Rechtsgutachten erstattet zum Process des Grafen H. v. Arnim [Reprint 2019 ed.] 9783486723021, 9783486723014


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German Pages 156 [160] Year 1875

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Table of contents :
VORWORT
INHALT
I. Rechtsgutachten des Hofraths, Prof. Dr. Wahlberg, d. Z. Rector der Universität in Wien
II. Rechtsgutachten des Prof. Dr. A. Merkel in Stras sburg
III. Rechtsgutachten des Prof. F. v. Holtzendorff in München
IV. Rechtsgutachten des Mr. G. Rolin-Jaequemyns , Sécrétaire de l'Institut de droit international, avocat à la Cour d'Appel de Garni
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Rechtsgutachten erstattet zum Process des Grafen H. v. Arnim [Reprint 2019 ed.]
 9783486723021, 9783486723014

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RECHTSGUTACHTEN zum Process des

GRAFEN H. VON AKNIM.

RECHTSGUTACHTEN KKSTATTKT Zl.'M l'UOCESS Ii KS

GRAFEN H. v ARNIM VON Prof. Dr. W A H L B E R G , Prof. Dr. M E R K E L , Prof. Dr. v. H O L T Z E N D O R F F und Adv. R O L I N - J A E y U E X I V X S . HERAUSGEGEBEN

VON F R A N Z v. H O I . T Z E X D O R 1 T .

MÜNCH KN. DHUCK

CSD

VKlil.At:

VHS It.

1875.

Ot.DESBOUKU.

V O R W O R T .

D , c Gutachten, welche ich hiermit der Oeffentlichkeit übergebe, sind in der Reihenfolge gedruckt worden, welche der Zeit ihres Eintreffens in München entspricht. Sie sind völlig unabhängig von einander, ohne irgend einen vorangegangenen Meinungsaustausch unter den Verfassern, entstanden. Graf A r n i m , welcher mich im vergangenen Märzmonat zum Zweck einer Unterredung hierseihst aufsuchte, war zu der von mir früher ausgesprochenen Ueberzeugung gelangt, dass eine nochmalige mündliche Yertheidigung von meiner Seite in zweiter Instanz e n t b e h r l i c h sei. Neben zwei so ausgezeichneten Yertheidigern, als welche die Herren Mu 11 e k e l und D 0 c k h or n sich erwiesen, hatte mein Auftreten in der ersten Instanz ohnehin nur die Bedeutung, die Uebereinstimmung eines Rechtslehrers mit den Ansichten jener beiden Herren festzustellen. Um irrigen Muthmassuijgen, die an mein Fernbleiben von der zweiten Instanz geknüpft werden konnten, wirk-

6 sam zu begegnen, schlug ich dagegen dem Grafen Arnim vor, m i c h zu ermächtigen, die Rechtsansicht einiger ausgezeichneter Juristen einzuholen und meine eigenen Ausführungen gegen das Erkenntniss erster Instanz lediglich im Sinne eines Nachtrages zu meiner Vertheidigungsrede hinzuzufügen. Ein solcher Nachtrag ist dadurch gerechtfertigt, dass in einer von der Anklage völlig abweichenden Weise der Richter erster Instanz einen Thatbestand construirt hatte, w e l c h e r in d i e s e r A u f f a s s u n g g a r n i c h t G e g e n stand der juristischen D e b a t t e gewesen w a r und a u f w e i c h e n die Y e r t h e i digung deswegen auch nicht vorber e i t e t sein konnte. Was das Gutachten des Herrn R o l i n J a e q u e m y ns in Gent anbelangt, so schien es mir höchst wichtig, weil die Anwendbarkeit des französischen Criminalrechts im vorliegenden Rechtsfall von der Staatsanwaltschaft mit so grosser Zuversicht behauptet worden war und Herr Rolin persönlich eine Stellung einnimmt, welche jeden Verdacht politischer oder juristischer Parteilichkeit vollkommen auschliesst. München, :!0. April 1875. FRANZ

VON

HOLTZKKDORVK.

INHALT.

Seite

I. Rechtsgutachten Wahlberg,

des

Hofraths, Prof.

Dr.

d. Z. Rector der Universität

in Wien

9

II. Rechtsgutachten des Prof. Dr. A. M e r k e l in Stras sburg

23

III. Rechtsgutachten des Prof. F. v. H o l t z e n d o r f f in München IV. Rechtsgutachten

83 des

Mr.

G.

R o1in -

J a e q u e m y n s , Sécrétaire de l'Institut de droit international, avocat à la Cour d'Appel de Garni

119

I. RECHTSGUTACHTEN (U'S

Hofrath Prof. Dr. WAHLBERG, d. Z. R e c t o r der Universität in W i e n .

Dem

Grafen H a r r y

von Arnim wird zur L a s t

gelegt, diplomatische S c h r i f t s t ü c k e ,

welche sich zur

amtlichen A u f b e w a h r u n g an einem dazu bestimmten Orte

befanden

oder

welche

einem

Gesandschafts-

Heamten amtlich übergeben worden sind, vorsätzlich bei Seite geschafft und sieh d a d u r c h des Vergehens nach §.

IL-St, : G.-B. schuldig gemacht zu haben.

Diese Anschuldigung sich

meines E r a c h t e n s

des Grafen

nach Massgabe

Arnim

lässt

des Reichs-

strafgesetzes nicht zureichend b e g r ü n d e n .

Die dem

Angeklagten zur L a s t liegende Handlungsweise stellt sich

als

eine unbefugte Z u r ü c k b e h a l t u n g in

auf gewisse L'orrespondenzstücke d a r . lich

als

ein

werden kann.

Bezug

welche ledig-

D i s c i p l i n a r v e r g e h e 11

benrtheilt

12

Hofrath Prof. Walilberg.

BEGRÜNDUNG. Das

Reiehsstrafrecht

s e i t e s c liaf f ung

einer

unterscheidet Urkunde

im

die

Bei-

Gegensatze

zur Vernichtung oder Beschädigung in den §§. 133. 348 von der U n t e r d r ü c k u n g

einer Urkunde im

§. 274, Z. 1. Schon der gemeine Sprachgebrauch unterscheidet : hei Seite schaffen. u n t e r d r ü c k e n , beseitigen,

entfernen, verlegen,

ohne Heimlichkeit,

bei Seite

legen,

entziehen mit oder

vorenthalten,

verheimlichen,

zu-

rückbehalten mit und ohne Ableugnung des Besitzes. Die Rechtssprache in dem Code pénal 173,

in

den Strafgesetzbüchern für Braunschweig 132, Oesterreich 201, a. u. a. in. unterscheidet die Handlungsweise des Thäters, welcher: „détruit, supprimé soustrait,

ou

détourné les a c t e s "



die

Vernichtung

oder die Unterdrückung zum Nachtheile eines Andern. Diese Unterscheidungen

des Sprachgeistes

be-

deuten auch in dem deutschen Strafgesetzbuche in— dividualisirende Bestimmungen des Rechtsgeistes Strafsachen,

zumal es

kann,

Beiseiteschaffung

nicht

dass

durchwegs

Reichsstrafrecht

keinem

identische diese

Zweifel und

Unterdrückung

Begriffe sind

Ausdrücke

in

unterliegen

mit

und

das

speeifischer

Bestimmtheit gebraucht, im §. 169 das Wort Unter-

13

Hofrath Prof. Wahlberg.

drückung

hinsichtlich

eines

Personenstandes,

§. 274, Z. 1. als j e d w e d e E n t z i e h u n g

im

eines b e r e c h -

tigten G e b r a u c h e s o d e r einer berechtigten K e n n t n i s s von einer U r k u n d e , schaffung als eine

im §. 1 3 7 , bestimmte

das W o r t BeiseiteEntziehung

gewisser

Sachen. D e r Angeklagte hat nun die in F r a g e s t e h e n d e n G e s a n d s c h a f t s p a p i e r e Nr. 1 zwar mit sich genommen und sodann auf V e r l a n g e n unweigerlich zurückgegeben, ohne

diese

im Sinne

des Strafgesetzes

Seite geschafft o d e r u n t e r d r ü c k t die

sog. P e r s o n a l -

oder

dolos

zu h a b e n ;

bei

ferner

Conflictspapiere Nr. 2

an

sich genommen, d a s n a c h f o r s c h e n d e auswärtige A m t ü b e r den Besitz derselben lassen

und

geständlich

denselben

nicht in Unkenntniss ge-

nicht

abgeleugnet,

in eigener Verwahrung

vielmehr

zurückbehalten,

endlich die verlegten vcrmissten P a p i e r e Nr. 3 soweit diese aufgefunden w u r d e n , herausgegeben. Abgesehen von dem anderweitig klar gestellten Umstände, dass die geheimen diplomatischen

Corre-

spondenzstückc den rechtlichen Voraussetzungen einer U r k u n d e im Sinne des von

dem Mangel

an

133 nicht entsprechen und einer k l a r

erkennbaren

Ver-

bindlichkeit der preussischen R e g i s t r a t u r o r d n u n e f ü r den deutschen B o t s c h a f t e r ,

wird zugegeben

werden

müssen, dass die eigenartige mit einer discretionilren

14

Hofrath Prof. Wahlberg.

Macht b e k l e i d e t e Stellung eines B o t s c h a f t e r s und die gebotenen auf

a u s s e r o r d e n t l i c h e n Rücksichten

die "Wahrung

des

diplomatischen

in Bezug

Geheimnisses

im Unterschiede von den allgemeinen Grundsätzen über das A m t s g e h e i m n i s d e r B e a m t e n ü b e r h a u p t , eine individualisirende

Beurtheilung

d e r dem

Angeklagten

zur Last gelegten Handlungsweise unabweisbar

vor-

zeichnen. Von diesem im vorliegenden Falle gebotenen Gesichtspunkte

aus,

f r a g t es sich

wie die Sache sich objectiv verhalte,

hier nicht blos, sondern auch,

wie dieser in oxceptionellen persönlichen Beziehungen zum Hofe und zu dem R e i c h s k a n z l e r in einer überaus heiklen

und

wichtigen Mission stehende Angeklagte

dieselbe angesehen t ü m l i c h e Stellung

h a b e und durch seine eigen-

wie

durch

die besonderen Um-

stände des F a l l e s a n z u s e h e n

veranlasst

war.

