Rechtsverfolgungskosten und Gleichheit der Besteuerung: Eine Untersuchung der steuerlichen Abziehbarkeit von Privataufwendungen zur Verteidigung subjektiver Rechte [1 ed.] 9783428580163, 9783428180165

Möchte der Bürger seine Rechte durchsetzen, hat er im Staat des Grundgesetzes vor die Gerichte zu ziehen; das Rechtstaat

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German Pages 260 [261] Year 2020

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Rechtsverfolgungskosten und Gleichheit der Besteuerung: Eine Untersuchung der steuerlichen Abziehbarkeit von Privataufwendungen zur Verteidigung subjektiver Rechte [1 ed.]
 9783428580163, 9783428180165

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Schriften zum Steuerrecht Band 151

Rechtsverfolgungskosten und Gleichheit der Besteuerung Eine Untersuchung der steuerlichen Abziehbarkeit von Privataufwendungen zur Verteidigung subjektiver Rechte

Von

Tim Alexander Textor

Duncker & Humblot · Berlin

TIM ALEXANDER TEXTOR

Rechtsverfolgungskosten und Gleichheit der Besteuerung

S c h r i f t e n z u m St e u e r r e c ht Band 151

Rechtsverfolgungskosten und Gleichheit der Besteuerung Eine Untersuchung der steuerlichen Abziehbarkeit von Privataufwendungen zur Verteidigung subjektiver Rechte

Von

Tim Alexander Textor

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg hat diese Arbeit im Jahr 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 978-3-428-18016-5 (Print) ISBN 978-3-428-58016-3 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg hat die vorliegende Arbeit im Wintersemester 2019/2020 als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung konnte bis Dezember 2019 veröffentlichte Rechtsprechung und Literatur berücksichtigt werden. Herzlich danken möchte ich zuallererst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Sebastian Müller-Franken, der die Betreuung meiner Arbeit übernommen hat und mir stets mit wertvollem kritischem Rat zur Seite stand. Insbesondere die zahlreichen persönlichen Gespräche haben maßgeblich zum Abschluss dieses Buches beigetragen. Ein ganz besonderer Dank gilt auch Frau Professor Dr. Christine Budzikiewicz. Dies nicht bloß für die Übernahme des Zweitgutachtens und dessen überaus rasche Anfertigung, sondern auch für all die Jahre, die ich nun schon an ihrem Lehrstuhl als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig sein darf. Die Studienstiftung des deutschen Volkes hat mich mit einem Promotionsstipen­ dium unterstützt, auch dafür danke ich. Herrn Alexander Kaatz bin ich für seine vielfältige Unterstützung während der Promotionszeit verbunden. Mein innigster Dank gilt schließlich meinen Eltern, Andreas und Claudia ­Textor, die mir so vieles ermöglicht haben und mich in jeder Lebenslage vorbehaltlos unterstützen. Ihnen sei dieses Buch gewidmet. Wetter (Hessen), im Frühjahr 2020

Tim Textor

Inhaltsübersicht Kapitel 1 Einleitung 27 A. Gleichheit der Besteuerung – Ziel und Rechtfertigung der Untersuchung . . . . . . . . 27 B. Relevanz der Thematik jenseits des Steuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I.

(Prozess-)Kostentragung – Sache des Staates oder des Einzelnen? . . . . . . . . . . 29

II.

Aktualität des Themas „Kosten des Rechtsstaats“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

III. Gesellschaftliche Ungleichheit als Herausforderung für die Gleichheit der Bürger bei der Verteidigung ihrer Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 C. Begrenzung der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Kapitel 2 Abzugstatbestand und Abzugsgegenstand 37



A. Einkommensteuer und außergewöhnliche Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I.

Einkommensteuer und Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

II.

Das Nettoprinzip im Einkommensteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

III. Der Abzugstatbestand der außergewöhnlichen Belastungen (§ 33 EStG) . . . . . 43 B. Kosten der Verteidigung subjektiver Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 I.

Klassische gerichtliche Prozesskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

II.

Außergerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

III. Aktive und passive Rechtsverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 C. Abgrenzung des privaten vom beruflichen Rechtsverfolgungsaufwand . . . . . . . . . . 53 I.

Betriebsausgaben / Werbungskosten oder Privatausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

II.

„Gemischte Aufwendungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

10

Inhaltsübersicht Kapitel 3



Rechtsverfolgungskosten in der Praxis 56

A. Rechtsprechung bis ins Jahr 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 I.

Kosten allgemeiner Zivilsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

II.

Kosten der Ehescheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

III. Kosten eines Strafverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 IV. Kosten eines Verwaltungsstreitverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 B. Änderung der Rechtsprechung am 12.5.2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 I.

BFH, Urteil v. 12.5.2011, VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015 . . . . . . . . . . . . . . . 68

II.

Aufnahme des Urteils in der Literatur und in der Finanzgerichtsbarkeit . . . . . . 69

III. Gegenstoß des Bundesministeriums der Finanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 C. Erwiderung des Gesetzgebers: § 33 Abs. 2 S. 4 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 I.

Jahressteuergesetz 2013 (JStG 2013) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

II. Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (AmtshilfeRLUmsG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 D. „Rolle rückwärts“ – abermalige Änderung der Rechtsprechung des BFH am 18.6.2015 75

Kapitel 4 § 33 Abs. 2 S. 4 EStG als „Status quo“ – Der Meinungsstand zum Normverständnis 77



A. Divergenzen in der Frage der Abziehbarkeit von Scheidungskosten . . . . . . . . . . . . . 77 I.

Fortführung der bisherigen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

II.

Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

III. Ansicht des Bundesfinanzhofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 B. Divergenzen im Verständnis der Normbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 I.

Rechtsfolge des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

II.

Tatbestand des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

Kapitel 5

Die Methodik der Auslegung als Ausgangspunkt 89

A. Bedeutung der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 B. Verfassungsrechtliche Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

Inhaltsübersicht

11

C. Ziel der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 I.

Die subjektive Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

II.

Die objektive Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

III. Objektiv-teleologische Theorie nach Karl Larenz / Claus-Wilhelm Canaris . . . 94 IV. Differenzierung nach dem Alter des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 V.

Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

VI. Auswirkung auf die Auslegung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 D. Auslegungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 I.

Klassischer Kanon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

II.

Normhierarchische Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

III. Reihenfolge der Auslegungskriterien und weiterer Gang der Untersuchung . . . 102

Kapitel 6 Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG – „Rechtserkenntnis“ 104 A. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 I.

Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

II.

Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 B. Vorgaben der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 I.

Staatliches Gewaltmonopol und allgemeiner Justizgewähranspruch . . . . . . . . . 106

II.

„chilling effect“ – Abschreckungswirkung des Kostenrisikos auf die Rechtsverfolgung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

III. Prozesskosten und subjektives Nettoprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 IV. Abstandsgebot zum Sozialhilferecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 V.

Die Neuregelung als Nichtanwendungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

VI. Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 VII. Die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 VIII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 C. Vorgaben des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 I.

Freizügigkeit, Art. 21 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

II.

Beihilfenverbot, Art. 107 ff. AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

12

Inhaltsübersicht III. Grundrechte-Charta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

D. Vorgaben der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 I.

Beschränktes Anwendungsfeld im Hinblick auf Prozesskosten . . . . . . . . . . . . . 147

II.

Die Zulässigkeit von Gerichtskosten nach der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

III. Der „chilling effect“ im Lichte der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 E. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I.

Wille des Gesetzgebers zum JStG 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

II.

Wille des Gesetzgebers zum AmtshilfeRLUmsG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

III. Auswirkung auf die Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 F. Übrige Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 I.

Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

II.

Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 G. Teleologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 I.

„Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten)“ . . . . . . . 160

II. „Gefährdung der Existenzgrundlage“ und „Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 III. Fazit der teleologischen Auslegung und Gesamtfazit zum Verständnis der Norm 174

Kapitel 7

Abziehbarkeit nach Fallgruppen – „Rechtsetzung“ 175

A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 I.

Die Auswirkung des „chilling effect“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

II.

Belastungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

III. Gerichtliche Verfahren – noch außergewöhnlich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 IV. Die „Verlierersituation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 V.

Kostentragung aufgrund eines Vergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

VI. Vermögenslosigkeit des Gegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 VII. Ausschluss bei vertraglichen Streitigkeiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Inhaltsübersicht

13

B. Streitigkeiten aus dem Bereich des Zivilrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 I.

Typischerweise rein vermögensrechtliche Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

II.

Verfahren, aus denen tendenziell abziehbare Kosten erwachsen . . . . . . . . . . . 186

C. Familienrechtliche Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 I.

Allgemeine Auseinandersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

II.

Speziell: Ehescheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

D. Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 I.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

II.

Kosten bei Unrechtsbegehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

III. Kosten bei Freispruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 IV. Kosten in sonstigen Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 E. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 I.

Abgabenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

II.

Sonstige Anfechtungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

III. Leistungs- und Feststellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Kapitel 8

Zusammenfassende Thesen und Schlussbetrachtung 230

A. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 B. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einleitung 27 A. Gleichheit der Besteuerung – Ziel und Rechtfertigung der Untersuchung . . . . . . . . 27 B. Relevanz der Thematik jenseits des Steuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I.

(Prozess-)Kostentragung – Sache des Staates oder des Einzelnen? . . . . . . . . . . 29

II.

Aktualität des Themas „Kosten des Rechtsstaats“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

III. Gesellschaftliche Ungleichheit als Herausforderung für die Gleichheit der Bürger bei der Verteidigung ihrer Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 C. Begrenzung der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Kapitel 2 Abzugstatbestand und Abzugsgegenstand 37



A. Einkommensteuer und außergewöhnliche Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I.

Einkommensteuer und Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

II.

Das Nettoprinzip im Einkommensteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1. Das objektive Nettoprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Das subjektive Nettoprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

III. Der Abzugstatbestand der außergewöhnlichen Belastungen (§ 33 EStG) . . . . . 43 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 a) Sicherung des Existenzminimums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 b) „Erhalt und Rückgewinnung der Normalität des einzelnen Steuer­ pflichtigen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Einfachgesetzliche Voraussetzungen eines Abzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Aufwendungen, Subsidiarität und Belastungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Außergewöhnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 c) Zwangsläufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 d) Notwendigkeit / Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 e) Überschreiten der zumutbaren Belastung, § 33 Abs. 3 EStG . . . . . . . . . . 50

16

Inhaltsverzeichnis

B. Kosten der Verteidigung subjektiver Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 I.

Klassische gerichtliche Prozesskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

II.

Außergerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

III. Aktive und passive Rechtsverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 C. Abgrenzung des privaten vom beruflichen Rechtsverfolgungsaufwand . . . . . . . . . . 53 I.

Betriebsausgaben / Werbungskosten oder Privatausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

II.

„Gemischte Aufwendungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

Kapitel 3

Rechtsverfolgungskosten in der Praxis 56

A. Rechtsprechung bis ins Jahr 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 I.

Kosten allgemeiner Zivilsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

II.

Kosten der Ehescheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

III. Kosten eines Strafverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 IV. Kosten eines Verwaltungsstreitverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 B. Änderung der Rechtsprechung am 12.5.2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 I.

BFH, Urteil v. 12.5.2011, VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015 . . . . . . . . . . . . . . . 68

II.

Aufnahme des Urteils in der Literatur und in der Finanzgerichtsbarkeit . . . . . . 69

III. Gegenstoß des Bundesministeriums der Finanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 C. Erwiderung des Gesetzgebers: § 33 Abs. 2 S. 4 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 I.

Jahressteuergesetz 2013 (JStG 2013) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

II. Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (AmtshilfeRLUmsG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 D. „Rolle rückwärts“ – abermalige Änderung der Rechtsprechung des BFH am 18.6.2015 75

Kapitel 4 § 33 Abs. 2 S. 4 EStG als „Status quo“ – Der Meinungsstand zum Normverständnis 77



A. Divergenzen in der Frage der Abziehbarkeit von Scheidungskosten . . . . . . . . . . . . . 77 I.

Fortführung der bisherigen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

II.

Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

III. Ansicht des Bundesfinanzhofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

Inhaltsverzeichnis

17

B. Divergenzen im Verständnis der Normbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 I.

Rechtsfolge des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

II.

Tatbestand des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 1. „Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten)“ . . . . 82 a) Enges Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) Weites Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 c) „Führen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2. Unbestimmte Rechtsbegriffe: „Gefährdung der Existenzgrundlage“ und „Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 a) Alternative oder kumulative Bedeutung der Konjunktion „und“ . . . . . . 85 b) „Gefahr des Verlusts der Existenzgrundlage“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 aa) Hans- Joachim Kanzlers Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 bb) Walter Georg Leisners Verständnis von „Existenzgrundlage“ . . . . . 86 cc) Verwendung des Begriffes „Existenzgrundlage“ in anderen Gesetzen 87 c) „Gefahr des Nicht-mehr-befriedigen-Könnens lebensnotwendiger Bedürfnisse im üblichen Rahmen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

Kapitel 5 Die Methodik der Auslegung als Ausgangspunkt 89



A. Bedeutung der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 B. Verfassungsrechtliche Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 C. Ziel der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 I.

Die subjektive Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

II.

Die objektive Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

III. Objektiv-teleologische Theorie nach Karl Larenz / Claus-Wilhelm Canaris . . . 94 IV. Differenzierung nach dem Alter des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 V.

Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

VI. Auswirkung auf die Auslegung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 D. Auslegungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 I.

Klassischer Kanon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 1. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 4. Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 5. Wirtschaftliche Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

18

Inhaltsverzeichnis II.

Normhierarchische Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Unionsrechtskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3. Konventionsrechtskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

III. Reihenfolge der Auslegungskriterien und weiterer Gang der Untersuchung . . . 102

Kapitel 6 Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG – „Rechtserkenntnis“ 104 A. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 I. II.

Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Begriffsbedeutung einzelner Wörter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2. Unbestimmte Rechtsbegriffe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 B. Vorgaben der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 I.

Staatliches Gewaltmonopol und allgemeiner Justizgewähranspruch . . . . . . . . . 106 1. Die Justizgewährpflicht als Teil der Rechtsstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Finanzierung der Justiz: Steuern und Gerichtsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Auswirkung auf das Einkommensteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Mögliche Reichweite einer Argumentation mit dem staatlichen Gewaltmonopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Kausalität des staatlichen Gewaltmonopols für das Entstehen von Prozesskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 c) Problematik der rechtlichen Zwangsläufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 d) Ratio des § 33 EStG und „Nachbargleichheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

II. „chilling effect“  – Abschreckungswirkung des Kostenrisikos auf die Rechts­ verfolgung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Allgemeine Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Anwendbarkeit / Vorliegen eines „chilling effect“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Rechtliche Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3. Prozessuales Kostenrisiko – ein „chilling effect“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

Inhaltsverzeichnis

19

a) Anwendbarkeit / Grundrechtlich geschütztes Verhalten, von dessen Ausübung abgeschreckt wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 b) Staatliche Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 4. Auswirkung auf das Einkommensteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Reaktionspflicht oder -möglichkeit des Einkommensteuerrechts zur Verringerung der abschreckenden Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 aa) Geeignetheit des steuerlichen Abzugs zum Lindern der Abschreckung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (1) Die Eignung in Frage stellende Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (2) Die Eignung tragende Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) „Optimierung“ im Wege eines Abdämpfens durch eine steuerliche Berücksichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 III. Prozesskosten und subjektives Nettoprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Abgeltung durch Grundfreibetrag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Zwingende Abziehbarkeit infolge des subjektiven Nettoprinzips? . . . . . . . . 132 a) Sozialhilferechtlicher Nachranggrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Freiheitsrechtliche Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 IV. Abstandsgebot zum Sozialhilferecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 V.

Die Neuregelung als Nichtanwendungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

VI. Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 VII. Die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 VIII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 C. Vorgaben des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 I.

Freizügigkeit, Art. 21 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

II.

Beihilfenverbot, Art. 107 ff. AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Steuerliche Abziehbarkeit als „Beihilfe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

III. Grundrechte-Charta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 D. Vorgaben der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 I.

Beschränktes Anwendungsfeld im Hinblick auf Prozesskosten . . . . . . . . . . . . . 147

II.

Die Zulässigkeit von Gerichtskosten nach der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

20

Inhaltsverzeichnis III. Der „chilling effect“ im Lichte der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

E. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I. II.

Wille des Gesetzgebers zum JStG 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Wille des Gesetzgebers zum AmtshilfeRLUmsG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Kein Gleichlauf der jeweiligen gesetzgeberischen Zielsetzungen . . . . . . . . 153 2. Gleichlauf der jeweiligen gesetzgeberischen Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . 153 a) Besonderheiten des Gesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Der Wortlaut der Ausnahmetatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 c) Wegfall der Klarstellung zu Scheidungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

III. Auswirkung auf die Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 F. Übrige Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 I.

Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

II.

Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 G. Teleologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 I.

„Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten)“ . . . . . . . 160 1. „Aufwendungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. „Rechtsstreit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Speziell: Scheidungsverfahren als „Rechtsstreit“? . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 aa) Finanzgericht Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3. „Führen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

II.

„Gefährdung der Existenzgrundlage“ und „Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 1. Grundsätzlicher Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Einheitlicher „existenzieller Bereich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Grundrechtliche Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 aa) Grundrechtsrelevanz der Altfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 bb) „Rechtsverfolgungsdimension“ der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . 168 cc) Die „Ausstrahlungswirkung“ der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 dd) „Normalität“ und subjektivrechtlicher Gehalt der Grundrechte . . . . 169 ee) Freiheitsrechtliche Einflüsse auf das Nettoprinzip . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Kriterien im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

Inhaltsverzeichnis

21

a) Verständnis des Grundrechtsbezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 b) Erheblicher Grundrechtsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 c) Ultima-Ratio-Gedanke, Erfolgsaussichten und Missbrauchsabwehr . . . 172 III. Fazit der teleologischen Auslegung und Gesamtfazit zum Verständnis der Norm 174

Kapitel 7

Abziehbarkeit nach Fallgruppen – „Rechtsetzung“ 175

A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 I.

Die Auswirkung des „chilling effect“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

II.

Belastungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

III. Gerichtliche Verfahren – noch außergewöhnlich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 IV. Die „Verlierersituation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 V.

Kostentragung aufgrund eines Vergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

VI. Vermögenslosigkeit des Gegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 VII. Ausschluss bei vertraglichen Streitigkeiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 B. Streitigkeiten aus dem Bereich des Zivilrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 I.

Typischerweise rein vermögensrechtliche Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 1. Erbrechtliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Reise-, kauf- und werkvertragliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3. Nachbarschaftsstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 4. Streitigkeiten wegen Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüchen . . . 185

II.

Verfahren, aus denen tendenziell abziehbare Kosten erwachsen . . . . . . . . . . . 186 1. Streitigkeiten im Bereich des Wohnens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 2. Streitigkeiten um eine Berufsunfähigkeitsversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3. Streitigkeiten im Zusammenhang mit Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 4. Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Meinungs-, Presse-, Kunst- oder Wissenschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 5. Insolvenzrechtliche Auseinandersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

C. Familienrechtliche Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 I.

Allgemeine Auseinandersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

II.

Speziell: Ehescheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 1. Außergewöhnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Zwangsläufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 a) „Unmittelbare und unvermeidbare“ Scheidungskosten . . . . . . . . . . . . . . 201

22

Inhaltsverzeichnis b) Übrige Scheidungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3. Notwendigkeit / Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

D. Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 I.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Außergewöhnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 3. Grundsätzlich erheblicher Grundrechtsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

II.

Kosten bei Unrechtsbegehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Verurteilung zu einer Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB), Absehen von Strafe (§ 60 StGB) 208 3. Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 ff. StGB), insbesondere infolge Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 4. Strafbefehlsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

III. Kosten bei Freispruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 1. Fälle des § 467 Abs. 2, 3 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 2. Fälle freier Honorarvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3. Teilweiser Freispruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 IV. Kosten in sonstigen Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 1. Einstellung nach §§ 153, 153a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 2. Zahlen für einen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 3. Nebenklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 4. Privatklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 5. Auflagen nach § 153a StPO, Geldstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 E. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 I.

Abgabenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 1. Finanzgerichtliche Verfahren in Steuersachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 2. Speziell: verwaltungsgerichtliche Verfahren um kommunale Straßenbeiträge 219

II.

Sonstige Anfechtungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Streitigkeiten wegen polizeirechtlicher Maßnahmen: etwa Wohnungsdurchsuchung oder Versammlungsauflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Streitigkeiten wegen baurechtlicher Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3. Verfassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

III. Leistungs- und Feststellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 1. Leistungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a) Studienplatzklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 b) Streitigkeiten im Asylverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 c) „Hartz-IV-Klage“ und Streitigkeiten wegen vergleichbarer Leistungen . 227

Inhaltsverzeichnis

23

2. Feststellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 a) Streitigkeiten um die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit . . 228 b) Streitigkeiten um die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft . . 228

Kapitel 8

Zusammenfassende Thesen und Schlussbetrachtung 230

A. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 B. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

Abkürzungsverzeichnis Die im Text verwendeten Abkürzungen sind die üblichen. Soweit sie nicht im Folgenden aufgeführt sind, wird verwiesen auf das Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache von Hilde­ bert Kirchner, 9. Auflage, Berlin 2018. Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AEUV BeckOGK Beck’scher Online-Großkommentar BeckOK Beck’scher Online-Kommentar BeckRS Beck online Rechtsprechung bzw. beziehungsweise CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands CSU Christlich-Soziale Union ders. derselbe dies. dieselbe, dieselben DStJG Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft European Case Law Identifier ECLI Einf. Einführung FamFG Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit FAS Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung FDP Freie Demokratische Partei FG Festgabe gem. gemäß ggf. gegebenenfalls GRC Grundrechte-Charta der Europäischen Union Habil. Habilitationsschrift Hervorh. d. Verf. Hervorhebung des Verfassers Handbuch der Grundrechte HGR Hessisches Kommunalabgabengesetz HKAG Hs. Halbsatz HStR Handbuch des Staatsrechts i. S. v. im Sinne von jM juris – Die Monatszeitschrift jurisPR-SteuerR juris PraxisReport Steuerrecht KindEntfÜbk Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung KK Karlsruher Kommentar mit Ausnahme m. Ausn. MediationsG Mediationsgesetz MSKB Maunz / Schmidt-Bleibtreu / K lein / Bethge Münchener Kommentar MüKo

Abkürzungsverzeichnis schw. schwarz sogenannte / r/s sog. ständige Rechtsprechung st.Rspr. StBKongrR Steuerberaterkongressreport Süddeutsche Zeitung SZ u. a. und andere bzw. unter anderem und so weiter usw. vom / von v. Wirtschaft und Statistik WISTA Zeitschrift für Datenschutz-Aktuell ZD-Aktuell

25

Kapitel 1

Einleitung A. Gleichheit der Besteuerung – Ziel und Rechtfertigung der Untersuchung Es ist einer der ältesten steuerlichen Grundsätze, dass der Staat seine Bürger zum Zahlen von Steuern nur nach ihren jeweiligen Fähigkeiten heranzuziehen hat1. Dies meinte der schottische Ökonom Adam Smith, als er in seiner 1776 veröffentlichten Arbeit „Der Wohlstand der Nationen“ das Postulat der Gleichheit der Besteuerung formulierte2. Diese Maxime beansprucht auch im heutigen deutschen Steuerrecht unter dem Grundgesetz Geltung. So verlangt der in Art. 3 Abs. 1 GG enthaltene Grundsatz der Steuergerechtigkeit, dass die Steuerbelastung auf die Steuerpflichtigen unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verteilt wird3. Dies bedeutet unter anderem, dass im Einkommensteuerrecht nicht bereits Roheinnahmen, sondern nur das verfügbare Einkommen der Steuerpflichtigen einen zutreffenden Indikator ihrer steuerlichen Leistungsfähigkeit darstellt4. Das Einkommensteuergesetz trägt dieser Grundregel unter anderem durch verschiedene Abzugstat­bestände5 1

Dazu Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 6 ff. m. w. N. Smith, Der Wohlstand der Nationen, S. 703: „Die Bürger eines jeden Landes sollen eigentlich zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben soweit als möglich im Verhältnis zu ihren Fähigkeiten beisteuern, was bedeutet, dass sich ihr Beitrag nach dem Einkommen richten sollte […]. In der Be- oder Mißachtung dieser Grundregel besteht das, was Gleichheit oder Ungleichheit in der Besteuerung genannt wird“. Ganz klar meint „Gleichheit“ hier also nicht das Prinzip der Kopfsteuer, nach der ärmere und reichere Menschen stets die gleiche absolute Steuer zahlen müssen, siehe dazu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, S. 473 ff. m. w. N. 3 BVerfG v. 9.12.2008 – 25 BvL 1/07 u. a., BVerfGE 122, 210, 230 ff.; v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 30 ff.; v. 29.5.1990  – 1 BvL 20/86 u. a., BVerfGE 82, 60, 86 f.; v. 3.11.1982 – 1 BvR 620/78 u. a., BVerfGE 61, 319, 343; v. 24.6.1958 – 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51, 68 f. vgl. zu entsprechenden verfassungsrechtlichen Vorgaben auch Müller-Franken, in: GS Trzaskalik, S. 195, 202 ff.; grundlegend Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 115 ff. 4 Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 70 ff. m. w. N.; so ist spätestens seit BVerfG v. 29.5.1990 – 1 BvL 20/84 u. a., BVerfGE 82, 60, 85 die Steuerfreiheit des Existenzminimums anzuerkennen. 5 Dies meint etwa die Abzugstatbestände für Betriebsausgaben und Werbungskosten (§ 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 EStG) oder auch für bestimmte private Aufwendungen wie die Sonderausgaben (§§ 10 ff. EStG), siehe zum Ganzen überblicksartig Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 42.

2

28

Kap. 1: Einleitung

Rechnung, so auch durch die hier besonders interessierende Abziehbarkeit von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG6. Der Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung kann aber auch den Nichtabzug von Aufwendungen verlangen. Dafür hat Albert Hensel den Begriff der „Nachbargleichheit“ geprägt7. Danach erwartet der eine Steuerzahler zu Recht, dass er nicht auch die Steuern zahlen muss, die deshalb ausbleiben, weil ein anderer Steuerzahler bestimmte Aufwendungen unberechtigterweise von seiner Bemessungsgrundlage abgezogen hat8. Vor diesem zunächst klassisch-dogmatischen Hintergrund erklärt sich der Titel dieser Arbeit. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht zu klären, inwieweit Rechtsverfolgungskosten9 die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindern und als Abzugsposten in der Einkommensteuer anzuerkennen sind. Dass diese Frage vor allem für den Aspekt der gerichtlichen Rechtsverfolgungskosten von hoher Praxisrelevanz ist, verdeutlicht die Anzahl der jährlich neu eingeleiteten erstinstanzlichen Verfahren in den verschiedenen Gerichtsbarkeiten in Deutschland. So hatte die deutsche Justiz im Jahre 2018 allein 3.449.930 neue Verfahrenseingänge zu bearbeiten10. In diesen Verfahren hat die unterliegende Partei regelmäßig die Kosten zu tragen (vgl. für den Zivilprozess etwa § 91 Abs. 1 ZPO)11. Da diese mitunter nicht unerheblich sind, versuchen die Betroffenen es häufig auf unterschiedlichen Wegen, die Belastungen zu minimieren. Nicht selten sehen sie hierfür im „Absetzen“ bei der Steuer ein verheißungsvolles Mittel. Die Frage, nach welchen Maßstäben dies nun aber möglich ist, stellt sich besonders für den Bereich privat veranlasster Aufwendungen12. Sie erfuhr zu Beginn dieser Dekade besondere Aufmerksamkeit, nachdem der Bundesfinanzhof im Jahre 2011 seine Rechtsprechung zur Abziehbarkeit privater Zivilprozesskosten um 180 6

Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 718; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 1. Dazu Hensel, in: FG Zitelmann, S. 217, 220 f.; ebenso Isensee, Die typisierende Verwaltung, S. 127 f. 8 Seer, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 1 Rn. 9; Hensel, Steuerrecht, S. 47 drückt dies auch wie folgt aus: „Praktische Auswirkungen könnte Art. 134 [WRV] namentlich dahin zeitigen, daß keine Ausnahmen von dem Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung gemacht werden dürfen, daß insbesondere keine (echten) Steuerprivilegien vorhanden sein dürfen […]“. 9 Zu den einzelnen Begriffen wie „Prozesskosten“, „Rechtsverfolgungskosten“, „Rechtsverfolgungsaufwand“ und „Kosten zur Verteidigung subjektiver Rechte“ siehe unten sub Kap. 2 B. 10 Die Zahl bezieht sich auf zivil-, straf-, verwaltungs-, finanz-, arbeits- und sozialgerichtliche Verfahren. Darüber hinaus hatten die Staatsanwaltschaften im Jahr 2018 4.915.272 Neuzugänge zu verbuchen, Quelle: Statistisches Bundesamt, https://www.destatis.de/DE/Themen/ Staat/Justiz-Rechtspflege/Tabellen/gerichtsverfahren.html (zuletzt abgerufen am 23.12.2019). 11 Vgl. zu den teilweise sehr unterschiedlichen Regelungen zur Kostentragung der übrigen Gerichtsbarkeiten etwa § 154 f. VwGO, § 135 FGO, §§ 465 ff. StPO, § 12a ArbGG, §§ 183 ff. SGG. 12 So sind nicht privat veranlasste Aufwendungen der Rechtsverfolgung grundsätzlich nach § 4 Abs. 4 EStG bzw. § 9 Abs. 1 EStG unproblematisch abziehbar. Siehe dazu sogleich sub Kap. 1 C. 7

B. Relevanz der Thematik jenseits des Steuerrechts

29

Grad gedreht hatte: Während das oberste deutsche Gericht für Steuern und Zölle bis dato einen Abzug derartiger Kosten nach § 33 EStG fast ausnahmslos abgelehnt hatte13, hat es dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis mit einem Urteil aus dem Jahre 2011 gänzlich geändert14. Das Gericht gestand den Steuerpflichtigen einen nahezu uneingeschränkten Abzug von Zivilprozesskosten zu, den es vor allem mit verfassungsrechtlichen Überlegungen zum staatlichen Justiz- und Gewaltmonopol begründete15. Diese Entscheidung wurde in der Literatur heftig diskutiert und beschäftigte ebenso die Instanzrechtsprechung. Das Bundesministerium der Finanzen reagierte mit einem sogenannten Nichtanwendungserlass, auf welchen hin ab dem Veranlagungszeitraum 2013 schließlich mit § 33 Abs. 2 S. 4 EStG eine Spezialvorschrift für „Prozesskosten“ in das EStG implementiert worden ist. Im Zuge dieser Entwicklungen ist eine Vielzahl an Fragen aufgeworfen worden, die es zu beleuchten gilt – etwa zum staatlichen Gewaltmonopol, zu einem möglichen Abschreckungseffekt des Kostenrisikos auf die Rechtsverfolgung, zum steuerfrei zu stellenden Existenzminimum oder auch zu europa- und konventionsrechtlichen Vorgaben. Diese Aspekte rechtfertigen neben der hohen praktischen Bedeutung der Problematik eines steuerlichen Abzugs die wissenschaftliche Untersuchung der Materie. Es ist zu klären, was der Gleichheitssatz erheischt: eine Abziehbarkeit von Rechtsverfolgungskosten in genereller Hinsicht bzw. in Bezug auf bestimmte Arten von Kosten je nach Konstellation oder aber mit Blick auf die „Nachbargleichheit“ einen weitestgehenden Ausschluss des Abzugs derartiger Aufwendungen.

B. Relevanz der Thematik jenseits des Steuerrechts I. (Prozess-)Kostentragung – Sache des Staates oder des Einzelnen? Die Frage des Einkommensteuerrechts, die im Rahmen dieser Arbeit zu beantworten ist, steht in einem größeren Zusammenhang. So setzt das Problem der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Rechtsverfolgungskosten zunächst voraus, dass derartige Kosten einem Steuerpflichtigen auch entstehen  – denn sonst gäbe es denklogisch nichts abzuziehen. Damit taucht die Vorfrage auf, ob der Staat oder der Einzelne diese Kosten trägt, bzw. ob er sie (auch) tragen sollte. Was den diesbezüglichen Status quo angeht, so verlangt der Staat seinen Bürgern in der Tat Eigeninitiative ab, wenn diese ihre Rechte durchsetzen wollen. Das heißt hier vor allem Beteiligung an der „Kostenstelle Justiz“ durch das Zahlen von

13

St.Rspr. seit BFH v. 22.8.1958 – VI 148/57 U, BStBl. III 1958, 419 f. BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015. 15 BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015. 14

30

Kap. 1: Einleitung

Gerichtskosten, § 1 Abs. 1 S. 1 GKG16. Auch die Kosten anwaltlicher Beratung und Vertretung, welche den Gang zu Gericht und das Durchsetzen von Rechten häufig überhaupt erst ermöglichen, sind regelmäßig vom Einzelnen selbst zu tragen17. Die Bewältigung des finanziellen Aufwands seiner Rechtsverfolgung ist daher zu einem großen Teil vor allem Sache des Betroffenen. Zu sehen ist aber auch die zu Beginn der Einleitung angesprochene verfassungsrechtliche Bedeutung des Justizgewähranspruchs: Der Rechtsstaat über­antwortet die Rechtsverfolgung nicht subjektiver Beliebigkeit, sondern schränkt sie jedenfalls insoweit ein, als er es den Bürgern verbietet, gegenseitig Gewalt anzuwenden18. Dabei bleibt es nicht bei diesem Verbot, sondern das Gewaltmonopol des Staates macht es als kompensatorische Maßnahme nötig, ein effektives Gerichtssystem für die Bürger vorzuhalten, damit diese im Bedarfsfalle ihre Rechte friedlich mit staatlicher Hilfe durchsetzen können19. Dies hat seinen Preis: Das gesamte Justizwesen verursacht „rechtsstaatliche Infrastrukturkosten“20, welche – neben den oben erwähnten Gerichtskosten – in weitem Umfang durch allgemeine Steuermittel gedeckt werden. Wenn etwa im Land Hessen für das Jahr 2016 der durch allgemeine Haushaltsmittel zu tragende Anteil an den Gesamtkosten der ordentlichen Gerichtsbarkeit 46,38 Prozent betrug21, so lässt sich sagen, dass die Finanzierung von Rechtsverfolgung vor Gericht ganz erheblich auch Sache des Staates ist. Es kann aufgrund der Höhe des Gesamtaufkommens der Kosten also nur um ein Mischsystem gehen, in welchem dem Staat ein hoher Anteil an den Kosten zugewiesen ist.

16

Dazu auch unten sub Kap. 6 B. I. 2. Unterstützend kann dabei freilich das Instrument der Beratungs- und Prozesskostenhilfe (§§ 1 ff. BerHG, §§ 114 ff. ZPO) Wirkung entfalten, dazu auch unten sub Kap. 6 B. II. 3. b). 18 Herzog, in: HStR IV, § 72 Rn. 40. 19 BVerfG v. 11.6.1980 – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277, 291; Papier, in: HStR VIII, § 176 Rn. 1; Herzog, in: HStR IV, § 72 Rn. 42. 20 Wischmeyer, Die Kosten der Freiheit, S. 11. 21 Vgl. hierzu den Haushaltsplan 2018/2019 des Landes Hessen, Einzelplan 05 – Hessisches Ministerium der Justiz, Kapitel 05 04, S. 90 ff: https://finanzen.hessen.de/sites/default/files/ media/hmdf/einzelplan_05_-_hessisches_ministerium_der_justiz.pdf (zuletzt abgerufen am 23.12.2019). Es wurde auf 2016 abgestellt, da für jüngere Jahre bislang nur Haushaltsansätze vorliegen. In jenem Jahr 2016 betrugen die Gesamtausgaben im Bereich der hessischen ordentlichen Gerichtsbarkeit 706.025.100 Euro (733.568.600 Euro Ausgaben ./. 27.543.500 Euro sonstiger Verrechnungen), vgl. S. 130 des Haushaltsplans. Diesen standen Gesamteinnahmen in Höhe von 378.558.860 Euro (Addition der Beträge der Titel 111, 112, 119, 124, 132) gegenüber, vgl. S. 126 des Haushaltsplans. Der restliche Betrag in Höhe von 327.466.240 Euro (706.025.100 Euro ./. 378.558.860 Euro) musste also aus allgemeinen Haushaltsmitteln bestritten werden. Dies entspricht 46,38 Prozent der Gesamtkosten. Die Haushaltsansätze der Jahre 2017, 2018 und 2019 schwanken zwar leicht, liefern jedoch ähnliche Zahlen, vgl. dazu ebenso den zitierten Haushaltsplan. Zum Ganzen auch schon Baumgärtel, JZ 1975, 425, 426: „in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich – zwischen 40 % und 60 %“. 17

B. Relevanz der Thematik jenseits des Steuerrechts

31

II. Aktualität des Themas „Kosten des Rechtsstaats“ Diese erheblichen rechtsstaatlichen Kosten sind ein aktuelles Problem für die öffentlichen Haushalte insgesamt. Dies verdeutlichen einige Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit, die ein breites Interesse der Öffentlichkeit hervorgerufen haben. So endete nach 438 Verhandlungstagen am 11.7.2018 vor dem Oberlandesgericht München das Strafverfahren gegen Beate Zschäpe und andere Mitglieder der terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“22. Zu den Kosten dieses Verfahrens gibt es unterschiedliche Schätzungen. Zurückhaltendere Verlautbarungen gehen von mindestens 27,5 Millionen Euro aus23, andere gar von mindestens 65 Millionen Euro24. Diese Aufwendungen sind vom Staat zu tragen, u. a. auch weil die Verurteilten zu deren Zahlung nicht im Stande sind25. Öffentliches Aufsehen erregte auch der Fall des ehemaligen Bin-Laden-Leibwächters Sami A.  Dieser war nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Münster rechtswidrig nach Tunesien abgeschoben worden und sollte deshalb ursprünglich, so der zuständige Senat, durch staatliche Stellen auf Kosten des Fiskus nach Deutschland zurückgeholt werden26. Diese Geschehnisse fanden zu einer Zeit statt, die von einer Grundsatzdebatte rund um die Themen Migration, Asyl und Abschiebung geprägt war, und bei der sich ganz unterschiedliche Akteure zu Wort meldeten. So kritisierte der CSU-Landesgruppenvorsitzende im Deutschen Bundestag Alexander Dobrindt am 7.5.2018 eine „aggressive Anti-Abschiebe-­ Industrie“, die es den deutschen Behörden erschwere, ausreisepflichtige Menschen außer Landes zu bringen27. Mit dieser Äußerung löste er eine Welle der Empörung aus28, die schließlich auch den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts auf den Plan rief. Andreas Voßkuhle erklärte am 26.7.2018 in einem Zeitungsinterview unter anderem:

22

Dazu Truscheit / Bubrowski, FAZ Nr. 159 v. 12.7.2018, S. 1. Truscheit, FAZ Nr. 237 v. 12.10.2018, S. 4. 24 Van Lijnden, FAZ Nr. 156 v. 9.7.2018, S. 8. 25 Freilich könnten den Verurteilten auch nicht sämtliche tatsächlich entstehende Kosten auferlegt werden, zum Umfang der Kostenpflicht des Verurteilten siehe Grommes, in: MüKo, StPO, § 465 Rn. 6 f. 26 OVG Münster v. 15.8.2018 – 17 B 1029/18, NVwZ 2018, 1493; zum Ganzen auch Haneke, FAZ Nr. 191 v. 18.8.2018, S. 4. Aufgrund der im Nachgang eingeholten diplomatischen Zusicherung Tunesiens, nach der Sami A. keine Folter drohte und die das Gericht für überzeugend hielt, ordnete das VG Gelsenkirchen jedoch die Aufhebung des Abschiebeverbots an, vgl. VG Gelsenkirchen v. 21.11.2018 – 7a L 1947/18.A, BeckRS 2018, 34175; zum anschließenden ebenso zulasten von Sami A. ausgegangenen Verfahren vor dem OVG Münster Burger, FAZ Nr. 136 v. 14.6.2019, S. 7; ders., FAZ Nr. 14 v. 17.1.2019, S. 4. Auch eine gegen die Entscheidung des VG Gelsenkirchen eingereichte Verfassungsbeschwerde hatte vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Erfolg (BVerfG v. 10.4.2019 – 2 BvR 20/19, BeckRS 2019, 8144). 27 Dazu Frasch, FAZ Nr. 106 v. 8.5.2018, S. 2. 28 Hierzu etwa Frasch, FAZ Nr. 168 v. 23.7.2018, S. 4. 23

32

Kap. 1: Einleitung „Wer rechtstaatliche Garantien in Anspruch nimmt, muss sich dafür nicht beschimpfen lassen“29.

Diese aktuellen Beispiele zeigen einmal mehr, dass der Rechtsstaat bestimmte Kosten schlicht selbst zu tragen hat. Dies stellt freilich für das Gemeinwesen insgesamt, das jenseits rechtsstaatlicher Gewährleistungen eine Fülle weiterer Aufgaben zu finanzieren hat, ein Problem für sich dar, dem hier nicht weiter nachgegangen wird30. Für diese Arbeit ist aber jedenfalls die Frage aufgeworfen, ob und unter welchen Voraussetzungen Rechtsverfolgungskosten zu eben jenen Aufwendungen zählen, die „Sache des Staates“ sind. Zwar wird hiernach im Folgenden nicht abstrakt gefragt. Die Untersuchung verhandelt dieses Problem aber insoweit mehr oder weniger verdeckt mit, als sie einen steuerlichen Abzug entsprechender Kosten thematisiert. Insofern wird an den entsprechenden Stellen auf rechtsstaatliche Gewährleistungen zurückzukommen sein, so insbesondere im Zusammenhang mit dem staatlichen Gewaltmonopol und dem Justizgewähranspruch31 ebenso wie unter dem Aspekt des „chilling effect“ des Kostenrisikos auf die Rechtsverfolgung32.

III. Gesellschaftliche Ungleichheit als Herausforderung für die Gleichheit der Bürger bei der Verteidigung ihrer Rechte Der bekannte Fernsehmoderator Günther Jauch hat im Mai 2019 vor der nordrhein-westfälischen Justiz erfolgreich ein Urteil verteidigt33, mit dem er einen Anspruch auf Zahlung von 20.000 Euro gegen einen Zeitschriftenverlag erstritten hatte34. Dieser hatte eine Bildaufnahme des Prominenten unter Verletzung seines Persönlichkeitsrechts als „Klickköder“ verwendet, um damit einen Online-Beitrag für die Leser besonders interessant erscheinen zu lassen. Dass für eine solche Klage nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GKG ein Prozesskostenvorschuss zu zahlen war, hat Günther Jauch hier ganz offenbar nicht davon abgehalten, seine Rechte vor Gericht durchzusetzen. Weniger wohlhabende Menschen35 hingegen werden diese Aspekte in sehr viel stärkerem Maße in ihre Überlegungen einbeziehen, wenn sie vor der Frage stehen, 29

Forudastan / Janisch, SZ v. 26.7.2018, S. 2; dazu auch indirekt Voßkuhle, NJW 2018, 3154, 3156 f. 30 Siehe zur Problematik „verfassungsrechtlicher Entscheidungen“ für den Staatshaushalt etwa Wischmeyer, Die Kosten der Freiheit, S. 1 ff. 31 Dazu unten sub Kap. 6 B. I. 32 Dazu unten sub Kap. 6 B. II. 33 OLG Köln v. 28.5.2019 – 15 U 160/80, AfP 2019, 346. 34 LG Köln v. 25.7.2018 – 28 O 74/18, AfP 2018, 457: Die Ansprüche wurden hier auf Grundlage des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB sowie des § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 22, 23 KunstUrhG zugesprochen. 35 Günther Jauch wird zu diesem Personenkreis nicht gehören, siehe zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen etwa Jansen, FAS Nr. 43 v. 25.10.2015, S. 32; indirekt auch Bingener, FAZ Nr. 179 v. 4.8.2017, S. 4.

B. Relevanz der Thematik jenseits des Steuerrechts

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ob sie ihre Rechte verteidigen sollen. Denn sie können sich das mit Kosten verbundene Durchsetzen ihrer Rechte, vor allem mit Hilfe von Anwälten sowie auf gerichtlichem Wege, weniger leisten als Wohlhabende. Da das Grundgesetz einen Anspruch der Bürger, und zwar aller Bürger, auf Justizgewähr statuiert36, hat die Frage des Zugangs zu Gericht Verfassungsrang. Zum Gleichheitsproblem wird sie nun deshalb, weil in der Gesellschaft eine soziale Ungleichheit besteht, die etwa der letzte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung aus dem Jahre 2017 offen legt37. Man wird sich zwar darüber streiten können, was genau unter „arm“ und „reich“ zu verstehen ist, welche Kriterien hier also angebracht sind, und ob der dem Armutsbericht teilweise zugrundeliegende „relative Armutsbegriff“38 methodisch ein geeignetes Mittel ist, um das Phänomen gesellschaftlicher Ungleichheit zu beschreiben39. Jedenfalls aber lässt sich dem Grunde nach nicht abstreiten, dass die Bürger ungleiche finanzielle Möglichkeiten haben, ein Gericht anzurufen oder einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Aus diesem Grund verpflichtet Art. 3 Abs. 1 GG den Staat dazu, auch weniger finanziell leistungsstarken Menschen einen effektiven Zugang zu Gericht wie zu anwaltlicher Beratung und Vertretung zu ermöglichen40. So sah schon die ursprüngliche Fassung der Zivilprozessordnung das sogenannte „Armenrecht“ vor41, dessen Funktion mittlerweile das Institut der Prozesskostenhilfe übernimmt, §§ 114 ff. ZPO42. Einem Teil der Bürger lässt sich hiermit sicherlich helfen und so das aufgezeigte Gleichheitsproblem ein Stück weit abmildern; gänzlich gelöst ist es damit aber nicht43. Menschen aus dem Bereich der – in öffentlichen Debatten 36

Dazu ausführlich unten sub Kap. 6 B. I. Siehe zum Ganzen Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 5. Armuts- und Reichtumsberich der Bundesregierung, 2017, https://www.armuts-und-reichtumsbericht.de/Shared​ Docs/Downloads/Berichte/5-arb-kurzfassung.pdf?__blob=publicationFile&v=4 (zuletzt abgerufen am 23.12.2019); im Übrigen beschäftigen sich – freilich mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen – viele sozialwissenschaftliche Untersuchungen mit dieser Frage, dazu statt vieler Hradil / Schiener, Ungleichheit in Deutschland; hierzu auch FAZ Nr. 49 v. 27.2.2019, S. 13; differenzierend zu „gerechten und ungerechten Formen der Ungleichheit“ Thüsing, Wie viel Gleichheit ist gerecht? FAZ-Einspruch-Magazin v. 2.1.2019. 38 So stellt der Bericht für die Frage, ab wann ein Bürger gefährdet ist, darauf ab, ob dieser über weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens verfügt, vgl. dazu Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 5. Armuts- und Reichtumsberich der Bundes­regierung, 2017, S. 10 (Nachweis siehe bereits oben). 39 Dagegen kann man den methodischen Einwand vorbringen, dass es mit dieser relativen Definition immer Armut geben würde. Denn selbst für den Fall, dass die Deutschen ein Volk ausschließlich von Millionären und Milliardären wären, käme man zu dem grotesken Ergebnis, dass ein Millionär u. U. als arm gelten müsste. Siehe zu dem Verhältnis von relativer und absoluter Armut in Deutschland auch Creutzburg, FAZ Nr. 223 v. 23.9.2016, S. 19. 40 BVerfG v. 13.3.1990 – 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 356. Auch das Verfassungsgericht geht damit implizit davon aus, dass insoweit eine Ungleichheit in der Gesellschaft besteht. 41 Dazu Bork, in: Stein / Jonas, ZPO, Vor § 114 Rn. 6. 42 Grundlegend neu gefasst durch Gesetz v. 13.6.1980 (BGBl. I, S. 677). 43 Siehe zu diskutierten Defiziten der gegenwärtigen Prozesskostenhilfe Bork, in: Stein / Jonas, ZPO, Vor § 114 Rn. 11. 37

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Kap. 1: Einleitung

mit den Kategorien „arm“ und „reich“ oftmals vergessenen – sog. Mittelschicht erreicht die Prozesskostenhilfe in ihrem Anwendungsbereich regelmäßig nicht. Diese Bürger, die über ein geringes, aber PKH-schädliches Vermögen verfügen, werden es sich in Ansehung des Kostenrisikos mehrmals überlegen, ob sie ihre Rechte wirklich durchsetzen möchten. Auch hier stellt sich das dargelegte Gleichheitsproblem: Die aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Maxime der Chancengleichheit der Rechtsdurchsetzung muss für die gesamte Breite der Gesellschaft gelten. Sie ist ausdrücklich nicht nur das Problem für „ganz unten“. Als ein Baustein zum Erreichen dieses Ziels kommt nun auch das Einkommensteuerrecht in Betracht. Ein steuerlicher Abzug von Rechtsverfolgungskosten kann hier vor allem dazu dienen, den von dem Kostenrisiko ausgehenden Abschreckungseffekt abzumildern44.

C. Begrenzung der Fragestellung Bei der Suche nach Antworten auf die hier im Fokus stehende Frage ist zu sehen, dass das geltende Einkommensteuerrecht hinsichtlich der Abziehbarkeit von Aufwendungen danach unterscheidet, ob die Erwerbs- oder die Privatsphäre angesprochen ist45. So stehen Aufwendungen für Zwecke der Rechtsverfolgung zwei denkbare Möglichkeiten eines Abzugs offen. In Betracht kommt ihr Abzug als Werbungskosten und Betriebsausgaben (§ 9 Abs. 1, § 4 Abs. 4 EStG), soweit die Kosten der steuerbaren Sphäre zuzuordnen sind46. Sind die Aufwendungen hingegen im privaten Bereich zu verorten, so verengt sich der in Betracht kommende Abzugskorridor auf die Kategorie der außergewöhnlichen Belastungen des § 33 EStG. Denn nach § 12 Hs. 1 EStG ist ein Abzug privater Aufwendungen nur dann zulässig, wenn dies, wie bei § 33 EStG, gesetzlich ausdrücklich bestimmt ist. Insbesondere ist auch ein nach § 33 Abs. 2 S. 2 EStG vorrangiger Sonderausgabenabzug auszuschließen – Rechtsverfolgungskosten sind von den abschließend zu verstehenden47 Aufzählungen der §§ 10 ff. EStG nicht erfasst. Wie der Untertitel der Arbeit erkennen lässt, werden Rechtsverfolgungskosten nachfolgend ausschließlich auf ihre Abziehbarkeit im privaten Bereich, d. h. auf ihre Verortung im Bereich des § 33 EStG hin untersucht. Demgegenüber wird entsprechenden Kosten im Kontext der Erwerbssphäre nicht weiter nachgegangen. Denn diese sind nach § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 EStG – anders als nach § 33 EStG – ohne grundsätzliche rechtliche Schwierigkeiten abziehbar48. 44

Siehe dazu unten sub Kap. 6 B. II. Dazu schon Söhn, DStJG 3 (1980), S. 13 ff. 46 Söhn, DStJG 3 (1980), S. 13, 19 spricht von einer „Hilfsgröße“ zur Feststellung der objektiven Leistungsfähigkeit; zum Verhältnis der Begriffe „Betriebsausgaben“ und „Werbungskosten“ auch ders., a. a. O., S. 31. 47 Krüger, in: Schmidt, EStG, § 10 Rn. 1. 48 Siehe zu Einzelfällen Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 4 Rn. 520 Stichwort „Prozess / ​ Rechtsverfolgung“; Bode, in: Kirchhof, EStG, § 4 Rn. 257 Stichwort „Rechtsverfolgungskosten“. 45

D. Gang der Untersuchung

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Die einzige Herausforderung besteht insoweit darin, private von beruflichen49 Kosten abzugrenzen sowie „gemischte Aufwendungen“50 zu identifizieren und zu würdigen51.

D. Gang der Untersuchung Damit die Frage eines Abzugs von Kosten der Rechtsverfolgung als außergewöhnliche Belastung de lege lata beantwortet werden kann, gilt es im folgenden Kapitel 2 zunächst, den fraglichen Abzugstatbestand des § 33 EStG in seinen verfassungsrechtlichen Grundlagen, seiner systematischen Einordnung wie auch hinsichtlich seiner Tatbestandsmerkmale vorzustellen; nachfolgend wird der Begriff des Rechtsverfolgungsaufwands als potenzieller Abzugsgegenstand beleuchtet und der Frage nachgegangen, was darunter zu fassen ist. Schließlich werden die Maßstäbe der Abgrenzung des privaten vom beruflichen Rechtsverfolgungs­aufwand erläutert. Das Kapitel 3 widmet sich der Frage des Abzugs von Rechtsverfolgungskosten in der Praxis. Es stellt zunächst die Judikatur des Bundesfinanzhofs zu verschiedenen Arten von Prozesskosten bis in das Jahr 2011 dar. Dem schließt sich die Präsentation der Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu Zivilprozesskosten aus dem Jahre 2011 wie auch diejenige der verschiedenen Reaktionen auf dieses Urteil an. Insbesondere wird die Gesetzgebungsgeschichte der nunmehr in § 33 Abs. 2 S. 4 EStG eingefügten Spezialregelung für Prozesskosten vorgestellt. Das darauffolgende Kapitel 4 stellt den Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur zum Verständnis dieser neuen Vorschrift dar. Um jedoch den „richtigen“ Norminhalt zu bestimmen und damit die übergeordnete Frage der Abziehbarkeit von Kosten der Rechtsverfolgung nach geltendem Recht beantworten zu können, ist in Kapitel 5 ein „Schritt zurück“ zu gehen. Dieser Abschnitt beschäftigt sich deshalb mit den methodischen Grundlagen der Gesetzesauslegung. Das Kapitel 6 ergründet anhand der in dieser Arbeit dargelegten Auslegungskriterien das zutreffende Verständnis des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG. Dabei wird nach einer einführenden Beschäftigung mit dem Wortlaut der Norm insbesondere auf das staatliche Justiz- und Gewaltmonopol, den Justizgewähranspruch sowie den Abschreckungseffekt („chilling effect“) des Kostenrisikos der Rechtsverfolgung auf die Beschreitung des Rechtswegs und sich hieraus ergebende Auswirkungen 49 „Berufliche“ Kosten meint im Folgenden immer auch diejenigen Aufwendungen, die durch die Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 S. 1 Nrn. 5–7 EStG veranlasst sind und damit der Erwerbssphäre zuzuordnen sind. 50 Dazu schon Söhn, DStJG 3 (1980), S. 13, 32 ff. 51 Siehe dazu unten sub Kap. 2 C.

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Kap. 1: Einleitung

auf die untersuchte steuerliche Frage eingegangen. Es ist auch danach zu fragen, ob Prozesskosten dem zwingend freizustellenden Existenzminimum zuzuordnen sind und ob die gesetzliche Neuregelung im Hinblick auf den Gewaltenteilungsund Bestimmtheitsgrundsatz durchgreifenden Bedenken begegnet. Die Frage, ob sich das Unions- und Konventionsrecht auf die hier gestellte steuerrechtliche Frage auswirken, ist ebenso zu beantworten. Schließlich legt das Kapitel den Fokus auf entstehungsgeschichtliche, weitere systematische und teleologische Aspekte der Norm des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG und kommt auf dieser Grundlage zu einem Verständnis ihres Gehalts. Das anschließende Kapitel 7 knüpft daran an und stellt fallgruppenartig die Abziehbarkeit von Aufwendungen der Rechtsverfolgung vor. Die Ausführungen widmen sich dieser Frage am Beispiel der gerichtlichen Prozesskosten. Dabei ist vor allem nach inhaltlichen Gesichtspunkten der Rechtsverfolgung zu differenzieren, um auf diese Weise eine Bereichseingrenzung vorzunehmen, innerhalb derer entsprechende Kosten nach § 33 EStG abziehbar sein können. Damit wird zugleich die Frage nach der Gleichheit der Besteuerung beantwortet. Wie oben erwähnt, kann sowohl der Abzug als auch der Nichtabzug von der Gleichheit der Besteuerung geboten sein; die verschiedenen Konstellationen werden also der einen oder anderen Seite ein und derselben Medaille zugeordnet. Diese Darstellung konzentriert sich auf eine Reihe exemplarischer Fallkonstellationen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das abschließende Kapitel 8 versammelt die zusammenfassenden Thesen der Arbeit und enthält eine kurze Schlussbetrachtung.

Kapitel 2

Abzugstatbestand und Abzugsgegenstand A. Einkommensteuer und außergewöhnliche Belastungen I. Einkommensteuer und Leistungsfähigkeitsprinzip Der Staat des Grundgesetzes ist vor die Frage gestellt, wie er seinen Finanzbedarf decken kann1. Er macht dies, indem er nicht selbst als „Unternehmer“ auftritt und damit Erträge zu erwirtschaften versucht, sondern dieses Feld den Bürgern überlässt und von diesen anschließend Steuern – und zwar grundsätzlich vor anderen Abgabeformen2 – erhebt3. Die Rede ist insoweit von der „Steuerstaatlichkeit“4. Dabei muss der Staat die Besteuerung im Einzelnen ausgestalten5. Vergegenwärtigt man sich, dass die Einkommensteuer neben der Umsatzsteuer die ergiebigste Steuer für den Fiskus ist6, hat dies erhebliche Auswirkungen. Zwar ist dem Gesetzgeber in dieser Frage ein gewisser Entscheidungsspielraum zuzubilligen7. Das Grundgesetz verbietet es aber, die steuerlichen Lasten nach freiem Ermessen oder willkürlich zu verteilen8, und hält dazu an, bezüglich der Erhebung der Einkommensteuer als solcher wie auch hinsichtlich ihrer Ausgestaltung im Einzelnen verfassungsrechtliche Prinzipien und Grenzen zu beachten9. Diesbezüglich kommt 1

Dazu Waldhoff, in: HStR V, § 116 Rn. 7. BVerfG v. 8.6.1988 – 2 BvL 9/85 u. a., BVerfGE 78, 249, 266 f.: „[Der Finanzverfassung] liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Finanzierung der staatlichen Aufgaben in Bund und Ländern einschließlich der Gemeinden grundsätzlich aus dem Ertrag der in Art. 105 ff. GG geregelten Einnahmequellen erfolgt, (Prinzip des Steuerstaates […]).“; siehe zu anderen Abgabeformen etwa P. Kirchhof, HStR V, § 119 Rn. 1 ff.; Trzaskalik, StuW 1992, 135 ff. 3 P. Kirchhof, in: HStR V, § 118 Rn. 1; dazu auch Isensee, in: FS Ipsen, S. 409, 416 f. 4 Dazu grundlegend Isensee, FS Ipsen, S. 409 ff.; siehe auch Waldhoff, HStR V, § 116 Rn. 5; P. Kirchhof, HStR V, § 118 Rn. 1 ff. 5 Dazu Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 94 ff. m. w. N. 6 Die Lohnsteuer belief sich mit der veranlagten Einkommensteuer zusammen im Jahr 2018 auf circa 268,6 Mrd. Euro. Die Gesamtsteuereinnahmen im Jahr 2018 betrugen demgegenüber insgesamt circa 776,3 Mrd. Euro. Quelle: Statistisches Bundesamt, Finanzen und Steuern, Steuerhaushalt 2018, Fachserie 14 Reihe 4, S. 10 (https://www.destatis.de/DE/Themen/ Staat/Steuern/Steuereinnahmen/Publikationen/Downloads-Steuerhaushalt/steuerhaushaltjahr-2140400187004.pdf?__blob=publicationFile, zuletzt abgerufen am 23.12.2019). 7 Etwa BVerfG v. 5.2.2002 – 2 BvR 348/93, BVerfGE 105, 17, 46; Müller-Franken, in: GS Trzaskalik, S. 195, 214 m. w. N. 8 Zu rechtsstaatlichen Vorgaben Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 230 ff. 9 Dazu Müller-Franken, in: GS Trzaskalik, S. 195, 202 ff.; Trzaskalik, StuW 1992, 135, 139. 2

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Kap. 2: Abzugstatbestand und Abzugsgegenstand

insbesondere10 dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zentrale Bedeutung zu11. Dieser verlangt generell die Gleichbehandlung von wesentlich Gleichem und die Ungleichbehandlung von wesentlich Ungleichem12. Im Steuerrecht konkretisiert sich dieses verfassungsrechtliche Postulat durch die Besteuerung nach der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit13. Soll diese grundgesetzliche Maxime umgesetzt werden, stellt sich jedoch die Vorfrage, wie die „individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ im Sinne der Einkommensteuer zu verstehen ist. Dies ist letztlich die Frage nach ihrer Bemessungsgrundlage14. Eine Antwort hierauf hat der Gesetzgeber in § 2 Abs. 5 S. 1 EStG gegeben. Dort heißt es: „Das Einkommen, vermindert um […], ist das zu versteuernde Einkommen; dieses ist die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer.“

Diese Größe des „zu versteuernden Einkommens“ ermittelt sich anhand leistungsfähigkeitsgestützter Kriterien15. So berücksichtigt § 2 EStG in seinen Absätzen 1 bis 4 den Grundsatz der Besteuerung nach der objektiven und subjektiven Leistungsfähigkeit, der auch mit dem Begriff des „Nettoprinzips“ operabel gemacht wird16. Dabei handelt es um ein Subprinzip des Gebots der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit17. Die Kernaussage besteht darin, dass der staatliche Zugriff auf den Hinzuerwerb beim Steuerpflichtigen nicht grenzenlos ist, sondern sich auf den für den Steuerpflichtigen verfügbaren Teil seines Einkommens zu beschränken hat18.

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Zu den (nicht sehr hohen) freiheitsrechtlichen Hürden Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 180 ff.; F. Kirchhof, BB 2017, 662, 665. 11 BVerfG v. 7.7.2010  – 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1, 27; v. 10.3.1998 – 1 BvR 178/97, BVerfGE 97, 332, 346; v. 29.5.1990 – 1 BvL 20/86 u. a., BVerfGE 82, 60, 86; Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 110 ff. m. w. N.; grundlegend dazu auch P. Kirchhof, StuW 2017, 3, 5 ff.; ebenso auch Arndt, in: FS Mühl, S. 17 ff. 12 Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, Rn. 171; Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO, § 4 Rn. 434. 13 BVerfG v. 22.6.1995  – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 135; v. 29.5.1990  – 1 BvL 20,26,184,4/86, BVerfGE 82, 60, 86; v. 3.11.1982 – 1 BvR 620/78, BVerfGE 61, 319, 343; Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 40 ff. m. w. N.; Müller-Franken, in: GS Trzaskalik, S. 195, 203 ff.; ders., StuW 1997, 3, 14; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 169 ff.; grundlegend zum Prinzip der Leistungsfähigkeit im Steuerrecht P. Kirchhof, StuW 1985, 319 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, S. 479 ff.; mit historischen Bezügen Hahn, StuW 2004, 167 ff. 14 Zum Ganzen Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer. 15 Müller-Franken, StuW 1997, 3, 16 insoweit zum Leistungsfähigkeitsprinzip und seiner Aufgabe als „zutreffende Konstruktion der Bemessungsgrundlage“. 16 Zu den unterschiedlichen Begrifflichkeiten Söhn, FinArch 46 (1988), S. 154, 156. 17 Dazu auch Müller-Franken, StuW 1997, 3, 16 f. 18 Hey, in Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 42; Geserich, DStR 2013, 1861; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 34 f.; dazu auch Müller-Franken, StuW 1997, 3, 16 f.

A. Einkommensteuer und außergewöhnliche Belastungen

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II. Das Nettoprinzip im Einkommensteuerrecht 1. Das objektive Nettoprinzip So hat der Steuerpflichtige nach dem objektiven Nettoprinzip nicht Roheinnahmen der Einkommensteuer zu unterwerfen, sondern darf hiervon diejenigen Kosten abziehen, die er in Bezug auf seine Erwerbseinnahmen getätigt hat19. Absetzbar sind also Aufwendungen, die der Steuerpflichtige zu erwerbssichernden Zwecken erbringt20. Diese bezeichnet das Gesetz als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) und Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG). Anders formuliert liefert das objektive Nettoprinzip das schlüssige Ergebnis, dass derjenige, der steuerpflichtige Einnahmen verbucht, auch die korrespondierenden Ausgaben geltend machen kann21. Die objektive Leistungsfähigkeit eines Unternehmers ergibt sich demnach nicht schon aus der Höhe seiner Umsätze. Einem Händler z. B. verbleibt bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Höhe seiner Umsätze abzüglich der Einkaufspreise der von ihm zum Weiterverkauf erworbenen Waren. Erst diese Differenz von Rohein­ nahmen und erwerbssichernden Aufwendungen macht ihn leistungsfähig im Sinne des objektiven Nettoprinzips22. Gewichtige Stimmen in der Literatur leiten das objektive Nettoprinzip unmittelbar aus der Verfassung ab23. Das Bundesverfassungsgericht ist demgegenüber der Ansicht, dass es sich bei diesem Prinzip lediglich um eine Grundentscheidung des Gesetzgebers handelt, welche diesen unter dem Aspekt des Folgerichtigkeitsgebots, das aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleiten sei, verfassungsrechtlich bindet24. Auch wenn diesem Streit im Rahmen der vorliegenden Arbeit keine besondere Bedeutung zukommt, soll knapp Stellung hierzu genommen werden: Gegen die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts spricht entscheidend, dass mit diesem auf dem Folgerichtigkeitsgebot basierenden Argument es eine denkbare und absurde Folge zugleich wäre, dass „der Gesetzgeber die Pflicht zur Abzugsmöglichkeit beseitigen [kann], indem er alle Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzüge

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Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 42; Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, Rn. 175; Müller-Franken, StuW 1997, 3, 16. 20 Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 54; Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, Rn. 608; Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG, § 2 Rn. 10. 21 Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 54; zu Durchbrechungen des objektiven Nettoprinzips Schirmer, SteuerStud 2012, 139 ff.; Fritz, SteuerStud 2009, 569 ff.; Birk / Desens / ​ Tappe, Steuerrecht, Rn. 615 ff. m.w.N; zu den Voraussetzungen einer Abweichung vom objektiven Nettoprinzip Müller-Franken, StuW 1997, 3, 17. 22 Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, Rn. 609; Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 42. 23 Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 55; Lehner, DStR 2009, 185, 189; Frye, FR 2010, 603, 607; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 318; Söhn, FinArch 46 (1988), S. 155, 156; a. A. wohl F. Kirchhof, BB 2017, 662, 667. 24 BVerfG v. 6.7.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, 280; v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07 u. a., BVerfGE 122, 210, 234 f.; v. 11.11.1998 – 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, 290.

40

Kap. 2: Abzugstatbestand und Abzugsgegenstand

streicht“25. Das objektive Nettoprinzip folgt damit richtigerweise unmittelbar aus dem Grundgesetz. 2. Das subjektive Nettoprinzip Der hier interessierende Abzugstatbestand der außergewöhnlichen Belastung dient der Verwirklichung des sogenannten subjektiven Nettoprinzips26. Aus diesem Grund ist es für die vorliegende Arbeit von besonderem Interesse. Es finden sich zu diesem steuerlichen Grundsatz – vor allem mit Blick auf das Existenzminimum – unterschiedliche Definitionsansätze27. Will man diese auf einen gemeinsamen Nenner bringen, kann gesagt werden, dass das subjektive Nettoprinzip die Berücksichtigung solcher privater Aufwendungen gebietet, die einem Steuerpflichtigen insoweit zwangsläufig und indisponibel entstehen, als er sie jedenfalls zum Sichern seiner eigenen Existenz und der seiner Familie benötigt28. Hinsichtlich des Existenzminimums verpflichtet es den Gesetzgeber – nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts folgt dies vor allem aus der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) –, das persönliche Existenzminimum von der Besteuerung freizustellen29. Diesem verfassungsrechtlichen Erfordernis trägt der Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG mit 9.168,00 Euro für das Jahr 2019 und 9.408,00 Euro für das Jahr 2020 Rechnung30. Im Zusammenspiel mit Art. 6 Abs. 1 GG gebietet das subjektive Nettoprinzip es darüber hinaus, das Existenzminimum der Familie freizustellen31. Auch dieser Verpflichtung ist der Gesetzgeber etwa durch den sogenannten Familienleistungsausgleich32 in § 31 S. 1 EStG nachgekommen33. 25

Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 317 f. Vgl. zu § 33 EStG und seinem Bezug zum subjektiven Nettoprinzip nachfolgend sub Kap. 2 A. III. 27 Siehe dazu schon Wernsmann, StuW 1998, 317, 322 m. w. N. 28 Mit dieser Formulierung können sicherlich alle Vertreter leben; siehe dazu etwa Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 42; Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, Rn. 176; Söhn, StuW, 1985, 395, 400; ders., FinArch 46 (1988), S. 154, 156; kritisch zum Ganzen Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums, S. 115 ff. 29 BVerfG v. 26.1.1994 – 1 BvL 12/86, BVerfGE 89, 346, 352; v. 25.9.1992 – 2 BvL 5/91, BVerfGE 87, 153, 169; v. 29.5.1990 – 1 BvL 20/86 u. a., BVerfGE 82, 60, 85; ausführlich zu diesen Urteilen Söhn, FinArch 51 (1994), S. 372 ff. 30 Zuletzt geändert durch das FamEntlastG v. 29.11.2018 (BGBl. I, S. 2210). Grundlage dafür war der 12. Existenzminimumsbericht der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/5400, S. 9. 31 BVerfG v. 13.2.2008 – 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125, 154; v. 11.1.2005 – 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164, 175; v. 10.11.1998 – 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, 259 f.; v. 29.5.1990 – 1 BvL 20/86 u. a., BVerfGE 82, 60, 85 f. 32 Vgl. zum früheren „Familienlastenausgleich“ Renner, Familienlastenausgleich, S. 102; kritisch zum Begriff des „Familienlastenausgleichs“ P. Kirchhof, in: Essener Gespräche 21 (1986), S. 117, 122. 33 Dazu Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 91 ff.; Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, Rn. 1115; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 31 Rn. 1 ff. 26

A. Einkommensteuer und außergewöhnliche Belastungen

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Inwieweit das subjektive Nettoprinzip auch Gewährleistungen enthält, die über das Existenzminimum hinausgehen, ist nach wie vor nicht abschließend diskutiert. Johanna Hey nennt dies die „offene Flanke des subjektiven Nettoprinzips“34. So erklärt sich auch die – bereits angedeutete – Unterschiedlichkeit der Definitionsbemühungen, die in diesem Zusammenhang von „existenznotwendigen privaten Ausgaben“35, vom „disponiblen“36 Einkommen oder auch von „unvermeidbaren (zwangsläufigen, indisponiblen) Aufwendungen“37 sprechen. Dass aber auch Aufwendungen die subjektive Leistungsfähigkeit mindern können, die über das Existenzminimum hinausgehen, zeigt etwa § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG durch die grundsätzlich mögliche Abziehbarkeit der Unterhaltszahlungen an den geschiedenen Ehegatten38. Auch das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht, dass die Gewährleistungen des Grundgesetzes hier weitreichender sein können, deren Grenzen aber nicht konkret aufgezeigt39. Festzuhalten ist jedenfalls, dass die Diskussion um Reichweite und Grenzen des subjektiven Nettoprinzips nach wie vor in Gang ist40. Dies erklärt sich zum einen daraus, dass dieser steuerliche Grundsatz nicht seit jeher (an-)erkannt ist41. Generell geriet das Bewusstsein für die Notwendigkeit privater Abzüge erst ab den 1970er Jahren in den Fokus steuerfachlicher Diskussionen42. Erst dadurch kam zu 34

Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 80 (Fußnote). Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, Rn. 176: „existenzsichernde Aufwendungen“; Weber-​ Grellet, in: Schmidt, EStG, § 2 Rn. 11: „Steuerfreiheit des Existenzminimums“. 36 Birk, DStZ 1998, 74, 75; Seer, StuW 1996, 323, 332; Lang, StuW 1983, 103, 106. 37 Söhn, StuW 1990, 356, 358; ders., StuW 1985, 395, 400. 38 Zur Norm und Höchstbeträgen Krüger, in: Schmidt, EStG, § 10 Rn. 130 ff.; darüber hinaus vertreten einige Stimmen in der Literatur anhand konkreter Beispiele im Sonderaus­ gabenbereich, dass hier jenseits des Existenzminimums die subjektive Leistungsfähigkeit als vermindert anzuerkennen ist, vgl. dazu etwa Geserich, Privater, gemeinwohlwirksamer Aufwand, S. 12 ff.; so auch Söhn, StuW 1985, 395, 405 für die Abziehbarkeit der Kirchensteuer. Ob das Argument der Kirchensteuer im Ergebnis (heute noch) überzeugt, kann dahinstehen. Jedenfalls wird deutlich, dass die Literatur durchaus die Kategorie des unvermeidbaren und indisponiblen Aufwands kennt, der gerade nicht der Sicherstellung des Existenzminimums dient, sondern darüber hinausgeht. 39 BVerfG v. 4.12.2002 – 2 BvR 400/98, BVerfGE 107, 27, 48: „verfassungsrechtlich bislang noch nicht abschließend geklärt“. 40 Vgl. dazu etwa Englisch, DStJG 37 (2014), S. 159, 168 ff.; kritisch zu den herkömm­lichen Begriffen wie Zwangsläufigkeit und Indisponibilität, die zur „Verunklärung“ beitragen würden Modrzejewski, Existenzsicherung in Ehe und Familie, S. 64 ff. Ders. plädiert a. a. O., S. 66 f. für eine Neuausrichtung des subjektiven Nettoprinzips, das sich auf den Bereich der Existenzsicherung beschränken müsse. 41 Dies dem Umstand zum Trotz, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip als solches schon recht betagt ist, so lautete Art. 134 WRV bereits: „Alle Bürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei“; schon Hensel, Steuerrecht, S. 46 sah hierin eine mögliche Schranke für den Steuergesetzgeber; vgl. zu historischen Bezügen auch die Nachweise bei Söhn, FinArch 46 (1988), S. 154. 42 Siehe dazu etwa Tipke, StuW 1971, 2, 16 f.; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 174 ff.; Lang, StuW 1983, 103 ff.; P. Kirchhof, StuW 1985, 319 ff.; Söhn, StuW 1985, 395 ff. 35

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Kap. 2: Abzugstatbestand und Abzugsgegenstand

dem Postulat der Abziehbarkeit unvermeidbarer, zwangsläufiger und indisponib­ ler Aufwendungen, welches fortan als „subjektives Nettoprinzip“ firmierte43. Zum anderen erklärt sich der anhaltende Diskurs auch aus dem Umstand, dass dem subjektiven Nettoprinzip häufig grundsätzliche Kritik von Vertretern aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften entgegenschlägt, die im steuerlichen Kontext die Markteinkommenstheorie hochhalten44. Dass eine derartige Argumentation, die sich allein auf ökonomische Aspekte kapriziert, nicht überzeugend ist, verdeutlichen die verfassungsrechtlichen Wertungen insbesondere von Art. 1 GG und Art. 6 GG45. Was den Verfassungsrang des subjektiven Nettoprinzips angeht, so sind viele Vertreter aus der Literatur der Ansicht, dass es, wie auch das objektive Nettoprinzip, unmittelbar aus der Verfassung abzuleiten ist46. Hinter diese Erkenntnis wird man angesichts der Vielzahl der dargelegten Vorgaben, die einzelne Grundrechte dem Steuergesetzgeber aufgeben47, nicht zurückkommen48. Auch dieser steuerliche Grundsatz ist damit dem Grunde nach der gesetzgeberischen Disposition entzogen.

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Tipke, StuW 1971, 2, 16 f.; Birk, Altersvorsorge und Alterseinkünfte, S. 15 f; Lang, StuW 1983, 103, 106; P. Kirchhof, StuW 1985, 319, 326 f.; Söhn, StuW 1985, 395, 400; ders., FinArch 46 (1988), S. 154, 156; zu den unterschiedlichen Formulierungen, insbesondere mit Blick auf „existenzielle“ Aufwendungen siehe bereits oben sub Kap. 2 A. II. 2. 44 Siehe dazu etwa Bareis, StuW 1991, 38, 49, der forderte, dass Eltern „die Folgekosten ihrer höchst subjektiven Entscheidung für Kinder auch selbst tragen [sollten]“, wenn das „Markteinkommen“ des Kindes nicht ausreiche; kritisch auch noch ders., DStR 2010, 565, 572; siehe zur grundsätzlichen Kritik an der herrschenden Meinung zum subjektiven Nettoprinzip aus dem Bereich der Steuerrechtswissenschaft Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums, S. 115 ff. 45 Dazu Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 78: „schlichtweg falsch“; Englisch, DStJG 37 (2014), S. 159, 166 (Fußnote). 46 G. Kirchhof, in: FS Lang, S. 563, 583: „dem Grunde nach“; wohl auch Schaumburg, in: FS Lang, S. 1099, 1100; Englisch, DStR-Beih. 2009, 92 (beiläufig im Zusammenhang mit dem objektiven Nettoprinzip); Steger, Die außergewöhnliche Belastung im Steuerrecht, S. 110 geht sogar davon aus, dass das BVerfG das subjektive Nettoprinzip schon seit dem Jahre 1976 anerkannt hat; a. A. Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastungen, S. 66 f., die der Ansicht ist, dass es sich lediglich um ein einfachgesetzliches Prinzip mit „partiell verfassungsrechtlichem Geltungsanspruch“ handeln soll. 47 Siehe nur die st.Rspr. des BVerfG zum steuerlichen Existenzminimum seit BVerfG v. 29.5.1990 – 1 BvL 20/84 u. a., BVerfGE 82, 60, 85 f. 48 A. A. Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastungen, S. 66 f. Konsens herrscht aber jedenfalls insoweit, als die Verfassung die dargelegten Verpflichtungen für den Steuergesetzgeber enthält. Die Diskussion dreht sich damit letztlich nur noch um die Frage, ob man diese auch begrifflich einem eigenständigen „Verfassungsprinzip“ der subjektiven Leistungsfähigkeit zuordnet.

A. Einkommensteuer und außergewöhnliche Belastungen

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III. Der Abzugstatbestand der außergewöhnlichen Belastungen (§ 33 EStG) 1. Normzweck a) Sicherung des Existenzminimums Das Einkommensteuergesetz nennt in § 2 Abs. 4 Alt. 2 EStG den Tatbestand der außergewöhnlichen Belastungen. Diese in § 33 EStG im Einzelnen geregelte Abzugsmöglichkeit geht, wie erwähnt, auf das subjektive Nettoprinzip zurück49. Sie setzt in ihrem Anwendungsbereich dort an, wo die Abzüge des Grundfreibetrags nach § 32a Abs. 1 EStG, des Familienleistungsausgleichs i. S. d. § 31 S. 1 EStG und der Sonderausgaben nach §§ 10 ff. EStG enden50. Dabei ist zunächst von der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit auszugehen, dass das persönliche Existenzminimum steuerlich zu verschonen ist51. Die Generalklausel des § 33 EStG ist deshalb jedenfalls auf jene Aufwendungen im Bereich der Verschonung des Existenzminimums zugeschnitten, die insbesondere der Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG nicht erfasst52. Wenn der Gesetzgeber zu Typisierungen greift, so entsteht dadurch im Bereich der Besonderheiten von Einzelfällen nämlich ein Vakuum, welches das einfache Recht zunächst generalisierend vernachlässigt53. Im Ausgangspunkt ist ein solches Vorgehen zwar nicht zu beanstanden54. Hier bedarf es aber einer Ausnahme, denn die Verfassung verlangt es, auch einen atypischen Mehrbedarf steuerlich zu verschonen55. § 33 EStG füllt nun nach ganz einhelliger Auffassung dieses Vakuum56. 49

Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 718; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 1. BFH v. 18.3.2004 – III R 31/02, BStBl. II 2004, 867; Endert, FR 2018, 692 (mit Blick auf den Grundfreibetrag); dazu allgemeiner Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, Rn. 1082. 51 St.Rspr. seit BVerfG v. 29.5.1990 – 1 BvL 20/84 u. a., BVerfGE 82, 60, 85. 52 BFH v. 29.3.2012 – VI R 47/10, BStBl. II 2012, 570, 571. 53 Vgl. etwa BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07 u. a.; BVerfGE 122, 210, 232 f. m. w. N. 54 Vgl. etwa BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07 u. a.; BVerfGE 122, 210, 232. 55 Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastungen, S. 74; wohl auch W. G. Leisner, Existenzsicherung, S. 354: „Denn immerhin kommt ja insoweit § 33 EStG eine Ergänzungsfunktion auch gegenüber § 32a EStG zu, in welchem das Existenzminimum mit dem Grundfreibetrag ausdrücklich angesprochen ist“; Hey, in: Tipke / Lang, § 8 Rn. 719 sieht dies eher dem „Konnex zwischen Steuerrecht und Sozialhilferecht“ geschuldet. Dem liegt doch aber vermutlich auch die Überlegung zugrunde, dass der sozialhilferechtliche Begriff des Grundbedarfs nicht lediglich übertragen werden kann, sondern im Steuerrecht (aufgrund verfassungsrechtlicher Wertungen) „in besonderen Lebenslagen“ (dies., a. a. O.) einer Ergänzung bedarf. 56 Siehe etwa BFH v. 18.3.2004 – III R 31/02, BStBl. II 2004, 867; Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 718; Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, Rn. 1082; Arndt, in: Kirchhof / ​ Söhn / Mellinghoff, EStG, § 33 Rn. A 1; Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 4; Geserich, DStR 2013, 1861, 1863 spricht insoweit sogar von einem „besonderen Existenzminimum“; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 597: „existenziell notwendige Aufwendungen“. 50

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Kap. 2: Abzugstatbestand und Abzugsgegenstand

b) „Erhalt und Rückgewinnung der Normalität des einzelnen Steuerpflichtigen“ Fraglich ist aber, ob dies der einzige Normzweck sein kann. Einige Autoren betonen, dass § 33 EStG auch dem „Erhalt und der Rückgewinnung der Normalität des einzelnen Steuerpflichtigen“ dient57. Dies komme in dem noch vorzustellenden Tatbestandsmerkmal der Außergewöhnlichkeit zum Ausdruck58. Es nimmt Kriterien in den Blick, die bei den Steuerpflichtigen – wie sich auch der Legaldefinition in § 33 Abs. 1 EStG entnehmen lässt59 – unterschiedlich ausfallen können. Nach Ansicht von Paul Kirchhof folgt dieses zusätzliche, über den Schutz des Existenzminimums hinausgehende Ziel60 vor allem aus dem Verfassungsprinzip der Sozialstaatlichkeit. Denn dieses rechtfertigt den Steuerzugriff auf den Einzelnen, um dadurch Angelegenheiten der Allgemeinheit zu finanzieren61. Spiegelbildlich muss dann aber auch der Einzelne in seinen „jeweils erreichten allgemeinwirtschaftlichen Standards“ geschützt werden62. Diese umschreibt er als eine „soziale Normalität“63. Befindet sich der Steuerpflichtige im Bereich dieser Normalität, kann er steuerlich belastet werden. Ist dies aber infolge außergewöhnlicher Ereignisse nicht der Fall, muss ihm durch den Schutz des § 33 EStG dazu 57 Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 2; ausführlich W. G. Leisner, Existenzsicherung, S. 358; Wendt, DÖV 1988, 710, 721; P. Kirchhof, Gutachten F 57. DJT 1988, S. 63; ders., StBKongrR 1988, 29, 44 f.; wohl auch Ertl, Die Bewertung von medizinischen Methoden, S. 380 f.; a. A.  Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastungen, S. 107: „Schaffung eines menschenwürdigen Daseins“, nach ders., a. a. O., S. 98 seien (solche) Abzugsmöglichkeiten, die über das Existenzminimum hinausgehen, rechtfertigungsbedürftige Steuersubventionen; Grever, Außergewöhnliche Belastungen im Steuerrecht, S. 27 differenziert zwischen dem „Erhalt und der Rückgewinnung der Normalität“, letzteres soll kein Ziel des § 33 EStG sein. 58 Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 2; W. G.  Leisner, Existenzsicherung, S. 358; P. Kirchhof, Gutachten F 57. DJT 1988, S. 63; ders., StBKongrR 1988, 29, 44 f.; a. A. Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastungen, S. 93 f.: Das Merkmal der Außergewöhnlichkeit sei (allein) auf das Existenzminimum zu beziehen. 59 So heißt es in § 33 Abs. 1 EStG: „[…] Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands […]“, „gleich“ lässt hier den logischen Schluss zu, dass diese Verhältnisse auch unterschiedlich sein können. 60 P.  Kirchhof, StBKongrR 1988, 29, 43 zu existenzsichernden Abzügen: „Grundfreibetrag, Ehegattensplitting, Ausbildungsfreibetrag, bestimmte Tatbestände der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen enthalten Abzugstatbestände, die das zur Sicherung des existenziellen Bedarfs benötigte Einkommen teilweise verschonen“ (Hevorh. d. Verf.). Hieraus kann wohl geschlossen werden, dass er § 33 nicht nur, aber auch einen Gehalt zuschreibt, der das Existenzminimum schützt. 61 P. Kirchhof, Gutachten F 57. DJT 1988, S. 62. 62 P. Kirchhof, Gutachten F 57. DJT 1988, S. 62; ders., StBKongrR 1988, 29, 45. 63 Diese „Normalität“ lässt sich freilich nicht allgemeingültig und abschließend definieren. Dies liegt daran, dass sie sich immer anhand der gesellschaftlichen und sozialpolitischen Umstände bestimmt und insoweit immer auch als Vergleichsmaßstab ausschlaggebend ist, wenn es um sonstige Aussagen des Sozialstaatsprinzips geht, siehe dazu Gröschner, in: Dreier, GG, 2. Auflage 2006, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 37 m. w. N.

A. Einkommensteuer und außergewöhnliche Belastungen

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verholfen werden, den „Verbleib in der Normalität und die Rückkehr zur Normalität“ zu ermöglichen64. Dass die Norm des § 33 EStG in der Tat diesen zusätzlichen Zweck verfolgt, verdeutlicht vor allem auch ein Blick auf den Abs. 3 der Vorschrift: Die dort vorgesehene „zumutbare Belastung“ erklärt sich zwar zunächst aus historischen Gründen. So sollte der Steuerpflichtige einen Teil der außergewöhnlichen Belastungen stets selbst tragen, weil die Norm früher als eine Billigkeitsregelung verstanden worden ist65. Trotz vehementer Kritik im Schrifttum66 betonen einige Stimmen aber auch bei heutigem Verständnis des § 33 EStG die Rechtfertigung der Einschränkung der Abzugsmöglichkeit durch den Abs. 3 der Vorschrift67. So wird vor allem die Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit ins Feld geführt. Diese setze die Norm des § 33 Abs. 3 EStG gerade dadurch um, dass sie in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder des Steuerpflichtigen und der Höhe des Gesamtbetrags der von diesem erzielten Einkünfte unterschiedliche Zumutbarkeitsgrenzen vorsehe68. Dieser Gedanke lässt sich wie folgt für die Ratio des § 33 EStG weiterentwickeln: Je höher das Einkommen des Steuerpflichtigen ist, desto eher vermutet das Gesetz, dass sich der Einzelne in einer ungewöhnlichen Situation selbst helfen kann – desto weniger geht es davon aus, dass der Steuerpflichtige infolge der außergewöhnlichen Belastung in den Bereich des Existenzminimums gerät. Denn § 33 Abs. 3 EStG sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass ein Steuerpflichtiger über mehr als 50.000 Euro Gesamtbetrag der Einkünfte verfügt. Freilich ist auch bei „Reichen“ das Existenzminimum zu verschonen69. Doch ist bei derartigen Einkommen typisierend davon auszugehen, dass es hier regelmäßig nicht mehr nur um die physische und soziokulturelle Untergrenze menschlichen Lebens geht70. Die im § 33 Abs. 3 64

P. Kirchhof, Gutachten F 57. DJT 1988, S. 63; ähnlich ders. StBKongrR 1988, 29, 45. Siehe dazu Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 215 m. w. N.; Tipke, FR 1990, 349, 350. 66 Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 720; Englisch, DStJG 37 (2014), S. 159, 177 hält die Regelung mit Blick auf das subjektive Nettoprinzip für verfassungswidrig; kritisch auch Arndt, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 33 Rn. D 1; Haupt, DStR 2010, 960, 962; Tipke, FR 1990, 349, 350; ders., StuW 1980, 281, 290: „Es gibt ja auch keine zumutbare Werbungskosten-Eigenbelastung“; nach BVerfG v. 29.10.1987 – 1 BvR 672/87, HFR 1989, 152, 153 begegnet die Vorschrift hingegen keinen durchgreifenden Bedenken. 67 Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, Rn. 1102; wohl auch Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 70; eindeutig Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 216; ders., FR 1993, 691, 695. 68 Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 216. 69 Tipke, FR 1990, 349 f. 70 Diese Differenzierung für den Umfang eines Abzugs anhand des Einkommens ist dem Einkommensteuerrecht auch im Übrigen nicht fremd. So sind Unterhaltszahlungen an den geschiedenen Ehegatten nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG nur beschränkt und nicht in voller Höhe abziehbar. Die volle Abziehbarkeit der hier mit zunehmenden Einkommen steigenden Unterhaltsverpflichtungen wäre vor dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht zu rechtfertigen, siehe zur Problematik der Unterhaltszahlungen ausführlich Englisch, DStJG 37 (2014), S. 159, 185 ff. m. w. N. 65

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Kap. 2: Abzugstatbestand und Abzugsgegenstand

EStG sichtbaren Vermutungen der Norm können also nur annehmen lassen, dass diese vor allem auf „untypische Lebenshaltungskosten“71 gerichtet ist. Dies lässt sich schließlich auch durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stützen. So hat es deutlich gemacht, dass der Geltungsbereich des subjektiven Nettoprinzips durchaus auch über den Schutz des Existenzminimums hinausgehen kann72. Es hat dabei im Zusammenhang mit Privataufwendungen die entscheidende Bedeutung der jeweils betroffenen (Freiheits-)Grundrechte zu erkennen gegeben73. c) Fazit Die Regelung des § 33 EStG dient der Steuerfreistellung des Existenzminimums in denjenigen Fällen, die sich pauschalierend von § 32a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG nicht erfassen lassen. Darüber hinausgehend hilft die Vorschrift beim Erhalt und bei der Rückgewinnung der Normalität des einzelnen Steuerpflichtigen74. Dieser Normzweck ist wichtig festzuhalten, da es im Rahmen dieser Arbeit gerade um die Frage geht, ob bestimmte Aufwendungen – und zwar solche der Rechtsverfolgung – nach § 33 EStG abziehbar sind und dies nicht notwendig das Problem einer Gefährdung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen betrifft. 2. Einfachgesetzliche Voraussetzungen eines Abzugs Um einen Steuerabzug nach dem Grundtatbestand dieser Norm zuzusprechen, müssen die nachfolgenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sein. Für die Zwecke dieser Untersuchung genügt es, einen kursorischen Überblick über diese zu geben; auf eine Darstellung der breiten Kasuistik, die sich zu dieser Norm entwickelt hat75 71

W. G. Leisner, Existenzsicherung, S. 358. Vgl. dazu BVerfG v. 4.12.2002 – 2 BvR 400/98 u. a., BVerfGE 107, 27, 48 f. 73 BVerfG v. 4.12.2002 – 2 BvR 400/98 u. a., BVerfGE 107, 27, 49; Steger, Die außergewöhnliche Belastung im Steuerrecht, S. 135 spricht treffenderweise davon, dass Art. 3 Abs. 1 GG zwar stets Ausgangspunkt für das subjektive Nettoprinzip ist, aber der zentrale Begriff der Indisponiblen vom Einkommen „freiheitsrechtlich geprägt“ ist; verwirrend im Zusammenhang mit existenzsicherndem Aufwand insoweit Grever, Außergewöhnliche Belastungen im Steuerrecht, S. 30: „Hieraus folgt sogleich, dass das subjektive Nettoprinzip hinsichtlich des existenzsichernden Aufwands grundsätzlich nicht durch grundgesetzliche Wertungen […] im Einzelfall konkretisiert wird, sondern generell anhand der sozialhilferechtlichen Leistungstatbestände bestimmt wird“. Bei dieser Prämisse droht die elementare Normenhierarchie, nach der die grundrechtlichen Wertungen der Verfassung das einfache (Sozialhilfe-)Recht beeinflussen, außer Kraft gesetzt zu werden. 74 So ausdrücklich Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 2. 75 Siehe dazu etwa die Darstellung bei Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 90 „ABC der außergewöhnlichen Belastungen“; Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 140 ff.; Steger, Die außergewöhnliche Belastung im Steuerrecht, S. 39 ff. 72

A. Einkommensteuer und außergewöhnliche Belastungen

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und mitunter als „Fundgrube für allerlei Skurrilitäten“ bezeichnet wurde76, kann dagegen verzichtet werden77. a) Aufwendungen, Subsidiarität und Belastungsprinzip Zunächst müssen „Aufwendungen des Steuerpflichtigen“ vorliegen. Aufwendun­ gen sind bewusste und gewollte Vermögensverwendungen, so insbesondere das Ausgeben von Geld78. § 33 Abs. 2 S. 2 EStG stellt klar, dass ein Abzug nach dem Grundsatz der Subsidiarität ausscheidet, soweit es sich um Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben handelt79. Die getätigten Aufwendungen müssen für den Steuerpflichtigen eine wirtschaftliche Belastung darstellen. Dies ist nicht der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen eine Ersatzleistung in Form von beispielsweise Schadensersatzzahlungen, Beihilfen oder Versicherungsleistungen zufließt80. Dies gilt auch dann, wenn dies erst in einem späteren Veranlagungszeitraum geschieht81. § 33 EStG ist nur dann erfüllt, wenn die Belastung endgültiger Art ist82. b) Außergewöhnlichkeit Die fraglichen Ausgaben müssen außergewöhnlich sein. Dies ist systematisch zu verstehen: Gewöhnliche Aufwendungen der privaten Lebensführung werden teilweise durch den Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 EStG) abgegolten, andere private Ausgaben sind nach § 12 Nr. 1 EStG grundsätzlich nicht abzugsfähig83. Außer­ 76

Kanzler, FR 1993, 691, 692. Grever, Außergewöhnliche Belastungen im Steuerrecht, S. 37 ff. ausführlich zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen. 78 BFH v. 15.3.1991 – III R 26/89, BFH / N V 1991, 669 (Unterhaltszahlungen); v. 19.5.1995 – III R 12/92, BStBl. II 1995, 774, 775; Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 48; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 8. 79 Dazu Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, Rn. 1088; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 65; Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 16 f. 80 BFH v. 30.6.1999 – III R 8/95, BStBl. II 1999, 766, 768; dazu auch Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 703, 725; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 13 ff.; Brockmeyer, DStZ 1998, 214, 215 f. 81 BFH v. 21.8.1974 – VI R 236/71, BStBl. II 1975, 14 f.; zu diesbezüglichen verfahrensrechtlichen Problemen siehe Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 18. 82 Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 17; zur Gegenwerttheorie der Rechtsprechung siehe BFH v. 15.12.2005 – III R 10/04, BFH / N V 2006, 931, 932 f.; v 4.3.1983 – VI R 189/79, BStBl. II 1983, 378, 379 und der entsprechenden Kritik aus der Literatur siehe etwa Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn.  39; Eschenbach, DStZ 2008, 133 ff. 83 Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, Rn. 1092; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 10; Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 80. 77

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Kap. 2: Abzugstatbestand und Abzugsgegenstand

gewöhnlichkeit ist zu bejahen, wenn dem Steuerpflichtigen größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Dabei ist „größere Aufwendungen“ nicht quantitativ, sondern qualitativ zu verstehen. Es kommt nicht auf die Höhe der Kosten an. Vielmehr ist entscheidend, ob nur eine kleine Minderheit von Steuerpflichtigen die in Rede stehenden Aufwendungen zu tragen hat, die außerhalb des Normalen liegen84. Um diese Formel anwenden zu können, bedarf es eines Anknüpfungspunktes. Dieser ist das Ereignis, das die Aufwendungen auslöst und selbst außergewöhnlich sein muss85. c) Zwangsläufigkeit Sodann müssen die Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen. Das setzt nach § 33 Abs. 2 S. 1 EStG voraus, dass sich der Steuerpflichtige den Aufwendungen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Abzustellen ist dabei jedoch nicht auf die Zahlungsverpflichtung selbst, sondern auf das Ereignis, das diese adäquat verursacht86. Dabei muss Zwangsläufigkeit jedenfalls dann ausscheiden, wenn der Steuerpflichtige die Zahlungsverpflichtung durch sozial inadäquates Verhalten hervorgerufen hat87. Unter sozial inadäquat und damit jedenfalls nicht zwangsläufig sind nach Ansicht der Rechtsprechung grob fahrlässige oder vorsätzliche Verhaltensweisen zu verstehen88. Leichte Fahrlässigkeit soll Zwangsläufigkeit hingegen noch nicht entfallen lassen89.

