und des Garvorgangs an sich erforderten. Dies wurde durch die technische Verbesserung der Feuerstelle im ausgehenden 16. Jahrhundert ermöglicht. Das spätmittelalterliche Bodenfeuer, bei dem die Temperaturzufuhr nur über die Distanz des Kessels zum Feuer reguliert werden konnte, der Rost und der Backofen erlaubten neben Kessel-, Brat- und Backgerichten kaum verfeinerte Zubereitungsarten. Ab den 1570er Jahren setzte sich schließlich ein rechteckig gemauerter und gekachelter Herd mit mehreren Platten unterschiedlicher Größe durch, der es erlaubte, den Topf bequem in Handhöhe auf die Platte zu stellen und der eine flexible Handhabung von Garzeiten und Temperaturzufuhr gewährleistete.123 Es ist davon auszugehen, dass sich dieser erhöhte Herd auch in Mitteleuropa neben Backofen und Rost spätestens im 17. und 18. Jahrhundert durchsetzte.124 Diese zunehmende Differenzierung in der Essenszubereitung erforderte mehr Küchen-Know-how und förderte die spezialisierte Ausbildung der Köche, sodass bestimmte Bereiche in Frankreich zunehmend personenbezogen erarbeitet oder überhaupt ausgelagert wurden. Bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entwickelte sich die Pâtisserie und Confiserie zur eigenständigen Profession, deren Arbeitsbereich aus der feucht-heißen Küche ausgelagert wurde und eigene Räume sowie spezielle Öfen und Aufbewahrungsmöglichkeiten zur Trocknung von Früchten benötigte. Denn in ihren Bereich fiel neben dem Backen von Kuchen und Torten auch die Herstellung von Konfitüren, Kompotten, Gelees, Konserven, Sirup, Liqueurs, kandierten Früchten, Dragées auf Nussbasis, Marzipan 122 Vgl. FLANDRIN: L'ordre. In: Kolmer/Rohr (Hg.): Mahl 2000, S. 173–174. 123 Vgl. PINKARD: Revolution 2009, S. 101–122. FLANDRIN: Le goût. In: Annales 38/2 (1983), S. 370–377. 124 Vgl. NEUNTEUFEL: Kochkunst 1976, S. 70–72.
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und Konfekt.125 Im Bereich der Fleischzubereitung wurde zwischen charcutiers, die für die Wurst- und Feinkost zuständig waren, und rôtisseurs, die sich auf die Zubereitung von Geflügel und Braten spezialisierten, unterschieden. Daneben gab es eigene Pastetenköche und allmählich auch eine eigene Gilde für Saucenmacher. Die Spezialisierung unter den Köchen ist jedenfalls unter den von 1620 bis 1720 für das Kaiserhaus tätigen französischen Köchen erkennbar: zwei Pastetenköche, Claudius Cané126 und Nicola Haly,127 der Bratmeister Johann Baptista Marchand128 und der Zuckerbäcker und Confiseur de Cour, Johann Nicola La Vesne,129 belieferten den Hof. Schließlich etablierte sich in Paris noch der traiteur, eine Vorform des Restaurantbetriebs bzw. unseres heutigen Caterings. Der traiteur stellte komplette Menüfolgen für mehrere Personen fertig zusammen und lieferte diese in einen angemieteten Raum oder direkt zum Kunden, dem hohen Adel in Frankreich. Die Herstellung der verschiedenen Saucen, den bouillons, jus, coulis und essences, verlangte ab 1700 penible und vor allem zeitraubende Arbeitsvorgänge, was zur Folge hatte, dass eben diese Produkte lange im Voraus hergestellt, haltbar gemacht und nur bei Bedarf eingesetzt wurden.130 Die Pariser Nahrungsmittelversorgung war insgesamt um Halbfertig- und Fertigprodukte reicher geworden. Die Arbeitsteilung in den herrschaftlichen Küchen verfestigte sich an der Wende zum 18. Jahrhundert, ein chef de cuisine koordinierte verschiedene Hilfskräfte, pâtissiers und rôtisseurs: „Dans la plupart des bonnes maisons de France un cuisinier ne fait point le rôt. Les cuisines sont composées de chefs, d'aides, de pâtissiers et de rôtisseurs et garçons.“131 Diese grundlegenden Veränderungen in der Esskultur fanden am Buchmarkt ihren Widerhall. Zwischen 1550 und 1650 stagnierte der Kochbuchmarkt, Neuerscheinungen gab es keine. Nach 1650 setzte eine Flut an neuen Kochbüchern am französischen Buchmarkt ein, den La Varenne mit seinem Le Cuisinier françois 1651 lostrat. La Varenne war das Pseudonym für François Pierre (1615–1678), der écuyer de cuisine beim Marquis d'Uxelles war. Sein Werk wurde bis 1750 25-mal in Frankreich aufgelegt und 21-mal übersetzt und belegt den Umbruch in der Küchenpraxis. Neben der Bouillon als Grundlage der Fleischzubereitung, dem Suppengrün zur Würzung, der Mehlschwitze zum Binden und der Geschmacksintensivierung durch Reduzieren ist vor allem der Rückgang von exotischen Gewürzen und Fleischsorten als charakteristisch zu nennen. Noch im selben Jahr er125 Vgl. Dominique MICHEL: Vatel et la naissance de la gastronomie. Paris 2000, S. 143–145, 158, 172–179. 126 ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 5, f. 392r. Sowie HAUPT: Handwerk 2007, S. 288. 127 WStLA, Alte Ziviljustiz, A2 Verlassenschaftsabhandlungen 12/15 1634. HAUPT: Hof- und hofbefreites Handwerk 2007, S. 479. 128 Vgl. HAUPT: Handwerk 2007, S. 573. 129 ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 4, S. 24. Sowie ÖStA, HHStA, OMeA, Protokolle 5, f. 336r–337v. 130 Vgl. PINKARD: Revolution 2009, S. 57–58, 92, 132–138. 131 Clouet, maître bei Thomas Pelham-Holles, Herzog von Newcastle über die französische Küche, zitiert nach: Barbara KETCHAM WHEATON: L'office et la bouche. Histoire des moeurs de la table en France 1300–1789. Paris 1984, S. 207.
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schien Le Jardinier françois von Nicolas de Bonnefons, valet de chambre im königlichen Haushalt. Bis 1660 gelangten weitere fünf namhafte Kochbücher auf den Markt, 1653 Le Pastissier françois,132 1654 Les Délices de la campagne von Nicolas de Bonnefons, 1656 Le Cuisinier von Pierre de Lune, écuyer de cuisine beim Duc de Rohan, und schließlich anonym Le Cuisinier méthodique und Le Confiturier françois. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts erschienen weitere Kochbücher, die wiederum neue Akzente in der Kochkunst dokumentierten, davon sind L'Art de bien traiter und Le Cuisinier royal et bourgeois von Massialot, wahrscheinlich traiteur, Letzteres mit 28 Auflagen und vier Übersetzungen bis 1750, zu erwähnen.133 Im Nachlassinventar von 1741 des Johann Adolf von Metsch (1672–1740), Reichsvizekanzler des Heiligen Römischen Reichs, findet sich eine Aufstellung seiner Bibliothek, die mit der Erbschaft in den Besitz der Familie Khevenhüller-Metsch überging. Darin sind lediglich zwei Kochbücher verzeichnet, neben dem allseits bekannten Freywillig auffgesprungenen GranatApfel der Eleonora Maria Rosalia von Liechtenstein immerhin gleich das wesentlichste französische Werk, nämlich La Varennes Le Cuisinier françois.134 Tatsächlich setzte die Rezeption des neuen französischen Kochstils in Wien in den 1660er Jahren ein, also kurz nach der ersten Veröffentlichungswelle von Kochbüchern in Frankreich. Bereits 1650 kursierten einzelne französische Speisen im Umkreis des Wiener Hofes wie Tauben und junge Hühner in einer französischen Brühe oder Karpfen in einer Suppe.135 Die französische Art zu kochen wurde explizit 1660 für den Haushalt des Grafen Windischgrätz dokumentiert.136 Zwei Jahre später ließ auch Graf Strozzi in Wien französisch kochen, dort bestand das Menü in jedem Gang aus vielerlei Menester, das heißt Gemüsen oder Gemüsesuppen,137 und drei Schüsseln Gebratenem und Gesottenem, einer typisch französischen Speisenfolge also. Des Weiteren berichtete Ferdinand Bonaventura von Harrach aus Prag, dass der Herzog von Sachsen-Lauenburg einen französischen Küchenmeister beschäftige, der immer wieder neue Gerichte erfinde. 1666 schließlich wollte Ernst Adalbert von Harrach, Kardinal und Erzbischof von Prag, einen französischen Koch einstellen, der anlässlich einer größeren Tafel von 17 Personen kochte. Allerdings ist überliefert, dass die Gäste die französische Küche 132 Dieses Pâtisserie-Werk erschien anonym, wurde aber von Georges Vicaire Ende des 19. Jahrhunderts La Varenne zugeschrieben, neuere Forschungen weisen allerdings auf bedeutende Unterschiede der beiden Werke hin und betonen sein anonymes Erscheinen wie etwa Flandrin. Vgl. KETCHAM WHEATON: L'office 1984, S. 339. FLANDRIN/HYMAN/HYMAN: Cuisinier 1983, S. 61. 133 Vgl. FLANDRIN/HYMAN/HYMAN: Cuisinier 1983, S. 64–65. PINKARD: Revolution 2009, S. 60–61. 134 ÖStA, HHStA, Khevenhüller 62, StellungsInventarium beÿ der Hochfürstlichen Kevenhillerischen Herrschafft Hoch- und Nieder- Osterwitz Nro 9. 135 ÖStA, AVA, Harrach 243, Korrespondenz Kardinal Ernst Adalbert Harrach, Brief vom 1. Sept. 1650. 136 ÖStA, AVA, Harrach 243, Korrespondenz Kardinal Ernst Adalbert Harrach, Brief vom 14. Okt. 1660. 137 Menester, bair. für Gemüse, potage, vgl. Andreas SCHMELLER: Bayerisches Wörterbuch. Teil 2. Stuttgart/Tübingen 1828, S. 591.
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nicht guthießen und die übliche Kost vorzogen.138 1671 engagierte Graf Windischgrätz einen französischen Koch, den er direkt in Paris angeworben hatte, und auch Graf Lamberg beschäftige 1676 einen Pariser Küchenjungen.139 Französische Köche in seinem Haushalt für sich kochen zu lassen, schien nicht nur in Wien und an deutschen Höfen140 ein Trend des 17. Jahrhunderts gewesen zu sein. In England sind seit dem 16. Jahrhundert französische Köche immer wieder in den höchsten Kreisen belegt, fanden aber vor allem im 17. und 18. Jahrhundert neben englischen vorwiegend bei antikatholischen Whigs eine Anstellung. Der berühmteste unter ihnen war sicherlich Vincent La Chapelle, der längere Zeit beim Earl of Chesterfield in Diensten stand und 1733 The Modern Cook veröffentlichte, ein Kochbuch, das stark an La Varennes Werk angelehnt war.141 In England wie in Wien scheiterte das Projekt, französische Küche über Arbeitsmigration von Köchen in die eigene Geschmackswelt zu implementieren. Am Beispiel der beiden französischen Köche im Haushalt der Familie Harrach kann die Multikausalität dieses gescheiterten Kulturtransfers genauer betrachtet werden. Wollte der europäische Adel französische Köche anwerben, war der Pariser Arbeitsmarkt eigentlich die einzige Anlaufstelle, konzentrierte sich doch auch das kulinarische Geschehen Frankreichs auf die Hauptstadt. Meist gestaltete sich die Suche nach einem geeigneten Kandidaten schwierig, nur wenige Köche waren überhaupt bereit, in die Fremde zu gehen, da den meisten bewusst war, dass die Arbeitsbedingungen im Ausland nicht als adäquat angesehen werden konnten. Interessiert zeigten sich oft nur Köche, die auf dem eigenen Arbeitsmarkt eher schlechtere Chancen hatten, dementsprechend unzufrieden waren die Auftraggeber mit dem Ergebnis, für die das Projekt jedoch eine Prestigefrage darstellte.142 Ferdinand Bonaventura von Harrach beauftragte seinen Korrespondenten in Paris, Alexandre Bergeret, im Sommer 1676 mit der Anwerbung eines geeigneten Kochs. Viele Köche mit guter Reputation (vgl. Kap. 8.1) kamen zwar in Frage, konnten aber nicht für das Projekt gewonnen werden, da Harrach nicht bereit war, mehr als 300 fl. Gage zu zahlen. Der Großteil der Pariser Köche erwartete sich allerdings mehr, etwa 400 fl.143 Schließlich engagierte Bergeret einen Maître de 138 ÖStA, AVA, Harrach 245, Korrespondenz Kardinal Ernst Adalbert Harrach, Briefe vom 12. Nov. 1662, 23. Jän. 1664 und 17. Mai 1666. 139 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 28. Feb. 1671 und 31. Aug. 1676. 140 Vgl. Bernd MAETHER: Kochen für den König. Der friderizianische Hof im Spiegel der Speisezettel und Hofrechnungen. In: Friedrich300 (2009), vgl. http://www.perspectivia.net/ content/publikationen/friedrich300-colloquien/friedrich-hof/Maether_Kochen [Stand 15.04.2010]. Carin GENTNER: Zur Tafelkultur am fürstbischöflichen Hof zu Neuhaus zur Zeit Ferdinands von Fürstenberg. In: Norbert Börste/Jörg Ernesti (Hg.): Friedensfürst und Guter Hirte. Ferdinand von Fürstenberg. Paderborn/München/Wien [u.a.] 2004, S. 479–503. 141 Vgl. Valerie MARS: Die angelsächsische Einstellung zu Küche und Speisezimmer. In: Elfie Miklautz/Herbert Lachmayer/Reinhard Eisendle (Hg.): Die Küche. Zur Geschichte eines architektonischen, sozialen und imaginativen Raums. Wien/Köln/Weimar 1999, S. 117–119. 142 Vgl. KETCHAM WHEATON: L'office 1984, S. 204–207. 143 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 23. Aug., 31. Aug. und 6. Sept. 1676.
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traiteur namens Mercier, den er als aufrichtig, standfest und ruhig, aber eben auch sehr fähig beschrieb.144 Als Gehilfe fand sich schließlich ein gewisser Mignon, bis dahin Angestellter des Kanzlers. Mignon war etwas einfach, aber prinzipiell ausreichend gut vor allem im Bereich der Pâtisserie, da er fünf Jahre bei einem der besten Pâtissiers von Paris gelernt hatte.145 Während Mignon zusammen mit Bergeret Ende September 1676 Paris verließ, um mit Johanna Theresia von Harrach von Spanien kommend nach Wien zu reisen, hatte Mercier noch Angelegenheiten zu erledigen und sollte im Herbst in Lyon auf Graf Harrach treffen, um mit ihm nach Wien zu gelangen. Die Abreise des Grafen aus Spanien verzögerte sich jedoch gravierend, sodass Mercier fast ein Jahr untätig in Lyon auf Harrach warten musste, bevor er selbständig die Weiterreise nach Wien antrat.146 In Wien angekommen, gestalteten sich die ersten Wochen sicherlich schwierig für die Gräfin Harrach, die im Alleingang unter Hilfestellung ihres Hofmeisters Caspar Ambros Maignin de Fleurey ihren Haushalt in Wien erst organisieren musste. Der Hilfskoch dürfte nicht von Anfang an die Arbeitsbedingungen angetroffen haben, die er in Paris gewohnt war. Dazu gehörte zu aller erst die Trennung der herrschaftlichen Küche von der kleinen Küche, in der eine einheimische Köchin für die Kost der Kinder zuständig war. Dies entsprach dem Usus in herrschaftlichen Haushalten, die Aufgaben geschlechterspezifisch zu verteilen.147 Erste Probleme gröberer Natur ergaben sich aus dem Umstand, dass Mignon nur Französisch sprach, der Einkäufer nur Deutsch. Verständigungsprobleme waren besonders zu Beginn auf allen Ebenen vorhanden, bis sich die Gräfin darauf verstand, einen Einkäufer suchen zu wollen, der auch Französisch konnte.148 Von Beginn an war Johanna Theresia von Harrach unzufrieden mit den Kochkünsten des Hilfskochs Mignon in Wien. Ihre persönliche Einstellung den französischen Köchen gegenüber änderte sich bis zu deren Remigration 1678/1679 nicht mehr grundlegend. Ihre negative Haltung resultierte jedoch aus einer fatalen Mischung von Vorurteilen Franzosen gegenüber, unüberbrückbaren Differenzen in der Geschmacksvorstellung, einem falschen Verständnis bzw. einer Unkenntnis der französischen Küche des 17. Jahrhunderts und realen Missständen in ihrer von Franzosen geführten Küche. Den Küchenabrechnungen aus dem Jahr 1677 zufolge versuchte Mignon sicherlich französisch zu kochen, weswegen er schließlich auch nach Wien geholt worden war. Zutaten, die sich fast täglich auf den Küchenabrechnungen finden wie Petersilie sind eindeutig der französischen Küche zuzuordnen, andere wie Spargel, Sellerie, Salat und Artischocken großteils. Bei Fleisch und Fisch musste sich der Koch sicher am regionalen Markt orientieren. An Fleischtagen wurde fast täglich Rindfleisch, Kalb144 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 20. Sept. 1676. 145 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 28. Sept. 1676. 146 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 12. Okt. 1676, 15. April und 1. Juli 1677. 147 Vgl. ETZLSTORFER: Küchenkunst 2006, S. 144–145. 148 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 30. Nov., 19. Dez. 1676 und 1. Jän. 1677. ÖStA, AVA, Harrach 279, Korrespondenz Maignin de Fleurey, Briefe vom 7. und 21. Jän. 1677.
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fleisch oder beides zusammen gereicht, wobei das Kalbfleisch in Frankreich weit mehr geschätzt wurde als in Wien, wo der Rindfleischverbrauch sehr hoch war. Seltener wurde Lamm und Geflügel verarbeitet, für die Gräfin wurden allerdings immer wieder verschiedene Geflügelsorten wie Tauben, Truthahn, Ente und selten auch Wild zubereitet. An Fasttagen ergänzten heimische Fischsorten wie Rutten, Forellen, Koben, Scheiden, aber auch Krebse und Schildkröten die zwei wichtigsten Zuchtfische, nämlich Karpfen und Hecht. Stockfisch wurde nur als Ergänzung verwendet. Über den Gewürzverbrauch können keine Aussagen getroffen werden, da diese offensichtlich nicht über die täglichen Küchenzettel abgerechnet wurden.149 Es erscheint aber als realistisch, dass der Koch nicht alle Zutaten, die er für nötig gehalten hätte wie zum Beispiel die zahlreichen Pariser Halbfertig- und Fertigprodukte, in Wien auch bekam. Was den Fettverbrauch des französischen Kochs in der Küche anbelangte, so kann konstatiert werden, dass mit Sicherheit mehr Fett in Form von Speck, Schmalz, Butter und Öl aufgewendet wurde als in Wien üblich. Sowohl die Gräfin150 als auch der Hofmeister151 beklagten immer wieder die hohen Küchenausgaben vor allem im Bereich der Fette und insbesondere bei Butter, die zur damaligen Zeit der edelste Fettstoff152 war. Je nach Speisezettel weisen auch die Küchenabrechnungen den hohen Fettverbrauch in realen Zahlen aus: 2 lb. Speck (1 kg), 9 lb. Schmalz (4,5 kg), 11 lb. Butter (5,5 kg) und 1 lb. Öl (½ kg) zeichneten am 7. Juni 1677 den höchsten dokumentieren Tagesverbrauch aus.153 Selbst bei mehrgängigen Menüs für eine größere Gesellschaft überrascht die Menge an verbrauchtem Fett. Die Gesamtabrechnung der großen Küche ergab, dass durchschnittlich pro Tag um 21 kr. Fett verkocht wurde, gemessen am durchschnittlichen Tagesverbrauch an Lebensmitteln waren das über 5% der Ausgaben, inklusive Back- und Teigwaren.154 Eine vergleichbare Studie über den Lebensmittelverbrauch eines südfranzösischen Seigneurs des 18. Jahrhunderts weist einen täglichen Aufwand für Fette von 3% des Gesamtbudgets auf, Fett für Gebäck und Mehlspeisen allerdings nicht mitgerechnet.155 Insofern wurde für Wiener Verhältnisse deutlich mehr Fett verbraucht, aber auch für französische Verhältnisse dürfte sich der Fettbedarf im oberen Bereich bewegt haben. Im hohen Fettverbrauch lag auch von Anfang an die reale Ursache für den wichtigsten Kritikpunkt am französischen Koch, nämlich dass er verschwende149 ÖStA, AVA, Harrach 2715, Wien, Küche und Zuckerbäckerei 1676–1681, Umschlag 1677 und 1678, Großer Kuckhl Register, unfoliert. 150 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 25. März, 31. März, 14. Juni, 23. Juli 1677. 151 ÖStA, AVA, Harrach 279, Korrespondenz Maignin de Fleurey, Brief vom 22. Juli 1677. 152 Vgl. NEUNTEUFEL: Kochkunst 1976, S. 91. 153 Die Küchenabrechnungen bezogen sich auf die Essenszubereitung für den gesamten Haushalt exklusive der Küche für die Kinder. Inklusive der Dienerschaft ist von weit mehr als zehn Personen auszugehen. 154 ÖStA, AVA, Harrach 2715, Wien, Küche und Zuckerbäckerei 1676–1681, Umschlag 1677, Großer Kuckhl Register, unfoliert. 155 Vgl. Josef SMETS: Am Tisch eines südfranzösischen Seigneurs im 18. Jahrhundert. In: Kolmer/Rohr (Hg.): Mahl 2000, S. 198.
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risch mit den Lebensmitteln umgehe. Zu Beginn gestaltete sich die Kritik der Gräfin sehr allgemein, konkrete Vorwürfe gehen aus ihren Tagzetteln kaum hervor. Verschwendung an sich galt darüber hinaus als gängiges nationales Stereotyp mit Kontinuität seit dem frühen 17. Jahrhundert in der Beschreibung von Franzosen. Selbst in französischen Texten wie dem Epithetalexikon von Louis-François Daire werden Franzosen Attribute wie voluptieux, dissipé, fastueux und prodigue zugeschrieben.156 Ein zweiter Kritikpunkt, der ebenfalls das Vorurteil der Verschwendung generierte, war, dass die österreichische Küche im 17. Jahrhundert nach wie vor so viel wie möglich an Essbarem verwertete, während man in Frankreich bereits mehr Wert auf ausgesuchte Zutaten legte und auch Abfälle oder übrig Gebliebenes der besseren Häuser über den Weiterverkauf abstieß.157 Nur so ist es zu erklären, dass Johanna Theresia von Harrach dem französischen Koch vorwarf, über alle Maßen verschwenderisch zu sein, weil er die Fischleber nicht verarbeitete, sondern entsorgte.158 Das Problem der Verschwendung glaubten die Gräfin und der Hofmeister mit der Ankunft des chef de cuisine Mericer lösen zu können, indem dieser die Aufsicht über die sparsame Verwendung der Zutaten erhalten sollte. Dieser erhoffte Effekt trat allerdings nicht ein, im Gegenteil, der Gräfin zufolge agierte Mercier noch freizügiger mit den Zutaten als Mignon.159 Zusätzlich zu diesen Problemen zeigte sich auch, dass in erster Linie die Gräfin, aber auch der Hofmeister in einigen Punkten völlig falsche Annahmen und Erwartungen an die französische Küche stellten. Johanna Theresia war der Meinung, dass möglichst viele Gerichte bei einem Mahl zur Auswahl stehen sollten, sie berichtet stets positiv von anderen Köchen, dass diese fünf oder sechs Schüsseln servieren ließen, ihr Koch aber nie mehr als zwei bis drei.160 Dies lag daran, dass sich in Frankreich die Zahl der gereichten Speisen pro Gang bereits im ausgehenden 17. Jahrhundert zu verringern begann, man konzentrierte sich auf wenige, aber sehr aufwendig zubereitete Speisen.161 Darüber hinaus glaubte die Gräfin, für die französische Küche wäre das Zusammenmischen von allen möglichen Zutaten und Speisen charakteristisch,162 das Gegenteilige war jedoch der Fall. Schließlich hofften sowohl der Hofmeister als auch die Gräfin in Mercier einen möglichst sparsamen Koch zu finden, der ökonomisch arbeiten würde,163 was sich ebenfalls als mit der französischen Art zu kochen nicht wirklich vereinen ließ. Möglicherweise wurde auch von den Köchen verlangt, dass sie sich in Wien an den Geschmäckern der Herrschaft orientierten, wie dies in England von französi-
156 Vgl. Ruth FLORACK: Tiefsinnige Deutsche, frivole Franzosen. Nationale Stereotype in deutscher und französischer Literatur. Stuttgart/Weimar 2001, S. 158, 159, 180, 225. 157 Vgl. NEUNTEUFEL: Kochkunst 1976, S. 18. PINKARD: Revolution 2009, S. 59. 158 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 15. Mai 1677. 159 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 23. Juli 1677. 160 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 17. Dez. 1676 und 23. Juli 1677. 161 Vgl. PINKARD: Revolution 2009, S.126–127. 162 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 14. Juni 1677. 163 ÖStA, AVA, Harrach 279, Korrespondenz Maignin de Fleurey, Brief vom 22. Juli 1677.
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schen Köchen erwartet wurde, wo man davon ausging, dass die französische mit der einheimischen Küche zu kombinieren war.164 Die größten Hürden in der kulturellen Vermittlung der französischen Küche lagen mit Sicherheit in den zu unterschiedlichen Geschmacksrichtungen. Wie bereits erwähnt, ist die Abscheu vor einem Essen, das nicht mundet, stets das erste und letzte Argument gegen Veränderungen im Konsumverhalten. Die Gräfin Harrach mochte ganz einfach keine Ragouts und Frikassees. Bergeret, der zur selben Zeit in Wien weilte, bemerkte dies resignativ dem Grafen gegenüber: „[elle] est peu portée pour les ragoux“.165 Für den Geschmack der Gräfin waren die Speisen zu wenig abwechslungsreich, viel zu fett und dann auch wieder zu wenig saftig. Sie führte auch an, dass selbst die Dienerschaft mit der Kost nicht zufrieden sei, dass diese lieber Wasser und Brot äße als das Essen des französischen Kochs. Allerdings traue sich von der Belegschaft niemand Kritik zu üben, da sich alle vor Harrachs Pariser Korrespondenten Alexandre Bergeret fürchteten.166 Den Schilderungen Johanna Theresias zufolge müssen die Differenzen tatsächlich unüberbrückbar gewesen sein: „was ich friß mecht offt kein hundt“167. Am 14. Juni 1677 bereitete Mignon für die Gräfin Kalbfleisch, Ochsenfleisch, Tauben, junge Hühner und Lammfleisch in Butter oder Speck.168 Dieses Essen bezeichnete sie als „gefräs von franzesischen koch“ und meinte, „ich hedt auff die nacht ia nichtß zu esen wan das auserte hiendel oder brädel nit wer“169, von dem sie der Meinung war, dass sie es überall bekommen würde. Die Folge dieser Missbilligung war, das Johanna Theresia verstärkt auswärts, meist bei ihrer Familie, aß oder Besuche abstattete, um der französischen Küche zu entgehen und größere Einladungen und Bankette in ihrem eigenen Haus versuchte abzuwehren, da sie sich offenbar für ihre Küche schämte.170 Ähnliche Probleme den Geschmack betreffend sind auch von englischen Adeligen, die französische Köche beschäftigten, und von Elisabeth Charlotte von Orléans, genannt Liselotte von der Pfalz, am Versailler Hof überliefert. Französische Gerichte wie Ragouts oder Frikassees aber auch Braten wurden vor allem von männlichen Mitgliedern des englischen Adels abgelehnt, da diese scharf angebratenes Fleisch bevorzugten und man in England allgemein französische Suppen, Saucen und dergleichen aufgrund der fehlenden Transparenz der Zutaten nicht schätzte. Ähnlich wie in Wien wurden möglichst viele unterschiedliche, nicht abgestimmte Speisen serviert. Dies stand im Gegensatz zur festgesetzten Speisenfolge mit größtmöglicher Übereinstimmung der Zutaten in Frankreich.171 Anders 164 165 166 167 168
Vgl. KETCHAM WHEATON: L'office 1984, S. 203–204. ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 1. Juli 1677. ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 30. Mai und 23. Juli 1677. ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 8. Aug. 1677. ÖStA, AVA, Harrach 2715, Wien, Küche und Zuckerbäckerei 1676–1681, Umschlag 1677, Großer Kuckhl Register, unfoliert. 169 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 14. Juni 1677. 170 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 31. März, 18. Juni und 8. Aug. 1677. 171 Vgl. MARS: Angelsächsische Einstellung. In: Miklautz/Lachmayer/Eisendle (Hg.): Küche 1999, S. 118–121.
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als der französische Adel hatte sich der englische Adel weit mehr reale Macht und Mitbestimmung im Staat erhalten. Er legte daher weniger Wert auf repräsentative Essenszubereitung und frönte dem einfachen Landleben, zu dem ein weniger aufwändiger und exquisiter Kochstil passte, der gegen Einflüsse von außen sehr widerstandsfähig war. Nur Personen, die längere Zeit im Ausland verbracht hatten und die französische Küche bereits kannten, stellten längerfristig französische Köche an.172 Elisabeth von Orléans fand Zeit ihres Lebens in Versailles keinen persönlichen Zugang zur französischen Küche. Ihre Ablehnung begann bei den ausschweifenden und verschwenderischen Tafeln der Hofgesellschaft und endete bei einer körperlichen Aversion gegen Bouillon, Ragouts, Frikassees, aber auch Konfekt, Konfitüren, Wassermelonen und Heißgetränke, also gegen fast das gesamte Sortiment an französischen Spezialitäten. Gerade das Beispiel der Liselotte von der Pfalz zeigt, dass Kulturtransfer in der Küche kaum Erfolg beschieden war. Ihre Versuche, deutsche Rezepte ins Französische zu übersetzen und nach ihrer Anweisung von französischen Köchen herstellen zu lassen, scheiterten ebenso wie die französischen Köche in Wien.173 Liselotte von der Pfalz beurteilte die Kritikfähigkeit der französischen Köche als mangelhaft: „Ich wolte lieber mitt leütte zu thun haben, so mir gutte metwürst [...] machten, alß mitt naßenweißen, wie man hir hatt, denen man nichts zu recht sagen kan.“174 Die fehlende Kritik- und Anpassungsfähigkeit französischer Köche war auch im Harrachschen Haushalt Thema. Genau wie bei den gestiegenen Küchenausgaben stimmen die Aussagen des Hofmeisters mit jenen von Johanna Theresia diesbezüglich überein. Die Gräfin beklagte sich, dass dem chef de cuisine, Mercier, nichts recht sei, dass beide Köche von Alexandre Bergeret immer wieder in Schutz genommen werden und dass dabei schlecht über ihre Person gesprochen werde.175 Auch der Hofmeister gab gegenüber Ferdinand Bonaventura zu, den Köchen freiere Handhabung mit den Lebensmitteln zu lassen, als ihm lieb sei, da er die Konfrontation mit ihnen scheue.176 All dies mag aber nicht darüber hinweg täuschen, dass aus Sicht der Köche ihnen ein erfolgreiches Arbeiten in Wien auch seitens der Gräfin verwehrt wurde. Die Umstände, dass sich der Lebensmittelmarkt in Wien doch von jenem in Paris deutlich unterschied, da Halbfertig- und Fertigprodukte fehlten, und dass Mignon als sous-chef mit Spezialisation auf Pâtisserie sich allein um die Bestellung der herrschaftlichen Küche zu kümmern hatte, zeigt, dass die Gräfin aufgrund völlig falscher Prämissen ihr Urteil über den Koch fällte. Zudem war die Arbeitsteilung in der französischen Küche zu diesem Zeitpunkt bereits weit fort172 Vgl. Stephen MENNELL: Die Kultivierung des Appetits. Die Geschichte des Essens vom Mittelalter bis heute. Frankfurt am Main 1988, S. 172, 176–177. 173 Vgl. Klaus J. MATTHEIER: Deutsche Eßkultur am Versailler Hof Ludwigs XIV. Über die kulinarischen Vorlieben und Abneigungen der Elisabeth Charlotte von Orléans. In: Teuteberg/Neumann/Wierlacher (Hg.): Essen 1997, S. 150–153. 174 Zitiert nach MATTHEIER: Deutsche Eßkultur. In: Teuteberg/Neumann/Wierlacher (Hg.): Essen 1997, S. 153. 175 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 23. Juli und 29. Sept. 1677. 176 ÖStA, AVA, Harrach 279, Korrespondenz Maignin de Fleurey, Brief vom 22. Juli 1677.
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geschritten und Mignon musste in Bereichen arbeiten, die in Frankreich dezidiert nicht in seinen Aufgabenbereich gefallen wären. Des Weiteren muss angemerkt werden, dass Johanna Theresia offensichtlich politische oder persönliche Vorurteile gegenüber Franzosen hegte. Johanna Theresia, geborene Lamberg, war zwei Jahre lang Hofdame der spanischen Königin Maria Anna in Madrid, nachdem sie bereits die Jahre 1653 bis 1660 als Tochter des kaiserlichen Botschafters Johann Maximilian von Lamberg am spanischen Hof verbracht hatte. Die Zeit der spanischen Sozialisation dürften an Johanna Theresia nicht spurlos vorüber gegangen sein, sie sprach, las und schrieb auf Spanisch.177 Aus ihren Tagzetteln geht immer wieder klar hervor, dass sie ihre prospanische und antifranzösische Einstellung, auch was die Köche betraf, gegenüber ihrem Mann rechtfertigen musste, da dieser ihr sehr wohl Vorurteile vorwarf.178 Die Anschuldigungen der Gräfin gingen so weit, dass sie die Köche des Stehlens, des Tachinierens und einer unhaltbaren Unordnung in der Küche bezichtigte,179 was weder vom Hofmeister noch von Bergeret bestätigt wurde. Vielmehr zeigte der Hofmeister Maignin de Fleurey die Fehlentscheidungen der Gräfin auf, die dem im Juni 1677 angekommenen Mercier zu kochen verbot und ihn damit zur Untätigkeit zwang. Nach der Einschätzung des Hofmeisters sei dies nicht sinnvoll, da Mercier sich bisher nichts zu Schulden habe kommen lassen und er einen aufrichtigen und arbeitswilligen Eindruck mache,180 was auch Bergeret bestätigte.181 Bergeret relativierte darüber hinaus die Anschuldigungen gegen Mignon in Bezug auf dessen Butterverschwendung und seine mangelhafte Integrationswilligkeit.182 Für beide Köche bestanden nur geringe Möglichkeiten, ihre Ziele in Wien zu verwirklichen und sich in den Harrachschen Haushalt zu integrieren. Gerade für den chef de cuisine muss es besonders frustrierend gewesen sein, zuerst untätig in Lyon auf den Grafen Harrach zu warten und dann nach seiner Ankunft auch in Wien nicht arbeiten zu dürfen. Ob und unter welchen Umständen der Hilfskoch und Pâtissier Mignon in seinem Spezialbereich Pâtisserie und Confiserie im Haus Harrach tätig war, geht aus den Quellen nicht hervor. Da sich die Äußerungen aller Beteiligten lediglich auf Gekochtes bezogen, ist aber davon auszugehen, dass weder Pâtisserie noch Confiserie 1677/78 in Wien verwirklicht werden konnten. Das Projekt, die französische Küche nach Wien zu importieren, war damit auf allen Ebenen gescheitert, nämlich durch falsche Erwartungen und Informationsdefizite auf beiden Seiten, fehlende Motivation, Kooperation und Gestaltungsfreiräume sowie sprachliche Mängel, was für die Eingliederung neuer Mitarbeiter grundlegend gewesen wäre. Zu kulturellen Anpassungsprozessen im Arbeitskontext und zur Lösung der unterschiedlichen Wahrnehmung von Problemen kam es 177 178 179 180
Vgl. PILS: Schreiben über Stadt 2002, S. 18–20. ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 9. April, 14. Juni und 8. Aug. 1677. ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 25. März, 30. Juni und 29. Sept. 1677. ÖStA, AVA, Harrach 279, Korrespondenz Maignin de Fleurey, Briefe vom 24. Juni und vom 8. Juli 1677. 181 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 1. Juli 1677. 182 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 7. Jän., 4. Feb. und 15. April 1677.
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bei den französischen Köchen in Wien nicht.183 Nur die Loyalität gegenüber den Entscheidungen ihres Mannes hielt Johanna Theresia davon ab, die beiden Köche frühzeitig zu kündigen.184 Ferdinand Bonaventura dürfte nach seiner Rückkehr aus Spanien versucht haben, einen neuen Anlauf mit Mercier und Mignon zu nehmen, im Frühjahr 1678 wurden immerhin für Mercier verschiedene Kochutensilien, nämlich Pfannen, Löffel, Schöpflöffel, Blechmodel, Gefäße verschiedenster Größe und Bestimmung sowie eine Küchensäge,185 angeschafft. Das Verhältnis der Köche zur Familie Harrach und zum Hofmeister dürfte sich aber nicht mehr normalisiert haben. Mit Juli 1678 wurde Mercier in Wien entlassen186 und er kehrte nach Paris zurück.187 Mignon blieb noch bis Jänner 1679,188 über seinen weiteren Verbleib ist nichts bekannt. Die Arbeitsmigration der französischen Köche misslang aufgrund von unüberbrückbaren Differenzen und Vorurteilen auf beiden Seiten.189 Weder fanden die Köche in Wien die richtigen Arbeitsbedingungen vor, noch war die Gräfin Harrach bereit, diese Umstände zu erkennen und zu ändern oder sich gar auf das Experiment „französische Küche“ einzulassen. Die Köche schafften es nicht, sich auf die Bedürfnisse der Familie Harrach in Wien einzustellen, und in weiterer Folge schlug ihre soziale Integration in Wien fehl. Dieses Beispiel von gescheitertem Kulturtransfer steht jedoch nicht außerhalb der europäischen Rezeption der französischen Küche. Die Beispiele aus England zeigen, dass die Annahme grundlegender kulinarischer Veränderungen nur schwer Erfolg hatte und der Misserfolg unter anderem auch von politischen Ressentiments oder Faktoren begleitet wurde. Die longue durée in der Kulinarik wurde nur durch besondere Liebhaber der französischen Küche unterbrochen, wie es Ferdinand Bonaventura von Harrach sicher war. Er interessierte sich 1681 wieder für die Anstellung eines französischen Kochs namens La Come190 und auch während seiner Frankreichreise 1698 engagierte er noch einmal einen Pariser Koch, der bereit war, mit ihm nach Wien zu gehen.191 Etwa zeitgleich rekrutierte Bergeret in Lyon einen Confiturier für das Haus Harrach in Wien, der neben Konfitüren auch Desserts für die Tafeln in 183 Vgl. Joachim FREIMUTH/Michael THIEL: Babel und kein Ende? – Multikulturelle Kompetenz als Leitbild von internationaler Personal- und Organisationsentwicklung. In: Joachim Freimuth/Jürgen Haritz/Bernd-Uwe Kiefer (Hg.): Auf dem Weg zum Wissensmanagement. Personalentwicklung in lernenden Organisationen. Göttingen 1997, S. 205–233. 184 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 29. Sept. 1677. 185 ÖStA, AVA, Harrach 2556, Wien Rechnungen Hauptkassa, Umschlag Rechnungen Wien 1678, unfoliert. 186 ÖStA, AVA, Harrach 2556, Wien Rechnungen Hauptkassa, Umschlag Rechnungen Wien 1678, unfoliert. 187 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 21. Okt. 1678. 188 ÖStA, AVA, Harrach 2556, Wien Rechnungen Hauptkassa, Umschlag Rechnungen Wien 1678–1679, unfoliert. 189 Eine eindimensionale Sichtweise, wie es die Tagzettel der Gräfin Harrach bieten, decken nicht die gesamte Komplexität der Problematik ab. Vgl. PILS: Schreiben über Stadt 2002, S. 114–126. 190 ÖStA, AVA, Harrach 279, Korrespondenz Maignin de Fleurey, Brief vom 30. März 1681. 191 ÖStA, AVA, Harrach Handschriften 134, Tagebuch Ferdinand Bonaventura, S. 465 und 466.
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Laxenburg und Eberstorff zubereiten sollte. Der vermehrte Zuckerkonsum in Konfitüren und Desserts ist möglicherweise eine der wenigen Auswirkungen der französischen Küchenrezeption, die frühzeitig in Wien übernommen wurde. Denn der Sohn Aloys Thomas Raimund schrieb seinem Vater, dass sich die Kosten für den Confiturier in Wien im Vergleich zu den Summen, die Johanna Theresia selbst für Zucker aufwandte, im Rahmen hielten.192 Dennoch flachte das Interesse an französischen Köchen und die Mode, solche einzustellen, im österreichischen Adel in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts deutlich ab. Die Familie Khevenhüller beispielsweise begnügte sich 1720 mit einem deutschen Koch, der sowohl auf deutsche als auch auf französische Manier kochen konnte.193 Die erfolgreiche Implementierung französischer Elemente in der Wiener Küche erfolgte erst unter Maria Theresia und ihrem lothringischen Mann Franz I. Stephan, der zahlreiche französische Köche nach Wien brachte. Nachdem nun die Rezeption der französischen Küche vom Kaiserhaus ausging, konnten sich Gerichte französischer Herkunft ihren Platz in der Wiener Küchenlandschaft sichern,194 gut 100 Jahre nach La Varennes Publikation Le Cuisinier françois. Schlussfolgerungen Französinnen und Franzosen in Wien waren offensichtlich eine Erfolgsstory. Kaum eine ImmigrantInnengruppe in Wien konnte sich so rasch und umfassend in die Mehrheitsbevölkerung integrieren wie die französischsprachigen. Daraus resultierte womöglich auch ihre „Unsichtbarkeit“ im kulturellen Gedächtnis Wiens. Diese immense Integrationsleistung hing mit der im Vergleich zu den ItalienerInnen geringen Zahl an Einwanderern zusammen. Darüber hinaus wurden Französinnen und Franzosen aber vor allem über zwei wesentliche Strategien integriert: Der höfische und adelige Arbeitsmarkt gewährleistete die finanzielle und ökonomische Eingliederung meist über Hofbefreiungen, wodurch ein Großteil der Französischsprachigen direkt an den Hof gebunden war. Dieses Umfeld ermöglichte es einigen wenigen, exzeptionelle Karrieren in Gewerbe, Handel und Verwaltung einzuschlagen, die in seltenen Fällen sogar zu einer Anoblierung führten. In weiterer Folge ergab sich dadurch auch keine residentiale Segregation am Wiener Wohnungsmarkt, im Gegenteil, Französinnen und Franzosen wohnten begünstigt in Hofquartieren oder in eigenen Häusern in direkter Nähe zum kaiserlichen Hof. Die größte Eigenleistung, die die französischen ImmigrantInnen selbst initiierten, war ihre Eingliederung in die Mehrheitsgesellschaft über exogame Heiratsverbindungen, was die Bereitschaft zur Integration beider, der Immigrierenden als auch 192 ÖStA, AVA, Harrach 241, Korrespondenz Aloys Thomas Raimund, Brief vom 25. Feb. 1698. 193 ÖStA, HHStA, Khevenhüller, Kammer am Attersee, Fasz. 13, Korrespondenz Graf Wahl, Brief 258. 194 Vgl. Ingrid HASLINGER: Franz Stephan von Lothringen und der Wiener Hofhaushalt. In: JB OGE 18 23 (2008), S. 95–114. Ingrid HASLINGER: Küche und Tafelkultur am kaiserlichen Hofe zu Wien. Zur Geschichte von Hofküche, Hofzuckerbäckerei und Hofsilber- und Tafelkammer. Bern 1993, S. 22–24.
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der Wiener, zeigt. Interessant ist, dass die Sprache als Integrationsfaktor im 17. und 18. Jahrhundert bei weitem nicht den Stellenwert besaß, der ihr heute oft zugeschrieben wird. Auf die savoyischen Einwanderer als Ausnahmegruppierung muss nochmals dezidiert hingewiesen werden. Ihre Integrationswilligkeit ging so weit, dass sie ihre Namen in der Aufnahmegesellschaft eindeutschen ließen. Dennoch zeichnen gerade sie sich durch eine überdurchschnittlich hohe Verbundenheit und Vernetzung mit ihrer Herkunft aus. Ihre Binnenintegration trotz größtmöglicher Integration in die Mehrheitsbevölkerung im Aufnahmeland war nicht nur in Wien gegeben, sondern auch in anderen Niederlassungsorten in Süddeutschland, während unter den französischen ImmigrantInnen weder von einer ethnic community noch von einer Binnenintegration gesprochen werden kann. Das Netzwerk der französischen ImmigrantInnen in Wien wies eine extrem geringe Dichte auf und einen sehr hohen Anteil an WienerInnen. Dazu schienen gerade die großen österreichischen Adelshäuser zu den wichtigsten Bindegliedern innerhalb des Netzwerks zu zählen. Infolge der geglückten Einbindung der Französinnen und Franzosen in Wien waren Fälle von Remigration eher selten. Nachweislich kehrten nur wenige Franzosen nach Frankreich zurück, zwei davon waren Köche im Haushalt der Familie Harrach. Verglichen mit Rückkehrraten von bis zu 30% bei den Massenmigrationswellen des 19. und 20. Jahrhunderts, spielte die Remigration im 17. und 18. Jahrhundert eine weit geringere Rolle. Das Recruitment von französischen Köchen im 17. und 18. Jahrhundert war ein in Europa weit verbreitetes Phänomen. Sowohl der englische Adel als auch deutsche Höfe engagierten immer wieder mit wechselndem Erfolg französische Köche. Aber weder in England noch in Wien hatte die Implementierung der französischen Küche auf breiter Ebene und auf Dauer Erfolg. Die Veränderungen, die sich im 16. und 17. Jahrhundert in der französischen Kulinarik durchsetzten, waren in der Verwendung und Verarbeitung von Lebensmitteln zu unterschiedlich und letztlich zu revolutionär zu der in Nord- und Mitteleuropa weiter tradierten Renaissance-Küche. Geschmackswelten als Teil der kulturellen Identität eignen sich außerdem nicht dazu, innerhalb weniger Jahre kulturelle Transfers aufzunehmen, sondern können sich nur in der longue durée weiterentwickeln. Im Harrachschen Haushalt in Wien standen die Chancen auf Erfolg für die französischen Köche schlecht, da der Initiator des Transfers, Ferdinand Bonaventura von Harrach, selbst nicht anwesend war. Seine Gemahlin und bedingt auch der Hofmeister erwarteten sich von ihren Köchen vor allem Sparsamkeit und Variantenreichtum, beides Elemente, die mit dem neuen Kochstil Frankreichs kaum vereinbar waren. Die vermehrte Verwendung von Fett, vor allem Butter, und von Saucen, Frikassees und Ragouts in der Essenszubereitung sowie die Verfeinerung der Zutaten standen in der Kritik. Der Gräfin war das Essen, banal, aber zutreffend gesagt, zuwider. Auf der anderen Seite schafften es die französischen Köche nicht, sich den Anforderungen in Wien anzupassen und sich adäquat zu verhalten. Das Projekt französische Küche in Wien konnte nur scheitern, wobei sich ähnliche Gründe wie in England zeigen. Die Folge war die Remigration der Köche. Nicht zuletzt waren die beiden französischen Köche das Resultat einer Personal-
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6 Integration und Remigration
vermittlung durch den Korrespondenten Bergeret. Diese Person, die, wie bereits mehrfach angeklungen ist, auf breiter Ebene kulturelle Kontakte nach Wien besaß und für den Grafen Harrach immer wieder Aufträge zur Anwerbung von Fachpersonal oder Ankäufe von Kunst- und Kulturgütern ausführte, ist es wert, näher betrachtet zu werden. Dies wird Thema der kommenden zwei Kapitel sein.
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ALEXANDRE BERGERET: DIMENSIONEN EINES VERMITTLERS
„Je suis bien oblige a V. Ex.e de vouloir bien me procurer l'honeur de faire les Comissions de Mgr le Prince de Longueval et de Madmoiselle Rose ie les executeray avec bien du plaisir tant pour le bon goust que pour la nouvaute et richesse des estoffes et menageray ses interest autant qu'il me sera possible, ie puis assurer que tout ce que V. Ex.e voit de riche et de Galant a la Court me passe par les mains [...]“1
Am 18. Juli 1700 schloss Rosa Angela von Harrach die Ehe mit Philipp Karl Emmanuel von Longueval. Die dazu erforderlichen Luxuserzeugnisse vor allem Gewänder, Textilien und Karossen kamen aus Frankreich. Für die Auswahl, den Ankauf und den Transport der Waren nach Wien zeichnete eine Person in Paris verantwortlich, nämlich Alexandre Bergeret, der über Jahre hinweg die Familie Harrach mit Luxuserzeugnissen aller Art, Büchern und Zeitschriften sowie mit französischem Fachpersonal versorgte. Bergeret war Informant, Agent, Korrespondent, Händler und Kulturvermittler in einem. Seine Tätigkeiten im Bereich der Kulturvermittlung gestalteten sich so vielschichtig und gleichzeitig professionell, dass seine Funktion über eine reine Vermittlerrolle hinausging. Kulturmanagement heute ist gewerbliche Kulturvermittlung einschließlich eines Human Ressource Managements. Es beschäftigt sich mit den Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und mit der nötigen Infrastruktur, die kulturelles Schaffen ermöglichen. Kulturmanager fungieren per se als Vermittler der Kultur zwischen Kulturschaffenden und Kulturrezipienten oder -konsumenten, indem sie sich verschiedener Steuerungshandlungen bedienen. Damit greifen sie selbst in den Prozess des Kulturschaffens ein, da sie die zu vermittelnde Kultur durch eigene Interpretation und Rezeption für das Publikum aufbereiten und konditionieren.2 Nichts anderes tat Alexandre Bergeret, wenn er in monatlichen Abständen Warenladungen mit Büchern, Zeitschriften und Stoffen nach Wien schickte. Solche Berufsprofile gibt es nicht erst seit der „Globalisierung“ des Kunstbetriebs im 20. Jahrhundert. Modernes Kulturmanagement scheint zwar auf die Hochkultur beschränkt zu sein,3 dennoch benötigt auch die Alltagskultur Vermittlungsinstanzen. Jede kulturelle Ausdrucksweise fand in der Frühen Neuzeit bereits seine Kulturvermittler.4 Die materielle Kultur der Frühen Neuzeit kann nicht durchgehend von der Kunst getrennt werden, da gerade im Bereich der Repräsentation Kunst und materielle Kultur im Sinne eines Gesamtkunstwerks Hand in Hand gingen. Das repräsentati1 2 3 4
ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 12. Jän. 1699. Vgl. Werner HEINRICHS: Einführung in das Kulturmanagement. Darmstadt 1993, S. 5–13. Vgl. HEINRICHS: Einführung Kulturmanagement 1993, S. 8. Vgl. Peter BURKE: Popular Culture in Early Modern Europe. Aldershot 2006, S. 91–115.
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7 Alexandre Bergeret: Dimensionen eines Vermittlers
ve Modell Versailles mit seiner Architektur und Gartenkunst wäre ohne die Bereiche Mode und Kosmetik beispielsweise nicht zu denken.5 Auch der Kulturbetrieb der Frühen Neuzeit kam ohne Vermittler oder Kulturmanager nicht aus. Keine der großen Sammlungen und Bibliotheken des 16., 17. und 18. Jahrhunderts resultierte nur aus dem Kunstsinn, dem Kunstverständnis und der Sammelleidenschaft ihrer Mäzene. Jede Sammlerpersönlichkeit, sei es Rudolf II. oder Prinz Eugen, bediente sich der Urteile und Vermittlung fachkundiger Personen. Der Großteil dieser kulturellen Vermittler war selbst involviert in den Kulturbetrieb und das Kulturschaffen wie etwa Abraham Ortelius, der, bevor er Hofgeograph und -kartograph Philipps II. wurde, erfolgreich als Kunst-, Buch- und Kartenhändler in Antwerpen tätig war.6 Rudolf II. unterhielt gleich mehrere Künstler, Kunsthändler oder Agenten, die ihn bei Käufen berieten wie etwa Hans Hoffmann als DürerKenner oder Jakob König, der zahlreiche Verbindungen nach Italien besaß.7 Daneben war es vor allem der Adel selbst, der als Mittler von Kultur auftrat. Rudolfs Langzeitdiplomat in Madrid, Hans von Khevenhüller, vermittelte Kuriositäten aus Spanien bzw. aus der Neuen Welt nach Wien.8 Auch Prinz Eugens Bibliothek und Kupferstichsammlung entstand nicht nur durch Buchkäufe des Feldherrn selbst, sondern zu einem nicht geringen Anteil durch die Vermittlung seines ebenso bibliophilen Adjutanten Georg Wilhelm von Hohendorff, der in Paris den Buchbinder Etienne Boyet für Eugen als Bibliothekar anwarb.9 Es stellt sich die Frage, wie die Person und das Schaffen Alexandre Bergerets in den Kulturbetrieb des 17. Jahrhunderts einzuordnen sind und weshalb sowohl seine Person als auch seine Korrespondenz als außergewöhnlich zu bewerten ist. Paris galt seit Ludwig XIII. als Metropole von Moden und Luxus und stellte genügend Infrastruktur und personelle Ressourcen bereit, um die französische Kultur weit über Frankreichs Grenzen hinauszutragen.10 Bergeret gehörte weder dem Adel an, noch war er selbst im Kulturbetrieb kreativ tätig, aber er schaffte es, über 37 Jahre hinweg in Wien nicht nur die Familie Harrach, sondern auch zahlreiche andere Mitglieder des Wiener Hofadels mit französischen Produkten zu beliefern. Bevor auf die eigentliche Arbeit des Kulturmanagers Bergeret eingegangen werden kann, liegt in der Biographie Bergerets und in der Beziehung zu seinem besten Kunden, Ferdinand Bonavenutra von Harrach, ein erster Schlüssel zum Verständnis des Kulturmanagers Bergeret. Die Analyse der Vermittlungsarbeit Berge5
Vgl. SCHMALE: Einleitung: Das Konzept Kulturtransfer. In: Schmale (Hg.): Kulturtransfer 2003, S. 50–53. 6 Vgl. Joost DEPUYDT: „Vale, verum antiquae historiae lumen“: Antiquarianism in the correspondence between Justus Lipsius and Abraham Ortelius. In: Gilbert Tournoy/Jeanine de Landtsheer/Jan Papy (Hg.): Iustus Lipsius Europae lumen et columen. Leuven 1999, S. 34– 35. Robert W. KARROW: Abraham Ortelius: une introduction. In: Robert W. Karrow (Hg.): Abraham Ortelius (1527–1598) cartographe et humaniste. Turnhout 1998, S. 25–30. 7 Vgl. Eliška FUČÍKOVÁ: Die Kunst am Hofe Rudolfs II. Prag 1991, S. 212–215. 8 Vgl. STIEGLECKER: „Was ich eingethan...“. In: Edelmayer (Hg.): Hispania 1999, S. 225–245. 9 Vgl. Max BRAUBACH: Prinz Eugen von Savoyen. Eine Biographie. Bd. 5: Mensch und Schicksal. Wien 1965, S. 92–104. 10 Vgl. grundlegend den Sammelband FOX/TURNER (Hg.): Luxury Trades 1998.
7.1 Harrach und Bergeret: Persönlichkeiten und Beziehung
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rets wird in einem zweiten Schritt die Bandbreite der Produkte zeigen und deutlich machen, in welchem Ausmaß Bergeret auch Wissens- und Informationsmanagement betrieb. In den Bereichen Information, Wissen und Kultur kam es im 17. und 18. Jahrhundert zu grundlegenden Veränderungen in der personellen, institutionellen und vor allem medialen Vermittlung. Die Person Alexandre Bergeret und seine Arbeit sind dafür beispielgebend. 7.1
HARRACH UND BERGERET: PERSÖNLICHKEITEN UND BEZIEHUNG
„V. Ex. me faict la grace de me preferer a tout autre Contre mes merites. a cette effect ie n'attant que les ordres de V. Ex. [...] mais Monseignieur ie prie V. Ex. de croire que ie ne puis pas touiour estre Jeune et qu'il faut songer a une fin et que si ie quite la france c'est pour touiour, C'est la mon sentiment mais ie ne m'y areste poin Car ce seroit douter de la generosité de V. Ex. estant asses persuade quil aurat la bonte de recognoistre mes services a ladvenir, C'est pourquoy ie nattant plus que les Commandements de V. Ex. [...]“11
Alexandre Bergeret überlegte sich offenbar 1670, ein Jahr, nachdem er Ferdinand Bonaventura von Harrach kennen gelernt hatte, ernsthaft, ganz in dessen Dienste zu treten und dafür Frankreich verlassen zu wollen. Dies wäre aus seiner Sicht eine folgenschwere Entscheidung gewesen, da er eine Remigration nach Frankreich zum damaligen Zeitpunkt nicht für möglich hielt. Das Ansinnen Bergerets zeigt, welchen Fokus er auf die Geschäftsbeziehungen zu Harrach gelegt hatte und dass er dazu zu weitreichenden, die Lebensumstände verändernden Konzessionen bereit war. Die Beziehung zwischen Harrach und Bergeret, die 37 Jahre dauern sollte, stellte kein reines Geschäft dar. Die Entscheidung, von Paris nach Wien zu übersiedeln, und auch andere persönliche Noten innerhalb der Korrespondenz Bergerets weisen darauf hin, dass Bergeret und Harrach auf einer persönlichen Ebene verkehrten, die man zwar nicht Freundschaft nennen kann, sofern dies zwischen einem Adeligen und einem Bürgerlichen im 17. Jahrhundert überhaupt möglich war, aber dennoch eine Art von Verbundenheit ähnlich einem Patronageverhältnis aufwies. Dieses gegenseitige Vertrauen legte auch den Grundstein für die jahrzehntelangen Geschäftsbeziehungen und für die regelmäßige Korrespondenz. Die Beziehung zwischen Bergeret und Harrach steht im Folgenden anhand der Biographien der beiden Personen im Mittelpunkt der Betrachtung. Die Quellengrundlage dafür ist die im Familienarchiv Harrach erhaltene Korrespondenz von Bergeret an den Grafen von Harrach, die von 1669 bis 1706 dauerte und 855 Briefe umfasst.12 Davon abgesehen gestaltet sich die Quellenlage zur Person Bergeret eher schwierig. Vier Briefe Bergerets an Harrachs Sohn Aloys Thomas Raimund von 1706 bis 1711 haben sich ebenfalls im Familienarchiv er-
11 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 25. Dez. 1670. 12 ÖStA, AVA, Harrach 217 und 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret.
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7 Alexandre Bergeret: Dimensionen eines Vermittlers
halten.13 Persönliche Quellen sein Leben in Frankreich betreffend gibt es kaum. Einige wenige Akten liegen in den Archives départementales des Yvelines et de l'ancienne Seine-et-Oise.14 Seine Kinder und Enkel sind über Pariser Notariatsakte dokumentiert.15 Quellen über Bergeret finden sich in weiteren Beständen des Familienarchivs Harrach etwa in den Tagzetteln von Harrachs Frau Johanna Theresia und in der Korrespondenz des aus der Franche-Comté stammenden Hofmeisters Caspar Ambros Maignin de Fleurey.16 Besonders erschwerend für die Personensuche ist der Umstand, dass bei der Katalogisierung und Beschriftung der Wiener Bergeret-Korrespondenz offensichtlich ein Fehler unterlaufen ist. Der Zusatz „Kammerdiener der französischen Königin“ ist falsch, da Bergeret Kammerdiener der französischen Dauphine war. Diese Katalogisierung dürfte noch auf den gräflich Harrachschen Archivdirektor Ferdinand Menčik oder auf noch frühere Arbeiten zurückgehen.17 Gerade für die frühen Jahre Bergerets können aufgrund der Quellenlage nur wenig Aussagen getroffen werden. Bergeret wurde am 26. Oktober 1640 als Pierre-Alexandre Bergeret in Saulieu, einer Kleinstadt im Herzogtum Burgund, geboren.18 Den ersten Vornamen Pierre verwendete er in keinem seiner späteren Briefe. Seine Herkunft liegt weitgehend im Dunkeln. Bekannt ist, dass sein Vater Fleischhändler und Bergeret das dritte von acht Kindern war, darunter mindestens zwei Brüder, von denen zumindest einer in Burgund verblieb.19 Ein anderer Bruder war 1670 im Jura, also in der Franche-Comté, unterwegs. Kurze Zeit später hielt er sich in den Niederlanden auf und versuchte, sich von dort aus nach Indien einzuschiffen, ob damit Ost- oder West-Indien gemeint war, bleibt unklar. Bergeret versuchte zwar, ihn ins Reich zu bringen oder nach Paris zurückzuholen.20 Das weitere Schicksal der Brüder lässt sich aus der Korrespondenz aber nicht erschließen. Über Bergerets Jugendjahre liegen ebenfalls keine Informationen vor, er taucht erstmals 1669 in den Quellen und im Leben von Ferdinand Bonaventura von Harrach auf, damals schon 29 Jahre alt.
13 ÖStA, AVA, Harrach 59, Korrespondenz Alexandre Bergeret. 14 Vgl. René BOTTO: Les Bergeret, grands propriétaires terriens à L'Isle-Adam de 1687–1803. In: Frédéric Chappey/Florence Jakubowicz (Hg.): Fragonard et le voyage en Italie 1773– 1774. Les Bergeret, une famille de mécènes. Paris 2001, S. 85. Die darin zitierte Publikation von Maurice Dusseigneur: La Famille Bergeret. Paris 2000 blieb mir bis zur Publikation zur Einsichtnahme leider verwehrt. 15 AN, MC, ét/XLVIII/99; AN, MC, ét/XLVIII/100; AN, MC, ét/XLVIII/102; AN, MC, ét/CX/48 (der Contrat de Mariage von Jean-François Bergeret fehlt leider); AN, T 93/7–8; 16 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel der Johanna Theresia und Harrach 279 Korrespondenz Maignin de Fleurey. 17 Vgl. Ferdinand MENČIK: Gräflich Harrachsches Archiv in Wien. In: Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs 4 (1913), S. 365. 18 Vgl. Josée GENINET: Les Bergeret à L'Isle-Adam et dans ses environs. In: Chappey/Jakubowicz (Hg.): Fragonard 2001, S. 87. 19 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 2. Dez. 1678. 20 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 25. Dez. 1670 und 30. Jän. 1671.
7.1 Harrach und Bergeret: Persönlichkeiten und Beziehung
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Ferdinand Bonaventura von Harrach wurde 1669 von Leopold I. mit der Aufgabe nach Paris geschickt, Ludwig XIV. das kaiserliche Antwortschreiben zur Übernahme der Patenschaft für Ludwigs zweitgeborenen Sohn zu überbringen und der Taufe beizuwohnen. Harrach verbrachte zwei Monate in Paris von Februar bis April 1669. In diesen zwei Monaten assistierte ihm Bergeret als Kammerdiener,21 was für das Gelingen des kaiserlichen Auftrags auch notwendig war. Harrach hatte mehrere Audienzen beim König, der Königin und dem Dauphin zu absolvieren, verkehrte beinahe täglich am Hof und nahm an Festivitäten, Jagden und nicht zuletzt auch an der Taufzeremonie teil.22 Dazu benötigte er jemanden, der ihm den Ablauf und die zeremoniellen Gepflogenheiten am französischen Hof auseinandersetzte und ihn vor allem bei der Beschaffung der richtigen Kleidung unterstützte. Dies fiel wohl in den Aufgabenbereich von Bergeret, zumindest ist dokumentiert, dass er dies später für andere kaiserliche Gesandte übernahm.23 Wie und warum Harrach gerade Bergeret engagierte, ist unklar, allerdings ist es wahrscheinlich, dass Bergeret schon seit geraumer Zeit Kammerdienerdienste oder Ähnliches in Paris übernommen hatte, da sich Harrach in solch einer heiklen Angelegenheit sicher nur qualifiziertes Personal aussuchte. Dafür spricht auch die Verbindung Bergerets zum Kammerschneider Ludwigs XIV., Roger Costar,24 bei dem Harrach repräsentative Kleider für 677 fl. in Auftrag gab.25 Denkbar wäre auch, dass Bergeret im Umfeld des Hofes bereits tätig gewesen war, und der Hof ihn Harrach zur Verfügung stellte, belegbar ist es jedoch nicht. Etwa ein halbes Jahr nach Harrachs Aufenthalt in Paris setzte sich Bergeret erstmalig brieflich mit Harrach in Verbindung und bot ihm darin seine weiteren Dienste an.26 Bereits im Jänner 1670 erfolgte die erste Transaktion. Bergeret schickte das wissenschaftlich orientierte Journal des Sçavans27 per Post und einen bestickten Justaucorps per Postkutsche über Straßburg und Basel nach Wien.28 Von 1670 bis 1703 belieferte Bergeret Harrach regelmäßig. Der Wert der Waren divergierte enorm je nach dem Warensortiment. Bücher, Journale, Modeartikel, Kleider und Stoffe gehörten aber zum Standard einer solchen Warenlieferung. Bergeret rechnete meist halbjährlich ab, die Beträge beliefen sich zwischen 560
21 ÖStA, AVA, Harrach 677, Karl (1662–1684) Biographica, Instruktion für die Länderreise, unfoliert. 22 ÖStA, HHStA, StA Frankreich, Berichte und Weisungen 24, Harrach an Leopold I. 1669, f. 1r–3v. 23 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 25. Dez. 1670. 24 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 4. Nov. 1670. 25 ÖStA, AVA, Harrach 334, Frankreich 1664–1669, unfoliert. 26 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 20. Nov. o. J. und ein undatierter erster Brief. 27 Laut Brief vom 3. Jän. 1670 schickte Bergeret auch eine Ausgabe des erst ab 1672 erscheinenden Mercure Galant mit, dabei kann es sich nur um ungedruckte Vorläufer des Mercure Galant handeln, da der ähnlich lautende Mercure Francois (1605–1648) 1670 nicht mehr erschien, eine Verwechslung mit der wöchentlich erscheinenden Gazette ist unwahrscheinlich. 28 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 3. Jän. 1670.
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7 Alexandre Bergeret: Dimensionen eines Vermittlers
und 2.884 livres bzw. zwischen 280 und 1.442 fl.29 Über 37 Jahre hinweg investierte Harrach also beträchtliche Summen von Geld in den Pariser Luxusmarkt, darunter waren beispielsweise die gesamte Garderobe für die Familie Harrach 1699 anlässlich der Hochzeit von Erzherzog Joseph30 und die gesamte Ausstattung der Hochzeit seiner Tochter Rosa Angela.31 Solche Geschäftsbeziehungen tätigte Harrach nicht mit irgendeinem Händler, sondern mit Bergeret. Zwei Dinge waren dafür erforderlich, nämlich eine breite Vertrauensbasis und eine sowohl fachliche wie auch organisatorische Professionalität seitens Bergerets. Die berufliche Ausbildung Bergerets, die seiner fachlichen Professionalität zugrunde lag, ist aufgrund der Quellenlage schwer nachzuvollziehen. Als Fleischersohn war eine Lehre sicher vorgesehen, darüber, in welchem Bereich er diese absolvierte, gibt es keine Quellen. Im Hinblick auf seine spätere Laufbahn als Kammerdiener von Harrach und später bei Hof als Kammerdiener der Dauphine gelten aber Berufe aus dem Bereich der Repräsentation als wahrscheinlich wie etwa Uhrmacher, Barbier, Chirurg, Schneider oder ähnliche Berufe aus dem textilen Sektor. Aus diesen Berufssparten rekrutierte sich der Großteil der königlichen Kammerdiener und Hofangestellten bürgerlicher Herkunft.32 Eine Verortung im Bereich Kosmetik und Gesundheit scheint besonders wahrscheinlich. Im Winter 1670/1671 quartierte sich Bergeret im Hause eines angesehenen Chirurgen namens Chevaillier ein, dessen Sezierungen er verfolgte und studierte.33 Da Bergeret 1669 bereits für Harrach eine aussichtsreiche Möglichkeit darstellte, am Hof den repräsentativen Ansprüchen genügen zu können, muss er zu diesem Zeitpunkt bereits längere Zeit in Paris im Bereich der Repräsentation oder des Handels gearbeitet haben. Mit Geschäften auf Kommissionsebene oder Dienstleistungen für Adel oder Hof dürfte Bergeret sich seinen Lebensunterhalt verdient haben. Zu den beiden Adelshäusern Béthune und Guitry scheint er laut Korrespondenz bereits vor 1670 Kontakt gehabt zu haben.34 All seine weiteren Tätigkeiten beliefen sich ebenfalls auf den höfischen Repräsentationsbereich. Bergeret spezialisierte sich darauf, ausländische Adelige und Kavaliere bei ihren Vorbereitungen zu den königlichen Audienzen hilfreich zu unterstützen. Diese Arbeit beschränkte sich nicht nur auf die Vorbereitungen, Bergeret war in der Regel auch bei den Audienzen anwesend: „comme aux autres audiances ou iay touiour assiste“35. Besonders deutschsprachige Adelige zählten zu seinen Kunden und seine Arbeit für den Grafen Harrach war dabei sicher eine willkommene Visitenkarte. So betreute Bergeret etwa Gottlieb Amadeus von 29 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 17. Feb. 1679, 28. April 1679 und 21. Sept. 1701. 30 ÖStA, AVA, Harrach Handschriften 134, Tagebuch Ferdinand Bonaventura, S. 465 und Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 26. Jän. 1699. 31 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 21. Juni 1701. 32 Vgl. Mathieu DA VINHA: Les valets de chambre de Louis XIV. Paris 2009, S. 227–233. 33 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 4. Nov. 1670. 34 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 4. Nov. 1670 und vom 23. Jän. 1671. 35 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 25. Dez. 1670.