U n b e s t r i t t e n ist f e r n e r der Grundsatz, dass die ihrer

äussern

Erscheinung

widrige H a n d l u n g n i c h t zugerechnet Zeit

der

bestimmt

werden

ein Vergehen

vor

strafgesetznach §. Ki.'i

könne,

Begehung worden

nach

als Vergehen

ist,

durch der

wenn

der

einen ihn

Thäter

Irrthum in

der

zur dazu

Handlung

d e m Strafgesetze nicht erkennen

Hess. D e r Angeklagte k ö n n t e hiernach nur dann nach §. 133 R.-St.-G. für schuldig erklärt w e r d e n ,

wenn

15

Hofrath Prof. Wahlberg.

er die fraglichen P a p i e r e , vorausgesetzt,

d a s s diese

U r k u n d e n im Sinne des Strafgesetzes b e d e u t e n ,

wo-

fern sie sich zur amtlichen A u f b e w a h r u n g an e i n ein dazu bestimmten Orte b e f u n d e n h a b e n ,

oder einem

B e a m t e n amtlich übergeben worden sind,

vorsätz-

l i c h bei Seite geschafft h a t t e . Diese wesentlichen T h a t b e s t a n d s m o i n e n t e treffen im vorliegenden F a l l e n i c h t Der

g. 133

schaffung einer stigen

setzt

zusammen.

voraus

die

clolose

amtlichen U r k u n d e

Gegenstandes,

welcher

Beiseite-

oder eines son-

sich

zur

amtlichen

A u f b e w a h r u n g an e i n e m dazu bestimmten O r t e befindet,

im U n t e r s c h i e d e

selben U r k u n d e n , sie

sich

an

von a n d e r e n o d e r den-

nach den §§. 2 7 4 ,

einem

348,

insofern

a n d e r e n O r t e befinden.

Die

bestimmte ö r t l i c h e Z u g e h ö r i g k e i t

d e r fraglichen

U r k u n d e n ist ein Tliatbestandsmoment

nach §. 133,

j e d o c h ist nicht von d e m amtlichen A u f b e w a h r u n g s orte, sondern von e i n e m zur amtlichen A u f b e w a h r u n g bestimmten Orte die R e d e . W e r wird nun ernstlich bestreiten wollen, sowol

der Reichskanzler

als

auch

der Botschafter

in besonderen Füllen berechtigt w ä r e , dass gewisse geheime C'orrespondenzen

zu

verfügen,

nicht in üb-

licher Weise registrirt, vielmehr a b g e s o n d e r t w a h r t werden,

dass

nicht im A r c h i v s c h r a n k e ,

ver-

vielmehr

16

Hufrath Prof. Wahlberg.

anderswo

in

der Wohnung

eines Dritten u. s. w. ?

E b e n s o wenig kann in A b r e d e gestellt werden, dass es Correspondenzen geben k ö n n e , welche selbst vor dem P e r s o n a l e d e r Botschaftskanzlei geheim gehalten werden dürfen,

z. B. wenn es sich um rein persön-

liche B e m e r k u n g e n

handelt,

oder

der

Landesfürst

persönlich engagirt erscheint, oder die ä u s s e r s t e Geheimhaltung,

ja

unter

Umständen

die

Verbergung

oder Beiseiteschaffung ad hoc angemessen ist. W e n n nach U m s t a n d e n E t w a s b e s o n d e r s

ver-

w a h r t werden soll, so ist es nicht zur gewöhnlichen amtlichen Verwahrung a n v e r t r a u t , der F a l l , sich an

so kann dem

und

ist letzteres

das fragliche S c h r i f t s t ü c k ,

zur amtlichen A u f b e w a h r u n g

gewöhn-

lich bestimmten Ort nicht befunden hat, auch a u s d i e s e m bei Seite geschafft werden. kann

das S c h r i f t s t ü c k auch aus einem

das

nicht

Allerdings

ungewöhn-

l i c h e n A u f b e w a h r u n g s o r t e so gut bei Seite geschafft, wie

an

dem

gewöhnlichen A u f b e w a h r u n g s o r t e

ver-

steckt werden. W a r die Wohnung, d e r Privatsclirank, der Handkoffer des Gesandten,

der

von

ihm aus-

namsweise für angezeigt e r a c h t e t e besondere A u f b e wahrungsort,

so ist wohl möglicherweise

in dieser

A r t d e r Verwahrung eine f a h r l ä s s i g e o d e r

unbe-

f u g t e Ansichnalnne o d e r Z u r ü c k b e h a l t u n g ,

keines-

wegs a b e r eine v o r s a t z l i c h e Beiseiteschaffung o d e r

17

Hofrath Prof. Wahlberg.

dolose Entziehung mit der Absicht der Verheimlichung und rechtswidrigen

Zueignung,

ohne Weiteres

be-

gründet. Würde der §. 133 das Erforderniss einer blos u n b e f u g t e n Beiseiteschafl'ung, etwa wie der neueste österr. St.-G.-Entw. aufstellen, dann allein könnte in Bezug auf gewisse Gesandtschaftspapiere eine nach dieser Gesetzesstelle strafbare Beiseiteschaffung angenommen werden:

das R.-St.-G.-B. fordert jedoch

zum Thatbestande aus guten Gründen eine v o r s ä t z liche, bewusst rechtswidrige Beiseiteschaff u n g und

schliesst

von diesem

sowol die blos

fahrlässige oder nur unbefugte Beiseiteschatfung a u s , selbst dann, wenn der Angeklagte die ihrer äusseren Erscheinung Anwendung

nach der

strafbare Beiseiteschafl'ung gehörigen

hätte vermeiden können.

Sorgfalt

und

bei

Umsicht

Da auf das Vergehen nach

133 der B e g r i f f d e r C u l p a sowenig a n w e n d b a r ist, wie der einer blos u n b e f u g t e n W e g n a h m e oder Zurückbelialtung,

so kommt hierbei Alles

auf die E r f o r s c h u n g d e r W i l l e n s r i c h t u n g des Angeklagten an,

insoweit diese in s e i n e r

lungsweise

strafgesetzwidriger Form

an

den

Nun ist meines Erachtens

das

ge-

Tag gelegt ist.

in

Hand-

setzliche Erforderniss des Dolus im vorliegenden Falle nicht

bewiesen.

Kechtsgutaehten z. Proc. il. Gral. Arnim.

2

18

H o f r a t h Prof. W a h l b e r g .

Die

im §. 1 3 3

bezeichnete Handlung

der Absicht begangen werden, die M ö g l i c h k e i t oder

sonstigen

dem

muss

in

Berechtigten

einer ordnungsmässigen Benützung

Verfügung

hinsichtlich

übergebenen Akten oder Urkunden,

der

zu

amtlich

entziehen.

W o l l t e d e r A n g e k l a g t e die b e t r e f f e n d e n P a p i e r e durch Ansichnahme derselben dienstbar machen?

und

nur

seinem

der Staatsregierung

Interesse

unerreichbar

Leugnete er deren Besitz a b ?

Versteckte

e r die P a p i e r e , ü b e r d e r e n V o r h a n d e n s e i n u n d I n n e habung kein Geheininiss gebreitet w u r d e ? auf die Correspoiidenz ,

die

In

Bezug

d e r Angeklagte als In-

h a b e r , w e n n d a n n a u c h i r r i g e r w e i s e f ü r sein E i g e n t h u m ansah ,

kann

von e i n e r A b s i c h t

Beiseiteschaffung sein.

oder

rechtswidrigen die

Rede

kann

bona

und die Unwahrscheinlichkeit

der-

Die A n s i c h n a h m e

fide e r f o l g t sein,

der

Zueignung

nicht

der Papiere

s e l b e n ist n i c h t e r w i e s e n ; u n t e r d i e s e r V o r a u s s e t z u n g k a n n auch die U n t e r l a s s u n g wahrung derselben

nicht,

einer amtlichen Ver-

ohne Weiteres

als

dolos

b e u r t h e i l t w e r d e n . In k e i n e m F a l l e g e h t e s a n , von eine

einem

dolose

Beiseiteschaff'ung

solcher Vorgang würde s u m t i o doli h i n a u s l a u f e n . sehen,

dass

hier

o r d 11 u 11 g s w i d r i g e 11 G e b r a u c Ii e auf

eine

Auch

zu

schliessen.

verwerfliche ist

in d e n V e r h a n d l u n g e n

nicht

zu

keineswegs

auf Ein

praeüberun-

19

Hofrath Prof. W u h l b e r ? .

zweifelhaft

ein Nachweis

ob und wie

lange

sich

darüber

geliefert

wurde,

d e r Angeklagte die Hinter-

legung d e r betreffenden P a p i e r e offen halten konnte, abgesehen von j e n e n P a p i e r e n ,

hinsichtlich

welcher

die glaubhaft irrige Meinung, d a s s diese seine Privata k t e n seien, den T h a t b e s t a n d nach §. 133 ausschliesst. Selbst wenn eine Ableugnung des Besitzes d e r fraglichen vorläge, bestand

Papiere könnte des

im

oder

eine

unbefugte

diese H a n d l u n g

Ansichnahme

nicht

den

That-

§. 133 b e s t i m m t e n Vergehens

be-

gründen, denn die vorsatzliche Beiseiteschaft'ung inuss die W i r k u n g bezwecken, dass die b e t r e f f e n d e n Akten d a d u r c h f ü r den Berechtigten u n e r r e i c h b a r oder unzugänglich w e r d e n ;

im

vorliegenden Falle ist

eben

n i c h t e r w i e s e n , dass die Absicht des Angeklagten hierauf gerichtet gewesen sei. logisches Meisterstück,