84 BFH v. 15.4.1992 – III R 11/91, BStBl. II 1992, 821, 822; v. 17.6.1994 – III R 42/93, BStBl. II 1994, 754, 755; Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, Rn. 1092; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 11 f.; Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 81. 85 Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 20; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 12; Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 83; a. A. Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 30. 86 BFH v. 9.5.1996 – III R 224/94, BStBl. II 1996, 596, 597; v. 19.12.1995 – III R 177/94, BStBl. II 1996, 197, 198; Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, Rn. 1096; Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 27; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 26; Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 89; a. A. Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 180: Abstellen auf die Aufwendungen selbst; so auch ausdrücklich im Bereich des Prozesskostenabzugs nach § 33 EStG. Hier soll allein die gerichtliche Kostenentscheidung die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen begründen, so ders., a. a. O., Stand: Juni 1993, § 33 Rn. 117. 87 Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, Rn. 1097; Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 30; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 28; Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 99: „Strafbares und sittenwidriges Verhalten“. 88 BFH v. 3.6.1982 – VI R 41/79, BStBl. II 1982, 749, 750; v. 5.7.1963 – VI 272/61 S, BStBl. III 1963, 499, 501. 89 BFH v. 3.6.1982 – VI R 41/79, BStBl. II 1982, 749, 750; dazu auch Brockmeyer, DStZ 1998, 214, 218 f.

A. Einkommensteuer und außergewöhnliche Belastungen

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Aus rechtlichen Gründen ist Zwangsläufigkeit gegeben, wenn der Steuerpflichtige durch die Rechtsordnung zur Zahlung verpflichtet wird. Solche rechtlichen Gründe ergeben sich aus Gesetz, Vertrag oder Verwaltungsakt90. Besondere Aufmerksamkeit verdient bei dieser Fallgruppe die Frage, ob der Steuerpflichtige diese rechtlichen Gründe selbst durch vorangehendes Tun zu verantworten hat. So sind rechtsgeschäftliche Zahlungsverpflichtungen regelmäßig aufgrund vorherigen freiwilligen Vertragsschlusses nicht zwangsläufig91. Tatsächliche Gründe können Zwangsläufigkeit insbesondere in Fällen höherer Gewalt und unabwendbarer Ereignisse wie Krieg, Unwetter, Hochwasser, Krankheit oder Todesfall begründen92. Sittliche Zwangsläufigkeit ist schließlich anzunehmen, wenn sich ein durchschnittlich billig und gerecht denkender Steuerpflichtiger zu einer Leistung verpflichtet halten kann93. Die Sittenordnung muss die Leistung derart gebieten, dass sie einer rechtlichen Verpflichtung gleichkommt oder zumindest ähnlich ist94. Das Unterlassen der in Rede stehenden Handlung muss Sanktionen auf gesellschaftlicher Ebene zur Folge haben95. Dafür reicht die allgemeine sittliche Verpflichtung, in Not geratenen Menschen zu helfen oder bestehende Anstandspflichten zu erfüllen, nicht aus96. d) Notwendigkeit / Angemessenheit Die getätigten Aufwendungen müssen auch der Art und Höhe nach zwangsläufig sein. Das Gesetz bringt dies in § 33 Abs. 2 S. 2 a. E. EStG durch die Wörter „notwendig“ und „angemessenen Betrag“ zum Ausdruck. Diese Tatbestandsmerkmale haben deklaratorische Bedeutung97. Die Frage der Notwendigkeit ist immer anhand der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen98. Im Rahmen der Angemessen­ 90

Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 34; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 34; Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 108. 91 BFH v. 19.5.1995 – III R 12/92, BStBl. II 1995, 774, 776; v. 18.7.1986 – III R 178/80, BStBl. II 1986, 745, 746. 92 Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, Rn. 1095; Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 35; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 35. 93 BFH v. 15.4.2010 – VI R 51/09, BStBl. II 2010, 794, 797; v. 22.10.1996 – III R 265/94, BStBl. II 1997, 558, 560. 94 BFH v. 22.10.1996 – III R 265/94, BStBl. II 1997, 558, 560; v. 27.2.1987 – III R 209/81, BStBl. II 1987, 432, 433; v. 18.11.1977 – VI R 142/75, BStBl. II 1978, 147, 149. 95 BFH v. 22.10.1996 – III R 265/94, BStBl. II 1997, 558, 560; v. 27.10.1989 – III R 205/82, BStBl. II 1990, 294, 296. 96 BFH v. 12.8.1966 – VI R 76/66, BStBl. III 1967, 364, 365 (schw. Beerdigungskleidung); v. 25.3.1966 – VI R 320/65, BStBl. III 1966, 534, 535 (allg. sittl. Verpflichtung). 97 Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 41; Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 123; Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn.194; dazu auch schon Rasenack, DB 1983, 1272, 1275 f. 98 Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 42; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 39.

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Kap. 2: Abzugstatbestand und Abzugsgegenstand

heitsprüfung wird anhand objektiver Maßstäbe eine höhenmäßige Begrenzung für den Abzug eingezogen99. Diese gilt für Steuerpflichtige aller Einkommensverhältnisse in gleicher Weise100. e) Überschreiten der zumutbaren Belastung, § 33 Abs. 3 EStG Nach § 33 Abs. 1 a. E. EStG mindert nur derjenige Teil der außergewöhnlichen Belastungen die Bemessungsgrundlage, der die „zumutbare Belastung“ übersteigt. Diese definiert § 33 Abs. 3 EStG in Abhängigkeit vom Gesamtbetrag der Einkünfte und der Anzahl der Kinder des Steuerpflichtigen von ein bis sieben Prozent des Gesamtbetrages der Einkünfte. Dem Steuerpflichtigen soll es zugemutet werden, einen Teil der Kosten je nach seiner Leistungsfähigkeit selbst zu tragen101.

B. Kosten der Verteidigung subjektiver Rechte In ihrem Untertitel fragt die Arbeit nach den Kosten „zur Verteidigung subjektiver Rechte“. Der Begriff des subjektiven Rechts ist ein grundlegender Rechtsbegriff102. Im Allgemeinen ist darunter die dem Einzelnen zuerkannte Rechtmacht zu verstehen, die dazu dient, menschliche Interessen zu befriedigen103. In diesem Sinne kennt das Zivilrecht das subjektive Recht als die Berechtigung, die gegen eine bestimmte Person wirkt, so etwa im Falle des Anspruchs104. So erwähnt § 194 Abs. 1 BGB das „Recht, von einem anderen ein Tun oder ein Unterlassen zu verlangen“. Der Inhaber eines subjektiven Rechts, etwa eines Anspruchs auf Kaufpreiszahlung, kann dieses unter anderem dadurch verteidigen, dass er es gerichtlich durchsetzt.

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FG Nürnberg v. 26.7.1983 – VI 89/81, EFG 1984, 178, 179; Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, Rn. 1099; Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 43; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 39. 100 FG Nürnberg v. 26.7.1983 – VI 89/81, EFG 1984, 178, 179; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 39; Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 125. 101 BFH v. 15.11.1991 – III R 30/88, BStBl. II 1992, 179, 181; v. 14.12.1965 – VI 235/65 U, BStBl. III 1966, 242, 243; zur neuen stufenweisen Berechnung siehe BFH v. 19.1.2017 – VI R 75/14, BStBl. II 2017, 684, 686; zur Kritik an der Vorschrift siehe bereits oben sub Kap. 2 A. III. 1. b). 102 Dazu wie zur langen Diskussion in der Rechtswissenschaft Röhl / Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 353 ff. m. w. N. 103 Dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 199; Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 21; Röhl / Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 355; mit historischen Bezügen dies., a. a. O., S. 356 ff. 104 Medicus / Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 61 f.; freilich gibt es im Zivilrecht darüber hinaus viele Formen subjektiver Rechte, siehe dazu dies., a. a. O., Rn. 62, 64 ff.; ausführlich zu subjektiven Privatrechten Röhl / Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 363 ff.

B. Kosten der Verteidigung subjektiver Rechte

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Auch das öffentliche Recht kennt subjektive Rechte. Dort ist oftmals die Rede von dem „subjektiven öffentlichen Recht“105. Es verleiht dem Bürger gegen den Staat regelmäßig Ansprüche106. Diese können sich ergeben, wenn eine Norm nicht nur öffentlichen Interessen, sondern zumindest auch Individualinteressen zu dienen bestimmt ist107. Gewährt die Behörde beispielsweise dem bedürftigen Studenten keine Leistungen nach dem BAföG108, so verteidigt dieser sein subjektives öffentliches Recht, wenn er vor das Verwaltungsgericht zieht109. In eher steuerrechtlicher Terminologie ist bei den hier entstehenden Kosten auch die Rede vom Rechtsverfolgungsaufwand. Hinter diesem Begriff verbergen sich ganz unterschiedliche Konstellationen:

I. Klassische gerichtliche Prozesskosten Dies sind vor allem die bereits angesprochenen gerichtlichen Prozesskosten. Dabei mag man zunächst an den klassischen bürgerlichen Rechtsstreit vor den ordentlichen Gerichten denken. Aber auch Verfahren anderer Gerichtsbarkeiten, namentlich die der Arbeits-, Verwaltungs-, Sozial-, und Finanzgerichtsbarkeit, verursachen Aufwendungen110. Es fallen hier zunächst die Gerichtskosten für die erste Instanz, dann ggf. zusätzliche für ein Rechtsmittelverfahren an111. Das Einschalten von Prozessvertretern – man denke auch an den mitunter herrschenden Anwaltszwang – erhöht diese Aufwendungen112. Doch mit diesen Kosten nicht genug. Nicht selten kommen weitere Aufwendungen hinzu wie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Vorbereitungskosten, Entschädigungen für Zeugen und Sachverständige, Mahnkosten, Reisekosten, Gebühren von Rechtsbeiständen und Gerichtsvollziehern oder Detektivkosten113. Im Bereich verwaltungsrechtlicher Streitigkeiten lassen sich ferner die entsprechenden Kosten des Vorverfahrens nennen114. Diese 105

Zum Ganzen Henke, Das subjektive öffentliche Recht; dazu auch Röhl / Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 372 ff. 106 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 396; Henke, Das subjektive öffentliche Recht, S. 55 ff. 107 BVerfG v. 17.12.1969 – 2 BvR 23/65, BVerfGE 27, 297, 307. 108 Beispiel nach Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 397. 109 Auch der Beschuldigte eines Strafverfahrens verteidigt sein subjektives öffentliches Recht aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG, wenn er sich gegen den Tatvorwurf und eine mögliche Freiheitsstrafe zur Wehr setzt. Siehe zur Bedeutung der Grundrechte für subjektive öffentliche Rechte Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 403 ff. 110 Dies versinnbildlicht auch die hohe Anzahl jährlich neuer Verfahren, die gerade nicht nur zivilprozessualer Art sind. Dazu schon oben sub Kap. 1 A. 111 Dazu im Einzelnen Muthorst, in: Stein / Jonas, ZPO, § 91 Rn. 30 m. w. N. 112 So herrscht Anwalts- bzw. Vertretungszwang beispielsweise nach § 78 Abs. 1 ZPO, § 114 Abs. 1 FamFG oder § 73 Abs. 4 SGG. Zu den dadurch entstehenden anwaltlichen Kosten Muthorst, in: Stein / Jonas, ZPO, § 91 Rn. 30 ff. m. w. N. 113 Dazu Muthorst, in: Stein / Jonas, ZPO, § 91 Rn. 32 ff. m. w. N. 114 Vgl. hierzu etwa Schwarz, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, FGO, § 139 Rn. 555; Kunze, in: BeckOK, VwGO, § 162 Rn. 53 f.

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Kap. 2: Abzugstatbestand und Abzugsgegenstand

Aufwendungen im Zusammenhang mit einem klassischen Gerichtsverfahren werden hier „Prozesskosten im engeren Sinne“ genannt.

II. Außergerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung Unter den Begriff der Rechtsverfolgungskosten fallen aber auch Aufwendungen, die außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens anfallen. So verwendet die zivilrechtliche Literatur ihn auch, um den Aufwand für das gerichtliche oder außergericht­ liche Geltendmachen von Ansprüchen zu beschreiben115. Denn der erste Schritt einer jeden Rechtsverfolgung besteht häufig in einer vom Anspruchsteller selbst betriebenen Mahnung des Anspruchsgegners. Er schreibt einen Brief, tippt eine E-Mail oder führt ein Telefonat, um den Gegner zu dem begehrten Tun oder Unterlassen zu bewegen116. Hier kann ein bunter Strauß an Kosten auflaufen: Portokosten, Telefonkosten, Schreib-, Papier- und Fotokopieraufwendungen oder auch Reisekosten117. Die außergerichtliche Rechtsverfolgung erfolgt schließlich nicht selten auch mit anwaltlicher Unterstützung, ohne dass es zwingend eines nachfolgendenden Gerichtsverfahrens bedürfte. Gleiches gilt für die Inanspruchnahme der Dienste eines privaten Gutachters118 oder Detektivs119. Rechtsverfolgung ist aber auch in Form der alternativen Konfliktbeilegung möglich, etwa durch ein schiedsgerichtliches Verfahren120, eine Mediation121 oder ein Schlichtungsverfahren122. Aufwendungen derartiger Rechtsverfolgung werden hier als „Prozess- bzw. Rechtsverfolgungskosten im weiteren Sinne“ verstanden.

III. Aktive und passive Rechtsverfolgung Bei jeder dieser denkbaren Formen von Rechtsverfolgung kann sich der Betroffene auf der aktiven oder passiven Seite des Geschehens befinden: Beispielsweise kann der Einzelne aktiv Zahlungsansprüche geltend machen, indem er andere zum Leisten auffordert, einen Rechtsanwalt in der Sache beauftragt oder die Sache 115

Riehm, in: BeckOGK, BGB, § 280 Rn. 301. Rein beispielhaft meint dies etwa den gütlichen und fernmündliche Versuch zur Rückabwicklung eines fehlgeschlagenen Kaufvertrags oder die schriftliche Erklärung des Rücktritts samt Rückforderung des Kaufpreises. 117 Einen guten Überblick über derartige Kosten findet sich bei Muthorst, in: Stein / Jonas, ZPO, § 91 Rn. 33 ff. 118 Private Gutachterkosten gehören grundsätzlich auch zu dem Prozesskostenbegriff der ZPO, zur dortigen Erstattungsfähigkeit vgl. Muthorst, in: Stein / Jonas, ZPO, § 91 Rn. 79 ff.; zur Bedeutung im Prozess auch Ulrich, DS 2017, 315 ff. 119 Flockenhaus, in: Musielak / Voit, ZPO, § 91 Rn. 46 zu solchen Kosten im Zivilprozess. 120 Dazu überblicksartig Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rn. 854 ff. 121 Ulrici, in: MüKo, FamFG, § 2 MediationsG Rn. 33 zu Kosten eines Mediationsverfahrens. 122 Zum Ganzen Eidenmüller, Alternative Streitbeilegung. 116

C. Abgrenzung des privaten vom beruflichen Rechtsverfolgungsaufwand 

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selbst oder durch einen Rechtsanwalt rechtshängig macht. Er kann sich aber auch in der passiven Lage befinden, dass sich ein solcher Zahlungsanspruch – berechtigter- oder unberechtigterweise – gegen ihn richtet. Er wehrt sich in diesem Fall gegen die Inanspruchnahme durch einen anderen. Damit verteidigt er sein Recht, nicht zahlen zu müssen. Für diese Art der Rechtsverfolgungskosten findet sich oft der Terminus der Rechtsabwehr- oder Rechtsverteidigungskosten123. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass unter dem Begriff der Kosten der Rechtsverfolgung all jene Aufwendungen zu verstehen sind, die dadurch entstehen, dass Maßnahmen ergriffen werden, um (vermeintliche) Rechte durchzusetzen oder eine (vermeintlich) unberechtigte Inanspruchnahme abzuwehren.

C. Abgrenzung des privaten vom beruflichen Rechtsverfolgungsaufwand I. Betriebsausgaben / Werbungskosten oder Privatausgaben Erwerbsaufwendungen sind aus Gründen der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung von Gewinn- und Überschusseinkünften124 einheitlich vom Wortlaut des § 4 Abs. 4 EStG ausgehend zu bestimmen. Die dort zu findende Formulierung „veranlasst“ ist gesetzlicher Anknüpfungspunkt sowohl für Werbungskosten als auch für Betriebsausgaben125. Erwerbsaufwendungen sind danach solche Kosten, die durch eine Erwerbstätigkeit mit Einkünfteerzielungsabsicht veranlasst sind126. Das ist der Fall, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind127. Speziell für die entsprechende Abgrenzung im Bereich gerichtlicher Prozesskosten ist dabei nach Ansicht des Bundesfinanzhofs zu Recht auf die Qualifikation derjenigen Aufwendungen abzustellen, die Gegenstand des Ausgangsprozesses waren128. Um jedoch auch bei „Prozesskosten im weiteren Sinne“129 zwischen privaten und beruflichen Kosten unterscheiden zu können, sollte die Formel daran 123

Insbesondere im Zivilrecht fällt dieser Begriff häufig im Zusammenhang mit der sogenannten Anspruchsberühmung, vgl. dazu Hofmann, ZfPW 2018, 152 ff.; grundlegend auch zur Erstattungsfähigkeit solcher Rechtsverteidigungskosten Deckenbrock, NJW 2009, 1247 ff. 124 Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 230 m. w. N.; Söhn, DStJG 3 (1980) S. 13, 31 rekurriert ebenso auf das objektive Nettoprinzip. 125 So befürwortet schon Söhn, DStJG 3 (1980), S. 13, 31 den Gleichlauf von Betriebsausgaben und Werbungskosten. 126 Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 208; Spindler, in: FS Lang, S. 589, 593 f.; ausführlich Söhn, DStJG 3 (1980), S. 13 ff. 127 BFH v. 4.7.1990 – GrS 2–3/88, BStBl. II 1990, 817, 823. 128 BFH v. 9.10.2013, IX R 25/12, BStBl. II 2014, 102, 103; v. 25.6.2009  – IX R 47/08, BFH / N V 2010, 396; v. 15.11.2005 – IX R 3/04, BStBl. II 2006, 258, 259; v. 1.12.1987 – IX R 134/83, BStBl. II 1988, 431, 432; zum Ganzen auch Urban, NJW 2017, 3189, 3191. 129 Dazu bereits oben sub Kap. 2 B. II.

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Kap. 2: Abzugstatbestand und Abzugsgegenstand

anknüpfend allgemeiner gefasst werden: Entscheidend für die Zuordnung der hier ausgelösten Kosten zum privaten oder steuerbaren, regelmäßig beruflichen Bereich des Steuerpflichtigen ist das Begehren desjenigen, der damit seine Rechte durchsetzen möchte. Soweit dieses privat veranlasst ist, sind die Prozesskosten auch steuerlich entsprechend zu würdigen – und umgekehrt. Sind Kosten der Rechtsverfolgung durch steuerbare Einkünfte veranlasst, so lassen sie sich unproblematisch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehen130. So sind die Kosten eines arbeitsgerichtlichen Prozesses regelmäßig der Berufssphäre zurechenbar. Betrifft der Rechtsstreit das Zahlen von Arbeitslohn, das Feststellen der Unwirksamkeit einer Kündigung nach dem KSchG oder den Inhalt eines Arbeitszeugnisses, so können die aus diesem Rechtsstreit erwachsenen Kosten beim Arbeitnehmer als Werbungskosten, beim Arbeitgeber als Betriebsausgaben berücksichtigt werden131. Die Würdigung dieser beruflichen Kosten zur Verteidigung von Rechten ist im Einzelnen – wie bereits erwähnt132 – nicht Gegenstand dieser Arbeit. Sie wird deshalb nachfolgend nur insoweit angesprochen, als es die Abgrenzung zum privaten Bereich des Steuerpflichtigen erfordert.

II. „Gemischte Aufwendungen“ Auch beim Aufwand zur Rechtsverfolgung sind Fälle denkbar – und auch schon vom Bundesfinanzhof behandelt133  –, in denen die Kosten teilweise beruflich, teilweise privat veranlasst sind. Seit der Entscheidung des Großen Senats vom 21.9.2009134 gilt für derartige „gemischte Aufwendungen“ auch in der Rechtsprechung ein umfassendes Aufteilungsgebot135. Zuvor hatte das Gericht aus § 12 Nr. 1 S. 2 EStG überwiegend ein umfassendes Aufteilungs- und Abzugsverbot für Aufwendungen hergeleitet, für die eine unproblematische Aufteilung in den beruflich und den privat veranlassten Teil nicht möglich war136. Liegen nun nach den vorgestellten Veranlassungsgrundsätzen „gemischte Prozesskosten“ vor, so sind auch diese aufzuteilen. Zum Veranschaulichen sollen hier zwei kleine Beispiele genügen: Verfolgt ein Kläger in einem bürgerlichen Rechts 130 Zur Kasuistik Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 4 Rn. 520 Stichwort „Prozess-/Rechtsverfolgung“; Krüger, in: Schmidt, EStG, § 19 Rn. 110 Stichwort. „Prozesskosten“; Bode, in: Kirchhof, EStG, § 4 Rn. 257 Stichwort „Rechtsverfolgungskosten“. 131 BFH v. 9.2.2012 – VI R 23/10, BStBl. II 2012, 829, 830; v. 5.7.1963 – VI 272/61 S, BStBl. III 1963, 499, 500; v. 25.8.1961 – VI 99/59 S, BStBl. III 1961, 482. 132 Vgl. dazu oben sub Kap. 1 C. 133 Vgl. BFH v. 20.1.2016 – VI R 14/13, BFH / N V 2016, 1142, 1144: „Für den Anspruch auf entgangene Einkünfte wird schon zu prüfen sein, ob insoweit ein Werbungskostenabzug in Betracht kommt“. 134 BFH v. 21.9.2009 – GrS 1/06, BStBl. II 2010, 672, 680 ff. 135 Dazu G. Kirchhof, in: FS Lang, S. 563 ff.; Spindler, in: FS Lang, S. 589 ff. 136 Siehe etwa BFH v. 19.10.1970 – GrS 2/70, BStBl. II 1971, 17, 20; hierzu ausführlich Söhn, DStJG 3 (1980), S. 13, 51 ff.

C. Abgrenzung des privaten vom beruflichen Rechtsverfolgungsaufwand 

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streit mehrere Anträge, von denen der eine der beruflichen, der andere der privaten Sphäre zuzuordnen ist, so können die Kosten entsprechend der jeweiligen Streitwertanteile klar in beruflich und privat aufgeteilt werden137. Sie sind dann anhand der jeweiligen Voraussetzungen der in Rede stehenden Abzugsnormen zu würdigen. Ist eine solche klare Abgrenzung hingegen nicht möglich – etwa für den Fall, dass der Unternehmer zu einem Betriebsjubiläum Geschäftspartner und private Freunde einlädt und anschließend ein Zivilverfahren gegen den Caterer wegen verdorbenen Essens führt – muss gleichwohl aufgeteilt werden. In solchen Fällen muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles nachgeprüft werden, inwieweit das „auslösende Moment“ im Bereich der beruflichen Tätigkeit liegt und dieser zugeordnet werden kann138. Notfalls ist zu schätzen139.

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So BFH v. 17.12.2015 – VI R 7/14, BFH / N V 2016, 817, 818; v. 19.11.2015 – VI R 42/14, BFH / N V 2016, 739, 741 jeweils für den Fall, dass nur die Kosten eines Klageantrags zwangsläufig i. S. v. § 33 EStG sind. 138 Spindler, in: FS Lang, S. 589, 594. 139 Spindler, in: FS Lang, S. 589, 594.

Kapitel 3

Rechtsverfolgungskosten in der Praxis A. Rechtsprechung bis ins Jahr 2011 Das Preußische Oberverwaltungsgericht wie der Reichsfinanzhof haben zur einkommensteuerlichen Abzugsfähigkeit privater Prozesskosten – soweit ersichtlich  – nicht entschieden1. Erstmals befasste sich der Bundesfinanzhof im Jahre 1955 mit der Problematik anhand der Frage, ob Kosten eines Strafverfahrens als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind2. Die Norm des § 33 EStG hatte seit ihrer ursprünglichen Fassung im EStG 19343 bis ins Jahr 1954 wesentliche Veränderungen erfahren4. Seither hatte das Münchener Gericht vielfach Gelegenheit, sich zur entsprechenden Abziehbarkeit zu äußern. Um es vorwegzunehmen: Es lehnte den Abzug, so insbesondere von Zivilprozesskosten, als außergewöhnliche Belastungen grundsätzlich ab. Nur in Ausnahmefällen gewährten die Münchener Richter die Steuerverschonung. Die nachfolgende Darstellung der Rechtsprechung zu gerichtlichen Prozesskosten erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll einen groben Überblick über die Argumentationslinien bis zur Änderung der Rechtsprechung im Jahre 20115 vermitteln.

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Allerdings befasste sich RFH v. 13.5.1933 – VI A 1093 u. a., RStBl. 1933, 1004 mit der Frage, ob beruflich veranlasste Aufwendungen infolge eines finanzgerichtlichen Verfahrens als Betriebsausgaben anzuerkennen sind. Der RFH bejahte diese Frage entgegen der Auffassung des Finanzamts. Die Kosten seien „also durch den Betrieb bedingt“. Dagegen befasste sich RFH v. 13.6.1933 – VI A 2032/32, RStBl. 1933, 1004 f. insoweit mit privaten Prozesskosten, als das Gericht ausführte, dass Kosten eines erbrechtlichen Verfahrens nicht beruflich veranlasst seien. Eine Abziehbarkeit privat veranlasster Prozesskosten zog das Gericht hingegen nicht in Erwägung. 2 BFH v. 21.7.1955 – IV 373/54 U, BStBl. III 1955, 338. 3 Einkommensteuergesetz v. 16.10.1934, RGBl. I, S. 1005. 4 Die letzte große Änderung kam durch das sog. Gesetz zur Neuordnung von Steuern v. 16.12.1954 (BGBl. I, S. 373); freilich gab es anschließend auch noch weitere Änderungen, vgl. zur ganzen Rechtsentwicklung wie zu Vorläuferregelungen des § 33 EStG Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn.  2; Arndt, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 33 Rn. A 29 ff.; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 579 f. 5 BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015.

A. Rechtsprechung bis ins Jahr 2011

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I. Kosten allgemeiner Zivilsachen6 Am Anfang der Rechtsprechung zur Abziehbarkeit von zivilprozessualen Kosten steht eine Entscheidung im Zusammenhang mit einem erbrechtlichen Streit7. In dem Verfahren vor dem Zivilgericht hatte die Steuerpflichtige vergeblich versucht, einen Vermächtnisanspruch abzuwehren, dem sie als Alleinerbin ihres Vaters ausgesetzt war. Der Bundesfinanzhof lehnte es schon deshalb ab, die Norm des § 33 EStG für die hier ausgelösten Kosten anzuwenden, weil es im Erbrecht regelmäßig um das – von § 33 EStG grundsätzlich nicht geschützte – Vermögen ginge. Nur wenn in einem erbrechtlichen Verfahren das Vermögen in Gänze, in seinem Bestand gefährdet sei, könne § 33 EStG ausnahmsweise greifen8. Im Übrigen widersprach das Gericht auch der Argumentation der Klägerin, nach der die Kosten deshalb zwangsläufig gewesen seien, weil die Rechtslage sehr unklar und insbesondere für Laien nicht durchschaubar gewesen sei. Eine gerichtliche Klärung sei unausweichlich gewesen. Dem hielt der Bundesfinanzhof entgegen, dass die Finanzverwaltung bei einer solchen Betrachtungsweise vor die für sie schwer lösbare Aufgabe gestellt würde, Zivilrechtstreite in ihrer Zweckmäßigkeit zu bewerten, letztlich sogar eine Würdigung der Urteile der ordentlichen Gerichte durch die Finanzämter zu befürchten sei9. Im Zusammenhang mit einer Entscheidung zu Kosten eines Mietprozesses setzte sich das Münchener Gericht dann detaillierter mit den Tatbestandsmerkmalen des § 33 EStG auseinander10. In dem Ausgangsverfahren vor dem Amtsgericht wehrte sich der Steuerpflichtige gegen die Kündigung seines Mietverhältnisses und das Räumungsbegehren des Vermieters. Während der Bundesfinanzhof in diesem Fall die Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen anerkannte, verneinte er das Merkmal der Zwangsläufigkeit. Er argumentierte, dass jeder, der einen Rechtsstreit führe, von vornherein einen Verlust einkalkulieren müsse. Damit sei auch damit zu rechnen, möglicherweise die Prozesskosten auferlegt zu bekommen. Das prozessuale Kostenrisiko werde insoweit freiwillig eingegangen, weshalb die von § 33 EStG vorausgesetzte Zwangsläufigkeit nicht gegeben sei11. Im Übrigen stünde der Beachtlichkeit der Mietprozesskosten der Umstand entgegen, dass die Klägerin mit dem Verfahren ihre Mietwohnung zu erhalten versuchte. Aufwendungen für die Wohnung als private Ausgaben seien im Einkommensteuerrecht jedoch nicht zu berücksichtigen12.

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Zu Kosten der Ehescheidung siehe sogleich sub Kap. 3 A. II. BFH v. 11.10.1956 – IV 135/55 U, BStBl. III 1956, 383. 8 BFH v. 11.10.1956 – IV 135/55 U, BStBl. III 1956, 383, 384. 9 BFH v. 11.10.1956 – IV 135/55 U, BStBl. III 1956, 383, 384. 10 BFH v. 22.8.1958 – VI 148/57 U, BStBl. III 1958, 419. 11 BFH v. 22.8.1958 – VI 148/57 U, BStBl. III 1958, 419, 420. 12 BFH v. 22.8.1958 – VI 148/57 U, BStBl. III 1958, 419, 420. 7

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Kap. 3: Rechtsverfolgungskosten in der Praxis 

Diese Rechtsprechung führte der Bundesfinanzhof zunächst in einem weiteren Fall zu Mietprozesskosten fort13. Anschließend weitete er sie auf sämtliche Kosten zivilprozessualer Streitigkeiten aus: So sei auch im Zusammenhang mit den Kosten eines Verfahrens, in dem ein Kläger Schadensersatz aus der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten geltend machte, zu beachten, dass auch diese entstünden, weil sich der Steuerpflichtige freiwillig dazu entschlossen habe, den Klageweg zu beschreiten14. Einen Abzug konnte daraufhin ausnahmsweise ein Steuerpflichtiger geltend machen, der sich erfolglos gegen eine Klage verteidigt hatte15. Dieser war beim unachtsamen Überschreiten einer Straße mit einem Motorradfahrer kollidiert, in dessen Folge der Motorradfahrer verstarb. Die Hinterbliebenen machten daraufhin in Zivilprozessen Schadensersatzansprüche gegen den Steuerpflichtigen geltend. Zunächst knüpfte der Senat an seine Rechtsprechung an und bemerkte, dass Prozesskosten aufgrund des freiwillig eingegangenen Prozesskostenrisikos nicht abzugsfähig seien16. Erstmals erwähnte der Bundesfinanzhof auch, dass deshalb eine „Vermutung“ gegen die Zwangsläufigkeit von Prozesskosten spreche17. Der Steuerpflichtige wurde jedoch, so das Gericht, im gegenständlichen Fall „in den Zivilprozess als Beklagter hineingezogen“. Aus diesem Grund habe er das Prozess­ kostenrisiko auch nicht „freiwillig“ übernommen18. Diese Differenzierung zwischen Kläger- und Beklagtenseite gaben die Münche­ ner Richter in Folgeentscheidungen jedoch wieder auf. Die Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit von Zivilprozesskosten gelte unabhängig von der Frage, ob der Steuerpflichtige im Ausgangsrechtstreit Kläger oder Beklagter sei19. Auch ein Beklagter setzte die Ursache der Aufwendungen dadurch, dass er außerprozessual Anlass zur Klagerhebung gegeben habe oder den Anspruch nicht sofort nach § 93 ZPO anerkenne20. Grundsätzlich spreche deshalb insgesamt eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit von Zivilprozesskosten21. Allein für einzelne Prozesse könne eine andere Beurteilung geboten sein. Bei diesem Blick auf den Einzelfall sei stets die 13

BFH v. 23.6.1961 – VI 158/60, BeckRS 1961, 21008153. BFH v. 19.10.1962 – VI 159/61, NJW 1963, 127, 128, insoweit anknüpfend an BFH v. 22.8.1958 – VI 148/57 U, BStBl. III 1958, 419; BFH v. 19.10.1962 – VI 159/61, NJW 1963, 127, 128 machte zugleich deutlich, dass Prozesskosten regelmäßig auch nicht unter die Kategorie der – anerkanntermaßen abzugsfähigen – Gesundheitskosten fallen können. Denn der vergebliche Versuch, von der beklagten Stadt Schmerzensgeld und Schadensersatz zu verlangen, sei in seiner kostenmäßigen Dimension nicht vergleichbar mit Gesundheitskosten. 15 BFH v. 5.7.1963 – VI 272/61 S, BStBl. III 1963, 499. 16 BFH v. 5.7.1963 – VI 272/61 S, BStBl. III 1963, 499, 500. 17 BFH v. 5.7.1963 – VI 272/61 S, BStBl. III 1963, 499, 500. 18 BFH v. 5.7.1963 – VI 272/61 S, BStBl. III 1963, 499, 500 f. Dies könne hiernach aber auch abweichend gelagert sein, wenn der Beklagte aufgrund eines vorsätzlichen oder grob fahrlässi­ gen Verhaltens im Straßenverkehr verklagt werde. 19 BFH v. 18.7.1986 – III R 178/80, BStBl. II 1986, 745, 747. 20 BFH v. 18.7.1986 – III R 178/80, BStBl. II 1986, 745, 747. 21 BFH v. 18.7.1986 – III R 178/80, BStBl. II 1986, 745, 747. 14

A. Rechtsprechung bis ins Jahr 2011

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„durch die Gegebenheiten des Einzelfalles hervorgerufene Zwangsläufigkeit von der gene­ rellen und rein rechtlichen Notwendigkeit, zur weiteren Verfolgung von Ansprüchen richterliche Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen, zu unterscheiden.“22

Diese Aussage ist bemerkenswert. Denn in der späteren Entscheidung vom 12.5.2011 haben die Münchener Richter das genaue Gegenteil vertreten. Nicht eine einzelfallorientierte, sondern eine pauschale Begründung sei angezeigt, um Prozesskosten steuerlich zu handhaben23. Als Zwischenfazit ist festzuhalten, dass Zivilprozesskosten nach Ansicht des Bundesfinanzhofs grundsätzlich nicht zwangsläufig seien, weil sich Steuerpflichtige freiwillig auf – möglicherweise kostenverursachende – Rechtsstreite einließen. Gleichzeitig betonte das höchste deutsche Gericht für Steuern und Zölle aber auch, dass dieser Grundsatz nicht „starr“ angewendet werden dürfe, dass für „einzelne Gruppen von Rechtsstreitigkeiten und für einzelne Prozesse […] eine andere Beurteilung geboten sein [könne]“24. Dieser Hinweis auf einen möglichen Ausnahmefall zu Kosten allgemeiner Zivilsachen findet sich in nahezu jedem Urteil, jedoch wurde dieser lange Zeit nicht konkretisiert, bis es schließlich zu dem Urteil vom 9.5.1996 kam25. Dessen Begründung begann der Bundesfinanzhof damit, dass er zunächst die Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit von Prozesskosten wiederholte26. Eine Ausnahme hiervon sei aber geboten, wenn der vom Steuerpflichtigen geführte Rechtsstreit einen „existenziell wichtigen Bereich“ betreffe27. Dieser sei angesprochen, „wenn der Steuerpflichtige, ließe er sich nicht auf den Rechtsstreit ein, Gefahr laufen würde, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse im üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können“.28

Die Richter beschränkten sich dabei auf den bloßen Hinweis, dass eine solche Ausnahme denkbar sei29. Unter welchen konkreten Umständen der „existenziell wichtige Bereich“ einschlägig sei, ließen sie aufgrund mangelnder Entscheidungs­ erheblichkeit offen. Die Wurzeln der hier verwendeten unbestimmten Begriffe, 22

BFH v. 18.7.1986 – III R 178/80, BStBl. II 1986, 745, 747. BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015; vgl. dazu auch unten sub Kap. 3 B. I. 24 So BFH v. 18.7.1986 – III R 178/80, BStBl. II 1986, 745, 747. 25 BFH v. 9.5.1996 – III R 224/94, BStBl. II 1996, 596. 26 BFH v. 9.5.1996 – III R 224/94, BStBl. II 1996, 596, 597. Der Senat fügte a. a. O., 598 auch hinzu, dass insbesondere bei vertraglichen Ansprüchen ein Abzug regelmäßig nicht in Betracht komme. Denn die Beteiligten hätten ihre Beziehungen durch Vertragsgestaltung derart konkret regeln können, dass ein Prozess überflüssig sei. 27 BFH v. 9.5.1996 – III R 224/94, BStBl. II 1996, 596, 598. 28 BFH v. 9.5.1996 – III R 224/94, BStBl. II 1996, 596, 598. 29 BFH v. 9.5.1996 – III R 224/94, BStBl. II 1996, 596, 599 urteilte zugleich über Kosten eines Schiedsverfahrens. Diese seien deshalb nicht zwangsläufig, weil der Steuerpflichtige die Ursache für ihr Entstehen durch den freiwilligen Entschluss zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung selbst gesetzt habe. Dies gelte auch insofern für die Kosten eines Verfahrens vor den ordentlichen Gerichten, als diese darüber befinden, welches Gericht für Maßnahmen gegen schiedsgerichtlich titulierte Ansprüche zuständig sei. 23

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Kap. 3: Rechtsverfolgungskosten in der Praxis 

die der Gesetzgeber später wortgetreu in den heutigen § 33 Abs. 2 S. 4 EStG aufgenommen hat30, liegen im Jahre 199431. Dort ging es um die Frage, inwieweit Kosten zur Beseitigung eines Wasserschadens im privaten Wohnhaus nach § 33 EStG berücksichtigungsfähig sind. Im dortigen Fall war nach Ansicht des Senats miteinzubeziehen, dass die Kosten dem Wiederherstellen des Wohnhauses dienten, welches dem „existenziell wichtigen Bereich“ zuzuordnen sei32. Die grundsätzliche Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit von Zivilprozesskosten inklusive der Ausnahme des „existenziellen Bereichs“ wurde im Anschluss an das Grundsatzurteil vom 9.5.1996 ständige Rechtsprechung33. Im Jahre 2001 führte schließlich ein Verfahren dazu, dass ein Steuerpflichtiger Verfahrenskosten nach § 33 EStG abziehen konnte. Es ging dabei um Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen vor dem Familiengericht entstanden waren, als er das Umgangsrecht für sein nichteheliches Kind gegen die Kindesmutter erstreiten wollte34. Der Bundesfinanzhof führte jetzt einen neuen Fall ein. So sei hier nicht der „existenziell wichtige Bereich“, sondern „eine weitere Ausnahme“35 zu bejahen. Denn im Zusammenhang mit dem Recht auf Umgang mit seinen biologischen Kindern sei ein „Kernbereich menschlichen Lebens“ betroffen. Der Wunsch des Vaters nach gegenseitiger Liebe und Nähe sei ein „elementares menschliches Bedürfnis“36. Der Vater sei im Übrigen auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts37 als nichtehelicher Vater von Art. 6 Abs. 1 GG geschützt. Da die Kindesmutter den Umgang des Kindes mit dem biologischen Vater verweigerte, sei dieser gezwungen gewesen, das Vormundschaftsgericht nach § 1711 Abs. 2 BGB a. F.38 anzurufen39. 30

Eingefügt durch das AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013 (BGBl. I, S. 1809), vgl. zum Ganzen unten sub Kap. 3 C. 31 BFH v. 6.5.1994 – III R 27/92, BStBl. II 1995, 104. 32 BFH v. 6.5.1994 – III R 27/92, BStBl. II 1995, 104, 108. Mit dieser Entscheidung gab der BFH auch seine bisherige Rechtsprechung insoweit auf, als es für einen Abzug nach § 33 EStG nunmehr unschädlich war, dass bestimmte Kosten der Vermögenssphäre zuzuordnen waren (vgl. BFH, a. a. O., 107). Dies hatte deshalb Auswirkungen auf die Behandlung von Prozesskosten, weil der BFH auch mit dem Argument der Vermögenssphäre im Jahre 1956 den Abzug noch in einem Fall verworfen hatte, der in der Vermögensphäre des Steuerpflichtigen anzusiedeln war (vgl. BFH v. 11.10.1956 – IV 135/55 U, BStBl. III 1956, 383, 384). 33 Etwa BFH v. 18.3.2004 – III R 24/03, BStBl. II 2004, 726, 727; v. 23.5.2001 – III R 33/99, BFH / N V 2001, 1391, 1392; v. 18.6.1997 – III R 60/96, BFH / N V 1997, 755, 757. 34 BFH v. 4.12.2001 – III R 31/00, BStBl. 2002, 382, 383. 35 BFH v. 4.12.2001 – III R 31/00, BStBl. 2002, 382, 384. 36 BFH v. 4.12.2001 – III R 31/00, BStBl. 2002, 382, 384. 37 BVerfG v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, BVerfGE 92, 158, 177 ff. 38 I.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts auf elterliche Sorge v. 18.7.1979 (BGBl. I, S. 1061). 39 BFH v. 4.12.2001 – III R 31/00, BStBl. 2002, 382, 384 führte ferner hinsichtlich der anschließenden Verfassungsbeschwerde grundsätzlich aus, dass die damit zusammenhängenden Kosten abziehbar seien, wenn die Verfassungsbeschwerde erforderlich ist, um Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte durchzusetzen. Das sei aber regelmäßig erst dann zu bejahen, wenn die Verfassungsbeschwerde im Ergebnis auch Erfolg hatte. Im zu entscheidenden Fall hatte das BVerfG die Verfassungsbeschwerde aber erst gar nicht zur Entscheidung an­

A. Rechtsprechung bis ins Jahr 2011

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Im Bereich der Ausnahmefälle verdient es auch die Entscheidung vom 18.3.2004, erwähnt zu werden40: Hier beantragte ein Kind erfolgreich, einen Steuerpflichtigen als seinen Vater feststellen zu lassen, dem schließlich auch die Kosten dieses Verfahrens auferlegt worden sind41. Zwar könne das Vaterschaftsfeststellungsverfahren grundsätzlich zu denjenigen Verfahren gehören, in denen es um den „Kernbereich menschlichen Lebens“ gehe42. Wenn sich aber ein potenzieller Vater gegen ein entsprechendes Begehren wehrt, unterscheide sich das Verfahren letztlich nicht von einem normalen Zivilprozess, bei dem die Ansprüche auf Geld oder Geldeswert gerichtet sind43. Denn mit dem Verteidigen gegen die Vaterschaft wolle der Vater unterhalts- und erbrechtliche Ansprüche abwehren44. Insgesamt ist festzuhalten, dass die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in Bezug auf Zivilverfahrenskosten bis zur Entscheidung vom 12.5.2011 stets restriktiv war und sich kaum gewandelt hat. Über all die Jahre war der Abzug grundsätzlich ausgeschlossen. Während das Gericht in seinen ersten Entscheidungen stets betonte, dass eine Betrachtung aber nie „starr“ erfolgen dürfe, hat sich zur Konkretisierung von Ausnahmefällen seit den 1990er Jahren die Formel einerseits des „existenziell wichtigen Bereichs“ und andererseits des „Kernbereich menschlichen Lebens“ herausgebildet.

II. Kosten der Ehescheidung Abweichend von dieser sehr restriktiven Linie hat der Bundesfinanzhof seit jeher für Kosten der Ehescheidung die Bestimmungen des Gesetzes steuerzahlerfreundlich ausgelegt. Zwar hatte das Gericht in einer ganz frühen Entscheidung noch die Ansicht vertreten, dass ein Abzug ausscheiden müsse, wenn der Steuerpflichtige die Scheidung „bewusst herbeigeführt“ hat45. Soweit er also des Scheiterns der Ehe schuldig war  – wie es nach dem hierfür maßgeblichen ehelichen Schuldprinzip noch bis zum 30.6.1977 möglich war46 –, so seien die Kosten nicht genommen, da die Sache keine grundlegende Bedeutung mehr gehabt hatte: So konnte die vermeintliche Grundrechtsverletzung durch eine Abänderungsklage beseitigt werden, nachdem zwischenzeitlich § 1711 BGB a.F durch das Kindschaftsreformgesetz v. 16.12.1997 (BGBl. I, S. 2942) aufgeboben worden war (siehe dazu auch unten sub Kap. 7 C. I.). Auch wenn nicht feststehe, dass es aufgrund des alten Rechts zu einer Grundrechtsverletzung gekommen war, so sei der Steuerpflichte dennoch Opfer einer verwirrenden Rechtslage und insoweit gezwungen gewesen, die Verfassungsbeschwerde zu erheben. Er konnte auch diese Kosten abziehen. 40 BFH v. 18.3.2004 – III R 24/03, BStBl. II 2004, 726. 41 BFH v. 18.3.2004 – III R 24/03, BStBl. II 2004, 726. 42 BFH v. 18.3.2004 – III R 24/03, BStBl. II 2004, 726, 727. 43 BFH v. 18.3.2004 – III R 24/03, BStBl. II 2004, 726, 728. 44 BFH v. 18.3.2004 – III R 24/03, BStBl. II 2004, 726, 728. 45 BFH v. 22.9.1955 – IV 616/53 U, BStBl. III 1955, 347, 348. 46 Die Abschaffung des Schuldprinzips im Rahmen der Ehescheidung erfolgte erst mit Wirkung zum 1.7.1977 durch das 1. EheRG vom 14.6.1976 (BGBl. I, S. 1421), dazu Budzikiewicz, in: Jauernig, BGB, Einf. §§ 1564 ff. Rn. 1.

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Kap. 3: Rechtsverfolgungskosten in der Praxis 

zwangsläufig und deshalb nicht nach § 33 Abs. 1 EStG anzuerkennen47. Auch das Finanzgericht Düsseldorf war im Jahre 1967 noch der Ansicht, dass der Abzug von Scheidungskosten eines schuldhaft Geschiedenen ausgeschlossen sei48. Es stützte sich dabei sogar auf das Grundrecht des Art. 6 Abs. 1 GG, das verletzt würde, wenn ein schuldhaft geschiedener Ehegatte die Scheidungskosten einkommensteuerlich abziehen könnte49. Diese in den Kontext der damaligen Rechtslage einzuordnende und vor diesem Hintergrund zu verstehende Entscheidung konnte einer revisionsrechtlichen Überprüfung indes nicht standhalten50. Interessant ist dieses finanzgerichtliche Urteil aber vor allem deshalb, weil es sich nicht in die höchstrichterliche Rechtsprechung einfügte. Vielmehr widersetzte es sich dieser gerade. So hatte der Bundesfinanzhof bereits im Jahre 1958 seine abzugsverwehrende Rechtsprechung zu Scheidungskosten aufgegeben51. Die Zwangsläufigkeit begründete der erkennende Senat in einer nachfolgenden Entscheidung mit rechtlichen Gründen52. Um eine Ehe zu Lebzeiten aufzuheben, bliebe den Eheleuten keine andere Möglichkeit als diejenige der Inanspruchnahme der Gerichte. Nur durch gerichtliche Scheidung könne die Ehe aufgelöst werden53. Deshalb sei die Frage, welcher der beiden Ehegatten das Scheitern der Ehe zu verantworten habe, überhaupt nicht entscheidend. Auch ein „schuldig“ geschiedener Steuerpflichtiger könne damit in den Genuss der Steuerersparnis kommen54. Dabei betonte das Gericht aber – dem damaligen Zeitgeist entsprechend –, dass mit einer solchen rechtlichen Würdigung von Scheidungskosten keine „sittliche Wertung des Verhaltens von Ehegatten“ verbunden sei55. Weitestgehend ungeklärt war allerdings weiterhin die Frage, in welchem Umfang ein dem Grunde nach möglicher Abzug von Scheidungskosten zuzusprechen war. Nicht abziehbar waren jedenfalls Detektivkosten, die einem Steuerpflichtigen in diesem Zusammenhang entstanden waren56. So sollte ein Privatermittler Beweise beschaffen, um im Scheidungsverfahren widerklagend zumindest eine Teilschuld der Ehefrau am Scheitern der Ehe zu belegen. Dies begründete der Bundesfinanzhof damit, dass Detektivkosten nicht „unmittelbar und unvermeidbar durch die prozessuale Durchführung des Ehescheidungsverfahrens entstehen“57. 47

BFH v. 22.9.1955 – IV 616/53 U, BStBl. III 1955, 347, 348. FG Düsseldorf v. 11.5.1967 – IX 415/66 E, EFG 1967, 561. 49 FG Düsseldorf v. 11.5.1967 – IX 415/66 E, EFG 1967, 561. 50 Vgl. BFH v. 23.02.1968 – VI R 239/67, BStBl. II 1968, 407. 51 BFH v. 21.3.1958 – VI 14/54 U, BStBl. III 1958, 329. 52 BFH v. 23.2.1968 – VI R 239/67, BStBl. II 1968, 407. 53 BFH v. 23.2.1968 – VI R 239/67, BStBl. II 1968, 407. 54 BFH v. 23.2.1968 – VI R 239/67, BStBl. II 1968, 407. 55 BFH v. 23.2.1968 – VI R 239/67, BStBl. II 1968, 407 f. Es sei hiernach im Besteuerungsverfahren auch nicht angemessen, von Seiten der Finanzverwaltung ähnlich wie im Scheidungsverfahren tief in die Privatsphäre der Beteiligten mit all den wiederkehrenden Belastungen des Prozesses einzutauchen, um die Schuldfrage zu klären. 56 BFH v. 8.11.1974 – VI R 22/72, BStBl. II 1975, 111. 57 BFH v. 8.11.1974 – VI R 22/72, BStBl. II 1975, 111. 48

A. Rechtsprechung bis ins Jahr 2011

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Die Argumentation, dass die Scheidung die einzige Möglichkeit sei, die eheliche Verbindung aufzuheben, trage insoweit nicht. Gleiches gelte für die Kosten, die durch die außergerichtliche vermögensrechtliche Auseinandersetzung und durch die Änderung eines Testaments als Folge der Scheidung verursacht werden58. In der Folgezeit begründete der Bundesfinanzhof die Zwangsläufigkeit von Kosten der Ehescheidung dann weniger mit rechtlichen als mit tatsächlichen Gründen59. So ließen sich Ehepartner nur dann scheiden, wenn ihre Ehe gescheitert sei. In diesem Fall sei es den Beteiligten aber nicht zumutbar, weiter miteinander verheiratet zu sein60; sie seien aus tatsächlichen Gründen gezwungen, das mit Kosten verbundene Scheidungsverfahren zu durchlaufen61. Im Anschluss entschied der Bundesfinanzhof zunächst überwiegend, welche Kosten jedenfalls nicht als Folgekosten der Scheidung abziehbar waren62. Schließlich aber gab er hier eine klare Linie vor, welche Aufwendungen „unmittelbar und unvermeidbar“ aus der Ehescheidung erwachsen63. Er lehnte sich dabei an den verfahrensrechtlichen Begriff des Scheidungsverbundes an64. Danach konnten seit dem 1.7.1977 bestimmte Familiensachen aus dem Katalog des § 621 Abs. 1 ZPO a. F. (etwa Kindschafts-, Unterhalts- und Güterrechtssachen) als Folgesachen im sogenannten Verbundverfahren nach den §§ 623, 624 ZPO a. F. zusammen mit der eigentlichen Scheidungssache verhandelt werden65. Nach dem Urteil der Münchener Richter seien nun alle Kosten, die außerhalb des sogenannten Zwangsverbundes entstehen, nicht „unmittelbar und unvermeidbar“ durch das Scheidungsverfahren verursacht66. Übrig blieben damit nur die Anwalts- und Gerichtskosten für die reine Scheidung sowie die Kosten für den Versorgungsausgleich, der nach § 1587b BGB 58

BFH v. 10.2.1977 – IV R 87/74, BStBl. II 1977, 462, 463. Etwa BFH v. 2.10.1981 – VI R 38/78, BStBl. II 1982, 116. 60 BFH v. 2.10.1981 – VI R 38/78, BStBl. II 1982, 116, 117. 61 BFH v. 2.10.1981 – VI R 38/78, BStBl. II 1982, 116, 117 f. Die Richter ließen hier im Übrigen auch die Kosten eines Verfahrens über das Sorgerecht für die Kinder zum Abzug zu, einschließlich der Aufwendungen entsprechender Beschwerdeverfahren. So sei nach damaligem Recht eine Entscheidung des Gerichts zwingend erforderlich gewesen, selbst wenn sich die Ehegatten über das Sorgerecht einig gewesen wären. Deshalb seien diese Kosten ebenso „unmittelbar und unvermeidbar“ durch das Verfahren entstanden, vgl. dazu BFH, a. a. O., 118. 62 Etwa BFH v. 22.3.2002 – III B 158/01, BFH / N V 2002, 1025 (Darlehenszinsen des fremdfinanzierten Erwerbs des ehelichen Hauses zu Alleineigentum als Folge der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung); v. 21.2.1992 – III R 2/91, BFH / N V 1993, 356, 357 (Detektivkosten zur Abwehr von Trennungsunterhalt und Versorgungsausgleich). 63 BFH v. 30.6.2005 – III R 27/04, BStBl. II 2006, 492. 64 Dazu nach geltendem Recht Helms, in: Prütting / ders., FamFG, § 137 Rn. 1 ff.; Budzi­ kiewicz, in: Jauernig, BGB, Einf. §§ 1564 ff. Rn. 3. 65 Eingeführt durch das 1. EheRG v. 14.6.1976 (BGBl. I, S. 1421); ausführlich zur historischen Entwicklung wie Sinn und Zweck des Scheidungsverbunds Speckbrock, Scheidungsverbund, S. 13 ff.; zur Entwicklung des Scheidungsrechts aus dem Blickwinkel des § 33 EStG Müller, DStZ 1993, 459 ff. 66 BFH v. 30.6.2005 – III R 27/04, BStBl. II 2006, 492, 495; zu „unmittelbaren und unvermeidbaren“ Kosten schon BFH v. 8.11.1974 – VI R 22/72, BStBl. II 1975, 111. 59

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Kap. 3: Rechtsverfolgungskosten in der Praxis 

a. F. in der Regel von Amts wegen zu verhandeln und deshalb dem Zwangsverbund zuzurechnen war67. Alle übrigen Kosten anderer Angelegenheiten gehörten hingegen nicht zu den berücksichtigungsfähigen Scheidungskosten68. Ausschlaggebend war für den Bundesfinanzhof, dass den Eheleuten „Inhalt und Verfahren der Regelung ihrer Verhältnisse [also der Scheidungsregelungen] im Wesentlichen in gleicher Weise zur eigenverantwortlichen Gestaltung übertragen [sind] wie in bestehender Ehe oder im Falle nichtehelicher Beziehungen.“69

Dieser Klarstellung zum Trotz ist weiterhin erfolglos versucht worden, andere mit der Ehescheidung zusammenhängende Kosten geltend zu machen70. Das Urteil aus dem Jahre 2005, das die Abziehbarkeit auf den Umfang des Zwangsverbunds beschränkte, blieb jedoch ständige Rechtsprechung; blickt man über das Jahr 2011 hinaus, so konkretisierte der Bundesfinanzhof seine Linie ausdrücklich in der Weise, dass zu den abziehbaren Aufwendungen die der eigentlichen Scheidung und die des Versorgungsausgleichs gehören71.

III. Kosten eines Strafverfahrens Zu den Kosten privat veranlasster Strafverfahren entschied der Bundesfinanzhof erstmals im Jahre 1955, dass diese steuerrechtlich unbeachtlich seien72. Allein die Strafprozessordnung sei es, die bestimme, ob und in welchem Umfang Verfahrensbeteiligte entsprechende Kosten zu tragen hätten. Es könne nicht angehen, dass diese Grundsatzentscheidung über einen steuerrechtlichen Umweg – etwa § 33 EStG – übergangen werde73. Das gelte sowohl für den Fall des Schuldspruchs als auch für den des Freispruchs74. Derart streng blieb der Maßstab in der Folgezeit 67

So ausdrücklich BFH v. 30.6.2005 – III R 27/04, BStBl. II 2006, 492, 495. BFH v. 30.6.2005 – III R 27/04, BStBl. II 2006, 492, 495. 69 BFH v. 30.6.2005 – III R 27/04, BStBl. II 2006, 492, 495. 70 BFH v. 16.3.2007 – III B 99/06, BFH / N V 2007, 1304, 1305 (Aufwendungen zur Löschung einer Sicherungshypothek, um ein zuvor gemeinsam bewohntes Haus zu verkaufen). 71 BFH v. 15.6.2016 – VI R 26/13, BFH / N V 2016, 1562, 1563; v. 10.3.2016 – VI R 69/12, BFH / N V 2016, 1155, 1156; v. 20.1.2016  – VI R 66/12, BFH / N V 2016, 998, 1000 (jeweils Fälle vor dem Veranlagungszeitraum 2013); nach BFH v. 20.1.2016 – VI R 70/12, BFH / N V 2016, 905, 907 sei es dafür auch unbeachtlich, dass eine Scheidungsfolgensache tatsächlich im Scheidungsverbund verhandelt wird. Dies sogar dann, wenn dies gegen den ausdrücklichen Willen des einen Ehegatten auf Betreiben des anderen geschieht. 72 BFH v. 21.7.1955 – IV 373/54 U, BStBl. III 1955, 338, 340. 73 BFH v. 21.7.1955 – IV 373/54 U, BStBl. III 1955, 338, 340. Das Gericht schloss sich damit der Linie des RFH an, der bereits in RFH v. 8.8.1929 – VI A 1380/28, RStBl. 1929, 555 die Abziehbarkeit beruflich veranlasster Strafverfahrenskosten ablehnte. Auch Geldstrafen seien in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des RFH nicht abziehbar, ausführlich zur frühen Rechtsprechung im Bereich der Abziehbarkeit von Geldstrafen Becker, Die steuerliche Abziehbarkeit von Geldstrafen und Geldbußen, S. 6 ff. Zur hier nicht besprochenen Rechtsprechung im Bereich beruflich veranlasster Strafverfahrenskosten siehe ders., a. a. O., S. 40. 74 BFH v. 21.7.1955 – IV 373/54 U, BStBl. III 1955, 338, 340. 68

A. Rechtsprechung bis ins Jahr 2011

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dann aber nicht. Schon in der Entscheidung vom 15.11.195775 äußerten die Richter Zweifel an der Auffassung, dass die StPO für das öffentliche Recht und damit auch das Steuerrecht abschließend kläre, wie Kosten eines Strafprozesses zu behandeln seien. So gebe es Fälle, in denen dem Angeklagten trotz Freispruchs die Kosten des Verfahrens nach § 467 StPO auferlegt würden76. Es sei in solchen Fällen stets mit Blick auf die Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob Zwangsläufigkeit gegeben ist77. Bei einem rechtskräftig verurteilten Straftäter sei dies regelmäßig nicht zu bejahen. Er verursache die Kosten durch sein strafrechtlich relevantes, sozial inadäquates Verhalten und hätte durch ein Unterlassen dieses Verhaltens das Entstehen der Kosten vermeiden können78. Diese Argumentation könne aber nicht tragen, wenn der Angeklagte zwar verurteilt worden ist, er jedoch vor Eintritt der Rechtskraft verstirbt79. In diesen Fällen sei der Angeklagte kraft öffentlich-rechtlicher Verpflichtung in einen Prozess hineingezogen worden, ohne dass der staatliche Strafanspruch durchgesetzt werden konnte. Mit dem Tod vor Eintritt der Rechtskraft werde das Urteil gegenstandslos80. Auch das Argument, welches der Bundesfinanzhof im Urteil vom 21.7.1955 ins Feld geführt hatte, wonach Prozesskosten eine Nebenstrafe seien und auch deshalb nicht abgezogen werden dürfen81, könne hier nicht gelten82. Es bleibe einzig die öffentlich-rechtliche Verpflichtung, einen Strafprozess einzuleiten, weshalb die hier ausgelösten Kosten zwangsläufig seien83. Bei „teilweisem Freispruch“ – einer Konstellation, in der ein Angeklagter nur wegen bestimmter Anklagepunkte verurteilt, hinsichtlich anderer dagegen freigesprochen wird – konnten die Aufwendungen zwangsläufig sein, wenn zwischen den Anklagepunkten, wegen derer der Steuerpflichtige verurteilt wurde, und den übrigen Anklagepunkten kein Zusammenhang bestand84. Abgelehnt hat der Bundesfinanzhof den Abzug von Kosten eines Strafverfahrens, welches nach § 153a Abs. 2 StPO eingestellt worden ist85. Diese Kosten seien schon deshalb nicht zwangsläufig gewesen, weil das Verfahren nach § 153a Abs. 2 StPO nur mit Zustimmung des Beschuldigten eingestellt werde. Hätte der Beschuldigte auf eine 75

BFH v. 15.11.1957 – VI 279/56 U, BStBl. III 1958, 105. Die Norm des § 467 StPO a. F. sah es bis zum Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten v. 24.5.1968 (BGBl. I, S. 503) vor, dass in bestimmten Fällen des Freispruchs über die Kostentragung des Freigesprochenen eine Ermessensentscheidung zu treffen war. 77 BFH v. 15.11.1957 – VI 279/56 U, BStBl. III 1958, 105, 106 f. 78 BFH v. 15.11.1957 – VI 279/56 U, BStBl. III 1958, 105, 107. 79 BFH v. 21.6.1989 – X R 20/88, BStBl. II 1989, 831, 833 f. 80 BFH v. 21.6.1989 – X R 20/88, BStBl. II 1989, 831, 834. 81 So sinngemäß BFH v. 21.7.1955 – IV 373/54 U, BStBl. III 1955, 338, 340. 82 Das Verfahrenshindernis „Tod“ bewirke, dass straf- und steuerrechtliche Würdigung nicht in Widerspruch geraten können. Ein sozial inadäquates Verhalten des Steuerpflichtigen stehe nicht fest und könne die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen daher nicht ausschließen, vgl. dazu BFH v. 21.6.1989 – X R 20/88, BStBl. II 1989, 831, 834. 83 BFH v. 21.6.1989 – X R 20/88, BStBl. II 1989, 831, 834. 84 BFH v. 8.4.1964 – VI 165/62 S, BStBl. III 1964, 331, 332. 85 BFH v. 19.12.1995 – III R 177/94, BStBl. II 1996, 197. 76

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Kap. 3: Rechtsverfolgungskosten in der Praxis 

Einstellung verzichtet, so wäre er möglicherweise nach einer Hauptverhandlung freigesprochen worden86. In jüngeren Entscheidungen verlieh der Bundesfinanzhof seinen Grundsätzen zu Strafprozesskosten weitere Konturen. Im Falle des Schuldspruchs blieb es bei dem Ergebnis, dass diese Kosten nicht zwangsläufig seien87. Bei einem Freispruch entstünden dem Beschuldigten regelmäßig keine Kosten, § 467 Abs. 1 StPO. Soweit dies aber doch der Fall sei – etwa bei der Vereinbarung eines Verteidigerhonorars, das über den gesetzlichen Gebührenrahmen hinausgeht  –, so fehle auch diesen Aufwendungen die Zwangsläufigkeit88. Diese seien regelmäßig auf den freien Willen des Beschuldigten zurückzuführen. Die gesetzlichen Verteidigergebühren reichten aus, um eine effektive und qualifizierte Strafverteidigung zu erhalten89. Diese Grundsätze stünden auch nicht, so das Gericht, in Widerspruch zur früheren Rechtsprechung, nach der trotz eines Freispruchs mit Blick auf den Einzelfall bestimmte Kosten eines Strafprozesses zwangsläufig sein konnten90. Denn diese alte Linie habe mit dem § 467 StPO a. F. zusammengehangen. So habe es nach damaligem Recht in einigen Fällen im Ermessen des Gerichts gestanden, dem Angeklagten trotz Freispruchs bestimmte Kosten aufzuerlegen91. Zahlte ein Dritter die Kosten für den Beschuldigten, so lehnte der Bundesfinanzhof den Abzug früher rigide ab92. Nach Ansicht des Gerichts scheide jede Form der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen aus. Insbesondere seien die Kosten nicht aus sittlichen Gründen zwangsläufig93. Es gebe keine sittliche Pflicht insbesondere der hier regelmäßig als Zahler auftretenden Eltern, für die Kosten der Strafprozesse ihrer minderjährigen oder heranwachsenden Kinder aufzukommen – dies unabhängig davon, ob die Fälle besonders tragisch seien oder besondere Auswirkungen hätten94. In den 1990er Jahren gab er diese restriktive Rechtsprechung jedoch auf 95. Fortan konnten bestimmte Strafverfahrenskosten, die Eltern für ihre Kinder übernommen hatten, aus sittlichen Gründen zwangsläufig sein. Denn es werde als „moralisch anstößig [empfunden], wenn zwar volljährige, innerlich jedoch noch nicht gefestigte Kinder (Heranwachsende), deren Verfehlung strafrechtlich noch nach dem Jugend­ strafrecht geahndet werden kann, von ihren Eltern schon bei bloßem Verdacht einer Straftat im Stich gelassen werden.“ 96 86

BFH v. 19.12.1995 – III R 177/94, BStBl. II 1996, 197, 198. BFH v. 18.10.2007 – VI R 42/04, BStBl. II 2008, 223, 224 f. 88 BFH v. 18.10.2007 – VI R 42/04, BStBl. II 2008, 223, 225. 89 BFH v. 18.10.2007 – VI R 42/04, BStBl. II 2008, 223, 225. 90 Vgl. BFH v. 15.11.1957 – VI 279/56 U, BStBl. III 1958, 105, 106 f. 91 BFH v. 18.10.2007 – VI R 42/04, BStBl. II 2008, 223, 225. 92 BFH v. 3.5.1974 – VI R 86/71, BStBl. II 1974, 686, 687. Hier wurde ein 19-Jähriger wegen fahrlässiger Tötung infolge eines alkoholbedingten Verkehrsunfalls vom Jugendschöffen­ gericht verurteilt. Der Vater zahlte die Verfahrens- und Anwaltskosten. 93 BFH v. 3.5.1974 – VI R 86/71, BStBl. II 1974, 686, 687. 94 BFH v. 3.5.1974 – VI R 86/71, BStBl. II 1974, 686, 687. 95 BFH v. 23.5.1990 – III R 145/85, BStBl. II 1990, 895. 96 BFH v. 23.5.1990 – III R 145/85, BStBl. II 1990, 895, 897. 87

B. Änderung der Rechtsprechung am 12.5.2011

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Es sei aber zusätzlich zwischen den Gerichts- und Anwaltskosten zu unterscheiden: Aus sittlichen Gründen zwangsläufig könnten ohnehin nur die Anwaltskosten sein97. Denn die Gerichtskosten werden dem Beschuldigten nur im Nachhinein auferlegt. Damit sei es sinngemäß nicht Teil einer effektiven Verteidigung des Kindes, sondern bloß eine finanzielle Stütze, wenn Eltern später diese gerichtlichen Kosten zahlen98.

IV. Kosten eines Verwaltungsstreitverfahrens Haben Eltern erfolglos versucht, für ihre Kinder einen Studienplatz an einer Hochschule zu erstreiten, waren auch hier Prozesskosten zu verbuchen. Diese unterfielen nach Ansicht des Bundesfinanzhofs dem damaligen Ausbildungsfreibetrag nach § 33a Abs. 2 EStG99. Daher sei ein Rückgriff auf § 33 EStG ausgeschlossen100. Im Übrigen ist im Bereich der Entscheidungen zu Kosten eines Verwaltungsprozesses festzustellen, dass der Bundesfinanzhof auch hier die bekannte Formel zu Zivilprozesskosten heranzog, die er in der Entscheidung vom 9.5.1996101 erarbeitet hatte: Es spreche auch gegen die Zwangsläufigkeit von Verwaltungsprozesskosten eine Vermutung, es sei denn, es handle sich um den – jedenfalls formelhaft – bekannten „existenziell wichtigen Bereich“102. Dieser Bereich sei in dieser Entscheidung jedoch nicht betroffen gewesen, in der ein Beamter auf höhere Unfallausgleichsleistungen des Dienstherrn geklagt hatte103. Gleiches gelte für einen Restitutionsprozess wegen einer Enteignung in der ehemaligen DDR104 und für das Erstreiten eines dauerhaften Aufenthaltsrechts zugunsten des ausländischen Partners105.

B. Änderung der Rechtsprechung am 12.5.2011 Zurück zur Rechtsprechung zu den Kosten eines Zivilprozesses: Diesbezüglich ist an dieser Stelle noch einmal das bereits aufgezeigte Regel-Ausnahme-Verhältnis in Erinnerung zu rufen. Es sprach nach ständiger Rechtsprechung eine Vermu 97

BFH v. 23.5.1990 – III R 145/85, BStBl. II 1990, 895, 897 f. BFH v. 23.5.1990 – III R 145/85, BStBl. II 1990, 895, 898. Schließlich verdeutlichte der BFH, dass die Kosten nur dann aus sittlichen Gründen zwangsläufig seien, wenn es sich um ein innerlich noch nicht gefestigtes Kind handelt, dessen Verfehlung noch nach dem Jugendstraf­ recht geahndet werden kann, vgl. BFH v. 30.10.2003 – III R 23/02, BStBl. II 2004, 267, 269 f. 99 BFH v. 9.11.1984 – VI R 40/83, BStBl. II 1985, 135 f. 100 BFH v. 9.11.1984 – VI R 40/83, BStBl. II 1985, 135 f. 101 BFH v. 9.5.1996 – III R 224/94, BStBl. II 1996, 596, 598. 102 BFH v. 17.9.1999 – III B 38/99, BFH / N V 2000, 315, 316. 103 BFH v. 17.9.1999 – III B 38/99, BFH / N V 2000, 315, 316. 104 BFH v. 25.3.2004 – III B 54/03, BFH / N V 2004, 1101 f. 105 BFH v. 20.4.2006 – III R 23/05, BStBl. II 2007, 41, 43. 98

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Kap. 3: Rechtsverfolgungskosten in der Praxis 

tung gegen die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen. Wer vor Gericht zieht, müsse von vornherein mit einer Niederlage und den zu tragenden Kosten rechnen106. Das Kostenrisiko werde insoweit freiwillig übernommen, ein Abzug solcher Kosten unter dem Aspekt der außergewöhnlichen Belastungen sei deshalb ausgeschlossen. Nur in engen Ausnahmefällen, insbesondere bei Kosten eines Scheidungsverfahrens und des „existenziell wichtigen Bereichs“, könnten die Dinge anders gelagert sein107. Diese jahrzehntelange Rechtsprechung, welche maßgeblich durch den für § 33 EStG zuständigen III. Senat des Bundesfinanzhofs geprägt worden war, hatte der VI. Senat des Bundesfinanzhofs mit Urteil vom 12.5.2011 aufgegeben108, nachdem mit dem Geschäftsverteilungsplan 2009 die Zuständigkeit für § 33 EStG auf diesen übergegangen war109.

I. BFH, Urteil v. 12.5.2011, VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015 Im zugrundeliegenden Ausgangsverfahren war streitig, ob Krankentagegeld­ ansprüche der Klägerin aus einer privaten Krankenversicherung trotz Eintritts einer ärztlich festgestellten Berufsunfähigkeit fortbestehen110. Das erkennende Landgericht verneinte dies und wies den Antrag der Klägerin ab, der nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO auch die Kosten des Rechtsstreites auferlegt wurden. Diese Kosten machten die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten in ihrer Einkommensteuererklärung 2007 zunächst als Werbungskosten geltend. Dem folgte das Finanzamt nicht mit dem Argument, Krankentagegeld sei steuerfrei, weshalb der Zivilprozess nicht dazu gedient habe, steuerpflichtige Einnahmen zu erzielen. Die Steuerpflichtigen legten dagegen Einspruch ein und machten die Kosten nunmehr als außergewöhnliche Belastungen geltend. Der Einspruch wurde vom Finanzamt zurückgewiesen, wie auch die Klage vor dem Finanzgericht erfolglos geblieben war111. Sodann hatte der Bundesfinanzhof über die Revision zu entscheiden. In seinem Urteil brach er mit seiner bereits in den 1950er Jahren aufgestellten These, Prozesskosten würden vom Steuerpflichtigen regelmäßig „freiwillig“ übernommen112. Vielmehr seien Steuerpflichtige aufgrund des Verbotes der Selbstjustiz darauf angewiesen, ihre Rechte auf dem Rechtsweg unter Inanspruchnahme

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St.Rspr. seit BFH v. 22.8.1958 – VI 148/57 U, BStBl. III 1958, 419, 420. Beispielhaft BFH v. 9.5.1996 – III R 224/94, BStBl. II 1996, 596, 598. 108 BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015. 109 Vgl. dazu den Geschäftsverteilungsplan 2009, BStBl. II 2009, 175, 176. Zu diesen Hintergründen auch Steinhauff, jurisPR-SteuerR 33/2011 Anm. 5; Liebl, jurisPR-SteuerR 10/2014 Anm. 1 m. w. N.; vgl. diesbezüglich auch die Ausführungen zur nochmaligen Änderung der Rechtsprechung unten sub Kap. 3 D. 110 BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015. 111 BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015. 112 BFH v. 22.8.1958 – VI 148/57 U, BStBl. III 1958, 419, 420. 107

B. Änderung der Rechtsprechung am 12.5.2011

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staatlicher Gerichte durchzusetzen113. Das Rechtsstaatsprinzip und das hieraus erwachsende Gewaltmonopol des Staates zwängen die Bürger zum Beschreiten des Rechtsweges und zum Eingehen des Kostenrisikos; von einer Freiwilligkeit könne insoweit nicht die Rede sein114. Aus diesen verfassungsrechtlichen Über­legungen heraus kam der Bundesfinanzhof zu dem Schluss, dass Zivilprozesskosten „Kläger wie Beklagtem deshalb unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig“115

erwachsen würden. Mit dieser Linie kehrte der Bundesfinanzhof das Regel-​ Ausnahme-Verhältnis gänzlich um: Zivilprozesskosten waren nunmehr nach der Rechtsprechung regelmäßig zwangsläufig. Ausnahmen seien nur denkbar in Fällen, in denen „die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot.“116

II. Aufnahme des Urteils in der Literatur und in der Finanzgerichtsbarkeit Dieses für die Steuerpflichtigen überaus günstige Urteil, teilweise als „revolutionär“ bezeichnet117, hat die steuerliche Fachwelt in der Folgezeit intensiv beschäftigt. Teilweise wurde es begrüßt118, teilweise abgelehnt119. So wies etwa Karin Heger, ihrerseits Richterin am Bundesfinanzhof und zum damaligen Zeitpunkt Mitglied des I. Senats120, der neuen Rechtsprechung keine Beachtlichkeit zu. Sie vertrat die Ansicht, die rechtliche Würdigung von Zivilprozesskosten solle weiterhin wie bis 113

BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015, 1016. BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015, 1016. 115 BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015, 1016. 116 BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015, 1017. 117 Meyer-Götz, FamFR 2011, 365, 366. 118 Kanzler, NWB 2011, 2432, 2433; zustimmend im Falle der „tatsächlichen Inanspruchnahme eines Gerichts“ Rosenke, EFG 2013, 1668; ebenso wohl Hoffsümmer, EFG 2014, 1688, 1689; eindeutig zustimmend Knobbe, EFG 2015, 820, 821; letztlich folgte der BFH mit seiner Entscheidung der von Kanzler bereits in den 1990er-Jahren vertretenen These, dass von einer Freiwilligkeit der Übernahme des Prozesskostenrisikos deshalb nicht auszugehen sei, weil „bestrittene Ansprüche idR nur gerichtlich durchzusetzen sind und […] Selbsthilfe nur in den engen Grenzen des § 229 BGB zulässig ist“, vgl. ders., in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, Stand: Juni 1993, § 33 Rn. 117; insoweit zustimmend auch Arndt, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 33 Rn. C 57. 119 G. Kirchhof, DStR 2013, 1867, 1871; Steinhauff, jurisPR-SteuerR 33/2011 Anm. 5; kritisch und ablehnend ebenso Liebl, jurisPR-SteuerR 10/2014 Anm. 1, der bei der weiten Abzugsmöglichkeit insbesondere das subjektive Nettoprinzip nicht hinreichend gewürdigt sieht; kritisch ebenfalls Pfützenreuter, EFG 2014, 359 f.; Amann, Standortbestimmung der außergewöhn­ lichen Belastungen, S. 185 ff.; Schmitz-Herscheidt, NWB 2013, 112, 115, 118. 120 Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 25/12 vom 12.4.2012, https://www.bundesfinanzhof. de/pressemitteilungen (zuletzt abgerufen am 23.12.2019). 114

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Kap. 3: Rechtsverfolgungskosten in der Praxis 

lang erfolgen121. Ebenso stand das Gericht als Ganzes nicht geschlossen hinter der Entscheidung. So ist in einem Urteil des IX. Senats aus dem Jahre 2013 zu lesen, dass er mangels Entscheidungserheblichkeit nicht entscheiden muss, „ob er dieser Prämisse zustimmen könnte“122. Die Kritik der Literatur an der Rechtsprechung richtete sich vor allem auf die Praxistauglichkeit der neuen Rechtsprechung; zwar wurde teilweise vertreten, für die Frage, nach welchen Maßstäben zu beurteilen ist, wann ein Rechtsstreit im Sinne der neuen Linie des Bundesfinanzhofs ausnahmsweise „keine hinreichende Aussicht auf Erfolg“ bieten soll, dieselben Maßstäbe heranzuziehen, die für die Erfolgsaussichten der Prozesskostenhilfe nach § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO gelten123. Doch die kritischen Einwände aus der Literatur bezogen sich bereits auf die Vorfrage, wie einer steuerlich ausgebildeten Finanzverwaltung geeignete Instrumente zur Verfügung stehen sollten, um die Erfolgsaussichten eines bürgerlichen Rechtsstreites zu beurteilen124. Die Finanzgerichte gingen unterschiedlich mit der neuen Linie aus München um. Während sich die meisten Senate der verschiedenen Finanzgerichte der Entscheidung erwartungsgemäß angeschlossen hatten125, waren auch hier kritische und ablehnende Urteile zu verzeichnen126. So wies etwa das Finanzgericht Hamburg eine entsprechende Klage entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab127. Die Hamburger Richter teilten zum einen die Kritik an der Praxistauglichkeit der geänderten Rechtsprechung und wiesen zum anderen darauf hin, dass die Regelung des § 33 EStG stets einen Blick auf den Einzelfall erfordere und daher danach zu fragen sei, ob mit dem jeweiligen Prozess ein erhöhter existenzieller Grundbedarf geltend gemacht werde. Es sei deshalb nicht einzusehen, Zivilprozesskosten mit Hinweis auf das staatliche Gewaltmonopol stets zum Abzug zuzulassen128. Im entschiedenen Fall versuchte der Kläger, Kosten eines Zivilprozesses geltend zu machen, die ihm erwachsen waren, nachdem er vergeblich aus abgetretenem Recht prozessiert hatte. Insbesondere aufgrund dieser Abtretungskompetente kam das Finanzgericht Hamburg zu dem Schluss, dass der Kläger fremde Rechte erworben habe und diese sodann freiwillig mit den bekannten Risiken der Anspruchsdurch-

121

Heger, in: Blümich, EStG, Stand: Februar 2012, § 33 Rn. 220. BFH v. 19.3.2013 – IX R 41/12, BStBl. II 2013, 536, 538. 123 Zu dieser Frage etwa Bron / Ruzik, DStR 2011, 2069, 2071 (bejahend); Kanzler, FR 2011, 822, 823 (bejahend); Heine, SteuK 2012, 27, 28 (ablehnend). 124 Kritisch zur Praxistauglichkeit Heine, SteuK 2012, 27, 28; Körper, SteuK 2011, 347; Leitner, EFG 2013, 452. 125 FG Rheinland-Pfalz v. 12.11.2013 – 3 K 1665/12, EFG 2014, 641; FG Köln v. 26.6.2013 – 7 K 2700/12, EFG 2013, 1665; FG München v. 5.3.2012 – 5 K 182/04 u. a., EFG 2013, 290; vorsichtiger aber FG München v. 21.8.2012 – 10 K 800/10, EFG 2013, 451. 126 FG Saarland v. 10.12.2014 – 1 K 1201/13, EFG 2015, 818; FG Düsseldorf v. 11.2.2014 – 13 K 3724/12 E, EFG 2014, 850; FG Hamburg v. 24.9.2012 – 1 K 195/11, EFG 2013, 41. 127 FG Hamburg v. 24.9.2012 – 1 K 195/11, EFG 2013, 41, 43. 128 FG Hamburg v. 24.9.2012 – 1 K 195/11, EFG 2013, 41, 43. 122

B. Änderung der Rechtsprechung am 12.5.2011

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setzung gerichtlich geltend machen wollte129. Zwangsläufigkeit im Sinne von § 33 EStG sei auch daher nicht gegeben130. Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision vor dem Bundesfinanzhof blieb im August 2015 überraschenderweise erfolglos131. Denn das oberste Gericht für Steuern und Zölle hatte seine Rechtsprechung zu Zivilprozesskosten zwei Monate zuvor erneut geändert132.

III. Gegenstoß des Bundesministeriums der Finanzen Kaum verwunderlich ist, dass das Bundesministerium der Finanzen die – für Steuerpflichtige sehr günstige – Rechtsprechung nicht begrüßte. Es reagierte auf den Paukenschlag aus München noch im gleichen Jahr und verfügte in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder per Schreiben vom 20.12.2011, das Urteil über den entschiedenen Fall hinaus nicht anzuwenden133 (sogenannter Nichtanwendungserlass134). Der unterzeichnende Bundesminister der Finanzen teilte die Kritik der Literatur an der Praxistauglichkeit der Entscheidung. Die Maßnahme begründete er deshalb zum einen damit, dass die Finanzämter nicht in der Lage seien, die Erfolgsaussichten einer zivilrechtlichen Klage im Sinne der neuen Rechtsprechung einzuschätzen. Zum anderen wies er darauf hin, dass eine erhebliche Anzahl von Fällen von dieser Entscheidung betroffen sei135. Er stellte ausdrücklich eine gesetzliche Neuregelung in Aussicht, der möglicherweise auch eine rückwirkende Geltung zugemessen werden sollte136.

129 FG Hamburg v. 24.9.2012 – 1 K 195/11, EFG 2013, 41, 43; wobei Trossen, EFG 2013, 43, 44 aufgrund dieser „Abtretungskomponente“ keine klare Ablehnung gegenüber dem Urteil des BFH sieht, denn über eine solche Abtretungskonstellation habe der BFH noch nicht entschieden. 130 FG Hamburg v. 24.9.2012 – 1 K 195/11, EFG 2013, 41, 43. 131 BFH v. 19.8.2015 – X R 34/12, BFH / N V 2016, 22, 25 f. 132 Vgl. BFH v. 18.6.2015 – VI R 17/14, BStBl. II 2015, 800; siehe dazu weiter unten sub Kap. 3 D. 133 BMF v. 20.12.2011 – IV C 4, BStBl. I 2011, 1286. 134 Hierzu näher Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 38 f.; Weber-Grellet, in: FS Lang, S. 927 ff.; zusammenfassend Desens, Bindung der Finanzverwaltung an die Rechtsprechung, S. 319 ff.; Spindler, DStR 2007, 1061 ff. 135 BMF v. 20.12.2011  – IV C 4, BStBl. I 2011, 1286. Sicherlich war auch die Sorge vor Steuerausfällen ein Motiv. So lässt sich der BT-Drucks. 17/13033, S. 46 entnehmen, dass mit der sogleich zu besprechenden Regelung des JStG 2013 Steuermehreinnahmen in Höhe von 210.000.000 Euro erreicht werden sollten. 136 BMF v. 20.12.2011 – IV C 4, BStBl. I 2011, 1286.

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Kap. 3: Rechtsverfolgungskosten in der Praxis 

C. Erwiderung des Gesetzgebers: § 33 Abs. 2 S. 4 EStG I. Jahressteuergesetz 2013 (JStG 2013) Eine solche Neuregelung wurde im Jahr 2012 in Angriff genommen. Der von der Bundesregierung in das Gesetzgebungsverfahren eingebrachte Gesetzentwurf zum Jahressteuergesetz 2013 vom 19.6.2012 enthielt zunächst keinen Vorschlag zur steuerlichen Behandlung von Prozesskosten137. Erst die Stellungnahme des Bundesrates zum Jahressteuergesetz 2013 brachte eine entsprechende Regelung in die Diskussion. Nach den Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates vom 6.7.2012 sollte ein folgender § 33 Abs. 3a EStG eingefügt werden: „Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige Kläger oder Beklagter ist. Abweichend von Satz 1 können die notwendigen und angemessenen Prozesskosten berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Satz 2 gilt für die unmittelbaren und unvermeidbaren Kosten eines Scheidungsprozesses entsprechend.“138

Nach der Begründung sollte diese Vorschrift in allen Fällen angewandt werden, die noch nicht bestandskräftig veranlagt waren139. Dies bedeutete also auch rückwirkend. Damit setze der Vorschlag die Idee um, die im BMF-Schreiben vom 20.12.2011 geäußert worden war. Dort hieß es, dass eine „mögliche gesetzliche Neuregelung“ auch eine „rückwirkende Anknüpfung an die bisherige Rechtslage“ beinhalten könnte140. Der Bundesrat führte als Argument für den Vorschlag ins Feld, dass das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12.5.2011 nicht in Tradition mit den „sonst bei außergewöhnlichen Belastungen geltenden Grundsätzen der Zwangsläufigkeit und Außergewöhnlichkeit“141 stehe. Der Bundesrat wollte damit die Anerkennung von Prozesskosten  – entsprechend der Tradition des Bundes­ finanzhofs bis ins Jahr 2011 – auf den engen Rahmen beschränken, der diesem Typ von Aufwendungen bislang gezogen war. Die Bundesregierung hingegen lehnte diesen Vorschlag in ihrer entsprechenden Stellungnahme vom 5.9.2012 ab142. Sie teilte zwar die Auffassung, die Abzugsmöglichkeit im einschlägigen Bereich auf einen engen Rahmen zu begrenzen143. Es sollte jedoch zunächst abgewartet werden, wie das Münchener Gericht bei weiteren seinerzeit anhängigen Verfahren urteilt. Erst danach sollte über Gesetz­

137

BT-Drucks. 17/10000. BR-Drucks. 302/1/12, S. 43. 139 BR-Drucks. 302/1/12, S. 44. 140 BMF v. 20.12.2011 – IV C 4, BStBl. I 2011, 1286. 141 BR-Drucks. 302/1/12, S. 43. 142 BT-Drucks. 17/10604, S. 45 f. 143 BT-Drucks. 17/10604, S. 45 f. 138

C. Erwiderung des Gesetzgebers: § 33 Abs. 2 S. 4 EStG

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gebungsbedarf befunden werden144 – die Bundesregierung vertraute so darauf, dass der Bundesfinanzhof von sich aus zur alten Rechtsprechung zurückfinden würde. Vor diesem Hintergrund wurde zunächst keine Vorschrift zu Prozesskosten in den Gesetzesentwurf aufgenommen. Diesem Entwurf ohne prozesskostenrechtliche Regelung hat der Bundestag am 25.10.2012 zugestimmt145. Der Bundesrat aber verweigerte ihm in seiner Sitzung am 23.11.2012 die Zustimmung146. Offensichtlich sahen die Vertreter der Länder ihre eigenen Bemühungen in diesem Gesetzentwurf nicht hinreichend berücksichtigt. So führte die Senatorin für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen Karoline Linnert, die in der Bundesratssitzung am 23.11.2012 die Interessen ihres Landes vertrat, zum Jahressteuergesetz 2013 aus: „Der Bundestag hat eine Reihe wichtiger Anliegen des Bundesrates nicht in das Jahres­ steuergesetz 2013 aufgenommen.“147

Dieser Konflikt mit dem Vertretungsorgan der Länder führte schließlich dazu, dass der Vermittlungsausschuss des Deutschen Bundestages angerufen wurde148. In dessen Beschlussempfehlung vom 12.12.2012 findet sich plötzlich wieder eine prozesskostenrechtliche Regelung – leider jedoch ohne Begründung oder sonstige Erläuterungen. Der dortige Vorschlag war im Hinblick auf die Formulierung auch ein gänzlich anderer als der vom Bundesrat ursprünglich favorisierte § 33 Abs. 3a EStG. In der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses heißt es: „Dem § 33 Abs. 2 wird folgender Satz angefügt: Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.“149

Über diesen Vorschlag hatte sodann der Bundestag abzustimmen. Da die Fassung des Vermittlungsausschusses als weitere Maßnahme gleichzeitig die – politisch umstrittene – steuerliche Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit Ehen enthielt, hat der Bundestag den Vorschlag des Vermittlungsausschusses am 17.1.2013 in namentlicher Abstimmung mehrheitlich durch die Stimmen der damaligen Regierungskoalition aus CDU / CSU und der FDP abgelehnt150. Damit hatte der Bundesrat nur über den ursprünglichen Gesetzentwurf ohne prozesskostenrechtliche Regelung zu entscheiden151. In seiner Sitzung am 1.2.2013

144

BT-Drucks. 17/10604, S. 45 f. BR-Drucks. 632/12. 146 BR-Drucks. 632/12 (Beschluss). 147 BR-Plenarprotokoll 903, S. 510. 148 BT-Drucks. 17/11692. 149 BT-Drucks. 17/11844, S. 6. 150 Vgl. BT-Plenarprotokoll 17/217, S. 26798 ff.; BR-Drucks. 33/13. 151 BT-Drucks. 17/10000. 145

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Kap. 3: Rechtsverfolgungskosten in der Praxis 

hat er diesem schließlich seine Zustimmung verwehrt152. Das Jahressteuergesetz 2013 war damit gescheitert.

II. Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (AmtshilfeRLUmsG) Inhalte des gescheiterten Jahressteuergesetzes 2013 wurden teilweise mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften wieder aufgenommen, der von den Fraktionen der CDU / ​CSU und FDP noch im gleichen Monat am 19.2.2013 eingebracht worden war153. Das sogenannte AmtshilfeRLUmsG, welches der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung am 28.2.2013 angenommen hat154, beinhaltete im Entwurf aber wiederum keine Änderungen in Bezug auf das Recht der außergewöhnlichen Belastungen und Prozesskosten. Der Bundesrat stand auch dieser Ursprungsfassung ablehnend gegenüber. So ist den Empfehlungen der mit dem Gesetzentwurf befassten Ausschüsse des Bundesrats Unbehagen über fehlende „wichtige Maßnahmen zur Verhinderung von ungewollten Steuergestaltungen und damit verbundener Steuermindereinnahmen“155

zu entnehmen. Deshalb beschloss der Bundesrat in seiner Sitzung am 22.3.2013 schließlich, den Vermittlungsausschuss einzuberufen156. Der Bundesrat bestand darauf, den Gesetzentwurf so zu ergänzen, dass er all jene Maßnahmen des gescheiterten Jahressteuergesetzes 2013 in der Form des Vorschlags des Vermittlungsausschusses vom 12.12.2012157 enthält, jedoch ohne das Streitthema der steuerlichen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe158. Der im Folgenden einberufene Vermittlungsausschuss empfahl dem Bundestag in seiner Beschlussempfehlung vom 5.6.2013 unter anderem, eine prozesskostenrechtliche Regelung in der Norm des § 33 EStG einzufügen. Er plädierte dabei für die Fassung des Vermittlungsausschusses zum Jahressteuergesetz 2013159. So sollte auch nun dem § 33 Abs. 2 EStG folgender Satz angefügt werden: „Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige

152

BR-Drucks. 33/13 (Beschluss). BT-Drucks. 17/12375. 154 BR-Drucks. 157/13. 155 BR-Drucks. 157/1/13, S. 1. 156 BR-Drucks. 157/13 (Beschluss). 157 BT-Drucks. 17/11844. 158 BR-Drucks. 157/13 (Beschluss), S. 3. 159 BT-Drucks. 17/11844, S. 6. 153

D. „Rolle rückwärts“ 

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Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.“160

Diesem Entwurf des AmtshilfeRLUmsG stimmten sowohl Bundestag161 als auch Bundesrat zu162. Das Gesetz vom 26.6.2013 wurde schließlich nach Ausfertigung durch den Bundespräsidenten im Bundesgesetzblatt veröffentlicht163. Die neu geschaffene Vorschrift des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG war ab dem Veranlagungszeitraum 2013, d. h. also nicht rückwirkend, anzuwenden164. Dies ist insofern bemerkenswert, als die Empfehlung des Bundesrates und auch das BMF-Schreiben vom 20.12.2011 noch eine rückwirkende Maßnahme in Aussicht gestellt hatten165.

D. „Rolle rückwärts“166 – abermalige Änderung der Rechtsprechung des BFH am 18.6.2015 Die seinerzeit geäußerte Hoffnung der Bundesregierung, nach welcher der Bundesfinanzhof möglicherweise kurzfristig zu seiner alten Rechtsprechung auf dem Gebiet der Prozesskosten zurückkehren werde167, sollte sich auf längere Sicht als nicht unbegründet erweisen. Denn mit Urteil vom 18.6.2015168 hat der Bundes­ finanzhof seine Rechtsprechung auf diesem Gebiet tatsächlich erneut geändert. Wie bemerkenswert dies ist, stellt der Senat selbst heraus, indem er ausführt: „Der Senat ist sich bewusst, dass die Stetigkeit der Rechtsprechung des BFH als des obers­ ten Gerichtshofes des Bundes für Steuern und Zölle ein wesentliches Element der Rechts­ sicherheit ist.“169

Das Gericht referierte zunächst seine langjährige Rechtsprechung, die bis ins Jahre 2011 anhielt, sowie das Urteil vom 12.5.2011170. Die rechtliche Würdigung habe sich fortan jedoch wieder nach alten Maßstäben im Sinne der langjährigen Rechtsprechung zu richten171. Das Gewaltmonopol des Staates als wesentliches Argument für die Änderung der Rechtsprechung im Jahre 2011 sei kein Grund für die Zwangsläufigkeit von Prozesskosten. So könnten auch andere im Rechts 160

BT-Drucks. 17/13722, S. 9. BR-Drucks. 477/13. 162 BR-Drucks. 477/13 (Beschluss). 163 BGBl. I, S. 1809. 164 § 52 Abs. 1 S. 1 EStG i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013 (BGBl. I, S. 1809); zur unproblematischen Rückwirkung zwischen dem 1.1.2013 und dem Verkündungstag am 29.6.2013 vgl. Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 47a; Schmieszek, in: Bordewin / Brandt, EStG, § 33 Rn. 27; kritisch Gerauer, NWB 2014, 2621, 2625 f. 165 Vgl. BMF v. 20.12.2011 – IV C 4, BStBl. I 2011, 1286. 166 Geserich, NWB 2015, 2634, 2636. 167 BT-Drucks. 17/10604, S. 45 f. 168 BFH v. 18.6.2015 – VI R 17/14, BStBl. II 2015, 800. 169 BFH v. 18.6.2015 – VI R 17/14, BStBl. II 2015, 800, 802. 170 BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015. 171 BFH v. 18.6.2015 – VI R 17/14, BStBl. II 2015, 800, 802. 161

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Kap. 3: Rechtsverfolgungskosten in der Praxis 

staat rechtmäßig auferlegte Zahlungsverpflichtungen nicht allein mit Hinweis auf das staatliche Gewaltmonopol als rechtlich zwangsläufig im Sinne von § 33 Abs. 2 EStG anzusehen sein172. Im verfahrensrechtlichen Ablauf dieser Entwicklung ist anzumerken, dass der Große Senat des Bundesfinanzhofs zwischenzeitlich entschieden hatte, dass im Falle der nunmehrigen Alleinzuständigkeit eines Senats dieser die Rechtsprechung nicht ändern darf, ohne zuvor bei dem vormals zuständigen Senat angefragt zu haben173. Wenn daraufhin der VI. Senat seine großzügige Rechtsprechung zu Zivilprozesskosten, für die zuvor überwiegend der III. Senat zuständig gewesen war174, wieder zurücknimmt, kann man das zumindest auch als Korrektur eines Verfahrensfehlers sehen175. Der Sachverhalt, der diesem Urteil aus dem Jahre 2015 zugrunde lag, betraf den Veranlagungszeitraum 2010. Mangels Rückwirkungsanordnung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG ist diese Vorschrift nicht anzuwenden gewesen176. So erklärt es sich auch, dass der Bundesfinanzhof auf die Norm in dem Urteil keinerlei Bezug genommen hat177. Die „Rolle rückwärts“178 hat insofern nur für Fälle aus dem Jahr 2012 und frühere Veranlagungszeiträume Relevanz.

172 BFH v. 18.6.2015 – VI R 17/14, BStBl. II 2015, 800, 803; Endert, FR 2016, 66, 70 kritisch zur „Dynamik der Rückkehr zur alten Rechtsprechung“. 173 Dazu BFH v. 19.10.2014 – GrS 1/13, BStBl. II 2015, 345. 174 Die Zuständigkeit für einen Abzug von Prozesskosten nach § 33 EStG liegt seit dem Geschäftsverteilungsplan 2009 (BStBl. II 2009, 175, 176) bei dem VI. Senat, bis dato lag die Zuständigkeit nach dem Geschäftsverteilungsplan 2008 (BStBl. II 2008, 84, 85) bei dem III. Senat. Vgl. zu den Folgen dieses Zuständigkeitsübergangs auch Schmieszek, in: Bordewin / Brandt, EStG, § 33 Rn. 7. 175 So Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 209; Geserich, NWB 2015, 2634, 2636; Endert, FR 2016, 66, 69 spricht zwar davon, dass dies nur „Gegenstand von Spekulationen“ sei, meint dann jedoch, dass der Anteil der Entscheidung des Großen Senats an der Kehrtwende des VI. Senats „erheblich“ gewesen sei. 176 Vgl. § 52 Abs. 1 S. 1 EStG i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG v 26.6.2013 (BGBl. I, S. 1809). 177 So auch Geserich, NWB 2015, 2634, 2639. 178 Geserich, NWB 2015, 2634, 2636.

Kapitel 4

§ 33 Abs. 2 S. 4 EStG als „Status quo“ – Der Meinungsstand zum Normverständnis Sofern das Hauptziel des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG darin bestanden hatte, der weiten Auslegung des Bundesfinanzhofs zur Abziehbarkeit von Zivilprozesskosten einen Riegel vorzuschieben, so wäre gemessen an diesem Ziel die Neuregelung im § 33 EStG nicht notwendig gewesen – schließlich ist die Rechtsprechung zur alten Linie zurückgekehrt. Gleichwohl ist die Vorschrift geltendes Recht und daher der gesetzliche Status quo für die im Rahmen dieser Arbeit zu behandelnde Frage, sofern es sich um Fälle aus dem Veranlagungszeitraum 2013 oder späteren Jahren handelt. Um insoweit die Abzugsfähigkeit von Rechtsverfolgungskosten würdigen zu können, muss der Inhalt der Norm ermittelt werden. Diesbezüglich gibt es in Rechtsprechung und Literatur die nachfolgend beschriebenen unterschiedlichen Auffassungen und Vorschläge.

A. Divergenzen in der Frage der Abziehbarkeit von Scheidungskosten Am Beispiel der Scheidungskosten wird exemplarisch deutlich, wie insbesondere die Rechtsprechung die neue Vorschrift auslegen und anwenden will. Die Fallgruppe der Scheidungsaufwendungen bietet sich deshalb an, weil § 33 Abs. 2 S. 4 EStG dem Wortlaut nach möglicherweise auch das Scheidungsverfahren erfasst. Damit könnte der Abzug auch unmittelbarer Kosten der Ehescheidung entgegen der jahrzehntelangen Rechtsprechung1 nunmehr ausgeschlossen sein2.

I. Fortführung der bisherigen Rechtsprechung Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz differenzierte in seinem Urteil vom 16.10.2014 zwischen den Scheidungskosten und den Scheidungsfolgekosten3. Letztere seien – in Tradition mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung bis zur ge 1

Siehe zu dieser Rechtsprechung bereits oben sub Kap. 3 A. II. So etwa BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988; ebenso FG Niedersachsen v. 18.2.2015 – 3 K 297/14, EFG 2015, 725; FG Sachsen v. 13.11.2014 – 2 K 1399/14, EFG 2015, 644; in diesem Sinne auch die damalige Bundesregierung siehe BT-Drucks. 18/8458, S. 23. 3 FG Rheinland-Pfalz v. 16.10.2014 – 4 K 1976/14, EFG 2015, 39. 2

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Kap. 4: § 33 Abs. 2 S. 4 EStG als „Status quo“

setzlichen Neuregelung4 – jedenfalls nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Hinsichtlich der unmittelbaren Scheidungskosten setzte sich das Gericht mit der Frage auseinander, ob einem diesbezüglichen Abzug nunmehr § 33 Abs. 2 S. 4 EStG entgegensteht und verneinte diese Frage schließlich. Es ging davon aus, dass die Scheidungskosten zu den Prozesskosten im Sinne der Vorschrift gehören. Auch der Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG treffe auf diese zu5. Denn das Tatbestandsmerkmal der „Gefährdung der Existenzgrundlage“ sei weit auszulegen. Es sei nicht bloß im materiellen Sinne zu verstehen, sondern auch als geistig-seelische Bedingung für die menschliche Existenz aufzufassen6. Insofern werde hier eine geistig-seelische Existenzgrundlage verteidigt7. Ähnlich sah es auch das Finanzgericht Münster8. Mit anderen Worten sind Scheidungskosten nach dieser Ansicht ein Spezialfall des nun normierten Kriteriums der Existenzgrundlage. Zum gleichen Ergebnis gelangte auch das Finanzgericht Köln in seinem Urteil vom 13.1.2016 – allerdings mit einer anderen Begründung9: Die Kölner Finanzrichter kamen gar nicht bis zur Frage, ob Scheidungskosten den Sonderfall des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG verwirklichen. Denn Kosten eines Scheidungsverfahrens seien keine Prozesskosten im Sinne der Norm10. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte: Im Zusammenhang mit dem Jahressteuergesetz 2013 sollte zunächst nach den Empfehlungen der verschiedenen mit dem Gesetzentwurf befassten Ausschüsse des Bundesrates ein § 33 Abs. 3a EStG aufgenommen werden, nach dessen S. 3 die dort gesetzte Regelung „für die Kosten eines Scheidungsprozesses entsprechend“ gelten sollte11. Aus diesem gesonderten Erwähnen der Scheidungs-

4

Eine Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Scheidungskosten auf die „unmittelbaren und unvermeidbaren“ Aufwendungen nahm die Rechtsprechung seit BFH v. 8.11.1974 – VI R 22/72, BStBl. II 1975, 111 vor, siehe dazu schon oben sub Kap. 3 A. II. 5 FG Rheinland-Pfalz v. 16.10.2014 – 4 K 1976/14, EFG 2015, 39 ff. 6 FG Rheinland-Pfalz v. 16.10.2014 – 4 K 1976/14, EFG 2015, 39, 41. Die Problematik, dass der BFH den Ausnahmefall der Scheidungskosten seinerzeit nicht mit der nun Gesetz gewordenen Ausnahmeformel begründet hat, wie sie erstmals in BFH v. 9.5.1996 – III R 224/94, BStBl. II 1996, 596, 598 auftauchte, löste das rheinland-pfälzische Gericht folgendermaßen: Sowohl die Scheidungskosten als auch die Bereiche der „lebensnotwendigen Bedürfnisse“ würden existenziell wichtige Angelegenheiten betreffen. Bei den Scheidungskosten bestehe der existenzielle Bezug darin, dass Steuerpflichtigen bei gescheiterter Ehe nicht zugemutet werden könne, weiter mit dem Ehepartner verheiratet zu sein, vgl. dazu FG Rheinland-Pfalz, a. a. O., 41. 7 FG Rheinland-Pfalz v. 16.10.2014 – 4 K 1976/14, EFG 2015, 39, 41. 8 FG Münster v. 21.11.2014 – 4 K 1829/14 E, EFG 2015, 221, 223: Der unbestimmte Rechtsbegriff sei nicht (nur) im materiellen, sondern auch im immateriellen Sinne – bezogen etwa auf die gesellschaftliche Stellung oder den persönlichen Ruf  – zu verstehen. Unmittelbare Scheidungskosten seien daher abziehbar. 9 FG Köln v. 13.1.2016 – 14 K 1861/15, EFG 2016, 645 f. 10 FG Köln v. 13.1.2016 – 14 K 1861/15, EFG 2016, 645, 646. Siehe dazu im Einzelnen auch unten sub Kap. 6 G. I. 2. a). 11 BR-Drucks. 302/1/12, S. 43; siehe dazu auch schon oben sub Kap. 3 C. I.

A. Divergenzen in der Frage der Abziehbarkeit von Scheidungskosten 

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kosten sei zu schlussfolgern, dass diese keine Prozesskosten im Sinne der Norm seien. Ansonsten sei keine „entsprechende“ Anwendung notwendig gewesen12.

II. Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung Es gab jedoch auch gegenläufige finanzgerichtliche Entscheidungen: Sowohl das Finanzgericht Sachsen13 als auch das Finanzgericht Niedersachsen14 verneinten die Abziehbarkeit von Kosten der Ehescheidung, nachdem die Norm des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG in das Gesetz eingefügt worden war. Das in der Vergangenheit von der Rechtsprechung entwickelte Sonderregime für Scheidungskosten sei mit der gesetzlichen Neuregelung abgeschafft worden15. Insbesondere nach Ansicht des Finanzgerichts Sachsen seien Scheidungskosten zwar Prozesskosten im Sinne der Neuregelung, § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG treffe auf sie aber nicht zu16. Das Gericht legte den Begriff der „Existenzgrundlage“ eng im materiellen Sinne aus, er sei „nicht seelisch oder psychisch zu verstehen“17. Die niedersächsischen Finanzrichter verneinten den Abzug von Scheidungskosten noch aus einem weiteren Grund. Unabhängig von der Frage der Zwangsläufigkeit seien Kosten der Ehescheidung, so das Finanzgericht Niedersachsen, bereits nicht außergewöhnlich i. S. v. § 33 EStG18. Im Urteil vom 18.2.2015 führte das Gericht aus, dass die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vor allem zur Außergewöhnlichkeit des die Belastung auslösenden Ereignisses auf den Wertungen und Verhältnissen der 1950er Jahre fußten19. Seither sei jedoch die Scheidungsrate in Deutschland von unter 15 % in der 1950er Jahren auf 35 % bis 40 % seit der Jahrtausendwende gestiegen20. Gleichzeitig sei auch die gesellschaftliche Akzeptanz einer Ehescheidung stark gestiegen21. Angesichts dieser Veränderungen könne man Scheidungskosten nicht mehr als eine außergewöhnliche Aufwendung im Sinne von § 33 Abs. 1 EStG anerkennen22.

12

FG Köln v. 13.1.2016 – 14 K 1861/15, EFG 2016, 645, 646. FG Sachsen v. 13.11.2014 – 2 K 1399/14, EFG 2015, 644. 14 FG Niedersachsen v. 18.2.2015 – 3 K 297/14, EFG 2015, 725. 15 FG Sachsen v. 13.11.2014  – 2 K 1399/14, EFG 2015, 644, 645; FG Niedersachsen v. 18.2.2015 – 3 K 297/14, EFG 2015, 725, 730 versteht die Neuregelung als Vereinfachungsregelung, in deren Folge die Abziehbarkeit der Kosten der Fallgruppe „Scheidungskosten“ weggefallen sei. 16 FG Sachsen v. 13.11.2014 – 2 K 1399/14, EFG 2015, 644, 645 f. 17 FG Sachsen v. 13.11.2014 – 2 K 1399/14, EFG 2015, 644, 646; ähnlich FG Niedersachsen v. 18.2.2015 – 3 K 297/14, EFG 2015, 725, 727. 18 FG Niedersachsen v. 18.2.2015 – 3 K 297/14, EFG 2015, 725 f. 19 FG Niedersachsen v. 18.2.2015 – 3 K 297/14, EFG 2015, 725. 20 FG Niedersachsen v. 18.2.2015 – 3 K 297/14, EFG 2015, 725 mit Verweis auf Emmerling, WISTA 2/2007, S. 159, 160 ff. 21 FG Niedersachsen v. 18.2.2015 – 3 K 297/14, EFG 2015, 725, 726. 22 FG Niedersachsen v. 18.2.2015 – 3 K 297/14, EFG 2015, 725. 13

80

Kap. 4: § 33 Abs. 2 S. 4 EStG als „Status quo“

III. Ansicht des Bundesfinanzhofs Nunmehr hat sich auch der Bundesfinanzhof23 in dieser Frage geäußert und den Abzug von Scheidungskosten verwehrt. Entgegen der Ansicht des Finanz­gerichts Köln hält das oberste deutsche Gericht für Steuern und Zölle die Vorschrift für den Fall des Ehescheidungsverfahrens für anwendbar. Kosten eines Scheidungsverfahrens seien „Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits“24. Die Aufwendungen erfüllten aber nicht den Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG. Ein Ehegatte erbringe „die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse“25. Die Existenzgrundlage im Sinne der Vorschrift sei wirtschaftlich-​ ­materiell und nicht immateriell im Sinne einer seelisch-moralischen Existenzgrundlage zu verstehen26. Dafür spreche sowohl die sonstige Verwendung des Begriffs der Existenzgrundlage im Steuerrecht27 als auch die Entstehungsgeschichte28. Dieser Auffassung begegnen nach Ansicht des Bundesfinanzhofs im Übrigen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken29. Zur Frage, ob Scheidungskosten in der heutigen Zeit noch als außergewöhnlich anzusehen sind, äußerte sich der Bundesfinanzhof mangels Entscheidungserheblichkeit nicht30.

B. Divergenzen im Verständnis der Normbestandteile Die exemplarische Darstellung der Rechtsprechung zu Scheidungskosten hat gezeigt, dass bereits bei dieser speziellen Fallgruppe große Uneinigkeit über die richtige Auslegung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG besteht31. Nun soll anhand der 23

BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988. BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988, 989. 25 BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988, 989. 26 BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988, 989; dagegen nachfolgend FG München v. 7.5.2018 – 7 K 257/17, EFG 2018, 1960, 1962 (Umgangsrecht); FG Düsseldorf v. 13.3.2018 – 13 K 3024/17 E, EFG 2018, 838, 840 (HKÜ-Verfahren); zustimmend jedoch FG Saarland v. 13.12.2017 – 2 K 1316/16, BeckRS 2017, 152959 Rn. 20 (Umgangsrecht). 27 So bezieht sich das Gericht hier etwa auf BFH v. 16.3.2006 – IV B 157/04, BFH / N V 2006, 1459 (Existenzgrundlage mit Bezug zum Beruf und daraus erzielten Einkünften); auf BFH v. 13.8.2003 – II R 48/01, BStBl. II 2003, 908, 909 sowie auf BFH v. 11.3.1992 – X R 141/88, BStBl. II 1992, 499, 501 (Existenzgrundlage mit Bezug zum Betrieb). 28 BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988, 990; kritisch dazu Nieuwenhuis, DStR 2017, 2373 f. 29 BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988, 991 f.; diese sieht jedoch ausdrücklich Nieuwenhuis, DStR 2017, 2373, 2374. 30 BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988. 31 Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastungen, S. 196 sieht die Dinge hingegen einfacher gelagert: „Der Neuregelung kann mit Blick auf den Prüfungsmaßstab des § 33 EStG bei verfassungs- und systemkonformer Auslegung allenfalls deklaratorische Bedeutung zukommen. Festgeschrieben wird lediglich, was Sinn und Zweck der außergewöhnlichen Belastungen ohnehin für deren Auslegung und Anwendung vorgeben“. Dies wird zu prüfen sein. 24

B. Divergenzen im Verständnis der Normbestandteile

81

Normbestandteile allgemein dargestellt werden, welche Vorschläge hier vorgebracht werden oder auch ansonsten denkbar erscheinen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift sind „Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) […] vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.“

Unterscheidet man entsprechend der klassischen Aufteilung eines Rechts­satzes in Tatbestand und Rechtsfolgenanordnung32, so formuliert die Vorschrift mit dem Satzstück „sind vom Abzug ausgeschlossen“ ihre Rechtsfolgenanordnung, mit ihrem gesamten sonstigen Text beschreibt sie ihre Tatbestandvoraussetzungen33.

I. Rechtsfolge des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG Mit der Rechtsfolge der Vorschrift setzen sich sowohl die Literatur als auch die Rechtsprechung wenig auseinander. Teilweise heißt es, die einkommensteuerliche Abziehbarkeit von Prozesskosten richte sich „allein“ nach der „Spezialnorm“ des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG34. Dabei ist nicht ganz klar, was dies für die Rechtsfolgenseite bedeuten soll: Heißt das etwa, dass die übrigen Voraussetzungen des § 33 EStG im Rahmen von Prozesskosten nicht mehr anwendbar sind? Ähnlich könnte man einen anderen Vorschlag aus dem Schrifttum verstehen, nach dem sich ein entsprechender Abzug „nur nach § 33 Abs. 2 S. 4 EStG“ richte35. Der Bundesfinanzhof hat demgegenüber deutlich gemacht, dass es nicht allein nach § 33 Abs. 2 S. 4 EStG zu beurteilen ist, ob Prozesskosten abziehbar sind. So führte er aus, dass die Frage der Außergewöhnlichkeit von Scheidungskosten dahinstehen könne, sofern bereits die Norm des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG entgegensteht36. Im Übrigen wiederholte er nur den Wortlaut der neuen Vorschrift und betonte, dass Scheidungskosten hiernach „vom Abzug ausgeschlossen“ seien37. Auch die Urteile der Finanzgerichte legen keine klaren Bekenntnisse zur Rechtsfolgenanordnung der Norm ab. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz spricht von einem „Abzugs­verbot“38, das sächsische Finanzgericht erklärt bloß „dieser Ausnahmetatbestand […] ist hier nicht erfüllt“39. 32 Vgl. Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 121 ff; Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 46. 33 Da die Norm die endgültige Rechtsfolge – unabhängig davon, was konkret unter „sind vom Abzug ausgeschlossen“ zu verstehen ist – erst mit anderen steuerlichen Normen in der Gesamtschau ergibt – und zwar die konkret fällige Steuerschuld –, ist sie ein sogenannter „unvollständiger Rechtssatz“, vgl. dazu Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 129; Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 47. 34 Heim, DStZ 2014, 165, 168. 35 Spieker, NZFam 2014, 537, 538. 36 BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988. 37 BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988. 38 FG Rheinland-Pfalz v. 16.10.2014 – 4 K 1976/14, EFG 2015, 39, 40. 39 FG Sachsen v. 13.11.2014 – 2 K 1399/14, EFG 2015, 644, 646.

82

Kap. 4: § 33 Abs. 2 S. 4 EStG als „Status quo“

Eingehender hat sich in der Literatur mit dieser Frage Hans-Joachim Kanzler40 beschäftigt. Die Rechtsfolge „vom Abzug ausgeschlossen“ schreibe die langjährige Vermutung der Rechtsprechung gegen die Zwangsläufigkeit von Prozesskosten normativ fest41. Mit anderen Worten konkretisiere § 33 Abs. 2 S. 4 EStG das Tatbestandsmerkmal der Zwangsläufigkeit, so dass alle anderen Voraussetzungen des § 33 EStG weiterhin zu prüfen seien42. Ähnlich haben sich auch weitere Stimmen aus dem Schrifttum geäußert. So konkretisiere die Vorschrift die Tatbestandsmerkmale der Zwangsläufigkeit sowie der Notwendigkeit und Angemessenheit43.

II. Tatbestand des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 1. „Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten)“ a) Enges Verständnis Schwierigkeiten bereitet es vor allem, den Tatbestandsteil „für die Führung eines Rechtsstreits“ zu bestimmen. Im zivilverfahrensrechtlichen Sinne versteht man unter dem Rechtsstreit eine „prozessuale Einheit, die durch das anhängig zu machende oder anhängig gewordene Verfahren zwischen bestimmten Parteien über einen bestimmten Streitgegenstand gebildet wird.“44

Die ZPO begrenzt den Begriff damit auf das Erkenntnisverfahren, das mit dem Erheben der Klage beginnt und mit dem Zustellen des Urteils endet45. Dieses letztlich nur bürgerliche Rechtsstreite erfassende Verständnis wird für die Frage des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG im Schrifttum vereinzelt vertreten46. Etwas weiter fassen den Begriff die Definitionen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs, nach denen sämtliche rechtliche Maßnahmen erfasst sind, die vor einem staatlichen Gericht erfolgen47. So begreift der Europäi 40

Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 211 ff.; ders., FR 2014, 209, 214. Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 211; ders., FR 2014, 209, 214. 42 Kanzler, FR 2014, 209, 214; in diese Richtung auch Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastungen, S. 196. 43 Bleschick, FR 2013, 932, 934; nach Kindler, DStR 2015, 2644, 2647 soll die Norm in ihrer Rechtsfolge die Zwangsläufigkeit derartiger Aufwendungen aus rechtlichen Gründen ausschließen. 44 Jacoby, in: Stein / Jonas, ZPO, § 81 Rn. 4. 45 Muthorst, in: Stein / Jonas, ZPO, § 91 Rn. 19. 46 Urban, FR 2016, 217, 219 (speziell für die Frage der Anwendbarkeit auf Scheidungs­ kosten). 47 Vgl. EuGH v. 25.6.2009, C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395, Rn. 34 „Roda Golf“; BVerfG v. 31.3.1987 – 2 BvM 2/86, BVerfGE 75, 1, 11. 41

B. Divergenzen im Verständnis der Normbestandteile

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sche Gerichtshof den Rechtsstreit als jedes Verfahren, das Gegenstand von Rechtsprechungstätigkeit ist48. Ganz ähnlich sieht dies das Bundesverfassungs­gericht, nach dem ein Rechtsstreit im Sinne von Art. 100 Abs. 2 GG jedes gerichtliche Verfahren ist, somit alle Verfahrensarten der deutschen Gerichtsbarkeiten49. b) Weites Verständnis Beharrt man nicht auf einem Verständnis, das den Begriff des Rechtsstreits auf gerichtliche Verfahren beschränkt, so wäre dieser zunächst zerteilbar. Er setzt sich aus den Wörtern „Recht“ und „Streit“ zusammen. Als „Streit um Rechte“ kann er im weiteren Sinne etwa auch eine vorgerichtliche Auseinandersetzung mit oder auch ohne anwaltliche Unterstützung beschreiben. Letztlich wären damit all jene Aufwendungen von Maßnahmen erfasst, die unter dem Stichwort „Kosten der Verteidigung subjektiver Rechte“ zu Beginn der Arbeit dargestellt worden sind50. Auf ähnlicher Linie liegt offensichtlich auch ein von der Literatur vorgebrachter Vorschlag, nach dem „Rechtsstreit“ hier als jedes gerichtliche und außergerichtliche Verfahren zwischen zwei Parteien oder zwischen Bürger und Staatsgewalt zu verstehen ist51. c) „Führen“ Die Aufwendungen müssen durch das „Führen“ des Rechtsstreits entstanden sein. Fasst man zum Rechtsstreit wie soeben erörtert auch außergerichtliche Vorgänge, so kann „Führen“ auch vorprozessuale kostenverursachende Handlungen meinen52. Auch Maßnahmen, welche einen Rechtsstreit beenden wie etwa Vergleichsabschlüsse, könnten so der Kategorie zuzuordnen sein53.

48

EuGH v. 25.6.2009, C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395, Rn. 34 „Roda Golf“. BVerfG v. 31.3.1987 – 2 BvM 2/86, BVerfGE 75, 1, 11; gegen eine Einbeziehung von Strafverfahren in den Begriff des Rechtsstreits i. S. v. § 33 Abs. 2 S. 4 EStG etwa Schmieszek, in: Bordewin / Brandt, EStG, § 33 Rn. 97c. 50 Vgl. dazu oben sub Kap. 2 B. I., II. und III. 51 Kanzler, FR 2014, 209, 213 f.; wobei ders., in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 210 eine Begrenzung auf „förmliche Verfahren, die von der Rechtsordnung gewisser­maßen als Ersatz für den gerichtlichen Rechtsschutz zur Verfügung gestellt werden“ vornimmt. 52 Bleschick, FR 2013, 932, 934; a. A. Meyer-Götz, FamFR 2011, 365, 367. 53 So Bleschick, FR 2013, 932, 934; Meyer-Götz, FamFR 2011, 365, 367. 49

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Kap. 4: § 33 Abs. 2 S. 4 EStG als „Status quo“

2. Unbestimmte Rechtsbegriffe: „Gefährdung der Existenzgrundlage“ und „Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse“ Die Rechtsfolge des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG greift nicht, wenn die Ausnahme­ situation a.E gegeben ist. Mit dieser hat der Gesetzgeber an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs angeknüpft. Trotz dieses Befundes liefert diese alte Judikatur nur wenige Erkenntnisse, um zu einem Verständnis dieser unbestimmten Rechtsbegriffe zu gelangen54. Der Bundesfinanzhof wiederholte die Formel zwar stets, bejahte das Vorliegen ihrer Voraussetzungen aber regelmäßig nicht, sondern subsumierte die wenigen Ausnahmefälle unter andere Ausnahmetatbestände wie den des „Kernbereich(s) menschlichen Lebens“55 oder der „Scheidungskosten“56. Insofern kann auf die Rechtsprechung nur bedingt zurückgegriffen werden. Die Literatur lässt, was das Verständnis der Begriffe anbelangt, keine klare und eindeutige Linie erkennen: Teilweise wurde vorgeschlagen, die Merkmale so auszulegen, dass „die nach der bisherigen […] Rechtsprechung anerkannten Aufwendungen auch weiterhin berücksichtigt werden“.57

Mitunter heißt es auch, die unbestimmten Rechtsbegriffe ließen sich ohnehin „nicht exakt definieren und voneinander abgrenzen“58. Auch andere Stimmen de­ erhältnis finieren nicht den Tatbestand, sondern beschränken sich darauf, das V der Norm zur langjährigen Linie des Bundesfinanzhofs zu beschreiben. Dabei reichen die Meinungen von der These, dass die Norm die alte Rechtsprechung festgeschrieben59, bis zu der Ansicht, dass sie die Abzugsvoraussetzungen nunmehr verengt habe60. Auch ist versucht worden, anhand von Fällen, die nach der alten Rechtsprechung abzugsfähig waren, die Ausnahmetatbestände zu konkretisieren. Ein Prozess zur Sicherung der Existenz bzw. lebensnotwendiger Bedürfnisse sei nach der alten Judikatur etwa ein solcher gewesen, bei dem das Umgangsrecht mit den eigenen Kindern erstritten werden sollte61. Selbiges habe für eine Verfassungsbeschwerde

54

Vgl. dazu oben sub Kap. 3 A. Vgl. dazu oben sub Kap. 3 A. I. 56 Vgl. dazu oben sub Kap. 3 A. II. 57 Loschelder, in: Schmidt, EStG, 35. Auflage 2016, § 33 Rn. 35 Stichwort „Prozesskosten“. 58 Heim, DStZ 2014, 165, 170. 59 So Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 220; Paintner, DStR 2013, 1629, 1633; G. Kirchhof, DStR 2013, 1867, 1871 meint, das Gesetz „kehrt zur alten Rechtsprechung zurück“. 60 Heim, DStZ 2014, 165; Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 220 spricht nicht nur von Festschreibung, sondern – „in manchen Fällen“ – auch von Einschränkung. 61 Bleschick, FR 2013, 932, 935 bezieht sich auf BFH v. 4.12.2001 – III R 31/00, BStBl. II 2002, 382. 55

B. Divergenzen im Verständnis der Normbestandteile

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gegolten, mit der schwere Grundrechtsverletzungen geltend gemacht worden sind62. Problematisch ist hieran allerdings, dass der Bundesfinanzhof selbst diese beiden Ausnahmefälle nicht dem nun Gesetz gewordenen Ausnahmefall des „existenziellen Bereichs“ (Verlust der Existenzgrundlage / Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse) zugeordnet, sondern es seinerzeit für angebracht gehalten hat, speziell für diese Fälle „eine weitere Ausnahme“63 anzuerkennen. Schließlich wird auch versucht, unter Rückgriff auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs für einen Veranlagungszeitraum vor 201364 und den dortigen Sachverhalt die Kategorie des Verlusts der Existenzgrundlage im Sinne der Norm beispielhaft zu erschließen65. a) Alternative oder kumulative Bedeutung der Konjunktion „und“ Im Einzelnen hat die Literatur auch diskutiert, ob die Konjunktion „und“, mit der die beiden Wörter im Gesetzestext miteinander verbunden sind, alternativ oder kumulativ zu verstehen ist. Auf den ersten Blick scheint dabei ein kumulatives Verständnis nahe zu legen, d. h. erst wenn beide unbestimmten Rechtsbegriffe gleichzeitig vorliegen, wäre der Ausnahmefall des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG erfüllt. Während bei der Konjunktion „oder“ klar wäre, dass die Tatbestandsmerkmale alternativ zu verstehen sind, kann ein „und“ im Gesetzestext aber durchaus nicht nur kumulativ, sondern auch alternativ zu verstehen sein. Denn der Gesetzgeber verwendet die Begriffe mitunter unsauber66. Teilweise wird hier daher ein alternatives Verständnis der Konjunktion vertreten67, teilweise unter Hinweis auf den „eindeutigen Gesetzeswortlaut“ auch ein kumulatives Verständnis als richtig angesehen68.

62

Bleschick, FR 2013, 932, 935 bezieht sich auf BFH v. 4.12.2001 – III R 31/00, BStBl. II 2002, 382. 63 BFH v. 4.12.2001 – III R 31/00, BStBl. II 2002, 382, 384. 64 BFH v. 20.1.2016 – VI R 14/13, BFH / N V 2016, 1142, 1144. Anzumerken ist jedoch, dass der BFH hier nicht entschied, dass dies eine Konstellation sei, die den Ausnahmetatbestand erfüllt. Vielmehr wies er darauf hin, dass in einer solchen Konstellation jedenfalls kein vorrangiger Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzug zu beachten sei. 65 Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 221. 66 Vgl. Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 691; unterhaltsame Beispiele bei ­Scheuerle, AcP 172 (1972), S. 396, 446. 67 Bleschick, FR 2013, 932, 935. Er führt aber zunächst aus, dass „in der Regel“ beide Varianten gleichzeitig erfüllt seien. 68 Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 212; ders., FR 2014, 209, 215. Als weiteres Argument führt ders. an, dass auch in den Urteilen des BFH stets die Konjunktion „und“ zwischen den beiden unbestimmten Rechtsbegriffen verwendet worden war; ebenso für ein kumulatives Verständnis Heim, DStZ 2014, 165, 168.

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Kap. 4: § 33 Abs. 2 S. 4 EStG als „Status quo“

b) „Gefahr des Verlusts der Existenzgrundlage“ aa) Hans- Joachim Kanzlers Ansatz Nach Ansicht von Hans-Joachim Kanzler ist unter dem Begriff der Existenzgrundlage die menschliche materielle Lebensgrundlage zu verstehen69. Er grenzt damit den Begriff von einer biologischen und seelischen Existenzgrundlage ab70. Diese materielle Lebensgrundlage sei die „Möglichkeit, aus […] Vermögen und aus Rechtsverhältnissen (z. B. Pachtverträgen oder Konzessionen) einen nachhaltigen Ertrag zu erzielen oder seinen Lebensunterhalt durch Arbeit zu bestreiten.“ 71

Die Existenzgrundlage als Möglichkeit, sein Dasein durch Arbeit und Ver­mögen zu erwirtschaften, wird von Hans-Joachim Kanzler damit insbesondere als Erwerbsgrundlage begriffen. Dieses Verständnis liege dem Begriff auch an anderer Stelle im Steuerrecht und in der sonstigen Rechtsordnung zugrunde72. So würden Aufwendungen der Ehescheidung die Existenzgrundlage nicht betreffen, da die Ehe keinen Bezug zur Erwerbsgrundlage habe73. Aufwendungen eines Unternehmers hingegen, die dazu dienen, eine Gefängnisstrafe wegen Steuerhinterziehung abzuwenden und die selbständige Erwerbsgrundlage zu erhalten, seien solche, um die Existenzgrundlage zu sichern74. bb) Walter Georg Leisners Verständnis von „Existenzgrundlage“ Walter Georg Leisner hat sich zwar nicht mit dem vorliegenden § 33 Abs. 2 S. 4 EStG beschäftigt, wohl aber allgemein mit dem Begriff der Existenzgrundlage im Öffentlichen Recht. Nach ihm ist dieser Terminus einem übergeordneten Existenzbegriff im Öffentlichen Recht zuzuordnen. Während das Existenzminimum eine „Rechtslage“ bezeichne, „in welcher einem physisch existierenden Rechtsträger alles, aber auch nur das zur Verfügung steht, was er ‚zum Leben unbedingt

69

Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 213; ders., FR 2014, 209, 216; für ein materielles Verständnis auch Geserich, jurisPR-SteuerR 40/2017 Anm. 3. 70 Kanzler, FR 2014, 209, 216; a. A. Gerauer, NWB 2014, 2621, 2624. 71 Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 213; ders., FR 2014, 209, 216. 72 Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 213; ders., FR 2014, 209, 216. So erwähnt er § 273 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 Lastenausgleichsgesetz v. 14.8.1952 (BGBl. I, S. 446). Die Vorschrift regelt, unter welchen Umständen Unterhaltshilfe für Menschen zu leisten ist, die Vermögensschäden oder sonstige Nachteile infolge des Zweiten Weltkrieges erlitten haben. In seinen Voraussetzungen stellt § 273 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 Lastenausgleichsgesetz auf die Existenzgrundlage ab, die besonders auf einer „selbständigen Erwerbstätigkeit“ beruht, § 273 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Lastenausgleichsgesetz. 73 Kanzler, FR 2014, 209, 216. 74 Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 213; ders., FR 2014, 209, 216.

B. Divergenzen im Verständnis der Normbestandteile

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braucht‘“75, gehe die Existenzgrundlage darüber hinaus. Sie ermögliche im Gegensatz zum Existenzminimum nicht bloß ein Mindestmaß an physisch-sozialem Dasein für jeden Menschen76. Sie sei eine aktiv aus eigener Kraft „bereits geschaffene, rechtlich definierte Situation“77. Anders als das Existenzminimum sei die Existenzgrundlage nicht in einer Pauschalierung zu greifen, sondern hänge stets von eingesetzter Leistung und ökonomischem Umfeld ab, sie sei von „höchst unterschiedlicher Art und Wertigkeit“78. Im Steuerrecht geschehe Existenzsicherung vor allem darüber, dass die Existenzgrundlagen zu verschonen seien79. Dies seien die Steuerquellen, welche Einnahmen generierten und damit sowohl dem Existenzminimum des Einzelnen als auch dem Steueraufkommen des Staates dienten80. Einfachgesetzlich erfolge die Sicherung der Existenzgrundlagen im Steuerrecht vor allem über die Möglichkeit des Abzugs erwerbssichernder Aufwendungen81. Diese können aber nur in der steuerbaren Sphäre in Rede stehen. Daraus lässt sich schließen, dass nach Ansicht Walter Georg Leisners Existenzgrundlagen das Erzielen von Einkünften ermöglichen sollen. Dessen Begriffsverständnis bezieht sich also  – wie auch das von Hans-Joachim Kanzler – insbesondere auf Erwerbsgrundlagen. cc) Verwendung des Begriffes „Existenzgrundlage“ in anderen Gesetzen Auch der Steuergesetzgeber selbst verwendet den Terminus der Existenzgrundlage regelmäßig im Zusammenhang mit einer Erwerbstätigkeit. Nach § 69 Abs. 2 BewG kann „ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft die Existenzgrundlage“ bilden82. Nach dem Verständnis des Bundesfinanzhofs ist dies der Fall, wenn aus dem Betrieb Erträge erwirtschaftet werden, die geeignet sind, den Steuerpflichtigen und seine Familie mindestens in Höhe von Sozialleistungen zu versorgen83. Die Norm des § 273 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 Lastenausgleichsgesetz fordert eine „selb 75

W. G. Leisner, Existenzsicherung, S. 69. W. G. Leisner, Existenzsicherung, S. 71 f. Hat der Einzelne dieses noch nicht erreicht, so ist es ihm hiernach durch den Staat zu gewähren. 77 W. G. Leisner, Existenzsicherung, S. 72. 78 W. G. Leisner, Existenzsicherung, S. 72. Die selbst geschaffene Existenzgrundlage beinhalte aber auch das Existenzminimum, damit sorge der Einzelne für seinen Lebensunterhalt selbst. Er sei nicht darauf angewiesen, dass der Sozialstaat ihm das Existenzminimum durch Transferleistungen garantiere. Die Existenzgrundlage des Einzelnen bedeute damit auch Staatsentlastung, vgl. dazu ders., a. a. O., S. 73. 79 W. G. Leisner, Existenzsicherung, S. 346. 80 W. G. Leisner, Existenzsicherung, S. 346: „Die Steuerquellen sollten möglichst weder mit einem Mal verschüttet noch langsam ausgetrocknet werden“. 81 W. G. Leisner, Existenzsicherung, S. 347 f. 82 Dazu schon Kanzler, FR 2014, 209, 216. 83 BFH v. 28.6.1974 – III R 43/73, BStBl. II 1974, 702, 704. 76

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Kap. 4: § 33 Abs. 2 S. 4 EStG als „Status quo“

ständige Erwerbstätigkeit“. Auch sie versteht daher unter Existenzgrundlage eine Basis, die dazu dienen soll, Einkünfte zu generieren84. c) „Gefahr des Nicht-mehr-befriedigen-Könnens lebensnotwendiger Bedürfnisse im üblichen Rahmen“ Mit dem zweiten Merkmal des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG hat sich – soweit ersichtlich – allein Hans-Joachim Kanzler näher auseinandergesetzt85. Hier könne ein ähnlicher Ansatz zu wählen sein wie im Bereich der Wirtschaftswissenschaften86. Dort spielt der Begriff eine Rolle im Zusammenhang mit dem Führen eines Unternehmens, insbesondere der Personalführung und Mitarbeitermotivation87. So habe man als Unternehmen „zur langfristigen Gewinnmaximierung“88 die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu wahren. Um diese Bedürfnisse zu bestimmen, greift man auf die von dem US-amerikanischen Psychologen Abraham Maslow entwickelte Bedürfnispyramide zurück89. Unter Rückgriff hierauf könne man unter lebensnotwendigen Bedürfnissen im Sinne der Norm nun solche verstehen, die physiologische, sicherheitsbasierte und soziale Interessen beschreiben90. Der im Gesetz zu findende Zusatz „in dem üblichen Rahmen“ sei dabei mit der Gruppenvergleichsformel der Außergewöhnlichkeit zu bestimmen. So seien beim Ermitteln der lebensnotwendigen Bedürfnisse die Verhältnisse Steuerpflichtiger gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes zu berücksichtigen91.

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Auch dazu schon Kanzler, FR 2014, 209, 216. Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 214; ders., FR 2014, 209, 217. 86 Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 214; ders., FR 2014, 209, 217. 87 Wöhe / Döring / Brösel, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 138. 88 Wöhe / Döring / Brösel, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 138. 89 Maslow, Motivation und Persönlichkeit, S. 74 ff.: Danach beginnen die menschlichen Bedürfnisse auf einer ersten Stufe mit elementaren physiologischen Bedürfnissen, vorwiegend bestehend aus Essen, Trinken, Wärme und Schlaf (ders., a. a. O., S. 74 ff.). Sind diese hinreichend befriedigt, so treten auf der zweiten Stufe Sicherheitsbedürfnisse hinzu. Sie bezeichnen ein Verlangen nach Schutz, Stabilität, Geborgenheit, Struktur, Ordnung, Grenzen, Regeln, Gesetzen sowie Freiheit von Angst (ders., a. a. O., S. 79 ff.). Sodann kommen auf dritter Ebene soziale Bedürfnisse hinzu, die das menschliche Verlangen nach Zuneigung und Liebe, sozialer Anerkennung und Zugehörigkeit beschreiben (ders., a. a. O., S. 85 ff.). Auf der vierten Ebene dieser Pyramide tritt dann das Bedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung hinzu (ders. a. a. O., S. 87 f.), ehe die Pyramide in der fünften Ebene gipfelt, welche das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung eines Menschen beschreibt (ders., a. a. O., S. 88 f.). 90 Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 214; ders.; FR 2014, 209, 217. Nicht erfasst sein sollen hingegen die Bedürfnisse nach Anerkennung, Wertschätzung und Selbstverwirklichung. 91 Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 214; ders., FR 2014, 209, 217. 85

Kapitel 5

Die Methodik der Auslegung als Ausgangspunkt A. Bedeutung der Auslegung Das Sichten von Literatur und Rechtsprechung lässt ein unterschiedliches Bild vom Verständnis des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG zu Tage treten1. Deshalb stellt sich die Frage, inwieweit die dargelegten Vorschläge zu überzeugen vermögen oder aber ein anderes Verständnis richtig ist. Da Menschen als Akteure des Rechts „notwendig subjektiv geprägt“2 tätig werden, ergibt sich hier zwar nicht notwendigerweise nur das eine zutreffende Verständnis im Sinne einer „einzig richtigen“ Entscheidung3 – auch wenn als Maxime freilich an ihr festzuhalten ist4. Dies berechtigt den Rechtsanwender aber keinesfalls, ein Gesetz nach persönlichem Gut­dünken zu verstehen5. Vielmehr ist das angezeigte Verständnis „auf der Grundlage nachvollziehbarer und rationaler Kriterien“6 zu entwickeln. Dabei muss für den Rechtsanwender die „Leitidee der Richtigkeit“7 gelten. Gerade hierzu bedarf es der Auslegung der Gesetze und einer Beschäftigung mit ihren methodischen Grundlagen. Denn diese halten eben solche „nachvollziehbaren und rationalen“8 Mittel bereit9. Die Methodik der Auslegung dient auf diese Weise primär dem Prozess der Rechtserkenntnis10. Diesen Schritt unternimmt das nachfolgende Kapitel 6, indem es den Inhalt von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG bestimmt11. Die methodischen Grundlagen bereiten damit aber auch den Weg für den weiteren Teil der Rechtsgewinnung – den 1

Vgl. oben sub Kap. 4 A. und B. Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 56. 3 Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 55 f. 4 Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 58 f. 5 Isensee, Die typisierende Verwaltung, S. 130 f.; Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 58. 6 Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 58. 7 Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 58. 8 Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 58. 9 Zum Ganzen Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht; vgl. dazu auch den Tagungsbericht von Kugelmüller-Pugh / L eipold zum Symposium beim BFH zum Thema „Rechtsanwendung im Steuerrecht zwischen Auslegung, Rechtsfortbildung und Fiktion“, DStR-Beih. 2011, 47 ff.; grundlegend zur Auslegung im Steuerrecht schon Weber-Grellet, StuW 1993, 97, 100 ff. 10 Merkl, in: ders., Gesammelte Schriften I/1, S. 85, 88: „Die rechtlichen Erkenntnisse sind Produkte der Auslegung, daher fällt die Funktion der Rechtserkenntnis mit der Auslegungstätigkeit in eins zusammen“. 11 Dazu unten Kap. 6. 2

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Kap. 5: Die Methodik der Auslegung als Ausgangspunkt

Weg für die Rechtsetzung12. So ist im übernächsten Kapitel 7 danach zu fragen, inwieweit der zuvor bestimmte Inhalt des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG die Aufwendungen in beispielhaft dargestellten Fallgruppen erfasst und so über deren Abziehbarkeit entscheidet13.

B. Verfassungsrechtliche Einflüsse Auf dem Gebiet der Gesetzesauslegung lassen sich unterschiedliche Verfassungsprinzipien für oder gegen eine bestimmte Methode nennen14. Während Art. 20 Abs. 3 GG die Rechtsprechung an „Gesetz und Recht“ bindet15, sind Richter nach Art. 97 Abs. 1 GG „unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen“16. Diese Ausprägungen des Rechtsstaats- und des Gewaltentrennungsprinzips spielen in der Diskussion um die richtige Methodenwahl regelmäßig eine Rolle. Denn es besteht durchaus die Gefahr, dass eine zu weite Auslegung „eigenes Recht“ der Rechtsprechung schaffen könnte und dadurch der Gewaltentrennung Schaden droht17. Auch das Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 2, Abs. 3 GG wird in der Aus­ einandersetzung um die Methodenwahl häufig in Stellung gebracht. Denn die Zuständigkeit für den Erlass von Bundesrecht liegt bei den Gesetzgebungsorganen Bundestag und Bundesrat18. Der von diesen Organen in Form von Gesetzen geäußerte Wille ist der demokratisch gebildete Wille des Souveräns – der Wille des Volkes19. Diese demokratische Zuständigkeitsordnung zugunsten des Parlaments 12 Grundlegend zu diesem Gedanken Merkl, in: ders., Gesammelte Schriften I/1, S. 85, 116; Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 94 f.; dazu auch Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 322: „Rechtsgewinnung erschöpft sich nicht in Rechtserkenntnis oder, was dasselbe ist, in Auslegung (Interpretation) […]. Rechtsanwendung bedeutet Rechtssetzung in Bindung an bestehendes Recht. Der jeweilige Rechtsanwender bewegt sich also im Spannungsfeld zwischen Bindung an Recht, das ihm vorgegeben ist, und Findung von Recht, das er in Ansehung des zu entscheidenden Falles zu setzen hat [..]“; siehe zu dieser Teilung auch Hillgruber, JZ 2008, 745 f. 13 Dazu unten sub Kap. 7. 14 Zu Vorgaben der Verfassung für die Methodenlehre (des Steuerrechts) Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 332 ff.; Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 51; hierzu allgemein Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 704 ff.; Looschelders / Roth, Juristische Methodik, S. 50 ff. 15 Dazu Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 33 ff.; Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VI Rn. 59; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 119. 16 Dazu Di Fabio, in: HStR II, § 27 Rn. 25 ff.; Detterbeck, in: Sachs, GG, Art. 97 Rn. 12. 17 Dazu Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, § 22 Rn. 706 f.; S. 51; siehe auch Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 57 f.: „Verzicht [des Rechtsanwenders] auf Eigenmacht“; Hillgruber, JZ 2008, 745, 746 ff. (für den Fall richterlicher Rechtsfortbildung); ausführlich zur Problematik Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 336 ff., 343 ff. 18 Di Fabio, in: HStR II, § 27 Rn. 19; Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 V Rn. 83; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 38. 19 Dazu Di Fabio, in: HStR II, § 27 Rn. 50; Grzeszick, in: Maunz / Dürig, Art. 20 II Rn. 61; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 35 ff.; zur demokratischen Legitimation der Auslegung insoweit Looschelders / Roth, Juristische Methodik, S. 50.

C. Ziel der Auslegung

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könnte möglicherweise unterlaufen werden, wenn den Gerichten bei der Auslegung der Gesetze ein zu weiter eigener Spielraum zugebilligt würde20. Der Frage nach der „richtigen“ Auslegungsmethode kommt schließlich auch aus einer weiteren Perspektive verfassungsrechtliches Gewicht zu. So verlangt Art. 3 Abs. 1 GG – wie das Bundesverfassungsgericht in den 1990er Jahren in Erinnerung gerufen hat – auch eine gleichmäßige Anwendung des Rechts21. Ein Gesetz ist auf alle Konstellationen anzuwenden, auf die ihr Tatbestand zutrifft, aber auch nur auf diese („Rechtsanwendungsgleichheit“)22. Umsetzen lässt sich diese Maxime jedoch nur dann, wenn der Inhalt dessen, was anzuwenden ist, in einem ersten Schritt – und zwar durch Auslegung – zutreffend ermittelt worden ist23. Im Lichte dieser Erkenntnisse ist Bernd Rüthers berühmter Aussage zuzustimmen: „Methodenfragen sind Verfassungsfragen“24.

C. Ziel der Auslegung Legt man Gesetze aus, ist zunächst die Frage zu klären, was man damit überhaupt erreichen will. Es stellt sich mithin die Frage nach dem Ziel der Gesetzesauslegung. Erst im Anschluss – weil voneinander abhängig25 – ist zu klären, wie und durch welche Auslegungskriterien dieses Ziel erreicht werden kann. Wenig streitanfällig ist allein, dass dieses Ziel jedenfalls in dem Herausarbeiten des Inhalts einer Vorschrift besteht26. Im Übrigen werden um diese Frage seit jeher „erbit­ terte (Meinungs-) Schlachten“27 geführt; im Folgenden wird nur ein Ausschnitt der diskutierten Theorien vorgestellt28.

20 Dazu Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 708; Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 51; Looschelders / Roth, Juristische Methodik, S. 7 f., 50; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 17 ff.; ausführlich zum Ganzen aus steuerrechtlicher Perspektive Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 353 ff. 21 BVerfG v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 268. 22 Isensee, Die typisierende Verwaltung, S. 133; ders., StuW 1994, 3, 8; Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 68. 23 In diese Richtung geht auch die Unterscheidung der Rechtsgewinnung in einen „interpretatorischen“ und einen „rechtsetzerischen“ Teil, vgl. dazu schon oben sub Kap. 5 A. 24 Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 706. 25 Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 725 ff.; Looschelders / Roth, Juristische Methodik, S. 30 f. 26 Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 329; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 29; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 16; Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrecht, Band 1, S. 97: „Auslegung ist Darlegung des Inhalts des Rechts“. 27 So Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 29. 28 Vgl. zu weiteren Ansätzen die Nachweise bei Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 803 ff. sowie bei Hartmann / Walter, Die Auslegung von Steuergesetzen, S. 177 ff.

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Kap. 5: Die Methodik der Auslegung als Ausgangspunkt

I. Die subjektive Theorie Nach der sogenannten subjektiven Theorie29 ermittelt die Auslegung den geschichtlich-tatsächlichen Willen des Gesetzgebers, es geht dabei um das Herausarbeiten der gesetzgeberischen Vorstellungen, Wertvorstellungen und Absichten30. Die subjektive Theorie kann für sich die bereits angesprochenen rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungsprinzipien (Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1, 20 Abs. 2, Abs. 3 GG) anführen. Diese sprechen für eine enge Bindung an den Willen des Gesetzgebers31. Weiterhin macht die subjektive Auslegung die Rechtssicherheit für sich geltend. Der gesetzgeberische Wille sei durch die Materialien bestimmbar, so dass sich ein jeder danach richten könne32. Damit sei eine Rechtsfrage im Sinne der Rechtssicherheit klar zu entscheiden33. Das Argument der Rechtssicherheit lässt sich aber auch gegen die subjektive Theorie wenden. So sei es eben nicht immer möglich, den genauen Willen des Gesetzgebers anhand von Gesetzgebungsmaterialien zu bestimmen – entweder weil diese nicht vorliegen bzw. nicht auffindbar seien oder es im Ermessen des Rechtsanwenders liege, welches Material er heranzieht34. Im Übrigen zieht diese Theorie auch deshalb Kritik auf sich, weil ein Gesetz in verschiedenste Lebensbereiche eingreife und der Gesetzgeber diese alle nicht vorhersehen könnte – ein Verhaften am gesetzgeberischen Willen würde dem Gesetz in seinem „geistigen Sein, das als ein solches in der Zeit existiert und mit ihr fortgeht“35, nicht gerecht.

29

Vertreter dieser streng subjektiven Theorie waren: Savigny, Windscheid, Bierling, Enneccerus, Heck, Strammler, Nawiawsky, Stoll; zu Vertretern in jüngerer Vergangenheit und den entsprechenden Nachweisen vgl. Hassold, ZZP 94 (1981), S. 192, 193 f. 30 Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Band 1, S. 113: „Zuerst muss der Sinn bestimmt werden, in welchem sie von ihren ursprünglichen Verfassern niedergeschrieben worden sind“; dazu auch Hartmann / Walter, Auslegung von Steuergesetzen, S. 171 m. w. N.; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 338 spricht abgeschwächt vom „Inhalt des aktualisierten Willens des Normsetzers“. 31 Dazu Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 19; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 316 f.; Hartmann / Walter, Auslegung von Steuergesetzen, S. 171 f. 32 Dazu Mennicken, Das Ziel der Gesetzesauslegung, S. 22. 33 Dazu Mennicken, Das Ziel der Gesetzesauslegung, S. 22. 34 Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 32: „Fiktion“ eines gesetzgeberischen Willens; kritisch auch Leinhäuser, Die richterliche Auslegung von Steuergesetzen gegen den Wortlaut, S. 73 f. 35 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 317.

C. Ziel der Auslegung

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II. Die objektive Theorie Nach der wohl herrschenden Ansicht in Rechtsprechung – dies meint hier das Bundesverfassungsgericht36 einerseits, den Bundesfinanzhof37 andererseits – und Literatur38 zielt die Auslegung weniger auf den Willen des Gesetzgebers, sondern auf denjenigen des Gesetzes selbst ab. In diesen „objektivierten Willen des Gesetzes“ kann zwar auch der historische Wille des Gesetzgebers miteinfließen, darüber hinaus ist er jedoch auch offen für andere Umstände wie das Rechts- und Gerechtigkeitsempfinden der überwiegenden Zahl der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft oder rechtspolitische Zielvorstellungen einer Mehrzahl von Menschen39. In diesem Sinne sei das Gesetz „von den an der Entstehung beteiligten Personen losgelöst“ und trage „nach der Publikation seinen Sinn in sich selbst“40, es beginne ein „Eigenleben“ des Gesetzes41.

Ausschlaggebend seien nach dieser Theorie vor allem auch das innere Gefüge und der innere Zusammenhang des Gesetzes selbst sowie die Bedürfnisse und Lebensverhältnisse der Gegenwart42. Hauptsächlich wird diese objektive Theorie mit dem Alterungsprozess von Gesetzen begründet: Einmal erlassene Gesetze könnten nicht permanent in ihrem ursprünglichen Sinn verstanden werden, sondern müssten auf die Veränderungen der Zeit reagieren können43. Andererseits erfährt die objektive Theorie auch deutliche Kritik. Wenn die Rede davon ist, es solle der „Wille des Gesetzes“ verwirklicht werden, so bestehe die Gefahr, dass insgeheim der „Wille des Rechtanwenders“ verwirklicht werde, da es einen „Willen des Gesetzes“ de facto nicht gebe44. Im Übrigen wird dieser Theorie auch eine mangelnde 36

Siehe etwa nur BVerfG v. 20.3.2002 – 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135, 157. BFH v. 21.7.2016 – IV R 26/14 – BStBl. II 2017, 202, 206; v. 28.1.2015 – VIII R 13/13, BStBl. II 2015, 393, 395; demgegenüber stand das Gericht in den 1950er Jahren überwiegend auf dem Standpunkt der subjektiven Theorie (vgl. etwa BFH v. 20.1.1959 – I 112/57 S, BStBl. III 1959, 133, 135; v. 15.4.1959 – II 175/57 U, BStBl. III 1959, 284; v. 8.12.1959 – I 35/59 U, BStBl III 1960, 66, 67) bis es ab den 1960er Jahren schließlich zunehmend auf die objektive Theorie abstellte (vgl. etwa BFH v. 31.7.1970 – III R 25/70, BStBl. II 1971, 46, 47; v. 28.6.1972 – I R 35/70, BStBl. II 1972, 785, 787; v. 1.2.1973 – I R 87/71, BStBl. II 1973, 410, 412; zum Ganzen auch Hartmann / Walter, Auslegung von Steuergesetzen, S. 173 ff. m.w.N). 38 Müller-Franken, in: FS Isensee, S. 229, 240 f.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 3, S. 1604; Sachs, in: ders., GG, Einf. Rn. 37; Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG, § 2 Rn. 33; Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht AT, Rn. 85; Schlink, Der Staat 19 (1980), S. 73, 101. 39 Dazu Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 32; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 17, Mennicken, Das Ziel der Gesetzesauslegung, S. 24 f. 40 Mennicken, Das Ziel der Gesetzesauslegung, S. 25. 41 Müller-Franken, in: FS Isensee, S. 229, 241. 42 Dazu Mennicken, Das Ziel der Gesetzesauslegung, S. 25 f. 43 Dazu Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 32 f; Hartmann / Walter, Auslegung von Steuergesetzen, S. 175 m. w. N. 44 Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 334 drückt dies so aus: „Demgegenüber wirkt die gegenteilige Annahme konstruiert und begründungsbedürftig, dass durch den Willensakt des Rechtserzeugungsorgans zunächst eine inhaltsleere Normhülse hergestellt, die sodann mit Norminhalt (von wem?) gefüllt werde […]“; gegen die Annahme eines „Willens 37

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Kap. 5: Die Methodik der Auslegung als Ausgangspunkt

Bindung an das Gesetz vorgeworfen, welche die Gewaltenteilung und das Demokratieprinzip zu unterlaufen drohe45.

III. Objektiv-teleologische Theorie nach Karl Larenz / Claus-Wilhelm Canaris Nach dem Verständnis von Karl Larenz und Claus-Wilhelm Canaris kann weder die subjektive noch die objektive Theorie allein zielführend sein46. Allerdings sei zuzugestehen, dass beiden Ansichten eine „Teilwahrheit“47 zugrunde liege. So spreche für die subjektive Theorie, dass „Bindung an das Gesetz“ i. S. v. Art. 20 Abs. 3 GG auch die mit dem Gesetzestext verbundenen Absichten des Gesetzgebers meine48. Die objektive Theorie habe für sich, dass sie flexibel auf Veränderungen reagieren könne, „die der Gesetzgeber nicht alle zu übersehen vermochte“49. Das Ziel der Auslegung sei es deshalb, den heute maßgeblichen, normativen Gesetzessinn zu ermitteln50. Dieser lasse sich einerseits durch den Willen des Gesetzgebers als historische Tatsache und andererseits durch objektive Momente bestimmen51. Mit diesen Merkmalen sollen Größen wie die „Strukturen des geregelten Sachbereichs“, „tatsächliche Gegebenheiten“ und „rechtsethische Prinzipien“ auf die Auslegung Einfluss nehmen52.

IV. Differenzierung nach dem Alter des Gesetzes Nach einer anderen differenzierenden Ansicht ist in diesem Zusammenhang das „junge Gesetz“ vom „alten Gesetz“ zu unterscheiden53. So sei bei jungen Gesetzen kein Grund ersichtlich, gegen den Willen des Gesetzgebers auszulegen. Denn seit Erlass des Gesetzes haben sich regelmäßig keine wesentlichen Umstände geändert, des Gesetzes“ ausdrücklich Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 719, 797; kritisch auch Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 32 f. 45 Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 810 ff; Looschelders / Roth, Juristische Methodik, S. 46 ff. 46 Dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 316 ff. 47 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 316. 48 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 316 f. 49 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 317. 50 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 318. 51 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 318 f. Diese Merkmale sollen aus zwei Gruppen bestehen – einerseits aus „objektiven Zwecken des Rechts wie Friedenssicherung und gerechte Streitentscheidung“ sowie andererseits aus dem Streben eines jeden Gesetzes nach einer „Regelung, die sachgemäß ist“, vgl. dazu Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 153. 52 Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 154; dazu auch Rüthers  / ​ ­Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 801 f. m. w. N. 53 Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 34 f.

C. Ziel der Auslegung

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das Gesetz sei mithin „up to date“. Die verfassungsrechtlichen Prinzipien der Gewaltenteilung und der Demokratie aus Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1, 20 Abs. 2, 3 GG können hiernach nicht zugunsten des Rechtsanwenders ausgehebelt werden; eine enge Bindung an den Willen des Gesetzgebers sei erforderlich54. Bei älteren Gesetzen jedoch, so diese Theorie, sei es zulässig, den ursprünglichen Willen des Gesetzgebers gleichsam weiterzuentwickeln, sofern sich wesentliche Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art geändert haben55.

V. Stellungnahme Zuzustimmen ist zunächst dem Befund von Karl Larenz, nach dem sowohl der subjektiven als auch der objektiven Theorie eine „Teilwahrheit“56 zugrunde liegt. Denn in der Tat überzeugen die Argumente der subjektiven Theorie, insbesondere der Hinweis auf die Verfassungsprinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie aus Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1, 20 Abs. 2, Abs. 3 GG, welche grundsätzlich für eine enge Bindung an den Willen des Gesetzgebers und gegen die subjektive Beliebigkeit des Rechtsanwenders streiten. Jedoch ist auch die Kritik an der subjektiven Theorie berechtigt, denn es ist nicht vorgegeben, wer überhaupt „der Gesetzgeber“ ist57. Andererseits gibt es in der Realität unbestreitbar Veränderungen rechtlicher und tatsächlicher Art, die der Gesetzgeber ex ante nicht voraussehen kann. Auf diese Veränderungen muss die Auslegung reagieren können. Insofern ist die an diesem Punkt ansetzende objektive Theorie58 nachvollziehbar und überzeugend. Mit der auf junge Gesetze bezogenen Einschränkung, dass „den Regelungsabsichten des Gesetzgebers“59 besondere Bedeutung zuzumessen ist, kann der objektiven Theorie gefolgt werden. Denn bei solchen „jüngeren Gesetzen“ sind regelmäßig noch keine wesentlichen Veränderungen rechtlicher und tatsächlicher Art zu konstatieren, so dass die Verfassungsprinzipien der Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1, 20 Abs. 2, Abs. 3 GG ebenfalls hinreichend berücksichtigt werden.

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Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 34 f. Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 35; so wohl auch Looschelders / Roth, Juristische Methodik, S. 64 m. w. N. 56 So Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 316; zur Berechtigung dieses Einwands siehe Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 351 ff. 57 Hierzu Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 30 f.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 19. Vor allem ist auch fraglich, ob auf Referenten- und Regierungsentwürfe oder Stellungnahmen der Bundesregierung, kurzum auf nichtlegislative Quellen, auf Ausschuss- und Kommissionsberichte oder Beratungsprotokolle überhaupt abgestellt werden darf und – falls ja – zu welchen Bedingungen, dazu kritisch ders., a. a. O., S. 19; zu derartigen Bedingungen Schlehofer, JuS 1992, 572, 575. 58 Vgl. dazu Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 32 f. 59 BVerfG v. 11.6.1980 – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277, 297. 55

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Kap. 5: Die Methodik der Auslegung als Ausgangspunkt

Ziel der Auslegung ist daher im Sinne der objektiven Theorie, den „objektivierten Willen des Gesetzes“ zu ergründen.

VI. Auswirkung auf die Auslegung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG Um nachfolgend diesen Willen des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG zu bestimmen, sind die Absichten des Gesetzgebers von besonderer Bedeutung, wenn die Norm als eine „junge“ anzusehen ist60. Dies lässt sich schon aufgrund des zeitlichen Moments ihres Erschaffens sagen. Denn sie wurde durch das AmtshilfeRLUmsG vom 28.6.201361 in den § 33 des EStG eingefügt. Im Übrigen sind seit dem Inkrafttreten der Vorschrift im Jahre 2013 auch keine wesentlichen Veränderungen rechtlicher oder tatsächlicher Art zu verzeichnen gewesen. Insbesondere kann hinsichtlich der Rechtsprechungsänderung des Bundesfinanzhofs im Jahre 2015 nicht von einer wesentlichen Änderung ausgegangen werden, denn diese Entscheidung betraf die Veranlagungszeiträume vor 2013 – also eine Zeit, für die die neue Vorschrift des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG noch keine Geltung beansprucht62.

D. Auslegungskriterien I. Klassischer Kanon Als klassische Auslegungskriterien sind – unter Rückgriff auf Friedrich Carl von Savigny63 und unterschiedlichen Bezeichnungen zum Trotz64  – die Auslegung nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Telos anerkannt65. 1. Wortlaut Die Auslegung nach dem Wortlaut ist schwieriger als es auf den ersten Blick scheint66. Als überholt bezeichnet werden kann die sogenannte „Eindeutigkeits 60

Dazu BVerfG v. 11.6.1980 – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277, 297. BGBl. I, S. 1809. 62 Vgl. § 52 Abs. 1 S. 1 EStG i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013 (BGBl. I, S. 1809). 63 Von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Band 1, § 33 S. 212 ff. Savigny kannte jedoch noch keine „teleologische Auslegung“ im heutigen Sinne; zum Ganzen auch Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 35 ff. 64 Dazu Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 41. 65 Gersch, in: Klein, AO, § 4 Rn. 31; Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 51 ff.; zur Diskussion, inwieweit die Rechtsvergleichung diesem Kanon als „fünfte Auslegungsmethode“ angehört siehe ders., a. a. O., S. 56 f. m. w. N. 66 Siehe zum Ganzen den Tagungsbericht von Kugelmüller-Pugh / L eipold zum Symposium beim BFH zum Thema „Rechtsanwendung im Steuerrecht zwischen Auslegung, Rechtsfortbildung und Fiktion“, DStR-Beih. 2011, 47 ff.; zum Ganzen auch Tipke, Die Steuerrechtsord 61

D. Auslegungskriterien

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regel“, nach welcher eine Vorschrift nicht mehr der Auslegung bedarf, wenn der Wortlaut „klar und eindeutig“ ist67. Denn die Feststellung, der Wortlaut sei in diesem Sinne „klar und eindeutig“, ist bereits das Ergebnis einer Auslegung68. Der Wortlaut eines Gesetzes – der ohnehin nur „Platzhalter“ des Sinnes einer Norm ist69  – kann also ganz grundsätzlich auf unterschiedlichste Weise zu begreifen sein70. Er kann etwa umgangssprachlich oder juristisch verstanden werden, ebenso kann er weit oder eng auszulegen sein. Die Notwendigkeit, dass Gesetze immer in Textform daherkommen, bedingt ihre Vieldeutigkeit71. Aus den gewählten Formulierungen lassen sich zwar regelmäßig Rückschlüsse auf den Willen des Gesetzgebers ziehen, jedoch kann der Wortlaut allein nicht die Frage beantworten, ob ein Gesetz weit oder eng aufzufassen ist72. Dazu sind weitere Auslegungskriterien heranzuziehen73. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs soll der mögliche Wortsinn einer Vorschrift die Grenze der Auslegung markieren, dies jedenfalls im Grundsatz74. Hiervon erkennen das Bundesverfassungsgericht wie der Bundesfinanzhof jedoch Ausnahmen an: Für den Bundesfinanzhof soll die Wortfassung einer Rechtsnorm den Inhalt eines Gesetzes oftmals nur „unvollkommen zum Ausdruck“ bringen75. Bei steuerlichen Gesetzen, insbesondere bei solchen, die hastig zustande gekommen sind, soll der Wortlaut insofern im Zweifel von keinem besonderen Gewicht sein76. Auch eine Auslegung gegen den Wortlaut soll aus Sicht des Bundesfinanzhofs in Einzelfällen zulässig sein, wenn eine wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt, welches vom Gesetzgeber nicht gewollt war77. Eine solche Auslegung gegen den Wortlaut sei jedoch besonders dort zurückhaltend vorzunehmen, wo sie zu einer verschärfenden Besteuerung oder einem Versagen einer nung, Band 3, S. 1606 ff.; Leinhäuser, Die richterliche Auslegung von Steuergesetzen gegen den Wortlaut. 67 So etwa noch BVerfG v. 9.11.1955 – 1 BvL 13/52, BVerfGE 4, 331, 351 zu dem Wortlaut einer Norm: „Der Wille des Gesetzgebers […] ist eindeutig und daher einer Interpretation nicht zugänglich“; dazu auch Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 732 m. w. N. 68 Dazu wie zu weiteren Einwänden Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 732 m. w. N. 69 Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 330. 70 Dazu Geserich, DStR-Beih. 2011, 59. 71 Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 743; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 38; Looschelders / Roth, Juristische Methodik, S. 131; Hartmann / Walter, Auslegung von Steuergesetzen, S. 180 ff. 72 Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 743. 73 Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 743; Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 57; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 41 ff. 74 BFH v. 17.7.2014 – VI R 8/12, BFH / N V 2014, 1970, 1985; v. 11.4.2013 – III R 11/12, BStBl. II 2013, 665, 667; v. 18.4.2012 – X R 5/10, BStBl. II 2013, 785, 787. 75 So BFH v. 9.11.1971 – VI R 96/70, BStBl. II 1972, 134, 135. 76 So auch BVerfG v. 19.6.1973 – 1 BvL 39/69, BVerfGE 35, 263, 278 f.: „Am Wortlaut einer Norm braucht der Richter aber nicht halt zu machen“; kritisch Gersch, in: Klein, AO, § 4 Rn. 26. 77 Etwa BFH v. 21.10.2010 – IV R 23/08, BStBl. II 2011, 277, 280; v. 17.6.2010 – VI R 50/09, BStBl. II 2011, 43, 45; v. 14.11.1972 – VIII R 22/68, BStBl. II 1973, 182, 183; v. 11.12.1964 – III 193/60 S, BStBl. III 1965, 82, 83.

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Kap. 5: Die Methodik der Auslegung als Ausgangspunkt

Vergünstigung führe78. An anderer Stelle hat der Bundesfinanzhof jedoch betont, dass eine solche Auslegung zu Lasten des Steuerpflichtigen regelmäßig nicht möglich sei79. Der Auslegung über den möglichen Wortsinn hinaus bzw. gegen ihn – zu Gunsten oder zu Lasten des Steuerpflichtigen – wird in der Literatur zu Recht widersprochen80. Es handelt sich in diesen Bereichen nicht mehr um Auslegung, sondern um Rechtsfortbildung81. 2. Entstehungsgeschichte Die entstehungsgeschichtliche Sicht ist hier von besonderer und zentraler Bedeutung, weil es sich bei § 33 Abs. 2 S. 4 EStG um ein „junges Gesetz“ handelt82 und es deshalb auf historische Bezüge in besonderem Maße ankommt83. Dieses Kriterium der Auslegung ermittelt die Bedeutung einer Rechtsvorschrift aus dem Zusammenhang ihres Entstehens84. Neben anderen Punkten ist dabei besonders auf die rechtspolitischen Absichten derjenigen einzugehen, die auf das Gesetzgebungsverfahren erheblichen Einfluss hatten, es geht mithin um den Willen des historischen Gesetzgebers85. 3. Systematik Unter systematischen Gesichtspunkten ist danach zu fragen, wie sich die Vorschrift in die Rechtsordnung im Allgemeinen86 wie auch in das Gesetz, in dem sie steht, einfügt87. Zu letzterem gehören insbesondere die (amtliche) Überschrift der 78

BFH v. 11.12.1964 – III 193/60 S, BStBl. III 1965, 82 f. BFH v. 25.2.1997 – VII R 15/96, BStBl. II 1998, 2, 6 (für Säumniszuschläge). 80 Ausführlich dazu Schenke, DStR-Beih. 2011, 54 ff.; Gersch, in: Klein, AO, § 4 Rn. 28; Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 58; Looschelders / Roth, Juristische Methodik, S. 67 m. w. N.; Felix, Stbg 1988, 15, 20. 81 Schenke, DStR-Beih. 2011, 54, 58 sieht zwar keine verfassungsrechtliche Bedenken, will die „Auslegung gegen den Wortlaut“ aber als Fall der Rechtsfortbildung verstanden wissen; so auch Gersch, in: Klein, AO, § 4 Rn. 28; Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 58; wohl auch Geserich, DStR-Beih. 2011, 59, 60. 82 Siehe dazu bereits oben sub Kap. 5 C. VI. 83 Zu diesem Zusammenhang Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 67; Looschelders / Roth, Juristische Methodik, S. 153; Hartmann / Walter, Die Auslegung von Steuergesetzen, S. 184. 84 Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 780; dazu auch Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 68; Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 60; Looschelders / Roth, Juristische Methodik, S. 155 f.. 85 Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 783; Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 60; Looschelders / Roth, Juristische Methodik, S. 157; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 3, S. 1611 f. 86 So insbesondere unter normhierarchischen Gesichtspunkten, siehe dazu unten sub Kap. 5 D. II. 87 Gersch, in: Klein, AO, § 4 Rn. 31; Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 63 ff.; Looschelders / Roth, Juristische Methodik, S. 149. 79

D. Auslegungskriterien

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Vorschrift sowie die Abschnitte und Absätze der Vorschrift zueinander88. Das vorzugswürdige Verständnis ist danach dasjenige, welches sich folgerichtig in den Regelungszusammenhang einfügt und ein sinnvolles Gesamtsystem erkennen lässt89. 4. Telos Auch der Telos der Norm, ihr „Sinn und Zweck“, muss in dem Zusammenhang Auswirkungen haben. Dabei ist zwar nicht streng im Sinne der subjektiven Theorie darauf zu achten, dass der gesetzgeberische Wille verwirklicht wird90. Freilich aber kann den historischen Umständen des „jungen“ § 33 Abs. 2 S. 4 EStG neben anderen Punkten erhebliche Bedeutung zuzumessen sein91. Teleologische Aspekte können oftmals direkt in dem Gesetz oder in einer amtlichen Begründung gefunden werden, im Übrigen sind sie anhand der Regelung selbst herauszuarbeiten92. 5. Wirtschaftliche Betrachtungsweise Im Steuerrecht hat die wirtschaftliche Bedeutung einer Vorschrift mitunter erhebliches Gewicht93. Maßgeblich sind insbesondere die ökonomischen Vorgänge, Zustände und Auswirkungen eines Sachverhalts. Daher greift mitunter eine andere  – etwa zivilrechtliche  – Wertung nicht durch94. Die Auslegung im Sinne einer „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ findet aber aus verfassungsrechtlichen Gründen am möglichen Wortsinn des Gesetzes eine Grenze, sofern sie sich zu Lasten des Steuerpflichtigen auswirkt. Schranken zieht damit in diesem Zusammenhang der rechtsstaatliche Vorbehalt des Gesetzes ein95, der sich im Steuerrecht durch den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung konkretisieren lässt96. 88

Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 57; Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 64; Hartmann / Walter, Die Auslegung von Gesetzen, S. 186; Tipke, Die Steuerrechtordnung, Band 3, S. 1613. 89 Gersch, in: Klein, AO, § 4 Rn. 31; Looschelders / Roth, Juristische Methodik, S. 149. 90 Siehe oben sub Kap. 5 C VI. 91 Solche weiteren Punkte sollen abstrakte Gesetzeszwecke sein wie die „Sachgerechtigkeit der Entscheidung“ oder die Überprüfung eines Ergebnisses darauf, ob dies vom Gesetz tatsächlich so gewollt war („Folgenkontrolle“), siehe dazu Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 71 f. 92 Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 71; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 41; Hartmann / Walter, Die Auslegung von Steuergesetzen, S. 188 ff. 93 Dazu schon Isensee, Die typisierende Verwaltung, S. 81 ff.; ausführlich zum Ganzen Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 3, S. 1629 ff. 94 Dazu im Einzelnen BVerfG v. 24.1.1962 – 1 BvR 232/60, BVerfGE 13, 318, 329; Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 70 ff.; Grimm, DStZ 1978, 283 ff.; Dornbach, DStR 1977, 3 ff. 95 BFH v. 5.5.1970 – II 98/69, BStBl. II 1970, 757, 758; v. 28.11.1967 – II 110/62, BStBl. II 1968, 216, 217; Gersch, in: Klein, AO, § 4 Rn. 34. 96 Dazu Wernsmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO, § 4 Rn. 650.

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Kap. 5: Die Methodik der Auslegung als Ausgangspunkt

II. Normhierarchische Vorgaben Der „Stufenbau der Rechtsordnung“97 nimmt auch Einfluss auf die Auslegung: einfaches Recht muss mit höherrangigem Recht in Einklang stehen und deshalb entsprechend ausgelegt werden98. Auch wenn es sich bei den nachfolgenden Auslegungsprinzipien streng genommen um Unterformen der systematischen Auslegung handelt99, werden diese hier der Übersicht halber gesondert dargestellt. 1. Verfassungskonforme Auslegung Verfassungskonforme Auslegung bedeutet einerseits, dass einfaches Recht in Übereinstimmung mit der Verfassung auszulegen ist100. Sind Normen einfachen Rechts vielfältig begreifbar und nur eine Variante hiervon verfassungsmäßig, so ist dasjenige Verständnis zu wählen, welches den Vorgaben der Verfassung entspricht101. Verbleibt am Ende nur eine Auslegungsmöglichkeit, die mit den grundgesetzlichen Vorgaben vereinbar ist, jedoch „mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen der Gesetzgebung in Widerspruch treten würde“102, so ist die Vorschrift verfassungswidrig; die verfassungskonforme Auslegung darf nicht dazu führen, nichtige Normen gleichsam zu retten103. Die verfassungskonforme Aus­legung dient damit auch der Inhaltskontrolle von Vorschriften. Denn sie kann eine Vorschrift als verfassungswidrig entlarven, wenn eine verfassungskonforme Auslegung gerade nicht möglich ist104. Andererseits ist hier der  – je nach Autor unterschiedlich bezeichnete  – Ansatz zu nennen, dass die Verfassung und insbesondere die von ihr geschützten Grundrechte auf alle Rechtssätze inhaltsfüllenden Einfluss nehmen können. Die Rede ist von rangkonformer Auslegung als Inhaltsbestimmung105, verfassungs-

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Dazu grundlegend Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 73 ff. Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 763; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 59. 99 Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 58; grundsätzlich zum Ganzen Voßkuhle, AöR 125 (2000), S. 177 ff. 100 Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 53 f.; Sachs, in: ders., GG, Einf. Rn. 52; Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 763; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 59; Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 92. 101 St. Rspr. seit BVerfG v. 7.5.1953 – 1 BvL 104/52, BVerfGE 2, 266, 282; dazu auch BFH v. 8.3.1996 – III R 146/93, BStBl. II 1997, 27, 29; v. 11.1.1984 – II R 187/81, BStBl. II 1984, 327, 328. 102 So etwa BVerfG v. 30.6.1964 – 1 BvL 16/62 u. a., BVerfGE 18, 97, 111. 103 BVerfG v. 19.6.1973 – 1 BvL 39/69, BVerfGE 35, 263, 280; v. 30.6.1964 – 1 BvL 16/62 u. a., BVerfGE 18, 97, 111; BFH v. 17.7.2014 – VI R 8/12, BFH / N V 2014, 1970, 1985. 104 Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 60 f.; Sachs, in: ders., GG, Einf. Rn. 56. 105 Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 61. 98

D. Auslegungskriterien

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orientierter Auslegung106 oder auch von dem Einwirken der Verfassung auf alle Rechtsgebiete107. 2. Unionsrechtskonforme Auslegung Zu dem höherrangigen Recht, das die Auslegung mitbestimmt, gehört auch das Unionsrecht108. Deutsches Recht – insbesondere einfaches Recht – ist europarechtskonform auszulegen, weil Art. 4 Abs. 3 EUV die Mitgliedstaaten der Europäischen Union dazu verpflichtet, das Unionsrecht effektiv durchzusetzen109. Aus deutscher Sicht erteilt das Grundgesetz nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG einen entsprechenden Rechtsanwendungsbefehl zugunsten der Rechtsakte der Europäischen Union110. Nationales (einfaches) Recht ist mithin so auszulegen, dass es mit dem primären111 und sekundären112 Recht der europäischen Union vereinbar ist113. Ist eine solche Auslegung nicht möglich, führt dies nicht zur Nichtigkeit der nationalen Vorschrift, sondern bloß zu ihrem Nichtanwenden. Denn das Unionsrecht genießt keinen Geltungsvorrang, sondern nur einen Anwendungsvorrang114. 3. Konventionsrechtskonforme Auslegung Schließlich kann auch die Europäische Menschenrechtskonvention Einfluss auf die Auslegung von Gesetzen nehmen115. Die EMRK ist kein Rechtsakt der Europäischen Union, sondern des Europarats, einer internationalen Organisation mit Sitz 106

Schlaich / Korioth, Das BVerfG, Rn. 448; Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 281. Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 759 ff. Im Kern geht es dabei um die seit dem Lüth-Urteil geklärte Frage, dass das Grundgesetz als Wertsystem für alle Rechtsbereiche gilt, insofern Ausstrahlungswirkung ins einfache Recht hat und bei der Auslegung desselben zu beachten ist, vgl. BVerfG v. 15.1.1958 – 1 BvR 400/57, BVerfGE 7, 198, 205 ff. 108 Zum Ganzen Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 463 ff. 109 Gersch, in: Klein, AO, § 4 Rn. 33a; Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 206; Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 766. 110 Herdegen, Europarecht, § 10 Rn. 2; Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 198 m. w. N. 111 Vgl. dazu Herdegen, Europarecht, § 8 Rn. 4; Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 380 ff. 112 So vor allem im Bereich von Richtlinien: Aus der Umsetzungspflicht des Art. 288 Abs. 3 AEUV für Richtlinien der Europäischen Union und dem entsprechenden innerdeutschen Rechtsanwendungsbefehl nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG folgt für die Bundesrepublik Deutschland die Pflicht, nationales Recht richtlinienkonform auszulegen und anzuwenden, siehe zu dieser Sonderform EuGH v. 13.11.1990, Rs. C-106/89, EU:C:1990:395 Rn. 8 „Marleasing / La Comercial“; Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 413 ff.; Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 768; Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, S. 272 ff. 113 Gersch, in: Klein, AO, § 4 Rn. 33a; Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 766. 114 EuGH v. 15.7.1964, Rs 6/64, NJW 1964, 2371, 2372 „Costa ./. ENEL“; Herdegen, Europarecht, § 10 Rn. 3; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 60. 115 Dazu Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 55 f. 107

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Kap. 5: Die Methodik der Auslegung als Ausgangspunkt

in Straßburg116. Ihre Vorgaben haben im Gegensatz zum Recht der Europäischen Union keinen Anwendungsvorrang per se, sondern könnten theoretisch durch nachfolgendes einfaches Recht umgangen werden117. Denn die EMRK gilt in Deutschland einfachgesetzlich durch ein Zustimmungsgesetz nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG118. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch schon früh entschieden, dass das deutsche Recht in Übereinstimmung mit der EMRK und der Rechtsprechung des EGMR auszulegen ist119. Dies geschieht dadurch, dass die deutsche Verfassung und insbesondere die dortigen Grundrechte ihrerseits völkerrechtsfreundlich im Sinne der EMRK und der Rechtsprechung des EGMR zu verstehen sind120. Die Grenzen der konventionsrechtskonformen Auslegung liegen dort, wo das Auslegungsergebnis mit einem höheren Schutzniveau des Grundgesetzes kollidieren würde121. Eine solche denkbare Konfliktlage zwischen Gewährleistungen der EMRK und des GG stellt ein Problem für sich dar, das im Rahmen dieser Arbeit nicht näher behandelt zu werden braucht122.

III. Reihenfolge der Auslegungskriterien und weiterer Gang der Untersuchung Die Auslegung einer der Norm beginnt mit dem Wortlaut123, auch wenn es im Übrigen nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung keine feste Rangfolge der Kriterien gibt124. Entgegen dieser Ansicht ist es gleichwohl sinnvoll, eine gewisse Stufenfolge der übrigen Auslegungskriterien zu wählen. Denn dies dient zum 116 Hierzu näher Herdegen, Europarecht, § 2 Rn. 1 ff.; Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 42 ff.; Meyer-Ladewig / Nettesheim, in: Meyer-Ladewig, EMRK, Einl. Rn. 14 ff. 117 Herdegen, Europarecht, § 3 Rn. 56. 118 BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, 317 f.; v. 29.5.1990 – 2 BvR 254, 1343/88, BVerfGE 82, 106, 114. 119 BVerfG v. 4.5.2011 – 2 BvR 2365/09 u. a., BVerfGE 128, 326, 369 f. m. w. N.; v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, 317; v. 26.3.1987 – 2 BvR 589/79, BVerfGE 74, 358, 370. 120 BVerfG v. 4.5.2011 – 2 BvR 2365/09 u. a., BVerfGE 128, 326, 366. 121 BVerfG v. 4.5.2011 – 2 BvR 2365/09 u. a., BVerfGE 128, 326, 371. 122 Dazu näher Habermann, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG 5 (2019), S. 99, 112 ff. am Beispiel des Streikrechts für Beamte; nach BVerfG v. 12.6.2018 – 2 BvR 1738/12 u. a., NJW 2018, 2695 besteht im Falle des deutschen Streikverbots für Beamte aber gerade keine Kollisionslage zwischen der EMRK und dem GG. Denn es müsse aus der Sicht der EMRK immer auch geprüft werden, in welchen Kontext ein Problem in den Konventionsstaaten eingebunden ist („Unterschiede, die sich aus dem Kontext der Rechtsordnungen ergeben“, BVerfG, a. a. O., 2707), und dies seien hier die „Besonderheiten des deutschen Systems des Berufsbeamtentums“ (BVerfG, a. a. O., 2708). 123 BFH v. 14.11.1972 – VIII R 22/68, BStBl. II 1973, 182, 183; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 41; Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 1, § 37, S. 232 spricht beim Wortlaut von dem „nächsten und natürlichsten Erkenntnismittel für den Gedanken“; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 330 weist darauf hin, dass der Wortlaut gleichwohl nur als „Platzhalter“ fungiert (siehe dazu auch schon oben sub Kap. 5 D. I. 1.). 124 BFH v. 14.11.1972 – VIII R 22/68, BStBl. II 1973, 182, 183 führt insoweit nur aus, dass bei der „Auslegung eines Gesetzes […] grundsätzlich von seinem Wortlaut auszugehen“ ist.

