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German Pages 208 Year 2021
Kanonistische Studien und Texte Band 73
Rechtsbegründung in multikultureller Gesellschaft Impulse Antonio Rosminis
Von
Oliver Hiltl
Duncker & Humblot · Berlin
OLIVER HILTL
Rechtsbegründung in multikultureller Gesellschaft
Kanonistische Studien und Texte begründet von Dr. A l b e r t M . K o e n i g e r † o.ö. Professor des Kirchenrechts und der Kirchenrechtsgeschichte an der Universität Bonn fortgeführt von Dr. Dr. H e i n r i c h F l a t t e n † o.ö. Professor des Kirchenrechts und der Kirchenrechtsgeschichte an der Universität Bonn sowie von Dr. G e o r g M a y Professor für Kirchenrecht, Kirchenrechtsgeschichte und Staatskirchenrecht an der Universität Mainz und Dr. A n n a E g l e r Akademische Direktorin i. R. am FB 01 Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Mainz herausgegeben von Dr. W i l h e l m R e e s Professor für Kirchenrecht an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck und Dr. C h r i s t o p h O h l y Professor für Kirchenrecht an der Theologischen Fakultät Trier
Band 73 OLIVER HILTL
Rechtsbegründung in multikultureller Gesellschaft
Rechtsbegründung in multikultureller Gesellschaft Impulse Antonio Rosminis
Von
Oliver Hiltl
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Universität Wien hat eine Vorstudie zu dieser Arbeit im Jahr 2010 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: Das Druckteam Berlin Printed in Germany ISSN 0929-0680 ISBN 978-3-428-18039-4 (Print) ISBN 978-3-428-58039-2 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Gewidmet dem Bistum Regensburg
Herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Dr. Christian Stadler, für seine vielen wertvollen Anregungen und Hilfestellungen zur Erstellung und Begleitung der Arbeit und darüber hinaus bis hin zum Verlagshaus, meinem Zweitgutachter Herrn Professor Dr. Richard Potz besonders für die Sensibilisierung auf die kanonistische Dimension hin, seinen Impuls zur Publikation und seine Einleitung in das Werk. Den Verantwortungsträgern meines Bistums Regensburg möchte ich besonders danken für die nachhaltige Förderung zum wissenschaftlichen Zugang, die Unterstützung zur Entstehung dieser Arbeit bis hin zur Realisierung der Drucklegung. Schließlich danke ich Herrn Professor Dr. Christoph Ohly und Herrn Professor Dr. Wilhelm Rees für die freundliche Begleitung und Unterstützung bei der Aufnahme der Arbeit in die KST-Reihe des Verlags Duncker & Humblot. Rom / Regensburg, im Januar am Hochfest der Gottesmutter Maria 2021
Oliver Hiltl
Vorwort Oliver Hiltl setzt sich in seiner nunmehr in erweiterten Form vorliegenden Dissertation in äußerst verdienstvoller Weise mit der Rechtskonzeption des Philosophen und Theologen Antonio Graf Rosmini-Serbati (1797–1855) auseinander, dessen Rezeption vom 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts in vieler Hinsicht charakteristisch für katholische Intellektuelle in dieser Zeit ist. Anfangs als liberaler Denker geschätzt, wurden seine Werke unter Pius IX. und Leo XIII. verurteilt. Dieses Verdikt überdauerte das 2. Vatikanum, ehe Rosmini bemerkenswerter Weise unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. rehabilitiert und selig gesprochen wurde. Rosmini gehörte nicht nur zu den ideellen Wegbereitern des italienischen „Risorgimento“, sondern überhaupt zu den wirkmächtigsten Denkern des katholischen Italien im 19. und 20. Jahrhundert. Seine philosophischen und politischen Ideen gaben entscheidende Impulse für die Aussöhnung von Kirche und italienischem Nationalstaat. Immer wieder wird er als ein Universalgelehrter beschrieben, zu dessen Werken auch eine 1841 bis 1843 verfasste Rechtsphilosophie gehört. 1830 hatte Rosmini seinen ersten philosophischen Traktat – die „Neue Studie über den Ursprung der Ideen“ – verfasst, der 1831 die „Prinzipien der Moralwissen schaften“ (1831) folgten, die ihm die Gegnerschaft der führenden Moraltheologen aus dem Jesuitenorden einbrachten. Seine politischen Aktivitäten waren darauf ausgerichtet, die Bestrebungen des italienischen „Risorgimento“ in Richtung auf die nationale Einheit Italiens in diplomatischer Weise mit den Positionen von Papst Pius IX. zu verbinden, von dem er zunächst als Kardinalstaatssekretär ins Auge gefasst worden war. Dazu entwarf er 1848 in seinen beiden Werken – „Die fünf Wundmale der heiligen Kirche“ und die „Verfassung gemäß sozialer Gerechtigkeit“ – Leitlinien für eine liberal geprägte politische Reform im Kirchenstaat bzw. in Italien. Als die päpstlich-römische Lösung der italienischen Einigungsfrage scheiterte und Papst Pius IX. ins reaktionäre Fahrwasser abdriftete, wurden der liberale Rosmini von Kardinal Antonelli aus der Kurie verdrängt und die beiden genannten Werke 1849 auf den Index gesetzt. Damit waren sowohl die politische als auch die kirchliche Karriere Rosminis beendet. Im Jahre 1854 – ein Jahr vor seinem Tod – bestätigte zwar ein päpstliches Dekret die Rechtgläubigkeit Rosminis und seine guten Absichten, was jedoch seine posthume Verurteilung nicht verhinderte. 1887 wurden auf Grund des Einflusses insbesonders jesuitischer Theologen auf Leo XIII. vierzig Aussagen Rosminis durch das Dekret „Post obitum“ des Heiligen Offiziums verurteilt, da er in seiner Philosophie den neuzeitlichen Irrtümern der idealistischen Philosophie Kants und Hegels gefolgt wäre. Seine Ideen hätten auf diese Weise schädliche Folgen für Theologie, Politik und das Denken im Allgemeinen hervorgebracht.
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Vorwort
Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts kam es in der katholischen Kirche zu einer Neubewertung seines Denkens, die mit einer Reihe von Versuchen verbunden war, ein Seligsprechungsverfahren einzuleiten. Der sechste Versuch führte 1994 zunächst zu einem „Non obstat“ der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungs prozesse. 1997 fand Rosminis Konzept dann in der Enzyklika „Fides et R atio“ Erwähnung, und 2001 wurde schließlich im L’Osservatore Romano eine Notifikation der Glaubenskongregation und ihres damaligen Präfekten Joseph Kardinal Ratzinger veröffentlicht, in der es heißt, dass die Gründe der lehramtlichen, zur Vorsicht mahnenden Besorgnis, die 1887 zu „Post obitum“ geführt hatten, nach eingehender Überprüfung „als überholt zu betrachten“ wären. Am 18. November 2007 fand schließlich die Seligsprechung durch Papst Benedikt XVI. statt. Dass Rosmini inzwischen auch zu den „auctores probati“ für die Begründung des Kirchenrechts gehört, macht eine Ansprache Papst Benedikt XVI. an die Mitglieder des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten deutlich, in der der Papst unter Hinweis auf Rosmini die Person des Christen in der Kirche als das „Wesen des kanonischen Rechts“ bezeichnet. Rosmini weiter zitierend, definierte Benedikt XVI. das Kirchenrecht als „lex libertatis“, das heißt als ein „Gesetz, das uns frei macht, um Christus anzugehören“. Rosmini passte einerseits mit seinem personalistischen Konzept in das anthropologische Konzept Johannes Paul II. und andererseits mit seinem Freiheitsbegriff zur Theologie Benedikt XVI. Es ist daher nicht verwunderlich, dass seine Rehabilitierung in die Pontifikatszeit dieser beiden Päpste fällt. Hiltl entwickelt „fünf Rechtselemente“ des Rechtsbegriffs von Rosmini. Dieser ist bestimmt durch 1. die „Subjektive Aktivität“, 2. die „Personale Aktivität“, begründet in einem intellektuellen Subjekt, das „ein höchstes aktives Prinzip beinhaltet“, 3. den „Handlungswert“, der „eudämonologisch“ durch die spirituelle Natur des Menschen bestimmt ist, 4. die „Handlungserlaubtheit“, das heißt, dass nach Rosmini eine Handlung gegen die Humanität a priori nicht dem Recht zugeordnet werden könne, was im Lichte der thomasischen „Lex aeterna“-Lehre zu sehen ist, 5. die „Rücksichtspflicht“ in dem Sinne, dass auf Grund einer moralischen Verpflichtung die Person als Träger eines Rechts in der Ausübung dieser ihrer Befugnis nicht gestört werden darf. Während die ersten beiden Elemente die aktiv handelnde Person fokussieren, beschreiben die Elemente 3 bis 5 die Kriterien ihres rechtlichen Handelns, wie Hiltl in einer Zusammenfassung herausarbeitet. Das vierte Kapitel „Konzeptionelle Charakteristika für das Recht bei Rosmini“ wendet sich insbesondere den Beschränkungen der facultas agendi zu, welche für seinen Rechtsbegriff konstitutiv sind. Es sind dies die „Beschränkungen des Rechts durch sich selbst“, die „Pflicht“ und die „Koexistenz“. Hier ist vor allem bemerkenswert, dass Rosmini einen Brückenschlag zwischen christlicher Naturrechtstradition und der Differenzierung von Moralität und Legalität im Sinne des deutschen Idealismus dadurch herstellt, indem er die juristische Pflicht in einer durch die Koexistenz der handelnden Personen bedingten moralischen Unbedingtheit begründet sieht. Dabei „sind alle juristischen Pflichten moralische Pflichten,
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Vorwort
die Menschen verpflichten, die Freiheit des anderen zu respektieren, wenn diese Freiheit alle Charakteristika besitzt, um ein Recht zu sein“. Umgekehrt sind aber nicht alle moralischen Pflichten juristische Pflichten, sondern nur die, die eine Berücksichtigung der Handlung einer anderen Person erfordern, womit Rosmini wiederum in einer katholisch-scholastischen Tradition steht. Um diese Anknüpfung zu verdeutlichen, widmet sich das fünfte – zentrale – apitel daher der „Ontologischen Rechtsbegründung“. In drei Unterkapiteln unK tersucht Hiltl die Bedeutung der Ethik, der Personalität und der Metaphysik für das Rechtsverständnis von Rosmini. Rosmini verfolgt eine Moralkonzeption, die im Erkennen ihren Ausgangspunkt nimmt, das unter einem Wahrheitsanspruch steht. Dies bedeutet andererseits, dass – im Sinne einer europäischen philosophischen Tradition, die Pflicht besteht, die Dinge so zu erkennen, wie sie wahrhaftig sind. Hier stellt Rosmini dann eine Verbindung zur „Bedeutung der Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption“ her. Die handelnde Person steht als erkennende und wollende Instanz im Mittelpunkt seiner anthropozentrischen Konzeption. Das Ganze verdichtet sich in der Rechtsträgereigenschaft der Person und ihrer Fähigkeit das Handeln zu beherrschen. Im dritten Unterkapitel, das Hiltl „Metaphysische Voraussetzungen des Rechts“ nennt, beschreibt er Rosminis Versuch, das Verhältnis des Rechts zu seinen überzeitlichen Voraussetzungen zu bestimmen. Hiltl stellt die Frage, welche ontologischen Voraussetzungen Antonio Rosmini seiner Begriffsbestimmung des Rechts zugrunde legt und wie weit bzw. eng er diese ontologischen Voraussetzungen fasst und was dann diese für das Verständnis des Rechtsbegriffs bedeuten. Rosmini rekurriert zwar auf Gott als „höchsten Gesetzgeber“, dieser sei aber nicht mit der höchsten Vernunft identisch. Das vierte Kapitel endet in diesem Sinn mit einer bemerkenswerten Charakterisierung des Rechtsdenkens Rosminis, nämlich dass der christliche Gott zwar nicht als Höchster Gesetzgeber absolut identifiziert, dass aber eine Kompatibilität des christlichen Gottes zur Rechtskonzeption Rosminis gegeben sei. Hiltl betont zu Recht, dass die transzendente und transzendentale Rechtskonzeption Rosminis zwar deren Stärke sei, auch wenn dies einen gewissen Bruch in der Argumentation mit sich bringe. Zum einen wolle Rosmini innerhalb seiner Rechtsphilosophie durchaus transzendentallogisch argumentieren, stelle aber zum anderen die Frage nach einem metaphysischen Fundament des Rechts, das er außerhalb der eigentlichen Rechtswissenschaft als Problem der Theologie und Ontologie identifiziert. Innerhalb der Rechtsphilosophie könne Rosmini die Konstitutiven des Rechts in einem gewissen Sinn problemlos transzendentallogisch benennen. Er bliebe sich aber durchaus bewusst, dass hinter dieser Transzendentallogik seiner Rechtsphilosophie noch ein weiterer Schritt für die Fragen der Ontologie und Theologie zu machen sei. Damit arbeitet Hiltl die Aktualität und Relevanz des gleichsam alle europäischen Traditionsstränge – Idealismus, Rationalismus und Voluntarismus – einbeziehenden Rechtsdenkens Rosminis heraus und liefert zugleich einen Beitrag für das Grundthema schlechthin jeder christlichen Rechtsbegründung. Richard Potz
Inhaltsübersicht
Initium: Gesellschaftliche Umbrüche und Rechtsbegründung
25
A. Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Forschungsbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 C. Fragestellung nach tragfähiger Rechtsbegründung in multikulturellen Gesellschaftsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Erstes Kapitel
Rechtsbegriffs-Definitionsermittlung bei Rosmini
29
A. Untersuchungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 B. Rechtsbegriffssuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 C. Ergebnis: Einheitlicher Rechtsbegriff bei Rosmini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Zweites Kapitel
Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
41
A. Definitorische Grundstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 B. Erstes Rechtselement: Subjekt-Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 C. Zweites Rechtselement: Personale Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 D. Drittes Rechtselement: Handlungswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 E. Viertes Rechtselement: Handlungserlaubtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 F. Fünftes Rechtselement: Rücksichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 G. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Drittes Kapitel
Rosminis Rechtsbegriff im Spiegel konzeptionell bedeutsamer Rechtsbegriffe und Strömungen
79
A. Ulpian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 B. Thomas v. Aquin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 C. Hobbes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
14
Inhaltsübersicht
D. Kant und die Auseinandersetzung Rosminis mit Kants Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . 85 E. Hegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
Viertes Kapitel
Konzeptionelle Charakteristika für das Recht bei Rosmini
96
A. Beschränkungen des Rechts durch die konstitutiven Elemente des Rechts selbst . . . 96 B. Die Bedeutung der Pflicht für Rosminis Rechtskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 C. Die Bedeutung der Koexistenz für Rosminis Rechtskonzeption als Handlungs beschränkung in moralischer und interessenlogischer Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
Fünftes Kapitel
Ontologische Rechtsbegründung
130
A. Die Rolle der Ethik in Rosminis Rechtskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption . . . . . . 139 C. Metaphysische Voraussetzungen des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
Conclusio
187
A. Die multikulturelle Rückbindungseignung der Ethik in Rosminis Rechtskonzeption 188 B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption . . . . . . 190 C. Metaphysische Voraussetzungen des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
Appendix
196
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Entscheidungsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Abkürzungsverweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
Inhaltsverzeichnis Initium: Gesellschaftliche Umbrüche und Rechtsbegründung
25
A. Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Forschungsbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 C. Fragestellung nach tragfähiger Rechtsbegründung in multikulturellen Gesellschaftsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Erstes Kapitel Rechtsbegriffs-Definitionsermittlung bei Rosmini
29
A. Untersuchungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 B. Rechtsbegriffssuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I.
Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
II. Formelle Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Die von Rosmini analysierte zweite Definition im Vergleich . . . . . . . . . . . . 33 2. Moral-Element in formeller Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4. Fakultas-Element in formeller Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 6. Das Element des Handelns in formeller Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 III. Materielle Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Analytische und synthetische Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Fakultas in materieller Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 4. Die moralische Komponente in materieller Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . 37 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 6. Das Element des Handelns in materieller Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . 38 7. Zwischenergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 C. Ergebnis: Einheitlicher Rechtsbegriff bei Rosmini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
16
Inhaltsverzeichnis Zweites Kapitel
Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
41
A. Definitorische Grundstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I.
Fakultas-Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
II. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 III. Die in der Grundstruktur verankerten Elemente des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . 44 B. Erstes Rechtselement: Subjekt-Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 C. Zweites Rechtselement: Personale Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 I.
Auffassung Rosminis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Intelligenz und Wille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Keine physische bloß instinktive Aktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3. Autor und Herr der Handlungen: Mensch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4. Keine Rechtsfähigkeit der Tiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 5. Ratio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 6. Freie Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
II. Position Rosminis in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Der Zusammenhang von Recht und Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Rosminis Persontheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3. Person als höchstes aktives Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Aktives Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 b) Höchstes Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 III. Analyse zum zweiten Rechtselement Rosminis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Person als höchstes aktives Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Anthropologisch, juristisch oder theologisch geprägter Personbegriff in Rosminis Rechtsphilosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Ergebnis: Anthropologischer statt juristischer oder theologischer Person begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 4. Bedeutung des höchsten aktiven Prinzips im Personbegriff für den Rechts begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 5. Konstitutive Personbedeutung trotz generalklausulierter Öffnung im Personbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 D. Drittes Rechtselement: Handlungswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 I.
Auffassung Rosminis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Die Existenz eines Gutes in der Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2. Ausgestaltung des eudämonologischen Elements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3. Einschränkung des eudämonologischen Elements auf Personalität . . . . . . . . 58
II. Position Rosminis in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
Inhaltsverzeichnis
17
III. Analyse zum dritten Rechtselement Rosminis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Ursprung des eudämonologischen Aspekts: Der klassische Eudämoniebegriff im Spiegel der rosminischen Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Rosminis Verortung im antiken Naturrechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3. Inhärenz des Guten in der Aktion und Rechtsanthropozentrik . . . . . . . . . . . 61 4. Abgrenzung zu Kant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5. Abgrenzung zum Utilitarismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 E. Viertes Rechtselement: Handlungserlaubtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 I.
Auffassung Rosminis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
II. Position Rosminis in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 III. Analyse zum vierten Rechtselement Rosminis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. „Germania“ als Beispiel für Handlungserlaubtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Zeiller als Beispiel für Handlungserlaubtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3. Untersuchung der Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 a) Übergeordnetes moralisches Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 b) Auswertung und Einordnung der Position Rosminis . . . . . . . . . . . . . . . . 72 F. Fünftes Rechtselement: Rücksichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 I.
Auffassung Rosminis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
II. Position Rosminis in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 III. Analyse zum fünften Rechtselement Rosminis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 G. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 I.
Erstes Element des Rechts: Subjekt-Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
II. Zweites Element des Rechts: Personale Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 III. Drittes Element: Handlungswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 IV. Viertes Element des Rechts: Handlungserlaubtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 V. Fünftes Element des Rechts: Rücksichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
Drittes Kapitel Rosminis Rechtsbegriff im Spiegel konzeptionell bedeutsamer Rechtsbegriffe und Strömungen
79
A. Ulpian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 I.
Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
II. Erläuterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 III. Vergleichende Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
18
Inhaltsverzeichnis
B. Thomas v. Aquin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 I.
Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
II. Erläuterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 III. Vergleichende Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 C. Hobbes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 I.
Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
II. Erläuterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 III. Vergleichende Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 D. Kant und die Auseinandersetzung Rosminis mit Kants Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . 85 I.
Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
II. Erläuterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 III. Auseinandersetzung Rosminis mit Kant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 1. Moralische Erlaubtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2. Erlaubtheit als principium cognoscendi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3. Universalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 4. Erlaubtheit und Koexistenz können Recht nicht endgültig definieren . . . . . . 88 IV. Vergleichende Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 E. Hegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 I.
Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
II. Erläuterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 III. Vergleichende Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
Viertes Kapitel
Konzeptionelle Charakteristika für das Recht bei Rosmini
96
A. Beschränkungen des Rechts durch die konstitutiven Elemente des Rechts selbst . . . 96 I.
Eine Grenze des Rechts: neminem laedere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
II. Der Umfang der Rücksichtspflicht als Grenze des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 III. Folgen der fünf konstitutiven Elemente des Rechts als Rechtsgrenzen . . . . . . . 98 IV. Analyse der Folgen der fünf konstitutiven Elemente des Rechts als Rechtsgrenzen 98 1. Drei Klassen von ungerechten Ansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Erste Klasse: ein immoderater Freiheitsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Zweite Klasse: ein Anspruch auf die Verwirklichung von Übel . . . . . . . . 100 c) Dritte Klasse: ein Dispensationsanspruch von der Rücksichtspflicht . . . 100
Inhaltsverzeichnis
19
2. Grenzen des Rechts hinsichtlich der konstitutiven Elemente . . . . . . . . . . . . . 100 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 B. Die Bedeutung der Pflicht für Rosminis Rechtskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 I.
Relation zwischen Recht und Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Existentielle Unabhängigkeit der Pflicht vom Recht und Vorrangigkeit der Pflicht vor dem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Aufbau der Darstellung Rosminis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Zwischenergebnis der Untersuchung des Begründungsaufbaus Rosminis 104 2. Korrespondenz von Recht und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Voraussetzung der Bindung durch eine Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Voraussetzung für die Korrespondenz eines Rechts zur Pflicht . . . . . . . . 105 c) Transzendente Öffnung im Zusammenhang von Recht- und Pflichten korrespondenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Filiation des Rechts von der Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Die Herkunft des Rechts aus der Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Pflicht limitiert die persönliche Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 c) Berücksichtigung persönlicher Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 d) Ergebnis für das Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 e) Wirkung der moralischen Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4. Gesamtergebnis: Nachweis der Rechtselemente in der Pflicht . . . . . . . . . . . 110 5. Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
II. Verständnis der juristischen Pflicht bei Rosmini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1. Personale Eigentümlichkeit: Personenverschiedenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 III. Die juristische Pflicht in ihrer Manifestation nach außen als Alteritas-Konzeption 113 1. Verbindung und ggf. Trennung von Moral und Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Analyse von Rosminis Alteritas-Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Maggiores Überprüfung der Alteritas-Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Position Maggiores . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 c) Erläuternder Vergleich der Position Maggiores mit Rosmini . . . . . . . . . . 116 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 e) Formaler Charakter der Alteritas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 g) Auswertung von Maggiores Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3. Ergebnis der Überprüfung der Alteritas-Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
20
Inhaltsverzeichnis
C. Die Bedeutung der Koexistenz für Rosminis Rechtskonzeption als Handlungs beschränkung in moralischer und interessenlogischer Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 I.
Die Verortung der Abhandlung zur möglichen Koexistenz in Rosminis Werk . . 120
II. Koexistenz und Handlungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 1. Interessenwahrung statt moralisches Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Grund der Handlungsbeschränkung: Moralische Gesetzgebung statt bloße Koexistenzermöglichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 3. Die Bedeutung eines allen gleichen Freiheitsmaßes in Rosminis Rechts konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 4. Subsidiäre Bedeutung des quantitativen Maßes der Handlungsbeschränkung für die Koexistenz in Rosminis Rechtskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 5. Auswertung der Argumentation Rosminis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 III. Konzept Rosminis: Eigentümlichkeitsprinzip statt Konstruktion der notwendigen Koexistenz als Prinzip für die Bestimmung des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 I.
Beschränkungen des Rechts durch die konstitutiven Elemente des Rechts selbst 127
II. Die Bedeutung der Pflicht für Rosminis Rechtskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . 128 III. Die Bedeutung der Koexistenz für Rosminis Rechtskonzeption . . . . . . . . . . . . . 128
Fünftes Kapitel
Ontologische Rechtsbegründung
130
A. Die Rolle der Ethik in Rosminis Rechtskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 I.
Entwicklungs- und Bedeutungszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
II. Die Verortung und Einteilung des Systems der Moral bei Rosmini . . . . . . . . . . 131 III. Das Prinzip der Moral bei Rosmini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. Unterscheidung des Erkennens vom Würdigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Das Moralprinzip – ein Wahlprinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Die Wahrheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 IV. Bedeutung der Freiheit in der Ethik für das Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption . . . . . . 139 I.
Zusammenhang Recht und Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 1. Analyse und Umfang des rechtskonstitutiven Personbegriffs: Intellekt, Wille oder Ratio? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
Inhaltsverzeichnis
21
a) Zwischenergebnis: Intelligenz in Form des Willens . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 b) Ratio neben Intelligenz und Wille? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 c) Ergebnis: Intelligenz in Form von Wille und Ratio . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Personalität als Abgrenzungskriterium des Rechtsträgerschaftskreises . . . . 143 a) Abgrenzung zum Sensualismus in Rosminis Personalitätsauffassung . . . 144 b) Abgrenzung zum Voluntarismus in Rosminis Personalitätsauffassung . . 145 3. Spannung der Problematik des Personalitätskriteriums Rosminis . . . . . . . . . 146 a) Die anthropozentrische Argumentation Rosminis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 c) Inhaltliche Anknüpfung der anthropologischen Argumentation Rosminis an Kant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 d) Ergebnis: Kants Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 e) Abgrenzung zu Kant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 f) Diskursfähigkeit hinsichtlich biozentrischer und holistischer Ansätze . . 152 g) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 4. Konsequenz für die Bedeutung des Personbegriffs für die Rechtsphilosophie Rosminis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Bedeutung des Willens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Bedeutung der freien Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 5. Auswertung: Translation der Rechtspostulation vom Mensch auf den Personbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 II. Person als subsistentes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 1. Erhellung des Rechts vom Personbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Personbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2. Untersuchung des Zusammenhangs von Recht und Person bei Rosmini . . . 158 3. Vier Verständnis-/Interpretationsmöglichkeiten des Zusammenhangs von Person und Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 a) Weite Interpretation: Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 aa) Überprüfung der Merkmale bei der Koinzidenz von Recht mit Person 161 bb) Prüfungsumfang und damit Frage nach Konvertibilität bezüglich der Koinzidenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (1) Auswertung einer gewissen Konvertibilität bei Mercadante . . . 162 (2) Zwischenergebnis der nur gewissen Konvertibilität für eine Identitätsbehauptung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 cc) Ergebnis für den grundsätzlichen Umfang der Merkmale des Prüfungsumfangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 dd) Definitionsvergleich zur Überprüfung der Koinzidenz aller Konstitutiven des Rechts mit Konstitutiven der Person . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (1) Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
22
Inhaltsverzeichnis (2) Auswertung des Ergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 ee) Endergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 ff) Untersuchung des Begriffs der Subsistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 gg) Zwischenergebnis zur weiten Interpretationsmöglichkeit: Identität . 168 b) Enge Interpretation: Teilmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 c) Ontologische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 aa) Untersuchung des Arguments mittels Umkehrung . . . . . . . . . . . . . . 169 bb) Zwischenergebnis zur ontologischen Interpretation: Kein umkehrbares wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis / Identität . . . . . . . . . . . . . . 170 d) Systematisch-teleologische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 aa) Aussagehintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 bb) Aussageziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 cc) Argumentationsansatzpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 e) Abwägung der Interpretationsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 aa) Weite Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 bb) Ontologische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 cc) Enge Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 dd) Systematisch-teleologische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 ee) Ergebnis: Kombination aus enger Interpretation und systematisch- teleologischer Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 III. Überprüfung der These Rosminis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 IV. Personalität bei Rosmini als „Zeichen des Seins“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
C. Metaphysische Voraussetzungen des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 I.
Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
II. Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 III. Moral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Die Bedeutung der Moral als Bindeglied zur transzendenten Öffnung im Zusammenhang von Recht- und Pflichtenkorrespondenz . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 2. Verbindung von Moral und Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 IV. Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
Conclusio
187
A. Die multikulturelle Rückbindungseignung der Ethik in Rosminis Rechtskonzeption 188 B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption . . . . . . 190 C. Metaphysische Voraussetzungen des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
Inhaltsverzeichnis I.
23
Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
II. Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 III. Moral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 IV. Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
Appendix
196
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Entscheidungsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Gerichtshof der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Abkürzungsverweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
Initium: Gesellschaftliche Umbrüche und Rechtsbegründung „Noch suchen die Juristen eine Definition zu ihrem Begriffe vom Recht“1 und diese Suche scheint an Dringlichkeit nicht verloren zu haben, insbesondere im gegenwärtigen europäisch gesellschaftlichen Umbruch. Um hier einen markanten Aspekt unter vielen stellvertretend zu erwähnen, sei an die Konsequenzen von Flucht in der Ordnung des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlichster Grundauffassungen sowohl religiöser, kultureller, politischer und soziologischer Überzeugungen bzw. zudem mit Haltungen mit einer je subjektiven Auswahl von Überzeugungen oder persönlichster Zusammenstellung von Neukombinationen von Ansichten erinnert. Wie dies sich im Einzelnen auch gestalten mag, so bleibt ein inhaltlich sich vergrößerndes Gefüge, das das Recht zu umfassen sucht ein Spannungsverhältnis in dem vom Recht so viel für eine verlässliche Gesellschaftsordnung verlangt wird. In einem Spannungsfeld, von alles ist möglich als Recht zu begründen, solange der Zusammenhalt der Gesellschaft nicht durch erheblichen Widerspruch in Gefahr scheint, über die Auflösung vieler tradierter Grundüberzeugungen auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner, bis hin zur Inkompatibilitäts-Abschottungen einzelner Grundüberzeugungen in eigenen gesellschaftlichen Parallelen, die für die andere Position keinen Raum erkennen. Bei dieser Suche nach einer tragfähigen Definition von Recht und nach einem belastbaren Konzept von Recht unter sich ändernden gesellschaftlichen Bedingungen erscheint die hierbei noch kaum beachtete Stimme des Vordenkers Antonio Rosminis. Rosmini soll dabei befragt werden, welchen Beitrag seine Rechtsphilosophie zur Frage nach dem Recht einerseits in definitorischer Hinsicht und andererseits in konzeptioneller Weise zur Reflexion ausgewählter Fragen zur Sicht der Rechtskonzeption für heute leisten kann. Hier liefert die wenig beachtete Auffassung der Rechtskonzeption Rosminis einen Anknüpfungspunkt, nicht erst wegen seiner Rehabilitation im katholischen Lehramt, sowie durch ein rein wissenschaftliches Bedürfnis eines vertieften und umfassenderen Rosminiverständnisses, das durch eine erste Reihe von Neuanstößen wissenschaftlicher und lehramtlicher Aussagen zu Rosmini seit geraumer Zeit bereits angerissen ist. Ausschlaggebend ist darüber hinaus seine Weite, religiöse und philosophisch unterschiedliche Ansätze nicht nur in Verbindung denken zu können, sondern zu integrieren ohne Inhalte zu relativieren. 1
Kant III, 759 Fn. a. E.
26
Initium: Gesellschaftliche Umbrüche und Rechtsbegründung
A. Rehabilitation Antonio Rosmini-Serbatis Rechtsphilosophie gehört zu den Werken, die von der neu einsetzenden Rosminiforschung der letzten Jahrzehnte2 wenig beachtet wurde. Aus einem allgemeinen zunächst langen Schweigen, insbesondere auf Grund des Ontologismusverdachts3, führte schon eine Entwicklung innerhalb der kirchlichen Position. Es ist die Rehabilitation des „Reformprojekt[s]“4 des Denkers Rosmini5 durch das Vatikanum II und die jüngsten lehramtlichen Aussagen, wie sie sich in der Enzyklika Fides et ratio von 1997 finden, die die Bedeutung Rosminis als neuzeitlichen Denker würdigt.6 Weitergeführt ist diese Linie mit der Nota der Glaubenskongregation von 2001, in der die Verurteilung Rosminis als überholt bezeichnet wird,7 als auch mit der Eröffnung des Seligsprechungsprozesses auf Diözesanebene am 21. März 1998, der nach der Promulgation des Dekretes über die heroischen Tugenden Rosminis, autorisiert am 26. Juni 2006 durch Papst Benedikt XVI. mit der Seligsprechung Rosminis am 18.11.2007 seinen Abschluss gefunden hat.
B. Forschungsbedürfnis Diese kirchlichen Äußerungen mögen zu einem ersten Anbruch für einen Forschungsneubeginn insbesondere im deutschsprachigen Raum beigetragen haben, gerade was die katholisch-philosophische und theologische Forschungsarbeit betrifft. Umso erstaunlicher erscheint es, dass von Seiten der juristischen als auch kanonistischen Forschung die Rechtsphilosophie Rosminis so lange Zeit ein fast unbeachtetes Schattendasein führte.8 Ein wissenschaftlicher Nachholbedarf erscheint um so dringender, angesichts der Tatsache, dass einer entsprechenden Aufnahme 2
Von Rosminis Werken gilt vor allem zunächst Rosminis Theologie als neu erforscht. Besonders auch im Gegensatz zur Rezeption und Kritik der Dt. Idealisten, die erst in den letzten Jahren einzusetzen begann, vgl. Conzemius 2006, 1313; vgl. Menke 1999, 329–348; vgl. Menke 1997, 267–280. Zu den neuesten Einordnungen der Bedeutung Rosminis im italienischen Sprachraum im Gegensatz zur Rezeption im deutschen Sprachraum kann hier auf den zusammenfassenden Überblick bei Christiane Liermann verwiesen werden, vgl. Liermann 12 ff. 3 Der Ontologismusverdacht, dessen Verbreitung zur Zeit Rosminis vor allem Förderung durch die Jesuiten erfuhr mit der Intention der Isolation Rosminis und damit der Beschränkung seines Einflusses am päpstlichen Hof, verliert sich seit der diesbezüglichen Untersuchung von Karl-Heinz Menke (vgl. Menke 1980). 4 Conzemius 2006, 1312. 5 Die Verurteilung Antonio Rosminis erfolgte mit Dekret des Hl. Offiziums, Post obitum, am 14. Dezember 1887, vgl. DH 3201–3241. 6 Vgl. Iohannes Paulus II., Lett. Enc. Fides et ratio, Nr. 74, in: AAS 91 (1999) 62 f. 7 Vgl. Congregatio pro Doctrina Fidei: Nota de rev. sac. Antonii Rosmini scriptis, 1. Juli 2001, Nr. 7 in: AAS 96 (2004) 667–670. 8 Die Verurteilung durch das Dekret, Post obitum, bezog sich auch auf die Rechtsphiloso phie Rosminis. Einem von 40 verurteilten Sätzen liegt als Quelle Rosminis Rechtsphilosophie zugrunde, vgl. DH 3236.
B. Forschungsbedürfnis
27
der Thematik in den gegenwärtigen Wissenschaftsdiskurs Papst Benedikt XVI. Vorschub leistete, indem er zur Kirchenrechtsumschreibung in Erinnerung an Rosminis Formulierung der menschlichen Person als das Wesen des Rechts9 die Analogie zum Kirchenrecht bildete: „Das Wesen des kanonischen Rechts ist die Person des Christen in der Kirche“10. Äußerer Anlass für vorliegende Untersuchung ist im Hintergrund der historischen Aktualität Rosminis die Tatsache, dass die Bedeutung Rosminis in philosophisch-juristischer Hinsicht noch wenig untersucht und innerhalb der rechtsphilosophischen Systematik wenig beachtet ist. Gerade in diesem Bereich drängt die Untersuchung auf eine nähere Beleuchtung seiner Rechtskonzeption in den Grundsätzen, da die Gefahr besteht, dass die unterschiedlichen Forschungsbereiche innerhalb der Werke Rosminis bei der Bezugnahme zur Rechtsphilosophie gezwungen sind, auf vereinzelt untersuchte Teilaspekte statt auf eine systematische Erarbeitung der Rechtskonzeption Rosminis zurückzugreifen. Die Gefahr zeigt sich einerseits an konträren Einzelergebnissen, die unverbunden ohne Diskussionsrahmen nebeneinander auftreten, und andererseits an der Aufnahme von Einzel-Argumenten mit oft nur linearer Weiterentwicklung ohne sie einer systematisch umfassenden Interpretation zuzuführen und daran zu messen. Beim Prozedere dieser Untersuchung soll allerdings nicht dem Vorgehen der Nota der Glaubenskongregation gefolgt werden, deren Urteil über Rosmini sich auf die Texte allein beschränkt, explizit ohne auch die möglichen Schlussfolgerungen der Auffassungen Rosminis einzubeziehen.11 Gerade auch hierum soll es gehen, mögliche und bisherige Schussfolgerungen sollen einbezogen, einander gegenübergestellt und auf dem Hintergrund der Texte Rosminis abgewogen und anhand für Rosminis Denken bedeutende Entwicklungen und Positionen reflektiert werden, um den Kern der Rechtskonzeption Rosminis ein Stück mehr zu erhellen, um sie für die Diskussion um den Rechtsbegriff und die Rechtskonzeption der Zukunft einer multikulturellen Gesellschaft furchtbar zu machen.
9
Vgl. Rosmini 1967, 52; Rosmini 1993b, 52. Um an einen einheitlichen Bezugspunkt der Rosminizitate mit dem Kern der verwendeten Sekundärliteratur anzuknüpfen, beziehen sich die Quellenverweise zur Rechtsphilosophie Rosminis auf diese Editionen. 10 http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2008/january/documents/hf_ben- xvi_spe_20080125_testi-legislativi_ge.html (24.03.2020). 11 Vgl. Congregatio pro Doctrina Fidei: Nota de rev. sac. Antonii Rosmini scriptis, 1. Juli 2001, Nr. 7 in: AAS 96 (2004) 667–670.