W a h r l i c h ist es kein

die vorhergegangene Absicht

d e r Iieiseiteschaffung durch

die n a c h f o l g e n d e Wei-

gerung d e r Zurückstellung begründen zu wollen; mehr als ein I n d i c i u i n kann diese nicht herstellen, in keinem Falle ein T h a t h e

S t a n d s m o m e n t

In d e r ganzen Handlungsweise welche

vom

Standpunkte

c o r r e c t und fahrlässig

nach §. 133.

dos Angeklagten

des Disciplinarreclits

genannt

werden kann ,

inlilsst

sich kein z u r e i c h e n d e r G r u n d f ü r die A n n a h m e einer bewussten Rechtswidrigkeit des Zueignungsaktes, o d e r

20

Hofrath Prof. Wahlberi;.

für eine auf Vereitlung d e r amtlichen W i e d e r e r l a n g u n g d e r privatim

v e r w a h r t e n P a p i e r e b e r e c h n e t e Machi-

nation feststellen. Die H i n t e r g e d a n k e n ,

mit

welchen

der

klagte etwa von

seinem

brauch m a c h t e ,

m a c h e n diesen G e b r a u c h ,

Ange-

vermeintlichen R e c h t e Geso ord-

nungswidrig dieser auch e r s c h e i n t ,

noch

vorsätzlichen Beiseiteschaffung.

k a n n eben eine

Es

zu

rechtswidrige Heiseiteschaffung v o r l i e g e n , absichtigt

gewesen

zu

sein.

Was

die

keiner

ohne

be-

verniissten

Papiere, die zum Tlieil spater vorgelegt w u r d e n , betrifft, so kann von diesen mit R ü c k s i c h t auf die erweislich u n t e r l a u f e n e Unordnung in d e r A u f b e w a h r u n g und Einpackung d e r P a p i e r e nicht b e h a u p t e t werden, dnss die noch nicht a u f g e f u n d e n e n sich im G e w a h r sam des Angeklagten befinden. Die Beiseitesclnift'img der P a p i e r e , dem Bewusstsein

welche von

der Widerrechtlichkeit

hebung der amtlichen A u f b e w a h r u n g n i c h t gewesen ist,

k ö n n t e selbst d u r c h einen

der

Auf-

begleitet

nachträglich

hinzugekommenen Dolus nicht zu einer

„vorsätzlichen

Beiseiteschaffung" qualificirt w e r d e n .

Auf

gehen

nach

§. i:i:i

ist

d e r Begriff

d a s Ver-

des dolus sub-

sequens nicht a n w e n d b a r . Der Angeklagte bei Seite

ohne

legte

dolus.

Als

die b e t r e f f e n d e n P a p i e r e er

diese

zurückstellen

21

H o f r a t h Prof. W a h l b o r » .

liess, fehlte d e r dolus; angenommen e r h a b e die Absicht g e h a b t ,

die

ohne

Papiere unbefugt

dolus a n sich genommenen

zu seiner R e c h t f e r t i g u n g

oder

zu

welchem E n d z w e c k e immer, einige Zeit zu behalten, — so wird man nicht ernstlich bezweifeln, dieser

unbefugten

Zurückstellung „ohne

Unterlassung

ein

der

vorsätzliches

rechtzeitigen

Behalten

dolose Beiseiteschafiung'' vorläge.

fiele P a p i e r e an sich n i m m t , bei Seite,

dass in jedoch

W e r bona

schafft dieselben nicht

v e r w a h r t nur was er f ü r sein hält.

Wer

sich irrigerweise f ü r berechtigt hält, gewisse geheime Correspondenzen an sich zu n e h m e n , d e r k a n n wohl U n b e d a c h t s a m k e i t , Mangel an Einsicht d e r juristischen B e d e u t u n g eines solchcn V e r h a l t e n s , fertigkeit zur L a s t gelegt w e r d e n : absichtlichen betreffenden Anniassung

widerrechtlichen Correspondenzen, des

selbst Leicht-

aber

von

Verfügung von

Eigentumsrechts

über

einer über

von einer vorsätzlichen Verheimlichung,

einer die

dolosen dieselben,

Beseitigung

o d e r U n t e r d r ü c k u n g kann, — ohne praesunitio doli, k a u m die Rede sein. H i e r n a c h fehlt d e r erforderliche Beweis d e r vorsätzlichen Beiseitescliaflung im Sinne des §. 13.'! und eine Verurtheilung des Grafen v. Arnim nach Massgabe dieses P a r a g r a p h e n des R.-St.-G.-B. ist meines E r a c h t e n s juristisch unhaltbar.

22

Hofrath Prof. W a l i l b c r g .

Immer wird die Strafrechtspflege an der Forderung der Gerechtigkeit festhalten müssen, dass das Gericht den Angeklagten freisprechen müsse, nicht genügend

starke

und

überzeugende

wenn

Beweis-

gründe für die Annahme der Schuld desselben vorliegen.

II. RECHTSGUTACHTEN des

Professor Dr. A. MERKEL in

S i r a s s b u r g.

yEREHRTEF^

pOLLEQE!

Sie wünschen von mir eine

Meinungsäusserung

ü b e r die Anwendbarkeit der §§. 348, al. 2, 350, 133 u n s e r e s Strafgesetzbuchs in d e r Anklagesache wider den G r a f e n H a r r y von Arnim, unter Zugrundelegung des

Urtheils der ersten Instanz.

Folgenden,

indem

ich

Ich gebe sie im

den §. 348 al. 2 ,

welcher

im Sinne d e r Anklage hier die meiste B e d e u t u n g in Ans|iruch n i m m t , zum Ausgang nehme.

I. Das

Gericht

Paragraphen bei Seite

348 al. 2. erster

Instanz

erachtet

für u n a n w e n d b a r , weil den

geschafften Schriftstücken

vorausgesetzte Urkundenqualität

die

fehle.

diesen angeblich

in Unter

jenem „Ur-

26

Prof. Dr. A. Merkel in S t r a g s b u r ^ .

kundeir' §. 267

begreife §. 348 al. 2 nichts A n d e r e s und

sei

überhaupt

der B e s e i t i g u n g verstanden schung nämlich

als

hier

Gegenstände,

dem

dem

wie

Es

dort

nichts

Thatbestande

solchen.

verstehe

unter Urkunden:

FälGesotz

„leblose

Thatsachen

E i n e solche

mung a b e r habe die innere Corresponden/ dem Reichskanzler

Andres

der das

welche zum Beweise von

oder R e c h t e n bestimmt sind.*'

als

Thatbestande

von D o c u m e n t e n

bei

von

bei

und den auswärtigen

Bestimzwischen

^Missionen,

welche den Gegenstand des behaupteten Delicts bilden. nicht. Dagegen ist die Anklage, wie es scheint, in

allen

hervorgehobenen

g e g e n t e i l i g e n Ansicht

Beziehungen

von

einer

ausgegangen.

Irgend ein Umstand nun, welcher zu d e r A n n a h m e nöthigte oder dieselbe gestattete, dass mit dem W o r t e ..Urkunde" in den Bestimmungen

über

Urkunden-

f ä l s c h u n g (S. 2(>7 ff.) ein a n d r e r Begriff verbunden sei, als in den Bestimmungen über U n t e r d r ü c k u n g (S- 274)

oder

Urkunden, Umstand

Beiseiteschaffung

existirt von

nicht.

Niemanden

Auch

(S. :!4H) i>t

bezeichnet

ein

von

solcher

worden.

Für

die g e g e n t e i l i g e Ansicht ist entscheidend d e r nahe Zusammenhang, diese bracht

beiden hat.

in

welchen

das

Verbrechensformen In

dem

zunächst

Strafgesetzbuch zu

hier

einander in

ge-

Betracht

Prof. Dr. A. M e r k e l in

27

Straßßbnrg.

k o m m e n d e n §. 348 finden sich dieselben unmittelbar z u s a m m e n g e f a s s t und mit d e r nämlichen S t r a f d r o h u n g verbunden. 355.

Aelinliches gilt von

In §. 2 7 4 reiht

den §§. 3 4 9 . 351,

sich eine Vorschrift ü b e r die

U n t e r d r ü c k u n g von U r k u n d e n , V o r s c h r i f t e n ü b e r die F ä l s c h u n g von solchen u n t e r dem nämlichen Titel an. In dem 2. Absatz dieses P a r a g r a p h e n

werden

Fäl-

schung und U n t e r d r ü c k u n g in Bezug auf Grenzzeichen (einen den U r k u n d e n in

demselben

nächstverwandten

Thatbestande

Gegenstand)

zusammengefasst

etc.

Ganz ebenso u n h a l t b a r würde die Ansicht sein, dass im 2S. Abschnitte ein a n d r e r Urkundenbegriff vorausgesetzt w e r d e , behandelt

in

wie in dem 23. Abschnitte.

Betreff d e r U r k u n d e n

die

Jener

nämlichen

I)elictsformen wie dieser, indem dabei nur die Voraussetzung aufgestellt wird, dass die Begebung d e r T h a t zugleich die Verletzung einer Amtspflicht, begründe. E s gilt h i e r hinsichtlich

der Fälschung

und

Unter-

d r ü c k u n g von Urkunden nichts A n d r e s wie hinsichtlich

der

Körperverletzung.

rechtlichen Xöthigung etc.

Unterschlagung,

wider-

Die A n n a h m e , dass das

Object dieser Delicte dem 2S. Abschnitte gegenüber a n d e r s zu bestimmen sei. als in Bezug auf den 23., 17.. I S . . Ii). Abschnitt, obgleich dasselbe dort

mit,

den

nämlichen

Worten

hier

bezeichnet

wäre in keinem Sinne zu v e r a n t w o r t e n .

und wird,

28

Prof. Dr. A. Merkel iu Strassbnrg.