D. Auslegungskriterien

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einen der Übersichtlichkeit, zum anderen wird dem Umstand Rechnung getragen, dass höherrangige und damit möglicherweise zwingende Normvorgaben frühzeitig für das Verständnis des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG fruchtbar gemacht werden können125. Aus diesem Grund richtet sich der Blick nach einer Beschäftigung mit dem Wortlaut auf die verfassungsrechtlichen, dann auf die unionsrechtlichen und schließlich auf die konventionsrechtlichen Einflüsse. Daraufhin sind die weiteren Canones in den Fokus zu nehmen. Aufgrund der engen Bindung an den gesetzgeberischen Willen126 ist der historischen Auslegung dabei zentrale Bedeutung zuzumessen; nach ihr werden systematische und teleologische Aspekte in den Mittelpunkt gestellt.

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Im Übrigen kann so auch dem Willen des Gesetzgebers, der für die Auslegung hier von besonderem Gewicht ist (vgl. dazu oben sub Kap. 5 C. VI.), frühzeitig für das Normverständnis Rechnung getragen werden. 126 Vgl. dazu oben sub Kap. 5 C. VI.

Kapitel 6

Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG – „Rechtserkenntnis“1 A. Wortlaut I. Rechtsfolge Der Inhalt der Rechtsfolgenanordnung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG „sind vom Abzug ausgeschlossen“ lässt sich mit einer reinen Wortlautauslegung nicht abschließend ergründen. Dies muss im weiteren Fortgang in einer Gesamtschau mit den weiteren Auslegungskriterien geschehen2. Gleichwohl kann anhand des bloßen Wortlauts aber eine grobe Stoßrichtung der Norm erkannt werden: die entsprechen­ den Aufwendungen sollen jedenfalls im Ergebnis die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer nicht mindern dürfen3. Diese erste Erkenntnis berechtigt zu folgender Annahme: Die vom Bundesfinanzhof in jahrzehntelanger Rechtsprechung vertretene These, nach der Steuerpflichtige das Risiko, Prozesskosten tragen zu müssen, freiwillig eingingen4, ist nunmehr „vom Tisch“ – jedenfalls für all jene Aufwendungen, die der Norm des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG unterfallen. Denn das Argument der (vermeintlichen) Freiwilligkeit hatte seinerzeit zur Folge, dass Prozesskosten nicht nach § 33 EStG abziehbar waren, soweit kein Ausnahmefall gegeben war. Dieses Ergebnis zeitigt nun aber prima facie die neue Vorschrift des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG. Die „Freiwilligkeitsthese“ ist damit obsolet geworden.

1 Um hier in der Teilung von Rechtsgewinnung in „Rechtserkenntnis“ und „Rechtsetzung“ zu bleiben, dazu schon oben sub Kap. 5 A. 2 Dazu schon oben sub Kap. 5 D. I. 1. 3 Insoweit dürften alle vorgestellten Vorschläge (vgl. dazu oben sub Kap. 4 A. und B. übereinstimmen. 4 Erstmals BFH v. 22.8.1958 – VI 148/57 U, BStBl. III 1958, 419, 420.

A. Wortlaut

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II. Tatbestand 1. Begriffsbedeutung einzelner Wörter Es ist auch auf Tatbestandsseite zunächst festzustellen, dass die reine Wortlautauslegung nicht die Frage beantworten kann, ob die Tatbestandsmerkmale eng oder weit auszulegen sind5. In Bezug auf die möglichen Ansätze und Vorschläge in Rechtsprechung und Literatur zum Umgang mit dem Tatbestandsteil „Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits“6 sei nur ausgeführt, dass ein enges Verständnis genauso vom Wortlaut erfasst wäre wie ein weites. Der mögliche Wortsinn des Wortes „Rechtsstreit“ erfasst nach seinem Begriffshof 7 auch außergerichtliche Auseinandersetzungen im Sinne eines „Streits um Rechte“. Nichts anderes kann für die Vorschläge rund um die Ausnahmetatbestände „Gefahr des Verlusts der Existenzgrundlage“8 und „Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse“9 gelten. Die Vorschläge wären damit mit dem Wortlaut des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG vereinbar, sie würden sich innerhalb der grundsätzlich maßgebenden Grenze der Auslegung bewegen10. 2. Unbestimmte Rechtsbegriffe? Unter unbestimmten Rechtsbegriffen versteht man mitunter leerformelhaft anmutende Begriffe, die der Gesetzgeber regelmäßig verwendet, um eine große Anzahl regelungsbedürftiger Sachverhalte mit geringem normativem Aufwand zu bewältigen11. Bei der Auslegung solcher Begriffe ist zu beachten, dass die schlichte Begriffsbestimmung der einzelnen Wortbestandteile für sich genommen in noch viel geringerem Maße als bei bestimmten Rechtsbegriffen12 geeignet ist, ihren Gehalt zu ergründen13. Deshalb erscheint es dort sinnvoll, die Leitgedanken der

5

Dies ist erst bei Hinzuziehen der weiteren Auslegungskriterien möglich, dazu Rüthers  / ​ Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 743; siehe dazu im Übrigen schon oben sub Kap. 5 D. I. 1. 6 Vgl. dazu oben sub Kap. 4 B. II. 1. 7 Dazu Heck, Gesetzesauslegung und Interessenjurisprudenz, S. 46. 8 Vgl. dazu oben sub Kap. 4 B. II. 2. b). 9 Vgl. dazu oben sub Kap. 4 B. II. 2. c). 10 Siehe zu dieser Grenze bereits oben sub Kap. 5 D. I. 1. 11 Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 185: etwa Begriffe wie „angemessen“, „verhältnismäßig“, „grober Undank“, „ehrloses Verhalten“. 12 Die Unterscheidung von „unbestimmten“ und „bestimmten“ Rechtsbegriffen ist freilich fließend und nicht mit einer absoluten Grenze festzulegen. 13 Vgl. hierzu Schubert, in: MüKo, BGB, § 242 Rn. 8: „Die abstrakt-sprachliche Ermittlung eines Wortsinns führt nur zu einem sehr allgemeinen Ergebnis und ist für den Zweck des § 242 im Einzelnen von begrenztem Erkenntniswert“; auch wird im Rahmen des § 138 BGB nicht im Einzelnen ergründet, was unter „gut“ und „Sitten“ zu verstehen ist, vgl. zu diesem wie weiteren Beispielen Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 51.

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Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

jeweiligen Vorschriften prominent herauszustellen, um davon ausgehend Fallgruppen zu bilden14. Bei den Tatbestandsmerkmalen des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG handelt es sich um solche unbestimmten Rechtsbegriffe. Für die weitere Untersuchung ist es daher wichtig festzuhalten, dass der Inhalt dieser Tatbestandsmerkmale nicht durch „abstrakt-sprachliche Ermittlung“15, sondern anhand der Grundidee der Norm erschlossen werden kann.

III. Fazit Die reine Wortlautauslegung liefert im Hinblick auf die Rechtsfolge des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG das vorläufige Fazit, dass die von der Norm erfassten Aufwendungen die steuerliche Bemessungsgrundlage nicht mindern dürfen. Die von Literatur und Rechtsprechung unterbreiteten Vorschläge zur Frage, was unter den Tatbestandsmerkmalen der Norm zu verstehen ist, sind allesamt noch innerhalb der Wortlautgrenze und insofern grundsätzlich möglich. Es ist festzuhalten, dass die Tatbestandsmerkmale „Sicherung der Existenzgrundlage“ und „Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse“ sogenannte unbestimmte Rechtsbegriffe sind. Bei derartigen Tatbestandsmerkmalen ist es in besonderem Maße zulässig, ihren Inhalt dadurch zu erschließen, dass Fallgruppen anhand der Ratio der Vorschrift gebildet werden.

B. Vorgaben der Verfassung I. Staatliches Gewaltmonopol und allgemeiner Justizgewähranspruch Der Bundesfinanzhof kam in seinem Urteil von 12.5.2011 zu der mittlerweile wieder aufgegebenen16 These, Prozesskosten entstünden aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols ganz generell zwangsläufig17. So seien streitige Ansprüche regelmäßig nur durch richterliche Hilfe durchzusetzen oder abzuwehren18. Dies folge

14 So Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 51; teilweise wird die Inhaltsbestimmung unbestimmter Rechtsbegriffe nicht mehr als Auslegung, sondern Lückenfüllung im Sinne von Rechtsfortbildung betrachtet, vgl. Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 836 ff. 15 Schubert, in: MüKo, BGB, § 242 Rn. 8. 16 BFH v. 18.6.2015 – VI R 17/14, BStBl. II 2015, 800. 17 BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015, 1016. 18 BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015, 1016.

B. Vorgaben der Verfassung

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aus dem staatlichen Gewaltmonopol zur Sicherung des inneren Friedens, welches seinerseits aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten sei19. Überraschend war diese Kehrtwende aus dem Jahre 2011 nicht nur angesichts der jahrzehntelangen höchstrichterlichen Restriktion auf diesem Gebiet, sondern speziell auch wegen des ins Feld geführten Arguments. Denn noch im Jahre 1986 befand der Bundesfinanzhof über das Verhältnis von staatlichem Gewaltmonopol und Zwangsläufigkeit von Prozesskosten gänzlich anders. So heißt es in der Entscheidung vom 18.7.1986: „Es ist also eine durch die Gegebenheiten des Einzelfalles hervorgerufene Zwangsläufigkeit von der generellen und rein rechtlichen Notwendigkeit, zur weiteren Verfolgung von Ansprüchen richterliche Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen, zu unterscheiden.“20

Zwar hat der Bundesfinanzhof seine Auffassung aus dem Jahre 2011 vier Jahre später wieder geändert21. Dafür waren aber nicht nur inhaltliche, sondern auch, jedenfalls in einem gewissen Umfang, verfahrensrechtliche Gründe ursächlich22. Daher lohnt es sich einmal mehr, der 2011 aufgeworfenen Frage nachzugehen und das staatliche Gewalt- und Justizmonopol grundsätzlich zu betrachten23. Einer näheren Untersuchung bedarf hierbei vor allem die Vorbedingung, ob das staatliche Gewaltmonopol für das Entstehen von Prozesskosten überhaupt kausal ist. Denn nur dann könnte die verfassungsrechtliche Bedeutung des staatlichen Gewaltmonopols und des damit zusammenhängenden Justizgewähranspruchs die Abziehbarkeit entsprechender Aufwendungen erfordern. 1. Die Justizgewährpflicht als Teil der Rechtsstaatlichkeit Auch wenn das Rechtsstaatsprinzip nicht wie die übrigen Verfassungsprinzipien im Text des Art. 20 GG expressis verbis genannt ist, so gehört es doch gleichwohl unstreitig zu den elementaren Maximen des Grundgesetzes24. Normativer Anknüpfungspunkt ist zum einen die Erwähnung in Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG, zum anderen ist an die Subprinzipien der Rechtsstaatlichkeit anzudocken, die in Art. 20

19 Nicht zwangsläufig seien die Kosten nach BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015, 1017 nur dann, wenn der Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg beschieden sei. 20 BFH v. 18.7.1986 – III R 178/80, BStBl. II 1986, 745, 747. 21 BFH v. 18.6.2015 – VI R 17/14, BStBl. II 2015, 800. 22 So Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 209; Geserich, NWB 2015, 2634, 2636; vgl. dazu auch oben sub Kap. 3 D. 23 Im Übrigen spricht sich auch Luttermann, FR 2016, 402, 408 für eine umfangreiche Abziehbarkeit von Prozesskosten aufgrund ähnlicher Erwägungen wie BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015 aus. 24 Papier, in: HStR VIII, § 176 Rn. 7; Grzeszick in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 1; Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 3; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 75.

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Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG formuliert sind25. Inhaltlich gibt es keine allgemeine Definition, die alle Aspekte und Elemente der Rechtsstaatlichkeit umfasst. Es bedarf daher des Herausarbeitens verschiedener Untermaximen26. In diesem Sinne ist beim Bundesverfassungsgericht nachzulesen: „Das Rechtsstaatsprinzip […] enthält keine in allen Einzelheiten eindeutig bestimmte Gebote und Verbote; es bedarf der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten.“27

Zum Kern der Rechtsstaatlichkeit gehört etwa die hier besonders interessierende Justizgewährpflicht des Staates und der korrespondierende Justizgewähranspruch des Bürgers28. Dieser ist aus Art. 20 GG wie insbesondere aus Art. 2 Abs. 1 GG abzuleiten29. Als Verfahrensgrundrecht folgen aus dem Anspruch auf Bereitstellung von rechtsprechenden Organen drei Mindestvoraussetzungen, hinter denen der Gesetzgeber nicht zurückbleiben darf: der Zugang zu Gericht, die Prüfung des Begehrens durch das Gericht sowie eine abschließende gerichtliche Entscheidung30. Zum Verständnis dieser speziellen Ausformung von Rechtsstaatlichkeit ist es hilfreich, das fundamentale Prinzip des staatlichen Gewaltmonopols zu beleuchten31, das sich freilich in der geschichtlichen Entwicklung erst als Idee eines modernen Staates durchsetzen musste32. Der deutsche Nationalökonom und Soziologe Max Weber hat für dieses neuzeitliche Konzept im Jahre 1919 die folgenden Worte gefunden:

25

Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 1; Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 3; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 75. 26 Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 22; Schmidt-Aßmann, HStR II, § 26 Rn. 2; kompakte Übersicht der Subprinzipien bei Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 77. 27 BVerfG v. 22.11.1983 – 2 BvL 25/81, BVerfGE 65, 283, 290. 28 BVerfG v. 27.1.1998 – 1 BvL 15/87, BVerfGE 97, 169, 185; v. 20.6.1995 – 1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99, 107; v. 12.2.1992 – 1 BvL 1/89, BVerfGE 85, 337, 345; Papier, HStR VIII, § 176 Rn. 1; Schmidt-Aßmann, HStR II, § 26 Rn. 70 ff.; Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 133; jüngst zur Rolle der Justiz für Rechtsstaat und Demokratie Voßkuhle, NJW 2018, 3154 ff. 29 BVerfG v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395, 401; v. 20.6.1995 – 1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99, 107. 30 BVerfG v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395, 401 f.; dazu im Einzelnen Papier, in: HStR VIII, § 176 Rn. 12 ff; Zuck, NJW 2013, 1132, 1133 m. w. N. 31 Dazu BVerfG v. 25.2.1987 – 1 BvR 1086/85, BVerfGE 74, 257, 261 f.; Isensee, in: HStR II, § 15 Rn. 83 ff.; ders., in: HStR IV, § 71 Rn. 76. 32 Siehe zu „Vorläufererscheinungen“ wie dem mittelalterlichen Fehderecht ausführlich Brunner, Land und Herrschaft, S. 21 ff.; zur damaligen Bedeutung der Fehde für Staat und Recht ders., a. a. O., S. 120 ff.; allgemein zur historischen Entwicklung des Justizgewähranspruchs und des staatlichen Gewaltmonopols, insbesondere mit Blick auf den „Ewigen Landfrieden“ von 1495 als Wendepunkt hin zu einem modernen Rechtsstaat Glasner, in: Examinatorium Rechtsgeschichte, S. 299 ff.; Oestmann, Wege zur Rechtsgeschichte: Gerichtsbarkeit und Verfahren, S. 153 ff.; Becker, NJW 1995, 2077 ff.; überblicksartig auch Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 70; wegweisend waren für das Gewaltmonopol insbesondere die Ideen von Jean Bodin zur staatlichen Souveränität, siehe dazu ders., Sechs Bücher über den Staat, S. 205 ff.

B. Vorgaben der Verfassung

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„Staat ist diejenige menschliche Gemeinschaft, welche innerhalb eines bestimmten Gebietes […] das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) bean­sprucht“33.

Das staatliche Gewaltmonopol verbietet es den Bürgern damit, untereinander physische Gewalt anzuwenden und verankert dieses Verbot insbesondere in strafrechtlichen Bestimmungen34. Gleichzeitig weist es dem Staat ein Monopol zu, diese Gewalt auszuüben35, so etwa im Wege der hoheitlich betriebenen Zwangsvollstreckung privatrechtlicher Ansprüche nach den Regelungen des achten Buchs der Zivilprozessordnung36. Dies zwingt den Staat nun aber, seinen Bürgern als ausgleichende Maßnahme ein effektiv arbeitendes Gerichtssystem vorzuhalten, damit diese ihre Rechte geltend machen können37. Auf diese Weise wahrt er den inneren Frieden in der Gesellschaft, was seit jeher eine staatliche Aufgabe ist38. Das Bundesverfassungsgericht drückt dies wie folgt aus: „So ist es ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die eigenmächtig-gewaltsame Durchsetzung von Rechtsansprüchen zwischen Privaten grundsätzlich zu verwehren.“ – „In der Gerichtsbarkeit prägen sich innerstaatliches Gewaltverbot und staatliches Gewaltmono­ pol aus.“39

Damit verlangt das Rechtsstaatsprinzip unausweichlich nach Justizgewähr; der Bürger hat auf diese den bereits oben erwähnten Anspruch40. Während das Rechtsstaatsprinzip und insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG die allgemeine Justizgewährpflicht statuieren, regelt das Grundgesetz an anderen Stellen auch einige besondere Ausprägungen: So gewährleistet Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG einen speziellen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten41, während Art. 97 GG die richterliche Unabhängigkeit schützt. Art. 101 Abs. 1 GG garantiert ein Recht auf den gesetzlichen Richter und ein Verbot von Ausnahmegerichten, Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet schließlich rechtliches Gehör vor Gericht42. 33

Weber, Politik als Beruf, S. 8; weiter führt er a. a. O. hierzu aus: „Denn das der Gegenwart Spezifische ist: dass man allen anderen Verbänden oder Einzelpersonen das Recht zur physischen Gewaltsamkeit nur so weit zuschreibt, als der Staat sie von ihrer Seite zulässt“. 34 Herzog, in: HStR IV, § 72 Rn. 40: etwa §§ 211 ff., 223 ff., 240 f. StGB. 35 Herzog, in: HStR IV, § 72 Rn. 41; Becker, NJW 1995, 2077, 2078. 36 Herzog, in: HStR IV, § 72 Rn. 41. Ausdruck des staatlichen Gewaltmonopols sind hiernach auch die polizeirechtlichen Bestimmungen zur Durchsetzung von Verwaltungsakten, insbesondere in den Fällen der Anwendung unmittelbaren Zwangs. 37 Papier, in: HStR VIII, § 176 Rn. 12/18; Herzog, in: HStR IV, § 72 Rn. 42. 38 Herzog, in: HStR IV, § 72 Rn. 38; Becker, NJW 1995, 2077, 2078 ff. (aus rechtsgeschichtlicher Sicht). 39 BVerfG v. 11.6.1980 – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277, 292. 40 BVerfG v. 27.1.1998 – 1 BvL 15/87, BVerfGE 97, 169, 185; v. 12.2.1992 – 1 BvL 1/89, BVerfGE 85, 337, 345; Papier, in: HStR VIII, § 176 Rn. 7; Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 133; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 162. 41 Papier, HStR VIII, § 177 Rn. 1; Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 IV Rn. 6; ders., in: HStR II, § 26 Rn. 72. 42 Dazu Papier, in: HStR VIII, § 176 Rn. 2 ff.; Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 133; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103 Rn. 3.

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Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

Es bleibt damit festzuhalten, dass die grundsätzliche Existenz der Justiz keine freie Entscheidung des Gesetzgebers ist, sondern verfassungsrechtlich zwingend vorgegeben ist43. Die steuerrechtliche Frage nach der Abziehbarkeit von Prozesskosten betrifft insofern unzweifelhaft einen Bereich, auf den der Anspruch auf Justizgewähr Einfluss hat. 2. Finanzierung der Justiz: Steuern und Gerichtsgebühren Das Bereithalten einer effektiv arbeitenden Justiz verursacht für die öffentliche Hand hohe Kosten44. Richter, Staatsanwälte und sonstige Justizbeschäftigte sind angemessen zu versorgen45, um hier nur einen Bruchteil der mit dem Gerichtsapparat zusammenhängenden Aufwendungen zu erwähnen. Die „Kostenstelle Justiz“ ist vorhanden und lässt sich auch nicht abschaffen. Denn der allgemeine Justizgewähranspruch lässt dem Gesetzgeber in dieser Frage keinen Spielraum46. Es ergibt sich daher für den Staat, der sich über Abgaben finanziert47, die Herausforderung, den entstehenden Finanzbedarf zu decken. Wie bereits dargelegt worden ist, hat sich der Gesetzgeber bei der Frage, die Kosten der Allgemeinheit oder nur denjenigen aufzuerlegen, die mit dem Tätigwerden der Gerichtsbarkeit in einem spezifischen Bezug stehen, für einen Mittelweg entschieden48. Deshalb werden nach § 1 Abs. 1 GKG „Gebühren und Auslagen“ für die Inanspruchnahme der Justiz erhoben49, was grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Denn das Grundgesetz verlangt kein kostenloses, d. h. rein steuerfinanziertes Gerichtswesen50.

43

BVerfG v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395, 401. Auf 706.025.100 Euro beliefen sich die Gesamtkosten allein im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Hessen im Jahr 2016, vgl. hierzu den Haushaltsplan 2018/2019 des Landes Hessen, Einzelplan 05  – Hessisches Ministerium der Justiz, Kapitel 05 04, S. 130: https:// finanzen.hessen.de/sites/default/files/media/hmdf/einzelplan_05_-_hessisches_ministerium_ der_justiz.pdf (zuletzt abgerufen am 23.12.2019). Zur Berechnung im Einzelnen siehe schon die Fußnoten oben sub Kap. 1 B. I. 45 Hierzu Voßkuhle, NJW 2018, 3154, 3158. 46 BVerfG v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395, 401. 47 Zur Bedeutung von Steuern in diesem Zusammenhang siehe nur Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, Rn. 1. 48 Siehe dazu bereits oben sub Kap. 1 B. I. 49 Diese werden nach den verschiedenen Absätzen des § 1 GKG für Verfahren vor den ordentlichen Gerichten, den Verwaltungsgerichten sowie den Finanz-, Sozial- und Arbeitsgerich­ ten erhoben, zum Geltungsbereich Zimmermann, in: Binz / Dörndorfer / ders., GKG, § 1 Rn. 3. 50 BVerfG v. 16.11.1999 – 1 BvR 1821/94, NJW-RR 2000, 946. Grenzen ergeben sich aufgrund des Justizgewähranspruchs aber bei unangemessen hohen Gerichtskosten, dazu BVerfG, a. a. O., 947; eine allein steuergetragene Finanzierung der Justiz würde den Staatshaushalt übermäßig belasten und ist insoweit auch keine Option, dazu Wehling, Finanzierung von Zivilverfahren, S. 187; Demuth, DRiZ 1972, 27, 28. 44

B. Vorgaben der Verfassung

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Die hier erhobenen Kosten sind zunächst Sonderlasten, die sich dadurch auszeichnen, dass sie nur bestimmte Gruppen zur Finanzierung heranziehen51 – zu zahlen hat sie hier nur, wer in ein gerichtliches Verfahren involviert ist52. Genauer betrachtet lassen sie sich – wie es auch das Gesetz in § 1 Abs. 1 S. 1 GKG nahelegt – als Gebühren verstehen. Denn diese werden anlässlich einer individuell zurechenbaren Staatsleistung beim Empfänger fällig53. So stellen sie eine konkrete Gegenleistung für die Inanspruchnahme der staatlichen Gerichte dar54. Neben dieser Gerichtskosten schon qua Rechtsnatur zukommenden Finanzierungsfunktion verfolgen sie weitere Zwecke, denen an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen zu werden braucht. So wird in der Literatur etwa auf eine Steuerungs-, Pönalisierungs-, Schutz-, und Sicherungsfunktion der Kosten hingewiesen55. 3. Auswirkung auf das Einkommensteuerrecht a) Mögliche Reichweite einer Argumentation mit dem staatlichen Gewaltmonopol Sollten Prozesskosten aus verfassungsrechtlichen Gründen abzugsfähig sein, ist zu sehen, dass dieses Postulat nicht bloß Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit betreffen würde. Auch solche der Arbeits-, Sozial-, Finanz- und Verwaltungsgerichtsbarkeit wären betroffen56. Denn die Existenz dieser Gerichtsbarkeiten ist ebenso Ausdruck des staatlichen Gewaltmonopols; auch dort gilt das Verbot der Selbsthilfe, das die Betroffenen auf den Rechtsweg verweist57. Insoweit wäre 51

Seer, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 20 ff; F. Kirchhof, Grundriss des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 15 ff. 52 Vgl. § 1 Abs. 1 GKG: „Für Verfahren […] werden Kosten […] erhoben.“ 53 Seer, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 20; F. Kirchhof, Grundriss des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 16. Die vorgestellten Sonderlasten kennen die Kategorie der Vorzuglasten. Diese werden ihrerseits in Beiträge und Gebühren eingeteilt. Die hier nicht einschlägigen Beiträge zeichnen sich im Gegensatz zur Gebühren dadurch aus, dass diese bereits für das Angebot eines individuellen Vorteils erhoben werden. Die tatsächliche Inanspruchnahme ist also unerheblich, vgl. dazu Seer, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 23; F. Kirchhof, Grundriss des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 17. 54 Wehling, Finanzierung von Zivilverfahren, S. 186; Zimmermann, in: Binz / Dörndorfer / Petzold / ders., GKG, § 1 Rn.  6. 55 Vgl. Wehling, Finanzierung von Zivilverfahren, S. 188 ff. m. w. N. Derartige Zwecke darf der Gesetzgeber nach BVerfG v. 6.2.1979 – 2 BvL 5/76, BVerfGE 50, 217, 226; v. 10.3.1998 – 1 BvR 178–97, BVerfGE 97, 332, 345 grundsätzlich verfolgen. Eine „kostenlose“ Justiz würde dem Missbrauch Tür und Tor öffnen und erscheint deshalb wenig zweckmäßig, so auch Muthorst in: Stein / Jonas, ZPO, Vor § 91 Rn. 4; Lüke, Zivilprozessrecht, Rn. 493: „wichtiges Mittel“; Wehling, Finanzierung von Zivilverfahren, S. 189 m. w. N. 56 Dies befürwortend Stöber, FR 2011, 790, 794; in diese Richtung auch Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn.  110; Pfützenreuter, EFG 2014, 359, 360. 57 BVerfG v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395, 401 (Gewährung von Rechtsschutz im Rahmen des allgemeinen Justizgewähranspruchs vor „den Gerichten“); v. 27.1.1998 – 1 BvL 15/87, BVerfGE 97, 169, 185 (ausdr. zum arbeitsgerichtlichen Verfahren). Wer etwa den

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Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

der Blick auf zivilprozessuale Streitigkeiten zu eng. Es stellt sich jedoch für alle Gerichts­barkeiten die zentrale Anschlussfrage danach, welche Prozesskosten es denn konkret sein sollen, die aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols entstehen und deshalb auf dieser Basis abzugsfähig sein müssten. In jedem Falle unausweichlich wären die Kosten der Gerichte. Denn diese werden unmittelbar durch das Tätigwerden der staatlichen Gerichtsbarkeit, die aufgrund des Justizgewähranspruchs auf jeden Fall zur Verfügung gestellt werden muss und angerufen werden kann, verursacht58  – auch wenn hier die Entscheidung des Gesetzgebers, nach § 1 Abs. 1 S. 1 GKG Gerichtkosten zu erheben, mitursächlich sein mag. Ähnliches gilt auch für Rechtsanwaltskosten, soweit in einem gerichtlichen Verfahren – etwa nach § 78 Abs. 1 S. 1 ZPO oder nach Vorschriften anderer Verfahrensordnungen – Anwaltszwang besteht59. In den Fällen des Anwaltsprozesses ist das Einschalten von Rechtsanwälten damit ebenso unausweichlich wie das der Gerichte selbst. Damit würden die Anwaltskosten in diesen Fällen ebenso aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols entstehen, freilich in Verbindung mit der jeweiligen verfahrensrechtlichen Entscheidung des Gesetzgebers (etwa § 78 Abs. 1 S. 1 ZPO). Sodann verlässt man jedoch den Bereich, in dem Kosten eindeutig als Folge des staatlichen Gewaltmonopols anzusehen sein könnten. So kann etwa auf das Verfahren ohne Anwaltszwang die soeben angeführte Argumentation nicht ohne weiteres60 übertragen werden: Den Parteien ist es dort gerade freigestellt, einen Anwalt einzuschalten oder nicht61. Das Ausüben des Justizgewähranspruchs hängt in diesen Fällen nicht davon ab, Anwaltskosten zu zahlen. Diese entstehen also nicht in gleicher Weise durch das staatliche Gewaltmonopol wie die Kosten eines Anwaltsprozesses62. Gleiches gilt auch für vorgerichtliche Anwaltskosten63. „Schwarzbau“ des missliebigen Nachbarn beseitigt wissen will, darf nicht einfach selbst zur Tat schreiten, sondern hat vor den Verwaltungsgerichten gegen die staatliche Bauaufsicht zu klagen, vgl. zu derartigen Nachbarklagen Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht, Rn. 5288 ff. 58 Plastisch wird dies, wenn man sieht, dass die Klage nach § 12 Abs. 1 S. 1 GKG in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten erst zugestellt werden soll, wenn die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen bezahlt worden ist. Ohne beglichene Gerichtskosten wird die Justiz – abgesehen von dem Versenden der Gerichtskostenrechnung – nicht tätig. 59 So ist der Betroffene hier nicht postulationsfähig, er kann Prozesshandlungen nur durch anwaltliche Vertretung wirksam vornehmen, dazu Weth, in: Musielak / Voit, ZPO, § 78 Rn. 4. 60 Zur Frage, mit welchen Gründen diese Argumentation hier möglicherweise doch übertragbar sein könnte, siehe sogleich. 61 Vgl. dazu schon den Normtext des § 79 Abs. 1 S. 1 ZPO: „Soweit eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht geboten ist, können die Parteien den Rechtsstreit selbst führen“; zum Ganzen auch Jacoby, in: Stein / Jonas, ZPO, § 79 Rn. 1. 62 Stöber, FR 2011, 790, 793 sieht diesen Unterschied zwischen Anwaltskosten eines Parteiund Anwaltsprozesses ebenso und diskutiert dieses Problem in Anlehnung an die Entscheidung vom 12.5.2011 (BStBl. II 2011, 1015) als eine Frage der Notwendigkeit und Angemessenheit der Kosten. 63 Auch in Bezug auf Mahn-, Detektiv- oder private Gutachterkosten ließe sich annehmen, dass diese nicht infolge des staatlichen Gewaltmonopols, sondern aufgrund der Entscheidung

B. Vorgaben der Verfassung

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Freilich ließe sich nun überlegen, ob diese strenge Unterscheidung insbesondere zwischen Anwalts- und Parteiprozess nicht zu pauschal ist. So könne die Inanspruchnahme der Dienste eines Rechtsanwalts ebenso im Parteiprozess oft ähnlich unausweichlich sein wie die Anrufung eines Gerichts64. Denn viele Bürger bedürfen juristischer Beratung, um ihre Rechte wirkungsvoll vor Gericht vertreten zu können65. So hat etwa auch das Bundesverfassungsgericht den Einfluss des Justizgewähranspruchs auf das maßvoll auszugestaltende Kostenrecht der Justiz hinsichtlich der Anwaltskosten verdeutlicht66. Es ließe sich also annehmen, dass das staatliche Gewaltmonopol auch anwaltliche Kosten verursacht. Dies jedenfalls insoweit, als eine anwaltliche Vertretung für Bürger – etwa im Hinblick auf die Schwierigkeit der Rechtslage – unausweichlich ist67. Solche Herangehensweisen stellen aber nicht mehr abstrakt auf das staatliche Gewaltmonopol und die Frage ab, für welche Kosten dieses unmittelbar ursächlich ist. Sie verschieben den Fokus auf andere Aspekte wie die subjektive Fähigkeit, eine rechtliche Auseinandersetzung alleine zu führen68. Kausal ist das staatliche Gewaltmonopol daher nur für die Gerichtskosten und die Rechtsanwaltskosten im Falle des Anwaltszwanges69.

des Einzelnen entstehen. Dagegen könnte man freilich möglicherweise vorbringen, dass jedenfalls solche Aufwendungen, die dazu dienen, Beweise für ein Gerichtsverfahren zu liefern, nicht entstünden, wenn Selbsthilfe erlaubt wäre. Bei dieser Sichtweise wäre konsequenterweise anzunehmen, dass diese Kosten doch aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols entstehen. 64 So ist darauf hinzuweisen, dass trotz der durch den Parteiprozess eröffneten Möglichkeit auf anwaltliche Hilfe überwiegend nicht verzichtet wird. So wurden etwa im Jahr 2014 lediglich 9,4 Prozent der Amtsgerichtsprozesse auf beiden Seiten ohne anwaltliche Vertretung geführt, vgl. dazu Toussaint, in: MüKo, ZPO, § 79 Rn. 4 m. w. N. 65 BVerfG v. 12.2.1992 – 1 BvL 1/89, BVerfGE 85, 337, 348 f. 66 BVerfG v. 12.2.1992 – 1 BvL 1/89, BVerfGE 85, 337, 348 f.: dies unabhängig von der Frage des Anwaltszwanges. 67 So wohl Stöber, FR 2011, 790, 793: In Anlehnung an die Entscheidung des BFH v. 12.5.2011 (BStBl. II 2011, 1015) soll im Rahmen der Frage, ob die Anwaltskosten im Parteiprozess notwendig und angemessen sind, auf die Wertung des § 121 Abs. 2 ZPO (unzureichende eigene Befähigung zur Prozessführung) abgestellt werden. 68 Hier geht es nicht um die Frage, ob der Justizgewähranspruch für den Bürger bei wertender Betrachtung durch überhöhte Rechtsanwaltskosten wirtschaftlich unerreichbar erscheint, so aber der Fall bei BVerfG v. 12.2.1992 – 1 BvL 1/89, BVerfGE 85, 337. 69 Sicherlich kann auch diesbezüglich weiter differenziert werden, worauf an dieser Stelle jedoch verzichtet wird. Denn es galt nur darzustellen, dass die damalige Auffassung des BFH – selbst wenn ihr zu folgen wäre – jedenfalls nicht so allgemein und pauschal zu vertreten ist, wie es das Gericht getan hat. Es wäre in jedem Falle zu konkretisieren und weiter zu erarbeiten, welcher Teil der Kosten jeweils infolge des Gewaltmonopols des Staates entsteht.

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Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

b) Kausalität des staatlichen Gewaltmonopols für das Entstehen von Prozesskosten Die These, dass der Einzelne zur Verteidigung seiner Rechte gezwungen sei, gerichtliche Hilfe zu suchen, ist allerdings nur teilweise richtig. Ansprüche können nämlich ebenso völlig ohne richterliche Hilfe geltend gemacht werden70. Nur soweit sich eine Angelegenheiten nicht einvernehmlich regeln lässt, muss derjenige, der ein Recht durchsetzen möchte, ein Gericht anrufen71. Doch selbst in diesen Fällen ist zu sehen, dass nicht das staatliche Gewaltmonopol aus sich heraus dazu zwingt, einen Rechtsstreit zu führen72. Vielmehr ist der natürliche Wille desjenigen zwischengeschaltet, der seine Rechte durchsetzen möchte. Dieser muss aktiv aus sich heraus entscheiden, ob er sich auf ein gerichtliches Verfahren einlassen, ob er von der Verfolgung seiner behaupteten Rechte Abstand nehmen oder ob er sich (außergerichtlich) vergleichsweise einigen möchte73. Er muss dann ggf. aktiv rechtsverfolgende Schritte, etwa durch Klageerhebung, einleiten74. Hier stellt sich freilich die Frage, inwieweit der Bürger seinen Willen, die Ansprüche unter Inanspruchnahme eines Gerichts zu verfolgen oder davon abzusehen, angesichts des Kostenrisikos einer Klage frei von Abschreckung bilden kann; dieses Problem wird im nachfolgenden Abschnitt unter dem Aspekt des „chilling effect“ zu diskutieren sein75. Aus der Perspektive der staatlichen Justizgewährung kann jedenfalls nicht

70

Zur Vermeidbarkeit eines Rechtsstreits und insoweit kritisch zur Entscheidung des BFH v. 12.5.2011 auch Liebl, jurisPR-SteuerR 10/2014 Anm. 1; leistet ein Schuldner nicht, so ist es dem Gläubiger zunächst möglich, seine Ansprüche anzumahnen (§ 286 Abs. 1 S. 1 BGB). Er kann auch einen Dritten, etwa einen Rechtsanwalt, mit dem Geltendmachen der Ansprüche beauftragen oder sich vergleichsweise einigen (§ 779 ZPO). Allein dies zeigt schon, dass es nicht zwingend hoheitlicher Hilfe bedarf, um Rechte durchzusetzen. 71 Insoweit ist BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015, 1016 zuzustimmen. 72 Daher ist Luttermann, FR 2016, 402, 407 ff. zu widersprechen. Die dortigen Ausführungen zur Justiz und Justizgewährung wie auch zur entsprechenden gesellschaftlichen Bedeutung überzeugen zwar für sich. Wie aber nachfolgend gezeigt wird, ist die Begründung, dass hieraus zwingend Zwangsläufigkeit i. S. v. § 33 Abs. 2 S. 4 EStG folge, nicht tragfähig. 73 Zu solchen außergerichtlichen Lösungen mit Blick auf die damalige Argumentation des Bundesfinanzhofs auch Rosenke, EFG 2013, 1668 f. 74 Dies verdeutlicht auch der Verfahrensgrundsatz der Dispositionsmaxime: Es ist Sache der Parteien als „Herren des Verfahrens“ zu bestimmen, ob und über was gestritten wird, vgl. dazu Pohlmann, Zivilprozessrecht, Rn. 52. Im Übrigen muss der Anspruchssteller ein Vielzahl von Risikofaktoren – etwa die Sach- und Rechtslage, Rechtsprechungsstand, Beweissituation, Kostenrisiko, Verfahrensdauer – vorher in seine Überlegungen miteinbeziehen und trifft sodann erst eine Entscheidung für oder gegen die gerichtliche Rechtsverfolgung, vgl. dazu Wehling, Finanzierung von Zivilverfahren, S. 10. Dies gilt auch für die Beklagtenseite. Auch ein Beklagter hat für den Fall, dass er mit einer Klage überzogen wird, seine Risikosituation zu bewerten und kann sodann Ansprüche anerkennen (§ 307 ZPO) oder sich gegen die Klage verteidigen (§§ 275 ff. ZPO). Dies würdigt Luttermann, FR 2016, 402, 407 nicht hinreichend. Das Beschreiten des Rechtswegs ist daher immer auch die Entscheidung der Parteien. 75 Dazu unten sub Kap. 6 B. II.

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gesagt werden, dass die steuerliche Nichtabsetzbarkeit von Prozesskosten diskriminierenden Charakter aufweisen und der staatlicherseits zu beachtenden Maxime, „den rechtsbedürftigen Bürger zu stützen“, zuwiderlaufen würde76. Das Abstellen auf das staatliche Gewaltmonopol wirft weiter die Frage auf, ob dieses tatsächlich die Ursache für das Entstehen von Prozesskosten ist. Es könnte ebenso angenommen werden, dass die Ursache, wie bereits oben angesprochen77, vielmehr die in § 1 Abs. 1 S. 1 GKG normierte Entscheidung des Gesetzgebers ist, für das Tätigwerden der Justiz Kosten zu erheben. Denn ohne diese Entscheidung78 würde es zwar das Gewaltmonopol des Staates und die Verpflichtung zum Anrufen der Gerichte geben, nicht jedoch die Pflicht, Gerichtskosten zu entrichten. Die Kausalität des staatlichen Gewaltmonopols für das Entstehen von Prozesskosten ist daher in vielerlei Hinsicht fraglich. c) Problematik der rechtlichen Zwangsläufigkeit Dass eine Begründung der Abziehbarkeit von Prozesskosten allein auf Basis des staatlichen Gewaltmonopols nicht weiterhilft, verdeutlicht auch ein Auslegungsgrundsatz des § 33 EStG79. Nach § 33 Abs. 2 S. 1 EStG ist bei der Prüfung der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen immer auf die „wesentliche Ursache“ ab­ zustellen, soweit sich ein Phänomen nur polykausal erklären lässt80. Nun ist schon unklar, ob diese „wesentliche Ursache“ im staatlichen Gewaltmonopol oder in der Entscheidung des Gesetzgebers für eine kostenpflichtige Justiz zu sehen ist. Aus dem Blick des § 33 EStG sind dies beides aber rechtliche Gründe. Diese können Zwangsläufigkeit im Sinne der Vorschrift jedoch nur begründen, wenn auch das vorherige Handeln des Steuerpflichtigen zwangsläufig war81. Nur in diesem Fall ist

76 So aber ganz ausdrücklich Luttermann, FR 2016, 402, 408. Pauschale Argumente wie „Steuergerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit und die Einheit der Rechtsordnung“ (ders., a. a. O., 408) allein helfen dabei nicht weiter. Vor allem liegt auch gerade deswegen keine „Diskriminierung“ von Prozesskosten vor, weil für diese dieselben Kriterien wie auch für andere Aufwendungen anzuwenden sind. Diese ergeben sich aus der Ratio des § 33 EStG. Dazu oben sub Kap. 2 A. III. 1. 77 Im Rahmen des vorangehenden Aspektes der „möglichen Reichweite einer Argumentation mit dem staatlichen Gewaltmonopol“, dazu oben sub Kap. 6 B. I. 3. a). 78 Dazu schon oben sub Kap. 6 B. I. 2. 79 Zwar ist das steuerrechtliche System mit Blick auf einen etwaigen Gleichheitsverstoß keine „starke Schranke“, doch kann es zumindest als „Hilfsüberlegung“ mit in die Betrachtung einfließen, vgl. dazu Steger, Die außergewöhnliche Belastung im Steuerrecht, S. 117 m. w. N. 80 BFH v. 18.6.2015 – VI R 17/14, BStBl. II 2015, 800, 802; v. 18.3.2004 – III R 24/03, BStBl. II 2004, 726, 727; Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 27; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 26; Jakob / Jüptner, StuW 1983, 206, 212. 81 Vgl. Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 34; Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 108; kritisch zur Entscheidung des BFH insoweit ebenso Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastungen, S. 186.

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ein Abzug nach § 33 EStG zu bejahen82. Bei Prozesskosten liegt dieses vorherige Handeln des Steuerpflichtigen in beiden möglichen pauschalen Erklärungen – sei es das staatliche Gewaltmonopol, sei es die Entscheidung des Parlaments für die Kostenpflichtigkeit der Justiz – im Votum des Einzelnen, einen Prozess aktiv in die Wege zu leiten oder sich passiv auf ihn einzulassen. Es geraten dabei beide pauschalen Erklärungsversuche mit den Grundsätzen des § 33 EStG in Konflikt. Der „Blick ins einfache Recht“ lässt es deshalb plausibel erscheinen, Erklärungen zur Abzugsfähigkeit von Prozesskosten weniger pauschal und vermehrt einzelfallorientiert zu suchen83. d) Ratio des § 33 EStG und „Nachbargleichheit“ In Bezug auf das Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahre 2011 ist in der Literatur kritisch darauf verwiesen worden, dass es wertungswidersprüchlich erscheint, wenn die Kosten jedes Zivilrechtsstreits – etwa eines Nachbarschaftsstreits, mit dem nicht etwa die Sicherung der Existenz verfolgt, sondern eine besondere Form der „Privatfehde“ betrieben wird  – nach § 33 EStG abgezogen werden können, nicht aber die Kosten hoher Mieten für Wohnungen in Ballungszentren84. In der Tat zeigt sich hier, dass die damalige Auffassung des Bundesfinanzhofs, nach der Kosten eines jeden Rechtsstreits abzugsfähig sein sollten, zu unstimmigen Ergebnissen führt. Man könnte nun versucht sein, ihr daher mithilfe des sogenannten argumentum ad absurdum die Überzeugungskraft abzuerkennen, was vereinzelt auch „argumentativer Blattschuss“85 genannt wird. Dieser Versuch soll hier nicht unternommen werden. Denn ein solches argumentum ad absurdum ist nur unter engen Voraussetzungen annehmbar86, die hier jedoch nicht behandelt zu werden brauchen. Es kann nämlich davon unabhängig knapp gesagt werden, was an der damaligen Auffassung des Bundesfinanzhofs auch im Übrigen sachlich nicht überzeugt: Die Abzugsmöglichkeit des § 33 EStG will ihrem Zweck nach unvermeidbaren zwangsläufigen Aufwand erfassen, um 82 BFH v. 18.7.1986 – III R 178/80, BStBl. II. 1986, 745, 746. Zurückhaltung ist hier deshalb geboten, weil die Kosten unmittelbar aus Vertrag, Verwaltungsakt oder – wie im Fall von Prozesskosten (§ 1 Abs. 1 GKG als Ausdruck des legislativen Willens zur kostenpflichtigen Justiz) – mitunter direkt aus Gesetz folgen. Schon allein deshalb könnte man ihre Zwangs­ läufigkeit im Sinne des § 33 EStG annehmen. Es wäre dann ein ausufernder Abzug zu befürchten, siehe zum Ganzen schon oben sub Kap. 2 A. III. 2. c). 83 Hier setzte etwa auch die vehemente Kritik von FG Hamburg v. 24.9.2012 – 1 K 195/11, EFG 2013, 41, 43 an, welches sich der damaligen Rechtsprechung des BFH entgegenstellte. 84 So G. Kirchhof, DStR 2013, 1867, 1871: „Der VI. Senat schafft einen Wertungswiderspruch, wenn die Kosten des Nachbarschaftsstreits über das zu helle Licht im Eingangsbereich steuerlich anerkannt werden, besondere Aufwendungen für die hohen Mieten in München […] aber zu Recht nicht absetzbar sind“. 85 So Stellhorn, ZJS 2014, 467. 86 Vgl. dazu grundlegend wie zu den Gültigkeitsvoraussetzungen Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, S. 190 ff.

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dem Steuerpflichten auf diese Weise neben dem Sichern seines persönlichen Existenzminimums auch den Erhalt und die Rückgewinnung seiner Normalität zu ermöglichen87. Ließe man nun aber Kosten eines jedweden Rechtsstreits nach § 33 EStG unabhängig vom jeweiligen Streitgegenstand zum Abzug zu, so wären auch Konstellationen erfasst, bei denen es gerade nicht um den Erhalt und die Rückgewinnung der Normalität, geschweige denn um den notwendigen Lebensbedarf geht88. Auf einen Punkt gebracht: Die Argumentation des Bundesfinanzhofs in seiner Entscheidung, mit der das Gericht seine Rechtsprechung zu Abzugsfähigkeit von Prozesskosten völlig neu ausrichten wollte, schießt über den Zweck des § 33 EStG hinaus. Der Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung – Stichwort „Nachbargleichheit“ – verbietet den nicht rechtfertigungsfähigen Abzug jedweder Aufwendungen von der Bemessungsgrundlage89. Nicht zu rechtfertigen ist der Abzug hier, weil die seinerzeit weite Auslegung des Bundesfinanzhofs den Tatbestand der außergewöhnlichen Belastungen überdehnt hat90. Dass bei einem gleichwohl gewährten Steuerabzug auch Art. 3 Abs. 1 GG insoweit verletzt wäre, als er den Rechtsanwender zum folgerichtigen Umsetzen der gesetzlichen Belastungsentscheidung anhält91, verleiht den Gründen, die gegen das damalige Urteil des VI. Senats sprechen, zusätzliches Gewicht. e) Fazit Es ist festzuhalten, dass eine Argumentation auf Basis des staatlichen Gewaltmonopols auf denjenigen Prozesskostenteil zu beschränken wäre, der – hat man den Rechtsweg bereits beschritten  – tatsächlich aufläuft. Dies sind regelmäßig 87

Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 2; zu den weiteren Nachweisen siehe bereits oben sub Kap. 2 A. III. 1. b). 88 So auch FG Hamburg v. 24.9.2012 – 1 K 195/11, EFG 2013, 41, 43; Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastung, S. 185 ff. kritisiert ebenso einen Widerspruch zwischen dem damaligen Urteil und der Ratio des § 33 EStG, sieht diesen aber nur insoweit, als § 33 EStG lediglich existenzsichernden Charakter haben soll. Siehe zur damit zusammenhängenden Diskussion um Sinn und Zweck des § 33 EStG oben sub Kap. 2 A. III. 1.; diese Folge einer derart weitreichenden Abzugsmöglichkeit übersieht Luttermann, FR 2016, 402, 409: „Die Kosten eines Zivilprozesses erwachen grundsätzlich rechtlich zwingend als außergewöhnliche Belastung“; ebenso Grever, Außergewöhnliche Belastungen im Steuerrecht, S. 184, wenn er eine Neuregelung des § 33 EStG fordert, die Prozesskosten im Sinne des BFH-Urteils aus dem Jahre 2011 zum Abzug zulassen soll. 89 Vgl. dazu Hensel, in: FG Zitelmann, S. 217, 220 f.; Isensee, Die typisierende Verwaltung, S. 127 f.; zu diesem Aspekt im Zusammenhang mit § 33 EStG auch Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 2; siehe auch schon oben sub Kap. 1 A. 90 So auch BFH v. 18.6.2015 – VI R 17/14, BStBl. II 2015, 800, 802. 91 P. Kirchhof, in: HStR VIII, § 181 Rn. 226: „Dieses Gebot betrifft auch den Gesetzesvollzug und die Rechtsprechung“; Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 68; siehe zur Rechtsanwendungsgleichheit im Übrigen schon oben sub Kap. 5 B.

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Gerichtskosten und Anwaltskosten soweit Anwaltszwang besteht. Aber schon im Grundsatz überzeugt eine Begründung mit dem Gewaltmonopol des Staates hier nicht. Es steht nicht fest, dass dieses überhaupt ursächlich dafür ist, dass entsprechende Kosten entstehen. Möglich wäre es ebenso, diesbezüglich auf die Entscheidung des Gesetzgebers abzustellen, Gerichtskosten zu erheben. Doch jede dieser pauschalen Erklärungsweisen vermag auch deshalb nicht zu überzeugen, weil es stets die Entscheidung des Einzelnen im konkreten Fall ist, ob er überhaupt kostenpflichtige rechtsverfolgende Schritte einleiten möchte oder nicht; das staatliche Gewaltmonopol zwingt also nicht eo ipso zum Aufsichnehmen von Kosten. Ein steuerlicher Abzug von Prozesskosten nach § 33 EStG generell würde auch über den Zweck der Norm hinausschießen und wäre vor dem von Art. 3 Abs. 1 GG getragenen Gedanken der Gleichheit der Besteuerung („Nachbargleichheit“) nicht zu rechtfertigen. Nach alledem erfordert die Verfassung es nicht zwingend, sämtliche Prozesskosten aus Gründen des staatlichen Gewaltmonopols und des allgemeinen Justizgewähranspruchs zu berücksichtigen. Wie der Bundesfinanzhof bereits in den 1980er Jahren ausführte, ist, wie erwähnt, richtigerweise die „durch die Gegebenheiten des Einzelfalles hervorgerufene Zwangsläufigkeit von der generellen und rein rechtlichen Notwendigkeit, zur weiteren Verfolgung von Ansprüchen richterliche Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen, zu unterscheiden.“ 92

II. „chilling effect“ – Abschreckungswirkung des Kostenrisikos auf die Rechtsverfolgung? Das Kostenrisiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung kann für den Einzelnen erheblich sein. Stellt sich für den Bürger das Beschreiten des Rechtsweges als einzige verbliebene Möglichkeit dar, um seine Rechte durchzusetzen, so muss dieser infolge des staatlichen Gewaltmonopols klagen – und hier das volle Kostenrisiko auf sich nehmen. Es ist insofern nicht gänzlich fernliegend anzunehmen, dass dieser kostenriskante Ausblick den Bürger dazu bewegen könnte, von der Verfolgung seiner Rechte abzusehen93. Er könnte mit anderen Worten abgeschreckt sein. Der nachfolgende Abschnitt untersucht, ob und auf welche Weise sich dies auf die Frage eines steuerlichen Abzugs auswirkt. Die entsprechenden verfassungsrechtlichen Schlagwörter heißen in diesem Zusammenhang „chilling effect“ oder auch „Abschreckungs- und Einschüchterungseffekt“94.

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BFH v. 18.7.1986 – III R 178/80, BStBl. II 1986, 745, 747. In diese Richtung gehen auch implizit die Urteile zur Prozesskostenhilfe, vgl. dazu etwa BVerfG v. 13.3.1990 – 2 BvR 94/88 u. a., BVerfGE 81, 347, 356 f.: „Daher ist es geboten, Vorkehrungen zu treffen, die auch Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht ermöglichen“; dazu auch Bork, in: Stein / Jonas, ZPO, Vor § 114 Rn. 7 ff. m. w. N. 94 Zu den unterschiedlichen Begriffen Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 3 m. w. N. 93

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1. Grundlagen a) Begriff Unter dem Begriff „chilling effect“ werden typischerweise nicht finale und mittelbare, überindividuelle Einflüsse staatlicher Maßnahmen verstanden, die sich abschreckend auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken95. Die rechtliche Bedeutung solcher Abschreckungseffekte ist in besonderem Maße durch das Bundesverfassungsgericht entwickelt worden, weshalb auf dessen Rechtsprechung im Folgenden knapp eingegangen sei. b) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Die Problematik wird in der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts anfangs insbesondere im Zusammenhang mit den Kommunikationsgrundrechten aufgegriffen96. Im Jahre 1958 teilte das Gericht im Lüth-Urteil die Sorge, dass die Allgemeinheit durch eine Beschränkung der Redefreiheit einem Einzelnen gegenüber allzu sehr in der „unerlässlichen Freiheit der öffentlichen Erörterung gemeinschaftswichtiger Fragen“ beschränkt werde97. In einem Urteil aus dem Jahre 1966 zur Durchsuchung der Redaktionsräume eines Verlags führt es aus, dass es „auf der Hand [liegt], dass die Anordnung einer Durchsuchung, wie sie hier vorliegt, geeignet ist, solche Informationsquellen […] versiegen zu lassen“ 98.

Auf ähnlicher Linie lagen weitere Entscheidungen zur Meinungs- und Pressefreiheit99. Verwendet wurde der Gedanke durch das Bundesverfassungsgericht dann auch im Rahmen des im Volkszählungsurteil aus der Taufe gehobenen Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, in dem es ausführte, dass derjenige, der „damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, […] möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten [wird]“.100 95 Dazu Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 4; zur Bedeutung für das Unionsrecht Ress  / ​ Ukrow, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 63 AEUV Rn. 168 m. w. N. 96 Siehe dazu ausführlich Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 14 ff. m. w. N. 97 BVerfG v. 15.1.1958 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198, 211. 98 BVerfG v. 5.8.1966 – 1 BvR 586/62 u. a., BVerfGE 20, 162, 200. 99 BVerfG v. 27.2.2007 – 1 BvR 538/06 u. a., BVerfGE 117, 244, 259: „einschüchternde Wirkung“; v. 22.6.1982 – 1 BvR 1376/79, BVerfGE 61, 1, 6; v. 20.4.1982 – 1 BvR 426/80, BVerfGE 60, 234, 241: „Wirkungen […], die der Funktion der Meinungsfreiheit […] zuwiderlaufen“; v. 13.5.1980 – 1 BvR 103/77, BVerfGE 54, 129, 136: „unvermeidlich präventive Wirkungen“; v. 25.4.1972 – 1 BvL 13/67, BVerfGE 33, 52, 72: „schon die Existenz eines derartigen Kontroll- und Genehmigungsverfahrens lähmt das Geistesleben“. 100 BVerfG v. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83, BVerfGE 65, 1, 43.

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Der Vorfrage, ob von den jeweils in Rede stehenden Maßnahmen tatsächlich die behauptete einschüchternde Wirkung ausgeht101, widmet sich das Bundesverfas­ sungsgericht eher zurückhaltend. Nicht selten stellt es die Existenz der abschreckenden Effekte schlicht fest, formuliert diese im Konjunktiv oder lässt sie auch gänzlich offen102. Zur verfassungsrechtlichen Würdigung solcher abschreckender Effekte äußerte sich das Bundesverfassungsgericht in weiteren Entscheidungen. So sei eine besonders strenge verfassungsrechtliche Kontrolle staatlicher Eingriffe in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen vonnöten, wenn diese mit einem „chilling effect“ einhergingen103. Mitunter wurden unter Zuhilfenahme des Abschreckungseffekts auch die Schranken von Grundrechten bestimmt104. Schließlich wurde auch im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit angeführt, dass das Vorliegen eines abschreckenden Effekts dem Eingriff besonderes Gewicht verliehen hat, so dass, um die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs zu wahren, entsprechende gewichtige Gründe aufzubieten waren105. Interessanterweise findet sich innerhalb des Bundesverfassungsgerichts auch die abweichende Ansicht, nach der die Tatsache, dass eine Vielzahl von Personen durch eine eingreifende staatliche Maßnahme betroffen ist, gerade keine abschreckende Wirkung, sondern vielmehr positive Wirkung für die Grundrechtsausübung haben soll. So hat die – für ihre Sondervoten bekannte106 – Richterin Evelyn Haas in der Entscheidung zur Rasterfahndung ausgeführt, dass eine „große Menge abzugleichender Daten […] sich überdies entgegen der Senatsmehrheit eher vorteilhaft für die in ihrem Grundrecht Betroffenen aus[wirkt], verbleiben sie doch trotz namentlicher Erfassung in ihrer Individualität faktisch anonym“107.

101

Dazu Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 28; zur Verwendung des Tatsachenbegriffs durch das BVerfG schon Philippi, Tatsachenfeststellungen des Bundesverfassungsgerichts, S. 6. 102 Etwa BVerfG v. 22.6.1982 – 1 BvR 1376/79, BVerfGE 61, 1, 11: „[…] dann sind Auswirkungen seiner Äußerung auf den Rechtskreis Dritter zwar unvermeidliche Folge […]“; v. 3.6.1980 – 1 BvR 797/78, BVerfGE 54, 208, 220: „Einschränkung und Lähmung der Medien“; vgl. dazu i. Ü. Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 28 ff. m. w. N. 103 BVerfG v. 27.11.1990 – BvR 402/87, BVerfGE 83, 130, 145 f.: „intensivere verfassungsrecht­ liche Prüfung“; v. 7.3.1990 – 1 BvR 266/86 u. a., BVerfGE 81, 278, 290: „intensivere Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht“; v. 17.7.1984  – 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213, 223: „desto strengere Anforderungen“. 104 BVerfG v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81, BVerfGE 69, 315, 349: „Eine Notwendigkeit zu freiheitsbeschränkenden Maßnahmen kann sich im Bereich der Versammlungsfreiheit daraus ergeben, dass der Demonstrant bei deren Ausübung Rechtspositionen Dritter beeinträchtigt“. 105 BVerfG v. 3.3.2004 – 1 BvR 2378/98, BVerfGE 109, 279, 354 f: „Die Angemessenheit […] bleibt mit Blick auf die Eingriffstiefe allerdings nur dann gewahrt, wenn die Überwachungsmaßnahme von vornherein ausschließlich auf Gespräche des Beschuldigten gerichtet ist“. 106 Siehe dazu Graßhof, Die Sondervoten von Evelyn Haas. 107 BVerfG v. 4.4.2006 – 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, 373. Haas scheint das Phänomen des „chilling effect“ im Zusammenhang mit der Rasterfahndung auch abzulehnen: „Der Eingriff ist auch nicht deshalb besonders intensiv, weil die Daten einer Vielzahl von Personen

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Festzuhalten ist im Ergebnis, dass das Bundesverfassungsgericht das Phänomen des Abschreckungseffekts bis in die jüngere Vergangenheit108 in seiner Rechtsprechung würdigt, hierfür aber keinen festen verfassungsdogmatischen Prüfungsort erkennen lässt109. 2. Allgemeine Vorgaben a) Anwendbarkeit / Vorliegen eines „chilling effect“ Staatliche Maßnahmen können die Bürger auf unterschiedlichste Weise davon abhalten, ihre grundrechtlich geschützten Freiheiten auszuüben. Für die Anwendbarkeit einer Argumentation mit dem „chilling effect“ reicht es deshalb schon hin, wenn ein Anhaltspunkt dafür gegeben ist, dass eine staatliche Maßnahme abschreckende Wirkung auf die Ausübung von Grundrechten haben kann110. Entscheidend kommt es dann darauf an, das grundrechtlich geschützte Verhalten zu benennen, von dessen Verwirklichung durch die besagte staatliche Maßnahme abgeschreckt wird111. Dieses (zukünftig) vom Bürger unterlassene Verhalten, das in der Ausübung von Grundrechten bestehen muss, ist schließlich einer staatlichen Maßnahme zuzuordnen112. Ein „chilling effect“ im rechtlichen Sinne ist dann gegeben. b) Rechtliche Würdigung Im Rahmen der rechtlichen Würdigung liefert das Grundgesetz für Abschreckungseffekte aufgrund ihrer Vielgestaltigkeit jedenfalls keine absolute Grenze dergestalt, dass das Vorhandensein eines mit einer staatlichen Maßnahme verbundenen „chilling effect“ diese per se verfassungswidrig werden ließe113. Nur soweit im Einzelfall der Wesensgehalt eines Grundrechts nach Art. 19 Abs. 2 GG verletzt wird, kann dies ausnahmsweise zu bejahen sein114. erfasst und abgeglichen werden. Der Eingriff betrifft stets nur den Einzelnen. Entscheidend ist deshalb, wie einschneidend die Maßnahme für diesen ist“, siehe dazu BVerfG, a. a. O., 373. 108 Vgl. etwa nur BVerfG v. 27.2.2018 – 2 BvE 1/16, NJW 2018, 928, 940; v. 7.11.2015 – 2 BvQ 39/15, BVerfGE 140, 225, 228. 109 Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 23 ff. m. w. N. 110 Ähnlich Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 98 ff. 111 Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 100. 112 Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 101 ff. Zwischen dieser Maßnahme und dem eingeschüchterten Verhalten des Bürgers muss auch ein Kausalzusammenhang bestehen (ders., a. a. O., S. 101). 113 Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 141. 114 Etwa BVerfG v. 3.3.2004 – 1 BvR 2378/98 u. a., BVerfGE 109, 279, 311: „Die akustische Überwachung von Wohnräumen [die implizit abschreckende Wirkungen haben kann, Anm. d. Verf.] verletzt nicht generell den Menschenwürdegehalt von Art. 13 Abs. 1 GG“.

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Aus den Persönlichkeitsgrundrechten und dem subjektiven Gehalt der sonstigen Freiheitsrechte ist aber ein „verfassungsrechtliches Optimierungsgebot der Herstellung von Unbefangenheit“115 abzuleiten. Dieses zielt darauf ab, es den Bürgern mit rechtlichen Mitteln zu ermöglichen, ihre Grundrechte möglichst frei von Abschreckung auszuüben116. Zusätzlich begründen lässt sich dieses Gebot auch mit dem argumentum ad consequentias, nach dem die tatsächlichen Folgen einer bestimmten Auslegung im Rahmen der Rechtsfindung beachtlich sein können117. Abschreckungseffekte sind jedoch auch an weiteren rechtsdogmatischen Stellen im Verfassungsrecht zu berücksichtigen, so etwa im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung einer staatlichen Maßnahme118. Insbesondere die hiernach notwendige Angemessenheitsprüfung verlangt, dass der Zweck einer Maßnahme mit der Schwere des Mittels in einem angemessenen Verhältnis steht119. Soweit „chilling effects“ gegeben sind, erhöhen diese – je nach Abschreckungsgrad – die Schwere des Eingriffs im Rahmen der Abwägung; hinreichend gewichtige rechtfertigende Gründe sind deshalb erforderlich, um die Maßnahme noch als angemessen ansehen zu können120. 3. Prozessuales Kostenrisiko – ein „chilling effect“? a) Anwendbarkeit / Grundrechtlich geschütztes Verhalten, von dessen Ausübung abgeschreckt wird Wie eingangs dieses Unterkapitels erwähnt, kann der Einzelne durch das nicht nur unerhebliche Kostenrisiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung von der Rechtsverfolgung abgeschreckt werden121. Die Argumentation mit der Figur des „chilling effect“ ist damit im vorliegenden Zusammenhang also grundsätzlich möglich122. Ist nach dem beeinträchtigten Verhalten des Bürgers gefragt, rückt der Anspruch auf Justizgewähr in den Fokus. Diesem kommt über Art. 2 Abs. 1 GG grundrechtliche Bedeutung zu123. Dass das Kostenrisiko hier abschreckende Wirkung zeitigt, 115 Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 142 m. w. N.; allgemein zu Optimierungsgeboten des Grundgesetzes Lerche, in: FS Stern, S. 197 ff. 116 Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 142. 117 Vgl. dazu etwa Koch / Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 227 ff.; Looschelders  / ​ Roth, Juristische Methodik, S. 107 f.; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 72. 118 Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 147. 119 Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 117. 120 Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 147; siehe dazu auch bereits die Rechtsprechung des BVerfG oben sub Kap. 6 B. II. 1. b). 121 Vgl. dazu oben sub Kap. 6 B. II. 122 Vgl. dazu oben sub Kap. 6 B. II. 2. a). 123 BVerfG v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395, 401; v. 20.6.1995 – 1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99, 107.

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kommt darin zum Ausdruck, dass Bürger von dem Geltendmachen ihrer Ansprüche oder von dem Sichzurwehrsetzen gegen einen Anspruch, der gegen sie gerichtet ist, absehen, obwohl dies möglich und nicht als Missbrauch anzusehen ist. Zwar ist der vom allgemeinen Justizgewähranspruch vermittelte Zugang zu Gerichten kein Selbstzweck, sondern dient dazu, subjektive, mitunter auch grundrechtlich geschützte Rechte durchzusetzen. Daher haben Grundrechte immer auch eine verfahrensrechtliche Dimension124 und beinhalten selbst einen Anspruch auf staatliche Justizgewähr125. Deshalb kann hier auch von einem „chilling effect“ in Bezug auf diese grundrechtlichen Gehalte die Rede sein126. Der allgemeine Anspruch auf Justizgewähr aber umfasst ein ganzes Bündel dieser möglicherweise betroffenen verfahrensrechtlichen Schutzgehalte einzelner Grundrechte, er steht insoweit stellvertretend für deren Rechtsschutzgarantien127. Die verfahrensrechtliche Dimension aus dem materiellen Gehalt der Grundrechte hat daher in Bezug auf den allgemeinen Justizgewähranspruch lediglich eine ergänzende Funktion128. Aus diesem Grund wird das Phänomen des „chilling effect“ im Folgenden nur an dem allgemeinen Justizgewähranspruch gemessen. b) Staatliche Maßnahme Die staatliche Maßnahme, welche derartige Abschreckungseffekte auszulösen vermag, ist die auf gesetzlicher Grundlage beruhende Entscheidung zur Kostenpflichtigkeit der Justiz im Allgemeinen und derjenigen des Verlierers eines Prozesses im Besonderen (etwa § 1 Abs. 1 S. 1 GKG, § 91 f. ZPO). Die Aussicht, im Falle einer Niederlage einer Auseinandersetzung gegebenenfalls erhebliche Kosten tragen oder auch schon bereits einen Gerichtkostenvorschuss zahlen zu müssen129, vermag bei lebensnaher Würdigung davon abzuhalten, den Justizgewähranspruch

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BVerfG v. 14.11.1979  – 1 BvR 654/79, BVerfGE 52, 391, 407; v. 13.11.1979  – 1 BvR 1022/78, BVerfGE 52, 380, 389; v. 7.12.1977  – 1 BvR 734/77, BVerfGE 46, 325, 333; v. 25.7.1963 – 1 BvR 542/62, BVerfGE 17, 108, 118; Sachs, in: ders., GG, Vor Art. 1 Rn. 34. 125 So verleiht Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG den Grundrechtsberechtigten ein Recht auf wirksamen Rechtsschutz gegen entsprechende staatliche Maßnahmen aus dem Grundrecht selbst, vgl. BVerfG v. 3.7.1973 – 1 BvR 153/69, BVerfGE 35, 348, 361; zur Entwicklung der Rechtsprechung des BVerfG auf diesem Gebiet, insbesondere auch zum direkten Rechtsschutzgehalt anderer Grundrechte Walker, Der einstweilige Rechtsschutz, S. 40 f. m. w. N. 126 Dies gilt besonders für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, wobei das BVerfG die Rechtsschutzgarantie der Grundrechte teilweise – etwa im Zusammenhang mit Art. 14 GG – auch im Rahmen privatrechtlicher Streitigkeiten anerkannt hat, vgl. BVerfG v. 23.4.1974 – 1 BvR 6/74 u. a., BVerfGE 37, 132, 148. 127 In diese Richtung Sachs, in ders., GG, Art. 19 Rn. 11. 128 So ausdrücklich auch Sachs, in: ders., GG, Art. 19 Rn. 11 m. w. N. 129 In den meisten Verfahren ist die Zahlung eines Gerichtskostenvorschusses vorgesehen, vgl. etwa §§ 12 ff. GKG.

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auszuüben130. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, bei gehöriger Prüfung der Erfolgsaussichten hätte der Steuerpflichte ex ante wissen können, dass er die Auseinandersetzung verliert und die Kosten zu tragen hat. Generell lässt sich nur höchst selten sicher vorhersehen, wie Gerichte entscheiden131. Im Übrigen kann auch das Vorhandensein der Prozesskostenhilfe diesen Abschreckungseffekt nicht vollends kompensieren132. Die Abschreckung droht hier auch nicht etwa durch Private, deren Verhalten einen „chilling effect“ grundsätzlich nicht begründen kann133. Auch wenn bei Zivilprozessen vielfach Private in die Sachverhalte verstrickt sind und durch ihr (außergerichtliches) Verhalten eine gerichtliche Auseinandersetzung mitverursachen, so ist das wesentliche abschreckende Phänomen gleichwohl das von staatlicher Seite drohende Kostenrisiko. c) Fazit Es liegt mithin ein Abschreckungseffekt des Kostenrisikos gerichtlicher Verfahren im Hinblick auf die vom allgemeinen Justizgewähranspruch geschützte Rechtsverfolgung vor Gerichten vor. Ein solcher „chilling effect“ ist in herkömmlichen Grundrechtskategorien gedacht als ein nicht finaler Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Justizgewähranspruchs zu verstehen134.

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Vgl. dazu oben sub Kap. 6 B. II.; in diese Richtung gehen implizit auch schon die Urteile des BVerfG zur Prozesskostenhilfe, vgl. dazu etwa BVerfG v. 12.2.1992  – 1 BvL 1/89, BVerfGE 85, 337, 347; v. 13.3.1990 – 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 356 f.: „Daher ist es geboten, Vorkehrungen zu treffen, die auch Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht ermöglichen“; zu dieser Gefahr auch Bork, in: Stein / Jonas, ZPO, Vor § 114 Rn. 7 ff. m. w. N. 131 Nicht umsonst gibt es das Sprichwort „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“, vgl. auch Tipke, StuW 2008, 377, 380: Ein Gerichtsverfahren ist „riskant“. 132 So wird diese einerseits nur bei Bedürftigkeit gewährt, andererseits trägt sie nach § 123 ZPO selbst im Falle ihrer Bewilligung und einer anschließenden Niederlage nicht die gegnerischen Kosten, dazu Bork, in: Stein / Jonas, ZPO, § 114 Rn. 15 ff. 133 Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 126. Denn Grundrechte binden grundsätzlich nur die öffentliche Hand und schützen vor unzulässigen Eingriffen derselben. Aus diesem Grund kann korrespondierend die Figur des „chilling effect“ auch nur hinsichtlich staatlicher Abschreckung bemüht werden, vgl. dazu ders., a. a. O., S. 126. 134 Zu einem solchen „Eingriff durch Abschreckung“ ausführlich Staben, Der Abschreckungs­ effekt, S. 146.

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4. Auswirkung auf das Einkommensteuerrecht a) Reichweite Wenn die Rede davon ist, dass ein steuerliches Abziehen von Prozesskosten diesen abschreckenden Effekt kompensieren könnte, so muss man sich als Vorüberlegung auch hier wieder Klarheit darüber verschaffen, welche Prozesskosten damit gemeint sein sollen. Anders als bei der nicht überzeugenden Argumentation mit dem staatlichen Gewaltmonopol135 geht es hier auch um die Wertungsfrage, durch welche Hürden der Zugang zu Gericht und damit der Justizgewähranspruch vereitelt werden kann. Freilich sind das zum einen wiederum regelmäßig die Gerichtskosten und Anwaltskosten, jedenfalls soweit Anwaltszwang besteht. Doch auch Anwaltskosten außerhalb des Bereichs des Anwaltszwanges können sich als spürbare Hürde für die Betroffenen erweisen. Wie das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht hat gilt das insbesondere dann, wenn juristischer Sachverstand nicht vorhanden ist und dieser durch anwaltliche Hilfe erst eingeholt werden muss, um sodann den Weg zu Gericht beschreiten zu können136. Insofern kann sich ein mögliches verfassungsrechtliches Postulat, Prozesskosten infolge des von ihnen ausgehenden Abschreckungseffekts zum Abzug zuzulassen, jedenfalls auf die Gerichts- und alle Arten von Anwaltskosten beziehen. b) Reaktionspflicht oder -möglichkeit des Einkommensteuerrechts zur Verringerung der abschreckenden Wirkung Da der Abschreckungseffekt keine „absolute selbstständige Grenze verfassungsmäßigen Handelns“137 ziehen kann, führt er hier jedenfalls nicht dazu, dass Kosten der Rechtsverfolgung zwingend steuerlich abziehbar sein müssten. Vielmehr stellt sich im Wege der verfassungsorientierten Auslegung die Frage, ob ein steuerliches „Absetzen“ der Kosten durch sachliche Gründe angezeigt ist. Dazu bieten sich grundsätzlich zwei dogmatische Prüfungswege an, so zum einen unter dem bereits erwähnten verfassungsrechtlichen „Optimierungsgebot der Herstellung von Unbefangenheit“138 und zum anderen im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung139. Bezogen auf die Verhältnismäßigkeit sind die Dinge wie folgt gelagert: Durch die gesetzlich bestimmte Kostenpflichtigkeit gerichtlicher Verfahren (etwa § 1 GKG, §§ 91 ff. ZPO) wird im Wege des „chilling effect“ in den allgemeinen Justizgewähranspruch eingegriffen140. Für diesen Eingriff lässt sich auf der Ebene der 135

Vgl. dazu oben sub Kap. 6 B. I. 3. b). BVerfG v. 12.2.1992 – 1 BvL 1/89, BVerfGE 85, 337, 348 f. 137 Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 142. 138 Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 142. 139 Siehe dazu Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 147. 140 Vgl. dazu oben sub Kap. 6 B. II. 3. c). 136

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Rechtfertigung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der Finanzierungszweck der „Kostenstelle Justiz“141 anführen. Das Vorhandensein dieses „chilling effect“ spricht sodann dafür, dem eingesetzten Mittel eine gewisse Schwere zu attestieren. Im Rahmen der Erforderlichkeits- und Angemessenheitsprüfung sind daher erhöhte Anforderungen zu stellen142. Dies insbesondere dahingehend, dass der Zweck der Maßnahme nicht mit Mitteln umzusetzen sein darf, denen weniger abschreckende Wirkung zukommt, und mildernde Maßnahmen hinreichend berücksichtigt wurden143. Allerdings ist bei der Wertung über die Schwere des Instruments auch zu sehen, dass im Rahmen der Gerichtskostenberechnung die Gebühren nicht die tatsächlichen, sondern durch die Steuerfinanzierung nur einen Teil der Kosten abdecken sollen144. Zudem ist zu beachten, dass der Gesetzgeber die Problematik auch zu bekämpfen versucht, indem er das Institut der Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO) vorhält. Schon deshalb kann dem „chilling effect“ auf der Ebene der Angemessenheit des Eingriffs nicht eine solche Schwere attestiert werden, die dazu führt, dass die staatliche Maßnahme hier auch nur annähernd unverhältnismäßig wäre145. Es kann also nur noch darum gehen, dem Phänomen mithilfe des „Optimierungsgebots der Herstellung von Unbefangenheit“146 rechtliches Gewicht zu verleihen. aa) Geeignetheit des steuerlichen Abzugs zum Lindern der Abschreckung? (1) Die Eignung in Frage stellende Aspekte Herauszuarbeiten ist damit primär, ob ein einkommensteuerliches „Absetzen“ von Gerichtskosten überhaupt geeignet ist, den Einschüchterungseffekt zu dämpfen. Interessant ist besonders, wem und vor allem wofür die steuerliche Abzugsfähigkeit nach § 33 EStG nützen würde. Ein Abzug nach § 33 EStG kann zwar nach § 2 Abs. 4 EStG die steuerliche Bemessungsgrundlage und damit die festzusetzende Steuer mindern147. Dies kann jedoch abstrakt gesehen nur solchen einkommensteuerpflichtigen Personen zu Gute kommen, die auch Einkommensteuer zahlen. Personen, deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unterhalb des Grundfreibetrags 141

Siehe dazu oben sub Kap. 6 B. I. 2. Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 147. 143 So jedenfalls die klassische Verhältnismäßigkeitsprüfung, vgl. dazu auch Grzeszick, in: Maunz / Dürig, Art. 20 VII Rn. 107 ff.; siehe zum Ganzen auch Ossenbühl, Jura 1997, 617 ff. 144 Vgl. dazu oben sub Kap. 6 B. I. 2. 145 Davon unabhängig kann es im Rahmen einer solchen Prüfung der Verhältnismäßigkeit auch keine absolute Grenze in der Weise geben, dass der „chilling effect“ eine bestimmte staatliche Maßnahme verlangt, ohne die der Eingriff in den Justizgewähranspruch nicht zu rechtfertigen wäre, vgl. dazu Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 147. Von einem nicht gerechtfertigten Eingriff „durch Abschreckung“ kann daher ohnehin nicht die Rede sein. 146 Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 142. 147 Dazu schon oben sub Kap. 2 A. III. 142

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liegt148 – etwa Sozialhilfeempfänger –, können daher schon abstrakt nicht zum begünstigten Personenkreis gehören. Damit ergäbe sich hier eine Abweichung von dem Gedanken, dass der allgemeine Justizgewähranspruch diese wirtschaftlich weniger leistungsfähigen Bürger ebenso schützt149. Zwar gibt es für wirtschaftlich leistungsschwache Menschen das Instrument der Prozesskostenhilfe nach den §§ 114 ff. ZPO. Aber diese Form der Sozialhilfe bietet nur begrenzten Schutz, denn sie übernimmt nur die Gerichtskosten und eigenen Anwaltskosten, nach § 123 ZPO nicht jedoch die gegnerischen Kosten150. Am Kriterium der Geeignetheit ließe sich daher schon deshalb zweifeln, weil hier – so könnte man einwenden – nur die Zahler der Einkommensteuer von einer Verringerung der von Prozesskosten ausgehenden abschreckenden Wirkung profitieren würden, nicht indes alle Menschen, die einen grundrechtlichen Anspruch auf Justizgewähr haben. Doch auch bei denjenigen, die tatsächlich Einkommensteuer zahlen, stellt sich die Frage, ob diesen die Abmilderung überhaupt und, wenn ja, im nächsten Schritt gleichermaßen zu Gute kommen würde, wenn sie Kosten der Rechtsverfolgung abziehen können. Denn um überhaupt einen Abzug nach § 33 EStG vornehmen zu können, müsste der zumutbare Teil, der nach § 33 Abs. 3 EStG selbst zu tragen ist, überschritten sein151. Soweit dies nicht der Fall ist, kann von einem möglichen Abmildern schon grundsätzlich keine Rede sein. Soweit diese Hürde jedoch genommen ist, wirkt sich dann aber die Verminderung der Bemessungsgrundlage aufgrund der progressiv gestalteten Besteuerung bei höheren Einkommen vorteilhafter aus als bei niedrigeren152. Zwar ist dieses Phänomen lediglich die unbedenkliche Kehrseite der progressiven Gestaltung des Steuertarifs153. Doch es lässt Zweifel jedenfalls insoweit entstehen, ob ein steuerlicher Abzug geeignet ist, den Abschreckungseffekt gleichmäßig abzumildern154. Neben diesen Überlegungen stellt sich auch die Frage, ob Bürger, die vor der Entscheidung stehen, einen Rechtsstreit zu führen, tatsächlich in Ansehung eines

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Dazu schon oben sub Kap. 2 A. II. 2. Vgl. BVerfG v. 11.6.1980 – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277, 292, 293: Das Gericht spricht stets von „Privaten“, „Parteien“ oder „dem Bürger“ ohne dabei zu differenzieren. Im Übrigen hat BVerfG v. 13.3.1990 – 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 356 deutlich gemacht, dass es Art. 3 Abs. 1 GG auch verlangt, Unbemittelte mit Bemittelten in Bezug auf die Möglichkeiten, den allgemeinen Justizgewähranspruch auszuüben, möglichst gleich zu stellen. 150 Dazu teilweise kritisch Bork, in: Stein / Jonas, ZPO, Vor § 114 Rn. 11. 151 Dazu kritisch Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 720 m. w. N. 152 Zu diesem Effekt der Progression vgl. Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 803 m. w. N.; neutral dazu schon Depiereux, FR 1970, 188 ff. 153 Hey, in: Tipke / Lang, § 8 Rn. 803; Englisch, DStJG 37 (2014), S. 159, 167 m. w. N. 154 Wenn man nämlich den Standpunkt einnimmt, dass durch den gewährten Steuervorteil ein weniger von Kostenüberlegungen beeinflusstes Ausüben des Justizgewähranspruchs ermöglicht werden soll, so sollte dies – wie bereits erwähnt – gleichmäßig erfolgen und nicht von der Höhe des Einkommens abhängig sein. 149

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möglichen späteren Steuervorteils für die Rechtsverfolgung votieren155. Zwar erblicken die Bürger in einem steuerlichen „Absetzen“ oftmals ein Allheilmittel, um ihre bereits vorhandenen (Lebenshaltungs-)Kosten ex post zu senken156. Ob sie sich aber angesichts der regelmäßig beklagten Kompliziertheit des Steuerrechts157 bereits vor Entstehung der Kosten, also ex ante, einen konkreten Steuervorteil errechnen und dieser schließlich den Ausschlag geben kann, den Rechtsweg tatsächlich zu beschreiten, ist zumindest fraglich. Auch aus dieser praktischen Sicht bestehen daher Zweifel an der Geeignetheit des Mittels. (2) Die Eignung tragende Aspekte Es wäre jedoch in gleicher Weise verfehlt, es mit dieser Argumentation einer steuerlichen Berücksichtigung von Prozesskosten gänzlich abzusprechen, dass diese den Abschreckungseffekt abmildern kann. Denn die beschriebenen Defizite – einerseits eine abstrakte Nützlichkeit nur für die Einkommensteuerzahler und bei diesen auch nur eine ungleichmäßige, andererseits die tatsächliche Frage, ob der Steuerabzug im Ergebnis eine spürbare Minimierung der Steuerschuld bewirkt und Steuerpflichtige deshalb den gerichtlichen Weg beschreiten – sind dem einkommensteuerlichen System immanent, im Rahmen dessen der „chilling effect“ hier diskutiert wird. Wenn das „Optimierungsgebot der Herstellung von Unbefangenheit“ als eine Gesamtaufgabe des Rechts zu verstehen ist158, so kann jeder Rechtsbereich nur mit seinen Mitteln zur Erfüllung dieses Gebots beitragen. Vor diesem Hintergrund ist ein steuerliches Abziehen jedenfalls nicht die einzige Möglichkeit, das Optimierungsgebot umzusetzen – auch andere Rechtsbereiche könnten hier ihren Beitrag leisten. So könnte etwa durch Änderungen an der grundsätzlichen Kostenpflichtigkeit der Inanspruchnahme von Gerichten, an der Höhe von Gerichtsgebühren und damit zugleich an dem Umfang des steuerlichen Anteils an den Kosten der Justiz, durch eine staatliche Forcierung des Abschlusses von Rechtsschutzversicherungen bzw. deren Subventionierung159 oder auch durch Ausweitung der Prozesskostenhilfe160 in sachlicher und persönlicher Hinsicht zur Lösung der Problematik nachjustiert werden. Dies sind jedoch im Einzelnen Lösungsmöglichkeiten, die nicht Gegenstand dieser Arbeit sind.

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Dies bejahend offenbar Jachmann, jM 2014, 34. Dazu schon oben sub Kap. 1 A. 157 So schon Tipke, StuW 1976, 293, 294; zu Reformvorschlägen vgl. Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, § 1 Rn. 84 ff. m. w. N. 158 So lässt sich jedenfalls Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 142 verstehen, der ausführt, dass „der Gehalt des Gebots […, darin] besteht, den Grundrechtsträgern mit Mitteln des Rechts eine möglichst abschreckungsfreie Ausübungssituation zu ermöglichen“. 159 Zu einer möglichen „Rechtsschutzpflichtversicherung“ vgl. Muthorst, in: Stein / Jonas, ZPO, Vor § 91 Rn. 4. 160 So etwa Muthorst, in: Stein / Jonas, ZPO, Vor § 91 Rn. 4. 156

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Das Steuerrecht kann so aber wenigstens „seinen Anteil“ an der Gesamtaufgabe der Optimierung leisten, auch wenn damit gewisse Defizite verbunden sind. Zwar lässt sich zum einen nicht bestreiten, dass eine steuerliche Berücksichtigung der Gerichtskosten nur den Einkommensteuerzahlern und unter diesen den höheren Einkommen stärker nutzen würde und zum anderen ein Steuerpflichtiger auch ohne sichere Kenntnis der konkreten Wirkungen eines steuerlichen Abzugs für die gerichtliche Rechtsverfolgung votieren müsste. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass ein einkommensteuerlicher Abzug in bestimmten Fällen den Einschüchterungseffekt tatsächlich abmildern kann. Aufgrund der Vielgestaltigkeit der steuerlichen Verhältnisse der Bürger kann über die konkreten Auswirkungen eines solchen Abzugs im Übrigen auch nur gemutmaßt werden. Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass es Fälle geben wird, in denen die Aussicht auf einen steuerlichen Abzug den Abschreckungseffekt des Kostenrisikos abmildern kann. Das Berücksichtigen der Aufwendungen nach § 33 EStG eignet sich in diesen Fällen, dem hier maßgeblichen „Optimierungsgebot“ zu entsprechen. bb) „Optimierung“ im Wege eines Abdämpfens durch eine steuerliche Berücksichtigung Es hat sich nun gezeigt, dass der steuerliche Abzug von Gerichts- und Anwaltskosten jedenfalls in bestimmten Fällen durchaus geeignet ist, den Abschreckungseffekt des Kostenrisikos auf die Inanspruchnahme des Justizgewähranspruchs abzumildern. Festzustellen ist also, dass in „glatten“ Fällen, d. h. in solchen, bei denen derart gewichtige Gründe vorhanden sind, die schon deshalb zu einem Abzug der ausgelösten Kosten nach § 33 EStG führen, ein steuerliches „Absetzen“ bereits einen Beitrag dazu leistet, den „chilling effect“ abzudämpfen. Um dem Ziel der „Herstellung von Unbefangenheit“161 noch näher zu kommen, lässt sich dem Grundgesetz unter dem Aspekt verfassungsorientierter Auslegung aber auch eine Auslegungsmaxime des einfachen Rechts mit dem Inhalt entnehmen, dass in Fallgestaltungen, in denen sich annähernd gleichermaßen Gründe für wie auch gegen einen Abzug insbesondere von Gerichts- und Anwaltskosten nach § 33 EStG anführen lassen, in Konstellationen also, in denen die Abziehbarkeit der fraglichen Aufwendungen „auf der Kippe“ steht, die Steuerverschonung des § 33 EStG in dubio gewährt wird.

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Dazu Staben, Der Abschreckungseffekt, S. 142.

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c) Fazit Das prozessuale Kostenrisiko kann davon abschrecken, den allgemeinen Justiz­ gewähranspruch auszuüben. Ein „chilling effect“ im rechtlichen Sinne ist insoweit gegeben. Will man dem mithilfe der Abzugsfähigkeit von Prozesskosten entgegenwirken, dann sollte sich das jedenfalls auf die Gerichts- und Anwaltskosten beziehen. Trotz verschiedener Überlegungen hat sich gezeigt, dass eine solche Abziehbarkeit dazu beitragen kann, den hier diskutierten abschreckenden Effekt abzumildern. „Seinen Anteil“ an dieser Gesamtaufgabe des Rechts leistet das Einkommensteuerrecht deshalb zum einen dadurch, dass der Abzug von Aufwendungen eindeutiger Konstellationen den Abschreckungseffekt bereits abdämpft. Zum anderen leistet es im Wege verfassungsorientierter Auslegung einen Beitrag dadurch, dass es in Konstellationen, in denen mit vergleichbaren Anteilen Gründe pro wie auch contra einen Abzug der Prozesskosten vorhanden sind, den Abzugstatbestand des § 33 EStG „im Zweifel“ als erfüllt ansieht162.

III. Prozesskosten und subjektives Nettoprinzip 1. Abgeltung durch Grundfreibetrag? Als Vorfrage ist zunächst zu klären, ob der Gesetzgeber im Rahmen des Grundfreibetrags bereits Aufwendungen für die Rechtsverfolgung berücksichtigt hat. Sollte dem so sein, kann ein Abzug nicht mehr über § 33 EStG erfolgen – der Gesetzgeber hätte einem etwaigen verfassungsrechtlichen Abzugsgebot in diesem Falle bereits auf andere Weise genügt163. Die Höhe des steuerlichen Grundfreibetrags legt der Gesetzgeber auf Empfehlung der Bundesregierung fest164. Diese hat zuletzt in ihrem 12. Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums einen Grundfreibetrag von 9.168 Euro für das Jahr 2019 und von 9.408 Euro für das Jahr 2020 ermittelt165. Dieser Wert des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums basiert maßgeblich auf dem sozialhilferechtlichen Mindestbedarf, der von Verfassung wegen zwingend von der Besteuerung ausgenommen sein muss166. Dieser sozialhilferechtliche Mindestbedarf ermittelt sich wiederum nach § 27a Abs. 3, § 28 SGB XII sowie der Anlage zu § 28 SGB XII. Die in der Anlage zu 162

Im Übrigen ist eine rechtliche Bewältigung dieses Abschreckungseffekts anderen Rechtsbereichen als dem Steuerrecht vorbehalten, siehe zu nichtsteuerlichen Vorschlägen etwa Muthorst, in: Stein / Jonas, ZPO, Vor § 91 Rn. 4. 163 BFH v. 18.3.2004 – III R 31/02, BStBl. II 2004, 867; Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 718; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 1. 164 Zuletzt für die Jahre 2019 und 2020 durch FamEntlastG v. 29.11.2018 (BGBl. I, S. 2210). 165 BT-Drucks. 19/5400, S. 9. 166 BVerfG v. 25.9.1992 – BvL 5/91, BVerfGE 87, 153, 173 ff.

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§ 28 SGB VII zu findenden konkreten numerischen Werte wurden durch das sogenannte Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) festgestellt167 und für das Jahr 2019 durch die hierzu ergangene Verordnung168 fortgeschrieben. Der maßgebliche § 5 Abs. 1 Nr. 1 RBEG weist in zwölf Abteilungen den jeweiligen Bedürfnissen bestimmte Beträge zu und addiert diese zu einer Gesamtsumme auf. Für Prozesskosten innerhalb dieser zwölf Abteilungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 RBEG kommt allein Abteilung zwölf („Andere Waren und Dienstleistungen“) mit monatlich 31,31 Euro in Betracht. Dabei hat der Gesetzgeber jedoch ganz offenbar nicht an eine wie auch immer geartete Aufnahme von Rechtsverfolgungskosten gedacht, wie sich der entsprechenden Aufschlüsselung dieser Abteilung in Einzelposten anhand des entsprechenden Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum RBEG ergibt: Unter „sonstige Dienstleistungen“ werden zwar Betreuungs-, Versicherungs- und Finanzdienstleistungen erwähnt, jedoch keine solchen der Rechtsverfolgung169. Da der steuerliche Grundfreibetrag nun also an diese sozialhilferechtlichen Größen anknüpft, ist davon auszugehen, dass etwaige Aufwendungen für Rechtsverfolgung nicht vom Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG abgegolten sind170.