7.1 Harrach und Bergeret: Persönlichkeiten und Beziehung
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Windischgrätz, als dieser 1670 als außerordentlicher Gesandter nach Paris entsandt wurde, um im Namen des Kaisers die Wiedereinsetzung von Herzog Karl von Lothringen in dessen landesfürstliche Rechte zu fordern. Bergeret begleitete Windischgrätz zu allen Audienzen des Königs, der Königin und des Dauphins, die schließlich großes Aufsehen erregten, da Windischgrätz dem König gegenüber ein sehr forsches Auftreten bezüglich seines Anliegens an den Tag legte.36 Solche Audienzen ermöglichten es Bergeret, auf Tuchfühlung mit dem französischen Hof zu gehen, Kontakte zu knüpfen und zu vertiefen, sodass er 1676 berichtete, er habe Geschäfte für die Königin zu erledigen.37 Bergeret dürfte von Beginn an von eben solchen Kommissionsgeschäften gelebt haben, die er vorfinanzierte. Der Ertrag muss sich jedenfalls gelohnt haben, gibt er doch 1671 bereits ein Vermögen von 5.000 livres an.38 Dennoch konzentrierte sich Bergeret gerade in den Jahren 1670 bis 1676 auf die Kommissionsarbeit für Harrach, woraufhin er ernsthaft erwog, ganz in dessen Dienste zu treten (vgl. Eingangszitat). Zu diesem Zweck plante und absolvierte Bergeret zwischen 1670 und 1678 drei Reisen, bei denen er Harrach persönlich belieferte. Die erste Reise führte Bergeret 1671 nach Wien, wo er sich etwa von April bis Juli 1671 aufhielt. Bergeret bereitete dieses Unternehmen seit Dezember 1670 mit dem Wunsch vor: „ie mesplique asses a touchant mon retour au service de V. Ex. dont Je n'attant que les ordres pour regler mes affaires“.39 Dabei stand das Reiseziel Wien nicht von Anfang an fest, denn bereits im Dezember 1670 ging in Paris das Gerücht um, dass Harrach als kaiserlicher Gesandter nach Madrid beordert werden solle. Bergeret wollte daher gleich nach Spanien reisen und in Barcelona auf Harrach warten.40 Die spanische Gesandtschaft trat Harrach erst 1673 an,41 weshalb die zweite Reise Bergeret 1673 nach Spanien führte. Harrachs Aufenthalt in Madrid sollte von 1673 bis 1677 dauern und es ist aufgrund der Quellenlage davon auszugehen, dass Bergeret, der von Oktober bis Dezember 1673 nach Madrid anreiste,42 bis zum Jahreswechsel 1675/1676 bei Harrach in Spanien verblieb. Genau für diesen Zeitraum fehlt in Wien die entsprechende Korrespondenz. Bergeret schrieb ansonsten sehr regelmäßig, durchschnittlich einmal die Woche, an Harrach. Der Graf plante seine Rückreise für 1676, weshalb er möglicherweise Bergeret nach Frankreich zurückschickte, damit dieser in Paris und Lyon Vorbereitungen für die Rückreise der Familie treffen konnte. Bergeret meldete sich im August 1676 aus Paris wieder und begann mit den Einkäufen und dem Anwerben von französischem Personal für den Wiener Haushalt der Familie Harrach.43 Allerdings verzö36 37 38 39 40 41 42
Vgl. WURZBACH: Biographisches Lexikon. Bd. 57 1889, S. 49. ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 6. Sept. 1676. ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 9. Jän. 1671. ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 2. Feb. 1671. ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 25. Dez. 1670. Vgl. Schloßmuseum Rohrau: Familiensammlung 2000, S. 10. ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 23. Okt., 2. Nov., 9. Nov. und 12. Nov. 1673 aus Bordeaux, Bayonne, Vitoria und De Miranda. 43 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 10. und 23. Aug. 1676.
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7 Alexandre Bergeret: Dimensionen eines Vermittlers
gerte sich Harrachs Abreise in Madrid, sodass er vorläufig nur seine Frau Johanna Theresia und die Familie über Lyon nach Wien zurückschickte und selbst erst ein Jahr später in Wien eintraf.44 Bergeret organisierte in nur zwei Monaten neue Warenladungen, warb drei Personen für den Haushalt an und brach Ende September 1676 über Mömpelgard nach Ulm auf, wo er sich der Reisegruppe von Johanna Theresia von Harrach nach Wien anschloss.45 Bergerets Zeit in Wien dürfte in der Beziehung zur Familie Harrach und vor allem zu seinem Ansinnen, in Harrachs Diensten zu verbleiben, einen Wendepunkt dargestellt haben, der ihn dazu veranlasste, nach cirka einem Jahr wieder nach Paris zurückzukehren. Zum einen war die Gräfin Harrach mit keiner der von Bergeret angeworbenen Arbeitskräfte zufrieden (vgl. Kap. 6.2). Bergeret ergriff immer wieder Partei für seine französischen Arbeitskollegen46 und stellte sich damit gegen die Hausherrin. Des Weiteren dürfte durch die lange verspätete Ankunft Harrachs in Wien die Kreditwürdigkeit Bergerets gesunken sein, seine Gläubiger forderten Rückzahlungen und Bergeret musste bei Johanna Theresia um raschere Bezahlung seiner Dienste bitten, was ihm wiederum vorgeworfen wurde.47 Zudem scheint sich Bergeret allerdings auch nicht mit der Tatsache abgefunden haben zu können, dass er in Wien nicht der einzige Diener Harrachs war und die anderen Hausangestellten von ihm keine Ratschläge annehmen wollten. Es kam daher zu Kompetenzstreitigkeiten.48 Johanna Theresia gewann durch Bergerets selbstsichere und teilweise überhebliche Art einen besonders negativen Eindruck von ihm.49 Dies wird auch in der Korrespondenz an Harrach deutlich, in der Bergeret die Präsenz des Grafen für den Wiener Haushalt einforderte und auf eine rasche Bezahlung drängte.50 Zusätzlich hatte Bergeret auf eigene Rechnung Waren aus Paris nach Wien eingeführt, die er in Wien an Adelige wie die Grafen Dietrichstein und Mansfeld weiterverkaufte.51 Bei Bekanntwerden dieser Transaktionen wurde Johanna Theresia berechtigterweise mit dem Vorwurf des Schmuggels in ihrem Haus konfrontiert,52 was zur weiteren Verstimmung beitrug. Reaktionen seitens Ferdinand Bonaventura von Harrachs dazu sind nicht belegt, Fakt ist jedoch, dass Bergeret im Herbst 1678 nach Paris zurückkehrte. Es sollte seine zweite und letzte Reise nach Wien bleiben. Bergeret arbeitete auch nach 1678 von Paris aus weiter für die Familie Harrach auf Kommissionsebene, indem er Waren zur Einsicht an einen Korrespondenten in Wien schickte.53 Dennoch bezeugt seine rasche Heirat noch im De44 Vgl. PILS: Schreiben über Stadt 2002, S. 21. 45 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 28. Sept. und 12. Okt. 1676. 46 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 4. Feb. 1677. 47 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 17. März 1676. 48 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 4. März 1677. 49 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 29. Sept. und 4. Nov. 1677. 50 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 15. April 1677. 51 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom April 1677, o. T. 52 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 3. und 28. Dez. 1676. 53 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 21. Okt. 1678.
7.1 Harrach und Bergeret: Persönlichkeiten und Beziehung
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zember 1678, dass er Pläne bezüglich seiner Zukunft in Wien nun endgültig aufgab. Mit den Worten „Comme mon destin est de mestablir en cette ville [...]“54 berichtete Bergeret Anfang Dezember 1678 von einer äußerst vorteilhaften Heiratsverbindung in Paris. Marie Jamin, die er kurze Zeit später, am 16. Dezember 1678, ehelichte,55 war die Tochter von Antoine Jamin, einem Conseiller du Roy und Trésorier provincial de l'extraordinaire des guerres in den Départements Lyonnais, Forez, Beaujolais und Pay des Dombes und entstammte somit einer in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wirtschaftlich und sozial aufsteigenden Schicht in Frankreich, nämlich dem Finanzbeamtentum. Seit Mazarin wurde die Einhebung der indirekten Steuern in Frankreich in großem Stil an Beamte und Adelige verpachtet.56 Das System der fermes générales brachte der Krone regelmäßige Steuereinkünfte, indem die Pächter die Steuereinnahmen aus eigenen Mitteln oder Investitionen der Krone in Form von risikoreichen Kurzzeitanleihen vorstreckten.57 Die Verwaltung der Steuereinkünfte übernahmen Beamte, zu denen auch Bergerets Schwiegervater Jamin zählte, dessen Aufgabe als Trésorier provincial darin bestand, die Garnisonen der ihm zugeteilten Provinzen mit Geldmitteln aus der königlichen Kasse zu bezahlen.58 Zwischen Steuerpächtern und dem königlichen Beamtenapparat herrschte gesellschaftlich allerdings keine klare Grenze. Die Netzwerke der Pächter und der königlichen Beamte griffen ineinander.59 Bergeret berichtete von seinem Schwiegervater, dass dieser sich auch an Bankgeschäften beteiligte.60 Insofern fand Bergeret mit seiner Heirat Anschluss an das Netz der großen französischen Finanziers. Für Bergeret selbst standen die wirtschaftlichen und finanziellen Optionen dieser Heiratsverbindung mit der Familie Jamin im Vordergrund. Zwar strich er die Jugend, die Gesundheit, die Musikalität, den Geist und Esprit seiner zukünftigen Frau hervor, dennoch überzeugte vor allem die Mitgift. Marie Jamin brachte 25.000 livres mit in die Ehe, davon 5.000 livres in Möbeln und Silber, über die Bergeret frei verfügen sollte. Darüber hinaus erhielt das junge Paar ein Zinshaus im Wert von 20.000 livres, das den gleichen Wert an Miete wieder einbringen sollte. Besonders vorteilhaft gestaltete sich für Bergeret auch die familiäre Situation bei den Jamins. Möglicherweise sollte Marie die einzige Erbin bleiben, ihre Schwester lebte im Kloster und der Bruder war bereits im Alter von zwölf Jahren 54 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 2. Dez. 1678. 55 Vgl. BOTTO: Les Bergeret. In: Chappey/Jakubowicz (Hg.): Fragonard 2001, S. 77. 56 Zu den indirekten Steuern zählten die aides générales (Handel und Manufakturprodukte), die cinq grosses fermes (Import-, Exportsteuern) und die gabelle (Salzsteuer) vgl. James B. COLLINS: The State in Early Modern France. Cambridge 1995, S. 18–21. Yves DURAND: Les fermiers généraux au XVIIIe siècle. Paris 1996, S. 69. 57 Vgl. Richard Mowery ANDREWS: Law, magistracy, and crime in Old Regime Paris, 1735– 1789. Bd. 1 The system of criminal justice. Cambridge 1994, S. 214–215. 58 Vgl. Antoine FURETIÈRE/Henri BASNAGE DE BEAUVAL/Jean-Baptiste BRUTEL DE LA RIVIERE: Dictionnaire universel, Contenant generalement tous les mots françois tant vieux que modernes. Bd. 2. La Haye 1727, s. p. 59 Vgl. COLLINS: State 1995, S. 110–111. 60 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 2. Dez. 1678.
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äußerst kränklich. Marie Jamin war ohne Zweifel eine „gute Partie“, für die sich sicher auch andere Heiratskandidaten interessierten. Bergeret hatte sich allerdings in den letzten Jahren, vor allem im Dienst des Grafen Harrach, nach eigenen Angaben ein ansehnliches Vermögen erwirtschaftet. Auf 3.000 livres bezifferte Bergeret allein die Einkünfte, die er unmittelbar aus den letzten Geschäften mit der Familie Harrach gezogen hatte. Weitere 14.000 livres investierte er auf Anraten seines zukünftigen Schwiegervaters und der Bankiers Cortesia und Benzoni in Paris in die „Rentes de la ville“, die ihm 1.000 livres an Rate zurückzahlten.61 Die Rentes sur l'Hôtel de Ville waren Investitionen in die Einnahmen der fermes générales, der indirekten Steuererhebung Frankreichs, und kosteten den Staat Zinszahlungen zwischen 5,5% und 8,3%, weshalb Colbert regelmäßig den Zinssatz senken ließ. Erst nach 1680 pendelte sich dieser bei 5% ein.62 Zum Zeitpunkt, da Bergeret investierte, waren also durchaus noch hohe Zinsen zu erwarten. Bergeret heiratete somit in die finanzkräftige französische Finanzverwaltung ein, was durchaus über den zu erwartenden Heiratsmöglichkeiten lag vor allem, da Bergeret selbst kein Hofamt inne hatte. Deshalb bemühte sich Bergeret von diesem Zeitpunkt an mit Hilfe der Beziehungen seines Schwiegervaters um ein Amt im königlichen Dienst, vorzugsweise als Kammerdiener.63 Auch der Erwerb dieser Ämter diente der Krone als Einkommensbeschaffung und Vorfinanzierung. Die Ämter wurden um einen hohen Betrag, der allerdings Verhandlungssache war, von den Interessenten gekauft, der König bezahlte den Dienst dem Amtsinhaber in Form von jährlichen Bezügen. Der Preis der charge divergierte erheblich je nach Position zwischen 10.000 und 150.000 livres, wobei Zahlungen ab 100.000 nur spezielle prestigeträchtige Funktionen betrafen. Ein gewöhnlicher Kammerdiener des Königs zahlte im Durchschnitt etwa 15.000 livres für sein Amt.64 Bergeret interessierte sich vordergründig für Ämter im Hofstaat des Königs selbst, das Amt eines Kammerdieners kostete 1678 22.000 livres und brachte jährliche Zahlungen von 660 livres. Die Witwe wäre mit der Hälfte der Zahlung abgesichert gewesen und die Kinder hätten die Nachfolge antreten können. Das Amt eines Gentilhomme hingegen kostete nur 15.000 livres, erbrachte aber nur 300 livres jährlich zuzüglich der Tafel am Hof. In Erwägung zog Bergeret auch einen Posten als Maître d'Hôtel bei Madame, Elisabeth Charlotte Herzogin von Orléans, da Liselotte von der Pfalz höhere Renten ausbezahlte, allerdings verfiel die charge gänzlich bei deren Tod.65 Die Bemühungen um ein Amt zogen sich weit über ein Jahr hin. Bereits im Jänner 1679 wurde Bergeret klar, dass ein Amt im königlichen Hofstaat nicht zu bekommen war, weshalb er seine Interessen auf Ämter im Hofstaat der zukünftigen Dauphine verlegte.66 Das Eheprojekt zwischen Maria Anna Christine von 61 62 63 64 65 66
ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 2. Dez. 1678. Vgl. DA VINHA: Valets de chambre 2009, S. 361. ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 2. Dez. 1678. Vgl. DA VINHA: Valets de chambre 2009, S. 196–214. ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 2. Dez. 1678. ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 1. Jän. 1679.
7.1 Harrach und Bergeret: Persönlichkeiten und Beziehung
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Bayern und dem französischen Thronfolger Louis de Bourbon wurde 1679 wieder Thema der europäischen Diplomatie und des französischen Hofs. 1670 war bereits zwischen Frankreich und Bayern in einem Allianzvertrag, der Bayern mehr an Frankreich binden und dem österreichischen Einfluss entziehen sollte, die Verbindung zwischen der Kurprinzessin und dem Thronfolger geregelt worden. 1679, als der pro-österreichische Herzog Maximilian Philipp von Bayern-Leuchtenberg die Regentschaft für seinen noch unmündigen Neffen Max Emanuel übernahm, versuchte der Kaiser sich mit München diplomatisch zu verständigen. Dem wollte Ludwig XIV. entgegentreten und griff auf das Heiratsprojekt zurück und, da sein Sohn ohnedies zu verheiraten war, entschied er sich für die Wittelsbacher Prinzessin.67 Bereits zu Beginn 1679 galt eine anstehende Verheiratung des Dauphins als absehbar und damit die Erstellung eines neuen Hofstaates als notwendig, für den sich Bergeret nun zu interessieren begann, obwohl noch nicht feststand, dass er seine Deutschkenntnisse einmal bei Hof benötigen sollte. Trotzdem dauerte es noch über ein Jahr, bis die tatsächlichen Ämter im neuen Hofstaat der Dauphine vergeben wurden. Maria Anna kam Anfang März 1680 nach Frankreich, erst ab April stand Bergeret in Verhandlungen um eine Stelle im Hofstaat der Dauphine entweder als Kammerdiener oder als huissier (Türsteher), was ehrenvoller, aber teurer war. Am 19. April 1680 schließlich berichtete Bergeret, dass er nach drei Verhandlungsrunden in Saint-Germain-en-Laye erfolgreich ein Amt als erster Kammerdiener bei der Dauphine errungen habe. Die Kosten beliefen sich auf 10.000 livres, dafür bekam er ein jährliches Gehalt von 400 livres.68 Bergerets eigene Angaben dürften jedoch etwas optimistisch gewesen sein. Im jährlich erscheinenden L'Etat de France von 1682 und 1683 scheint Bergeret namentlich als einer von 16 gewöhnlichen Valets de Chambre auf, der 180 livres jährlich erhielt.69 Allerdings konnte der Hof die Einkünfte der Kammerdiener individuell durch Gratifikationen, Patente oder Pensionen deutlich aufbessern.70 Grundsätzlich eignete sich das Amt des Kammerdieners gut für Bergerets berufliche Ziele. Alle Kammerdiener am Hof versahen pro Jahr nur ein Quartal lang ihre Dienste. Theoretisch waren Nebeneinkünfte oder das Innehaben von mehreren Ämtern gleichzeitig verboten, praktisch stellte aber genau dies die Realität besonders unter den gewöhnlichen Kammerdienern dar. Der Großteil besaß weitere Ämter in den Bereichen Judikatur, Polizei oder Finanzen.71 Ein Kammerdieneramt war daher prädestiniert, um zum Hof Zugang zu bekommen, am Hof Präsenz zeigen und allen wichtigen Anlässen beiwohnen zu können. Bergeret hatte so 67 Vgl. Peter Claus HARTMANN: Die Dauphine Maria Anna Christine von Bayern (1660–1690) und ihr Hofstaat. In: Oberbayerisches Archiv 93 (1971), S. 17. Sowie Peter Claus HARTMANN: Zwei Wittelsbacher Prinzessinnen am Hof Ludwigs XIV.: Maria Anna Christina von Bayern und Elisabeth Charlotte von der Pfalz. In: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 44 (1981), S. 272–276. 68 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 19. April 1680. 69 Vgl. Nicolas BESONGNE: L'Etat de la France. Paris 1682, S. 469. Nicolas BESONGNE: L'Etat de la France. Paris 1683, S. 486. 70 Vgl. DA VINHA: Valets de chambre 2009, S. 355–360. 71 Vgl. DA VINHA: Valets de chambre 2009, S. 25, 316–325.
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7 Alexandre Bergeret: Dimensionen eines Vermittlers
auch die Möglichkeit, sehr nahe am König selbst zu sein und jede Veränderung in der Mode und jede Neuerung verfolgen zu können und sein persönliches Netzwerk am Hof zu erweitern. Gleichzeitig schränkte es Bergeret in seiner Handlungsfreiheit kaum ein. Drei Monate verbrachte er am Hof. Seinen Dienst absolvierte er von Jänner bis März, danach stand ihm der Rest des Jahres zur freien Verfügung. In der Zeit seiner Abwesenheit beauftragte er seine Frau, die regelmäßige Übersendung des Journal des Sçavans und des Mercure Galant sowie weiterer Kuriositäten und Galanterien nach Wien zu übernehmen.72 Ende April legte Bergeret seinen Eid auf das Amt des Kammerdieners der Dauphine ab, wurde vom König aggregiert und trat seinen ersten Dienst an. Die Aufnahme in den Hofdienst gestaltete sich für Bergeret positiv. In einem Gespräch mit der Königin brachte er seinen zwölfjährigen Dienst für Ferdinand Bonaventura von Harrach und seinen Aufenthalt in Spanien ins Spiel, worauf die Königin ihn auf Spanisch nach dem Befinden von Johanna Theresia von Harrach fragte, die von 1660 bis 1662 Hofdame von Maria Anna von Österreich, Königin von Spanien und Stiefmutter der französischen Königin, war und als solche wohl auch die spätere französische Königin Marie-Thérèse kennen gelernt hatte. Die Königin empfahl Bergeret weiter an ihre bayerische Schwiegertochter, die sich hoch erfreut zeigte, dass er Deutsch sprach.73 Alexandre Bergeret war dank seiner Heirat 1680 also in relativ kurzer Zeit an den Hof gelangt, wirkliche Ambitionen, im Dienst für den König Karriere zu machen, hatte er sicher nicht. Nach dem Tod der Dauphine 1690 wurde er in keinen anderen Hofstaat übernommen, der Schwerpunkt seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten lag weiterhin im Kommissionsgeschäft und es ist sehr wahrscheinlich, dass er über seinen Schwiegervater versuchte, in größerem Stil in das Geldgeschäft einzusteigen. Wie viel Anteil an Bergerets Vermögen auf Geldgeschäfte und wie viel auf Kommissionsgeschäfte zurückging, kann heute nicht mehr nachvollzogen werden. Das Geschäft mit Immobilien, Renten, Krediten und Steuern war spekulativ, dafür höchst rentabel.74 Die Kommissionsgeschäfte, die Bergeret nach 1678 tätigte sind jedoch nicht zu unterschätzen. Er belieferte fortan nicht nur die Familie Harrach in Wien, sondern zahlreiche andere Wiener Adelshäuser auf hohem Niveau (vgl. Kap. 8.1). Dazu griff er sogar auf Dienste seines Schwagers Jamin zurück, den er mit Waren nach Wien schickte und ihn dort unter die Protektion von Harrach stellte. Als 1679 in Wien die große Pestepidemie ausbrach, intervenierte er bei Harrach, damit Jamin rechtzeitig die Stadt verlassen konnte.75 Dennoch eröffnete Bergerets Position bei Hof ungeheure Möglichkeiten im Gesellschaftlichen wie im Wirtschaftlichen. 1687 wurde er zusätzlich zu seiner Funktion als Kammerdiener zum Gentilshomme de la grande fauconnerie de France ernannt, was er bis zu seinem Tod blieb. Der wesentliche Gewinn in die72 73 74 75
ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 26. April 1680. ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 10. Mai 1680. Vgl. ANDREWS: Law 1994, S. 214–219. ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 28. April, 11. Sept. und 24. Okt. 1679.
7.1 Harrach und Bergeret: Persönlichkeiten und Beziehung
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sem Amt lag weniger in der Bezahlung von 300 livres,76 sondern in zahlreichen Vorrechten wie etwa dem, ein Wappen tragen zu dürfen. Wappen waren Zeichen des Adels oder Ausdruck von gezieltem, sozialem Aufstieg. Im selben Jahr begann Bergeret sich häuslich in der Ortschaft L'Isle-Adam in der Île-de-France, 37 km nordwestlich von Paris, niederzulassen und kaufte sukzessive Liegenschaften und Grundbesitz, der neben einem Haus auch Nebengebäude, Weiden, Gärten und Weingärten umfasste. Bergeret erwarb ganze Landgüter, die er unter anderem Mitgliedern des französischen Hochadels wie den Contis abkaufte. Insgesamt investierte er von 1687 bis 1703 33.000 livres in den Erwerb von Grund und Boden. Der Großteil der Ländereien verteilte sich auf die Ortschaften L'Isle-Adam und Nogent, wo er Arrondierungen auf seinen Gütern durchführte.77 Weiters erwarb er in der Mauer der Kapelle von L'Isle-Adam eine Grabstätte und stiftete der Kirche einen Altar und eine Tapisserie.78 All dies ist Ausdruck seines enormen sozialen und wirtschaftlichen Aufstiegs. Bergerets Vermögen bei seinem Tod 1717 soll vier Millionen livres betragen haben,79 wovon wahrscheinlich ein Großteil in Renten und Krediten angelegt war. Das Ziel dieser gesellschaftlichen Erfolgsgeschichte sollte Bergeret nicht mehr erleben, erst seine Söhne wurden in den Adelsstand erhoben. Mit Marie Jamin hatte Bergeret 13 Kinder, von denen acht nachweislich das Erwachsenenalter erlebten. Zwei seiner drei Töchter verheiratete Bergeret in den Adel, die dritte ins Beamtentum.80 Von den fünf Söhnen wählten drei eine militärische Laufbahn,81 zwei, nämlich Pierre-François und Nicolas Joseph, schlugen nach dem Großvater Antoine Jamin Karrieren in der Finanzverwaltung ein. Nicolas Joseph Bergeret wurde Controleur des fermes du Roy in Amiens. PierreFrançois führte den wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg des Vaters konsequent weiter und auch bei ihm war die Heiratsverbindung für seine Karriere im königlichen Dienst ausschlaggebend. 1710 heiratete er als einfacher Advokat ClaudeAnne Laroche, Tochter eines Gardekommandanten in Versailles. Beide Schwestern der Braut waren mit den Gebrüdern Pâris verheiratet, die als Finanziers äußerst erfolgreich agierten und den neuen Schwager förderten. 1712 wurde PierreFrançois Trésorier de l'extraordinaire des guerres in Dünkirchen, 1715 Directeur général des vivres in Metz, Toul und Verdun und Inspektor der Finanzen in der 76 Vgl. Nicolas BESONGNE: L'Etat de la France. Paris 1702, S. 622. 77 Vgl. BOTTO: Les Bergeret. In: Chappey/Jakubowicz (Hg.): Fragonard 2001, S. 77–78. 78 Vgl. GENINET: Les Bergeret à L'Isle-Adam. In: Chappey/Jakubowicz (Hg.): Fragonard 2001, S. 87–88. 79 Vgl. BOTTO: Les Bergeret. In: Chappey/Jakubowicz (Hg.): Fragonard 2001, S. 78. 80 Reine-Geneviève Bergeret (1686–1722) ehelichte François de Cassan, Seigneur de Châteaupré; Marie-Catherine ehelichte Pierre-Thomas Chicoilet de Corbigny, Trésorier des finances de la Généralité de Grenoble; Marie heiratete Denis Maurice, Advokat im Parlament. Vgl. BOTTO: Les Bergeret. In: Chappey/Jakubowicz (Hg.): Fragonard 2001, S. 79. 81 Alexandre-Claude (1684–1749), Colonel d'infanterie; Jacques-Antoine (1698–1788), Seignieur de la Rosière, Maréchal de camp und Lieutenant général; Philippe-Denis, Capitaine d'infanterie au Régiment de Picardie, fällt 1734 in der Schlacht von Parma nach einer couragierten Verteidigung. Vgl. BOTTO: Les Bergeret. In: Chappey/Jakubowicz (Hg.): Fragonard 2001, S. 79.
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Dauphiné sowie einer der Fermier général von 1721 bis 1757 und schließlich 1722 Secrétaire du Roy. Dieser letzte Posten führte 1724 zu seiner Anoblierung.82 Pierre-François betätigte sich erfolgreich in der Finanzverwaltung des Königs, die über Anleihen an den Staat mit hohen Renditen finanziert wurde. Darüber hinaus war er auch im privaten Kreditgeschäft für den Hochadel tätig, zu seinen Kunden zählten die Familien Conti, Tingry, Luxembourg, Richelieu, Fronsac, Duras und Broglie. Obwohl Bergeret bereits ein statthaftes Vermögen angehäuft hatte, auf das Pierre-François sicher zurückgreifen konnte, vermehrte der Sohn dieses noch einmal wesentlich. Sein Kapital betrug 1771 über acht Millionen livres, davon waren über die Hälfte außenstehend in Renten und Kreditgeschäften investiert. Pierre-François investierte parallel dazu auch in den Immobilienmarkt in den im 18. Jahrhundert neu errichteten Stadtvierteln um den Faubourg Saint-Honoré in Paris, wo er Immobilien im Wert von 704.000 livres besaß. Als Zeichen seines gesellschaftlichen Aufstiegs kaufte er 1751 im Languedoc von der Familie La Tour d'Auvergne die Grafschaft Nègrepélisse um 372.000 livres, die er selbst nur ein einziges Mal besuchte.83 Alexandre Bergeret und noch viel mehr sein Sohn Pierre-François stehen beinahe paradigmatisch für die finanzpolitischen Entwicklungen des Ancien Régime und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft. Im Falle der Bergerets kann man tatsächlich von einem gesellschaftlichen Aufstieg sprechen: vom Fleischersohn zum geadelten Finanzier in nur zwei Generationen. Dennoch waren die beruflichen und finanziellen Erfolge von Vater und Sohn nur ein Grund für die beispiellosen Karrieren. Tatsächlich waren es die Heiratsverbindungen, die beide in das Finanzbeamtentum aufsteigen ließen, es waren Schwiegervater und Schwager, die den Bürgerlichen zu vorteilhaften Ämtern verhalfen und die sie an ihren finanziellen Transaktionen beteiligten. Daniel Dessert nennt diese aufstrebende Gesellschaftsschicht schlicht „Finanzier“,84 Yves Durand spricht von einer „noblesse financière“85 und Richard Andrews will in der Verbindung von Verwaltungsämtern in Finanzen und Rechtsprechung sogar eine kastenartige Themistokratie86 erkennen. Einig sind sie sich allerdings über die gesellschaftlichen Merkmale dieser Schicht. Sie rekrutierte sich sowohl aus Beamten als auch aus bürgerlichen Handwerkern über Heiratsverbindungen. Der soziale Aufstieg aus dem Nichts war eigentlich nicht möglich, Alexandre Bergeret brauchte ein Grundkapital für seine Heirat mit Marie Jamin. Der Großteil der Finanziers bekleidete im Laufe seiner Karriere ein oder mehrere Ämter in den Finanzen oder in der Judikatur, war katholisch, denn Finanzwesen in Frankreich und internationales Bankwesen entsprachen einander nicht, und kam aus Nordostfrankreich, das heißt aus der Île-deFrance, der Loire, der Champagne oder dem Burgund. Champagne und Burgund 82 Vgl. Christine FAVRE-LEJEUNE: Les secrétaires du Roi de la grande chancellerie de France. Dictionnaire biographique et généalogique (1672–1789). Bd. 1, Paris 1986, S. 192–194. 83 Vgl. DURAND: Fermiers généraux 1996, S. 152, 159, 164, 181. 84 Vgl. Daniel DESSERT: Der Finanzier. In: Rosario Villari (Hg.): Der Mensch des Barock. Frankfurt 1997, S. 82–113. 85 Vgl. DURAND: Fermiers généraux 1996, S. 12. 86 Vgl. ANDREWS: Law 1994, S. 206, 236–240.
7.1 Harrach und Bergeret: Persönlichkeiten und Beziehung
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waren klassische Gebiete kostspieliger militärischer Operationen oder ihrer Vorbereitungen, die viele als Sprungbrett nach Paris nutzten. Charakteristisch ist auch die Zweigleisigkeit der Vermögensanlage zu etwa 40% in traditionellen Gütern wie Häuser, Landgüter und Mobiliar und zu über 50% in Anleihen, Renten, Schuldscheinen und Krediten, wie dies sowohl bei Alexandre Bergeret als auch bei seinem Sohn der Fall war. Über Heiratsverbindungen wurden Ämter und Vermögen akkumuliert. Dennoch wurde vorwiegend gesellschaftlich endogam geheiratet. Verbindungen zum Schwertadel gab es kaum, kirchliche Karrieren wurden laut Literatur gemieden, was angesichts des Klostereintritts von Bergerets Schwägerin jedoch als fraglich erscheint. Schlussendlich zeigt sich das Selbstverständnis des Finanziers auch in seinem Konsumverhalten, das bei weitem kein adeliges war. Ein Finanzier arbeitete erwerbsorientiert, Pierre-François wurde sowohl als „aisé à vivre, très honnête homme et nullement fier“ als auch als „infatigable dans le travail“87 bezeichnet, was im Wesentlichen auch auf seinen Vater zutraf. Adeliges Konsumverhalten und der Hang zu Luxusinvestitionen gehörten nicht zum Selbstverständnis dieser Schicht. Teure Prestigegegenstände, Gold, Juwelen oder Ähnliches fanden sich im Testament von Pierre-François unterrepräsentiert,88 letztlich ging es trotz eigenem Standesbewusstsein, das sich im Kauf von adeligen Gütern und in der Silbermitgift für die Töchter niederschlug, in erster Linie um Vermögensvermehrung. Dies ist nicht unwesentlich für die Definition der Beziehung zwischen Alexandre Bergeret und Ferdinand Bonaventura von Harrach. In ihren Grundzügen entsprach diese bis 1678 einem klassischen Patronageverhältnis.89 Johanna Theresia berichtete immerhin, dass sich Bergeret in Wien als Harrachs Favorit unter den Hausangestellten aufspielte.90 Es ist auch durchaus möglich, dass Bergeret, solange er sich eine Anstellung bei Harrach erhoffte, davon ausging, sich in einem Patronageverhältnis zu diesem zu befinden, da sich in Frankreich viele Patronageverhältnisse aus einem Hausangestelltenverhältnis entwickelten.91 Dafür spricht auch, dass das Verhältnis der beiden grundsätzlich reziprok aufgebaut war und sowohl Harrach als auch Bergeret von der Verbindung profitierten. Auch die Tatsache, dass das Verhältnis bis zum Tod Harrachs andauern sollte und dass Bergeret nach dem Tod Harrachs versuchte, seine Dienste Harrachs Sohn Aloys Thomas Raimund anzutragen,92 der allerdings ein sparsamerer Charakter war, zeigen den Versuch Bergerets, in ein Patronageverhältnis zur Familie Harrach zu treten. 87 Zitiert nach DURAND: Fermiers généraux 1996, S. 143, 449. 88 Vgl. ANDREWS: Law 1994, S. 219. 89 Vgl. Heiko DROSTE: Patronage in der Frühen Neuzeit – Institution und Kulturform. In: ZHF 30/1 (2003), S. 555–590, insbesondere zur wirtschaftlichen Bindung S. 584–585. Sharon KETTERING: Patrons, Brokers and Clients in Seventeenth-Century France. New York/Oxford 1986. 90 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 30. Mai und 23. Juli 1677. 91 Vgl. KETTERING: Patrons 1986, S. 33–39. 92 ÖStA, AVA, Harrach 59, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 29. Sept. 1706, 24. Dez. 1708 und 24. Juli 1711.
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7 Alexandre Bergeret: Dimensionen eines Vermittlers
Tatsächlich sprechen aber auch einige Anhaltspunkte gegen die Einführung des Patronage-Begriffs zur Erklärung der Beziehung zwischen Harrach und Bergeret, vor allem für die Zeit nach 1678. Grundsätzlich muss festgestellt werden, dass alle Dienste, die Bergeret für Harrach versah, vom Grafen auch entsprechend entlohnt wurden. Ein spezielles Treueverhältnis kann abzüglich des barocken Briefstils mit seinen überschwänglichen Untertänigkeitsbezeugungen nicht festgestellt werden. Es gibt auch keinen einzigen Beleg in der BergeretKorrespondenz, in der Bergeret unbezahlte Dienste93 geleistet hätte. Kommissionsgeschäfte basierten logischerweise auf einer gewissen Vertrauensbasis, dennoch kann man in diesem Zusammenhang nicht von Patronage sprechen. Bergeret führte über alle Ausgaben peinlichst Buch und schickte Harrach halbjährlich Abrechnungen. Allein anhand der Bezahlungsmodalitäten, bei denen Harrach nie in Verzug kam, lässt sich ableiten, dass Harrach und Bergeret eher eine intensive, reziproke Geschäftsverbindung denn ein Patronageverhältnis aufrecht erhielten. Patronage wird normalerweise im Kontext von Machtstrukturen und Ämtervergaben behandelt.94 Weder konnte Harrach Bergeret am Wiener Hof unterbringen, noch erwuchs Harrach aus diesem Unvermögen ein klassischer Ehrverlust. Dies war auch von beiden Protagonisten so niemals intendiert. Viel mehr ist davon auszugehen, dass Bergeret 1678 erkannte, dass er in Wien kaum Aufstiegschancen hatte und dass er von Paris aus mehr Geld verdienen konnte als von Wien. Letztendlich war es auch der Schwiegervater und nicht Harrach, der ihm den Zugang zu Kreditgeschäften ebnete und zu Ämtern verhalf. Dennoch war es möglich, dass beide Männer vor allem mit zunehmendem Alter ein gewisses Naheverhältnis zueinander pflegten, das sich auch in der Korrespondenz niederschlug. Der Grund dafür lag in erster Linie darin, dass nach 1678, bis auf Harrachs Parisaufenthalt von 1698, kein persönlicher Kontakt mehr statt fand. Der Stellenwert der Korrespondenz stieg somit für beide als Kommunikationsmedium. Eine klare Trennung zwischen Geschäftsbrief und Privatbrief ist für das 17. und 18. Jahrhundert ohnedies nicht möglich, da sich jede Briefform an den tradierten Mustern der Briefsteller orientierte und von barocken Höflichkeitsfloskeln überlagert war.95 Es kann davon ausgegangen werden, dass das, was Bergeret nach 1680 an persönlichen Mitteilungen machte, auch als persönliche Kommuni93 Zu Treuebegriff und unbezahlten Diensten als Merkmale von Patronage vgl. DROSTE: Patronage in der Frühen Neuzeit. In: ZHF 30/1 (2003), S. 574–583. 94 Vgl. Antoni MĄCZAK: From Aristocratic Household to Princely Court. Restructuring Patronage in the Sixteenth and Seventeenth Centuries. In: Ronald G. Asch/Adolf M. Birke (Hg.): Princes, Patronage, and the Nobility. The Court at the Beginning of the Modern Age c. 1450– 1650. Oxford 1991, S. 318–319. 95 Vgl. Toby L. DITZ: Formative ventures: eighteenth-century commercial letters and the articulation of experience. In: Rebecca Earle (Hg.): Epistolary Selves. Letters and Letter-Writers, 1600–1945. Aldershot/Brookfield/Singapore [u.a.] 1999, S. 65–66. Carmen FURGER: Briefsteller. Das Medium „Brief“ im 17. und frühen 18. Jahrhundert. Köln/Weimar/Wien 2010. Carmen FURGER: Briefsteller – Zum Kulturtransfer in der deutschen Epistolographie des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Nolde/Opitz (Hg.): Familienbeziehungen 2008, S. 273–286. Robert VELLUSIG: Schriftliche Gespräche. Briefkultur im 18. Jahrhundert. Wien/Köln/Weimar 2000, S. 21–32.
7.1 Harrach und Bergeret: Persönlichkeiten und Beziehung
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kation mit Harrach aufzufassen ist, da Bergeret zu diesem Zeitpunkt auf Harrachs Protektion nicht mehr in diesem Ausmaß angewiesen war. Eine weitere Qualität in der Beziehung Harrach–Bergeret ergab sich durch die Erziehung ihrer Kinder. Drei der vier gräflichen Söhne wurden auf ihrer Kavalierstour in Paris von Bergeret betreut96 und Bergeret berichtete dem Vater auch regelmäßig über das Betragen und die Fortschritte der Söhne, genauso wie er später ihren weiteren Werdegang verfolgte und kommentierte.97 Als Aloys Thomas Raimund 1700 mit seiner Familie nach einer erfolglosen Gesandtschaft in Spanien über Paris nach Wien zurückkehrte, berichtete Bergeret nach Wien, Aloys Thomas Raimund mache einen vielversprechenden Eindruck, seine Gattin sei besonders tugendhaft, sie habe kaum Ausgaben in Paris gemacht,98 was für Bergerets Geschäfte nicht von Vorteil war. Bereits bei seiner Anreise nach Madrid über Paris 1698 stand Bergeret Aloys Thomas Raimund zur Verfügung. Bei dieser Gelegenheit engagierte Aloys den 14-jährigen Sohn Bergerets, Alexandre-Claude, als Page, damit seine eigenen Kinder von dem jungen Bergeret Französisch lernen sollten.99 Alexandre-Claude entwickelte sich jedoch nicht so, wie dies vom Vater vorgesehen war. Der Sohn sollte sich in Wien persönlich fortbilden, für den Dienst an einem zukünftigen Herrn vorbereiten oder militärisch orientieren. Stattdessen interessierte sich der mittlerweile 17-Jährige für das Spiel, Wein, Frauen und schlechte Gesellschaft, was den Vater dazu veranlasste, ihn zu Beginn des spanischen Erbfolgekriegs nach Paris zurückzubeordern.100 Die Beziehung Harrach–Bergeret überlebte auch die Verfehlungen des Sohnes eigentlich unbeschadet, obwohl Harrach Mühen mit Alexandre-Claude hatte vor allem, da dieser im November 1701 vor seiner Abreise noch schwer erkrankte.101 Die persönliche Ebene in der Beziehung zwischen Harrach und Bergeret zeigt sich wohl am eindrücklichsten in der Tatsache, dass Bergeret mit zunehmendem Alter Harrach für jede erdenkliche Unpässlichkeit oder Krankheit ein Gegenmittel wusste, das er ihm per Korrespondenz empfahl oder Ingredienzien dafür zukommen ließ. Als in Wien 1679 die Pest ausbrach, besorgte Bergeret beim Apotheker der Herzogin von Orléans 40 bis 50 Pillen, die vorbeugend wirken sollten, und schickte diese zusammen mit einem Bündel Eternelle, Sonnengoldblumen, nach Wien. Die Sonnengoldblumen, ein in Frankreich wild wachsendes Ruhrkraut, das 96 Zum erstgeborenen Karl: ÖStA, AVA, Harrach 677, Karl Biographica, Instruktion des Vaters für die Reise und Korrespondenz des Hofmeisters Bilek. Zum drittgeborenen Aloys Thomas Raimund: ÖStA, AVA, Harrach 241, Korrespondenz Aloys Thomas Raimund. Der viertgeborene Johann Joseph Philipp wurde 1699 von Bergeret in Paris betreut: ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 26. Jän. und 20. Feb. 1699. Der zweitgeborene Franz Anton studierte in Rom, da er für den geistlichen Stand bestimmt war. 97 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 3. Feb. und 7. März 1702 beispielsweise. 98 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 14. und 23. Nov. 1700. 99 ÖStA, AVA, Harrach 241, Korrespondenz Aloys Thomas Raimund, Brief vom 25. Feb. 1698. 100 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 21. Juni 1701. 101 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 21. Nov. 1701.
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7 Alexandre Bergeret: Dimensionen eines Vermittlers
normalerweise gegen Husten und Lungenerkrankungen eingesetzt wurde,102 sollte Harrach zur Vorbeugung als kleines Päckchen unter den Achseln oder in der Tasche mit sich herumtragen.103 Gegen Gicht empfahl Bergeret Harrach ein Rezept, das von Colbert sehr gelobt werde und aus England käme, nämlich einen Sud aus Sassaparille, Chinawurzel und Salbei, der mit Zucker verfeinert wurde, um ihn trinkbar zu machen.104 Sassaparille, die Wurzel einer mittel- und südamerikanischen Stechwindenart, wurde im 17. Jahrhundert vor allem zur Behandlung der Syphilis angewendet.105 Die Chinawurzel hingegen ist die Wurzel der orientalischen Stechwinde, kam aus Ostindien und war schon im 16. Jahrhundert als Mittel gegen Gicht bekannt.106 Über die Wirksamkeit dieses Tranks kann nur spekuliert werden, ebenso wie über die Empfehlung der französischen Hofärzte, statt Kaffee nur noch Tee zu trinken, da der Kaffee die Blutzirkulation behindere und für plötzliche Sterbefälle verantwortlich sei.107 Unvorhergesehene Todesfälle, vor allem durch Schlaganfälle, Apoplexie genannt, beherrschten die Korrespondenz der letzten Jahre nach 1700. Gänzlich der Alchemie des 17. und frühen 18. Jahrhunderts zuzuordnen ist der Vorschlag, trinkbares Gold108 zu verabreichen, anlässlich eines Schlaganfalls eines gemeinsamen Bekannten, Caspar Ambros Maignin de Fleurey, dem ehemaligen Hofmeister Harrachs. Bergeret schien ab dem Jahr 1702 selbst auf der Suche nach einem Allheilmittel gegen jegliche Zeichen des Alters zu sein. Das „or potable“ empfahl er Harrach insgesamt gleich dreimal.109 Noch im Jänner 1706, ein halbes Jahr bevor Harrach in Karlsbad während der Brunnenkur verstarb,110 schickte Bergeret etliche Arzneien nach Wien, darunter Pulver zur Beruhigung des Magens, ein Wässerchen gegen allgemeine Lähmungserscheinungen und das Melissenwasser der Pariser Karmeliter zur Erfrischung des Gehirns und des Kreislaufs.111 Dieses Destillat aus Melissen, Zitronen, Koriander, Muskatnuss, Nelken, Zimt und Angelika war im 18. Jahrhundert ein allgemein bekanntes Mittel gegen Schlaganfälle.112 Bergeret nahm Anteil an der Gesundheit von Ferdinand Bonaventura von Harrach und kondolierte bei jedem Todesfall in der Wiener Hofgesellschaft, die auch ihn tangierte. Die Entwicklung der Kinder, die Gesundheit und die Sterbefälle gemeinsamer Wegbegleiter sind klassische Themen zweier etwa 102 Vgl. KRÜNITZ: Enzyklopädie 1773–1853, Bd. 128, 741–1110, vgl. http://www.kruenitz1.unitrier.de/ [Stand 15.10.2010]. 103 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 11. Sept. 1679. 104 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 5. Juli 1680. 105 Vgl. Friedrich OESTERLEN: Handbuch der Heilmittellehre. 3. Aufl. Tübingen 1850, S. 566– 570. 106 Vgl. ZEDLER: Universallexicon 1731–1754, Bd. 5, S. 994–995. 107 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 22. Mai 1702. 108 Vgl. KRÜNITZ: Enzyklopädie 1773–1853, Bd. 19, 1–467, vgl. http://www.kruenitz1.unitrier.de/ [Stand 15.10.2010]. 109 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 2. Juni, 12. Sept. 1702 und 19. März 1703. 110 Vgl. WURZBACH: Biographisches Lexikon. Bd. 7 1861, S. 373. 111 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 22. Jän. 1706. 112 Vgl. ZEDLER: Universallexicon 1731–1754, Bd. 5, S. 459–460.
7.2 Informations-, Wissens- und Kulturmanagement
241
gleich alter Menschen, die ein Leben lang brieflich in Kontakt standen, und Ausdruck ihrer Verbundenheit. Letztlich darf die in den letzten Jahren entwickelte persönliche Beziehung zwischen Bergeret und Harrach aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die jahrzehntelange Korrespondenz in erster Linie eine Geschäftsbeziehung darstellte. Bergeret profitierte wirtschaftlich enorm von den Kommissionsgeschäften mit Harrach und auch Harrach zog seinen Nutzen aus den Geschäften mit Paris. Nicht immer stand nur der Bezug luxuriöser, neuer Moden im Vordergrund. Bergeret brachte Harrach einen unvergleichbaren Mehrwert ein, der in seiner Fähigkeit lag, weitreichende Verbindungen und Netzwerke in Paris sicherzustellen, derer sich Harrach bedienen konnte. Dieser Attraktivität Bergerets für seine Kunden gilt es im Folgenden näher auf den Grund zu gehen. 7.2
INFORMATIONS-, WISSENS- UND KULTURMANAGEMENT
„Pour les Meubles l'on ne se sert plus de tapis de table a moin qu'en ne soit sur une table lors que l'on a manger. Les tables sont de marqueterie ou de marbre ou de pierres de raport ou d'oré, les tapisseries ne se font point de drap descarlate n'y les chaises et lict, mais bien du velour ou de broquards avec des Galons ou Craispines d'or. La chambre de parade le dais et les chaises doivent estre de mesme la tapisserie sera d'auttelisse ou demesme que le dais, voila Monseigneur tout ce que ie puis dire la dessus lon se sert beaucoup de sopha ou Canape dans toutes les chambre. Par le prochain ienvoiray des modes nouvelles [...]“113
Am Beginn des 18. Jahrhunderts veränderte sich die Innenraumgestaltung repräsentativer Räume in Frankreich, vor allem im textilen Bereich. Polsterungen, bequemere Sesselformen, neue Formen von Sitzmöbeln wie das Canapé oder die Ottomane wurden im Zuge der Salonkultur und ihrer ungezwungeneren Gemütlichkeit zunehmend schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts modern.114 Das Dekor von repräsentativen Räumlichkeiten folgte in Frankreich strikten Vorgaben. Jede Veränderung diesbezüglich wurde europaweit nicht nur registriert, sondern intensiv rezipiert, da es im auf Machtdemonstration ausgerichteten Repräsentationsmodell Ludwigs XIV. eben mehr bedeutete als nur Dekor. Bergeret hatte als Kammerdiener der Dauphine die Möglichkeit, jede Neuerung in diesem Bereich als einer der ersten in Erfahrung zu bringen und leitete diese Informationen direkt an Ferdinand Bonaventura von Harrach weiter. Bergerets Korrespondenz war mehr als nur ein Briefverkehr. Sie dokumentiert nicht nur Luxuseinkäufe, sondern beispielsweise Veränderungen in der Innenraumgestaltung oder in der Mode, sie bringt den Wissensstand Bergerets über den Wiener Hof zum Ausdruck und veranschaulicht gleichzeitig den Wissensstand Harrachs über den Hof von Versailles. Der Briefverkehr von Bergeret an Harrach ist sowohl der Beleg für Kultur-, Wissens- und Informationsmanagement als auch selbst Medium dafür.
113 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 25. Jän. 1694. 114 Vgl. DOBIE: Orientalism. In: Goodman/Norberg (Hg.): Furnishing 2007, S. 15–16.
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7 Alexandre Bergeret: Dimensionen eines Vermittlers
Wissen ist Macht, dies war schon Francis Bacon (1561–1626) bewusst.115 Die Menge und Verfügbarkeit von Wissen und Information explodierte in der Frühen Neuzeit nicht nur aufgrund der Erfindung des Buchdrucks und der Zirkulation von Büchern, sondern auch aufgrund einer Multiplikation an Autoritäten von Wissen.116 Sowohl Wissen als auch Information und damit auch Wissen über Kultur benötigten zunehmend Instanzen und Vermittler, die Wissen ordneten, bereitstellten, kommentierten und für Rezipienten verständlich und verwertbar machten. Wissen kann nur dann zum Machtfaktor werden, wenn es jemand zu seinem Vorteil einzusetzen weiß, sonst bleibt es reine Information. Wissensmanagement und seine mediale Verbreitung beschäftigte die Gelehrtenrepublik Europas in der Frühen Neuzeit kaum weniger, als dies heute der Fall ist.117 Adrien Baillet meinte 1685, dass die täglich wachsende Zahl an erscheinenden Büchern zukünftige Generationen in einen barbarischen Zustand versetzen würde, vergleichbar dem Fall des Römischen Imperiums.118 Wissensmanagement war eine unumgängliche Notwendigkeit für alle, die an Fortschritt interessiert waren und betraf nicht nur Gelehrte und Wissenschaftler, sondern in erster Linie Adelige in hohen politischen Ämtern. Denn ihr Drang nach Information und Wissen war zweifach motiviert: Zum einen benötigten sie Wissen, um ihr Amt entsprechend erfolgreich erfüllen zu können. In den Händen und im politisch-taktischen Geschick von Ferdinand Bonaventura von Harrach als kaiserlichem Botschafter in Madrid lagen immerhin Teilbereiche der spanischen Hausmachtpolitik Leopolds I. Zum anderen spielte ein Wissens- und Informationsvorsprung in allen höfischen Bereichen einer ständischen Gesellschaft eine wichtige Rolle in der Selbstpositionierung jedes Adeligen und im Ringen um Ämter und Würden. Unter diesem Gesichtspunkt war die Informationsvergabe Bergerets 1694, dass in Paris nun zunehmend Sofas und Chaiselongues in den Salons als Sitzmöbel verwendet wurden und dass Tapisserien nicht mehr als Dekor für Tische und Sessel benutzt wurden, ein wichtiger Beitrag zur Gestaltung von Innenräumen. Denn auch in Wien war der Raumdekor niemals nur Privatsache eines Adeligen, sondern hatte seinen festen Platz in der sich ausdifferenzierenden und dem Wettstreit der Familien unterworfenen Adelsgesellschaft Wiens. Bergerets Briefe sind reichhaltig an politischen und kulturpolitischen Informationen, die für sich allein wenig Sinn ergeben. Harrach jedoch konnte alle diese Informationen zu einem sinnvollen Ganzen zusammensetzen. Bergeret betrieb daher selbst in seiner Funktion als Briefpartner und Kulturmanager auch Wissens- und Informationsmanagement. Der Brief darf trotz der permanent anwachsenden Menge an Gedrucktem als Verbreitungsmedium von Information in der Frühen Neuzeit nicht unterschätzt 115 Vgl. Walther ZIMMERLI: Wissenskulturen des 18. und 21. Jahrhunderts. In: Ulrich Johannes Schneider (Hg.): Kulturen des Wissens im 18. Jahrhundert. Berlin/New York 2008, S. 10–11. 116 Vgl. Daniel ROSENBERG: Early Modern Information Overload. In: Journal of the History of Ideas 64/1 (2003), S. 1–7. 117 Vgl. Peter BURKE: Papier und Marktgeschrei. Die Geburt der Wissensgesellschaft. Berlin 2001, S. 20–21, 37, 177. 118 Vgl. Ann BLAIR: Reading Strategies for Coping With Information Overload ca. 1550–1700. In: Journal of the History of Ideas 64/1 (2003), S. 11.
7.2 Informations-, Wissens- und Kulturmanagement
243
werden. Bis ins 20. Jahrhundert hinein bestand ein Nebeneinander zwischen gedruckten und von Hand geschriebenen Informationsmedien, denn die schnellste Weitergabe von Informationen funktionierte nach wie vor über den Versand von Briefen per Post.119 Gedruckte Medien wie Journale, Zeitschriften und Bücher hatten den Nachteil, teurer zu sein und eine gewisse Vorlaufzeit für Satz und Druck zu benötigen. Harrach wurde daher von Bergeret schneller über Veränderungen in der Innenraumgestaltung informiert, als wenn er die nächste Ausgabe des Mercure Galant abgewartet hätte, der nur alle drei Monate erschien und ebenfalls den Postweg benötigte. 1671 kommentierte Bergeret die Audienz des kaiserlichen Gesandten Windischgrätz bei Ludwig XIV., die beinahe mit einem Eklat geendet hätte, mit den Worten: „le Comte de Vindisgrats n'at pas de cette Court toute la satisfaction qu'il desir“ und unterrichtete Harrach von dessen baldiger Abreise.120 Kurze Zeit später berichtete er Harrach von den in Paris kursierenden Gerüchten, dass Harrach die spanische Gesandtschaft antreten werde und dass sich Graf Pötting in Madrid auf die Abreise vorbereite.121 1676 schrieb Bergeret mehrmals über den Stand der Dinge zum Passantrag für Harrachs Frau Johanna Theresia durch Frankreich122 und über den schleppenden Reisefortschritt des Grafen Trautson, der Harrach in Madrid ablösen sollte, aber aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes seiner schwangeren Frau nur wenige Posten am Tag weiterkomme.123 Im selben Jahr informierte er Harrach, zu dieser Zeit noch Botschafter in Madrid, über Geschenke der französischen Königin an die spanische Königin.124 1680 berichtete Bergeret von Liquiditätsproblemen des kaiserlichen Botschafters in Madrid Marquis de Grana.125 1698 wiederum benachrichtigte er Harrach über die baldige Abreise des Marquis de Villars als französischem Botschafter nach Wien, über die erwartete Ankunft des Grafen Schlick in Paris als kaiserlichem Gesandten und über Prinzessin Caroline von Ansbach, die als mögliche Verlobte von Erzherzog Joseph gehandelt wurde.126 Wer wen empfing, wer wohin reiste und wer wen heiratete etc. waren Informationen, die auf der Ebene des politischen Parketts europaweit nicht unwesentlich waren und innerhalb des europäischen Adels in hohem Maße Relevanz besaßen. Solche Informationen stellten einen festen Bestandteil von gedruckten Journalen wie dem Mercure Galant oder dem 119 Vgl. Detlef DÖRING: Gelehrte Korrespondenzen Einführung. In: Schneider (Hg.): Kulturen des Wissens 2008, S. 102–103. Franz MAUELSHAGEN: Netzwerke des Nachrichtenaustauschs. Für einen Paradigmenwechsel in der Erforschung der „neuen Zeitungen“. In: Johannes Burkhardt/Christine Werkstetter (Hg.): Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit. München 2005, S. 409–425. Renate PIEPER: Die Vermittlung einer neuen Welt. Amerika im Nachrichtennetz des Habsburgischen Imperiums 1493–1598. Mainz 2000, S. 36. 120 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 7. Jän. 1671. 121 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 23. Jän. 1671. 122 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 6. Sept. 1676. 123 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 12. Okt. 1676. 124 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 31. Aug. 1676. 125 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 26. April 1680. 126 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 6. April 1698.
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7 Alexandre Bergeret: Dimensionen eines Vermittlers
Wienerischen Diarium dar.127 Allerdings hatten die Informationen von Bergeret den Vorteil, dass sie nicht nur schneller zu Harrach kamen, sondern auch inhaltlich auf dessen Interessen zugeschnitten worden waren. Bergeret informierte Harrach genau über jene Gesandten und Botschafter, die Harrach selbst als Botschafter in Spanien interessierten. Nicht zuletzt hatte Bergeret diese Personen auch über Harrach kennen gelernt und bewegte sich innerhalb dieses Netzwerks (vgl. Kap. 8). Ein ähnliches Vorgehen zeigt sich auch im Bereich der kulturpolitischen Informationstransfers, wie am Beispiel zur Innenraumgestaltung zu sehen war. Prinzipiell dokumentiert die Korrespondenz von Bergeret, welche Wiener Adeligen sich in Paris aufhielten, was diese dort einkauften, welche Allianzen sich unter den jungen Kavalieren auf Grand Tour in Paris ergaben und welche Adeligen sich über Bergeret Luxuserzeugnisse aus Paris nach Wien bestellten. Harrach war gut informiert über die Luxuskäufe seiner Mitstreiter am kaiserlichen Hof. 1679 etwa schrieb Bergeret, der junge Graf Montecuccoli mache in Paris eine gute Figur, sein Vater habe ihm aufgetragen, einen friedfertigen französischen Koch nach Wien mitzubringen, was sehr schwierig werden würde.128 1680 konstatierte er, dass die Karosse für den kaiserlichen Botschafter in Madrid, Marquis de Grana, nicht nach der neuesten Mode gestaltet sei und in Spanien keine Möglichkeit bestehe, dies zu beheben.129 Spezielle Informationen ließ Harrach beispielsweise 1680 über die Reisemodalitäten der französischen Königin einholen. Hier beschrieb Bergeret genau, wann die Königin in einer Karosse, wann in einer Sänfte reiste, wie viele Pagen sie bei sich hatte und wie das Gespann aussah. Außerdem berichtete er, dass sowohl die Königin als auch die Dauphine stets ihre Garderobe und ihr Bettzeug bei sich hatten, wovon er Harrach eine Zeichnung schicken wolle.130 1676 berichtete Bergeret von vergoldeten Spiegeln, die in Paris zur Zeit besonders gefragt seien und dass zwölf Exemplare davon an Karl XI. von Schweden geliefert werden,131 und 1701 von kleinen Porzellankannen mit vergoldetem Kupferrand, die als Tabatière zu gebrauchen waren und die er an Harrachs Sohn versandte.132 Die Informationen zur Mode sind in Bergerets Briefen besonders zahlreich. Er beschrieb genau, welche Stoffe wofür verwendet, welche Farben miteinander kombiniert wurden, welche Bänder, Strümpfe, Galonen und Hüte sommers oder winters zu tragen waren.133 Das Informationsmanagement Bergerets war in allen Bereichen der Repräsentation umfassend. Bergeret machte präzise Angaben, die genau auf den Empfänger Harrach abgestimmt wurden und diesem dadurch Orientierungshilfe leisteten. Dabei war nicht nur die Tatsache entscheidend, dass 127 Vgl. André KRISCHER: Zeremoniell in der Zeitung. Periodika des 17. und 18. Jahrhunderts als Medien der ständischen Gesellschaft. In: Schneider (Hg.): Kulturen des Wissens 2008, S. 309–313. 128 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 24. Okt. 1679. 129 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 26. April 1680. 130 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 10. Mai 1680. 131 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 20. Sept. 1676. 132 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 8. Nov. 1701. 133 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 25. Jan. 1694.
7.2 Informations-, Wissens- und Kulturmanagement
245
Harrach über Bergeret gut informiert wurde, sondern dass Harrachs kulturpolitische Entscheidungen indirekt auf Inhalte von Bergerets Briefen fußten. Jedes Mehr an Information führte zu bewussten oder unbewussten Veränderungen in der Entscheidungsfindung,134 ob dies nun die Anschaffung von Polstermöbeln oder das Wissen um eine gescheiterte Audienz betraf. Ausschlaggebend für den Empfänger der Informationsvergabe waren letztlich drei Faktoren: die Aktualität der Informationen – daher war der Weg der Korrespondenz auch der schnellste –, die Verlässlichkeit der Angaben – Harrach vertraute Bergeret aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen mit ihm in Paris 1669 – und Bergerets Zugang zum kulturellen System Frankreichs, das durch die Bipolarität von Paris und Versailles schwierig zu rezipieren war. Versailles dominierte ab 1682 das Politik- und Hofgeschehen Frankreichs und Bergeret partizipierte direkt über seine Stelle als Kammerdiener der Dauphine daran. Paris blieb aber mit seiner Salonkultur, seinen großen öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Institutionen und Akademien und als Produktionsstätte von Luxusgütern das Zentrum französischer Kultur, Tugenden, Moden und Galanterie.135 Dieses französische Kulturmodell wiederum stellte den Mittelpunkt des eigentlichen Kulturmanagements Bergerets dar, das durch seine zahlreiche Kundschaft in Wien über die Familie Harrach hinaus (vgl. Kap. 8) einen Multiplikatoreffekt erfuhr. Die folgenden Ausführungen über die von Bergeret vermittelten Waren und Produkte basieren auf der Auswertung von fünf Halbjahres- bzw. Quartalsabrechnungen Bergerets an Harrach zwischen 1678 und 1699,136 die ausnahmsweise in der Korrespondenz archiviert wurden. Quellen zu weiteren Kunden in Wien fehlen. Bergeret rechnete zu Beginn des Jahres das vergangene Halbjahr ab, schickte aber im April wieder eine Rechnung für das vergangene Quartal. Die Zeiträume sind daher schwierig zu vergleichen. Es haben sich allerdings nur diese Stichproben aus den Abrechnungen erhalten und die Rechnungshöhe divergierte ohnehin stark, bei diesen fünf Abrechnungen etwa zwischen 466 fl. und 1.196 fl. Die folgende Tabelle zeigt eine Aufstellung der von Harrach konsumierten Produkte, unterteilt nach Gruppen. Angegeben wird, wie regelmäßig die Produkte in Bergerets Abrechnungen aufscheinen, die Höhe der Kosten dafür in ihrer Bandbreite nach den einzelnen Rechnungen und in welchem Verhältnis diese Investitionen zur Gesamtsumme der Rechnungen standen.
134 Vgl. Arndt BRENDECKE/Markus FRIEDRICH/Susanne FRIEDRICH: Information als Kategorie historischer Forschung. Heuristik, Etymologie und Abgrenzung vom Wissensbegriff. In: Arndt Brendecke/Markus Friedrich/Susanne Friedrich (Hg.): Information in der Frühen Neuzeit. Berlin 2008, S. 19. 135 Vgl. BURKE: Papier 2001, S. 81. 136 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 17. Feb. 1679, vom 28. April 1679, vom 12. April 1694, vom 26. Jän. 1699 und vom 19. April 1699.
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7 Alexandre Bergeret: Dimensionen eines Vermittlers
Produktgruppen Kleider, Textilien Kleider und Garnituren Textilien und Zubehör Kosmetika und Frisuren Bücher, Pläne, Karten, Stiche Journale Kuriositäten und Sonstiges Repräsentationswagen
Regelmäßigkeit des Warenbezugs regelmäßig recht regelmäßig regelmäßig recht regelmäßig recht regelmäßig
Höhe der Investitionen in fl. 94 – 936 0 – 742 23 – 194 0 – 442 0 – 52
Anteil am Wert der Warenlieferung 11 – 87% 0 – 79% 5 – 18% 0 – 53% 0 – 6%
regelmäßig regelmäßig sporadisch
100 55 – 429 675 – 3000
3% 7 – 36%
Tabelle 2: Kulturmanagement Bergeret an Harrach, Produktübersicht, 1678–1699.
Im Mittelpunkt von Bergerets Kulturmanagement stand eindeutig die französische Mode, die am besten das französische Repräsentationsideal verkörperte und einfach zu transferieren war. Die französische Mode wurde in Wien, wie das Kap. 5 zeigte, regelmäßig konsumiert und zwar sowohl in Form von Halbfertigprodukten wie Stoffen, Bändern, Galonen als auch in Form von Fertigprodukten wie Strümpfen, Hüten und Handschuhen. Fertig zusammengestellte Garnituren, genannt habit, bestehend etwa aus Mantel, Justaucorps, Wams, Hemd, Hosen, Strümpfen, Hut und Handschuhen waren sehr häufig. Die Garnituren wurden meist aufwendig bestickt und waren daher sehr teuer. Bergeret ließ diese stets nach der neuesten Mode in Paris anfertigen und schickte sie in Ballen nach Wien. Darunter fanden sich natürlich auch Frauenkleider und die Livrée für die Dienerschaft. Modeartikel machten innerhalb der Abrechnungen bis zu 87% des Warenwerts aus. Die Mode dominierte unter den Korrespondenzthemen und stellte auch die wichtigste Ausfuhrware Frankreichs dar. Ein zweiter wichtiger Posten in den Abrechnungen nach dem Warenwert bestand in Kosmetika, Frisurteilen und Perücken, die in direktem Zusammenhang mit den Modeimporten standen. Dieser Posten konnte bis zu 53% des Rechnungsbetrags ausmachen, wobei die Perücken mit durchschnittlich 50 fl. mit Abstand die teuersten Rechnungsposten waren, Puder und Wässerchen kosteten einige wenige Gulden. Regelmäßig schickte Bergeret die wichtigsten französischen Journale nach Wien, nämlich das Journal des Sçavans und den Mercure Galant. Dies schlug sich jedoch nicht immer in den Abrechnungen an Harrach nieder, da sie großteils zusammen mit Büchern mit der Post über Brüssel verschickt wurden und daher in den Abrechnungen des Brüsseler Korrespondenten Joseph de Chaumont aufscheinen.137 Das Journal des Sçavans und der Mercure Galant waren zwei von drei französischen Periodika des 17. Jahrhunderts, die mit königlichem Privileg veröffentlicht wurden. Das Journal des Sçavans publizierte seit 1664 Beiträge zu Kunst, Wissenschaft, Recht und Religion und ist damit das älteste wissenschaftliche Periodikum. Es richtete sich mit seiner inhaltlichen und thematischen Breite, 137 ÖStA, AVA, Harrach 223, Korrespondenz Joseph de Chaumont, Brief vom 27. Juni 1680.