Die Anklage hat

sich zu Gunsten d e r Ansicht,

d a s s in §. 348 al. 2 ein weiterer Urkundenbegriff vorausgesetzt werde als in §. 267 f., ein

weiterer

Be-

griff insbesondere als er in meinen A u s f ü h r u n g e n zu den letzteren §§. (im H a n d b u c h e III S. 788 ff.) sich aufgestellt findet, auf die offiziellen Motive, sowie auf die B e m e r k u n g e n des S t a a t s a n w a l t e s Meves zu §. 348 al. 2 b e r u f e n . Allein dieser Berufung d ü r f t e ein

Missver-

ständniss zu G r u n d liegen. Die Motive enthalten an der fraglichen Stelle n u r die Bemerkung, dass

348 al. -J

sich auf Urkunden überhaupt, nicht blos auf Urkunden einer bestimmten Art beziehe. Sie b e r ü h r e n also nur die F r a g e , in welchem Umfange Urkunden einen Gegenstand dieser besonderen Bestimmung bilden.

Diese

I-'rage und die s p e d e l l o r e , ob §. 348 die

Urkunden

in gleichem U m f a n g e berücksichtige wie

2(57, wird

in d e r Folge ihre Erledigung es zunächst, zu c o n s t a t i r e n ,

finden.

Hier interes>ii t

dass die a n d e r e Frage,

was u n t e r U r k u n d e n überhaupt im Sinne des gesetzbuches

oder

was d a r u n t e r

Abschnitts zu verstehen

sei,

Straf-

im Sinne des 2'.i.

in den Motiven

nicht

e r ö r t e r t , sowie dass eine verschiedene Bedeutung des W o r t e s „ U r k u n d e " an verschiedenen Stellen des Gesetzes von ihnen nicht b e h a u p t e t wird.

Das Gleiche

gilt von Meves.

Die hauptsächlichste Differenz zwi-

schen

mir besteht

ihm

und

darin,

dass

ich

den

29

Prof- Dr. A. Merkel in S t r a s a b u r g .

allgemeinen

einheitlichen

Hegriff

der

U r k u n d e n zu

bestimmen v e r s u c h t habe, w ä h r e n d dies von ihm nicht geschehen ist. tlium,

wenn

Begriff u n t e r und

Die sie

Anklage

meine

war

demnach

Ausführungen über

B e r u f u n g auf Cleves

beziehungsweise

im I r r -

aus

dem

diesen

und die

Grunde

Motive

unberück-

sichtigt lassen zu können glaubte, weil dieselben sich auf den Urkundenbegriff des 23. Abschnitts o d e r d e s 207 f.

bezögen

und

nicht auf §. 348.

Es

ist

dies ganz so, als wenn sie bei §. 350 die allgemeine Entwicklung Grunde gegeben

des

Unterschlagungsbegriffs

ignoriren ist

und

Unterschlagungen

wollte,

weil

dieselbe

beziehungsweise, in

einem

weil

andren

aus

dem

zu § 24t> dieser

Umfange

§. zum

G e g e n s t ä n d e luit als der für sie m a s s g e b e n d e §. 350. Sonach ist d a s richterliche E r k e n n t n i s s zunächst mit d e r A n n a h m e im

Rechte,

begriff in §. 348 f. kein a n d r e r

dass d e r

Urkunden-

sei als in §. 207 u. f.

E i n e a n d e r e F r a g e i s t , ob dieser Begriff selbst in dem Sie

Erkenntniss

haben

bestehenden

in I h r e r

richtig

bestimmt

worden

Verteidigungsrede

Schwierigkeiten

vorgehoben , Schwierigkeiten, in den offiziellen Motiven

liier

wahrheitsgemüss

her-

deren

in A b r e d e

Vorhandensein gestellt,

gleich a b e r unwillkürlich und in auffallender bestätigt

wird.

sei.

die

zu-

Weise

L e i d e r habeil die R e d a k t o r e n

der

Prof. Dr. Merkel in Stiíisslmrtí.

30 schlagenden liche

Paragraphen

Rechenschaft

sich

gegeben

hierüber keine und

durch

deut-

ihr

wenig

k o r r e k t e s V e r f a h r e n die A u s s i c h t , d a s s d e r von ihnen irrthümlich im "Wege

als

..festgestellt"

angenommene

der Interpretation

jemals

dahin

Begriff gelangen

w e r d e , ein für die R e c h t s p r e c h u n g „ f e s t g e s t e l l t e r " sein,

aufs

dürfte

Aeusserste

es g e l i n g e n ,

beschränkt.

für

die

von

Immerhin

mir

zu

aber

gegebene

und

von d e r V e r t e i d i g u n g a n g e r u f e n e B e g r i f f s b e s t i m m u n g unwiderlegbare Argumente Sehen

wir

zunächst

beizubringen. von

dem

Strafgesetzbuch

a b , um den a l l g e m e i n s t e n B e g r i f f , w e l c h e r halb

des

R e c Ii t s g e I i i e t e s

,.Urkunde"

verbindet,

„Beurkunden" Thatsachen

stand,

in

Form

zugleich

bestimmte,

eines Zeugnisses

die

für

oder

seine

schliessen

Bestimmung

er:

Existenz

auf

l.lsst hat,

auf

diese

hinzuweisen.

Das letztere Merkmal es

auf

hat d i e s e E i g e n s c h a f t , wenn seine

Thatsachen

obgleich

Bezug

hat.

bestimmte Thatsachen 2 . und

"Worte

herstellen.

w e l c h e r die E i g e n s c h a f t

Derselbe

ausser-

dem

ist ein k ö r p e r l i c h e r , l e b l o s e r G e g e n -

bestimmte Thatsachen

1. d u r c h

mit

festzustellen.

heisst:

ein Z e u g n i s s

„Urkunde"

sich

von M e h r e r e n ,

ist

durchaus

wesentlich,

w e l c h e die F r a g e

nicht

31

Prof. Dr. A. M e r k e l i» Strassburg.

ernstlich

untersucht

haben,

übersehen

wir irgend einen Gegenstand nicht als

wird.

Wie

ein Zeugniss

bezeichnen können, wenn ihm nicht von irgend einem Willen

die

Bestimmung

gegeben

Beweismittel zu dienen, so hat Urkunden

mit

Bezug auf

worden

ist,

als

es keinen S i n n , von

Gegenstände

zu

reden,

welche faktisch f ü r die Existenz beliebiger Tliatsachen beweisend

sind,

ohne

jedoch zu solchem

Beweise

bestimmt zu sein. D e n n d i e s e f a k t i s c h e B e w e i s erhebliclikeit

besitzt

jeder

J e d e s Ding gibt den Beweis

für

Gegenstand.

seine E n t s t e h u n g s -

g r ü n d e und — Bedingungen an die H a n d ,

lässt auf

Tliatsachen, und zwar in weiter A u s d e h n u n g schliessen. Wollten wir d a h e r gestellten

von dem zweiten

Merkmale

abstrahiren,

d e r oben aufso

würde

der

Begriff d e r U r k u n d e mit dem Begriff des Dings, beziehungsweisse. mit dem des körperlichen, leblosen Gegenstandes, z u s a m m e n f a l l e n .

Allerdings kann eine j e d e

Sache die Bedeutung einer U r k u n d e in dem angegebenen Sinne erlangen, da eine j e d e die Bestimmung erhalten

kann,

als

Beweismittel

oder

Zeugniss

in

Bezug auf das Vorhandensein i h r e r Existenzbedingungen zu dienen. forscher

In dieser Weise

zahllose

Objekte

zu

haben

die

Urkunden

Naturerhoben.

E b e n s o auf a n d r e m Gebiete die Historiker. So ist da* alte T e s t a m e n t als älteste „ U r k u n d e " des Menschen-

32

Prof. Dr. A. Merkel in S t r a s s b u r g .

geschlechts bezeichnet worden mit Rücksicht auf die Bestimmung, welche die F o r s c h u n g ihm gegeben hat, ein

Zeugnis?

abzugeben

Menschengeschlechts.

Der

für

uralte

Zustände

des

aufgestellte Begriff ura-

fasst sonach ein unermessliches Gebiet, von welchem keine Sache schlechthin ausgeschlossen ist, es sei denn das lebende Thier, ein Gebiet, dessen jeweilige Grenzen zugleich von N i e m a n d e n bestimmt werden können. Ob dieser allgemeinste Urkundenbegriff identisch sei mit dem t e c h n i s c h e n ,

welcher innerhall) u n s e r e s

S t r a f r e c h t s einen G e g e n s t a n d

besonderer

Schutzbe-

stinnnungen bezeichnet 'i Ich bestreite dies und glaube den

Gegenbeweis

führen

zu

können.

Es

besteht

hier aber eine Verschiedenheit zweifellos nur in dem Sinne, dass dieser technische Begriff mit den bereits besprochenen M e r k m a l e n a n d e r e verbindet, und sich also zu jenem allgemeineren Begriffe wie die Species zum Genus verhält.

D a h e r dort, wo j e n e allgemeinen

M e r k m a l e nicht vorliegen, nach

den

speciellen

kein Anlass gegeben ist

Merkmalen

der

U r k u n d e n im

Sinne des Kechtslebens zu f r a g e n . Das vorliegende E r k e n n t n i s s nun identificirt den entwickelten allgemeinsten Urkundenbegriff mit

dem

t e c h n i s c h - j u r i s t i s c h e n (indem es Gegenstände, welche zum Beweise von T h a t s a e h e n

bestimmt sind, allge-

mein h i e r h e r z i e h t ) , kömmt aber gleichwohl zu einem

33

P r o f . Dr. A. Merkel in S t r a s b u r g .

für den Angeklagten günstigen Resultate.

Es

findet

dass die Correspondenz zwischen dem Reichskanzler und der Botschaft nicht die Bestimmung gehabt habe, zum Beweise

von Thatsachen zu dienen, dass es

also an dem

zweiten der

oben bestimmten allge-

meinsten Merkmale des UrkundenbegrifFs fehle. Dieser Ansicht lassen sich indessen Bedenken entgegensetzen.