167

Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch v. 22.12.2016 (BGBl. I, S. 3159). 168 Verordnung zur Bestimmung des für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch maßgeblichen Prozentsatzes sowie zur Ergänzung der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch für das Jahr 2019 v. 19.10.2018 (BGBl. I, S. 1766). 169 Vgl. BT-Drucks. 18/9984, S. 111. 170 Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastungen, S. 185 meint: „Zivil­ prozesskosten seien [nach Ansicht des BFH v. 12.5.2011] von Grundfreibetrag oder Sozialhilfe nicht umfasst und deshalb als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Dieser Rückschluss verkehrt den Vergleichsmaßstab des § 33 EStG in sein Gegenteil. Gerade weil die vom Gesetzgeber als existenzsichernd definierte Leistung Grundfreibetrag auf dem Leistungsniveau der Sozialhilfe Prozesskosten nicht beinhaltet, können diese auch nicht als außergewöhn­ liche Belastungen geltend gemacht werden“; ähnlich auch dies., a. a. O., S. 188. Der BFH hat aber in der besagten Entscheidung v. 12.5.2011 (BStBl. II 2011, 1015) aus dem Umstand, dass Zivilprozesskosten im Rahmen des Grundfreibetrags nicht berücksichtigt sind, nicht gefolgert, dass diese zwingend nach § 33 EStG abziehbar sein müssen. Vielmehr hat er nur klargestellt, dass der weitgehenden Anerkennung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen – die aus den bereits dargelegten Gründen freilich nicht überzeugend ist – jedenfalls nicht die Überlegung entgegensteht, dass Kosten, die im Rahmen des Grundfreibetrags beinhaltet sind, nicht mehr nach § 33 EStG abziehbar sein können (BStBl. II 2011, 1015, 1017). Keineswegs hat das Gericht aber die Abziehbarkeit von Zivilprozesskosten mit diesem Gedanken begründet. Zum zweiten leuchtet auch nicht ein, dass Zivilprozesskosten deshalb grundsätzlich nicht nach § 33 berücksichtigungsfähig sein sollen, weil diese nicht im Grundfreibetrag enthalten sind. Denn nur dann, wenn bestimmte Aufwendungen nicht schon im Rahmen des Freibetrags abgegolten sind, kann ein Abzug nach § 33 EStG diskutiert werden (siehe dazu den BFH a. a. O. wie den zugehörigen Haupttext und die dortigen Nachweise).

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Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

2. Zwingende Abziehbarkeit infolge des subjektiven Nettoprinzips? a) Sozialhilferechtlicher Nachranggrundsatz Das subjektive Nettoprinzip verlangt in seiner existenzsichernden Ausprägung jedenfalls die Steuerfreiheit des persönlichen Existenzminimums171. Dieses Ergebnis wird teilweise auch aus dem Blickwinkel des Sozialhilferechts begründet172. Denn es wäre widersprüchlich, wenn der Staat das, was er jedem Menschen grundsätzlich zu gewähren hat, über das Steuerrecht wieder zurückfordert und die Menschen damit möglicherweise in die Sozialhilfebedürftigkeit stürzt173. Nach Moris Lehner steht das subjektive Nettoprinzip daher in einer unzertrennlichen Verbindung zu dem sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatz, dessen Aufgabe es ist, „den Hilfeempfänger von den Leistungen der Sozialhilfe unabhängig zu machen, oder ihm eine bereits erworbene Unabhängigkeit zu erhalten“174; der sozialhilferechtliche Nachranggrundsatz gehört zum Inhalt des subjektiven Nettoprinzips175. Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, zunächst zu untersuchen, ob dieser „Nachrang staatlicher Besteuerungsansprüche“176 auch in Bezug auf die Übernahme von Prozesskosten Geltung beansprucht. Das setzt voraus, dass – ähnlich wie oben im Bereich des steuerlichen Existenzminimums – von einer gewissen Widersprüchlichkeit die Rede sein kann: etwa dadurch, dass der Staat den Teil des Einkommens, der auf Aufwendungen zur Rechtsverfolgung entfällt, dem steuerlichen Zugriff unterwirft, anschließend jedoch Prozesskostenhilfe leisten muss177. Denn 171

St.Rspr. seit BVerfG v. 29.5.1990 – 1 BvL 20/86 u. a., BVerfGE 82, 60, 85. Wobei sich das BVerfG primär auf Art. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip stützt. Siehe dazu ausführlich oben sub Kap. 2 A. II. 2. 172 BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988, 991; Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 161; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 136 f.; dazu auch Steger, Die außergewöhnliche Belastung im Steuerrecht, S. 126 ff. m. w. N. 173 Dazu BVerfG v. 29.5.1990 – 1 BvL 20/86 u. a., BVerfGE 82, 60, 86; BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988, 991; Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 161 spricht daher bei der Steuerfreistellung des Existenzminimums von einem „Ausdruck der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung“; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 137; Pezzer, in: FS Zeidler, S. 757, 765; Zeidler, StuW 1985, 1, 5. 174 Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 136. 175 Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 137; Wernsmann, StuW 1998, 317, 323 f. zieht eine Parallele zu dem zivilrechtlichen Grundsatz der dolo-agit-Einrede und sieht in einem solchem Hin- und Hertransferieren staatlicher Leistungen einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Schilling, Zwangsläufiger, pflichtbestimmter Aufwand, S. 49 sieht den sozialhilferechtliche Nachranggrundsatz unmittelbar im subjektiven Nettoprinzip begründet. 176 Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 137. 177 In diesem Sinne Geserich, DStR 2013, 1861, 1865; Grever, Außergewöhnliche Belastungen im Steuerrecht, S. 128: „Voraussetzung für die Prozesskostenhilfe ist also […] eine negative Leistungsfähigkeit der natürlichen Person. Dies spricht für eine korrespondierende Anerkennung im Steuerrecht […]“; ders., a. a. O., S. 135 sieht gar das subjektive Nettoprinzip verletzt, wenn eine weitreichende Abzugsmöglichkeit von Prozesskosten nicht möglich ist.

B. Vorgaben der Verfassung

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bei der Prozesskostenhilfe handelt es sich um eine besondere Form der durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebotenen Sozialhilfe178. Was der Staat jedem Menschen, wie den existenznotwendigen Lebensbedarf voraussetzungslos zu gewähren hat, das darf er ihm nicht durch Steuern entziehen179. Diese Überlegung kann aber nun nicht dazu führen, das Tragen von Prozesskosten generell als einen Fall verminderter steuerlicher Leistungsfähigkeit anzusehen180. Auch wenn es sich bei der Prozesskostenhilfe um eine besondere Form der Sozialhilfe handelt, so ist diese im Gegensatz zum existenznotwendigen Lebensbedarf in einem weitaus geringeren Maß von existenzieller Bedeutung. Dies ergibt sich schon daraus, dass die sozialrechtliche Grundsicherung, der steuerrechtlich das persönliche Existenzminimum entspricht, und die Prozesskostenhilfe zwei völlig verschiedene Ziele haben181. Letztere zielt auf Chancengleichheit vor Gericht. Die Grundsicherung hingegen strebt nach Ergebnisgleichheit im Sinne einer absoluten Untergrenze menschlicher Existenz, deren Unterschreiten der Staat des Grundgesetzes nicht akzeptiert. Der existenznotwendige Lebensbedarf ermöglicht also erst die physische Existenz182; er gilt für Wohlhabendere und weniger Wohlhabende, für Bezieher höherer und für Bezieher niedrigerer Einkommen gleichermaßen183. Er muss daher – und darin besteht der Unterschied zur besonderen Form Sozialhilfe „Prozesskostenhilfe“ – voraussetzungslos sichergestellt werden184. Dies entweder im Falle von Bedürftigkeit über die sozialrechtliche Grundsicherung185 oder im Übrigen über den steuerlichen Grundfreibetrag186. Die Prozesskostenhilfe hingegen setzt erst ein, wenn dieser existenznotwendige Lebensbedarf des Menschen bereits befriedigt ist; sie ist ferner in jedem Falle nur bei Bedürftigkeit zuzusprechen, d. h. der Staat gewährt sie gerade nicht voraussetzungslos187. Da sie 178 BVerfG v. 3.7.1973, 1 BvR 153/69, BVerfGE 35, 348, 355: „Das Armenrecht ist eine Leistung der staatlichen Daseinsvorsorge“; vgl. dazu näher auch Bork, in: Stein / Jonas, ZPO, Vor § 114 Rn. 10 m. w. N. 179 BVerfG v. 13.2.2008 – 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125, 155; v. 29.5.1990 – 1 BvL 20 u. a., BVerfGE 82, 60, 86; BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988, 991; v. 2.9.2015 – VI R 32/13, BStBl. II 2016, 151, 152. 180 So im Ergebnis auch Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastungen, S. 188 ff., wenngleich sie aus dem zutreffenden Befund, dass das Vorhandensein der Prozesskostenhilfe nicht eine Zugehörigkeit sämtlicher Prozesskosten zum sozialhilferechtlichen und steuerlichen Existenzminimum bewirkt, schlussfolgert, dass all jene Prozesskosten von einer Berücksichtigung nach § 33 EStG ausgeschlossen seien, die keinen Bezug zum Existenzminimum aufweisen. Letzteres überzeugt nicht. Denn § 33 EStG schützt auch Aufwendungen, die über das Existenzminimum hinausgehen – „Erhalt und Rückgewinnung der Normalität“, vgl. dazu oben sub Kap. 2 A. III. 1. b). –, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt ein Abzug von Prozesskosten nach § 33 EStG in Betracht kommt. 181 So auch Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastung, S. 188 ff. 182 Vgl. dazu etwa § 9 SGB I. 183 So schon Tipke, FR 1990, 349 f. 184 Vgl. zum Ganzen Seer, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 1 Rn. 39. 185 Vgl. hierzu § 9 SBG I. 186 Dazu Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 32a Rn. 4. 187 Vgl. die einfachrechtliche Ausgestaltung in den §§ 114 ff. ZPO.

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Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

also auf Chancengleichheit angelegt ist, will sie keine Hilfe für jedermann nach dem Gießkannenprinzip sein. Hierzu würde sie aber verkommen, wenn man sie als Argument für die vollumfängliche steuerliche Abzugsfähigkeit jedweder Prozesskosten, und seien es auch nur zivilprozessuale, heranzöge188. Mangels Vergleichbarkeit der Problemlagen von existenznotwendigem Lebensbedarf und Prozesskostenhilfe lässt sich über das subjektive Nettoprinzip und den darin auch verankerten sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatz nicht der Rückschluss ziehen, dass Rechtsverfolgungskosten generell die subjektive Leistungs­ fähigkeit mindern und daher abziehbar sein müssen189. Dessen ungeachtet muss das Einkommensteuerrecht auch nicht zwingend auf jede sozialstaatliche (Subventions-)Leistung mit einer Parallelmaßnahme reagieren190. b) Freiheitsrechtliche Einflüsse Auch wenn für das subjektive Nettoprinzip in erster Linie Art. 3 Abs. 1 GG maßgeblich ist191, darf die Bedeutung der Freiheitsrechte in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden. Zwar ergeben sich aus diesen regelmäßig keine unmittelbaren Grenzen der Besteuerung192. Doch sie können ebenso wie andere Aussagen der Verfassung mittelbar auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG Einfluss nehmen193; das Leistungsfähigkeitsprinzip wird insoweit „ergänzt“194. In diese 188

Insoweit ist Geserich, DStR 2013, 1861, 1865 und Grever, Außergewöhnliche Belastungen im Steuerrecht, S. 127 ff. zu widersprechen. 189 Siehe dazu auch schon Brandt in der Diskussion anlässlich des 4. Symposiums beim BFH, Bericht von Bleschick / Kammeter, DStR-Beih. 2013, 61, 67, der ausführt, dass der Gering­verdiener bereits durch die PKH hinreichend bedacht ist. Die Argumentation Grevers, Außergewöhnliche Belastungen im Steuerrecht, S. 99 kann auch in anderer Hinsicht nicht überzeugen. So sollen Zivilprozesskosten nach § 33 EStG zu berücksichtigen sein, weil es hierfür mit der PKH eine sozialrechtliche Entsprechung gebe. Strafprozesskosten dürften hingegen nicht abziehbar sein, weil für Strafprozesskosten kein „sozialhilferechtlicher Leistungstatbestand“ vorhanden sei. Gerade für den Beschuldigten eines Strafverfahrens gibt es doch aber eine ganze Reihe sozial- und rechtsstaatlicher Ansprüche bzw. „Leistungstatbestände“, die diesem z. B. ein faires Verfahren ermöglichen sollen. Es wäre daher mit der Argumentation Grevers hier nur konsequent, ebenso eine Abzugsfähigkeit der Kosten zu befürworten. Dies kann freilich im Ergebnis nicht richtig sein (zu den Gründen siehe unten sub Kap. 7 D. II. 1.). Es zeigt sich also, dass der Versuch, den Inhalt des von § 33 EStG geschützten Nettoprinzips allein aus dem Blickwinkel des Sozialhilferechts zu bestimmen, nicht zielführend sein kann. 190 Siehe dazu etwa Hey und Jochum in der Diskussion anlässlich des 4. Symposiums beim BFH, Bericht von Bleschick / Kammeter, DStR-Beih. 2013, 61, 67. 191 Vgl. dazu oben sub Kap. 2 A. II. 2. 192 Vgl. dazu wie zu den Ausnahmen Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 180 ff.; kritisch zu Versuchen in der Literatur, den Gesetzgeber im Einkommensteuerrecht mit Freiheitsrechten vermehrt zu begrenzen F. Kirchhof, BB 2017, 662, 665. 193 Dazu Birk, in: Grundrechtsschutz im Steuerrecht, S. 67, 70; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 125 ff.; dazu allgemein Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 121. 194 So Liesenfeld, Das steuerfreie Existenzminimum und der progressive Tarif, S. 80.

B. Vorgaben der Verfassung

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Richtung hat das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit den Kosten der privaten Lebensführung dargelegt, dass diese „nicht ohne Weiteres zur Disposition des Gesetzgebers [stehen]. Dieser hat die unterschiedlichen Gründe, die den Aufwand veranlassen, auch dann im Lichte betroffener Grundrechte differenzierend zu würdigen, wenn solche Gründe ganz oder teilweise der Sphäre der allgemeinen (privaten) Lebensführung zuzuordnen sind.“195

Freiheitsrechte geben also in jedem Falle den im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG maßgeblichen Vergleichsmaßstab vor196. Die Frage, ob das Tragen von Rechtsverfolgungsaufwand als Fall verminderter subjektiver Leistungsfähigkeit anzuerkennen ist, wird sich daher vor allem daran entscheiden, inwieweit den jeweiligen Aufwendungen freiheitsrechtlich geschützte Sachverhalte zugrunde liegen197. Daraus ergibt sich sogleich, dass das subjektive Nettoprinzip nicht per se den Abzug von „Prozesskosten“ verlangt198. Denn schon aus der Begriffsbestimmung des Begriffes „Prozesskosten“199 geht die Vielgestaltigkeit rechtlicher Auseinandersetzungen hervor200. So muss schon aus dieser Warte klar sein, dass etwa die Zugehörigkeit von Prozesskosten, die infolge eines Nachbarschaftsstreits wegen zu hellen Lichts im Eingangsbereich oder infolge einer Klage auf Lieferung einer Sammlerbriefmarke entstehen, zum steuerlich zu verschonenden Bereich eindeutig ausscheidet201. Andere Sachverhalte, wie z. B. Kosten eines von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Ehescheidungsverfahrens202, hingegen könnten diesem Bereich dagegen grundsätzlich zuzurechnen sein203. Inwieweit die Kosten steuerlich anzuerkennen sind, ist damit differenzierend zu beantworten204. 195

BVerfG v. 4.12.2002 – 2 BvR 400/98 u. a., BVerfGE 107, 27, 49. So auch Steger, Die außergewöhnliche Belastung im Steuerrecht, S. 112, 143; mit differenzierendem Vorschlag für den Bereich des subjektiven Nettoprinzips Englisch, DStJG 37 (2014), S. 159, 168. 197 So auch grundsätzlich Schilling, Zwangsläufiger, pflichtbestimmter Aufwand, S. 70 im Bereich „ehelicher und familiärer Vereinbarkeitsaufwendungen“; Schön, DStZ 1997, 385, 390 f. plädiert mit Blick auf Art. 4 GG und staatskirchenrechtliche Bestimmungen für die Abziehbarkeit der Kirchensteuer. 198 So auch BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988, 992; Hettler, DStR 2018, 2307. 199 Vgl. dazu oben sub Kap. 2 B. I., II. und III. 200 Zur Unterschiedlichkeit der zugrundeliegenden Konstellationen auch schon FG Hamburg v. 24.9.2012 – 1 K 195/11, EFG 2013, 41, 43. 201 Beispiele nach G.  Kirchhof, DStR 2013, 1867,1871 (Nachbarstreit) und Steinhauff, ­jurisPR-SteuerR 33/2011 Anm. 5 (Briefmarke). 202 Siehe dazu ausführlich unten sub Kap. 7 C. II. 203 Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 211 äußert in Bezug auf solche Fälle aber den Einwand, dass § 33 Abs. 2 S. 4 a.E EStG als „zugleich geschaffene Ausnahmeregelung – wie nach der bisherigen Rspr. – unwirksam“ bleiben könnte; vgl. auch ders., FR 2014, 209, 217 f. 204 Ähnlich auch zur Frage einer „Ja-oder-Nein-Besteuerung“ privater Veräußerungs­geschäfte Müller-Franken, in: GS Trzaskalik, S. 195, 211; Steger, Die außergewöhnliche Belastung im Steuerrecht, S. 161 meint, dass Fälle, in denen „durch den Prozess die Existenz des Steuerpflichtigen nachhaltig bedroht ist“, zwar „denkbar“ seien, diese sich jedoch einer „allgemeinen 196

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3. Fazit Der Gesetzgeber hat Prozesskosten nicht im Rahmen des steuerlichen Grundfreibetrags nach § 32a EStG berücksichtigt. Auch im Übrigen gehören Rechtsverfolgungskosten nicht pauschal zu dem Bereich, der aufgrund des subjektiven Nettoprinzips steuerlich zu verschonen ist. Vielmehr kann das subjektive Nettoprinzip den Abzug im konkreten Fall aufgrund freiheitsrechtlicher Einflüsse auf die jeweilige Rechtsverfolgung gebieten.

IV. Abstandsgebot zum Sozialhilferecht Es kann zu überlegen sein, ob der Auslegung des § 33 EStG vor dem Hintergrund des sogenannten Abstandsgebots ein – wie auch immer auszugestaltender – großzügigerer Maßstab zugrunde zu legen ist und dies zur Folge hat, dass etwa auch Prozesskosten per se abziehbar sein müssen. Unter Hinweis auf das sogenannte Abstandsgebot erheben nicht wenige Stimmen die Forderung, dass das steuerliche Existenzminimum höher sein müsse als der sozialhilferechtliche Mindestbedarf 205. Dies folge aus dem Primat der Privatnützigkeit und der Subsidiarität staatlicher Unterstützung gegenüber eigenverantwortlicher Selbstversorgung206. Kurz gesagt: „Derjenige, der arbeitet, soll mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet.“ Diese knappe und zugleich einleuchtende Maxime hat der Gesetzgeber auch nicht ansatzweise umgesetzt. Denn schon das steuerfreie persönliche Existenzminimum des § 32a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG basiert gegenwärtig nur auf dem sozialrechtlichen Mindestbedarf, den das Bundesverfassungsgericht als Untergrenze eingezogen hat207; es geht jedoch nicht darüber hinaus208. Neben allgemeinen Vorschlägen, das Abstandsgebot im Einkommensteuerrecht zu realisieren209, werden in der Literatur auch Möglichkeiten aufgezeigt, dieses Prinzip im hier interessieren­ den Recht der außergewöhnlichen Belastungen umzusetzen. So könne etwa daran Systematisierung“ entzögen. Dies wird im Rahmen der weiteren Untersuchung und insbesondere der fallgruppenmäßigen Darstellung zu hinterfragen sein, siehe dazu unten sub Kap. 7. 205 Etwa Friauf, DStJG 12 (1989), S. 3, 31 f.; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 136; Jachmann, StuW 1996, 97, 103; Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums, S. 182; ders. weist a. a. O., S. 181 f. auch auf diese Problematik innerhalb des geltenden Steuertarifs hin; P. Kirchhof, Gutachten F 57. DJT 1988, S. 51. 206 Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 136; Jachmann, StuW 1996, 97, 103; Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums, S. 182, 216 stellt zusätzlich auf Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG ab; siehe zum sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatz oben sub Kap. 6 B. III. 2. a). 207 BVerfG v. 25.9.1992 – BvL 5/91, BVerfGE 87, 153, 173 ff. 208 Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastungen, S. 99. 209 Vgl. dazu Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastungen, S. 100 ff. m. w. N.

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gedacht werden, die jeweils nach § 33 EStG abziehbaren Kosten nicht nur in ihrem tatsächlichen Umfang, sondern erhöht um die Sozialleistungsquote aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden210. Denkbar sei es ebenso, die Zumutbarkeitsgrenzen des § 33 Abs. 3 EStG abzusenken211. Auch wenn derartige Fragen im Einzelnen nicht Gegenstand dieser Arbeit sein sollen und können, so helfen diese Vorschläge hier doch aber deshalb, weil sie – und insoweit sind sie in jedem Falle überzeugend  – die mögliche Stoßrichtung aufzeigen, mit der das Abstandsgebot umgesetzt werden kann. So kann es nicht darum gehen, die Abzugsmöglichkeit bestimmter Aufwendungen gemäß § 33 EStG dem Grunde nach zu verändern. Mit anderen Worten kann es sich nicht empfehlen, bestimmten Aufwendungen, die eigentlich nicht nach § 33 EStG abzugsfähig wären, mit dem Argument des Abstandsgebots zur Abzugsfähigkeit zu verhelfen. Denn ein solches Vorgehen wäre vollkommen willkürlich; es müsste geklärt sein, nach welchen in Bezug zur Idee des Abstandsgebots stehenden Kriterien entsprechende Aufwendungen nunmehr von der Bemessungsgrundlage ausscheidbar sein sollten212. Vielmehr kann es nur darum gehen, bei der Abziehbarkeit derjenigen Aufwendungen anzusetzen, die sich nach den Kriterien des § 33 EStG als berücksichtigungsfähig darstellen – also auf der Rechtsfolgenseite des § 33 EStG über den Umfang des Abzugs dieser Kosten nachzudenken213. Denn nur damit ließe sich ein sachgerechter und gleichmäßig für alle Aufwendungsarten des § 33 EStG wirkender Maßstab finden. Damit schließt sich auch der Kreis zur obigen Ausgangsfrage. Ein Berücksichtigen von Prozesskosten nach § 33 EStG generell wäre ein entsprechender Versuch, der bei der Abziehbarkeit dem Grunde nach ansetzt. Dieser ist aufgrund des zuvor Gesagten jedoch nicht statthaft. Es ist nicht ersichtlich, warum gerade der pauschale Abzug von Prozesskosten und nicht der Abzug anderer Kosten hier dienlich sein soll. Im Ergebnis kann auch mit dem Abstandsgebot zum Sozialhilferecht daher keine pauschale „Ja-oder-Nein-Abzugsfähigkeit“ für Prozesskosten begründet werden214.

210

Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastungen, S. 100 ff. (mit ausführlicher Begründung), 105: Dies würde etwa bedeuten, dass ein Steuerpflichtiger, der 100,00 Euro außergewöhnliche Belastungen zu tragen hat, diese erhöht um die Sozialleistungsquote (für 2010 29,9 %, dazu Amann, a. a. O., S. 102), d. h. in Höhe von 129,90 Euro – vorbehaltlich der zumutbaren Eigenbelastung – von der Bemessungsgrundlage abziehen könnte. 211 Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastungen, S. 105. 212 Derartige Kriterien sind hier im Übrigen auch nicht ersichtlich. 213 Schließlich bedeutet es nichts anderes, wenn nach Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastung, S. 105 daran zu denken ist, die Aufwendungen des § 33 EStG erhöht um die Sozialleistungsquote von der Bemessungsgrundlage abzuziehen oder aber die Grenzen der Zumutbarkeit nach § 33 Abs. 3 EStG herunterzuschrauben. Diese Ansätze betreffen allein die Rechtsfolgenseite der Norm. 214 So auch schon das Ergebnis oben sub Kap. 6 B. I. 3. e)., Kap. 6 B. II. 4. c) und Kap. 6 B. III. 3.

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V. Die Neuregelung als Nichtanwendungsgesetz Das Bundesfinanzministerium versucht immer wieder, missliebige Urteile des Bundesfinanzhofs über den entschiedenen Fall hinaus nicht zur Anwendung kommen zu lassen215. Dazu bedient es sich neben den bereits erwähnten Nichtanwen­ dungserlassen216 auch sogenannter Nichtanwendungsgesetze. Diese werden federführend durch das Bundesministerium erarbeitet und anschließend durch die Regierungsmehrheit im Bundestag verabschiedet217. Diese Nichtanwendungsgesetze haben in der Regel den Zweck, einer bestimmten Rechtsprechung des Bundes­ finanzhofs die gesetzliche Grundlage zu entziehen. Dazu setzen sie eine Regelung, die sich mit der unerwünschten Rechtsprechung nicht vereinbaren lässt218. Wenn das Urteil eines obersten Bundesgerichts, dessen Richter nach Art. 97 Abs. 1 GG Unabhängigkeit genießen, durch nur einen Federstrich des Gesetzgebers unbeachtlich wird, kann diese Praxis im Hinblick auf den fundamentalen Verfassungsgrundsatz der Gewaltenteilung Bedenken begegnen219. Andererseits ist nicht erkennbar, weshalb der Gesetzgeber grundsätzlich gehindert sein sollte, mithilfe des Instruments der Normsetzung, welche ihm infolge der Gewaltenteilung nach dem Grundgesetz zuständigkeitshalber obliegt, einer Rechtsprechung den Boden zu entziehen220. Vereinzelt wird vorgeschlagen, zwischen Nichtanwendungsgesetzen zu unterscheiden, die „rechtsdogmatische Fehlurteile“ zu korrigieren versuchen und solchen, die rein fiskalisch motiviert sind. Während erstere zu begrüßen und demnach unbedenklich zulässig seien, soll die eher fiskalisch motivierte antijustizielle Gesetzgebung zwar sehr bedenklich, jedoch regelmäßig auch bis zur Grenze der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes zu tolerieren sein221. Die Möglichkeit, ein Gesetz in einem solchen Falle aufgrund eines Verstoßes gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz zu Fall zu bringen, wird auch im Übrigen in der Literatur ganz

215 Zum Ganzen Desens, Bindung der Finanzverwaltung an die Rechtsprechung; Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 37 ff. m. w. N.; Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, Rn. 58. 216 Vgl. dazu oben sub Kap. 3 B. III. 217 Beispiele hierfür sind etwa § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG zur Nichtabziehbarkeit von Geldbußen etc., eingefügt durch Gesetz v. 25.7.1984 (BGBl. I, S. 1006) oder § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zur Aktivierungspflicht von sogenanntem anschaffungsnahem Herstellungsaufwand, eingefügt durch Gesetz v. 15.12.2003 (BGBl. I., S. 2645). 218 Dazu Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 40; Pezzer, DStR 2004, 525 ff.; Lang, StuW 1992, 14 ff.; Scholtz, in: FS Klein, S. 1041 ff.; Herden, in: FS Spindler, S. 445 ff. Knobbe-​ Keuk, BB 1985, 820 f. 219 Dazu anschaulich Pezzer, DStR 2004, 525; zur Gewaltenteilung grundsätzlich Di Fabio, in: HStR II, § 27 Rn. 1 ff. m. w. N.; Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 V Rn. 1 ff. m. w. N. 220 Herden, in: FS Spindler, S. 445, 448; Scholtz, in: FS Klein, S. 1041, 1059; Lang, StuW 1992, 14, 23. 221 Pezzer, DStR 2004, 525, 528.

B. Vorgaben der Verfassung

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überwiegend abgelehnt; das – zwar bedenkliche – Instrument des Nichtanwendungsgesetzes sei regelmäßig hinzunehmen222. Bei der Vorschrift des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG handelt es sich auch um ein solches Nichtanwendungsgesetz. Es sollte der steuerzahlerfreundlichen Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 12.5.2011223 einen Riegel vorschieben. Angesichts der soeben beschriebenen, auf Extremfälle beschränkten verfassungsrechtlichen Kontrolle solcher Gesetze können der Vorschrift insoweit schon grundsätzlich keine durchgreifenden Bedenken begegnen. Darüber hinaus ist die Norm auch jener Kategorie antijustizieller Gesetzgebung zugehörig, die in der Literatur teilweise als begrüßenswert erachtet wird, da sie „rechtsdogmatische Fehlurteile“ korrigieren soll224. Aus der Auseinandersetzung mit dem staatlichen Gewaltmonopol geht nämlich als Ergebnis hervor, dass diese Entscheidung unter keinem Gesichtspunkt überzeugend begründen kann, weshalb sämtliche Prozesskosten zwangsläufig erwachsen sollten225. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12.5.2011 war damit rechtsdogmatisch fehlerhaft – ein Befund, der sich im Übrigen neben der damaligen heftigen Kritik von Seiten der Literatur wie von Teilen der Finanzgerichte226 auch dadurch bestätigt, dass der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 18.6.2015227 seine Rechtsprechung zu Zivilprozesskosten erneut geändert hat. Zwar mag es sicherlich auch Zweck der Regelung gewesen sein, erhebliche Steuerausfälle zu vermeiden228. Doch auch die Begründung der gemeinsamen Stellungnahme der Ausschüsse des Bundesrats zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013, wonach die geänderte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs „nicht den sonst bei außergewöhnlichen Belastungen geltenden Grundsätzen der Zwangsläufigkeit und Außergewöhnlichkeit“229

entspreche, bestätigt den Befund, dass das Urteil ein rechtsdogmatisches Korrektiv war. Nach alledem ist die Vorschrift im Hinblick auf den Gewaltenteilungsgrundsatz unbedenklich.

222

So Herden, in: FS Spindler, S. 445, 448; Pezzer, DStR 2004, 525, 528; Scholtz, FS Klein, S. 1041, 1059, jedoch Plädoyer für ein „gewaltenfreundliches Verhalten“; Lang, StuW 1992, 14, 23; Völker / Ardizzoni, NJW 2004, 2413, 2420 wollen ein Nichtanwendungsgesetz im Einzelfall nach Treu und Glauben nicht anwenden, sofern es keine „sachliche, dogmatisch begründete Rechtfertigung“ bereithält. 223 BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015. 224 Pezzer, DStR 2004, 525, 528. 225 Vgl. Kap. 6 B. I. 3. e). 226 G. Kirchhof, DStR 2013, 1867, 1871; Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, 15. Auflage 2016, § 33 Rn. 47a ff.; Heger, in: Blümich, EStG, Stand: Februar 2012, § 33 Rn. 220; FG Düsseldorf v. 11.2.2014 – 13 K 3724/12 E, EFG 2014, 850; v. 24.9.2012 – 1 K 195/11, EFG 2013, 41; FG Düsseldorf v. 11.2.2014 – 13 K 3724/12 E, EFG 2014, 850. 227 BFH v. 18.6.2015 – VI R 17/14, BStBl. II 2015, 800. 228 Siehe hierzu BR-Drucks. 139/13, S. 89; BT-Drucks. 17/13033, S. 46 (Kalkulation der Steuermehr-/mindereinnahmen durch das geplante Nichtanwendungsgesetz). 229 BR-Drucks. 302/1/12, S. 43.

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Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

VI. Bestimmtheitsgrundsatz Das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG enthält als weitere Ausprägung das Gebot ausreichender Bestimmtheit von Normen230. In diesem Zusammenhang ist auch die Rede von den Grundsätzen der Normenklarheit und -bestimmtheit231. Es soll durch vorhersehbare und berechenbare Rechtsvorschriften sichergestellt werden, dass sich die Normunterworfenen in ihrem Verhalten auf die Folgen der Gesetze einstellen können232. Andererseits soll die Verwaltung bei der Anwendung der (Steuer-)Gesetze durch deren Bestimmtheit begrenzt und den Gerichten auf diese Weise die Möglichkeit gegeben werden, die administrativen Entscheidungen zu überprüfen233. Während sich das Bestimmtheitsgebot gegen allzu offene Tatbestandsmerkmale richtet, verlangt der Grundsatz der Normenklarheit ein klares, transparentes und verständliches Verhältnis der Normbestandteile zueinander234. Dies vorausgeschickt könnten die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG „Verlust der Existenzgrundlage“ und „Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse“ bedenklich erscheinen. Doch der Bestimmtheitsgrundsatz schließt es im Grundsatz nicht aus, dass der Gesetzgeber unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet235. Denn häufig werden derartige Begriffe genutzt, um eine Vielzahl denkbarer Fälle in nur einem Rechtssatz zu bewältigen236. Insbesondere im Steuerrecht ist ein Bedürfnis nach unbestimmten Rechtsbegriffen anerkannt237. Zwar kritisiert das Schrifttum die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts teilweise als zu nachgiebig238. So mag sich der von Hans-Jürgen Papier formulierte Befund, dass „Verfassungsrecht und Wirklichkeit […] selten so stark auseinander[klaffen] wie beim Bestimmtheitsgrundsatz allgemein und bei seiner Anwendung auf das Steuerrecht im besonderen“239,

230

Dazu Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 58; Schmidt-Aßmann, in: HStR II, § 26 Rn. 85; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, S. 136 ff. 231 BVerfG v. 9.4.2003 – 1 BvL 1/01 u. a., BVerfGE 108, 52, 75; dazu auch Waldhoff / Grefrath, IStR 2013, 477, 478; Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 243. 232 Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 58; Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 243. 233 BVerfG v. 31.5.2011  – 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, 1, 22; v. 3.3.2004  – 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33, 53 f.; v. 8.1.1981 – 2 BvL 3/77 u. a., BVerfGE 56, 1, 12. 234 Vgl. dazu etwa Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 244. 235 BVerfG v. 14.12.2000 – 2 BvR 1741/99 u. a., BVerfGE 103, 21, 33; v. 22.11.2000 – 1 BvR 2307/94 u. a., BVerfGE 102, 254, 337; v. 17.11.1992  – 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234, 263; BVerfG v. 9.5.1989 – 1 BvL 35/86, BVerfGE 80, 103, 108. 236 Dazu etwa Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 185. 237 Statt vieler Grzeszick, in: Maunz / Dürig, Art. 20 VII Rn. 62; Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 246. 238 Etwa Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 247 m. w. N.; Papier, DStJG 12 (1989), S. 61 ff. ausführlich zur entsprechenden Rechtsprechung des BVerfG im Steuerrecht. 239 Papier, DStJG 12 (1989), S. 61.

B. Vorgaben der Verfassung

141

auch auf diese Weise erklären. Doch wird man schon vor diesem Hintergrund die Rechtsbegriffe des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG nicht als derart unbestimmt ansehen können, dass sie daran scheitern. In mehreren Urteilen des Bundesverfassungsgerichts findet sich die These, dass steuerliche Tatbestände so gefasst sein müssten, dass Steuerpflichtige ihre Steuerlast „vorausberechnen“ können240. Selbst wenn man dieser – im Schrifttum kritisierten241 – Ansicht zustimmen wollte, vermag auch dieser Aspekt die ungenügende Bestimmtheit der Merkmale nicht zu begründen. Denn richtigerweise hängt der Grad der erforderlichen Bestimmtheit einer Regelung immer auch von der Schwere des Eingriffs und den Gegebenheiten des jeweiligen Sach- und Rechtsgebiets ab242. Im Rahmen des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG ist der Eingriffscharakter aber gering. Denn es geht hier nicht um eine steuerverschärfende, sondern eine steuererleichternde Regelung243. Soweit ihr Tatbestand nicht einschlägig ist, versagt das Einkommensteuerrecht bloß eine mögliche Steuererleichterung, im Übrigen verbleibt es für den Steuerpflichtigen beim Status quo – eine Verschärfung seiner Steuerlast tritt hingegen gerade nicht ein244. Auch vor diesem Hintergrund kann der Regelung kein Verfassungsverstoß infolge Unbestimmtheit attestiert werden.

VII. Die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in den 1950er Jahren in seinem „Lüth-Urteil“ die sogenannte Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das Zivil­recht herausgestellt245. Grundrechte haben jedoch auch Einfluss auf die übrigen Rechtsgebiete, denn sie „verkörpern zugleich eine objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt und Richtlinien und Impulse für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung gibt.“246 240 BVerfG v. 28.2.1973 – 2 BvL 19/70, BVerfGE 34, 348, 365; v. 14.12.1965 – 1 BvR 571/60, BVerfGE 19, 253, 267. 241 Siehe dazu Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 252. 242 BVerfG v. 8.11.2006 – 2 BvR 578/02 u. a., BVerfGE 117, 71, 111; v. 27.7.2005 – 1 BvR 668/04, BVerfGE 113, 348, 376; v. 19.4.1978 – 2 BvL 2/75, BVerfGE 48, 210, 221 f.; Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 246. 243 Vgl. den Wortlaut von § 33 Abs. 1 a. E. EStG: „[…] vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen“. 244 Isensee, Die typisierende Verwaltung, S. 127 f. fordert auch im Zusammenhang mit steuerentlastenden Regelungen denselben Grad an Bestimmtheit, da auf die Gesamtwirkung der Norm abzustellen sei. Eine solche Norm belaste im Sinne der „Nachbargleichheit“ immer die Allgemeinheit, die den Steuerausfall als Folge der möglicherweise zu weitreichenden Anwendung einer entlastenden Norm tragen müsse. 245 Vgl. BVerfG v. 15.1.1958 – 1 BvR 400/57, BVerfGE 7, 198, 205 ff.; zum Ganzen Jarass, in: HGR II, § 38 Rn. 65 ff.; Stern, Das Staatsrecht III/1, § 69 S. 924 f. 246 BVerfG v. 25.2.1975 – 1 BvF 1/74 u. a., BVerfGE 39, 1, 41; im Einzelnen zur Frage der „objektiven Wertordnung“ Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 477 ff.; kritisch zur Drittwirkungslehre Rupp, JZ 2001, 271, 275.

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Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

Damit wirken die Grundrechte des Grundgesetzes auf sämtliche Rechtsbereiche ein247, so auch auf das Steuerrecht. Neben grundsätzlichen Grenzen, welche die verschiedenen Grundrechte dem Steuergesetzgeber ziehen248, tritt die Ausstrahlungswirkung im Steuerrecht besonders im Bereich der Auslegung von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen auf den Plan249. Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass auch die unbestimmten Rechtsbegriffe „Verlust der Existenzgrundlage“ und „Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse“ des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG von dieser Ausstrahlungswirkung erfasst sind.

VIII. Fazit Die Verfassung verlangt die zwingende und pauschale Abziehbarkeit von Prozesskosten weder im Hinblick auf das staatliche Gewaltmonopol und den Justizgewähranspruch noch in Bezug auf das subjektive Nettoprinzip und die Steuerfreiheit des Existenzminimums. Insoweit stellt sich im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung nicht die Frage, ob und wie eine solche grundgesetzliche Notwendigkeit unter den Wortlaut der Vorschrift subsumierbar wäre. Auch im Übrigen begegnet die Norm weder vor dem Hintergrund ihres Charakters als Nichtanwendungsgesetz noch in Ansehung ihrer Bestimmtheit durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Dem Grundgesetz ist im Wege der verfassungsorientierten Auslegung das Gebot zu entnehmen, den Abschreckungseffekt des Kostenrisikos auf die Justizgewähr dadurch abzudämpfen, dass in Fallkonstellationen, in denen sich gleichermaßen Gründe für wie auch gegen einen Abzug von Kosten der Rechtsverfolgung nach § 33 EStG anführen lassen, die Steuerverschonung des § 33 EStG in dubio gewährt wird. Hinsichtlich der Auslegung der Ausnahmetatbestände des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG ist festzuhalten, dass diese von der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte erfasst sind.

247 BVerfG v. 1.7.1987 – 2 BvR 478/86 u. a., BVerfGE 76, 143, 161; Jarass, in: HGR II, § 38 Rn. 61; Stern, Das Staatsrecht III/1, § 69 S. 925 m. w. N. 248 Vgl. zur grundsätzlichen Bedeutung des Art. 3 Abs. 1 GG oben sub Kap. 2 A. I. und II.; zu den (niedrigeren) freiheitsrechtlichen Grenzen Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 180 ff. m. w. N. 249 Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 760; Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 61; Jarass, in: HGR II, § 38 Rn. 61 bezeichnet dies außerhalb des Privatrechts als „bloße Hilfsfunktion“.

C. Vorgaben des Unionsrechts

143

C. Vorgaben des Unionsrechts I. Freizügigkeit, Art. 21 AEUV Im Recht der außergewöhnlichen Belastungen geht es um den Bereich des privaten, nicht des beruflich veranlassten Aufwands250. Daher ist die steuerliche Würdigung von Prozesskosten nicht an den – aus einkommensteuerrechtlicher Sicht der steuerbaren beruflichen Sphäre zuzuordnenden – Grundfreiheiten zu messen251. Vielmehr ist subsidiär das Freizügigkeitsrecht des Art. 21 AEUV heranzuziehen. So schützt Art. 21 AEUV nicht nur das Recht, sich innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union frei zu bewegen, sondern auch seinen dauerhaften Aufenthaltsort selbst zu wählen252. Soweit ein EU-Ausländer einen Wohnsitz etwa in der Bundesrepublik Deutschland wählen möchte, liegt der für die Anwendbarkeit des Art. 21 AEUV notwendige grenzüberschreitende Bezug vor253. Die Beschränkung der Freizügigkeit254 könnte in dieser Konstellation nun darin zu sehen sein, dass der EU-Ausländer privat veranlasste Prozesskosten allgemein oder bestimmte Arten – beispielsweise Scheidungskosten – in Deutschland nach § 33 EStG steuerlich nicht absetzen kann255. Denn dies könnte ihn davon abhalten, einen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland zu wählen. Doch lässt sich eine Beschränkung der Freizügigkeit oder gar ein Verstoß gegen diese nur schwerlich annehmen. Denn bei der – an dieser Stelle hypothetisch angenommenen – Nichtabziehbarkeit beispielsweise von Scheidungskosten handelt es sich um eine „faktische Gegebenheit“ in der Bundesrepublik Deutschland. Diese können aber nur dann unter Art. 21 AEUV fallen, wenn sie hinreichend spezifisch und spürbar sind256. Ebenso wie der Umstand, dass eine Schule im begehrten Aufenthaltsort nicht die gewünschte Fremdsprache anbietet, keine Beschränkung der 250

Vgl. dazu oben sub. Kap. 2 A. III. 1. Vgl. zur Anwendbarkeit der Grundfreiheiten im nationalen Steuerrecht Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 80 m. w. N. 252 EuGH v. 11.9.2007 – Rs. C-76/05, ECLI:EU:C:2007:492 Rn. 87 „Schwarz und Gootjes Schwarz“; v. 26.10.2006 – Rs. C-192/05, ECLI:EU:C:2006:676 Rn. 22 „Tas-Hagen und Tas“; dazu im Einzelnen Nettesheim, in: Grabitz / Hilf / ders., Das Recht der Europäischen Union, Art. 21 AEUV Rn. 28 ff. 253 Nettesheim, in: Grabitz / Hilf / ders., Das Recht der Europäischen Union, Art. 21 AEUV Rn. 28. 254 Art. 21 AEUV schützt gerade auch vor Maßnahmen, die nicht nach der Staatsangehörigkeit unterscheiden, aber gleichwohl die Wahrnehmung der Freizügigkeit beschränken oder erschweren können, vgl. dazu EuGH v. 29.4.2004 – Rs. C-224/02, ECLI:EU:C:2004:273 Rn. 18 „Pusa“; v. 11.7.2002 – Rs. C-224/98, ECLI:EU:C:2002:432 Rn. 30 „D’Hoop“. 255 Hier wird zum Zwecke der Prüfung hypothetisch angenommen, dass nach geltendem Recht ein entsprechender Prozesskostenabzug nicht möglich ist. Freilich wird im weiteren Verlauf herausgearbeitet, ob und in welchen Konstellationen ein Abzug nach § 33 EStG de lege lata in Betracht kommt. 256 Nettesheim, in: Grabitz / Hilf / ders., Das Recht der Europäischen Union, Art. 21 AEUV Rn. 29. 251

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Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

Freizügigkeit darstellt257, kann auch die Aussicht, etwa Scheidungskosten steuerlich nicht absetzen zu können, nicht eine Beschränkung der Freizügigkeit begründen. Selbst wenn man dies anders sieht und hier eine Beschränkung annehmen würde, so wäre zumindest einzugestehen, dass diese nicht besonders schwer wiegt. Denn es taucht in diesem Zusammenhang auch die tatsächliche Frage auf, ob Unionsbürger aufgrund einer nationalen steuerrechtlichen Regelung wie der zu Prozesskosten ein bestimmtes Land nicht als Aufenthaltsort wählen würden – eine Frage, die in dem einen oder anderen Fall bejaht werden kann, doch aber sicherlich nicht durchgehend. Eine solche – wenn überhaupt – leichte Beschränkung ließe sich schließlich in jedem Falle auch mit dem vom europäischen Gerichtshof anerkannten Grundsatz der Wahrung einer angemessenen Aufteilung der Besteuerungs­ befugnisse rechtfertigen258.

II. Beihilfenverbot, Art. 107 ff. AEUV Die Regelungen zum Beihilfeverbot der Art. 107 ff. AEUV betreffen im steuerrechtlichen Kontext insbesondere Steuervorteile259. Art. 107 Abs. 1 AEUV belegt solche Vorteile dann mit einem grundsätzlichen Beihilfeverbot, wenn sie bestimmte Unternehmen begünstigen, den Wettbewerb verzerren und damit den europäischen Binnenmarkt beeinträchtigen260. Steuerliche Vorschriften können nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs dann staatliche Beihilfen im Sinne der Art. 107 ff. AEUV darstellen, wenn sie die „normalerweise“ zu tragende Steuerschuld mindern261. 1. Steuerliche Abziehbarkeit als „Beihilfe“ Damit es sich bei der Abzugsmöglichkeit von binnenmarktfinalen Rechtsverfolgungskosten wie etwa Rechtsanwaltskosten262 unionsrechtlich um eine Beihilfe handeln kann, muss nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 107 Abs. 1 257

Nettesheim, in: Grabitz / Hilf / ders., Das Recht der Europäischen Union, Art. 21 AEUV Rn. 29. 258 Dazu EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03, ECLI:EU:C:2005:763 Rn. 45 „Marks & S ­ pencer“. 259 Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 115. 260 Dazu Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 1240; Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 116 m. w. N. 261 EuGH v. 15.6.2006  – Rs. C-393/04, ECLI:EU:C:2006:403 Rn. 29 „Air Liquide“; v. 8.11.2001 – C-143/99, ECLI:EU:C:2001:598 Rn. 38 „Adria-Wien Pipeline“; v. 23.2.1961 – C-30/59, ECLI:EU:C:1961:2 S. 42 „Steenkolenmijnen“. 262 Dass es hier beim Beihilfenverbot nur um Aufwendungen gehen kann, die an Private (wie eben den Rechtsanwalt) gezahlt werden, und gerade nicht um solche, welche die öffentliche Hand für ihr Tätigwerden (wie das der Gerichte) erhebt, ergibt sich aus dem Grundsatz der binnenmarktfinalen Auslegung des Beihilfenrechts. Dieser bezweckt es, den gemeinsamen

C. Vorgaben des Unionsrechts

145

AEUV in jedem Falle eine „staatliche oder aus staatlichen Mitteln finanzierte“ Unterstützung unternehmerischer Tätigkeiten gegeben sein263. Zwar stellen deshalb Vergünstigungen, die allein Verbrauchern zugutekommen – wie es im Rahmen des Abzugstatbestands nach § 33 EStG häufig der Fall sein dürfte –, grundsätzlich keine Beihilfen dar. Denn Art. 107 Abs. 1 AEUV spricht von „Unternehmen“ und „Produktionszweigen“264. Es kann aber eine Ausnahme geboten sein. So darf es im Einzelfall keinen Unterschied machen, ob der Staat einem Unternehmen direkt einen Vorteil verschafft oder einen Steuerpflichtigen steuerlich entlastet, der an diesen Unternehmer zahlt265. Unter diesem Blickwinkel kann der Verzicht auf Steuereinnahmen aufgrund steuerlicher Abzugsmöglichkeiten sehr wohl als Begünstigung durch staatliche Mittel gelten266. Allerdings ist zu beachten, dass die Vorschrift gerade als Verschonungstatbestand konzipiert sein muss, die es ermöglicht, eigene Kosten entgegen dem inneren System der Einkommensteuer auf die Allgemeinheit abzuwälzen267. Soweit der Abzugstatbestand hingegen der inneren Logik des Einkommensteuerrechts geschuldet ist, so insbesondere im Falle existenz- und erwerbssichernder Abzugstatbestände, wird lediglich die tatsäch­ liche Steuerschuld ermittelt, ohne dass von einer Beihilfe im Sinne der Art. 107 ff. AEUV die Rede sein kann268. Soweit ein Abzug von Kosten der Rechtsverfolgung nach § 33 Abs. 2 S. 4 EStG überhaupt möglich ist, folgt dies aus dem subjektiven Nettoprinzip, das dem EinkomBinnenmarktes i. S. v. Art. 3 Abs. 3 EUV zu verwirklichen, vgl. dazu Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 2. So stehen Rechtsanwaltskosten im Gegensatz zu Gerichtskosten im Zusammenhang mit einem freien Beruf, dem Beruf des Anwalts, der mit Bezug zum Binnenmarkt ausgeübt werden kann (siehe zu diesbezüglichen Problemen mit den Grundfreiheiten etwa Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 1015). Die Binnenmarktfinalität von Rechtsanwaltskosten zeigt sich etwa auch an dem Umstand, dass es in der Bundesrepublik Deutschland nach dem EuRAG v. 9.3.2000 (BGBl. I, S. 182) auch für Rechtsanwälte vor allem aus dem EU-Ausland möglich ist, sich in Deutschland als Anwalt zuzulassen. Es wird daher am Beispiel von Rechtsanwaltskosten stellvertretend auch für alle anderen Arten von binnenmarktfinalen Kosten der Rechtsverfolgung untersucht, ob deren Abzug mit dem Beihilfenrecht vereinbar wäre. 263 Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 1257; Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 122. 264 So Blumenberg / Kring, IFSt-Schrift Nr. 473 (2011), S. 13; zur Konkretheit der erforderlichen Unterstützung dies., a. a. O., S. 14 f. 265 Geserich, Privater, gemeinwohlwirksamer Aufwand, S. 137: „Es ist lediglich eine Frage der Subventionstechnik, ob der Staat einem Dritten unmittelbar einen wirtschaftlichen Vorteil zuwendet oder den Steuerpflichtigen, der Zahlungen an den Dritten leistet, von der steuer­lichen Regelbelastung verschont“. 266 Dazu schon Kommission v. 10.12.1998 – ABl. 98/C 384, S. 3, 4: „Ein Steuereinnahmeverlust steht der Verwendung staatlicher Mittel in Form von Steuerausgaben gleich“. 267 So nicht zu rechtfertigen bei EuGH v. 6.9.2006 – C-88/03, ECLI:EU:C:2006:511 Rn. 82 „Portugal / Kommission“; zu den Kriterien Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 117; Geserich, Privater, gemeinwohlwirksamer Aufwand, S. 137. 268 St.Rspr seit EuGH v. 2.7.1974 – Rs. 173/73, ECLI:EU:C:1974:71 Rn. 33 „Italien / Kommission“ (für das Sozialversicherungssystem); Englisch, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 117 m. w. N.; Geserich, Privater, gemeinwohlwirksamer Aufwand, S. 137.

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Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

mensteuerrecht im Allgemeinen und § 33 EStG im Besonderen zugrunde liegt269. Damit wäre ein Abzug dieser Kosten in jedem Falle „durch die Natur und den inneren Aufbau dieses Systems gerechtfertigt“270. Nicht im Geringsten kann von einem unternehmersubventionierenden, systematypischen Verschonungsabzug die Rede sein; ein Befund, der auch dadurch bestätigt wird, dass nicht ersichtlich wäre, worin die wettbewerbsverfälschende und binnenmarktbeeinträchtigende Wirkung der Maßnahme bestehen würde. Die Abzugsmöglichkeit binnenmarktfinaler Rechtsverfolgungskosten entfaltet demgegenüber keinerlei diskriminierende Wirkung zulasten von Ausländern und ausländischen Rechtsanwälten bzw. Unternehmen – diese können damit mittelbar genauso von der Abzugsfähigkeit ihrer Kosten durch Steuerpflichtige profitieren wie deutsche Unternehmen. Auch insofern kann von einer Beihilfe nicht die Rede sein. 2. Fazit Es ist damit festzuhalten, dass eine Abzugsfähigkeit von binnenmarktfinalen Rechtsverfolgungskosten nicht gegen das unionsrechtliche Beihilfenverbot der Art. 107 ff. AEUV verstößt.

III. Grundrechte-Charta Im Zusammenhang mit Prozesskosten könnte vor allem Art. 47 der GrundrechteCharta der Europäischen Union von Bedeutung sein, der sich mit dem justiziellen Schutz beschäftigt. Dazu müsste jedoch zunächst der Anwendungsbereich der Grundrechte-Charta eröffnet sein. Nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRC gelten die Unionsgrundrechte für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union sowie für Mitgliedstaaten, im letzteren Falle jedoch „ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union“, Art. 51 Abs. 1 S. 1 a. E. GRC. Im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nach Art. 5 EUV bedeutet dies nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, dass die deutsche Staatsgewalt nur dann an europäische Grundrechte gebunden ist, wenn sie in ihrem Handeln aufgrund europäischen Rechts keinen Ermessensspielraum mehr hat271. Dies ist nach einhelliger Auffassung jedenfalls im Bereich der administrativen Umsetzung von Verordnungen sowie im Bereich von Grundfreiheiten gem. Art. 28 ff. AEUV und der Freizügigkeit gem. Art. 21 ff. AEUV der Fall272. Gerade nicht ausreichend ist es,

269

Vgl. dazu oben sub Kap. 2 A. II. 2. EuGH v. 2.7.1974 – Rs. 173/73, ECLI:EU:C:1974:71 Rn. 33 „Italien / Kommission“ (mit „System“ ist im konkreten Fall die Sozialversicherung gemeint). 271 BVerfG v. 24.4.2013 – 1 BvR 1215/07, BVerfGE 133, 277, 313 f.: „determiniert“. 272 Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 694 m. w. N. 270

D. Vorgaben der EMRK

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wenn es lediglich einen „sachlichen Bezug einer Regelung zum bloßen abstrakten Anwendungsbereich des Unionsrechts“273 gibt. Die vorliegende Frage nach einer Abzugsfähigkeit bzw. -gebotenheit von Prozesskosten ist eine rein nationale Angelegenheit des deutschen Einkommensteuerrechts. Weder gibt es in diesem Bereich Verordnungen oder Richtlinien der Europäischen Union noch sind – wie zuvor geprüft – europäische Grundfreiheiten und dergleichen betroffen. Insofern können auch die Europäische Grundrechte-Charta im Allgemeinen und Art. 47 GRC im Speziellen für Zwecke dieser Arbeit außer Betracht bleiben.

IV. Fazit Weder das Freizügigkeitsrecht des Art. 21 AEUV noch das Beihilfenverbot der Art. 107 ff. AEUV ge- bzw. verbieten eine Abzugsfähigkeit von wie auch immer gearteten Aufwendungen der Rechtsverfolgung. Mangels Anwendbarkeit der Grundrechte-Charta kann auch diese keinen Einfluss auf eine entsprechende Abzugsfähigkeit nehmen. Unionsrechtliche Besonderheiten sind daher im Rahmen der Auslegung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG nicht zu beachten.

D. Vorgaben der EMRK I. Beschränktes Anwendungsfeld im Hinblick auf Prozesskosten Im Hinblick auf die Prozesskostenfrage des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG können die in Art. 6 EMRK verbürgten Justizrechte Auswirkungen haben. Auch wenn der Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 EMRK von „Streitigkeiten in Bezug auf zivilrechtliche Ansprüche“ spricht, so sind hierunter auch Verfahren um solche Ansprüche zu fassen, die nach deutschem Verständnis öffentlich-rechtlicher Natur sind274. Trotz dieses großzügigen Verständnisses ist der justizielle Schutz des Art. 6 EMRK auf „gerichtliche Verfahren“ beschränkt275. Daraus wie auch aus der Erwähnung des Zielzustands eines „unabhängigen Gerichts, das auf Gesetz beruht“ (Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK), kann man schließen, dass Maßnahmen wie vorgerichtliche Verfahren und sonstige nicht unter hoheitlicher Leitung bzw. Aufsicht stehende Auseinander-

273 BVerfG v. 24.4.2013  – 1 BvR 1215/07, BVerfGE 133, 277, 316; zum sehr viel weitergehenden und vom BVerfG abgelehnten Ansatz insbesondere des EuGH siehe Haratsch  / ​ ­Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 695 ff. m. w. N. 274 Papier, in: HStR VIII, § 176 Rn. 10; Meyer-Ladewig / Harrendorf / König, in: Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 6 Rn. 9; Meyer, in: Karpenstein / Mayer, EMRK, Art. 6 Rn. 14 ff. 275 Meyer-Ladewig / Harrendorf / König, in: Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 6 Rn 5; Meyer, in: Karpenstein / Mayer, EMRK, Art. 6 Rn. 21.

148

Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

setzungen – die jedoch freilich Kosten verursachen können276 – nicht vom Schutz des Art. 6 EMRK umfasst sind277. Als erste Erkenntnis ist damit festzuhalten, dass die EMRK hier höchstens in Bezug auf von ihr geschützte gerichtliche Verfahren bedeutsam sein kann; im Übrigen ist sie für die vorliegende Arbeit a priori unbeachtlich. Davon unabhängig stellt sich aber auch die Frage, welche Aussagen die EMRK zu den klassischen Prozesskosten trifft und inwieweit diese hier Auswirkungen haben können.

II. Die Zulässigkeit von Gerichtskosten nach der EMRK Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK gewährt den effektiven Zugang zu einem Gericht278. Wie bereits oben im Rahmen der Beschäftigung mit Prozesskosten herausgearbeitet worden ist, können (zu hohe) Prozesskosten den Einzelnen vom Zugang zu Gericht abhalten279. Nach der Rechtsprechung des EGMR kann der Zugang zu Gericht jedoch grundsätzlich von dem Zahlen von Gerichtskosten, auch in Form von Vorschusszahlungen, abhängig gemacht werden280. Verletzt sei Art. 6 EMRK aber etwa, wenn die Gerichtskosten unangemessen hoch sind281. Die deutschen Gerichtskosten als unangemessen hoch zu bezeichnen dürfte sich als schwierig erweisen. Zwar hat sich das deutsche Recht für einen Weg entschieden, der nach § 1 Abs. 1 S. 1 GKG Gebühren erhebt. Das Justizwesen finanziert sich aber ganz erheblich auch durch allgemeine steuerliche Haushaltsmittel282. Ein Bürger, der in Deutschland Rechtsschutz sucht, hat daher schon keine tatsächlichen, sondern abgemilderte Gebühren für das Tätigkeitwerden der Gerichte zu zahlen. Ob die deutschen Gerichtskosten trotz alledem letztlich unangemessen hoch im Sinne der EMRK sind, kann auch dahinstehen. Selbst für diesen Fall wäre nicht ersichtlich, wie dies die steuerliche Abziehbarkeit entsprechender Kosten 276

Vgl. dazu oben sub Kap. 2 B. II. Er bezieht sich nur auf diejenige Phase, die auf die unmittelbare Entscheidung der Streitigkeit gerichtet ist, dazu Meyer, in: Karpenstein / Mayer, EMRK, Art. 6 Rn. 21 m. w. N.; vgl. dazu auch Meyer-Ladewig / Harrendorf / König, in: Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 6 Rn. 21 f.: die geschützten Streitigkeiten stehen stets im Zusammenhang mit hoheitlicher Leitung bzw. Aufsicht. 278 EGMR v. 18.2.1999 – 26083/94, NJW 1999, 1173 f. „Waite u. Kennedy / Deutschland“; dazu im Einzelnen Meyer, in: Karpenstein / Mayer, EMRK, Art. 6 Rn. 39 ff. 279 Vgl. dazu oben sub Kap. 6 B. II. 3. c). 280 EGMR v. 22.10.2013 – 20577/05 Nrn. 28 ff. „Sace Elektrik Ticaret Ve Sanayi A. S. / Türkei“; v. 5.6.2003 – 74789/01, „Reuther / Deutschland“ nach Meyer-Ladewig, NJW 2006, 2026; v. 19.6.2001 – 28249/95, ECHR 2001-VI, S. 174 Nrn. 54 f. „Kreuz / Polen“. 281 Dies lässt sich aber nur im Einzelfall feststellen vgl. EGMR v. 19.6.2001 – 28249/95, ECHR 2001-VI, S. 149 Nr. 61 „Kraus / Polen“: „Bearing those factors in mind, the Court must next determine whether, in the particular circumstances of the present case, the fee actually charged constituted  a restriction that impaired the very essence of the applicant’s right of ­access to a court“. 282 Vgl. dazu oben sub Kap. 6 B. I. 2. 277

D. Vorgaben der EMRK

149

beeinflussen könnte. Denn ein Abzug der Kosten nach § 33 EStG könnte den Verstoß gegen die EMRK allenfalls abmildern283, ihm nicht jedoch vollends abhelfen. Es wäre dann vielmehr unmittelbar das Prozesskostenrecht zu modifizieren, statt mittelbare steuerrechtliche Umwege zu beschreiten284.

III. Der „chilling effect“ im Lichte der EMRK Wenn Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK das Recht auf effektiven Zugang zu Gericht enthält, so meint dies auch Effektivität für Minderbemittelte, d. h. auch diesen muss es möglich sein, ein Gericht anzurufen285. Diese Problematik kann nach der Rechtsprechung des EGMR insbesondere durch Prozesskostenhilfe abgemildert werden286. Aber auch trotz dieses Instituts kann den Kosten ein nicht nur unerheb­ licher Abschreckungseffekt zuzuschreiben sein, Rechtsschutz vor einem staat­ lichen Gericht nachzusuchen287. Solche Effekte können nach Ansicht des EGMR insbesondere Einfluss auf die Schwere eines Grundrechtseingriffs haben288. Letztlich stellen sich an dieser Stelle die gleichen Fragen, die schon zu den steuerlichen Folgen des „chilling effect“ auf verfassungsrechtlicher Ebene behandelt worden sind. Dort ist festgehalten worden, dass ein steuerliches Berücksichtigen von Prozesskosten einen Beitrag dazu leisten kann, den Abschreckungseffekt

283

Zu den Möglichkeiten eines solchen Abmilderns durch § 33 EStG vgl. oben sub Kap. 6 B. II. 4. b) aa). 284 Vgl. dazu auch oben sub Kap. 6 B. II. 4. b) bb) und c). 285 EGMR v. 9.10.1979  – 6289/73, EuGRZ 1979, 626, 629 „Airey / Irland“: Das Gericht nennt die PKH hier als taugliches Mittel; dazu auch Meyer-Ladewig / Nettesheim / von Raumer, EMRK, Art. 6 Rn. 40. 286 EGMR v. 15.2.2005 – 68416/01, NJW 2006, 1255, 1256 Nr. 60 „Steel u. Morris / Vereinigtes Königreich“. Die EMRK verlangt aber keine allgemeine Prozesskostenhilfe wie die unterschiedliche Formulierung von Art. 6 Abs. 1 und 6 Abs. 3 EMRK erkennen lässt (zum Ganzen EGMR v. 9.10.1979 – 6289/73, EuGRZ 1979, 626, 629 Nr. 26 „Airey / I rland“). Die staatliche Unterstützung darf in weitem Umfang von der Bedürftigkeit der Betroffenen sowie von den Erfolgsaussichten der Sache abhängig gemacht werden (EGMR v. 26.2.2002 – 46800/99, ECHR 2002-II Nr. 23 „Del Sol / Frankreich“: „and was undoubtedly intended to meet the legitimate concern that public money should only be made available to applicants for legal aid whose appeals to the Court of Cassation have a reasonable prospect of success“). Eine Verpflichtung, Prozesskostenhilfe zu gewähren, besteht nur im Einzelfall. So etwa, wenn die Bedeutung der Sache, die Schwierigkeit des Rechts sowie die Unfähigkeit zur Selbstvertretung dies erfordern (EGMR v. 15.2.2005 – 68416/01, ECHR 2005-II Nr. 61 „Steel u. Morris / Vereinigtes Königreich“: „The question whether the provision of legal aid is necessary for a fair hearing must be determined on the basis of the particular facts and circumstances of each case“). Die deutsche Prozesskostenhilfe nach den §§ 114 ff. ZPO ist nach diesen Maßstäben unbedenklich (EGMR v. 8.12.2009 – 54193/07, NJW 2010, 3207, 3208 „Herma / Deutschland“). 287 Vgl. dazu oben sub Kap. 6 B. II. 3. c). 288 Etwa EGMR v. 7.2.2012 – 39954/08, NJW 2012, 1058, 1062 „Axel Springer / Deutschland“; v. 21.7.2011 – 28274/08, NJW 2011, 3501, 3505 Nr. 91;„Heinisch / Deutschland“.

150

Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

abzumildern289. Im Einzelnen sollen die Argumente, die im Rahmen der verfassungsrechtlichen Auseinandersetzung mit dem Abschreckungseffekt untersucht worden sind, hier nicht noch einmal wiederholt werden; es wird daher hier auf diese Ausführungen verwiesen290. So spricht Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK im Gleichlauf zur nationalen verfassungsrechtlichen Lage dafür, in Zweifelsfällen dergestalt, dass sich in vergleichbarem Umfang sowohl Gründe für als auch gegen einen Abzug von Prozesskosten nach § 33 EStG ergeben, die Voraussetzungen der Norm zu bejahen, um damit den von Kosten ausgehenden Abschreckungseffekt auf den Zugang zu Gericht abzu­ dämpfen291. Weiterreichendere Anforderungen als die des Grundgesetzes lassen sich der EMRK in diesem Zusammenhang aber nicht entnehmen. Denn Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK gewährt, wie bereits ausgeführt, lediglich einen Schutz für gerichtliche Verfahren292, während sich der Gehalt des grundgesetzlichen allgemeinen Justizgewähranspruchs auch auf weitere Bereiche erstrecken kann, so etwa auf die maßvolle Ausgestaltung der Gebührenordnung von Rechtsanwälten, um den (rechtsunkundigen) Bürgern die für ein erfolgreiches Durchsetzen von Rechten vor Gericht oftmals unerlässliche anwaltliche Vertretung zu ermöglichen293.

IV. Fazit Der justizielle Schutz des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK kann auf die Auslegung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG überhaupt nur bezüglich derjenigen Prozesskosten Auswirkungen haben, deren zugrundeliegendes Verfahren ein gerichtliches Verfahren ist; nur diese Verfahren genießen den Schutz des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK. In diesem Umfang lässt sich der konventionsrechtlichen Gewährleistung aber das Gebot entnehmen, den durch das Kostenrisiko auf den Zugang zu Gericht ausgehenden abschreckenden Effekt dadurch abzudämpfen, dass in dubio ein Abzug nach § 33 EStG gewährt wird, wenn in einer Konstellation sowohl das Nichtabziehen als auch das Abziehen der Aufwendungen als ein von der Norm des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG gedecktes Ergebnis in Betracht zu kommen scheint. Dass der „chilling effect“ damit nicht bloß aus der deutschen verfassungsrechtlichen, sondern auch aus der konventionsrechtlichen Perspektive bedeutsam ist, führt indes nicht dazu, dass er weitergehendere Rechtfertigungsanforderungen nach sich zöge.

289

Vgl. dazu oben sub Kap. 6 B. II. 4. c). Vgl. dazu oben sub Kap. 6 B. II. 4. 291 Zu dem Ergebnis auf verfassungsrechtlicher Ebene vgl. oben sub Kap. 6 B. II. 4. b) bb). 292 Siehe dazu oben sub Kap. 6 D. I. 293 Dazu BVerfG v. 12.2.1992 – 1 BvL 1/89, BVerfGE 85, 337, 348 f. 290

E. Entstehungsgeschichte

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E. Entstehungsgeschichte Die entstehungsgeschichtliche Auslegung ist für das Verständnis von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG von besonderem Gewicht294. Für diese Zwecke ist neben der Vorgeschichte der Norm auch auf die rechtspolitischen Absichten derjenigen staatlichen Organe einzugehen, die auf das Gesetzgebungsverfahren Einfluss hatten295. Dies sind neben dem Bundestag selbst auch der Bundesrat, der Vermittlungsausschuss aus Vertretern von Bundestag und Bundesrat sowie die Bundesregierung.

I. Wille des Gesetzgebers zum JStG 2013 Die Vor- und Entstehungsgeschichte der Norm ist bereits zu Beginn der Arbeit ausführlich vorgestellt worden296. Einige wesentliche Umstände sind jedoch hier in Erinnerung zu rufen. Das bereits viel zitierte steuerzahlerfreundliche Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12.5.2011297 stieß in der Finanzverwaltung auf Ablehnung. Ein Befund, der in dem noch im selben Jahr erlassenen Nichtanwendungserlass des Bundesministeriums der Finanzen298 seinen Ausdruck fand. Allein dieses Urteil war der Grund, dass der Gesetzgeber – wie im Nichtanwendungserlass vom 20.12.2011 angekündigt – eine Neuregelung zu Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen forciert hat. In der Stellungnahme des Bundesrates zum JStG 2013, jenem Gesetz, mit dem der Gesetzgeber einen ersten, letztlich jedoch gescheiterten Anlauf unternommen hatte, das missliebige Urteil in seinen Auswirkungen zu beschränken, hieß es deshalb: „Die generelle steuermindernde Berücksichtigung von Prozesskosten entspricht nicht den sonst bei außergewöhnlichen Belastungen geltenden Grundsätzen der Zwangsläufigkeit und Außergewöhnlichkeit. Es ist daher angezeigt, die Anwendbarkeit auf den bisherigen engen Rahmen zu beschränken.“299

Auch der Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Vorschlag ist zu entnehmen, dass diese den Ansatz, die Abzugsmöglichkeit von Prozesskosten wieder auf den „bisherigen engen Rahmen“ zu beschränken, teilt300. Dabei wollte die Bundesregierung zunächst nicht gesetzgeberisch tätig werden, sondern hoffte auf Einsicht der Münchener Richter und damit auf eine Rückkehr zur alten Rechtsprechung301. 294

Siehe dazu schon oben sub Kap. 5 C. VI. Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 783; zu weiteren Nachweisen siehe schon oben sub Kap. 5 D. I. 2. 296 Vgl. dazu oben sub Kap. 3 C. 297 BFH v. 12.5.2011, VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015. 298 BMF v. 20.12.2011, BStBl I 2011, 1286. 299 BR-Drucks. 302/1/12, S. 43. 300 BT-Drucks. 17/10604, S. 45 f. 301 BT-Drucks. 17/10604, S. 45 f. 295

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Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

Es war also auch jenseits des Bundesrates die Ablehnung der neuen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erkennbar. Der Bundesrat befürwortete zunächst folgenden § 33 Abs. 3a EStG, mit dessen Hilfe die Abziehbarkeit von Prozesskosten wieder auf den „bisherigen engen Rahmen“ zurückgeführt werden sollte: „Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige Kläger oder Beklagter ist. Abweichend von Satz 1 können die notwendigen und angemessenen Prozesskosten berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Satz 2 gilt für die unmittelbaren und unvermeidbaren Kosten eines Scheidungsprozesses entsprechend.“302

Diese Formulierung – wie auch die dann im Vorschlag des Vermittlungsausschus­ ses zum JStG 2013303 enthaltene Fassung – nimmt erkennbar Bezug auf die jahrelange Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs304. Es lässt sich daraus in Bezug auf das gescheiterte JStG 2013 schließen, dass der Wille des Bunderates allein darauf gerichtet war, das Münchener Urteil vom 12.5.2011 nicht über den entschiedenen Fall hinaus anzuwenden und das Gericht damit zurück zur „alten Linie“ – also auch zurück zu den seinerzeit anerkannten Ausnahmen von der rigiden Rechtsprechung305 – zu bewegen.

II. Wille des Gesetzgebers zum AmtshilfeRLUmsG Diesem Befund schließt sich die Frage an, ob dieser Wille auch den Vorstellungen des Gesetzgebers zum AmtshilfeRLUmsG entspricht, welches die Norm des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG in seiner heutigen Form einfügte. Ein möglicher Gleichlauf des gesetzgeberischen Willens zum JStG und zum AmtshilfeRLUmsG wird deshalb virulent, weil die Entwurfsbegründung zum AmtshilfeRLUmsG keine Aussagen über die Frage der Abziehbarkeit von Prozesskosten enthält – der Passus zum § 33 EStG ist erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das Gesetz aufgenommen worden306. Deshalb kann auf entsprechende Drucksachen zum AmtshilfeRLUmsG hier nicht zurückgegriffen werden.

302

BR-Drucks. 302/1/12, S. 43. BT-Drucks. 17/11844, S. 6. 304 St.Rspr. seit BFH v. 9.5.1996 – III R 224/94, BStBl. II 1996, 596. 305 Dazu vor allem oben sub Kap. 3 A. I und II. 306 BT-Drucks. 17/13722, S. 9. 303

E. Entstehungsgeschichte

153

1. Kein Gleichlauf der jeweiligen gesetzgeberischen Zielsetzungen Dass es der Gesetzgeber mit dem AmtshilfeRLUmsG in gleicher Weise wie mit dem JStG 2013 beabsichtigt habe, die Abzugsmöglichkeiten von Prozesskosten auf den „bisherigen engen Rahmen“ zurückzuführen, wird mitunter bestritten. Denn es sei nicht zulässig, auf die Drucksachen zum JStG 2013 abzustellen, weil „dieser Vorschlag des Bundesrates nicht Gesetz geworden ist“307. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Wille des Gesetzgebers zum AmtshilfeRLUmsG über die Zielsetzung des JStG 2013 hinaus darauf gerichtet war, die Voraussetzungen der Abziehbarkeit von Prozesskosten gegenüber der Zeit vor der Rechtsprechungsänderung vom 12.5.2011 zu verengen, d. h. nicht lediglich darauf zielte, den bis dato bekannten „bisherigen engen Rahmen“308 der Möglichkeiten eines Abzugs wiederherzustellen309. Dies ergebe sich daraus, dass der im Rahmen des Vorschlags des Vermittlungsausschusses zum JStG noch enthaltene Satz 3 gestrichen worden ist, wonach entsprechendes auch für die „Kosten eines Scheidungsverfahrens“ gelten sollte310. Im Ergebnis würde dies bedeuten, dass die neuen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG auf Kosten eines Scheidungsverfahrens – und damit auf den typischen Altfall – nicht mehr zutreffen311. 2. Gleichlauf der jeweiligen gesetzgeberischen Zielsetzungen Dies kann nicht überzeugen. Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen beiden Gesetzesvorhaben312, die langjährige restriktive Rechtsprechung des Bundes­ finanzhofs zu Prozesskosten313 und deren Aufgabe im Jahr 2011314, das BMFSchreiben315 und besonders der Normtext der beiden Gesetzesentwürfe, der in beiden Fällen auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Bezug nimmt316, 307

BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988, 991. BR-Drucks. 302/1/12, S. 43. 309 Etwa BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988, 991. 310 BR-Drucks. 302/1/12, S. 43. 311 BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988, 991; Hettler, DStR 2018, 2307, 2309; Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 220; Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 213; ders., FR 2017, 1113, 1114; ders., FR 2014, 209, 216; Geserich, NWB 2017, 2560 f.; Heim, DStZ 2014, 165, 168. 312 Scheitern des JStG 2013 am 1.2.2013 (BT-Drucks. 17/12283), Wiederaufgreifen des Gesetzgebungsverfahrens durch den am 19.2.2013 eingebrachten Gesetzesentwurf des AmtshilfeRLUmsG (BT-Drucks. 17/12375) bzw. den diesbezüglichen Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 5.6.2013 (BT-Drucks. 17/13722, S. 9). 313 St.Rspr. seit BFH v. 22.8.1958 – VI 148/57 U, BStBl. III 1958, 419. 314 BFH v. 12.5.2011, VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015. 315 BMF v. 20.12.2011, BStBl. I 2011, 1286. 316 Ausnahmeformel im Normtext „Gefahr des Verlusts der Existenzgrundlage“ und „Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse“ in Anlehnung an die st.Rpsr. seit BFH v. 9.5.1996 – III R 224/94, BStBl II 1996, 596, 598. 308

154

Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

sind erste sachliche Gründe, die es zulassen, für die historische Auslegung des ­AmthilfeRLUmsG in gleicher Weise auf den oben erarbeiteten Willen des Gesetzgebers zum JStG 2013 abzustellen317. Auf drei Aspekte sei dafür besonders eingegangen: a) Besonderheiten des Gesetzgebungsverfahrens Zwar ist zu sehen, dass keine Begründungen oder andere Gesetzesmaterialien zu § 33 Abs. 2 S. 4 EStG in der Fassung des AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.2013318 vorliegen, auf die zurückgegriffen werden kann, um den gesetzgeberischen Willen zu bestimmen. Dies bedeutet aber nicht, dass die Begründungen und Gesetzesmotive zum JStG 2013 – und damit der dortige Wille des Gesetzgebers – insoweit von keinerlei Relevanz wären. Dies würde die Besonderheiten des Gesetzgebungsverfahrens unberücksichtigt lassen, die hier ganz besonders für eine Anknüpfung an das JStG 2013 sprechen: So erklärt sich das Fehlen von Gesetzesmaterialien zu § 33 Abs. 2 S. 4 EStG nämlich zunächst mit mehreren Gesetzgebungs- und Vermittlungsanläufen. Diese wiederum sind nicht etwa dem Umstand geschuldet, dass der Bundestag in diesem speziellen gesetzgeberischen Vorhaben mehrheitlich anderer Auffassung war. Vielmehr war hierfür ursächlich, dass der Vermittlungsausschuss des JStG 2013 die prozesskostenrechtliche Neuregelung mit der steuerlichen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften verknüpfen wollte319. Diesem Projekt hatte die Regierungskoalition aus CDU / CSU und FDP in namentlicher Abstimmung die Zustimmung verweigert320. Gesetzt den Fall, der Vorschlag des Vermittlungsausschusses hätte eine steuerliche Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit Ehen nicht enthalten, darf angenommen werden, dass der übrige Vorschlag des Vermittlungsausschusses samt der besagten einkommensteuerlichen Regelung sicherlich schon im ersten Anlauf verabschiedet worden wäre. Denn dass die damalige Regierungskoalition aus CDU / CSU und FDP gerade keine ablehnende Haltung gegenüber den steuerpolitischen Vorschlägen des Entwurfs, sondern einzig gegenüber der zwangsläufig mitzuentscheidenden steuerlichen Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften hatte, lässt sich auch der Rede des Abgeordneten Michael Grosse-Brömer deutlich entnehmen, der in der Debatte ausgeführt hatte:

317

Gl.A. Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701, 1702; Liebl, jurisPR-SteuerR 10/2014 Anm. 1 (beide auch explizit für die Abzugsfähigkeit von Kosten der bisherigen Fallgruppen); Bleschick, FR 2013, 932, 936; Spieker, NZFam 2014, 537, 538 f. (plädiert im Falle von Scheidungskosten für verfassungskonforme Auslegung). 318 BGBl. I, S. 1809. 319 Dazu schon oben sub Kap. 3 C. I. 320 Vgl. BT-Plenarprotokoll 17/217, S. 26798 ff.; BR-Drucks. 33/13.

E. Entstehungsgeschichte

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„Wir haben versucht, das meiste zu retten. Wir haben ja auch manches geschafft. Das Jahressteuergesetz ist traditionell ein sogenanntes Omnibusgesetz; es enthält zahlreiche steuerfachliche Änderungen. […]. Das alles sind wichtige Aspekte, auf die sich die Kollegen fraktionsübergreifend nach langer Debatte verständigt hatten. Aber dann kam wieder die Parteipolitik ins Spiel. Sie mussten trotz des Parteitagsbeschlusses der Union hier noch einen Punkt einbringen, nämlich die Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit Ehen. Dieser Punkt ist strittig. […]. Aber das parteipolitisch auszuschlachten, nicht zu sehen, dass zahlreiche andere Regelungen vereinbart waren, stattdessen wieder einen populistischen Aufschlag zu machen, das ist schade. Der Vermittlungsausschuss wird durch Sie aus parteipolitischen Gründen zum Verhinderungsausschuss.“321

Dieser Ausschnitt der Rede zeigt deutlich, dass die Gründe für das Scheitern des ersten Anlaufs nicht inhaltlicher Natur im Sinne einer Ablehnung der anvisierten Regelung zu § 33 EStG waren. Ursächlich war vielmehr ein parteipolitischer Dissens zwischen der schwarz-gelben Regierungskoalition im Bundestag, der damaligen rot-rot-grünen Bundestagsopposition und einem oppositionell geprägten Bundesrat zu einem Thema mit politisch-gesellschaftlich konträren Ansichten. Womöglich ist die anvisierte steuerliche Regelung in Bezug auf § 33 EStG auch schlicht einem Wahlkampfmanöver im Hinblick auf die Landtagswahl in Niedersachsen zum Opfer gefallen, die drei Tage später am 20.1.2013 stattgefunden hat322. b) Der Wortlaut der Ausnahmetatbestände Auch der Wortlaut des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG stützt die These, dass der Wille des Gesetzgebers zum AmtshilfeRLUmsG ebenso auf eine Rückkehr zur alten Rechtsprechung gerichtet war, weil der a. E. der Vorschrift normierte Ausnahmefall wörtlich an die ehemals ständige höchstrichterliche Rechtsprechung aus München anknüpft323. Dieser im Gesetzestext liegende Bezugspunkt ist auch nicht bloß für die Kosten derjenigen Fälle zu verstehen, die der Bundesfinanzhof unter die Fallgruppe des „existenziellen Bereichs“ gefasst hat. Vielmehr gilt er darüber hinaus auch für alle übrigen seinerzeit abzugsfähigen Prozesskosten – und damit auch für Scheidungskosten, so dass auch der Wortlaut für einen vollen Gleichlauf der jeweiligen gesetzgeberischen Zielsetzungen plädiert. Denn als das Gericht im Jahre 1996 die Formel des „existenziellen Bereichs“ entwickelt hat, war die

321

BT-Plenarprotokoll 17/217, S. 26800. Darauf weist der Abgeordnete Michael Grosse-Brömer in seiner Rede hin, vgl. Plenarprotokoll 17/217, S. 26799. Das Politikum des Vorschlags des Vermittlungsausschusses tritt klar zu Tage, wenn man den obigen Ausschnitt aus der Rede des Abgeordneten Michael Grosse-Brömer wie auch das übrige Plenarprotokoll liest, siehe dazu BT-Plenarprotokoll 17/217, S. 26798 ff. 323 St.Rpsr. seit BFH v. 9.5.1996 – III R 224/94, BStBl II 1996, 596, 598. In § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG heißt es wörtlich übereinstimmend: „ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen zu können“. 322

156

Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

Abzugsmöglichkeit von Ehescheidungskosten als Ausnahmefall bereits ständige Rechtsprechung324. Insoweit war für das Gericht kein Grund vorhanden, Scheidungskosten auch einer solchen neu geschaffenen Ausnahme zuzuordnen, so auch nicht der Ausnahme des „Kernbereichs menschlichen Lebens“325. Dies alles war dem Gesetzgeber im Jahre 2013 bekannt. Wenn er nun für die Formulierung der gesetzlichen Regelung in § 33 Abs. 2 S. 4 EStG an die Formulierung einer erst spät in der Rechtsprechung entwickelten Ausnahme anknüpft – die des „existenziellen Bereichs“ –, so drückt sich darin also stellvertretend der allgemeine Ausnahmecharakter der anerkannten Fälle aus und damit auch der Ausnahmecharakter der Abziehbarkeit von Scheidungskosten. c) Wegfall der Klarstellung zu Scheidungskosten Entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofs326 und der Ansicht von Teilen der Literatur327 steht einer Abzugsfähigkeit der Aufwendungen in den anerkannten Altfällen, namentlich der der Scheidungskosten – und damit zugleich einem Gleichlauf beider gesetzgeberischer Zielsetzungen –, nicht der Umstand entgegen, dass die im Vergleich zum Entwurf des JStG 2013 vorgesehene Erwähnung der Ehescheidungskosten328 in der jetzigen gesetzlichen Regelung nicht mehr enthalten ist329. Denn jener Satz 3330 hatte allein den Zweck, Missverständnisse zu vermeiden. So sprach der zugrundeliegende Vorschlag des Bundesrats noch von Prozesskosten eines „Klägers“ oder „Beklagten“331. Aufgrund dieser Begrifflichkeiten konnte nicht ausgeschlossen werden, dass Kosten eines Scheidungsverfahrens vom Anwendungsbereich der Norm ausgenommen sein sollten, da es derartige Parteibezeichnungen im Scheidungsverfahren nicht gibt332. Der zusätzliche Satz 3 stellte also im Ergebnis nur klar, dass die Norm – wie bisher – auch auf das Scheidungsverfahren anzuwenden sein sollte. Die schließlich Gesetz gewordene Fassung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG verzichtet demgegenüber auf das Nennen von Parteibezeich-

324

Vgl. dazu oben sub Kap. 3 A. II. Vgl. dazu oben sub Kap. 3 A. I. 326 BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988, 991. 327 Kanzler, FR 2014, 209, 214; Heim, DStZ 2014, 165, 168; Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 220; a. A. wohl Gerauer, NWB 2014, 2621, 2623. 328 Vgl. § 33 Abs. 3a S. 3 EStG des Bundesratsvorschlags, BR-Drucks. 302/1/12, S. 43. 329 So hat schon Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701, 1702 kritisch bemerkt, dass der Gesetzgeber es auch „als ausreichend angesehen“ haben kann, in der neuen Fassung des Vorschlags Scheidungskosten nicht explizit zu erwähnen. 330 Gemeint ist § 33 Abs. 3a S. 3 EStG des Bundesratsvorschlags, BR-Drucks. 302/1/12, S. 43. 331 Siehe dazu § 33 Abs. 3a S. 1 EStG des Bundesratsvorschlags, BR-Drucks. 302/1/12, S. 43. 332 Das Scheidungsverfahren spricht stattdessen vom „Antragsteller“ und „Antragsgegner“, siehe zur rein terminologischen Bedeutung der Begriffe Helms, in: Prütting / ders., FamFG, § 113 Rn. 37; zur gleichwohl geführten Diskussion um das Scheidungsverfahren als „Rechtsstreit“ siehe unten sub Kap. 6 G. I. 2. a). 325

E. Entstehungsgeschichte

157

nungen und spricht nur noch von „Prozesskosten“333. Da es auf diese Weise ausgeschlossen war, dass entsprechende Missverständnisse entstehen konnten, war der klarstellende Satz 3 des Bundesratsvorschlags obsolet geworden – er wurde nicht in den neuen Vorschlag eingearbeitet. Dessen ungeachtet ist gegen die Auffassung des Bundesfinanzhofs und Teilen der Literatur einzuwenden, dass nicht nachvollziehbar ist, weshalb das Streichen des Satzes 3 die Abziehbarkeit von Ehescheidungskosten hier verengen sollte. Denn die Vorschrift hatte keinen begünstigenden Inhalt, sondern lediglich – wie soeben erarbeitet – klarstellende Funktion hinsichtlich der Anwendbarkeit des Ausnahmetatbestands auf Scheidungskosten334.

III. Auswirkung auf die Auslegung Es hat sich damit gezeigt, dass zwischen dem gesetzgeberischen Willen zum JStG 2013 und dem Willen zum AmtshilfeRLUmsG inhaltliche Übereinstimmung besteht. So ist auch im Hinblick auf das AmtshilfeRLUmsG die einzige Zielsetzung festzuhalten, das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12.5.2011 nicht Platz greifen zu lassen und das Gericht damit zurück auf die „alte Linie“ zu bewegen335. Dies bedeutet, dass die Kosten in denjenigen Ausnahmefällen, welche die Rechtsprechung vor Erlass des Gesetzes entwickelt hatte, d. h. insbesondere auch die Scheidungskosten, weiterhin abzugsfähig bleiben müssen336 – freilich vorbehaltlich der Frage, ob hier auch die weiteren Voraussetzungen des § 33 EStG, insbesondere die Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen337, vorliegen. Aus entstehungsgeschichtlicher Perspektive ist die Vorschrift des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG in diesem Sinne auszu­ legen. Wie dies zu bewerkstelligen ist, wird sich ebenso anhand der verbleibenden Auslegungskriterien klären. Dort zeigt sich auch, nach welchen Maßstäben sich

333

Vgl. § 33 Abs. 2 S. 4 EStG i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013 (BGBl. I, S. 1809). So heißt es in § 33 Abs. 3a S. 3 EStG des Bundesratsvorschlags, BR-Drucks. 302/1/12, S. 43: „Satz 2 gilt […] entsprechend“. 335 So auch FG Rheinland-Pfalz v. 16.10.2014 – 4 K 1976/14, EFG 2015, 39, 42; Schmieszek, in: Bordewin / Brandt, EStG, § 33 Rn. 97a: „Intention, die frühere Rspr. des BFH gesetzlich zu fixieren“; Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701, 1702 führt aus, es sei „nicht aber eine neue Rechtslage“ geschaffen. 336 So im Ergebnis auch Nieuwenhuis, DStR 2017, 2374 f.; ders., DStR 2014, 1701, 1702; Engels, FamRZ 2016, 1989, 1990 f.; zurückhaltender ders., FamRZ 2017, 1630, 1631; Spieker, NZFam 2014, 537, 538; Liebl, jurisPR-SteuerR 10/2014 Anm. 1; Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastungen, S. 197; Gerauer, NWB 2014, 2621, 2622; Bleschick, FR 2013, 932, 936; Grever, Außergewöhnliche Belastungen im Steuerrecht, S. 132; a. A. BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988; Schmieszek, in: Bordewin / Brandt, EStG, § 33 Rn. 97a ist der Ansicht, dass die entstehungsgeschichtliche Auslegung dies nahelegt, dem jedoch der Wortlaut der Norm entgegenstünde. 337 Siehe dazu unten sub Kap. 7 A. III. und Kap. 7 C. II. 1.; zur Frage, ob überhaupt die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 33 EStG zu prüfen sind, siehe unten sub Kap. 6 F. 334

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Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

die Abziehbarkeit der Prozesskosten richtet, die nicht schon im Rahmen der Fallgruppen nach altem Recht behandelt worden sind338.

IV. Fazit Der Wille des Gesetzgebers zum AmtshilfeRLUmsG ist mit dem zum JStG 2013 identisch. Dafür spricht vor allem die Besonderheit des Gesetzgebungsverfahrens. So ist das Fehlschlagen des ersten Gesetzgebungsversuchs im Rahmen des JStG 2013 parteipolitisch und nicht sachlich zu erklären. Aus diesem Gleichlauf der gesetzgeberischen Zielsetzungen ergibt sich das entstehungsgeschicht­liche Gebot, die Norm so auszulegen, dass die Kosten der von der Rechtsprechung seinerzeit anerkannten Fallgruppen (insbesondere Ehescheidungskosten) weiterhin abzugsfähig sind.

F. Übrige Systematik I. Rechtsfolge Im Rahmen der systematischen Auslegung ist zu sehen, dass die Neuregelung in den Absatz 2 des § 33 EStG eingefügt worden ist. Dieser Absatz beschäftigt sich zunächst mit dem Tatbestandsmerkmal der Zwangsläufigkeit und definiert dieses legal339. Vor diesem Hintergrund kann die Anordnung, nach der die Aufwendungen „vom Abzug ausgeschlossen“ sind, nur dahingehend verstanden werden, dass sie die Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen gesetzlich konkretisiert340. Es handelt sich also um eine unwiderlegbare gesetzliche Vermutung. Die Rechtsfolgenanordnung „sind vom Abzug ausgeschlossen“ ist daher zu lesen als „sind nicht zwangsläufig“ und umgekehrt. Da Zwangsläufigkeit allein einen Abzug nach § 33 EStG nicht begründen kann, sind für alle unter die Ausnahmeformel des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG fallenden Aufwendungen zusätzlich die weiteren Tatbestands­

338 Im Übrigen lässt Entstehungsgeschichte annehmen, dass die Rechtsfolge der Norm die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen konkretisieren soll. Denn wenn der Gesetzgeber mit der neuen Regelung die alte Rechtsprechung wiederherstellen wollte (vgl. dazu den zugehörigen Haupttext), so ist konsequenterweise davon auszugehen, dass er zu diesem Zwecke wiederum an das auch von der Rechtsprechung seinerzeit verwendete Tatbestandsmerkmal der Zwangsläufigkeit als „Dreh- und Angelpunkt“ anknüpfen wollte. 339 Dazu Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 25 ff. 340 So schon Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 211; ders., FR 2014, 209, 214; Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastungen, S. 196; Bleschick, FR 2013, 932, 934.