7.2 Informations-, Wissens- und Kulturmanagement
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dem Verzicht auf die Wissenschaftssprache Latein und seiner Offenheit für internationale Beiträge sowohl an namhafte Wissenschaftler aus aller Welt als auch an Gelehrte, Laien, Sammler und Interessierte, so auch an Adelige wie Ferdinand Bonaventura von Harrach. Es fanden sich darin mathematische Abhandlungen ebenso wie Rezensionen, Nachrufe und Kuriositäten, die über Index und Verzeichnisse leserfreundlich präsentiert wurden.138 Der Mercure Galant hingegen verstand sich eher als Sprachrohr französischer Kultur und Lebensart, dokumentierte aber ebenso politische und gesellschaftliche Ereignisse. Herausgegeben von Jean Donneau de Visé, der von Ludwig XIV. dafür jährlich mit mehreren Tausend livres Gratifikationen bedacht wurde,139 lehnte sich diese Zeitschrift an die Briefkultur französischer adeliger Damen an, indem sie in Form eines Briefwechsels zwischen zwei Frauen formuliert war, die sich über gesellschaftliche Neuigkeiten austauschten. Der Mercure Galant fand Leser in aller Welt und darf als gezielt eingesetztes Medium zur Verbreitung des französischen Kulturmodells in Europa nicht unterschätzt werden. Er stand unter den propagandistischen Medien zur kulturellen Überlegenheit des ludovizischen Frankreichs an erster Stelle neben Reiseführern, Literatur, Kupferstichen und den in alle Welt verschickten Modepuppen.140 Der Mercure Galant präsentierte die gesamte Bandbreite französischer Repräsentation und Galanterie anhand realer Beispiele. Im Inhaltsverzeichnis finden sich Titel wie Feste galante de Xaintonge, Entrée de M. Amelot Ambassadeur de France à Venise, Carrousel, feu d'artifice, et autres Festes, Lettre galante en Prose et en Vers und vor allem Modes nouvelles.141 Neben Fürstenlob, Fabeln, der propagandistisch gefärbten Schilderung von Kriegsereignissen und Nachrufen zieht sich eine inhaltliche Konstante durch alle Ausgaben der Zeitschrift, nämlich die Vermittlung des französischen Modeideals. Keine Berichterstattung von Festen oder Botschaftereinzügen kam ohne die genaue Beschreibung der Kleider, der Speisen und Karossen aus. Anlässlich der Geburt des ersten Enkels Ludwigs XIV. beschrieb der Mercure Galant zahlreiche Festivitäten, die zu Ehren des Kindes statt fanden, die Beschreibung der Mode, die zu diesen Anlässen getragen wurde, ist länger als der Tatsachenbericht: „Leur Carrousel estoit divisé en cinq Quadrilles. Celles des François marchoit la premiere, ayant leur Chef à leur teste, vêtu de Satin bleu, semé de Fleurs de Lys en broderie d'or et d'argent, avec une Veste de Moëre d'argent rebrodée d'or, & un grand Bouquet de plumes blanches & bleuës qui ombrageoient son Chapea. Le harnois de son Cheval, estoit tout couvert de Diamans, & garny d'une infinité de Rubans des mesmes couleurs. Ce Chef dont la 138 Vgl. Georgette STEFANI-MAYER: Die Auswirkungen der Periodizität auf das publizistische Profil des Journal des Savants. In: Siegfried Jüttner (Hg.): Die Konstituierung eines Kulturund Kommunikationsraumes Europa im Wandel der Medienlandschaft des 18. Jahrhunderts. Frankfurt am Main/Berlin/Bern [u.a.] 2008, S. 187–192. 139 Vgl. Jürgen GRIMM: Französische Klassik. Stuttgart/Weimar 2005, S. 138. 140 Vgl. Ellen R. WELCH: Cultural Capital: Paris, Cosmopolitanism, and the Novel in Jean de Préchac's L'Illustre Parisienne. In: Journal of Early Modern Cultural Studies 9/2 (2009), S. 2. KLEINERT: Modejournale 1980, S. 137. 141 Mercure Galant. Oktober 1682/1.
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7 Alexandre Bergeret: Dimensionen eines Vermittlers Devise estoit un Soleil, qui par sa naissance obscurcit les autres Astres, ut orior deficiunt, avoir devant lui le Maréchal de Camp general avec un Habit en broderie d'or & d'argent, sur un fond rouge cramoisy, portant [...]“142
Ähnlich wie in Bergerets Korrespondenz wurde der Leser in dieser Zeitschrift permanent mit Informationen zu Modeschnitten, Stoffen, Applikationen, Hutformen und anderen Luxusartikeln überhäuft. Meist schloss der Mercure Galant mit einem extra Artikel über die letzten Modeänderungen in Paris, „Je finis par l'Article que vous m'avez particulierement recomandé de la part de vos Amies. C'est celuy des Modes [...]“143 und veranschaulichte diese auch über die Publikation von Modestichen. Im Jänner 1678 fanden sich darunter genau jene Modestiche, die Prinz Eugen ebenfalls in seine Sammlung französischer Stiche aufnahm (vgl. Abb. 7).144 Auch Ferdinand Bonaventura von Harrach ließ sich von Bergeret zusätzlich zum Mercure Galant kolorierte Modezeichnungen schicken.145 Zusammen mit den Modepuppen, die er bereits 1669 aus Paris mitbrachte, scheint er der Kulturpolitik Ludwigs XIV. erlegen zu sein, vor allem da er die Journale und Stiche auch tatsächlich intensiv rezipierte. Das Leseverhalten von Menschen in der Frühen Neuzeit ist oft schwer zu beurteilen. Es muss davon ausgegangen werden, dass selektives Lesen auch im 17. Jahrhundert eine Strategie war, mit dem Überangebot an Informationen und gedruckten Medien umzugehen.146 Ferdinand Bonaventura von Harrach las die französischen Zeitungen jedoch mit Sicherheit regelmäßig. Seine Frau schickte ihm diese nach Spanien nach: „ich hab Mich ein Weill bedaht ob ih ihm die abgeschmahen franzesischen Zeitung sickhen soll, doh weiß ih das ers gerne lesen duet.“147 Wenn ein Exemplar auf dem Postweg verloren ging, wie dies während des Spanischen Erbfolgekriegs der Fall war, musste Bergeret diese Exemplare nachreichen.148 Die Mode als kulturelle Ausdrucksform von Distinktion einer sich paneuropäisch konstituierenden und am französischen Vorbild ausrichtenden Adelsgesellschaft darf keinesfalls bagatellisiert werden. Das Medium der Vermittlung und die Vermittler selbst waren dabei existentiell für das sich entwickelnde Selbstverständnis des europäischen Adels und seiner Kultur. Diese Flut an medialer Präsenz des Themas Mode und seiner distinktiven Semantik in der Frühen Neuzeit hat unter Berücksichtigung eines subjektiv wahrgenommenen Überangebots an Informationen Ähnlichkeiten mit der im 20. Jahrhundert vermehrt empfundenen Durchdringung und Beeinflussung der Gesellschaft durch Medien. Der Ausspruch „the medium ist the massage“149 konnte insofern auch auf mediale Erfahrungen der Frühen Neuzeit zutreffen. Neben den Journalen fanden auch Karten, einige wenige Stiche und Bücher recht regelmäßig ihren Weg nach Wien. Die Bücherkäufe Harrachs werden etwas 142 143 144 145 146 147 148 149
Mercure Galant. Oktober 1682. Teil 2, S. 26. Mercure Galant. Dezember 1678, S. 314. Vgl. CROWSTON: Women 2001, S. 37–39. ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 12. April 1694. Vgl. BLAIR: Strategies. In: Journal of the History of Ideas 64/1 (2003), S. 11–28. ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel Johanna Theresia, vom 23. Juli 1665. ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 12. Sept. 1702. Marshall MCLUHAN/Quentin FIORE: The Medium is the Massage. Corte Madera 2001, S. 26.
7.2 Informations-, Wissens- und Kulturmanagement
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später in diesem Kapitel genauer behandelt. Acht geographische Karten ließ Harrach in Paris 1693 über Bergeret ankaufen. Frankreich war im 17. Jahrhundert nach der Gründung der Pariser Sternwarte 1666 auf Anregung von Colbert zu einem Zentrum der Kartographie avanciert. Nach niederländischen Vorarbeiten von Willebrord van Roijen Snell zur Triangulation, der Vermessung der relativen Lage von Punkten auf der Erdoberfläche, arbeiteten Jean Picard und Giovanni Domenico Cassini an der Meridianvermessung in Paris und sollten das ehrgeizige Projekt Colberts einer Vermessung und Kartierung ganz Frankreichs bewerkstelligen. Picard arbeitete ab 1668 an der Geländevermessung mit Hilfe von Fluchtstangen, Quadranten und von ihm selbst verbesserten Pendeluhren. Zusammen mit Cassini legte er bis 1683 eine grundlegende Überarbeitung der Küsten und Grenzen Frankreichs in Karten vor, die belegten, dass Frankreich etwa 20% kleiner war als angenommen. Dieser Umstand riss Ludwig XIV. zur Folgerung hin, er habe mehr Land an seine teuer bezahlten Kartographen verloren als an seine Feinde. Die Karte wurde erst 1693 mit königlichem Privileg veröffentlicht.150 Die acht geographischen Karten, die Bergeret nach Wien schickte, wurden in diesem Jahr angekauft151 und scheinen in direktem Zusammenhang zur Frankreichkarte von Picard zu stehen, zumindest orientierte sich Harrachs Karteninteresse am Fortschritt der französischen Kartographie, die an Präzision damals nicht zu überbieten war. Die Kartographie fand in Form von Kartenbüchern ihre Verwendung am Bücher- und Kuriositätenmarkt von Paris, 1701 schickte Bergeret solch ein Buch mit Karten über Spanien nach Wien,152 1702 folgten ein weiteres Kartenbuch und Karten von Cremona.153 In diesem Zusammenhang ist auch der Ankauf eines Triquetrums 1698 aus Paris zu sehen.154 Dieses Instrument, auch Dreistab genannt, diente der Berechnung von Winkeln in der Astronomie. Mit dem Triquetrum konnte genauer gemessen werden als mit dem Astrolabium, das sich Sigmund Friedrich von Khevenhüller beispielsweise während seines Paris-Aufenthaltes 1688 anschaffte.155 Das Triquetrum war zwar schon seit Ptolemäus bekannt, aber dass Harrach dieses Instrument ankaufte, kann nur an den Arbeiten Picards und Cassinis zur Verbesserung der astronomischen Vermessungsgeräte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und ihrer Vermittlung liegen. Cassini veröffentlichte mehrere Male im Journal des Sçavans Forschungsberichte, das Harrach regelmäßig ab 1669 über Bergeret bezog. 1676, 1677 und 1681 publizierte Cassini Beiträge zur Messung der Sonnenfinsternis und zur Observation von Sonnenflecken und Ko-
150 Vgl. Paul MURDIN: Die Kartenmacher. Der Wettstreit um die Vermessung der Welt. Mannheim 2010, S. 30–78. 151 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 12. April 1694. 152 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 21. Nov. 1701. 153 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 21. März 1702 und vom 22. Mai 1702. 154 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 26. Jän. 1699. 155 ÖStA, HHStA, Khevenhüller 24, 1686–1689. Khevenhüller Graf Sigmund Friedrich 1–5, 3, Rechnungsausweise, unfoliert.
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7 Alexandre Bergeret: Dimensionen eines Vermittlers
meten.156 1686 unterstrich er in einem längeren Artikel über seine Entdeckung zweier neuer Satelliten des Saturns die Wichtigkeit intensiver Messungen in der Astronomie und die Rolle der verbesserten Messgeräte und Methoden zur Längenvermessung für die Geographie und die Navigation der letzten Jahre, die vor allem im Pariser Observatorium stattgefunden habe.157 Damit meinte Cassini die Weiterentwicklung der von Tycho Brahe in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts verwendeten Instrumente wie dem Sextanten, Quadranten und Triquetrum. Durch größere Dimensionen und die Verbesserung der Feinmechanik in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts durch Wissenschaftler wie Picard oder Cassini wurde die Messgenauigkeit der Instrumente deutlich verbessert.158 Besonders beim Import des Triquetrums von Paris nach Wien ist mehr als nur adeliges Interesse an Kuriosem zu vermuten, sondern tatsächlicher Wissenstransfer, der sich nur über die Rezeption wissenschaftlicher Journale wie dem Journal des Sçavans erschloss. Jede Abrechnung Bergerets beinhaltete auch Posten, die schwer zu subsumieren sind, darunter das, was im 17. Jahrhundert als Kuriositäten und Exotika bezeichnet wurde, allerdings in geringen Stückzahlen (vgl. Tab. 2). Der Wert dieser Warengruppe konnte zwar bis zu 36% des Rechnungsbetrags ausmachen, was aber weniger von der Menge als vom Wert der Produkte abhing. Darunter besonders hervorzuheben sind Schablonen und Mustervorlagen für Tapisserien und Tapisseriezeichnungen,159 welche die intensive Rezeption der französischen Gobelins in Wien belegen, die sich auch in der Anwerbung französischer Tapissiers unter den Hofhandwerkern unter Leopold I. zeigte (vgl. Kap. 4.2). Erwähnenswert sind auch Architekturzeichnungen von Pierre Cottard, die Harrach 1698 in Paris in Auftrag gab, die in Wien aber niemals zur Anwendung kamen.160 Daneben finden sich mehrere Uhren im Wert von 55–110 fl. und Säbel, aber auch Einrichtungsgegenstände wie Kaminschirme, ein nicht näher definiertes Tafelservice, Ölkaraffen und eine Tabatière aus Schildpatt, sowie Spielkarten und Jetons aus Silber und Elfenbein, Zwergbäume für den Gärtner Harrachs und sogar zwei kleine Hunde.161 Exotika aus Übersee sind in den Abrechnungen stark unterrepräsentiert, die damals weit verbreiteten Schreibtische aus Tropenholz beispielsweise fehlen gänzlich. Die in der Tabelle aufgeführten Repräsentationswagen fanden in den regelmäßigen Abrechnungen keinen Niederschlag, da sie nur sporadisch an156 Le Journal des Sçavans 1676/XVIII, S. 209. Le Journal des Sçavans 1677/I, S. 8–12. Le Journal des Sçavans 1681/I, S. 11–12. Le Journal des Sçavans 1681/XIII, S. 145–152. 157 Le Journal des Sçavans 1686/IX, S. 99–100. 158 Vgl. Gudrun WOLFSCHMIDT: Tycho Brahes Instrumente. Historische Wurzeln, Innovation und Nachwirkung. In: Johann Anselm Steiger/Sandra Richter/Marc Föcking (Hg.): Innovation durch Wissenstransfer in der Frühen Neuzeit. Kultur- und geistesgeschichtliche Studien zu Austauschprozessen in Mitteleuropa. Amsterdam/New York 2010, S. 256–263. 159 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 26. Jän. und 19. April 1699. 160 Vgl. RIZZI: Projekt. In: Wiener JB für Kunstgeschichte 34 (1981), S. 180–182. 161 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 12. April 1694, vom 28. April 1679, vom 26. Jän. und 19. April 1699.
7.2 Informations-, Wissens- und Kulturmanagement
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gekauft und außertourlich abgerechnet wurden. Karossen und Wagen stellten einen wesentlichen Bestandteil des Repräsentationsmodells Frankreichs dar und waren sowohl in Versailles als auch in Wien im Zeremoniell fest verankert. Eine besondere Rolle spielten sie bei feierlichen Einzügen von Botschaftern und dienten dabei auch der Visualisierung des fürstlichen Ranges, den der Botschafter und sein mehr oder weniger luxuriös gestalteter Wagenzug repräsentierten.162 Ihr Wert lag je nach Ausführung und ob gebraucht oder neu zwischen 700 und 3.000 fl., konnte aber auch wesentlich höher ausfallen. Das Warensortiment, das Bergeret nach Wien vermittelte, zeigt nachhaltig, in welcher Bandbreite das französische Repräsentationsmodell in Wien rezipiert wurde. Wesentlichen Anteil an der Vermittlung neben der Arbeit und Korrespondenz Bergerets hatten in zunehmendem Maße Druckwerke, wie dies die tragende Rolle des Mercure Galant und des Journal des Sçavans in den Bereichen Wissenschaft und Mode zeigte. Bergeret versandte damit weitere Vermittlungsmedien nach Wien. Dies traf auch in hohem Maße auf Bücher und Literatur zu. Bücher aus Paris kamen in größtenteils regelmäßigen Abständen in Wien an. Diese Vermittlungstätigkeit übte Bergeret über Harrach auch für Kaiser Leopold I. aus, dem er sogar die 13.000-bändige Bibliotheca Thuana, eine der größten Gelehrtenbibliotheken Frankreichs des 17. Jahrhunderts, zum Kauf anbot. Ihr Marktwert lag 1680 bei etwa 10.000 fl., das Geschäft kam aber nicht zustande.163 Es ist unbestritten, dass die Erfindung des Buchdrucks das Speichern, die Vermittlung und das Abrufen von Wissen und Information in der Frühen Neuzeit grundlegend veränderte. Das Medium Buch eröffnete als externer Wissensspeicher und Wissensvermittler ungeahnte Möglichkeiten kulturellen Ausdrucks und wissenschaftlicher Überprüfbarkeit, die über Raum und Zeit hinweg rezipierbar waren.164 Welches Potential das Medium Buch für den Wissenstransfer der Frühen Neuzeit barg, ist an der Entwicklung Englands im 16. Jahrhundert abzulesen, das das Ende seiner Isolation von der europäischen Entwicklung der erfolgreichen Verbreitung des Buchdrucks und in Büchern vermittelten Innovationen verdankte.165 Gerade Städte mit funktionierendem Verlagswesen und großen, öffentlich zugänglichen Bibliotheken waren Orte, wo Wissen rezipiert und Wissenschaft originär betrieben wurde. Paris übertraf in dieser Hinsicht sogar Rom mit fünf großen institutionellen und öffentlichen Bibliotheken: die Bibliothek Saint-Victor, die Universitätsbibliothek, die Jesuitenbibliothek Clermont (später umbenannt in Bibliothèque Louis-le-Grand), die Bibliothek Kardinal Mazarins und die Biblio162 Vgl. PEČAR: Ökonomie 2003, S. 208–217, 223–224 und 228. 163 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 1. Jän. 1679 und vom 28. April 1680. 164 Vgl. Ute SCHNEIDER: Das Buch als Wissensvermittler in der Frühen Neuzeit. In: Burkhardt/Werkstetter (Hg.): Kommunikation 2005, S. 63–78. Michael GIESECKE: Der Buchdruck in der frühen Neuzeit. Eine historische Fallstudie über die Durchsetzung neuer Informationsund Kommunikationsmedien. Frankfurt 1994. 165 Vgl. Anja HILL-ZENK/Felix SPRANG: Kontinentaleuropäisch-englischer Wissenstransfer und das gedruckte Buch in der englischen Renaissance. In: Steiger/Richter/Föcking (Hg.): Innovation durch 2010, S. 209–248.
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7 Alexandre Bergeret: Dimensionen eines Vermittlers
thèque Royale. Hinzu kamen zahlreiche große private Bestände, die einem ausgesuchten Publikum zugänglich waren, wie die besagte Bibliotheca Thuana. Gabriel Naudé begründete mit seinen Avis pour dresser une bibliothèque (1627) die Bibliothekswissenschaft und formulierte erste Überlegungen zur Systematisierung von Bibliotheksbeständen.166 Durch Colberts strikte Regelungen gegen Raubkopien und Pamphlete verlor Paris zwar wesentliche Anteile am internationalen Buchmarkt.167 Französisch avancierte aber in dieser Zeit zur lingua franca und Paris hatte vor allem auf dem literarischen Sektor nach wie vor einiges zu bieten. Abgesehen davon galt die französische Buchbindekunst als europaweit führend.168 Bücher und Bibliotheken waren für den Adel des 17. Jahrhunderts eine ambivalente Investition. Die veränderten Strukturen in der ständischen Gesellschaft nach dem 30-jährigen Krieg veranlassten den Adel, seine Bildungsgrundlagen zu verbreitern. Als treibende Kraft in Militär, Verwaltung und Kirche war der Adel auf profunde Kenntnisse in den Bereichen Recht, Theologie, Geschichte, Geographie und Naturwissenschaften angewiesen. Vermehrt flossen wissenschaftliche Erkenntnisse in Administration, Militär und Fortifikation ein. Bibliotheken verkörperten im 17. Jahrhundert aber immer auch adeliges Repräsentationsbedürfnis. Sie waren Arbeitsinstrument und Statussymbol zugleich.169 Das Kuriose und das Neue an Büchern war für das Verständnis des Kulturmanagements Bergerets nicht unwesentlich. Die Beschreibung curieux und/oder nouveau zieht sich als Konstante zur Beschreibung und Anpreisung von Büchern durch Bergerets Korrespondenz.170 Aus dem Bedürfnis nach Außergewöhnlichem schickte Bergeret Bücher nach eigenem Gutdünken an Harrach nach Wien. Im Normalfall jedoch bestellte Harrach Bücher nach seinen Interessen, nachdem er sich von Bergeret mit Hilfe von Bibliographien Informationen über die Neuerscheinungen in Paris eingeholt hatte.171 Der Informationsgehalt einer Bibliographie gestaltete sich unterschiedlich, neben bibliographischen Angaben wurden eher selten Inhaltsverzeichnisse zur Verfügung gestellt. Inhaltlich bunt gemischt fanden sich Discours chretiens sur les Evangiles de tous les Dimanches de l'année neben L'art des Armes Navales von Paul Hoste.172 Es stellt sich nun die Frage, welche Art von Büchern tatsächlich über Bergeret nach Wien transferiert wurden, das heißt auch, welche Inhalte und welches Wis166 Vgl. BURKE: Papier 2000, S. 81, 86 und 127. 167 Vgl. Lucien FEBVRE/Henri-Jean MARTIN: The Coming of the Book. The impact of printing 1450–1800. Reprint. London/New York 1997, S. 196–197. 168 Vgl. Otto MAZAL: Einbandkunde. Die Geschichte des Bucheinbandes. Wiesbaden 1997, S. 239–246. 169 Vgl. Uwe JOCHUM: Am Ende der Sammlung. Bibliotheken im frühmodernen Staat. In: Richard van Dülmen/Sina Rauschenbach (Hg.): Macht des Wissens. Die Entstehung der modernen Wissenschaft. Köln/Weimar/Wien 2004, S. 273–294. 170 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 25. Feb. 1671 und 24. Aug. 1673. ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 21. Nov. 1701, 3. Feb. 1702 und 21. März 1702. 171 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 1. Juli 1677. 172 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 6. April 1698.
7.2 Informations-, Wissens- und Kulturmanagement
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sen dadurch vermittelt wurden und wie repräsentativ die Auswertung dieser Buchtitel ist. Prinzipiell ist das Leseverhalten Harrachs auch im Bezug auf die in Paris bestellten Bücher schwierig zu verifizieren. Es muss bezweifelt werden, dass Adelige den Großteil ihrer Bibliotheken wirklich gelesen haben, die Menge an Büchern und Zeitschriften, die in frühneuzeitlichen Sammlungen lagen, konnten real nicht bewältigt werden. Selbst vom äußerst bibliophilen Prinz Eugen ist belegt, dass er viele seiner Bücher oft nur durchblätterte.173 Selektives Lesen oder punktuelles Nachschlagen waren auch im 17. Jahrhundert als Strategien zur Bewältigung enormer Druckwerke verbreitet. Im Bereich der Literatur, bei Romanen oder Geschichten hingegen war vertieftes Lesen notwendig.174 Da Harrach den Großteil seiner Bücher aus Paris selbst auswählte und sich darunter ein hoher Prozentsatz an belles lettres befand, ist sehr wohl davon auszugehen, dass er sie auch rezipierte, selbst wenn sich darunter auch einige Prestigewerke befunden haben. Im Fall der Buchkäufe und dem daraus resultierenden Wissenstransfer darf davon ausgegangen werden, dass die qualitative Analyse der Buchkäufe Harrachs auch allgemeine Aussagekraft besitzt, da Bergeret zahlreiche andere Adelige ebenso mit Büchern aus Paris versorgte. Die Auswertung der Buchkäufe, die über Abrechnungen in der Korrespondenz Bergerets dokumentiert sind,175 ergab, dass sich Harrachs Buchinteresse in Paris eindeutig auf literarische Werke und den Themenbereich Geschichte und Geographie konzentrierten. Rechtswissenschaftliche Werke und Exotika fehlten gänzlich, Theologie und Philosophie waren mit jeweils einem Titel äußerst unterrepräsentiert und auch Medizin, Mathematik und Naturwissenschaften lagen mit insgesamt vier Büchern nicht im Zentrum des Interesses. Etwa 50% von Harrachs Buchkäufen betrafen die belles lettres und 38% die Geschichte, wobei hier geisteswissenschaftliche, pädagogisch-praktische und politische Werke subsumiert wurden, da diese Bereiche schwer zu trennen sind. Der Hang zu mehr literarischen und geisteswissenschaftlichen Werken in Privatbibliotheken setzte sich im 18. Jahrhundert als Trend fort. Die Analyse der Privatbibliotheken von Herzog Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg und seiner Frau Luise Dorothea Mitte des 18. Jahrhunderts beispielsweise zeigen den gleichen Hang zu zeitgenössischer Literatur.176 Auch die Verlagerung des Buchinteresses von theologischen und ju173 Vgl. Johann Christoph ALLMAYER-BECK: Wer war Prinz Eugen? In: Gutkas (Hg.): Prinz Eugen 1985, S. 19–20. 174 Vgl. BLAIR: Strategies. In: Journal of the History of Ideas 64/1 (2003), S. 13. 175 Alle in der Folge zitierten Buchtitel sind folgenden Abrechnungen entnommen: ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 28. April 1679, vom 12. April 1694 und vom 19. April 1699. ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 16. April 1703. 176 In Herzog Friedrichs Bibliothek standen 25% theologische, 24% historische, 17% literarische und nur 7,9% juridische Werke, davon 45% auf Französisch. In Herzogin Luises Bibliothek fanden sich über 40% literarische, 32% historische, 14% philosophische und nur 10% theologische Bücher, davon 75% auf Französisch. Vgl. Kathrin PAASCH: Die fürstlichen Privatbibliotheken am Gothaer Hof im 18. Jahrhundert. Die Sammlungen Herzog Friedrichs III. und seiner Gemahlin Luise Dorothea. In: Schneider (Hg.): Kulturen des Wissens 2008, S. 195– 199.
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ridischen Werken hin zur Geisteswissenschaft und Literatur ist letztlich mit dem Kulturmodell Frankreich zu erklären. Unter Harrachs geisteswissenschaftlichen Werken aus Paris finden sich Standardwerke, die mit seiner spanischen Botschaft in Zusammenhang stehen, wie die Histoire de Philippe Auguste von Nicolas Baudot de Juilly, die Histoire de Don Jean d'Autriche fils de l'Empereur Charle-quint von Jean Chrysostome Bruslé de Montpleinchamp, die Histoire du Ministère du Cardinal Ximenes von Jacques Marsollier und die Histoire de Ferdinand-Alvarez de Tolede von Antonio Osorio, außerdem zeithistorische Bücher wie Pierre Dalicourts La campagne royale, ov Le triomphe des armes de Sa Maiesté des années 1667 & 1668 und politische Schriften wie Recueil des traités de paix, de trève, de neutralité, de confédération, d'alliance et de commerce faits par les rois de France von Abraham-Nicolas Amelot de la Houssaie, dem Sekretär des französischen Gesandten in Venedig. Daneben kaufte Harrach jedoch Bücher, die relativ klar das französische Kulturmodell vermittelten, so zum Beispiel die Histoire de l'Académie Françoise von Paul Pellisson und Pierre Joseph d'Olivet. Gleich mehrere Werke vermittelten dezidiert französische Verhaltensregeln: Die Réflexions sur les défauts d'autruy von Pierre de Villiers waren eine populäre Anleitung zu gutem und schlechtem Schreiben, zu Esprit und Weltgewandtheit. Ähnlich pädagogisch gehalten war das 1699 anonym erschienene L'Honneste homme et le scelerat. Nicolas Rémond des Cours Buch La véritable politique des personnes de qualité vermittelte französisches höfisches Leben, Erziehung, Gesellschaft, Konsum und Luxus und prinzipiell die Ideale der curiosité und der honneteté. Ähnliche Inhalte behandelte auch Du bon, et du mauvais usage des französischen Diplomaten François de Callières. Bei all diesen Werken darf nicht vergessen werden, dass Ludwig XIV., ebenso wie andere Herrscher der Frühen Neuzeit, Autoren als offizielle Historiker oder Ratgeber für ihre Arbeiten als Schriftsteller entlohnte.177 Die in diesen Büchern beschriebenen Verhaltensregeln entsprechen genau jenen, die einem jungen Adeligen auf Kavalierstour in den französischen Ritterakademien angelernt wurden und die sie bei ihrer ersten Audienz in Versailles zu beherrschen hatten (vgl. Kap. 2.1). Auch hier zeigt sich schließlich die Tendenz zu einer von Frankreich geleiteten paneuropäischen Adelskultur. Harrachs Kultur- und Literaturrezeption im Bereich der belles lettres steht in klarem Gegensatz zur „regimekonformen“ Rezeption der französischen historischen Werke. Hier zeigt sich nun eine erste Ambivalenz in der Frankreichrezeption. Bisher schien es, als würde er das ludovizische Kulturmodell unhinterfragt konsumieren und über weite Züge der propagandistischen Vermarktung von Mode, Luxus und Galanterie verfallen. Anhand der Titel der rezipierten literarischen Werke hingegen wird klar, dass eine große Bandbreite an Autoren und Gattungen nach Wien kam, dass diese Bandbreite ein Abbild der Diversität und der kunsttheoretischen Gräben der französischen Literaturproduktion in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war und dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der nach Wien transferierten AutorInnen für eine kritische Sicht auf das grand siècle Lud177 Vgl. BURKE: Papier 2001, S. 39.
7.2 Informations-, Wissens- und Kulturmanagement
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wigs XIV. standen. Das literarische 17. Jahrhundert Frankreichs wird heute als „Französische Klassik“ bezeichnet und gilt gemeinhin als Höhepunkt der französischen Literatur, nicht zuletzt aufgrund von klingenden Autoren wie Molière, Racine, Corneille und La Fontaine. Die großen Namen finden sich in den Abrechnungen Bergerets allerdings äußerst unterrepräsentiert. Harrach bestellte ein Buch von La Fontaine, die bekannten Fabeln, und einen Sammelband mit Werken Molières. Die querelle des anciens et des modernes dominierte in Frankreich die Kunst der zweiten Jahrhunderthälfte, so auch die Literatur. Dabei ging es um die Frage, wie das Zeitalter Ludwigs XIV. und seine Kunst zu bewerten sei. Die modernes priesen Ludwigs Regierungszeit als unüberbietbaren zivilisatorischen Höhepunkt und „Goldenes Zeitalter“. Dies zeige sich vor allem am Fortschritt in den naturwissenschaftlichen und technischen Wissenschaften und an einem erhöhten Regelwerk und ihrer geschickten Befolgung innerhalb der Kunst. Den anciens wurde Traditionsgläubigkeit und das Festhalten an antiken Vorbildern, die es zu überwinden gelte, vorgeworfen. Zu den modernes zählten vor allem Schriftsteller wie Perrault, Benserade, Quinault oder La Motte sowie ein Großteil der in den Pariser Salons tätigen Schriftstellerinnen und als journalistisches Sprachrohr der Mercure Galant. Um die Jahrhundertmitte hatte es bereits Versuche gegeben, statt antiken Stoffen solche aus der Bibel und der nationalen Geschichtsschreibung literarisch zu verarbeiten, vor allem von Georges de Scudéry und Jean Chapelain.178 Abgesehen vom Mercure Galant, gelangte jedoch keiner dieser Autoren nach Wien. Aus dem Kreis der den modernes nahestehenden AutorInnen sind die Entretiens de morale von Madeleine de Scudéry zu erwähnen und einige wenige der Gattung galanter Roman zuzuordnende Werke, nämlich L'Ambitieuse Grenadine von Jean de Préchac und die beiden anonymen Romane Les Soeurs Rivales und La belle Holandoise. Diese drei Romane gehörten dem Genre der nouvelles oder histoires an, einer Romangattung, die das Erlernen galanter und höfischer Umgangsformen thematisierte und sich an ein bürgerliches Publikum in Frankreich oder an adelige Leser im Ausland richtete. Im Mittelpunkt stand meist eine Liebesgeschichte, deren Protagonisten im Verlauf der Handlung zahlreiche galante Abenteuer überstehen mussten und dabei vollendetes höfisches Verhalten lernten. Diese Romane transportierten eine Fülle an anschaulichen Beispielen, wie galantes höfisches Verhalten auszusehen hatte, es reichte von der Beschreibung der richtigen Kleidung und Luxusartikel, über höfische Formen des Grüßens, Sprechens und Komplimentierens hin zum Umgang mit dem anderen Geschlecht. Darüber hinaus vermittelten diese Texte permanent positive Bilder von Paris und seiner Infrastruktur. Ziel war es, die Attribute galant und höfisch mit „französisch“ gleichzusetzen und dies als Programm dem aufstrebenden Bürgertum und dem Ausland zu vermitteln.179 Diesen Beispielen für die positive Rezeption des französischen Kulturmodells stand in Wien aber eine Vielzahl an Werken klassischer, kritischer und sogar jan178 Vgl. GRIMM: Klassik 2005, S. 176–181. 179 Vgl. WELCH: Capital. In: Journal for Early Modern Cultural Studies 9/2 (2009), S. 1–24.
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senistischer AutorInnen gegenüber. Mit La Fontaines Fabeln und Les caracteres de Theophraste von Jean de La Bruyère rezipierte Harrach zwei der wichtigsten Vertreter der anciens. Dieser Kreis wandte sich verstärkt antiken Vorbildern zu und thematisierte vor allem republikanische Tugenden der Einfachheit und Nüchternheit und die antike Polis ganz im Gegensatz zur Galanterie, zu den Intrigen und zum Luxus des vorherrschenden Machtsystems. In La Bruyères Theophraste kommt die Systemkritik besonders eindringlich zum Ausdruck. Er entwarf ein kritisch-satirisches Porträt der französischen Gesellschaft der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Ähnlich einer soziologischen Studie enthüllte er darin systemimmanente Missstände. Er prangerte das Missverhältnis zwischen persönlichem Verdienst und sozialem Erfolg an, kritisierte die Steuerpächter, Spekulanten – und damit auch Bergerets Umfeld –, das aufsteigende Bürgertum und ihre Bereicherungen, den Luxus des Hofes, des Feudaladels und Klerus und sogar die ruinöse Kriegspolitik Ludwigs XIV. La Bruyères Theophraste wurde 1688 zum ersten Mal publiziert, ein Bestseller und bis 1696 in acht Auflagen vom Autor erweitert.180 Harrach kaufte 1693 in achter Auflage eine Ausgabe aus Lyon.181 La Fontaines Fabeln liefern ebenso einen skeptischen Blick auf die menschliche Natur und die französische Gesellschaft. Er thematisierte mittels charakterlicher Oppositionen aus der Tierwelt Spannungen, Rivalitäten und Aggressionen innerhalb der französischen Gesellschaft. Herdentrieb, Intrigen und Verstellung werden bei ihm beispielhaft erfahrbar.182 Das Intrigenspiel der französischen Gesandten hatten Ferdinand Bonaventura von Harrach wie auch später sein Sohn Aloys Thomas Raimund am Madrider Hof selbst leidvoll und ohnmächtig in Bezug auf die Spanische Erbfolge erfahren.183 La Bruyères Theophraste gehört mit seiner anthropologischen Analyse zum Schrifttum der französischen Moralistik, ebenso wie die Reflexions, ou Sentences morales von François La Rochefoucauld, die sich Harrach 1693 nach Wien schicken ließ. Die moralistische Literatur beschäftigte sich grundlegend mit der Frage nach dem Wesen des Menschen und in Frankreich im Speziellen mit den Zwängen, die die höfische Gesellschaft auf den Einzelnen ausübte. La Rochefoucauld betrieb in seinem Werk ähnlich wie La Bruyère Entlarvungspsychologie, indem er den Egoismus als Triebfeder für menschliches Handeln erkannte und auf das geheuchelte höfisch-galante Verhalten hinwies. „Les vertus ne sont le plus souvent que des vices déguisés“ lautete seine Botschaft. La Rochefoucauld wurde ebenso wie La Fontaine und Mme de La Fayette vom jansenistischen Geist des Klosters Port-Royal beeinflusst. Die psychologische Analyse der menschlichen Seele der Moralisten geht auf die gegen die jesuitische Beichtpraxis gerichtete Schrift De la fréquente communion von Antoine Arnauld, einem der wichtigsten Jansenisten in Frankreich, zurück. Arnauld erachtete für die Teilnahme am letzten Abendmahl 180 Vgl. GRIMM: Klassik 2005, S. 185–187. 181 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 12. April 1694. 182 Vgl. Hermann LINDNER: Jean de La Fontaine, Fables (1668–1693). In: Renate Baader (Hg.): 17. Jahrhundert. Roman, Fabel, Maxime, Brief. Tübingen 1999, S. 191–194. 183 Vgl. WURZBACH: Biographisches Lexikon. Bd. 7 1861–1862, S. 371 und 373.
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eine Gewissenserforschung und den Willen zur Umkehr als notwendig. Im Umfeld von Port-Royal entstanden auch die Grammaire générale et raisonnée und die Logique ou L'art de bien penser. Beide Werke übten als Lehrwerke starken Einfluss auf das Literaturschaffen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts aus.184 Mit den Oeuvres meslees de Mr. De Saint-Evremont rezipierte Harrach die sich in London formierende französische Exilliteratur. Charles de Saint-Évremond musste 1661 über Holland nach England flüchten, da er Mazarin und den Pyrenäenfrieden heftig kritisiert hatte und daraufhin von der Geheimpolizei gesucht wurde. Als Schüler Gassendis und als Libertin vertrat er eine materialistischatheistische Weltanschauung und sprach sich in seinen Schriften für Religionsfreiheit, die Freiheit von Dogmatismus und Religion und die Vernunft als Autorität aus.185 Gatien de Courtilz de Sandras historischer Roman Mémoires de Mr. d'Artagnan ist das zweite Werk eines Refugianten, das Harrach ankaufte, allerdings politisch weit weniger verfänglich als das von Saint-Évremond.186 Neben Madeleine de Scudéry rezipierte Harrach zwei weitere französische Schriftstellerinnen des 17. Jahrhunderts. Obwohl sich ein Großteil der Autorinnen als Anhänger der modernes deklarierte, vertraten nicht alle eine politisch systemkonforme Haltung. Marie-Catherine d'Aulnoy beispielsweise prangerte in ihren Märchen die Intrigen der höfischen Gesellschaft nicht weniger an wie etwa La Bruyère oder La Fontaine.187 Besondere Erwähnung verdienen Mme d'Aulnoy und Mme de La Fayette, die beide paradigmatisch für die frühe Emanzipationsbewegung der Frauen im Frankreich des 17. Jahrhunderts stehen. Die nach Wien transferierten Werke der beiden Autorinnen sollen abschließend im Zentrum der Betrachtung stehen. Nach Wien gelangten von Mme d'Aulnoy Nouvelles ou memoires historiques. Von Mme de La Fayette ist zwar direkt kein Werk in Wien belegt, allerdings interessierte sich Harrach gleich für zwei Schriften über ihren Roman La Princesse de Clèves, der heute als der wichtigste Roman der französischen Klassik gilt. Es ist daher davon auszugehen, dass er ihren Roman entweder rezipiert hatte oder den Inhalt in seinen Grundzügen kannte. Im 17. Jahrhundert erlangte die seit dem Mittelalter schwelende querelle des femmes, der Streit um die Stellung der Frau in der Gesellschaft, eine neue Wendung. Mit Maria von Medici und Anna von Österreich bestimmten zwei Frauen als Regentinnen viele Jahre hindurch die Staatsangelegenheiten Frankreichs. Während der Fronde agierten zwei weitere Frauen nicht nur politisch an vorderster Front, sondern nahmen auch aktiv an Kampfhandlungen teil, nämlich Anne Marie Louise d'Orléans, die Nichte Ludwigs XIII., und Anne Geneviève de Bourbon-Condé, erstere widersetzte sich zudem jahrelang erfolgreich verschiedensten 184 Vgl. GRIMM: Klassik 2005, S. 73–77, 220–221. Dieter STELAND: La Rochefoucauld, Maximes (1665). In: Baader (Hg.): 17. Jahrhundert 1999, S. 145–168. 185 Vgl. GRIMM: Klassik 2005, S. 82–86, 196 und 199. 186 Vgl. Jan HERMAN: Recueil de Préfaces de Romans du XVIIIe siècle. Bd. 1. Leuven 1999, S. 36. 187 Vgl. GRIMM: Klassik 2005, S. 195.
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7 Alexandre Bergeret: Dimensionen eines Vermittlers
Heiratsplänen des französischen Hofes.188 An Beispielen selbstbestimmter Frauen mangelte es Frankreich nicht. Descartes stellte mit seiner These, dass der Geist allen Menschen gleichmäßig zuteil werde, die philosophische Grundlage für die zunehmend eingeforderte Selbstbestimmung der Frau ab 1660, aus der Poullain de La Barre den Schluss zog „L'esprit n'a point de sexe“. Die Ziele dieser frühen emanzipatorischen Haltung waren eine bessere Bildung für Frauen und Selbstbestimmung im Bezug auf die Wahl ihres Ehemanns bzw. auf Ehelosigkeit als Alternative zum Kloster. Die verstärkte Teilnahme der Frauen am gesellschaftlichen und vor allem künstlerischen Leben betraf in erster Linie den Adel und das aufstrebende Bürgertum und zeigte sich vordergründig in der von den Frauen stark frequentierten, mitgetragenen und mitinitiierten Salonkultur in Paris. Die Salons waren regelmäßige Zusammenkünfte von künstlerisch und intellektuell Interessierten aus Adel und Bürgertum, in denen gespielt, Werke diskutiert, Konversation getrieben und philosophiert wurde wie etwa jener von Madeleine de Scudéry oder von Mme de La Sablière. Sowohl das moralische Schrifttum als auch die großen Schlüsselromane des 17. Jahrhunderts nahmen von den Salons ihren Ausgang.189 Auch Mme d'Aulnoy unterhielt ab 1690 einen Salon, in dem sie ihre ersten Werke schrieb.190 Die Salonkultur und die darin gepflegten Umgangsformen stellten international einen wichtigen gesellschaftlichen Anziehungspunkt dar. Harrach verpflichtete seinen Sohn Aloys Thomas Raimund während seiner Zeit in Paris, regelmäßig die Gesellschaft adeliger Damen aufzusuchen, um die höfischen Formen des Sprechens, Komplimentierens und vor allem den dort gelebten Esprit zu erlernen, der das neue Selbstbewusstsein der Frauen implizierte und demonstrierte: „a faire des visites, pour vous parfectioner dans la langue, et prendre l'air de qualitè, [...] et veux croire que vous frequenteres les conversations des dames, de la premiere qualité.“191 Marie-Madeleine de La Fayette fand über ihren Vater sehr früh Zugang zu den wichtigsten Salons von Paris. Nach der Fronde verkehrte sie vor allem im Kreis der Marquise de Sévigné, die für ihre Briefliteratur bekannt war, und im Salon der Mme de Sablé, wo sie La Rochefoucauld kennen lernte und wo sowohl Jansenisten als auch Jesuiten und Cartesianer über Humoralmedizin, Patriotismus, Krieg und Frieden diskutierten. In Mme de Sablés Salon entwickelte sich auch ein Interesse für die Psychologie der Liebe, die Mme de La Fayettes Romane nachhaltig prägten. 1678 veröffentlichte sie ihren Roman La Princesse de Clèves, der sofort allgemeines Aufsehen erregte.192 In diesem Roman, der in der Zeit um 1560 188 Vgl. Renate BAADER: La Grande Mademoiselle. In: Margarethe Zimmermann/Roswitha Böhm (Hg.): Französische Frauen der Frühen Neuzeit. Darmstadt 1999, S. 201–210. 189 Vgl. GRIMM: Klassik 2005, S. 122–128. Renate BAADER: Mademoiselle de Scudéry. In: Zimmermann/Böhm (Hg.): Frauen 1999, S. 163. 190 Vgl. Roswitha BÖHM: Marie-Catherine d'Aulnoy. In: Zimmermann/Böhm (Hg.): Frauen 1999, S. 228–229. 191 ÖStA, AVA, Harrach 73, Korrespondenz Ferdinand Bonaventura von Harrach, Brief vom 20. Dez. 1687. 192 Mme de La Fayettes Roman La Princesse de Clèves war auch 2007 Gegenstand politischer Auseinandersetzungen und daran anschließender Protestbewegungen gegen die Universitäts-
7.2 Informations-, Wissens- und Kulturmanagement
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am Hof Heinrichs II. spielt, geht es um eine Frau, die von ihrer Mutter an den Prinzen von Clèves verheiratet wird. Auf einem Ball verliebt sich die junge Ehefrau in den Herzog von Nemours, der ihre Zuneigung erwidert. Zwischen Vernunft und Leidenschaft hin und her gerissen, gesteht sie ihrem Ehemann, dass sie einen anderen liebe und erbittet von ihm, sich völlig aus dem gesellschaftlichen Leben zurückziehen zu dürfen. Der Prinz von Clèves willigt ein, stirbt aber bald darauf an gebrochenem Herzen. Obwohl die Prinzessin von Clèves nun für eine Verbindung mit Nemours frei wäre, hält sie am Versprechen ihrem verstorbenen Mann gegenüber fest und wählt den Witwenstand, da sie zu der Überzeugung gelangt ist, dass ihre Liebe zu Nemours nicht mehr als Galanterie sei, die in der Ehe sehr bald erkalten würde. Das Aufsehenerregende an dem Roman aus Sicht der Zeitgenossen lag im sogenannten aveu, dem Geständnis der verbotenen Liebe dem Ehemann gegenüber. Über die Frage, ob eine tugendhafte Frau dieses Liebesgeständnis abgeben darf, selbst wenn es die einzige Möglichkeit sein sollte, das Einverständnis des Mannes zum Rückzug aus der Gesellschaft zu erwirken, entbrannte eine heftige gesellschaftliche Debatte. Der Mercure Galant veröffentlichte von April bis Oktober 1678 Antworten darauf, die großteils den aveu verurteilten.193 Harrach musste daher mit der Materie bestens vertraut gewesen sein. Darüber hinaus rezipierte er die Kritik von Jean-Baptiste-Henri du Trousset de Valincourt Lettres a madame la marquise*** sur le sujet de La princesse de Cleves. Valincourt kritisierte prinzipiell, dass nicht Nemours, sondern Mme de Clèves das Wort führe, dass die Protagonistin es weder schaffe, ihre Zuneigung zu Nemours zu ersticken, noch ihr am Ende nachzugeben. Für Valincourt bleibt Mme de Clèves ein völlig unverständlicher Charakter, eitel und empfindlich zugleich. Harrach interessierte sich aber auch für positive Rezensionen wie die Conversations sur la critique de La princesse de Cleves des Abbé de Charnes. Dieser verteidigte die Protagonistin und ihre Entscheidungen und sprach die eigentliche Schuld der Mutter zu, die ihre Tochter in eine Zwangsverheiratung gedrängt habe.194 Damit partizipierte Harrach an einer der wichtigsten literarischen Debatten Frankreichs während des grand siècle und am emanzipatorischen Diskurs über die Verwerflichkeit von Zwangsehen, in dessen Mittelpunkt erstmals eine Frau als selbständig agierendes Subjekt stand. Mme de Clèves ist emanzipiert, sie realisiert, dass Nemours Leidenschaft für sie in der Ehe nicht halten würde und verzichtet aus Selbstschutz auf eine Verbindung mit ihm. Sowohl das Liebesgeständnis als auch der Eheverzicht rehabilitieren das Selbstwertgefühl und
reform und den Bologna-Prozess in Frankreich, da das Werk auf der Leseliste für den Concours d'Administration Central stand, was von Nicolas Sarkozy als unsinnig kritisiert wurde. Vgl. Nathalie GRANDE: Une Princesse par temps de crise: actualité de Madame de Lafayette. In: Oeuvres & Critiques 35/1 (2010), S. 61–68. 193 Vgl. Renate BAADER: Madame de Lafayette, La Princesse de Clèves (1678). In: Baader (Hg.): 17. Jahrhundert 1999, S. 244–250. 194 Vgl. BAADER: Madame de Lafayette. In: Baader (Hg.): 17. Jahrhundert 1999, S. 254 und 260–261.
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7 Alexandre Bergeret: Dimensionen eines Vermittlers
die Würde der Frau.195 Mit diesem Roman unterzog Mme de La Fayette sowohl die höfische Gesellschaft mit ihrem Hang zu Heuchelei und Galanterie als auch die Praxis der gezielten Verheiratung von Frauen am Hof einer kritischen Beurteilung. Der Rückzug der Protagonistin aus der Gesellschaft spiegelt das jansenistische Streben nach einem Zustand wider, in dem man aller affektiven Bindungen an die Welt enthoben ist.196 Nicht zuletzt das Beispiel von La Fayettes Roman La Princesse de Clèves und ihre Behandlung in Rezensionen und Kritiken zeigt, dass Harrachs Literaturrezeption keine eindimensionale Beschäftigung mit dem Kulturmodell Frankreich war. Beinahe die gesamte Breite an intellektueller Auseinandersetzung des französischen 17. Jahrhunderts stieß in Wien offensichtlich auf Interesse, vom galanten Roman mit seinem kulturpolitischen Impetus über die Moralistik und den Jansenismus bis hin zu harscher System- und Gesellschaftskritik à la La Bruyère. Anhand der von Bergeret vermittelten Titel wird ersichtlich, wie divergent der Hof Ludwigs XIV. mit all seinen gesellschaftlichen Erscheinungen und Missständen in Frankreich diskutiert wurde und dass diese Kritik in Wien im ausgehenden 17. Jahrhundert am Vorabend des Spanischen Erbfolgekriegs eingehend wahrgenommen wurde. Dies lässt auch die Rezeption des Kulturmodells Frankreich mit seinen Moden und Luxusartikeln in einem neuen Licht erscheinen. Das Repräsentationsbedürfnis Wiener Adeliger wurde aus Gründen der Internationalität des europäischen Adels und aus Gründen der Raison im Hinblick auf Ämter und Karrieren zwar minutiös und akribisch am französischen Modell ausgerichtet. Die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Kulturmodell des politischen Gegners konnte aber durchaus differenzierte und kritische Momente enthalten. Schlussfolgerungen Kaum ein Kulturmanager konnte und kann von sich behaupten, die führenden Familien der Wiener Adelsgesellschaft zu seinen Kunden zählen zu dürfen. Alexandre Bergerets sozialer und wirtschaftlicher Aufstieg steht in der französischen Gesellschaft des Ancien Régime zwar nicht singulär da, ist aber dennoch beachtlich. Vom Fleischersohn über Kammerdienerdienste bei verschiedensten Herren, zu denen längere Zeit auch Ferdinand Bonaventura von Harrach gehörte, zur Karriere am Hof als Kammerdiener der französischen Dauphine, all dies verdankte er seinem wirtschaftlichen Erfolg, den er zum größten Teil aus den Kommissionsgeschäften mit Harrach bestritt, und einer vorteilhaften Heirat in die Finanzkreise der französischen Steuerverwaltung. Sein Schwiegervater protegierte Bergeret in den Hofdienst und ließ ihn an Finanzgeschäften teilhaben, die seinen wirtschaftli195 Vgl. John CAMPBELL: La „modernité“ de La Princesse de Clèves. In: Seventeenth-Century French Studies 29 (2007), S. 65. 196 Vgl. Wolfgang MATZAT: Affektrepräsentation im klassischen Diskurs: La Princesse de Clèves. In: Fritz Nies/Karlheinz Stierle (Hg.): Französische Klassik. Theorie, Literatur, Malerei. München 1985, S. 231–260.
7.2 Informations-, Wissens- und Kulturmanagement
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chen Erfolg bereicherten, sodass er am Lebensende auf ein enormes Vermögen in bar, Renten, Krediten und Landbesitz blicken konnte. Ferdinand Bonaventura von Harrach war sein lebenslanger Kunde, ihn belieferte Bergeret 37 Jahre lang mit allem Erdenklichen, das der französische Luxusmarkt zu bieten hatte. Die Rolle Bergerets als Kulturmanager war eine umfassende, er vermittelte nicht nur Waren nach Wien, sondern agierte als schneller und zuverlässiger Informant über alle Veränderungen des gesellschaftlichen Lebens in Paris und Versailles und über Entwicklungen innerhalb des kulturellen Systems, was für Harrach, der selbst Botschafter in Spanien und später Obersthofmeister Leopolds I. war, einen enormen Informations- und Wissensinput darstellte. Im Hinblick darauf, was an Produkten, Wissen und Medien von Paris nach Wien transferiert wurde, ergab die genauere Analyse der Bergeret-Korrespondenz, dass prinzipiell eine große Bandbreite an Kulturprodukten vermittelt wurde. Im Zentrum von Harrachs Interesse stand die französische Mode als wichtigste kulturelle Ausdrucksform der französischen Repräsentation. Sie verkörperte adelige Distinktion und wurde von Ludwig XIV. offensiv als Mittel zur Demonstration seiner kulturellen Überlegenheit eingesetzt. Mit der Rezeption der französischen Mode einher ging der Import von französischen Kosmetikprodukten und Frisurformen und die mit Abstand teuersten Produkte, repräsentative Karossen. Gobelins und die gegen Ende des 17. Jahrhunderts aufkommenden Sitzmöbel vervollständigten das repräsentative Programm im Bereich der Innenraumgestaltung. Neben der Korrespondenz Bergerets avancierten die im 17. Jahrhundert hinzutretenden Journale und Zeitungen zum meinungsbildenden Informationsmedium. Das Journal des Sçavans als wissenschaftliches Periodikum und der Mercure Galant als systemkonforme Gesellschaftsnachricht trugen wesentlich zum Wissensund Informationsmanagement von Paris nach Wien bei und transferierten wichtige positiv gestaltete Bilder französischer Kultur und wissenschaftlichen Fortschritts wie in der Kartographie. Die Rezeption französischer Literatur in ihrer Bandbreite vom galanten Roman bis zur Gesellschaftskritik zeigte letztlich aber auf, dass nicht nur die aus Paris und Versailles intendierten Bilder in Wien eintrafen, sondern dass es abseits des Mainstreams Mode auch in Ansätzen zu einer differenzierten Sicht auf das Frankreich Ludwigs XIV. kam. Themen wie die gesellschaftlichen Spannungen Frankreichs nach der Fronde, die ruinöse Kriegspolitik Ludwigs XIV., die höfischen Intrigen, Sein und Schein der Galanterie und die frühe Emanzipationsbewegung der Frauen wurden über die Rezeption französischer Literatur nach Wien vermittelt.
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BERGERETS NETZWERK
Als Bergeret 1680 in die Dienste der französischen Dauphine trat, schrieb er postwendend an Harrach: „Je part demain pour St. Germain exercer la Charge de Valet de Chambre de Madame la Dauphine [...] ie lay achetté d'un valet de Garderobe du Roy […] Cest une personne qui sert despuis 20 ans et par son Moyen ie pouray voire en tout temps les habits du roy et les Modes et mesme en tirer des eschantillons que i'ienvoyray a V. Ex.ce“1
Bergeret erweiterte offensichtlich durch sein Amt im Hofstaat der Dauphine seinen Bekanntenkreis bzw. seine Beziehungen zum Hof, die er, wie die Bekanntschaft mit dem Garderobier du Roi, direkt für seine Geschäfte mit Harrach nutzte, indem er die Auswahl der Stoffmuster, die er nach Wien schickte, mit den Moden Ludwigs XIV. abstimmte. Bergeret betrieb Networking im modernen Sinn des Wortes und zog daraus sowohl für sich als auch für Harrach soziales und wirtschaftliches Kapital, das wiederum seine Position als Kulturmanager stärkte, oder, wie es Gerard Mortier formulierte, „Der Kulturmanager ist eigentlich ein Katalysator. [...] Seine Hauptaufgabe besteht darin, die richtigen Leute zusammenzubringen […].“2 Im persönlichen Netzwerk und im Sozialkapital Bergerets lag auch der größte Mehrwert für Ferdinand Bonaventura von Harrach.3 Pierre Bourdieu definierte Sozialkapital als „Gesamtheit aller aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen gegenseitigen Kennens oder Anerkennens verbunden sind.“4 Die meisten bisherigen historischen Netzwerkstudien betonten immer wieder die Stabilität von Netzwerkverbindungen in der Frühen Neuzeit über Familienzugehörigkeit, Heiratsverbindungen oder Händlernetze.5 Das Netzwerk von Alexandre Bergeret hingegen wird zeigen, dass nicht allen erfolgreichen Netzwerken dauerhafte Verbindungen zugrunde liegen, sondern dass gerade die Dynamik von Netzwerken ein wichtiger Impulsfaktor für Networking ist. Der Begriff des Sozialkapitals wird heute in vielerlei Hinsicht wissen-
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ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 26. April 1680. Zitiert nach Armin KLEIN: Kompendium Kulturmanagement – Eine Einführung. In: Armin Klein: Kompendium Kulturmanagement. Handbuch für Studium und Praxis. 2. Aufl. München 2008, S. 1. Vgl. den Begriff „cultural broker“ bei Mark HÄBERLEIN: Kulturelle Vermittler und interkulturelle Kommunikation im kolonialen Nordamerika. In: Burkhardt/Werkstetter (Hg.): Kommunikation 2005, S. 342. Pierre BOURDIEU: Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: Reinhard Kreckel (Hg.): Soziale Ungleichheiten. Göttingen 1983, S. 190. Vgl. CRAILSHEIM: Seville 2008. PIEPER: Vermittlung 2000. HÄBERLEIN: Brüder 1998. PADGETT/ANSELL: Action. In: American Journal of Sociology 98/6 (1993), S. 1259–1319.
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8 Bergerets Netzwerk
schaftlich verwertet.6 Wesentlich an Bourdieus Definition ist, dass der Begriff des Kapitals bei ihm etymologisch verstanden wird, das heißt, dass er neben einer wirtschaftlichen auch eine soziale Bedeutungskomponente besitzt und auch Macht impliziert.7 Darüber hinaus ist dem Sozialkapital ein Multiplikatoreffekt inhärent, welcher die Dynamik von Netzwerken aufzeigt. Das Sozialkapital einer Person besteht aus allen tatsächlichen und mobilisierbaren Beziehungen und dem ökonomischen, kulturellen und symbolischen Kapital dieser tatsächlichen und möglichen Beziehungen: „Der Umfang des Sozialkapitals, das der einzelne besitzt, hängt demnach sowohl von der Ausdehnung des Netzes von Beziehungen ab, die er tatsächlich mobilisieren kann, als auch von dem Umfang des […] Kapitals, das diejenigen besitzen, mit denen er in Beziehung steht.“8 Dies wird auch am obigen Beispiel des Garderobier du Roi deutlich. Ohne die Netzwerktheorie zu rezipieren, stellte Bourdieus Definition des Sozialkapitals klare Bezüge dazu her, er spricht von einem „Netz von Beziehungen“. Die soziale Netzwerkanalyse leistet sozusagen die empirische Herangehensweise und Auswertung von Daten, auf deren Basis sich das Sozialkapital ersichtlich machen und erklären lässt.9 Die historische Netzwerkanalyse etablierte sich in den letzten Jahren vermehrt zu einer breit rezipierten Theorie, die es erlaubt, relationale Daten für die Geschichtswissenschaft aufzuarbeiten.10 Gerade in Bezug auf die Aufgaben, Möglichkeiten und die Funktionsweise von kultureller Vermittlung und ihrer Protagonisten liegt in der Netzwerkanalyse viel Erklärungs- und Erkenntnispotential.11 Die folgende ego-zentrierte Netzwerkanalyse der Bergeret-Korrespondenz zielt darauf ab, die Beziehungen Bergerets sowohl in Paris und am Hof von Versailles als auch in Wien und am Wiener Hof zu erfassen und sichtbar zu machen, denn in der Mobilisierung dieser Beziehungen und in deren Multiplikatoreffekt liegt das eigentliche Sozialkapital Bergerets. Des Weiteren wird erst durch die Netzwerkanalyse ersichtlich, welche geographische und soziale Reichweite das Netzwerk Bergerets bereitstellte bzw. aufweisen musste. Dies wiederum lässt Aussagen über die Funktionsweise und die Leistungsfähigkeit von Bergerets Kulturmanagement und sein Transportnetzwerk zu. Dazu zählen ebenso Kontroll- und Machtmechanismen, derer sich Bergeret in seinem Netzwerk durch Inklusion und Exklusion bediente. Schließlich zielt die Netzwerkanalyse der Bergeret-Korrespondenz auf 6
Vgl. Elinor OSTROM/Toh-Kyeong AHN: The meaning of social capital and its link to collective action. In: Gert Tinggaard Svendsen/Gunnar Lind Haase Svendsen (Hg.): Handbook of Social Capital. The Troika of Sociology, Political Science and Economics. Cheltenham/ Northampton 2009, S. 17–35. 7 Vgl. Boike REHBEIN/Gernot SAALMANN: Kapital (capital). In: Gerhard Fröhlich/Boike Rehbein (Hg.): Bourdieu-Handbuch. Leben–Werk–Wirkung. Stuttgart/Weimar 2009, S. 134–140. 8 BOURDIEU: Kapital. In: Kreckel (Hg.): Ungleichheiten 1983, S. 191. 9 Vgl. JANSEN: Einführung Netzwerkanalyse 2006, S. 26–34. 10 Vgl. WETHERELL: Network Analysis. In: International review of social histiory 43 (1998), Supp. 6, S. 125–135. HÄBERLEIN: Brüder 1998, S. 20–27. 11 Vgl. Dorothea NOLDE/Claudia OPITZ-BELAKHAL: Kulturtransfer über Familienbeziehungen– einige einführende Überlegungen. In: Nolde/Opitz (Hg.): Familienbeziehungen 2008, S. 9– 11.
8 Bergerets Netzwerk
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die Frage nach der Professionalität Bergerets ab und infolgedessen auch auf die Frage, inwieweit Bergeret seine Tätigkeiten tatsächlich als Arbeit, Beruf oder Lebensaufgabe ansah. Zu diesem Zweck wurde das Modell einer ego-zentrierten Netzwerkanalyse gewählt. Dies legt bereits die Quellenlage nahe, da die Erfassung eines Gesamtnetzwerks über die Auswertung von Ego-Quellen wie Briefen gar nicht möglich ist. Gerade die Rolle von Briefen als Informationsmedium und ihre systematische Auswertung auf ihre Reichweite und das darin enthaltene Informationsmanagement stellt jedoch ein lohnendes Forschungsdesiderat dar.12 Ego-Netzwerke konzentrieren sich ausschließlich auf die Erfassung der Beziehungen einer Person, Ego, zu verschiedenen Alteri, es geht dabei um die sogenannte Embeddedness oder Einbettung einer Person in ein soziales System. Gerade bei langfristigem und auf Vertrauen basiertem, ökonomischem Handeln mit hohen Transaktionskosten, wie dies zweifellos bei Bergeret der Fall war, spielt die Embeddedness eine zentrale Rolle.13 Die ego-zentrierte Netzwerkanalyse bietet weiters den Vorteil, Multiplexität darstellen zu können. Multiplexe Beziehungen unterhält Ego dann, wenn es zu einer Person unterschiedliche oder unterschiedlich intensive Beziehungen unterhält.14 Bei der Bewertung von multiplexen Beziehungen im BergeretNetzwerk werden verschiedene Funktionen im Kulturmanagement Bergerets unterschieden, die durchaus von ein- und derselben Person verkörpert werden können, wie etwa Briefkontakt, Informationsvergabe, Hilfeleistung, Transportleistung oder Vermittlung. Die Multiplexität zeigt die Komplexität menschlicher Beziehungen auf und ihren Stellenwert für das Funktionieren des Netzwerks. Schließlich wurde bei der Erstellung der Netzwerke auch die Richtung der einzelnen Verbindungen miteinbezogen, wodurch Transport- und Informationsabläufe sichtbar gemacht werden können. Ego-Netzwerke sind somit ein Abbild der subjektiven Lebenswelt von Ego, in diesem Fall von Alexandre Bergeret. Da bei ego-zentrierten Netzwerken die Datenanalyse nicht auf seriellen Quellenbeständen beruht, wie dies bei Gesamtnetzwerken der Fall ist, sondern auf persönlichen Dokumenten, die eine Person in den Vordergrund der Betrachtung rückt, ergeben sich netzwerktheoretisch Probleme bei der Berechnung der klassischen Maßzahlen wie der Dichte oder Zentralitätswerten wie der BetweennessCentrality. Durch den Fokus des Netzwerks auf Ego sind etwa bei der Dichteberechnung Verzerrungen zugunsten von Ego zu erwarten, was den Wert als nicht mehr aussagekräftig abqualifiziert.15 Die Berechnung der Betweenness erübrigt sich von vorn herein, da Ego per se die höchsten Betweenness-Werte aufweist. Daher beschränkt sich die Arbeit mit ego-zentrierten Netzwerken in der Ge12 Vgl. MAUELSHAGEN: Netzwerke. In: Burkhardt/Werkstetter (Hg.): Kommunikation 2005, S. 409–425. 13 Vgl. RAINER DIAZ-BONE: Ego-zentrierte Netzwerkanalyse und familiale Beziehungssysteme. Wiesbaden 1997, S. 31–32. 14 Vgl. JANSEN: Einführung Netzwerkanalyse 2006, S. 65, 105–110. DIAZ-BONE: Netzwerkanalyse 1997, S. 51–52. 15 Vgl. John SCOTT: Social Network Analysis. A Handbook. 2. Aufl. Los Angeles/London/ Thousand Oaks [u.a.] 2009, S. 69–74.
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8 Bergerets Netzwerk
schichtswissenschaft oft auf die reine Deskription der Netzwerke, eine netzwerkanalytische Interpretation auf der Basis von mathematischen Maßzahlen unterbleibt in den meisten Fällen grundsätzlich. Gerade in mathematisch generierten Daten und ihrer Interpretation liegen aber der Sinn und auch die Stärke von Netzwerkanalysen. Neben der Netzwerkgröße und der Multiplexität wird daher als mathematische Maßzahl der Clustering Coefficient (CC) zur Interpretation egozentrierter Netzwerke eingesetzt. Ein Vergleich von biologischen, technischen und sozialen Netzwerken ergab, dass der Clustering Coefficient in allen drei Netzwerktypen gleichermaßen als relevanter Wert für die Beschreibung von dynamischen Prozessen in kleinen Netzwerken eingesetzt werden kann. Er misst den Grad der Vernetzung von Egos Alteri, das heißt die Cliquenbildung der Alteri ohne Ego.16 Dadurch zeigt er an, in welchem Ausmaß Ego Kontrolle über seine Alteri ausüben kann und bildet somit einen adäquaten Messwert für die Interpretation von Machtstrukturen in Ego-Netzwerken auf mathematischen Grundlagen. Die mathematische Berechnung des Clustering Coefficients sowie aller anderen netzwerkanalytischen Kennzahlen erfolgte auf der Basis des NetworkAnalyzers17 als Plugin zum Visualisierungsprogramm Cytoscape.18 Die folgende Netzwerkanalyse beruht auf der Auswertung der BergeretKorrespondenz im Familienarchiv Harrach.19 Zur Bewältigung des Quellenmaterials konnten nur Ausschnitte aus dem Briefwechsel stichprobenartig analysiert werden. Die Korrespondenz unterlag grundsätzlich einem Auswahlverfahren, da nur Briefe, die inhaltlich für Bergerets Kulturmanagement interessant und aussagekräftig waren, herangezogen wurden. Dadurch erklärt sich auch die unterschiedliche Länge der Referenzzeit der fünf Stichproben, die zwischen zwei und fünf Jahren divergiert. Die Stichproben orientieren sich jedoch klar an Lebensabschnitten, die für die Geschäftsbeziehung zwischen Harrach und Bergeret wichtig erscheinen: Der erste Abschnitt ist der Beginn der Korrespondenz der Jahre 1669– 1671, die zweite Stichprobe dokumentiert die Zeit Bergerets vor seiner längeren Wien-Reise, das heißt in Ausschnitten die Jahre 1673–1676. Die dritte Phase stellt das Netzwerk Bergerets in seiner Zeit in Wien dar, 1677/1678 (für die Zeit der ersten Wien-Reise gibt es keine Korrespondenz). Der vierte Abschnitt zeigt einen Ausschnitt aus späteren Jahren, nämlich 1694–1699 und die letzte Phase veranschaulicht die letzten Jahre der Korrespondenz 1701–1703 während des Spanischen Erbfolgekriegs. Eine absolut einheitliche Einteilung der Briefe in Zeitabschnitte ist bei einer Korrespondenz des 17. Jahrhunderts ohnehin nicht möglich. Eine Datenschieflage ergibt sich allein durch die Tatsache, dass die Korrespondenz nicht immer regelmäßig verlief und für bestimmte Brieftage zwei sich nur geringfügig unterscheidende Briefe überliefert sind. Denn Bergeret schickte, wenn 16 Vgl. Duncan J. WATTS/Steven H. STROGATZ: Collective dynamics of „small-world“ networks. In: Nature 393/4 (1998), S. 440–442. 17 Vgl. ASSENOV/RAMÍREZ/SCHELHORN/LENGAUER/ALBRECHT: Parameters. In: Bioinformatics 24 (2008), S. 282–284. 18 http://www.cytoscape.org/ [Stand: 01.10.2010]. 19 ÖStA, AVA, Harrach 217 und 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret.
8.1 Sozialkapital in Paris und Wien
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der Aufenthaltsort von Harrach nicht eindeutig war, eine Abschrift des Briefes an eine zweite Adresse. Meist kamen jedoch beide Exemplare beim Empfänger an. Die Briefe divergieren außerdem in ihrer Länge erheblich. Während in der ersten Phase oft nur ein bis zwei Seiten beschrieben nach Wien kamen, füllen die Briefe in den Phasen zwei, drei und vier oft bis zu sieben Seiten. Um möglichst vergleichbare Daten zu erhalten, wurde insgesamt jedoch ein möglichst gleichbleibendes Briefsample von rund 15 Briefen für jeden Zeitschnitt analysiert.20 8.1
SOZIALKAPITAL IN PARIS UND WIEN
Bereits im dritten Brief an Graf Harrach 1669, zu Beginn der Korrespondenz und des Kulturmanagements, zitierte Alexandre Bergeret Ludwig XIV. als zentrale Person Pariser Luxus und Moden. Er berichtete von einer besonderen Taschenuhr, die bisher nur der König besitze und die er über eine Vertrauensperson namens Langlois an Harrach zu vermitteln im Stande sei. Hinter Bergerets Verbindung stand mit großer Wahrscheinlichkeit Pierre Langlois, der selbst Kommissionsgeschäfte tätigte, später in die Finanzverwaltung von Châlons-sur-Marne aufstieg und somit in seiner Biographie Parallelen zu Bergeret aufwies:21 „il se fait icy une manier de montre de poche sans tambour sans chaines et sans clef elles se montent pour 30 heurs en pressant le bouton et vont fort iuste il n'y a que le Roy qui a la premier lors qu'on en vendra langlois ma promis de m'en donner une ie trouveray bien moyen de l'envoyer a V. Ex.e“22
In diesem Beispiel zeigt sich Bergerets soziales Kapital in Paris beispielhaft. Er konnte Informationen über neuartige und exquisite Einkäufe Ludwigs XIV. sammeln und darüber hinaus kannte er Personen, die ihm diese Produkte beschaffen konnten. Dabei nützte er nicht nur die Dienste seiner persönlichen Verbindungen, sondern auch das Netzwerk der jeweiligen Vertrauensperson, in diesem Fall von Langlois. Genau darin liegt der Multiplikatoreffekt von sozialem Kapital. Ein erster messbarer Anhaltspunkt für das Sozialkapital Bergerets ist die Größe seines Netzwerks, damit ist die Anzahl der unterschiedlichen Personen, zu denen Bergeret Verbindung hatte, gemeint, die den Grundstock von Bergerets Netz an möglichen Beziehungen darstellt.23 Abbildung 14 zeigt die Entwicklung der Netzwerkgröße bei Bergeret nach Phasen gestaffelt. Dabei scheinen nur Personen auf, die Bergeret direkt nannte, die mögliche Mobilisierung aller Beziehungen der genannten Alteri kann nicht eruiert werden. Wie das obige Beispiel zeigt, kann der Multiplikatoreffekt oft nur beispielhaft beschrieben werden.