Zwar kann es nicht in Betracht

dass jene Schriften nachträglich Sinne die hier in Frage angenommen

haben,

kommen,

in mannigfachem

stehende

indem ihnen

Urkundenqualität die Bestimmung

gegeben worden ist, als Beweismittel in dem schwebenden Processe zu dienen, vor Europa Zeugniss zu geben

für die Politik

des deutschen

Reichs

etc.

Aber es lässt sich behaupten, dass die Erlasse von Anfang bestimmt gewesen seien, die Intentionen des Reichskanzlers in Bezug auf die von der Botschaft zu beobachtende Haltung zu beurkunden, die Berichte dagegen.

auf

die

Anschauungen

des

Gesandten

schliessen zu lassen. In diesem Sinne hat jede Schrift die Bestimmung, beurkunden.

Gedanken

des

Schreibenden

zu

Auch das Schreibheft des Schulknahen

ist in diesem Sinne (in Bezug auf die Vorstellungen, Kenntnisse etc. des Knaben) eine Urkunde.

Nicht

minder ein beliebiges Kleidungsstück, welches u. A. die Bestimmung h a t , das Geschick R c c h t s g u t a r l i t e n 2- P r o c . (1. G r a f . A r n i m .

des Schneiders 3

34

Prof- Dr. A- Merkel in Strassburf*.

von dem

es h e r r ü h r t ,

zu b e u r k u n d e n .

In

diesem

Sinne würden alle F a b r i k e r z e u g n i s s e , insofern sie die Leistungsfähigkeit und Verdienste einer betreffenden Fabrik

dem

Publikum

kauflustigen

gegenüber

zu

bezeugen bestimmt sind, als U r k u n d e n zu betrachten sein.

J e d e P r o b e , welche ein K a u f m a n n

ist, U r k u n d e

in

diesem

von G e g e n s t ä n d e n , stellung Zeugniss

Sinne.

versendet,

Alle die Millionen

welche jüngst auf d e r geben

sollten

für

die

WeltausVerdienste

i h r e r U r h e b e r , fallen unter den aufgestellten Hegriff. Die Objekte der N a t u r - und sind

bereits

hervorgehoben

Geschichtswissenschaft worden.

Der

in I h r e r

Vertheidigungsrede erwähnte Knochen eines Sauriers ist

unzweifelhaft

eine

Urkunde

im

Sinne

der

im

richterlichen E r k e n n t n i s gegebenen Definition. Aber es ist vollkommen gewiss,

dass der auf-

gestellte Begriff nicht zusammenfallt mit demjenigen, welchen

das

Strafgesetzbuch mit

kunde 1 , verbindet.

dem Worte

tung der einschlagenden Bestimmungen inuss überzeugen,

dass

,.Ur-

Ein lilick auf Inhalt und Bedeusie

sich

nicht

auf

davon

Gegenstände

beziehen, welche, u n t e r diesem o d e r j e n e m Gesichtsp u n k t e b e t r a c h t e t , mit Rücksicht auf die ihnen

von

irgend einer Seite in einer gewissen Beziehung gegeb e n e Bestimmung

als U r k u n d e n

bezeichnet

werden

k ö n n e n , sondern lediglich auf G e g e n s t ä n d e , welchen

35

P r o f . Dr. A. Merkel in S t m s s b u r ^ .

diese E i g e n s c h a f t in einem c h a r a k t e r i s t i s c h e n und f ü r den S t a n d p u n k t

einer juristischen

tung wesentlich und allgemein zukömmt.

Sinne

Betrach-

Ich m a c h e

im Einzelnen hiefür geltend: 1. den wörtlichen Inhalt d e r §§., in welchen von U r k u n d e n gehandelt wird. Den letzteren finden sich m e h r f a c h Gegenstünde zur Seite gestellt, auf welche j e n e r allgemeinere Begriff ohne weiteres als anwendb a r e r s c h e i n t , deren

selbständige A u f f ü h r u n g d a h e r

keinen Sinn hatte, wenn das Gesetz mit dem W o r t e „ U r k u n d e " diesen weiteren Begriff

verbände.

ist d e r Fall in den §§. 9 2 , 1 („Festungsiiläne solche U r k u n d e n ,

Actenstücke

Dies oder

oder Nachrichten' - ),

133 („eine U r k u n d e , ein Register, Acten

o d e r " . .),

271

oder

(in öffentlichen

Urkunden,

Büchern

g i s t e r n " ) , "274 („einen Grenzstein oder zur Bezeichnung

einer Grenze

standes bestimmtes Merkmal"),

Re-

ein

anderes

oder eines

Wasser-

34H („falsch

beur-

kundet o d e r in öffentliche Register oder B ü c h e r falsch eintragt").

Die betreffenden Bestimmungen ergeben

zugleich, was sich auch im betont

findet,

durch

allein,

richterlichen

Erkenntniss

dass beliebige S c h r i f t s t ü c k e nicht dass

sie

einen

amtlichen

da-

Charakter

haben, zu U r k u n d e n im Sinne des Gesetzes werden. — Ks finden

sich

ferner

besondere

Bestimmungen

über Gegenstande, welche zu den U r k u n d e n in j e n e m 3*

36

Prof. D r . A. McrU'-l in Strassbllri*.

weiteren Sinne gehören, vom Gesetze aber

gleich-

wohl nicht zu den Urkunden gerechnet werden. Hierher gehört §. 287 (Fälschung gewisser Waarenzeichen), :-554 (Unterdrückung von Briefen), 345 (Unterdrückung und Fälschung von Depeschen).

Auf blosse redak-

tionelle Nachlässigkeiten Hesse sich dies Alles offenbar nicht zurückführen.

Dagegen ist letzteres aller-

dings der Fall bezüglich welchen

ein

weiterer

zu liegen scheint.

derjenigen

Bestimmungen,

Urkundenbegriff zu

Grunde

Hierher gehört §. 299, insofern

darin von verschlossenen Briefen oder „ a n d e r n " verschlossenen Urkunden gehandelt wird.

Dass wir es

liier nur mit einer inkorrekten Ausdrucksweise zu tlmn h a b e n , das lassen u. A. die Motive zu diesem Paragraphen erkennen, indem sie einfach von Briefen „ o d e r " Urkunden reden.

Ebenso ist es bedeutungs-

los, wenn §. 92, 2 von „Urkunden o d e r Beweismitteln'' handelt.

Dass Urkunden im Sinne des Gesetzes Be-

weismittel seien, das gibt u. A. der Satz selbst, in welchem diese Worte stehen, an die Hand. — Hierherzuziehen ist ferner die Eintheilung der Urkunden in öffentliche und Privaturkunden, indem

dieselbe,

richtig verstanden (siehe unten), nur zu dem engeren Begriffe passt, der hier als der gesetzliche erwiesen werden soll.

2. Der aufgestellte weitere Begriff ist

juristisch unbrauchbar.

Der ihm entsprechenden Ur-

37

Prof. Dr. A. Merkel in Strassburg.

kundenqualität

fehlt im Allgemeinen die

Erkennbarkeit.

objektive

Ob z. B. irgend einer Sache diese

Qualität durch die geschichtliche oder

naturwissen-

schaftliche Forschung verliehen worden ist, das zeigt der Gegenstand selbst uns im Allgemeinen nicht an. Diese

Qualität kann

ferner für einen

Gegenstand

heute bestehen und morgen nicht bestehen, oder heute unter diesem, morgen unter jenem Gesichtspunkte bestehen, ohne dass ein solcher Wechsel an ihm selbst hervortreten würde. Zugleich verleiht ihm diese Qualität an sich kein irgend wie bestimmbares juristisches Interesse. sind

3. Die Merkmale jenes weiteren Begriffs

strafrechtlich indifferent.

Die allgemeinen Be-

stimmungen zum Schutze des öffentlichen und privaten Eigenthums Merkmale

bedürfen mit

keiner Ergänzung.

Rücksicht auf diese So genügt

es, wenn

auf die böswillige Vernichtung von Waaren stimmungen

gebracht werden. handen.

die Be-

über Sachbeschädigung zur Anwendung Es ist kein Bcdiirfniss dafür vor-

dass die Tliat

noch unter dem Gesichts-

punkte einer Unterdrückung von Urkunden

(Beur-

kundung der Verdienste des Urhebers und des Verkäufers der Waare) zur Bestrafung gezogen werden könne.

Ebenso ist die Fälschung

von Waaren zur

Genüge berücksichtigt in den Bestimmungen über Betrug und beziehungsweise gemeingefährliche Waaren-

38

P r o f . D r . A. M e r k e l in

fälschung.

Strassburg.

E s wäre unnütz und

verkehrt,

daneben

den Gesichtspunkt einer Urkundenfälschung zur Geltung bringen zu wollen. der

Allerdings

alteren Gesetzgebung

finden

und Doktrin

sich

im

von den Fälschungen Begriffsbestimmungen, auf eine g e g e n t e i l i g e Ansicht hinzuweisen Man e r k a n n t e den Sachen in

in

Kapitel welche

scheinen.

ihrer Eigenschaft als

„objektive

Erkenntnissgründe",

Urkunden

in dem

also

hier fraglichen

gleichsam

weiteren

einen b e s o n d e r e n strafgesetzlichen Schutz zu. h e r ist z. B. die Bestimmung d e s

als

Sinne, Hier-

würtembergischen

S t r a f g e s e t z b u c h e s über die Verfertigung u n ä c h t e r und die Verfälschung ä c h t e r Sachen zu ziehen.

E s wird

von ihm indessen nur S t r a f e gedroht für den d a s s die F ä l s c h u n g ist.

gegen f r e m d e R e c h t e

Fall,

gerichtet

Auch so aber entsprach die Bestimmung keinem

strafrechtlichen Bedürfnisse, d a h e r man in d e r Folge sie und

ihres

schied.