G. Teleologie

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voraussetzungen des § 33 Abs. 1 EStG zu prüfen341. Um dies klarzustellen, hätte der Gesetzgeber statt der gewählten Formulierung „sind vom Abzug ausgeschlossen“ besser „sind nicht zwangsläufig“ formulieren sollen.

II. Tatbestand Zwar klärt sich erst anhand der teleologischen Auslegung, wie die Tatbestandsmerkmale des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG letzten Endes zu verstehen sind. Die systema­tische Auslegung legt es in Ergänzung dazu aber nahe, bei der Frage, ob ein bestimmter Sachverhalt die Norm erfüllt oder nicht, immer auch die übrigen Grundsätze des § 33 EStG zur Zwangsläufigkeit heranzuziehen342. Denn unter systematischen Gesichtspunkten ist ein Ergebnis anzustreben, dass sich folgerichtig in den Regelungszusammenhang des § 33 EStG einfügt und ein sinnvolles Gesamtsystem erkennen lässt343.

III. Fazit Es steht damit bezogen auf die Rechtsfolgenanordnung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG fest, dass diese nicht als „sind vom Abzug ausgeschlossen“, sondern „sind nicht zwangsläufig“ zu lesen ist. Die Norm regelt damit in ihrer Rechtsfolge gesetzlich die Zwangsläufigkeit entsprechender Aufwendungen. Es liegt eine unwiderlegbare Vermutung vor. Die übrigen Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 EStG sind daher zusätzlich zu prüfen. Im Hinblick auf den Tatbestand können die allgemeinen Grundsätze zur Zwangsläufigkeit ergänzend herangezogen werden.

G. Teleologie Nachdem der Inhalt der Rechtsfolgenseite der Norm durch systematische Auslegung bestimmt worden ist und auch nicht mehr durch andere Auslegungsgrundsätze überzeugend in Frage gestellt werden kann, gilt es nun, die Tatbestandsseite

341 So ausdrücklich auch Bleschick, FR 2013, 932, 934; wohl auch BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988; Kanzler, FR 2014, 209, 214; unklar hingegen FG Rheinland-Pfalz v. 16.10.2014 – 4 K 1976/14, EFG 2015, 39, 40 „Abzugsverbot“; FG Sachsen v. 13.11.2014 – 2 K 1399/14, EFG 2015, 644, 646 „Ausnahmetatbestand […] ist hier nicht erfüllt“. Ein direkter Abzug der Aufwendungen ohne Berücksichtigung der übrigen Voraussetzungen ist gerade nicht möglich, so aber offenbar Heim, DStZ 2014, 165, 168 „allein die neue Spezialnorm (…) maßgeblich“; Spieker, NZFam 2014, 537, 538 „nur nach § 33 Abs. 2 S. 4 EStG“. 342 So auch Endert, FR 2018, 692, 694. 343 Gersch, in: Klein, AO, § 4 Rn. 31; zu den weiteren Nachweisen siehe schon oben sub Kap. 5 D. I. 3.

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Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG zu klären. Die teleologische Auslegung befasst sich mit diesen Fragen, nimmt dabei jedoch auch immer wieder Bezug auf die bisherigen Auslegungskriterien und deren Ergebnisse.

I. „Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten)“ 1. „Aufwendungen“ Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Begriff der „Aufwendungen“ in § 33 Abs. 2 S. 4 EStG anders zu verstehen ist als in § 33 Abs. 1 EStG. Daher ist es naheliegend, das Tatbestandsmerkmal hier in gleicher Weise als bewusstes Vermögensopfer, insbesondere in Form des Ausgebens von Geld zu verstehen344. Das Merkmal erfasst daher vor allem die Gebühren für Anwälte und Gerichte, die den größten Anteil an denkbaren Prozesskosten darstellen dürften345. Dabei handelt es sich um Kosten, die regelmäßig auf Grundlage des RVG346 bzw. auf Basis freier Honorarvereinbarungen entstanden sind. Im letzteren Falle darf § 3a RVG freilich nicht entgegenstehen347. Im gerichtlichen Bereich resultieren sie insbesondere aus Vorschriften des GKG bzw. FamGKG348. Soweit der Steuerpflichtige diese an die Gerichtskasse, den Rechtsanwalt oder die Gegenseite zahlt bzw. erstattet, liegt ein Abfluss in Geld aus dem Vermögen des Steuerpflichtigen vor, so dass der Aufwendungsbegriff des § 33 EStG zu bejahen ist349. 2. „Rechtsstreit“ Stellt man die Ratio des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG in den Vordergrund, so ist zu wiederholen, dass der Gesetzgeber mit der Norm die Abziehbarkeit von Prozesskosten auf den „engen Rahmen“350 zurückführen wollte, wie er vor Entscheidung des Bundesfinanzhofs aus dem Jahre 2011 für richtig gehalten wurde. Um dies durchzuset 344

BFH v. 15.3.1991 – III R 26/89, BFH / N V 1991, 669 (Unterhaltszahlungen); Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 8. 345 Vgl. dazu auch die Schwerpunktsetzung von Muthorst, in: Stein / Jonas, ZPO, § 91 Rn. 30 f. zu zivilprozessualen Kosten. 346 Dazu näher Muthorst, in: Stein / Jonas, ZPO, § 91 Rn. 133 ff. 347 Hierzu näher v. Seltmann, in: BeckOK, RVG, § 3a Rn. 1 ff. Wenn eine Gebühr kostenrechtlich schon nicht zulässig ist, muss ihr konsequenterweise auch die Zwangsläufigkeit der Höhe nach bzw. Angemessenheit im Rahmen des § 33 EStG versagt werden. 348 Zum GKG vgl. Muthorst, in: Stein / Jonas, ZPO, § 91 Rn. 30. 349 Muthorst, in: Stein / Jonas, ZPO, § 91 Rn. 30 ff. ausführlich zu denkbaren Kosten; ­Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 210 orientiert sich bei der Darstellung der Aufwendungen ebenso an den §§ 91 ff. ZPO. 350 So die Stellungnahme des Bunderates zum Jahressteuergesetz 2013: BR-Drucks. 302/1/12, S. 43 (auf die – wie oben erarbeitet wurde – abgestellt werden darf).

G. Teleologie

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zen, muss die Norm in ihrem Anwendungsbereich weit verstanden werden. Denn würde man nun den Begriff „Rechtsstreit“ – wie teilweise vorgeschlagen351 – etwa nur auf gerichtliche oder gar nur auf ZPO-Verfahren beschränken, so wären gerade die Scheidungsverfahren vom Anwendungsbereich der Norm ausgeschlossen, obwohl die Vorschrift die Abzugsfähigkeit von Prozesskosten jedenfalls für Ehescheidungskosten weiter ermöglichen sollte352. Zum zweiten spricht für eine weite Auslegung, dass es sich bei § 33 Abs. 2 S. 4 EStG um eine lex specialis im Bereich der Zwangsläufigkeit353 handelt. Wenn der Gesetzgeber für eine bestimmte Fallgruppe im Bereich des § 33 EStG schon eine Spezialregelung vorsieht, so ist davon auszugehen, dass er diese auch vollständig mit der Norm erfassen wollte und nicht in Teilen nach den allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsläufigkeit des § 33 Abs. 2 S. 1 EStG beurteilt wissen wollte. Gerade dies würde aber passieren, wenn man den Begriff des „Rechtsstreits“ hier in enger Auslegung auf gerichtliche Verfahren beschränkt. So wäre beispielsweise auch die Konstellation eines Schiedsverfahrens, welche selbst der Bundesfinanzhof der Fallgruppe der Prozesskosten zurechnet354, vom Anwendungsbereich der Norm ausgenommen. Deshalb ist das vorgestellte Begriffsverständnis, welches den Definitionen des Europäischen Gerichtshofs355 wie des Bundesverfassungsgerichts356 zugrunde liegt und sich stets auf gerichtliche Verfahren bezieht, in diesem Zusammenhang nicht passend. Es bedarf hier einer weiten Auslegung und einer damit verbundenen autonomen Bestimmung des Begriffs „Rechtsstreit“. a) Speziell: Scheidungsverfahren als „Rechtsstreit“? aa) Finanzgericht Köln Nach Ansicht des Finanzgerichts Köln soll es gerade nicht auf einen autonomen Begriff des Rechtsstreits im Sinne der Norm ankommen, sondern auf ein zivilprozessuales Begriffsverständnis357. So fasst das Finanzgericht Köln das Schei 351

Siehe dazu oben sub Kap. 4 B. II. 1. a). Vgl. dazu schon oben sub Kap. 6 E. IV. 353 Vgl. dazu oben sub Kap. 6 F. III. 354 Dies lässt sich annehmen, weil sich der BFH zu den Kosten eines solchen Schiedsverfahrens in unmittelbarem Zusammenhang mit seinen Grundsätzen zu Zivilprozesskosten einlässt, vgl. BFH v. 9.5.1996 – III R 224/94, BStBl. II 1996, 596, 599. Auch aus weiteren Urteilen ergibt sich, dass der BFH zwar regelmäßig von „Zivilprozesskosten“ spricht, darunter jedoch auch weitere vor- und außergerichtliche Aufwendungen abhandelt, vgl. zum Ganzen den Rechtsprechungsüberblick oben sub Kap. 3 A. I. 355 EuGH v. 25.6.2009, C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 Rn. 34 „Roda Golf“. 356 BVerfG v. 31.3.1987 – 2 BvM 2/86, BVerfGE, 75, 1, 11. 357 FG Köln v. 13.1.2016 – 14 K 1861/15, EFG 2016, 645, 646; ebenso Urban, FR 2016, 217, 219 (jeweils gegen die Einbeziehung des Scheidungsverfahrens in den Begriff des „Rechtsstreits“). 352

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Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

dungsverfahren nicht unter den Begriff des Rechtsstreits im Sinne der Norm358. Rechtsstreit im Sinne dieser Vorschrift sei streng zivilprozessual zu verstehen. Dort werde zwischen dem bürgerlich-rechtlichen Rechtsstreit und dem familiengerichtlichen Verfahren zur Aufhebung der Ehe unterschieden, § 113 Abs. 5 Nr. 1 FamFG359. Ferner fänden die kostenrechtlichen Vorschriften der §§ 91 ff. ZPO beim Scheidungsverfahren ausdrücklich keine Anwendung, § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG. Diese zivilrechtliche Unterscheidung überträgt das Finanzgericht unverändert auf die vorliegende einkommensteuerrechtliche Frage360. Im Übrigen verweist es auch auf die Entstehungsgeschichte der Norm. So sollte bekanntlich zunächst mit dem Jahressteuergesetz 2013 ein § 33 Abs. 3a EStG aus der Taufe gehoben werden361. Aus der gesonderten Erwähnung von Scheidungskosten in Satz 3 der anvisierten Regelung folge, so das Finanzgericht Köln, dass der Gesetzgeber Scheidungskosten nicht als Prozesskosten verstanden habe. Denn andernfalls sei die gesonderte Erwähnung in Satz 3 nicht erforderlich gewesen362. Eine ähnliche Auffassung ist vereinzelt auch in der Literatur vertreten worden363. So sei der Begriff des Rechtsstreits im Sinne der ZPO zu verstehen364. Aus dem Wegfall des Satz 3 der ursprünglich favorisierten Neuregelung in Form des JStG 2013 könne man schließen, dass der Gesetzgeber die Scheidungskosten nicht mehr unter die Regelung fassen wollte365. bb) Stellungnahme Diese Argumentation überzeugt nicht. Der Begriff des Rechtsstreits muss in der Rechtsordnung nicht einheitlich verstanden, sondern kann durchaus bereichsspezifisch ausgelegt werden366. Für eine einkommensteuerrechtliche Frage ist ein strenges Abstellen auf die Vorschriften der ZPO und des FamFG deshalb nicht angezeigt. Denn es geht bei § 81 ZPO wie bei § 91 ZPO, die den „Rechtsstreit“ 358

FG Köln v. 13.1.2016 – 14 K 1861/15, EFG 2016, 645, 646 (im Ergebnis jedoch einen Scheidungskostenabzug bejahend). 359 FG Köln v. 13.1.2016 – 14 K 1861/15, EFG 2016, 645, 646. 360 FG Köln v. 13.1.2016 – 14 K 1861/15, EFG 2016, 645, 646. 361 BR-Drucks. 302/1/12, S. 43; dazu schon ausführlich oben sub Kap. 3 C. I. 362 FG Köln v. 13.1.2016 – 14 K 1861/15, EFG 2016, 645, 646. 363 Urban, FR 2016, 217, 219. Nicht überzeugend seien hiernach die – in anderem Kontext stehenden – Definitionen des BVerfG und des EuGH (siehe zu diesen schon oben sub Kap. 4 B. II. 1. b)). 364 So finde nach Urban, FR 2016, 217, 219 der Begriff der „Prozesskosten“ in § 93 ZPO Erwähnung. Demgegenüber sei in Ehescheidungsverfahren nach § 150 FamFG die Rede von „Kosten des Verfahrens“ und „Kosten der Scheidungssache“. Im Übrigen seien die kostenrechtlichen Bestimmungen der §§ 91 ff. ZPO bei Scheidungssachen nicht anwendbar, § 113 Abs. 1 FamFG. 365 Urban, FR 2016, 217, 220. 366 Siehe etwa nur die unterschiedlichen Konkretisierungen von „Leben“ im Recht, vgl. dazu Spickhoff, in: MüKo, BGB, § 1 Rn. 20 ff.

G. Teleologie

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erwähnen, um die Frage, inwieweit „Prozessvollmachten“ im Rechtsstreit greifen und welche Kosten in der gerichtlichen Kostenentscheidung zu berücksichtigen sind367. Dies ist ein aliud gegenüber der von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG aufgeworfenen Problematik. So wollte der Gesetzgeber mit der Regelung im Bereich der Prozesskosten den „engen Rahmen“368 der Abzugsmöglichkeiten wiederherstellen. Wenn hierzu seit jeher Kosten der Ehescheidung gehört haben369, muss der Begriff dann aber weit zu verstehen sein. Davon unabhängig ist auch die filigrane Unterscheidung zwischen zivilprozessualem Rechtsstreit im Sinne der ZPO und familienrechtlichen Verfahren im Sinne des FamFG nicht überzeugend370. Der Gesetzgeber wollte mit der Bezeichnung der familienrechtlichen Sachen im FamFG als „Verfahren“ statt als „Prozess“ oder „Rechtsstreit“ lediglich eine terminologische Angleichung für alle Familiensachen erreichen371. Im Übrigen spricht auch das FamFG nicht durchweg von „Verfahren“, sondern etwa in 113 Abs. 1 S. 1 FamFG auch von „Ehesachen und Familienstreitsachen“ (Hervorh. d. Verf.)372. Auch zeigt der Blick auf Satz 3 des vom Bundesrat entworfenen § 33 Abs. 3a EStG, dass der Gesetzgeber selbst mit den Begrifflichkeiten wenig trennscharf umgeht, wenn er dort von einem „Scheidungsprozess“ spricht373. Denn diesen gibt es nicht374. Das deutsche Recht kennt nach § 121 Nr. 1 FamFG nur das „Verfahren auf Scheidung der Ehe“375. Angesichts dieser gesetzgeberischen Ungenauigkeiten kann es auf feine Begriffsunterschiede im Zivilverfahrensrecht nicht ankommen376. Auch das Scheidungsverfahren unterfällt dem Begriff des Rechtsstreits i. S. v. § 33 Abs. 2 S. 4 EStG.

367

Vgl. etwa Jacoby, in: Stein / Jonas, ZPO, § 81 Rn. 1 ff.; Muthorst, in: Stein / Jonas, ZPO, § 91 Rn. 1 ff. 368 BR-Drucks. 302/1/12, S. 43. 369 Vgl. zur Abzugsfähigkeit der Ehescheidungskosten oben sub Kap. 3 A. II. 370 So auch BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988, 989; Geserich, jurisPR-SteuerR 40/2017 Anm. 3. 371 So ausdrücklich Helms, in: Prütting / ders., FamFG, § 113 Rn. 37. 372 So auch BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988, 989. 373 § 33 Abs. 3a S. 3 EStG des Entwurfs, BR-Drucks. 302/1/12, S. 43. 374 Darauf weist auch FG Köln v. 13.1.2016 – 14 K 1861/15, EFG 2016, 645, 646 hin. 375 Dazu Helms, in: Prütting / ders., FamFG, § 121 Rn. 5. 376 So auch BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988, 989; Geserich, jurisPR-­SteuerR 40/2017 Anm. 3. Auch das ins Feld geführte entstehungsgeschichtliche Argument, vermag nicht zu überzeugen. Denn die Aufnahme des Satzes 3 in dem Vorschlag des Bundesrates speziell für die Scheidungskosten war rein klarstellend gemeint (dazu schon oben sub Kap. 6 E. II. 2. c)).

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Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

b) Fazit Damit ist dem Bundesfinanzhof zwar insoweit zuzustimmen, als er „jedenfalls jedes gerichtliche Verfahren, insbesondere vor Verwaltungs-, Finanz- und Strafgerichten“377 unter das Tatbestandsmerkmal fasst. Es ist ihm jedoch insofern zu widersprechen, als er damit offenbar zugleich eine Grenze zu ziehen versucht. Erfasst sind neben Verfahren vor staatlichen Gerichten daher besonders auch außergerichtliche Auseinandersetzungen mit oder ohne anwaltliche Unterstützung, auch in Form von Schieds- und Schlichtungsverfahren378. Aus den für eine weite Auslegung dargelegten Gründen sind auch außergerichtliche Auseinandersetzungen, welche nicht in einem formalen Verfahren entstehen, wie etwa private Mahnkosten, Detektivkosten, Gutachterkosten und reine außergerichtliche Rechtsanwaltskosten, in den Anwendungsbereich der Norm miteinzubeziehen379. Dem steht auch der in § 33 Abs. 2 S. 4 EStG in Klammern zu findende Zusatz „Prozesskosten“ nicht entgegen. Dieser soll lediglich verdeutlichen, dass nicht bloß das kontradiktorische Verfahren den Begriff des „Rechtsstreits“ erfüllen kann380. Damit ist der Begriff des Rechtsstreits hier als „Streit um Rechte“ in der Weise zu begreifen, dass er alle Formen der eingangs der Arbeit aufgezeigten Bandbreite an Wegen der Rechtsverfolgung umfasst381. In eine knappe Definition gegossen lässt er sich formulieren als jedes nicht notwendigerweise förmliche Verfahren gerichtlicher oder außer­ gerichtlicher Art, das eine rechtliche Auseinandersetzung zwischen mindestens zwei Beteiligten zum Gegenstand hat, wobei hier Private sowohl anderen Privaten als auch der öffentlichen Gewalt gegenüberstehen können382. 3. „Führen“ Bezieht der Begriff des Rechtstreits damit auch vorgerichtliche Maßnahmen ein, so sind denklogisch unter „Führen“ eines Rechtsstreits auch vorprozessuale kostenverursachende Maßnahmen zu verstehen. Im Übrigen entspricht es auch Sinn und Zweck einer möglichst weiten Auslegung der Norm, unter „Führen“ auch Vorgehensweisen zu verstehen, welche eine Rechtsverfolgung beenden wie etwa Vergleichsabschlüsse383. 377

BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988, 989. Insoweit noch zustimmend Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 210. 379 Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn 210 will demgegenüber den Begriff auf „alle förmlichen Verfahren, die von der Rechtsordnung gewissermaßen als Ersatz für den gerichtlichen Rechtsschutz zur Verfügung gestellt werden“ beschränken. 380 So auch Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 210. 381 Vgl. dazu oben sub Kap. 2 B. I., II. und III..; dazu konkret auch die fallgruppenmäßige Darstellung unten sub Kap. 7. 382 Vergleichbar, jedoch mit den erwähnten Einschränkungen auf förmliche Verfahren die Definition Kanzlers, FR 2014, 209, 213; gegen eine Einbeziehung von Strafverfahren jedoch Schmieszek, in: Bordewin / Brandt, EStG, § 33 Rn. 97c. 383 So auch Beschick, FR 2013, 932, 934. 378

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II. „Gefährdung der Existenzgrundlage“ und „Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse“ 1. Grundsätzlicher Anknüpfungspunkt a) Einheitlicher „existenzieller Bereich“ Die im Wortlaut des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG zu findenden Tatbestandsmerkmale „Gefahr laufen, die Existenzgrundlage zu verlieren“ und „Gefahr laufen, die lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen zu können“ sind vom Gesetzgeber der Formulierung des Bundesfinanzhofs entnommen, welcher diese Begriffe so erstmals in seinem Urteil vom 9.5.1996 verwendet hat384. Mit ihnen konkretisierte der Bundesfinanzhof die von ihm dort entwickelte Ausnahme: „Berührt ein Rechtsstreit allerdings einen für den Steuerpflichtigen existentiell wichtigen Bereich, kann jener unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existentiell erforderlich ist (…). Ein solcher Ausnahmefall kann aber nur dann unter hier nicht näher zu erörternden engen Voraussetzungen in Betracht gezogen werden, wenn der Stpfl., ohne sich auf den Rechtsstreit trotz unsicheren Ausgangs einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenz­ grundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.“385

Die nun im Gesetz zu findenden Ausnahmetatbestände beschreiben also schon nach der Formulierung des Gerichts einen „existenziellen Bereich“386. Aus diesem Grund ist es folgerichtig, diesen als das verbindende, gemeinsame Merkmal der Ausnahmetatbestände anzusehen. Sowohl der „Verlust der Existenzgrundlage“ als auch das „Nicht-Mehr-Befriedigen-Können lebensnotwendiger Bedürfnisse“ betreffen den existenziellen Bereich. Die Norm des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG kann daher auch wie folgt gelesen werden: „[…] sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, in seinem existenziellen Bereich betroffen zu sein.“

Dass beide Merkmale als ein einheitlicher „existenzieller Bereich“ zu sehen sind, ergibt sich auch daraus, dass beide Tatbestandsmerkmale bereits nach ihrem ersten Wortsinn einen gewissen Notcharakter aufweisen387. Da sich dieser durch

384

BFH v. 9.5.1996 – III R 224/94, BStBl. II 1996, 596, 598. BFH v. 9.5.1996 – III R 224/94, BStBl. II 1996, 596, 598. 386 Ungenau insoweit Endert, FR 2018, 692, 694: Die unbestimmten Rechtsbegriffe entstammen nicht dem Ausnahmebereich des „Kernbereich menschlichen Lebens“, diesen hat erst BFH v. 4.12.2001 – III R 31/00, BStBl. 2002, 382, 384 als „weitere Ausnahme“ eingeführt. 387 So auch Luttermann, FR 2016, 402, 403: „Gedanklich wie praktisch meinen wohl beide Varianten im einheitlichen Verständnis die Existenzgefährdung (Not)“; beide Tatbestandsmerkmale beschreiben mit Blick auf ihren Wortlaut „Existenzgrundlage“ und „lebensnotwen­ dige Bedürfnisse“ abstrakt eine Situation des Steuerpflichtigen, in der dieser an einer ein 385

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Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

atypische und außergewöhnliche Umstände auszeichnet, bei denen die Abzugsmöglichkeit des § 33 EStG im Allgemeinen ansetzen soll388, spricht letztlich auch die teleolo­gische Auslegung dafür, die Tatbestandsmerkmale als in die gleiche Richtung zielende, letztlich beispielhafte Aufzählungen eines einheitlichen „existenziellen Bereichs“ zu verstehen389. Damit verbindet sich im Umkehrschluss die Einsicht, dass eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung nicht zu nachvollziehbaren Ergebnissen führen kann390. So ist zunächst zu bezweifeln, dass es für die entsprechenden Vorschläge überhaupt Fälle gibt, in denen die Norm angewandt werden könnte. Wenn unter „Existenzgrundlage“, wie teilweise vorgeschlagen, vor allem die „Erwerbsgrundlage“ zu verstehen ist391, führt dies schon aus rein dogmatischen Gründen zum weitgehenden faktischen Leerlaufen des Tatbestands392. Denn im Zusammenhang mit Rechtsverfolgung rund um Erwerbsgrundlagen wird regelmäßig beruflicher Aufwand im Raum stehen393. Dieser wäre aus Gründen der Subsidiarität außer­gewöhnlicher Belastungen gegenüber Betriebsausgaben und Werbungskosten nicht nach § 33 EStG berücksichtigungsfähig394. Auch bleibt offen, anhand welcher Kriterien der Begriff „lebensnotwendige Bedürfnisse“ sinnvoll mit Inhalt gefüllt werden sollte. Der hierzu unterbreitete Vorschlag, wonach auf ein psychologisches Bedürfnismodell aus den Wirtschaftswissenschaften zurückgegriffen werden soll395, begegnet exakt diesen Bedenken. Welche konkreten Fälle unter diesen Ansatz zu subsumieren sein sollten, bleibt sehr fraglich. Am Ende steht zu befürchten, dass eine solche Definition praktisch keine Anwendung findet. Nicht zielführend sind aus diesem Grunde auch die teilweise sehr unterschiedlichen Ansichten des Bundesfinanzhofs und der Instanzgerichte hinsichtlich der

schneidenden Grenze steht. Ein „Notcharakter“ der Tatbestandsmerkmale lässt sich daher nicht bestreiten. 388 Dazu Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 4; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 1 m. w. N.; vgl. im Übrigen schon die Ausführungen zu § 33 EStG oben sub Kap. 2 A. III. 1. 389 Ähnlich wohl auch Luttermann, FR 2016, 402, 403; zuzustimmen ist daher auch Heim, DStZ 2014, 165, 170, die ausführt, dass sich die beiden Merkmale „nicht exakt definieren und voneinander abgrenzen lassen“. Dies folgt nämlich daraus, dass beide Merkmale mit dem „existenziellen Bereich“ dasselbe beschreiben. 390 Zu diesen Ansätzen vgl. oben sub Kap. 6 A. II. 2. 391 Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 213; ders., FR 2014, 209, 216. 392 Zur „Kollision“ mit einem möglichen Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzug auch Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 67. 393 Dazu etwa W. G. Leisner, Existenzsicherung, S. 347 f. 394 Darauf weist auch BFH v. 17.12.2015 – VI R 78/13, BFH / N V 2016, 904, 905 selbst hin, indem das Gericht der beispielhaften Erklärung zum Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG anfügt, dass dieser jedenfalls nur insoweit gegeben sei, als „ein Werbungskostenabzug nicht in Betracht kommt“. 395 Vgl. dazu oben sub Kap. 4 B. II. 2. c).

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Frage, ob die Tatbestandsmerkmale streng materiell396 oder aber auch immateriell397 zu verstehen sind. Sie übersehen darüber hinaus, dass die Bedeutung der einzelnen Begriffe wie „Existenzgrundlage“ oder „lebensnotwendige Bedürfnisse“ im ersten Schritt anhand ihres Wortlauts zu bestimmen wäre. Erst im zweiten Schritt könnte dann gefragt werden, ob hierbei ein weites immaterielles oder enges materielles Verständnis angezeigt ist. Den notwendigen ersten Schritt leisten die erwähnten Ansätze jedoch nicht. Im Ergebnis streitet die teleologische Auslegung also dafür, die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG als ein einheitliches Merkmal zu verstehen. Dahinstehen kann deshalb auch die Diskussion, ob die Konjunktion „und“ in dem Zusammenhang alternativ oder kumulativ zu verstehen ist398. Denn mit Inhalt zu füllen ist nachfolgend nur der Begriff des „existenziellen Bereichs“. Dieses Verständnis bestätigt sich im Übrigen auch anhand der gewonnen Erkenntnis, dass bei unbestimmten Rechtsbegriffen regelmäßig weniger an das Begriffsverständnis einzelner Wörter, sondern vermehrt an den Leitgedanken der Vorschrift anzuknüpfen ist, um ihren Inhalt zu bestimmen399. b) Grundrechtliche Anknüpfung aa) Grundrechtsrelevanz der Altfälle Die Sichtung der vom Bundesfinanzhof seinerzeit anerkannten Fallgruppen, in denen ein Abzug der Kosten möglich war, lässt einen deutlichen Grundrechtsbezug dieser Konstellationen zu Tage treten: Sie rankten sich nämlich im Kern um Fallgestaltungen, in denen Art. 6 GG angesprochen war: Für den Bereich der in ständiger Rechtsprechung für abzugsfähig erklärten Scheidungskosten400 liegt dieser darin, dass Art. 6 Abs. 1 GG auch die Scheidung schützt. So liegt dem Grundgesetz die Idee der verweltlichten bürgerlich-rechtlichen Ehe zugrunde, welche die Möglichkeit ihres Scheiterns und damit auch ihrer Scheidung umfasst401. In einer anderen Streitigkeit, die das Umgangsrecht mit dem eigenen Kind betraf, war ebenso ein deutlicher Bezug zu Art. 6 Abs. 1 GG gegeben402, denn auch der (nichteheliche) Kindsvater ist Träger der Elternrechte aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG403. 396 BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988, 989; FG Sachsen v. 13.11.2014 – 2 K 1399/14, EFG 2015, 644, 646; FG Niedersachsen v. 18.2.2015 – 3 K 297/14, EFG 2015, 725, 727. 397 FG Rheinland-Pfalz v. 16.10.2014  – 4 K 1976/14, EFG 2015, 39, 41; FG Münster v. 21.11.2014 – 4 K 1829/14 E, EFG 2015, 221, 223. 398 Vgl. dazu oben sub Kap. 4 B. II. 2. a). 399 Vgl. dazu oben sub Kap. 6 A. II. 2. 400 St. Rspr. seit BFH v. 21.3.1958 – VI 14/54 U, BStBl. III 1958, 329. 401 BVerfG v. 28.2.1980 – 1 BvL 136/78 u. a., BVerfGE 53, 224, 245. 402 So auch BFH v. 4.12.2001 – III R 31/00, BStBl. II 2002, 382, 384. 403 BVerfG v. 7.3.1995 – 1 BvR 790/91, BVerfGE 92, 158, 177 ff.

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Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

Dieser Befund in Bezug auf die Altfälle rückt die Grundrechte in den Fokus der Frage, mit welchem Inhalt der „existenzielle Bereich“ des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG zu füllen ist. bb) „Rechtsverfolgungsdimension“ der Grundrechte Um diesen unbestimmten Rechtsbegriff zu erschließen, ist in der Tat an Grundrechte anzuknüpfen. Dafür spricht, zu weiteren Argumenten sogleich, dass Grundrechte stets auch eine Rechtsschutzdimension haben, wie im Zusammenhang mit dem „chilling effect“ dargestellt worden ist404. Es ist also zu konstatieren, dass Grundrechte unverkennbar auch einen Bezug zur Rechtsverfolgung haben. Dieser Zusammenhang kann gewissermaßen als Teil der Eigenheiten des Themenfeldes „Rechtsverfolgungskosten“, um welches es hier geht, anerkannt werden. Derartige Besonderheiten einer Materie können im Rahmen der teleologischen Auslegung als „abstrakte Gesetzeszwecke“ berücksichtigt werden405. So ist vor dem Hintergrund der Besonderheiten der Materie zu fragen, ob diesen im Rahmen der Auslegung sachgerecht Rechnung getragen wird406. Wenn also Rechtsverfolgung durch Grundrechte geprägt ist, erscheint es im vorgenannten Sinne nur sachgerecht, wenn für die Füllung des Inhalts des Ausnahmetatbestands, der gerade die Umstände der Rechtsverfolgung beschreibt, an Grundrechte angeknüpft wird. cc) Die „Ausstrahlungswirkung“ der Grundrechte Die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG407 werden hier mit einer ihrerseits unbestimmten Größe konkretisiert. Wie bereits vorgestellt, wird die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gerade in diesem Bereich wirksam408. Deshalb ist es naheliegend, dass diese inhaltsfüllende Wirkung der Verfassung auch im Bereich des „existenziellen Bereichs“ spürbar wird.

404

Vgl. dazu insgesamt oben sub Kap. 6 B. II. 3. a). Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 71. 406 Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 71. 407 Vgl. dazu oben sub Kap. 6 A. II. 2. 408 BVerfG v. 15.1.1958 – 1 BvR 400/57, BVerfGE 7, 198, 205 ff.; zu den weiteren Nachweisen siehe schon oben sub Kap. 6 A. II. 2. 405

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dd) „Normalität“ und subjektivrechtlicher Gehalt der Grundrechte Die Vorschrift des § 33 EStG hat unter anderem409 den Zweck, dem Erhalt und der Rückgewinnung der Normalität des einzelnen Steuerpflichtigen zu dienen410. Zwar ist der Begriff der „Normalität“ einer, der „nach dem in der jeweiligen Gegenwart erreichten Niveau zu verallgemeinern ist“411. Um aber verallgemeinern zu können, muss Normalität doch seinen Ausgang bei den Verhältnissen des einzelnen Individuums nehmen412. So fügt sich schließlich der zusätzliche Gedanke Paul Kirchhofs ein, dass die von § 33 EStG geschützte Normalität ebenso freiheitlich-individuell geprägt ist413. Diese Sichtweise, die nicht nur auf das „große Ganze“, sondern vor allem auf den Einzelnen abstellt, ist auch den Grundrechten selbst eigen. In diesem Zusammenhang sei Josef Isensee zitiert: „Grundrechte sind Chancen zum Einzigartigen, Abweichenden, Exzentrischen bin hin zum Willkürlichen. Wenn Grundrechte überhaupt einen festen, definierbaren Wesensgehalt aufweisen sollten, dann liegt dieser in der souveränen Entscheidungsgewalt des Individuum, seine Daseinsverfassung selbst zu gestalten. Grundrechte umschließen daher ursprüngliche Spontaneität. Sie verkörpern das Gegenprinzip zu staatlicher Nivellierung. Als Ordnungsfaktoren konstituieren sie ein gesellschaftliches System der privaten Initiative, der institutionellen Offenheit und des Pluralismus. Ihre Funktion liegt ganz wesentlich darin, gesellschaftliche Vielfalt und Besonderheit zu ermöglichen, die Minderheit vor Überwältigung durch die Mehrheit zu schützen und dem Nonkonformisten, mag er zur Avantgarde oder zu Arrieregarde des Fortschritts oder zu gar keiner Garde gehören, das Lebensrecht zu sichern. Wer dagegen seine Erfüllung darin findet, nach staatlicher Facon selig zu werden, bedarf keiner Grundrechte 414.“

Dieser subjektivrechtliche, das Individuum verteidigende Gehalt der Grundrechte ist auch in der übrigen Staatsrechtswissenschaft anerkannt415.

409

Zu dem weiteren Normzweck siehe schon oben sub Kap. 2 A. III. 1. a). Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 2; zu den weiteren Nachweisen siehe schon oben sub. Kap. 2 A. III. 1. b). 411 P. Kirchhof, Gutachten F 57. DJT 1988, S. 62 f. 412 P. Kirchhof, Gutachten F 57. DJT 1988, S. 62: „[…] sichert umgekehrt das Sozialstaatsprinzip die Dazugehörigkeit jedes einzelnen zum Staatsvolk in seinen jeweils erreichten allgemeinwirtschaftlichen Standards“ (Hervorh. d. Verf). 413 P. Kirchhof, Gutachten 57. DJT 1988, S. 63: „Hinzu tritt die freiheitlich-rechtsstaatliche Normalität, durch eigenes Erwerben (Art. 12, 14 GG) individuelles, verschiedenes Vermögen auf Dauer zur eigenen Nutzung und Verfügung innezuhaben. Das EStG erleichtert mit der Verschonung außergewöhnlicher Belastungen den Verbleib in der Normalität und die Rückkehr zur Normalität“. 414 Isensee, Die typisierende Verwaltung, S. 142. 415 Merten, in: HGR II, § 27 Rn. 53 (mit Ausführungen zum Demokratiegehalt); Rupp, JZ 2001, 271, 276 f.; ders., AöR 101 (1976), S. 161, 166 f.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 414, 444, 452. 410

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Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

Hieraus folgt freilich nicht, dass für die von § 33 EStG geschützte Normalität jedwedes „einzigartige“, „exzentrische“ oder „willkürliche“ grundrechtlich geschützte Verhalten416 maßgeblich ist. Vielmehr soll nur deutlich gemacht werden, dass individuelles, grundrechtlich geschütztes Verhalten jene Normalität eben mitbestimmen kann. Dies streitet – in Ergänzung417 zur soeben bereits angesprochenen Ausstrahlungswirkung – für ein Anknüpfen an Grundrechte, um damit den „existenziellen Bereich“ des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG zu erschließen. ee) Freiheitsrechtliche Einflüsse auf das Nettoprinzip Am gewichtigsten schlägt für eine grundrechtliche Anknüpfung schließlich der Einfluss der (Freiheits-)Grundrechte auf das einkommensteuerliche subjektive Nettoprinzip zu Buche. Bereits das Bundesverfassungsgericht hat im Bereich von Privataufwendungen betont, dass vor allem der Einfluss der jeweils betroffenen Grundrechte einen Abzug gebieten kann418. Auch wurde erarbeitet, dass Art. 3 Abs. 1 GG in freiheitsrechtlich geschützten Konstellationen einen Anspruch darauf verleihen kann, dass der jeweilige Steuerpflichtige die hier verausgabten Geldmittel im Vergleich zu anderen Steuerpflichtigen dem staatlichen Steuerzugriff nicht unterwerfen muss; der Gleichheitssatz ist insoweit freiheitsrechtlich mitgeprägt419. In jüngerer Vergangenheit ist auch in der Literatur dieser Einfluss der Freiheitsrechte auf das subjektive Nettoprinzip betont worden420. So kann dieses jenseits existenzieller Bedürfnisse einen Abzug gebieten, wenn die Aufwendungen deshalb indisponibel sind, weil sie „nach Grund und Höhe unabdingbare Voraussetzung oder Folge einer Grundrechtswahrnehmung durch den Steuerpflichtigen sind“421. Dadurch wird auch deutlich, dass der „existenzielle Bereich“ des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG nicht bloß – wie der erste Eindruck mitunter nahelegen mag – im Sinne eines „Existenzminimumsbereichs“ verstanden werden darf. Vielmehr geht er hier – im Gleichlauf zur Ratio des § 33 EStG, die daneben auch auf den Erhalt und die Rückgewinnung der Normalität des Einzelnen abzielt422 – darüber hinaus423. 416

Nach Isensee, Die typisierende Verwaltung, S. 142. Rupp, AöR 101 (1976), S. 161, 166: „Die Grundrechtsnormen haben aber nicht nur diese objektivrechtliche Kraft, sondern erkennen den einzelnen Grundrechtsbegünstigten zugleich als Subjekt, als Inhaber und eigenverantwortlicher Träger des Freiheitsrechts und nicht nur als bloß reflexartig an einer objektiv-rechtlichen Begünstigung partizipierendes Objekt an“. 418 BVerfG v. 4.12.2002 – 2 BvR 400/98 u. a., BVerfGE 107, 27, 49; vgl. zum entsprechenden Ausschnitt aus dem Urteil oben sub Kap. 6 B. III. 2. b). 419 Steger, Die außergewöhnliche Belastung im Steuerrecht, S. 112 m. w. N., zu weiteren Nachweisen siehe oben sub Kap. 6 B. III. 2. b). 420 Englisch, DStJG 37 (2014), S. 159, 168 ff. 421 Englisch, DStJG 37 (2014), S. 159, 168. 422 Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 2; zu weiteren Nachweisen bereits oben sub Kap. 2 A. III. 1. b). 423 Dieser Ansatz bewirkt freilich keineswegs die – nicht überzeugende – Abzugsfähigkeit von Prozesskosten in einem Umfang, wie sie der VI. Senat im Urteil vom 12.5.2011 (BStBl. II 417

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2. Kriterien im Einzelnen a) Verständnis des Grundrechtsbezugs Für die im Rahmen des „existenziellen Bereichs“ maßgebliche Bezugnahme auf Grundrechte dürfte klar sein, dass hier der Grundrechtsbezug der vom Steuerpflichtigen betriebenen Rechtsverfolgung entscheidend sein muss. Nimmt man zunächst den Aspekt der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte in den Blick, so erfolgt die Anknüpfung dabei vor allem anhand des objektiv-rechtlichen Gehalts der Grundrechte424. Dies gilt hier vor allem im Bereich privatrechtlicher Verfahren. Aus der Warte des freiheitsrechtlichen Einflusses auf das subjektive Nettoprinzip kann jedoch allgemein auch auf einen klassischen abwehrrechtlichen Gehalt der Grundrechte425 abgestellt werden. Darüber hinaus ist in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten auch an weitere unmittelbare Gewährleistungen zu denken, so etwa an grundrechtliche Leistungsrechte426. In jedem Falle ist aber nach einem Bezug des jeweiligen Ziels der Rechtsverfolgung zu den Inhalten der Grundrechte zu fragen, die durch die sachlichen Schutzbereiche definiert werden. b) Erheblicher Grundrechtsbezug Freilich kann hierbei nicht jedweder Grundrechtsbezug ausreichen. Da jedenfalls immer Art. 2 Abs. 1 GG berührt sein könnte427, wären andernfalls sämtliche Kosten abzugsfähig. Es bedarf daher eines Abgrenzungsmaßstabs. Um den Ausnahmetatbestand zu erfüllen, ist in diesem Sinne ein „erheblicher“ Grundrechtsbezug zu fordern. 2011, 1015) befürwortete (siehe zu den begrenzenden Kriterien die nachfolgenden Ausführungen unter „Kriterien im Einzelnen“). Aber auch das andere Extrem kann nicht richtig sein. Bei Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastungen, S. 190 ist im Zusammenhang mit Prozesskosten zu lesen: „Der existenzsichernde Charakter von § 33 EStG bedingt ein restriktives Normverständnis. Das Existenzminimum determiniert die steuerrechtlich maßgebliche Minderung der subjektiven Leistungsfähigkeit“. Soweit hiermit ausgedrückt werden soll, dass ein Prozesskostenabzug nach § 33 EStG zukünftig faktisch ausgeschlossen ist, wäre einer solchen These zu widersprechen. Dies ergibt sich aus der Einsicht, dass § 33 EStG zwar auch, aber eben nicht ausschließlich die Sicherung des atypischen Existenzminimums bezweckt (vgl. dazu oben sub Kap. 2 A. III. 1. b)) und deshalb auch in Konstellationen, die über das Existenzminimum hinausgehen, in Betracht kommen kann. 424 Dazu Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 20. 425 Dazu Sachs, in: ders., GG, Vor Art. 1 Rn. 42 ff. m. w. N.; Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn 14. 426 Dazu Sachs, in: ders., GG, Vor Art. 1 Rn. 46 ff. 427 Rimmelspacher, in: FS Henckel, S. 691, 702 (Fußnote); auch Englisch, DStJG 37 (2014), S. 159, 168 ff. weist im Zusammenhang mit seiner Forderung nach der „Zurücknahme der Lehre vom indisponiblen Einkommen“ darauf hin, dass der Grundrechtsbezug allein nur ein „erster Grobfilter“ sei. Da oftmals Art. 2 Abs. 1 GG eingreife, bedürfe es weiterer Voraus­ setzungen.

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Da es sich dabei um eine Wertungsfrage handelt428, kann an dieser Stelle nicht allgemeingültig für alle Arten von Prozesskosten ein Kriterienkatalog aufgestellt werden. Fest steht aber zumindest, dass Art. 2 Abs. 1 GG allein hier kein taug­licher Anknüpfungspunkt sein kann und ein erheblicher Grundrechtsbezug insoweit a priori ausscheidet, weil diesem Grundrecht keine positive Wertung des vom Bürger an den Tag gelegten Verhaltens zukommt. Denn der Tatbestand der allgemeinen Handlungsfreiheit erfasst jedes beliebige, mitunter auch sozialschädliche Verhalten und ist daher wertneutral429. Hinsichtlich der übrigen Freiheitsrechte, die den „existenziellen Bereich“ hingegen mit Inhalt füllen können, erscheint es sinnvoll, Sinn und Zweck der Norm – die Sicherung des Existenzminimums wie den Erhalt und die Rückgewinnung der Normalität des Steuerpflichtigen – prominent in den Mittelpunkt zu stellen und davon ausgehend im nachfolgenden Kapitel Fallgruppen zu bilden430. Die Frage nach dem erheblichen Grundrechtsbezug einer Maßnahme zur Rechtsverfolgung beantwortet sich auf diese Weise431. c) Ultima-Ratio-Gedanke, Erfolgsaussichten und Missbrauchsabwehr Der festzustellende erhebliche Grundrechtsbezug muss ferner dadurch qualifiziert sein, dass dem Steuerpflichtigen der Schritt zur kostenverursachenden Rechtsverfolgung – ob auf dem gerichtlichen Wege oder auf andere Weise – als einzige mögliche Handlungsoption verbleibt, seine Rechte durchzusetzen und dies auch nicht missbräuchlich erscheint. Ein solches Verständnis findet seine Berechtigung zunächst in den allgemeinen Grundsätzen der Zwangsläufigkeit des § 33 EStG, nach denen Kosten nur dann zwangsläufig sind, wenn der Steuerpflichtige „ihnen

428

Dieses Wertungserfordernis sieht auch Englisch, DStJG 37 (2014), S. 159, 169 in seinem Vorschlag. So soll ein Abzug im Sinne des subjektiven Nettoprinzips in grundrechtlich geschützten Konstellationen geboten sein, wenn „wertend festgestellt [ist], ob der konkrete Verwendungszweck in einer dem Existenzminimum vergleichbaren Weise indiziert, dass der Steuerpflichtige insoweit stets einen absoluten Vorrang der Eigenbedarfsdeckung reklamieren kann“. Letztlich wird mit diesem Vergleich auf das Existenzminimum – ähnlich wie bei dem hier befürworteten Verständnis – auch auf die „Erheblichkeit des Grundrechtsbezugs“ abgestellt. Denn man wird nur bei Erheblichkeit einen solchen „Vorrang der Eigenbedarfs­ deckung“ annehmen können. 429 Murswiek / Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 53; Di Fabio; in: Maunz / Dürig, Art. 2 Abs. 1 Rn. 16; differenzierend von Kielmansegg, Grundrechte im Näheverhältnis, S. 355 ff. m. w. N. 430 So zu unbestimmten Rechtsbegriffen Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 51; vgl. auch schon oben sub Kap. 6 A. II. 2. 431 So ist ein solches Vorgehen auch typisch sowohl für den Abzugstatbestand des § 33 EStG, der sich gerade durch eine umfangreiche Kasuistik auszeichnet (siehe dazu etwa Steger, Die außergewöhnliche Belastung im Steuerrecht, S. 39 ff.), als auch für den Abzugsgegenstand der Prozesskosten, für die inhaltlich ebenso differenziert werden muss, siehe dazu schon oben sub Kap. 2 B. I., II. und III.

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nicht auszuweichen vermag“432. Im Hinblick auf die Frage, wann die Rechtsverfolgung die „einzige mögliche Handlungsoption“ darstellt, sollten jedoch keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Sobald die Rechtsauffassungen desjenigen, der ein Recht geltend macht, und desjenigen, der dieses abwehren will, voneinander abweichen und der Fall nicht im nachfolgend beschriebenen Missbrauchsbereich anzusiedeln ist, kann die kostenverursachende Rechtsverfolgung die letzte Möglichkeit sein433. Weiterhin ist es auch deshalb angezeigt, eine solche begrenzende Voraussetzung einzuziehen, weil die missbräuchliche Inanspruchnahme des § 33 EStG verhindert werden sollte434. So kann eine Maßnahme, der keinerlei Erfolgsaussichten beschieden sind, für den Einzelnen nicht unvermeidbar sein. Überhöhte Anforderungen können auch hier indes nicht gestellt werden. Denn die Kapazitäten der Finanzverwaltung werden regelmäßig nicht ausreichen, um detailliert etwa zivilrechtliche Verfahren in ihren Erfolgsaussichten zu würdigen435. Zu fordern ist daher lediglich eine summarische Kontrolle. Denn andernfalls wäre der Steuerverwaltung auch kein effizientes Handeln möglich436. Dem kann dadurch Rechnung getragen werden, dass lediglich zu prüfen ist, ob Anhaltspunkte für mangelnde Aussichten auf Erfolg offensichtlich sind. In Anlehnung an § 114 ZPO437 ist dabei in Zweifelsfällen als Hilfsüberlegung zu beachten, ob „der vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht“438. Mutwilligkeit und damit missbräuchliche Rechtsverfolgung ist anzunehmen, wenn trotz hinreichender Erfolgsaussichten ein vernünftiger Dritter bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung absehen würde439.

432

BFH v. 4.8.2016 – VI R 47/13, BStBl. II 2017, 276, 278 m. w. N. Hier kann vor allem auch der Rechtsgedanke des § 93 ZPO fruchtbar gemacht werden (Kostentragung bei sofortigem Anerkenntnis). Der Anspruchssteller muss also davon aus­gehen dürfen, dass er ohne Beschreiten eines kostenverursachenden Weges sein Recht nicht bekommen würde, so Muthorst, in: Stein / Jonas, ZPO, § 93 Rn. 13 m. w. N. 434 So immerhin auch BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015, 1017. 435 So schon BMF v. 20.12.2011, BStBl. I 2011, 1286. 436 Zu solchem effizienten Staatshandeln etwa Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 69 ff. 437 Für eine solche Anknüpfung schon Bron / Ruzik, DStR 2011, 2069, 2070. Diese hat vor allem für sich, dass zu § 114 ZPO reichlich Rechtsprechung und Literatur vorhanden ist, die in Zweifelsfällen ergänzend herangezogen werden kann, siehe dazu Bork, in: Stein / Jonas, ZPO, § 114 Rn. 21 ff. m. w. N. 438 BGH v. 14.12.1993  – VI ZR 235/92, NJW 1994, 1160, 1161; vgl. dazu auch Bork, in: Stein / Jonas, ZPO, § 114 Rn. 21 ff. 439 Vgl. den Wortlaut des § 114 Abs. 2 ZPO; dazu auch Bork, in: Stein / Jonas, ZPO, § 114 Rn. 27 ff. 433

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Kap. 6: Bestimmung des zutreffenden Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG 

III. Fazit der teleologischen Auslegung und Gesamtfazit zum Verständnis der Norm Die Rechtsfolgenanordnung „sind vom Abzug ausgeschlossen“ des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG stellt eine unwiderlegbare Vermutung dar, die entsprechende Aufwendungen für nicht zwangsläufig erklärt440. Die übrigen Voraussetzungen des § 33 sind zusätzlich zu prüfen441. Auf der Tatbestandsseite der Vorschrift ist der Begriff des „Rechtsstreits“ zu verstehen als jedes nicht notwendigerweise förmliche Verfahren gerichtlicher oder außergerichtlicher Art, das eine rechtliche Auseinandersetzung zwischen mindestens zwei Beteiligten zum Gegenstand hat, wobei hier Private sowohl anderen Privaten als auch der öffentlichen Gewalt gegenüberstehen können. „Führen“ meint in diesem Zusammenhang insbesondere auch Handlungen, die Prozessen vorgelagert sind oder diese beenden. „Aufwendungen“ meint bewusste Vermögensopfer, insbesondere das Ausgeben von Geld. Die Ausnahmetatbestände des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG „Gefahr des Verlusts der Existenzgrundlage“ sowie „Gefahr des Nicht-Mehr-Befriedigens-Könnens lebensnotwendiger Bedürfnisse“ können nicht in der Weise erschlossen werden, dass ihre einzelnen Wortbestandteile ausgelegt und definitorisch gefüllt werden. Vielmehr sind sie als einheitlicher „existenzieller Bereich“ zu lesen, zu verstehen und auszulegen. Zu diesem „existenziellen Bereich“ gehören Prozessaufwendungen dann, wenn erstens die gerichtliche oder außergerichtliche Rechtsverfolgung einen erheblichen grundrechtlichen Bezug aufweist. Zum zweiten muss dieser Grundrechtsbezug dadurch qualifiziert sein, dass dem Steuerpflichtigen der Schritt zur Rechtsverfolgung als einzige mögliche Handlungsoption zum Durchsetzen seiner Rechte verbleibt und keine Anhaltspunkte für mangelnde Erfolgsaussichten oder missbräuchliches Verhalten vorliegen. Dabei ist lediglich in summarischer Prüfung danach zu fragen, ob Anhaltspunkte für mangelnde Erfolgsaussichten offensichtlich sind. Als Hilfsüberlegung können dabei im Bedarfsfalle die Kriterien des § 114 ZPO herangezogen werden.

440 441

Vgl. dazu oben sub Kap. 6 F. III. Vgl. dazu oben sub Kap. 6 F. III.

Kapitel 7

Abziehbarkeit nach Fallgruppen – „Rechtsetzung“ 1 Aus der Bezeichnung „Fallgruppen“ folgt bereits, dass nachfolgend gerade nicht konkrete Fälle diskutiert werden sollen. Vielmehr ist es das Ziel dieser Arbeit, eine Bereichseingrenzung vorzunehmen, der bestimmte Typen von abziehbaren Rechtsverfolgungskosten zugeordnet werden kann. Das Kapitel exemplifiziert diese Frage anhand der gerichtlichen Prozesskosten2. Klar ist, dass die dabei gefundenen Ergebnisse auch für die entsprechenden Fälle vorgerichtlicher Rechtsverfolgung gelten müssen3. Denn entscheidend für das Bejahen des Ausnahmetatbestands des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG ist der Gegenstand, um den es bei der Verteidigung von Rechten geht, und nicht das Mittel, das hierzu eingesetzt wird. Ist ein Abzug gerichtlicher Aufwendungen demzufolge zu bejahen, muss dies konsequenterweise auch gelten, soweit derartige Inhalte im Rahmen außergerichtlicher Rechtsverfolgung zu beurteilen sind. Die nachfolgenden Ausführungen unterscheiden zunächst grob nach verschiedenen Verfahrensarten. Innerhalb dieser sortieren sie dann jedoch auch nach inhaltlichen Gemeinsamkeiten des Streitgegenstandes. Soweit es nicht anders heißt, wird jeweils der Frage nachgegangen, ob der Grundrechtsbezug in einer bestimmten Konstellation erheblich ist4. Die zugrundeliegenden Aufwendungen erfüllen dann den Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG und sind abzugsfähig5. Auf Einzelheiten kann dabei nicht eingegangen werden. Die Darstellung betrifft zum einen Fallgestaltungen, zu denen bereits Entscheidungen ergangen sind. Zum anderen geht es auch um solche, zu denen bislang noch keine Judikatur vorliegt. Besonders letztere können der gesamten Materie 1

Zur Teilung von Rechtsgewinnung in „Rechtserkenntnis“ und „Rechtsetzung“ siehe schon oben sub Kap. 5 A. Bei der Frage der Abziehbarkeit von Aufwendungen typischer Fallgruppen muss der Blick hier freilich über den § 33 Abs. 2 S. 4 EStG hinaus auch auf die weiteren Voraussetzungen des § 33 EStG gelenkt werden. 2 Vgl. hierzu die Klassifizierung der Rechtsverfolgungskosten oben sub Kap. 2 B. 3 Zu verschiedenen Formen vorgerichtlicher Rechtsverfolgung siehe oben sub Kap. 2 B. II. 4 Zwar sind Prozesskosten grundsätzlich auf sämtliche Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 EStG hin zu prüfen (siehe dazu oben sub Kap. 6 F. III.). Sie müssen jedoch nicht lehrbuchartig auf jede Voraussetzung des § 33 Abs. 1 EStG abgeklopft werden. Vielmehr erscheint es sinnvoll, auf diese nur dann einzugehen, soweit sie sich als problematisch erweisen. 5 Auch die weiteren Voraussetzungen, die für ein Erfüllen des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG erforderlich sind (siehe oben sub Kap. 6 G. III.), werden nur angesprochen, soweit sie einem Abzug in der konkreten Fallgruppe entgegenstehen könnten.

176

Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

wichtige Impulse geben, um konkrete Fälle in der Rechtspraxis zu bewältigen. Ein Anspruch auf Vollständigkeit erhebt sich mit den nachfolgenden beispielhaften Überlegungen nicht.

A. Allgemeines Sollte sich herausstellen, dass ein Verfahren nur zum Teil dem „existenziellen Bereich“ zuzuordnen ist, sind die Gesamtkosten entsprechend der jeweiligen Streit- und Gegenstandswerte aufzuteilen und dem jeweils existenziellen Teil des Verfahrens i. S. v. § 33 Abs. 2 S. 4 EStG zuzuordnen6. Im Übrigen sollen die nachfolgenden allgemeinen Ausführungen genügen.

I. Die Auswirkung des „chilling effect“ Nach den im vorherigen Kapitel dargelegten Tatbestandsvoraussetzungen des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG a. E.7 wird es Fälle geben, in denen von dem notwendigen erheblichen Grundrechtsbezug eindeutig auszugehen ist, zum anderen wird es Konstellationen geben, bei denen ein solcher Bezug eindeutig ausscheidet. Es ist aber auch denkbar, dass die Dinge nicht derart „glatt“ gelagert sind, dass also sowohl Gründe für wie auch gegen ein Erfüllen der Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG streiten. In derartigen Zweifelsfällen kommt nun die im Rahmen der Beschäftigung mit dem „chilling effect“ erarbeitete Auslegungsmaxime zum Tragen: Um dem verfassungsrechtlichen Gebot, den Abschreckungseffekt des prozessualen Kostenrisikos auf die Rechtsverfolgung abzudämpfen, umfassend nachzukommen, ist dann die Abziehbarkeit der fraglichen Aufwendungen in dubio zu bejahen8. Angesprochen und angewandt wird diese Regel im Rahmen der nachfolgenden Darstellung also immer dann, wenn Fälle gegeben sind, die sich nicht eindeutig würdigen lassen.

II. Belastungsprinzip Aus dem Belastungsprinzip des § 33 Abs. 1 EStG9 folgt, dass der Abzug ausscheidet, soweit ein Dritter, hier insbesondere ein Rechtsschutzversicherer, der Gegner der Rechtsverfolgung oder auch die Gerichtskasse die Kosten trägt bzw. 6 BFH v. 17.12.2015  – VI R 7/14, BFH / N V 2016, 817, 818; v. 19.11.2015  – VI R 42/14, BFH / N V 2016, 739, 741; zustimmend Geserich, jurisPR-SteuerR 20/2016 Anm. 2. 7 Dazu oben sub Kap. 6 G. III. 8 Siehe dazu ausführlich oben sub Kap. 6 B. II. 4. b). 9 Grever, Außergewöhnliche Belastungen im Steuerrecht, S. 54 ff. ausführlich zur Problematik unter dem Aspekt der Prozesskosten.

A. Allgemeines

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nachträglich erstattet10. Zwar gilt für außergewöhnliche Belastungen grundsätzlich nach § 11 Abs. 2 EStG das Abflussprinzip11, doch wird dieses hier speziell durch das Belastungsprinzip überlagert12. Soweit die Erstattung bei Veranlagung bereits erfolgte, ist schlicht kein Abzug vorzunehmen13. Steht die Erstattung aber noch aus, so empfiehlt es sich, diese zu schätzen und die Steuer nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder nach § 165 Abs. 1 AO vorläufig festzusetzen14. Wenn dies nicht geschehen ist, es aber gleichwohl zu Erstattungen kommt, kann der Bescheid nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO geändert werden15. Dasselbe gilt schließlich auch dann, wenn eine sicher erwartete Erstattung ausbleibt und ein Abzug deshalb nicht vorgenommen worden ist16. Eine Belastung muss schließlich auch dann ausscheiden, wenn ein Steuerpflichtiger auf Ersatzoder Erstattungsansprüche etwa gegen den Rechtschutzversicherer oder den Gegner der Rechtsverfolgung verzichtet17.

10 BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015, 1017; v. 30.6.1999 – BFH III R 8/95, BStBl II 1999, 766, 768 m. w. N.; Stöber, FR 2011, 790, 793, 794. 11 Krüger, in: Schmidt, EStG, § 11 Rn. 50 Stichwort „Außergewöhnliche Belastungen“. 12 BFH v. 30.6.1999 – III R 8/95, BStBl. II 1999, 766, 768; FG München v. 16.10.2014 – 8 K 981/12, EFG 2015, 408, 409; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 18 m. w. N.; Kühnen, EFG 2015, 409. 13 Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 18; vgl. zur gesamten Problematik wie auch zu entsprechenden verfahrensrechtlichen Schwierigkeiten Kühnen, EFG 2015, 409 f. 14 Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 14; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 18 m. w. N.; a. A.  Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 42: Verrechnung im Veranlagungszeitraum der jeweiligen Erstattung. 15 FG Köln v. 17.3.1988 – 7 K 1037/87, EFG 1988, 422, 423 m. w. N.; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 18; Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 14; dagegen könnte man freilich einwenden, dass die Tatsachenlage schon bei Erlass des Erstbescheids unrichtig beurteilt wurde, es sich also später nicht mehr um ein rückwirkendes Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO handeln kann (so etwa Sunder-Plassmann, in: Littmann / Bitz / Meincke, EStR, 14.  Auflage 1985, § 33 Rn. 22a f.). Bei einer solchen Betrachtungsweise wären die Finanzbehörden aber gleichsam gezwungen, sämtliche Steuerpflichtige, bei denen außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden sollen, nach den §§ 164, 165 AO nur vorläufig zu veranlagen. Dazu wie zu weiteren Bedenken gegen diese Gegenansicht schon FG Köln v. 17.3.1988 – 7 K 1037/87, EFG 1988, 422, 423. 16 Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 18; Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 14. 17 Überwiegend wird dies in der Literatur nicht als Fehlen der Belastung, sondern als mangelnde Zwangsläufigkeit angesehen, vgl. Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 102; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 31. Am Ergebnis ändert dies nichts. Eine mögliche zivilrechtliche Erstattungsfähigkeit kann hier vor allem unter Schadensersatzgesichtspunkten gegeben sein, vor allem im Wege eines allgemeinen Schadensersatzanspruchs oder eines Verzugsschadensersatzanspruchs; ein guter diesbezüglicher Überblick mit denkbaren Fallgestaltungen ist zu finden bei Hunecke, NJW 2015, 3745 ff.

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

III. Gerichtliche Verfahren – noch außergewöhnlich? In der Literatur ist die Frage angesprochen worden, ob Kosten eines gerichtlichen Verfahrens angesichts des massenhaften Anrufens der Justiz als außergewöhn­lich i. S. v. § 33 EStG anzusehen sind18. Bei dem Tatbestandsmerkmal der Außergewöhnlichkeit kommt es entscheidend darauf an, dass die Aufwendungen ihrer Ursache nach bei der überwiegenden Anzahl der Steuerpflichtigen nicht entstehen19. Betrachtet man stellvertretend nur die Zahl der Neueingänge erstinstanzlicher Zivilsachen, so ist über die letzten Jahre ein leichter Anstieg zu konstatieren20. Auch absolut betrachtet ist die Zahl mit 1.261.954 Zivilverfahren für das Jahr 201821 immens hoch. Wenn man aber aus Gründen der Einfachheit unterstellen würde, dass sich diese Verfahren gleichmäßig auf den Bevölkerungsstand in Deutschland zum 30.6.2019 von 83.073.100 Einwohnern22 verteilten und an einem Verfahren jeweils nur eine Person beteiligt wäre, so würden gerade mal 1,5 % der Bevölkerung in Deutschland ein solches Verfahren einleiten. Diese Zahl wirkt nun wieder ganz anders im direkten Vergleich zu der isolierten Sicht auf die Zahl von über einer Millionen neuer erstinstanzlicher Zivilsachen. Sie spricht für die Außergewöhnlichkeit entsprechender Verfahren23. Eine rein zahlenmäßige Betrachtungsweise kann aber auch nicht zielführend sein. Zu beachten ist, dass ein Gerichtsverfahren für den durchschnittlichen Steuerpflichtigen eine wirtschaftlich bedeutsame und – jedenfalls für den nicht juristisch Bewanderten, aber nicht notwendig nur für diesen – vor allem auch eine emotional aufregende Angelegenheit ist24; den Gang „zu Gericht“ erlebt so mancher in seinem

18 Dieser Aspekt wurde auch in der Literatur bereits angesprochen, wenngleich ohne klare Antwort, vgl. Bron / Ruzik, DStR 2013, 2069, 2070. 19 Dazu BFH v. 17.6.1994 – III R 42/93, BStBl. II 1994, 754, 755; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 11; siehe zu weiteren Nachweisen schon oben sub Kap. 2 A. III. 2. b). 20 Während im Jahre 2017 1.244.697 erstinstanzliche Zivilsachen (ohne Familiensachen) zu verzeichnen waren, stieg die Zahl für das Jahr 2018 leicht auf 1.261.954, zu dem Nachweis siehe bereits oben sub Kap. 1 A. 21 Zum dem Nachweis siehe bereits oben sub Kap. 1 A. 22 Quelle: Statistisches Bundesamt; https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/​ Bevoelkerung/Bevoelkerungsstand/Tabellen/liste-zensus-geschlecht-staatsangehoerig​keit.html (zuletzt abgerufen am 23.12.2019). 23 Rechnet man die übrigen Gerichtsverfahren ohne staatsanwaltschaftliche Verfahren für das Jahr 2018 hinzu (3.449.930), wäre ein Prozentsatz von 4,2 % gegeben. Zählt man auch die staatsanwaltschaftlichen Verfahren mit (8.365.202 bestehend aus 3.449.930 gerichtlichen und 4.915.272 staatsanwaltschaftlichen Verfahren), wäre eine Quote von 10,1 % gegeben, siehe zu den Nachweisen der absoluten Zahlen bereits oben sub Kap. 1 A. Damit wäre also selbst bei Berücksichtigung sämtlicher Verfahren nur jeder Zehnte von einem solchen Verfahren betroffen – auch das lässt die These von der Außergewöhnlichkeit der Prozesskosten noch nicht in sich zusammenbrechen. 24 Tipke, StuW 2008, 377, 380: Ein Gerichtsverfahren ist „riskant“.

A. Allgemeines

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ganzen Leben überhaupt kein einziges Mal25. Auch insofern kann von Gewöhnlichkeit gerichtlicher Verfahren und ihrer Kosten nicht die Rede sein. Gerichtliche Prozesskosten sind damit als außergewöhnlich i. S. v. § 33 EStG anzusehen.

IV. Die „Verlierersituation“ Die Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens haben Kosten regelmäßig nur dann zu tragen, wenn sie dieses ganz oder teilweise verlieren. Für das Beispiel des Zivilprozesses ist Grundlage hierfür in der Regel die gerichtliche Kostenentscheidung, die auf Grundlage von § 91 f. ZPO ergeht26. Steuerpflichtige, die gerichtliche Prozesskosten nach § 33 EStG geltend machen wollen, unternehmen dies also typischerweise aus einer „Verlierersituation“ heraus. Diese Besonderheit kann aber grundsätzlich keine Auswirkungen auf die steuerrechtliche Würdigung der Aufwendungen haben. Zwar hat sich der Gesetzgeber bei der Frage, welchem der Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens die Kosten aufzuerlegen sind, für eine Belastung des Unterlegenen entschieden. Dafür soll der Gedanke sprechen, dass dieser die Kosten – freilich im Lichte der gerichtlichen Entscheidung – insoweit unnötigerweise veranlasst hat, als er „sich zu Unrecht eines Rechts berühmt, das Recht eines anderen verletzt hat oder eine Verpflichtung nicht erfüllt hat“27. Dabei handelt es sich aber lediglich um eine Entscheidung für den Bereich des – in diesem Fall betroffenen  – Zivilprozesses28. Denn die Verfahrensordnungen müssen zum einen klären, wer die nach § 1 Abs. 1 S. 1 GKG anfallenden Kosten des Gerichts29, deren Anrufen den Bürgern möglich sein muss, im Ergebnis zu tragen hat. Zum anderen müssen sie auch eine Antwort darauf geben, ob die Anwaltskosten von jeder Partei selbst zu tragen sind (so z. B. § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG) oder auch insoweit eine Erstattungspflicht des Verlierers des Verfahrens statuiert werden soll (so z. B. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO). Einer prozessualen Niederlage und den ihr zugrundeliegenden Erwägungen kann daher über den jeweiligen verfahrensrechtlichen Bereich hinaus kein Ge-

25 Luttermann, FR 2016, 402, 406: „Prozesse sind wohl unbeliebtes Feld, im Volksmund ‚Glücksspiele‘, sie verzehren ‚Zeit, Geld, Ruhe und Freunde‘, markieren Kläger gar leicht als ‚Prozesshansel‘“. 26 Wobei unter den Voraussetzungen des § 93 ZPO ausnahmsweise auch sie siegreiche Partei die Kosten zu tragen hat; zum Ganzen Muthorst, in: Stein / Jonas, ZPO, Vor § 91 Rn. 9; zu den übrigen, durchaus unterschiedlichen Regelungen zur Kostentragung siehe schon oben in den Fußnoten sub Kap. 1 A. 27 Muthorst, in: Stein / Jonas, ZPO, Vor § 91 Rn. 6. 28 Muthorst, in: Stein / Jonas, ZPO, Vor § 91 Rn. 2: „§§ 91 ff. gelten für alle der ZPO unterworfenen Verfahren“. 29 Siehe dazu schon oben sub Kap. 6 B. I. 2.

180

Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

wicht zukommen30. Da das Prozessieren mit vielen im Vorfeld oftmals nicht abschätzbaren Unwägbarkeiten verbunden ist, muss vielmehr die Aussage von Klaus Tipke gelten, nach der ein Gerichtsverfahren „riskant“ ist31. Unterliegt ein Bürger in einem Verfahren nun also, ist diese „Verlierersituation“ für einen etwaigen Abzug nach § 33 EStG unbeachtlich32.

V. Kostentragung aufgrund eines Vergleichs Die Tatsache, dass Prozesskosten nicht eine gerichtliche Entscheidung, sondern ein von den Parteien aus freien Stücken geschlossener Vergleich zugrunde liegt, kann einen Abzug nach § 33 EStG „nicht grundsätzlich“ ausschließen33. Denn es ist möglich, dass auch bei einem Urteil eine Kostenfolge zu verzeichnen gewesen wäre, die dem realen Kostenergebnis entspräche34. Der Gedanke des § 33 EStG, nach dem die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen ausscheiden muss, wenn Steuerpflichtige diese hätten vermeiden können35, lässt sich daher für den Bereich von Kosten eines Vergleichs nur insoweit fruchtbar machen, als diese über das hinausgehen, was der Steuerpflichtige im Falle einer streitigen Entscheidung zu tragen gehabt hätte.

VI. Vermögenslosigkeit des Gegners Der seltener vorkommende Fall ist derjenige, bei dem der Steuerpflichtige den Prozess zwar gewinnt, dann aber wegen Vermögenslosigkeit des Gegners auf den von ihm eigentlich nicht zu tragenden Kosten „sitzen bleibt“. Soweit die Prozess 30 Dass Ausnahmen diese Regel bestätigen, verdeutlichen die Strafprozesskosten. Dort hat der Grund, weshalb dem Verurteilten die Kosten des Verfahrens auferlegt werden (§ 465 Abs. 1 S. 1 StPO) – letztlich das sozialschädliche Verhalten des Beschuldigten –, auch Auswirkungen auf die steuerliche Beurteilung. Denn dieses Verhalten ist im Rahmen von § 33 EStG, der Zwangsläufigkeit der Kosten fordert, zu berücksichtigen, siehe dazu unten sub Kap. 7 D. II. 1. 31 Tipke, StuW 2008, 377, 380; ders. a. a. O. weiter: „Vor Gericht und auf See ist der Mensch in Gottes Hand“. 32 Den Steuerpflichtigen wird dieses Kostenrisiko wohl überwiegend bekannt sein. Dass daraus aber zu schließen sei, dass diese sich „freiwillig“ auf ein gerichtliches Verfahren einlassen – so der BFH in jahrzehntelanger Rechtsprechung (dazu oben sub Kap. 3 A. I.) –, ist nicht einzusehen. Denn trotz dieses Risikos ist im Rechtsstaat im Bedarfsfall vor die Gerichte zu ziehen. Insoweit ist BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 1015, 1016 zuzustimmen. Es ist aber auch nicht einzusehen, dass dann hieraus die pauschale Abzugsfähigkeit von Zivilprozesskosten folgen soll (dazu schon unten oben sub Kap. 6 B. I. 3. e)). 33 BFH v. 20.1.2016 – VI R 14/13, BFH / N V 2016, 1142, 1144; siehe davon abweichend wohl noch BFH v. 24.6.2004 – III B 158/03, BFH / N V 2004, 1635. 34 BFH v. 20.1.2016 – VI R 14/13, BFH / N V 2016, 1142, 1144. Es sei deshalb jeweils zu prüfen, ob diese Kosten auch bei einer gerichtlichen Entscheidung tatsächlich entstanden wären. 35 Dazu etwa Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 26 f. m. w. N.

A. Allgemeines

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führung für den Steuerpflichtigen hier existenzielle Bedeutung i. S. v. § 33 Abs. 2 S. 4 EStG hat, sind die Aufwendungen als zwangsläufig anzusehen36. Auch wenn sich hier das allgemeine Lebensrisiko verwirklichen mag – die im Zivilrecht erhobene Forderung, dass man „Geld zu haben hat“37, ist ein theoretisches Axiom, keine Beschreibung der Wirklichkeit –, kann dies an der steuerrechtlichen Würdigung grundsätzlich nichts ändern. Denn entscheidend können nur die gesetzlichen Voraussetzungen des § 33 EStG sein. Insoweit wäre an das Kriterium der Belastung zu denken. Dieses muss ausscheiden, wenn der Steuerpflichtige auf Ersatz- bzw. Erstattungsansprüche verzichtet38. Soweit aber der Gegner der Rechtsverfolgung vermögenslos und der gegen diesen bestehende Kostenerstattungsanspruch daher uneinbringlich ist39, kann von einem Verzicht nicht die Rede sein40.

VII. Ausschluss bei vertraglichen Streitigkeiten? Im Rahmen vor allem zivilrechtlicher Streitigkeiten geht es häufig um vertragliche Ansprüche. Hier hatte der Bundesfinanzhof in den 1990er Jahren die These entwickelt, Zwangsläufigkeit sei dann zu verneinen, wenn Steuerpflichtige ihre Verhältnisse durch vertragliche Verhandlungen im Vorfeld schuldhaft nicht hinreichend geregelt hätten. Denn die Kosten eines Rechtsstreits seien bei gehöriger Vertragsverhandlung vermeidbar gewesen41.

36

Im Ergebnis gl.A. BFH v. 5.7.1963 – VI 272/61 S, BStBl. III 1963, 499, 500. Freilich will diese – in den Ohren von Nichtjuristen durchaus provokante – Forderung deutlich machen, dass § 275 BGB auf die Geldschuld nicht anwendbar ist, vgl. dazu Ernst, in: MüKo, BGB, § 275 Rn. 13 m. w. N. 38 Loschelder, in: Schmidt, § 33 Rn. 31; dazu auch schon oben sub Kap. 2 A. III. 2. a) und c). 39 Diese Feststellungen müssen im konkreten Fall indes getroffen werden, im Zweifel mit den zur Verfügung stehenden Beweismitteln des § 81 FGO. 40 A. A. Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 224, die wohl darauf abstellt, dass der Steuerpflichtige mit dieser Vermögenslosigkeit des Gegners vor dem Verfahren hätte rechnen können. Dies ist zweifelhaft. Es sei die Frage erlaubt, anhand welcher Kriterien der Steuerpflichtige dies erkennen sollte. Der BFH kam im Jahre 1963 zwar zum Abzug solcher Kosten, vgl. BFH v. 5.7.1963 – VI 272/61 S, BStBl. III 1963, 499, 500. Dieser Entscheidung lag allerdings die vom BFH damals vertretene Ansicht zugrunde, dass das Eingehen des Prozesskostenrisikos regelmäßig freiwillig erfolge, so dass ein Abzug grundsätzlich ausgeschlossen werden könnte. Anders wäre dies jedoch im Falle der Vermögenslosigkeit des Gegners, da hier nicht mehr von Freiwilligkeit gesprochen werden könnte. Hierzu sei der folgende Einwand erlaubt: Wenn man – wie der BFH damals – generell mit der „Freiwilligkeit“ des Kostenrisikos argumentiert, ist es geradezu inkonsequent anzunehmen, dass ein Prozessführender zwar eine kostenträchtige Niederlage einkalkuliert, nicht aber den Umstand, dass im Falle eines Sieges bei dem Gegner nichts „zu holen“ ist. Im Sinne der überholten „Freiwilligkeitsthese“ (dazu oben sub Kap. 3 A. I.) wäre es also stimmiger gewesen, der BFH hätte auch hier den Abzug verwehrt. 41 Seit BFH v. 9.5.1996 – III R 224/94, BStBl. II 1996, 596, 598 f.; ebenso v. 19.11.2015 – VI R 38/14, BFH / N V 2016, 902, 904; v. 23.5.2001 – III R 33/99, BFH / N V 2001, 1391, 1392. 37

182

Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

In praktischer Hinsicht ist an dieser Auffassung bereits problematisch, dass sie keine – vor allem auch für die Finanzbehörden – tauglichen Abgrenzungsmaßstäbe erkennen lässt, die anzuwenden wären, um festzustellen, wann ein Steuerpflichtiger „schuldhaft nicht hinreichend“ verhandelt haben soll. Dessen ungeachtet kann die Auffassung aber nicht überzeugen, weil ihr die illusorische Annahme zugrunde liegt, man könne rechtlichen Streit im vertraglichen Bereich per se vermeiden. Derartige Vereinbarungen, die alle Eventualitä­ ten regeln, lassen sich aber aufgrund der Vielzahl möglicher tatsächlicher wie rechtlicher Entwicklungen in der Realität nicht erreichen. Im Übrigen werden die Steuerpflichtigen in einer Vielzahl von Fällen, insbesondere bei Geschäften des Massenverkehrs, regelmäßig überhaupt keine Möglichkeit haben, auf den Inhalt des Vertrags einzuwirken. So bietet etwa die Versicherungsbranche – jedenfalls für Verbraucher – fast ausschließlich fertige Versicherungsprodukte an, zu denen die Versicherungsnehmer nur noch „Ja“ oder „Nein“ sagen können42.

B. Streitigkeiten aus dem Bereich des Zivilrechts43 Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten haben zu einem großen Teil vermögensrecht­ liche Ansprüche zum Gegenstand. Auch wenn die Ansprüche, über die hier zu verhandeln ist, als privatrechtlich begründete Rechtsinhaberschaften grundsätzlich dem Schutz von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG unterfallen44, so reicht dieser grundrechtliche Bezug allein eindeutig nicht aus, dass die den jeweiligen Rechtsstreitigkeiten zugrundeliegenden Kosten die besonderen Anforderungen des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG erfüllen. Denn dazu müsste der Grundrechtsbezug erheblich sein45. Dies ist allenfalls dann anzunehmen, wenn die hier in Rede stehenden Ansprüche ihren Ursprung in Umständen haben, die ihrerseits einen Grundrechtsbezug jenseits von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG besitzen. Die nachfolgende Darstellung präsentiert in diesem Sinne zunächst Konstellationen, bei denen es regelmäßig „nur um Geld“ geht und der nötige Grundrechtsbezug hier daher besonders aufzuweisen ist. Anschließend wendet sie sich Fallgruppen zu, die einen tendenziell erheblichen Grundrechtsbezug aufweisen können.

42

Dass in der Praxis die Möglichkeit zur Vertragsverhandlung und -gestaltung oftmals nicht gegeben ist, wird etwa auch deutlich, wenn man die praktische Bedeutung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im heutigen Rechtsverkehr betrachtet, vgl. dazu Basedow, in: MüKo, BGB, Vor § 305 Rn. 1 ff. 43 Speziell zu familienrechtlichen Verfahren siehe unten sub Kap. 7 C. 44 Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 22 m. w. N.; ausdrücklich zum Vorkaufsrecht nach § 141 ABG BVerfG v. 9.1.1991 – BvR 929/89, BVerfGE 83, 201, 208. 45 Vgl. dazu oben sub Kap. 6 G. II. 2. b).

B. Streitigkeiten aus dem Bereich des Zivilrechts

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I. Typischerweise rein vermögensrechtliche Verfahren 1. Erbrechtliche Streitigkeiten Die Rechtsprechung hatte sich mit erbrechtlichen Verfahren schon von Beginn an zu befassen46. In unterschiedlichen Konstellationen geht es dabei, jedenfalls im Ergebnis, um das Geltendmachen oder das Abwehren allein vermögensrechtlicher Ansprüche. Ob dem Einzelnen eine Erbschaft zufällt, hat weniger mit der Existenz des Erben bzw. erbrechtlich (Nicht-)Bedachten, sondern mehr mit der Nichtexistenz des Erblassers zu tun. Der Anfall eines Erbes ist ein ohne Zutun des Erben bzw. der erbrechtlich (Nicht-)Bedachten an diesen von außen herantretender Vorgang. Davon, dass die entsprechenden Steuerpflichtigen daher aus eigener existenzieller Not zum Prozessieren gezwungen wären, kann – auch bei wirtschaftlicher Not eines Steuerpflichtigen – daher grundsätzlich nicht die Rede sein47. Es geht in diesen Fällen zumeist lediglich um das Mehren von Vermögen, nicht um das Sichern der eigenen Existenz48. Anders kann dies ausnahmsweise etwa dann sein, wenn die Klage die Durchsetzung eines vermeintlichen Pflichtteilsanspruchs betrifft. In einem solchen Fall geht es nicht allein um „Geld“, sondern vor allem um die „grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass“49. Diese Rechtsposition ist grundrechtlich durch die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und durch Art. 6 Abs. 1 GG besonders abgesichert50, was eine Ausnahme rechtfertigt. Eine weitere Ausnahme kommt darüber hinaus beispielsweise auch dann in Betracht, wenn der Streit um den Nachlass einen Gegenstand wie eine Wohnung betrifft, die der Steuerpflichtige selbst bewohnt und die er an einen vermeintlichen Erben oder Vermächtnisnehmer herausgeben soll; hier würde dem Betroffenen 46

Vgl. dazu den Rechtsprechungsüberblick zu Anfang der Arbeit oben sub Kap. 3 A. I. Gl.A. BFH v. 9.5.2017 – IX R 45/15, BFH / N V 2017, 1036, 1038 f. (Auseinandersetzung mit Miterben); v. 20.1.2016 – VI R 20/14, BFH / N V 2016, 1000, 1001 f. (Durchsetzung der Erbenstellung); v. 11.10.1956 – IV 135/55 U, BStBl. III 1956, 383, 384 (Abwehr eines Vermächtnisanspruchs, allerdings mit dem überholten Argument der „Vermögenssphäre“, siehe dazu schon oben sub Kap. 3 A. I.); Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 68; Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 226 m. w. N.; nach FG Nürnberg v. 25.7.2018 – 3 K 99/18, EFG 2018, 2040, 2042 ist ein Abzug der Kosten in solchen Fällen „jedenfalls“ ausgeschlossen, „wenn – wie im Streitfall – den Steuerpflichtigen ausreichend andere nicht streitbefangene Einkünfte zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung standen […]“. 48 So auch BFH v. 20.1.2016 – VI R 20/14, BFH / N V 2016, 1000, 1002: „Mit der Durchsetzung ihrer Erbenstellung verfolgte die Ehefrau des Klägers das Ziel, ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. Das Ziel der Mehrung des Vermögens durch eine Erbschaft ist allerdings nicht mit einem existenziell wichtigen Bereich, etwa dem drohenden Verlust einer schon vorhandenen Existenzgrundlage und deren Bewahrung, Absicherung oder Zurückerlangung im Rahmen eines Zivilprozesses gleichzustellen“. 49 BVerfG v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00 u. a., BVerfGE 112, 332, 348. 50 BVerfG v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00 u. a., BVerfGE 112, 332, 348. 47

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

ohne eine Auseinandersetzung über diese Angelegenheit möglicherweise der Entzug seines Wohnraums drohen51. 2. Reise-, kauf- und werkvertragliche Streitigkeiten Streitet sich ein Steuerpflichtiger mit einem Reiseveranstalter wegen mangelhafter Leistungen und macht die Rückerstattung von Kosten, die Zahlung von Schadensersatz oder einer Entschädigung geltend, geht es auch hier regelmäßig unzweifelhaft „nur um Geld“. Stellt sich etwa der gebuchte Traumurlaub als katastrophal heraus, ist dies zwar äußerst misslich. Es sind hier aber per se noch keine weiteren grundrechtlichen Bezüge ersichtlich. Entsprechendes gilt auch für kauf- und werkvertragliche Auseinandersetzungen wie auch für den im Zusammenhang mit „gemischten Aufwendungen“ angesprochenen Fall, dass gegen einen Caterer wegen schlechten Essens prozessiert wird52. Soweit etwa nur Gewährleistungsansprüche verfolgt werden, geht es auch hier ohne weitere grundrechtsrelevante Umstände „nur um Geld“53. Nicht derart eindeutig ist dies in solchen Fällen freilich zu sehen, wenn Abhilfe wegen gesundheits- oder lebensgefährlicher Mängel verlangt wird. Es kann dann über Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ein relevanter Grundrechtsbezug hinzutreten54. In derartigen Zweifelsfällen streitet nun jedenfalls der oben dargelegte aus dem „chilling effect“ folgende Auslegungsgrundsatz55 für den Abzug der Aufwendungen. 3. Nachbarschaftsstreitigkeiten Zutreffend ist in der Literatur mit Bezug auf die damalige Rechtsprechungsänderung des Bundesfinanzhofs vom 12.5.201156 ausgeführt worden, dass das dort gefundene Ergebnis des Senats wertungswidersprüchlich ist. Denn danach wären etwa die „Kosten des Nachbarschaftsstreits über das zu helle Licht im Eingangsbereich“ über § 33 EStG abziehbar, überaus hohe Mieten in deutschen Großstädten wären hingegen – zu Recht – steuerlich unbeachtlich57. 51

Siehe zu derartigen Konstellationen des Verlusts des Wohnraums unten sub Kap. 7 B. II. 1. Dazu oben sub Kap. 2. C. II. 53 Dazu abweisend etwa BFH v. 10.3.2016 – VI R 72/14, BFH / N V 2016, 1265, 1266 (Rechtsbehelfe aus dem Werkvertragsrecht wegen Mängeln); v. 20.1.2016 – VI R 19/14, BFH / N V 2016, 909, 911 (Rückabwicklung eines Kauf-und Werkvertrags wegen Mängeln); zu Recht ablehnend auch für den „Prozess über den Mangel eines DVD-Spielers“ G. Kirchhof, DStR 2013, 1867, 1871. 54 Vgl. hierzu auch unten sub Kap. 7 B. II. 1. 55 Siehe dazu ausführlich oben sub Kap. 7 A. I und Kap. 6 B II. 4. b) bb). 56 BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015. 57 G. Kirchhof, DStR 2013, 1867, 1871. 52

B. Streitigkeiten aus dem Bereich des Zivilrechts

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Daran anknüpfend kann festgehalten werden, dass solche Aufwendungen für einen Nachbarschaftsstreit geradezu sinnbildlich als das typische Beispiel gelten können, welches die Anforderungen an den existenziellen Bereich des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG nicht erfüllt. Derartige „Kleinkriege“ mögen von Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht erfasst sein58, doch kann von einer erheblichen grundrechtlichen Betroffenheit im Regelfall nicht die Rede sein. Dies jedenfalls soweit keine besonderen Umstände vorliegen – es etwa im Rahmen der nachbarschaftlichen Auseinandersetzung um keine vom Nachbarn ausgehende Lebens- oder Gesundheitsgefahren geht. Allein in solchen nicht eindeutigen Konstellationen lässt sich unter Heranziehung der eingangs erwähnten Zweifelsregelung59 ein Abzug bejahen. 4. Streitigkeiten wegen Schmerzensgeldund Schadensersatzansprüchen Angerufen wird die Zivilgerichtsbarkeit oftmals auch, um Schmerzensgeldund Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Rein um vermögensrechtliche Aspekte geht es dabei jedenfalls bei Ansprüchen auf Zahlung von Schmerzensgeld für immaterielle Schäden60. Diese haben einerseits Ausgleichs- und andererseits Genugtuungsfunktion61. Wirtschaftlich betrachtet zielt das Schmerzensgeld damit klar auf ein Plus in der Vermögenssituation ab62. Das unterscheidet die Situation gerade von Schadensersatzansprüchen, die auf die Kompensation wirtschaft­licher Vermögensverluste gerichtet sind63. Es steht die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit Schmerzensgeldansprüchen nicht auf dem Spiel64. Bezüglich der auf materiellen Ausgleich gerichteten Schadensersatzansprüche ist zunächst festzustellen, dass es auch hier um Geld geht. Anders als Schmerzensgeldzahlungen sind diese aber nicht auf ein wirtschaftliches Plus, sondern auf den Ersatz materieller Schäden gerichtet. Deshalb ist es durchaus vorstellbar, dass in solchen Streitigkeiten weitere grundrechtsrelevante Umstände hinzutreten65. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Steuerpflichtiger, der bei einem Unfall körper 58 Sogar das ist zweifelhaft. Denn unbedeutende Belästigungen sind kein Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG, siehe dazu Murswiek / Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 79 ff. m. w. N. 59 Siehe dazu ausführlich oben sub Kap. 7 A. I. und Kap. 6 B. II. 4. b) bb). 60 Gegen den Abzug ebenso Endert, FR 2018, 692, 696. 61 BGH v. 29.11.1994 – VI ZR 93/94, BGHZ 128, 117, 119; dazu im Einzelnen Spindler, in: BeckOK, BGB, § 253 Rn. 13 m. w. N. 62 Die Situation ähnelt hier also derjenigen im Bereich der Verfolgung erbrechtlicher Ansprüche, dazu oben sub Kap. 7 B. I. 1. 63 Dazu sogleich. 64 So auch BFH v. 17.12.2015  – VI R 7/14, BFH / N V 2016, 817, 818; FG Münster v. 30.3.2006 – 3 K 5739/03 E, EFG 2006, 1907. 65 Endert, FR 2018, 692, 696 auch für eine mögliche Abzugsfähigkeit in diesen Fällen.

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

lich erheblich verletzt worden ist, von dem Verursacher eine Schadensersatzrente verlangt, um damit beispielsweise seine vermehrten Bedürfnisse zu kompensieren66. Ähnlich können auch Sachverhalte von Arzthaftungsprozessen gelagert sein; ärztliche Kunstfehler verursachen mitunter dauerhafte körperliche Schäden bei Patienten. Dies kann zur Folge haben, dass der materielle Schadensersatz eine wesentliche Bedeutung für das zukünftige Leben der Betroffenen hat67. In solchen Konstellationen ist grundrechtlich vor allem an das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG zu denken68. Es lässt sich dann ein erheblicher Grundrechtsbezug bejahen, der angesichts der Schwere der Beeinträchtigungen eindeutig ist.