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Initium: Gesellschaftliche Umbrüche und Rechtsbegründung
C. Fragestellung nach tragfähiger Rechtsbegründung in multikulturellen Gesellschaftsstrukturen Warum also entstand in neuerer Zeit das Forschungsbedürfnis um Rosmini? Könnte es sein, dass Rosmini neu bedacht sein will auf Grund seiner theologischen als auch allgemein weltanschaulichen Welterklärungsaspekte angesichts gegenwärtiger Neuakzentuierungen12? Speziell bedeutet dies für vorliegende Arbeit, die Frage zu stellen, was Rosmini uns heute in rechtlicher Hinsicht zu sagen weiß und sagen kann: Das heißt zu fragen, ob Rosmini uns sagen kann, was das Recht letztlich ist und wie es heute verstanden werden kann, wovon die Existenz des Rechts abhängt bzw. wovon es nicht abhängt. Damit soll zugleich nach Antworten gesucht werden, wie Recht in multikulturellen Gesellschaftsstrukturen tragfähig begründet werden kann. Um sich einer derartigen Beantwortung durch Rosmini zu nähern, wird inhaltlich mit der Suche nach einer Rechtsdefinition bei Rosmini in einem ersten Kapitel begonnen und dann nach dem Verständnis der Konzeption von Rosminis Rechtsbegriff mittels der Analyse definitorischer Rechtsbegriffsmerkmale bei Rosmini in einem zweiten Kapitel gesucht. Ein drittes Kapitel skizziert Rosminis Rechtsbegriff im Spiegel konzeptionell bedeutsamer Rechtsbegriffe und Strömungen für seinen Begriff vom Recht. Ein viertes Kapitel kann dann mit der erlangten Kenntnis der rosminischen Formulierung von Recht und der näheren Bedeutung und Einordnung der Formulierung von Recht danach fragen, was nach Rosminis Ansatz das Recht im Innersten zusammenhält. Damit ist gemeint, die Frage nach konzeptionellen Charakteristika der rosminischen Rechtsphilosophie aufzuwerfen, um im Einzelnen dann zu erfahren, wie Rosmini das Recht in Umfang, Ursprung und interessenlogischer wie moralischer Relationalität konzipiert sieht. Schließlich kann dann in einem fünften Kapitel die drängende Frage nach der ontologischen Rechtsbegrünung gestellt werden, mittels derer die Rechtskonzeption und damit der Rechtsbegriff Rosminis ein Stück weit geklärt werden soll, um so bei Rosmini ggf. lernen zu können, auf welche Weise bzw. inwieweit Recht in einem diskursiven Ansatz rechtsphilosophisch neu entdeckt werden kann für die gegenwärtigen multikulturellen gesellschaftlichen Herausforderungen. Zuerst wird hierzu die ontologische Rolle von Ethik und Personalität für Rosminis Rechtskonzeption zu untersuchen sein, um so die Zielfrage nach den metaphysischen Voraussetzungen des Rechts bei Rosmini vorzubereiten, die darüber Aufschluss liefern soll: Inwieweit kann es Recht ohne Metaphysik mit dem Ansatz von Rosmini geben? 12
Die Manifestation dieser Neuakzentuierung rekurriert in diesem Zusammenhang auch auf Hintergrundentwicklungen wie etwa die Enzyklika fides et ratio als auch die Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI. von 2006 neben der eingangs erwähnten multikulturell gesellschaftlich veränderten Notwendigkeiten nicht nur in Deutschland oder Europa, sondern global.
Erstes Kapitel
1.
Rechtsbegriffs-Definitionsermittlung bei Rosmini Antonio Rosmini soll nun in einem ersten Schritt befragt werden, welchen Beitrag aus Italien seine Rechtsphilosophie1 aus der Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem zeitlichen Hintergrund des deutschen Idealismus zu der Frage, was Recht sei, nun genau zu leisten vermag, die mitten im prägnantesten Beispiel der Meinungsverschiedenheiten zu dieser Frage, dem Gegensatz zwischen Naturrechtslehrern und Gesetzespositivisten, entstand. Der Blick auf eine Zielfrage, inwieweit es ein metaphysikfreies Recht bei Rosmini gibt, setzt beim Rechtsbegriff mit der Suche nach einer Rechtsdefinition bei Rosmini an. In einem ersten Kapitel, soll so ein Nukleus für einen zunächst schlanken und prägnanten Rechtsbegriff eruiert werden.2 Die Feststellung Kants zur Suche der Juristen nach einer Definition zum Rechtsbegriff3 ist noch immer aktuell4, während der Rechtsbegriff inzwischen, wie etwa in Deutschland, Staatsgrundlagen-Bestandteil geworden,5 statt allein Gegenstand philosophischen Streits geblieben ist. Allein schon an der praktischen Konsequenz der Verwendung des Rechtsbegriffs zeigt sich die aktuell gebliebene Relevanz dieser Suche nach der Frage, was Recht sei. Dabei findet sich hierzu eine noch kaum beachtete Konstruktion in der italienischen Rechtsphilosophie des 19. Jahrhunderts, in Antonio Rosminis Rechtsphilosophie.6
A. Untersuchungsgegenstände Das umfangreiche Werk Rosminis, darunter insbesondere seine Rechtsphilo sophie und damit zugleich auch sein Werk, Das Prinzip des Rechts,7 das Rosmini in seiner Rechtsphilosophie aufnimmt und durch umfangreiche Fortschreibung 1
Rosmini 1967; Rosmini 1993a. Mit diesem Ansatzpunkt, was Rosmini unter Recht versteht, soll nicht ein allgemeiner Überblick über Gedanken der Rechtsphilosophie Rosminis gewonnen, sondern die Rechtsphilo sophie wenigstens schon ein erstes Stück weit hinsichtlich der Konzeption des Rechts erschlossen werden. 3 Vgl. Kant III, 759 Fn. a. E. 4 Vgl. Rüthers 1999, Rz. 48. 5 Vgl. Art. 20 Abs. III GG (Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949). 6 Rosmini 1967; Rosmini 1993a. 7 Rosmini, Antonio: Il principio del diritto, hrsg. v. Barillari, Michele (= Biblioteca di filosofia e pedagogia), Torino u. a.: Paravia 1924. 2
30
1. Kap.: Rechtsbegriffs-Definitionsermittlung bei Rosmini
erweitert fortführt, dient in erster Linie8 als Primärquelle für vorliegende Untersuchung der Fragen nach Definition und Analyse der Bestandteile des rosminischen Rechtsbegriffs. Das philosophische Werk hängt nicht von späteren rosminischen Weiterentwicklungen oder Voraussetzungen ab, sondern kann auf die bereits entwickelten Gedanken Rosminis in Ontologie, Anthropologie und Moralphilosophie zurückgreifen und bedarf daher auch keiner Relecture späterer Eigenentwicklungen, sondern hier präsentiert sich schon ein entsprechend weit entwickeltes und damit in sich geschlossenes Gedankengut Rosminis. Dies verleiht seinem rechtsphilosophischen Werk eine komplex verzahnte Struktur zu verschiedenen philo sophischen Gebieten und legt so eine Parallellektüre zum notwendigen Hintergrundverständnis seiner Rechtsphilosophie wenigstens teilweise nahe.
B. Rechtsbegriffssuche Vor einer Frage nach der Konzeption des Rechts bei Rosmini stellt sich hier zunächst die Frage, was Rosmini unter dem Begriff Recht überhaupt versteht und somit auch die bisher in der Literatur nicht dargestellte Frage des Erreichens der Begriffsdefinition des Rechts bei Rosmini, deren Zugang einer Darstellung des Rechtsbegriffs als grundlegend und rahmenbestimmend für eine nähere Begriffsuntersuchung erscheint. Überdies ist dieser Zugang der Begriffsklärung des Rechts im weiteren Sinn als Ansatz auch der Weg, den Rosmini an den Beginn seiner Abhandlung über die Essenz des Rechtes stellt.9 Durch viele rechtsphilosophische Behauptungen ist eine Definierbarkeit von Recht, wie bei Kant, immer wieder auch in Zweifel gezogen worden und andererseits präsentieren sich zugleich unterschiedlichste Definitionen mit unterschied 8 Auch wenn noch sehr bedeutende Werke Rosminis erst nach seiner Rechtsphilosophie erscheinen zählt die Rechtsphilosophie Rosminis, ab 1841 publiziert, zu den Werken des schon philosophisch maturierten Rosmini: Über ein Jahrzehnt zuvor erschien 1830 sein erster philosophischer Traktat, Neue Studie über den Ursprung der Ideen, vgl. Rosmini 1934; Rosmini 2001. Auch die Prinzipien der Moralwissenschaften, vgl. Rosmini 1990, waren bereits 1831 erschienen und Rosmini konnte so bei Schnittstellen, wie etwa insbesondere von Recht und Moral auf seine Entwicklungen in Bereich der Moral zurückgreifen bzw. auch in der Rechts philosophie auf dieses Werk dann verweisen. 9 Vgl. Rosmini 1967, S. 103; Rosmini 1993a, 223. (Die Zitierweise Rosminis Werkes, Filo sofia del diritto, richtet sich im italienischen Originaltext, wie in der rosminischen Fachliteratur üblich, grundsätzlich nach der Einteilung des Textes in Paragraphen. Damit erfolgt jedoch die Zitierweise des ersten Bandes, Filosofia del diritto, der anfangs keine Paragrapheneinteilung enthält, soweit nach Seitenzahlen, wie für diesen Abschnitt üblich, was in der Quelle jeweils ausnahmsweise mit der Seitenabkürzung vermerkt ist, bis die Paragrapheneinteilung des Textes im ersten Band einsetzt, nach der sich die Zitierweise, dann grundsätzlich richtet mit entsprechender Angabe des Paragraphen als bloße Ziffer ohne weiteren Vermerk. Die englische Übersetzung, „The philosophy of Right“ ist dagegen durchgehend von Anfang an mit einer Paragrapheneinteilung versehen. Entsprechend beziehen sich alle diesbezüglichen Zitate hier durchgehend auf Paragraphen ohne weiteren Vermerk).
B. Rechtsbegriffssuche
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lichster Präzision. So ist zunächst zu untersuchen, auf welcher Seite Rosmini steht, ob er Recht überhaupt für definierbar hält oder nicht. Dabei ist auf der Suche nach einer Definition von Recht festzuhalten, dass Rosmini die Definierbarkeit von Recht in keiner Weise infrage stellt und sich zudem in Rosminis Rechtsphilosophie gleich mehrere Definitionen finden, auch wenn er selbst nur eine Definition mit einer ausführlichen Untersuchung und Erklärung versieht. Rosmini hält Recht im Gegensatz zu Kant für definierbar, der einerseits eine Definierbarkeit von Recht bezweifelt, andererseits aber dennoch eine eigene Definition präsentiert. Bei Rosmini liegen dagegen keine Hinweise auf diesbezüg liche Infragestellungen der Definierbarkeit vor und er selbst geht nicht nur von der Definierbarkeit des Rechtsbegriffs aus, sondern er präsentiert in seiner Rechts philosophie eine Mehrzahl von Rechtsdefinitionen, wobei er davon eine Definition näher entfaltet.
I. Definitionen Nachdem nun die grundsätzliche Position Rosminis zur Definierbarkeit des Rechtsbegriffs geklärt ist, stellt sich die Frage nach dem Inhalt der Definitionen Rosminis. Rosminis Definitionen lauten wie folgt: – (D1) Erste10 Definition11: „Das Recht ist eine moralische Macht12 oder eine Autorität zu handeln.“13 – (D2) Zweite Definition: „Das Recht ist eine facultas agendi nach Belieben, geschützt vom moralischen Gesetz, das darüber hinaus anderen die Berücksichtigung befielt.“14
10 Die Reihenfolge der Wiedergabe der Definitionen entspricht hier der Reihenfolge, in welcher die Definitionen bei Rosmini in der Rechtsphilosophie erscheinen. 11 Auf die hier gewählten und zugeordneten Bezeichnungen der einzelnen Definitionen mit „erster Definition“ bis „dritter Definition“ wird im Verlauf der weiteren Untersuchung zur Bezugnahme auf die jeweilige Definition ggf. abgestellt. 12 Das italienische Wort podestá wird hier nicht mit Gouverneur wiedergegeben, da es beim Gouverneur hinsichtlich der Verwendung des Wortes um Recht zu erklären auf seine Amtsgewalt oder Amtsmacht ankommt und nicht auf seine Person. Daher bezieht sich die Übersetzung des Verfassers auf den Ursprung des Wortes abgeleitet von der Potestas. Auch verzichtet der Verfasser es ähnlich der englischen Übersetzung nahe dem französischen Ursprung mit Gouvernanz wiederzugeben, da die Verwendung dieses Ausdrucks sich nicht sehr verbreitet hat. 13 Übers. d. Verf.: „Il diritto é una podestá morale, o autoritá di operare“ (Rosmini 1967, S. 107); „Right is a moral governance or authority to act“ (Rosmini 1993a, 237). 14 Übers. d. Verf.: „Il diritto è una facoltà di operare ciò che piace, protetta dalla legge morale, che ne ingiunge ad altri il rispetto“ (Rosmini 1967, S. 107); „Right is a faculty to do what we please, protected by the moral law which obliges others to respect that faculty“ (Rosmini 1993a, 237).
32
1. Kap.: Rechtsbegriffs-Definitionsermittlung bei Rosmini
– (D3) „Dritte Definition“: „Das Recht ist eine personale Fakultas oder Macht15 sich durch Handeln oder Ertragen zu freuen, ein erlaubtes Gut, das von anderen Personen nicht beeinträchtigt werden darf.“16
II. Formelle Beobachtungen In einer ersten Feststellung hierzu ist festzuhalten, dass in Rosminis Rechtsphi losophie zumindest drei Definitionen im engeren Sinn vorliegen.17 Für die vorliegende Untersuchung sind als Grundlage Definitionen im engeren Sinn zunächst ausgewählt, um eine Annäherung an den Rechtsbegriff mittels definitorischer Elemente zu erstellen. Dabei muss zunächst auf Definitionen im weiteren Sinn, soweit man in diesem Zusammenhang davon überhaupt sprechen kann, auf diese als Untersuchungsgrundlage für den Kern des Rechtsbegriffs – nicht aber für eine gesamtkonzeptionelle Untersuchung der Rechtsbedeutung bei Rosmini – verzichtet werden. Diese Eingrenzung scheint für eine Klärung der Anzahl der Definitionen notwendig, da sich bei Rosmini eine Vielzahl von Definitionen unterschiedlichster Begriffe vorfindet, die u. a. auch den Begriff des Rechts in der Bedeutungserklärung der Definition beinhalten, aber eben nicht das Recht selbst, sondern einen anderen Begriff definieren wollen und dabei innerhalb der eigentlichen Definition lediglich auf das Recht zurückgreifen. Hieraus können allenfalls Umkehrschlüsse für das Recht gezogen werden. Es ist jedoch fraglich, ob diese Definitionen als Rechtsdefinitionen eingeordnet werden können, wie es bei Ferronato dargestellt ist. Ferronato gelangt beispielsweise so zu einem von obiger Feststellung abweichenden Ergebnis.18 Hiernach sollen in Rosminis Rechtsphilosophie vier Definitionen19 vorliegen.20 15 Aus oben dargestellten Gründen und der Einheitlichkeit Rosminis zu folgen wird hier wieder die Übertragung mit dem Wort Macht gewählt. 16 Übers. d. Verf.: „Il diritto è una facoltà personale o podestà di godere, operando o patendo, un bene lecito, che da altre persone non dee esser guastato“ (Rosmini 1967, S. 120); „Right is a personal faculty or governance, which must not be harmed, for enjoying through action or experience a lawful good“ (Rosmini 1993a, 269). 17 Andere Ansicht, vgl. Ferronato 1998, 70. 18 Zu würdigen ist hieran jedenfalls, dass es sich bei der Beobachtung Ferronatos um eine der wenigen jüngeren Ausarbeitungen handelt, die überhaupt um eine konkrete Festestellung der eigentlichen Anzahl von Rechtsdefinitionen bemüht sind. 19 Vgl. Ferronato 1998, 70. 20 Ferronato führt neben den oben genannten drei Rechts-Definitionen eine Definition Rosminis zur Person des Menschen an (vgl. Ferronato 1998, 70), welche sie dann zu den Rechtsdefinitionen zählt: „‚Die menschliche Person ist das menschliche subsistierende Recht‘: als die Essenz des Rechts“. Übers. d. Verf.: „‚La persona dell’uomo è il diritto umano sussistente‘: quindi anco l’essenza del diritto“ (Rosmini 1967, 49); „‚the human person is subsistent human right‘. It follows that the person is the essence of right“ (Rosmini 1993b, 49). Der Terminus Recht ist in der Definition enthalten, doch der Terminus Recht ist hier nicht ursprünglich von Rosmini als Definiendum vorgesehen, sondern als Bestandteil des Definiens der
B. Rechtsbegriffssuche
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Angesichts der Tatsache von einer Mehrzahl vorliegender Rechtsdefinitionen stellt sich zunächst die Frage, warum eine Definition nicht genügt. Hat Rosmini verschiedene Bedeutungen vor Augen, wenn er von Recht spricht und benötigt er deshalb auch verschieden Definitionen oder gelingt es ihm nicht, die Formulierungen für die Definition Recht zusammenzufassen? Vorweg kann angemerkt werden, dass diese Frage nach der Tatsache des Vorlie gens von verschiedenen Definitionen bisher kaum Beachtung gefunden hat. Ledig lich das Faktum der Existenz verschiedener Definitionen wurde zur Kenntnis genommen, wie auch die Tatsache des Vorliegens einzelner Formulierungen, ohne efinitionen jedoch weiter nach der Bedeutung des Vorliegens einer Mehrzahl von D zu fragen. Aus formellen Beobachtungen in der Zusammenschau der verschiedenen Definitionen lässt sich Folgendes feststellen für die Untersuchung, ob es sich immer um denselben Rechtsbegriff handelt oder ob bei Rosmini verschiedene Auffassungen zugrunde liegen: 1. Die von Rosmini analysierte zweite Definition im Vergleich Für Rosmini ist die Definition, „Recht ist die Handlungsbefugnis nach Belieben, geschützt vom moralischen Gesetz, das darüber hinaus anderen die Berücksichtigung befielt“21, die einzige, die er detailliert erklärt. Weiter stellt sie die in Bezug auf den äußeren Umfang zweitgrößte Definition mit 21 Worten im Vergleich zur dritten Definition mit dem größten Umfang mit 24 Worten und der ersten, als der Definition mit dem kleinsten Umfang von zehn Worten dar.22 Formell gesehen, könnte die zweite Definition also nicht ohne weiteres als die äußerlich ausführlichste und damit entscheidende gelten, wenngleich sie als eine Präzisierung äußerlich im Vergleich zur ersten Definition erscheint. Es wäre fraglich eine Definition so ausführlich zu untersuchen und andererseits die weiteren Definitionen erheblich geringer beachtet zu lassen hinsichtlich einer
Definition, wie die Satzkonstruktion mit der Hintanstellung der Position des Rechtsterminus’ schon äußerlich erkennen lässt. Von einer Definition des Rechts könnte gesprochen werden, wenn die Bestandteile als austauschbar gelten sollten, in dem Sinn, dass die Definition auch in Umkehrung Gültigkeit besitzen soll, wozu hier keine Hinweise vorliegen. Damit ist vom Vorliegen von lediglich drei Definitionen für die weitere Untersuchung auszugehen. 21 Übers. d. Verf.: „Il diritto è una facoltà di operare ciò che piace, protetta dalla legge morale, che ne ingiunge ad altri il rispetto“ (Rosmini 1967, S. 107); „right is a faculty to do what we please, protected by the moral law which obliges others to respect that faculty“ (Rosmini 1993a, 237). 22 Die Wortzählung bezieht sich auf die Definitionen im italienischen Originaltext.