Hervorzuheben

Gleichen

aus den Strafgesetzen ausist,

dass

man

, , U r k u n d e " in diesem Z u s a m m e n h a n g e wendet hat.

das niemals

4. D e r dogmatische, sowie d e r

rische Z u s a m m e n h a n g

d e r in B e t r a c h t

Wort verhisto-

kommenden

Gesetzesbestimmungen stellt es ausser Zweifel, d a s s als Gegenstand

dersellien

nicht U r k u n d e n in jenem

vagen und weitgreifenden Sinne zu verstehen N a c h diesem

Zusammenhange

stellen

seien.

sich die Vor-

39

P r o f . Dr. A. Merkel in Straßabm-ff.

Schriften ü b e r U n t e r d r ü c k u n g von U r k u n d e n als eine Ergänzung zu den V o r s c h r i f t e n solchen d a r . mit

den

sein.

ü b e r F ä l s c h u n g von

Die Urkundenfälschungen aber

übrigen

Fälschungsverbrechen

wollen

verglichen

Alle diese erscheinen in i h r e r dermaligen dog-

matischen G e s t a l t u n g als selbständig gewordene Sprossen eines im W e s e n t l i c h e n einheitlichen historischen (iebildes. I h r e gemeinsamen c h a r a k t e r i s t i s c h e n M e r k male sind von m i r im H a n d b u c h (III. S. 785) und im Kechtslexion (2. A u f l a g e I. S. 367) bestimmt worden. Demnach Kredits

ist (der

ihnen

gemeinsam

die Verletzung des

B e w e i s k r a f t ) gewisser

Beglaubigungs-

formen ( U r k u n d e , E i d . gerichtliches Zeugniss, F o r m des G e l d e s , G r e n z z e i c h e n .

gewisse

Waarenzeichen,

M a a s s und Gewicht, öffentliche Zeugnisse, P o s t - und S t e m p e l m a r k e n etc.) sachen. in

f ü r rechtlich

relevante

That-

Diese C h a r a k t e r i s t i k findet ihre Begründung

d e r Dogmengeschichte, in d e r

neueren Entwick-

lung d e r Theorie d e r F ä l s c h u n g s v e r b r e c h e n und in d e r Behandlung,

welche

die dazu gehörigen

d e r geltenden Gesetzgebung des I n finden. baren

Delicte in

und Auslandes

Vergleiche h i e r ü b e r meine L e h r e vom strafB e t r ü g e Seite 15 ff., 4») ff. Vergleiche

auch

Gessler im G e r i c h t s s a a l e 1802 Seite 133 ff., 140 ff. Mit

dieser

allgemeinen

Charakterisirung

des

G e g e n s t a n d e s d e r F ä l s c h u n g s v e r b r e c h e n sind wir zu-

Prof. Dr. A. Merkel in Stiassburg:.

40

glcicli d e r F r a g e n ä h e r g e t r e t e n , suchte

technische

Begriff d e r

wie denn der ge-

Urkunden

sich

be-

stimme und welche M e r k m a l e zu den f r ü h e r bereits bestimmten h i n z u t r e t e n müssen, erfüllt erscheine.

damit derselbe

als

J e n e f r ü h e r b e s p r o c h e n e n Gegen-

stände ( G e g e n s t ä n d e , welche die Bestimmung haben, zum Beweise von T h a t s a c h e n zu d i e n e n ) ,

sind Ur-

k u n d e n im Sinne des Strafgesetzbuches

nur

wenn sie 1. auf r e c h t l i c h e r h e b l i c h e

Thatsachen

dann,

Bezug haben und 2. zu den i m R e c Iit sl c b e n eipirten

P>e g l a u b i g u n g s m i t 11 e 1 n

für

resolche

T h a t s a c h e n gehören. Zu diesem Resultate hat im Bisherigen ein mehr negatives B e w e i s v e r f a h r e n : die Abweisung derjenigen Begriffe, welche dem soeben bestimmten von Anderen entgegengesetzt worden sind, g e f ü h r t .

Im Folgenden

soll in d e r Kürze eine positive Begründung versucht werden. Ad 1. Fälschung

Die besonderen Liestimmungen ü b e r die und

die

Unterdrückung

von

finden ihre B e g r ü n d u n g , worauf b e r e i t s

Urkunden hingewiesen

w u r d e , nicht in dem Saehwcrth d e r U r k u n d e n , sond e r n lediglich in d e r B e d e u t u n g ,

welche

denselben

als a n e r k a n n t e n Beglaubigungsmitteln im rechtlichen V e r k e h r e zukömmt. betreffende

Diese

Gegenstände

Eigenschaft a b e r

nur

insofern

als

haben sie

auf

41

Prof. Dr. A. Merkel in $tr&6sbtirer.

rechtlich erhebliche Thatsaehen Bezug haben.

Nur

insofern weisen sie ferner auf ein rechtliches

Inte-

resse hin, welches besondere rechtfertigt.

Diesen

Schutzbestimmungen

Zusammenhang

bestätigt denn

auch der spezielle Inhalt der §§. 267 ff. und 348. In jenen finden sich neben der Urkunde andere Beglaubigungsmittel verschiedener

Art

berücksichtigt,

bei welchen sämmtlich die Beziehung

auf rechtlich

erhebliche Thatsaehen auf der Hand liegt. den Grenzzeichen, welche in §. 274 den

So bei Urkunden

zur Seite gestellt sind, bei den Marken und

Stem-

peln von welchen §. 275 und 276 handeln, bei den Zeugnissen, auf welche die §§. 277 ff. Bezug haben. Hinsichtlich der Urkunden selbst ist die Vergleichung der verschiedenen sie zum Gegenstande Bestimmungen

instruktiv.

Ausfüllung eines ßlanketts halte."

nehmenden

§. 269 handelt mit

von der

„urkundlichem

In-

Dass darunter nur ein rechtlich erheblicher

Inhalt zu verstehen sei, wird nicht gesagt, selbstverständlich

vorausgesetzt.

aber als Den Be-

weis hiefür gibt die ausdrückliche Gleichsetzung des Falls mit den Fällen des §. 267. sichtspunkte nur

der

intellektuellen

die Beglaubigung rechtlich

saehen

Unter dem Fälschung

Ge-

kömmt

erheblicher

That-

in Betracht (§. 171, 348) . . . Nach §. 267

wird der Urkundenbegriff unsres Gesetzes

erschöpft

42

Prof- Dr. A. Merkel in Snassburg.

durch die Eintheilung d e r und private.

Urkunden

Der U n t e r s c h i e d

trifft die A r t , wie ihre B e w e i s k r a f t sowie

in

zwischen sich

die Tragweite d e r l e t z t e r e n .

Im

öffentliche ihnen

be-

begründet, einen

Fall

begründet sich dieselbe in d e m A c t e einer mit öffentlichem

Glauben

versehenen

dem rechtlich relevanten person.

Von einem

P e r s o n , im a n d e r e n in

Willensacte

solchen

Acte ist

einer

Privat-

aber

n u r in

Bezug auf rechtlich erhebliche Verhältnisse zu reden. Die ganze Alternative (öffentliche oder P r i v a t u r k u n d e n ) hat dabei' nur einen Sinn innerhalb

der

Peri-

pherie des hier vertretenen engeren Urkuiidcnbegriffs. D a s System d e r auf U r k u n d e n bezüglichen stimmungen

ist im W e s e n t l i c h e n

a u s dem

Be-

preussi-

schen Strafgesetzbuch ü b e r n o m m e n worden. Im letzt e r e n war dasselbe Urkundenhegriff

auf einen

gegründet.

im §. ¿47

Dieser

Hegriff

das hier in F r a g e s t e h e n d e M e r k m a l . ersichtlich, dass die R e d a k t o r e n

deiinirten enthält

Nun ist nicht

des deutschen S t r a f -

gesetzbuches j e n e Definition als eine in diesem Hauptp u n k t e irrige b e t r a c h t e t h ä t t e n . so h ä t t e n sie eine Definition

W ä r e dies d e r Fall,

des

Begriffs nicht

als

eine „ f e s t s t e h e n d e " weglassen können, h ä t t e n sich vielm e h r veranlasst sehen

müssen,

ihrer

abweichenden

A n s c h a u u n g einen unzweideutigen A u s d r u c k zu geben. Hinsichtlich

des

verhältnissmässig

untergeordneten

43

Prof. Dr- A. Merkel in Strassbnrg.

Punktes, ob unter Urkunden nur Schriftstücke zu verstehen seien, haben sie nicht verfehlt, dies wenigstens in den Motiven zu thun.

Hinsichtlich der

Frage der rechtlichen Erheblichkeit wäre ein reres gefordert gewesen.

Meh-

Denn je nachdem dieselbe

.als ein allgemeines Merkmal der Urkunden betrachtet wird, oder nicht, ist jenes System von Bestimmungen als auf einer verschiedenen stehend zu betrachten.

prinzipiellen Grundlage

Zugleich

würde durch

die

Beseitigung jenes Merkmals mehreren dieser Bestimmungen (z. B. dem §. 348 des deutschen im Vergleich mit dem §. 323 des preussischen Strafgesetzbuches)

ein

sehr

viel

gegeben worden sein.

weiteres

Anwendungsgebiet

Es kann wohl mit Zuversicht

behauptet werden, dass die Redaktoren hieran nicht gedacht haben.

Es soll jedoch mit diesem Hinweis

auf die Meinung der Autoren des Gesetzes nicht gesagt sein, dass derselben dem Zusammenhange gesetzlichen

Bestimmungen

selbst

gegenüber

der eine

wesentliche Bedeutung zukomme. Mehr Gewicht als dieser Meinung ist aber wohl dem Umstände messen , dass

beizu-

der im preussischen Strafgesetzbuch

aufgestellte Urkundenbegriff in dem berührten P u n k t e nicht als ein nur jenem eigentümlicher oder als ein für einen gegebenen Zweck singulär bestimmter zu betrachten ist.