II. Verfahren, aus denen tendenziell abziehbare Kosten erwachsen 1. Streitigkeiten im Bereich des Wohnens Die Justiz beschäftigt sich regelmäßig auch mit Verfahren, die das Wohnen betreffen. Zum einen meint dies mietrechtliche Auseinandersetzungen, zum anderen sollen hier auch Fälle erfasst sein, die sich in Eigenheimen abspielen. Das mietrechtlich regelmäßig bedeutsamste Verfahren ist sicherlich ein Kündigungs- und Räumungsbegehren des Vermieters. Man mag hier an Art. 13 GG denken, welcher den Inhaber einer Wohnung in seiner Privatheit schützt69. Dieser Schutz besteht zwar regelmäßig gegenüber staatlichen Stellen. Doch ist auch hier anerkennt, dass Art. 13 GG im Wege der mittelbaren Drittwirkung bei der Auslegung vor allem unbestimmter Rechtsbegriffe zwischen Privaten zu beachten ist70. Jedoch kann das Grundrecht hier in seiner objektiv-rechtlichen Dimension gerade nicht bemüht werden, weil die Privatheit der Räume nicht betroffen ist, wenn der Vermieter das Mietverhältnis kündigt71. Gleichwohl ist zu beachten, dass das Innehaben einer Wohnung als ein menschliches Grundbedürfnis anzu 66 So ausdrücklich BFH v. 20.1.2016 – VI R 14/13, BFH / N V 2016, 1142, 1144. Namentlich soll hiernach eine Anspruchsverfolgung nach § 843 BGB diese Voraussetzungen erfüllen können; ebenso Hettler, DStR 2018, 2307, 2309. 67 Zu dieser grundlegenden Möglichkeit BFH v. 17.12.2015 – VI R 78/13, BFH / N V 2016, 904, 905. 68 Soweit es nicht direkt um körperliche Schäden, sondern sonstige erhebliche Gefahren für die wirtschaftliche Existenz geht, können die Ausführungen zu Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und dem subjektivrechtlichen Individualschutz der Grundrechte hier entsprechend gelten, siehe dazu unten sub Kap. 7 B. II. 2. 69 BVerfG v. 3.3.2004 – 1 BvR 2378/98 u. a., BVerfGE 109, 279, 313; v. 13.10.1971 – 1 BvR 280/66, BVerfGE 32, 54, 75; Papier, in: Maunz / Dürig, Art. 13 Rn. 1. 70 Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 13 Rn. 8 m. w. N.; Kühne, in: Sachs, GG, Art. 13 Rn. 16. 71 Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 13 Rn. 8. Der objektiv-rechtliche Gehalt des Grundrechts komme hiernach nur dann zum Tragen, wenn es im konkreten Fall auch Schutz gegen-

B. Streitigkeiten aus dem Bereich des Zivilrechts

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sehen ist72. Demgemäß wird über Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG eine Grundrechtsbetroffenheit jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn es um den Bestand oder Entzug des Wohnraums geht. Dies ist eine sachgerechte Parallelwertung zu den Fällen der Obdachlosenunterbringung im Polizei- und Ordnungsrecht. Dort ist anerkannt, dass unfreiwillige Obdachlosigkeit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, zu der das Recht des unfreiwillig Obdachlosen auf Leben aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG gehört, darstellt73. Wehren sich Mieter also gegen ein Räumungsverlangen, etwa anlässlich einer Kündigung aufgrund Eigenbedarfs, so droht ihnen tatsächlich der Verlust ihres Wohnraums74. Unverkennbar ist in diesen Fällen aufgrund der Bedeutung einer Wohnstätte für das menschliche Leben schlechthin ein erheblicher Grundrechtsbezug zu bejahen75. Zwar hat der Bundesfinanzhof es in einigen Entscheidungen nicht dem „existenziellen Bereich“ zugeordnet, wenn ein Verfahren den Fall betrifft, dass eine Wohnung zu räumen ist76. Bei einem genaueren Hinsehen wird aber deutlich, dass sich der erkennende Senat dort über den Verlust der Wohnung überhaupt nicht geäußert77 bzw. der Rechtsstreit überhaupt nicht das Ziel verfolgt hat, den Verlust des Wohnraums abzuwehren78. Insofern steht die Rechtsprechung auch nicht in Widerspruch zu der hier vorgenommenen Differenzierung, sondern bestätigt diese letztlich. So hat der Bundesfinanzhof in entsprechenden Entscheidungen auch ausdrücklich erwähnt, dass „zum existenziell wichtigen Bereich (…) grundsätzlich das Wohnen gehören [kann]“79. Die Ausführungen müssen auch für die selbst genutzte eigene Immobilie gelten, wenn die Gefahr besteht, dass der Steuerpflichtige sein Haus nicht mehr zu Wohn-

über staatlichen Akteuren bieten würde (das wäre dann konsequenterweise nur hinsichtlich der Privatheit der Räume). 72 So ist auch der BFH der Ansicht, dass das Wohnen einen „grundsätzlich existenziellen Bereich“ betrifft, vgl. BFH v. 20.1.2016 – VI R 40/13, BFH / N V 2016, 908, 909; v. 20.1.2016 – VI  R  62/13, BFH / N V 2016, 1436, 1438 m. w. N.; in diese Richtung auch schon BFH v. 6.5.1994 – III R 27/92, BStBl. II 1995, 104, 108. 73 OVG Greifswald v. 31.7.2009 – 3 M 92/09, NJW 2010, 1096, 1097 bejaht die Gefahr für die öffentliche Sicherheit ohne nähere Begründung; Ruder, NVwZ 2012, 1283, 1284 bezieht sich ausdrücklich auf Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG; im Ergebnis ebenso Pieroth / Schlink / Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9 Rn. 84. 74 Mietern wird dann zusätzlich auch noch der Schutz des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zuteil. Das Grundrecht schützt nicht nur den Eigentümer einer Immobilie, sondern auch den Mieter als berechtigten Besitzer, vgl. BVerfG v. 26.5.1993 – 1 BvR 208/93, BVerfGE 89, 1, 6. 75 So im Ergebnis auch Endert, FR 2018, 692, 695. 76 Vgl. etwa BFH v. 14.4.2016 – VI R 38/15, BFH / N V 2016, 1442; v. 17.6.2003 – III B 55/02, BFH / N V 2003, 1324. 77 BFH v. 17.6.2003 – III B 55/02, BFH / N V 2003, 1324: Der Kläger meinte, die Zwangsläufigkeit sei aus dem Umstand zu folgern, dass die zivilgerichtliche Entscheidung unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften (vor allem gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit) zustande gekommen ist. 78 BFH v. 14.4.2016 – VI R 38/15. BFH / N V 2016, 1442: Es ging um Ansprüche auf Zahlung von Miete, Gegenansprüche und Schadensersatz. 79 BFH v. 14.4.2016 – VI R 38/15, BFH / N V, 2016, 1442, 1444.

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

zwecken nutzen kann80. Dies ist etwa anzunehmen, wenn durch Klage präventive Maßnahmen durchgesetzt werden sollen, um drohende Hochwasserschäden am eigenen Haus, die das Wohnen ernstlich gefährden würden, abzuwehren81. Ein deutlicher Bezug zur grundrechtlich geschützten Garantie des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ergibt sich in derartigen Fällen oftmals auch daraus, dass der Verlust von „Hausrat und Kleidung aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses“ droht82. Andererseits kann freilich nicht jede Verknüpfung mit dem Bereich „Wohnen“ ausreichen, um den Ausnahmetatbestand zu verwirklichen83. Soweit in einem entsprechenden Verfahren lediglich um Aufwendungen für das schlichte Grundbedürfnis des Innehabens einer Unterkunft gestritten wird, genügt dies für einen hier relevanten Grundrechtsbezug unzweifelhaft nicht84. Gemeint ist damit etwa das Mindern der Miete aufgrund vermeintlicher Mängel, das Einklagen vom Mieter verauslagter Handwerkerkosten oder auch das Ausüben von Gewährleistungsrechten infolge von Baumängeln am Eigenheim. Diese Szenarien mögen im Einzelnen ärgerlich sein, doch im Unterschied zur vorherigen Fallkonstellation steht gerade nicht das „Wohl und Wehe“ der gesamten Nutzungsmöglichkeit der Wohnung oder des Hauses auf dem Spiel. Nicht derart „glatt“ sind die Dinge wiederum gelagert, wenn einer Streitigkeit Mängel zugrunde liegen, die genau eine solche Qualität besitzen. Dies meint hier vor allem solche, die erhebliche negative Auswirkungen auf die Gesundheit des Steuerpflichtigen zeitigen können. Zu denken ist dabei an Schimmel- bzw. Hausschwammbefall der Räume. Dann ist zusätzlich Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG angesprochen. Mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der „Herstellung von Unbefangen­heit“ lässt sich aber auch hier mit Blick auf den „chilling effect“ des Kostenrisikos auf die Rechtsverfolgung85 eine Abzugsmöglichkeit der Aufwendungen festhalten86.

80 So auch Hettler, DStR 2018, 2307, 2309; Endert, FR 2018, 692, 695; zu denken wäre etwa auch an Rechtsschutz gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das eigene Wohnhaus, ablehnend hierzu in atypischer Konstellation aber BFH v. 16.2.2016 – IX R 1/15, BFH / N V 2016, 1261. 81 So etwa auch der Fall bei BFH v. 20.1.2016 – VI R 40/13, BFH / N V 2016, 908, jedoch wurde auch hier an das Finanzgericht zurückverwiesen, um festzustellen, ob diese gravierenden Folgen für das Wohnen tatsächlich gegeben sind. 82 BFH v. 20.1.2016 – VI R 40/13, BFH / N V 2016, 908, 909. Siehe zu einem ähnlichen Fall etwa auch BFH v. 20.1.2016 – VI R 62/13, BFH / N V 2016, 1436. 83 So schon Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 222. 84 So schon BFH v. 22.8.1958 – VI 148/57 U, BStBl. III 1958, 419, 420. Letztlich geht es hier also auch „nur um Geld“, vgl. dazu schon oben sub Kap. 7 B. I. 85 Siehe dazu ausführlich oben sub Kap. 7 A. I. und Kap. 6 B. II. 4. b) bb). 86 Im Ergebnis a. A. BFH v. 15.6.2016 – VI R 44/15, BFH / N V 2017, 12, 14; ebenso ablehnend wohl Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 222: „gesundheitsgefährdende Baumängel“.

B. Streitigkeiten aus dem Bereich des Zivilrechts

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2. Streitigkeiten um eine Berufsunfähigkeitsversicherung Exemplarisch für ein Verfahren, bei dem die Existenz eines Steuerpflichtigen buchstäblich auf dem Spiel stehen kann, ist auch das Einfordern von Leistungen aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung87. Kann ein Steuerpflichtiger infolge – einer zwischen den Beteiligten streitigen – Berufsunfähigkeit seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen, so hat er nach dem Ende des Bezugs staatlicher Übergangsleistungen erhebliche finanzielle Einbußen gegenüber seiner vorherigen Einkommenssituation zu erwarten, dies im Zweifel auch trotz sozialrechtlicher Erwerbsminderungsrente88. Der gesamte Status quo seiner wirtschaftlichen Existenz hängt sodann davon ab, dass der Versicherer leistet89. Ein solches Szenario lässt sich wie folgt in grundrechtliche Kategorien gießen: Es ist anerkannt, dass den Staat bei einer von Privaten drohenden Schädigung eines Grundrechtsberechtigten eine Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG zugunsten des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der betroffenen Bürger treffen kann90. In diesen Fällen würde sich ein Grundrechtsbezug unschwer bejahen lassen. Hingegen befindet sich der Steuerpflichtige in den soeben geschilderten Fällen der Gefährdung seines Status quo zwar noch nicht im Bereich der „nackten Existenz“91, wohl aber potentiell auf einer abschüssigen Bahn dorthin. Deshalb kann jedenfalls mit Blick auf § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG eine Nähe zum Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG angenommen werden. Wenn Grundrechte ihrem subjektivrechtlichen Gehalt nach den Einzelnen in seinem individuellen Dasein schützen sollen92, so muss sich dieser Schutz auch auf den – naturgemäß individuellen – hier gefährdeten wirtschaftlichen Status quo des Steuerpflichtigen beziehen. Aus alledem lässt sich auf einen erheblichen Grundrechtsbezug entsprechender Streitigkeiten schließen, der angesichts der wirtschaftlichen Bedrohungslage für den Betroffenen in diesen Fällen regelmäßig auch eindeutig ist. Ist der Versicherer schließlich nicht bereit zu zahlen, ist tatsächlich als ultima Ratio ein Rechtsstreit zu führen. Die hierdurch ausgelösten Kosten erfüllen damit den Ausnahmetat­ 87

Unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG i. V. m. § 10 Abs. 4 EStG sind die Prämienzahlungen für eine solche Versicherung als „sonstige Vorsorgeaufwendungen“ grundsätzlich als Sonderausgaben abziehbar, vgl. Krüger, in: Schmidt, EStG, § 10 Rn. 80. 88 Zu Sinn und Zweck der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung vgl. Rixecker, in: Beckmann / Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 46 Rn. 1. 89 Söhn, in: FS Lang, S. 549, 560 f. zur Schwere derartiger Existenzbedrohungen: „Der Vergleich […] ‚verniedlicht‘ die Schwere des Schicksalsschlags ‚Arbeitslosigkeit‘, die Bedeutung des ‚Arbeitenkönnens‘ für eine sozialgerechte persönliche und familiäre Existenz und den mit Arbeitslosigkeit verbundenen ‚gesellschaftlichen Makel‘ (Statusverlust)“. 90 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 2 S. 1 Rn. 45; Murswiek / Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 224; so etwa im Falle der Unterbringung unfreiwillig Obdachloser, dazu oben sub Kap. 7 B. II. 1. 91 Murswiek / Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 224. 92 Merten, in: HGR II, § 27 Rn. 53; Rupp, JZ 2001, 271, 276 f.; ders., AöR 101 (1976), S. 161, 166 f.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 414, 444, 452; Isensee, Die typisierende Verwaltung, S. 142.

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

bestand des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG93 – Aufwendungen zum Erstreiten von privaten Berufsunfähigkeitsrenten sind damit nach § 33 EStG abziehbar94. 3. Streitigkeiten im Zusammenhang mit Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Das Bundesverfassungsgericht hat aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG das allgemeine Persönlichkeitsrecht entwickelt95, welches mittlerweile den Status eines eigenen Grundrechts gewonnen hat96. Es zielt darauf ab, Beeinträchtigungen des engeren persönlichen Lebensbereichs, der Selbstbestimmung und der Grundbedingungen der Persönlichkeitsentfaltung abzuwehren97. In der Praxis werden Fallgruppen gebildet, um das Grundrecht handhabbar zu machen98. Das Zivilrecht schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht als „sonstiges Recht“ vor allem 93

Zu beachten ist jedoch, dass nach FG Niedersachsen v. 24.7.2013 – 9 K 134/12, EFG 2013, 1834, 1835 diese Prozesskosten dem Werbungskostenabzug unterfallen, weil die entsprechenden Einkünfte teilweise steuerpflichtig seien. Dies ist zweifelhaft. Leistungen aus der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung sind nach § 22 Nr. 5 S. 2 lit. a), § 22 Nr. 1 S. 3 lit. a) bb) S. 4 EStG nur mit dem sogenannten Ertragsanteil zu versteuern (vgl. zur Besteuerung von privaten Erwerbsersatzrenten insbesondere aus § 843 f. BGB ausführlich Söhn, in: FS Friauf, S. 809 ff.; allgemein zur Ertragsanteilbesteuerung von Leibrenten schon ders., StuW 1986, 324, 326 ff.). Dieser Ertragsanteil beträgt bei typisierender Betrachtung weniger als die Hälfte der jeweiligen Leistungen (vgl. hierzu die Tabelle in § 22 Nr. 1 S. 3 lit. a) bb) S. 4 EStG: bei einem Renten­ beginn ab dem 21. Lebensjahr beträgt der Ertragsanteil nur noch 49 Prozent und sinkt sodann für das Steuerjahr 2019 bis zum 60. Lebensjahr auf unter 23 Prozent). Entsprechende Prozesse sind daher im Wesentlichen durch nicht steuerbare Leistungen veranlasst. Es sprechen daher die besseren Gründe dafür, einen Werbungskostenabzug nicht zu gewähren. Jedenfalls aber sind die Kosten entsprechend aufzuteilen. 94 Die Ausführungen können auch entsprechend für Verfahren im Zusammenhang mit Unfall-, Haftpflicht- oder sonstigen Risikoversicherungen gelten. Auch hier dient das Geltendmachen der Ansprüche dazu, einen drohenden Verlust bzw. eine wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Existenz zu verhindern. Man denke nur an mögliche Konsequenzen im Falle einer nicht vorhandenen Haftpflichtversicherung im zu verantwortenden Schadensfall oder berufliche und persönliche Konsequenzen im Falle eines Unfalls. Siehe etwa auch Söhn, in: FS Lang, S. 549, 559 ff. zu solchen existenziellen Auswirkungen (unter dem Aspekt, inwieweit die entsprechenden Vorsorgeaufwendungen abzugsfähig sein müssen). Den existenziellen Bezug insoweit möglicherweise schon andeutend BFH v. 20.1.2016 – VI R 14/13, BFH / N V 2016, 1142, 1144. 95 Siehe dazu BVerfG v. 16.1.1957 – 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32, 41; v. 10.5.1957 – 1 BvR 550/52, BVerfGE 6, 389, 433 f.; v. 16.7.1969 – 1 BvL 19/63, BVerfGE 27, 1, 6; v. 15.1.1970 – 1 BvR 13/68, BVerfGE 27, 344, 350 f.; v. 19.7.1972 – 2 BvL 7/71, BVerfGE 33, 367, 374; v. 5.6.1973 – 1 BvR 536/72, BVerfGE 35, 202, 219 f.; v. 3.6.1980 – 1 BvR 185/77, BVerfGE 54, 148, 153; v. 13.5.1986 – 1 BvR 1542/84, BVerfGE 72, 155, 170. 96 Murswiek / Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 64; Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 127 m. w. N. 97 Murswiek / Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 60; Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 147. 98 Hierzu Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung, S. 68 ff. Zu erwähnen ist insbesondere der Schutz der Privat- und Intimsphäre, das Recht an der Darstellung der eigenen

B. Streitigkeiten aus dem Bereich des Zivilrechts

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über § 823 Abs. 1 BGB und eine analoge Anwendung des § 1004 Abs. 1 BGB99. Auf dieser Grundlage kann nun zwischen Privaten um Ansprüche im Zusammenhang mit der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gestritten werden. Aus zivilrechtlicher Perspektive sind vor allem die Fallgruppen der Störung der Privat- und Intimsphäre, der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, des Rechts an der Patientenakte, des Schutzes vor Verfälschung und Entstellung der eigenen Person, des Rechts an der eigenen Stimme und am eigenen Wort sowie des Rechts auf Zitattreue bedeutsam100. Mögliche Klagen betreffen beispielsweise persönlichkeitsrechtsverletzende Äußerungen oder Beleidigungen in (Online-)Medien oder das unzulässige Veröffentlichen von Bildern oder Videos, die den Betroffenen mitunter in Verlegenheit bringen können. Im Zusammenhang mit derartigen Verfahren geht es dann regelmäßig um Ansprüche auf Unterlassung, auf Abgabe einer Unterlassungserklärung, auf Widerruf, Berichtigung oder Ergänzung von Behauptungen, auf Gegendarstellung und schließlich auch auf Zahlung von Schadensersatz und Geldentschädigung101. Ein grundrechtlicher Bezug über Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ist hier unschwer gegeben. Der gesamte Inhalt der Streitigkeit dreht sich um die zivilrechtliche Ausprägung eines Grundrechts. Aus diesem Grund ist auch zweifellos von einem erheblichen Grundrechtsbezug auszugehen. Da den Verletzungen des Persönlichkeitsrechts oftmals nur auf gerichtlichem Wege abgeholfen werden kann, kommt es hier auch als ultima Ratio in Betracht, den Rechtsweg zu beschreiten. Damit kann für die hierdurch entstehenden Kosten grundsätzlich der existenzielle Bereich des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG als betroffen angesehen werden102. Ein konkretes Beispiel ist etwa ein Verfahren, mit dem sich ein Angeklagter im Strafverfahren gegen die Berichterstattung in den Medien wehrt103. Denn eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Beschuldigten ist jedenfalls nicht auszuschließen. Zwar ist es grundsätzlich Aufgabe der Medien, über solche Verfahren und Beschuldigte zu berichten104. Doch ist unzweifelhaft ein erheblicher GrundPerson, der sonstige Schutz personaler Autonomie sowie der Schutz der Grundbedingungen der engeren Lebenssphäre, dazu Murswiek / Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 68 ff.; Di Fabio, in Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 148 ff. m. w. N. 99 BGH v. 25.5.1954 – I ZR 211/53, NJW 1954, 1404 f.; Murswiek / Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 67; Wagner, in: MüKo, BGB, § 823 Rn. 364 ff.; im Übrigen ist auch an spezialgesetzlich normierte Ausprägungen zu denken, etwa an den Ehrenschutz nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 185 ff. StGB, an das Urheberpersönlichkeitsrecht nach §§ 12 ff. UrhG oder an das Recht am eigenen Bild nach §§ 22 ff. KUG. 100 Vgl. dazu Specht-Riemenschneider, in: BeckOGK, BGB, § 823 Rn. 1090 m. w. N. 101 Dazu im Einzelnen Hermann, in: BeckOGK, BGB, § 823 Rn. 1485 ff. m. w. N. 102 Ausdrücklich nicht zu bejahen ist der existenzielle Bereich jedoch insoweit, als Schmerzensgeld oder Geldentschädigung aufgrund einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts verlangt wird. Denn auch hier geht es schwerpunktmäßig wieder nur um ein vermögensrechtliches Plus. Siehe dazu schon oben im Rahmen von Streitigkeiten auf Zahlung von Schmerzensgeld sub Kap. 7 B. I. 4. 103 Dazu BFH v. 14.4.2016 – VI R 61/13, BFH / N V 2016, 1268. 104 So auch BFH v. 14.4.2016 – VI R 61/13, BFH / N V 2016, 1268, 1269.

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

rechtsbezug etwa dann zu bejahen, wenn der Angeklagte in rechtswidriger Weise in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt wird105. Das kann angenommen werden, wenn die Berichterstattung dermaßen in das Persönlichkeitsrecht eingreift, dass dies nicht mehr im Verhältnis zu dem medialen und öffentlichen Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht106. Maßgebliche Kriterien können hierfür die Breitenwirkung der Berichterstattung, die Stigmatisierung des Betroffenen, die zeitliche Distanz zum Strafverfahren und die Befriedigung des primären Informationsinteresses sein107. In Zeiten steigender Bedeutung der digitalen Welt für das gesamte Leben und einer damit verbundenen zunehmenden Gefährdung personenbezogener Daten ist das sogenannte „Doxing“ ein weiteres, höchst aktuelles Beispiel. Der Begriff beschreibt das internetgestützte Sammeln und Veröffentlichen personenbezogener Daten zu böswilligen Zwecken108. So kam es Anfang 2019 zur Aufdeckung eines Hackerangriffs auf Politiker und Prominente, der große öffentliche Aufmerksamkeit erfuhr109. Personen, deren Daten auf diese Weise öffentlich zugänglich gemacht werden, können und müssen sich hiergegen häufig auch auf gerichtlichem Wege mit den bereits vorgestellten Ansprüchen verteidigen. Die dort entstehenden Kosten zeichnen sich ebenso eindeutig durch einen erheblichen Grundrechts­ bezug aus. 4. Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Meinungs-, Presse-, Kunst- oder Wissenschaftsfreiheit Mit der Fallgruppe des Persönlichkeitsrechts stehen Fallgestaltungen in Zusammenhang, die sich dadurch auszeichnen, dass sie eine Verbindung zu den durch Art. 5 GG garantierten Freiheiten haben110. So werden die von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungs- und Pressefreiheit sowie die von Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistete Kunstfreiheit nicht selten bemüht, um Verletzungen des Persönlichkeits 105

In diese Richtung BFH v. 14.4.2016 – VI R 61/13, BFH / N V 2016, 1268, 1269 f. BFH v. 14.4.2016 – VI R 61/13, BFH / N V 2016, 1268, 1269 f. 107 BFH v. 14.4.2016 – VI R 61/13, BFH / N V 2016, 1268, 1269 f. kam zu dem Ergebnis, dass die dort stattgefundene „zeitnahe Berichterstattung“ als Aufgabe der Medien von dem Angeklagten hinzunehmen war. 108 Im Deutschen wird der Begriff seit dem Anfang Januar 2019 aufgedeckten Hackerangriff auf deutsche Politiker und Prominente verstärkt diskutiert, siehe hierzu Knop, FAZ Nr. 7 v. 9.1.2019, S. 8; zum Begriff auch schon Müller-Franken, AfP 2018, 1, 11; umfassend anerkannt ist der Begriff zumindest im Englischen, vgl. dazu entsprechende Wörterbücher wie etwa das Oxford Living Dictionary: „Search for and publish private or identifying information about (a particular individual) on the Internet, typically with malicious intent“, https:// en.oxforddictionaries.com/definition/dox (zuletzt abgerufen am 23.12.2019). 109 Dazu überblickartig Freidel / van Lijnden, FAZ Nr. 15 v. 18.1.2019, S. 3; Weitz / von Saß, ZD-Aktuell 2019, 06420. 110 Die Rede ist hier oftmals von einer „Grundrechtskollision“, vgl. hierzu Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 230. 106

B. Streitigkeiten aus dem Bereich des Zivilrechts

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rechts zu rechtfertigen und entsprechende Ansprüche abzuwehren111. Für diese Konstellationen ist ebenso ein Bezug zur Meinungs-, Presse- oder auch Kunst­ freiheit festzuhalten. Dies auch unabhängig davon, ob zusätzlich eine mögliche Persönlichkeitsrechtsverletzung im Raum steht. Wollen Steuerpflichtige also Ansprüche durchsetzen oder abwehren, die vom Schutz des Art. 5 GG erfasst sind, so ist dem Prozess ein Grundrechtsbezug zu attestieren. Soweit es dabei im Kern und nicht nur ganz am Rande um diese von Art. 5 GG geschützten Rechte geht, ist – abhängig von den grundrechtlichen Umständen des jeweiligen Einzelfalles – entweder klar von einem erheblichen Grundrechtsbezug auszugehen oder, in weniger „glatten“ Konstellationen, jedenfalls aufgrund der sich aus dem Abschreckungseffekt des prozessualen Kostenrisikos ergebenden Auslegungsmaxime112 ein Abzug der Aufwendungen zu bejahen. Dies führt indes nicht dazu, dass Steuerpflichtige, die sich wegen einer eklatanten Beleidigung oder sonstigen puren „Schmähkritik“113 zu verantworten haben, mit der sie erkennbar keine Auseinandersetzung in der Sache verfolgen, für die ihnen auferlegten Prozesskosten die Zuordnung zum „existenziellen Bereich“ des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG erreichen können, indem sie sich auf die Meinungsfreiheit berufen. Die Kosten in derartigen Fällen sind eindeutig nicht abziehbar. Hier muss es sich aber um klare Fälle handeln, was nicht zwingend der Fall ist, soweit – etwa online über soziale Netzwerke – „Hate Speech114“ oder Vergleichbares verbreitet wird. Insbesondere für den Bereich der „Hate Speech“ ist danach zu differenzieren, ob die Inhalte klar strafbar sind oder noch von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt sind115. Unzweifelhaft strafbar in diesem Sinne ist etwa auch nicht ein Fall wie der des Jan Böhmermann116. So ist in solchen Sachverhalten zu sehen, dass es – unabhängig von der Frage, ob die entstehenden Kosten sogar der beruflichen Sphäre zuzuordnen sind – oftmals nicht als völlig abwegig zu werten ist, dass in Bezug auf die geäußerten Inhalte Art. 5 GG rechtfertigend eingreift; dies lässt sich regelmäßig erst durch eine gerichtliche Entscheidung klären117.

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Dazu Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 230 m. w. N. Siehe dazu ausführlich oben sub Kap. 7 A. I. und Kap. 6 B. II. 4. b) bb). 113 Zum Begriff Söder, in: BeckOK, Informations- und Medienrecht, § 823 BGB Rn. 174; dazu wie auch zur Bedeutung im „Fall Böhmermann“ vgl. Fahl, NStZ 2016, 313. 114 Zum Begriff wie auch zur Verfassungsmäßigkeit des NetzDG v. 1.9.2017 (BGBl. I, 3352), welches das Phänomen der „Hate Speech“ in sozialen Netzwerken zu bekämpfen versucht Gersdorf, MMR 2017, 439 ff. (allerdings noch zum damaligen Entwurf); kritisch zum NetzDG auch Müller-Franken, AfP 2018, 1 ff. 115 So ist „Hass an sich“ nichts, was nach deutschem Recht per se strafbar wäre, sondern nur insoweit strafrechtlich relevant ist, als es ausdrücklich in einzelnen Delikten kodifiziert ist, siehe zum Ganzen Trips-Hebert, Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages v. 5.12.2016, WD 7, Nr. 28/16, S. 2. 116 LG Hamburg v. 10.2.2017 – 324 O 402/16, AfP 2017, 177. 117 Siehe dazu LG Hamburg v. 10.2.2017 – 324 O 402/16, AfP 2017, 177. 112

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

5. Insolvenzrechtliche Auseinandersetzungen Wird über das Vermögen eines Steuerpflichtigen das Insolvenzverfahren eröffnet, ist ein starkes Indiz gegeben, dass dessen wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel steht118. Festzuhalten ist auch, dass ein Insolvenzverfahren darüber hinaus erhebliche Auswirkungen auf das soziale Leben des Insolvenzschuldners, so etwa in Bezug auf dessen gesellschaftliche Stellung oder dessen Ruf haben kann. Daher kann hier – ähnlich wie im Bereich des Strafverfahrens119 – an den durch Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten „sozialen Ehr- und Achtungsanspruch“120 zu denken sein. Andererseits ist das Insolvenzverfahren Schuldnern insoweit dienlich, als es ihnen dabei helfen kann, durch das Verhandeln mit Gläubigern, das Entwerfen von Zahlungsplänen etc. wieder auf einen „grünen Zweig“ zu kommen121. Dies gilt auch deshalb, weil das Insolvenzverfahren nach den §§ 300 ff. InsO eine Restschuldbefreiung für den Schuldner zeitigen kann. Es kann so dabei helfen, wieder bei „Null“ zu starten122. Insoweit ist auch das Recht auf „Neubeginn“ angesprochen, das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt123. Vor diesem Hintergrund weist das Insolvenzverfahren unverkennbare Bezüge zu Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG auf. Es betrifft aber zu einem großen Teil auch allein von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützte vermögensrechtliche Positionen, was gegen einen erheblichen Grundrechtsbezug spricht124. Um den von dem Kostenrisiko auf die Rechtsverfolgung ausgehenden Abschreckungseffekt abzudämpfen, ist in solchen Zweifelsfällen gleichwohl ein erheblicher Grundrechtsbezug anzunehmen125. Erfasst sind dann von einem daraus folgenden steuerlichen Abzug etwa Kosten solcher Auseinandersetzungen, die Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters zulasten des Schuldners betreffen oder gar die Abwehr eines Antrags, mit dem ein Gläubiger ein Insolvenzverfahren einzuleiten versucht, zum Gegenstand haben126.

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Siehe hierzu nur die Eröffnungsgründe des Insolvenzverfahrens nach §§ 17 ff. InsO; zur Zahlungsunfähigkeit im Einzelnen Eilenberger, in: MüKo, InsO, § 17 Rn. 4 ff. 119 Siehe dazu unten sub Kap. 7 D. I. 3. 120 Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 127; freilich im Vergleich zu dem Vorwurf, der im Strafverfahren mitunter im Raum steht, in geringerer Intensität. 121 Zur Sanierung im Insolvenzverfahren vgl. Ganter / Bruns, in: MüKo, InsO, § 1 Rn. 85 ff.; siehe dazu auch den Wortlaut des § 1 S. 2 InsO. 122 Zu den Wirkungen der Restschuldbefreiung im Einzelnen Stephan, in: MüKo, InsO, § 301 Rn. 7 ff. 123 Dazu grundlegend Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung, S. 74; sie erwähnt in diesem Zusammenhang die Resozialisierung von Straftätern und das Recht auf den Eintritt in eine schuldenfreie Volljährigkeit; zur entsprechenden Rechtsprechung vgl. BVerfG v. 5.6.1973 – 1 BvR 536/72, BVerfGE 35, 202, 236; v. 13.5.1986 – 1 BvR 1542/84, BVerfGE 72, 155, 173; siehe zur einfachgesetzlichen Umsetzung im Familienrecht Budzikiewicz, in: Jauernig, BGB, § 1629a Rn. 1 ff. 124 Siehe dazu oben sub Kap. 7 B. I. 125 Siehe dazu ausführlich oben sub Kap. 7 A. I. und Kap. 6 B. II. 4. b) bb). 126 Im Rahmen solcher Streitigkeiten stehen in der Realität häufig anwaltliche Vertreter­ kosten zur Diskussion.

C. Familienrechtliche Verfahren 

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Allein „nur um Geld“127 geht es demgegenüber regelmäßig im Zusammenhang mit der Vergütung des Insolvenzverwalters selbst, die der Schuldner zu erbringen hat128. Für die Gläubiger eines Insolvenzschuldners kommt ein grundrechtlicher Bezug zu Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG indes unzweifelhaft nicht in Betracht. Aus deren Perspektive geht es, soweit sie im Insolvenzverfahren rechtliche Schritte einleiten – etwa um zu verhindern, dass eine Forderung gegen den Schuldner von der Restschuldbefreiung der §§ 286 ff. InsO erfasst wird129 –, grundsätzlich „nur um Geld“130. In solchen Fällen ist deshalb zu prüfen, ob den geltend gemachten Ansprüchen aus irgendeinem Grunde besondere Umstände zugrunde liegen, die einen relevanten Grundrechtsbezug annehmen lassen131.

C. Familienrechtliche Verfahren I. Allgemeine Auseinandersetzungen Verfahren aus dem Bereich des Familienrechts weisen regelmäßig einen Bezug zu Art. 6 GG auf132. Der Bundesfinanzhof hatte schon vor seiner Entscheidung im Jahre 2011133 Fälle zu entscheiden, in denen etwa das Umgangsrecht für ein 127

Siehe dazu oben sub Kap. 7 B. I. Nach BFH v. 4.8.2016 – VI R 47/13, BStBl. II 2017, 276, 278 soll die an den Insolvenzverwalter gezahlte Vergütung nur dann nach § 33 Abs. 1 abzugsfähig sein, wenn der Schuldner den Insolvenzgrund nicht durch ein risikoreiches Vorverhalten selbst zu verschulden hat (bei BFH a. a. O. nicht der Fall, da die Überschuldung infolge des fremdfinanzierten Erwerbs von drei Eigentumswohnungen entstanden war und sich die Investition nach Auffassung des Senats schon bei Abschluss nicht tragen konnte). Da es sich aber auch hier um Kosten der Rechtsverfolgung handelt, müssen auch diese Aufwendungen vom Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG erfasst sein. Dies ist aber schon deshalb nicht der Fall, weil es hier regelmäßig „nur um Geld“ geht – einer „Ursachenforschung“ bedarf es daher im Zusammenhang mit der Insolvenz nicht. Davon unabhängig soll nach FG Münster v. 4.9.2018 – 11 K 1108/17, EFG 2018, 2044, 2045 ein Abzug der Insolvenzverwaltervergütung, die aus der Insolvenzmasse gezahlt wird, schon deshalb ausscheiden, weil es sich dabei nicht um „Aufwendungen“ i. S. v. § 33 EStG handele, denn das hier eingesetze Masseguthaben betreffe zivilrechtlich nicht das „eigene“ Schulnervermögen. Zu weiteren Gründen, die hier gegen den Abzug sprechen sollen, siehe FG Münster, a. a. O., 2045 f. 129 So der Fall bei FG Münster v. 18.6.2014 – 10 K 3686/11 E, EFG 2015, 300; zum entsprechenden Klageverfahren näher Stephan, in: MüKo, InsO, § 302 Rn. 20a. 130 Dazu schon oben sub Kap. 7 B. I. 131 Dagegen kam FG Münster v. 18.6.2014 – 10 K 3686/11 E, EFG 2015, 300, 301 f. unabhängig von dieser Frage zur Abziehbarkeit der Kosten einer Klage auf Feststellung, dass eine bestimmte Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung resultiere. Dabei stellte der Senat jedoch auf die mittlerweile überholte Rechtsprechung des BFH aus dem Jahre 2011 ab (vgl. BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015). 132 Siehe zur familienrechtsgestaltenden Bedeutung des Art. 6 GG Badura, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 6 Rn. 14 m. w. N. 133 BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015. 128

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

leibliches Kind erstritten werden sollte und hatte in einer solchen Konstellation den Abzug der Kosten bejaht134. So gehört dieser Fall zu jenem „engen Rahmen“, auf welchen der Gesetzgeber des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG die Abzugsfähigkeit von Prozesskosten zurückführen wollte135. Zwar kann diese Fallkonstellation in ihrer konkreten Form aufgrund einer Änderung der zivilrechtlichen Rechtslage nicht wieder auftreten136. Doch wenn ein Steuerpflichtiger das Umgangsrecht mit einem leiblichen Kind durchsetzen will, ist dies gleichwohl ein guter Beispielsfall, bei dem eindeutig ein erheblicher Grundrechtsbezug zu Art. 6 Abs. 1 GG gegeben ist. Denn „der bei den Kindern wie bei den Eltern vorhandene Wunsch nach gegenseitiger Liebe und Nähe ist ein elementares menschliches Bedürfnis“137. Dieses Argument überzeugt auch trotz Änderung der Rechtslage, so dass entsprechenden Verfahren regelmäßig klar ein erheblicher Grundrechtsbezug zu Art. 6 Abs. 1 GG zu bescheinigen ist138. Sind die Anforderungen des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG erfüllt, wenn Steuerpflichtige das Recht auf Umgang mit ihrem Kind erstreiten, muss dies erst Recht auch für den Fall gelten, dass diese die tatsächliche Umgangsmöglichkeit geltend machen. So besitzt etwa ein Verfahren, das sich nach dem Übereinkommen v. 25.10.1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführun-

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BFH v. 4.12.2001 – III R 31/00, BStBl. II 2002, 382, dazu auch schon oben sub Kap. 3 A. I. BR-Drucks. 302/1/12, S. 43; vgl. dazu schon oben sub Kap. 6 E. III. 136 Es war damals erforderlich, das Vormundschaftsgericht anzurufen, weil bei einer Weigerung der Kindesmutter das Umgangsrecht des Vaters für das nichteheliche Kind nur auf diesem Wege geltend gemacht werden konnte, § 1711 Abs. 2 S. 1 BGB i. d. F. des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts auf elterliche Sorge v. 18.7.1979 (BGBl. I, S. 1061). Umgang bekam der nichteheliche Vater gerichtlich nur zugesprochen, wenn dies dem Wohl des Kindes diente (dazu Budzikiewicz, Statuseinheit und Statusverbesserung, S. 68). Die Regelung wurde im Zuge des Kindschaftsreformgesetzes v. 16.12.1997 (BGBl. I, S. 2942) aufgehoben, zur Auswirkung auf das Umgangsrecht siehe dies., a. a. O., S. 68. 137 BFH v. 4.12.2001 – III R 31/00, BStBl. II 2002, 382, 384. 138 So auch für die Abziehbarkeit FG München v. 7.5.2018 – 7 K 257/17, EFG 2018, 1960 (Abwehr des Umgangsrechts durch Mutter zulasten des Vaters, der aufgrund konkreter Anhaltspunkte dem Wohl des Kindes schaden könnte, Revision anhängig beim BFH mit dem Aktenzeichen VI R 27/18); Endert, FR 2018, 692, 695 f.; in diese Richtung auch schon Steinhauff, NWB 2002, 4409, 4412, der in der Entscheidung des BFH v. 4.12.2001 (BStBl. II 2002, 382) vor allem mit Blick auf nichteheliche Kinder einen verallgemeinerungsfähigen Gedanken sieht; a. A. FG Saarland v. 13.12.2017 – 2 K 1316/16, BeckRS 2017, 152959 Rn. 21 ff., das sich auf den angeblichen Ausnahmecharakter dieser soeben erwähnten BFH-Entscheidung aus dem Jahre 2001 beruft. So sei eine Regelung zum Umgangsrecht im Gegensatz zur alten Rechtslage nunmehr ohne Gericht möglich. Diese Betrachungsweise greift im Ergebnis jedoch zu kurz. Denn der Bezug zu Art. 6 Abs. 1 GG kann bei Verfahren zum Umgangsrecht mit dem eigenen Kind schon aufgrund des dabei gegebenen „Kernbereichs menschlichen Lebens“ (erstmals BFH v. 4.12.2001 – III R 31/00, BStBl. II 2002, 382, 384) derart erheblich sein, dass allein dadurch die Abziehbarkeit der hier ausgelösten Kosten dargetan ist. Skeptisch hinsichtlich der Abziehbarkeit der in solchen Konstellationen verursachten Kosten FG Münster v. 12.2.2019 – 2 K 750/17 E, FamRZ 2019, 1280: Ein Abzug scheide nach Ansicht des Münsteraner Senats jedenfalls dann aus, wenn die Auseinandersetzung lediglich den Namen des Kindes betreffe. 135

C. Familienrechtliche Verfahren 

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gen (HKÜ) richtet139, eindeutig einen solchen erheblichen durch Art. 6 Abs. 1 GG vermittelten Grundrechtsbezug140. Denn ein solches Verfahren zielt darauf ab, die Entführung aufzuheben, indem ein widerrechtlich in ein anderes Land verbrachtes oder dort zurückgehaltenes Kind regelmäßig zurück an den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gebracht wird141. Die soeben vorgetragene Begründung kann jedoch noch für weitere Fälle herangezogen werden. Denn nicht bloß der Umgang mit dem Kind, sondern auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die übrigen Bereiche der elterlichen Sorge142 und letztlich auch die Feststellung der Vaterschaft143 sind jeweils ein von Art. 6 Abs. 1 GG geschütztes menschliches Grundbedürfnis144. Entsprechenden Verfahren ist deshalb zweifelsfrei ein erheblicher Grundrechtsbezug zu bescheinigen145. Eindeutig keinen erheblichen Grundrechtsbezug zu Art. 6 Abs. 1 GG weisen aber Verfahren auf, in denen sich Betroffene dagegen wehren, als Vater festgestellt zu werden146. Hier geht es nicht um den „Kernbereich menschlichen Lebens“ – denn die Steuerpflichtigen wehren sich ja gerade gegen eine verrechtlichte Beziehung dieses Kernbereichs –, sondern letztlich um die Abwehr unterhaltsrechtlicher Zahlungsansprüche. Eine Existenzgefährdung schließt hier schon das Unterhaltsrecht selbst aus. So stellt § 1603 BGB sicher, dass Unterhalt nur bei Leistungs­fähigkeit des Verpflichteten zu zahlen ist147.

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BGBl. II 1990, S. 207. So auch FG Düsseldorf v. 13.3.2018  – 13 K 3024/17 E, EFG 2018, 838, 840: „Kern­ bereich menschlichen Lebens“, Revision derzeit anhängig beim BFH mit dem Aktenzeichen VI R 15/18. 141 Vgl. zum Ganzen Heiderhoff, in: MüKo, BGB, Vorb. KindEntfÜbk Rn. 1 ff. 142 Siehe zur elterlichen Sorge unter dem Aspekt der historischen Differenzierung zwischen ehelicher und nichtehelicher Geburt eines Kindes ausführlich Budzikiewicz, Statuseinheit und Statusverbesserung, S. 66 f.; dazu nach geltendem Recht dies., in: Jauernig, BGB, § 1626 Rn. 2 ff. 143 Dazu schon BFH v. 18.3.2004 – III R 24/03, BStBl. II 2004, 726, 727. 144 Dabei handelt es sich aus der hier zugrundeliegenden steuerrechtlichen Sicht um Rechte aus Art. 6 GG, auf die sich die Eltern berufen können. Gleichwohl sind im Rahmen derartiger Verfahren auch immer Grundrechte des Kindes selbst betroffen, siehe dazu Britz, NZFam 2016, 1113 ff. 145 A. A. zu Kosten der Streitigkeiten über das Aufenthaltsbestimmungsrecht BFH v. 14.12.2016 – VI R 49/15, BFH / N V 2017, 895, 897 (als nicht abzugsfähige Folgekosten der Ehescheidung); zur Nichtabziehbarkeit von Adoptionskosten siehe BFH v. 10.3.2015 – VI R 60/11, BStBl. II 2015, 695 f. m. w. N.; a. A. wohl Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 90 Stichwort „Adoption“. 146 Gl. A. BFH v. 18.3.2004 – III R 24/03, BStBl. II 2004, 726, 728; zur umgekehrten Situa­ tion, in welcher der Vater die Feststellung begehrt, siehe bereits oben. 147 Dazu Budzikiewicz, in: Jauernig, BGB, §§ 1601–1604 Rn. 12 ff. 140

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

II. Speziell: Ehescheidungsverfahren Im Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 1 GG stehen auch die sehr praxisrelevanten Scheidungskosten148. Für sie kommt ein Abzug weder unter dem Aspekt des beruflichen Aufwands nach § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 EStG – Eheschließungen und -scheidungen sind stets privat im steuerlichen Sinne – noch in Bezug auf Sonderausgaben in Betracht149. Ein Abzug nach § 33 EStG scheitert damit jedenfalls nicht an der Subsidiarität der Norm150. Die nachfolgenden Ausführungen müssen entsprechend auch für die Aufhebung der Lebenspartnerschaft von Personen gleichen Geschlechts gelten. Denn erstens korrespondieren die Voraussetzungen einer solchen Aufhebung weitestgehend mit denen der Ehescheidung, vgl. § 15 LPartG151; zweitens hat der einfache Gesetzgeber die bürgerliche Ehe nunmehr auch für Personen gleichen Geschlechts geöffnet, § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB152. Vor diesem Hintergrund können die noch bestehenden Lebenspartnerschaften hier steuerlich nicht anders behandelt werden als seither geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen. 1. Außergewöhnlichkeit Speziell im Hinblick auf die Außergewöhnlichkeit von Scheidungskosten wurden jüngst Bedenken geäußert153. Aufwendungen sind außergewöhnlich, wenn sie größer sind als diejenigen der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands. Der Anknüpfungspunkt ist dabei immer auch das Ereignis, das die Kosten auslöst154. Dies erfordert stets auch eine soziale Wertung im Hinblick auf die Frage, ob die Aufwendungen und das zugrundliegende Ereignis außerhalb der „normalen Lebensführung“ liegen und sich damit der Ratio des § 33 EStG zuordnen lassen155. Zentral ist für diese Frage im Falle von Scheidungskosten der auf Betreiben zumindest eines Ehegatten erwirkte Scheidungsbeschluss des Familiengerichts nach 148

Zum verfassungsrechtlichen Schutz der Ehescheidung durch Art. 6 GG vgl. BVerfG v. 28.2.1980 – 1 BvL 136/78, BVerfGE 53, 224, 245. 149 Die §§ 10 ff. EStG, die abschließend zu verstehen sind, erwähnen Aufwendungen der Ehescheidung schlicht nicht, dazu allgemein auch schon oben sub Kap. 1 C. 150 So auch schon Liebl, jurisPR-SteuerR 10/2014 Anm. 1. 151 Siehe dazu Wacke, in: MüKo, BGB, § 15 LPartG Rn. 5. 152 Durch Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.7.2017 (BGBl. I, S. 2787); siehe dazu auch Budzikiewicz, in: Jauernig, BGB, § 1353 Rn. 1; dazu grundlegend aus verfassungsrechtlicher und rechtsvergleichender Sicht Wollenschläger / Coester-Waltjen, Ehe für Alle. 153 Kanzler, FR 2017, 1113 f.; so etwa auch FG Niedersachsen v. 18.2.2015 – 3 K 297/14, EFG 2015, 725 f. m. w. N.; vgl. dazu auch schon oben sub Kap. 4 A. II. 154 Heger, in: Blümich, § 33 Rn. 83; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 12; a. A. Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn.  30. 155 BFH v. 17.6.1994 – III R 42/93, BStBl. II 1994, 754, 755: „außerhalb des Normalen“; ­L oschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 12.

C. Familienrechtliche Verfahren 

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§ 1564 BGB156, kurzum die „Scheidung der Ehe“. Es ist also die Situation derjenigen Ehegatten, deren Ehe geschieden wird, mit derjenigen von solchen Ehegatten zu vergleichen, welche die eheliche Verbindung nicht aufheben. Dabei ist in der Tat zu sehen, dass die vom Finanzgericht Niedersachsen angeführte Zahl der Ehescheidungen von „rund 190.000“ in Relation zur Größe der Bevölkerung und der Anzahl der geschlossenen Ehen hoch ist157. Ebenso ist die durch die niedersächsischen Richter erwähnte, von 1950 bis 2005 deutlich gestiegene Scheidungsquote158 nicht zu bestreiten. Die Ansicht, Scheidungskosten seien deshalb nicht mehr als außergewöhnlich i. S. v. § 33 EStG anzusehen159, vermag im Ergebnis gleichwohl nicht zu überzeugen. Legt man aktuellere Erhebungen des statistischen Bundesamtes zugrunde als diejenige aus dem Jahre 2005, so ist etwa für das Jahr 2018 (148.066), auch im Vergleich zu den Jahren 2017 (153.501), 2016 (162.397) und 2015 (163.335), ein deutlicher Rückgang von Ehescheidungen festzustellen160. Es ist also keineswegs eine stetig wachsende Anzahl an Ehescheidungen zu beklagen; für die letzten zehn Jahre ist das Gegenteil festzuhalten161. Unter Statistikgesichtspunkten ist die Scheidung insofern weder – in der Terminologie des § 33 EStG – zum „Gewöhnlichen“, noch ist das Festhalten an einer Ehe zum „Außergewöhnlichen“ mutiert. Abseits dieser auf Zahlen gestützten Argumentation, bei der sich im Übrigen auch die Frage stellt, ob rein statistische Überlegungen hier überhaupt zielführend sein können162, ist auch die Eigenart der Ehescheidung mit in die Würdigung miteinzubeziehen: Nach § 1353 BGB wird die Ehe „auf Lebenszeit“ geschlossen163, darüber hinaus ist sie auch aus Perspektive der in Art. 6 Abs. 1 GG verankerten und dem Gesetzgeber daher vorgegebenen Institutsgarantie grundsätzlich zeitlich unbeschränkt und unauflöslich164. Damit ist der Fortbestand der Ehe schon nach der einfachgesetzlichen und verfassungsrechtlichen Idee der Regelfall, das „Gewöhnli-

156

Dazu Budzikiewicz, in: Jauernig, BGB, § 1564 Rn. 3. FG Niedersachsen v. 18.2.2015 – 3 K 297/14, EFG 2015, 725 f. m. w. N. 158 Dazu Emmerling, WISTA 2/2007, S. 159, 160 ff. 159 So FG Niedersachsen v. 18.2.2015 – 3 K 297/14, EFG 2015, 725 f.; Kanzler, FR 2017, 1113 f. 160 Quelle: Statistisches Bundesamt; https://www-genesis.destatis.de/genesis/online, dort unter „Gebiet, Bevölkerung, Arbeitsmarkt, Wahlen“, dann unter „Bevölkerung“, sodann unter „Statistik rechtskräftiger Urteile in Ehesachen“ (zuletzt abgerufen am 23.12.2019). 161 Vgl. empirisch nicht nur zur „Ehe“, sondern auch zur „Familie“ Latt, Ehegattensplitting und Genderperspektive, S. 4 ff. m. w. N. 162 Dies verneinend mit Hinweis darauf, dass – allgemein als außergewöhnlich anerkannte – Krankheitskosten letztlich auch jedermann treffen Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701, 1702. 163 Dazu Budzikiewicz, in: Jauernig, BGB, § 1353 Rn. 2. 164 BVerfG v. 29.7.1959  – 1 BvR 205/58 u. a., BVerfGE 10, 59, 66; dazu auch Uhle, in: ­BeckOK, GG, Art. 6 Rn. 8 m. w. N.; nicht vereinbar mit dieser grundgesetzlichen Entscheidung wäre etwa die zivilrechtliche Einführung einer „Ehe auf Zeit“, siehe dazu ders., a. a. O. 157

200

Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

che“ – die Scheidung der Ehe hingegen die Ausnahme, das „Außer­gewöhnliche“165. Sie kann auch nicht ad hoc herbeigeführt werden, sondern hängt von besonderen Bedingungen ab, §§ 1565 ff. BGB166. Auch das Argument, die im Vergleich zu den 1950er Jahren gewandelte gesellschaftliche Akzeptanz einer Scheidung führe dazu, dass Ehescheidungskosten nicht mehr außergewöhnlich seien167, verfängt nicht. Die insbesondere im Familienrecht realisierten Liberalisierungen verschiedenster Bereiche seit den 1950er Jahren führen nicht dazu, dass das gesetzliche Prinzip in seinem Regel-Ausnahme-​ Verhältnis von Eheschließung auf Lebenszeit und gerichtlicher Scheidung in Frage gestellt wird. Die heute im Vergleich zum Deutschland der Nachkriegszeit unbestreitbar höhere Anzahl an Scheidungsfällen ist demgegenüber lediglich als faktischer gesellschaftlicher Wandel zu verbuchen168. In diesem Zusammenhang kann dem Finanzgericht Niedersachsen auch insoweit nicht zugestimmt werden, als es anführt, die jahrzehntelange Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu Scheidungskosten habe auf den Wertungen der 1950er Jahre basiert. Dass der Bundesfinanzhof die Rechtsprechung bis in die 2010er Jahre fortführte169, zeigt vielmehr, dass er es bis dahin in Kenntnis und im Bewusstsein dieser im Laufe der Zeit sichtbar gewordenen gesellschaftlichen Veränderungen nach wie vor für richtig hielt, Scheidungskosten als außergewöhnlich im Sinne von § 33 EStG zu betrachten. Die Ehescheidung und die daraus erwachsenden Kosten sind nach alle­dem außergewöhnlich im Sinne von § 33 Abs. 1 EStG170. 2. Zwangsläufigkeit Das Grundrecht des Art. 6 Abs. 1 GG schützt korrespondierend zur Eheschließung auch das Recht, sich scheiden zu lassen171. Steuerpflichtigen, deren Ehe gescheitert ist, verbleibt nur die Möglichkeit, sich scheiden zu lassen. Es wäre unzumutbar, von ihnen – etwa um Kosten zu sparen – zu verlangen, weiter mit ihrem Ehepartner verheiratet zu sein172. Nach heutigem Verständnis dient die 165

Auch wenn das „Lebenszeitprinzip“ durch die Möglichkeit der Scheidung „relativiert“ wird, lässt es sich gleichwohl als „Programmsatz“ erfassen, dazu Budzikiewicz, in: Jauernig, BGB, § 1353 Rn. 2. 166 Vgl. dazu Budzikiewicz, in: Jauernig, BGB, § 1565 Rn. 1 ff. 167 FG Niedersachsen v. 18.2.2015 – 3 K 297/14, EFG 2015, 725. 168 Zu möglichen Ursachen Latt, Ehegattensplitting und Genderperspektive, S. 6 ff. 169 So zuletzt etwa BFH v. 4.8.2016 – VI R 63/14, BFH / N V 2017, 14, 16; v. 15.6.2016 – VI R 26/13, BFH / N V 2016, 1562, 1563; v. 10.3.2016 – VI R 69/12, BFH / N V 2016, 1155, 1156; v. 20.1.2016 – VI R 66/12, BFH / N V 2016, 998, 1000; v. 20.1.2016 – VI R 70/12, BFH / N V 2016, 905, 907 (jeweils für Veranlagungsräume vor 2013). 170 Zur nicht gegebenen Außergewöhnlichkeit der Eheschließung siehe BFH v. 15.4.1992 – III R 11/91, BStBl. II 1992, 821, 822. 171 BVerfG v. 28.2.1980 – 1 BvL 136/78 u. a., BVerfGE 53, 224, 245. 172 Gl.A. Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701.

C. Familienrechtliche Verfahren 

201

Ehe­scheidung auch der Wiedergewinnung der Eheschließungsfreiheit173. Für das Scheidungsverfahren ist daher ein Bezug zum Grundrecht des Art. 6 Abs. 1 GG im Grundsatz festzuhalten174. Inwieweit dieser Bezug auch erheblich ist und es auf diese Weise ermöglicht, die hier entstehenden Kosten dem Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG zuzuordnen, kann nicht allgemein, sondern muss differenzierend beurteilt werden. Es wird hierfür an die langjährige Unterscheidung der Rechtsprechung angeknüpft175. a) „Unmittelbare und unvermeidbare“ Scheidungskosten Unter den „unmittelbaren und unvermeidbaren“ Scheidungskosten verstand die Rechtsprechung stets die Anwalts- und Gerichtkosten für das reine Scheidungsverfahren sowie den Versorgungsausgleich176: Mit anderen Worten waren dies die Scheidungskosten im Umfang des sogenannten Zwangsverbundes177. Für die Annahme eines erheblichen Bezugs zu Art. 6 Abs. 1 GG ist auch hieran anzuknüpfen. Denn völlig zu Recht führte der Bundesfinanzhof in einer seiner Entscheidungen aus, dass den Eheleuten „Inhalt und Verfahren der Regelung ihrer Verhältnisse [also der Scheidungsvereinbarungen] im Wesentlichen in gleicher Weise zur eigenverantwortlichen Gestaltung übertragen [sind] wie in bestehender Ehe oder im Falle nichtehelicher Beziehungen.“178

Dies überzeugt auch mit Blick auf die gesetzliche Neuregelung. Nur insoweit, als die Eheleute hoheitlicher Hilfe bedürfen, um ihre Angelegenheiten zu regeln – und das ist der Fall im Bereich des Zwangsverbundes i. S. v. § 137 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 FamFG –, ist klar von einem erheblichen Grundrechtsbezug auszugehen179. Erfasst von dem Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG sind daher 173 Vgl. zum Schutz der Eheschließungsfreiheit etwa BVerfG v. 7.10.1970 – 1 BvR 409/67, BVerfGE 29, 166, 175. 174 Vor diesem Hintergrund argumentierte der BFH anfänglich mit rechtlicher Zwangsläufigkeit von Scheidungskosten (BFH v. 8.11.1974 – VI R 22/72, BStBl. II 1975, 111) und schließlich mit tatsächlicher Zwangsläufigkeit (seit BFH v. 2.10.1981 – VI R 38/78, BStBl. II 1982, 116, 117). 175 Siehe hierzu erstmals BFH v. 8.11.1974 – VI R 22/72, BStBl II 1975, 111. 176 So zuletzt etwa BFH v. 4.8.2016 – VI R 63/14, BFH / N V 2017, 14, 16; siehe dazu im Übrigen schon oben sub Kap. 3 A. II. 177 Im Scheidungsverfahren gilt eine besondere Maxime der Entscheidungs- und Verhandlungskonzentration. So bestimmt § 137 Abs. 1 FamFG, dass im sogenannten Verbund einheitlich über die Scheidung und Scheidungsfolgen zu entscheiden ist. Dabei gehört allein der Versorgungsausgleich, der nach § 137 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG Folgesache ist, zum Zwangsverbund (Helms, in: Prütting / ders., § 137 Rn. 29: „von Amts wegen durchzuführen“). Die Verfahrensbeteiligten können die Angelegenheit hier im regelmäßig nicht separat verhandeln (zu Ausnahmen Helms, a. a. O., § 137 Rn. 57), siehe dazu auch schon oben sub Kap. 3 A. II. 178 BFH v. 30.6.2005 – III R 27/04, BStBl. II 2006, 492, 495. 179 Nach Nieuwenhuis, DStR 2017, 2373, 2374 „droht die Verletzung von Verfassungsrecht“, also des subjektiven Nettoprinzips, wenn diese Aufwendungen nicht mehr abziehbar sind. Denn es handele sich insoweit um unvermeidbare Privataufwendungen.

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

eindeutig nach wie vor die Gerichts- und Anwaltsgebühren für die eigentliche Scheidung sowie den Versorgungsausgleich. Damit ist auch ein wesentliches Postu­ lat der historischen Auslegung  – die Abziehbarkeit der Kosten der Fallgruppe „Scheidungsverfahren“180 – umgesetzt181. Unter die Fallgruppe der „unmittelbaren und unvermeidbaren“ Scheidungskosten können jedoch ebenso weitere Kosten der Ehescheidung fallen; entscheidend muss stets die Frage sein, inwieweit die Ehegatten eine Angelegenheit selbstständig ohne richterliche Hilfe regeln können oder nicht182. b) Übrige Scheidungskosten Die übrigen Scheidungskosten zeichnen sich dadurch aus, dass die Steuerpflichtigen ihre entsprechenden (nachehelichen) Verhältnisse auch ohne gerichtliche und anwaltliche Hilfe regeln könnten183. Die Argumentation mit der Unausweichlichkeit, das Scheidungsverfahren zu durchlaufen, ist bei diesen Kosten daher nicht möglich. Der „existenzielle Bereich“ des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG kann daher aufgrund der im Zusammenhang zu dem „chilling effect“ stehenden Auslegungsregel184 hier allenfalls dann bejaht werden, wenn neben dem grundsätzlichen Berührungspunkt zu Art. 6 GG weitere Umstände hinzutreten, die es in annähernd vergleichbarer Weise nahelegen, dass der Steuerpflichtige letztlich nicht anders kann, als ein Verfahren einzuleiten. Ein Abzug der Aufwendungen ist demzufolge ausnahmsweise etwa dann möglich, soweit die Streitigkeit die in § 137 Abs. 3

180

Vgl. dazu oben sub Kap. 6 E. III. Im Ergebnis gl.A. Nieuwenhuis, DStR 2017, 2373 f.; ders., DStR 2014, 1701, 1702; Engels, FamRZ 2016, 1989, 1990 f.; zurückhaltender ders., FamRZ 2017, 1630, 1631; Liebl, jurisPR-SteuerR 10/2014 Anm. 1; Bleschick, FR 2013, 932, 936; Spieker, NZFam 2014, 537, 538; Amann, Standortbestimmun der außergewöhnlichen Belastungen, S. 197; Gerauer, NWB 2014, 2621, 2622; wohl auch Hey, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 728; a. A. BFH v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl. II 2017, 988. Selbst wenn man diese Auffassung des Senats teilen würde, nach der die Tatbestandsmerkmale rein materiell auszulegen seien, ließe sich der damit verbundene per-se-Ausschluss immaterieller Konstellationen vor dem subjektiven Nettoprinzip nicht rechtfertigen, dazu schon Nieuwenhuis, DStR 2017, 2373, 2374. Gegen die Abziehbarkeit der Scheidungskosten im beschriebenen Umfang ebenso Hettler, DStR 2018, 2307, 2309; Endert, FR 2018, 692, 696; Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 213; ders., FR 2017, 1113, 1114; Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 220; Geserich, NWB 2017, 2560 f.; wohl auch Intemann, NZA 2017, 1112. 182 Letzteres kann etwa in gleicher Weise der Fall sein, wenn sich die Scheidung nicht nach deutschem, sondern nach ausländischen Recht beurteilt und das ausländische Recht hinsichtlich gewisser Scheidungsfolgesachen ein ähnliches Institut wie den deutschen Zwangsverbund kennt, dazu etwa BFH v. 15.6.2016 – VI R 26/13, BFH / N V 2016, 1562, 1563 f. 183 Urban, NJW 2017, 3189, 3191 ff. ausführlich zur Frage, inwieweit im Rahmen solcher Folgekosten ein hier nicht behandelter Abzug nach § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 EStG in Betracht kommt. 184 Siehe dazu ausführlich oben sub Kap. 7 A. I. und Kap. 6 B. II. 4. b) bb). 181

D. Strafprozess

203

FamFG geregelten Kindschaftssachen betrifft185. Im Übrigen, insbesondere in Fragen der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung der Ehegatten, besteht eindeutig kein besonderer Grund, die entsprechenden Kosten abziehen zu können186. 3. Notwendigkeit / Angemessenheit Für die dem Grunde nach abziehbaren Ehescheidungskosten bestehen im Hinblick auf ihre Höhe keine Bedenken. Soweit jedoch insbesondere mit Rechts­ anwälten freie Honorarvereinbarungen getroffen werden, deren Höhe die gesetzlichen Gebühren überschreitet, ist die Notwendigkeit und Angemessenheit fraglich. Richtigerweise ist in diesen Fällen der Abzug der über den gesetzlichen Rahmen hinausgehenden Kosten zu verwehren. Denn sie beruhen insoweit auf dem freien Entschluss, eine teurere und vermeintlich bessere Rechtsberatung und -vertretung in Anspruch zu nehmen187.

D. Strafprozess I. Allgemeines Bei zutreffender weiter Auslegung des Begriffes „Rechtsstreit“ erfasst dieser Begriff hier auch alle Formen und Stadien eines Strafverfahrens188. Es handelt sich dabei um eine Auseinandersetzung zwischen Bürger und Staat, die als hoheit­liches Verfahren in seinen unterschiedlichen Stadien (Ermittlungs-, Zwischen- oder Hauptverfahren sowie ggf. Vollstreckungsverfahren) dazu dient, eine mögliche Verfehlung des Einzelnen aufzuklären und ggf. zu ahnden189. Auch das Einstel 185

A. A. wohl BFH v. 28.4.2016 – VI R 15/15, BFH / N V 2016, 1545, 1547 (u. a. elterliche Sorge und Umgangsrecht. Dies übersieht jedoch, dass es hier gerade auch um den „Kernbereich menschlichen Lebens“ gehen kann, dazu schon oben sub Kap. 7 C. I.). 186 Insoweit zutreffend BFH v. 10.3.2016 – VI R 69/12, BFH / N V 2016, 1155, 1156 f. (Unterhalts- und Zugewinnausgleichsansprüche); v. 16.3.2007 – III B 99/06, BFH / N V 2007, 1304, 1305 (Aufwendungen zur Löschung einer Sicherungshypothek anlässlich des Verkaufs des gemeinsam bewohnten Hauses); v. 22.3.2002 – III B 158/01, BFH / N V 2002, 1025 (Zins­aufwand für Alleineigentumserwerb des zuvor gemeinsam bewohnten Hauses); v. 21.2.1992 – III R 2/91, BFH / N V 1993, 356, 357 (Detektivkosten); v. 10.2.1977 – IV R 87/74, BStBl. II 1977, 462, 463 f. (vermögensrechtliche Auseinandersetzung und Testamentsänderung infolge Scheidung); v. 8.11.1974 – VI R 22/72, BStBl. II 1975, 111 (Detektivkosten); Speckamp, NWB 2013, 1264, 1265 meint, dass auch „vermögensrechtliche, güterrechtliche und unterhaltsrechtliche Ansprüche“ wegen des Zusammenhangs mit der Scheidung abziehbar sein müssten. Dies überdehnt jedoch den Anwendungsbereich des – hier entscheidenden – Zwangsverbunds i. S. d. FamFG. 187 Siehe zum Ganzen die Nachweise und auch die Ausführungen zu Strafprozesskosten unten sub Kap. 7 D. III. 2. 188 Vgl. dazu oben sub Kap. 6 G. I. 2. b) 189 Zu den Zielen des Strafverfahrens Fischer, in: KK, StPO, Einleitung Rn. 1 ff.

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

len eines Strafverfahrens gehört bei überzeugender weiter Auslegung190 noch zum „Führen“ des Rechtsstreits. Dabei erfolgt die Verteidigung des subjektiven Rechts, vom Staat nicht grundlos bestraft zu werden191, nicht bloß dadurch, dass der Betroffene das Verteidigerhonorar zahlt. Auch wenn der Verteidiger kraft seiner Stellung als Vertreter des Beschuldigten in besonderer Weise dessen Interessen zu beachten hat192, werden die Belange des Beschuldigten auch im Strafverfahren als Ganzes berücksichtigt. Denn das Strafverfahren des Grundgesetzes ist auf eine „rechtsstaatlich geordnete Rechtspflege“193 gerichtet. Daraus folgt, dass dieses Verfahren auch selbst den Schutz des Beschuldigten verbürgt194. Insoweit sind ausdrücklich auch die – oftmals erst im Nachgang zu tragenden – Kosten für das Strafverfahren von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG erfasst. 1. Subsidiarität Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Strafprozesskosten – im Sinne der bereits vorgestellten Veranlassungsgrundsätze195 – nur dann dem Bereich des § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 EStG zuzuordnen, wenn der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, durch sein berufliches Verhalten veranlasst gewesen ist196. Dies ist der Fall, wenn die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen worden ist197. Die Tat muss ausschließlich und unmittelbar aus der betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen heraus erklärbar sein198. Eine solche 190

Vgl. dazu oben sub Kap. 6 G. I. 3. Für den Fall der Freiheitsstrafe folgt dieses subjektive öffentliche Recht bereits aus der reinen Lektüre des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG. 192 BVerfG v. 17.11.1959 – 1 BvL 80/53 u. a., BVerfGE 10, 185, 198. 193 BVerfG v. 28.7.2015 – 2 BvR 2558/14 u. a., NJW 2015, 2949, 2950. 194 Siehe dazu etwa nur die aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Grundsätze der Unschuldsvermutung und des fairen Verfahrens, hierzu im Einzelnen Schünemann / Roxin, Strafverfahrensrecht, § 11 Rn. 1 ff. 195 Vgl. dazu oben sub Kap. 2 C. I. 196 BFH v. 13.12.2016 – VIII R 43/14, BFH / N V 2017, 569, 570; v. 16.4.2013 – IX R 5/12, BStBl II 2013, 806, 807; v. 18.10.2007 – VI R 42/04, BStBl. II 2008, 223, 224; v. 30.6.2004 – VIII B 265/03, BFH / N V 2004, 1639; v. 19.2.1982 – VI R 31/78, BStBl. II 1982, 467, 468; soweit dies der Fall ist, kommt es nach Ansicht des BFH nicht mehr darauf an, ob der Beschuldigte tatsächlich schuldig war und verurteilt wurde, da im Rahmen von Erwerbsaufwendungen allein die berufliche Veranlassung maßgebend sei und das Argument der „Einheit der Rechtsordnung“ nicht verfange (seit Aufgabe der alten Rechtsprechung durch BFH v. 19.2.1982 – VI R 31/78, BStBl. II 1982, 467, 469); a. A. Bergmann, BB 1981, 2001, 2002: generell keine Abziehbarkeit aufgrund der „Einheit der Rechtsordnung“. 197 BFH v. 16.4.2013 – IX R 5/12, BStBl. II 2013, 806, 807; v. 18.10.2007 – VI R 42/04, BStBl. 2008, 223, 224; v. 13.12.1994 – VIII R 34/93, BStBl. II 1995, 457, 459. 198 Zuletzt BFH v. 13.12.2016 – VIII R 43/14, BFH / N V 2017, 569, 570. So etwa der Fall bei BFH v. 19.2.1982 – VI R 31/78, BStBl. II 1982, 467, 468 (Fahrlässige Tötung mehrerer Fabrikarbeiter durch einen Kollegen, der eine Explosion von Chemikalien verursacht hatte). 191

D. Strafprozess

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Erklärung wird in der Praxis aber nur selten gegeben werden können, so dass im Zweifel nicht von Erwerbsaufwendungen auszugehen ist199. 2. Außergewöhnlichkeit Im Hinblick auf die Frage der Außergewöhnlichkeit speziell von Strafprozesskosten sollen hier wenige ergänzende Ausführungen genügen200. Betrachtet man die Frage zunächst quantitativ, so sind im Jahre 2018 673.637 neue erstinstanzliche Verfahren vor den Strafgerichten und ganze 4.915.272 Verfahren vor den Staatsanwaltschaften zu konstatieren201. Auch bei Zugrundelegung dieser Zahlen sind Strafprozesskosten für den einzelnen Steuerpflichtigen außergewöhnlich, weil die überwiegende Mehrzahl der Steuerpflichtigen nicht in ein Strafverfahren ver­ wickelt ist. Angesichts der mitunter einschneidenden Auswirkungen eines Strafverfahrens auf den Beschuldigten, wie etwa seine gesellschaftlichen, sozialen oder im äußersten Fall auch freiheitsbeschränkenden Folgen202, entspricht es auch nicht der Lebenswirklichkeit, dass ein Strafverfahren zum „Gewöhnlichen“ gehört. Ein solches Verfahren liegt ganz im Gegenteil außerhalb der normalen Lebens­führung, so dass es dem Bereich des Außergewöhnlichen zugeordnet werden kann203. 3. Grundsätzlich erheblicher Grundrechtsbezug Das Strafverfahren zeichnet sich allgemein dadurch aus, dass die hier Beschuldigten mitunter drastische Konsequenzen zu befürchten haben204. Selbst in denjenigen Fällen, in denen sich die strafrechtlichen Vorwürfe als haltlos erweisen, haben die Beschuldigten Auswirkungen auf ihren Alltag zu befürchten, wie etwa ablehnende Reaktionen des Freundes- und Bekanntenkreises wie auch des gesamten gesellschaftlichen Umfelds205. Insofern geht allein mit dem in jedem Straf­ verfahren erhobenen Vorwurf einer strafbaren Handlung auch stets ein Eingriff in den sozialen Ehr- und Achtungsanspruch des Einzelnen als Bestandteil seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 GG einher206. 199

BFH v. 13.12.2016 – VIII R 43/14, BFH / N V 2017, 569, 570 (Kauf eines privaten Pkw unter rechtswidriger Inanspruchnahme eines „Behördenrabatts“); v. 16.4.2013 – IX R 5/12, BStBl. II 2013, 806, 807 (nicht nachweisbar, dass strafbar erlangte Gelder für steuerbare Zwecke verwendet worden sind); v. 18.10.2007 – VI R 42/04, BStBl. II 2008, 223, 224 (Untreue eines Geschäftsführers, wobei die strafbare Handlung privat veranlasst war); v. 12.6.2002 – XI R 35/01, BFH / N V 2002, 1441, 1442 (Tötungsbeschuldigung gegenüber einer Altenpflegerin). 200 Vgl. dazu allgemein schon oben sub Kap. 7 A. III. 201 Siehe zu dem Nachweis der Zahlen schon oben sub Kap. 1 A. 202 Vgl. dazu beispielhaft nur die drohenden Sanktionsmittel der Geldstrafe oder Freiheitsstrafe, §§ 38 ff. StGB. 203 Vgl. zu diesem Wertungsansatz Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 12 m. w. N. 204 Hierzu Endert, FR 2018, 692, 695. 205 In diese Richtung auch Bleschick, FR 2013, 932, 936; Bron / Ruzik, DStR 2011, 2069, 2071. 206 Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 127.

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

Soweit es darüber hinaus zum Äußersten – einem Schuldspruch – kommt, hat der Beschuldigte als staatliche Sanktion regelmäßig eine Strafe zu tragen. Während Geldstrafen den Einzelnen in seiner Freiheit im vermögensrechtlichen Bereich aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 GG beeinträchtigen207, entziehen Freiheitsstrafen dem Betroffenen demgegenüber sogar seine persönliche Freiheit und betreffen daher die Gewährleistung des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG208. Darüber hinaus beschränken sie den Verurteilten auch in seinen Möglichkeiten, die anderen im Grundgesetz niedergelegten Freiheitsgrundrechte auszuüben209. An der Erheblichkeit dieser Grundrechtsbezüge bestehen vor diesem Hintergrund keine Bedenken. Auch ist der Grundrechtsbezug regelmäßig dadurch qualifiziert, dass das Strafverfahren aufgrund des Legalitätsgrundsatzes von Gesetzes wegen geführt wird210. Der Beschuldigte hat dementsprechend – abgesehen von seiner möglicherweise eigenen strafbaren Handlung – überhaupt keine Chance, auf das Einleiten eines solchen Verfahrens und damit das Entstehen der Kosten Einfluss zu nehmen. Diese Vorzeichen lassen damit die Abziehbarkeit der Fallgruppe der Straf­ prozesskosten möglich erscheinen. Ob jedoch die Ausnahme des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG zu bejahen ist, bedarf eines Differenzierens nach verschiedenen Konstellationen innerhalb der Strafprozesskosten. Dabei wird vor allem der Frage nachzugehen sein, ob nicht allgemeine Grundsätze der Zwangsläufigkeit aus § 33 Abs. 2 EStG einen Abzug verhindern211.

II. Kosten bei Unrechtsbegehung 1. Verurteilung zu einer Strafe Schon bei einer Verurteilung des Steuerpflichtigen zu einer Geld- oder Freiheits­ strafe, bei der dieser nach § 465 Abs. 1 S. 1 StPO die Verfahrenskosten zu tragen hat, sind diese allgemeinen Grundsätzen des § 33 Abs. 2 EStG fruchtbar zu machen. Denn es ist bei § 33 Abs. 2 EStG anerkannt, dass schuldhaftes und sozial inadäquates Verhalten des Steuerpflichtigen die Zwangsläufigkeit der daraus entstehenden Aufwendungen ausschließt. Schließlich hätte der Steuerpflichtige die

207 Zum Prüfungsmaßstab für die hoheitliche Auferlegung von Geldzahlungspflichten in­ soweit Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 99 m. w. N.; Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 133 f. sieht durch die Auferlegung von Geldstrafen wohl nur einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG. 208 Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 130. 209 Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 130 f. 210 Zur Unausweichlichkeit des Strafverfahrens vor dem Hintergrund des Legalitätsprinzips vgl. etwa Peters, in: MüKo, StPO, § 152 Rn. 26. 211 Auf diese allgemeinen Grundsätze darf auch im Rahmen des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG abgestellt werden, siehe dazu oben sub Kap. 6 F. II.

D. Strafprozess

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Aufwendungen bei sozial adäquatem Verhalten vermeiden können212. Wird ein Steuerpflichtiger rechtskräftig zu einer Strafe verurteilt, so steht fest, dass er gegen die geltenden Strafgesetze und damit das „ethische Minimum“213 der Gesellschaft verstoßen hat. Er hat sich sozial inadäquat verhalten; dieses Verhalten wäre ihm vermeidbar gewesen214. Aufgrund der Wertung eines rechtskräftigen Strafurteils können die dem verurteilen Täter aufgelegten Kosten daher eindeutig nicht nach § 33 EStG abziehbar sein215. Nicht überzeugend ist demgegenüber die – freilich zum gleichen Ergebnis gelangende – Argumentation, Strafprozesskosten seien eine „Nebenstrafe“, weshalb ein steuerlicher Abzug aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung ausscheiden müsse216. Dagegen spricht, dass Verfahrenskosten sind nicht dasselbe sind wie Geldstrafen; sie werden anders als diese nicht auferlegt, um eine Verfehlung zu vergelten, sondern sie dienen schon rein begrifflich dazu, ein Verfahren zu finanzieren. Strafprozesskosten liegt daher nicht die Ratio einer Geldstrafe zugrunde, die durch einen steuerlichen Abzug konterkariert würde217. Anders können die Dinge ausnahmsweise gelagert sein, wenn der verurteilte Steuerpflichtige vor Eintritt der Rechtskraft verstirbt218. In einem solchen Fall steht nicht fest, dass sich der Steuerpflichtige tatsächlich rechtswidrig und sozial inadäquat verhalten hat, so dass ein Abzug nach den oben dargelegten Grundsätzen219 möglich ist220. 212

Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 28; nach Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 184 ff. ist hingegen zu fragen, ob die Geltendmachung von § 33 EStG rechtsmissbräuchlich ist (wohl mit oftmals gleichem Ergebnis). 213 Jellinek, Die sozialethische Bedeutung von Recht, Unrecht und Strafe, S. 45: „Recht ist nichts anderes, als das ethische Minimum“. 214 Gerade darauf beruht auch der strafrechtliche Vorwurf, siehe dazu etwa Freund, in: MüKo, StGB, Vor § 13 Rn. 237 m. w. N. 215 Gl. A. BFH v. 14.5.2014 – X R 23/12, BStBl. II 2014, 684, 694; v. 16.4.2013 – IX R 5/12, BStBl. II 2013, 806, 808; v. 18.10.2007 – VI R 42/04, BStBl. II 2008, 223, 224 f.; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 36. Auflage 2017, § 33 Rn. 35 Stichwort „Prozesskosten“; Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 47c; Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 235. 216 So aber BFH v. 15.11.1957 – VI 279/56 U, BStBl. III 1958, 105, 106; v. 21.7.1955 – IV 373/54 U, BStBl. III 1955, 338, 340; offenlassend BFH v. 21.6.1989 – X R 20/88, BStBl. II 1989, 831, 833 f. 217 Bestätigt wird dieses Ergebnis auch durch die eigene Rechtsprechung des BFH zur Abzugsfähigkeit von Strafprozesskosten unter dem Aspekt des beruflichen Aufwands. Nachdem dieser hier zunächst ebenso auf Basis der Einheit der Rechtsordnung einen Abzug ablehnte (zuletzt deutlich BFH v. 6.11.1968 – I R 12/66, BStBl. II 1969, 74, 75), gab er dieses Argument schließlich auf. Jedenfalls Strafverteidigungskosten seien nicht als Nebenstrafe aufzufassen, so dass das Argument der Einheit der Rechtsordnung nicht tragfähig sei (BFH v. 19.2.1982 – VI R 31/78, BStBl. II 1982, 467, 469). 218 BFH v. 21.6.1989 – X R 20/88, BStBl. II 1989, 831, 834. 219 Siehe dazu oben sub Kap. 7 D. I. 3. 220 Heger, in Blümich, EStG, § 33 Rn. 235 nimmt eine Ausnahme zu Recht auch dann an, wenn eine Verurteilung nicht nach rechtsstaatlichen Standards insbesondere im Ausland erwirkt worden ist.

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

2. Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB), Absehen von Strafe (§ 60 StGB) Das deutsche Strafrecht sieht neben dem Sanktionsmittel der Strafe unter bestimmten Voraussetzungen auch die Möglichkeit vor, den Betroffenen mit Strafvorbehalt zu verwarnen (§ 59 StGB) oder von Strafe abzusehen (§ 60 StGB). In beiden Fällen handelt es sich um einen Schuldspruch221; die Kosten des Verfahrens trägt auch in diesen Fällen der Beschuldigte, § 465 Abs. 1 S. 2 StPO. Aus verschiedenen Gründen tritt der aktive Strafanspruch des Staates zwar zurück222, gleichwohl wird auch in den Fällen der §§ 59, 60 StGB festgestellt, dass der Beschuldigte die geltenden Strafrechtsbestimmungen zurechenbar verletzt hat223. In der gewohnten Terminologie des § 33 EStG hat der Steuerpflichtige also auch hier sozial inadäquat gehandelt; sein Verhalten und damit auch die entsprechenden Kosten wären vermeidbar gewesen. Ein Abzug der Strafprozesskosten kann in diesen Fällen daher ebenso wenig in Betracht kommen. 3. Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 ff. StGB), insbesondere infolge Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) Das deutsche Strafrecht reagiert auf begangenes Unrecht „zweispurig“ durch einerseits Strafen (§§ 38 bis 60 StGB) und andererseits Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 bis 72 StGB)224. Letztere werden insbesondere dann verhängt, wenn Menschen für ihr begangenes Unrecht aufgrund ihrer Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) nicht bestraft werden können225. So werden die Betroffenen im Interesse und zum Schutz der Allgemeinheit davon abgehalten, weitere Straftaten zu begehen226. Die Kosten werden in diesen Fällen auch dem Beschuldigten auferlegt, § 465 Abs. 1 S. 1 StPO. Für steuerliche Zwecke ist die Besonderheit zu sehen, dass manche dieser Maßnahmen – insbesondere die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, § 63 StGB  – in Fällen erfolgen, in denen die Taten den Beschuldigten mangels Schuldfähigkeit (§ 20 StGB) nicht als schuldhaft vorwerfbar sind227. Hier kann 221

Groß, in: MüKo, StGB, § 59 Rn. 15; von Heintschel-Heinegg, in: BeckOK, StGB, § 60 Rn. 2. 222 Dazu von Heintschel-Heinegg, in: BeckOK, StGB, § 60 Rn. 12; ders. in: BeckOK, StGB, § 59 Rn. 4 f. 223 Groß, in: MüKo, StGB, § 60 Rn. 1; von Heintschel-Heinegg, in: BeckOK, StGB, § 60 Rn. 2.2. 224 Hierzu etwa van Gemmeren, in: MüKo, StGB, § 61 Rn. 1; Ziegler, in: BeckOK, StGB, § 61 Rn. 1 225 Van Gemmeren, in: MüKo, StGB, § 61 Rn. 1; Ziegler, in: BeckOK, StGB, § 61 Rn. 1. 226 Van Gemmeren, in: MüKo, StGB, § 61 Rn. 1; Ziegler, in: BeckOK, StGB, § 61 Rn. 1 m. w. N. 227 Dazu Ziegler, in: BeckOK, StGB, § 63 Rn. 6 ff.; van Gemmeren, in: MüKo, StGB, § 63 Rn. 17.

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dann auch dem Steuerpflichtigen nicht vorgeworfen werden, dass er die strafbare Tat und damit auch die entsprechenden Kosten des Strafverfahrens bei sozialadäquatem Verhalten hätten vermeiden können – mangels Schuldfähigkeit fehlte ihm subjektiv schlicht die Einsicht, dass sein Verhalten Unrecht und damit sozial inadäquat ist228. Es verbleibt daher hier bei der Wertung, dass die Kosten des Strafverfahrens über Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG und Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 GG unverkennbar einen erheblichen Grundrechtsbezug haben229. Soweit der Steuerpflichtige nach § 20 StGB schuldunfähig ist, ist der Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG erfüllt230. 4. Strafbefehlsverfahren Das Strafbefehlsverfahren dient der Aburteilung kleinerer Straftaten und endet für den Fall, dass das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgt, mit dem Erlass des Strafbefehls, vgl. § 407 Abs. 1 S. 1 StPO. Sofern der Beschuldigte keinen Einspruch einlegt, steht dieser einem rechtskräftigen Urteil gleich, § 410 Abs. 3 StPO. In diesen Fällen steht damit auch für die Finanzbehörden unumstößlich fest, dass der Steuerpflichtige gegen geltendes Strafrecht verstoßen hat231. Er hat sich also sozial inadäquat verhalten. Bereits daher ist der Abzug dieser Kosten aus den bereits genannten Gründen abzulehnen232. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Kosten des Strafbefehlsverfahrens auch deshalb nicht unausweichlich sind, weil der Beschuldigte nach dem Erlass des Strafbefehls Einspruch einlegen könnte, § 410 Abs. 1 StPO. In einer anschließenden Hauptverhandlung könnte sich der Beschuldigte gegen den im Strafbefehl erhobenen Vorwurf wehren233. Das Tragen der Kosten hätte ihm dann möglicherweise erspart bleiben können. Wenn er das nicht einmal versucht, besteht für einen Abzug kein Grund.

228 Damit kommt es also richtigerweise nicht auf die objektive, sondern subjektive Vermeidbarkeit im Rahmen der Zwangsläufigkeit an. Es muss gerade dem konkreten Steuerpflichtigen der Vorwurf der Vermeidbarkeit gemacht werden, ansonsten würde das Kriterium der Vermeidbarkeit überhaupt keinen Sinn ergeben. Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 28 scheint auch auf diesen subjektiven Aspekt abzustellen, da die Zwangsläufigkeit nach ihm nur bei „schuldhaft sozial inadäquatem Verhalten“ ausscheiden soll und „schuldhaft“ letztlich ein subjektives Kriterium ist. 229 Vgl. dazu schon oben sub Kap. 7 D. I. 3. 230 In den übrigen Fällen, in denen Maßregeln der Besserung und Sicherung verhängt werden und keine Schuldunfähigkeit i. S. v. § 20 StGB gegeben ist, liegen keine Besonderheiten vor. Es bleibt bei dem unter „Verurteilung zu einer Strafe“ gefundenen Ergebnis, siehe dazu oben sub Kap. 7 D. II. 1.  231 Eckstein, in: MüKo, StPO, § 410 Rn. 38 zur materiellen Rechtskraft; ausführlich dazu auch Temming, in: BeckOK, StPO, § 410 Rn. 8. 232 Vgl. dazu oben sub Kap. 7 D. II. 1. 233 Zu den Voraussetzungen Eckstein, in: MüKo, StPO, § 410 Rn. 4 ff.; Temming, in: BeckOK, StPO, § 410 Rn. 2 f.

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

III. Kosten bei Freispruch 1. Fälle des § 467 Abs. 2, 3 StPO Wenn das Strafverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wird oder durch einen Freispruch im Hauptverfahren endet, sind die Dinge wiederum anders ge­ lagert. Zunächst bleibt auch hier der grundrechtliche Bezug der Aufwendungen, etwa um eine freiheitsbedrohende hoheitliche Strafe abzuwenden, festzuhalten234. Anders als in den Fällen der rechtskräftigen Verurteilung kann dem Steuerpflichtigen nicht der Vorwurf gemacht werden, sein strafbares Verhalten sei vermeidbar gewesen. Denn es fehlt an einem entsprechenden Schuldspruch. Nach § 467 Abs. 1 StPO entstehen den Beschuldigten beim Freispruch jedoch regelmäßig keine Kosten235. In den Fällen des § 467 Abs. 2, Abs. 3 StPO werden aber zumindest Teile der Kosten des Verfahrens dem Freigesprochenen auferlegt. Der dahinterstehende Gedanke besteht darin, dass der Beschuldigte durch vermeidbares Verhalten – etwa durch unzulässiges Nichtwahrnehmen oder -einhalten von Terminen und Fristen (Abs. 2)236, durch Vortäuschen von Taten oder auch durch Vornahme bewusst selbstbelastender Handlungen trotz Unschuld (Abs. 3) – das Entstehen bestimmter Kosten hätte vermeiden können; die StPO wertet es hier also als gerecht, dem Beschuldigten insoweit Kosten aufzuerlegen. Diese Gründe sind auch für die steuerliche Beurteilung heranzuziehen. Der Vorwurf der Vermeidbarkeit erstreckt sich in diesen Fällen darauf, dass dem Steuerpflichtigen die Kosten bei kooperativ-konstruktivem Verhalten im Strafverfahren nicht entstanden wären237. Dies steht ihrem Abzug entgegen. 2. Fälle freier Honorarvereinbarungen Kosten entstehen einem freigesprochenen Steuerpflichtigen etwa auch dann, wenn dieser mit seinem Verteidiger eine Honorarvereinbarung jenseits der gesetzlichen Gebühren getroffen hat. Diese Aufwendungen gehören nicht zu den notwendigen Auslagen des Beschuldigten im Sinne von § 464a StPO und sind deshalb im Strafverfahren nicht erstattungsfähig238. Nach überzeugender Ansicht des Bundesfinanzhofs ist die Notwendigkeit der Aufwendungen im Sinne des straf­prozessualen Kostenrechts auch für die hier interessierende steuerliche 234

Vgl. dazu oben sub Kap. 7 D. I. 3. Dazu auch Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 236; Gieg, in: KK, StPO, § 467 Rn. 1. 236 Dazu näher Niesler, in: BeckOK, StPO, § 467 Rn. 3; Gieg, in: KK, StPO, § 467 Rn. 4. 237 So auch BFH v. 18.10.2007 – VI R 42/04; BStBl. II 2008, 223, 224 f.; Seitrich, BB 1985, 724, 725. 238 Vgl. Gieg, in: KK, StPO, § 464a Rn. 11 m. w. N. 235

D. Strafprozess

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Frage der entscheidende Gesichtspunkt239. Das Vereinbaren eines Honorars sei hiernach schon deshalb nicht unausweichlich und zwangsläufig, weil sich der Steuerpflichtige bewusst für einen über den gesetzlichen Gebührenrahmen hinaus abrechnenden Verteidiger entschieden habe und nicht erkennbar sei, dass die Strafverteidigung auf Grundlage der gesetzlichen Gebühren nicht hinreichend qualifiziert gewesen wäre. Die Literatur tritt dieser Auffassung überwiegend bei240. Einige Stimmen im Schrifttum greifen dieses Argument indes an und sprechen sich für die Abzugsfähigkeit dieser Kosten aus241. So wird angeführt, dass auch freie Honorarvereinbarungen kostenrechtlich zulässig seien und Steuerpflichtige diese nicht abschließen würden, wenn sie diese als nicht zielführend und zu kostspielig betrachten würden242. Ferner wird darauf hingewiesen, dass im Rahmen des Krankheitskostenabzugs nach § 33 EStG auch kein allzu strenger Maßstab an die Angemessenheit angelegt werde243. Deshalb sei dieser auf die individuellen Verhältnisse abstellende Maßstab auch im Rahmen der Prozesskosten zu Grunde zu legen244. Begründet wurde dies teilweise auch mit der mittlerweile wieder aufgegebenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, nach der das Beschreiten des Rechtsweges aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols unausweichlich und die entstehenden Kosten deshalb stets abzugsfähig seien245: Hier würde es sich genauso wie im Krankheitsfall um ein alternativloses Szenario handeln246. Dieser Mindermeinung in der Literatur kann nicht beigetreten werden. Der angeführte bloße Umstand, dass freie Honorarvereinbarungen kostenrechtlich zulässig seien, überzeugt als Argument für die Abzugsfähigkeit entsprechender Kosten nicht. Nicht allein deshalb, weil bestimmte Aufwendungen rechtmäßig entstanden sind, müssen diese auch steuerlich abzugsfähig sein. Hierfür bedürfte es einer eigenen Begründung, an der es fehlt. Auch der Vergleich mit den Krankheitskosten vermag nicht zu überzeugen. Unabhängig davon, ob dieser weite Maßstab im Rahmen der Krankheitskosten angezeigt ist oder nicht – was hier nicht zu entscheiden ist –, so könnte dieser weite Maßstab allenfalls nur dann auf Prozess­kosten übertragen werden, wenn die Fallkonstellationen vergleichbar sind. Soweit die Mindermeinung hierfür die vermeintliche Ausweglosigkeit eines (Straf-)Prozes 239

BFH v. 18.10.2007 – VI R 42/04, BStBl. II 2008, 223, 225; v. 23.5.1990 – III R 145/85, BStBl. II 1990, 895, 898 (zum Zahlen von Strafprozesskosten zugunsten eigener Kinder). 240 Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 236; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 36. Auflage 2017, § 33 Stichwort „Prozesskosten“; Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 47c; Stöber, FR 2011, 790, 793 (betreffend freie Honorarvereinbarungen im Zivilprozess). 241 Endert, FR 2018, 692, 695; Bron / Ruzik, DStR 2011, 2069, 2073; Englert, DStR 2009, 1010, 1013 (anderer Ansatz); Degel / Haase, DStR 2005, 1260, 1264. 242 Bron / Ruzik, DStR 2011, 2069, 2073. 243 Zu diesem großzügigen Maßstab im Bereich der Krankheitskosten BFH v. 14.11.2013 – VI R 20/12, BStBl. II 2014, 456, 457 f.; v. 17.7.1981 – VI R 77/78, BStBl. II 1981, 711, 712; vgl. auch Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 40. 244 Bron / Ruzik, DStR 2011, 2069, 2073; so auch Degel / Haase, DStR 2005, 1260, 1264. 245 BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015, 1016. 246 Bron / Ruzik, DStR 2011, 2069, 2073.