20 Daher ergibt sich folgende Datengrundlage: Phase 1 (1669–1671): 19 eher kürzere Briefe, Phase 2 (1673–1676): 14 eher längere Briefe, Phase 3 (1677–1678): 15 Briefe, Phase 4 (1694–1699): 14 Briefe und Phase 5 (1701–1703): 15 eher kürzere Briefe. 21 Vgl. Daniel DESSERT: Argent, pourvoir et société au Grand Siècle. Paris 1984, S. 620. 22 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 20. Okt. o. J. 23 Vgl. JANSEN: Einführung Netzwerkanalyse 2006, S. 108.
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8 Bergerets Netzwerk 100 90 80
Anzahl der Knoten
70 60 50 40 30 20 10 0 1669-1671
1673-1676
1677-1678
1694-1699
1701-1703
Abbildung 14: Netzwerkgröße Bergeret.
Die durchschnittliche Netzwerkgröße innerhalb von etwa 15 Briefen lag zwischen 50 und 60 Personen. Diesen Personenkreis sah Bergeret als so relevant für seine Dienste für Harrach an, dass er sie in seiner Korrespondenz erwähnte. Bemerkenswert daran ist, dass Bergeret bereits zu Beginn seiner Arbeit für Harrach ein Netzwerk von 55 Personen aufweisen konnte. Dies ist ein hoher Wert und unterstreicht die These, dass Bergeret bereits vor seiner Tätigkeit für Harrach in Paris ähnliche Aufgaben übernommen hatte. Denn sein Netzwerk war von Beginn seiner Geschäfte mit Harrach an vorhanden und kann als durchaus leistungsfähig eingestuft werden, wahrscheinlich mit ein Grund, weshalb sich Harrach gerade für Bergeret als Kulturmanager entschied. Der Höchstwert der Netzwerkgröße liegt in der zweiten Phase mit 94 Verbindungen, das heißt in der Vorbereitungsphase des zweiten Wien-Aufenthalts. Die Erklärung dafür liegt in der Anwerbung von Personal für den Harrachschen Haushalt in Wien. Diese Aufgabe forderte Bergeret äußerst viel Netzwerkarbeit ab, da sich die Anwerbung von Arbeitskräften am Pariser Arbeitsmarkt alles andere als einfach gestaltete (vgl. Kap. 6.2). Bergeret musste dazu in sehr kurzer Zeit enorm viele Verbindungen herstellen. Erstaunlich ist auch die Größe seines Netzwerks in Wien 1677/1678 mit 48 Verbindungen. Bergeret versuchte dort, sein Netzwerk rund um die Familie Harrach zu erweitern und Verbindungen zu anderen adeligen Familien in Wien aufzunehmen. Sein über Jahre gewachsenes Netzwerk in Paris kam hier nicht zum Tragen. Dennoch war es Bergeret in nur einem Jahr offensichtlich möglich, sich in Wien zu etablieren. Die Größe von Bergerets Netzwerken bleibt bis zum Schluss relativ konstant. In der zweitletzten Phase 1694–1699, als sowohl Harrach wie auch Bergeret etwa 60 Jahre alt waren, nannte Bergeret noch 61 Verbindungen, erst in der letzten Phase nahm sowohl die Dichte und die Länge der Briefe als auch die Zahl der Beziehungen deutlich ab.
8.1 Sozialkapital in Paris und Wien
269
Für die Professionalität und das Sozialkapital Bergerets ausschlaggebend war in erster Linie die soziale Reichweite seines Netzwerks in Frankreich und hier vor allem in Paris und am Hof von Versailles. Grundsätzlich hatte Bergeret breiten Zugang zu Hofkreisen, das heißt sowohl zu den zuliefernden Hofhandwerkern und Händlern als auch zum Adel. In jedem seiner Netzwerke kann Bergeret zwar nicht direkt auf die königliche Familie zugreifen, aber doch Informationen über diese weitergeben. Vor allem über die Moden Ludwigs XIV., der Königin MarieThérèse und weiteren Mitgliedern der königlichen Familie wie dem Bruder des Königs Philippe d'Orléans und seiner Frau Liselotte von der Pfalz sowie Mitgliedern des Hauses Condé, einer Seitenlinie der Bourbonen, war er gut unterrichtet, da er an königlichen Audienzen teilnahm, die er sogar teilweise mitorganisierte.24 1671 beispielsweise berichtete Bergeret nach Wien, dass der König einen ganzen Raum mit Stickereien ausstaffieren ließe und dieser Auftrag alle Sticker in Paris so sehr beschäftigte, dass sich die Arbeiten für Harrachs Kleideraufträge verteuern würden.25 Die Bedeutung von Bergerets Informationsmanagement den königlichen Hof betreffend für Harrach als Botschafter in Madrid sollte nicht unterschätzt werden (vgl. Kap. 7.2). Nach 1680 hatte Bergeret zum Hof verstärkt persönliche Beziehungen durch seinen Posten als Kammerdiener der Dauphine.26 Ab 1690 wurden die Informationen über die königliche Familie jedoch spärlich, Bergeret berichtete nur noch allgemein über Änderungen in den Moden, wie 1694 über neue Arten der Inneneinrichtung und die Verwendung von Tapisserien,27 denn er hatte sich zu diesem Zeitpunkt als zuverlässiger Informant etabliert, der seine Aussagen über Stile und Moden nicht mehr mit Belegen aus der königlichen Familie oder dem Hofadel untermauern musste. Außerdem schied Bergeret 1690 mit dem Ableben der Dauphine offiziell aus dem königlichen Hofstaat aus. Bergeret unterhielt von Beginn seiner Arbeit als Kulturmanager an persönliche Verbindungen zu verschiedenen hochadeligen Familien, so zu den Béthune, den Guitry und den Gramont, allesamt Pairs von Frankreich.28 Teilweise holte er sich, wenn es um heikle Einkäufe für Harrach ging, direkt bei Mitgliedern dieser Familien Rat ein, so etwa 1671, als Harrach bei Bergeret einen Justaucorps in Auftrag gab, schrieb dieser zurück: „iestois quasi davis de parler a Mr. le Marquis de Guitry touchant le justaucorps brode et l'habit de V. Ex.“29 Der Marquis de Guitry, Gui de Chaumont, war Grand Maître de la Garderobe du Roi und als solcher sicher eine versierte Vertrauensperson, was Modefragen anbelangte.30 Möglicherweise war der Marquis de Guitry für Harrach kein unbeschriebenes Blatt, denn er nahm 1664/65 am sogenannten Secours à l'Empereur teil, einer 6.00024 25 26 27 28
ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 25. Dez. 1670. ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 23. März 1671. ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 16. April 1699. ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 25. Jän. 1694. ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 4. Nov. 1670, 23. und 30. Jän. 1671 und 23. Aug. 1676. 29 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 30. Jän. 1671. 30 Vgl. Louis MORÉRI: Le Grand Dictionnaire Historique, ou le Mélange Curieux de l'Histoire Sacrée et Profane. Korr. u. erw. v. M. Drouet. Bd. 3. Paris 1759, S. 582.
270
8 Bergerets Netzwerk
Mann-köpfigen Truppe, die Ludwig XIV. zur Hilfe Leopolds I. gegen die Osmanen nach Ungarn schickte und die an der Schlacht von Mogersdorf teilnahm. Dieser Truppe unter Jean Coligny-Saligny gehörten auch der Schwiegersohn des Marschall Gramont und François d'Aubusson, Duc de la Feuillade, an. Mit Gramont war Bergeret persönlich bekannt, den Duc de la Feuillade kannte er dem Namen nach. Pikanterweise versuchte der Marquis de Guitry 1664 mit Stephan Vitnyédy, einem Vertrauten von Nikolaus Zrinyi, Geheimverhandlungen über einen Aufstand der Ungarn und die Wahl von Ludwig XIV. zum ungarischen König voranzutreiben. Der Abzug der französischen Truppen verhinderte allerdings weitere konspirative Treffen, Vitnyédy und Zrinyis Bruder waren schließlich maßgeblich an der Magnatenverschwörung von 1669 beteiligt.31 Worauf Bergerets Bekanntschaften mit Guitry und Gramont zurückgingen, kann nicht mehr nachvollzogen werden, allerdings ist eine Häufung von Personen aus dem Kreis der militärischen Aktion von 1664 in Ungarn nicht zu übersehen. Dies könnte jedoch mit dem Empfänger der Korrespondenz, Graf Harrach, zu tun haben. Bergeret versuchte natürlich in seiner Korrespondenz Personen als Referenz anzuführen, die Harrach sicherlich oder möglicherweise bekannt waren. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass Bergerets Verbindungen zu den Häusern Guitry und Gramont ursprünglich auf Kontakte Harrachs zurückgingen. Zu Bergerets direkten Verbindungen zählte längere Zeit auch der Abbé de Buisson.32 Dieser war eine illustre Pariser Persönlichkeit des 17. Jahrhunderts. Er unterstützte Theateraufführungen im Hôtel de Bourgogne, in dem Jean Racine zur selben Zeit seine großen Erfolge feierte. De Buisson verkehrte in den philosophisch-literarischen Salons von Paris, zu denen auch Bürgerliche wie Bergeret Zutritt hatten. Dort schrieb de Buisson Gedichte unter dem Pseudonym „Barsinian“ und galt als witzig und geistreich. Mehrere Verse widmete er auch verschiedenen Hofdamen der Königin, unter anderen Mlle de la Porte und Mlle Fouilloux.33 Bergeret kontaktierte de Buisson in Harrachs Angelegenheiten des Öfteren. 1671 bat er sowohl de Buisson als auch Mme de Béthune um deren Urteil über eine für Harrach angefertigte Perücke.34 1673 nahm er den Rat und die Vermittlungstätigkeit de Buissons im Zuge von Ausstattungsarbeiten für eine repräsentative Karosse für Harrach in Anspruch und ließ sich von de Buissons Sattler über Möglichkeiten der Lackierung und Vergoldung beraten.35 Später kamen Verbindungen zu Familien französischer Botschafter hinzu, so zum Beispiel zu Madame Marie Anne Claude d'Harcourt,36 deren Mann Henri d'Harcourt 1697 bis 31 Vgl. Georg WAGNER: Der Wiener Hof, Ludwig XIV. und die Anfänge der Magnatenverschwörung 1664/65. In: MÖSTA 16 (1963), S. 94–97, 100, 142. 32 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 13. Feb. und 11. Aug. 1673. 33 Vgl. Lewis C. SEIFERT: Manning the Margins. Masculinity and Writing in SeventeenthCentury France. Michigan 2009, S. 79–81. Antoine Beaudeau DE SOMAIZE: Le Dictionnaire des Précieuses. Bd. 2. Paris 1856, S. 183. 34 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 13. Feb. 1671. 35 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 11. Aug. 1673. 36 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 19. April 1699.
8.1 Sozialkapital in Paris und Wien
271
1700 Botschafter in Madrid war und die spanische Erbfolge mitausverhandelte, oder zu Claude-Louis-Hector Duc de Villars,37 der von 1698 bis 1699 in Wien als Gesandter tätig war. Die Verbindungen in den hohen Adel und zum französischen Hof garantierten Bergeret Zugang zu Personen aus dem Hofhandwerk oder anderen Hofzulieferern aus dem kunsthandwerklichen Bereich, was für das Kulturmanagement von enormer Wichtigkeit war, da Bergeret Beziehungen zu Personen benötigte, die ihm den Zugang zu Produkten, zu Händlern und zum Wissen über Waren und Personen bereitstellten. In dieser Frage erweist sich gerade das Netzwerk der ersten Zeit als ergiebig. Bereits in den ersten Jahren seiner Tätigkeit für Harrach hatte Bergeret Beziehungen zu Roger Costar,38 dem Kammerdiener und Kammerschneider von Ludwig XIV., und zu Baudelet,39 dem Schneider und Kammerdiener der französischen Königin. Kurze Zeit später tauchten Piquard, der königliche Sattler, und der Zurichter der Königin,40 in Bergerets Netzwerk auf. Zudem gehörten zum Kreis seiner Informanten und Helfer besagter Langlois41 für die Vermittlung von Luxusuhren, der Schuhmacher Basque,42 der auch für Gottlieb Amadeus von Windischgrätz arbeitete, der Perückenmacher des Abbé de Buisson Gillot und der ebenfalls im Bereich Kosmetik tätige Lanvoye.43 Des Weiteren umfasste Bergerets Netzwerk den Sattler und Wagner des Abbé de Buisson, den Stallmeister des Venezianischen Botschafters de Mondesaire, den Maler und Bildhauer Remy44 sowie Louvet und Billot45 für die Besorgung von Medikamenten und Pastillen. Auch von der Verbindung Harrachs zum Porträtmaler Ludwigs XIV., Hyacinthe Rigaud, der Harrach 1698 malte46 und dessen Bild heute noch auf Schloss Rohrau besichtigt werden kann,47 profitierte Bergeret. Diese Verbindungen waren für seine Arbeit als Kulturmanager besonders wertvoll und zeigen, wie der Multiplikatoreffekt von Sozialkapital funktionierte. Das Zusammenspiel dieses dichten Netzwerks an Personen aus dem Dienstleistungssektor, dem Hofdienst und dem Adel ist am Beispiel der Anwerbung zweier Köche für den Harrachschen Haushalt im Sommer 1676 zu erkennen (vgl. Abb. 15). Bergeret kehrte etwa zu Beginn des Jahres 1676 nach Paris zurück, erst im Sommer zeichnete sich ab, dass Harrach die Anwerbung eines Kochs und ei37 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 6. April 1698. 38 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 4. Nov. 1670, 30. Jän., 6., 13. und 28. Feb. und 20. März 1671 und vom 23. Aug. 1676. 39 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 30. Jän., 6. Feb. und 20. März 1671. 40 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 11. Aug. 1673. 41 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 20. Nov. 1669. 42 Vgl. KELLER/CATALANO: Diarien 2010 Bd. 1, S. 136. 43 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 13. Feb. 1671 (Gillot und Lanvoye). 44 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 11. Aug. 1673. 45 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 20. März 1671 und 24. Aug. 1673. 46 ÖStA, AVA, Harrach Handschriften 134, S. 464 und 475. 47 Vgl. Schloßmuseum Rohrau: Familiensammlung 2000, S. 13.
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8 Bergerets Netzwerk
nes Gehilfen in Auftrag gab, im Herbst sollte Bergeret mit diesen Fachkräften nach Wien kommen. Er stand daher unter enormem Zeitdruck, innerhalb von zwei Monaten mobilisierte er zahlreiche Kontakte, um einen Koch und einen Souschef anzuwerben. Viele der potentiellen Kandidaten kannte Bergeret nicht persönlich, teilweise nicht einmal mit Namen, sondern nur über ihre Referenzpersonen, die er Harrach als Nachweis seiner qualitätsvollen Wissensquelle oder Verbindung mitteilte und die gleichzeitig Garant für den jeweiligen Kandidaten und dessen Können und Leistungen in der Küche waren. Das Netzwerk Bergerets zur Rekrutierung von Fachpersonal reichte in den Hofstaat von Ludwig XIV. genauso wie in Botschafterkreise und hohen französischen Adel. Für jeden vorgeschlagenen Kandidaten (vgl. Abb. 15, hellgrau markiert) erbrachte Bergeret mindestens eine Gewährs- oder Referenzperson aus dem Adel oder Botschafterkreisen, die Harrach nach Möglichkeit bekannt sein musste, damit dieser die Informationen richtig einordnen konnte.
Abbildung 15: Teilnetzwerk Alexandre Bergerets zur Anwerbung von Köchen, 1676.
Darunter waren österreichische Adelige, die sich gerade in Paris aufhielten, Kontakt zu Bergeret hatten und den einen oder anderen Koch ausprobierten, wie etwa der kaiserliche Gesandte Gottlieb Amadeus von Windischgrätz und der mit Ferdi-
8.1 Sozialkapital in Paris und Wien
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nand Bonaventura von Harrach verwandte Graf Lamberg. Es scheinen aber auch der 1664 in Ungarn kämpfende Maréchal de la Feuillade, der Venezianische Botschafter und Doge Marcantonio Justiniani (Giustinian), der englische Botschafter, der Duc de Chone und der päpstliche Nuntius in diesem Netzwerk als Referenzpersonen am Ende jeder Informationskette eines unbekannten Kochs auf. Wie die Abbildung zeigt, waren gerade diese Referenzpersonen in zweierlei Hinsicht wichtig: Sie bürgten für die Qualität der Köche und sie bescheinigten mit ihrer persönlichen Reputation Prestige für Bergerets Vermittlung. Weder Harrach, noch Bergeret noch der Pariser Gesellschaft war es einerlei, aus welchem herrschaftlichen Haus der Koch kam, der nach Wien abgeworben werden sollte. Über den Koch des Venezianischen Botschafters Justiniani äußerte sich Bergeret diesbezüglich besonders positiv: „tout le monde me dit que Cest le mellieur Cuisinier de paris et asseurement V. Ex.ce pouroit se vanter davoir une personne qui luy feroit honeur“.48 Diese Rekrutierungstrategie gelang Bergeret immerhin für acht potentielle Köche, in der Abbildung hellgrau markiert. Alle diese Verbindungen nützten Bergeret allerdings wenig, denn die Nachfrage an französischen Köchen war zu dieser Zeit groß und die Lohnvorstellungen zwischen den Kandidaten und der Familie Harrach in Wien divergierten in hohem Maße. Viele der Anwärter ihrerseits fungierten aber im Netzwerk Bergeret wiederum selbst als Informanten und Ratgeber wie etwa Jolivet, der Koch bei Kardinal Mazarin war, oder allgemein die Pariser Feinkostköche (traiteurs de Paris).49 Die beiden tatsächlich nach Wien vermittelten Köche Mignon und Mercier, in Abbildung 15 dunkelgrau markiert, waren schließlich der Kompromiss aus Zeitdruck, Situation am Arbeitsmarkt und Anforderungen von Seiten der Familie Harrach. Dieses Recruitmentprojekt Bergerets musste scheitern, nicht nur, weil die Köche nicht den Erwartungen der Gräfin Harrach entsprachen und nicht in den Haushalt in Wien integrierbar waren (vgl. Kap. 6.2), sondern auch, da ihnen die Referenzen fehlten. Für den Küchenjungen Mignon fand Bergeret zwar zwei Referenzpersonen, nämlich Madame la Chancelier und einen gewissen Malvilain. Verglichen mit den Referenzpersonen der anderen potentiellen Köche, wie etwa der englische oder der italienische Botschafter, Kardinal Mazarin oder der päpstliche Nuntius, fehlte bei Mignon die Referenz mit großem Namen. Bei Mercier, dem Chefkoch für den Wiener Haushalt, konnte Bergeret keine einzige Referenzperson von Namen finden.50 Besonders Mercier erscheint im Netzwerk isoliert zu sein, es fehlte ihm eindeutig das soziale Prestige eines früheren Arbeitgebers. Die einzige Bindung, die Mercier laut Netzwerkanalyse aufweisen konnte, war Bergeret selbst. In diesem Fall war das Gelingen der Anwerbung vom Pariser Arbeitsmarkt und weniger vom durchaus funktionierenden Netzwerk von Alexandre
48 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 23. Aug. 1676. 49 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 23. und 31. Aug., 6. und 14. Sept. 1676. 50 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 20. und 28. Sept. 1676.
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8 Bergerets Netzwerk
Bergeret abhängig und von der Tatsache, dass in der Regel nicht die besten Fachkräfte zur Migration bereit waren. Das Sozialkapital Bergerets in Paris und sein Netzwerk kann prinzipiell als breit und flexibel charakterisiert werden. Wie das Beispiel der Anwerbung von Arbeitskräften zeigt, versuchte Bergeret anhand seiner Bekanntschaften neue Verbindungen zu mobilisieren. Dies verdeutlicht das Beispiel des Traiteurs 2 aus Abbildung 15, über den Bergeret an den Koch und den Küchenjungen des englischen Botschafters weiterempfohlen wurde. Im Zuge dieser Mobilisierungskampagne erweiterte Bergeret sein Netzwerk in der Phase 1673–1676 in kurzer Zeit erheblich, was mit dem Höchststand der Netzwerkgröße in Abbildung 14 korrespondiert. In der Funktionalität dieses Netzwerks lag der Mehrwert für Harrach, denn er partizipierte über Bergerets soziales Kapital an der Pariser Hofgesellschaft in vielerlei Hinsicht. Dies wäre ihm zukünftig nicht mehr möglich gewesen, wenn er Bergeret endgültig nach Wien geholt hätte, wie dies Bergeret bis 1678 angestrebt hatte. Die soziale Reichweite seines Netzwerks in Paris war also prinzipiell wichtig für das Kulturmanagement, aber er profitierte auch selbst von der Situation als Vermittler zwischen Paris und Wien, in erster Linie verdiente er dabei viel Geld, denn er zählte nicht nur Harrach zu seinen Kunden. Die Reichweite seines Netzwerks in Wien war nach seinem zweiten Wien-Aufenthalt 1677/78 ebenso weitläufig wie jenes in Paris, in seiner Zeit in Wien legte er den Grundstock für zahlreiche seiner späteren Geschäftsverbindungen zu Wiener Adeligen. Die Familienverbindungen von Ferdinand Bonaventura von Harrach im österreichischen Adel gaben von Beginn an den Ausschlag für die Vernetzung Bergerets in Wien. Besonders die verschwägerten Familien Lamberg und Waldstein und später auch die Familie Longueval können als Konstanten in Bergerets Netzwerk angesehen werden. Die Beziehungen zwischen den Familien Harrach und Lamberg waren eng, Harrachs Frau Johanna Theresia, eine geborene Lamberg, spielte dabei eine wichtige Rolle. Ferdinand Bonaventura übernahm 1665 die kaiserliche Gesandtschaft nach Madrid, die zuvor sein zukünftiger Schwiegervater Johann Maximilian von Lamberg inne gehabt hatte. Johanna Theresia pflegte den Kontakt zu ihren Eltern und Geschwistern,51 die in ihrer Zeit in Paris stets in Verbindung zu Alexandre Bergeret standen.52 Mit der Familie Waldstein bestanden seit längerem familiäre Bindungen. Zwei Tanten Ferdinand Bonaventuras waren mit Mitgliedern der Familie Waldstein verheiratet: Katharina von Harrach ehelichte 1618 Maximilian von Waldstein und ihre Schwester Isabella Katharina ging 1623 die Ehe mit Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein, genannt Wallenstein, ein. Auch die Schwester von Ferdinand Bonaventura, Maria Elisabeth, wurde 1660 mit Karl Ferdinand von Waldstein, einem Sohn Maximilians und Katharinas, verheiratet.53 Ferdinand Bonaventura von Harrach war daher mehrfach mit 51 Vgl. PILS: Schreiben über Stadt 2002, S. 124 und 206. 52 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 4. Nov., 25. Dez. 1670, 25. Feb. 1671, 23. und 31. Aug. 1676, April 1677 o. T. und ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 31. Dez. 1702. 53 Vgl. WURZBACH: Biographisches Lexikon. Bd. 52 1885, S. 208–209.
8.1 Sozialkapital in Paris und Wien
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den Waldsteins verschwägert, Maria Elisabeth und ihr Mann Karl Ferdinand waren über lange Jahre hinweg Kunden von Alexandre Bergeret.54 Zahlreich ist die Korrespondenz zwischen einzelnen Familienmitgliedern der Harrachs, Lambergs und Waldsteins. Familie, Verwandtschaft und Freundschaft überlagerten einander, was die Beziehungen dieser drei Familien anbelangte.55 Sowohl die Lambergs als auch die Waldsteins scheinen vom Beginn der Tätigkeiten Bergerets 1669 an in seinem Netzwerk auf und sind sicher auf die Vermittlung Harrachs zurückzuführen. Ebenfalls in den Einflussbereich Harrachs weisen Bergerets frühe Verbindungen zu kaiserlichen Gesandten und Botschaftern, die entweder in Paris oder in Madrid stationiert waren. Dazu gehörten die beiden nach Paris entsandten Johann Franz von Wicka 1669 und Gottlieb Amadeus von Windischgrätz 1670, aber auch die beiden Botschafter in Madrid Franz Eusebius von Pötting, der von 1662 bis 1673 Botschafter in Spanien war, und Paul Sixt von Trautson, der 1676 die Nachfolge von Harrach antrat.56 Ebenso konstant wie die Lambergs und die Waldsteins, taucht die Familie Dietrichstein in der Korrespondenz von Bergeret von den Anfängen 1670 bis ins 18. Jahrhundert auf. Die Familie Dietrichstein gehörte nicht zum Freundschafts- oder Heiratskreis der Harrachs,57 bildete aber wie die Liechtensteins eine sehr einflussreiche Familie am Kaiserhof, die 1629 die Reichsfürstenwürde erhalten hatte und seitdem wichtige Ämter am Hof besetzte.58 Bergeret arbeitete seit 1671 für Mitglieder der Familie Dietrichstein und erledigte Aufträge im Wert von 600 fl. und mehr.59 Später belieferte Bergeret Franz Anton Adam von Dietrichstein und seine Frau Maria Rosina, die ihm beim Ableben von Dietrichstein 1702 noch fast 600 fl. schuldig waren.60 Wie Bergeret Kontakt zur Familie Dietrichstein knüpfen konnte, geht aus der ausgewerteten Korrespondenz an Harrach nicht eindeutig hervor. Der Wien-Aufenthalt 1677/1678 gab Bergeret Gelegenheit, seine Verbindungen zum österreichischen Adel zu intensivieren. In dieser Zeit besaß er neben Beziehungen zu den Familien Lamberg und Waldstein, Pötting und Dietrichstein auch Kontakte zu den Familien Mollard und Mansfeld.61 Bergeret dürfte allerdings weit mehr Networking in Wien betrieben haben, als die Korrespondenz an Harrach wiedergibt. Nach seinem Wien-Aufenthalt in den 1690er Jahren weist 54 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 28. Sept. 1676, April 1677 o. T. und ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 24. Okt. 1701 und 31. Dez. 1702. 55 Vgl. KELLER/CATALANO: Diarien 2010 Bd. 1, S. 136. 56 Vgl. Petr MAT'A/Stefan SIENELL: Die Privatkorrespondenzen Kaiser Leopolds I. In: Pauser/ Scheutz/Winkelbauer (Hg.): Quellenkunde 2004, S. 844. Franz HADRIGA: Die Trautson. Paladine Habsburgs. Graz/Wien/Köln 1996, S. 93. 57 Vgl. KELLER/CATALANO: Diarien 2010 Bd. 1, S. 111. 58 Vgl. WURZBACH: Biographisches Lexikon. Bd. 3 1858, S. 296–297. 59 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 30. Jän., 6., 13., 25. Feb. 1671 und April 1677 o. T. 60 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 7. März 1702. 61 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom April 1677 o. T. und 17. Feb. 1678.
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8 Bergerets Netzwerk
sein Netzwerk die größte Dichte an österreichischen Adeligen auf, in Abbildung 16 hellgrau markiert (Mitglieder des französischen Hofes dunkelgrau markiert). Neben den bekannten Familien Harrach, Lamberg, Waldstein und Dietrichstein, tritt nun eine Vielzahl an Verbindungen hinzu, darunter Philipp Karl Emmanuel von Longueval, der später eine Tochter Harrachs heiraten sollte, sowie die Familien Trautson, Montecuccoli, Sternberg, Schlick, Hoyos, Sinzendorf, Rosenberg und Schwarzenberg. Philipp Ludwig Wenzel von Sinzendorf war mit Katharina Rosina von Waldstein verheiratet und trat noch 1699 eine außerordentliche Gesandtschaft nach Paris an, die aufgrund von Zeremoniellstreitigkeiten und dem Ausbruch des Spanischen Erbfolgekriegs nur bis 1700 dauerte.62 Die Verbindung Sinzendorfs zu Bergeret dürfte über Verwandtschafts- oder Botschafterkreise verlaufen sein. Über welche Kontakte Bergeret Bekanntschaft mit der Familie Schwarzenberg machte, ist unklar. Ferdinand Wilhelm Eusebius von Schwarzenberg durchlief eine klassische Ämterlaufbahn am Hof. Sein Vater Johann Adolf, von 1659 bis 1683 Präsident des Reichshofrats, lag jahrelang mit Frankreich im Lehensstreit, da er aus seiner mütterlichen Erbschaft Güter in Lothringen besaß. 1670 wurde der Familie die Reichsfürstenwürde verliehen.63 1694 tätigte Ferdinand Wilhelm erstmals Käufe in Paris über Alexandre Bergeret, 1699 folgte ein weiterer kostspieliger Auftrag über einen Repräsentationswagen.64 Auch in diesem Fall dürften adelige Netzwerke zum Kontakt zwischen Bergeret und Schwarzenberg beigetragen haben, 1699 berichtete Bergeret von der engen Freundschaft zwischen Johann Joseph Philipp von Harrach, Adam Franz Karl von Schwarzenberg und einem jungen Grafen Dietrichstein, alle drei waren Söhne der Auftraggeber Bergerets auf Kavalierstour in Paris65 (vgl. Abb. 16 unten).
62 Vgl. WURZBACH: Biographisches Lexikon. Bd. 35 1877, S. 20–22. 63 Vgl. WURZBACH: Biographisches Lexikon. Bd. 33 1877, S. 19–20, 27–28. 64 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 1. Feb. 1694 und 20. Feb. 1699. 65 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 20. Feb. 1699.
8.1 Sozialkapital in Paris und Wien
Abbildung 16: Bergerets Verbindungen zum Wiener Hof, Ausschnitt aus dem Teilnetzwerk 1694–1699.
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8 Bergerets Netzwerk
Anhand des Netzwerks 1694–1699 (vgl. Abb. 16) wird deutlich, dass sich Alexandre Bergeret über Harrach in Wien neue Kundenkreise erschlossen hatte. Insbesondere mit den Lamberg, Waldstein, Dietrichstein, Schwarzenberg, Trautson, Sinzendorf, Starhemberg, Mollard, Mansfeld und Windischgrätz bewegte er sich in einem engen Kreis von Familien, die während der Regierungszeit Leopolds I. alle wesentlichen Hofämter inne hatten und damit den Kern des eigentlichen Hofadels in Wien bildeten,66 der auch unter Karl VI. mit kleineren Personalveränderungen weiterbestand.67 Aus diesem Kreis fehlten Bergeret nur Kontakte zum Haus Liechtenstein. Die Familie Liechtenstein beschäftigte seit der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts französische Handwerker wie den Sticker de Noielle oder den Sattler Biannyer (vgl. Kap. 5.2 und 4.1). Die Analyse des Immigrantennetzwerks ergab, dass gerade das Haus Liechtenstein durch hohe Betweenness-Werte besonders gute Kontakte zu den wichtigsten französischen Immigranten in Wien besaß. Die Liechtensteins waren auf die Vermittlungstätigkeit Bergerets nicht angewiesen, da sie selbst direkte Verbindungen an den französischen Hof pflegten. 1685 gingen sieben Pferde in Begleitung eines ganzen Trosses aus der renommierten Liechtensteinischen Zucht68 an Ludwig XIV. persönlich.69 Bergerets Netzwerk orientierte sich damit am sogenannten „gesamtösterreichischen“ Adel, der ein Produkt des 30-jährigen Krieges und der Umbildungen der Adelsstruktur durch die Konfiskationen nach der Schlacht am Weißen Berg war. Im Zentrum von Bergerets Netzwerk standen Familien, die sowohl in den österreichischen Erblanden als auch in Böhmen oder Mähren begütert waren wie die Harrach, Dietrichstein, Schwarzenberg, Lamberg und Trautson und ihre Ursprünge oft in den Erblanden besaßen. Von den ursprünglich alteingesessenen böhmischen Familien hatte Bergeret Verbindungen zu den Waldsteins und kurze Zeit zu den Sternbergs und Schlicks, Namen wie Slavata, Kolovrat oder Lobkowitz fehlen gänzlich.70 Nach dem Fall von Wenzel Eusebius von Lobkowitz, der die französischen Interessen in der spanischen Frage unterstützt hatte, folgten ihm als Obersthofmeister von Leopold I. nur Adelige, die dem Bergeret-Netzwerk angehörten, nach: Maximilian von Lamberg, Ferdinand von Dietrichstein und Ferdinand Bonaventura von Harrach.71 Mit den Dietrichstein und Schwarzenberg band Bergeret Familien an sich, die im Verlauf des 17. Jahrhunderts die Reichsfürstenwürde erlangt hatten und somit auch einen erheblichen Prestigegewinn verbuchen konnten. Alexandre Bergeret agierte insofern innerhalb einer im Aufstieg begriffenen neuen Gruppe von Adelsfamilien, die selbst eng an den Kaiser gebunden waren, und genau jene Schicht in Wien darstellten, die ihre soziale Position am Hof auch 66 Vgl. DUINDAM: Vienna and Versailles 2003, S. 105. 67 Vgl. PEČAR: Ökonomie 2003, S. 53–66. 68 Vgl. Johannes KRÄFTNER: Pferde, Wagen, Ställe. Pferdetradition im Haus Liechtenstein. München/Berlin/London [u.a.] 2006. 69 ÖStA, HHStA, RHR, Passbriefe 10, unfoliert. 70 Vgl. WINKELBAUER: Fürst und Fürstendiener 1999, S. 39–43. Robert John Weston EVANS: Das Werden der Habsburgermonarchie 1550–1700. Gesellschaft, Kultur, Institution. Wien/ Köln/Graz 1986, S. 161–164. 71 Vgl. SPIELMAN: Leopold I. 1981, S. 74–75.
8.1 Sozialkapital in Paris und Wien
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über Konsumkäufe in Frankreich sichtbar machen wollte und konnte. Dass die französische Kultur eine höfische war, kam dem Konsumentenkreis nur entgegen. Alle genannten Familien nützten in geringerem oder größerem Ausmaß das Kulturmanagement Bergerets. Letztlich spiegelt die Vernetzung Alexandre Bergerets in Wien in weiten Bereichen auch das Netzwerk von Ferdinand Bonaventura von Harrach wider, das nicht vor der kaiserlichen Familie endete. Harrach stand in engem persönlichem Verhältnis zu Leopold I. und wurde nach seiner Rückkehr aus Spanien 1698 Obersthofmeister von Leopold I. und in dieser Funktion auch erster Minister. Es ist anzunehmen, dass Bergeret in seiner Zeit in Wien durch Harrach Anbindung zum Hof fand. Bergeret begann jedenfalls ab etwa 1680 Bücherkäufe für Leopold I. zu tätigen, die Harrach bei ihm in Auftrag gegeben hatte: „suivant les ordres de V. Ex.ce iay achette tous les livres pour S. M. J. a la reserve de 2 que ie fais relier.“72 Im selben Jahr bot er dem Kaiser über Harrach den Kauf der Bibliotheca Thuana an. Sie war die maßgebende öffentlich zugängliche Gelehrtenbibliothek Frankreichs im 17. Jahrhundert und basierte auf der Sammlung des Parlamentspräsidenten, Gelehrten und Schriftstellers Jacques-Auguste de Thou (1553–1617) und seinem gleichnamigen Sohn. Nach dem Tod des Erben gelangte sie mit etwa 13.000 Bänden zum Verkauf.73 Bergeret bezifferte ihren Wert mit 20.000 livres (10.000 fl.).74 Die Vermittlung dieser Bibliothek nach Wien hätte eine besondere Visitenkarte für Bergrets Kommissionsgeschäfte dargestellt, denn auch Ludwig XIV. war ernsthaft an ihr interessiert. Dieses Geschäft kam aber nicht zustande. Die Bibliothek ging schließlich um die von Bergeret genannte Summe an den Marquis de Ménars und später an den Duc de Rohan. Bergeret knüpfte 1677/1678 über die Verbindungen von Harrach Kontakte zu zwei der wichtigsten Bankiers in Wien, zu Ottavio Pestaluzzi und zu Johann Karl Bartolotti,75 der von 1694 bis 1704 das Amt des Feldkriegszahlmeisters bekleidete und schließlich als Freiherr von Partenfeld geadelt wurde. Bartolotti öffnete Bergeret weitere Wege zum Hof, er war bei der Vermittlung und Taufe von türkischen Gefangenen in Wien mit Hieronymus Scalvignoni in Verbindung gekommen, der als Referent für die Angelegenheiten von türkischen Gefangenen mit diesen Aufgaben betraut war.76 Hieronymus Scalvignoni begann seine Karriere als erster Kammerdiener bei Leopold I., stieg dann zum Hofkammerrat und Kammer-
72 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 12. April 1680. 73 Vgl. Antoin CORON: „ut prosint aliis“. Jacques-Auguste de Thou et sa bibliothèque. In: Claude Jolly (Hg.): Histoire des bibliothèques françaises. Bd. 2: Les bibliothèques sous l'Ancien Régime, 1530–1789. Paris 1988, S. 101–107. 74 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 1. Jän. 1679 und vom 28. April 1680. 75 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 1. und 15. April 1677. 76 Vgl. Karl TEPLY: Türkentaufen in Wien während des großen Türkenkrieges 1683–1699. In: JB des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 29 (1973), S. 71.
280
8 Bergerets Netzwerk
zahlmeister auf und gehörte am Hof zum Einflussbereich von Harrach.77 Wie die Netzwerkanalyse für 1694–1699 ergab, korrespondierte Bergeret später regelmäßig mit Hieronymus Scalvignoni und erledigte den Bücherkauf für den Kaiser über ihn (vgl. Abb. 16).78 Auch hier wird der Multiplikatoreffekt von sozialem Kapital in Wien sichtbar, den Bergeret optimal zu nutzen wusste. Über Harrach gelangte er in Wien an Bankiers, die für den Adel und den Hof arbeiteten, und über deren Kontakte wiederum konnte er selbst den Kaiser beliefern. Scalvignoni versuchte darüber hinaus, Bergeret weitere Kommissionsgeschäfte am Hof zu vermitteln. 1698, als die Vorbereitungen zur Hochzeit von Erzherzog Joseph getroffen wurden, war Bergeret als Lieferant für die Ausstattung der Hochzeit im Gespräch. Zu diesem äußerst prestigeträchtigen und politisch aufgeladenen Geschäft kam es ebenfalls nicht. Zur gleichen Zeit wurde Jean Trehet, französischer Tapissier und Gartenarchitekt in Wien, im Auftrag des Erzherzogs Josephs und seines Erziehers Karl Theodor Otto von Salm nach Paris geschickt, um dort Zeichnungen und Risse von Gebäuden und Möbeln für den Wiener Hof anzufertigen. Harrach wiederum verwies Trehet an Bergeret, der ihn in Paris bei seiner Mission wohl unterstützte (vgl. Abb. 16).79 Wenn auch nicht jedes Kommissionsgeschäft oder Vermittlungsprojekt Bergerets in Wien realisiert werden konnte, wie die Hochzeitsausstattung von Erzherzog Joseph oder der Bibliothekskauf für den Kaiser, so gelang es ihm jedoch, sich in Wien ein breites Betätigungsfeld an Kommissionsgeschäften zu schaffen, das nur durch den Schneeballeffekt eines erfolgreichen Netzwerks realisierbar war. Die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sich aus diesen Geschäften für Bergeret ergaben, sind schwer zu schätzen. Laut der Abrechnungen für Harrach investierte dieser jährlich etwa zwischen 280 und 1.442 fl., besondere Bestellungen wie Repräsentationswägen nicht eingerechnet.80 Angesichts der Regelmäßigkeit und Dauer der Geschäftsbeziehungen ist von mindestens 30.000 fl. auszugehen, die Harrach über Bergeret umsetzte. Allein 1700 mahnte Bergeret bei Harrach Außenstände von über 5.000 fl. ein.81 Dazu kamen die Investitionen anderer Adelsfamilien. Franz Anton von Dietrichstein schuldete Bergeret bei seinem Ableben noch über 500 fl.,82 Harrachs Schwiegersohn Philipp Karl Emmanuel von Longueval blieb ihm 6.000 fl. schuldig.83 Auch unter diesen Auftraggebern ist von großen Schwankungen in der Höhe der Umsätze und in der Dauer der Geschäftsbeziehungen auszugehen. Aufgrund der fehlenden Korrespondenzen können auch hier nur Annahmen zu Umsätzen gemacht werden. Insgesamt dürften 77 Vgl. Wolfgang PIRCHER: Verwüstung und Verschwendung. Adeliges Bauen nach der zweiten Türkenbelagerung. Wien 1984, S. 46. 78 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 6. April 1698, 26. Jän. und 16. April 1699. 79 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 6. April 1698. 80 ÖStA, AVA, Harrach 217 und 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 17. Feb. 1679, 28. April 1679 und 21. Sept. 1701. 81 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 14. Nov. 1700. 82 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 7. März 1702. 83 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 19. März 1703.
8.2 Kommunikation, Transportnetzwerk und Macht
281
sich die Transaktionen Bergerets mit Wiener Kunden weit jenseits der 100.000Gulden-Marke belaufen haben und bildeten damit die Grundlage zu Bergerets wirtschaftlichem und sozialem Aufstieg in Paris und seinen späteren Investitionen am französischen Geldmarkt (vgl. Kap. 7.1.), wiewohl keine Angaben über Bergerets tatsächliche Gewinnspannen gemacht werden können. Gewinne aus Finanztransaktionen und Wechselbriefen, die sich aus der Bezahlung von Bergerets Diensten als Kulturmanager ergaben, sind aufgrund fehlender Quellenangaben ebenfalls nicht zu erfassen. Ohne ein effizientes Networking, ohne die Ausschöpfung der Verbindungen, die Harrach seinem Kulturmanager in Wien bot und ohne entsprechendes soziales Kapital in Paris, das ihn als Kulturmanager interessant für Wiener Kunden erscheinen ließ, wäre Bergeret niemals in der Lage gewesen, solch ein Unternehmen erfolgreich zu etablieren und aufrechtzuerhalten. Bergerets Netzwerk zeichnete sich sowohl in Paris als auch in Wien durch enorme Flexibilität aus, bestimmte Verbindungen nach Wien können allerdings als institutionalisiert bezeichnet werden, so zum Beispiel die Verbindungen zu Harrach selbst, zur Familie Lamberg, Waldstein und Dietrichstein und die Verbindungen zum Wiener Bankhaus Pestaluzzi, das die geschäftliche Abwicklung und die Deckung der Wechsel übernahm. Wie Bergerets Netzwerk im Einzelnen, vom Transport der Waren bis zum Einlösen der Wechsel, funktionierte, ist noch zu klären. Es zeichnet sich jedoch ab, dass es offensichtlich kaum eine österreichische Adelsfamilie von Rang gab, die nicht bei Bergeret Kultur- und Repräsentationsgüter aus Paris bestellte. Kulturmanagement stellte somit einen erheblichen Wirtschaftsfaktor für den Vermittler in Paris ebenso wie für die Kunden in Wien dar und basierte wesentlich auf sozialem Kapital, wie die Netzwerkanalyse verdeutlichte. 8.2
KOMMUNIKATION, TRANSPORTNETZWERK UND MACHT
„Ayant ces jours passez receu du S De Bergeret un pacq.t pour V. Ex.ce couvert de toile cyrée Je le fit hier poster par la voye de Cologne vers Vienne.“84
Joseph de Chaumont, Thurn- und Taxisscher Sekretär in Brüssel,85 zeichnete im Bergeret-Netzwerk für die Weitergabe von Büchertransfers und die Abwicklung kleinerer wie größerer Pakete von Paris via Brüssel nach Wien von 1678 bis 1703 verantwortlich.86 Hinter diesem Dreieck Bergeret, Chaumont und Ferdinand Bonaventura von Harrach sind eindeutig die Person Harrach und seine Verbindungen als Botschafter in Spanien in die Postzentrale der Thurn und Taxis nach Brüssel zu erkennen. Chaumont, später Premier Official in Brüssel, trat in das Transportnetzwerk von Bergeret ein, als dieser endgültig nach Paris zurückkehrte, und füll84 ÖStA, AVA, Harrach 223, Korrespondenz Joseph de Chaumont, Brief vom 14. April o. J. 85 Vgl. Wolfgang BEHRINGER: Im Zeichen des Merkur. Reichspost und Kommunikationsrevolution in der Frühen Neuzeit. Göttingen 2003, S. 558 und 574. 86 ÖStA, AVA, Harrach 223, Korrespondenz Joseph de Chaumont 1678–1703.
282
8 Bergerets Netzwerk
te damit ein Funktionsvakuum aus, das Bergeret bis dahin selbst ausgeführt hatte, nämlich den realen Transport der Produkte von Paris nach Wien. Drei der unzähligen Warenlieferungen an Harrach brachte Bergeret persönlich zum Empfänger, 1671 reiste er dazu nach Wien, 1673 nach Madrid und 1676 wieder nach Wien. Danach gründete er in Paris eine Familie und forcierte seine Karriere bei Hof. Um all die Aufträge und Kommissionsgeschäfte für den Wiener Adel weiterhin erledigen zu können, reichten Esprit, Kenntnisse des französischen Hofes und seiner Moden und Verbindungen zum Hof allerdings nicht aus. Bergeret benötigte ein tragfähiges Netzwerk zwischen Paris und Wien, das die eigentlichen Transportleistungen für ihn erledigte, zu dem auch Joseph de Chaumont zählte, und ein Netz an vertrauenswürdigen Finanziers, die ihm die Abwicklung der Geschäfte in Wien erleichterten. Er musste sich daher Geschäftspartner suchen, die selbst wiederum weitere Verbindungen zu Händlern oder Bankiers hatten. Dieses Netzwerk umfasste, wie zu zeigen sein wird, geographisch gesehen halb Europa. Er nutze den Multiplikationsfaktor von sozialem Kapital auch in der praktischen Umsetzung seiner Kommissionsgeschäfte optimal aus. Ein wesentlicher Faktor für die Darstellung und Erklärung von Bergerets Transport- und Dienstleistungsnetzwerk ist die Multiplexität seiner Verbindungen im Netzwerk. Multiplexität misst den Grad an Beziehungen, die verschiedene Intensitätswerte oder Qualitäten aufweisen.87 In der Bewertung von Multiplexität werden gern binäre Unterscheidungen getroffen, besonders der Gegensatz zwischen familiären Verbindungen versus Geschäfts- oder Berufsverbindungen fand Eingang in die historische Netzwerkanalyse, so auch bei der Medici-Studie, die zum Ergebnis kam, dass gerade die Medici im Florenz des 15. Jahrhunderts ihre Heiratsverbindungen strikt von ihren Geschäftsverbindungen trennten und eben darin der Erfolg der Familie lag.88 Für das Bergeret-Netzwerk sind binäre Unterscheidungen nicht zielführend. Zum einen trennte Bergeret Familie und Geschäft nicht stringent. Seine Frau etwa übernahm in der Zeit seiner Abwesenheit die Abwicklung der Post, und seinen Schwager Jamin schickte er mit Aufträgen und Warenlieferungen nach Wien.89 Zum anderen erweist sich die Multiplexität von Bergerets Verbindungen als so vielschichtig, dass eine adäquate Beschreibung dieser Komplexität Aufmerksamkeit zollen muss. Im Bergeret-Neztwerk werden daher folgende Beziehungsebenen unterschieden: Auftraggeber, Kunde, Korrespondent, Informant, Vermittler, Transportperson und Bankier. Die Unterscheidung von Auftraggeber und Kunde ist wichtig, da nicht jeder Auftraggeber gleichzeitig der Empfänger des Auftrags war und nicht jeder Auftrag zu Ende geführt wurde. Korrespondenten sind Personen, mit denen Bergeret prinzipiell in Briefkontakt stand, ihre Funktion im Netzwerk ist nicht institutionalisiert und konnte von Fall zu Fall variieren. Vermittler stellten für Bergeret wichtige und neue Personenverbindungen her und sind ein Anzeichen für den Multiplikator87 Vgl. JANSEN: Einführung Netzwerkanalyse 2006, S. 109–110. 88 Vgl. PADGETT/ANSELL: Action. In: American Journal of Sociology 98/6 (1993), 1259–1319. 89 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 28. April und 11. Sept. 1679 und 26. April 1680.
8.2 Kommunikation, Transportnetzwerk und Macht
283
effekt von Sozialkapital, unterscheiden sich aber von reinen Informanten. Transportpersonen wiederum leisteten wichtige Dienstleistungen im Bergeret-Netzwerk, nämlich die Mitnahme oder das Überbringen von Waren, und die Bankiers übernahmen die Vorfinanzierung von Bergerets Geschäften über Kredite und das Einlösen seiner Wechsel. In ego-zentrierten Netzwerken können Multiplexitätswerte nur für Ego und die Beziehungen zu seinen Alteri gemessen werden. Sie werden aus dem Verhältnis der multiplexen Verbindungen einer Person zur Zahl aller Ego-AlterBeziehungen ermittelt. Da für Egos Alteri keine vollständige Datengrundlage herrscht, sind die Multiplexitätswerte der meisten Alteri nicht aussagekräftig oder vergleichbar.90 Im Bergeret-Netzwerk wurden Multiplexitätswerte daher nur für Bergeret und Harrach errechnet (Werte zwischen 0 und 1 vgl. Abb. 17). Die Berechnung der Multiplexität bei Harrach wurde vorgenommen, obwohl sie nicht seine reale Multiplexität abbildet, daher verlaufen seine Werte weit unter jenen von Bergeret. Die Multiplexitätswerte von Harrach sind immer in Relation zu den Bergeret-Werten zu sehen und beziehen sich rein auf Harrachs Multiplexität im persönlichen Netzwerk Bergeret. Was im Vergleich der beiden Multiplexitätswerte und ihrem Verlauf jedoch auffällt, ist, dass sie im Wesentlichen über alle Phasen des Netzwerks parallel verlaufen. Dies zeigt, wie eng das Netzwerk von Bergeret an die Person Harrach, seinen mit Abstand wichtigsten Kunden, gebunden war, was allerdings auch aus der Quellenlage resultiert. Vergleicht man nun die Multiplexitätswerte mit der Netzwerkgröße, so zeichnet sich ab, dass sich die Multiplexität im Bergeret-Netzwerk völlig entgegengesetzt zur Netzwerkgröße verhält (vgl. die skalierte y-Achse in Abb. 17). Steigt die Netzwerkgröße an, sinken die Multiplexitätswerte von Bergeret und Harrach. Verkleinert sich hingegen das Netzwerk, steigt Bergerets Multiplexität. Offensichtlich schaffte es Bergeret bei personalen Engpässen im Netzwerk, seine Aufgaben und Funktionen geschickt auf andere Personen aufzuteilen, sodass etwa auch adelige Kunden oder Auftraggeber beispielsweise mit Transportleistungen betraut wurden. Dies war vor allem in seiner Zeit in Wien 1677/1678 und gegen Ende seiner Korrespondenz während des Spanischen Erbfolgekriegs 1701–1703 der Fall, wie die folgenden Beispiele zeigen.
90 Bei einer Berechnung von M = me(Ego) / (n-1), liegen die Werte immer zwischen 0 und 1, vgl. JANSEN: Einführung Netzwerkanalyse 2006, S. 109–110.
284
8 Bergerets Netzwerk
0,35
100 90
0,3
80 0,25
70
0,2
60 50
0,15
40
0,1
30
Bergeret Harrach Netzwerkgröße
20 0,05 0 1669-1671
10 1673-1676
1677-1678
1694-1699
0 1701-1703
Abbildung 17: Multiplexität und Netzwerkgröße Bergeret und Harrach.
Erst die Multiplexität von Bergerets Verbindungen ließ das europaweite Netzwerk richtig effizient und funktionsfähig werden, was wiederum einen Mehrwert für Kunden wie Harrach erbrachte und die Professionalität von Bergerets Kulturmanagement zeigt. Die höchsten Multiplexitätswerte überhaupt weist naturgemäß Bergerets Verbindung zu Harrach auf. Harrach war Kunde, Korrespondent, Auftraggeber, aber auch Informant und vor allem Vermittler weiterer Kontakte und Überbringer von Waren. Bergeret gelang es, nicht nur ihn, sondern auch zahlreiche andere Adelige, die gleichzeitig Kunden waren, als Transportpersonen und Vermittler zu instrumentalisieren, besonders dann, wenn sie sich gerade auf Reisen befanden. Bergeret gab Maria Elisabeth von Waldstein auf ihrer Durchreise in Paris 1701 beispielsweise nicht nur Waren, die er für sie vorbereitet hatte, mit, sondern auch ein Bücherpaket, das sie ihrem Bruder Ferdinand Bonaventura von Harrach übergeben sollte.91 Ludwig Philipp von Sinzendorf händigte Harrach bei seiner Rückkehr aus Paris 1701 eine Kiste mit Waren von Bergeret aus.92 Gerade während des Spanischen Erbfolgekrieges waren multiplexe Verbindungen von Vorteil, da der Brief- und Warenverkehr zwischen Paris und Wien über Brüssel durch die französische Besetzung der Spanischen Niederlande erheblich erschwert wurde. Die Kommunikation und der Briefverkehr funktionierten prinzipiell in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zwischen Paris und Wien relativ konstant und durch die Reichspostordnung auf sicherem Wege. Seit 1660 war der Brief- und Paketverkehr zwischen Frankreich und Spanien vertraglich geregelt, die französische Post stellte gegen Zahlung einer Transitgebühr die reibungslose Zustellung der Post von Paris nach Brüssel in zwei Tagen sicher. Von Brüssel existierte seit dem Ende des 15. Jahrhunderts die Thurn- und Taxissche Postverbindung durch 91 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 8. Nov. 1701. 92 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 24. Okt. 1701.
8.2 Kommunikation, Transportnetzwerk und Macht
285
das Reich nach Innsbruck und Wien.93 Dies war auch der Grund, weshalb Joseph de Chaumont in Brüssel die geeignetste Person für die Übermittlung von Bergerets Paketen nach Wien war. Während des Spanischen Erbfolgekriegs kam es nun durch die Besetzung Brüssels zum Verlust der Thurn und Taxis-Postzentrale und 1701 zur französischen Übernahme und Reform der Post unter Philipp V.94 Bergeret beklagte sich ab 1702 mehrmals über die Unterbindung des freien Briefverkehrs zwischen Brüssel und Wien. Aus diesem Grund ging er dazu über, seine Sendungen entweder über Basel und Schaffhausen zu verschicken, wo sie jedoch ebenfalls kriegsbedingt längere Zeit liegen blieben.95 Daher nützte Bergeret die Gelegenheit und gab seine Warensendungen ausreisenden Adeligen nach Wien mit, die in der Regel einen Passbrief besaßen und Waren ohne Verzollung mitnehmen konnten. So gab er Prinz Schwarzenberg im September 1702 neben Waren für Schwarzenberg selbst Pakete für Maria Elisabeth von Waldstein und den Grafen Kaunitz mit auf den Weg.96 Eben diese Kumulation von Aufgaben ist für die hohen Multiplexitätswerte im Bergeret-Netzwerk verantwortlich. Abbildung 18 zeigt einen Teilausschnitt aus dem Netzwerk 1701–1703, das den soeben beschriebenen Transport und auch die in der letzten Phase über mulitplexe Verbindungen zustande gekommenen Warentransfers nach Wien und die Interaktionen der Adeligen abbildet. Die Stärke der Verbindungen zeigt die Häufigkeit der Kontaktaufnahme zwischen Bergeret und seinen Kunden an. Nach Größe hervorgehoben sind Bergerets Alteri mit den höchsten Muliplexitätswerten in ihrer Verbindung zu Bergeret, sie fungierten im Neztwerk gleichzeitig als Auftraggeber, Kunde und Transportpersonen, bevor im März 1703 die Kommunikation zwischen Bergeret und Harrach gänzlich zusammenbrach, da die Briefe von Wien nicht mehr bis Paris durchkamen.97
93 Vgl. Wolfgang BEHRINGER: Thurn und Taxis. Die Geschichte ihrer Post und ihrer Unternehmen. München/Zürich 1990, S. 33–40, 91 und 106–111. Eugène VAILLÉ: Histoire Générale des Postes Françaises. Bd. 3: De la Réforme de Louis XIII. à la Nomination de Louvois à la Surintendance Générale des Postes. Paris 1950, S. 330–337. 94 Vgl. BEHRINGER: Merkur 2003, S. 574–575. 95 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 12. Sept. und 31. Dez. 1702. 96 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 12. Sept. 1702. 97 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 19. März 1703.
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8 Bergerets Netzwerk
Abbildung 18: Multiplexe Verbindungen im Bergeret-Netzwerk, Ausschnitt aus dem Teilnetzwerk 1701–1703.
Ein weiterer wesentlicher Grund für Multiplexität in allen Phasen von Bergerets Kulturmanagement lag in der Vermeidung von Zoll- und Frachtkosten. Dies betraf natürlich wieder Personen, die Transportfunktionen oder -leistungen übernahmen. Auch hier waren es großteils eigene Kunden aus dem Wiener Adel, wie in Abb. 18. Bergeret versuchte auch vor dem Spanischen Erbfolgekrieg stets, ausreisenden Adeligen Warenlieferungen nach Wien mitzugeben, denn die dadurch erlangte Kostenersparnis war enorm und die Sicherheit der Lieferung gewährleistet. Zölle und Mauten stellten im 17. Jahrhundert nach wie vor ein erhebliches Handelshindernis dar. Obwohl Colbert 1664 versuchte, das bestehende Wirrwarr an Binnenzöllen in Frankreich zu vereinheitlichen, schuf er allerdings keine tatsächlichen Verbesserungen für den freien Warentransfer. Da Zölle eine unabdingbare staatliche Einnahmequelle darstellten, die von Städten und Steuerpächtern eingehoben wurden, erhielten sich zahlreiche Sonderregelungen weit ins 18. Jahrhundert hinein. Frankreich war prinzipiell in drei Zollzonen aufgeteilt. Den Kern bildeten die Cinq grosses fermes, zu denen die wichtigsten und ältesten Krondomänen zählten, wo eine freie Zirkulation der Waren herrschte. Daneben bestanden die provinces reputées étrangères wie etwa das Artois oder das Lyonnais, wo Binnenzölle entrichtet werden mussten. Gebiete wie das Elsaß, die Franche-Comté und Lothringen galten als étranger effectif, wo die alten Außenzollgrenzen zwischen Frankreich und dem Reich beibehalten wurden. Diese Gebiete partizipierten an der freien Warenzirkulation des Auslands, das heißt des Reichs, stellten aber für Waren aus Frankreich kommend eine Zollgrenze dar.
8.2 Kommunikation, Transportnetzwerk und Macht
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Zusätzlich bestanden hohe Ein- und Durchfuhrzölle in Lyon und in Valence,98 die Maut für die Benützung von Straßen, Kanälen und Brücken fiel bei der Durchfuhr von Exportgütern nicht an.99 Allein der Pariser Ausfuhrzoll kostete Bergeret pro Warenladung etwa 200 livres (~ 100 fl.) abhängig vom Gewicht der Ladung.100 In Frankreich konnte der Zollzuschlag in Summe zwischen 5% und 100% des Einkaufspreises betragen.101 Im Reich war die Situation aufgrund der Zersplitterung der Territorien noch problematischer. Zwischen Basel und Rotterdam bestand durchschnittlich alle 10 km eine Zollstelle, in Baden-Durlach hingegen alle 17 km. An der Donau von Ulm bis Passau wurden alle 15 km und weiter bis Wien alle 20 km Zölle eingehoben. Obwohl seit dem 16. Jahrhundert im Reich vermehrt Transitzölle pro Territorium nur noch einmal eingefordert wurden, lag die Zollbelastung je nach dem Weg der Ware zwischen 20% und 60%, manchmal auch weit darüber. Zu einem System der Grenz- und Gebietszölle kam es im Reich erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts.102 In Österreich ging man ab 1672 vermehrt zur Einhebung von Schutzzöllen über, abgesehen davon war der Import von französischen Waren ohnedies ab 1674 streng verboten.103 Durch die Beibehaltung von Binnenzöllen in Linz, Krems oder Wien etwa und die Einhebung der Mauten kam es zu einer erheblichen Mehrfachverzollung der Waren.104 Bergeret nützte daher jede Gelegenheit, die sich ihm bot, um Zölle umgehen zu können, wie etwa 1671, als ihm Gottlieb Amadeus von Windischgrätz für Waren Platz in seiner Kutsche anbot, „pour eviter les douyanes qui ne seront pas petites.“105 Der Vorteil solcher Transportleistungen von Adeligen lag darin, dass sie für ihre Reisen Passbriefe erhielten, in denen das Mitführen von Personen und Effekten in Kisten ausdrücklich erlaubt oder spezifiziert wurde.106 Deshalb bat Bergeret 1673 Harrach um Transportleistungen, als dieser von Wien über Marseille nach Spanien reiste. Er sollte für Bergeret in Marseille bei Pierre d'Auvergne ein Warenpaket mit Landkarten, Puder, Pommade und Handschuhen und ein zweites mit Hüten mitnehmen. Bergeret trat kurze Zeit später selbst seine Reise nach Madrid an und erstattete die anfallenden Transportkosten zurück, ersparte sich aber den Zoll.107 Ordinari-Pässe von Adeligen sparten Geld und Zeit, da längere Visitationen bei den Zollstationen schneller abgehandelt wurden als bei einzeln reisenden Personen niederen Standes. Bei der Rückreise Harrachs nach Wien 98 Vgl. André FERRER: Tabac, sel, indiennes. Douane et contrebande en Franche-Comté au XVIIIe siècle. Besançon 2002, S. 15–17. 99 Vgl. Anne CONCHON: Le péage en France au XVIIIe siècle. Paris: Diss. 2000, S. 15. 100 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 13. Feb. 1671. 101 Vgl. Jean-Pierre POUSSOU: Traites. In: Bély (Hg.): Dictionnaire de l'Ancien Régime 2005, S. 1222. 102 Vgl. Otto STOLZ: Zur Entwicklungsgeschichte des Zollwesens innerhalb des alten Deutschen Reiches. In: VSWG 41 (1954), S. 26–34. 103 WStLA, Patente 659/1674. 104 Vgl. Ferdinand TREMEL: Wirtschafts- und Sozialgeschichte Österreichs. Wien 1969, S. 249. 105 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 30. Jän. 1671. 106 ÖStA, HHStA, RHR Passbriefe 4, f. 307r–309r bzw. Passbriefe 10, Akt Liechtenstein, unfoliert. 107 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 11. Aug. 1673.
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8 Bergerets Netzwerk
1677 ließ Bergeret von seinem Geschäftspartner Santereaux aus Paris wieder Waren in Lyon hinterlegen, die Harrach nach Wien transportierte, obwohl die gewerbsmäßige Einfuhr französischer Waren nach Wien theoretisch verboten war. Befürchtungen Harrachs entgegnete er, dass man in Wien nicht so genau bei der Kontrolle sei. Er bot Harrach auch an, sich bei den Waren aus dem Paket, bedienen zu können.108 Harrach bekam nicht nur Waren von Bergeret über andere Wiener Adelige, er agierte vice versa selbst als Verteiler von Waren, die Bergeret nach Wien an seine Kunden schickte. 1699 spezifizierte Bergeret in einem Begleitschreiben, welche Waren einer aus neun Ballen bestehenden Lieferung für welche Kunden zur Weitergabe bestimmt waren: „un paquet pour Mr. Maignin, un pour Scalvinioni, et une boette pour Mr. Parelle Gouverneur du Jeune Comte de Lamberg.“109 Besonders förderlich war auch, dass einer der wichtigsten Wasserzölle entlang der Donau, der Privatzoll Aschach, ab 1627 der Familie Harrach selbst gehörte.110 Die Höhe der anfallenden Zoll- und Mautkosten darf nicht unterschätzt werden je nach dem Weg, den eine Ware nahm. Angesichts der stark divergierenden Zollzuschläge in Frankreich und im Reich können diesbezüglich jedoch keine verbindlichen Einschätzungen gemacht werden, vor allem auch, da Zölle als Mengenzölle nach unterschiedlichen landesüblichen Maßeinheiten abgerechnet wurden.111 In Summe erwuchs Bergeret aus multiplexen Verbindungen zum Adel jedenfalls ein erheblicher wirtschaftlicher Vorteil, was den Transport seiner Waren betraf. Größere Warenlieferungen, wie in Einzelteile zerlegte Repräsentationswagen oder Ballen an Stoffen und Kleidern, musste Bergeret fachgerecht verpacken und von Spediteuren nach Wien bringen lassen.112 Die Route Paris – Wien, etwa 1.300 km, nahm im Normalfall ihren Weg über Straßburg nach Ulm, wo man die Waren auf der Donau einschiffte und bis Wien den Wasserweg wählte.113 Das französische Wegenetz wurde nach dem Westfälischen Frieden nach Westen bis ins Elsaß ausgeweitet.114 Straßburg stellte dann die erste große Außenzollgrenze dar, dies blieb auch nach der Annexion von 1681 so. Danach überquerte man den Rhein und zog direkt nach Ulm oder wählte das linksrheinische Ufer mit einem Abstecher nach Basel, da linksrheinisch um die Hälfte weniger an Zollzahlstellen zu passieren waren. Der Unterschied belief sich im 18. Jahrhundert auf 8 fl. pro 108 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 14. Okt. 1677. 109 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 26. Jan. 1699. 110 Vgl. Herbert HASSINGER: Geschichte des Zollwesens, Handels und Verkehrs in den östlichen Alpenländern vom Spätmittelalter bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Stuttgart 1987, S. 569. 111 Vgl. Rolf WALTER: Merkantilpolitische Handelshemmnisse (im territorialen Vergleich) am Beispiel eines territorial relativ zersplitterten Gebietes. In: Hans Pohl (Hg.): Die Auswirkungen von Zöllen und anderen Handelshemmnissen auf Wirtschaft und Gesellschaft vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Stuttgart 1987, S. 94. 112 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 20. März 1671. 113 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 30. Jän. 1671. 114 Vgl. Patrick MARCHAND: Le maître de poste et le messager. Une histoire du transport public en France au temps du cheval 1700–1850. Paris 2006, S. 186.
8.2 Kommunikation, Transportnetzwerk und Macht
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Wagen.115 Diese Route wählte Bergeret 1676 bei seiner zweiten Wien-Reise. Er traf nicht in Lyon auf Johanna Theresia von Harrach und sparte sich damit die Zölle von Lyon und Valence, sondern schlug sich über Basel nach Ulm durch, da das Rheinland während des Niederländisch-Französischen Kriegs permanent unter Truppenbewegungen litt und Lothringen seit 1670 besetzt war.116 Von Ulm aus schiffte sich Bergeret mit der Gräfin Harrach schließlich bis Wien ein, da Wasserstraßen auf dieser Route eine größere ökonomische Nähe boten als Landwege. Die Kostenersparnis über die Donau lag im Vergleich zum Landweg bei etwa 40%.117 Diese Reiserouten zogen es nach sich, dass Bergeret Geschäftspartner entlang der Transitroute zwischen Paris und Wien hatte, die vielgestaltige Aufgaben in Bergerets Transportnetzwerk versahen (vgl. Erläuterungen zu Abb. 19). Zahlreiche weitere Beziehungen zu Geschäftspartnern und Bankiers gestalteten sich von Fall zu Fall ebenso multiplex und reziprok wie jene zu Adeligen. Im geschickten Zusammenspiel von komplexen Beziehungen und ihrem Multiplikatoreffekt lag letztendlich die hohe Effizienz und Funktionalität des Bergeret-Netzwerks. Sein Geld- und Transportnetzwerk war ein wesentlicher Faktor für die Attraktivität Bergerets als Kulturmanager für seine Wiener Kunden, und auch hier agierte Bergeret nicht abgekoppelt von Wiener Netzwerken. Bestimmte Verbindungen in Bergerets Transportnetzwerk gingen auf die Vermittlung von Harrach zurück wie etwa die Korrespondenz und jahrelangen Transportleistungen von Joseph de Chaumont in Brüssel.118 Da Harrach von Beginn an grundlegend in das Kulturmanagement Bergerets involviert war, überrascht dies prinzipiell nicht. Daneben besaß Bergeret aber Kontakte, die er bereits zu Beginn seiner Tätigkeiten 1670 aufweisen konnte und somit nicht auf die Vermittlung von Harrach zurückgehen, was eindeutig die Professionalität seines Unternehmens unterstreicht.