Denn derselbe begegnet uns in der

44

Prof. Dr. A. Merkel in Strassburfj.

G e s e t z g e b u n g und Doktrin

häufig als d e r mit

W o r t e „ U r k u n d e " naturgemäss

verbundene.

dem

So im

b a y e r i s c h e n S t r a f g e s e t z b u c h im A r t . 317. Auch d a s ältere

bayerisQhe

Strafgesetzbuch

hatte

denselben,

wie die im A r t . 266 gegebene Exemplifikation erkennen l ä s s t ,

vorausgesetzt.

( A r t . 317, 2).

Ebenso

das hannövrische

F e r n e r das würtembergische (A. 356

zu vgl. mit A r t . 369

und 419).

Vgl. die offiziellen

Motive zu A r t . 339 des E n t w u r f s zu letzterem. a u c h I l e p p s K o m m e n t a r S. 136, 8. braunschweigisehen ziellen Motive zu

¡S.

Gleiches gilt vom

Strafgesetzbuch.

Vgl. die offi-

131 desselben. Nach Krug hat die

s ä c h s i s c h e P r a x i s stets einen dem

§. 247 des preus-

sischen S t r a f g e s e t z b u c h e s e n t s p r e c h e n d e n Begriff angewendet (Komm. II S. 37). Vgl. auch den Art. 4">6 d e s hessischen Strafgesetzbuches

etc.

In d e r

Vor-

geschichte des preussischen Strafgesetzbuches treten allerdings Man

sehr

verschiedene

Auffassungen

neigte zuerst einer weiteren

griffs zu.

hervor.

F a s s u n g des Be-

Doch ward dabei gelegentlich

anerkannt,

d a s s man im gemeinen L e b e n u n t e r U r k u n d e häufig n u r eine solche Schrift verstelle, die von Hause aus d a z u bestimmt gewesen sei, R e c h t e und Verbindlichkeiten zwischen und die Existenz K o m . S. 473).

bestimmten derselben Vgl. im

Personen

festzustellen

zu beweisen"

Uebrigen

noch

(Beseler, Tittmann,

45

Prof- Dr. A. Merkel in Strasebnrg.

Handbuch des S t r a f r e c h t s III, S. 422, Temnie, Lehre vom strafb. Betrüge, S. 113, Gessler, 1. c. S. 139 (dessen Bemerkungen in der Anm. 37 jedoch der Berichtigung bedürfen), v. Kriiwel im XI S. 448, XX S. 4 3 2 ff., John,

Gerichtssaale

das Strafrecht in

Norddeutschland S. 122, Berner Lehrbuch, 7. Aufl., S. 561, Schütze Lehrbuch, 2. Aufl. S. 484 t \ ,

Bin-

ding, die Normen etc. S. 110 Anm. Ad 2.

E s ist oben ausgeführt wordeil, dass die

factische Beweiserheblichkeit eines Gegenstandes ihn zu dem Begriffe der Urkunde an sich in keine nähere Beziehung bringe, dass dieselbe erst eine Bedeutung gewinne in Verbindung mit dem Umstände, dass der Gegenstand von irgend einer Seite her die Bestimmung erhalten h a t ,

gegebenen Falls

Beweise zu dienen.

wirklich

Im Gebiete des

zum

Rechtslebens

aber kommt auch diese Bestimmung nicht in Betracht, wenn sie nicht in

äusseren Merkmalen

einen und

zwar einen an der Sache selbst hervortretenden Ausdruck gefunden hat.

Auch damit ist indessen das

Wesentliche noch ungenügend bestimmt.

Beliebige,

von dem Einzelnen willkürlich gewählte Zeichen verleihen

der Sache

die Urkundenqualität

nicht.

Es

müssen Zeichen gewählt sein, welchen Gesetz oder Gewohnheit die Bedeutung beigelegt haben, im Verkehre oder im Gerichte Glauben zu wirken.

Dalier

40

Prof. Dr. A. Merkel in S t r a s s b u r g .

Schriften, aucli wenn sie sich auf

rechtlich erheb-

liche T h a t s a c h e n beziehen, Acten z. B . , nicht

ohne

W e i t e r e s als Urkunden zu b e t r a c h t e n sind, wie dies durch die §§. '.t' und 13:5 bestätigt wird.

Um

sieb

h i e r ü b e r zu vergewissern, muss man

die

ratio

der hierhergehörten

Strafgesetze

Dieselbe liegt

etwa

nicht

sich

vergegenwärtigen.

in dem

Umstände,

U r k u n d e n gleich a n d e r e n

Gegenständen

Begehung

oder

eines

Betrugs

Mittel

zur

anderen

Ver-

brechens abgeben k ö n n e n , sondern wie bereits

auf-

geführt worden i s t . welche

ihnen

in d e r

besonderen

als a n e r k a n n t e n

bigungsniitteln zukömmt.

eines

dass

Bedeutung,

rechtlichen

Diese E i g e n s c h a f t aber haf-

tet an bestimmten durch irgend eine Norm neten M e r k m a l e n .

Beglaubezeich-

So z. B. an den M e r k m a l e n bc-

weiskrilftiger l l a n d e l s b ü c h e r .

W e d e r ihre Beziehung

auf rechtlich erhebliche T h a t s a c h e n . noch ihre tische

Beweiserbeblichkeit,

noch

die

fak-

Bestimmung,

welche ihnen der einzelne K a u f m a n n gegebjen, würde genügend

s e i n , um

E i n e wesentliche

sie zu

Urkunden

Voraussetzung

zu stempeln.

h i e f ü r ist vielmehr

das Vorhandensein einer Norm, welche mit den Merkmalen dieser Bücher unter gewissen Voraussetzungen eine Beweiskraft verbindet. — Ist nun die gegebene Begriffsbestimmung unverwerflich , so ergibt

sich

die F r a g e .

welchen

Sinn

Prof. Di - . A . Merkel in

47

Strflsskurg.

es habe, dass im §. 267 des S t r a f g e s e t z b u c h e s von solchen

Privaturkunden

Beweise

von R e c h t e n

Erheblichkeit" sind? führungen werden?

zufolge

die R e d e i s t ,

„welche zum

oder Rechtsverhaltnissen von Muss hierin den

nicht

eine

obigen Aus-

Tautologie

gefunden

E s bietet sich uns bezüglich dieser W o r t e

eine zweifache Möglichkeit, n ä m l i c h : a. anzunehmen, d a s s die W o r t e auf den gerichtlichen Beweis Bezug haben.

D a n a c h würden gewisse

Arten

von

Privat-

u r k u n d e n , welchen zwar im V e r k e h r e die B e d e u t u n g von Beglaubigungsmitteln, nicht a b e r eine gesetzlich begründete Beweiskraft i m P r o c e s s e dem Anwendungsgebiete

zukömmt , a u s

d e r §§. 267 habe ich

und 268 aus-

scheiden.

Diese Ansicht

vertreten.

N a c h ihr würden die erwähnten §§. Ur-

k u n d e n in einein b e s c h r ä n k t e r e n ziehen als die §§. :>4H und :!49. j e d o c h f ü r den sein.

vorliegenden

im

Sinne

Handbuche in

Betracht

Die Differenz würde

Process

bedeutungslos

b. anzunehmen, dass durch die A u f n a h m e eines

Theiles d e r

Definition des §. 247 des

iireussischen

S t r a f g e s e t z b u c h e s nur gewisse Zweifel beseitigt werden sollten, welche das Wort „ U r k u n d e " hinsichtlich des Gegenstandes konnte.

dieser

Danach

§§. vielleicht

würde

der

bestehen

lassen

fragliche Zusatz

nur

eine E r l ä u t e r u n g zu diesem W o r t e enthalten, welche als ein für allemal gegeben zu b e t r a c h t e n wäre und

48

Prof. Dr. A. Merkel in Stiisshortr.

also auch bei der Auslegung des §. 348 al. 2 als massgebend zu behandeln wäre.

Hiefür spricht der

Umstand, dass man an anderen Stellen z. B. in §. 274, wo es keinen Sinn h a t t e , die Urkunden in

einem

weiteren Umfange zu berücksichtigen als im §. 2t>7 den Zusatz weggelassen hat.

Allerdings wäre dies

eine wenig logische Art der Erläuterung. diese Auslegung

ohne Zweifel

Aber sie hat den Vorzug,

etwas

Audi hat Künstliches.

das Ganze der

hierher-

gehörigen Bestimmungen als in sich übereinstimmend erscheinen letztere

zu Lassen.

Annahme

Ob nun im Uebrigen

oder die zuerst

diese

(unter a)

ent-

wickelte den Vorzug verdiene, das an dieser Stelle n.lher zu untersuchen,

ist durch

den Zweck

gegenwärtigen Ausführungen nicht geboten.

der

Genug,

dass den hervorgehobenen Worten ein entscheidender Einwand gegen die im Bisherigen vertretenen sichten nicht entnommen werden kann. Machen wir nun

die Anwendung des Gesagten

auf die vorliegende Anklagesache,

so ergibt sich,

dass §. 348 al. 2 bezüglich ihrer nicht ist, weil der Correspondenz kanzler

anwendbar

zwischen dem

und dem Grafen v. Arnim die in

Paragraphen

An-



vorausgesetzte Urkundenqualität

Reichsdiesem fehlt.

Ihrem amtlichen Charakter kann in dieser Hinsicht eine Bedeutung nicht beigemessen werden, da der-

49

P r o f . Dr. A. Merkel in S t r a s a b u r g .

selbe keines der zuletzt erörterten spezifischen Merkmale der Urkunden in sich schliesst.

Dem Erkennt-

niss der 1. Instanz ist sonach in diesem Punkte beizutreten. Sollten nun aber gleichwohl die in Frage stehenden Schriftstücke als Urkunden betrachtet werden , so würde zu untersuchen sein, ob dem Angeklagten die vermeintliche Urkundenqualität bekannt gewesen sei.