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1. Kap.: Rechtsbegriffs-Definitionsermittlung bei Rosmini
ebensolchen Analyse der einzelnen Merkmale, wenn es sich um verschiedene Bedeutungen von Recht handeln sollte. Zumal stellte sich dann erst recht die Frage, nach den Gründen ausgerechnet die Definition mit dem größeren äußeren Umfang nicht weiter zu analysieren, sondern nur die zweite Definition auszuführen, was schon erste Hinweise auf einen einheitlichen Rechtsbegriff sein könnten. Im Ergebnis wäre dann in der Rechtsphilosophie nur einer von ggf. mehreren Rechtsbegriffen analysiert. Für eine solche Annahme finden sich jedoch keine Anhaltspunkte gegeben. 2. Moral-Element in formeller Beobachtung Aus formeller Sicht lässt sich überdies noch feststellen, dass lediglich ein Substantiv, Moral, identisch ist in den ersten beiden oben dargestellten Definitionen, was aber lediglich den Schluss zulässt, dass die Moral als ein gemeinsames definitorisches Merkmal für Recht in zwei von drei Definitionen darstellt und die Moral für das Recht bei Rosmini von großer Bedeutung in verschiedenen Wendungen ist. Andererseits wird aber auch gezeigt, dass die dritte Rechtsdefinition ohne den Begriff Moral auskommen kann. 3. Zwischenergebnis Aus formeller Beobachtung könnte hier ein Unterschied vorliegen, da das Wort Moral nicht in allen Definitionen erscheint. 4. Fakultas-Element in formeller Beobachtung Die zweite und dritte Definition, haben das Wort, Fakultas, je am Anfang der Definition gemeinsam. Der Anfang der Definitionen, der in beiden Fällen mit der Formulierung „Recht ist eine Fakultas […]“23 beginnt, ist identisch. Die Identität ist Hinweis auf denselben Erklärungsansatz und Ausgangspunkt mit einem dann variierenden Erklärungsschwerpunkt, aber mit demselben Grundansatz. In der Folge dieser Annahme könnte das nun bedeuten, wo dieser identische Erklärungsausgang mit der Formulierung „Recht ist eine Fakultas“24 fehlt, wie in der Definition, die als erste angeführt ist, könnte ein anderer Ansatz zu Grunde liegen. Die als erste aufgeführte Definition, „Das Recht ist eine moralische Macht oder eine Autorität
23
Übers. d. Verf.: „Il diritto è una facoltà […]“ (Rosmini 1967, S. 107); „right is a faculty […]“ (Rosmini 1993a, 237). Sowie „Il diritto è una facoltà […]“ (Rosmini. 1967, S. 120); „Right is a personal faculty […]“ (Rosmini 1993a, 269). 24 Rosmini 1967, S. 107, 120; Rosmini 1993a, 237, 269.
B. Rechtsbegriffssuche
35
zu handeln“25 enthält also die Formulierung „Recht ist eine […] Macht […]“ statt „Recht ist eine Fakultas […]“. Unabhängig von der genauen inhaltlichen Bedeutung von Fakultas kann hier aber schon soviel festgestellt werden, dass ein Zusammenhang der ersten Definition zur dritten Definition und über diese hin zur zweiten Definition auch in dem Ansatz mit der Fakultas-Erklärung liegt, da in der dritten Definition, „Recht ist eine personale Fakultas oder Macht […]“26, dem FakultasBegriff das Wort, Macht, zur Seite gestellt wird. Fakultas und Macht stehen im selben Ansatzpunkt als Definitionsbeginn. 5. Zwischenergebnis Während in der ersten Definition Recht kurz als „eine […] Macht“ bezeichnet ist, ist in der zweiten Definition Recht als „Fakultas“ definiert und in der dritten Definition dann als „Fakultas oder Macht“. Ein alternativer Definitionsansatz mit unterschiedlichen Definitionsgegenständen oder Merkmalen scheidet damit aus formaler Hinsicht bezüglich des Fakultas-Elements aus, da das Element, Macht, aus dem ersten Ansatz und das Element, Fakultas, aus dem zweiten Ansatz dann kumulativ im Ansatz zur dritten Definition erscheinen und somit formal schon ein innerer Zusammenhang im Sinn einer Ergänzung der Definitionen anstelle eines alternativen Verständnisses nahegelegt ist. 6. Das Element des Handelns in formeller Beobachtung Das Element des Handelns erscheint in allen drei Definitionen: Recht erscheint in der ersten Definition als „Macht oder eine Autorität zu handeln“27, in der zweiten Definition als „Fakultas zu handeln“28, und in der dritten Definition schließlich als „[…] Fakultas oder Macht sich durch Handeln […] zu freuen.“29 Der Begriff des Handelns tritt durchgehend in Erscheinung in allen Rechts definitionen.
25 Übers. d. Verf.: „Il diritto é una podestá morale, o autoritá di operare“ (Rosmini 1967, S. 107; „Right is a moral governance or authority to act“ (Rosmini 1993a, 237). 26 Übers. d. Verf.: „Il diritto è una facoltà personale o podestà […]“ (Rosmini 1967, S. 120); „Right is a personal faculty or governance […]“ (Rosmini 1993a, 269). 27 Übers. d. Verf.: „Il diritto é una podestá morale, o autoritá di operare“ (Rosmini 1967, S. 107); „Right is a moral governance or authority to act“ (Rosmini 1993a, 237). 28 Übers. d. Verf.: „facoltà di operare“ (Rosmini 1967, S. 107); „faculty to do“ (Rosmini 1993a, 237). 29 Übers. d. Verf.: „[…] facoltà […] o podestà di godere, operando […]“ (Rosmini 1967, S. 120); „[…] faculty or governance, […] for enjoying through action […]“ (Rosmini 1993a, 269).
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1. Kap.: Rechtsbegriffs-Definitionsermittlung bei Rosmini
7. Zwischenergebnis Die Verwendung des Begriffs des Handelns, ohne terminologische Abweichung, weist ein weiteres einheitliches Element aller drei Definitionen auf.
III. Materielle Beobachtungen Bei der Frage nach dem Begriff bzw. den Begriffen vom Recht, die bei Rosmini in seinen verschiedenen Definitionen zugrunde gelegt sind, soll nun im Anschluss an die formellen Beobachtungen nach der inhaltlichen Seite gefragt werden. 1. Analytische und synthetische Definitionen Als Ausgangspunkt hierzu erscheint folgende Beobachtung Ferronatos besonders hilfreich: Ferronato nimmt eine Einteilung der Definitionen in analytische und synthetische vor.30 Danach handelt es sich u. a.31 bei der ersten Definition, „Das Recht ist eine moralische Macht oder eine Autorität zu handeln“,32 um eine synthetische Definition und bei der zweiten33 und dritten34 Definition um mehr analytische Definitionen,35 die das, was in der ersten Definition bereits dargestellt ist, in einer „klareren und direkteren Weise“36 explizieren. Die sehr allgemein formulierte Beobachtung Ferronatos deckt sich mit den bisherigen formellen Beobachtungen.
30
Ferronato 1998, 70. Ebenso hält Ferronato die ihrer Meinung nach sog. Rechtsdefinition, „‚Die menschliche Person ist das menschliche subsistierende Recht‘: als die Essenz des Rechts“ (Übers. d. Verf.: „‚La persona dell’uomo è il diritto umano sussistente‘: quindi anco l’essenza del diritto“ (Ros mini 1967, 49); „‚the human person is subsistent human right‘. It follows that the person is the essence of right“ (Rosmini 1993b, 49)), für eine synthetische Definition (vgl. Ferronato 1998, 70), was für diese Untersuchung aber ohne weitere Bedeutung bleibt, da, wie oben dargestellt, für eine Untersuchung der Definitionen im engeren Sinn, hier schon keine Rechtsdefinition mehr gesehen werden kann. 32 Übers. d. Verf.: „Il diritto é una podestá morale, o autoritá di operare“ (Rosmini 1967, S. 107); „Right is a moral governance or authority to act“ (Rosmini 1993a, 237). 33 „Il diritto è una facoltà di operare ciò che piace, protetta dalla legge morale, che ne ingiunge ad altri il rispetto“ (Rosmini 1967, S. 107); „Right is a faculty to do what we please, protected by the moral law which obliges others to respect that faculty“ (Rosmini 1993a, 237). 34 „Il diritto è una facoltà personale o podestà di godere, operando o patendo, un bene lecito, che da altre persone non dee esser guastato“ (Rosmini 1967, S. 120); „Right is a personal faculty or governance, which must not be harmed, for enjoying through action or experience a lawful good“ (Rosmini 1993a, 269). 35 Vgl. Ferronato 1998, 70. 36 Vgl. Ferronato 1998, 70. 31
B. Rechtsbegriffssuche
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Das Verhältnis der Definitionen zueinander soll auch auf materielle inhaltliche Kernpunkte überprüft werden, um so weitgehende Klärung zu erlangen, ob ein oder mehrere Rechtsbegriffe bei Rosmini tatsächlich vorliegen und dann ggf. zu analysieren sind. 2. Fakultas in materieller Beobachtung Inhaltlich lässt sich beobachten, dass Recht in der ersten Definition als „eine moralische Macht“37 bezeichnet wird, in der zweiten Definition als „eine Fakultas agendi“38 und in der dritten Definition als „eine personale Fakultas oder Macht“39 3. Zwischenergebnis Ein autoritatives Element durch die Einbeziehung von Fakultas bzw. Macht ist in allen drei Rechtsdefinitionen und damit durchgehend vorhanden: in der ersten Definition in unmittelbarer Verbindung zur Moral in Bezug auf das Handeln, ebenso in der zweiten Definition mit Bezug auf das Handeln, wie auch in der dritten Definition in unmittelbarer Verbindung zur Personalität, wiederum in Bezug auf das Handeln.40 4. Die moralische Komponente in materieller Beobachtung In der ersten Definition nimmt Rosmini schon im ersten Teil nach dem PotestasBegriff Bezug auf die Moral mit der Formulierung, „Das Recht ist eine moralische Macht“41. Die moralische Komponente fehlt in der zweiten Definition nicht, so Bezug auf das Handeln genommen wird, sondern wird im selben Satz noch ein 37
Übers. d. Verf.: „una podestá morale“ (Rosmini 1967, S. 107); „a moral governance“ (Ros mini 1993a, 237). 38 Übers. d. Verf.: „una facoltà di operare“ (Rosmini 1967, S. 107); „a faculty to do“ (Rosmini 1993a, 237). 39 Übers. d. Verf.: „[…] una facoltà personale o podestà […]“ (Rosmini 1967, S. 120); „[…] a personal faculty or governance […]“ (Rosmini 1993a, 269). 40 Siehe hierzu die Nachweise bei Rosmini: Erstens, „eine moralische Macht […] zu handeln“. (Übers. d. Verf.: „una podestá morale […], di operare“ (Rosmini 1967, S. 107); „a moral governance […] to act“ (Rosmini 1993a, 237)). Zweitens, „eine Fakultas agendi“. (Übers. d. Verf.: „una facoltà di operare“ (Rosmini 1967, S. 107); „a faculty to do“ (Rosmini 1993a, 237)). Drittens, „eine personale Fakultas oder Macht, sich durch Handeln […] zu freuen“. (Übers. d. Verf.: „[…] una facoltà personale o podestà di godere, operando o patendo […]“ (Rosmini 1967, S. 120); „[…] a personal faculty or governance […] for enjoying through action or experience […] “ (Rosmini 1993a, 269)). 41 Übers. d. Verf.: „Il diritto é una podestá morale“ (Rosmini 1967, S. 107). „Right is a moral governance“ (Rosmini 1993a, 237).
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1. Kap.: Rechtsbegriffs-Definitionsermittlung bei Rosmini
gefügt42 und zwar in präzisierter Form: Es wird dargestellt, inwiefern die Moral hier definitorischer Bestandteil ist, nämlich durch das moralische Gesetz. Auf das moralische Gesetz wird hier rekurriert und nicht mehr nur auf die Moral.43 Auch in der dritten Definition fehlt die Moral nur als Begriff, wie oben dargestellt bei der formellen Beobachtung der Moral. Inhaltlich ist sie aber vorhanden, indem sie sogar näher entfaltet dargestellt wird in der Formulierung als „ein erlaubtes Gut, das von anderen Personen nicht beeinträchtigt werden darf.“ 44 5. Zwischenergebnis Damit nimmt Rosmini in allen Definitionen Bezug auf die Moral in je unterschiedlicher Weise. Die anfänglichen Zweifel diesbezüglich in der formellen Beobachtung sind damit entkräftet. Auch auf die Moral wird durchgehend, wenn auch in unterschiedlicher Weise Bezug genommen. 6. Das Element des Handelns in materieller Beobachtung Darüber hinaus ist der Blick hier, entsprechend zu der formellen Untersuchung, auf das Element des Handelns zu richten. Die einheitlich durchgehende Erscheinung des Handlungsbegriffes, wie oben festgestellt in der formellen Beobachtung, führt inhaltlich zu der Auffälligkeit, dass in der ersten Definition das Handeln ohne weitere Erklärung, lediglich mit dem Adjektiv „moralische“ 45 versehen, in der Formulierung auftritt, „Das Recht ist eine moralische Macht […] zu handeln.“ 46 Zweitens heißt es weiter, „Recht ist eine facultas agendi,“ 47 woran sich ein Relativsatz anschließt,48 der den Schutz dieser facultas agendi erläutert. 42 Vgl. Rosmini 1967, S. 107: „Il diritto è una facoltà di operare ciò che piace, protetta dalla legge morale, che ne ingiunge ad altri il rispetto.“; Rosmini 1993a, 237: „Right is a faculty to do what we please, protected by the moral law which obliges others to respect that faculty.“. 43 Der Unterschied und die Auffassung zu Moral im Verhältnis zu moralischem Gesetz bei Rosmini können an dieser Stelle dahinstehen, da es hier lediglich darum gehen soll, grundsätzliche inhaltliche Bezugspunkte für ein Grobraster zu erstellen. Eine begriffliche Nähe soll hier soweit ausreichen, um nicht von einem unterschiedlichen Definitionsgegenstand ausgehen zu müssen. Eine differenziertere Betrachtung wäre in diesem Zusammenhang nur angezeigt, soweit begründete Zweifel auftreten, wofür hier aber keinerlei Anhaltspunkte gegeben sind. 44 Übers. d. Verf.: „[…] un bene lecito, che da altre persone non dee esser guastato“ (Rosmini 1967, S. 120); „ […] must not be harmed, […] a lawful good“ (Rosmini 1993a, 269). 45 Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, S. 107; Rosmini 1993a, 237. 46 Übers. d. Verf.: „Il diritto é una podestá morale […] di operare“ (Rosmini 1967, S. 107); „Right is a moral governance […] to act“ (Rosmini 1993a, 237). 47 Übers. d. Verf.: „facoltà di operare“ (Rosmini 1967, S. 107); „faculty to do“ (Rosmini 1993a, 237). 48 Vgl. Rosmini 1967, S. 107: „Il diritto è una facoltà di operare ciò che piace, protetta dalla legge morale, che ne ingiunge ad altri il rispetto.“; Rosmini 1993a, 237: „Right is a faculty to do what we please, protected by the moral law which obliges others to respect that faculty.“.
B. Rechtsbegriffssuche
39
Schließlich formuliert Rosmini in der dritten Definition Recht als eine Fakultas oder Macht „sich durch Handeln […] zu freuen […]“.49 Er stellt also Bezug zur Finalität des Handelns her und hieran schließt er wiederum Ausführungen zum Schutz gegen Beeinträchtigung an. 7. Zwischenergebnisse Inhaltlich handelt es sich um denselben Handlungsbegriff, der in den Definitionen lediglich unterschiedlich weit ausgeformt ist. Verschiedene Ansatzpunkte hinsichtlich der inhaltlichen Ausfüllung des Handlungsbegriffes können nicht festgestellt werden. Somit deutet auch in Bezug auf das Element der Handlung nichts auf verschiedene Rechtsbegriffe hin. Inhaltlich lässt sich damit festhalten, dass materiell keine neuen Auffassungen sich in den verschiedenen Definitionen befinden. Es handelt sich lediglich um eine Präzisierung, die exakt der Methode Rosminis entspricht, vom Einfachen zum Komplexeren zu gehen. Nun könnte man aber der kürzesten Definition, der ersten Definition, vorwerfen, dass sie noch bedeutende Elemente im Vergleich zur ausführlicheren Definition nicht beinhaltet. Dem kann entgegnet werden, dass die erste Definition zwar in sich geschlossen besteht, aber Rosmini im gleichen Satz noch mit einem „oder also“ alternativ und damit mit einem Hinweis für die Gleichwertigkeit zum ersten Halbsatz die De finition Handlungsautorität anführt. Der Bezug der Rechtsdefinition zur Handlung ist damit in allen Definitionen berücksichtigt. Rosmini hat immer dasselbe Konzept vor sich. Handlung und Moral gehören zu seinen definitorischen Bestandteilen. Erst aufgesplittert aber im selben Satz durch eine Konjunktion wie „oder“ verbunden, was aber kein echtes Alternativitätsverhältnis noch zu begründen vermag, sondern eher auf eine Eruierung von Vorschlägen hinweist und ein kumulatives Verhältnis, also keineswegs ausschließlich in Form eines „entweder oder“ intendiert. Rosmini sammelt vielmehr, beinahe didaktisch in kleinen Portionen aufbereitet, Formulierungen und Definitionsinhalte, die er schließlich zusammenführt in der Definition, die er dann selbst bezüglich der wesentlichen Elemente erklärt.
49 Übers. d. Verf.: „[…] di godere, operando […]“ (Rosmini 1967, S. 120); „[…] for enjoying through action […]“ (Rosmini 1993a, 269).
40
1. Kap.: Rechtsbegriffs-Definitionsermittlung bei Rosmini
C. Ergebnis: Einheitlicher Rechtsbegriff bei Rosmini Damit sind also in Rosminis Definitionen keine unterschiedlichen Auffassungen von Recht vorhanden. Es ist damit davon auszugehen, dass es sich um einen einzigen Rechtsbegriff handelt, den Rosmini definiert. Diese Feststellung des einheitlichen Rechtsbegriffs dient hier als grundlegende Voraussetzung bezüglich des Untersuchungsgegenstandes und der weiteren Gegenstandsfokussierung um den Rechtsbegriff Rosminis. Es müssen also nicht verschiedene Begriffe von Recht im Ausgangspunkt untersucht werden, sondern die Untersuchung hat sich auf einen einheitlichen rosminischen Rechtsbegriff zu konzentrieren.
Zweites Kapitel
2.
Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen Für die Untersuchung des Rechtsbegriffs findet sich als erster Anknüpfungspunkt die von Rosmini selbst gegebene Erklärung zu seiner Definition, D2, von Recht.1 „Das Recht ist eine facultas agendi nach Belieben, geschützt vom moralischen Gesetz, das darüber hinaus anderen die Berücksichtigung befielt.“2 Diese Definition wurde schon 1910 im Handbuch für Rechtsphilosophie von Lilla als einzigartig bezeichnet, insofern es Antonio Rosmini hierin geschafft habe, eine rigorose Analyse der Idee des Rechts vorzulegen und die Wahrheit so auf den Kopf treffe, dass er zu einer Höhe gelangt sei, die von anderen nicht e rreicht worden sei.3
A. Definitorische Grundstruktur Zentrum und Angelpunkt der Rechtsdefinition Rosminis ist seine Auffassung des Rechts als facultas agendi.4 Auf Grund dieser entscheidenden Bedeutung für die gesamte Rechtskonzeption ist vorweg zu klären, wie der Fakultas-Begriff mit seinem breiten Bedeutungsspektrum mit den zur Verfügung stehenden Übersetzungsmöglichkeiten hier wiederzugeben ist.
I. Fakultas-Begriff Nach einer Ansicht wurde zuletzt in den Übersetzungen von Markus Krienke in jüngster Zeit das italienische facoltá mit dem deutschen Wort, Fähigkeit, ohne weitere Begründung wiedergegeben.5 . 1 Da gezeigt werden konnte, dass bei Rosmini von nur einem einzigen und einheitlichen Rechtsbegriff auszugehen ist, liegt es für den Schritt der Begriffsbestimmung nahe dem Vorgehen Rosminis zu folgen und exemplarisch an einer Definition dem Begriff vom Recht nachzugehen und die erste und dritte Definition für eine Darstellung des Rechtsbegriffs soweit zurückzustellen, soweit nicht konzeptionelle Fragen betroffen sind, die keine zwingende Querverbindungsuntersuchung zu den anderen Definitionen betreffen. 2 Übers. d. Verf.: „Il diritto è una facoltà di operare ciò che piace, protetta dalla legge morale, che ne ingiunge ad altri il rispetto“ (Rosmini 1967, S. 107); „Right is a faculty to do what we please, protected by the moral law which obliges others to respect that faculty“ (Rosmini 1993a, 237). 3 Vgl. Lilla 1910, 52. 4 Vgl. Rosmini 1967, S. 107: „facoltà di operare“; Rosmini 1993a, 237: „faculty to do“. 5 Vgl. Dossi 2003, 252.
42
2. Kap.: Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
Dagegen wählt Ivo Höllhuber Befugnis für Übertragung von facoltá, ebenso ohne weitere Anmerkung.6 Die Übersetzungsvarianten stehen sich hier nicht unproblematisch gegenüber. Inhaltlich wird wenigstens im Deutschen dadurch schon bestimmt, was ein wesentliches Merkmal in der Rechtsdefinition Rosminis darstellt. Der Inhalt von Fähigkeit einerseits und andererseits der Befugnis kann ggf. mit sehr unterschiedlichen Bedeutungsinhalten verstanden werden, bzw. zu verstehen sein. Der Begriff, Befugnis, impliziert in der vorliegenden Konstellation der Definition, dass diese Befugnis von einer gewissen Autorität, wie hier dem moralischen Gesetz gedeckt wird.7 Darüber hinaus ist die Wirkung dieser Deckung hervorzuheben, die das Setzen eines Aktes hat, der seine Rückbindung an eine legitime Autorität aufweist, da er dadurch selbst Legitimierung erhält und so zum legitimen Akt wird. Somit wird auch der dem Wort facoltá inhärente Sinn verdeutlicht, wenn Rosmini ihn ohne eine Definition seinerseits gebraucht. Hätte Rosmini den Begriff, facoltá, mit einer eindeutig weiten Bedeutung versehen wollen, wie ihn die Übersetzung von Krienke bestimmt, im Sinn einer bloßen Fähigkeit, wäre es für Rosmini möglicherweise nahegelegen, dies mit dem italienischen Begriff, capacità, also Fähigkeit oder noch weiter mit possibilitá, also Möglichkeit, auszudrücken. Als Konsequenz wäre es dann aber nahegelegen, dass Rosmini den Begriff inhaltlich wenigstens richtungweisend hätte konkretisieren müssen, um klarzustellen, was er in seiner Definition mit diesem Begriff nun meint. Eine derartige Konkretisierung ist nicht anzutreffen. Vielmehr gibt es keine Anhaltspunkte, dass Rosmini eine Begriffsklärung in irgendeiner Weise hier für nötig erachtet hätte. Die Verwendung des Facultas-Begriffs besitzt schon vor Rosmini eine breite Verwendungsdimension als deren hervorragende Vertreter Occham, Gersone und Suárez8 zu nennen sind, wie auch sodann Grotius, Leibnitz, Pufendorf und Wolff. Vor allen aber ist hier Kant anzuführen, bei dem Rosmini den Begriff, facultas, bei dessen Rechtsdefinition verwendet glaubt, jedenfalls zitiert er die Rechtsdefinition mit einer Übertragung / Zusammenfassung mit dem Bestandteil facoltà. Trotz der umfassenden Darstellung, des Fakultas-Begriffes bei Composta9 war eine Auswertung des Bezugs Rosminis zu Kant in diesem Punkt bisher offen. Sein Schweigen diesbezüglich weist eher auf ein kontextuell nicht weiter klärungsbedürftiges und zudem geläufiges Selbstverständnis der Wortbedeutung von facoltà hin. 6
Vgl. Rosmini 1963, 47. Für Rosmini ist das Recht eine Befugnis in Sinn einer Autorität und einer Macht, insoweit diese ein Handeln impliziert, dessen Ansehen sich auf Grund des Schutzes durch die Gesetze ableitet. Es geht also gerade nicht um eine reine Macht. Rosmini stellt dies klar, wenn er Recht als Gegenteil zu Gewalt und Kraft abgrenzt, vgl. Rosmini 1967, 103; Rosmini 1993a, 224. 8 Vgl. Landi 2002, 48 ff. 9 Vgl. Composta 1975, 219 ff. 7
A. Definitorische Grundstruktur
43
Aus der zivilrechtlichen Sichtweise könnte sich hier eine rechtshistorische Kontextualerklärung aus dem römischen Recht anführen lassen: Im Hintergrund der Tatsache, dass Rosmini seine Erklärung nicht weiter ausführt zum Fakultas-Begriff, könnte auch eine mögliche Kenntnis Rosminis dieses Begriffs als Terminus technicus aus dem römischen Recht stehen. Eine weitere Meinung Pasquale Landis, der die Position vertritt, dass bei Rosmini facultas als Aktion zu verstehen sei,10 läuft Gefahr inhaltlich nicht weiterzuführen, da keine weitere Sinnklärung des Wortes dadurch vorgenommen wird, wie es in der Definition Rosminis auftritt, denn es führt zu keinem Ergebnis die Definition Rosminis vom Recht mit dem Vorschlag Landis zu übersetzen. Im Ergebnis nach Landi würde sein Vorschlag eingefügt in die Definition Rosminis nämlich bedeuten, dass das Recht als facultas agendi als eine Aktion des Handelns11 zu verstehen sei. Weiter im Ergebnis führt die Feststellung Landis jedenfalls zu einer mehr pleonastischen Darstellung als inhaltlichen Erklärung. Seine Hinzufügung, dass das Wort Aktion in diesem Zusammenhang eine „wirkliche Macht des Handelns anzudeuten scheint“12, ist hilfreich für das Verständnis im allgemeinen, aber eben nicht als Argument für die Verwendung eines präzisierten Ausdrucks. Viel näherliegender ist es aber hier, Antonio Rosminis Kenntnis als Kanonist zu erwägen, wodurch er genaueste kirchenrechtliche Kenntnis der facultas als fundamentale kirchenrechtliche Rolle bei der Beurteilung von Rechtsakten in den Kategorien von Gültigkeit und Erlaubtheit hatte und hier für die Erlaubtheit immer eine facultas der legitimen Autorität Voraussetzungskriterium im ordentlichen Fall ist. Somit wird kirchenrechtlich die facultas als „Vollmacht“13 oder „Befugnis“14 oder „Fähigkeit, Befähigung“15 bzw. die facultas alternativa als „Ersatzbefugnis“16 sowie facultas docendi mit „Lehrbefähigung an einer Hochschule“17 von kirchenrechtlicher Seite im Singular oft und im Plural, facultates, als „die von einer oberen Instanz an die untere delegierten Rechte“18 durchgehend einheitlich im engen Wortsinn in deutscher Übersetzung wiedergegeben. Das italienisch wortgleiche facoltà wird inhaltlich beschrieben als „Vis; facultas […] potestas“19 in eben diesem engeren Wortsinn. Während im Lexikon für Kirchen- und Religionsrecht im Singular in unterschiedlicher Konstellation ausschließlich in diesem enger gefassten Bereich der Rechtsmaterie und mit Bezug auf die Kirche auch im Singular aussschließlich die Übersetzung mit „Befugnis“20 und im Rahmen der facultas habitualis für das 10
Vgl. Landi 2002, 42. Vgl. Landi 2002, 42. 12 Vgl. Landi 2002, 42. 13 Sleumer 1990, 325. 14 De Wall 2012, § 17, 32. 15 Lieberwirth 1996, 118. 16 Lieberwirth 1996, 118. 17 Lieberwirth 1996, 118. 18 Lieberwirth 1996, 118. 19 Bacci 1955, 256. 20 Hallermann 2019, 4. 11
44
2. Kap.: Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
katholische Kirchenrecht mit „Vollmacht“21 aufgefasst und übersetzt wird. Ebenso findet sich bei Chiappetta bei der ausführlichen Darstellung und Aufteilung der facoltà in die vom Kirchenrecht vorgesehenen Regelungsbereiche ausschließlich der Gebrauch im engen Wortsinn.22
II. Ergebnis Aus Gründen der präzisen Wortwahl und unter Berücksichtigung der Kumulation der Gründe, wie auch mangels einer entgegenstehenden Argumentation der Literatur scheint der Übertragung mit Befugnis der Vorrang zuzustehen. Gestützt kann diese Entscheidung zudem auf die u. a. übliche Übersetzungsmöglichkeit des Wortes facoltà als lateinischer Terminus technicus, facultas, wie er für Rosmini aus der Rechtssprache seiner Zeit als geläufig vorausgesetzt werden darf und auch in der Rechtsphilosophie Rosminis in diesem Zusammenhang der Begriffsdefinition mit Befugnis23 übersetzt werden kann. Zudem scheint die kirchenrechtliche selbstverständliche Gebräuchlichkeit der facultas als Befugnis, wie oben gezeigt, für Rosminis Umfeld als Priester und Kirchenrechtler als naheliegend und eine Alternative hätte daher schon von selbst zu einer näheren explizierten Präzisierung Anlass gegeben. Aus der Verbindung der facultas mit der Autorität innerhalb der Definition liegt es darüber hinaus ebenfalls aus inhaltlichen Gesichtspunkten des kontextuellen Rahmenverständnisses nahe, der Übersetzung von Ivo Höllhuber den Vorzug zu geben. Zudem überzeugt der Umkehrschluss der Alternativmöglichkeit, dass Rosmini für eine Intention, einen größten gemeinsamen Nenner hier festzusetzen, die Begriffe mit dem, wie oben gezeigten, weiten Bedeutungsumfang hätte verwenden können, was aber allen Anschein nach nicht seiner Intention noch dem kanonistischen Umfeld entsprach. Zuletzt scheint es auch dem Ziel einer Definition zuwiderzulaufen, Tautologien zu verwenden. Somit kann auf Grund der Kumulation der Argumente nur die Übertragung von facultas mit Befugnis überzeugen.
III. Die in der Grundstruktur verankerten Elemente des Rechts Erste Aussage Rosminis in der Rechtsdefinition ist die Bestimmung des Rechtes als Befugnis zur Handlung. Die Handlung steht bei Rosmini im Zentrum der Rechtsdefinition. Der übrige Teil der Definition, ist die nähere Präzisierung der zuvor genannten Handlung. Rosmini selbst legt die Zahl der Elemente des Rechts fest und stellt diese vor. Es sind erstens die subjektive Aktivität,24 zweitens die personale Aktivität,25 die vom 21
Hallermann 2019, 4. Vgl. Chiappetta 1986, 357–377. 23 Köstler, ohne Jahr, 158. 24 Vgl. Rosmini 1967, S. 109; Rosmini 1993a, 240. 25 Vgl. Rosmini 1967, S. 108; Rosmini 1993a, 239. 22
B. Erstes Rechtselement: Subjekt-Aktivität
45
Subjekt mittels eines rationalen Willens ausgeführt wird, drittens, die Ausübung dieser Aktivität, die für den Urheber nicht unnütz sondern gut sei,26 viertens, die Ausübung derselben Aktivität, die erlaubt ist, das heißt nicht im Gegensatz zum moralischen Gesetz steht.27 Das fünfte Element28 ist schließlich die Relation zu anderen rationalen Wesen, für die die Pflicht der Rücksichtnahme besteht, denn die Aktivität wird laut Definition durch das moralische Gesetz geschützt. Alle fünf Elemente sind bezogen auf die Handlung. Der zentrale Begriff der Handlung stellt kein eigenes Element dar, sondern die einzelnen Rechtselemente werden immer im Zusammenhang mit dem Handlungsbegriff dargestellt.
B. Erstes Rechtselement: Subjekt-Aktivität Im Folgenden sollen die essentiellen Elemente dargestellt und eingeordnet werden und ggf. in Verbindung mit den relevanten Abgrenzungen der inhaltlichen Auffassungen der Rechtsbegriffe gebracht werden, um so die Definition Rosminis einerseits weiter zu erschließen und andererseits seine Position innerhalb der rechtsphilosophischen Positionen herauszustellen. Rosminis Untersuchung beginnt mit dem ersten Element des Rechts,29 der „Aktivität eines Subjekts“30. Rosmini will diese subjektive Aktivität im weitesten Sinn des Wortes als Handlung verstanden wissen: Hier sei jedes Geschehnis des Gefühls des Subjektes umfasst, jede Aktivität und Aktualität.31 Zudem umfasse das Gefühl hier auch die Passivität.32 Dabei verweist Rosmini auf seine Ausführungen 26
Vgl. Rosmini 1967, S. 113; Rosmini 1993a, 252. Vgl. Rosmini 1967, S. 116; Rosmini 1993a, 256. 28 Vgl. Rosmini 1967, S. 118; Rosmini 1993a, 262. 29 Composta bezeichnet das erste Element lediglich als Handlung (vgl. Composta 1975, 222). Eine Bewertung Compostas im Sinn einer Zurückdrängung der Subjektivität zugunsten der Handlung kann dabei aber nicht beobachtet werden. Es ist wohl eher der Versuch, die zentrale Rolle des Handlungsbegriffs unter den fünf Elementen des Rechts sichtbar zu machen. Dabei eignet sich der erste Punkt der Subjektivität sicherlich am besten, um die Handlung, die ein Subjekt notwendigerweise voraussetzt, zu verorten. Diese Lösung Compostas lässt durch die notwendige Verbindung von Subjekt und Handlung die Subjektivität sicher am wenigsten in den Hintergrund treten, als wenn eine derartige Kombination mit anderen Elementen gewählt worden wäre. Allerdings läuft Composta hier Gefahr ggf. die zentrale Bedeutung aller Elemente zu verschieben, da er eben Handlung als eines unter den fünf Elementen nach Rosmini darstellt, statt alle Elemente, die den Rechtsbegriff bestimmen, um den Handlungsbegriff herum ordnet. So scheint es dem Vorhaben Rosminis gerecht der herrschenden Meinungen (vgl. Chiantella 1965, 96 ff.; Gargano 1952, 191 ff.; Orecchia 1955, 580 f.) zu folgen, die die einzelnen Rechtselemente in Verbindung mit der Handlung darstellt. Hierfür spricht, dass dadurch auch ggf. die Ähnlichkeit bzw. Unterschiedlichkeit der verschiedenen Rechtselemente deutlicher hervortritt. 30 Übers. d. Verf.: „attività di un soggetto“ (Rosmini 1967, S. 108); „activity of a subject“ (Rosmini 1993a, 239). 31 Vgl. Rosmini 1967, S. 108; Rosmini 1993a, 239. 32 Vgl. Rosmini 1967, S. 108; Rosmini 1993a, 239. 27
46
2. Kap.: Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
zur Anthropologie, wo von ihm dargestellt ist, dass die Existenz von Passivität im Subjekt nicht erfasst werden könne, ohne irgendeine korrespondierende Aktivität im Subjekt selbst.33 Damit soll verdeutlicht werden, dass es keinen Ausschluss von angenehmen passiven Gefühlen geben soll. Diese seien Effekte von Handlungen des Subjekts.34 Mit dem Festhalten am Subjekt-Begriff nimmt Rosmini eine entscheidende Weichenstellung für seine Rechtskonzeption vor. Er stellt sich damit in die philosophische Tradition seit Augustin und Boethius.35 Rosminis Schluss, den er aus dem ersten Element des Rechts, der Handlung e ines Subjekts, zieht, ist, dass das Recht immer als sein Subjekt eine Befugnis oder Handlung des Menschen habe.36 An dieser Erklärung merkt Rosmini selbst in einer Fußnote die Bedeutung, die er dem Subjekt zuschreibt, an, dass er hier unter dem Subjekt des Rechts die Person verstehe, die das Recht besitze.37 Gemäß der Tradition wurde die „Substantialität des personalen Seins […] Ausdruck für den absoluten Wert eines jeden Menschen in seiner individuellen Existenz.“38 Damit geschieht auch schon eine erhebliche Konkretisierung des Rechtsverständnisses, die im zweiten Element der personalen Aktivität von Rosmini noch näher erläutert wird.