115 Vgl. WALTER: Handelshemmnisse. In: Pohl (Hg.): Auswirkungen von Zöllen 1987, S. 99. 116 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 7. Jän. 1677. 117 Vgl. WALTER: Handelshemmnisse. In: Pohl (Hg.): Auswirkungen von Zöllen 1987, S. 111– 114. 118 ÖStA, AVA, Harrach 223, Korrespondenz de Chaumont Josef 1678–1703.
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8 Bergerets Netzwerk
Abbildung 19: Waren- und Geldflüsse im Netzwerk Bergeret, Teilnetzwerk 1677/1678; Karte: Umrisskarte Version 1, IEG Maps – Kartenserver am Institut für Europäische Geschichte Mainz.
8.2 Kommunikation, Transportnetzwerk und Macht
291
Wichtig für die Abwicklung der Geschäfte waren gute Anbindungen an den Geldmarkt am Ausgangs- und Endpunkt des Kulturtransfers, in Paris und in Wien also. Der gesamte französische Geldmarkt wurde bis ins 17. Jahrhundert von italienischen marchands-banquiers dominiert, die von Lyon aus sowohl die Staatsfinanzen als auch den Handel bedienten. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts kam es durch die vermehrte Verpachtung der Steuereinnahmen an französische Finanziers zu einer Trennung der Kapitalmärkte in Paris und Lyon. Während französische Finanziers in Paris die Staatseinnahmen vorfinanzierten, blieben die italienischen Bankiers in Lyon maßgebend für den internationalen Handel und das Wechselgeschäft.119 Bergeret partizipierte zu Beginn seiner Tätigkeiten vor allem am Netzwerk von marchands-banquiers italienischer Herkunft, da er beim Kauf von Waren und beim Einlösen seiner Wechsel auf ihre Kredite angewiesen war. Seit Beginn seiner Tätigkeiten arbeitete Bergeret mit den Bankiers Cortesia und Benzoni in Paris zusammen, die ihn auch bei persönlichen Geldgeschäften berieten (vgl. Abb. 19).120 Cortesia und Benzoni waren italienische Bankiers, die beispielsweise den Paris-Aufenthalt des päpstlichen Nuntius Fabrizio Spada 1674–1675 finanzierten.121 Sie übernahmen die Deckung der Wechsel von Harrach und hatten Geschäftspartner in Lyon, nämlich Bastero und Simonet, auf deren Dienste Bergeret spätestens ab 1673 zurückgriff.122 Bernardin Bastero, aus einer ursprünglich aus Turin stammenden Familie, hatte in Lyon in die dort eingesessene Kaufmannsund Juwelierfamilie Simonet eingeheiratet und war mit seinem Schwager JeanMathieu eine Geschäftsverbindung eingegangen.123 Erst nach seiner Heirat mit Marie Jamin bekam Bergeret über seinen Schwiegervater Zugang zum Kreis der französischen Finanziers in Paris, diese spielten aber in seinem Kulturmanagement keine namhafte Rolle. Auch Bergerets Korrespondent Crotta in Italien nahm Wechsel von Harrach entgegen und war eine Empfehlung von Cortesia und Benzoni in Paris.124 Die ursprünglich aus Bergamo stammende Familie Crotta betätigte sich im 17. Jahrhundert unrühmlich im Tiroler Bergbau und fasste schließlich in Venedig Fuß.125 Ein Kaufmann Crotta war von 1662 bis 1673 in die Übersendung der diplomati119 Vgl. COLLINS: State 1995, S. 21. BAYARD/GUIGNET: L'économie française 1991, S. 57–58. 120 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 30. Jän. 1671, 8. Sept. 1673, 31. Aug. 1676 und 2. Dez. 1678. 121 Vgl. Ségolène DE DAINVILLE: Maison, dépenses et ressources d'un Nonce en France sous Louis XIV., d'après les papiers du Cardinal Fabrizio Spada. In: Mélanges d'archéologie et d'histoire 82 (1970), S. 961–963. 122 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 20. und 28. Sept. 1676. 123 Vgl. Jean TRICOU: A propos d'un cachet du Musée de Lyon aux armes du Maréchal de Villeroy et des familles Desvignes et Simonnet. In: Nouvelle Revue héraldique, historique et archéologique 3/4 (1919), S. 41–44. 124 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 13. Mai und 1. Juli 1677. 125 Vgl. Eva MONGI-VOLLMER: Meisterwerke aus dem Städel Museum. Frankfurt 2007, S. 102. Robert R. VON SRBIK: Überblick des Bergbaues von Tirol und Vorarlberg in Vergangenheit und Gegenwart. Innsbruck 1928, S. 180–181.
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8 Bergerets Netzwerk
schen Pakete zwischen Leopold I. und seinem Botschafter Pötting in Spanien involviert und war auch immer wieder vor Ort in Madrid anwesend.126 Crotta stellte daher ein mögliches Bindeglied zwischen Ferdinand Bonaventura von Harrach in Spanien und Bergeret in Paris bzw. in Wien dar (vgl. Abb. 19). Mit Crotta, Cortesia und Benzoni hatte Bergeret international tätige Bankiers an der Hand, die vor allem Finanzierungen und Dienste für diplomatisch tätige Personen aus dem Hochadel übernahmen, was besonders wichtig für Bergerets Kunden in Wien war. In Wien arbeitete Bergeret in erster Linie mit dem Bankhaus Pestaluzzi (Pestalozzi) zusammen, dieser Kontakt ging auf Harrach zurück, der seit 1666 mit Johann Anton Pestaluzzi geschäftlich verbunden war.127 Auch die Pestaluzzi finanzierten adelige Reiseunternehmen ähnlich wie Crotta, Cortesia und Benzoni. Die Familie Pestaluzzi (Pestalozzi) stammte aus der Schweiz und Oberitalien und handelte im 16. Jahrhundert mit Textilien und Kupfer. Bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts verlegte sich die weit verzweigte Familie auf Finanztransaktionen. Ableger des Handels- und Finanzhauses bestanden in Chiavenna, Plurs, Como, Florenz, Mailand, Venedig, Zürich, Lyon, Augsburg, Nürnberg und Wien. Im 30-jährigen Krieg agierten sie sowohl als Finanziers als auch als Händler, die unter anderem die Versorgung der kaiserlichen Truppen aufrechterhielten. Der Wiener Zweig der Familie agierte äußerst erfolgreich als kaiserlicher Geldgeber bei der Beschaffung der Brautgeschenke und Finanzierung der Hochzeitsfeierlichkeiten von Ferdinand III. mit Eleonore Gonzaga etwa oder bei den Pachtverhandlungen über die Quecksilberbergwerke in Idria 1657. Die Pestaluzzi machten Karriere als Finanzbeamte am Hof und wurden bereits 1623 geadelt.128 Sie fungierten darüber hinaus als Geldgeber für den Adel und seine Reisen, unter anderem für das Haus Harrach und Liechtenstein.129 Es kann angenommen werden, dass Bergeret von dieser Verbindung nicht nur finanziell profitierte, sondern auch das Netzwerk der Pestaluzzi, das Verbindungen nach Antwerpen aufwies und von Lyon bis Krakau reichte, für sich nutzen konnte. Ottavio Pestaluzzi, mit dem Bergeret den überwiegenden Teil seiner Wiener Geschäfte abwickelte, eröffnete in Wien ein zweites Bankhaus, das sich auf den italienischen Geldmarkt spezialisierte. Er arbeitete in der Verwaltung der Quecksilberbergwerke von Idria mit Johann Karl Bartolotti zusammen, der 1677 Bergeret einen Kredit anbot.130 Darüber hinaus unterstützte er den Kaiser in der Finanzierung von Botschaften und 126 Vgl. Alfred Francis PRIBRAM (Hg.): Privatbriefe Kaiser Leopold I. an den Grafen Pötting. 1662–1673. In: Fontes Rerum Austriacarum. Diplomata et Acta 56/57 (1903/1904), S. 352 und 64. 127 ÖStA, AVA, Harrach 288, Korrespondenz von Pestaluz Johann Anton, 1666–1682. 128 Vgl. Lambert F. PETERS: Der Handel Nürnbergs am Anfang des dreißigjährigen Krieges. Strukturkomponenten, Unternehmen und Unternehmer. Stuttgart 1994, S. 179–184. Hanns Leo MIKOLETZKY: Schweizer Händler und Bankiers in Österreich (vom 17. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts). In: Institut für Österreichische Geschichtsforschung (Hg.): Österreich und Europa. Festgabe für Hugo Hantsch zum 70. Geburtstag. Graz/Wien/ Köln 1965, S. 151–155. 129 Vgl. HEIß: Ihro keiserlichen Mayestät. In: Oberhammer (Hg.): Welt 1990, S. 169. HAUPT: Leidenschaft 1998, S. 109. 130 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 15. April 1677.
8.2 Kommunikation, Transportnetzwerk und Macht
293
Gesandtschaften, indem er diese vorfinanzierte, und war somit mit zahlreichen Familien des Hofadels bekannt.131 Die Pestaluzzi spielten eine enorm wichtige Rolle im Bergeret-Netzwerk, denn unter ihrem Namen wurden zahlreiche Transaktionen für den Wiener Adel durchgeführt: „[...] Comme les habits pour le mariage du Jeune comte de Hoyos et du prince Montecucoli Madame de Rosemberg et dautres personnes de qualite qui font venir le tout soub le nom des banquiers de Vienne“.132
Über die finanziellen Angelegenheiten hinaus unterhielt Bergeret in zahlreichen Städten auf der Route von Paris nach Wien Korrespondenten und Kontakte unterschiedlichster Art (vgl. Abb. 19). In Marseille bezog er Waren von Pierre d'Auvergne,133 Informationen über Tapissierien erhielt er von Martini in Antwerpen.134 Für die Abwicklung der Post und kleinerer Lieferungen hatte er von Beginn an einen Korrespondenten in Brüssel, später übernahm dies Joseph Chaumont.135 Thomas Granger, von 1681 bis 1709 Handelsmann, hofbefreiter Perückenmacher und Hofkomödienausstatter in Wien,136 war mit Bergeret bekannt und übernahm auf seinen Reisen zwischen Paris und Wien Transportdienstleistungen für Bergeret,137 ebenso wie Charles Gouvillier und Chambaud.138 Entlang der Reiseroute nach Wien kannte Bergeret zahlreiche Ansprechpartner, die ihn bei seinen Transfers hilfreich unterstützten, so in Basel die Familien Faesch (Fesché) und Socin.139 Die Socins waren als Refugiantenfamilie zuerst Gastwirte, dann Notare und schließlich auch Bankiers.140 In Schaffhausen kannte er zwei Kontaktpersonen, zum einen Jean Hurter141 und zum anderen Bär, der wiederum selbst einen Korrespondenten in Nürnberg weitervermittelte.142 In Ulm war Bergeret mit Matthias Stürzel bekannt, der Händler und Rat zu Ulm war und Be-
131 Vgl. MIKOLETZKY: Schweizer Händler. In: Institut für Österreichische Geschichtsforschung (Hg.): Österreich und Europa 1965, S. 154–155. 132 Mit banquiers de Vienne ist das Bankhaus Pestaluzzi gemeint, ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 12. Jän. 1699. 133 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 11. Aug. 1673. 134 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 24. Aug. 1673. 135 ÖStA, AVA, Harrach 223, Korrespondenz de Chaumont Josef 1678–1703. 136 ÖStA, HHStA, OMeA, Alte Akten 5, f. 370r und Protokolle 4, f. 292r/v. 137 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 26. Jän. 1699. 138 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 3. Feb. und 21. März 1702. 139 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 3. Jan., 3. Feb. 1670 und 12. Okt. 1676. 140 Vgl. Fränzi JENNY: Buurget, Saaresyy und Meeriaa. Alteingesessene Basler Familien und ihre Geschichte. Basel 2004, S. 33 und 71. 141 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 14. und 18. Juni 1694. 142 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 14. Okt. 1677.
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8 Bergerets Netzwerk
ziehungen zur Straßburger Messe besaß,143 wo auch Bergeret mehrere Gewährsmänner hatte: Hann und Schüsse sowie das Bankhaus Kornmann.144 Die lutherischen Bankiers Pierre Kornmann und Söhne spielten im gesamten 18. Jahrhundert im regionalen Bankgeschehen von Straßburg eine wichtige Rolle und beteiligten sich auch an internationalen Transaktionen als Stafettenstation zwischen Frankreich und Süddeutschland, allen voran an den geheimen Subsidienzahlungen Frankreichs an Bayern 1728–1733.145 Für Bergeret waren Verbindungen entlang der Transitroute extrem wichtig, besonders die Kontakte nach Straßburg erwiesen sich als essentiell, da es auf der Post- und Transitroute als Zollzahlstelle für französische Exporte ins Reich einen Knotenpunkt darstellte. Bergeret schickte seine Warenlieferungen per Spedition an seinen Korrespondenten Kornmann nach Straßburg, der sich um die Formalitäten kümmerte und den Weitertransport nach Basel veranlasste, wo wieder ein Kontakt Bergerets die Waren in Empfang nahm und nach Ulm abfertigte.146 Die Verbindungen Bergerets entlang der Transitroute Frankreich – Wien brachten auch Synergieeffekte für seine Kunden. Als Ferdinand Bonaventura von Harrach 1678 verspätet aus Spanien über Frankreich nach Wien zurückkehrte, konnte er auf seiner Reise bei einzelnen Stationen auf Kontaktpersonen Bergerets zurückgreifen: Harrach startete in Madrid, nahm in Lyon ein Paket für Bergeret in Empfang, das Bänder und Hauben enthielt, von denen er sich bedienen konnte, und brachte dieses nach Schaffhausen zu Bär. Von Lyon aus konnte er Kaufaufträge nach Paris entweder an Joyé oder Santereaux senden. In der Zwischenzeit hatte Bergeret Matthias Stürzel in Ulm dazu veranlasst, für Harrach ein Boot mit sieben Dienstboten anzuheuern, das ihn die Donau entlang bis Wien bringen sollte (vgl. Abb. 19).147 Diese Dienstleistungen kamen einem Botschafter auf Reisen sehr entgegen, brachten für den Kunden einen echten Mehrwert und steigerten somit Bergerets Attraktivität. Gerade das Beispiel von Matthias Stürzel als Korrespondent in Ulm und gleichzeitig als Auftragsempfänger Bergerets und Dienstleister für Harrach zeigt, wie Multiplexität in Bergerets Transportnetzwerk funktionierte und in welchem Umfang Bergeret und Harrach es nutzen konnten. Schlussendlich stellt sich die Frage, wie sehr Bergeret lenkend auf sein Netzwerk einwirken konnte, um den Überblick behalten und mögliche Konkurrenten kontrollieren zu können, die sich aus seinem unmittelbaren Umfeld in Paris verselbständigen konnten. Da Zentralitätswerte, explizit die Betweenness-Centrality,
143 Vgl. Stefan LANG: Stadtarchiv Ulm. Familienarchiv Schermar. Akten. Ulm 2009, S. 4. 144 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 3. Jän. 1670, ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 12. April 1694. 145 Vgl. Peter Claus HARTMANN: Geld als Instrument europäischer Machtpolitik im Zeitalter des Merkantilismus. Studien zu den finanziellen und politischen Beziehungen der Wittelsbacher Territorien Kurbayern, Kurpfalz und Kurköln mit Frankreich und dem Kaiser von 1715 bis 1740. München 1978, S. 147. 146 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 3. Jän. 1670. 147 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Briefe vom 22. Juli, 14. und 28. Okt. 1677.
8.2 Kommunikation, Transportnetzwerk und Macht
295
in ego-zentrierten Netzwerken keine Aussagekraft besitzen,148 wird in diesem Fall der Clustering Coefficient als Maß für Kontrolle und Macht in Ego-Netzwerken herangezogen. Der Clustering Coefficient misst, in welchem Ausmaß die Alteri von Ego miteinander verbunden sind, er ist das Maß für Cliquenbildung und Freundeskreis und liegt zwischen 0 und 1. Er ist für jede Person einzeln ermittelbar, aber auch für das gesamte Netzwerk (CC gesamt). Je höher der Clustering Coefficient ist, desto besser vernetzt sind die Alteri von Ego, desto weniger Einfluss besitzt allerdings Ego.149 Für möglichst viel Kontrolle und Macht muss Ego darauf achten, dass seine Alteri sich nicht zu sehr untereinander vernetzen. Egos Clustering Coefficient muss daher möglichst klein sein. Betrachtet man den Clustering Coefficient von Alexandre Bergeret, so wird ersichtlich, dass er genau diese Strategie verfolgte (vgl. Abb. 20). Verglichen mit Harrachs Clustering Coefficient und auch mit den Werten für die gesamten Netzwerke weist Bergeret deutlich geringe Werte auf, sie übersteigen nie den Wert 0,05, während Harrach stets Werte um 0,1 und höher besitzt. Offenbar gelang es Bergeret, die Verlinkung seiner im Netzwerk wichtigen Personen großteils zu unterbinden und den Einfluss von möglichen Konkurrenten einzuschränken bzw. dies in seiner Korrespondenz zu suggerieren, um seine eigene Position zu stärken.
0,6000
0,5000
0,4000 CC gesamt
0,3000
Bergeret Harrach
0,2000
0,1000
0,0000 1669-1671
1673-1676
1677-1678
1694-1699
1701-1703
5 Teilnetzwerke Bergeret
Abbildung 20: Clustering Coefficient Bergeret, 1669–1703. 148 Vgl. SCOTT: Network Analysis 2009, S. 82–94. 149 Vgl. WATTS/STROGATZ: Dynamics. In: Nature 393/4 (1998), S. 440–442. ASSENOV/ RAMÍREZ/SCHELHORN/LENGAUER/ALBRECHT: Parameters. In: Bioinformatics 24 (2008), S. 282–284.
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8 Bergerets Netzwerk
Ein Beispiel dafür ist die Familie Benier. Jean-Baptiste Benier und seine Schwester tauchten 1676 im Netzwerk von Bergret auf. Der Korrespondenz nach dürfte Harrach Benier bereits zuvor in Paris kennengelernt haben. 1676 vermittelte Bergeret Mademoiselle Benier als Coiffeuse und Kindermädchen in den Haushalt der Harrachs nach Wien.150 Jean-Baptiste Benier arbeitete im Umfeld von Bergeret und dürfte etwas später ebenfalls über die Vermittlung von Bergeret bzw. Harrach nach Wien gekommen sein. Während Mademoiselle Benier nicht in Wien blieb, da Johanna Theresia mit ihr nicht zufrieden war,151 versuchte der Bruder in Wien sesshaft zu werden und erlangte über die Protektion von Harrach um 1685 einen Posten im Hofstaat von Erzherzog Joseph, der ihm eine vorteilhafte Heirat und die Gründung einer Familie ermöglichte. Benier bot Harrach vor allem in den 1690er Jahren immer wieder seine Dienste und Kommissionsgeschäfte an, besonders wenn er mit dem Hofstaat des Erzherzogs unterwegs war.152 Auch Beniers Schwester versuchte von Paris aus weiterhin für die Familie Harrach in Kommissionen tätig zu bleiben,153 was ihr allerdings nicht gelang, da Bergeret gegen sie intrigierte. Als Harrach 1698 auf seiner Heimreise von Madrid in Paris Halt machte und Madame Benier diese Gelegenheit nutzen wollte, ihm ihre Aufwartung zu machen und ihm ihre Dienste anzubieten, gelang es Bergeret, ein Treffen zu verhindern. Ihr Urteil über Bergeret in einem ihrer letzten Briefe an Harrach verdeutlicht die Situation: „que ce ne soit Mr Bergeret qui veut faire le petit gouverneur et est jaloux de tout et je crois quil avet dit a Monsieur vostre frere que nous nestions point a Paris car cant jy envoye il dit quil ne my croies pas sepandant Mr Bergeret ne deveret pas soposser a cela“154
Auch im Fall Bonnaire sind ähnliche Verhaltensmuster bei Bergeret erkennbar. Philipp Karl Emmanuel von Longueval, der spätere Schwiegersohn von Harrach, beauftragte 1694 nicht Bergeret mit dem Kauf und der Ausstattung eines Repräsentationswagens, sondern einen Kaufmann namens Bonnaire, der sich dann mit Bergeret wegen der Farbauswahl in Verbindung setzte. Dies war offensichtlich ein Eingriff in Bergerets Geschäfts- und Einflusssphäre.155 Bergeret versuchte daher, das Geschäft an sich zu bringen. Etwas später beauftrage Longueval dann auch Bergeret mit seinen Kommissionsgeschäften für die bevorstehende Hochzeit mit Rosa Angela von Harrach. Bergeret kümmerte sich in weiterer Folge um den Fortschritt beim Wagenbau und lieh Bonnaire Geld, damit dieser die Geschäfte vorantreiben konnte, und versicherte Harrach, er werde die Ankäufe beaufsichtigen, sodass das Geld gut angelegt sei.156 Schlussendlich schrieb er den Erfolg der 150 ÖStA, AVA, Harrach 217, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 23. Aug. 1676. 151 ÖStA, AVA, Harrach 350, Tagzettel vom 4. und 5. Dez. 1676. 152 ÖStA, AVA, Harrach 216, Korrespondenz Beinier J. B., Briefe s.d., vom 20. Mai, 17. Juni 1698 und 3. Jän. 1704. 153 ÖStA, AVA, Harrach 216, Korrespondenz Madame Beinier, Briefe vom 4. Okt. o.J., 1. Juni 1698 und 19. Dez. 1700. 154 ÖStA, AVA, Harrach 216, Korrespondenz Madame Beinier, Brief vom 21. Sept. 1698. 155 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 15. Feb. 1694. 156 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 12. April 1694.
8.2 Kommunikation, Transportnetzwerk und Macht
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Geschäfte sich selbst zu, denn Bonnaire wäre nicht fähig gewesen, in so kurzer Zeit die richtigen Entscheidungen zu treffen und das Geld ordentlich zu veranlagen.157 Bergeret ließ sich nicht gerne Kunden abspenstig machen und reagierte auf junge Konkurrenz rechthaberisch. Bergeret hatte klar erkannt, welche Chancen sich ihm durch Harrach im Wiener Adel eröffneten und versuchte, diese optimal auszunützen. Dazu gehörte auch, sein Netzwerk vor Konkurrenz zu schützen, im eigenen Netzwerk die Zügel fest in der Hand zu halten und damit Macht auszuüben. Bergerets oberstes Ziel war es stets, sein Netzwerk möglichst breit anzulegen, es sollte aber dennoch kontrollierbar und funktionstüchtig bleiben. Er schaffte es, eine Ausgewogenheit zwischen Offenheit und Macht in seinem Netzwerk herzustellen, die für den Erfolg seines Unternehmens wichtig war und die die Professionalität von Bergerets Kulturmanagement aufzeigt. Auf der einen Seite garantierte er durch die hohe soziale und geographische Reichweite seines Netzwerks größtmögliche Attraktivität und Dienstleistung für die Kunden. Auf der anderen Seite stellte er durch die Ausschöpfung multiplexer Verbindungen Flexibilität im Netzwerk her und sorgte gleichzeitig für Kontrolle durch eine niedrige Vernetzung seiner Geschäftspartner untereinander. Ohne die Erkenntnisse einer netzwerkanalytischen Untersuchung seiner Korrespondenz wären das Phänomen Bergeret, sein Kulturmanagement und sein Erfolg in dieser Klarheit nicht zu verdeutlichen. Schlussfolgerungen Ego-zentrierte Netzwerke gelten als relationaler Ansatz in der Netzwerkanalyse, da sie nur einen Teilausschnitt aus Gesamtnetzwerken darzustellen vermögen und nur wenige Maßzahlen verlässlich interpretierbare Daten liefern. Dementsprechend wurde die ego-zentrierte Netzwerkanalyse für historische Fragestellungen oft nur deskriptiv eingesetzt. Die vorliegende Studie zeigt darüber hinausgehend Möglichkeiten des sinnvollen Einsatzes von ego-zentrierter Netzwerkanalyse für die Geschichtswissenschaft anhand des Kulturmanagements von Alexandre Bergeret auf. Ego-Netzwerke kommen einer Analyse von Korrespondenzen sehr entgegen, sowohl der Briefverkehr als auch der ego-zentrierte Ansatz fokussieren eine Person und ihre Einbettung in ein soziales System. Die Bewältigung der umfangreichen Korrespondenz von Bergeret an Harrach von 1669 bis 1703 und ihre inhaltliche Komplexität standen im Vordergrund der Untersuchung. Ziel war es vor allem, Sozialkapital, Multiplexität, Transportnetzwerk und Machtstrukturen adäquat darzustellen und auch über mathematische Berechnungen fundiert begründen zu können. Dafür wurden die Netzwerkgröße, die Multiplexität und der Clustering Coefficient gezielt eingesetzt. Kulturmanagement funktionierte im 17. Jahrhundert wesentlich über soziale Kontakte. Um von Paris nach Wien erfolgreich agieren zu können, benötigte Alexandre Bergeret ein weitgespanntes soziales Netzwerk sowohl in Paris als auch in 157 ÖStA, AVA, Harrach 218, Korrespondenz Alexandre Bergeret, Brief vom 28. Juni 1694.
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8 Bergerets Netzwerk
Wien. Die Netzwerkanalyse zeigte, wie eng Bergerets Netzwerk in Wien an die Person Ferdinand Bonaventura von Harrach gebunden war. Er eröffnete Bergeret in Wien Zugang zu Bankiers, zum Hochadel und zum Hof im Allgemeinen. Letztlich war Bergeret über Mittelsmänner in der Lage, selbst den Kaiser mit Kommissionsgeschäften zu bedienen. Sozialkapital definiert sich grundlegend nicht nur über den Besitz von Verbindungen, sondern auch über die Möglichkeit, die weitere Vermittlung von Verbindungen der eigenen Alteri zu nutzen. Genau dies machte das Netzwerk von Alexandre Bergeret so effizient. Er betrieb in Wien permanentes Networking durch das Mobilisieren eigener Kontakte und der Harrachs, wodurch er sich einen enormen Kundenstock in Wien erarbeitete, der die Grundlage für seinen ökonomischen Aufstieg bildete. Kaum eine Wiener Adelsfamilie aus dem „gesamtösterreichischen“ Adel bestellte nicht französische Luxusartikel bei Bergeret in Paris. Der Erfolg des Kulturmanagements hing aber auch in erheblichem Maße davon ab, wie sich Bergerets Einbettung in die französische Hofgesellschaft gestaltete, denn das Kulturmodell des französischen Hofes versuchte er in Wien zu vermarkten. Er besaß von Beginn seiner Arbeit an ein funktionierendes Netzwerk zu bestimmten französischen Adelsfamilien und über diese zu Hofhandwerkern. Darüber hinaus gelang es ihm früh, über die Organisation von Audienzen Zugang zu Botschafterkreisen und zum Hof und damit Sichtkontakt zu den maßgebenden Mitgliedern der königlichen Familie zu erhalten. Dies intensivierte sich nach seinem Eintritt in die Dienste der französischen Dauphine. Nach ihrem Tod blieb Bergeret über sein Amt in der königlichen Falknerei mit dem Hof in Verbindung. Die Embeddedness Bergerets zeigt sich neben seiner Fähigkeit, Sozialkapital zu nützen, auch in der Multiplexität seiner Verbindungen. 1.300 km mussten im 17. Jahrhundert ob der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem Reich und Frankreich und ob des Einfuhrverbots französischer Waren nach Wien kommunikationstechnisch und verkehrstechnisch erst bewältigt werden. Die hohen Multiplexitätswerte Bergerets waren verantwortlich für das Gelingen seines Transportnetzwerks zwischen Paris und Wien. Dazu nutzte er in erster Linie Synergien, die sich ihm aus seinem Netzwerk im Wiener Adel boten, der auf seinen Reisen zwischen Paris und Wien selbst zu Transportpersonen instrumentalisiert wurde. Damit ging auch eine erhebliche Ersparnis an Zöllen einher. Daneben kam Bergeret das im 17. Jahrhundert immer besser organisierte und ausgebaute Postwesen zu gute. Beachtlich viele Verbindungen besaß er auch an den Transitrouten zwischen Paris und Wien, so in Straßburg, Ulm, Basel und Schaffhausen. Diese Kontakte erleichterten ihm seine Reisen und sein Kulturmanagement erheblich und konnten gleichzeitig von seinen Kunden genutzt werden. In den vielen Synergieeffekten von Bergerets Netzwerk für ihn selbst und seine Kunden lag ein wesentlicher Vorteil seiner Person und Dienstleistungen und sie waren ausschlaggebend für Bergerets Attraktivität als Kulturmanager in Wien. Seine Finanzierungsmöglichkeiten über zahlreiche international tätige Bankiers, in erster Linie aber über das Wiener Bankhaus Pestaluzzi, trugen wesentlich zum Erfolg seines Kulturmanagements bei. Trotz aller Offenheit und Flexibilität in Bergerets Netzwerk hatte er stets Bedacht, alle Steuerungsmöglichkeiten selbst in der Hand zu
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halten. Er verstand es, Konkurrenz nur bedingt zuzulassen, darin lag letztlich wohl das Geheimnis, das hinter 37 Jahren erfolgreichem Kulturmanagement stand. Bergeret sah sich und seine Kommissionsgeschäfte als professionelle Handelstätigkeit an, nach heutigen Maßstäben war er ein klassischer Dienstleister, wodurch sein Briefschluss über die barocke Grußformel hinaus durchaus wörtlich zu nehmen ist: „estant Monseigneur le plus humble et plus obeissant Serviteur Bergeret“.
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ZUSAMMENFASSUNG
Die Casa de Austria und der politische Antagonismus zwischen den Häusern Habsburg und Bourbon bedingten, dass sich der Wiener Hof und der österreichische Adel weit bis ins 17. Jahrhundert hinein kulturell an Spanien orientierten. Spätestens ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts avancierte Frankreich jedoch durch die kulturpolitischen Bemühungen Ludwigs XIV. europaweit zu einer kulturellen Referenz, die in bestimmten Bereichen und vor allem in der Repräsentation zum Vorbild für zahlreiche europäische Höfe wurde. Das französische Kulturmodell wurde besonders an den deutschen Höfen eingehend rezipiert. Der kaiserliche Hof in Wien stellte dabei allein aus politischen Gründen eine Ausnahme dar, er hielt seine kulturelle Ausrichtung auf Italien und Spanien aufrecht. Dennoch gelangten französische Kulturprodukte nach Wien. Die wichtigsten Bereiche in der österreichischen Rezeption französischer Kultur lagen, wie europaweit nicht anders, in der Repräsentationskultur und hier wiederum vor allem in der Mode, der Kosmetik, der Innenraumgestaltung, der Küche und teuren Wagen und Karossen. Innerhalb dieses Widerspruchs von Antagonismus und Vorbild, von Verweigerung und Annahme stellt sich die Frage nach der existentiellen Bedeutung von Vermittlungsinstanzen. Der kulturelle Mittler ist prinzipiell eine Grundvoraussetzung für kulturelle Transferprozesse, er erlangt aber umso mehr Gewicht, je schwieriger sich die Kontaktaufnahme zwischen den Kulturräumen zum einen und der Rezeptionsprozess aus politischen, strukturellen und institutionellen Gründen zum anderen gestaltete. Dies traf auf den Fall Frankreich – Wien im 17. und 18. Jahrhundert in hohem Maße zu. Die Frage nach den Vermittlungsinstanzen, die einen kulturellen Transfer von Frankreich nach Wien erst ermöglichten, impliziert auch die Frage nach Faktoren für das Gelingen oder Scheitern von Transferprozessen. Die Analyse der Kulturvermittlung zwischen Frankreich und Wien zeigte, dass Mobilität und Dislozierung zu den wichtigsten Merkmalen kultureller Mittler in der Frühen Neuzeit gehörten. Die Begriffe „Reisende“, „Migranten“ und „Kulturmanager“ verdeutlichen das Spektrum an Personen und ihren Funktionen innerhalb des Transferprozesses. Reisende Adelige fungierten als Rezipienten und Konsumenten von französischen Kulturgütern, traten zugleich im Vermittlungsprozess aktiv als Auftraggeber und Arbeitgeber französischer MigrantInnen in Wien auf und ermöglichten durch ihre Konsumkultur Kulturtransfer. MigrantInnen waren in jeder Hinsicht unerlässlich für einen kulturellen Austausch in der Frühen Neuzeit, denn durch ihre kulturelle Codierung in der Ausgangskultur waren sie dazu prädestiniert, zu Trägern von Kulturvermittlung zu werden. Die Untersuchung französischsprachiger MigrantInnen in Wien ergab darüber hinaus, dass nicht nur MigrantInnen aus dem Königreich Frankreich als aktive Vermittler in Wien agierten, sondern in hohem Maße auch Personen aus den französisch-
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sprachigen Gebieten des Heiligen Römischen Reichs, die im 17. Jahrhundert sukzessive der Hegemonialpolitik Ludwigs XIV. zum Opfer fielen, wie MigrantInnen aus der Franche-Comté, Lothringen, den südlichen Niederlanden und der Sprachkontaktzone Savoyen. Die Kulturvermittlung am Beispiel des Alexandre Bergeret zeigte, dass Kulturtransfer auch professionell als Kulturmanagement betrieben werden konnte. Der nach dem 30-jährigen Krieg sich formierende „gesamtösterreichische“ Adel orientierte sich in Bildung und Kultur an der gesamteuropäischen Entwicklung und die Kavalierstour stellte die erste und neben der Gesandtschaftsreise eine der wichtigsten Möglichkeiten dar, am europäischen Kultur- und Repräsentationsgeschehen zu partizipieren. Frankreich war mit Paris neben Italien die bedeutendste Station innerhalb einer Kavalierstour. Das Erlernen des französischen Bildungs-, Gesellschafts- und Repräsentationsideals war intendiertes Ziel dieser Reise. Dabei kam es auch zu permanentem Konsum französischer Produkte, vor allem im Bereich der Mode, da sie unerlässlich war für ein adäquates Auftreten in der französischen Gesellschaft oder für eine königliche Audienz. Darüber hinaus wurden stets auch Waren und Souvenirs nach Hause mitgenommen oder von der Familie bestellt. Dies ging sogar so weit, dass französische Fachkräfte in Paris für den Wiener Haushalt angeworben wurden. Die in Frankreich erlernten Verhaltensweisen in Gesellschaft, Repräsentation, Mode und Konsum veränderten einen jungen Adeligen und seine Identität nachhaltig. Die Gesandtschaftsreise spielte für den Kulturtransfer hingegen nur in Einzelfällen eine wichtige Rolle. Die diplomatischen Beziehungen zwischen Paris und Wien befanden sich nach dem 30-jährigen Krieg auf einem Tiefpunkt. Sofern Wien Gesandte nach Paris delegierte, waren dies meist Gesandte zweiten oder dritten Ranges. Ein so intensiver Kulturtransfer, wie er für die kaiserlichen Botschafter in Spanien im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert belegt ist, konnte in Paris nicht statt finden. Durch die Tätigkeit einiger weniger Botschafter, wie Ferdinand Bonaventura von Harrach 1669 etwa, ergaben sich allerdings Möglichkeiten zu kulturellen Transferprozessen. Diese betrafen aber im Wesentlichen die private Sphäre der Gesandten und fanden keinen Widerhall in der kaiserlichen Familie oder in der offiziellen Korrespondenz. Im Zentrum dieser kulturellen Importe standen die Mode, ihr semantischer Gehalt und französische Textilien. Zunehmend wurde dabei auch auf die Vermittlungsarbeit fachkundiger Korrespondenten, wie es etwa Alexandre Bergeret für Harrach war, zurückgegriffen. Bergeret arbeitete in Paris als Kammerdiener für Harrach und organisierte von diesem Zeitpunkt an zahlreiche Warenlieferungen von Paris nach Wien. Insgesamt zeigten die Beispiele an Kavaliersreisenden und Gesandtschaftsreisenden, dass die politische Loyalität zum habsburgischen Kaiserhaus und die Übernahme einer kaiserlichen Gesandtschaft in Madrid, die ein institutionelles Organ habsburgischer Hausmachtpolitik darstellte, kein Grund waren, sich nicht mit dem französischen Kulturmodell intensiv auseinanderzusetzen. Die bereits angesprochene Anwerbung französischer Fachkräfte durch österreichische Adelshäuser stellte einen der wichtigsten Gründe für die Migration von französischsprachigen Personen nach Wien dar. Die jeweiligen Emigrationsmoti-
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ve der französischsprachigen MigrantInnen fanden in der regionalen Herkunft der Migrierenden ihre Begründung. Das Recruitment war ein wichtiger Pull-Faktor für Fachkräfte aus dem französischen Kerngebiet, vor allem aus dem wirtschaftlich gut entwickelten Norden, Paris und Lyon, nach Wien zu kommen. Dafür war eine gewisse Vernetzung zum französischen Fachkräftearbeitsmarkt von Nöten, die über Vertrauenspersonen wie Alexandre Bergeret für das Haus Harrach oder Jean-Baptiste Monnot für das Haus Khevenhüller funktionierte. Beim Recruitment standen stets die besonderen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Französinnen und Franzosen in ausgesuchten Metiers im Vordergrund. Daneben fanden vor allem Personen aus Lothringen, der Franche-Comté, Savoyen und den südlichen Niederlanden, allesamt vormalige Reichsgebiete, ihren Weg nach Wien. Sie entflohen aus den von Frankreich bedrohten, besetzten oder annektierten Gebieten oder aufgrund der kriegsbedingten Zerstörung ihrer Heimat. Viele Lothringer beispielsweise folgten ihrem Herzog in die Emigration nach Wien. Die Emigration der Savoyer stellte eine gewisse Ausnahme innerhalb dieses Migrationsmusters dar. Sie migrierten als Wanderhändler zunächst nur temporär, erst an der Wende zum 18. Jahrhundert ließen sie sich definitiv in Wien nieder. Der Wanderhandel spielte in Savoyen als Einkommensmöglichkeit traditionell eine wichtige Rolle, der in vielen Fällen finanziellen Erfolg brachte und sozialen Aufstieg in Savoyen nach sich zog. Besonders die savoyischen Wanderhändler und die durch Anwerbung nach Wien geholten Fachkräfte hatten in der Residenzstadt relativ gute Chancen auf eine Anstellung in einem der renommierten Adelshäuser oder sogar beim Hof. In seiner Anstellungspolitik Französinnen und Franzosen gegenüber verfolgte das Kaiserhaus allerdings eine gewisse Ambivalenz, die nur so zu erklären ist, als dass Französischsprachige eher widerwillig oder in Ausnahmefällen als Hofhandwerker oder Hofbefreite akzeptiert wurden. Fördernd wirkten eine hohe Qualifizierung der Bewerber und ein Empfehlungsschreiben eines Adeligen, was die eminent wichtige Rolle des Adels als Mittler im Kulturtransferprozess unterstreicht. In manchen Fällen, etwa beim Tapezierer und Gartenbauingenieur Jean Trehet, zog sich die Entscheidung über die endgültige Aufnahme in den Hofdienst über Jahre hin. Neben einer direkten Anstellung im Hofstaat eines Mitglieds der kaiserlichen Familie stellte die Hofbefreiung ein probates Mittel zur Anstellung ausländischer Fachkräfte dar. Die Hofbefreiung garantierte den Französinnen und Franzosen in Form eines Privilegs die Möglichkeit zur gewerblichen Arbeit in Wien außerhalb der Zunft. Besonders viele savoyische Händler und französische Hutmacher, Perückenmacher, Sticker und Schneider arbeiteten als Hofbefreite sowohl für den Hof als auch für ein kaufkräftiges adeliges Publikum in der Residenzstadt. Die französischsprachigen ImmigrantInnen füllten am Wiener Arbeitsmarkt Lücken im repräsentativen Bereich, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts durch die Etablierung des Hofstaats in Wien und Wiens Entwicklung zur Residenzstadt nach der zweiten Türkenbelagerung entstanden. Die Nachfrage nach Dienstleistungen und luxuriösen Produkten stieg durch Hof und Adel seit der Regierungszeit Leopolds I. stetig. Der Adel orientierte sich in seiner paneuropäischen Ausrichtung dabei am französischen Vorbild. Durch das in Wien unterent-
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wickelte Gewerbe zur Herstellung von Luxusartikeln ergaben sich so Defizite bei der Deckung der Nachfrage. Diese wurde durch die Anstellung und Anwerbung von französischen Fachkräften kompensiert. Der überwiegende Großteil der französischsprachigen ImmigrantInnen in Wien arbeitete in Berufssparten aus dem höfisch-repräsentativen Bereich: Savoyische Wanderhändler versorgten Wien mit französischen Textilprodukten, französische Tapissiers wurden im kaiserlichen Hofstaat beschäftigt, zahlreiche Französinnen und Franzosen waren in der Textilverarbeitung, der Kosmetik oder im häuslichen Dienstleistungssektor als Kutscher oder Köche tätig. Die hohe fachliche Qualifikation und das gefragte Know-how sicherten ihnen in den meisten Fällen das wirtschaftliche Überleben in Wien. Dies zeigte sich in besonderer Weise bei den französischen Tapissiers im Dienst für das Kaiserhaus. Nicht immer konnten die Fähigkeiten der französischen ImmigrantInnen optimal genützt werden. Die Tapissiers mussten sich in Wien auf die Ausbesserung bestehender Wandteppiche verlegen, neue Gobelins wurden nur selten in Auftrag gegeben. Zur Gründung einer Gobelinmanufaktur unter der Ägide von Jean Trehet kam es ebenso nicht. Allerdings zeigt der Nachzug französischer Tapissiers in Wien, wie wichtig die Innenraumgestaltung nach französischem Vorbild für Hof und Adel geworden war. Kulturtransfer definiert sich unter anderem durch die Neuinterpretation eines kulturellen Elements aus der Ausgangskultur in der Empfängerkultur. Nicht in allen Bereichen sind produktive Umdeutungen von französischer Kultur in Wien sichtbar geworden. Allein die Präsenz fremder Elemente, vor allem aus der materiellen Kultur, führte jedoch zu einer veränderten Wahrnehmung von französischer Kultur und zu Veränderungen in der Selbstwahrnehmung und Identität. Ein besonderes Beispiel für geglückten Kulturtransfer aus Frankreich nach Wien bestand in der Rezeption und Adaption des französischen Modeideals. Französische Textilprodukte wurden seit Beginn des 17. Jahrhunderts nach Wien importiert, französische Handwerker aus der Textilverarbeitung fanden sich vor 1661 eher selten. Erst unter Ludwig XIV. entwickelte sich in Frankreich mit der robe à la française und dem Justaucorps ein kulturelles Modell, das von Frankreich ostentativ ins Ausland exportiert werden konnte und dort Nachahmung fand. Seit 1659 wurden in Wien im Bereich der Hutproduktion und der Stickerei französische Einflüsse rezipiert. Ab den 1670er Jahren kam es vermehrt zur Aufnahme des französischen Modeideals in Wien. Zur gleichen Zeit zeigte sich der verschärfte politisch-dynastische Konflikt mit Frankreich auch in Einfuhrverboten französischer Waren. Der Adel setzte dennoch verstärkt auf französische Kleider, indem er teilweise seine bestehenden Kleidungsstücke französisch umarbeiten ließ. Die bis dahin an der spanischen Mode orientierten Kleider wurden so mit französischen Besatzstoffen wie Bänder, Borten, Tressen oder Spitzen erneuert, wodurch sich kurzzeitig eine Mischform der einzelnen Stile entwickelte. Diese Decodierung der spanischen und der französischen Modeformen ermöglichte in Ansätzen eine produktive Umdeutung. Die in der Textil- und Lederverarbeitung tätigen französischen Handwerker trugen wesentlich zur Verbreitung und Rezeption französischer Mode in Wien bei und fungierten in jeder Hinsicht als kulturelle Mittler. Die Textilindustrie war
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neben dem Dienstleistungssektor der am schnellsten wachsende Wirtschaftszweig Wiens im 17. Jahrhundert. Französische ImmigrantInnen arbeiteten auch hier in Sparten, die der Wiener Markt nicht imstande war zu decken, nämlich im Goldund Silberdrahtzug, in der Stickerei, in der Huterzeugung und als Schneider. Beim Gold- und Silberdrahtzug wurden feinste Gold- und Silberfäden hergestellt, die wiederum das Rohmaterial für Stickereien, für die Herstellung von Tressen, Borten und Galonen und für mit Gold und Silber gewirkte Stoffe wie die draps d'or oder draps d'argent bildeten. Alle diese wertschöpfenden Gewerbe kannten in Wien keine Tradition. Es waren genau jene Luxusprodukte, die in der Regel teuer aus Frankreich importiert werden mussten, was sehr oft Wanderhändler aus Savoyen bewerkstelligten. Französinnen und Franzosen beteiligten sich in diesen Gewerbezweigen nicht nur durch ihre Arbeit am Kulturtransfer, sondern agierten durch ihre Ausbildungskompetenzen von Lehrlingen darüber hinaus als Wissensvermittler und Innovationsmotor für Wien. Solche Transferprozesse fanden auch im Hutmachergewerbe und in der Perückenherstellung statt. In allen diesen Bereichen bildete die Hofbrefreiung die Grundlage zur Ausübung des Gewerbes in Wien und zum wirtschaftlichen Erfolg der französischen MigrantInnen. Weniger erfolgreich gestaltete sich die Implementierung der französischen Küche in Wien. Die französische Küche ging im 17. Jahrhundert mit der Besinnung auf einheimische Produkte und Gewürze und mit der Weiterentwicklung von Gartechniken neue Wege. Das Überwürzen der Renaissance-Küche wurde zugunsten zarterer Geschmacksnoten aufgegeben. Eine Zutat sollte anstelle einer Mischung von Zutaten besonders hervorgehoben werden. Dafür vermehrte sich die Verwendung von Butter in Saucen, Frikassees und Ragouts. Französische Köche wurden in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts europaweit vermittelt, vor allem an deutsche Höfe und englische Haushalte. Der Erfolg dieses kulturellen Exports war aber weder in Wien noch in England durchschlagend. Der wichtigste Grund lag darin, dass sich Veränderungen in der Geschmackswelt am besten in der longue durée durchsetzen können und dass die Unterschiede zwischen der französischen Küche und der Renaissance-Küche zu groß waren. Das konkrete Beispiel der französischen Köche im Wiener Haushalt der Familie Harrach zeigte darüber hinaus, dass falsche Erwartungshaltungen auf beiden Seiten zu unüberbrückbaren Differenzen zwischen der gräflichen Familie und den französischen Köchen führten. Die Gräfin erwartete sich Sparsamkeit und Variantenreichtum. Der Pariser Koch versuchte möglichst aufwendig aber nach geschmacklicher Harmonie zu kochen. Die Remigration der Köche war das Resultat dieses gescheiterten Vermittlungsprozesses. Fälle von Remigration waren jedoch selten. Der Großteil der französischen MigrantInnen blieb in Wien und integrierte sich rasch und umfassend in die Wiener Mehrheitsbevölkerung, worin ein Grund für die „Unsichtbarkeit“ der Französinnen und Franzosen im Wiener kulturellen Gedächtnis liegt. Bei der Integration der französischsprachigen ImmigrantInnen in Wien wirkten sich zwei Faktoren positiv aus: Der höfische und adelige Arbeitsmarkt gewährleistete die rasche ökonomische Eingliederung der französischen MigrantInnen in den Wiener Arbeitsmarkt, was wirtschaftlichen und finanziellen Erfolg und sozialen Aufstieg nach
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sich zog. Französinnen und Franzosen verfolgten Karrieren in Gewerbe, Handel und Verwaltung. Daher kam es auch zu keiner residentialen Segregation am Wiener Wohnungsmarkt. Den zweiten wichtigen Faktor bei der Integration stellten die großteils exogamen Heiratsverbindungen der Franzosen dar. Dies verhinderte die Bildung einer ausgeprägten ethnic community, wie dies unter den ItalienerInnen und unter den SavoyerInnen verstärkt der Fall war. Das Netzwerk der Französinnen und Franzosen zeigte eine gute Anbindung zur Wiener Mehrheitsbevölkerung und zu den großen Adelsfamilien. Die savoyischen Einwanderer hingegen wiesen sowohl einen hohen Grad an Sozialintegration in Wien auf als auch eine größere Binnenintegration untereinander und starke Verbundenheit mit ihrer Herkunft, was sich in der Eindeutschung ihrer Namen als auch in Reinvestitionen in Savoyen zeigte. Dies traf allerdings prinzipiell auf savoyische Einwanderer im Reich zu. Insgesamt verlief die französische Integration in Wien positiv, was allerdings ihr Wirken als kulturelle Mittler bereits in der zweiten Generation beeinträchtigte. Neben der Arbeit von französischen MigrantInnen war für das Zustandekommen von kulturellen Transferprozessen zwischen Frankreich und Wien eine professionelle Vermittlertätigkeit immer wieder äußerst ausschlaggebend. Alexandre Bergeret übernahm die Rolle eines Kulturmanagers in zahlreichen Belangen für einen Großteil des Wiener Adels und in seltenen Fällen auch für den Kaiser selbst. Bergeret arbeitete in Paris in den Bereichen Repräsentation und Luxusgewerbe, als ihn 1669 Ferdinand Bonaventura von Harrach als Kammerdiener bestellte. Seit diesem Engagement war Bergeret unablässig bis 1706 für die Familie Harrach tätig. Als späterer Kammerdiener der französischen Dauphine genoss Bergeret direkten Zugang zum Hof, fand aber in Paris durch seine Heirat in die französische Steuerverwaltung ebenso gute gesellschaftliche Anbindung. Diese Vernetzung erlaubte es Bergeret, Kulturmanagement in vielerlei Hinsicht für die Familie Harrach und viele andere Wiener Adelige zu betreiben. Im Mittelpunkt dieser Vermittlungsarbeit lag der Export des französischen Repräsentationsmodells. Die wichtigsten Bestandteile seiner Warenlieferungen nach Wien waren naturgemäß Modeartikel wie Stoffe, Bänder, Borten, Spitzen, maßgeschneiderte Kleidungsstücke, Kosmetika und Perücken. Besondere Investitionen stellten die teuren Karossen und Wagen dar. Darüber hinaus agierte er auch in vielerlei Hinsicht als Informations- und Wissensmanager, indem er die wichtigsten offiziellen Journale Frankreichs nach Wien verschickte, den Mercure Galant und das Journal des Sçavans, und indem er selbst als Informant Harrach in Wien und als Botschafter in Spanien mit den wichtigsten gesellschaftlichen und kulturpolitischen Neuerungen aus Paris und Versailles versorgte. Ein wichtiges Medium zur Verbreitung des französischen Kulturmodells Ludwigs XIV. stellten neben den Journalen im 17. Jahrhundert Romane dar. Bücher aus Paris kamen regelmäßig nach Wien, dabei wurden allerdings nicht nur systemkonforme Inhalte rezipiert, sondern das gesamte Spektrum der französischen Klassik, das auch Werke systemkritischer AutorInnen beinhaltete. Hier zeigte sich erstmals auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem französischen Kulturmodell in Wien. Bergerets Arbeit für Ferdinand Bonaventura von Harrach spiegelte jedoch keine singuläre Vorliebe eines Adeligen in Wien wider. Die Tatsache, dass
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Bergeret zahlreiche Familien in Wien, zu denen unter anderen die Schwarzenberg, Sinzendorf und Waldstein zählten, in ähnlichen Ausmaßen belieferte, belegt die These, dass dieses Kulturmanagement professionell betrieben wurde, dass die Auseinandersetzung mit der französischen Kultur im Wiener Adel ein weit verbreitetes Phänomen war und dass die Vermittlung in vielen Bereichen der materiellen Kultur über die Verbindung zu professionell Tätigen wie Bergeret bewerkstelligt wurde. Bergerets Kulturmanagement erhält dadurch einen wichtigen Stellenwert innerhalb der Frage nach den Faktoren für das erfolgreiche Zustandekommen von Kulturtransfer. Es funktionierte im 17. und 18. Jahrhundert vor allem über persönliche Netzwerke. Die ego-zentrierte Netzwerkanalyse der Bergeret-Korrespondenz machte anhand der Untersuchung von Bergerets Sozialkapital, Multiplexität und Transportnetzwerk die Bedeutung funktionierender Verbindungen zwischen Paris und Wien für die reibungslose Abwicklung der Vermittlungsarbeit deutlich. Ein weiteres Ergebnis ist, dass Bergerets Kulturmanagement aufgrund fehlender institutionalisierter Verbindungen zwischen Paris und Wien auf flexible Netzwerkstrukturen angewiesen war und dass diese Flexibilität zum Funktionieren des Netzwerks beitrug. Bergerets soziale Kontakte in Paris, am Hof, unter adeligen Familien und Hofhandwerkern stellte eine wesentliche Voraussetzung für das Kulturmanagement dar. Bergerets Sozialkapital definierte sich nicht nur über seine eigenen Verbindungen im Adel und am Hof, sondern auch über die potentiell mobilisierbaren Kontakte dieser Beziehungen. Dies erhöhte die Attraktivität Bergerets als kultureller Vermittler für Wiener Adelige enorm. Über die Organisation von königlichen Audienzen in Paris bzw. Versailles agierte er auch im Kreis der in Paris sich aufhaltenden Botschafter aus ganz Europa. In Wien wiederum profitierte Bergeret vom Netzwerk Harrachs und baute sich über dessen Kontakte ein Kundennetzwerk auf, das den Großteil der am Hof agierenden Adelsfamilien umfasste und über Verwaltungsbeamte sogar bis zu Leopold I. reichte. Das Kulturmanagement funktionierte kommunikationstechnisch in erster Linie über die Korrespondenz zwischen Paris und Wien. In zweiter Linie benutzte Bergeret das vorhandene Postnetz zum Versand seiner Warenlieferungen. Allerdings versuchte er stets, auch Synergien aus bestehenden Verbindungen zu Reisenden nutzen zu können, um Versandkosten und Zölle zu sparen. Adelige fungierten so selbst nicht nur als Konsumenten, sondern auch als Vermittler oder Überbringer von Waren für andere. Die Effizienz von Bergerets Transportnetzwerk lag im Besonderen in der Multiplexität seiner Kontakte, die es ihm auch in Kriegszeiten, in denen der Postversand problematisch wurde, eingeschränkt ermöglichte, Wien mit seinen Lieferungen zu erreichen. Aus diesem Grund besaß Bergeret auch beachtlich viele Verbindungen entlang der Transitrouten zwischen Wien und Paris in Straßburg, Ulm, Basel oder Schaffhausen beispielsweise. Auf die Dienste der Kontaktpersonen entlang der Reiserouten konnten Wiener Adelige im Ernstfall zurückgreifen, was zur Funktionalität von Bergerets Netzwerk beitrug. Für die Abwicklung der Geschäfte griff er auf ein Netzwerk von international tätigen Bankiers in Paris, Lyon und Wien zurück, in dem das Wiener Bankhaus Pestaluzzi eine wichtige Rolle für die Transaktionen mit dem Wiener Adel
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spielte. Das Bergeret-Netzwerk zeichnete sich aus durch eine geschickte Verschränkung von multiplexen Verbindungen, durch eine offene und flexible Struktur bei der Wahl der Kontaktpersonen und durch die Steuerung von Konkurrenz, die Bergeret verstand, unter Kontrolle zu halten. Bergerets Netzwerk funktionierte von Beginn seiner kulturellen Vermittlungsarbeit an. Er hielt es über 37 Jahre lang aufrecht und war somit ein kultureller Dienstleister im modernen Sinne. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der Kulturtransfer von Paris nach Wien angesichts des Betrachtungszeitraums 1630 bis 1730 trotz des politischen Antagonismus der beiden regierenden Häuser in einem Jahrhundert zustande kam, in dem der Kaiser vier große kriegerische Auseinandersetzungen mit dem König von Frankreich ausfocht. Die Kriegshandlungen verhinderten nur bedingt kulturelle Transferprozesse oder verstärkten diese paradoxerweise noch: Der 30-jährige Krieg führte zum ersten größeren Exodus von Führungsschichten, Handwerkern und Händlern aus den französisch besetzten Gebieten wie der Franche-Comté, Lothringen oder Savoyen nach Wien. Auch die folgenden Auseinandersetzungen wie der Devolutionskrieg und die Besetzungen Lothringens und der FrancheComté führten zu einer verstärkten Auswanderung qualifizierter Kräfte nach Wien. Das Kulturmanagement Bergerets überstand ohne Probleme den Devolutionskrieg, die Annexion Straßburgs und den Pfälzischen Erbfolgekrieg, obwohl gerade Letzterer die Transitrouten am Rhein und in Süddeutschland verwüstete. Erst im Spanischen Erbfolgekrieg brach die Kommunikation zwischen Harrach und Bergeret nach zwei Jahren Krieg und ein Jahr nach französischer Übernahme der kaiserlichen Post ab. Dies unterstreicht die eminent wichtige Rolle von Mittlerpersönlichkeiten für kulturelle Transferprozesse, denn ohne ein funktionierendes Netzwerk hätte Bergeret auch im Spanischen Erbfolgekrieg seine Transfers nicht aufrecht erhalten können. Im konkreten Fall Frankreich – Wien zeichneten dafür sowohl der konsumorientierte Adel in Wien als auch zahlreiche französischsprachige MigrantInnen verantwortlich.
UNGEDRUCKTE QUELLEN ÖSTERREICHISCHES STAATSARCHIV Haus-, Hof- und Staatsarchiv Reichshofrat Fabriks-, Gewerbe- und Handlungsprivilegien: Kartons 2, 3, 6, 7, 8, 9, 10, 11; Passbriefe: Kartons 2, 4, 5, 6, 9, 10, 11, 13, 14, 17; Staatenabteilung Frankreich Berichte und Weisungen: Kartons 23, 24, 25, 26, 27; Hofarchiv Obersthofmeisteramtsakten: Kartons 1, 2, 3, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 12; Obersthofmeisteramtsprotokolle: Bücher 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7; Familienarchiv Khevenhüller-Metsch Kartons 17, 21, 24, 41, 42, 49, 62, 162; Kammer am Attersee: Faszikel 3, 7, 9, 10, 11, 12, 13; Allgemeines Verwaltungsarchiv Familienarchiv Harrach Handschriften 134; Kartons 59, 73, 115, 157, 216, 217, 218, 223, 241, 243, 244, 279, 288, 321, 334, 350, 677, 770, 771, 774, 2556, 2693, 2715, 2979; Adelsarchiv Reichsadelsakten: AAK 10.IV.1654 Hofadelsakten: AAK 27.IX.1709
WIENER STADT- UND LANDESARCHIV Alte Ziviljustiz A1 Testamente: 8734/1684, 10137/1686, 9062/1687, 9417/1692, 9485/1694, 10191/1694, 10135/17. Jh., 10291/17. Jh., 842/1707, 4455/1729; A2 Verlassenschaftsabhandlungen: 12/15 1634, 3/23 1678, 3/24 1678, 5/19 1685, 33/61 1708, 163/2 1708, 39/35 1709, 48/53 1712, 349/1 1718; Totenbeschreibamt B1 Totenbeschauprotokolle: 1675–1676, 1681–1684, 1684–1688, 1692–1697, 1705– 1708, 1728–1729; Bürgereidbücher B1 Originale: Band 1; B1 Duplikate: Band 33; Patente: 408/1644, 659/1674, 783/1689, 809/1692, 913/1702; Hauptarchiv Akten und Verträge: 3/1659, 10/1683;
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Ungedruckte Quellen
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BIOGRAPHISCHE DATEN ZU FRANZÖSISCHSPRACHIGEN MIGRANTINNEN IN WIEN 1630–1730 Die folgende tabellenartige Aufstellung sammelt alle relevanten biographischen Daten der 131 französischsprachigen MigrantInnen in Wien, die in der vorliegenden Arbeit Berücksichtigung fanden. Die Namenszeile bietet Angaben zu den Lebensdaten und Angaben über die belegte Aufenthaltsdauer des Migrierenden in Wien. In den meisten Fällen kann von längeren Aufenthalten ausgegangen werden, jedoch wurden hier nur über Quellen oder Literatur gesicherte Daten aufgenommen. Darüber hinaus finden sich Informationen zur Herkunft, zu Namensvariationen und zur Namensherkunft, sofern die Herkunft nicht gesichert ist. Weiters werden Daten zu Ehepartnern, Kindern, Tätigkeiten und Auftraggebern sowie zum Besitzstand und zum Wohnort bekannt gegeben. Unter „Sonstiges“ wurden weiterführende Informationen, die in irgendeiner Art und Weise für die Arbeit von Wichtigkeit waren, zusammengetragen. Die letzte Zeile dokumentiert den Quellenstand zur jeweiligen Person. Dabei wurden sowohl ungedruckte Quellen als auch Literatur, wie folgt, berücksichtigt: Alle Obersthofmeisteramtsprotokolle (OMeA, Protokolle) und Obersthofmeisteramtsakten (OMeA, Akten) sowie die Privilegien des Reichshofrats (RHR) stammen aus dem Österreichischen Staatsarchiv (Haus-, Hof- und Staatsarchiv), die Bezeichnung „HHStA-Tabelle“ bezieht sich auf die vom Haus-, Hof- und Staatsarchiv online gestellte Quellenauswertung zum Hofstaat Leopolds I.1 Das Kürzel „Haupt“ bezieht sich auf den jeweiligen Eintrag im Handbuch zum Hof- und hofbefreiten Handwerk,2 Das Kürzel „Haupt (Liechtenstein)“ auf die Quellenedition zum Haus Liechtenstein im 17. Jahrhundert3 und „Haupt (Kameralzahlamtsbücher)“ auf die jeweiligen Regesten.4 „Harrach“ und „Khevenhüller“ korrelieren mit den entsprechenden Kartons in den jeweiligen Familienarchiven im Österreichischen Staatsarchiv (AVA und HHStA). Die unter Punkt Namensvariationen und Namensherkunft angegebenen Daten speisen sich aus den Nachschlagewerken von Albert Dauzat5 und Laurent Fordant.6
1 2 3 4 5 6
Vgl. http://www.oesta.gv.at/site/6662/default.aspx [Stand: 15.01.2011]. Vgl. Herbert HAUPT: Das Hof- und hofbefreite Handwerk im barocken Wien 1620 bis 1770. Ein Handbuch. Innsbruck/Wien 2007. Vgl. Herbert HAUPT: Von der Leidenschaft zum Schönen. Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein (1611-1684) Quellenband. Wien 1998. Vgl. Herbert HAUPT: Kunst und Kultur in den Kameralzahlamtsbüchern Kaiser Karls VI. Teil I: Die Jahre 1715–1727. In: MÖSTA Erg. Bd. 12 (1993). Vgl. Albert DAUZAT: Dictionnaire étymologique des noms de famille et prénoms de France. Paris 1951. Albert DAUZAT: Les noms de famille de France. 3. Aufl. Paris 1977. Vgl. Laurent FORDANT: Tous les noms de France et leur localisation en 1900. Paris 1999.