Denn wenn §. 348, wie allgemein und

auch von dem Gerichte erster Instanz mit Grund angenommen wird, Dolus voraussetzt, so gilt dies bezüglich sämmtlicher äusserer Merkmale der That, also auch bezüglich der Urkundenqualität der angeblich bei Seite geschafften Gegenstände.

Dieses Er-

forderniss aber würde eine verschiedene Gestalt annehmen, je nach dem Urkundenbegriff, den der Richter zum Ausgang nähme.

Ich lasse dahin gestellt,

was sich hier in den verschiedenen möglichen Fällen aus dem vorliegenden Beweismateriale für die bezeichnete Frage entnehmen Hesse. Wenden wir uns den anderen Voraussetzungen des §. 448 al. 2 zu. Sache oder

dem

Derselbe fordert, dass die

Beschuldigten

zugänglich"

„amtlich

gewesen sei.

anvertraut

Sie muss sich

also in amtlicher Verwahrung befunden haben und es muss jenem nur eine Einwirkung auf dieselbe auf Keclitsirutnehk-n '

I'roc. it. G r a f . A r n i m .

1

50

Prof. Di. A. Merkel in Strassburg.

Grund seiner amtlichen Befugnisse, nach Massgabe amtlicher Zwecke gestattet gewesen sein. Die Eigenthumsfrage ist hiebei gleichgültig. In Bezug auf dieses Erforderniss werden die verschiedenen Schriftstücken auseinandergehalten.

Serien von

Hinsichtlich der

Serie I (die 13 kirchenpolitischen Actenstücke). sowie hinsichtlich der Serie III (die vermissten 23 Actenstücke) ist das Vorliegen desselben allgemein

aner-

kannt, hinsichtlich der Serie II dagegen (die Conflictsacten, 12 Stücke) bestritten. Das richterliche Erkenntnis* scheidet aus der letzteren Serie drei Erlasse als vorwiegend

discipli-

n ä r e r , daher auf Seiten

privater

des Empfängers

Natur aus, während es bei den übrigen neun dazu gehörigen findet.

Actenstücken

das Erforderniss

gegeben

Ich halte die von ihm geltend gemachten Ge-

sichtspunkte für richtig und durchgreifend, glaube jedoch darauf aufmerksam machen zu sollen, dass die in dem Erkenntnisse sowie die von der Anklage über

diesen

Fassung

Punkt gegebenen Ausführungen

nach zu einem

geben können.

Missverständnisse

ihrer Anlass

Sie rufen nämlich den Schein

her-

vor, als wenn es nach dem Gesetze unmittelbar darauf a n k ä m e , ob die fraglichen Actenstücke seien, oder nicht.

„amtliche''

Das ist aber nach keinem

in Betracht kommenden §§. der Fall. Nach

der

34«, 2

51

P r o f . Dr. A . Merkel in S t r a s s l i u r g .

können beliebige P r i v a t u r k u n d e n , nacli §. 3 5 0 beliebige „ S a c h e n " , nach §. 133 beliebige „ G e g e n s t ä n d e " in B e t r a c h t kommen, u n t e r der Voraussetzung j e d o c h , dass die seien.

Objecte in amtliche V e r w a h r u n g

gegeben

D e r S c h w e r p u n k t der U n t e r s u c h u n g ist dem-

gemäss nicht in die F r a g e zu legen, ob die betreffenden S c h r i f t s t ü c k e an sich, mit Rücksicht auf den A b s e n d e r o d e r mit Rücksicht auf ihren Inhalt, eine Beziehung zum A m t e haben (es könnte dies zu verneinen

und

d e r fragliche Verbrechensbegriff gleichwohl anwendb a r sein und u m g e k e h r t . .), sondern welches ihre Bestimmung pfängers gewesen sei. R i c h t e r * 1. Instanz a n ,

in den

in die F r a g e ,

H ä n d e n des E m -

H i e r nehme ich nun mit dem dass die bloss disciplinaren

E r l a s s e die Bestimmung hatten, von dem E m p f ä n g e r gelesen und beherzigt, nicht .aber, von ihm in liche V e r w a h r u n g genommen oder zum einer

ferneren

Diese, wie ich

Amtstätigkeit

gemacht

glaube, korrektere

F r a g e ist m. E . nicht

amt-

Gegenstände zu

werden.

Forinulirung

völlig bedeutungslos

für

der dio

Beurtheilung des Verhaltens des Angeklagten.

Man

mag sich schwer ü b e r r e d e n

dass

zu der A n n a h m e ,

derselbe die sämmtliclicn Conflictsacten nicht f ü r amtliche S c h r i f t s t ü c k e angesehen habe, w ä h r e n d es sich hinsichtlich eines I r r t h u m s ü b e r die weitere Bestimmung

der

Schriftstücke wesentlich

a n d e r s vorhält.

52

Prof. Dr. A. Merkel in Stiassburg.

Die zuerst erwähnten

Erlasse von

wesentlich

diseiplinärem Charakter sind also von dem Angeklagten als amtlich anvertraut oder zugänglich im Sinne des Gesetzes mit Grund nicht betrachtet

worden.

Hatten sie diese Eigenschaft aber zur Zeit, wo derselbe sie empfing und beziehungsweise mit sich nalnn, nicht, so konnte auch die später an ihn ergangene Weisung, sie herauszugeben, ihnen diese Eigenschaft nicht ex post verleihen.

Ebensowenig wie dies be-

züglich der 4 auf die Beurlaubung, Abberufung und Versetzung des Angeklagten gerichteten Erlasse dadurch geschehen ist, dass sie anfänglich gleichfalls zurückgefordert worden waren.

Die Anklage

scheint,

indem sie diese 4 Erlasse bei Seite lässt, von der>clben Ansicht auszugehen. Die anderen hierhergehürigen Schriftstücke waren als amtlich anvertraut

zu betrachten.

Es

besteht

aber die schon berührte F r a g e , ob der Angeklagte nicht auch von ihnen angenommen habe,

dass sie

für ihn persönlich bestimmt und nicht in amtliche Verwahrung gegeben

seien.

Der Richter

hält die

Annahme nicht für ausgeschlossen, dass es sich so verhalten habe.

Ich trete ihn darin bei, sehe es

jedoch als ausserhalb meiner Aufgabe liegend an, in diese Beweisfrage spezieller einzugehen.

Ging aber

der Angeklagte von jener irrigen Ansicht a u s ,

so

53

Prof. Dr. A. Merkel in Strassburg.

mangelte es ihm in Bezug auf eines der

Elemente

2

Prof. D r . A . Merkel in S t r a s s b n r g .

Paragraphen fallen.

Der Wortlaut desselben dürfte

sich eher für die Verneinung der Frage als für deren Bejahung geltend machen lassen und die

Stellung

desselben spricht bestimmt für die erstere. Die Bejahung der Frage Hesse die Vorstellung entstehen, dass der Gesetzgeber bei der Vertheilung betreffender Materien zwischen dem Abschnitte über die Aintsdelicte und den übrigen Abschnitten nicht dies als entscheidend behandelt habe, ob eine (im Verhältniss zu dem etwaigen sonstigen Verbrechensgehalte bedeutsame) Verletzung von Amtspflichten vorliege oder nicht, sondern diess, ob es sieh bei einem im Amte oder nicht im Amte begangenen Delicto um Urkunden 34iS, 2 — oder um Acten etc. — §. 133 — handle. Aber auch diese Vorstellung würde an dem Umstände zerschellen,

dass Urkunden

sowohl

an

der einen

Stelle wie an der anderen vorkommen und zwar als Gegenstände gleichartiger Delicte.

Der Gesetzgeber

hat daher entweder überhaupt kein Theilungsprinzip festgehalten, oder dasjenige, welches er selbst

aus-

drücklich aufgestellt hat und welches in dem Gegensatze von Amtsdelicten und anderen Delicten gegeben ist.

Allerdings würde sich nach dem letzteren eine

bedauerliche Lücke ergeben. die ihm anvertrauten

Der Beamte, welcher

Acten vorsatzlich

bei

Seite

schafft, würde straflos bleiben, während der minder

63

Prof. Dr. A. Merkel in S t r a s b u r g -

schuldige Dritte wegen einer straft würde.

Das Gericht

solchen Handlung be1. Instanz legt

dieser

Erwägung eine entscheidende Bedeutung bei; es ist ihr jedoch eine solche de lege lata nicht zuzuerkennen. Denn es finden sich in dem Gesetze ohne Zweifel Lücken sowie andre Fehler von gleichem Gewichte. Die Sache bleibt daher zweifelhaft- und es wäre zu wünschen, dass bei Gelegenheit sonstiger Verbesserungen

des

Gesetzes der

Abschnitt

über

Amts-

delicte eine Ausdehnung auf das besprochene Delict erhielte. Der vorliegenden Sache gegenüber lege ich indessen grösseres Gewicht auf die F r a g e , ob die im §. 133 vorausgesetzte H a n d l u n g (Beiseiteschaffung, vorsätzliche Vernichtung oder Beschädigung) dem Angeklagten nachgewiesen sei, und beziehungsweise, ob das Gericht in diesem Punkte überhaupt das Richtige getroffen habe.

Nach der Anklage soll ein „Bei-

seiteschaffen" im Sinne des Paragraphen Das Gericht unterscheidet,

vorliegen.

wie bereits zu §. 348

erwähnt worden ist. die 3 Serien der Schriftstücke. Was die S. III (die „vennissten" Papiere) betrifft, so nimmt es auch hier wie zu §. 350 an, dass die Beweisfrage eine offene geblieben sei, worin ich ihm beitrete.

Bezüglich

der S. II

(,.Conflictspapiere u )

unterscheidet es die Zeit vor und die nach der Zu-

(¡4

Prof-

rückforderung Amtes.

A. Merkel in Stiassburg