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

ses mit derjenigen einer Krankheit gleichzusetzen versucht, muss dem spätestens mit Aufgabe der großzügigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu Prozesskosten am 18.6.2015247 widersprochen werden: Das Entstehen von Prozesskosten ist nicht dermaßen unausweichlich wie das Entstehen von Krankheitskosten. Dem Bundesfinanzhof und der herrschenden Ansicht in der Literatur ist insoweit ausdrücklich zuzustimmen. Auch im Übrigen scheint es grundsätzlich gerechtfertigt, die Angemessenheitswürdigung im kostenrechtlichen Sinne auch hier auf diese steuerliche Frage zu übertragen. Allein in besonders gelagerten Einzelfällen kann es erforderlich sein, einen Verteidiger zu beauftragen, der nur auf Honorarbasis tätig wird248. Der Steuerpflichtige muss dieses Erfordernis jedoch nachweisen. Dies wird schon deshalb schwierig werden, weil es zum 1.1.2019 bundesweit 3.643 zugelassene Rechtsanwälte mit dem Fachanwaltstitel „Fachanwalt für Strafrecht“ gab249. Es ist mangels entsprechender Anhaltspunkte nicht davon auszugehen ist, dass diese überwiegend ausschließlich auf Grundlage von Honorarvereinbarungen tätig werden. 3. Teilweiser Freispruch Problematisch sind weiter die Fälle des teilweisen Freispruchs. Diese sind zwischen den bereits abgehandelten Bereichen des rechtskräftigen Verurteilens und des Freispruchs angesiedelt, da der Beschuldigte nur partiell verurteilt, in anderen Anklagepunkten – aus unterschiedlichen Gründen – freigesprochen wird. Während bei einer Verurteilung ein Abzug zu verwehren und im Rahmen eines Freispruchs ein solcher an sich zu gewähren ist, stellt sich in dieser Konstellation die Frage, ob die entstandenen Kosten zumindest teilweise dem Bereich des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG zuzurechnen sind. Da der Angeklagte tatsächlich in einigen Punkten freigesprochen worden ist, scheint es bei vordergründiger Betrachtung schlüssig, einen steuerlichen Abzug insoweit zu diskutieren. Zu Recht hat der Bundesfinanzhof jedoch schon früh auf die Problematik hingewiesen, dass im Besteuerungsverfahren – dem „ersten Schritt“ der rechtlichen Würdigung eines solchen Sachverhalts250 – zu prüfen wäre, ob die Verurteilung oder der Freispruch überwiegt und Kosten ggf. zu gewichten und aufzuteilen wären251. Dies ist für die in der Regel allein steuerlich und nicht umfassend juristisch ausgebildeten Finanzbeamten des gehobenen Dienstes, denen die Veranlagung grundsätzlich obliegt, sicherlich keine einfache, sondern eine schwer, wenn nicht sogar kaum zu bewältigende 247

BFH v. 18.6.2015 – VI R 17/14, BStBl. II 2015, 800. So schon Stöber, FR 2011, 790, 793 (allerdings zu Zivilprozesskosten); ausführlich zum Ganzen auch Grever, Außergewöhnliche Belastungen im Steuerrecht, S. 78 ff. 249 Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer; https://www.brak.de/w/files/04_fuer_journalisten/ statistiken/2019/fachanwaltstatistik_2019.pdf (zuletzt abgerufen am 23.12.2019). 250 Zur zeitlichen Reihenfolge der Beschäftigung mit einem steuerlichen Sachverhalt von der Finanzverwaltung zur Rechtsprechung Isensee, Die typisierende Verwaltung, S. 24 ff. 251 BFH v. 8.4.1964 – VI 165/62 S, BStBl. III 1964, 331, 332. 248

D. Strafprozess

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Aufgabe252. Aus diesem Grund hatte der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein Abzug solcher Kosten gänzlich verwehrt werden muss253. Nur ausnahmsweise könne dies anders gesehen werden, so wenn etwa die verschiedenen Anklagepunkte eindeutig nichts miteinander zu tun haben254. Das soll der Fall sein, wenn es unter Berücksichtigung der durch die Verurteilung bestätigten Punkte nicht auf das Verhalten des Angeklagten zurückzuführen ist, dass auch wegen derjenigen Punkte, in denen der Steuerpflichtige freigesprochen wurde, Anklage erhoben worden war255. Der Abzugsbetrag wäre dann durch Schätzung zu ermitteln256. Andererseits soll ein vollständiger Abzug möglich sein, wenn das abgeurteilte Delikt von völlig untergeordneter Bedeutung ist257. Richtigerweise ist eine solches diffiziles Aufteilen der entstandenen Kosten und Prüfen, ob zwischen den Anklagepunkten ein wie auch immer gearteter Zusammenhang besteht, nicht erforderlich. Die Dinge können und sollten für die hier fraglichen steuerlichen Zwecke einfacher gehandhabt werden: In Strafsachen entstehen zumindest Gerichtskosten nur in Abhängigkeit von „der rechtskräftig erkannten Strafe“, vgl. Vorbemerkung 3.1 Abs. 1 der Anlage 1 des GKG. Je nach Höhe der verhängten Strafe entstehen hier unterschiedliche Kosten, vgl. etwa Nrn. 3110 ff. der Anlage 1 zum GKG. Dies bedeutet, dass dem Steuerpflichtigen hinsichtlich des teilweisen Freispruchs überhaupt keine Gerichtskosten auferlegt werden. Freilich kann ein Teil der Gesamtkosten zu dessen Lasten in Form der übrigen Verfahrenskosten, der Auslagen des Gerichts und der notwendigen Auslagen des Beschuldigten übrig bleiben. Dieser Teil der Kosten ist anders als die Gerichtsgebühren deshalb nicht ausscheidbar, weil er nicht unmittelbar mit der Verurteilung oder dem Freispruch zusammenhängt258. In diesen Fällen ermöglicht es die StPO jedoch in § 465 Abs. 2, § 467, den Verurteilten von den Kosten zu verschonen. Mit anderen Worten: Die Kosten infolge eines „teilweisen Freispruchs“ sind bei typisierender Betrachtung im Wesentlichen solche einer Verurteilung und sollten auch als solche behandelt werden. Die zur Diskussion stehenden Aufwendungen des Steuerpflichtigen sind etwa nach § 465 Abs. 2 StPO kostenrechtlich schon darauf geprüft worden, ob sie dem Anklagepunkt, von dem der Steuerpflichtige freigesprochen wurde, zuzurechnen sind. In diesem Fall sind sie ihm schon nicht aufzuerlegen. Vor diesem Hintergrund kann es nicht angehen, dass sich eine steuerliche Würdigung darüber hinwegsetzt: Es fehlt an der Zuständigkeit und Fähigkeit der Finanzbehörden, über strafrechtliche Zusammen 252

BFH v. 8.4.1964 – VI 165/62 S, BStBl. III 1964, 331, 332 spricht von einer „wesensfremden Aufgabe“. 253 BFH v. 8.4.1964 – VI 165/62 S, BStBl. III 1964, 331, 332. 254 BFH v. 8.4.1964 – VI 165/62 S, BStBl. III 1964, 331, 332. 255 BFH v. 8.4.1964 – VI 165/62 S, BStBl. III 1964, 331, 332. 256 BFH v. 8.4.1964 – VI 165/62 S, BStBl. III 1964, 331, 333. 257 BFH v. 8.4.1964 – VI 165/62 S, BStBl. III 1964, 331, 333. 258 Zur entsprechenden rein kostenrechtlichen Problematik im Strafverfahren schon Reinisch, JR 1967, 329 ff.

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

hänge mehrerer Taten, das Überwiegen der einen über die andere Tat und ein entsprechendes kostenrechtliches Aufteilen im Wege der Schätzung zu befinden259.

IV. Kosten in sonstigen Fällen 1. Einstellung nach §§ 153, 153a StPO Wird das Strafverfahren nach den §§ 153, 153a StPO eingestellt, so hat der Beschuldigte regelmäßig zwar nicht die Verfahrenskosten zu tragen, dafür jedoch mitunter seine eigenen Auslagen in Form der Strafverteidigungskosten, vgl. §§ 464 ff. StPO260. Das Argument der mangelnden Sozialadäquanz des Verhaltens des Steuerpflichtigen261 kann hier nicht durchgreifen: Das Einstellen nach den §§ 153, 153a StPO hat nicht die Feststellungswirkung eines belastenden Strafurteils. Es klärt nicht verbindlich, dass der Beschuldigte gegen geltendes Strafrecht verstoßen hat262. Aus diesem Grunde kann ihm nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe sich sozial inadäquat verhalten und dieses Verhalten wäre samt der entstandenen Strafprozesskosten vermeidbar gewesen. Deshalb ist auf Basis der Rechtslage vor Geltung des AmthilfeRLUmsG263 vertreten worden, die Kosten des Strafverfahrens müssten in diesen Fällen abziehbar sein264. Dem kann jedoch nur teilweise zugestimmt werden. In der Tat vermag es nicht zu überzeugen, auf einen möglichen, aber nicht feststehenden Normverstoß des Beschuldigten abzustellen. Gleichwohl ist die Abziehbarkeit dieser – meist anwaltlichen – Strafprozesskosten mit einer anderen Begründung zu verneinen. So sieht der Bundesfinanzhof zu Recht die Besonderheit, dass ein solches Einstellen nach § 153 Abs. 2, § 153a Abs. 1, Abs. 2 StPO nur erfolgen kann, wenn der Beschuldigte zustimmt265. Darauf hätte er verzichten können, so dass er im Hauptverfahren möglicherweise freigesprochen worden wäre. Ihm wären dann keine Kosten entstanden, diese wären vermeidbar gewesen266. Dieses Argument wird vereinzelt mit einem Hinweis auf die angeblich „ausufernde Einstellungspraxis bei Gerichten und Staatsanwaltschaften“ angegrif 259

So auch BFH v. 8.4.1964 – VI 165/62 S, BStBl. III 1964, 331, 332 f. Nicht gemeint ist hier die Auflagenzahlung zur Einstellung des Strafverfahrens selbst i. S. v. § 153a StPO, siehe dazu unten sub Kap. 7 D. IV. 5. 261 Dazu oben sub Kap. 7 D. II. 1. 262 So schon Bron / Ruzik, DStR 2011, 2069, 2072. 263 V. 26.6.2013, BGBl. I, S. 1809. 264 Bron / Ruzik, DStR 2011, 2069, 2072. 265 BFH v. 13.12.2016 – VIII R 43/14, BFH / N V 2017, 569, 571; v. 21.9.2016 – VI B 34/16, BFH / N V 2017, 26, 27 (für die Auflage selbst); v. 19.12.1995 – III R 177/94, BStBl. II 1996, 197, 198. 266 Dazu BFH v. 13.12.2016 – VIII R 43/14, BFH / N V 2017, 569, 571; v. 21.9.2016 – VI B 34/16, BFH / N V 2017, 26, 27 (für die Auflage selbst); v. 19.12.1995 – III R 177/94, BStBl. II 1996, 197, 198. 260

D. Strafprozess

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fen267. Angesichts dessen könne von einer freiwilligen Zustimmung zur Einstellung keine Rede mehr sein268. Diesem Einwand ist deutlich zu widersprechen. Auch wenn Einstellungspraxis und -druck zugenommen haben sollten269, so ändert dies nichts daran, dass eine Einstellung nach § 153 Abs. 2, § 153a StPO zwingend die wirksame Zustimmung des Beschuldigten erfordert. Sollte seitens der Behörden unzulässiger Druck ausgeübt worden sein, ist eine solche Zustimmung nicht gegeben. Liegt ein solches Verhalten der Behörde aber nicht vor, kann die Wirksamkeit der Einwilligung nicht in Zweifel gezogen werden270. 2. Zahlen für einen Dritten Im Falle des Zahlens von Strafprozesskosten für einen Dritten ist Zwangsläufigkeit nur zu bejahen, wenn sowohl hinsichtlich der Zahlungsübernahme durch den Steuerpflichtigen als auch bei dem Dritten die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG vorliegen271. Denn es sind in der Tat zwei selbständige Unteraspekte eines Vorgangs, für die jeweils die gesetzlichen Bedingungen vorliegen müssen. Bereits in Bezug auf die Zahlungsübernahme lässt sich ein für § 33 Abs. 2 S. 4 EStG notwendiger erheblicher Grundrechtsbezug regelmäßig nicht annehmen. Denn allein die – etwa freundschaftliche – Verbundenheit zu einem Dritten, der durch die Zahlung finanziell unterstützt werden soll, kann dafür nicht ausreichen. Die meisten dieser Fälle sind schon deshalb nicht abziehbar272. Ein exemplarischer Ausnahmefall ist allerdings gegeben, wenn Eltern die Strafverteidigerkosten für ihre minderjährigen Kinder zahlen273. Unschwer lässt sich im Hinblick auf die Situation der Kinder, die hier die „Dritten“ sind, für die gezahlt wird, der klassische deutliche Grundrechtsbezug eines Strafverfahrens bejahen, da diesen staatliche Sanktionen drohen274. Was die Zahlungsübernahme anbelangt, so sind die Dinge nun wie folgt gelagert: Das Zahlen der Eltern bewahrt den Zusammenhalt der Familie im Ganzen. Aus diesem Grund ist einer solchen Übernahme der Kosten durch die Eltern jedenfalls dann ein eindeutiger Grundrechtsbezug zu Art. 6 GG zu attestieren, wenn es sich – so auch das Kriterium des Bundesfinanzhofs – um ein „innerlich noch nicht gefestigtes“ Kind handelt und die Verfolgung 267

Bron / Ruzik, DStR 2011, 2069, 2072. Bron / Ruzik, DStR 2011, 2069, 2072. 269 Hierzu Bron / Ruzik, DStR 2011, 2069, 2072 m. w. N. 270 Mögliche Ausnahmen diskutiert Depping, DStZ 1996, 588 f. Dort zugleich auch zur von BFH v. 19.12.1995 – III R 177/94, BStBl II 1996, 197, 198 mitbehandelten Frage, inwieweit die Auflagenzahlung selbst gem. § 153a StPO abziehbar ist, vgl. dazu auch unten sub Kap. 7 D. IV. 5. 271 So schon BFH v. 18.6.1997 – III R 60/96, BFH / N V 1997, 755, 756 bei alter Rechtslage. 272 Vgl. dazu schon den Rechtsprechungsüberblick oben sub Kap. 3 A. III. 273 So auch BFH v. 30.10.2003 – III R 23/02 – BStBl. II 2004, 267, 269 f; v. 23.5.1990 – III R 145/85, BStBl. II 1990, 895, 897 f. 274 Vgl. dazu schon oben sub Kap. 7 D. I. 3. 268

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

der Tat nach Jugendstrafrecht erfolgen kann275. Denn von Eltern kann nicht erwartet werden, dass sie ihre Kinder, die Beschuldigte eines Strafverfahrens sind, sich selbst überlassen. Dieses Anknüpfen an die Reife des Kindes legt auch das Grundrecht des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG nahe, das gerade auch den Beistand der Eltern im Jugendstrafverfahren schützt276, also in einem Bereich, in dem die persönliche Entwicklung oftmals noch nicht abgeschlossen ist277. Abziehbar sind dabei aber lediglich die Verteidigerkosten. Denn nur diese werden – im Gegensatz zu den nachträglich auferlegten Gerichtskosten – vorab zum Zwecke der Strafverteidigung fällig. Deshalb kann nur hier eine situative Not des Kindes gegeben sein278. 3. Nebenklage Mit Blick auf § 33 Abs. 2 S. 4 EStG ist im Falle der Nebenklage zunächst die grundrechtliche Perspektive zu wechseln. Es geht hier schwerpunktmäßig nicht mehr um den Beschuldigten eines Strafverfahrens. Im Mittelpunkt steht der Nebenkläger, dem keine staatliche Sanktion droht. Allerdings kann dieser – etwa aus Gründen der Genugtuung über das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 GG oder im Falle einer körperlichen Verletzung über Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG – einen eigenen Grundrechtsbezug geltend machen. Die Aufwendungen lassen sich im Ergebnis gleichwohl nicht dem Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG zuweisen. Denn es kann nicht die Rede davon sein, dass die Nebenklage als einziger Weg verbleibt, um die Verletzung grundrechtlich geschützter Bereiche zu ahnden. Diese Aufgabe obliegt im Rechtsstaat der Staatsanwaltschaft und gerade nicht Privaten, die Rede ist hier vom „Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft“279. Die Nebenklage kann diese Aufgabe grundsätzlich nur begleiten, nicht jedoch ersetzen280. Die Ausnahme des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG erfasst diese Kosten nicht281. 275

BFH v. 30.10.2003 – III R 23/02 – BStBl. II 2004, 267, 269; v. 23.5.1990 – III R 145/85, BStBl. II 1990, 895, 897. 276 BVerfG v. 16.1.2003 – 2 BvR 716/01, BVerfGE 107, 104, 120. 277 Dies unterscheidet die Fälle auch von Konstellationen, bei denen für Erwachsene gezahlt wird. So spricht sich Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 243 zu Recht gegen die Abziehbarkeit der Strafverteidigerkosten aus, die für den Ehegatten gezahlt werden. Kein erheblicher Grundrechtsbezug ist auch anzunehmen bei entfernteren Verwandten, siehe dazu schon BFH v. 24.1.2002 – III R 5/01, BFH / N V 2002, 778, 780. 278 Dazu auch BFH v. 23.5.1990 – III R 145/85, BStBl. II 1990, 895, 898. 279 Diemer, in: KK, StPO, § 152 Rn. 1; Götz, in: HStR IV, § 85 Rn. 19 nennt daher das Gewaltmonopol des Staates als staatstheoretische Grundlage von Strafverfolgung als Teil der inneren Sicherheit; dazu näher Peters, in: MüKo, StPO, § 152 Rn. 2. 280 Freilich abgesehen von den Fällen der Privatklage, dazu Valerius, in: BeckOK, StPO, § 374 Rn. 1; siehe dazu sogleich. 281 Gl. A. FG Niedersachsen v. 25.4.1995 – XV 470/93, EFG 1995, 717. Die Nebenklage sei hiernach zwar menschlich verständlich, aber sie sei weder tatsächlich, rechtlich noch sittlich

D. Strafprozess

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4. Privatklage Im Bereich der Privatklage besteht die Besonderheit, dass die Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung mangels öffentlichen Interesses nicht betreibt282. Es liegt in diesen Fällen allein bei dem Verletzten, die Straftaten durch Privatklage ahnden zu lassen283. Dies unterscheidet die Privat- von der Nebenklage, bei der der staatliche Strafanspruch durch die Staatsanwaltschaft durchgesetzt wird. Der Privatkläger ist als Opfer einer möglichen Straftat – soweit seine körperliche Unversehrtheit bedroht ist in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, soweit es sich um Angriffe auf sein Eigentum handelt in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, im Übrigen jedenfalls in Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 GG – eventuell grundrechtlich betroffen284. Vor dem Hintergrund ist für § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG grundsätzlich von einem erheblichen Grundrechtsbezug auszugehen285. Als problematisch erweist es sich in diesem Zusammenhang indes, dass dem Privatkläger Aufwendungen endgültig regelmäßig nur dann entstehen, wenn der Angeklagte freigesprochen wird oder die Klage vom Gericht zurückgewiesen wird, § 471 Abs. 2 StPO286. In diesen Fällen stehen die Schuld des Beschuldigten und damit spiegelbildlich die Betroffenheit von Grundrechten des Privatklägers gerade nicht fest. Es wäre jedoch unbillig, mit diesem Argument grundsätzlich davon auszugehen, dass die Kosten der Privatklage § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG nicht erfüllen können. Es muss vielmehr differenziert werden: Die hier entscheidende Weichenstellung liegt in der Norm des § 383 Abs. 1 StPO begründet. So hat im ersten Fall des Freispruchs das Verfahren die Schwelle des § 383 Abs. 1 StPO zuvor überwunden: Es bestand ein hinreichender Tatverdacht, so dass auch die Staatsanwaltschaft – wäre es kein Bagatelldelikt – Anklage erhoben hätte287. Um den von Verfahrenskosten ausgehenden Abschreckungseffekt für die hier Betroffenen abzumildern, ist die zwangsläufig. Die Allgemeinheit erwarte es nicht, dass der Nebenkläger zusätzlich zur Staatsanwaltschaft die Aufgabe der Strafverfolgung übernehme; ablehnend auch schon FG Hessen v. 27.1.1976 – I 176/71, EFG 1976, 287 f.; zur Erstattung der Kosten der Nebenklage durch den Vater des Verurteilten differenzierend BFH v. 3.5.1974  – VI R 86/71, BStBl. II 1974, 686, 687. 282 Im Einzelnen Valerius, in: BeckOK, StPO, § 374 Rn. 1. 283 Valerius, in: BeckOK, StPO, § 374 Rn. 1. 284 Das Genugtuungsinteresse kann ebenso auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gestützt werden, dazu schon oben sub. Kap. 7 D. IV. 4. 285 Der Umstand, dass sich die im Rahmen der Privatklage behandelten Straftaten regelmäßig im Bagatellbereich abspielen dürften (vgl. § 374 Abs. 1 StPO, dazu Valerius, in: BeckOK, StPO, § 374 Rn. 6) und die Staatsanwaltschaft nur bei öffentlichem Interesse tätig wird (ders., a. a. O., § 376 Rn. 1), vermag daran nichts zu ändern. Die Möglichkeit der Privatklage in diesen Fällen zeigt gerade, dass Opfer ihre Verletzungen auch im Bagatellbereich nicht hinzunehmen brauchen. 286 Dazu Daimagüler, in: MüKo, StPO, § 471 Rn. 3. 287 Dazu Walther, in: KK, StPO, § 383 Rn. 5; Daimagüler, in: MüKo, StPO, § 383 Rn. 4.

218

Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

Maxime zu beachten, dass in einem solchen Zweifelsfall von einer erheblichen Betroffenheit des Privatklägers in Grundrechten (dazu oben) auszugehen ist288. Die Kosten müssen dann abzugsfähig sein. Wird der Beschuldigte jedoch deshalb nicht verurteilt, weil das Privatklageverfahren die Schwelle des § 383 Abs. 1 StPO nicht überwunden hat, lag objektiv ein solcher hinreichender Tatverdacht nicht vor; ein Zweifelsfall ist dann nicht gegeben. Deshalb scheidet in diesen Fällen für die Zwecke des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG ein erheblicher Grundrechtsbezug klar aus – die Kosten sind dann nicht abziehbar. 5. Auflagen nach § 153a StPO, Geldstrafen Nicht zu den Strafverfahrenskosten gehören Aufwendungen, die zu zahlen sind, weil das Verfahren nach § 153a StPO eingestellt wird. Gleiches gilt auch schon rein begrifflich für Geldstrafen: Es handelt sich bei diesen nicht um Kosten der Rechtsverfolgung, sondern den Gegenstand der Rechtsverfolgung selbst; die Vorschrift des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG ist hier damit nicht anwendbar289.

E. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten Unter der Überschrift „öffentlich-rechtliche Streitigkeiten“ werden nachfolgend ausgewählte Verfahren aus dem Bereich der allgemeinen und besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit erörtert290. Darüber hinaus ist auch ein Blick auf die Verfassungsbeschwerde als ein außerordentliches Rechtsbehelfsverfahren zu werfen. Dabei ordnet die Darstellung grob in Abgabenverfahren, sonstige Eingriffs­ verfahren und Anspruchsverfahren.

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Siehe dazu ausführlich oben sub Kap. 7 A. I. und Kap. 6 B. II. 4. b) bb). Ein Abzug derartiger Aufwendungen nach § 33 EStG kommt nicht in Betracht, weil der Steuerpflichtige sie hätte vermeiden können. Zu Geldstrafen: FG Niedersachsen v. 4.8.1975 – IX 8/74, EFG 1975, 570, 571 m. Ausn.; FG Bremen v. 21.12.1979 – I 135/78, EFG 1980, 183 f. m. Ausn.; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 90 Stichwort „Geldstrafen / Geldbußen“; ­Becker, Die steuerliche Abziehbarkeit von Geldstrafen und Geldbußen, S. 41 m. w. N.; dazu wie zu einer möglichen Ausnahme Heger, in: Blümich, EStG, § 33 Rn. 246 m. w. N.; zu Auflagen nach § 153a StPO: BFH v. 21.9.2016 – VI B 34/16, BFH / N V 2017, 26, 27; v. 19.12.1995 – BFH III R 177/94, BStBl. II 1996, 197; ablehnend wohl auch schon Depping, DStZ 1996, 588, 589. 290 Hier ist zu beachten, dass neben den Gerichts- und Vertreterkosten für das Klageverfahren auch Aufwendungen im Rahmen des Vorverfahrens anfallen, bei denen ebenso ein Abzug in Frage kommen kann, so auch Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 210. 289

E. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

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I. Abgabenverfahren 1. Finanzgerichtliche Verfahren in Steuersachen Steuerpflichtige können sich gerichtlich dagegen wehren, wenn sie Steuern und andere öffentliche Abgaben an staatliche Stellen zahlen sollen. Hierzu kann zunächst anknüpfend an die allgemeinen Bemerkungen zu Zivilverfahren gesagt werden, dass es auch hier grundsätzlich „nur um Geld“ geht291. So bezweckt etwa auch ein Verfahren vor dem Finanzgericht es in erster Linie, steuerliche Lasten zu mindern. Auch speziell mit Blick auf die hier zu verhandelnden Steuern ist regelmäßig ein erheblicher Bezug zu Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG auszuschließen292. Nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist ein Bezug zu diesem Grundrecht ohnehin nur bei einzelnen Steuerarten gegeben293. Doch selbst in diesem Fall ist der Steuerzugriff regelmäßig nach Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG gerechtfertigt. Von einem hier relevanten Bezug könnte man allenfalls dann sprechen, wenn eine Steuer „erdrosselnde“ Wirkung294 haben sollte. Allein in derartigen Zweifel erweckenden Fällen lässt sich mit der Vorgabe des Grundgesetzes, den von Prozesskosten ausgehenden Einschüchterungseffekt auf die Beschreitung des Rechtsweges durch geeignete Maßnahmen abzudämpfen295, die Abziehbarkeit der Aufwendungen annehmen. 2. Speziell: verwaltungsgerichtliche Verfahren um kommunale Straßenbeiträge Vor den Verwaltungsgerichten kann auch um andere als steuerliche Abgaben gestritten werden. Dabei müssen die obigen Ausführungen zu steuerlichen Verfah­ ren entsprechend gelten. Exemplarisch seien hier Verfahren um die Rechtmäßigkeit kommunaler Straßen­ beitragsbescheide genannt. Damit beteiligen Gemeinden die Anwohner einer Straße an den Kosten für die vollständige Neuherstellung der jeweiligen Straßen 291

Siehe dazu oben sub Kap. 7 B. I. Ablehnend schon BFH v. 15.11.1957 – VI 279/56 U, BStBl. III 1958, 105, 107. Dies begründete der Senat aber wenig überzeugend damit, dass es nicht angehen könne, dass die gerichtliche Kostenentscheidung zulasten des Steuerpflichtigen über § 33 EStG schließlich doch den Fiskus treffe. Darauf kann es aber nicht ankommen, sondern nur auf die Kriterien des § 33 EStG. 293 So soll der Schutz von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG greifen, wenn Steuern tatbestandlich an den Hinzuerwerb von Eigentum (etwa im Einkommen- und Gewerbesteuerrecht) anknüpfen, vgl. BVerfG v. 18.1.2006 – 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 110 f. m. w. N.; nach BVerfG v. 8.4.1997 – 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267, 300 f. m. w. N. soll Art 14 GG hingegen nur berührt sein, wenn Steuern erdrosselnde Wirkung haben. 294 Dazu BVerfG v. 8.4.1997 – 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267, 300 f. 295 Siehe dazu ausführlich oben sub Kap. 7 A. I. und Kap. 6 B. II. 4. b) bb). 292

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

decke („grundhafte Erneuerung“)296. Problematisch sind diese Fälle aus der hier maßgeblichen steuerlichen Perspektive, wenn Anliegern eine erhebliche Kostenbeteiligung droht. So sind Fälle öffentlich geworden, in denen Beträge im deutlich fünfstelligen Bereich in Rede standen297. In solchen Konstellationen kann die Existenz der Betroffenen auf dem Spiel stehen, so etwa in Form des Verlusts der eigenen Wohnstätte durch einen Hausverkauf oder eine zusätzliche und nicht finanzierbare Verschuldung. Mit der Überlegung einer „erdrosselnden“ Abgabe könnte man hier im Gleichlauf mit der Argumentation zur vorangehenden Fallgruppe in dubio einen erheblichen Bezug zu Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG annehmen. Soweit aber speziell auch das Wohnen in Gefahr ist, kann sogar eindeutig ein erheblicher Grundrechtsbezug zu Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG bejaht werden298. Bei einer solchen Betrachtung ergibt sich so ein stimmiges Bild zu den Fällen, in denen Steuerpflichtige ohne das Führen eines Prozesses Gefahr laufen, ihr Haus nicht mehr zu Wohnzwecken nutzen zu können299. Ab welcher Höhe des Kostenbescheids in einer solchen Angelegenheit die Grenze zur Existenzgefährdung überschritten ist, lässt sich nicht mit einer konkreten Zahl festlegen; entscheidend muss hier stets die Situation des jeweiligen Steuerpflichtigen – vor allem seine Einkommenssituation – sein.

II. Sonstige Anfechtungsverfahren 1. Streitigkeiten wegen polizeirechtlicher Maßnahmen: etwa Wohnungsdurchsuchung oder Versammlungsauflösung Der Staat greift nicht nur im Wege der Auferlegung von Abgaben in die Rechtsstellung des Bürgers ein, sondern auch in einer Vielzahl anderer Weisen. Besonders deutlich wird dies etwa im Rahmen von Streitigkeiten mit Polizei- und Ordnungsbehörden. Diese dienen der Überprüfung entsprechender hoheitlicher 296

Zum Ganzen ausführlich Herrmann, LKV 2017, 101 ff.; zur verfassungsrechtlichen Lage Niemeier / Gramlich, KommJur 2015, 41 ff. 297 Vgl. dazu überblicksartig Hetrodt, FAZ Nr. 91 v. 19.4.2018, S. 29. Hiernach drohten Anwohnern in der Stadt Wetzlar Kostenbescheide in Höhe von bis zu jeweils 60.000 Euro. In Hessen ist es den Gemeinden nunmehr freigestellt, derartige Kosten zu erheben (vgl. das hessische Gesetz zur Neuregelung der Erhebung von Straßenbeiträgen v. 28.5.2018, GVBl., S. 247). In Anbetracht der desaströsen Haushaltslagen vieler Gemeinden ist dem Problem damit aber keineswegs abgeholfen. 298 Das Problem stellt sich regelmäßig nicht, wenn die entsprechende Gemeinde sogenannte „wiederkehrende Straßenbeiträge“ eingeführt hat (etwa § 11a HKAG). Hierdurch sollen existenzbedrohende hohe Einmalzahlungen gerade vermieden werden (dazu Herrmann, LKV 2017, 101, 102; kritisch zum Ganzen Niemeier / Gramlich, KommJur 2015, 41, 42 ff.). Auch muss jedenfalls für Hessen gesehen werden, dass der Gesetzgeber in § 11 Abs. 12 HKAG nunmehr die Möglichkeit eingeräumt hat, die einmalige Beitragsschuld auch ohne das Vorliegen eines berechtigten Interesses in 20 Jahresraten begleichen zu können (GVBl. 2018, S. 247). Soweit der Beitragspflichtige diese Möglichkeit hat, sind existenzbedrohende Szenarien infolge von Einmalzahlungen weitestgehend auszuschließen. 299 Vgl. dazu oben sub Kap. 7 B. II. 1.

E. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

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Maßnahmen auf ihre Rechtmäßigkeit300. Soweit hier – durchaus nicht selten im Polizei- und Ordnungsrecht301 – unmittelbar erhebliche grundrechtliche Positionen des Adressaten der Maßnahme betroffen sind, ist klar von einem Gegebensein der besonderen Anforderungen des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG auszugehen. Genannt seien hier beispielhaft Verfahren im Zusammenhang mit versammlungsbezogenen Maßnahmen. Wird durch eine behördliche Entscheidung eine Versammlung verhindert bzw. zu verhindern versucht, mit Auflagen versehen, aufgelöst oder werden einzelne Menschen von der Teilnahme abgehalten, so lässt sich ein deutlicher Bezug zu Art. 8 Abs. 1 GG nicht leugnen302. Zum anderen kann die Durchsuchung von Privaträumen des Betroffenen – ob Wohnung oder Haus – als weitere Konstellation genannt werden. Mit Blick auf die Garantien der Unverletzlichkeit der Wohnung in Art. 13 Abs. 1 GG ist auch hier ein solcher unmittelbarer Grundrechtsbezug zu bejahen303. Zwingend erforderlich ist es in diesem Zusammenhang nicht, dass einer Aus­ einandersetzung die Maßnahme einer Polizei- oder sonstigen Gefahrenabwehrbehörde zugrunde liegt; entscheidend muss sein, ob die jeweiligen staatlichen Maßnahmen in ihrer Wirkung und grundrechtlichen Relevanz hiermit vergleichbar sind. 2. Streitigkeiten wegen baurechtlicher Maßnahmen Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG verleiht dem Eigentümer eines Grundstücks das Recht, dieses im Einklang mit dem öffentlichen Recht zu bebauen304. Darüber hinaus vermittelt Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG auch einen besonderen Bestandsschutz für bauliche Anlagen, die seinerzeit entweder genehmigt oder zumindest genehmigungsfähig waren, wenn sich die Sach- und Rechtslage seither zum Nachteil des betroffenen Eigentümers verändert hat305. Dies vorausgeschickt kann einer baurechtlichen Streitigkeit mit der Bauaufsichtsbehörde in der Tat ein erheblicher Grundrechtsbezug zukommen. Zwar wird dies nicht bei jeder baurechtlichen Streitigkeit der Fall sein. So kann beispielsweise im Falle einer abge 300

Vgl. hierzu etwa Pieroth / Schlink / Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 27 Rn. 1. Dazu Pieroth / Schlink / Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 5 ff. 302 Dazu Depenhauer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 8 Rn. 125 m. w. N.; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn. 56 m. w. N. 303 Vgl. diesbezüglich schon die besonderen Normierungen der Verfassung in Art. 13 Abs. 2 bis 7 GG; dazu Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 13 Rn. 21 ff.; Kühne, in: Sachs, GG, Art. 13 Rn. 27 ff. 304 Dazu Papier / Shirvani, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 195; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 46. 305 Dazu Papier / Shirvani, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 190 ff. m. w. N.; mittlerweile wird dieser besondere verfassungsrechtliche Schutz teilweise wieder zugunsten einfachgesetzlicher Regelungen aufgegeben, vgl. dazu BVerwG v. 12.3.1998 – 4 C 10.97, BVerwGE 106, 228, 234 f. m. w. N. 301

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

lehnten Baugenehmigung der schlichte Verweis auf Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG keines­ falls ausreichen, um das erforderliche Maß an grundrechtlicher Betroffenheit zu begründen306. Die hinreichende Intensität besitzt hingegen unzweifelhaft der Fall der Abrissverfügung oder Nutzungsuntersagung307, insbesondere dann, wenn die Betroffenen verfassungsrechtlichen bzw. einfachgesetzlichen Bestandsschutz geltend machen (können)308. Zwar vermittelt Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG auch dem Eigentümer des Nachbargrundstücks Schutz309. In Streitigkeiten, bei denen sich der Eigentümer gegen eine bauliche Maßnahme des Nachbarn wehrt, kann ein Bezug zu Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG aber nur in Betracht kommen, wenn drittschützende Normen betroffen sind310. Zusätzlich müsste dann auch diesbezüglich ein erheblicher Grundrechtsbezug gegeben sein. Dies ist etwa der Fall, wenn der Nachbar bauordnungsrechtlich vorgeschriebene Abstandsflächen311 nicht einhält und daher die Gefahr besteht, dass infolge übergreifenden Feuers die eigene zu Wohnzwecken genutzte Bebauung zerstört wird. 3. Verfassungsbeschwerde Bleiben ordentliche Rechtsbehelfe gegen hoheitliche Eingriffe erfolglos, kann die Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG Erfolg versprechen. Zwar sind Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zum einen nach § 34 Abs. 1 BVerfGG grundsätzlich kostenfrei312. Zum anderen eröffnet § 34a Abs. 3 BVerfGG dem Gericht sogar in dem Fall, dass es nicht erfolgreich angerufen wird, die

306 Ein erheblicher Grundrechtsbezug kann im Falle einer abgelehnten Baugenehmigung vorliegen, wenn die begehrte Nutzung(-sart) für den Steuerpflichtigen in seiner Existenz besonders wichtig ist. Dies etwa dann, wenn ein Grundstück zu eigenen Wohnzwecken des Betroffenen bebaut werden soll und diesbezüglich eine entsprechende (Wohn-)Nutzung nach Auffassung der Behörde dem Grunde nach nicht in Betracht kommen soll. Für den Abzug streitet in solchen Zweifelsfällen zumindest die unter dem Gesichtspunkt des „chilling effect“ entwickelte Auslegungsregel (siehe dazu ausführlich oben sub Kap. 7 A. I. und Kap. 6 B. II. 4. b) bb)). Eindeutig nicht ausreichend sind hingegen Fälle, in denen die Betroffenen aus ästhetischen Gründen statt des im Bebauungsplan vorgeschriebenen roten Daches ein schwarzes Dach oder statt einer zweigeschossigen Bauweise eine dreigeschossige favorisieren. 307 In Hessen ergeht eine solche Abrissverfügung nach § 82 Abs. 1 S. 1 HBO, eine Nutzungsuntersagung nach § 82 Abs. 1 S. 2 HBO. 308 Dazu Papier / Shirvani, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 190 ff. 309 Papier / Shirvani, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 186 ff. m. w. N. 310 Papier / Shirvani, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 186. 311 Zum Drittschutz dieser Flächen siehe Böhm, JA 2013, 481, 486. 312 Im Einzelnen dazu Scheffczyk, in: BeckOK, BVerfGG, § 34 Rn. 7 ff.; nach § 34 Abs. 2 BVerfGG kann im Einzelfall aber auch eine Missbrauchsgebühr auferlegt werden, dazu ders., a. a. O., § 34 Rn. 10. Wenn Missbrauch vorliegt, können diese Kosten freilich nach dem Grundsatz der Vermeidbarkeit steuerlich nicht abzugsfähig sein.

E. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

223

Möglichkeit, dem Kläger die Auslagen des Verfahrens zu erstatten313. Gleichwohl können die Beschwerdeführer auf den Kosten des Verfahrens sitzen bleiben, so insbesondere im Falle von auf einer Honorarvereinbarung beruhenden Vertreterkosten oder kostspieligen Rechtsgutachten314. Insoweit ist die Frage eines steuerlichen Abzugs berechtigt. Die Verfassungsbeschwerde stützt sich naturgemäß ausschließlich auf Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte. Aufgrund dieses Spezifikums gegenüber anderen gerichtlichen Verfahren ist, zu Einschränkungen sogleich, im Grundsatz eindeutig von einem erheblichen Grundrechtsbezug dieses Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht auszugehen. Denn nach dem hier vorgenommenen Definitionsansatz ist keine andere Art von Rechtsverfolgung als die der Verfassungsbeschwerde denkbar, bei der der existenzielle Bereich des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG stärker betroffen wäre315. Ausgeklammert werden müssen dabei nach dem oben Gesagten316 aber all jene Verfahren, die Art. 2 Abs. 1 GG allein als „prozessualen Hebel“317 nutzen, um damit nicht notwendigerweise einen Verstoß gegen Grundrechte, sondern auch gegen sonstiges Verfassungsrecht geltend zu machen318. Hier kann von einer erheblichen grundrechtlichen Betroffenheit nicht die Rede sein. Auch im Übrigen kann ein Abzug der Kosten einer Verfassungsbeschwerde nicht uferlos sein; insbesondere wegen der hohen Verfahrenszahlen vor dem Bundesverfassungsgericht überhaupt319, 313

Dazu näher Scheffczyk, in: BeckOK, BVerfGG, § 34a Rn. 13 ff. m. w. N.; im Falle des erfolgreichen Verfahrens sieht § 34a Abs. 2 die Erstattung der Auslagen als Regelfall vor. 314 So werden diese – implizit als kostspielig erachteten – Aufwendungen vor allem in Bezug auf ihre Erstattungsfähigkeit nach § 34a BVerfGG diskutiert, siehe dazu etwa Graßhof, in: MSKB, BVerfGG, § 34a Rn. 76 m. w. N. 315 Der BFH scheint dies grundsätzlich anders zu sehen. Ein Abzug komme nur in Betracht, wenn die Verfassungsbeschwerde „zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleicher Rechte erforderlich ist“, was sich nur dann bejahen ließe, „wenn die Verfassungs­ beschwerde Erfolg hatte“, vgl. BFH v. 4.12.2001 – III R 31/00, BStBl. II 2002, 382, 384. Dies kann jedoch nicht überzeugen. Generell ist es den Prozesskosten, deren Abzugsfähigkeit nach § 33 EStG diskutiert wird, eigen, dass das zugrundeliegende Verfahren erfolglos war – jedenfalls im Bereich der Zivilprozesskosten würde sich ansonsten die Frage nach § 33 EStG überhaupt nicht stellen. Auch bei einer Niederlage in einem Verfahren kann einer Streitigkeit existenzieller Bezug zukommen, da gerichtliche Entscheidungen oftmals schwer vorhersehbar sind. Die Sichtweise des BFH, dass bei erfolglosen Verfassungsbeschwerden ein Abzug nach § 33 EStG nicht in Betracht komme, widerspricht im Übrigen auch seiner übrigen Rechtsprechung auf diesem Gebiet: So erwähnte er auch in solchen Konstellationen, die der Steuerpflichtige im Ausgangsrechtsstreit verloren hatte, dass ein Kostenabzug nach § 33 EStG in Betracht kommt, soweit der Steuerpflichtige in seinem existenziellen Bereich betroffen sei (so etwa im Fall des Hochwasserschadens am eigenen Wohnhaus des Steuerpflichtigen, vgl. BFH v. 20.1.2016  – VI R 40/13, BFH / N V 2016, 908, 909, dazu auch schon oben sub Kap. 7 B. II 1.). 316 Dazu soeben sub Kap. 7 E. II. 3. 317 Stern, Das Staatsrecht IV/1, § 104 S. 921. 318 Zu dieser Möglichkeit grundlegend BVerfG v. 16.1.1957 – 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32, 41. 319 So waren zum 31.12.2018 insgesamt 3.236 Verfahren anhängig, Quelle: BVerfG; https:// www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Verfahren/Jahresstatistiken/2018/gb2018/A-I-1.pdf?__

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

aufgrund der ganz überwiegenden Verteilung der Verfahren auf Verfassungsbeschwerden320 sowie vermöge des sehr bescheidenen Anteils erfolgreicher Verfassungsbeschwerden321 bedarf es weiterer begrenzender Kriterien. Daher ist der Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG nicht erfüllt, wenn einem Verfahren offensichtlich mangelnde Erfolgsaussichten beschieden sind322. Zwar hat diese Einschränkung bei ordentlichen Rechtsbehelfsverfahren regel­mäßig eine untergeordnete Bedeutung, weil der Nachweis des Grundrechtsbezugs dort tendenziell eines höheren Argumentationsaufwandes bedarf – es geht dort zumeist schlicht nicht unmittelbar um Grundrechte. Im Rahmen der Würdigung von Verfassungsbeschwerden ist der Blick auf die Erfolgsaussichten aber deshalb überaus wichtig, weil es ausschließlich unmittelbar um Grundrechte geht. Es wäre ansonsten bei jeder Verfassungsbeschwerde eine Ausnahme zu bejahen. Zu weitgehend ist diesbezüglich jedoch der Standpunkt des Bundesfinanzhofs, der einen Abzug höchstens dann zugestehen will, wenn die Verfassungsbeschwerde tatsächlich Erfolg hatte323. Ein angemessener Mittelweg wäre es, darauf abzustellen, ob die Verfassungsbeschwerde überhaupt zur Entscheidung angenommen wird, §§ 93a ff. BVerfGG324. Wird sie dies nicht, ist von einer Vermutung auszugehen, dass die Verfassungsbeschwerde offensichtlich keine Erfolgsaussichten hatte. Ein Abzug kommt dann nicht in Betracht325. Hinsichtlich der Angemessenheit der Aufwendungen ist noch darauf hinzuweisen, dass auch hier nur die gesetzlichen Vergütungen berücksichtigt werden können326.

blob=publicationFile&v=2 (zuletzt abgerufen am 23.12.2019). 320 Seit 1951 sind 96,57 % der Gesamtverfahren Verfassungsbeschwerden, Quelle: BVerfG, a. a. O. 321 Die Erfolgsquote bis zum Jahre 2018 beträgt lediglich 2,3 %, Quelle: BVerfG, a. a. O. 322 Dazu oben sub Kap. 6 G. II. 2. c). 323 BFH v. 4.12.2001  – III R 31/00, BStBl. II 2002, 382, 384 (dazu auch soeben in der ­Fußnote). 324 Dazu Scheffczyk, in: BeckOK, BVerfGG, § 93a Rn. 8 ff. Ebenso kann danach gefragt werden, ob sie nicht nach § 23 Abs. 1 S. 2, § 92 BVerfGG offensichtlich unzulässig ist. Zum Begründungsumfang und zum Verhältnis zu den Annahmevoraussetzungen nach § 93a BVerfGG siehe Scheffczyk, in: BeckOK, BVerfGG, § 92 Rn. 36. 325 Ausnahmen wären hier freilich wiederum denkbar, etwa wenn eine Verfassungsbeschwerde deshalb nicht zur Entscheidung angenommen wird, weil die geltend gemachte Grundrechtsverletzung aufgrund einer zwischenzeitlich erfolgten Gesetzesänderung aufgehoben wurde und der Sache daher keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt, so auch der Fall bei BFH v. 4.12.2001 – III R 31/00, BStBl. II 2002, 382, 384. 326 Zur Begründung siehe ausführlich schon oben sub Kap. 7 D. III. 2. Gleiches muss auch für Auslagen wie Rechtsgutachten gelten. Soweit die hierfür entstehenden Kosten „jenseits des Üblichen“ liegen, ist ihnen die Angemessenheit zu versagen.

E. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

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III. Leistungs- und Feststellungsverfahren 1. Leistungsverfahren a) Studienplatzklage In der dritten hier behandelten Konstellation geht es nun darum, dass der Einzelne vom Staat eine wie auch immer geartete Leistung verlangt. Will der Bürger etwa an einer Universität eine akademische Ausbildung erhalten, bedarf er hierzu der Zulassung zu einem Studienfach. Soweit das Bewerber­ interesse hier die Kapazitäten der Universität überschreitet, entsteht ein Wett­ bewerb um die angebotenen Studienplätze. Können sich die Interessenten in diesem Wettbewerb nicht behaupten, suchen sie ihr Heil oftmals darin, Klage auf Immatrikulation in dem jeweilig zulassungsbeschränkten Fach zu erheben327. Dabei treten nun häufig auch die Eltern der Kinder, die studieren wollen bzw. sollen, auf den Plan und übernehmen die Kosten eines solchen Verfahrens. Es stellt sich daher die Frage, ob sie diese nach § 33 EStG geltend machen können. Dies muss nach Ansicht des Rechtsprechung schon deshalb ausscheiden, weil solche Aufwendungen dem Anwendungsbereich des speziellen § 33a Abs. 1 EStG unterfallen, so dass ein Abzug nach § 33 EStG wegen § 33a Abs. 4 EStG aus­ geschlossen ist328. Dem ist zuzustimmen. Zu den Kosten der Berufsausbildung i. S. v. § 33a EStG gehören auch die Aufwendungen eines Erst- und eines Zweitstudiums329. Dies umfasst nicht bloß die unmittelbaren Kosten der schon aufgenommenen Berufsausbildung, sondern auch die vorab entstehenden Gerichts- und Anwaltskosten, um die Berufsausbildung überhaupt aufnehmen zu können. Denn der Begriff der Berufsausbildung ist weit auszulegen330. Entsprechende Zahlungen von Eltern für ihre Kinder sind damit nicht nach § 33 EStG abziehbar331.

327

Dazu ausführlich von Coelln, in: BeckOK, Hochschulrecht Hessen, Grundl. Deutschland Rn. 107 ff. 328 Siehe dazu jüngst FG Münster v. 13.8.2019 – 2 K 3783/18, BeckRS 2019, 19528 Rn. 18; so auch schon FG Düsseldorf v. 14.1.2013 – 11 K 1633/12 E, EFG 2013, 701, 702. Dies sei auch dann so, wenn im konkreten Fall ein Abzug der Kosten nach § 33a Abs. 1 S. 1 EStG wegen § 33a Abs. 1 S. 4 EStG dadurch ausgeschlossen sei, dass der Steuerpflichtige bereits Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG habe; den Abzug ablehnend auch schon BFH v. 9.11.1984 – VI R 40/83, BStBl. II 1985, 135 f. (auf Grundlage der damaligen Rechtslage). 329 So für die Zweitausbildung ausdrücklich Schmieszek, in: Bordewin / Brandt, EStG, § 33a Rn. 64 a. E. 330 FG Düsseldorf v. 14.1.2013 – 11 K 1633/12 E, EFG 2013, 701, 702 m. w. N.; vgl. zur entsprechend weiten Auslegung von „Berufsausbildung“ in § 33a EStG auch Schmieszek, in: Bordewin / Brandt, EStG, § 33 Rn. 24 m. w. N. 331 Die Frage, ob solche Aufwendungen den Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG erfüllen und inwieweit das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG betroffen

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

Gleiches gilt im Ergebnis auch, wenn die Kinder selbst zahlen. Grund hierfür ist die in § 33 Abs. 2 S. 2 EStG angeordnete Subsidiarität der außergewöhnlichen Belastungen. Es handelt sich dann nämlich um eigene Kosten der Erst- oder Zweitausbildung des Steuerpflichtigen, für die entweder ein (vorweggenommener) Werbungskostenabzug oder Sonderausgabenabzug zu diskutieren ist332. b) Streitigkeiten im Asylverfahren Das deutsche Recht billigt Ausländern neben dem aus Art. 16a GG folgenden Grundrecht auf Asyl auch sogenannten „internationalen Schutz“ nach den §§ 3 ff. AsylG zu333. Der Asylantrag nach § 13 Abs. 1 AsylG bezieht sich nach § 13 Abs. 2 AsylG auch auf diese internationale Schutzgewährung. Das Bundesamt für Migra­ tion und Flüchtlinge (BAMF) entscheidet über diesen Antrag nach § 31 Abs. 1 AsylG einheitlich durch Bescheid. Im Falle einer ablehnenden Entscheidung bestehen hiergegen Möglichkeiten des Rechtsschutzes334. In der Praxis kommt es hier nicht nur im marginalen Umfang, sondern massenhaft zu Streitigkeiten vor den Verwaltungsgerichten335. Auch wenn nach § 83b AsylG in Asylsachen keine Gerichtkosten erhoben werden, so können jedoch mitunter (außergerichtliche) Rechtsanwaltskosten entstehen, für die ein steuerlicher Abzug in Frage kommt. Unabhängig von der Frage, ob Schutz nach Art. 16a GG begehrt wird und hierüber eine Grundrechtbetroffenheit hergestellt werden kann, lässt sich für das Asylbegehren i.w.S.336 allgemein festhalten, dass aus Furcht und Flucht vor wie auch immer gearteten Gefahren für Leib und Leben im Heimatstaat der jeweiligen Person klar ein erheblicher Grundrechtsbezug zu Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG gegeben ist337. Die Frage nach einem Abzug hier entstehender Kosten wird sich in der Praxis regelmäßig nur in Fällen stellen, in denen dem Asylbewerber überhaupt Aufwendungen entstehen, diese also nicht durch Nichtregierungsorganisationen oder staatist (siehe zur Grundrechtsrelevanz von „Ausbildungsvorbehalten“ in diesem Zusammenhang Müller-Franken, in HStR VIII, § 172 Rn. 74 ff.), spielt so keine Rolle mehr. 332 Dazu wie auch zur Rechtsentwicklung Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 9 Rn. 340 ff. m. w. N.; ausführlich auch Geserich, DStR 2018, 2084 ff.; die Frage, inwieweit § 9 Abs. 6 EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, liegt derzeit dem BVerfG unter dem Aktenzeichen 2 BvL 22/14 u. a. zur Entscheidung vor. 333 Dazu im Einzelnen Dietz, Ausländer- und Asylrecht, Rn. 304 ff. 334 Dazu ausführlich Dietz, Ausländer- und Asylrecht, Rn. 385 ff. 335 Vgl. hierzu Haneke, FAZ Woche Nr. 31 v. 28.7.2017, S. 25; Steinbeiß-Winkelmann, NVwZ 2016, 713 ff.; dazu auch Allenberg u. a., (Hrsg.), ZAR 2017, 386. 336 Unter dem „Asylbegehren im weiteren Sinne“ ist der Asylantrag nach § 13 AsylG zu verstehen, der sich in vierstufiger Prüfung nicht nur auf die deutsche Asylgewährleistung des Art. 16a GG, sondern auch auf internationalen Schutz bezieht, vgl. dazu im Einzelnen Dietz, Ausländer- und Asylrecht, Rn. 303 ff. 337 Ablehnend jedoch BFH v. 15.11.1957 – VI 279/56 U, BStBl. III 1958, 105, 107 (wobei es hier lediglich um Entschädigungszahlungen ging, nicht jedoch die besondere Rechtsstellung).

E. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

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liche Stellen getragen werden, und in denen die Antragssteller im nächsten Jahr zur Einkommensteuer veranlagt werden. Dies werden seltene Konstellationen sein, die aber im Bereich wohlhabender ausländischer Staatsbürger, die sich in Deutschland Schutz vor politischer Verfolgung erhoffen und hier steuerpflichtige Einkünfte erzielen, denkbar sind, wie etwa im Falle des sprichwörtlichen „syrischen Arztes“. c) „Hartz-IV-Klage“ und Streitigkeiten wegen vergleichbarer Leistungen Existenzielle, weil erheblich grundrechtliche Bedeutung kann einer Streitigkeit auch zukommen, wenn die Grundsicherung nach dem SGB II geltend gemacht wird. So folgt aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG das Recht für Bedürftige auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums338. Dieses erfüllt das soeben erwähnte SGB II im Wege der Grundsicherung („Hartz IV“)339. Gewährt die Behörde diese Sozialleistung einem Antragsteller nicht oder nicht antragsgemäß, so bedarf es angesichts der aufgezeigten grundrechtlichen Bedeutung der geltend gemachten Leistungen keiner übermäßigen Begründung, dass eine entsprechende Streitigkeit einen handfesten erheblichen Bezug zu Grundrechten besitzt340. Ein Abzug nach § 33 EStG scheitert insofern schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität außergewöhnlicher Belastungen, § 33 Abs. 2 S. 2 EStG. Denn die im Rahmen einer solchen Streitigkeit begehrten Leistungen sind nach § 3 Nr. 2 lit. d) EStG steuerfrei. Zu denken ist in diesem Zusammenhang in der Praxis etwa an Fälle, in denen die Betroffenen während des Veranlagungszeitraums ihren Arbeitsplatz verlieren – also bis zu diesem Zeitpunkt steuerpflichtige Einkünfte erzielen – und nun keinen Anspruch auf ALG I haben, weil sie die Anwartschaftsszeit nach § 142 SGB III nicht erfüllen. Stattdessen können sie nur die Grundsicherung geltend machen, die nun aber nach Auffassung der Behörde nicht gewährt werden müsse, da das „Schonvermögen“ überschritten sei – es kommt zum Streit. 338

Etwa BVerfG v. 9.2.2010 – 1 BvL 1/09 u. a., BVerfGE 125, 175, 222 f. Vgl. den Normtext des § 1 Abs. 1 SGB II, dazu im Übrigen näher Burkiczak, in: BeckOK, Sozialrecht, § 1 SGB II Rn. 1 ff. 340 Als zusätzliches Argument soll jedoch noch darauf verwiesen werden, dass der Abzugstatbestand des § 33 EStG als Ergänzung zu dem steuerlichen Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG konzipiert ist und mit diesem zusammen das menschliche Existenzminimum steuerfrei stellen soll (Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 1 m. w. N.; zu weiteren Nachweisen schon oben sub Kap. 2 A. III. 1. a)). Wenn der das menschliche Existenzminimum schützende Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG die steuerrechtliche Entsprechung der hier in Rede stehenden sozialrechtlichen Grundsicherung nach dem SGB II ist, so ist es nur konsequent, dass die Kosten zum Erstreiten der Grundsicherung ebenso diesem Bereich des menschlichen Existenzminimums zugeordnet werden. Denn diese konnten aufgrund der abschließenden Pauschalregelung des § 32a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG dort nicht mehr berücksichtigt werden. 339

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Kap. 7: Abziehbarkeit nach Fallgruppen

Die Argumentation kann im Übrigen auch auf Verfahren übertragen werden, bei denen vergleichbare Leistungen geltend gemacht werden. Dies meint insbeson­dere solche, die greifen, bevor die Voraussetzungen für den Bezug von ALG II erfüllt sind, so etwa Leistungen wie das ALG I, Insolvenzgeld oder Krankengeld. Freilich stellt sich auch hier wieder die Frage nach der Subsidiarität der jeweiligen Prozesskosten. Doch ergibt sich aus § 3 Nr. 1 lit. a), Nr. 2 lit. a) und lit. b) EStG die Steuerfreiheit der genannten Leistungen. Dass diese dem Progressionsvorbehalt des § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a) und lit. b) EStG unterliegen, ändert daran nichts341. 2. Feststellungsverfahren a) Streitigkeiten um die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit Der Bundesfinanzhof hatte in seiner Entscheidung vom 18.3.2004 zu Recht erwähnt, dass ein Prozesskostenabzug für Verfahren auf Feststellung der deutschen Staatsbürgerschaft in Betracht kommt342. Nimmt man einen Ausschnitt der Rechtsfolgen der deutschen Staatsangehörigkeit in den Blick – etwa allein die Grundrechtsfähigkeit Deutscher bei den im Grundgesetz niedergelegten Deutschengrundrechten (z. B. Art. 8 Abs. 1, 9 Abs. 1, 11 Abs. 1, 12 Abs. 1, 16 Abs. 2, 20 Abs. 4, Art. 33 Abs. 1 und Abs. 2 GG)343, den Schutzanspruch des Bürgers gegenüber seinem Heimatstaat (aus Art. 116 Abs. 1 GG)344 oder das aktive und passive Wahlrecht (Art. 38 Abs. 2 GG)345 –, so stellt dies bereits eine Aussicht auf grundrechtliche Gewährleistungen dar. Es bedarf insoweit keiner umfangreichen Begründung, dass ein solches Verfahren, in dem letztlich unmittelbar Grundrechte mitverhandelt werden, zweifelsohne einen erheblichen Grundrechtsbezug aufweist. b) Streitigkeiten um die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft Ebenso zutreffend als möglichen abzugsfähigen Fall hat der Bundesfinanzhof in der besagten Entscheidung den Streit um das Feststellen einer Schwerbehinderteneigenschaft erwähnt346; dies könne ein Fall sein, bei dem es um den „existenziellen Bereich“ des Steuerpflichtigen gehe. Denn die sozialrechtliche Feststellung der (Schwer-)Behinderung dient dazu, den betroffenen Menschen – rein beispielhaft etwa nach dem SGB IX – Leistungen zu gewähren, um „ihre Selbstbestimmung 341

Dazu Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 32b Rn. 1. BFH v. 18.3.2004 – III R 24/03, BStBl. II 2004, 726, 727. 343 Vgl. Sachs, in: ders., GG, Vor Art. 1 Rn. 71. 344 BVerfG v. 21.5.1974 – 1 BvL 22/71, BVerfGE 37, 217, 241 f.; v. 7.7.1975 – 1 BvR 274/72, BVerfGE 40, 141, 177; dazu näher auch Hillgruber, in: BeckOK, GG, Art. 116 Rn. 2. 345 § 12 Abs. 1 BWG, § 15 Abs. 1 Nr. 1 BWG, dazu auch Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 38 Rn. 96. 346 BFH v. 18.3.2004 – III R 24/03, BStBl. II 2004, 726, 727. 342

E. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

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und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken“, § 1 S. 1 SGB IX. Schon anhand dieses Normtexts wird deutlich, dass die Schwerbehinderteneigenschaft erhebliche Auswirkungen auf das Leben und damit die Existenz des jeweiligen Steuerpflichtigen haben kann. Ohne ins Detail zu den entsprechenden Rechtsfolgen zu gehen347, lässt sich daher auch hier eindeutig ein erheblicher Bezug wenigstens zu Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG konstatieren348.

347 Vgl. zu weiteren Rechtsfolgen insbesondere arbeitsrechtlicher Art Lützeler, öAT 2017, 158 ff. 348 Es ist anerkannt, dass den Staat auch aus Art. 1 Abs. 1 GG die Pflicht trifft, ein menschenwürdiges Existenzminimum für jeden Bürger sicherzustellen, siehe etwa BVerfG v. 9.2.2010 – 1 BvL 1/09 u. a., BVerfGE 125, 175, 222. Dadurch soll auch die „Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben“ sichergestellt werden (BVerfG, a. a. O., 223). Da es nun auch im Kontext der Regelungen zu Menschen mit Behinderungen um deren „Teilhabe am Leben der Gesellschaft“ geht (siehe zugehöriger Haupttext), lässt sich insoweit eine Parallele zur rechtlichen Sicherung des Existenzminimums festhalten. Es ist dann konsequent, auch bei einer Streitigkeit um die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft einen Bezug zu Art. 1 Abs. 1 GG anzunehmen.

Kapitel 8

Zusammenfassende Thesen und Schlussbetrachtung A. Thesen 1. Die im Rahmen dieser Arbeit untersuchte Frage, inwieweit Kosten der Rechtsverfolgung nach geltendem Recht als außergewöhnliche Belastung i. S. v. § 33 EStG abziehbar sind, ist nicht nur klassisch-dogmatischer Natur, sondern steht in einem größeren Zusammenhang. So ist dabei mit Blick auf die „Kosten des Rechtsstaats“ immer auch die Problematik angesprochen, ob Aufwendungen der Rechtsverfolgung nicht eigentlich „Sache des Staates“ sein sollten. Die hier untersuchte Frage legt zudem offen, dass bei (gerichtlicher) Rechtsverfolgung oftmals auch das Phänomen gesellschaftlicher Ungleichheit angesprochen ist. Denn wohlhabendere Menschen werden das mit Kosten oder jedenfalls einem Kostenrisiko verbundene Durchsetzen ihrer Rechte eher finanzieren können als weniger wohlhabende Bürger. 2. Der in Rede stehende Abzugstatbestand der außergewöhnlichen Belastung dient zunächst der Steuerfreistellung derjenigen Fälle, die sich pauschalierend von § 32a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG nicht erfassen lassen. Darüber hinaus dient § 33 EStG entgegen mancher Stimmen im Schrifttum aber auch dem „Erhalt und der Rückgewinnung der Normalität des einzelnen Steuerpflichtigen“, in dem „ungewöhnliche Lebenshaltungskosten“ abziehbar sind. 3. Der Begriff der Rechtsverfolgungskosten bzw. der Kosten zur Verteidigung subjektiver Rechte erfasst nicht bloß Aufwendungen gerichtlicher Streitigkeiten, sondern insbesondere auch solche Kosten, die sich aus außergerichtlichen Auseinandersetzungen ergeben. Kurz gesagt erfasst er all jene Aufwendungen, die dadurch entstehen, dass Maßnahmen ergriffen werden, um (vermeintliche) Rechte durchzusetzen oder eine (vermeintlich) unberechtigte Inanspruchnahme abzuwehren. 4. Berufliche Kosten der Rechtsverfolgung (§ 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 EStG) hat die Arbeit nicht behandelt. Sie sind gegeben, wenn das der Rechtsverfolgung zugrundeliegende Begehren durch die steuerbare Sphäre veranlasst ist. Nur soweit demgegenüber Rechte aus dem privaten Bereich des Steuerpflichtigen durchgesetzt werden, liegen Aufwendungen vor, für die ein Abzug nach § 33 EStG zu diskutieren ist. Im Falle „gemischter Aufwendungen“ muss aufgeteilt werden, notfalls im Wege der Schätzung. 5. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu gerichtlichen Prozesskosten war von den 1950er Jahren bis in das Jahr 2011 vom dem Grundsatz geprägt, dass

A. Thesen

231

diese nach § 33 EStG nicht abziehbar seien. Dies betraf neben zivilprozessualen Kosten auch solche aus dem Bereich des Strafverfahrens und der Verwaltungs­ gerichtsbarkeit. Denn Steuerpflichtige, so das Gericht zu Zivilprozesskosten, ließen sich regelmäßig freiwillig auf das Kostenrisiko eines Verfahrens ein. Eine Ausnahme sollte nur dann gegeben sein, wenn der Steuerpflichtige mit einem Verfahren seinen „existenziell wichtigen Bereich“ verteidige. 6. Demgegenüber gestand der Bundesfinanzhof seit jeher Ehescheidungskosten den Abzug als außergewöhnliche Belastungen zu. Diese Kosten seien deshalb unvermeidbar, weil es Ehegatten im Falle des Scheiterns ihrer Ehe nicht zumutbar sei, weiter miteinander verheiratet zu sein. Hiervon erfasst waren nur die Kosten der eigentlichen Scheidung (d. h. Kosten des gerichtlichen Scheidungsverfahrens einschließlich der Anwaltskosten sowie Kosten des Versorgungsausgleichs). Nicht abzugsfähig waren hingegen die Scheidungsfolgekosten. 7. Am 12.5.2011 änderte der Bundesfinanzhof diese Rechtsprechung grundlegend. Alle Arten zivilprozessualer Streitigkeiten seien als zwangsläufig anzusehen, da es das staatliche Gewaltmonopol sei, welches den Steuerpflichtigen, will er seine Ansprüche durchsetzen, zum Beschreiten des Rechtswegs zwinge. Damit seien grundsätzlich alle hier entstehenden Kosten nach § 33 EStG abziehbar. 8. Dieses Urteil verursachte gemischte Reaktionen in Literatur und Finanzgerichtsbarkeit. Das Bundesministerium der Finanzen reagierte am 20.12.2011 mit einem Nichtanwendungserlass und stellte eine gesetzliche Neuregelung in Aussicht. Diese folgte nach zähem Vorankommen im Vermittlungsausschuss noch nicht mit dem ursprünglich anvisierten Jahressteuergesetz 2013, sondern erst durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (AmtshilfeRLUmsG). Dieses am 29.6.2013 verkündete Gesetz entfaltet seine Wirkung nunmehr in § 33 Abs. 2 S. 4 EStG. 9. Zum Verständnis dieser neuen Regelung haben sich Rechtsprechung und Literatur sehr unterschiedlich geäußert. Insbesondere die Frage, was unter den unbestimmten Rechtsbegriffen des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG zu verstehen ist, wurde bislang nicht abschließend geklärt. 10. Um das zutreffende Normverständnis des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG ermitteln zu können, ist es notwendig, sich mit den methodischen Grundlagen der Gesetzesauslegung zu befassen. Die Auslegung zielt mit ihren unterschiedlichen Kriterien darauf ab, den objektivierten Willen des Gesetzes herauszuarbeiten. Bei der Bestimmung des Inhalts von § 33 Abs. 2 S. 4 EStG kommt den entstehungsgeschichtlichen Umständen besonderes Gewicht zu, weil es sich bei der Norm um ein junges Gesetz handelt. 11. Verfassungsrechtlich nicht tragfähig ist die These, gerichtliche Prozesskosten entstünden infolge des staatlichen Gewaltmonopols wie des Justizgewähranspruchs grundsätzlich zwangsläufig. Schon der zivilrechtliche Grundsatz der Privatautonomie zeigt, dass das Gewaltmonopol als Teil der Rechtsordnung den Bürger nicht

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Kap. 8: Zusammenfassende Thesen und Schlussbetrachtung

zwingen will, den Rechtsweg zu beschreiten. Diese Entscheidung trifft jeder Bürger selbst. Im Übrigen missachtet diese Auffassung – und damit auch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12.5.2011 – den Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung („Nachbargleichheit“), indem ein die Norm überdehnender und sachlich nicht zu rechtfertigender Steuerabzug zulasten der Allgemeinheit gewährt wird. 12. Im Bereich der Rechtsverfolgung droht den Betroffenen oftmals ein Kostenrisiko. Das Grundgesetz verlangt wegen eines insoweit vorhandenen „chilling effects“ auf die Ausübung des Justizgewähranspruchs aber nicht zwingend, dass die Kosten nach § 33 EStG abziehbar sein müssen. Vielmehr lässt sich der Verfassung in diesem Zusammenhang ein „Optimierungsgebot der Herstellung von Unbefangenheit“ entnehmen, das darauf abzielt, die Abschreckungseffekte für die Betroffenen abzudämpfen. Hierzu vermag auch ein steuerlicher Abzug der Kosten beizutragen. Dies erfolgt insbesondere dadurch, dass in Fällen, die sowohl Gründe für als auch gegen ein Bejahen des § 33 EStG erkennen lassen, das Vorhandensein des „chilling effect“ den Ausschlag für die Abziehbarkeit gibt. 13. Das subjektive Nettoprinzip fordert ebenso wenig, dass Rechtsverfolgungskosten grundsätzlich abzugsfähig sein müssten. Insbesondere der sozialhilferechtliche Nachranggrundsatz führt mangels Vergleichbarkeit von Prozesskostenhilfe und existenzieller Grundsicherung nicht dazu, das Tragen von Kosten der Rechtsverfolgung pauschal als einen Fall verminderter Leistungsfähigkeit zu verstehen. 14. Das Abstandsgebot zum Sozialhilferecht verlangt ebenso wenig die pauschale Abziehbarkeit von Aufwendungen der Rechtsverfolgung. 15. Die Vorschrift des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG begegnet im Hinblick auf ihre Eigenschaft als Nichtanwendungsgesetz keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Gleiches gilt hinsichtlich ihrer Bestimmtheit. 16. Unionsrechtliche Gewährleistungen verlangen weder einen hier diskutierten Abzug noch stehen sie ihm entgegen. 17. Auch aus dem Konventionsrecht ergeben sich keine Vorgaben, die einen Abzug von Prozesskosten hier generell erzwingen würden. Gleichwohl ist das Phänomen des „chilling effects“ auch in der Rechtsprechung des EGMR bedeutsam. Aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK lässt sich daher im Gleichlauf zur grundgesetzlichen Lage das Gebot entnehmen, in Fällen in denen sich sowohl Gründe für als auch gegen einen Abzug von Prozesskosten nach § 33 EStG ergeben, die Voraussetzungen der Norm zu bejahen, um damit den von Kosten ausgehenden Abschreckungseffekt auf den Zugang zu Gericht abzudämpfen. Weitergehendere Anforderungen als die des Grundgesetzes folgen hieraus aber nicht. 18. Aus entstehungsgeschichtlicher Sicht der Norm ergibt sich, dass der Wille des Gesetzgebers zum AmtshilfeRLUmsG, mit dem die Norm des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG eingefügt worden ist, dem Willen des Gesetzgebers zum nicht Gesetz gewordenen JStG 2013 entspricht. Dafür sprechen insbesondere die Besonderheiten

A. Thesen

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des Gesetzgebungsverfahrens. Das aus den Materialien zum JStG 2013 ersichtliche Ziel, mit der dortigen Neuregelung die Abzugsfähigkeit von Prozesskosten auf den „bisherigen engen Rahmen“ zurückzuführen, ist deshalb im Rahmen der Auslegung des AmtshilfeRLUmsG zwingend zu beachten. Daraus folgt, dass die Kosten aller „Altfälle“, insbesondere also Kosten der Ehescheidung, weiter abzugsfähig bleiben müssen. 19. Die Systematik des § 33 Abs. 2 EStG legt es nahe, die Rechtsfolge des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG als „sind nicht zwangsläufig“ zu verstehen. 20. Die teleologische Auslegung ermöglicht schließlich ein abschließendes Verständnis der Norm. So erfasst der Begriff des „Rechtsstreits“ im Sinne der Vorschrift als „Streit um Rechte“ jedes nicht notwendigerweise förmliche Verfahren gerichtlicher oder außergerichtlicher Art, das eine rechtliche Auseinandersetzung zwischen mindestens zwei Beteiligten zum Gegenstand hat, wobei hier Private sowohl anderen Privaten als auch der öffentlichen Gewalt gegenüberstehen können. 21. Die beiden unbestimmten Rechtsbegriffe des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG sind einheitlich als „existenzieller Bereich“ zu lesen. Wie für unbestimmte Rechtsbegriffe typisch werden dazu Fallgruppen gebildet. Deren Inhalt ist durch ein Anknüpfen des jeweiligen Gegenstands der Rechtsverfolgung an Grundrechte zu füllen. Dafür spricht vor allem, dass anerkannt ist, dass Grundrechte über Art. 3 Abs. 1 GG das subjektive Nettoprinzip anreichern. Sie erweisen sich somit als Indikator für die Frage der Gleichheit der Besteuerung. Der dabei zu fordernde Grundrechtsbezug muss erheblich sein. Schließlich muss der Schritt zur Rechtsverfolgung für den Steuerpflichtigen eine ultima Ratio darstellen, um seine Rechte durchzusetzen. Zur Abwehr von Missbrauchsfällen ist ein Abzug dann zu versagen, wenn Anhaltspunkte für mangelnde Erfolgsaussichten vorliegen. 22. Entscheidend für eine Zuordnung zum Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG ist damit der Gegenstand, um den es bei der Verteidigung von Rechten geht, und nicht das Mittel, das hierzu eingesetzt wird. Aus diesem Grund müssen die Beispiele der gerichtlichen Rechtsverfolgung, die am Schluss der Arbeit exemplarische Konstellationen aufzeigen, in denen die hier ausgelösten Kosten auch nach der Neuregelung als zwangsläufig zu betrachten sind, konsequenterweise auch dann den Ausnahmetatbestand erfüllen, wenn sie im Wege der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Rede stehen. 23. Gerichtliche Verfahren und die von ihnen ausgelösten Kosten sind trotz hoher Verfahrenszahlen als außergewöhnlich i. S. v. § 33 EStG anzusehen. Dass Steuerpflichtige die Kosten dieser Verfahren typischerweise aus einer „Verlierersituation“ heraus geltend machen, ist lediglich ein Phänomen des jeweiligen Prozessrechts und steuerlich grundsätzlich unbeachtlich. Im Fall einer auf einem Vergleich beruhenden Kostenregelung scheiden die Aufwendungen von vornherein nur insoweit für einem möglichen Abzug nach § 33 EStG aus, als sie über das

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Kap. 8: Zusammenfassende Thesen und Schlussbetrachtung

hinausgehen, was der Steuerpflichtige im Falle einer streitigen Entscheidung zu tragen gehabt hätte. Auch wenn der Gegner vermögenslos ist und kostenrechtliche Erstattungsansprüche daher uneinbringlich sind, erscheint ein Abzug möglich; das Argument, dass sich hier nur ein allgemeines Lebensrisikos realisiere, vermag demgegenüber nicht zu überzeugen. 24. Im Rahmen zivilrechtlicher Verfahren geht es vielfach um rein vermögensrechtliche Fragen. Soweit hier nur solche Ansprüche verfolgt werden, die allein von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützt werden, ist mangels erheblichen Grundrechtsbezugs der Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG nicht erfüllt. Nicht abzugsfähig sind daher typischerweise Kosten erbrechtlicher, reise-, kaufund werkvertraglicher Verfahren genauso wie Aufwendungen von Streitigkeiten im Nachbarschaftsverhältnis und um Schmerzensgeldansprüche Ein erheblicher Grundrechtsbezug kann demgegenüber etwa anzunehmen sein, wenn der Verlust des eigenen Wohnraums droht (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG), wenn Ansprüche aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung geltend gemacht werden (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG), wenn Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) und der grundrechtlichen Gewährleistungen der Meinungs-, Presse-, Kunst- oder Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 1, Abs. 3 GG) im Raum stehen und schließlich auch dann, wenn ein Verfahren das Insolvenzverfahren betrifft (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG). 25. Familienrechtliche Verfahren weisen einen erheblichen Grundrechtsbezug zu den Garantien des Art. 6 GG auf, soweit sie den „Kernbereich menschlichen Lebens“ betreffen. Dies meint vor allem Konstellationen in Bezug auf das Umgangsund Sorgerecht mit eigenen Kindern. 26. Ehescheidungskosten, denen über Art. 6 Abs. 1 S. 1 GG ein erheblicher Grundrechtsbezug zukommt, sind in der jahrzehntelangen Tradition des Bundesfinanzhofs weiterhin im Umfang des Zwangsverbundes (Kosten des gerichtlichen Verfahrens einschließlich des Versorgungsausgleichs) abzugsfähig. 27. Im Fall eines Strafverfahrens ist für den Beschuldigten zwar ein erheblicher Grundrechtsbezug festzustellen (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie ggf. Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG oder Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG). Die hier ausgelösten Kosten sind aber gleichwohl nicht abziehbar, wenn der Prozess mit einem Schuldspruch zulasten des Steuerpflichtigen endet, da das Verwirklichen von Unrecht regelmäßig vermeidbar ist. Soweit im Falle des Freispruchs Kosten entstehen, hätte der Steuerpflichtige auch diese regelmäßig – aus anderen Gründen – vermeiden können. Sie sind daher meistens ebenso wenig abziehbar wie im Falle eines auch nur teilweisen Freispruchs. In den sonstigen Fällen sind die Aufwendungen nur ausnahmsweise abziehbar, so etwa wenn Eltern für ihre minderjährigen „innerlich noch nicht gefestigten“ Kinder die Kosten der Strafverteidigung übernehmen (Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG) oder Steuerpflichtige als mögliche Opfer einer Straftat in bestimmten Fällen die Kosten einer Privatklage zu tragen haben (jedenfalls Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG).

B. Schlussbetrachtung

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28. Geht es in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten um das Zahlen von Steuern und anderen Abgaben, so ist allein unter diesem Aspekt ein erheblicher Grundrechtsbezug regelmäßig auszuschließen (lediglich  – wenn überhaupt  – Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG). Soweit dagegen unmittelbar in andere grundrechtliche Gewährleistungen eingegriffen wird, ist dem Verfahren ein erheblicher Grundrechtsbezug zu bescheinigen. Erfasst sind davon etwa polizei- und baurechtliche Klagen (etwa Art. 8 Abs. 1 GG, Art. 13 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG in Form der Baufreiheit) wie auch – unter gewissen Voraussetzungen – die Verfassungsbeschwerde, die sich unmittelbar auf Grundrechte stützt. Ein solcher Bezug zu Grundrechten kann auch zu bejahen sein, wenn der Einzelne mit einem Verfahren eine bestimme Leistung des Staates geltend machen will. Dies meint beispielsweise Verfahren in Asylsachen (Art. 16a GG, jedenfalls aber Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) ebenso wie solche, um Leistungen des Sozialstaats nach dem SGB II (Art. 1 Abs. 1 GG) geltend zu machen. Schließlich kann ein hinreichender Grundrechtsbezug auch angenommen werden, wenn um die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit (etwa Art. 116 Abs. 1 GG, Art 38 Abs. 2 GG und die Deutschengrundrechte) oder die Schwer­ behinderteneigenschaft (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) gestritten wird.

B. Schlussbetrachtung Die Arbeit hat nach einer Antwort auf die Frage der Gleichheit der Besteuerung für den Bereich des privaten Rechtsverfolgungsaufwands gesucht. Anhand der aufgestellten Maßstäbe hat sich gezeigt, wann das Tragen entsprechender Kosten die subjektive Leistungsfähigkeit in einer Weise mindert, dass ihr Abzug als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen ist. Die dargestellten Fallgruppen sind hierfür beispielhafte Impulsgeber1. Insoweit sind Kosten der Rechtsverfolgung über den steuerlichen Abzug in stärkerem Maße auch „Sache des Staates“. Dies kann in den in Frage kommenden Fällen auch als ein Beitrag angesehen werden, um soziale Ungleichheit und damit verbundene Chancenungleichheit vor allem vor Gericht abzubauen. Es ist aber auch deutlich geworden, inwieweit die sogenannte „Nachbargleichheit“ einem Abzug entgegensteht. Die Möglichkeit eines Abzugs von (Zivil-)Prozesskosten generell aus Gründen des staatlichen Gewaltmonopols2 ist hiermit nicht vereinbar und auch für sich genommen nicht überzeugend. Keineswegs kann daher eine gesetzliche Neuregelung gefordert werden, die Prozesskosten als abziehbares Regelbeispiel im Recht der außergewöhnlichen Belastungen aufnimmt3. Inwieweit im Bereich der nicht abziehbaren Kosten die mit dem „chilling effect“ 1

Mit Bezug auf Kanzler, in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 33 Rn. 211 bleibt der Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 2 S. 4 a. E. EStG deshalb gerade nicht „unwirksam“. 2 So noch BFH v. 12.5.2011 – VI R 42/10, BStBl. II 2011, 1015, 1016. 3 So aber Grever, Außergewöhnliche Belastungen im Steuerrecht, S. 184 f.; dazu schon oben sub Kap. 6 B. III. 2. a).

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Kap. 8: Zusammenfassende Thesen und Schlussbetrachtung

zusammenhängenden Herausforderungen bewältigt werden können, ist anderen Disziplinen als dem Steuerrecht, vornehmlich der Rechtspolitik, überantwortet. Zwar ist die Norm des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG auch Teil der oftmals beklagten Normenflut im Recht4. Ob die Verantwortung dafür bei der Finanzgerichtsbarkeit selbst zu verorten ist, die den Gesetzgeber mit ihrem dogmatisch unhaltbaren Urteil aus dem Jahre 2011 erst auf den Plan gerufen hatte5, oder vielmehr beim Normgeber selbst, der entgegen der Hoffnung der damaligen Bundesregierung6 nicht auf eine – später tatsächlich eingetretene7 – Rückkehr zur alten Rechtsprechung vertraute, braucht hier aber nicht entschieden zu werden. Gleiches gilt für die Folgefrage, ob die Norm allein deshalb abzuschaffen ist, weil sie ex post betrachtet überflüssig ist. Denn de lege lata wahrt sie in jedem Falle den Grundsatz der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit. Freilich könnte die Vorschrift im Zuge einer Reform der außergewöhnlichen Belastungen gestrichen werden. Die Tatsache, dass eine entsprechende Grundsatzdiskussion schon seit längerer Zeit intensiv geführt wird8 und diese aber bislang keine politischen Mehrheiten auf sich vereinigen konnte, berechtigt zur vorsichtigen Annahme, dass dies auch in den kommenden Jahren nicht geschehen wird. Mit dieser Einsicht kann der Ausblick gewagt werden, dass die Praxis jedenfalls kurzfristig, wenn nicht sogar mittelfristig, an der Norm des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG nicht vorbeikommt. Die Diskussion um den Abzug von Kosten der Rechtsverfolgung ist durch die Vorschrift aber keineswegs beendet worden9. Vielmehr hat die Arbeit gezeigt, dass der Diskurs um diese Frage auch in Zukunft anhand der hier entwickelten Maßstäbe jenseits der genannten beispielhaften Fälle weiter zu führen ist.

4

Dazu allgemein G. Kirchhof, FAZ Nr. 300 v. 27.12.2013, S. 7; ders., DStR 2013, 1867, 1872 plädiert auch im Zusammenhang mit Prozesskosten für „allgemeine, gerechtigkeitsstiftende Gesetze“. 5 In diese Richtung etwa Fink, NWB 2018, 173, 180; ebenso G. Kirchhof, DStR 2013, 1867, 1871 f. 6 BT-Drucks. 17/10604, S. 45 f. 7 BFH v. 18.6.2015 – VI R 17/14, BStBl. II 2015, 800. 8 Dazu stellvertretend schon Steger, Die außergewöhnliche Belastung, S. 54 ff. m. w. N. 9 So aber Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastungen, S. 196 f.

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Sachverzeichnis Abgabenverfahren  218, 219 Abschreckungseffekt  29, 34, 35, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 127, 128, 129, 142, 149, 150, 176, 193, 194, 217, 232 Abschreckungswirkung 118 Absehen von Strafe  208 Abstandsgebot zum Sozialhilferecht  136, 137, 232 Adam Smith  27 Allgemeiner Justizgewähranspruch  106 Allgemeines Persönlichkeitsrecht  190, 216, 217 AmtshilfeRLUmsG  74, 75, 96, 152, 153, 154, 155, 157, 158 Anfechtungsverfahren 220 Angemessenheit  49, 82, 122, 126, 160, 203, 211, 212, 224 Anwendungsvorrang  101, 102 Armenrecht  33, 133 Außergewöhnlichkeit  44, 47, 57, 72, 79, 79, 81, 88, 139, 151, 157, 178, 198, 200, 205 Ausstrahlungswirkung der Grundrechte ​ 141, 142, 168, 171 Beate Zschäpe  31 „Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse“  84, 85, 105, 106, 140, 142, 153 Begriffshof 105 Beihilfe  144, 145, 146 Belastungsprinzip  47, 176, 177 Berufsunfähigkeitsversicherung  189, 190, 234 Bestimmtheitsgrundsatz  36, 140 Betriebsausgaben  27, 34, 39, 47, 53, 54, 56, 85, 166 „Chilling effect“  32, 35, 114, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 128, 129, 130, 149, 125, 126, 128, 129, 130, 149, 150, 168, 176, 184, 188, 202, 222, 232, 235

Demokratieprinzip  90, 94 Deutsche Staatsangehörigkeit  228, 235 EGMR  102, 148, 149, 232 Ehescheidung  57, 61, 63, 64, 77, 79, 86, 163, 197, 198, 199, 200, 201, 202 Eingriff  120, 121, 122, 124, 125, 126, 141, 185, 205, 206, 218, 222 Einkünfteerzielungsabsicht 53 Einschüchterungseffekt  118, 126, 129, 219 EMRK  101, 102, 147, 148, 149, 150, 232 Entstehungsgeschichte  78, 80, 96, 98, 151, 158, 162 Erbrechtliche Streitigkeiten  183 „Erhalt und Rückgewinnung der Norma­lität des einzelnen Steuerpflichtigen“  44, 133 Erwerbsaufwendungen  53, 204, 53 „Existenzieller Bereich“  165, 174, 233 Familienrechtliche Verfahren  195, 234 Folgerichtigkeit 39 Freiheitsrechte  122, 134, 135, 170, 172 Freispruch  64, 65, 66, 210, 212, 213, 217, 234 Freiwilligkeitsthese  104, 181 Freizügigkeit  143, 144, 146, 147 Gefährdung der Existenzgrundlage  78, 84, 165 Geldstrafe  64, 205, 206, 207, 218 Gemischte Aufwendungen  35, 54 Gerichtsgebühren  110, 128, 213 Gleichheit der Besteuerung  27, 28, 36, 117, 118, 232, 233 Gleichheitssatz  29, 38, 133, 134, 170 Grundfreibetrag  40, 43, 44, 47, 126, 130, 131, 133, 136 Grundrechte-Charta  146, 147 Günther Jauch  32 „Hartz-IV-Klage“ 227

Sachverzeichnis Insolvenzrechtliche ­Auseinandersetzungen ​ 194 Jahressteuergesetz 2013  72, 73, 74, 78, 139, 155, 162, 231 „Kernbereich menschlichen Lebens“  60, 61, 165, 197, 203, 243 Kommunale Straßenbeiträge  219 Konventionsrechtskonforme Auslegung  101 Kostenrisiko  29, 32, 34, 35, 57, 58, 68, 69, 114, 118, 122, 124, 129, 130, 142, 150, 176, 180, 181, 188, 193, 194, 230, 231, 232 Kostenstelle  29, 110, 126 Leistungs- und Feststellungsverfahren  225 Leistungsfähigkeitsprinzip  27, 37, 38, 45, 132, 134 Leitidee der Richtigkeit  89 Maßregeln der Besserung und Sicherung ​ 208, 209 Max Weber  108 Meinungs-, Presse-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit 192 Nachbargleichheit  28, 29, 116, 117, 118, 141, 232, 235 Nachbarschaftsstreit  116, 135, 184, 185 „Nationalsozialistischer Untergrund“  31 Nebenklage  216, 217 Nichtanwendungserlass  29, 71, 138, 151, 231 Nichtanwendungsgesetz  138, 139, 142, 232 Objektive Theorie  93, 94, 95 Objektiv-teleologische Theorie  94 Objektives Nettoprinzip  39, 40, 42, 53 Optimierungsgebot  122, 125, 126, 128, 129, 232 Preußisches Oberverwaltungsgericht  56 Privatausgaben 53 Privatklage  216, 217, 218 Prozesskostenhilfe  30, 33, 34, 70, 118, 124, 126, 127, 128, 132, 133, 134, 149, 232 Rechtsanwendungsgleichheit  91, 117

259

Rechtsverfolgungskosten  28, 29, 32, 34, 35, 52, 53, 54, 56, 58, 60, 62, 64, 66, 68, 70, 72, 74, 76, 77, 131, 134, 136, 144, 146, 168, 175, 230, 232 Rechtssicherheit  75, 92 Rechtsstaatsprinzip  69, 107, 108, 109, 140 Rechtstaatliche Infrastrukturkosten  30 Reichsfinanzhof 56 Rückwirkungsanordnung 76 Sami A.  31 Scheidungskosten  62, 64, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 84, 143, 144, 154, 155, 156, 157, 158, 161, 162, 163, 198, 200, 201, 202, 203, 231, 234 Scheidungsrate 79 Scheidungsverbund  63, 64 Schuldunfähigkeit  208, 209 Sicherung des Existenzminimums  43, 44, 172, 229 Sozialhilferechtlicher Mindestbedarf  130, 136 Sozialhilferechtlicher Nachranggrundsatz ​ 132, 232 Staatliches Gewaltmonopol  70, 76, 107, 109, 112, 113, 114, 115, 116, 118, 142, 231 Steuergerechtigkeit  27, 115 Steuerstaatlichkeit 37 Strafbefehlsverfahren 209 Strafprozess  65, 203 Strafvorbehalt 208 Streitigkeiten im Asylverfahren  226 Studienplatzklage 225 Stufenbau der Rechtsordnung  100 Subjektive Rechte  51 Subjektive Theorie  92, 94 Subjektives Nettoprinzip  40, 41, 42, 43, 45, 46, 69, 132, 134, 135, 136, 142, 170, 171, 232, 233 Überschusseinkünfte 53 Unbestimmte Rechtsbegriffe  84, 105, 106, 140, 233 Unionsrecht  101, 103, 119, 143, 144 Unionsrechtskonforme Auslegung  101 Unmittelbare und unvermeidbare Scheidungskosten 201 Unrechtsbegehung 206

260

Sachverzeichnis

Verfassungsbeschwerde  31, 60, 61, 84, 218, 222, 223, 224, 235 Verfassungskonforme Auslegung  100, 101, 154 Vergleich  83, 156, 164, 170, 172, 178, 180, 233 Verhältnismäßigkeit  120, 122, 125, 126, 132 Vermögenslosigkeit des Gegners  180, 181 Versammlungsauflösung 220 Verwaltungsstreitverfahren 67 Werbungskosten 27, 34, 39, 45, 47, 53, 54, 68, 85, 166, 190, 226

Wille des Gesetzes  93 Wille des Rechtanwenders  93 Wirtschaftliche Betrachtungsweise  99 Wohnungsdurchsuchung 220 Zahlen für einen Dritten  215 Zumutbare Belastung  45, 50 Zwangsläufigkeit  41, 48, 49, 57, 58, 59, 60, 62, 63, 65, 66, 67, 68, 71, 72, 75, 79, 82, 107, 114, 115, 116, 118, 139, 151, 158, 159, 160, 161, 172, 177, 180, 181, 187, 200, 201, 206, 209, 215 Zwangsverbund  63, 64, 201, 202, 203, 234