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Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
Bailet Quintin Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen
gest. 1698 in Wien
in Wien: 1673 (Hofdienst)–1698 (Tod)
Baillet, Balliet Balliet Nach Dauzat (1977) très répandu! Fordant (1999, 52) Bailet besonders in Nizza, Paris und Ile-de-France; Balliet bes. im Elsass, an der Somme (Picardie) und im Nord-Pas-de-Calais Hat 3 Töchter: Johanna; Adelheid (verh. Martinin) und Anna (verh. Truchetin) Ksl. Leibschneider Hof (Kaiserin Claudia Felicitas, ab 1679 Kaiserin Eleonore Magdalena) HQ in des Camelli Haus in der Bognergasse (bei Kammerdiener Dupre) Testament vom 16. Sept. 1698; Zeugt für Tresal (1694) HHStA, OMeA Akten 3: Dez. 1675, 1. Okt. 1673; Haupt 263; HHStATabelle
Bauer Joseph Anton Herkunft Namensvariationen Ehepartner und Kinder Tätigkeiten Quellen
in Wien: 1691 (Hochzeit) Besançon, Franche-Comté Baur Verheiratet mit Judith Klara NN, seit Feb. 1691, Witwe des Tußin Bullin (Goldarbeiter) = Toussain Poulain Voluntier HHStA-Tabelle
Beaufils Antonius Namensvariationen Namensherkunft
in Wien: 1710–1712 Peaufils Antoni Laut Dauzat (1951) attributiver Name zu Beau, épithète; nach Dauzat (1977) erscheint der Name nicht vor dem 15. Jh.; Fordant (1999, 70): bes. Haute Normandie, Basse Normandie, Paris Fagottist Hof HHStA, OMeA, Protokolle 7: 09. Jän.,7. Aug. 1710, 16. Apr. 1712, OMeA, Akten 12: 9. Jän. 1710
Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen
in Wien: 1690–1691 Bechet Claudius Bernardus Herkunft Besançon, Franche-Comté Namensvariationen Beschet Namensherkunft Laut Dauzat (1951) Diminutiv von Bec, kein Ort; Dauzat (1977) keine Angabe Tätigkeiten und Priester, Kaplan, Sänger Auftraggeber Hof Quellen HHStA, OMeA, Protokolle 4: Sept. 1690, 8. April 1691; OMeA, Akten 8: 6. Feb., 8. April 1691 Benier Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen
in Wien: Dez. 1676–Aug. 1677 Frankreich, Paris Laut Dauzat (1951) Bénier von Bernier, ancien nom de baptême et nom de famille du germ. Bern-hari Dienerin, Gesellschafterin, Erzieherin Johanna Theresia von Harrach Harrach 350, 217
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730 Biannyer Louis Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges Quellen
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in Wien: 1666–1682 Frankreich Biannyaer Wahrscheinlich Bénier, laut Dauzat (1951) von Bernier, ancien nom de baptême et nom de famille (germ. Bern-hari) Fürstlicher Hofsattler Karl Eusebius von Liechtenstein Wird 1666 von Karl Eusebius von Liechtenstein nach Wien berufen, weil der alte Sattler mit französischen Wagen nicht umgehen kann Haupt (Liechtenstein) 906, 1552
in Wien: 1642 Boneth Hanns Christoph Herkunft Savoyen (?) Namensherkunft Laut Dauzat (1951) von Bonnet, ancien nom de baptême, nom de famille, très répandu; laut Duden 2005 hugenottischer Name zum franz. Heiligennamen Bonnet (Bischof von Clermont); laut Kremer (1995) vor allem Südwesten und Süosten Ehepartner und Sohn des Franz Bonneth Kinder Tätigkeiten und Hofhandelsmann in Wien, Handel mit Seide, Samt, Goldstücken, Auftraggeber Tüchern und anderem Hof Sonstiges Erhält 1642 ein Privileg zum hofbefreiten Handelsmann Quellen HHStA, RHR, Privilegien 2 Bonneth Franz Herkunft Namensherkunft
Ehepartner und Kinder Sonstiges Quellen Bosquillion Maurice
Namensvariationen Namensherkunft
Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber
in Wien: 1633 Savoyen (?) Laut Dauzat (1951) von Bonnet, ancien nom de baptême, nom de famille, très répandu; laut Duden 2005 hugenottischer Name zum franz. Heiligennamen Bonnet (Bischof von Clermont); laut Kremer (1995) vor allem Südwesten und Südosten Sohn: Hanns Christoph Boneth Erlangt einen Pass für seinen Vetter 1633 nach Chambéry und Savoyen zu reisen HHStA, RHR, Passbriefe 2 geb. ~1636 in Wien: gest. 23. März 1681, 45-jährig 1671 (Tod einer Tochter)– (Tuberkulose), im “Johann 1681 (Tod) Pahrenberger” Haus, Tiefer Graben, Wien Boßquillion Maurise de, Bousquillion, Bousquillions, Bonosquillon, Moritz, Maurisse de Bousquillion, Bousquillions Moritz Maurisse de Bonosquillon Laut Dauzat (1977) picardische Form von Boquillons (Boucheron); Fordant (1999, 113): bes. Nord-Pas-de-Calais, Ile-de-France, Somme (Picardie) 1 Tochter stirbt kurz nach der Geburt Hofbefreiter Schuhmacher, kaiserlicher Schuster Hof, Ferdinand Bonaventura von Harrach
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Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
Besitz und Quartier Sonstiges Quellen Bougrand Ludwig Namensvariationen Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen Boulenger Jean Herkunft Namensvariationen Namensherkunft
Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen
Bourdois Ludwig Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges Quellen
1671 wohnhaft im “Schlegischen” Haus an der Schottenfreyung, 1675 Gewährung eines Hofquartiers, das er erst 1679 bekommt: “in deß wagners hauß” am Salzgries Herkunft nicht eindeutig, aber Quellen: Unterschrift ist eindeutig dem franz. Kulturkreis zuzurechnen Harrach 2556, Haupt 696 gest. 11. Aug. 1723 in Wien: 1681–1723 (Tod) “Frenerisches” Haus am Graben, Wien Beangrandt Louis Laut Dauzat (1951) ev. von Beaugrand; Fordant (1999, 117): bes. HauteNormandie, Poitou-Charentes, Somme (Picardie) Perückenmacher, hofb. Perückenmacher Hof 26. August 1723: Inventur von Werkstatt und Hausrat: 143.430 fl. Zeugt für Stockh (1699) HHStA, OMeA, Akten 5: 1681; Haupt 503 in Wien: 1691–1713 Brüssel, südliche Niederlande boulanger, Boulenger Johann, boulangé Jean, Boulanger Johann, Boulenge Jeann Boulenger Johann boulangé Jean Boulanger Johann, Boulenge Jeann, Joan Laut Dauzat (1951) Variation archaique de Boulanger du Nord (Abbeville); nach Dauzat (1977) aus Picardie oder Normandie 2 Kinder sterben im Kindesalter Hofcourier Hof Wohnhaft 1699 im Dorotheerhof Als „frembder“ bezeichnet; zeugt für Kumerer (1692) und Busschy (1705) HHStA, OMeA, Protokolle 4: 12. März 1691; OMeA, Protokolle 5: 18. Sept. 1699; OMeA, Protokolle 7: 9. Sept. 1710, 5. März 1711, 23. Juli 1713; OMeA, Akten 8: 6. Feb., 9., 12., 26. Mai 1691; OMeA, Akten 9: 26. Juli 1694 in Wien: 1671 (eigene Hochzeit)–1695 (Zeuge) Frankreich, Paris Bordoua, Bourdoye, Borduna, Portna, Portua, Ludovicus Verheiratet mit Anna Maria Speckl am 26. Apr. 1671, Tochter des Andree Speckl (ksl. Kammerdrechsler) Bürgerlicher Sticker, Hofperlhefter Hof, Stadt Wien Zeugt für Trehet bei der Testamentsunterschrift seiner ersten Frau Anna; zeugte für Gautier (Barbier und Feldscherer, 1677), Possmayr (1686), Gundreich (1691), Lesy (1693) und Flar (1695) HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
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Bourg Karl Herkunft Namensvariationen Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen
in Wien: 1685 (Hochzeit) Frankreich, Valence (Rhône, nördliche Provence) Dubourg Verheiratet mit Maria Lang am 22. Jän. 1685, Witwe des Ulrich Fischer (ksl. Hartschier) Barbier Hof HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan
Boyet Etienne Herkunft Namensvariationen Namensherkunft
in Wien: 1713–1720 Frankreich, Paris Boyer Laut Dauzat (1951 und 1977) ist Boyer eine forme régional von Bouvier aus dem Velay, Centre und Midi Buchbinder Bibliothekar Prinz Eugen von Savoyen Pillich (1963)
Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen
in Wien: 1678 Brodeu Carl Claude Namensvariationen Brodeur Namensherkunft Laut Dauzat (1951) nom de profession; Fordant (1999, 135): Marne (Champagne), Ile-de-France, Midi-Pyrénées Tätigkeiten und Herstellung von Pferdedecken Auftraggeber Ferdinand Bonaventura von Harrach Sonstiges Rechnung auf Französisch verfasst Quellen Harrach 2556 in Wien: 1678 (Hochzeit) Bugnet Claudius Antonius Herkunft Franche-Comté Ehepartner und Verheiratet in erster Ehe mit Henrica NN; in zweiter Ehe mit Anna Agnes Kinder Gioia am 8. Mai 1678, Tochter des Georg Ludovici Gioa aus Spanien (Sommerlier) Quellen HHStA-Tabelle: St. Michael, Liber Promulg. But Anne de
Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen
geb. 1665 in Wien: 1688–1696 (Tod) gest. 24. Sept. 1696, 31jährig, beim “Einhorn” am Hof, Wien Frankreich Laut Dauzat (1951) nicht auffindbar, ev. Debut (Ain, Calvados, Dordogne) Verheiratet mit Jean Trehet (F) Tapeziererin Hof HHStA, OMeA, Protokolle 4: 19. Juli 1688; OMeA, Akten 8: 4., 2. Nov. 1690
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Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
Cané Claudius Namensvariationen Namensherkunft
Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen Carl Claudius
Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges
Quellen Carlo Anthoni Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder
geb. ~1625 in Wien: 1664 (Tod eines gest. 1683, 58-jährig in Wien Sohnes)–1683 (Tod) Conee Claude, Canée Claudij, Cannee, Kamer, Kanne, Camer, Cane, Cannee, Kamer, Kanne, Camer Laut Dauzat (1951) ev. von Canet oder Cannet (petit canard, cruche, banc), auch nom de lieu im Midi; oder von Conez, Conon (Nord); Fordant (1999, 155): Marseille, Alpes-Maritimes (Nizza), Var und Rhone (Alpes-Cote d'Azur) Verheiratet mit Maria Susanna Amath, Tochter des Jacob Amath, Verwalter der ksl. Großküche 2 Kinder sterben im Kindesalter Koch, Pastetenkoch, hofb. Pastetenbäcker Hof Wohnhaft am Kienmarkt und im “Stampischen” Haus unter den Tuchläden, Testament vom 14. März 1684 Zeugt für Gruber (Hausknecht 1678) HHStA, OMeA, Akten 5: 1681, 11. Dez. 1682; Haupt 725 geb. ~1652 in Wien: 1678 (Privileg)– gest. 15. Okt.1717, 65-jährig 1717 (Tod) Alters halber im eigenen Haus, obere Bräunerstraße, Wien Frankreich, Grasse, Provence Carle, Carlo, Carolus Fordant (1999, 160): Elsass (Haute et Bas Rhin) und Ile-de-France Verheiratet mit Regina Carl im Okt. 1678, Tochter des Antonius Carl (bürgerlicher Handelsmann in Wien) 2 Kinder sterben im Kindesalter Hofbefreiter Perl- und Goldsticker Hofkrepinmacher, ksl. Gold- und Silberdrahtzugverleger Hof Besitzt ein eigenes Haus in der oberen Bräunerstraße Fungiert als Zeuge für Deprez (1681 zusammen mit Johann Trouchet), für Seuti (1684), Heßl (1689), Sorbait (1692), Rampauer (1698), Alberti (1702); 1713 erhält er ein Privileg auf Gold- und Silberdrahtzug gemeinsam mit Philipp Wallner, Johannes Baptista Deffenini, Andreas Longo und Thomas Bello; Taufpate für Claudius Santinus Michael (Sohn des Donato Allio, Fortifikationsingenieur) zusammen mit Santino Bussi, Hofstuckateur und für Joseph Karl (Sohn des Johann Georg Schütz, Bildhauer) HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan; Haupt 737; HHStA, RHR Privilegien 2 gest. 1687 Wien
in Wien: 1630 (1. Privileg)– 1687 (Tod)
Anthony Laut Dauzat (1951 und 1977) ist Carlo die forme corse von Carle, von Charle, Charlot; Fordant (1999, 160): Bretagne (Morbihan et Côtesd'Armor), Bouches-du-Rhône Verheiratet mit Margaretha geb. Schnaidin am 17. Jan.1639 Tochter: Regina verheitatete Carl; Sohn Wilhelm; Tochter Eva Rosina verehelichte Fux
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730 Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges
Quellen Carpentier Carl
Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen Chappuis Jacob Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges
Quellen
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Hofhandelsmann, Handel mit französischen Waren Hof Besitzt ein Haus in der oberen Bräunerstraße und 11/4 Weingarten im Wert von 7.500 fl. Schwiegervater von Claudius Carl; hat 1630 in Regensburg sein erstes Privileg erhalten, es wird 1637 noch einmal bestätigt mit einer Abschrift; von Schwarzenberg rekommandiert; seine Handlung an Waren und 1.000 Emmer Wein wird mind. auf 11.000 fl. geschätzt, zuzüglich 10.000 fl. in bar, weitere Verlassenschaft: Haus und Weinberg, Mobilien, Schmuck, Silber; Zeugt für Karg (Handelsdiener 1656) und Sutor (1676) HHStA, RHR, Privilegien, 2 geb. ~1678 in Wien: 1701 (Beginn Arbeit gest. 20. Sept. 1752, 74-jährig für von Waldstein)–1752 St. Michael, Josefstadt in (Tod) Wien Carpantier Karl, Kabendir, Carsentier Kabendir Carsentier Laut Dauzat (1951) normannisch-picardische Form von Charpentier; laut Kremer (1995) im Norden; nach Dauzat (1977) dialektale Form des Artois; Fordant (1999, 161): Lille (Nord-Pas-de-Calais), Somme, Paris Verheiratet mit Maria Rosalia, stirbt am 5. Juli 1718, 27-jährig, ev. eine Tochter von Quantin 4 Kinder sterben im Kindesalter Tapezierer, ksl. Tapeziergehilfe Waldstein, Hof Wohnt im “Valentinischen” Haus am Kohlmarkt, im “Weningerischen” Haus am Kohlmarkt und im Michaelerhaus am Kohlmarkt Hat vor seinem Ansuchen schon 10 Jahre für von Waldstein gearbeitet HHStA, OMeA, Protokolle 7: 23. Feb. 1711; Haupt 733 in Wien: 1635–1642 Savoyen (?) Schöppi Laut Dauzat (1951 und 1977) Chapuis, en ancien francais et occitan “charpantier”, tailler de bois, nom de famille nicht dialektal; Fordant (1999, 180): Haute-Savoie, Paris, Savoie Hofhandelsmann, Marketender, Nestler Hof Handelt mit kurzen Waren und ist Nestler; hat ein Rekommandationsschreiben von Heinrich von Starhemberg, der angibt, dass Chappuis notwendige Waren zur ksl. Armada gebracht habe und dabei vom Feind gefangen genommen und um sein Hab und Gut gekommen sei; nach eigenen Angaben in Kriegsdiensten als Marketender, dann Gefangenschaft, möchte nun sein Nestlerhandwerk ausüben und mit französischen Waren handeln, gibt an, dass sein erstes Ansuchen aufgeschoben worden ist, er aber in der Zwischenzeit seine Handlung weiter getrieben habe, das Ansuchen von 1642 enthält die einzige französisch-lateinische Unterschrift; im Ansuchen von 1635: kurze und französische Waren als Marketender für die ksl. Armee verkauft und der Armee nachgezogen; von den Schweden gefangen genommen, um Hab und Gut gekommen, habe ein Lösegeld zahlen müssen und sei von den Lebensmitteln abgeschnitten gewesen HHStA, RHR, Privilegien 9
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Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
in Wien: 1679 (Pass)–1681 Chassignole Joanne (Nennung im Hofschema) Hieronymo Herkunft Frankreich Namensvariationen Schasignol Johann Namensherkunft Laut Dauzat (1951) Diminutiv von Chassaing (forme plus méridionale, südlich): petit bois de chênes; nach Dauzat (1977) beide Formen Chassagnol, Diminutiv, und Chassaing aus dem Süden Ehepartner und Verheiratet (NN) Kinder Tätigkeiten und Schneider Auftraggeber Hof Sonstiges Will nach Frankreich zurückkehren, mit Frau und zusammen mit Pichard Petrus Quellen HHStA, RHR, Passbriefe 13; HHStA, OMeA, Akten 5: 1681 in Wien: 1688, vermutlich Remigration oder weitere Migration
Chazaux Antoine de Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen
Frankreich, Aubusson, Limousin Schassanx Laut Dauzat (1977) Diminutivform der Auvergne, des Limousin und région rhodanienne; von lat. casa, fr. chiese Tapezierer Hof HHStA, OMeA, Protokolle 4: 19. Juli 1688; OMeA, Akten 8: 2. Nov. 1690 in Wien: 1688–1701 (Hofarbeit laut Pillich), dann Remigration oder weitere Migration
Chazaux Jean de
Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen Cleas Andre Herkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten Sonstiges
Quellen
Frankreich, Aubusson, Limousin Schassanx Joanni Laut Dauzat (1977) Diminutivform der Auvergne, des Limousin und région rhodanienne; von lat. casa, fr. chiese Tapezierer Hof HHStA, OMeA, Protokolle 4: 19. Juli 1688; OMeA, Akten 8: 2. Nov. 1690 gest. 1709
in Wien: 1694 (Bürgereid)– 1709 (Verlassenschaftsabhandlung)
Bellentre, Savoyen Verheiratet mit Salome NN (Witwe des Bartholome Lindemeyer) Zwei Töchter: Anna Catharina und Maria Theresia Bürgerlicher Handelsmann Muss früh verstorben sein, hinterlässt drei Kinder, eine Frau (inkl. Kinder aus ihrer ersten Ehe); seine Handlung wird auf insgesamt 6.890 fl. geschätzt (Leinen, Schulden, Waren, Gewölbe und Hütteneinrichtung); bedachte seinen Vetter in Savoyen mit 75 fl.; sein Bruder Antoine übernimmt die Gerhabschaft für die zwei Töchter; Bürgerrecht 1694 u. 1703 WStLA: Verlassenschaftsabhandlung 39/35, 1709
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730 Cleas Antoine
Herkunft Namensvariationen Ehepartner und Kinder Tätigkeiten Besitz und Quartier Sonstiges
Quellen Cleas Augustin
Herkunft Namensvariationen Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges
Quellen Cointerell Anton Herkunft Namensvariationen
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geb. ~1665 in Wien: gest. 26. April 1729, 64-jährig 1689 (Bürgerrecht)–1729 im freiwilligen Haus am (Tod) Pauler Tor, Wien Bellentre, Savoyen Cleaz, Claas Anton, Antonius Verheiratet mit Anna Clara Miller, Tochter des Vinzenz Miller, hofbefreiter Handelsmann am 13. Nov. 1695 Sohn Carl Joseph Cleas und Tochter Maria Anna, verehelichte Priestersbergerin Bürgerlicher Handelsmann 1695 wohnhaft beim Totenkopf in der Bognergasse Kann nach Angaben im Testament des Vetters August Cleas noch nicht Deutsch, weswegen er einen Stellvertreter braucht; vererbt seine Handlung an seinen Sohn Carl Joseph Cleas; müsste auch das väterliche Haus besitzen, das er wahrscheinlich seiner Alleinerbin und Ehefrau Anna Clara vererbt (die Angaben bei Harrer können in Bezug auf Antoine nicht stimmen); war 1715 in Savoyen, um ein Ex-voto errichten zu lassen anlässlich der überstandenen Pest in Wien, vgl. Maistre/ Maistre/Heitz; zeugte für Pierre-Antoine Perrot, Kammerherr von Prinz Eugen, zusammen mit Nicolas Saillet, Pierre Gervet und Nicolas Revenaz; übernahm die Gerhabschaft für die Kinder seines Vetters Andre; erwarb das Bürgerrecht 1687; zeugte für Willhalmb (1698); für ihn zeugten im Testament Michael Munier, Johann Sebastian Balbier WStLA: Totenbeschauprotokolle und Testament 4455/1729 geb. ~1590 in Wien: 1693 (Tod) gest. 22. Nov. 1693, 103jährig im eigenen Haus beim goldenen Brunnen am Kohlmarkt, Wien Bellentre, Savoyen Cleaz, Claas Hofbefreiter Handelsmann bürgerlicher Handelsmann Hof, Stadt Wien Wohnhaft in seinem Haus beim goldenen Brunnen am Kohlmarkt, das er erst kurz vor seinem Tod am 27. Juli 1693 von Maximilian Servatius von Gatterburg kaufte Vererbt seinem Vetter Antoine Cleas seine Handlung, der auch Alleinerbe (Haus) ist und Vormund für die minderjährigen Vetter, vererbt seinen anderen Vettern 30.000 fl.; Bürgereid 1693; für ihn zeugen im Testament Hubertus von der Hayden (Medicus), Johann Tissot (hofb. Handelsmann, Savoyer), Nikolaus Revenaz (bürgl. Handelsmann, Savoyer), Jakob Gleich (hofb. Handelsmann), Wolfgang Igantius Stainperger (bürgl. Handelsmann), der Advokat Kirchstatter WStLA: Totenbeschauprotokolle und Testament 9417/1692 geb. 1635 in Wien: gest. 8. Juli 1698, 63-jährig 1666 (Hochzeit)–1698 (Tod) an Schlagfuß, Wien Frankreich, Paris Cointerel, Johann Anton, Antoni, Antonius, Cointorell, Contanell, Conterelli, Contorell
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Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
Ehepartner und Kinder
Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen
Verheiratet in erster Ehe mit Magdalena NN; in zweiter Ehe mit Eva Eleonora Bremionin am 27. Juni 1666, Witwe des Franz Pugnet (Handelsmann); in dritter Ehe mit Barbara Christina NN am 25. Okt. 1676, Witwe des Philipp Jakob Wolner (Hofbefreiter) stirbt am 10. Jän. 1684 an hitzigem Fieber, 34-jährig Tochter: Maria Elisabeth heiratet am 22. Sept. 1693 Johann Tonteur, Leibchirurg Handelsmann, Niederlagsverwandter Hof Wohnhaft in der oberen Bäckerstraße im Haus Herr Pestaluzzi Zeugt für Popfhuber (1681), Kuty (1682), Panzon (1683), Werthman (1687) und Dittl (1687); Sohn des Karl Cointrell, der in Wien bei der Hochzeit des Sohnes anwesend war HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan; St. Michael Liber Promulg. in Wien: 1637 (1. Privileg)– 1671 (Zeuge)
Cugnioth Balthasar Herkunft Namensvariationen Namensherkunft
Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges
Quellen
Sallanches (?), Savoyen Cagnioth Baltoßer Laut Dauzat (1951) entweder Cugnier (ancien nom composé germanique) oder Cugnon (Est), diminutiv de Cuny; laut Haas (1995) war Cugniet einer der führenden Familiennamen Freiburgs, die ab 1481 ins Dt. übersetzt wurden, daher Herkunftsgebiet Savoyen mögl.; Fordant (1999, 229): Cugniet: Dijon (Burgund), Ile-de-France, Paris; Cugnot: Lothringen, Paris, Franche-Comté Zwei Söhne steigen beim Vater in das Geschäft ein: Johann Georg und Johann Christoff Hofhandelsmann mit Stoffen und kurzen Waren Ferdinand Bonaventura von Harrach, Hof Hausbesitz Cugnioth geht eine Partnerschaft mit Praun ein; seine beiden Söhne steigen 1653 auch ins Geschäft ein; Handel mit allerlei: französische, englische, italienische und niederländische Seiden und kurze Waren, Galanteriewaren, Leinwand, weiße Waren und Spitzen, Wachs, Spezereien, Honig, Häute und Leder (1653); hinterlässt seinen Erben: Schulden, Mobilien, 60 Emmer Wein, ein Haus im Wert von 15.650 fl. auf dem aber 8.000 fl. Schulden lasten; Zeugt für Sperger (1671) Harrach 2693; HHStA, RHR, Privilegien 2; HHStA-Tabelle: St. Michael Liber Promulg.; WStLA: Verlassenschaftsabhandlung 3/24 1678
Cugnioth Johann Georg Herkunft Namensvariationen Namensherkunft
Ehepartner und Kinder
gest. 1677 Wien
in Wien: 1657 (Beginn seiner Handlung)–1677 (Tod)
Sallanches (?), Savoyen Cognioth, Cagnioth Laut Dauzat (1951) entweder Cugnier (ancien nom composé germanique) oder Cugnon (Est), diminutiv de Cuny; laut Haas (1995) war Cugniet einer der führenden Familiennamen Freiburgs, die ab 1481 ins Dt. übersetzt wurden, daher Herkunftsgebiet Savoyen mögl.; Fordant (1999, 229): Cugniet: Dijon (Burgund), Ile-de-France, Paris; Cugnot: Lothringen, Paris, Franche-Comté Verheiratet mit Eleonoe NN (spätere Haggenbergerin) Kinder, die nicht namentlich bekannt sind
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730 Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges
Quellen
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Bürgerlicher Handelsmann, mit Zeug (Stoffen) und Wein Stadt Wien Johann Georg dürfte keinen Erfolg im Handel gehabt haben, bei seinem Tod belaufen sich die Schulden auf über 11.000 fl; eine Aufstellung der Kreditoren geht aus der Verlassenschaftsabhandlung hervor; sein Startkapital muss aber über 3.000 fl. betragen haben WStLA: Verlassenschaftsabhandlung 3/24 1678
in Wien: 1686 de Bernony Nikolaus Herkunft Metz, Lothringen Ehepartner und Verheiratet mit Maria Katharina NN, Witwe des Johannes Corneo Kinder (Ingenieur), am 16. Juni 1686 Tätigkeiten und Ksl. Ingenieur Auftraggeber Hof Quellen HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan in Wien: 1686–1712 de Beuf Johann Anton Namensvariationen des Boeufs Heinrich Antoni Namensherkunft Laut Dauzat (1951) Boeuf (Centre, Nord) oder Beuve (von germ. Bovo); Fordant (1999, 89): Beuf: Auvergne, Var (Provence), (249) de Boeuf: Nord-Pas-de-Calais Tätigkeiten und Sprachmeister Auftraggeber Hof Quellen HHStA, OMeA, Protokolle 7: 25. Nov. 1712, OMeA, Akte 7: 7. Okt. 1686 de la Pierre Joseph Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges Quellen
in Wien: 1702 Nancy (?), Lothringen (?) De La Pierre Joseph Laut Dauzat (1951 und 1977) Delapierre von Pierre; ohne weitere Lokalisation Instrumentenmacher Herstellung von Flöten und “Tabaquieres” Franz Ferdinand Anton Khevenhüller und dessen Bruder Franz Reist mit dem Sohn des Marschall Sterneck nach Nancy, wo er auch Freunde hat; die Verbindung zu den Sternecks ist in Kammer hergestellt worden; schreibt auf Französisch und in lateinischer Schrift Khevenhüller, Kammer am Attersee 13
gest. 1746 in Wien: 1713 (Tod einer De Lisle Johann Philipp Tochter)–1746 (Toterklärung) Joseph Namensvariationen Delil, De Lille, Lill; Namensherkunft Laut Dauzat (1951) von Delille: “habitant de l'île” oder originaire de Lille; Fordant (1999, 256): de Lille: Lille und Pas-de-Calais; de Lisle: Finistère (Bretagne, Brest) Ehepartner und Verheiratet mit Magdalena Krellin, stirbt am 13. Nov. 1759 Kinder 2 Kinder sterben im Kindesalter Tätigkeiten und Kammersticker Auftraggeber Hof Besitz und Quartier Wohnhaft 1713 “Beim schwarzen Adler” in Wieden, 1722 “Bei der schwarzen Bürste” am alten Kienmarkt Sonstiges Witwe Magdalena erbt die Verlassenschaft ihrer Schwester Ursula Krellin, ksl. Mundköchin Quellen Haupt 1213
350
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
Quellen
in Wien: 1681 Laut Dauzat (1951) ev. von Vergier, Verger oder von Verin? Herkunft unklar; Fordant (1999, 261) de Vergie: Vienne (Poitou-Charentes); de Vergnes: Paris, Ile-de-France Pfaidlerin (Herstellung von Hemden, Miedern, Männer- und Frauenröcken) Nadlerin (Herstellung von Haken, Näh- und Stecknadeln zum täglichen Gebrauch) Hof Tochter des Florentin de Vergine, Schwester der Johanna Henrietta, verheiratete Decore HHStA, OMeA, Akten 5: 1681
Debucomps Simon Herkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen
in Wien: 1693 Frankreich, Bellovavensi, Picardie Verheiratet mit Barabara Deger, Tochter des Wilhelm Deger, am 1. März 1693 Hofbefreiter Chirurg Hof HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan
de Vergine Maria Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges
geb. 1641 in Wien: gest. 15. Juli 1696, 55-jährig 1679 (Hochzeit)–1696 (Tod) an Hectica im eigenen Haus Stock-im-Eisen, Wien Frankreich, “Preton”, Bretagne Core, de Core, Decre, Johann Olivarius, Olivary, Oliveri Fordant (1999, 267): Nord-Pas-de-Calais, Picardie, Limousin Verheiratet mit Johanna Henrietta de Vergine am 13. Feb. 1679, Tochter des Florentin de Vergine 2 Kinder sterben im Kindesalter Hofbefreiter Barbier und Wundarzt Hofchirurg Hof Wohnhaft 1680 “Bei den heiligen drei Königen” am Graben, dann Kauf eines Hauses am Stock-im-Eisenplatz Er fungiert als Zeuge für Dubourg = Bourg (1685), Kapeller (1685), Resseguier (1685); Ernennung zum Hofbarbier wegen seiner Verdienste während der Pest Haupt 1210; HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan; HHStA, OMeA, Protokolle 4 (1679)
Decore Johann Olivier
Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen
in Wien: 1680 Delaplace Graverin Herkunft Frankreich Namensherkunft Laut Dauzat (1951) von Place, une maison située sur la place; nach Dauzat (1977) ein urbaner Herkunftsname Ehepartner und Verheiratet in erster Ehe mit Genoveva Pelerine (F), die er in Wien Kinder geehelicht hat Sonstiges Will 1680 mit seiner Frau nach Frankreich reisen, um Verwandte zu besuchen, über Rückkreise gibt es keine Informationen; möglicherweise Remigrant Quellen HHStA, RHR, Passbriefe 4
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730 Deprez Peter
Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges
Quellen
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geb. ~1653 in Wien: gest. 30. Nov. 1685, 321681 (Heirat)–1685 (Tod) jährig, Stock-im-Eisen, Witwenhaus “Frau Stadlerin“, Wien Frankreich, Bretagne De Pre, Depry Depry Nach Dauzat (1977) als Depré vor allem im extremen Norden und im Bas-Rhône Verheiratet in zweiter Ehe mit Margarethe Menu/Muni, Tochter von Augustin Muni (hofb. Barbier und Perrückenmacher) am 25. Juni 1681 1 Kind stirbt im Kindesalter; ein überlebender Sohn scheint im Testament als Erbe auf Hofperlsticker, hofbefreiter Perlsticker Hof (Eleonore von Gonzaga) Wohnt im “Bängiolischen” Haus in der Kärnterstraße; um 1685 im Stock-im-Eisen, Stadler Witwe Haus Testament vom 11. Jän. 1686: hier zeugen für ihn: Lorian Montigny, Raphael Baron, Anton Cointrell, Joan Decoré und Francesco Momedi, bezeichnet Lorian Montigny als seinen „beau-père“ (Stief- oder Schwiegervater, unklar); Trauzeugen sind Claudius Carl, Johann Trouchet Haupt 1189; WStLA: Testament 10137/ 1686
in Wien: 1680 Des Troubles Abraham Herkunft Lothringen Namensvariationen Laut Dauzat (1951 und 1977) nicht auffindbar Namensherkunft Sonstiges Ist aus Kriegsgründen nach Österreich geflüchtet und will ~1680 wieder nach Lothringen reisen, um seine Geschäfte zu regeln, will aber nicht in Lothringen bleiben Quellen HHStA, RHR, Passbriefe 17 Desain Ludwig Herkunft Namensvariationen Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier
Sonstiges Quellen
in Wien: 1697 (Hochzeit)– 1718 (Erwähnung) Frankreich, Armentières, seit 1668 franz. Picardie Dessen, Dessein Verheiratet mit Dorothea Apollonia Paudischin am 19. Mai 1697, Tochter des Wenzel Ludwig Paudisch (Wirtschaftshauptmann in Böhmen) 7 Kinder sterben im Kindesalter Hofbefreiter Perückenmacher Hof Wohnhaft 1697 im Strasser Haus bei der ksl. Burg gegenüber Ballhaus, 1707 “Beim Jägerhorn”, Dorotheergasse; 1713 “Beim goldenen Becher” Lichtenthal; 1714 “Beim goldenen Stiefel” Josefstadt; 1715 “Beim goldenen Brunnen” Josefstadt; 1718 im Michaelerhaus am Kohlmarkt Zeugt für Riedl (1697) Haupt 1242; HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan; St. Michael, Liber Promulg.
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Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
Despineux Anna Namensherkunft
Ehepartner und Kinder Sonstiges
in Wien: 1690 (wahrscheinlich Remigration) Laut Dauzat (1951) ev. von Despinay, Despinoy, von Lépinay, von Epine: se rattache à la propiété (arbuste épineux), außerdem nom d'ancien fief; nach Dauzat (1977) von épine noire “prunellier” (Schwarzdorn); Fordant (1999, 294) Despinois: Nord-Pas-de-Calais; Despinoy: Nord-Pas-de-Calais, Ile-de-France Sohn: Nicolas Despineux
Quellen
Will 1690 mit ihrem Sohn in ihr Vaterland zurück, sehr wahrscheinlich Frankreich HHStA, RHR, Passbriefe 4
Dorle Franz Herkunft Namensvariationen Ehepartner und Kinder Tätigkeiten Quellen
in Wien: 1699 (Hochzeit) Frankreich, Grivasne, Picardie Franciscus Verheiratet mit Maria Elisabeth Lavallée am 26. Mai 1699, Tochter des Julius Lavallée, Handelsmann in Wien und Hofbefreiter Herrenkoch HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan geb. ~1632 in Wien: 1684 (Tod) gest. 12. Aug. 1684, 52-jährig im Haus des Grafen Lanna am Kohlmarkt, Wien Sallanches, Savoyen Thouex Laut Testament keine Frau und keine Kinder
Douex Johann Ludwig
Herkunft Namensvariationen Ehepartner und Kinder Tätigkeiten Besitz und Quartier Sonstiges
Quellen Dromart Anton Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber
Bürgerlicher Handelsmann Zuletzt wohnhaft im Grafen Lannaschen Haus am Kohlmarkt Laut Testament vom 11. Aug. 1684 neben seinem Besitz, der an seinen Bruder als Universalerben geht, noch 629 fl. an Geldleistungen auch nach Savoyen; hatte einen Diener namens Caspar Kugler und eine Magd; war als Gerhab, also Vormund, für die Nachkommen Pugnioths (für Claudio?, weil Vater Franz 1666 stirbt) zusammen mit Hans Michael Lespine eingesetzt; für ihn zeugen: Johann Seltenreich, bürgerl. Goldarbeiter, Anthoni Gervet, bürgerl. Handelsmann, Hans Michael Lespine, bürgerl. Handelsmann und Jacob Roddy, bürgerl. Handeslmann WStLA: Totenbeschauprotokolle und Testament 8734/1684 in Wien: 1687–1703 Frankreich Dromarth, Thormayr, Thremar, Thromayr, Tramayr, Tromayr Laut Dauzat (1951) von Trémaud, Trémeau (ancien francais tremeler, spielen), möglicherweise auch von der normannischen Variation Trémois Verheiratet mit Maria Regina Sobin am 27. Juli 1687, Tochter des Hans Jörg Sobin, hofbefreiter Schneider 5 Kinder sterben im Kindesalter Hofbefreiter Schneider Hof
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730 Besitz und Quartier Quellen Du Buisson C. Namensherkunft
Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges Quellen
1690 in Wien in Landskron in der Galnfelß; 1694 in den Tuchläden unter dem roten Löwen; 1699 am Hohen Markt im Haus der Dornischen Erben; 1703 in Wien am Roten Turm bei den 3 goldenen Kronen HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan in Wien: 1678 Laut Kremer (1995) ist Dubuisson eine Form von Dubois (aus dem Wald); laut Dauzat (1977) Norden, ebenfalls von ancien fr. boisson; Fordant (1999, 318) Paris, Chartres; (320) Dubuisson: Dunkerque, Paris, Haute-Normandie Handelsmann, Verkauf von Haarpulver und Pomade Ferdinand Bonaventura von Harrach Rechnungen auf Französisch verfasst Harrach 2556 in Wien: 1677 (Zitat Lamberg)–1679 (Haushaltsrechnung)
Du Chesne Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges Quellen
Frankreich Duchene, Duchesne Laut Dauzat (1951) très fréquant avec la préposition et l'article: Duchêne, Duchesne; Duchesne nach Pitz 2007 gallisch; nach Dauzat (1997) eine allg. Form nicht weiter lokalisierbar Kutscher, Hausdiener Ferdinand Bonaventura von Harrach Herkunft nicht eindeutig, aber Graf von Lambergs Zitat zufolge (Harrach 350), beschäftigt sein Schwiegersohn einen franz. Kutscher Harrach 2556, 350
Du Chustean Gerhardt Namensvariationen Namensherkunft
Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges Quellen
Ehepartner und Kinder
gest. zwischen 1679 und 1681
in Wien: 1656–1679 (1681 als tot erwähnt;)
Du Chasteau, Chatteau, Chateau Laut Dauzat (1951) Duchasteau forme archaique v. Château, vor allem Osten; Chateau laut Dauzat (1977) vor allem Ile-de-France und Champagne; Fordant (1999, 320) Duchasteau: Dordogne, Limousin; Duchateau: Nord-Pas-de-Calais, Limousin, Somme Verheiratet mit Maria Susanna v. Chatteau Kammerdiener, Kammermaler Hof Hat 22 Jahre gedient, sich bei kleiner Malerei die Augen verdorben, dass er erblindet ist HHStA, OMeA, Protokolle 4: 19. Dez.1678, 27. Feb. 1679; OMeA, Akten 3: 19. Dez. 1678; OMeA, Protokolle 4: 9. Feb. 1681
Dubois Bartholomaeus Herkunft Namensherkunft
353
in Wien: 1695 (Hochzeit)– 1727 (Trauzeuge)
Frankreich, Lyon Laut Dauzat (1951) weit verbreitet, Nord, Centre, Westen; laut Kremer (1995) im Norden, Westen und Zentrum; nach Dauzat (1977) im Artois Verheiratet mit Maria Millnern, Witwe des Christoph Millner (Handschuhmacher)
354
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges
Quellen Dubois Johann Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder
Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen Dumont Jean de Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges
Quellen Dumont Nicola Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder
Ksl. Gold- und Silberplättner, Gold- und Silberfabrikant, Greißler Hof HQ beim Waaghaus in des Foggi Haus Erwirbt 1717 das Bürgerrecht; Trauzeuge für Paul Franz Titer (Gold- und Perlsticker aus Lublin) und Maria Klimpfingerin gemeinsam mit Johann Burian (hofb. Gold- und Perlsticker) und für Wenzel Reissig (Gold- und Perlsticker aus Böhmen) und Rosalia Ganserin (Tochter eines Jägers) gemeinsam mit Anton Sack (Maler) Haupt 1381 geb. 1623 in Wien: 1656–1670 (Tod) gest. 28./29. Feb. 1670 Wien Frankreich, „Torrorre“, Franche-Comté Du Bois, du Bois Joan du Bois Joan Laut Dauzat (1951) weit verbreitet, Nord, Centre, Westen; laut Kremer (1995) im Norden, Westen und Zentrum; nach Dauzat (1977) im Artois Verheiratet in erster Ehe mit Catharina Hasche, Witwe des Johannes Kastner, am 15. Feb. 1656; in zweiter Ehe mit Martha Menogot, Tochter von Simon Menogot am 21. Mai 1662 (sie heiratet in zweiter Ehe Petrus Pichardt am 2. April 1674) 1 Tochter stirbt im Kindesalter, Sohn Martin stirbt 1694 mit 3 ½ Jahren Arcièren-Barbier, ksl. Hörschir-Barbier Hof HQ beim Waaghaus neben Fockhy, Michael Haus Zeugt für: Baur (1691), Saintpier (Handelsmann, 1699), Grata (1701) und Bouches (1701) HHStA, OMeA, Protokolle 3. 12. Okt. 1660; Haupt 1382; HHStATabelle: HKA, HZAB, Trauungsmatriken St. Michael, St. Stephan gest. 1727 Wien
in Wien: 1717 (Erwähnung)– 1727 (Tod)
Frankreich Freiherr von Carlscron Laut Dauzat (1951) nom de famille très répandu, altéré parfois en Dumond ou Dumon; nach Dauzat (1977) auch in Wallonien Verheiratet mit Anna NN Historiograph Hof Gegner Ludwigs XIV., wurde aus Frankreich ausgewiesen, in Wien unter Karl VI. 1723 geadelt: Freiherr von Carlscron; veröffentlichte mehrere politische Werke, darunter die militärische Geschichte des Prinzen Eugen von Savoyen und “Corps universel du droit des gens” Haupt (Kameralzahlamtsbücher) in Wien: 1687 Frankreich, Burgund Dumond Laut Dauzat (1951) nom de famille très répandu, altéré parfois en Dumond ou Dumon; nach Dauzat (1977) auch in Wallonien Verheiratet mit Maria Jukowitsch, Witwe eines Fähnrichs am 9. Feb. 1687 in St. Stephan
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730 Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen
Ksl. Ingenieur, ksl. Minierhauptmann Hof Haupt 1388
Dupre Johann Namensherkunft
in Wien: 1631 Laut Dauzat (1977) von Dupré, forme au Nord; laut Duden 2005 Wohnstättenname zu du pré (von der Wiese) und Hugenottenname; Fordant (1999, 328) Paris, Haute-Normandie, Rhône-Alpes Hofhandelsmann Hof Reist 1631 nach Paris, um unterschiedliche französische Waren nach Wien und an den kaiserlichen Hof zu bringen HHStA, RHR, Passbriefe 4
Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges Quellen Dupres Jonas Namensvariationen Namensherkunft
Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen
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gest. 31. März 1679 Wien
in Wien: 1667 (HKA)–1679 (Tod) du prais Jona, Dupre, Du pre Dupre Du pre Laut Dauzat (1951) mögl. von Dupré, forme occitane (Südfrankreich) oder nördl. Variation Duprez (Champagne+Est); laut Duden 2005 franz. Wohnstättenname von du pré (von der Wiese) und Hugenottenname; Fordant (1999, 328) Loire, Pas-de-Calais, Ile-de-France, Vienne (Poitou) Kammerdiener der Kaiserin Hof HQ in des Camelli Haus in der Bognergasse Kam über Mannweiler (Reich/Nassau) nach Wien HHStA, OMeA Protokolle 4: 27. April 1677; OMeA, Akten 3: Dez. 1675, 1. Okt. 1673; Haupt 263; HHStA-Tabelle: HKA, HZAB in Wien: 1680 (HQ gewährt)– 1711 (Tod der Tochter) Duparay, Dupri, Duppui, Dupury Dupri Duppui Dupury Weit verbreitet, Centre, pays d'oc, im Norden rar; nach Dauzat (1977) im Midi; nach Pitz 2007 aus lat. puteum, Brunnen; laut Duden 2005 Dupuis als Hugenottenname; laut Kremer (1995) kann Dupuy auch eine Form von Dumont sein, vorwiegend Südwesten; Fordant (1999, 328) Bordeaux, Limousin, Midi-Pyrénées 3 Kinder sterben im Kindesalter
Dupuy Jean (Giovanni) Namensvariationen Namensherkunft
Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen Duval Peter Namensvariationen Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen
Hofb. Perückenmacher, ksl. Perruchiere Johann Adam Andreas von Liechtenstein, Hof Wohnt im Haus Strohgassl, im “Frenerischen” Haus am Graben 1702: Bürgereid Haupt 1383 in Wien: 1733–1739 Laut Dauzat (1951 und 1977) von Val, surtout fréquant! Nach Duden (2005) ein Hugenottenname; Fordant (1999, 331) Havre, Paris, HauteNormandie Ksl. Amalischer Perückenmacher, ksl. Trabant Hof, Kaiserin Amalie Wilhelmine, Sigmund von Khevenhüller 1733 wohnhaft im Einhölzerhof neben dem Ölberg Treibt bei den Khevenhüllern Ausstände ein Khevenhüller, Kammer am Attersee 11 und 7
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Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
Fauconet Gervais
Herkunft Namensvariationen Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges
Quellen
geb. ~1639 in Wien: 1687 (Tod) gest. 11. Okt. 1687, 48-jährig im Fauconetischen Haus, Wien Frankreich, Paris (?) Fauckonet Gervasius Verheiratet in erster Ehe mit Magdalena, geb. du Fraisne, verheiratete Legat Keine leiblichen Kinder, 2 Töchter der Magdalena Legat aus erster Ehe Bürgerlicher Hutmacher Stadt Wien Sehr wahrscheinlich Bruder des Richard Fauconet, Richard Fauconet zeugt für Gervasius, außerdem Zeugen: Hector Poisson, niederlagsverwandter Handelsmann, und die Advokaten Reithorn und die Brüder Kirchstetter WStLA: Totenbeschauprotokolle und Testament 9062/1687
Fauconet Johann Jakob Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges Quellen Fauconet Richard
Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder
in Wien: 1674/75 (Harrach)– 1711 (Hofarbeit)
Frankreich, Paris, 2. Gen. Fauconnet, Fauconeth, Fauconneth Fauconeth Fauconneth Laut Dauzat (1951) Dérivat et composé de Faucon, ohne Ort; nach Dauzat (1977) Faucon nom de baptême, aussi “fauconnier” Verheiratet in erster Ehe mit Maria Barbara Resch, Tochter des Konrad Resch (Hutmacher) Hofhutmacher Hof Sohn des Richard, wird am 2. Oktober 1696 Oberzechmeister der Hutmacherzeche; 1690: Bürgereid Haupt 1567, Harrach 2979 geb. ~1632 in Wien: 1659–1707 gest. 21. Juni 1707, 75-jährig an Hectica im eigenen Haus am Kohlmarkt, Wien Frankreich, Paris Fauconnet Reinhard, Fauconeth, Fauconneth, Reichard, Reichardt Fauconeth Fauconneth Laut Dauzat (1951) Dérivat et composé de Faucon, ohne Ort; nach Dauzat (1977) Faucon nom de baptême, aussi “fauconnier” Verheiratet in erster Ehe mit Maria NN (gest. vor 1665) in zweiter Ehe mit Anna Maria geb. Zeller (gest. vor 1685) laut HHStA: Maria und Anna Maria ev. eine Person; in dritter Ehe mit Elisabeth, verwitwete Som (Stadt- und Landgerichtsbeisitzer), geborene Thimb (Tochter des Kürschners Michael Thimb), stirbt am 18. Okt. 1700, hinterlässt ihm ein Haus am Hohen Markt 1 Kind stirbt früh, 2 Töchter und 4 Söhne: Joseph Anton, Buchhaltereiverwandter (verh. mit Maria Margaretha NN, Witwe des Johann Baptist Grindl, Apotheker zum schwarzen Adler), Johann Jakob (s. o.), Anna Maria Katharina (verh. mit Wolf Augustin Sautermeister, hofb. Handelsmann, Sohn des Johann Augustin Sautermaister von Sautershaimb), Maria Elisabeth (verh. mit Joseph Faber, ksl. Fourier, Sohn des Andreas
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges
Quellen
Faber, Gerichtsadvokat und öffentlicher Notar), Ignatius (verh. mit von Sader), Gabriel (Geistlicher in Kremsmünster) Hutmacher, ksl. Hofhutmacher Hof, Karl Eusebius von Liechtenstein; Stadt Wien 1677 besitzt ein Haus an der Wien; 1685: Kauf eines Hauses am Kohlmarkt; 1688: Kauf des “Ballhauses” in der Himmelpfortgasse; Verkauf des ererbten Hauses am Hohen Markt Mitglied des äußern Rates, das heißt, er hat das Bürgerrecht erworben; Besitzer mehrerer Häuser; sehr vermögend, kann seinen 5 Kindern zu Lebzeiten bereits ein Vermögen von etwa 150.000 fl. überschreiben; das Haus Kohlmarkt 9 wird nach seinem Laden dort “Zum Bibertier” genannt; seine Familie steigt sozial auf: Sohn Ignaz (Bürgereid 1708) heiratet eine von Saderin, Tochter Anna Maria einen von Sautersheim (deren Tochter einen von Liebenstein); das Haus an der Wien geht über die Tochter Anna Maria in fremden Besitz über (Sautersheim); Joseph Anton Franz: Bürgereid 1697; die Beträge der Verlassenschaften der Kinder sind bei weitem nicht mehr so hoch, wie bei Richard selbst; laut Verlassenschaftsabhandlung von Ignaz für seine Tochter hat er Geschäfte mit den Oppenheimers im Wert von über 51.000 fl. gemacht; 1690: Bürgereid; zeugt für: Spiegel (1667), Carl (1678), la Mort de Lamarre (1682), Lamert (1682); in seinem Testament zeugen für ihn Georg Christoph Kessler (Advokat) und Paul Heinrich Spiegel (des Äußern Rats) HHStA, OMeA, Akten 3: Dez. 1675; Haupt 1568; HHStA-Tabelle: HKA, HZAB; WStLA, Testament 842/1707, Akten und Verträge 3/1659; Totenbeschauprotokolle, Verlassenschaftsabhandlung 48/53 1712
Feratier Ludwig Herkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen
in Wien: 1698 (Hochzeit) Frankreich, Languedoc Verheiratet mit Anna Susanna Alamann am 4. Feb. 1698, Tochter des Johann Alamann von Hädenburg (Sekretär) Kammerdiener beim Herzogpaar von Lothringen Hof, Herzog von Lothringen HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan
Fillet Jacob Antoni Namensvariationen Namensherkunft
in Wien: 1706–1713 Filet Jacobus, Fillèt Laut Dauzat (1951) von Fildier, proprement “petit fil” oder von Fillat, Filhat (Massiv central); Fordant (1999, 361) Centre, Rhône-Alpes, Longuedoc-Roussillon Musiker, Bassist Hof HHStA, OMeA, Protokolle 6: 12. Aug.1706, 10. April 1707, 24. Jän. 1709; OMeA, Protokolle 7: 16. April 1712, 3. Feb., 17. März 1713
Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen Fillez Joseph Namensvariationen Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen
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in Wien: 1708–1712 Fillet Laut Dauzat (1951) von Fildier “petit fil”, oder von Fillat, Filhat (Massiv central); Fordant (1999, 361) Nord-Pas-de-Calais Saaltürhüter Hof HHStA, OMeA, Protokolle 6: 7. Aug. 1708, 18. Aug., 18. Nov., 20. Dez. 1709; OMeA, Protokolle 7: 11. Sept. 1711, 12. Feb. 1712
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Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
Fontenoy Sebastian
Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen Gandon Thomas Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder
Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen Gangloff Nikolaus Herkunft Namensvariationen Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier
Quellen
geb. ~1632 in Wien: 1665–1678 (Tod) gest. 19. Mai 1678, 46-jährig “Beim roten Igel” unter den Tuchläden, Wien Lothringen Fontaine, Fundeney, Fundenua, Fundera, Funduna, Furdinal Laut Dauzat (1951) variation von Font; forme collectif: endroit, où il y a des sources; nom de localité très répandu in der Nordhälfte Frankreichs Verheiratet mit Juliane Hämeringerin am 2. Sept. 1668 in St. Stephan (auch Kämmeringer, Tochter des Christoph Kämeringer) Ein Sohn (Hermann Christoph) stirbt im Kindesalter Hofgoldschmied, Goldarbeiter Hof, Karl Eusebius von Liechtenstein Wohnhaft “Beim roten Igel” unter den Tuchläden Trauzeugen bei der Eheschließung: Flaminius Gast (hofb. Goldarbeiter), Sebastian Hepp; zeugt für Contè (1677) Haupt (Liechtenstein) 819; Haupt 1707; HHStA-Tabelle: Taufmatriken St. Stephan in Wien: 1692 (Hochzeit)– 1707 (Tod der Tochter) Frankreich, “Pischar”, Picardie (?) oder “Dischar” Dijon (?) Gondon, Granschier Laut Dauzat (1951) entweder ein originaire de Gand (Belgique), oder aber sehr häufig (Dauzat 1977) ein ancien nom de baptême d'origine germ. Wando, Wandone Verheiratet in erster Ehe mit Maria Theresia Kisterin, Schneiderstochter, am 4. Jänner 1692 in St. Stephan, stirbt am 14. Juni 1696, 25-jährig an hitzigem Brust- und Lungenapostem; in zweiter Ehe mit Maria Anna Sellier am 4.11.1702, Tochter des Gabriel Sellier 2 Töchter sterben im Kindesalter Hofbefreiter Perückenmacher Hof Wohnhaft im “Pfeifferischen Haus” am Graben Zeugt für Beger (1696), Gangloff Nikolaus (1698), Wanger (Bestandwirt 1702) Haupt 1829;HHStA-Tabelle: Taufmatriken St. Stephan in Wien: 1680 (Hochzeit)– 1704 (Erwähnung) Lothringen Ganglhoff, Genglhoff, Ganglosß Verheiratet in erster Ehe mit Constantia NN im Mai/Juni 1680, Witwe des Johannes Elbert (Hartschier), stirbt am 24. Mai 1697, 55-jährig an Hectica; in zweiter Ehe mit Anna Eleonora Pinckhino am 12. Jän. 1698, Tochter des Rudolf Karl Pinckhino Hofbefreiter Hutmacher Hof Wohnhaft 1680 im kleinen “Liechtensteinischen Haus”, 1697 im “Richard Ringmayr” Haus, Tiefer Graben, 1699 im “Wagnerischen” Haus, Leopoldstadt, ab 1704 im “Staudiglischen Haus”, Leopoldstadt, Wien HHStA-Tabelle: St. Michael, Liber Promulg.; Haupt 1831
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730 Gerardin Antonia Herkunft Namensvariationen Ehepartner und Kinder Auftraggeber Sonstiges Quellen Granger Thomas Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges
Quellen
Grosjean Matthaeus Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder
Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen
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in Wien: 1705 (Hochzeit) Nancy, Lothringen Gerhardin Verheiratet mit Johann Baptist Gisoni am 2. Okt. 1705, Unterkammerfourier Hof Tochter des Johann Gerardin HHStA-Tabelle: St. Michael, Liber Promulg. in Wien: 1681–1709 (HKA, Bezahlung) Granschier Laut Dauzat (1951) forme archaique ou régionale Grangier, im Midi: Grangé/ -gié; nach Dauzat (1977) nom de métier, désignant fermier ou métayer; Fordant (1999, 424) Loire, Limousin, Rhône Verheiratet mit Anna NN, Witwe des Johann Baptista Hacque Hofkomödienausbutzer, Handelsmann, hofb. Perückenmacher Hof Miterbe der Anna Maria Thomasin; ab 1722 Adelsprädikat Edler von Granger und Hof- und Kreditgeber für ksl. Hof; zeugt für Feldern (1681), Beinier (1686), Barscher (1687), Marchand (1688), Gandon (1692), Duracini (1695), Brunzetti (1696), Gangloff (1698), Fleckhammer (1698), Bouches (1701), Gaubon (1702), Hauer (1704) HHStA, OMeA, Protokolle 4: 6. Feb. 1691; OMeA, Protokolle 5: 20. Aug., 21. Nov. 1697; OMeA, Protokolle 6: 22. Mai 1702, 15. Dez.1705; OMeA, Akten 5: 1681, 17. Dez. 1682; OMeA, Akten 8: 6. Feb. 1691; Haupt 1992; HHStA-Tabelle: HKA, HZAB; Harrach 218 in Wien: 1731–1734 Nancy, Lothringen Grojean; vulgo Monfange Laut Dauzat (1951 und 1977) aus Haute-Saône Verheiratet mit Johanna Coulonin aus Besançon am 30. Okt. 1731 in St. Stephan; stirbt am 16. Okt. 1733, 27-jährig an Hectica und Fieber im “Bockischen” Haus, Weihenburg; in zweiter Ehe mit Maria Franziska Langbeinin, Tochter von Franz Linder (königl. poln. Leibregiment), am 7. Jän. 1734 in St. Stephan 1 Kind stirbt im Kindesalter Ksl. Ingenieur Hof Wohnhaft in der Landstraße, dann in Weihenburg im “Bockischen” Haus Trauzeugen bei der zweiten Eheschließung: Philipp de Hamilton (Kammermaler), Franz Linder (Vater der Braut, Hauptmann des königl. polnischen Leibregiment) Haupt 2039
in Wien: 1666 (Hochzeit) Guillemin Johann Claudius Herkunft Besançon, Franche-Comté Namensvariationen Gullin Ehepartner und Verheiratet mit Ursula Heisl am 21. Feb. 1666, Tochter des Maximilian Kinder Heisl (Ungelter) Quellen HHStA-Tabelle: St. Michael, Liber Promulg.