C. Zweites Rechtselement: Personale Aktivität Die „personale Aktivität“39 stellt für Rosmini das zweite Element des Rechts dar.40
I. Auffassung Rosminis Für die Entfaltung dieses Elementes führt Rosmini selbst zu Beginn seiner Darstellung in seiner Rechtsphilosophie seine Persondefinition an. „Die Person […] ist das aktive höchste Prinzip eines intelligenten Subjekts“.41 33
Vgl. Rosmini 1967, S. 108 mit weiterem Verweis; Rosmini 1993a, 239 mit weiterem Verweis. Vgl. Rosmini 1967, S. 108; Rosmini 1993a, 239. 35 Dossi 2003, 245. 36 Vgl. Rosmini 1967, S. 108; Rosmini 1993a, 239. 37 Vgl. Rosmini 1967, S. 108 Fn. 1; Rosmini 1993a, 239 Fn. 152. Dagegen grenzt Rosmini die Basis des Rechts ab, die sich immer auf die Befugnis beziehe, vgl. Rosmini 1967, S. 108 Fn. 1; Rosmini 1993a, 239 Fn. 152. 38 Dossi 2003, 245. 39 Rosmini 1967, S. 109; Rosmini 1993a, 240. 40 Vgl. Rosmini 1967, S. 109; Rosmini 1993a, 240. 41 Übers. d. Verf.: „La persona […] è il principio attivo supremo d’un soggetto intelligente“ (Rosmini 1967, S. 109); „[…] the person is the supreme, active principle of an intelligent subject“ (Rosmini 1993a, 240). 34
C. Zweites Rechtselement: Personale Aktivität
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1. Intelligenz und Wille Personale Aktivität wiederum setzte Intelligenz voraus, was der Wille im Subjekt sei, der das Subjekt determiniere, als eine Konsequenz der von den Dingen empfangenen Erkenntnis.42 2. Keine physische bloß instinktive Aktion Ein blinder Instinkt könne aus sich selbst kein Recht konstituieren.43 Für die Etablierung der Existenz eines Rechtes bewertet Rosmini eine bloße physische Aktion, wie sie im materiellen Sein und im blinden sensualen Instinkt der Tiere vorzufinden ist, als insuffizient.44 3. Autor und Herr der Handlungen: Mensch Voraussetzung für die Existenz von Recht sei Intelligenz und als Konsequenz der Intelligenz im Menschen der Wille. Dieser habe exklusiv die Kraft, Handlungen gemäß der Intelligenz zu determinieren und gebe so dem Menschen die Prärogative, Autor und dadurch Herr seiner Handlungen zu sein.45 4. Keine Rechtsfähigkeit der Tiere Dagegen bewertet Rosmini die Auffassung der römischen Gesetze, nach welchen Tiere rechtsfähig seien, als Irrtum.46 Tiere seien nicht rechtsfähig.47 Grund hierfür, dass sie nicht rechtsfähig seien, sei die Unmöglichkeit, Herrschaft über ihre Hand-
42
Vgl. Rosmini 1967, S. 109; Rosmini 1993a, 240. Vgl. Rosmini 1967, S. 109; Rosmini 1993a, 240. 44 Vgl. Rosmini 1967, S. 109; Rosmini 1993a, 241. 45 Vgl. Rosmini 1967, S. 109; Rosmini 1993a, 241. 46 Vgl. Rosmini 1967, S. 109; Rosmini 1993a, 242. 47 Für Rosmini scheint diese These von brisanter Wichtigkeit, da er umfassend die Hintergründe für das Zustandekommen der Forderung der Rechtsfähigkeit von Tieren darstellt und dann eben im Ergebnis verneint: Er wendet sich gegen eine sophistische Herabsetzung des Menschen auf das Niveau von Tieren (vgl. Rosmini 1967, S. 1011; Rosmini 1993a, 243), wie auch gegen Theorien, Rohheit und Grausamkeit im Menschen dadurch zu diminuieren, indem den Tieren Rechtsfähigkeit zugesprochen werde, damit der Mensch auf einer ersten Stufe die Tiere nicht schlecht behandle und sich dieses Verhalten dann auf der zwischenmenschlichen Ebene positiv auswirke (vgl. Rosmini 1967, S. 111; Rosmini 1993a, 244). Zur Unterstützung seiner eigenen These, die er als gegenläufig zu früheren Traditionen erkennt, führt Rosmini die allgemeine Überzeugung zur Zeit Hesiods an, zu der man Gerechtigkeit, Gesetz und Recht im Hinblick auf den Menschen (vgl. Hesiod 2007, 276) allein betrachtete (vgl. Rosmini 1967, S. 111; 43
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2. Kap.: Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
lungen auszuüben. Somit fehle bei Tieren diese Kapazität als Voraussetzung für das Recht.48 Grund für diese frühere Auffassung sei aus Rosminis Sicht, dass man nur das Element der subjektiven Handlung und nicht das der personalen Handlung einbezogen habe.49 5. Ratio Entscheidend sei bei der Diskussion über die Rechtsfähigkeit von Tieren der Besitz der Ratio, wonach Systeme, wie Seelenwanderung, Weltseele oder eine auf alle Glieder der Natur verteilte Göttlichkeit, nicht zuerst gefragt hätten.50 Dort brach nämlich die Diskussion über Rechte von Tieren erst durch die Fragestellungen der Existenz der Ratio bei Tieren los.51 6. Freie Handlung Schließlich merkt Rosmini zum zweiten Element des Rechts noch an, dass dieses eine personale und freie Handlung sei,52 und es für die Bejahung des Kriteriums der Beherrschbarkeit einer Handlung ausreiche, dass die Aktion ihrer Natur nach zur Beherrschbarkeit des Menschen gehöre.53 Wird die Handlung einer Person, A, durch eine andere Person, B, behindert und dadurch ein Recht der Person, A, verletzt, bleibt die Handlung dennoch der Natur nach Handlung der Person, A. Die Natur der Handlung hänge nicht eigentümlich an einer Freiheit der Indifferenz, sondern an der Personalität des Prinzips, aus dem sie hervorgehe.54
Rosmini 1993a, 244), da schließlich das Gesetz dem Menschengeschlecht von Zeus / Jupiter gegeben worden sei, indem Zeus seine Bestimmungen als „Gesetz […] unter den Menschen“ anordnete (Hesiod 2007, 276). 48 Hieran knüpft Rosmini die These, dass den Auffassungen, die die Rechtsfähigkeit der Tiere vertraten, die klare Idee von dem fehlte, was Recht konstituiere. Zum Beweis für dieses gänzliche Fehlen weist er auf Überlegungen in Theorien hin, die den Tieren Rechtsfähigkeit zusprachen und in ihrem System das gesetzmäßige Vorgehen bei der Bestrafung von Tieren behandelten (vgl. Rosmini 1967, S. 110; Rosmini 1993a, 242). 49 Vgl. Rosmini 1967, S. 109; Rosmini 1993a, 242. 50 Vgl. Rosmini 1967, S. 110; Rosmini 1993a, 242. Hier verweist Rosmini u. a. auf Pufendorf und damit inhaltlich auf dessen umfassende Zusammenstellung „de facultate humani generis in res“, vgl. Pufendorf 1998, 4, 3). 51 Vgl. Rosmini 1967, S. 111; Rosmini 1993a, 244. 52 Vgl. Rosmini 1967, S. 111; Rosmini 1993a, 245. 53 Vgl. Rosmini 1967, S. 111; Rosmini 1993a, 245. 54 Vgl. Rosmini 1967, S. 111; Rosmini 1993a, 245.
C. Zweites Rechtselement: Personale Aktivität
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II. Position Rosminis in der Literatur 1. Der Zusammenhang von Recht und Person Der enge Zusammenhang, in dem Recht und Person im philosophischen System Rosminis erscheinen ist als solcher übereinstimmend anerkannt: Bei Rosminis Definition des Rechts, die im Zusammenhang mit seinem philosophischen System steht, erscheint das Hauptproblem der Erforschung der Essenz des Rechtes auf das engste verbunden mit der Anthropologie:55 2. Rosminis Persontheorie In der gegenwärtigen Literatur gilt der Personbegriff Rosminis als im „wesentlichen geklärt“56. Soweit dies für die in dieser Untersuchung ausschlaggebenden Fragen nach dem Personbegriff zutrifft, kann daher auf die Ergebnisse der Literatur verwiesen werden. Übereinstimmend ist insgesamt festzuhalten, dass Rosmini eine komplexe philosophische Konstruktion zum Personbegriff in seinen Werken zur Anthropologie57, Psychologie58 und Theosophie59 erstellt.60 Dabei fällt zunächst besonders auf, dass er eine Vielzahl von Definitionen (erheblich mehr als dies beim Rechtsbegriff der Fall ist) zum Personbegriff liefert. Die Tatsache des Vorliegens der Vielzahl von Definitionen wird in einer neueren Bearbeitung als eine besondere Stärke Rosminis gewertet, der dadurch keinen Aspekt der komplexen Realität unberücksichtigt lasse.61 3. Person als höchstes aktives Prinzip Die Formulierung der Person als ‚höchstes aktives Prinzip‘62 umschreibt Ferrarese mit „Prinzip der Handlung des Seins in einem intelligenten Individuum“63. Dossi will das aktive und höchste Prinzip Rosminis als Ausdruck von Relationalität und Dynamik verstanden wissen.64
55
Vgl. Ferronato 1998, 27. Dossi 2003, 249. 57 Vgl. Rosmini 1981; Rosmini 1991. 58 Vgl. Rosmini 1988. 59 Vgl. Rosmini 1998. 60 Die Bedeutung der Konzeption der Person im Denken Rosminis wurde bereits mehrfach untersucht, vgl. Ferronato 1998, 28 Fn. 3 mit umfangreichen Nachweisen. 61 Vgl. Ferronato 1998, 29, jedoch ohne nähere Untersuchung der Definitionen und ohne vergleichende Analyse derselben. 62 Vgl. Rosmini 1967, S. 109; Rosmini 1993a, 240. 63 Ferrarese 1967, 207. 64 Dossi 2003. 245. 56
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2. Kap.: Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
a) Aktives Prinzip Zum einen handelt es sich auch hier, wie beim Rechtsbegriff, um ein aktives Prinzip.65 Die Bedeutung dieser Aktivität ist, wie in der Literatur66 hierzu angemerkt wird, weit zu verstehen, im Sinn von „Handlungen […] Dispositionen des Individuums – und somit letztlich sein ganzes Sein“67, was sich ganz mit den eigenen Erklärungen Rosminis deckt,68 wie Dossi zeigt,69 und diese lediglich noch veranschaulichend entfaltet.70 Damit ist der Begriff der Aktivität im Personverständnis kongruent mit der Aktivität, wie sie Rosmini im ersten Element des Rechtsbegriffs im Rahmen der Aktivität eines Subjekts,71 wie oben gezeigt, fasst. Weiter wird inhaltlich im Element, aktiv, eine Relation „dynamischen Charakters“72 erkannt als eine „Übermittlung von Aktivität“73 und so wird das personale Prinzip „Bezugspunkt und Quelle jedweder Aktivität des Individuums“74. b) Höchstes Prinzip Neben dem aktiven Prinzip spricht Rosmini vom höchsten Prinzip beim Personbegriff.75 Kein anderes Prinzip im Individuum existiere, das höher sei und alle anderen Prinzipien können nur in Abhängigkeit zum höchsten Prinzip subsistieren.76 Erklärungen in der Literatur weisen lediglich auf die „Stellung der Vorherrschaft“77 „als Spitze der ontologischen Konstitution des Menschen“78 bzw. Abhängigkeiten der Prinzipien im Individuum hin, ohne auf die Bedeutung der Prinzipien selbst weiter einzugehen.79 Eine nähere Erklärung, was unter dem Prinzip selbst zu ver
65
Vgl. Rosmini 1967, S. 109; Rosmini 1993a, 240. Ferronato 1998, 32. 67 Dossi 2003, 245. 68 Vgl. hierzu die Ausführungen Rosminis in seiner Anthropologie in Bezug auf den Person begriff: „Che dee essere un principio attivo, intendendo la parola attività nel suo significato piu esteso, nel quale ella abbraccia, in qualche modo, anche la passività, sicchè la persona è quel principio a cui si referisce e da cui parte ultimamente tutta la passività e tutta l’attività dell’indi viduo“ (Rosmini 1981, 834); „An active principle – ‚activity‘ here should be understood in its widest sense, which in a way includes passivity. Person is the principle to which, as the ultimate source, all the individual’s passivity and activity is referred“ (Rosmini 1991, 834). 69 Vgl. Dossi 2003, 245. 70 Ferronato 1998, 32. 71 Vgl. Rosmini 1967, S. 108; Rosmini 1993a, 239. 72 Dossi 2003, 245. 73 Dossi 2003, 245. 74 Dossi 2003, 245. 75 Vgl. Rosmini 1967, S. 109; Rosmini 1993a, 240. 76 Vgl. Ferronato 1998, 32. 77 Dossi 2003, 246. 78 Dossi 2003, 246. 79 Vgl. Dossi 2003, 246; vgl. Ferronato 1998, 32. 66
C. Zweites Rechtselement: Personale Aktivität
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stehen sei, findet sich nicht näher begründet80 oder entfaltet.81 Über die Konstruktion der offenen Bedeutung dieses Prinzips und die Konsequenzen für den Personbegriff schweigt die Literatur, insofern erscheint es fraglich, ob der oben erwähnten wesentlichen Klärung des Personbegriffs umfassend zugestimmt werden kann. Rosmini selbst lässt der Erklärung der Abhängigkeiten des höchsten Prinzips, die zunächst eher tautologisch anmutet, im nächsten Absatz eine Bedeutungserklärung zumindest für höchstes folgen, indem er anmerkt, dass höchstes im Sinn von „unabhängig“82 verstanden werden könne.83
III. Analyse zum zweiten Rechtselement Rosminis Nach diesem Blick auf den Stand der Literatur soll im Folgenden das zweite Element des Rechts näher analysiert werden.
80
Lediglich Dossi liefert als Erklärungsvorschlag einen etymologischen Ansatz mit einer Subsumption, jedoch ohne weitere Begründung oder Problematisierung: „Der Begriff ‚Prinzip‘ impliziert die Beziehung zu einem principatum, d. h. in diesem Fall zu den anderen Dimensionen des Menschseins“ (Dossi 2003, 245). 81 Ebenso findet sich auch bei Rosmini selbst keine konkrete Erklärung, was dieses höchste Prinzip ist. Rosmini verweist lediglich auf die Abhängigkeiten: „Che dee essere un principio supremo, cioè tale che nell’individuo non se ne trovi altro che gli stia sopra onde egli mutui l’esistenza; anzi tale, che se vi sono nell’individuo degli altri principj, questi dipendono da lui e non possono sussistere in quell’individuo se non pel nesso che hanno con lui“ (Rosmini 1981, 834); „A supreme principle, such that nothing is present in the individual which is superior to this principle and changes its existence. If other principles are present, they must depend on the supreme principle and subsist in the individual through their bond with the individual“ (Rosmini 1991, 834). 82 Übers. d. Verf.: „indipendente“ (Rosmini 1981, 835); „independent“ (Rosmini 1991, 835). 83 Vgl. hierzu auch die nähere Erklärung Rosminis aus seiner Anthropologie: „Nel che si consideri, che il principio personale chiamasi supremo, per escludere ogn’altro che gli stia sopra, non perchè egli debba averne necessariamente degli altri che gli stiano sotto, come portrebbe far credere la parola supremo, che pare involgere una relazione con qualche cosa d’inferiore. Nè tuttavia crediam vietato in una formola generale il dirsi supremo a ciò che potrebbe restare anche unico: come dicendosi il primo, può intendersi anche di un solo, non essendovene altri. Tuttavia a chi piacesse potrebbe sostituiere alla parlola supremo, quella d’indipendente, o tal altra somigliante“ (Rosmini 1981, 835); „Note that the personal principle is called supreme not because it must have other principles below it, but because it excludes any principle above it. The word ‚supreme‘ could give the impression of having something below it since it seems to imply a relationship with something lower. But to call supreme that which could in fact be unique cannot be unacceptable – ‚first‘, for example, can mean one without reference to others. However, ‚supreme‘ could be substituted by ‚independent‘, or something similar“ (Rosmini 1991, 835).
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2. Kap.: Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
1. Person als höchstes aktives Prinzip Hierbei ist an dem rosminischen Definitionsmoment, der Person, als dem höchs ten aktiven Prinzip, erst als solchem anzusetzen und dann nach dessen Bedeutung für den Rechtsträgerkreis in einem zweiten Schritt zu fragen. Hieran schließen sich in einem dritten Schritt die daraus unmittelbar resultierenden Abgrenzungskriterien des Rechtsträgerkreises an, worauf als vierter Schritt die innere Spannung der Problematik des Personkriteriums bei Rosmini im Blick auf den Rechtsbegriff herauszustellen sein wird. Danach soll die Diskursfähigkeit der rosminischen Position exemplarisch dargestellt werden, um dann eine erste Auswertung der Haltbarkeit der rosminischen Argumente für das zweite Rechtselement durchzuführen. 2. Anthropologisch, juristisch oder theologisch geprägter Personbegriff in Rosminis Rechtsphilosophie Die aussagekräftigste, da detaillierteste, Definition der Person als „substantielles und vernünftiges Individuum, sofern es ein aktives, höchstes und unübertragbares Prinzip enthält“84, die Rosmini auch in seiner Rechtsphilosophie verwendet, hat er bereits in seiner 1838 veröffentlichten Anthropologie 85, also drei Jahre vor Beginn des Erscheinens seiner Rechtsphilosophie, vorgelegt. In der italienischen Fassung der Rechtsphilosophie, „Person ist das aktive höchste Prinzip eines intelligenten Subjekts“,86 liegt im Vergleich zu den Persondefinitionen in der italienischen Fassung der Anthropologie, „substantielles und intelligentes Individuum, sofern es ein aktives, höchstes und unübertragbares Prinzip enthält“87 und „intellektives Subjekt, soweit es ein höchstes aktives Prinzip enthält“88 Identität hinsichtlich der Formulierung eines höchsten aktiven Prinzips und den Bestandteilen von Subjekt und dem, wenn auch unterschiedlich formulierten jedoch durchgängig vorhandenen Bezug des Subjekts zum Verstand in den Formen von Intelligenz oder Intellekt, vor. Lediglich in der weiteren Einkleidung in den Zusammenhang sind geringfügige sprachliche Variationen enthalten, die sich beispielsweise aus der Position der jeweiligen Definition innerhalb der Anthropologie
84 Übers. d. Verf.: „un individuo sostanziale intelligente, in quanto contiene un principio attivo, supremo, ed incomunicabile“ (Rosmini 1981, 832); „substantial, intelligent individual in so far as the individual contains a supreme, active and incommunicable principle“; (Rosmini 1991, 832). 85 Vgl. Rosmini 1981; Rosmini 1991. 86 Übers. d. Verf.: „persona […] è il principio attivo supremo d’un sogetto intelligente“ (Ros mini 1967, 109). 87 Übers. d. Verf.: „individuo sostanziale intelligente, in quanto contiene un principio attivo, supremo, ed incomunicabile“ (Rosmini 1981, 832) 88 Übers. d. Verf.: „sogetto intelletivo in quanto contiene un principio attivo supremo“ (Ros mini 1981, 769).