360
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
Guissart Lambert Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges Quellen
in Wien: 1717 Laut Dauzat (1951) kommt Guizard (péjoratif) von Guize, Guise, nom de personne germ. Wiso; Fordant (1999, 441) Meurthe-et-Moselle, Seine-etMarne, Pas-de-Calais Handelsmann mit Spitzen und Hemden Familie Khevenhüller Schreibt auf Franz. in franz. lat. Schrift Khevenhüller, Kammer am Attersee 11 in Wien: 1700
Hallet de Sapogne Johann Herkunft Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen Haly Nicola Herkunft Namensvariationen Namensherkunft
Luxemburg Laut Dauzat (1951) Diminutiv von Halle (salle couverte, maison possédant une salle de réception) Bibliothekar Hof HHStA, OMeA, Protokolle 6: 3. Nov. 1700 gest. 1658, Wien
in Wien: 1620 (Privileg)–1658 (Tod)
Quellen
Frankreich Hälle, Hally, Halli Laut Dauzat (1951) wahrscheinlich entweder von Hallay (LoireInférieure) oder von Halle, variation régionale en Est: Halley Verheiratet mit Barbara NN, stirbt 1634 Tochter Catharina, geb. 1620 Hofpastetenkoch, Wirt, bürgerlicher Koch Hof, Stadt Wien Besitzt ein Haus “Bei der heiligen Dreifaltigkeit” um 1.100 fl. erworben Laden in Wien für Kuchen, Pasteten, Torten und Brot auf die französische Manier; als Gerhaben für die Tochter werden beim Tod der Mutter eingesetzt Harman Mathes (Äußerer Rat) und Jacob Bischoff (Bürger); neben seinem Haus besaß er noch Weingärten als Reisguet zum Wiederaufbau, insgesamt wird sein Vermögen mit 1.225 fl. beziffert Haupt 2118; WStLA: Verlassenschaftsabhandlung 12/15 1634
Jardin Petrus Herkunft Namensvariationen Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen
in Wien: 1664 (Hochzeit) Frankreich, Paris Gerärdein Verheiratet mit Anna Catharina Eusebia de Bonis im Nov. 1664, Tochter des Joan de Bonis (Provisioner) Rittmeister Hof HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan
Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges
in Wien: 1642 La Chambre Richard Herkunft Lothringen Namensvariationen La Chambre Reichard, la Chambre Reichardum Namensherkunft Laut Dauzat (1951) von Chambre, forme normande-picarde, rare comme nom de famille un peu moins avec l'article; nach Dauzat (1977) dans l'extreme Nord
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730 Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges Quellen la Mort de Lamarre Jacques
Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges
Quellen
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Hofschneider, zuvor 7 Jahre (1635–42) Leibschneider und Kammerdiener für das Herzogpaar von Lothringen Hof, Herzog von Lothringen Besitzt ein Empfehlungsschreiben von Heinrich von Starhemberg (mit Rekommandation des Herzogs von Lothringen) HHStA, RHR, Privilegien 2 geb. ~1626 in Wien: gest. 12. Juni 1699, 73-jährig 1673–1699 (Tod) (Colica und alters halber) “Baron von Königsbacherisches Haus”am scharfen Eck, Wien Frankreich, Paris Lamare, La Marre, Lamayer, Lamorel Laut Dauzat (1951) kommt Lamort von Mort (altération), von More oder Maure, nom de baptême; als Derivat weit verbreitet; Lamarre von Lamare (Name eines Dorfs oder Tümpels) Verheiratet mit Johanna Olivier de Brisar in St. Stephan im Mai 1682; stirbt 40-jährig am 27. Mai 1688 im Benefiziatenhaus am Kohlmarkt an Hectica Ksl. Büchsenmeister Hof, Karl Eusebius und Johann Adam Andreas von Liechtenstein 1673: Bitte um HQ, 1684 und 1685 Bitte um neues HQ, da er aus dem “Liebenbergischen Haus” am Hof hat ausziehen müssen; 1693 erhält er das HQ des verst. ksl. Trompeters in der Riemerstraße Paris ist als Geburtsort nicht gesichert, 1660 ist er im als führender Büchsenmacher im Musterbuch von Thuraine und Le Hollandois erwähnt; von dort aus übersiedelt er nach 1670 zuerst nach Prag (1674/75?) und 1673 nach Wien; 1676 ist ein französischer Büchsenmacher in Wien belegt, der für den Kaiser gearbeitet hat Haupt (Liechtenstein) 1791; Haupt 2536; HHStA, OMeA, Akten 3
in Wien: 1688 La Quoste Marguerete Herkunft Frankreich Namensherkunft Laut Dauzat (1951) altération de l'anc. fr. quot Tätigkeiten und Tapeziererin Auftraggeber Hof Quellen HHStA, OMeA, Protokolle 4: 19. Juli 1688; OMeA, Akten 8: 2. Nov. 1690 geb. ~1624 in Wien: gest. 15. März 1696, 721652 (Hofarbeit in jährig, “ungarisches” Haus Regensburg)–1696 (Tod) bei den Augustinern, Wien Cheur im Barrois, Lothringen Eigentlich: La Vesne, dit L'espine; La Fevre, Lafeve, Lebef, Lauewe, L'Epin, L'Epine, Lepin, Lespin, l'Espin, Lovacco Niclaß Lauewe L'Epin, L'Epine Lepin, Lespin, l'Espin, Lovacco Niclaß Laut Dauzat (1951) Epine: rar, in der Gegend von dornigen Sträuchern, nom d'ancien fief; Fèvre: höchste Dichte um Lille, insges. weit verbreitet; Lefèvre laut Duden 2005 zu altfranz. fevre, Berufsname (Schmied); laut Dauzat (1977) im Norden: Pas-de-Calais und Somme;
La Vesne Johann Nicola (Lespine) Herkunft Namensvariationen Namensherkunft
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Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
Ehepartner und Kinder
Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier
Sonstiges
Quellen Lamy Johann Herkunft Namensvariationen Ehepartner und Kinder
Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen Langlois Franz Herkunft Namensvariationen Ehepartner und Kinder
aber auch Wallonien, Hainaut; Fordant (1999, 545) Le Fevre: Bretagne, Paris, Basse-Normandie; l'Epine (514): Nantes Verheiratet in erster Ehe mit Maria NN (stirbt am 3. März 1667, 35jährig), in zweiter Ehe mit Franziska NN (stirbt am 15. April 1685, 40jährig), in dritter Ehe mit Maria Franziska Alexandra NN 7 Kinder sterben im Kindesalter; unbestimmte Anzahl an Kindern erster Ehe haben überlebt; aus 2. Ehe: Sohn im geistlichen Stand und Marie Anne, Nicolas, Denis, Anne Helene, Anne Marie Francisse; aus 3. Ehe: Marie (in Summe mind. 7 Kinder) Hofb. Zuckerbäcker, Confiseur de Cour Hof, Johann Adam Andreas von Liechtenstein Wohnhaft im Herrn Sekretär Peris Haus am Graben, dann Stock-imEisen am Graben, dann Thavonatisches Haus in der Singerstraße, im Kuniothischen Haus am Graben, im kleinen Liechtensteinischen Haus in der Herrengasse, dann im Benfiziatenhaus in der Herrengasse und im “ungarischen” Haus bei den Augustinern; Verlassenschaft: Inventur von Werkstatt und Haus im Wert von 2.132 fl. Testament von 1694: hier erwähnt er neben 643 fl. Vermögen in Juwelen und Möbeln auch weitere Möbel und Immobilien, sowie nicht näher definierten Besitz in Lothringen; für ihn zeugen: Nicolas Pinon ksl. Doktor und Chirurg, Jean Van Ghelen, Drucker der Universität, und Thomas Granger, hofbefreiter Handelsmann; ein Hans Michael Lespine (Sohn?) übernahm eine Mitgerhabschaft für Claudius Pugnioth HHStA, OMeA, Protokolle 4: 27. April 1677; OMeA, Protokolle 5: 19. Okt. 1694, 12. Dez.1695; Haupt 2525; WStLA, Testamente 10291/1694 in Wien: 1665 (Hochzeit)– 1699 (Erwähnung) Frankreich, Paris Lame, Lami, Lamin, Lanni, Johannes, Hans Verheiratet in erster Ehe mit Anna Sabina NN, in zweiter Ehe mit Maria Hasaress (Kayser) am 8. Sept. 1665, Tochter des Michael Hasaress (Kayser), Leutnant in den südl. NL (span. Armee); in dritter Ehe mit Anna NN 1 Sohn Claudius stirbt im Alter von 30 Jahren; ein Kind stirbt im Kindesalter Hartschier-Barbier, Hartschier bei Eleonore von Gonzaga Hof Wohnhaft 1665 im “Thomas Mersinger” Haus in der Singerstraße, 1667 “Bei den drei Mohren” auf der Wieden, ab 1679 im “Thoma Kickinger Haus” in der Kärntner Straße Zeuge für Kopp (1665), Böckher (1667), Irrisch (1670), Witzan (1691), Clari (1699) HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan, St. Michael, Liber Promulg, WStLA: Totenbeschauprotokolle in Wien: 1699 (Bürgereid)– 1701(Hochzeit) Frankreich, Niauff (?), wahrscheinlich Niafles, Mayenne, Loire Langler, Langloais Verheiratet mit Maria Eleonora Witwer, Witwe des Johann Michael Hurschi, ksl. Tafeldecker am 9. Jän. 1701 Sohn: Jakob Langlois (?) ksl. Bratmeister und Küchengehilfe
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730 Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges Quellen
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Bürgerlicher Stadtkoch Stadt Wien Jakob Langlois (Haupt 2553) ist möglicherweise sein Sohn: ksl. Kochgehilfe, Bratmeister, stirbt am 23. April 1758; für ihn zeugt: Johann Michael de Lepin; Bürgereid 1699 HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan
in Wien: 1678–1696 Lannoit Peter Christoph de Namensvariationen Launoit, de Launoit, de lausnoit, Lanoit, de lanoij Lorin, Petrus Namensherkunft Christophorus de Launoit, de lausnoit Lanoit Petrus Christophorus de lanoij Lorin Laut Dauzat (1951) folg. Mögl.: von Launay, Launois, pay d'oil; Lanoix (producteur/ marchand de noix); Lanoire (Noir, Centre Lyonnais, Est); laut Kremer (1995) ist Delannoy vor allem im Norden; nach Dauzat (1977) im Norden: Launay, Launoy; Fordant (1999) de Lannoy (255) Tours, Nord-Pas-de-Calais, Paris, Bretagne; Lannois (529): Picardie, Paris, Nord-Pas-de-Calais Tätigkeiten und Kammerdiener der bayrischen Kurfürstin Auftraggeber Hof, bayrische Kurfürstin Quellen HHStA, OMeA, Protokolle 5: 26. März 1694, 4. Aug. 1696; OMeA, Akten 3: 1678; OMeA, Akten 5: 1681 Le Cler Augustin Namensvariationen Namensherkunft
Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen Le Conte Johan Namensvariationen Namensherkunft
Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen
in Wien: 1681 Le Cleer Laut Dauzat (1951) Lecler von Clair, Cler forme populaire en moyen âge, mit Artikel v. a. Nord, Nord-West; nach Dauzat (1977) hohe Dichte an der Somme und Pas de Calais; Fordant (1999, 544) Basse-Normandie, Ile-de-France Hofhandelsmann auf kurze Waren Hof HHStA, OMeA, Akten 5: 1681 in Wien: 1707 Le Comte Laut Dauzat (1951) Leconte und Lecomte von Lecompte, ohne Ort; nach Dauzat (1977) sehr häufig ohne Lokalisation; Fordant (1999, 544) Le Comte: Ile-de-France, Haute-Normandie, Pays de la Loire; Le Conte: Basse-Normandie, Paris, Haute-Normandie, Morbihan Tanzmeister am bair. Hof Hof HHStA, OMeA, Protokolle 6: 11. Okt. 1707 in Wien: 1686–1712 (Nennung im ksl. Hofstaat) Frankreich/südliche Niederlande, Dunkerque, ab 1662 franz. Laut Dauzat (1951) weit verbreitet,Nord, Nord-West; laut Kremer (1995) im Norden; Fordant (1999, 547) Quimper (Bretagne), Paris, BasseNormandie Verheiratet in erster Ehe mit Marianna Geiger, Tochter des Martin Geiger, Stadtrichter und ksl. Mautbestandsinhaber in Bruck am 20. Nov. 1691 4 Kinder sterben im Kindesalter
Le Grand Johann Michael Herkunft Namensherkunft Ehepartner und Kinder
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Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges
Quellen Le Grand Peter Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder
Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges
Quellen
Le Point Jean Namensvariationen Namensherkunft
Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen
Hof- und Leibperückenmacher, ksl. Kammerdiener Hof (Leopold I., Joseph I.) Haus am Graben von Mutter Anna Maria 1697 geerbt, 1699 verkauft Sohn des Peter Le Grand, in F ausgebildet; erwirbt 1695 das Bürgerrecht; wird in den Ritterstand erhoben, Adelsprädikat Edler von Granenfeld (1709); Zeugt für: Neüsser (Kutscher, 1698) und Prol (Perückenmacher, 1699) HHStA, OMeA, Protokolle 4: 28. Mai 1686; OMeA, Akten 12: 15. Dez.; Haupt 2586; HHStA-Tabelle: HKA, HZAB geb. ~1631 in Wien: 1663 (1686 23 Jahre gest. 19. Okt. 1694, 63-jährig, gedient)–1694 (Tod) Wien Frankreich/südliche Niederlande, Dunkerque, ab 1662 franz. Le Gran, Le Grann, Legran Le Grann Legran Laut Dauzat (1951) weit verbreitet, Nord, Nord-West; laut Kremer (1995) Norden; Fordant (1999, 547): Quimper (Bretagne), Paris, BasseNormandie Verheiratet in erster Ehe mit Anna Maria von Mally, Tochter des Johann de Mally; in zweiter Ehe mit Pauline Susanna Konstanze Stemblerin, Tochter des Sebald Stembler (Handelsmann und Mitglied des Äußern Rats); in dritter Ehe mit Petronilla Podentiana geb. Huber am 29. Okt. 1690, Tochter des Johann Hueber (Kanzlist HK) 3 Kinder sterben im Kindesalter; Sohn: Johann Michael Le Grand Perückenmacher, Leibbarbier Hof (Leopold I.) Zuerst HQ in der Wollzeile, dann im Dellischen Haus am Kohlmarkt, 1673 Kauf eines Hauses am Graben mit Gattin Anna Maria Laut Testament vom 27. Mai 1694 war in seinem Besitz: das Haus am Graben, mindestens 3.719 fl. in Geld oder Schuldscheinen; weiters die volle Hauseinrichtung in Möbeln, Leinen, Gold, Silber, Kleinodien, Zinn, Kupfer, sowie Wein im Keller und ein niederl. Bild; weiters bedachte er finanziell: seinen Gevatter (Paten) Nicolaus la Vesne, zwei Personen aus dem ksl. Dienstpersonal und seine beiden Dienstboten; als Zeugen scheinen auf: Georg Sigmund von Seeweiß, Johann Franz Pärtinger, Johannes Andreas Abent, von Gersterspreff, Nicolaus Pinon, Nicolaus la Vesne und Johann Carl Trämpeschkop; Bürger in Wien ab 1690; Zeugt für: Kranewetter (1666), Linthawer (1675), Durgi (1678), Canderi (1678), Kropf (1685), Pfreinter (1687) und Voregger (1689) HHStA, OMeA: Protokolle 2: 12. Okt. 1674; Protokolle 4: 5. Juni 1677, 28. Mai 1686, 16. April 1690, Protokolle 5: 5. Feb. 1695; OMeA, Akten 2: 27. Sept. 1674; OMeA, Akten 3: 5. Juni 1677, OMeA, Akten 5: 1681, 17. Dez. 1682, OMeA, Akten 7: 28. Mai 1686; Haupt 2587; HHStATabelle; HKA, HZAB; WStLA: Testament 9485/1694 in Wien: 1681 le point Johann Laut Dauzat (1951) ev. von Point (Bourgogne, Franche-Comté), forme altérée de Pons (Doubs, Loire); nach Dauzat (1977) von pontius forme altéré (Doubs, Saône-et-Loire); Fordant (1999, 566) Lepoint: Saône-etLoire (Burgund), Nord-Pas-de-Calais, Paris, Rhône Perückenmacher Hof HHStA, OMeA, Akten 5: 1681
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730 Le Sage Ludwig Namensvariationen Namensherkunft
Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen
Le Trouteur Nicola Namensvariationen Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen Le Vray Antonia Namensherkunft
Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen Lesage Peter Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges
Quellen
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geb. ~1615 in Wien: 1663 (Beginn gest. 30. Sept. 1693, 78Hofarbeit)–1693 (Tod) jährig, Wien le Sage Luiggi, de le sage Ludwich, de le sage Ludwich de/le Richel, Luige Laut Dauzat (1951) ev. von Sagan, Nichtadeliger, Süd-Ost; viel eher Dauzat (1977) Sage, Lesage, patronymes, aus mittelalterl. Literatur; Fordant (1999, 552) Côtes-d'Armor (Bretagne), Paris, Morbihan Verheiratet in erster Ehe mit Francisca Anna Maria NN, stirbt am 6. Nov. 1684, 55-jährig; in zweiter Ehe mit Anna Maria Saur, Tochter von Johann Saur von Saurburg, Stadtschreiber in St. Pölten Hartschier (Arcierer) Provisionär Hof Wohnhaft 1685 im Wegener Haus am Salzgries Verwandt mit Peter Lesage? HHStA, OMeA, Protokolle 2: 20. Juni 1675; OMeA, Akten 2: 17. Juni 1675; OMeA, Akten 6: 16. März 1683; HHStA-Tabelle: HKA, HZAB; WStLA: Totenbeschauprotokolle in Wien: 1681–1688 Trotear Laut Dauzat (1951) ev. von trotteur, Trote, subst. verbal de trotter, surnom donné aux courriers; eher West, Loire; Fordant (1999, 553) Le Troter: Finistère, Nantes; Le Trotier: Nantes Hofhandelsmann auf kurze Waren Hof HHStA, OMeA, Akten 5: 1681; OÖLA, FA Lamberg 1266 in Wien: 1693 Laut Dauzat (1951) forme altérée de levret aus Calais, siehe unter Levrat, Lyonnais; Dauzat (1977) eher von lièvre: Levraut, Levreau in Bourgogne, 14. Jh.; Fordant (1999, 930) Vraie: Briancon (Hautes-Aples), Auvergne Kammerdienerin der bayrischen Kurfürstin Hof, bayrische Kurfürstin HHStA, OMeA, Protokolle 5: 28. Juli 1693 in Wien: 1661 (Privileg)– 1670 (Hauskauf) Frankreich, Monchalon, Normandie Sage, Scisch Scisch Laut Dauzat (1951) von Sagan, Nichtadeliger, Süd-Ost; viel eher Dauzat (1977) Sage, Lesage, patronymes, aus mittelalterl. Literatur Verheiratet mit Elisabeth NN Hofhutmacher Hof Kauft 1670 mit Frau Elisabeth ein Haus in der Bräunerstraße Gibt an, zuerst herumgezogen zu sein; dann vor seinem Ansuchen schon 3 Jahre in Wien Kavaliere bedient zu haben; will sich laut Ansuchen häuslich niederlassen; will Castorhüte und andere wollene Hüte verkaufen Haupt 2635; HHStA, RHR, Privilegien 9
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Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
in Wien: 1673–1702 (Ende Maignin de Fleurey Caspar Hofarbeit) Ambros Herkunft Frankreich, Bourgogne Namensherkunft Laut Dauzat (1951) von Meignin, Maignan, forme méridional (südlich) von Magnien (chaudronnier ambulant), vor allem Est/Sud-Est; Fleurey von Fleury: très répandu dans la moitié nord de la France et anc. fief (anc. domaine galloromain); nach Dauzat (1977) Maignien, Magnin: très fréquant (= chaudronnier ambulant) Ehepartner und Verheiratet mit Ottilia Kreütmayrin, stirbt 1701, 54-jährig Kinder Tätigkeiten und Gräflich Harrachscher Hofmeister 1673–1688, Futtermeister, ksl. Rat, Auftraggeber Hofkammerrat Ferdinand Bonaventura von Harrach, Hof Sonstiges Herkunft sehr wahrscheinlich Burgund (siehe sein Brief vom 18. Feb. 1677), er schreibt in drei Sprachen fließend: deutsch, französisch, italienisch, seine Sprachkenntnisse in Deutsch und Französisch sind sehr gut, er beherrscht die deutsche Kurrentschrift ohne Hinweis auf Unsicherheiten, teilweise mischt er franz. und dt. in einem Brief; Zeugt für Beinier (1686), Petzinger (1689), Stadlmayr (1689), Le Grand Johann Michael (1691), Fraß (Ingenieur, 1692), Weiß (1696), Auhoffer (1696) und Thelliers (1697) Quellen Harrach 279, 350; HHStA-Tabelle: HKA, HZAB Mandini Lorian Herkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen
in Wien: 1684 Frankreich, Blois, Loire Verheiratet mit Maria am 25. Sept. 1684, Witwe des Augustin Menu (Perückenmacher) Bürgerlicher Perückenmacher Stadt Wien HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan gest. 14. Juni 1747 im in Wien: 1708 (Beginn des “Pfannischen” Haus bei der Hofdiensts)–1747 (Tod) schönen Laterne, Wien Lothringen Marejan Jean, Marschantt Marschantt Laut Dauzat (1951) Marchand, Marchant, nom picard; laut Duden 2005 eingedeutscht (Marschand), franz. auch Hugenotten-name; nach Dauzat (1977) nom de métier aus dem 13./14. Jh. Verheiratet mit Gabriele NN, stirbt am 15. Okt. 1743, 37-jährig 1 Sohn stirbt im Kindesalter, sein Sohn Gilis Marchand wird Hofkoch, 1744 erwähnt Ksl. Bratmeister Hof Wohnhaft im “Pfannischen” Haus bei der schönen Laterne; Inventur der Werkstatt und des Hausrates 1747: 492 fl. ¼ kr. Zeuge bei der Verlassenschaft seiner ersten Frau ist François Mouchette (königl. Meisterkoch) Haupt 2810 und 2809
Marchand Johann Baptista Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730 Marchant Ägidius
Namensvariationen Namensherkunft
Ehepartner und Kinder
Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Quellen Maureaux Louis Herkunft Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges Quellen Menu Augustin
Namensvariationen Namensherkunft
Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen
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geb. ~1631 in Wien: 1682–1705 (Tod) gest. 31. März 1705, 74-jährig im “Selbischen” Haus am Kohlmarkt, Wien Marchan, Marschan, Marschandt Marschan Marschandt Laut Dauzat (1951) Marchand, Marchant, nom picard; laut Duden 2005 eingedeutscht (Marschand), franz. auch Hugenottenname; nach Dauzat (1977) nom de métier aus dem 13./14. Jh.; Fordant (1999, 608) Marchand: Paris, Loire-Atlantique, Nord-Pas-de-Calais Verheiratet in erster Ehe mit Olympia NN, stirbt am 15. Okt. 1686, 40jährig; in zweiter Ehe mit Maria Elisabeth Bachin, Witwe des Karl Hedemin (Chirurg, hofbefreit); in dritter Ehe mit Maria, Witwe des Johann Hafferle (ksl. Trabant) 2 Kinder sterben im Kindesalter, eine Todgeburt Hofb. Barbier, ksl. Generalstabs-Barbier Hof Wohnhaft im “Selbischen” Haus am Kohlmarkt HHStA, OMeA, Akten 5: 17. Dez. 1682; Haupt 2808 in Wien: 1668 Frankreich Wahrscheinlich besond. orth. Form von Moreau, laut Dauzat (1951) von More, forme archaique (dunkle Haare, Haut, Dauzat 1977) Jäger Karl Eusebius von Liechtenstein Bringt einen französischen Jagdhund mit Haupt (Liechtenstein) 969 geb. ~1631 in Wien: 1671 (Tod eines gest. 8. März 1684, 53-jährig Sohnes)–1684 (Tod) an hitzigem Fieber, Neuer Markt, Daistelisches Erben Haus, Wien Meny, Mino, Minu, Muni Am wahrscheinlichsten Dauzat (1977) aus einem Spitznamen: menu (klein): Menu, Menut etc. ohne Lokalisation; laut Dauzat (1951) Menu Diminutiv von Menuel, Mény altération von Ménil (maison rurale isolée) und von Ménial (Picardie, Massif central), ev. von Minot, Minel (nom d'une mesure), ev. Mun (Hautes-Pyrénées) oder Munier (variation regionale de Meunier, Normandie); Fordant (1999, 629) Reims, NordPas-de-Calais, Picardie Verheiratet mit Maria NN, spätere Frau des Lorian Mandini 3 Kinder sterben im Kindesalter, die Tochter Margarethe heiratet am 25. Juni 1681 in St. Stephan Peter Deprez (F); Tochter Marianna heiratet Franz Mometti (ksl. Kammerfurier) Hofbefreiter Barbier, hofbefreiter Perückenmacher Hof 1671 wohnhaft im “Kanzlerischen” Haus, Kärntner Straße, 1676 im “Herr von Hartmann” Haus, Kärntner Straße Zeugt für Vasin (1671) und Martin (1681) Haupt 2918
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Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
Mercier Herkunft Namensherkunft
Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen Mignon Herkunft Namensherkunft
Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen
in Wien: 28. Juni 1677–Sept. 1678, dann Remigration Frankreich, Paris Laut Dauzat (1951) Mercier “colporteur”; laut Duden 2005 ein altfranzösischer Berufsname “Kleinhändler”, als Hugenottenname bezeugt; nach Dauzat (1977) noch verbreiteter als Marchand, nom de métier Koch im Hause Harrach, Maitre de traiteur (Feinkost) Ferdinand Bonaventura von Harrach Harrach 279, 350, 2556, 217 in Wien: Nov. 1676–Jän. 1679 (Abfertigung) Frankreich Am wahrscheinlichsten: Dauzat (1977) nom d'ordre moral et social: von Mignan, Mignot, Mignet, Mignard; laut Dauzat (1951) variation régionale de Magnien (Mignon en Wallonie), oder Mignot, Mignon (surtout Est) Küchengehilfe im Hause Harrach, Patissier Ferdinand Bonaventura von Harrach Harrach 279, 350, 2556, 217
in Wien: 1722–1737 Monnot François Louis Herkunft Frankreich Namensherkunft Laut Dauzat (1951 und 1977) Monnot von Monier: hypocoristisch Monnot v. a. aus der Franche-Comté bzw. Osten Auftraggeber Franz Ferdinand Anton Khevenhüller Sonstiges Sohn des Jean-Baptiste Monnot, will sich um das Amt des Burgvogts des Palais Imperial in Wien bewerben und erwartet sich von Khevenhüller dabei Unterstützung durch Beziehungen Quellen Khevenhüller, Kammer am Attersee 10, 11 in Wien und Linz: 1706–1728 Monnot Jean-Baptiste Herkunft Frankreich Namensherkunft Laut Dauzat (1951 und 1977) Monnot von Monier: hypocoristisch Monnot v. a. aus der Franche-Comté bzw. Osten Ehepartner und Verheiratet NN Kinder Sohn: Francois Louis Monnot Tätigkeiten und Hofmeister im Hause Khevenhüller Auftraggeber Franz Ferdinand Anton Khevenhüller Sonstiges Ist mit Mr. Magnin, Capitaine im Harrach-Regiment bekannt; meldet dass 3 Franzosen angekommen seien, so wie die vielen anderen aus Lothringen Quellen Khevenhüller, Kammer am Attersee 10, 11, 12 Montrichard Herkunft Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen
in Wien: 1678–1679 (in den Haushaltsabrechnungen Harrach) Frankreich Laut Dauzat (1951) aus dem Gebiet Loir-et-Cher Hausangestellter Ferdinand Bonaventura von Harrach Harrach 2556, 350
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730 Mougenot Estienne Namensvariationen Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges Quellen Noielle Robert de Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen Philebois Alexandro Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges
Quellen
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in Wien: 1678 (Harrach)– 1705 (Hofarbeit) Mugenot Stephan, Esttienne Laut Dauzat (1951) von Demange (Lorraine, Bourgogne), die Form Mougeot: Haute Marne (Champagne); Fordant (1999, 657) FrancheComté, Ile-de-France, Lothringen Hofhutmacher (Chapelier de Cour), Trabant Ferdinand Bonaventura von Harrach, Hof (Joseph I.) Rechnung auf Französisch verfasst! nennt sich selbst Chapelier de Cour Harrach 2556; HHStA-Tabelle: HKA, HZAB in Wien: 1617 (1. Hochzeit)– 1646 (2. Hochzeit) Frankreich, Lyon Noille, Noyalle, Noyele, Noyelle Laut Dauzat (1951 und 1977) wahrscheinlich von Noel (Weihnachten) abgeleitet, im Norden weit verbreitet Verheiratet in erster Ehe mit Anna Cleff, Tochter des Krämers Hans Cleff 1617 in St. Stephan; in zweiter Ehe mit Maria Olonin, Tochter des Matthias Olon am 7. Juli 1642 in St. Michael Hofperlhefter Hof, Karl Eusebius von Liechtenstein Wohnhaft im Liechtensteinischen Haus in der Herrengasse 12. Okt. 1620 Aufnahme in den Hofdienst wegen vorgebrachter Fürsprachen; soll für Liechtenstein 1642 besondere Kleider anfertigen mit gutem und schönstem Pariser Gold Haupt 3135; Haupt (Liechtenstein) 111, 130, 205, 229, 360, 404, 473, 1472 geb. 1677 in Wien: 1710–1744 gest. 4. Juni 1744, 67-jährig, Wien Alessandro Laut Dauzat (1951) ev. von Philipeau, -eaux (Lyonnais), oder Philippault (Est), insgesamt von Philippe; Fordant (1999, 716) Philbois: Champagne-Ardenne, Ile-de-France, Longuedoc-Roussillon Verheiratet NN Drei Söhne: Carl, Alexander, Franz Anton, alle drei Hoftänzer Tänzer Hof Von Joseph I. aufgenommen und mit einem sehr hohen Gehalt von 3.000 fl. jährlich versehen; unter Karl VI. wurde sein Gehalt auf 1.500 fl reduziert; befand sich oft in Schulden; seine Frau soll unerlaubterweise Komödienkleider entwendet haben; seine Fähigkeiten als Tänzer waren unbestritten, seine drei Söhne konnte er ebenfalls im Hofdienst als Tänzer verankern HHStA, OMeA, Protokolle 7: 1. April 1710, 31. Dez. 1712, 26. Jän. 1713; Sommer-Mathis (1992)
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Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730 in Wien: 1674 (Hochzeit)– 1679 (ev. Remigration)
Pichard Petrus Herkunft Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges Quellen Pinon Anton I. Herkunft Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Quellen Pinon Anton II. Herkunft Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges Quellen Pinon Niclas
Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder
Tätigkeiten und Auftraggeber
Frankreich, Clermont-Ferrand, Auvergne Laut Dauzat (1951) Pichard: Ouest, Nord-Ouest Verheiratet in erster Ehe mit Martha Menogot, Tochter des Simon Menogot (Witwe von Johannes Dubois), am 2. April 1674 Kinder NN Ksl. Hofbarbier Hof Erbittet Passbrief für sich und seine Familie sowie für Chassignole und dessen Frau, um in die Heimat zurückzukehren HHStA, RHR, Passbriefe 13; HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan gest. 1708 in Wien: ?–1708 (Tod) Neuville, Lothringen Laut Dauzat (1951) Pinon von Pinard, surnom à valeur obscure, Pinon und Pinat im Midi Verheiratet mit Maria Franziska, stirbt 82-jährig am 14. März 1768 hat einen Sohn, Anton Pinon Hofb. Barbier Hof Inventur von Werkstatt und Hausrath vom 9. Mai 1708: 3.435 fl. Haupt 449 und 450 gest. 9. Sept. 1751 in Wien: 1736 (Heirat)–1751 “Becksches” Haus, (Tod) Sauerwinkel, Wien Lothringen, (2. Gen.) Laut Dauzat (1951) Pinon von Pinard, surnom à valeur obscure, Pinon und Pinat im Midi Verheiratet mit Helene Grabmayrin am 29. Okt. 1736 Hofb. Chirurg des “inneren Rats” Hof Sohn des Anton Pinon I. Haupt 450 geb. ~1625 gest. 25. März 1704, 79-jährig im eigenen Haus, Kurrentgassel, Wien
in Wien: 1677 (Kauf eines Hauses)–1704 (Tod)
Nikolaus Laut Dauzat (1951) Pinon von Pinard, surnom à valeur obscure, Pinon und Pinat im Midi; Fordant (1999, 723) Paris, Indre-et-Loire, Cher Verheiratet mit Anna Helena Maria Verlet, Tochter des Matthias Blasius Verlet, Fecht- und Tanzmeister, stirbt am 4. Sept. 1708 Ein Stiefsohn: Franz Ludwig Nikolaus Pipier (Sohn der Frau aus erster Ehe, er hinterlässt zwei Kinder, die aber früh sterben: Johann Niclas und Niclas Alexio Pipier) Ksl. Leibbarbier Hof
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730 Besitz und Quartier Sonstiges
Quellen Pipier Claudius Herkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges Quellen Pouloin Toussoint
Namensvariationen Namensherkunft
Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Quellen
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1677: Kauf des Hauses Ecke Steindelgasse/ Kurrentgasse, HQ im eigenen Haus Die Ehefrau Verlet war eine Schwester des Tänzers Antonius Verlet, sie war in erster Ehe mit Claudius Pipier verheiratet; vermacht ihr Erbe von zwei Häusern zuerst an ihre Pipier-Enkel, dann an ihren Sohn aus erster Ehe, da alle diese Personen im Lauf der 1. H. d. 18. Jhs. ohne Nachfahren sterben, gehen die beiden Häuser an die Kinder von Antonius Verlet (Bruder von Fr. Pinon), Wert: 34.000 fl.; Bürgereid 1685 HHStA, Akten 5: 17. Dez. 1682, Haupt 451; WStLA: Verlassenschaftsabhandlung 163/2 1708 in Wien: 1668 (Hochzeit) Frankreich, Lyon Verheiratet mit Anna Helena Maria Verlet im Sept. 1668, Tochter des Matthias Blasius Verlet, Fecht- und Tanzmeister, stirbt am 4. Sept. 1708; ein Sohn: Franz Ludwig Nikolaus Pipier Hofbefreiter Barbier Hof Die Ehefrau Verlet war eine Schwester des Tänzers Antonius Verlet, sie heiratet in zweiter Ehe Niclas Pinon HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan; WStLA: Verlassenschaftsabhandlung 163/2 1708 geb. ~1650 in Wien: 1681 (Nennung im gest. 29. Okt. 1687, 37-jährig, Hofstaat)–1687 (Tod) Haus “Schmidische” Erben am Judenplatz, Wien Toussainct Paullein, Tousani Poullain Tousani Poullain Laut Dauzat (1951) ancien nom de baptème mystique; laut Duden 2005 franz. Familienname vom Fest Allerheiligen; nach Dauzat (1977) nom populaire; Fordant (1999, 879) Paris, Lothrigen (Vogesen, Meurthe-etMoselle) Verheiratet mit Judith Klara NN, später Frau des Joseph Anton Bauer Gold- und Silberarbeiter Johann Adam von Liechtenstein, Hof Wohnhaft am Judenplatz, Haus Schindlerische Erben; Inventur der Verlassenschaft von Werkstatt und Hausrat ohne Preis HHStA, OMeA, Akten 5: 1681, 17. Dez. 1682; Haupt 1404
in Wien: 1673–1684 Poussin Johann Peter Herkunft Frankreich Namensvariationen Pausin, Bausin, Bossin, Possin, Petter, Peter Namensherkunft Laut Dauzat (1951) ist Poussin aus Normandie und Picardie Ehepartner und Ein Sohn stirbt im Kindesalter Kinder Tätigkeiten und Hofbefreiter Schneider, Hofhandelsmann Auftraggeber Karl Eusebius von Liechtenstein, Hof Besitz und Quartier Wohnhaft im “Liechtensteinischen” Haus in der Herrengasse Quellen Haupt (Liechtenstein) 1102, 1151, 1173, 1197, 1341, 1733; Haupt 691
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Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
Prevoist Franz Namensvariationen Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Quellen Prian Moritz Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges
Quellen
Prian Peter Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges Quellen Prison Anton
Herkunft Namensvariationen Namensherkunft
in Wien: 1673–1681 Provost Francesco, Braeuost Franz Braeuost Franz Laut Dauzat (1951 und 1977) kann nur von Prévost kommen (WestNord-West); Fordant (1999, 742) Prevost: Paris, Nord-Pas-de-Calais, Haute-Normandie Kaufmann, Handelsmann auf kurze Waren Hof HHStA, OMeA, Akte 2: 1. Sept. 1673, OMeA, Akte 5: 1681 gest. 88-jährig in Wien: 1675–1679 Sallanches, Savoyen Breänn Mauritius, Brean, Brian, Moriz Laut Dauzat (1951) ev. Bréand, ancien form de bruant; Dauzat (1977) oder ev. von Briand, Briend dérivé ancien de la racine bri- dignité, élévation Kinder: Thomas (ksl. Hofhandelsmann), Matthias (verehelicht mit Christina Regina Ungrecht von Ungrechtsberg, Handelsmann und Hoftrompeter) und Regina Catharina (verehelicht mit Löchinger und in zweiter Ehe mit Johann Michael Seiz, Regierungsrat) Bürgerlicher Handelsmann in Wien, Maler Karl Eusebius von Liechtenstein Leistet Kriegsdienst unter Erzherzog Matthias vor 1612; reist nach 1675 mit Knecht und einem Pack zu 3 Pferden in sein Vaterland nach Savoyen, auf dem Weg dorthin besucht er seinen Vetter Clement Carl, Bürger von Immenstadt; zeugt für Carl (1678), Fabi (1690) und Sorbait (1692); alle Kinder tragen ab 1654 den rittermäßigen Reichsadelstitel von Zallanzen, daher vermutete Herkunft des Vaters: Sallanches HHStA, RHR, Passbriefe 2; Haupt (Liechtenstein) 1070, 1284, 1618, 1650, 1668, 1674, 1675, 1715; HHStA-Tabelle: Traumatriken St. Stephan in Wien: 1637 (Zeit vor dem Privileg)–1638 (Privileg) Laut Dauzat (1951) ev. Bréand, ancien form de bruant; Dauzat (1977) oder ev. von Briand, Briend dérivé ancien de la racine bri- dignité, élévation Verwandtschaft mit Moriz Prian wahrscheinlich Hofhandelsmann Hof Handel mit allerhand kurzen französischen Waren; sehr wahrscheinlich mit Moritz Prian verwandt HHStA, RHR, Privilegien 8 geb. ~1656 in Wien: 1693 (Hochzeit)– gest. 12. April 1714, 58-jährig 1714 (Tod) an Lunlgsucht, Rabenhof, neue Welt, Wien Frankreich, Sermison (?) Brisson, Brisseon, Prihon, Antonio Thomas Laut Dauzat (1951) ist “Brizon” nom de localité en Haute-Savoie; nach Dauzat (1951 und 1977) kommt Brisson von Brès (Britius), nom populaire, nicht lokalisierbar
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730 Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen Pugniet Claudius Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges
Quellen Pugniet Franz Herkunft Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges
Quellen Quantin Peter Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder
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Verheiratet in erster Ehe mit Martha NN, stirbt am 16. Mai 1699, 44jährig an Lunglsucht; in zweiter Ehe mit Dorothea Elisabeht Safan am 5. Nov. 1693 (?), Tochter des Johann Safan (Papierer an der Stadtgrenze) 3 Kinder sterben im Kindesalter Hofbefreiter Schneider Hof Wohnhaft 1696 im “Hintereckherischen Haus” im Paternostergassel, 1699 im Margarethenhof am alten Bauernmarkt, ab 1702 “Beim blauen Krebs” am Hohen Markt Die Daten zwischen Haupt und der Tabelle des HHStA stimmen bei den Daten der Ehefrauen nicht überein HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan; Haupt 625 in Wien: 1672–1681 Sallanches(?), Savoyen Claudio Petrus Pugnieth Laut Dauzat (1951) Pugniet ist variation regionale von Poignant, Poignet, kommt von Pognan, variation lorraine: Poignon Hofhandelsmann auf kurze Waren, bürgerlicher Handelsmann Hof, Stadt Wien Sohn des Franz; erhält 1676 (oder schon 1662?) einen Passbrief, um nach Italien und andere Länder zu reisen, um dort Farben und Seiden einzukaufen; handelt mit Seide, Gold- und Silberborten; zeugt für Cointrell HHStA, OMeA, Akte 5: 1681; HHStA, RHR Passbriefe 13; Maistre/ Maistre/Heitz 223 gest. Juni 1666 in Wien: 1653–1666 (Tod) Sallanches(?), Savoyen Laut Dauzat (1951) Pugniet ist variation regionale von Poignant, Poignet, kommt von Pognan, variation lorraine: Poignon Verheiratet mit Eva Eleonora Bremion (wahrscheinlich mitgebracht), die in zweiter Ehe mit Anton Cointrell, Sohn des Karl Cointrell heiratet Hofhandelsmann Hof Vater des Claudius Petrus; erhielt am Reichstag zu Regensburg von Ferdinand III. 1653 sein erstes Handelsprivileg, dabei eine Kooperation mit Philipp Wassermann und Andre Jouy; sucht bei Leopold um Verlängerung an; handelt mit ausländischen Tüchern auch französischen, englischen, italienischen, niederländischen, dann mit Seiden und kurzen Waren und Galanteriewaren HHStA, RHR, Privilegien 8, 11; HHStA-Tabelle: St. Michael Liber Promulg. gest. 16. Okt. 1733 in Wien: 1692 (erstes Kritzendorf Ansuchen)–1733 (Tod) Frankreich Quardin Cantin Laut Dauzat (1951) Variation de Quentin, apôtre du Vermandois (Picardie); nach Dauzat (1977) von Quintinus, picardischer Märtyrer des 3. Jh. Verheiratet in erster Ehe mit Isabella Perpetua (D), stirbt am 19. Dez. 1717, 48-jährig, in zweiter Ehe mit Maria Theresia NN, die 1723 stirbt, in dritter Ehe mit Theresia NN
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Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges
Quellen
Querivault Johann
Herkunft Namensvariationen Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges Quellen Sannan J. Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges Quellen Schuppen Jacob van Herkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges
4 Kinder sterben im Kindesalter, Maria Rosalia vermutlich verehelichte Carpentier Hoftapezierer, ksl. Obertapezierer Hof Wohnhaft “beim kleinen Jordan” in der Schultergassel, HQ im Haus des ksl. Kammerdieners Valentini am Kohlmarkt; kauft dann ein Haus in Weidling, Inventur von Werkstatt und Hausrat: 9.533 fl. Trifft 1698 in Paris auf Ferdinand Bonaventura von Harrach, was er in Paris getan hat, ist unklar, seine Rückreise nach Wien ist allerdings dokumentiert; zeugt für Trehets Frau bei der Testamentsunterschrift; zeugt für Pasto (1696) HHStA, OMeA, Protokolle 5: 7. Juni 1692, 11. Dez. 1695, 30. März 1696; OMeA, Protokolle 6: 1. Juli 1705, 6. Okt. 1707; OMeA, Protokolle 7: 12. Feb. 1712; OMeA, Akten 8: 7. Juni 1692; OMeA, Akte 10: 30. Okt. 1696; Haupt 3173; Harrach Handschriften 134 geb. ~1663 in Wien: 1688 (Hochzeit)– gest. 16. Nov. 1717, 54-jährig 1717 (Tod) an Hectica, “Batthyanisches Haus” in der Renngasse, Wien Frankreich, Nantes, Loire Gerivo, Gerifu, Geripu, Geriou, Gervo, Johannes Verheiratet mit Elisabeth Gaillardt am 1. März 1688, Tochter des Jakob Gaillardt (Goldschmied) 3 Kinder sterben im Kindesalter Hofbefreiter Goldsticker, hofbefreiter Perlsticker Hof Wohnhaft 1689 im “Bartholomaeus Hinckh Haus” am Judenplatz, 1698 im “Sartorischen Haus” in der Bäckerstraße, ab 1712 im “Collaltischen Haus” in der Seilergassel Zeuge für Pirner (1692) und Debucomps (1693) HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan; Haupt 3176 in Wien: 1678 (Harrach)– 1726 (Khevenhüller) Frankreich (?) Sonnent, Sonnet Laut Dauzat (1951) Sannan nicht auffindbar, Sonnent ev. von Sonnet (Franche-Comté), Form von Soneur Chirurg Ferdinand Bonaventura von Harrach, Hof, Khevenhüller Bezeichnet sich selbst als Chirurgien de la Cour des Estats de la garde de sa ma.te jmperialle; schreibt seine Rechnungen auf Franz. Harrach 2556, 350; Khevenhüller, Kammer am Attersee 7 geb. 1670 in Wien: 1716 (Erscheinen in gest. 1751, Wien Wien)–1751 (Tod) Frankreich, Fontaintebleau Maler, Präfekt der kaiserlichen Maler- und Bildhauer-Akademie Hof War 1704 Mitglied der Pariser Académie Royale de Peinture et Sculpture, über eine Berufung nach Wien ist nichts bekannt, war mit
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
Quellen
Thévenot Joseph Herkunft Namensherkunft Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges
Quellen Tonteur Johann jun. Herkunft Namensvariationen Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Quellen Tourneville Martin
Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges Quellen
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Jean Trehet befreundet vgl. Pillich; übernahm als erster Direktor die Leitung der von Generalbaudirektor Gundacker von Althann angeregten ksl. Kunstakademie und soll sie nach dem Pariser Vorbild reformiert haben vgl. Thomas Karl Haupt (Kammerzahlamtsbücher), Haupt 4003; Thomas Karl: Die Kunstunternehmungen des Kaiserhauses und die kulturelle Situation am Hof. In: Karl Gutkas: Prinz Eugen und das barocke Österreich. Wien 1986 in Wien: 1716–1717 Frankreich (?) Laut Dauzat (1951 und 1977) kommt Thévenot von Etienne, sehr weit verbreitet, kann nicht genau lokalisiert werden Hofmeister Adel Ist im Dienste einer unbekannten Adelsfamilie mit guter Reputation, möchte aber zu den Khevenhüllers wechseln; schreibt auf Franz. in franz.-lateinischer Schrift; gibt an, folgende Ort zu kennen: Elsaß, Bourgogne, Champagne und andere Provinzen Frankreichs sowie die Pays-Bas und Lothringen Khevenhüller, Kammer am Attersee 12 in Wien: 1693–1697 Lothringen Tondens, Tondör, Tonteur Verheiratet in erster Ehe mit Maria Elisabeth Cointerell am 22. Sept. 1693, stirbt 18-jährig 1696, Tochter des Anton Cointerell 1 Tochter stirbt im Kindesalter Leibchirurg Hof (Leopold I.) Wohnhaft “Bei den großen Betten/Bethen” am Kohlmarkt HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan, St. Michael, Liber Promulg. geb. ~1694 in Wien: 1714 (Berufung gest. 29. Dez. 1743, 49-jährig nach Wien)–1743 (Tod) an innerlichem Brand “Bei St. Theobald”, Laimgrube, Wien Brüssel, südliche Niederlande Tornevilla, Turneville Laut Dauzat (1951) nom de localité d'origine (Eure, Manche, SeineInférieure, Ile-et-Vilaine) Verheiratet mit Maria Anna Mayer 3 Töchter: Maria Magdalena (verehelichte Mauer), Eva Maria (verehelichte Beller) und Katharina, alle 3 Buchbinderinnen Hofbuchbinder Prinz Eugen von Savoyen, Hof Von Lady Montagu als “Pariser” Buchbinder bezeichnet; schrieb Rechnung immer in französischer Sprache Haupt 1400; Pillich (1963)
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Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
Trehet Jean de
Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber
Besitz und Quartier Sonstiges Quellen
Truchet Johann
Namensvariationen Namensherkunft
Ehepartner und Kinder
Tätigkeiten und Auftraggeber Besitz und Quartier Sonstiges
Quellen
geb. ~1654 in Wien: 1686–1740 gest. 9. Juni 1740, 86-jährig im Baderischen Haus, Hohe Brücke, Wien Frankreich, Paris Trechet, Threet, Trehe, Traget, Treht, Joann Threet Trehe Traget, Trehr Laut Dauzat (1951 und 1977) nicht auffindbar, ev. Tréheux Verheiratet in erster Ehe mit Anne de But (F), stirbt 31-jährig am 24. Sep. 1696; in zweiter Ehe mit Audubert Eleonore, verwitwete Personet aus Vevers (F), Witwe eines Kochs, sie stirbt am 26. Juni 1733, 63-jährig Ksl. Tapissier, nl. Spaliermacher, Hoftapezierinspektor, ksl. Gartenarchitekt, Fortifikationsmeister Hof, Schwarzenberg, Franz Anton von Harrach, Johann Adam Andreas von Liechtenstein, Heinrich Franz von Mansfeld und Ludwig Graf von Sinzendorf Wohnhaft “Beim Einhorn”, Am Hof, dann auf der Hohen Brücke in des Sün sein Haus, schließlich Baderisches Haus, Hohe Brücke Beim Tod seiner ersten Frau zeugten für das Testament: Louis Bourdois, Johann Truchet und Peter Quantin vgl. Pillich; Trauzeugen bei zweiter Eheschließung: Petrus Canisius Döppanier, Johan Person HHStA, OMeA, Protokolle 4: 10. Feb., 30. Juni, 19. Juli, 8. Okt. 1688, 3., 13., 17. Aug. 1690; OMeA, Protokolle 5: 24. Sept. 1692; OMeA, Protokolle 6: 1. Juli 1705, 7. Sept. 1706; OMeA, Protokolle 7: 12. Feb., 31. März, 11. April, 27. Sept., 11. Okt. 1712, 19., 27. Jän., 14. Feb. 1713; OMeA, Akten 7: 17. Nov. 1686, 1. Juli, 3. Sept., 16. Okt. 1687, 19. Juli 1689; OMeA, Akten 8: 12. April, 2. Nov. 1690; Haupt 1345 geb. ~1638 in Wien: 1671 (Hochzeit)– gest. 10. Mai 1699, 61-jährig, 1699 (Tod) “Herrn Olber” Haus bei St. Stephan, Wien Trouchet, Droschet, Troschett, Troset, Draschet Droschet, Troschett, Troset Draschet, Trucket Laut Dauzat (1951) Truchet forme lyonnaise von Truc; nach Dauzat (1977) ev. von Troché, Trochu, Trochon proprement pourvu de cornes de cerf (troches), Spitzname Hirschgeweih; Fordant (1999, 887) Savoie, Rhône-Alpes, Rhône Verheiratet in erster Ehe mit Anna Maria Nunner, Tochter des Adam Nunner, Sattelkneckt, am 11. Jän. 1671, stirbt am 4. Okt. 1679, 28-jährig; in zweiter Ehe mit Anna Bailet, Tochter des Quintin Bailet, Schneider, im April 1682 9 Kinder sterben im Kindesalter, ein Ziehsohn ebenfalls; Tochter: Maria Cäcilia verehelicht mit Johann Flat, hofbefreiter Schneider Perückenmacher, bürgerl. Wachshändler Hof Wohnhaft im “Jakob Olber” Haus bei St. Stephan (1673–1699); 1689: Pilotisches Stift in der Singerstraße Ist zusammen mit Claudius Carl Trauzeuge für Peter Deprez (F); zeugt für Trehet bei der Testamentsunterschrift seiner ersten Frau; zeugt für Bruder David Truchet (1675), Schöttl (1684), Framerich (1690) und Gundreich (1691); erwirbt 1712 das Bürgerrecht HHStA, OMeA, Akten 5: 1681, 17. Dez. 1682; Haupt 1374, Haupt (Liechtenstein) 1261
Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730 Vallete Nicolaus
Herkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges
Quellen Venier Anton Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges Quellen Verlet Antonius Namensherkunft Ehepartner und Kinder
Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges
Quellen
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geb. ~1600 in Wien: 1685 (Tod) gest. 12. Dez. 1685, 85jährig; im Dionysi Golari Haus in der oberen Pöcklonstraße, Wien Lothringen Zwei Söhne: Carl stirbt früh, hinterlässt einen Enkel; Nikolaus hat zwei Söhne; die Familie dürfte in Lothringen geblieben sein Leibmedicus und Chirurg Herzog von Lothringen In seinem Testament vom 9. Dez. 1685 erwähnt er neben 774 fl. an Zuwendungen weiters Geld und Mobilien in Wien, einen Buchbestand und als Universalerben seine drei Enkel; die Familie muss in Lothringen geblieben sein, wo er möglicherweise noch Besitz hat, auf jeden Fall hat seine Familie dort das Salzdeputat inne; besonders bedacht werden Dr. Sellier in Lothringen als Exekutor und Gerhab der 3 Enkeln, Nicolaus Pinon, der Leibarzt der Herzogin von Lothringen, Dr. Holler in Innsbruck, de la Marche, Kammerdiener des Herzogs, sein Diener Petro, sein Bücherfreund de Valle; es zeugen für ihn: Nicolaus Guil. Beckers, Paulus de Sorbait, Nicolaus Pinon und Charles Herbel WStLA: Totenbeschauprotokolle und Testament 10135/17. Jh. in Wien: 1658 (Hochzeit)– 1677 (2. Hochzeit) Frankreich, Villeneuve (unklar, welcher Ort oder welche Landschaft) Verier Antonius Laut Dauzat (1951) aus der Normandie Verheiratet in erster Ehe mit Maria, am 28. Juli 1658, Witwe des Hans Leonhard Meiskhönig (bürgerlicher Flecksieder); in zweiter Ehe mit Maria Catharina Lindemüller im Okt. 1677, Tochter des Michael Lindemüller (Sekretär bei Graf Tilly) Rüdenmeister, Hofjäger Hof (Leopold I.) Zeuge für Niessenberger (1665) HHStA-Tabelle: Trauungsmatriken St. Stephan gest. in Graz, Steiermark in Wien: 1695 Laut Dauzat (1951 und 1977) Diminutivform von Vair (“gefleckte Haut”); Fordant (1999, 915) Elsass, Nord-Pas-de-Calais, Paris Verheiratet in erster Ehe mit Juliana Niederbichlerin, in zweiter Ehe mit Maria Elisabetha NN Kinder aus 1. Ehe: Anton Ladislaus Franz, Johann Anton Philipp; aus 2. Ehe: Johann Conrad, Maria Josepha Franziska und Charlotte Emilia Josepha Hoftänzer in Paris ausgebildet, innerösterreichischer Landschaftstanzmeister Hof, Adel 2. Generation: wahrscheinlich Sohn des Matthias Blasius und der Antonia Verlet (Fecht- und Tanzmeister in der oberöst. Landschaft ) und Bruder von Anna Helena Maria verheiratete Pipier und Pinon; die Familie bzw. zumindest seine Söhne dürften später nach Chur-Trier ausgewandert sein HHStA, OMeA, Protokolle 5: 25. Okt. 1695; HHStA-Tabelle: Traumatriken St. Stephan; WStLA: Verlassenschaftsabhandlung 163/2 1708
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Biographische Daten zu französischsprachigen MigrantInnen in Wien 1630–1730
in Wien: 1687 Vigne Nikolaus Marcellus de la Herkunft Lothringen Namensherkunft Laut Dauzat (1951 und 1977) “propriétaire du vignoble”, weit verbreitet Ehepartner und Verheiratet mit Johanna Fontana von Wachtenberg, Witwe des Karl Kinder Johann Maria Fontana von Wachtenberg, am 3. Mai 1687 bei den Schotten Tätigkeiten und Ksl. Oberingenieur Auftraggeber Hof Quellen Haupt 1628 Zaller Valentin Herkunft Namensvariationen Namensherkunft Ehepartner und Kinder Tätigkeiten und Auftraggeber Sonstiges
Quellen
in Wien: 1623–1633 Savoyen Zahler Laut Dauzat (1951) Zahler: Alsace Lorraine, “compteur” Verheiratet NN Kinder Hofhandelsmann Hof Gibt an, dass er mit kurzen und französischen Waren 10 Jahre lang Wien und die ksl. Feldlager bedient habe; weil seine Heimat durch den Krieg verwüstet ist, kann er nun nicht mehr zurück und will mit Weib und Kindern in Wien bleiben; Handel mit franz. kurzen Waren; Unterschrift in lateinischer Schrift HHStA, RHR, Privilegien 11
AUSWERTUNGEN DER NETZWERKANALYSE ZU FRANZÖSISCHSPRACHIGEN IMMIGRANTINNEN DEGREE-WERTE 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30
Name Le Grand Peter Carl Claudius Trehet Jean de Fam. Harrach Fauconet Richard Maignin de Fleurey Caspar Ambros Granger Thomas Fam. Liechtenstein Vallete Nicolaus Cleas Antoine Cointerell Anton Truchet Johann Prian Moriz Deprez Peter Fauconet Johann Jakob Verlet Antonius Cleas Augustin Fam. Khevenhüller Bourdois Ludwig Pinon Niclas Carlo Anthoni Douex Johann Ludwig Gandon Thomas Dubois Johann Menu Augustin Perrot Pierre-Antoine Quantin Peter Fauconet Gervais Le Grand Johann Michael Lespine Johann Nicola Decore Johann Olivier Fontenoy Sebastian Tourneville Martin Cugnioth Balthasar Herzog von Lothringen Mignon Pugniet Claudio Bailet Quintin
Degree 18 17 16 16 15
Betweenness 0.12596516 0.26202798 0.28767987 0.19608957 0.21247696
Herkunft Flandern Frankreich Frankreich Wien Frankreich
Beruf Perückenmacher Sticker Tapezierer Adel Hutmacher
14 13 12 12 11 10 10 9 9 8 8 7 7 7 7 7 6 6 6 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 4 4 4
0.11672642 0.16674715 0.3351663 0.10777067 0.10465278 0.14227671 0.20270202 0.0948696 0.32248419 0.04847992 0.04046806 0.17541966 0.03604348 0.0353757 0.13339713 0.04122225 0.02707158 0.02707158 0.0486886 0.01344021 0.07284484 0.03371178 0.0968401 0.05189521 0.25090902 0.04703861 0.02707158 0.04042163 0.03371178 0.02168131 0.0 0.069339 0.02060822
Frankreich Frankreich Wien Frankreich Savoyen Frankreich Frankreich Savoyen Frankreich Frankreich Frankreich Savoyen Wien Frankreich Frankreich Frankreich Savoyen Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Flandern Frankreich Frankreich Frankreich Flandern Savoyen Frankreich Frankreich Savoyen Frankreich
Hofmeister Handelsmann Adel Arzt Handelsmann Handelsmann Perückenmacher Handelsmann Sticker Hutmacher Tänzer Handelsmann Adel Sticker Barbier Handelsmann Handelsmann Perückenmacher Barbier Barbier Kammerherr Tapezierer Hutmacher Perückenmacher Zuckerbäcker Chirurg Goldschmied Buchbinder Handelsmann Adel Koch Handelsmann Schneider
380
Auswertungen der Netzwerkanalyse zu französischsprachigen ImmigrantInnen Name Pugniet Franz Fauconet Ignatius Mercier Verlet Anna Helena Maria Bergeret Alexandre Marchand Johann Baptista Prian Regina Catharina Fauconet Maria Elisabeth Cugnioth Johann Georg Noielle Robert de Allio Claudius Santinus Monnot Jean Baptiste Kirchstatter Prinz Eugen von Savoyen Sorbait Langlois Franz Fauconet Anna Maria Katharina la Mort de Lamarre Jacques Gangloff Nikolaus Lespine Hans Michael Cleas Andre Menogot Martha Marchant Ägidius Verlet Matthias Blasius Bailet Anna Fam. Schwarzenberg Vallete Nikolaus Tourneville Eva Maria
Degree 4 4 4 4 4 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3
Betweenness 0.01369831 0.01358222 0.0 0.05641847 0.0 0.01358222 0.01358222 0.00680272 0.00680272 0.01358222 0.00680272 0.01698524 0.18285312 0.05328411 0.08721983 0.01358222
Herkunft Savoyen Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Savoyen Frankreich Savoyen Frankreich Italien Frankreich Wien Savoyen Flandern Frankreich
Beruf Handelsmann null Koch Tanzmeistertochter Kammerdiener Koch Handelsmannstochter Hutmachertochter Handelsmann Sticker null Hofmeister Advokat Adel Arzt Koch
3 3 3 3 3 3 3 2 2 2 2 2
0.00680272 0.00680272 0.00680272 0.02026886 1,16E-002 0.02031529 0.02700193 0.0 0.02677246 0.02346977 0.0 0.00680272
Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Savoyen Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Wien Frankreich Flandern
Truchet Maria Cäcilia Beinier Carlo Regina Bouches Carpentier Carl Bussi Santino Gundreich Mometti Francesco Cleas Maria Theresia Menu Marianna Bauer Joseph Anton Bourg Karl Mandini Lorian Cleas Maria Anna Feratier Ludwig Schütz Joseph Karl Judith Klara NN Bremion Eva Eleonora de Vergine Maria
2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
0.00680272 0.02742371 0.0237658 0.03804339 0.00680272 0.0 0.00719045 0.00658216 0.0 1.0448E-4 0.01680945 0.00680272 0.00658216 0.00680272 0.00680272 0.00680272 0.02155588 0.00978617 0.00680272
Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Italien Wien Italien Savoyen Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Savoyen Frankreich Wien unklar Frankreich Frankreich
Hutmachertochter Büchsenmacher Hutmacher Handelsmann Handelsmann null Barbier Tanzmeister Schneiderstochter Adel null Buchbinder Perückenmachertochter null Handelsmannstochter null Tapezierer Stukkateur null Fourier Handelsmannstochter Barbierstochter Voluntier Barbier Perückenmacher Handelsmannstochter Kammerdiener null null Handelsmannswitwe Schneider
Auswertungen der Netzwerkanalyse zu französischsprachigen ImmigrantInnen Name Pipier Claudius Martin Praun Michael Cleas Anna Catharina Revenaz Nicolas Pinon Anton I. Sannan J Pichard Petrus Bailet Adelheid Menu Margarethe Fauconet Gabriel Fauconet Joseph Anton Tourneville Maria Magdalena Cointerell Maria Elisabeth de Vergine Johanna Henrietta Monnot Francois Louis Prian Matthias Maria NN Quantin Maria Rosalia Pipier Franz Ludwig Nikolaus Pouloin, Toussoint de la Marche Dr. Sellier de la Pierre J. Carlo Eva Rosina Pinon Anton II. Chazaux Antoine Gautier Munier Michael Neüsser Jouy Andre Flar Truchet David Kranewetter Schöttl Lesy Maureaux Louis Hillinger Hans Georg Barscher Du Chesne Miller Anna Clara Kessler Georg Christoph Fleckhammer Zeller Anna Maria Verlet Johann Anton Philipp Lamert La Chambre Reichardum
381
Degree 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
Betweenness 1.0448E-4 0.00126148 0.0 0.0 0.03775162 0.01355901 0.02949615 0.00680272 0.00160085 0.01925619 0.0 0.0
Herkunft Frankreich unklar Wien Savoyen Savoyen Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich
Beruf Barbier null null Handelsmannstochter Handelsmann Barbier Chirurg Barbier Schneiderstochter Barbierstochter Geistlicher Buchhalter
2 2 2 2 2 2 2
0.00680272 0.00680272 0.01355901 0.0 0.00680272 1.0448E-4 0.01355901
Flandern Frankreich Frankreich Frankreich Savoyen unklar Frankreich
Buchbinder Handelsmannstochter null null Handelsmann null Tapezierertochter
2 2 2 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
0.00329688 0.02766208 0.0 0.0 0.00680272 0.00680272 0.00680272 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0
Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Wien Frankreich Wien Frankreich Wien Wien Wien Frankreich Wien Wien Frankreich Wien Wien Wien Wien Frankreich Wien Frankreich
null Goldarbeiter Kammerdiener null Instrumentenmacher Handelsmannstochter Chirurg Tapezierer null null Kutscher Handelsmann null null null null null Jäger null null Kutscher Handelsmannstochter Advokat null null Tänzer null Schneider
382
Auswertungen der Netzwerkanalyse zu französischsprachigen ImmigrantInnen Name Wallner Philipp Isabella Perpetua Cleff Anna Sellier Maria Anna
Degree 1 1 1 1
Betweenness 0.0 0.0 0.0 0.0
Herkunft Wien Reich Wien Frankreich
Thimb Elisabeth Mauer Speckl Anna Maria Mayer Maria Anna Bello Thomas Gast Flaminius Kreütmayrin Ottilia Witwer Maria Eleonora Boyet Etienne Seltenreich Johann Vallete Carl Seiz Johann Michael Schuppen Jacob von Sperger Chazaux Jean Verlet Johann Conrad Bailet Johanna Brunzetti Duracini Fam. Sterneck Poussin Johann Peter Seuti Gervet Pierre Canderi Stembler Pauline Susanna Konstanze Weiß Pinckhino Anna Eleonora Longo Andreas Fam. Sinzendorf Kropf Dr. Holler Trämpeschkop Johann Carl von Gersterspreff Kämmeringer Juliane Kuty Fam. Waldstein Langlois Jakob Huber Petronilla Podentiana Mougenot Estienne Deffenini Johannes Baptista Hepp Sebastian
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
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Wien Wien Wien Wien Italien Wien Wien Wien Frankreich Wien Frankreich Wien Frankreich Wien Frankreich Frankreich Frankreich Italien Italien Wien Frankreich Wien Savoyen Italien
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
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Wien Wien Italien Italien Wien Wien Reich Wien Wien Wien Wien Wien Frankreich Wien Frankreich Italien Wien
Allio Donato
1
0.0
Italien
Beruf Drahtzieher null Krämerstochter null Kürschnertochter, Landgerichtsbeisitzer witwe null Drechslertochter Buchbinder Drahtzieher Goldarbeiter null Tafeldeckerwitwe Buchbinder Goldarbeiter null Regierungsrat Maler null Tapezierer Tänzer Schneiderstochter null null Adel Schneider null Handelsmann null Handelsmannstochter null null Drahtzieher Adel null null null Adel null null Adel Koch Kanzliststochter Hutmacher Drahtzieher null Fortifikationsingenieur
Auswertungen der Netzwerkanalyse zu französischsprachigen ImmigrantInnen Name Gervet Anthoni de Brisar Johanna Olivier Linthawer Gaubon Baron Raphael Person Johan Thévenot Joseph Rampauer Popfhuber Reithorn Kugler Caspar Grata Schütz Johann Georg Balbier Johann Sebastian Mouchette Francois Tourneville Katharina
Degree 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
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Beruf Handelsmann null null null null null Hofmeister null null Advokat Hausangestellter null Bildhauer null Koch Buchbinder
0.0 0.0 0.0
Herkunft Savoyen Frankreich Wien Wien Wien Frankreich Frankreich Wien Wien Wien Wien Wien Wien Wien Frankreich Flandern Niederlande Wien Frankreich
Van Ghelen Jean Fam. Mansfeld Guissart Lambert Verlet Maria Josepha Franziska Prol Saillet Nicolas Sutor Pärtinger Johann Franz Cugnioth Johann Christoph La Quoste Maguerete Niederbichler Juliana Contè Werthman Fraß But Anne de Pfreinter Döppanier Petrus Canisius Voregger Nummer Anna Maria Flat Johann Kister Maria Theresia Montrichard Wassermann Philipp Löchinger Durgi Verlet Charlotte Emilia Josepha Roddy Jacob Gleich Jakob Bach Maria Elisabeth Resch Maria Barbara
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
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Frankreich Wien Savoyen Wien Wien Savoyen Frankreich Wien Frankreich Wien Wien Frankreich Wien Frankreich Wien Wien Wien Wien Frankreich Wien Wien Italien
Tänzertochter Perückenmacher Handelsmann null null Handelsmann Tapezierer null null null Ingenieur Tapezierer null null null null Schneider Schneiderstochter Hausangestellter Handelsmann null null
1 1 1 1 1
0.0 0.0 0.0 0.0 0.0
Frankreich Wien Wien Wien Wien
Tänzertochter Handelsmann Handelsmann Chirurgenwitwe Hutmachertochter
Drucker Adel Handelsmann
383
384
Auswertungen der Netzwerkanalyse zu französischsprachigen ImmigrantInnen Name Chassignole Joanne Hieronymo Cleas Carl Joseph Alberti Grabmayrin Helene Olon Maria Saintpier Prian Peter Hauer Wanger Audubert Eleonore Schnaidin Margarethe Auhoffer Spiegel Paul Brodeu Carl Claude Dupuy Jean Duval Peter Framerich Petro Sautermeister von Sautersheimb Wolf Augustin Marchand Gilis Oppenheimer Stainperger Wolfgang Ignatius Tonteur Johann jun. Cointerell Karl Menogot Simon de Valle Thelliers Faber Joseph Kapeller Petzinger Willhalmb de Vergine Florentin Stadlmayr Possmayr Pasto Ungrecht von Ungrechtsburg Christina Regina Beller Lang Maria Prian Thomas Fabi Abent Johannes Andreas Hasche Catharina Carlo Wilhelm Tresal Heßl Feldern
Degree Betweenness
Herkunft
Beruf
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
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Frankreich Savoyen Wien Wien Wien Frankreich Savoyen Wien Wien Frankreich Wien Wien Wien Frankreich Frankreich Frankreich Wien unklar
Schneider null null null null Handelsmann Handelsmann null Wirt null null null Rat Sattler Perückenmacher Perückenmacher null Hausangestellter
1 1 1
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Wien Handelsmann Frankreich Koch Wien Bankier
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
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Wien Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Wien Wien Wien Wien Frankreich Wien Wien Wien
Handelsmann Chirurg null null null null Fourier null null null null null null null
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
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Wien Wien Wien Savoyen Wien Wien Wien Frankreich Frankreich Wien Wien
Adel null Hartschierwitwe Handelsmann null null null null null null null
Auswertungen der Netzwerkanalyse zu französischsprachigen ImmigrantInnen Name Alamann Anna Susanna Vasin Fux
Degree 1 1 1
Betweenness 0.0 0.0 0.0
Herkunft Wien Frankreich Wien
de Mally Anna Maria Benier Resseguier Bosquillion Maurice Von der Hayden Hubertus von Sader Maria Verlet Anton Ladislaus Tissot Johann Carl Clement Biannyer Louis Priestersberger Geiger Marianna Beckers Nicolaus von Seeweiß Georg Sigmund du Fraisne Magdalena Dittl Du Buisson C. Poisson Hector Beger Karg Herbel Charles Panzon
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
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Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Wien Wien Frankreich Savoyen Savoyen Frankreich Wien Wien Wien Wien Frankreich Wien Frankreich Frankreich Wien Wien Frankreich Wien
Beruf Sekretärstochter null null Perückenmachertochter Hausangestellter null Schuster Arzt null Tänzer Handelsmann null Sattler null Stadtrichtertochter null Adel null null Handelsmann Handelsmann null Handelsdiener null null
BETWEENNESS-WERTE 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Name Fam. Liechtenstein Deprez Peter Trehet Jean de Carl Claudius Lespine Johann Nicola Fauconet Richard Truchet Johann Fam. Harrach Kirchstatter Cleas Augustin Granger Thomas Cointerell Anton Pinon Niclas Le Grand Peter Maignin de Fleurey Caspar Ambros Vallete Nicolaus Cleas Antoine
Betweenness 0.3351663 0.32248419 0.28767987 0.26202798 0.25090902 0.21247696 0.20270202 0.19608957 0.18285312 0.17541966 0.16674715 0.14227671 0.13339713 0.12596516
Degree 12 9 16 17 5 15 10 16 3 7 13 10 7 18
Herkunft Wien Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Wien Wien Savoyen Frankreich Frankreich Frankreich Flandern
Beruf Adel Sticker Tapezierer Sticker Zuckerbäcker Hutmacher Perückenmacher Adel Advokat Handelsmann Handelsmann Handelsmann Barbier Perückenmacher
0.11672642 0.10777067 0.10465278
14 12 11
Frankreich Hofmeister Frankreich Arzt Savoyen Handelsmann
385
386
18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30
Auswertungen der Netzwerkanalyse zu französischsprachigen ImmigrantInnen Name Fauconet Gervais Prian Moriz Sorbait Perrot Pierre-Antoine Pugniet Claudio Verlet Anna Helena Maria Prinz Eugen von Savoyen Le Grand Johann Michael Dubois Johann Fauconet Johann Jakob Decore Johann Olivier Carlo Anthoni Verlet Antonius Tourneville Martin Bouches Revenaz Nicolas Fam. Khevenhüller Bourdois Ludwig Quantin Peter Cugnioth Balthasar Sannan J Pouloin, Toussoint Beinier Douex Johann Ludwig Gandon Thomas Fontenoy Sebastian Marchant Ägidius Bailet Anna Carlo Regina Fam. Schwarzenberg Herzog von Lothringen Judith Klara NN Bailet Quintin Menogot Martha Lespine Hans Michael Menu Margarethe Monnot Jean Baptiste Bauer Joseph Anton Pugniet Franz Fauconet Ignatius Marchand Johann Baptista Prian Regina Catharina Noielle Robert de Langlois Franz Pinon Anton I. de Vergine Johanna Henrietta Quantin Maria Rosalia Menu Augustin
Betweenness 0.0968401 0.0948696 0.08721983 0.07284484 0.069339 0.05641847 0.05328411 0.05189521 0.0486886 0.04847992 0.04703861 0.04122225 0.04046806 0.04042163 0.03804339 0.03775162 0.03604348 0.0353757 0.03371178 0.03371178 0.02949615 0.02766208 0.02742371 0.02707158 0.02707158 0.02707158 0.02700193 0.02677246 0.0237658 0.02346977 0.02168131 0.02155588 0.02060822 0.02031529 0.02026886 0.01925619 0.01698524 0.01680945 0.01369831 0.01358222 0.01358222 0.01358222 0.01358222 0.01358222 0.01355901
Degree 5 9 3 5 4 4 3 5 6 8 5 7 8 5 2 2 7 7 5 5 2 2 2 6 6 5 3 2 2 2 5 2 4 3 3 2 3 2 4 4 3 3 3 3 2
Herkunft Frankreich Savoyen Flandern Frankreich Savoyen Frankreich Savoyen Flandern Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Flandern Frankreich Savoyen Wien Frankreich Frankreich Savoyen Frankreich Frankreich Frankreich Savoyen Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Wien Frankreich unklar Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Savoyen Frankreich Frankreich Savoyen Frankreich Frankreich Frankreich