C. Zweites Rechtselement: Personale Aktivität
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ergibt, womit Schwerpunkte explikative Entfaltung, wie etwa zum menschlichen Subjektbegriff am Anfang des vierten Buches der Anthropologie, über das menschliche Subjekt, beinhalten. Ebenso spiegeln dies die englischen Übersetzungen von Cleary und Watson wider. Hier gibt es zu den Definitionen der Person in der Anthropologie89 im Vergleich zu der Persondefinition in der Rechtsphilosophie90 geringfügige sprachliche Abweichungen. Hinweise auf eine inhaltliche Bedeutungsänderung zwischen dem Personbegriff der Anthropologie und der Rechtsphilosophie Rosminis liegen damit jedenfalls nicht vor. Bei einer allgemein-systematischen Durchsicht von Rosminis Werk ist jedenfalls als Ergebnis der Suche nach der Persondefinition insgesamt festzuhalten, dass Rosmini ungefähr 40 verschiedene Fassungen zu einem einheitlichen Personbegriff liefert.91 Die Fassungen unterscheiden sich in Umfang und damit zusammenhängend in Präzision. Sie sind jedoch aber immer auf denselben Aussagegegenstand fokussiert und handeln damit nicht von verschiedenen Personbegriffen. Damit erscheint auch hier die eingangs erwähnte Vorgehensweise Rosminis im Bereich der Suche nach der Definition des Begriffes, Recht, sich als Methodik herauszustellen, dass für denselben Begriff nebeneinander inhaltlich nur in Präzision und SchwerpunktVerschiedenheit ein inhaltlich kongruenter Begriff erklärt wird. In der Literatur wurde, wie oben gezeigt, diese Tatsache bisher als Stärke Rosminis, die vielen Aspekte der komplexen Realität einzufangen, bewertet. Da eine systematische Verbindung der Aspekte in den verschiedenen Definitionen durchaus besteht und die komplexe Realität nicht kumulativ mit allen Definitionen ggf. erfassbar erscheinen mag, sondern schon die einzelnen Definitionen die komplexe Realität nach unterschiedlichen Schwerpunkten zu erfassen geeignet erscheinen, wenn auch in unterschiedlichem Grade der Präzision, kann das Vorgehen Rosminis mit der Schaffung von mehreren Definitionen in dieser Hinsicht durchaus als Stärke gewertet werden.92 Aber besonders treffend für diese Stärke ist nicht die Tatsache an sich, dass die unterschiedlich ausführlichen Definitionen immer andere Merkmale der komplexen Realität unterschiedlich intensiv einfangen, sondern dass unter Einbeziehung dieser komplexen Realität sowohl bei der Persondefinition als auch bei der Rechtsdefinition jeweils eine einheitliche Definition als Substrat zugrunde liegt. Damit erscheint die Vielzahl von Definitionen 89 „Person is ‚an intellective subject in so far as it contains a supreme, active principle‘“ (Rosmini 1991, 769); „Person can be defined as ‚an intelligent subject‘. A more exact definition would be: ‚Person is a substantial, intelligent individual in so far as the individual contains a supreme, active and incommunicable principle‘“ (Rosmini 1991, 832). 90 „Person ist the supreme, active principle of an intelligent subject“ (Rosmini 1993a, 240). 91 Vgl. Riva, 355. 92 Soweit im Ergebnis übereinstimmend mit Ferronato 1998, 29.
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2. Kap.: Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
als ein Beweis, dass in dem einen Substrat eine Vielzahl von Aspekten enthalten ist und sich alle auf dieses Niveau abstrahieren lassen, was sich wohl im Ergebnis als Methode und dadurch auch als Stärke Rosminis erweist, im Gegensatz zur bisherige Annahme in der Literatur, dass die Stärke Rosminis mit der Vielzahl der Definitionen schon darin bestehe, dass er damit die komplexe und reiche Wirklichkeit erfasse.93 Denn diese Beobachtung allein könnte zu dem Vorwurf führen, dass Rosminis Definitionen eigentlich keine Definitionen, sondern nur verschiedene Beschreibungen jeweils einzelner Merkmale eines Begriffs sind, was sie ja eben nicht sein wollen, da Rosmini selbst seine umfassenden Begriffsbestimmungen jeweils als „Definition“94 bezeichnet. 3. Ergebnis: Anthropologischer statt juristischer oder theologischer Personbegriff Inhaltliche Bedeutungsunterschiede des Personbegriffs in der Anthropologie und der Rechtsphilosophie Rosminis sind nicht gegeben. Wenn im Ergebnis auch unspektakulär, so dient dieses Faktum jedenfalls für das Rechtsbegriffsverständnis dazu, dass keine Rückschlüsse aus einem differenzierten Personverständnis für den Rechtsbegriff hier zu beachten sind, was aber durchaus im Bereich des Klärenswerten gelegen ist, da so auch zu sehen ist, dass Rosmini, und dies ist wiederum für den Rechtsbegriff von Bedeutung, keine Differenzierung oder geschweige denn eine ggf. erwartete Reduktion oder Präzision seines anthropologischen Personbegriffs für das Recht vornimmt, indem er sich hier nicht auf einen juristischen oder theologischen Personbegriff fokussiert. 4. Bedeutung des höchsten aktiven Prinzips im Personbegriff für den Rechtsbegriff Was ist nun unter dem höchsten aktiven Prinzip als Bestandteil der Definition der Person als ein intellektives Subjekt, soweit es ein höchstes aktives Prinzip be inhaltet,95 zu verstehen. Das Verständnis der Person als höchstes aktives Prinzip hat bisher keine überzeugenden Lösungen für die eigentliche Bedeutung bzw. das Verständnis des Prinzips als solches, von dem Rosmini hier spricht, erbracht. Die Tatsache, dass Rosmini seiner Persondefinition eine Reihe von Erklärungen beifügt, aber das Prinzip selbst ohne weitere Ausführung stehen lässt und lediglich 93
Soweit im Ergebnis übereinstimmend mit Ferronato 1998, 29. Übers. d. Verf.: „definizione“ (Rosmini 1967, S. 103); „definition“ (Rosmini 1993a, 224). Vgl. hierzu auch Rosmini 1981, 832, 834; Rosmini 1991, 832, 834. 95 Vgl. Rosmini 1981, 769; Rosmini 1991, 769. 94
C. Zweites Rechtselement: Personale Aktivität
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dessen Adjektiv höchstes erklärt, mag zu verschiedensten spekulativen Theorien noch Anlass geben, eine weitere Bedeutungserklärung des zweiten Elements des Rechts kann hier jedoch nicht weiter authentisch aufgefunden werden. Insgesamt wäre aber gerade dies von entscheidender Bedeutung für den Rechtsbegriff, um zu sehen, auf welches Prinzip sich das Recht in seinem zweiten definitorischen Merkmal nun eigentlich stützt. Hier öffnet sich eine Frage, die das Risiko einer doppelten Schwachstelle für die Rechtsphilosophie Rosminis in sich bergen könnte. Zum einen führt Rosmini für seinen Leser in der Rechtsphilosophie die personale Aktivität als definitorisches Element des Rechts ein, und setzt dessen Bedeutung wohl nicht nur konkludent, da ohne Verweis, als systemkonform zu früheren Werken, dafür aber mit einer Kurzerläuterung voraus. Zum anderen lässt er im Ergebnis die Aufschlüsselung der genauen Bedeutung des zweiten Elements des Rechts hinsichtlich des höchsten Prinzips im Personbegriff bis zu einem gewissen Grad offen, so dass eine Art Generalklausel mit der Formulierung des so genannten höchsten Prinzips entsteht, auf das das Recht nun in seinem zweiten Element gegründet ist. Eine Lösung dieser Fragestellung könnte in einer Analogie zu den Ausführungen Dossis zu Rosminis Definition der Person zu finden sein:96 Dossi stellt mit Blick auf Rosminis Verwendung der Begrifflichkeiten, Personalität, personales Element, personales Prinzip, „einfach auch die Person“97 nebeneinander in eine Reihe zur Erklärung der Personalität, wie austauschbare Äquivalente.98 Will man von einem derart weit gespannten Bogen der Wortwahl für ein und dieselbe Sache ausgehen, wird man analog hierzu auch bei dem höchsten Prinzip weiter hinsichtlich des Prinzips keine Öffnung im Begriff zwingend erachten, sondern das Prinzip lediglich gleichsam als Zuordnungsbereich oder Element verstehen können. Für eine solche Interpretation von Prinzip könnten auch die Ausführungen Rosminis selbst in der Philosophie der Politik99 sprechen, in der analog zu unserer Ausgangsfrage das personale Prinzip des Menschen als ein „Element“100, das er dann näher entfaltet, qualifiziert ist. Dossi selbst weist in einem ähnlich gelagerten Zusammenhang, jedoch in abstrakter Weise, auf die Problematik der Terminologie Rosminis, unter der er auch generell den Ausdruck „Prinzip“101 als „schwer fassbar“102 qualifiziert, hin, mit dem Ergebnis, dass Rosmini durch diese Verwendung wohl eine komplexere Rea-
96
Dossi 2003, 240 ff. Dossi 2003, 242. 98 Dossi 2003, 242. 99 Vgl. Rosmini 1999. 100 Rosmini 1999, 154. 101 Dossi 1999, 243. 102 Dossi 2003, 243. 97
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2. Kap.: Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
lität aufzeigen will.103 Dennoch steht im Ergebnis die Feststellung der Notwendigkeit der rosminischen Terminologie mit dem Verweis auf die komplexere Realität durch das Eingebundensein der Person in das ontologische Prinzip von Freiheit und Verantwortung. Damit ist die oben dargelegte konkrete Frage nach der genauen Bedeutung des Prinzips nicht gestellt und noch weniger beantwortet, jedoch schon auf deren Notwendigkeit hingewiesen und deren komplexe Struktur angedeutet, was mit Blick auf die Interpretationsmöglichkeit, hier ein generalklausuliertes Element zu sehen, alles andere als einen Widerspruch hervorriefe. 5. Konstitutive Personbedeutung trotz generalklausulierter Öffnung im Personbegriff Für die Bedeutung des Rechtsbegriffs ergibt sich jedenfalls, dass Rosmini ihn u. a. Elementen auf die personale Aktivität gründet: Dabei bleibt die konstitutive Bedeutung der Person für das Recht unangefochten, auch wenn, wie oben dargestellt, der Personbegriff durch die klausulierte Öffnung im höchsten Prinzip eine ggf. gewisse Unschärfe beinhaltet. Die Unschärfe des Personbegriffs, die mit der obigen Konkretisierungsuntersuchung dargelegt ist, wirft die Frage nach der Bedeutung des Personelements für den Rechtsbegriff nun in einem neuen Licht auf: Inwieweit kann ein Element konstitutive Bedeutung für den Rechtsbegriff haben, das selbst nicht abschließend dargestellt ist und somit auch nicht eine abschließende Erklärung für den Rechtsbegriff liefern kann? Auf Grund der Konzeption Rosminis, in der das höchste Prinzip des personalen Elements eben lediglich neben weiteren Ausführungen zu diesem zweiten Element erscheint, ist diese Unschärfe nicht Klärungslücke für das ganze Element, da noch weitere konkretisierende Ausführungen Rosminis vorhanden sind: Das personale Element wird von Rosmini im Gegensatz zum Merkmal höchstes Prinzip noch durch weitere Begriffe gekennzeichnet, so dass das Element insgesamt eine erhebliche Konkretisierung erfährt und so von einer Begriffsklärung auszugehen ist, die ein Definitionsklärung wagt, ohne einen Anspruch zu erheben, die Begrifflichkeit abschließend fassen zu können. Eine Degradierung der Relevanz des zweiten Rechtselements für die konstitutive Bedeutung der Person für das Recht scheint somit keine Rechtfertigung finden zu können. So kann die konstitutive Bedeutung der Person für die Konzeption des rosminischen Rechtsbegriffs in diesem Punkt nicht in Abrede gestellt werden. 103 Vgl. Dossi 2003, 243.: „Dennoch erweisen sie (= die Ausdrücke: Basis, Fundament, Subjekt, Prinzip – OH) sich […] nicht als überflüssig, weil Person eben nicht […] ein Individuum ist, welches de facto frei und verantwortlich ist (denn unter dieser Voraussetzung wäre ein Schlafender, ein Neugeborener oder ein Verrückter keine Person), sondern weil die Person das ontologische Prinzip von Freiheit und Verantwortung bezeichnet“.
D. Drittes Rechtselement: Handlungswert
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D. Drittes Rechtselement: Handlungswert104 Das dritte Element des Rechts ist für Rosmini ein „existierendes Wohl in der Handlung“.105
I. Auffassung Rosminis Die Begriffe, Wohl, Gut oder angenehme Sache, will Rosmini „unter dem eudämonologischen Aspekt“106 verstanden wissen. 1. Die Existenz eines Gutes in der Handlung Rosmini postuliert den konstitutiven Zusammenhang zwischen Recht und eudämonologischem Element. Das dritte Element als definitorisches Merkmal des Rechtsbegriffs ist die Existenz eines Gutes in der Handlung. Hat eine Aktion überhaupt keinen Wert für den, der die Aktion ausführt und auch keinerlei angenehme Konsequenz, dann kann diese Aktion nach Rosmini auch kein Objekt eines wahren Rechtes sein.107 Damit muss sich das Recht immer auf ein Gut beziehen, auf eine angenehme Sache für die menschliche Natur.108 Eine reine Laune könne niemals Objekt irgendeines Rechts sein.109 2. Ausgestaltung des eudämonologischen Elements Rosmini beschreibt den eudämonologischen Aspekt als Satisfaktion in der natürlichen Relation oder als Glückseligkeit. Das Gut kann auch ein moralisches Gut sein, weil auch das moralische Gut in seinen Konsequenzen eine natürliche Ordnung auf Satisfaktion und Glückseligkeit habe.110
104 Freie Widergabe des Verfassers: „un bene esistente nell’azione“ (Rosmini 1967, S. 113); „some good present in the action“ (Rosmini 1993a, 252). Originaltextgetreuer aber dafür holprig im Deutschen kann hier „Existierendes Wohl in der Handlung“ übersetzt werden. 105 Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, S. 113; Rosmini 1993a, 252. 106 Übers. d. Verf.: „sotto l’aspetto eudemonologico“ (Rosmini 1967, S. 114); „from the eudaimonological point of view“ (Rosmini 1993a, 252). 107 Vgl. Rosmini 1967, S. 113; Rosmini 1993a, 252. 108 Vgl. Rosmini 1967, S. 114; Rosmini 1993a, 252. 109 Vgl. Rosmini 1967, S. 114; Rosmini 1993a, 252. 110 Vgl. Rosmini 1967, S. 114; Rosmini 1993a, 252.
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2. Kap.: Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
3. Einschränkung des eudämonologischen Elements auf Personalität Rosmini bezieht sich dabei immer auf „unsere“ Glückseligkeit oder „unsere“ Satisfaktion. Damit ist eine Einschränkung auf die menschliche Relation gegeben, die sich schon darin bemerkbar machte, dass er Bezug auf eine für die menschliche Natur angenehme Sache, wie oben erwähnt, nimmt. Damit setzt sich die Linie konsequent fort, die für die Rechtsträgerschaft die Exklusivität der menschlichen Natur postuliert unter dem Kriterium der Personalität. Nun richtet Rosmini unter dem eudämonologischen Aspekt seinen Blick vom Subjekt des Rechtsträgers auf die Objekte des Rechts im weiteren Sinn. Ein eudämo nologischer Bezug zum Recht wird konstitutiv für das Recht. Dabei ragt unter der Konstruktion Rosminis hervor, dass dieser eudämonologische Referenzpunkt auf den Menschen ausgerichtet sein muss. Ist dies nicht der Fall, will Rosmini hier kein Recht erkennen. Der Mensch erhält dadurch nicht nur Rechtssubjektivität, sondern eben auch im weiteren Sinne immer auch Rechtsobjektivität. In der juristischen Handlung sieht Rosmini einen eudämonologischen Inhalt, soweit sie sich auf etwas Gutes, auf eine dem Subjekt inhärente Nützlichkeit bezieht, ohne dass das Subjekt an etwas beraubt wird. Das Gute ist im eigentlichen Sinne das Objekt der juristischen Befugnis. Dies bedeutet aber keine Reduzierung des Rechts auf Nützlichkeit.111
II. Position Rosminis in der Literatur Das von Rosmini festgesetzte Gut als drittes Rechtselement, berührt für Chiantella den vervollkommnenden und spirituellen Aspekt des Menschen:112 Danach gebe es kein juristisches Gut oder Ziel, wenn das subjektive eudämonologische Element fehle, wobei aber die Qualifikation des Gutes als juristisches Element nicht davon abhängt, ob es als solches vom Subjekt gewollt ist, sondern, ob es mit einem objektiven ontischen Wert in der Aktuierung der Handlung des Subjekts verbunden ist.113 Rosmini sehe das eudämonologische Element im eigentümlichen Gut einer ethischen Handlung, woran sich für Chiantella die Frage nach dem Charakteristikum für das juristische Gut stellt:114 Dabei grenzt er zunächst die Eudämonie bei Rosmini negativ ab. Eudämonie ist nicht Ökonomie bei Rosmini. Positiv formuliert Chiantella Eudämonie als subjektives Element der Glückseligkeit, das als Komponente auch in die ökonomischen Handlung Eingang findet.115 111
Vgl. Orecchia 1955, 581 Fn. 15. Vgl. Chiantella 1965, 101. 113 Vgl. Chiantella 1965, 101. 114 Vgl. Chiantella 1965, 101. 115 Vgl. Chiantella 1965, 101 Fn. 38. 112
D. Drittes Rechtselement: Handlungswert
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III. Analyse zum dritten Rechtselement Rosminis Die Erwähnung eines eudämonologischen Elements bei Rosmini wirft zunächst grundsätzlich die Frage nach der Einordnung von Eudämonologie in allgemein philosophischen Kontext mit der Frage nach Übereinstimmungen und Unterschieden auf.116 1. Ursprung des eudämonologischen Aspekts: Der klassische Eudämoniebegriff im Spiegel der rosminischen Verwendung Neben ersten Zusammenhängen zwischen Recht und Eudämonie liegen für die Bedeutung der Eudämonie zunächst erste Entwürfe schon in der Antike vor: Bei den Vorsokratikern wurde der Begriff der Eudämonie zuerst nicht mehr als äußere Verfassung, sondern zur Beschreibung des Zustands der Verfassung innerer Güter verwendet.117 Mit Plato wird Eudämonie als Bestandteil der Ethik abgehandelt, wobei der konkrete Inhalt noch unbestimmt lediglich als Handlungsziel angeführt ist.118 Seit Plato und Aristoteles findet sich die Eudämonie als Gegenstand der Ethik eingeordnet. Ethik wird bei Aristoteles als „‚gut leben und gut gehen‘ […] als […] Ziel in sich“119 betrachtet. So ist der Eudämoniebegriff des Aristoteles dem von Rosmini gebrauchten Inhalt, wenn auch noch nicht so detailliert entfaltet, so doch in Grundzügen schon relativ nahe,120 besonders im Gegensatz zu der neuplatonistischen Entwicklung, die die Eudämonie ausschließlich zur Transzendenz transferiert,121 was einen wesentlich engeren Eudämoniebegriff darstellt als den von Rosmini gebrauchten Begriff.122
116 Ein erster Zusammenhang zwischen Recht und Eudämonie, abgesehen von der konkreten Ausgestaltung, ist schon im Altertum vorhanden. Während nämlich die Sophisten das Recht als widernatürlich einordneten und Platon das Recht mit Ethik identifiziert, gründet Aristoteles das Recht auf die Idee der Eudämonie. 117 Vgl. Käppel 1999, 1650. 118 Vgl. Käppel 1999, 1650; vgl. Meyer 1947, 98. 119 Käppel 1999, 1650; vgl. Meyer 1947, 184. 120 Dazu ist einzuwenden, dass der rosminische Eudämoniebegriff in einer großen Weite konzipiert ist, als ein Gut, und nicht in strenger Systematik steht, wie bei Aristoteles, der dann in seiner ethischen Entfaltung Eudämonie als Auswirkung des Verhalten in Anschluss an eine Tugend und Wertlehre versteht, vgl. Meyer 1947, 263. 121 Vgl. Käppel 1999, 1651. 122 Überdies unterscheidet sich der Konstruktionszusammenhang bei Aristoteles und Rosmini erheblich, da Rosmini im eudämonologischen Element zwar ein Rechtskonstitutivum erkennt, als Merkmal für die Handlung, nicht aber als ideeller Grund des Rechts. Auch ist bei Rosmini kein direkter Bezug auf die Eudämonologie-Konstruktion bei Aristoteles vorhanden. Jedenfalls ist der eudämonologische Aspekt als konstitutives Element des Rechts keine grundsätzlich neue Erscheinung als solche.