Beruf Hutmacher Handelsmann Arzt Kammerherr Handelsmann Tanzmeistertochter Adel Perückenmacher Barbier Hutmacher Chirurg Handelsmann Tänzer Buchbinder null Handelsmann Adel Sticker Tapezierer Handelsmann Chirurg Goldarbeiter null Handelsmann Perückenmacher Goldschmied Barbier Schneiderstochter Handelsmannstochter Adel Adel null Schneider null Handelsmann Barbierstochter Hofmeister Voluntier Handelsmann null Koch Handelsmannstochter Sticker Koch Barbier
0.01355901 0.01355901 0.01344021
2 2 5
Frankreich null Frankreich Tapezierertochter Frankreich Barbier
Auswertungen der Netzwerkanalyse zu französischsprachigen ImmigrantInnen
387
Name Bremion Eva Eleonora Gundreich Fauconet Maria Elisabeth Cugnioth Johann Georg Allio Claudius Santinus Fauconet Anna Maria Katharina la Mort de Lamarre Jacques Gangloff Nikolaus Tourneville Eva Maria
Betweenness 0.00978617 0.00719045 0.00680272 0.00680272 0.00680272
Degree 2 2 3 3 3
Herkunft Frankreich Wien Frankreich Savoyen Italien
Beruf Handelsmannswitwe null Hutmachertochter Handelsmann null
0.00680272 0.00680272 0.00680272 0.00680272
3 3 3 2
Frankreich Frankreich Frankreich Flandern
Truchet Maria Cäcilia Carpentier Carl Bourg Karl Cleas Maria Anna Feratier Ludwig Schütz Joseph Karl de Vergine Maria Pichard Petrus Tourneville Maria Magdalena Cointerell Maria Elisabeth Prian Matthias de la Pierre J. Carlo Eva Rosina Pinon Anton II. Mometti Francesco Mandini Lorian Pipier Franz Ludwig Nikolaus Bailet Adelheid Martin Menu Marianna Pipier Claudius Maria NN Cleas Andre Mignon Mercier Bergeret Alexandre Verlet Matthias Blasius Vallete Nikolaus Bussi Santino Cleas Maria Theresia Praun Michael Cleas Anna Catharina Fauconet Gabriel Fauconet Joseph Anton Monnot Francois Louis de la Marche Dr. Sellier
0.00680272 0.00680272 0.00680272 0.00680272 0.00680272 0.00680272 0.00680272 0.00680272
2 2 2 2 2 2 2 2
Frankreich Frankreich Frankreich Savoyen Frankreich Wien Frankreich Frankreich
Hutmachertochter Büchsenmacher Hutmacher Buchbinder Perückenmachertochter Tapezierer Barbier Handelsmannstochter Kammerdiener null Schneider Barbier
0.00680272 0.00680272 0.00680272 0.00680272 0.00680272 0.00680272 0.00658216 0.00658216
2 2 2 2 2 2 2 2
Flandern Frankreich Savoyen Frankreich Frankreich Frankreich Italien Frankreich
Buchbinder Handelsmannstochter Handelsmann Instrumentenmacher Handelsmannstochter Chirurg Fourier Perückenmacher
0.00329688 0.00160085 0.00126148 1.0448E-4 1.0448E-4 1.0448E-4 1,16E-002 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0
2 2 2 2 2 2 3 4 4 4 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
Frankreich Frankreich unklar Frankreich Frankreich unklar Savoyen Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Italien Savoyen Wien Savoyen Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich
null Schneiderstochter null Barbierstochter Barbier null Handelsmann Koch Koch Kammerdiener Tanzmeister null Stukkateur Handelsmannstochter null Handelsmannstochter Geistlicher Buchhalter null Kammerdiener null
388
Auswertungen der Netzwerkanalyse zu französischsprachigen ImmigrantInnen Name Chazaux Antoine Gautier Munier Michael Neüsser Jouy Andre Flar Truchet David Kranewetter Schöttl Lesy Maureaux Louis Hillinger Hans Georg Barscher Du Chesne Miller Anna Clara Kessler Georg Christoph Fleckhammer Zeller Anna Maria Verlet Johann Anton Philipp Lamert La Chambre Reichardum Wallner Philipp Isabella Perpetua Cleff Anna Sellier Maria Anna
Betweenness 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0
Degree 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
Herkunft Frankreich Frankreich Frankreich Wien Frankreich Wien Frankreich Wien Wien Wien Frankreich Wien Wien Frankreich Wien Wien Wien Wien
Beruf Tapezierer null null Kutscher Handelsmann null null null null null Jäger null null Kutscher Handelsmannstochter Advokat null null
0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0
1 1 1 1 1 1 1
Frankreich Wien Frankreich Wien Reich Wien Frankreich
Thimb Elisabeth Mauer Speckl Anna Maria Mayer Maria Anna Bello Thomas Gast Flaminius Kreütmayrin Ottilia Witwer Maria Eleonora Boyet Etienne Seltenreich Johann Vallete Carl Seiz Johann Michael Schuppen Jacob von Sperger Chazaux Jean Verlet Johann Conrad Bailet Johanna Brunzetti Duracini Fam. Sterneck Poussin Johann Peter
0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
Wien Wien Wien Wien Italien Wien Wien Wien Frankreich Wien Frankreich Wien Frankreich Wien Frankreich Frankreich Frankreich Italien Italien Wien Frankreich
Tänzer null Schneider Drahtzieher null Krämerstochter null Kürschnertochter, Landgerichtsbeisitzerwitwe null Drechslertochter Buchbinder Drahtzieher Goldarbeiter null Tafeldeckerwitwe Buchbinder Goldarbeiter null Regierungsrat Maler null Tapezierer Tänzer Schneiderstochter null null Adel Schneider
Auswertungen der Netzwerkanalyse zu französischsprachigen ImmigrantInnen Name Seuti Gervet Pierre Canderi Stembler Pauline Susanna Konstanze Weiß Pinckhino Anna Eleonora Longo Andreas Fam. Sinzendorf Kropf Dr. Holler Trämpeschkop Johann Carl von Gersterspreff Kämmeringer Juliane Kuty Fam. Waldstein Langlois Jakob Huber Petronilla Podentiana Mougenot Estienne Deffenini Johannes Baptista Hepp Sebastian Allio Donato Gervet Anthoni de Brisar Johanna Olivier Linthawer Gaubon Baron Raphael Person Johan Thévenot Joseph Rampauer Popfhuber Reithorn Kugler Caspar Grata Schütz Johann Georg Balbier Johann Sebastian Mouchette Francois Tourneville Katharina Van Ghelen Jean Fam. Mansfeld Guissart Lambert Verlet Maria Josepha Franziska Prol Saillet Nicolas Sutor Pärtinger Johann Franz Cugnioth Johann Christoph
389
Betweenness 0.0 0.0 0.0
Degree 1 1 1
Herkunft Wien Savoyen Italien
Beruf null Handelsmann null
0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
Handelsmannstochter null null Drahtzieher Adel null null null Adel null null Adel Koch Kanzliststochter Hutmacher Drahtzieher null Fortifikationsingenieur Handelsmann null null null null null Hofmeister null null Advokat Hausangestellter null Bildhauer null Koch Buchbinder
0.0 0.0 0.0
1 1 1
Wien Wien Italien Italien Wien Wien Reich Wien Wien Wien Wien Wien Frankreich Wien Frankreich Italien Wien Italien Savoyen Frankreich Wien Wien Wien Frankreich Frankreich Wien Wien Wien Wien Wien Wien Wien Frankreich Flandern Niederlande Wien Frankreich
0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0
1 1 1 1 1 1
Frankreich Wien Savoyen Wien Wien Savoyen
Tänzertochter Perückenmacher Handelsmann null null Handelsmann
Drucker Adel Handelsmann
390
Auswertungen der Netzwerkanalyse zu französischsprachigen ImmigrantInnen Name La Quoste Maguerete Niederbichler Juliana Contè Werthman Fraß But Anne de Pfreinter Döppanier Petrus Canisius Voregger Nummer Anna Maria Flat Johann Kister Maria Theresia Montrichard Wassermann Philipp Löchinger Durgi Verlet Charlotte Emilia Josepha Roddy Jacob Gleich Jakob Bach Maria Elisabeth Resch Maria Barbara Chassignole Joanne Hieronymo Cleas Carl Joseph Alberti Grabmayrin Helene Olon Maria Saintpier Prian Peter Hauer Wanger Audubert Eleonore Schnaidin Margarethe Auhoffer Spiegel Paul Brodeu Carl Claude Dupuy Jean Duval Peter Framerich Petro Sautermeister von Sautersheimb Wolf Augustin Marchand Gilis Oppenheimer Stainperger Wolfgang Ignatius Tonteur Johann jun. Cointerell Karl Menogot Simon
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Degree 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
Herkunft Frankreich Wien Frankreich Wien Wien Frankreich Wien Frankreich Wien Wien Wien Wien Frankreich Wien Wien Italien
Beruf Tapezierer null null null Ingenieur Tapezierer null null null null Schneider Schneiderstochter Hausangestellter Handelsmann null null
0.0 0.0 0.0 0.0 0.0
1 1 1 1 1
Frankreich Wien Wien Wien Wien
Tänzertochter Handelsmann Handelsmann Chirurgenwitwe Hutmachertochter
0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
Frankreich Savoyen Wien Wien Wien Frankreich Savoyen Wien Wien Frankreich Wien Wien Wien Frankreich Frankreich Frankreich Wien unklar
Schneider null null null null Handelsmann Handelsmann null Wirt null null null Rat Sattler Perückenmacher Perückenmacher null Hausangestellter
0.0 0.0 0.0
1 1 1
Wien Handelsmann Frankreich Koch Wien Bankier
0.0 0.0 0.0 0.0
1 1 1 1
Wien Frankreich Frankreich Frankreich
Handelsmann Chirurg null null
Auswertungen der Netzwerkanalyse zu französischsprachigen ImmigrantInnen Name de Valle Thelliers Faber Joseph Kapeller Petzinger Willhalmb de Vergine Florentin Stadlmayr Possmayr Pasto Ungrecht von Ungrechtsburg Christina Regina Beller Lang Maria Prian Thomas Fabi Abent Johannes Andreas Hasche Catharina Carlo Wilhelm Tresal Heßl Feldern Alamann Anna Susanna Vasin Fux
Betweenness 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0
Degree 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
Herkunft Frankreich Frankreich Wien Wien Wien Wien Frankreich Wien Wien Wien
Beruf null null Fourier null null null null null null null
0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0 0.0
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
Wien Wien Wien Savoyen Wien Wien Wien Frankreich Frankreich Wien Wien Wien Frankreich Wien
de Mally Anna Maria Benier Resseguier Bosquillion Maurice Von der Hayden Hubertus von Sader Maria Verlet Anton Ladislaus Tissot Johann Carl Clement Biannyer Louis Priestersberger Geiger Marianna Beckers Nicolaus von Seeweiß Georg Sigmund du Fraisne Magdalena Dittl Du Buisson C. Poisson Hector Beger Karg Herbel Charles Panzon
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1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Wien Wien Frankreich Savoyen Savoyen Frankreich Wien Wien Wien
Adel null Hartschierwitwe Handelsmann null null null null null null null Sekretärstochter null null Perückenmachertochter Hausangestellter null Schuster Arzt null Tänzer Handelsmann null Sattler null Stadtrichtertochter null
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1 1 1 1 1 1 1 1 1
Wien Frankreich Wien Frankreich Frankreich Wien Wien Frankreich Wien
Adel null null Handelsmann Handelsmann null Handelsdiener null null
391
392
Auswertungen der Netzwerkanalyse zu französischsprachigen ImmigrantInnen
EDGE-BETWEENNESS-WERTE
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30
Verbindung La Vesne Johann Nicola (Lespine) (Arbeit) Fam. Liechtenstein Kirchstatter (Zeuge) Cleas Augustin Truchet Johann (Zeuge) Trehet Jean de Carl Claudius (Zeuge) Deprez Peter Cointerell Anton (Zeuge) Deprez Peter Trehet Jean de (Arbeit) Fam. Liechtenstein Granger Thomas (Zeuge) La Vesne Johann Nicola (Lespine) Truchet Johann (Zeuge) Deprez Peter Fauconet Richard (Arbeit) Fam. Liechtenstein Trehet Jean de (Arbeit) Fam. Harrach Kirchstatter (Zeuge) Deprez Peter Cleas Antoine (Vetter) Cleas Augustin Fauconet Richard (Zeuge) Fauconet Gervais Sorbait (Zeuge) Vallete Nicolaus Kirchstatter (Zeuge) Fauconet Gervais Maignin de Fleurey Caspar Ambros (Arbeit) Fam. Harrach Carl Claudius (Zeuge) Sorbait Fauconet Richard (Zeuge) Carl Claudius La Vesne Johann Nicola (Lespine) (Patenschaft) Le Grand Peter Pugniet Claudio (Zeuge) Cointerell Anton Prian Moriz (Arbeit) Fam. Liechtenstein Pinon Niclas (Zeuge) La Vesne Johann Nicola (Lespine) Pinon Niclas (Ehe) Verlet Anna Helena Maria Pinon Niclas (Zeuge) Vallete Nicolaus Perrot Pierre-Antoine (Arbeit) Prinz Eugen von Savoyen Prian Moriz (Zeuge) Carl Claudius Decore Johann Olivier (Zeuge) Deprez Peter Maignin de Fleurey Caspar Ambros (Zeuge) Le Grand Johann Michael Tourneville Martin (Arbeit) Prinz Eugen von Savoyen Verlet Antonius (Geschwister) Verlet Anna Helena Maria Fauconet Johann Jakob (Arbeit) Fam. Harrach Granger Thomas (Zeuge) Bouches Revenaz Nicolas (Zeuge) Cleas Augustin Le Grand Peter (Kind) Le Grand Johann Michael Cleas Antoine (Zeuge) Perrot Pierre-Antoine Cugnioth Balthasar (Arbeit) Fam. Harrach Fauconet Richard (Kind) Fauconet Johann Jakob Carl Claudius (Bekanntschaft) Truchet Johann Dubois Johann (Zeuge) Bouches Revenaz Nicolas (Zeuge) Perrot Pierre-Antoine
Edge Betweenness
Interaktion
0.16730257 0.13625124 0.12103549 0.11873734 0.1104988 0.10568828
Arbeit Zeuge Zeuge Zeuge Zeuge Arbeit
0.10441041 0.09748923 0.09667497 0.09269599 0.08346875 0.0814699 0.0732714 0.06751987 0.06368635
Zeuge Zeuge Arbeit Arbeit Zeuge Vetter Zeuge Zeuge Zeuge
0.06304397 0.06217572 0.06105038
Arbeit Zeuge Zeuge
0.05894447 0.05716582 0.05209002
Patenschaft Zeuge Arbeit
0.05110397 0.04773386 0.04641289
Zeuge Ehe Zeuge
0.04546418 0.04265019 0.04055391
Arbeit Zeuge Zeuge
0.03650756
Zeuge
0.03560831
Arbeit
0.03548467 0.03476482 0.03394918 0.03360357 0.03206594 0.03114844 0.03062738 0.02954839 0.02916158 0.02912722 0.0290289
Geschwister Arbeit Zeuge Zeuge Kind Zeuge Arbeit Kind Bekanntschaft Zeuge Zeuge
Auswertungen der Netzwerkanalyse zu französischsprachigen ImmigrantInnen Verbindung Pinon Niclas (Zeuge) Le Grand Peter Sannan J (Arbeit) Fam. Harrach Bourdois Ludwig (Zeuge) Trehet Jean de Pouloin, Toussoint (Arbeit) Fam. Liechtenstein Fontenoy Sebastian (Arbeit) Fam. Liechtenstein Granger Thomas (Zeuge) Marchant Ägidius Truchet Johann (Ehe) Bailet Anna Granger Thomas (Zeuge) Gandon Thomas Douex Johann Ludwig (Patenschaft) Pugniet Claudio Maignin de Fleurey Caspar Ambros (Zeuge) Beinier Granger Thomas (Zeuge) Beinier Trehet Jean de (Arbeit) Fam. Schwarzenberg Carl Claudius (Ehe) Carlo Regina Sannan J (Arbeit) Fam. Khevenhüller Quantin Peter (Zeuge) Trehet Jean de Pouloin, Toussoint (Ehe) Judith Klara NN Dubois Johann (Ehe) Menogot Martha Bailet Quintin (Kind) Bailet Anna Lespine Hans Michael (Patenschaft) Pugniet Claudio Deprez Peter (Ehe) Menu Margarethe Carlo Anthoni (Kind) Carlo Regina Carlo Anthoni (Arbeit) Fam. Schwarzenberg Monnot Jean Baptiste (Bekanntschaft) Maignin de Fleurey Caspar Ambros Bauer Joseph Anton (Ehe) Judith Klara NN Marchand Johann Baptista (Verwandtschaft?) Marchant Ägidius Prian Moriz (Kind) Prian Regina Catharina Quantin Peter (Kind) Quantin Maria Rosalia Noielle Robert de (Arbeit) Fam. Liechtenstein Pinon Anton I. (Verwandtschaft?) Pinon Niclas Lespine Hans Michael (Zeuge) Langlois Franz Decore Johann Olivier (Ehe) de Vergine Johanna Henrietta Menu Augustin (Kind) Menu Margarethe Dubois Johann (Zeuge) Bauer Joseph Anton Cointerell Anton (Ehe) Bremion Eva Eleonora Fauconet Richard (Kind) Fauconet Ignatius Pinon Niclas (Arbeit) Herzog von Lothringen Cleas Antoine (Kind) Cleas Maria Anna Carpentier Carl (Ehe) Quantin Maria Rosalia Tourneville Martin (Kind) Tourneville Maria Magdalena Decore Johann Olivier (Zeuge) Bourg Karl Pinon Anton I. (Kind) Pinon Anton II. de Vergine Maria (Geschwister) de Vergine Johanna Henrietta Prian Moriz (Kind) Prian Matthias Truchet Johann (Kind) Truchet Maria Cäcilia
393
Edge Betweenness 0.02794696 0.02749097 0.02626407 0.02605153 0.02561113 0.02561113 0.02545423 0.02543451
Interaktion Zeuge Arbeit Zeuge Arbeit Arbeit Zeuge Ehe Zeuge
0.02525788 0.02394671 0.02297172 0.02273356 0.02273062 0.02258069 0.02255546 0.02122957 0.02055956 0.02047331
Patenschaft Zeuge Zeuge Arbeit Ehe Arbeit Zeuge Ehe Ehe Kind
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Patenschaft Ehe Kind Arbeit
0.01797321 0.01676087
Bekanntschaft Ehe
0.01547266 0.01547266 0.01547266 0.01547266 0.01547266 0.01547266
Verwandtschaft? Kind Kind Arbeit Verwandtschaft? Zeuge
0.01547266 0.01478175 0.01400782 0.01249647 0.01234633 0.0118842 0.01035043 0.01035043
Ehe Kind Zeuge Ehe Kind Arbeit Kind Ehe
0.01035043 0.01035043 0.01035043
Kind Zeuge Kind
0.01035043 0.01035043 0.01035043
Geschwister Kind Kind
394
Auswertungen der Netzwerkanalyse zu französischsprachigen ImmigrantInnen Verbindung Feratier Ludwig (Arbeit) Herzog von Lothringen Tourneville Martin (Kind) Tourneville Eva Maria Cointerell Anton (Kind) Cointerell Maria Elisabeth de la Pierre J. (Arbeit) Fam. Khevenhüller Carl Claudius (Patenschaft) Schütz Joseph Karl Pichard Petrus (Ehe) Menogot Martha Carlo Anthoni (Kind) Carlo Eva Rosina Carl Claudius (Patenschaft) Allio Claudius Santinus Cugnioth Balthasar (Kind) Cugnioth Johann Georg Granger Thomas (Zeuge) Gangloff Nikolaus Mometti Francesco (Zeuge) Deprez Peter Mandini Lorian (Zeuge) Deprez Peter Monnot Jean Baptiste (Arbeit) Fam. Khevenhüller Vallete Nicolaus (Arbeit) Herzog von Lothringen Truchet Johann (Zeuge) Gundreich Fauconet Richard (Kind) Fauconet Anna Maria Katharina Fauconet Richard (Kind) Fauconet Maria Elisabeth Prian Moriz (Zeuge) Sorbait Quantin Peter (Bekanntschaft) Fam. Harrach Pugniet Franz (Kind) Pugniet Claudio Pinon Niclas (Kind) Pipier Franz Ludwig Nikolaus Pugniet Franz (Ehe) Bremion Eva Eleonora Bourdois Ludwig (Zeuge) Gundreich Bailet Quintin (Kind) Bailet Adelheid la Mort de Lamarre Jacques (Arbeit) Fam. Liechtenstein Chazaux Jean (Arbeit) Trehet Jean de Benier (Arbeit) Fam. Harrach Maignin de Fleurey Caspar Ambros (Zeuge) Weiß Vallete Nicolaus (Bekanntschaft) Dr. Holler la Mort de Lamarre Jacques (Ehe) de Brisar Johanna Olivier Carlo Anthoni (Ehe) Schnaidin Margarethe Carlo Anthoni (Zeuge) Karg Cleas Antoine (Zeuge) Willhalmb de la Pierre J. (Arbeit) Fam. Sterneck Fauconet Richard (Zeuge) Lamert Bourdois Ludwig (Zeuge) Lesy Tourneville Eva Maria (Ehe) Beller Gandon Thomas (Zeuge) Beger Fauconet Anna Maria Katharina (Ehe) Sautermeister von Sautersheimb Wolf Augustin Tourneville Maria Magdalena (Ehe) Mauer Bailet Quintin (Zeuge) Tresal Decore Johann Olivier (Zeuge) Kapeller von Seeweiß Georg Sigmund (Zeuge) Le Grand Peter Gervet Pierre (Zeuge) Perrot Pierre-Antoine Cugnioth Balthasar (Kind) Cugnioth Johann Christoph
Edge Betweenness 0.01035043 0.01035043 0.01035043 0.01035043 0.01035043 0.01035043 0.01035043 0.01031511 0.01031511 0.0101738 0.01010315 0.01010315 0.00969691 0.00964392 0.00934424
Interaktion Arbeit Kind Kind Arbeit Patenschaft Ehe Kind Patenschaft Kind Zeuge Zeuge Zeuge Arbeit Arbeit Zeuge
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Kind Kind Zeuge Bekanntschaft Kind Kind Ehe Zeuge Kind
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Arbeit Arbeit Arbeit Zeuge Bekanntschaft
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Ehe Ehe Zeuge Zeuge Arbeit Zeuge Zeuge Ehe Zeuge
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Ehe Ehe Zeuge Zeuge
0.00519288 0.00519288
Zeuge Zeuge
0.00519288
Kind
Auswertungen der Netzwerkanalyse zu französischsprachigen ImmigrantInnen Verbindung Decore Johann Olivier (Zeuge) Resseguier Feratier Ludwig (Ehe) Alamann Anna Susanna Langlois Franz (Ehe) Witwer Maria Eleonora Beckers Nicolaus (Zeuge) Vallete Nicolaus Cugnioth Balthasar (Zeuge) Sperger Fauconet Ignatius (Ehe) von Sader Maria Carlo Anthoni (Zeuge) Sutor Saillet Nicolas (Zeuge) Perrot Pierre-Antoine Pinon Anton II. (Ehe) Grabmayrin Helene Verlet Antonius (Kind) Verlet Anton Ladislaus Carpentier Carl (Arbeit) Fam. Waldstein Montrichard (Arbeit) Fam. Harrach Van Ghelen Jean (Zeuge) La Vesne Johann Nicola (Lespine) Cointerell Anton (Zeuge) Panzon Bourdois Ludwig (Zeuge) Gautier Granger Thomas (Zeuge) Duracini Bourg Karl (Ehe) Lang Maria Tourneville Martin (Ehe) Mayer Maria Anna Fontenoy Sebastian (Zeuge) Contè Du Chesne (Arbeit) Fam. Harrach Dupuy Jean (Arbeit) Fam. Liechtenstein von Gersterspreff (Zeuge) Le Grand Peter Gangloff Nikolaus (Ehe) Pinckhino Anna Eleonora Carl Claudius (Zeuge) Heßl Baron Raphael (Zeuge) Deprez Peter Guissart Lambert (Arbeit) Fam. Khevenhüller Trehet Jean de (Ehe) Audubert Eleonore Fauconet Richard (Ehe) Zeller Anna Maria Le Grand Peter (Zeuge) Pfreinter Gervet Anthoni (Zeuge) Douex Johann Ludwig Vallete Nicolaus (Bekanntschaft) de Valle Pärtinger Johann Franz (Zeuge) Le Grand Peter Balbier Johann Sebastian (Zeuge) Cleas Antoine Döppanier Petrus Canisius (Zeuge) Trehet Jean de Prian Regina Catharina (Ehe) Seiz Johann Michael Pichard Petrus (Bekanntschaft) Chassignole Joanne Hieronymo Cugnioth Johann Georg (Arbeit) Hillinger Hans Georg Maignin de Fleurey Caspar Ambros (Zeuge) Petzinger Bailet Quintin (Kind) Bailet Johanna Bourdois Ludwig (Zeuge) Flar Schütz Joseph Karl (Kind) Schütz Johann Georg Carl Claudius (Zeuge) Rampauer Herbel Charles (Zeuge) Vallete Nicolaus Marchant Ägidius (Ehe) Bach Maria Elisabeth Le Grand Peter (Ehe) de Mally Anna Maria Fauconet Richard (Zeuge) Spiegel Paul Pugniet Franz (Arbeit) Wassermann Philipp
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Edge Betweenness 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288
Interaktion Zeuge Ehe Ehe Zeuge Zeuge Ehe Zeuge Zeuge Ehe Kind Arbeit Arbeit
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Zeuge Zeuge Zeuge Zeuge Ehe Ehe Zeuge Arbeit Arbeit Zeuge Ehe Zeuge Zeuge Arbeit Ehe Ehe Zeuge Zeuge Bekanntschaft Zeuge Zeuge Zeuge Ehe
0.00519288
Bekanntschaft
0.00519288
Arbeit
0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288
Zeuge Kind Zeuge Kind Zeuge Zeuge Ehe Ehe Zeuge Arbeit
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Auswertungen der Netzwerkanalyse zu französischsprachigen ImmigrantInnen Verbindung Prian Regina Catharina (Ehe) Löchinger Granger Thomas (Zeuge) Fleckhammer Carlo Anthoni (Kind) Carlo Wilhelm Truchet Johann (Zeuge) Schöttl Maignin de Fleurey Caspar Ambros (Zeuge) Auhoffer Duval Peter (Arbeit) Fam. Khevenhüller Maignin de Fleurey Caspar Ambros (Ehe) Kreütmayrin Ottilia La Chambre Reichardum (Arbeit) Herzog von Lothringen Langlois Franz (Kind) Langlois Jakob Bourdois Ludwig (Zeuge) Possmayr Trämpeschkop Johann Carl (Zeuge) Le Grand Peter Marchand Johann Baptista (Kind) Marchand Gilis Cleas Antoine (Kind) Cleas Carl Joseph Dubois Johann (Zeuge) Grata Verlet Antonius (Kind) Verlet Johann Conrad Carlo Eva Rosina (Ehe) Fux Cleas Antoine (Ehe) Miller Anna Clara Bourdois Ludwig (Ehe) Speckl Anna Maria Noielle Robert de (Ehe) Olon Maria Thévenot Joseph (Bekanntschaft) Fam. Khevenhüller Cointerell Anton (Zeuge) Popfhuber Mouchette Francois (Zeuge) Marchand Johann Baptista Le Grand Peter (Zeuge) Kropf Allio Claudius Santinus (Kind) Allio Donato Pugniet Franz (Arbeit) Jouy Andre Vallete Nicolaus (Arbeit) Petro Gandon Thomas (Ehe) Sellier Maria Anna Trehet Jean de (Arbeit) Fam. Mansfeld Prian Peter (Verwandtschaft?) Prian Moriz Fauconet Maria Elisabeth (Ehe) Faber Joseph Cointerell Anton (Zeuge) Dittl Mougenot Estienne (Arbeit) Fam. Harrach Cleas Maria Anna (Ehe) Priestersberger Granger Thomas (Zeuge) Brunzetti Cointerell Anton (Eltern) Cointerell Karl Fauconet Gervais (Ehe) du Fraisne Magdalena Le Grand Peter (Zeuge) Linthawer Fontenoy Sebastian (Ehe) Kämmeringer Juliane Truchet Johann (Zeuge) Framerich Gast Flaminius (Zeuge) Fontenoy Sebastian Roddy Jacob (Zeuge) Douex Johann Ludwig Seltenreich Johann (Zeuge) Douex Johann Ludwig Truchet Johann (Ehe) Nummer Anna Maria Le Grand Peter (Zeuge) Kranewetter Prian Moriz (Vetter) Carl Clement Maignin de Fleurey Caspar Ambros (Zeuge)
Edge Betweenness 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288
Interaktion Ehe Zeuge Kind Zeuge
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Zeuge Arbeit
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Ehe
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Arbeit Kind Zeuge Zeuge Kind Kind Zeuge Kind Ehe Ehe Ehe Ehe
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Bekanntschaft Zeuge
0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288 0.00519288
Zeuge Zeuge Kind Arbeit Arbeit Ehe Arbeit Verwandtschaft? Ehe Zeuge Arbeit Ehe Zeuge Eltern Ehe Zeuge Ehe Zeuge Zeuge Zeuge Zeuge Ehe Zeuge Vetter Zeuge
Auswertungen der Netzwerkanalyse zu französischsprachigen ImmigrantInnen Verbindung Stadlmayr Menogot Simon (Kind) Menogot Martha Maureaux Louis (Arbeit) Fam. Liechtenstein Poisson Hector (Zeuge) Fauconet Gervais Prian Matthias (Ehe) Ungrecht von Ungrechtsburg Christina Regina Truchet Maria Cäcilia (Ehe) Flat Johann Tissot Johann (Zeuge) Cleas Augustin Verlet Antonius (Kind) Verlet Maria Josepha Franziska Carl Claudius (Zeuge) Alberti Granger Thomas (Zeuge) Feldern Le Grand Peter (Zeuge) Canderi Douex Johann Ludwig (Arbeit) Kugler Caspar Abent Johannes Andreas (Zeuge) Le Grand Peter Le Grand Johann Michael (Ehe) Geiger Marianna Boyet Etienne (Arbeit) Prinz Eugen von Savoyen Le Grand Peter (Zeuge) Voregger Du Buisson C. (Arbeit) Fam. Harrach Granger Thomas (Zeuge) Barscher Le Grand Johann Michael (Zeuge) Neüsser Le Grand Peter (Ehe) Stembler Pauline Susanna Konstanze Schuppen Jacob von (Bekanntschaft) Trehet Jean de Dubois Johann (Zeuge) Saintpier Quantin Peter (Ehe) Isabella Perpetua Gleich Jakob (Zeuge) Cleas Augustin Verlet Antonius (Kind) Verlet Charlotte Emilia Josepha Maignin de Fleurey Caspar Ambros (Zeuge) Fraß Dubois Johann (Ehe) Hasche Catharina Maignin de Fleurey Caspar Ambros (Zeuge) Thelliers Brodeu Carl Claude (Arbeit) Fam. Harrach Granger Thomas (Zeuge) Gaubon Person Johan (Zeuge) Trehet Jean de Chazaux Antoine (Arbeit) Trehet Jean de Verlet Antonius (Ehe) Niederbichler Juliana Carl Claudius (Arbeit) Wallner Philipp Menu Augustin (Zeuge) Vasin Carl Claudius (Zeuge) Seuti Von der Hayden Hubertus (Zeuge) Cleas Augustin Carl Claudius (Arbeit) Longo Andreas Trehet Jean de (Arbeit) Fam. Sinzendorf Carl Claudius (Arbeit) Deffenini Johannes Baptista Trehet Jean de (Ehe) But Anne de Fauconet Johann Jakob (Ehe) Resch Maria Barbara Fauconet Ignatius (Arbeit) Oppenheimer Carl Claudius (Arbeit) Bello Thomas de Vergine Maria (Kind) de Vergine Florentin La Quoste Maguerete (Arbeit) Trehet Jean de
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Edge Betweenness
Interaktion
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Kind Arbeit Zeuge
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Ehe Ehe Zeuge
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Kind Zeuge Zeuge Zeuge Arbeit Zeuge Ehe Arbeit Zeuge Arbeit Zeuge Zeuge
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Ehe Bekanntschaft Zeuge Ehe Zeuge
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Kind Zeuge Ehe
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Zeuge Arbeit Zeuge Zeuge Arbeit Ehe Arbeit Zeuge Zeuge Zeuge Arbeit Arbeit Arbeit Ehe Ehe Arbeit Arbeit Kind Arbeit
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Auswertungen der Netzwerkanalyse zu französischsprachigen ImmigrantInnen Verbindung Tonteur Johann jun. (Ehe) Cointerell Maria Elisabeth Quantin Peter (Zeuge) Pasto Kessler Georg Christoph (Zeuge) Fauconet Richard Bosquillion Maurice (Arbeit) Fam. Harrach Noielle Robert de (Ehe) Cleff Anna Hepp Sebastian (Zeuge) Fontenoy Sebastian Granger Thomas (Zeuge) Hauer Munier Michael (Zeuge) Cleas Antoine Prian Moriz (Zeuge) Fabi Biannyer Louis (Arbeit) Fam. Liechtenstein Fauconet Richard (Ehe) Thimb Elisabeth Le Grand Peter (Zeuge) Durgi Gandon Thomas (Ehe) Kister Maria Theresia Reithorn (Zeuge) Fauconet Gervais Le Grand Peter (Ehe) Huber Petronilla Podentiana Cointerell Anton (Zeuge) Werthman Tourneville Martin (Kind) Tourneville Katharina Prian Moriz (Kind) Prian Thomas Truchet Johann (Geschwister) Truchet David Cointerell Anton (Zeuge) Kuty Vallete Nicolaus (Kind) Vallete Carl Gandon Thomas (Zeuge) Wanger Poussin Johann Peter (Arbeit) Fam. Liechtenstein Le Grand Johann Michael (Zeuge) Prol Stainperger Wolfgang Ignatius (Zeuge) Cleas Augustin Verlet Antonius (Kind) Verlet Johann Anton Philipp Vallete Nicolaus (Bekanntschaft) Dr. Sellier Vallete Nicolaus (Kind) Vallete Nikolaus Menu Augustin (Zeuge) Martin Cleas Antoine (Patenschaft) Cleas Maria Theresia Cleas Antoine (Patenschaft) Cleas Anna Catharina Carl Claudius (Bekanntschaft) Bussi Santino Cugnioth Balthasar (Arbeit) Praun Michael Cleas Andre (Geschwister) Cleas Antoine Menu Marianna (Ehe) Mometti Francesco Mandini Lorian (Ehe) Maria NN Verlet Matthias Blasius (Kind) Verlet Anna Helena Maria Fauconet Richard (Zeuge) la Mort de Lamarre Jacques Fauconet Richard (Kind) Fauconet Gabriel Fauconet Richard (Kind) Fauconet Joseph Anton Vallete Nicolaus (Bekanntschaft) de la Marche Bergeret Alexandre (Arbeit) Fam. Harrach Mercier (Arbeit) Fam. Harrach Mignon (Arbeit) Fam. Harrach Monnot Jean Baptiste (Kind) Monnot Francois Louis
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Interaktion
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Ehe Zeuge Zeuge Arbeit Ehe Zeuge Zeuge Zeuge Zeuge Arbeit Ehe Zeuge Ehe Zeuge Ehe Zeuge Kind Kind Geschwister Zeuge Kind Zeuge Arbeit Zeuge
0.00519288
Zeuge
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Kind Bekanntschaft Kind Zeuge Patenschaft Patenschaft Bekanntschaft Arbeit Geschwister Ehe Ehe
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Kind
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Zeuge Kind Kind Bekanntschaft Arbeit Arbeit Arbeit
0.00336603
Kind
Auswertungen der Netzwerkanalyse zu französischsprachigen ImmigrantInnen Verbindung Fauconet Johann Jakob (Geschwister) Fauconet Ignatius Pipier Claudius (Ehe) Verlet Anna Helena Maria Pipier Claudius (Kind) Pipier Franz Ludwig Nikolaus Fauconet Johann Jakob (Geschwister) Fauconet Maria Elisabeth Fauconet Johann Jakob (Geschwister) Fauconet Anna Maria Katharina Bailet Adelheid (Ehe) Martin Monnot Francois Louis (Arbeit) Fam. Khevenhüller Mignon (Arbeit) Maignin de Fleurey Caspar Ambros Bergeret Alexandre (Bekanntschaft) Maignin de Fleurey Caspar Ambros Mercier (Arbeit) Maignin de Fleurey Caspar Ambros de la Marche (Arbeit) Herzog von Lothringen Fauconet Johann Jakob (Geschwister) Fauconet Joseph Anton Fauconet Johann Jakob (Geschwister) Fauconet Gabriel Lespine Hans Michael (Zeuge) Douex Johann Ludwig Menu Augustin (Ehe) Maria NN Menu Augustin (Kind) Menu Marianna Gandon Thomas (Zeuge) Gangloff Nikolaus Verlet Antonius (Eltern) Verlet Matthias Blasius Cugnioth Johann Georg (Arbeit) Praun Michael Bussi Santino (Patenschaft) Allio Claudius Santinus Cleas Andre (Kind) Cleas Anna Catharina Cleas Andre (Kind) Cleas Maria Theresia Mercier (Arbeit) Bergeret Alexandre Mercier (Arbeit) Mignon Dr. Sellier (Patenschaft) Vallete Nikolaus Mignon (Arbeit) Bergeret Alexandre
399
Edge Betweenness
Interaktion
0.00312632 0.00274657
Geschwister Ehe
0.00260527
Kind
0.00210188
Geschwister
0.00210188 0.00193909 0.00182684
Geschwister Ehe Arbeit
0.00165736
Arbeit
0.00165736
Bekanntschaft
0.00165736 0.00110986
Arbeit Arbeit
0.00105977
Geschwister
0.00105977
Geschwister
3.5326E-4 2.4728E-4 2.4728E-4 1.7663E-4 1.2364E-4 3,53E-002 3,53E-002 2,65E-002 2,65E-002 1,77E-002 1,77E-002 1,77E-002 1,77E-002
Zeuge Ehe Kind Zeuge Eltern Arbeit Patenschaft Kind Kind Arbeit Arbeit Patenschaft Arbeit
REGISTER PERSONENREGISTER Allio, Donato 195 Amalia Wilhelmine, Kaiserin 135, 191 Amelot de la Houssaie, Abraham-Nicolas 254 Anna von Österreich, Infantin von Spanien, Königin von Frankreich 257 Anne Marie Louise d'Orléans, Herzogin von Montpensier, La Grande Mademoiselle 257 Apicius 205 Arnauld, Antoine 256 Aubery, Antoine 57 Aubusson, François de, Duc de la Feuillade 270, 273 Aulnoy, Marie-Catherine de 257, 258 Auvergne, Pierre de 287, 293 Bacon, Francis 242 Bailet, Quintin 160, 161, 162, 340 Baillet, Adrien 242 Bär 293, 294 Barfelly, Maurice 101 Barraband, Jean 134 Bartolotti, Johann Karl 279, 292 Basque 271 Bastero, Bernardin 291 Baudelet 271 Baudot de Juilly, Nicolas 254 Bauer, Joseph Anton 91, 340 Beaufils, Antonius 340 Becher, Johann Joachim 130 Bechet, Claudius Bernardus 91, 107, 110, 118, 119, 182, 340 Bello, Thomas 165, 195 Benier, Jean-Baptiste 296 Benier, Mlle 93, 296, 340 Benier, Mme 93 Benserade, Isaac de 255 Benzoni 232, 291, 292 Berain, Jean 137, 148 Bergeret, Alexandre 29, 30, 31, 33, 61, 62, 66, 68, 70, 93, 94, 105, 111, 119, 120, 144, 153, 169, 171, 172, 174, 179, 204,
212, 216, 217, 218, 219, 222, 223–61, 263–99, 302, 303, 306, 307, 308 Bergeret, Alexandre-Claude 239 Bergeret, Nicolas Joseph 235 Bergeret, Pierre-François 235, 236, 237 Bernony, Nikolaus de 86, 349 Béthune, französisches Adelsgeschlecht 228, 270 Beuf, Johann Anton de 349 Beurden, van 163 Biannyer, Louis 110, 111, 112, 278, 341 Billot 271 Block, Benjamin von 161 Boneth, Hanns Christoph 102, 155, 341 Bonnaire 296, 297 Bonnefons, Nicolas de 211 Bonneth, Franz 102, 341 Bosquillion, Maurice 183, 341 Bougrand, Ludwig 342 Boulenger, Jean 103, 342 Boulle, André 66 Bourbon-Condé, Anne Geneviève de 257 Bourdieu, Pierre 263, 264 Bourdois, Ludwig 114, 342 Bourg, Karl 343 Boyet, Etienne 79, 95, 224, 343 Boyet, Luc Antoine 95 Brahe, Tycho 250 Breuner, Seifried Christoph von 41 Brodeu, Carl Claude 183, 343 Broglie, französisches Adelsgeschlecht 236 Bruslé de Montpleinchamp, Jean Chrysostome 254 Bruyère, Jean de La 256, 257, 260 Bugnet, Claudius Antonius 90, 343 Buisson, C. Du 156, 183, 353 Buisson, de Abbé 270, 271 Bussi, Santino 195 But, Anne de 126, 127, 138, 343 Cadot, François, Marquis de Sébeville 60, 64 Callières, François de 254 Callot, Jacques 85
402 Cané, Claudius 210, 344 Carl, Claudius 165, 193, 195, 197, 344 Carlo, Anthoni 155, 344 Caroline von Ansbach, Königin von Großbritannien und Irland 243 Carpentier, Carl 118, 126, 129, 189, 345 Cassini, Giovanni Domenico 249, 250 Castiglione, Baldassare 39 Chambaud 293 Chambre, Richard La 85, 86, 87, 160, 360 Chapelain, Jean 255 Chapelle, Vincent La 212 Chappuis, Jacob 102, 155, 184, 345 Charnes, Jean-Antoine de 259 Chassignet 59, 64, 65 Chassignole, Joanne Hieronymo 162, 346 Chaumont, Gui de, Marquis de Guitry 228, 269 Chaumont, Joseph de 246, 281, 282, 285, 289, 293 Chazaux, Antoine de 126, 127, 132, 133, 138, 346 Chazaux, Jean de 126, 127, 134, 135, 138, 346 Chesne, Du 111, 112, 353 Chevaillier 228 Chone, Duc de 273 Christine von Frankreich, Herzogin von Savoyen 99 Chustean, Gerhardt Du 353 Claudia Felicitas von Österreich, Kaiserin 95, 146, 161 Claudia von Lothringen 85, 87 Cleas, Andre 156, 199, 346 Cleas, Antoine 156, 181, 184, 189, 199, 201, 347 Cleas, Augustin 156, 157, 181, 193, 199, 200, 347 Cler, Augustin Le 156, 363 Cointerell, Anton 154, 155, 189, 193, 347 Colbert, Jean-Baptiste 63, 130, 146, 232, 240, 249, 252, 286 Coligny-Saligny, Jean 270 Come, La 219 Conte, Johan Le 363 Conte, Le 200 Conti, französisches Adelsgeschlecht 236 Corneille, Pierre 255 Cortesia 232, 291, 292 Costar, Roger 62, 227, 271 Cottard, Pierre 65, 120, 250 Cours, Nicolas Rémond des 254
Register Courtilz de Sandras, Gatien de 257 Crotta 291, 292 Cugnioth, Balthasar 155, 158, 160, 348 Cugnioth, Johann Christoph 158 Cugnioth, Johann Georg 155, 158, 160, 348 Daire, Louis-François 215 Dalicourt, Pierre 254 Debucomps, Simon 96, 350 Decore, Johann Olivier 118, 197, 350 Deffenini, Johannes Baptista Peter 165, 195 Delaplace, Graverin 350 Deprez, Peter 163, 182, 193, 195, 351 Desain, Ludwig 96, 351 Descartes, René 258 Deschazaulx, Antoine 127 Deschazaulx, Etienne 127 Deschazaulx, Jacques 127 Deschazaulx, Jean 127 Despineux, Anna 352 Dietrichstein, Ferdinand von 278 Dietrichstein, Franz Anton Adam von 171, 230, 275, 280 Dietrichstein, Maria Rosina von 275 Donneau de Visé, Jean 247 Dorle, Franz 96, 352 Douex, Johann Ludwig 156, 193, 200, 352 Douex, Johann Peter 199 Dromart, Anton 352 Dubois, Bartholomaeus 96, 200, 353 Dubois, Johann 90, 354 Dumont, Jean 94, 354 Dumont, Nicola 90, 354 Dunant, Jean François 130 Dupre, Johann 155, 355 Dupres, Jonas 355 Dupuy, Jean 200, 355 Duras, französisches Adelsgeschlecht 236 Duval, Peter 355 Eleonora Magdalena Gonzaga von MantuaNevers, Kaiserin 104, 163, 292 Eleonore Magdalena von der Pfalz, Kaiserin 146, 161 Eleonore, Erzherzogin von Österreich 60 Elisabeth Charlotte von der Pfalz, Herzogin von Orléans 216, 217, 232, 239, 269 Elisabeth I., Königin von England 170 Espagne, Michel 19, 20, 27, 71 Esser, Hartmut 180 Eugen, Prinz von Savoyen 30, 72, 79, 95, 104, 148, 193, 203, 224, 248, 253 Faber, Joseph 189 Faesch 293
Register Faret, Nicolas 39 Fauconet, Anna Maria Katharina 189 Fauconet, Gervais 95, 166, 193, 202, 356 Fauconet, Ignatius 189, 200 Fauconet, Johann Jakob 166, 167, 169, 183, 184, 189, 200, 202, 356 Fauconet, Joseph Anton 189, 200 Fauconet, Maria Elisabeth 189 Fauconet, Richard 95, 114, 115, 118, 166, 167, 168, 169, 170, 189, 193, 195, 197, 200, 202, 203, 356 Fayette, Marie-Madeleine de La 256, 257, 258, 260 Feratier, Ludwig 357 Ferdinand II., Kaiser 41, 102, 113, 114 Ferdinand III., Kaiser 54, 101, 102, 151, 158, 160, 292 Fillet, Jacob Antoni 182, 357 Fillez Joseph 357 Fontaine, Jean de La 255, 256, 257 Fontenoy, Sebastian 87, 358 Fouilloux, Mlle 270 Fouquet, Nicolas 130 Fraichot 92 Franz I., Kaiser (Franz Stephan von Lothringen) 15, 17, 18, 68, 87, 134, 220 Franz I., König von Frankreich 16, 99 Friedrich August I., Kurfürst von Sachsen, König von Polen 134 Friedrich August II./III., Kurfürst von Sachsen, König von Polen 135 Friedrich III., Herzog von Sachsen-GothaAltenburg 253 Fronsac, französisches Adelsgeschlecht 236 Fux, Ambrosi 147 Galen 205 Gandon, Thomas 96, 358 Gangloff, Nikolaus 86, 166, 195, 358 Gassendi, Pierre 257 Geiger, Marianna 190 Gerardin, Antonia 88, 359 Gillot 271 Giustinian, Marcantonio (Justiniani) 273 Gouvillier, Charles 293 Gramont, Antoine de 270 Grana, Otto de 243, 244 Grand, Johann Michael Le 173, 190, 200, 363 Grand, Peter Le 103, 171, 172, 173, 182, 190, 193, 364 Granger, Thomas 156, 195, 293, 359
403 Grémonville, Jacques Brethel de 60 Grosjean, Matthaeus 88, 359 Guillemin, Johann Claudius 90, 359 Guissart, Lambert 156, 183, 360 Hallet de Sapogne, Johann 103, 360 Haly, Nicola 114, 210, 360 Haneteau d'Enghien 66 Hann 294 Harcourt, Henri de 270 Harcourt, Marie Anne Claude de 270 Harrach, Aloys Thomas Raimund von 38, 40, 42, 43, 44, 48, 49, 50, 52, 55, 66, 117, 175, 183, 220, 225, 237, 239, 256, 258 Harrach, Ernst Adalbert von 41, 211 Harrach, Ferdinand Bonaventura von 31, 33, 41, 43, 46, 47, 48, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 61–69, 70, 93, 94, 111, 116, 119, 120, 133, 135, 144, 148, 153, 158, 169, 171, 172, 173, 179, 183, 211, 212– 20, 224–61, 263–99, 302, 305, 306, 308 Harrach, Franz Anton von 117 Harrach, Friedrich August von 50 Harrach, Isabella Katharina von 274 Harrach, Johann Joseph Philipp von 276 Harrach, Johanna Theresia von (geb. Lamberg) 61–69, 71, 93, 109, 141, 146, 147, 153, 171, 172, 173, 174, 213– 20, 226, 230, 234, 237, 243, 248, 273, 274, 289, 296, 305 Harrach, Karl von 63 Harrach, Katharina von 274 Harrach, Maria Rosa von 50, 51 Harrach, Rosa Angela von 223, 228, 296 Hauerbrucker 135 Heinrich II., König von Frankreich 259 Heinrich III., König von Frankreich 149 Heinrich IV., König von Frankreich 130 Helvétius, Jean-Adrien 175 Herberstein, Georg Sigmund von 59 Hessein de La Sablière, Marguerite 258 Hildebrand, Johann Lucas von 66 Hoffmann, Hans 224 Hoffmann-Nowotny, Hans-Joachim 180 Hofstede, Geert 20 Hohberg, Wolf Helmhard von 205 Hohendorff, Georg Wilhelm von 95, 224 Houdar de La Motte, Antoine 255 Huber, Johann 190 Huber, Petronilla Podentiana 190 Hurter, Jean 293 Huygens, Christian 110, 111
404 Isabella Clara Eugenia, Infantin von Spanien 41 Jamin, Antoine 231, 234, 235, 238, 291 Jamin, Marie 231, 232, 235, 236, 282, 291 Jardin, Petrus 360 Jenesson, Jean Nicolas 66 Johann Wilhelm von Baden 27 Jolivet 273 Joseph I., Kaiser 27, 60, 67, 114, 117, 128, 135, 172, 173, 228, 243, 280, 296 Joseph II., Kaiser 68 Joyé 294 Julius Franz, Herzog von SachsenLauenburg 211 Karl I., der Kühne, Herzog von Burgund 89 Karl IV., Herzog von Lothringen 84, 86, 87 Karl IX., König von Frankreich 110 Karl V. Leopold, Herzog von Lothringen 229 Karl V., Herzog von Lothringen 87 Karl V., Kaiser 16, 56, 58, 125 Karl VI., Kaiser 27, 58, 95, 104, 125, 134, 135, 278 Karl VII., Kaiser, Kurfürst von Bayern 136 Karl XI., König von Schweden 244 Kaunitz, Adelsgeschlecht 285 Kaunitz, Wenzel Anton von 68 Kelle, Augustin 128 Keller, Katrin 27 Khevenhüller, Benigna Rosina von (geb. Herberstein) 42 Khevenhüller, Ehrenreich von 42 Khevenhüller, Franz Ferdinand Anton von 220 Khevenhüller, Hans von 224 Khevenhüller, Ludwig Andreas von 179, 183 Khevenhüller, Siegmund von 42 Khevenhüller, Sigmund Friedrich von 40, 42, 43, 44, 46, 47, 48, 50, 52, 55, 144, 145, 249 Kinsky, Stephan Wilhelm von 59 Kirchstatter 193 König, Jakob 224 Königsegg, Joseph Lothar von 59 Königsegg-Rothenfels, Leopold Wilhelm von 103 Kornmann, Pierre 294 Krünitz, Johann Georg 162 Küchelbecker, Johann Basilius 15, 17, 206 La Tour d'Auvergne, französisches Adelsgeschlecht 236
Register Lamberg, Johann Maximilian von 61, 71, 111, 218, 274, 278 Lamormaini, Guglielmo 191 Lamy, Johann 362 Langlois, Franz 114, 200, 362 Langlois, Pierre 267, 271 Lannoit, Peter Christoph de 363 Lanvoye 271 Laroche, Claude-Anne 235 Lebrun, Charles 66, 110, 130, 131 Leclerc, Sébastien 148 Lefort, Claudio 126 Leopold I., Kaiser 27, 41, 55, 56, 57, 60, 61, 69, 87, 95, 107, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 126, 128, 132, 133, 146, 152, 158, 161, 163, 165, 168, 169, 172, 173, 176, 182, 190, 202, 227, 242, 250, 261, 270, 278, 279, 280, 292, 303, 306, 307, 308 Leopold, Herzog von Lothringen 87 Lesage, Peter 97, 98, 116, 166, 167, 168, 197, 365 Liechtenstein, Anna Maria von 50 Liechtenstein, Anton Florian von 60 Liechtenstein, Eleonora Maria Rosalia von 207, 211 Liechtenstein, Gundaker von 54 Liechtenstein, Hartmann von 40, 41, 54 Liechtenstein, Karl Eusebius von 40, 41, 54, 110, 111, 162, 163, 164, 170, 278 Liechtenstein, Karl I. von 41, 54 Lisle, Johann Philipp Joseph De 97, 349 Lobkowitz, Wenzel Eusebius von 60, 278 Lobkowitz, Wenzel Ferdinand von 44, 48, 59 Longo, Andreas 165, 195 Longueval, Philipp Karl Emmanuel von 223, 276, 280, 296 Louis de Bourbon, Dauphin de Viennois 227, 229, 233 Louvet 271 Ludwig XIII., König von Frankreich 54, 130, 142, 143, 156, 166, 170, 171, 224, 257 Ludwig XIV., König von Frankreich 16, 18, 24, 27, 29, 33, 35, 40, 44, 47, 50, 55, 57, 59, 61, 63, 65, 66, 78, 86, 90, 91, 92, 94, 97, 103, 108, 130, 131, 133, 136, 143, 144, 148, 166, 170, 171, 175, 176, 177, 202, 227, 233, 241, 243, 247, 248, 249, 254, 255, 256, 260, 261, 263,
Register 267, 269, 270, 271, 272, 278, 279, 301, 302, 304, 306, 308 Ludwig XVI., König von Frankreich 68 Luise Dorothea, Herzogin von SachsenGotha-Altenburg 253 Lune, Pierre de 211 Lüsebrink, Hans-Jürgen 20, 22, 27, 36 Luxembourg, französisches Adelsgeschlecht 236 Maignin de Fleurey, Caspar Ambros 89, 90, 183, 193, 195, 213–20, 226, 240, 366 Mally, Anna Maria de 190 Mally, Johann de 190 Malvilain 273 Mandini, Lorian 114, 366 Mans, De 110 Mansfeld, Heinrich Franz von 59, 64, 117, 230 Marchand, Johann Baptista 88, 195, 210, 366 Marchant, Ägidius 367 Margarita Teresa, Infantin von Spanien, Kaiserin 58 Marguerite de Valois-Angoulême 99 Maria Amalia von Österreich, Kurfürstin von Bayern, Kaiserin 135, 136 Maria Anna Christine von Bayern, Grande Dauphine 233, 234, 241, 244, 245, 263, 269, 298, 306 Maria Anna von Österreich, Königin von Spanien 64, 218, 234, 243 Maria Antonia von Österreich, Erzherzogin, Königin von Frankreich 68 Maria Antonia von Österreich, Kurfürstin von Bayern 161 Maria Elisabeth von Österreich, Erzherzogin 50 Maria Johanna Baptista von Savoyen, Herzogin von Savoyen 99 Maria Josepha von Österreich, Kurfürstin von Sachsen, Königin von Polen 135 Maria Theresia, Infantin von Spanien, Königin von Frankreich 55, 227, 229, 234, 243, 244, 269, 271 Maria Theresia, Kaiserin 15, 17, 68, 72, 104, 182, 220 Maria von Medici, Königin von Frankreich 257 Mariette, Jean-Pierre 148 Marsollier, Jacques 254 Martini 293 Massialot 211
405 Matthias, Kaiser 41, 190 Maureaux, Louis 367 Maximilian II. Emanuel, Kurfürst von Bayern 134, 161, 233 Maximilian II., Kaiser 153 Maximilian Philipp, Herzog von BayernLeuchtenberg 233 Mazarin, Jules 231, 257, 273 Ménars, Marquis de 279 Menčik, Ferdinand 226 Menu, Augustin 171, 367 Mercier 94, 179, 183, 204, 213–20, 273, 305, 368 Mercier, Pierre 134 Mercy-Argenteau, Florimond Claude 16, 17, 68 Metsch, Johann Adolf von 211 Mignon 94, 183, 213–20, 273, 368 Mitterbauer, Helga 27 Molière 255 Möller 59 Mondesaire, de 271 Monnot, François Louis 183, 184, 368 Monnot, Jean-Baptiste 71, 88, 91, 94, 105, 179, 183, 303, 368 Montecuccoli, Leopold Philipp, Fürst 244 Montfort, Maurice 158, 159 Montrichard 368 Morin, Edgar 20 Mort de Lamarre, Jacques la 95, 361 Mortier, Gerard 263 Mougenot, Estienne 166, 167, 169, 183, 369 Mulsow, Martin 20 Naudé, Gabriel 252 Nemeitz, Joachim Christoph 205 Nikolaus II. Franz de Vaudémont, Herzog von Lothringen 85, 87 Noielle, Robert de 96, 163, 164, 278, 369 Noue, François de la 40 Olivet, Pierre Joseph de 254 Ortelius, Abraham 224 Osorio, Antonio 254 Ostayen, van 163 Parissot 88 Pautre, Jean Le 148, 149, 151 Pellisson, Paul 254 Penterriedter, Christoph von 59 Perrault, Charles 255 Pestaluzzi, Johann Anton 292 Pestaluzzi, Ottavio 279, 292, 293, 298, 307 Philebois, Alexandro 369
406 Philipp II., König von Spanien 224 Philipp IV., König von Spanien 64, 91 Philipp V., König von Spanien 285 Philippe Charles de Bourbon, Duc d'Anjou 55 Philippe de Bourbon, Duc d'Orléans 55, 269 Picard, Jean 249, 250 Piccolomini, Enea Silvio 206 Pichard, Petrus 370 Pichlmayr, Martin 136 Pierre, François (La Varenne) 53, 210, 211, 212, 220 Pierre, Joseph de la 87, 183, 349 Pignatelli, Giovanni 54 Pinon, Anton 88, 195, 370 Pinon, Niclas 195, 197, 200, 370 Pipier, Claudius 371 Piquard 271 Platina, Bartolomeo 205 Plessis, Armand-Jean de, Duc de Richelieu 85 Plinius 205 Pluvinel, Antoine de 40, 54 Point, Jean Le 364 Porte, de la Mlle 270 Pötting, Franz Eusebius von 243, 275, 292 Poullain de La Barre, François 258 Pouloin, Toussoint 371 Poussin, Johann Peter 97, 160, 162, 371 Praun, Michael 158, 160 Préchac, Jean de 255 Prestre de Vauban, Sébastien Le 86 Prevoist, Franz 155, 372 Prian, Joseph Jakob 190 Prian, Matthias 190 Prian, Moritz 102, 156, 189, 190, 372 Prian, Peter 155, 372 Prian, Regina Katharina 190 Prison, Anton 162, 372 Pugniet, Claudius 155, 157, 373 Pugniet, Franz 155, 189, 193, 373 Quantin, Peter 107, 110, 118, 121, 126, 128, 134, 135, 137, 139, 182, 373 Querivault, Johann 374 Quinault, Philippe 255 Quoste, Marguerete La 126, 127, 138, 361 Rabutin-Chantal, Marie de, Marquise de Sévigné 63, 258 Racine, Jean 255, 270 Remy 271 Resch, Konrad 189 Resch, Maria Barbara 189
Register Revenaz, Nicolas 191, 201 Richelieu, französisches Adelsgeschlecht 236 Rigaud, Hyacinthe 66, 271 Rochefoucauld, François La 256, 258 Rohan, Duc de 211, 279 Roijen Snell, Willebrord van 249 Rudolf II., Kaiser 57, 205, 224 Rumpolt, Marx 205 Sader, Maria Barbara von 189 Sage, Ludwig Le 118, 119, 365 Saillet, Nicolas 201 Saint-Évremond, Charles de 257 Salle, Jean-Baptiste de la 166 Salm, Karl Theodor Otto von 280 Sannan, J. 175, 183, 374 Santereaux 288, 294 Sautermeister von Sautersheim, Wolf Augustin 189 Scalvignoni, Hieronymus 279, 280 Scherffenberg, Karl Franz von 41 Schlick, Leopold Anton Joseph von 243 Schuppen, Jacob van 95, 374 Schüsse 294 Schwarzenberg, Adam Franz Karl von 276 Schwarzenberg, Ferdinand Wilhelm Eusebius von 116, 276, 285 Schwarzenberg, Johann Adolf von 276 Scudéry, Georges de 52, 255 Scudéry, Madeleine de 255, 257, 258 Seilern, Johann Friedrich 59 Seiz, Johann Michael 190 Sellier 201 Simonet, Jean-Mathieu 291 Sinzendorf, Philipp Ludwig Wenzel von 59, 118, 276, 284 Socin 293 Sorbait, Jacob de 104 Sorbait, Paul de 104 Souvré, Madeleine de, Marquise de Sablé 258 Spada, Fabrizio 291 Stanhope, Philip, Earl of Chesterfield 212 Starhemberg, Heinrich Wilhelm von 85, 102, 160 Stembler, Pauline Susanna Konstanze 190 Stembler, Sebald 190 Strozzi, Peter von 211 Stürzel, Matthias 293, 294 Suttinger, Daniel 197 Tellier, François-Michel Le, Marquis de Louvois 143
407
Register Testelin, Henri 143 Thévenot, Joseph 183, 375 Thimb, Elisabeth 189, 203 Thomas, Alexander 20 Thomasius, Christian 15 Thou, Jacques-Auguste de 279 Tingry, französisches Adelsgeschlecht 236 Tissot, Johann 181 Tonteur, Johann 86, 375 Tourneville, Martin 79, 104, 193, 375 Traun, Ernst von 160 Trautson, Paul Sixt von 243, 275 Trehet, Jean 94, 116, 117, 118, 126, 127, 129–33, 138, 139, 182, 189, 193, 195, 196, 202, 280, 303, 304, 376 Trémoille, Henri Charles de la 44 Troubles, Abraham Des 84, 86, 351 Trousset de Valincourt, Jean-Baptiste-Henri du 259 Trouteur, Nicola Le 156, 365 Truchet, Johann 171, 195, 200, 376 Ungrecht von Ungrechtsberg, Christina Regina 190 Uxelles, Marquis de 210 Valle, Edouard de la 54 Vallete, Nicolaus 87, 175, 195, 201, 377 Venier, Anton 377 Vergine, Maria de 162, 350 Verlet, Antonius 118, 377 Vesne, Johann Nicola La (Lespine) 87, 182, 193, 195, 201, 210, 361
Vigne, Nikolaus Marcellus de la 86, 378 Villars, Claude-Louis-Hector de 60, 243, 271 Villiers, Pierre de 254 Vitnyédy, Stephan 270 Vivonne, Catherine de, Marquise de Rambouillet 148 Vos, Jodocus de 125 Vray, Antonia Le 365 Walderode 59 Waldstein, Albrecht Wenzel Eusebius von 274 Waldstein, Karl Ferdinand von 274, 275 Waldstein, Katharina Rosina von 276 Waldstein, Maria Elisabeth von (geb. Harrach) 274, 275, 284, 285 Waldstein, Maximilian von 274 Wallner, Philipp 165 Werner, Michael 19, 20, 27, 28, 71 Wicka, Johann Franz von 59, 275 Wilhelm III., König von England, Schottland und Irland 136 Windischgrätz, Gottlieb Amadeus von 59, 144, 171, 211, 212, 229, 243, 271, 272, 275, 287 Wortley Montagu, Mary 79, 196 Zaller, Valentin 101, 102, 155, 184, 378 Zedler, Johann Heinrich 125 Zeller, Anna Maria 203 Ziani, Johann Andre 196 Zrinyi, Nikolaus 270
ORTSREGISTER Abbeville 142 Acadie 75 Alençon 149 Amboise 46 Amiens 235 Angers 46 Annapichl 42 Annecy 99, 101 Antillen 75 Antwerpen 66, 103, 132, 224, 292, 293 Aostatal 98, 184 Aquitaine 84 Argentan 149 Armentières 75, 96 Artois 96, 97, 286
Aschach 288 Aubusson 75, 127, 128, 132, 134, 204 Augsburg 66, 153, 292 Autun 127 Auvergne 81, 84, 86 Baden-Durlach 287 Banat 75 Barcelona 229 Basel 227, 285, 287, 288, 289, 293, 294, 298, 307 Bayern 233, 294 Bayreuth 128 Beaucaire 99 Beaujolais 231 Beauvais 132, 137
408 Bergamo 291 Berlin 127, 134, 206 Besançon 39, 41, 46, 54, 71, 75, 91, 107, 119 Blois 46, 75, 114 Bodensee 157 Böhmen 41, 153, 278 Bologna 39 Bordeaux 127 Bourgogne 81, 82, 93 Brabant 81, 103 Brasilien 175, 208 Breisach 100 Bresse 98 Bretagne 46, 49, 75, 81, 82, 83, 96, 97, 118, 163 Brie 93 Brüssel 39, 41, 42, 47, 50, 75, 78, 79, 81, 103, 104, 125, 132, 133, 134, 246, 281, 284, 289, 293 Buda 189 Bugey 98 Burgund 46, 50, 52, 56, 89, 156, 226, 236 Cantal 93 Centre 83 Ceylon 66 Chablais 98, 99 Châlons-sur-Marne 267 Chambéry 98, 99 Champagne 82, 93, 153, 236 Chiavenna 292 Chinon 46 Clermont-Ferrand 75 Como 292 Compiègne 142 Cremona 249 Dauphiné 99, 236 Den Haag 110 Dijon 46, 54 Dole 39, 41, 46, 47, 52, 53, 54 Donau 153, 156, 287, 288, 289, 294 Dordogne 81 Dresden 134, 137 Dünkirchen 78, 103, 190, 235 Eberstorff 220 Elsaß 78, 81, 82, 286, 288 England 42, 58, 63, 103, 148, 212, 215, 219, 221, 240, 251, 257, 305 Erlangen 127, 134 Faucigny 98, 99, 100, 156 Feldsberg 54, 110 Felletin 132
Register Florenz 48, 142, 282, 292 Fontainebleau 46 Forez 231 Franche-Comté 24, 32, 41, 47, 78, 81, 82, 83, 89–92, 97, 98, 105, 156, 183, 202, 226, 286, 302, 303, 308 Frankfurt am Main 153 Frankreich 24, 35, 42, 43, 47, 48, 51, 57, 58, 63, 66, 67, 68, 69, 74, 75, 81, 89, 110, 126, 137, 142, 143, 148, 162, 164, 173, 284, 286, 288, 294, 301, 302, 304, 305 Freiburg 100 Genevois 98, 99 Genf 98 Genua 48, 99, 142 Grasse 75, 195 Graz 206, 207, 208 Grenoble 98 Grivasne 75 Groß-Seelowitz 117 Hannover 134 Hellbrunn 117 Hennegau 104 Hochosterwitz 42 Idria 292 Île de France (Mauritius) 66 Île-de-France 82, 83, 93, 235, 236 Indien 63, 226 Innsbruck 285 Italien 39, 40, 41, 42, 48, 74, 75, 110, 137, 142, 148, 152, 153, 206, 224, 291, 301, 302 Jägerndorf 41 Jura 226 Kanada 75 Karlsbad 240 Kärnten 55 Klagenfurt 42 Kleßheim 117 Konstantinopel 58 Krakau 292 Krems 205, 287 La Rochelle 167 Landry 200 Landskron 42 Languedoc 46, 81, 236 Laxenburg 146, 220 Lengenfeld 205 Les Bauges 99 Lille 96 Limoges 127
Register Limousin 75, 81, 84, 127 Linz 42, 88, 118, 130, 179, 183, 287 L'Isle-Adam 235 Loire 82, 236 Loiretal 40, 81, 84 Lombardei 99 London 148, 206, 257 Lothringen 24, 32, 46, 75, 78, 81, 82, 83, 84–88, 89, 98, 105, 134, 160, 166, 175, 195, 201, 286, 289, 302, 303, 308 Louisiane 75 Louveciennes 46 Löwen 39 Lunéville 87 Lüttich 104 Luxemburg 75, 78, 81, 103 Lyon 32, 46, 48, 49, 62, 63, 64, 75, 81, 93, 94, 95, 98, 99, 104, 130, 142, 147, 153, 156, 157, 162, 163, 164, 167, 169, 172, 177, 200, 213, 218, 219, 229, 230, 256, 287, 288, 289, 291, 292, 294, 303, 307 Lyonnais 231, 286 Madagaskar 66 Madrid 56, 57, 58, 61, 63, 66, 68, 69, 89, 218, 224, 229, 230, 239, 242, 243, 244, 256, 269, 271, 274, 275, 282, 287, 292, 294, 296, 302 Magdeburg 134 Magland 100 Mähren 41, 278 Mailand 48, 99, 142, 292 Maintenon 46 Mariazell 118 Marly 46, 65 Marseille 63, 99, 167, 287, 293 Massif Central 82 Maurienne 98, 99 Metz 75, 235 Midi-Pyrénées 84 Mirabell 117 Mogersdorf 270 Mömpelgard 230 Monchalon 75, 97, 166 Mont-Cenis 98, 99 Montferrat 98 Montpellier 175 München 128, 134, 136, 137, 233 Namur 103 Nancy 75, 85, 87, 88, 201 Nantes 75, 163 Nègrepélisse 236 Neustadt 160
409 Neuville 75 Niederlande, Österreichische 50 Niederlande, Spanische 24, 29, 40, 78, 81, 96, 98, 103, 105, 126, 129, 133, 134, 284, 302, 303 Niederlande, Vereinigte 40, 42, 47, 74, 103, 136, 152, 157, 162, 173, 226, 257 Niederösterreich 41, 43, 55, 190 Nizza 98 Nogent 235 Normandie 49, 75, 81, 82, 83, 86, 93, 96, 97, 116, 166, 167 Notre-Dame-de-la-Gorge 201 Nürnberg 42, 153, 162, 292, 293 Oberösterreich 41 Oneglia 98 Ostindien 240 Padua 39, 104 Paris 32, 33, 35, 38, 40, 41, 42, 43, 44, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 64, 65, 66, 67, 68, 75, 79, 81, 83, 92–95, 98, 104, 111, 115, 116, 120, 132, 134, 144, 146, 148, 149, 153, 154, 155, 156, 163, 166, 167, 172, 173, 175, 177, 204, 210, 212, 213, 214, 217, 219, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 230, 232, 237, 238, 239, 241, 242, 243, 244, 245, 246, 248, 249, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 258, 261, 267, 268, 269, 270, 271, 273, 274, 275, 276, 280, 281, 282, 284, 287, 288, 289, 291, 292, 293, 294, 296, 297, 298, 302, 303, 306, 307, 308 Paris, Bastille 64 Paris, Comédie-Française 49 Paris, Faubourg Saint-Honoré 236 Paris, Gobelins 130, 131, 132 Paris, Hôtel de Bourgogne 270 Paris, Hôtel Rambouillet 148 Paris, Les Halles 49 Paris, Louvre 49, 130 Paris, Oper 65 Paris, Palais-Royal 49 Paris, Rue des Bourdonnais 49 Paris, Rue du Roule 49 Paris, Rue St. Honoré 49, 148 Paris, Tuileries-Gärten 49 Pas-de-Calais 81, 82, 96 Passau 287 Pay des Dombes 231 Picardie 75, 81, 82, 83, 86, 96, 97 Piemont 98, 99
410 Plurs 292 Polen 58 Port-Royal 256, 257 Portugal 58 Prag 42, 95, 118, 158, 211 Provence 46, 75, 81, 84, 163, 165 Rhein 156, 288, 308 Rheinland 289 Richelieu 46 Riegel am Kaiserstuhl 159 Rohrau 66, 271 Rom 58 Rotterdam 287 Rouen 167 Roussillion 84 Sachsen 136 Saint-Cloud 65 Saint-Come 175 Saint-Germain-en-Laye 46, 233 Sallanches 75, 158, 190, 200 Salzburg 39, 41, 42 Saulieu 226 Savoyen 24, 29, 32, 75, 78, 81, 82, 98–103, 105, 154, 155, 156, 188, 193, 201, 302, 303, 306, 308 Schaffhausen 285, 293, 294, 298, 307 Schlaining 42 Schlesien 41 Schönbrunn 135 Schweden 42 Schweiz 75, 152, 157, 292 Senegal 168 Sevilla 188 Siebenbürgen 153 Simplon 99 Souilly 85 Spanien 42, 57, 58, 60, 61, 64, 65, 69, 75, 91, 109, 206, 213, 224, 229, 239, 244, 249, 261, 279, 281, 284, 287, 292, 294, 301, 302, 306 Spittal 42 St. Bernhard, Großer 98 St. Bernhard, Kleiner 98 St. Denis 46 St. Gervais-Les-Praz 201 St. Moritz 200 Steiermark 43 Straßburg 81, 157, 227, 288, 294, 298, 307, 308 Stuttgart 134
Register Tarantaise 98, 99, 156 Tirol 291 Toul 235 Tours 51, 62, 142 Turin 98, 99, 291 Ulm 153, 230, 287, 288, 289, 293, 294, 298, 307 Ungarn 75, 153, 270, 273 Valence 75, 287, 289 Valenciennes 149 Vaux-le-Vicomte 130 Venedig 58, 291, 292 Verdun 235 Versailles 40, 44, 46, 48, 60, 65, 92, 108, 148, 216, 217, 224, 235, 241, 245, 251, 254, 261, 269, 306, 307 Villach 42 Westafrika 167 Wien, Am Hof 197 Wien, Am Tabor 129, 165 Wien, Auf der Wieden 197 Wien, Beckerstraße 197 Wien, Bognergasse 197 Wien, Bräunerstraße 197 Wien, Graben 197 Wien, Gumpendorferstraße 203 Wien, Herrengasse 197 Wien, Himmelpfortgasse 203 Wien, Hoher Markt 197, 203 Wien, Josephstadt 195, 197 Wien, Kärntnerstraße 197 Wien, Kohlmarkt 170, 197, 203 Wien, Kurrentgasse 197 Wien, Leopoldstadt 195, 197 Wien, Liechtenthal 197 Wien, Mariahilf 195 Wien, Mölkerbastei 203 Wien, Neubau 195 Wien, Oper 65 Wien, Salzgries 197 Wien, Schleifmühlgasse 203 Wien, Schreyvogelgasse 203 Wien, Singerstraße 197 Wien, Spittelberg 195 Wien, Staindelgasse 197 Wien, Stock-im-Eisen-Platz 197 Wien, Tuchlauben 197 Würzburg 134 Zürich 157, 292
V I E R TE L J A H R S C H R I F T F Ü R S O Z I A L U N D W I R T S C H A F T S G E S C H I C H TE – B E I H E F TE
Herausgegeben von Günther Schulz, Jörg Baten, Markus A. Denzel und Gerhard Fouquet.
Franz Steiner Verlag
ISSN 0341–0846
192. Markus A. Denzel / Hans-Jürgen Gerhard (Hg.) Wirtschaftliches Geschehen und ökonomisches Denken Ausgewählte Schriften von Karl Heinrich Kaufhold aus Anlaß seines 75. Geburtstages 2007. 572 S., geb. ISBN 978-3-515-09017-9 193. Satoshi Nishida Der Wiederaufbau der japanischen Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg Die amerikanische Japanpolitik und die ökonomischen Nachkriegsreformen in Japan 1942–1952 2007. 474 S. mit 4 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09056-8 194. Boris Gehlen Paul Silverberg (1876–1959) Ein Unternehmer 2007. 605 S. mit 7 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09090-2 195. Frank Pitzer Interessen im Wettbewerb Grundlagen und frühe Entwicklung der europäischen Wettbewerbspolitik 1955–1966 2007. 482 S., kt. ISBN 978-3-515-09120-6 196. Gabriel Zeilinger Lebensformen im Krieg Eine Alltags- und Erfahrungsgeschichte des süddeutschen Städtekriegs 1449/50 2007. 285 S. mit 3 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09049-0 197. Matthias Steinbrink Ulrich Meltinger Ein Basler Kaufmann am Ende des 15. Jahrhunderts 2007. 601 S. mit 1 Farb- und 8 s/w-Abb., geb. ISBN 978-3-515-09134-3 198. Philipp Robinson Rössner Scottish Trade in the Wake of Union (1700–1760) The Rise of a Warehouse Economy
2008. 392 S. mit 41 Graf., kt. ISBN 978-3-515-09174-9 199. Rolf Walter (Hg.) Geschichte der Arbeitsmärkte Erträge der 22. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte vom 11. bis 14. April 2007 in Wien 2009. 421 S. mit 36 Abb. und 2 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-09230-2 200. Peter Kramper Neue Heimat Unternehmenspolitik und Unternehmensentwicklung im gewerkschaftlichen Wohnungs- und Städtebau 1950–1982 2008. 664 S., geb. ISBN 978-3-515-09245-6 201. Markus A. Denzel Das System des bargeldlosen Zahlungsverkehrs europäischer Prägung vom Mittelalter bis 1914 2008. 581 S. und 1 Farbtaf., geb. ISBN 978-3-515-09292-0 202. Angelika Westermann Die vorderösterreichischen Montanregionen in der Frühen Neuzeit 2009. 384 S., kt. ISBN 978-3-515-09306-4 203. Gudrun Clemen Schmalkalden – Biberach – Ravensburg Städtische Entwicklungen vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit 2009. 393 S., kt. ISBN 978-3-515-09317-0 204. Stefan Krebs Technikwissenschaft als soziale Praxis Über Macht und Autonomie der Aachener Eisenhüttenkunde 1870–1914 2009. 472 S. mit 22 Abb. und 5 Tab., kt. ISBN 978-3-515-09348-4 205. Markus A. Denzel / Margarete Wagner-Braun (Hg.) Wirtschaftlicher und sportlicher Wettbewerb
Festschrift für Rainer Gömmel zum 65. Geburtstag 2009. 438 S. mit 33 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09373-6 206. Sabine von Heusinger Die Zunft im Mittelalter Zur Verflechtung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Straßburg 2009. 662 S. mit 5 Abb., 30 Tab., 9 Zeichn. und CD-ROM ISBN 978-3-515-09392-7 207. Verena Postel Arbeit und Willensfreiheit im Mittelalter 2009. 189 S., kt. ISBN 978-3-515-09393-4 208. Beate Sturm ,wat ich schuldich war‘ Privatkredit im frühneuzeitlichen Hannover (1550–1750) 2009. 336 S. mit 46 Abb. und 18 Tab., kt. ISBN 978-3-515-09431-3 209. Hendrik Mäkeler Reichsmünzwesen im späten Mittelalter Teil 1: Das 14. Jahrhundert 2010. 328 S. mit 13 Ktn., 3 Diagr. und 2 Münztaf., geb. ISBN 978-3-515-09658-4 210. in Vorbereitung 211. Volker Ebert / Phillip-Alexander Harter Europa ohne Fahrplan? Anfänge und Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1957–1985) 2010. 278 S. mit 8 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09693-5 212. Volker Ebert Korporatismus zwischen Bonn und Brüssel Die Beteiligung deutscher Unternehmensverbände an der Güterverkehrspolitik (1957–1972) 2010. 452 S. mit 4 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09692-8 213. Markus A. Denzel / Jan de Vries / Philipp Robinson Rössner (Hg.) Small is Beautiful? Interlopers and Smaller Trading Nations in the Pre-industrial Period Proceedings of the XVth World Economic History Congress in Utrecht (Netherlands) 2009
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2011. 278 S. mit 27 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09839-7 Rolf Walter (Hg.) Globalisierung in der Geschichte Erträge der 23. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte vom 18. bis 21. März 2009 in Kiel 2011. 273 S. mit 29 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09851-9 Ekkehard Westermann / Markus A. Denzel Das Kaufmannsnotizbuch des Matthäus Schwarz aus Augsburg von 1548 2011. 526 S. mit 1 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09899-1 Frank Steinbeck Das Motorrad Ein deutscher Sonderweg in die automobile Gesellschaft 2011. 346 S. mit 17 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10074-8 Markus A. Denzel Der Nürnberger Banco Publico, seine Kaufleute und ihr Zahlungsverkehr (1621–1827) 2012. 341 S. mit 24 Abb. und 44 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10135-6 Bastian Walter Informationen, Wissen und Macht Akteure und Techniken städtischer Außenpolitik: Bern, Straßburg und Basel im Kontext der Burgunderkriege (1468–1477) 2012. 352 S. mit 3 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10132-5 Philipp Robinson Rössner Deflation – Devaluation – Rebellion Geld im Zeitalter der Reformation 2012. XXXIII, 751 S. mit 39 Abb. und 22 Tab., geb. ISBN 978-3-515-10197-4 Michaela Schmölz-Häberlein Kleinstadtgesellschaft(en) Weibliche und männliche Lebenswelten im Emmendingen des 18. Jahrhunderts 2012. 405 S. mit 2 Abb. und 3 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10239-1 Veronika Hyden-Hanscho Reisende, Migranten, Kulturmanager Mittlerpersönlichkeiten zwischen Frankreich und dem Wiener Hof 1630–1730 2013. 410 S. mit 20 Abb. und 2 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10367-1
Trotz des politischen Antagonismus zwischen Paris und Wien orientierte sich der Wiener Adel ab dem 30-jährigen Krieg zunehmend an französischer Kultur, insbesondere am Repräsentationsmodell Ludwigs XIV. Der Adel initiierte durch zahlreiche Investitionen in französische Mode, Kosmetik, Innenraumgestaltung und repräsentative Karossen Kulturtransfer auf breiter Ebene. Französischsprachige Fachkräfte aus Frankreich, Lothringen und der Franche-Comté wurden angeworben. Savoyische Händler versorgten Wien mit Textilien aus Lyon, und professionell arbeitende Vermittler belieferten Wiener Adelshäuser direkt mit Galanterien aus Paris.
In diesem Band zeichnet Veronika HydenHanscho ein genaues Bild der kulturellen Transferprozesse von Frankreich nach Wien. Die migrationshistorische Studie betrachtet dabei MigrantInnen als interkulturelle Mittler. Erkenntnisse zum Integrationsverhalten sowie zum Scheitern von Vermittlungsprozessen und Remigration ergänzen die Analyse, für die 131 MigrantInnenbiographien im Wien der Frühen Neuzeit ausgewertet wurden. Das Werk wurde mit dem Dissertationspreis für Migrationsforschung 2011 der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet.
www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag
ISBN 978-3-515-10367-1
9 783515 103671