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2. Kap.: Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
2. Rosminis Verortung im antiken Naturrechtsbegriff Rosmini verortet die Herkunft seines eudämonologischen Elements im antiken Naturrechtsbegriff: Dabei ist bei Rosmini keine Quelle explizit genannt. Seine Beschreibung dessen, was in der Antike unter Naturrecht verstanden wurde, gibt jedoch weiteren Aufschluss. Die Bezeichnung, Naturrecht, beinhalte ein Recht, das auf die natürlichen Instinkte der Bewahrung und der Erzeugung gegründet sei. Rechtsobjekt seien die Bedürfnisse und die Begehrlichkeiten der Natur.123 Der Relativsatz, „quod natura omnia animalia docuit,“124 der die Begehrlichkeiten der Natur weiter präzisiert, gibt Aufschluss, dass Rosmini sich hier auf das Naturrechtsverständnis bezieht, wie es von der römischen Rechtswissenschaft rezipiert wurde. Diese bestimmt das Naturrecht in den Institutionen als eben das, „quod natura omnia animalia docuit“125. Von dem allgemein gefassten Naturrechtsbegriff stellt Rosmini jedoch sogleich wieder auf die Konkretisierung ab. Er bezieht sich auf die Position, dass dem angeführten Naturrechtsbegriff der formale Teil des Rechts fehlen könnte, der nur in der Ratio gefunden werden könne, deshalb müsse an die Stelle der Natur im Generellen die menschliche Natur gesetzt werden.126 Für Rosmini muss das Gut als Rechtsobjekt ein menschliches und nicht bloß ein tierisches sein. Es muss sich auf ein rationales Sein und zwar auf eine Person127 beziehen. Dabei ist eine Eingrenzung auf den Menschen jedoch auch schon in den Institutionen, mit dem Hinweis auf die Bestimmung der natürlichen Vernunft für alle Menschen, vorhanden.128 Rosmini selbst stützt sich hinsichtlich der menschlichen Eingrenzung auf die Spezifizierungen hinsichtlich des Menschen sowohl auf Cicero129 als Quelle des Naturrechtsverständnisses der Antike als auch auf den Beginn des modernen Naturrechts und Grotius.130 Eine Auseinandersetzung mit dem relativen Naturrecht des modernen Naturrechtsbegriffs hat Rosmini somit einerseits nicht gesucht,131 andererseits aber dennoch im modernen Naturrechtsbegriff, bevor
123
Vgl. Rosmini 1967, S. 114; Rosmini 1993a, 252. Vgl. Rosmini 1967, S. 114; Rosmini 1993a, 254. 125 Corpus Iuris Civilis, Inst. I, 2, prc. 126 Vgl. Rosmini 1967, S. 115; Rosmini 1993a, 254. 127 Vgl. Rosmini 1967, S. 115; Rosmini 1993a, 254. 128 „[…] quod vero naturalis ratio inter omnes homines constituit, id apud omnes populos peraeque custoditur vocaturque ius gentium, quasi quo iure omnes gentes utuntur“ (Corpus Iuris Civilis, Inst. I, 2, 1). 129 „Natura iuris ab hominis repetenda est natura“ (Cicero 2004, I, V). 130 „Jus naturae, humanae scilicet, esse intelligitur“ (Grotius 2006, Vorrede 9, 40, 41). Dass Rosmini sich auf Grotius stützt, kann sicher auf Grund dessen herausragender Stellung am Anfang des Naturrechts des 17. Jahrhunderts begründet werden. Die Ergebnisse von Grotius fügen sich aber durch die anthropologischen Anknüpfungen und scholastische Verhaftung von Grotius zudem einfach in die These Rosminis ein, der das Recht auf den Menschen auch hinsichtlich des Objekts in absoluter Weise bezogen und beschränkt weiß. 131 Die Bezugname des Rechts auf die absolute Qualifikation Mensch zeigt schon erste Konzessionen beim Entstehen des relativen Naturrechts, wie es Montesquieu in seinem De l’esprit des lois aufzeigt. Auch wenn hier noch nicht der Bezugspunkt der Menschen in Frage gestellt 124
D. Drittes Rechtselement: Handlungswert
61
er sich bei Pufendorf aus der Verflechtung mit dem christlichen Offenbarungsbegriff endgültig löste, Gewähr für seine These gefunden. 3. Inhärenz des Guten in der Aktion und Rechtsanthropozentrik Das Gute, das das Recht für Rosmini konstituiert, ist dem Subjekt inhärent in der Weise, dass, wenn das Subjekt des Gutes beraubt werden würde, das Subjekt die bloße Beraubung des Gutes als lästig erleiden würde.132 Betrachtet man aber nun ein dem Subjekt nicht inhärentes Gut, das von diesem völlig losgelöst ist, und nur durch die Handlung erreichbar ist, reiche dies nicht aus um Recht zu konstituieren.133 Die enge Verbindung die hier gefordert wird, liegt darin begründet, dass das Gut, das der Aktion anhängt oder in ihr inbegriffen ist, der Aktion den Wert verleiht. Das Gut ist das Ziel als Objekt des Rechts.134 Damit ist der Zusammenhang zwischen dem Gut und dem Subjekt der Aktion nicht ein mittelbarer, sondern ein unmittelbarer oder noch enger gefasst, ein für das Subjekt konstitutives Gut. Die hierin vorliegende rosminische Rechtsanthropozentrik ist also besonders eng zu verstehen. Rechtssubjekt und Rechtsobjekt ist in diesem Sinn nur der Mensch allein. Formuliert Rosmini dies nicht direkt, lassen seine detaillierten Merkmale für die Konstitution des Rechts, hinsichtlich des personalen und eudämonologischen Aspekts, nicht einmal eine weite Auffassung der Rechtsobjektivität im Sinn eines lediglich mittelbaren Zusammenhangs zwischen dem eudämonologischen Gut und dem Rechtssubjekt zu. 4. Abgrenzung zu Kant Bei Rosmini ist das eudämonologische Moment als Element Bestandteil des Rechts und mit demselben durch diese rosminische Konstruktion unverbrüchlich verbunden, was auf Grund des Eudämonologieverständnisses auch auf eine Verbindung von Recht und Ethik schon hinweist, indem ein eudämologisches Element als Inhalt des Rechts gesehen wird. Dagegen liegt eine Verbindung von Eudämonologie und Ethik bei Kant so nicht mehr vor: In der Kritik der praktischen Vernunft erscheint „Eudämonologie als Inbegriff ehemals vorherrschender Morallehren“135 einerseits und andererseits wird die Eudämonologie aber als ein berechtigtes Streben des Menschen dennoch begriffen136 und darüber hinaus wird wird, so wird doch deutlich, dass die Bezugspunkte hier nicht mehr absolute Qualifikationsmerkmale des Menschen sind, wie sie bei Rosmini angeführt werden, sondern die Qualifikationsmerkmale der Unterschiede des Menschen, vgl. Montesquieu 2006 I, 14. 132 Vgl. Rosmini 1967, S. 114; Rosmini 1993a, 253. 133 Vgl. Rosmini 1967, S. 114; Rosmini 1993a, 253. 134 Vgl. Rosmini 1967, S. 114; Rosmini 1993a, 253. 135 Janke 2004, 106. 136 Janke 2004, 106.
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2. Kap.: Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
bei Kant Eudämonie dann auch lediglich als Klugheitslehre beschrieben und vom Sittlichkeitsgesetz getrennt.137 Im Ergebnis ist damit die Existenz eines eudämonologischen Elements als solches bei Kant zwar noch grundsätzlich vorhanden, allerdings mit einer wesentlich abgeschwächten und durch Kants Fundamentalkritik138 veränderter Bedeutung als dies bei Rosmini der Fall ist. Rosmini sieht nämlich im Gegensatz zu Kant das eudämonologische Gut in Verbindung zur subjektiven Glückseligkeit,139 und zwar nicht mit der Moral identisch, aber dennoch mit der Moral kompatibel,140 was gerade bei Kant so nicht mehr der Fall sein soll durch die Trennung vom Sittengesetz. 5. Abgrenzung zum Utilitarismus Einen direkten Bezug zum Utilitarismus nimmt Rosmini in der Rechtsphiloso phie nicht vor. Dennoch umfasst die Darstellung der Beschreibung des Gutes, wie oben gezeigt, in keiner Weise die Positionen der ethischen Nützlichkeitslehre des Utilitarismus, wie etwa bei Jeremy Bentham.141 Es geht Rosmini nicht um Maximierung von Wohlsein und Minimierung des Übels. Rosmini geht es um die Qualifikation einer Handlung, um sie unter Recht zu fassen und zu zeigen, dass rein instinktive Handlungen ohne jeglichen Bezug zu einem Wert eben keine Rechtshandlungen seien. Damit steht Rosminis Nützlichkeitsdenken innerhalb des eudämonologischen Aspektes abseits utilitaristischer Ansätze.142 Auch wenn in der Literatur hier keine nähere Auseinandersetzung mit dem Utilitarismus innerhalb der Rechtsphilosophie Rosminis bereits festgestellt wurde,143 ist jedenfalls festzuhalten, dass keine utilitaristische Reduktion des Rechts und der Rechtswissenschaft auf Ökonomie vorliegt, wie dies bei Gonella144 und im Anschluss hieran auch bei Orecchia in Gegenüberstellung zu Croce dargelegt ist.145
137
Janke 2004, 106. Janke 2004, 107. 139 Vgl. Chiantella 1965, 102. 140 Vgl. Rosmini 1967, S. 114; „Potrebbe anche essere anco morale“; Rosmini 1993a, 252; „could also be moral good“. 141 Vgl. Külpe 1919, 375. Zur Entwicklung des Eudämonismus zum Utilitarismus, vgl. Külpe 1919, 399. 142 Die bereits oben teilweise präzisierte Begriffsbestimmung des eudämonologischen Aspekts kann damit weiter eingegrenzt werden. Da das eudämonologische Element weder hedonistische noch utilitaristische Inhalte bei Rosmini umfasst, handelt es sich bei der Rechtsbestimmung jedenfalls um einen Eudämonismus im engeren Sinne. 143 Gargano 1952, 192. 144 Vgl. Gonella 1934, 60. 145 Vgl. Orecchia 1955, 581 Fn. 15. 138
E. Viertes Rechtselement: Handlungserlaubtheit
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E. Viertes Rechtselement: Handlungserlaubtheit Die Liceitas stellt das dritte Element als definitorisches Merkmal des Rechtsbegriffs, dar.146
I. Auffassung Rosminis Wie ist dieses Merkmal zunächst in seiner Bedeutung bei Rosmini zu verstehen? Rosmini selbst verwendet den Begriff „liceità“147. Die englische Rosmini-Ausgabe von Cleary und Watson148 überträgt „liceità“149 mit „lawfulness“150. Dabei zeigt der Begriff der lawfulness in eine möglicherweise problematische Richtung für den bisherigen Erklärungsansatz Rosminis. Schließlich geht es Rosmini darum, den Begriff Recht zu erklären. Sein Ansatz ging bisher von einer Handlungsbefugnis des Individuums aus. Ein Verweis auf den Begriff des Gesetzes im Rahmen der Verwendung von „lawfulness“ erschiene hier nun sehr plötzlich und überraschend eine völlig andere Erklärungs- und Rechtsverständnisrichtung einzuschlagen, nämlich die Abhängigkeit des Rechts von einem von außen gesetzten Regelwerk. Zudem ist nicht ersichtlich, weshalb „liceità“ hier nicht wörtlich übersetzt werden sollte als Erlaubtheit und damit im Englischen also z. B. mit permissiveness, statt mit „lawfulness“151 als Gesetzmäßigkeit und jedenfalls noch weniger geeignet mit Rechtmäßigkeit, um nicht in einer Tautologie bei der Erklärung des Rechtsbegriffs zu enden. Der Begriff, Erlaubtheit, verweist das Rechtsverständnis nicht nur auf einen bestimmten Autoritätsbereich eines wie auch immer gearteten Gesetzes im weiteren Sinn, von dem dann das Recht und damit seine Definition abhinge, sondern der Erlaubtheitsbegriff im Sinn eines offenen Wertmaßstabes erschließt eine wesentlich tiefer greifende Rechtserklärung.152 Für ein grundsätzlich weiteres Verständnis ist daher der Übertragung der „liceità“ mit Erlaubtheit der Vorzug zu geben, um sprachlich die naheliegende Übersetzung zu wählen und vor allem um inhaltlich keine Enge in der Interpretation durch die Übertragung zu erzwingen.
146
Vgl. Rosmini 1967, S. 116; „liceità dell’azione“; Rosmini 1993a, 256; „lawfulness of the action“. 147 Rosmini 1967, S. 116; Rosmini 1993a, 256. 148 Es handelt sich bei dieser Ausgabe der Rechtsphilosophie Rosminis um die derzeit einzige englischsprachige Ausgabe, weshalb an dieser Stelle auf einen Vergleich englischer Übersetzungen nicht zurückgegriffen werden kann. 149 Rosmini 1967, S. 116. 150 Rosmini 1993a, 256. 151 Rosmini 1993a, 256. 152 Wollte Rosmini das Recht an das Gesetz rückkoppeln und das Kriterium der Gesetz mäßigkeit hier anführen, hätte ihm der Begriff der legalità oder regolarità als hierfür zutreffend und bestimmter zur Verfügung gestanden. Diese Begriffe verwendet Rosmini aber eben nicht. Der englischen Übersetzung von Cleary und Watson (Rosmini 1993a, 256), als Erklärungshilfe, kann damit schon aus sprachlichen Gründen nicht gefolgt werden.
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2. Kap.: Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
Damit kann als drittes Element der juristischen Handlung mit der Übertragung als Erlaubtheit festgehalten werden.
II. Position Rosminis in der Literatur Bei der Untersuchung des vierten Elements fällt auf, dass sich die Literatur, angefangen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, bei Gonella,153 über die Mitte des 20. Jahrhunderts, bei Orecchia,154 bis zur Rosminiforschung der Gegenwart, wie etwa in einer der ausführlichsten Untersuchungen zu diesem inhaltlichen Punkt, bei Landi,155 hierzu im Vergleich zu den ersten drei Elementen erstaunlich kurz fasst mit Ausnahme Chiantellas,156 und oft lediglich nicht einmal eine Zusammenfassung präsentiert, sondern nur auf das Element ggf. mit einer Quellenangabe verweist. Inhaltlich ist jedenfalls hierbei festzustellen, dass das Erlaubtheitsmoment in der Literatur bei Rosmini als eine Handlungsbefugnis verstanden wird, hinsichtlich des moralisch Erlaubten157 statt einer Übereinstimmung mit der positiven Gesetzgebung.158 Dabei sieht Landi aber keinen Gegensatz, da er die rosminische Erlaubtheit eben nicht einer gesetzmäßigen Handlung gegenüberstellt, sondern betont, dass das Erlaubtheitselement Rosminis nicht allein als eine gesetzmäßige Handlung zu verstehen sei, sondern als eine Implikation der Konformität von Recht und Moral zu begreifen sei.159 Dieses Erscheinen der unterschiedlichen Sphären der ethischen und der juristischen Handlung bei Rosmini wird in diesem vierten Rechtselement deutlich:160 Intentionale und volitive Ziele treten in diesen Sphären zu Tage und sind unterschiedlich geprägt von juristischer oder ethischer Pflicht.161 Die Differenz der Sphären wird deutlich am Beispiel der zwar juristischen, aber nicht moralischen Erlaubtheit.162 Verdeutlicht wird diese Relativität der Erlaubtheit auch an unterschiedlichen Jurisdiktionen nach denen ein und dieselbe Handlung beurteilt werden kann und somit differierende Resultate hinsichtlich der Erlaubtheit derselben Handlung stehen können: Ist eine Handlung nach Partikularrecht, national oder regional als erlaubt zu bezeichnen, zeigt sich die Relativität der Erlaubtheit schon daran, dass
153
Vgl. Gonella 1934, 61. Vgl. Orecchia 1955, 581. 155 Vgl. Landi 2002, 47. 156 Vgl. Chiantella 1965, 102–105. 157 Vgl. Gonella 1934, 61. 158 Dieses Verständnis stützt darüber hinaus die Übertragung der Liceitas mit Erlaubtheit, als Begriff mit dem weiteren Verständnis, worin die moralische Auffassung enthalten ist, im Gegensatz zu dem Gesetzmäßigkeitsvorschlag, der als exklusiver Anklang zu den positiven Gesetzen missverstanden werden könnte, was eben nicht die Auffassung Rosminis widerspiegelt. 159 Vgl. Landi 2002, 47. 160 Vgl. Chiantella 1965, 102. 161 Vgl. Chiantella 1965, 102. 162 Vgl. Chiantella 1965, 104. 154
E. Viertes Rechtselement: Handlungserlaubtheit
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nach universaler, internationaler oder dann auch moralischer Jurisdiktion ggf. nicht von Erlaubtheit gesprochen werden kann.163
III. Analyse zum vierten Rechtselement Rosminis Wie ist diese ethisch moralische Erlaubtheit bei Rosmini nun inhaltlich zu verstehen, d. h. welche Untersuchungsaspekte für die Erlaubtheit einer Handlung gibt es und an welchen Maßstäben sind diese zu beurteilen? Für Rosmini ist Recht nur eine Handlungsbefugnis, die „innerlich ehrlich und erlaubt“164 sei. Es gebe kein Recht auf eine moralisch schlechte Handlung.165 Rosmini grenzt die Erlaubtheit der Handlung weiter ein, indem er die in sich selbst ehrliche Handlung nicht mehr zum Recht zählt, sobald Umstände zu dieser ehrlichen Handlung hinzukommen, die das Ziel der Handlung pervertieren. Eine derartige Handlung stelle dann schon die Überschreitung des Rechts dar.166 Die von Rosmini hier vorgenommene Einordnung der Beurteilung der einzelnen Handlung als solchen und der einzelnen Handlung in einem Gesamtzusammenhang, in dem erst über die Erlaubtheit der einzelnen Handlung befunden werden kann, spiegelt wieder, dass die einzeln betrachtet erlaubte Handlung durch die Ausrichtung auf den pervertierten Zweck eben keine erlaubte Handlung im Gesamtzusammenhang mehr darstellt. Eine Einteilung der rosminischen Denkweise, wie sie etwa in der Strafrechtswissenschaft vorherrscht, in Handlung und Erfolg mit der Unterscheidung zwischen Handlungs- und Erfolgsunrecht ist so nicht gegeben, wie es vielleicht auf den ersten Blick vermutet hätte werden können, wenn auch gewisse Parallelen deutlich sind. Die Einteilung Rosminis ist eine viel weitere, als die aus der Strafrechtswissenschaft geläufige. Während der strafrechtlich relevante Zusammenhang zunächst zwischen Handlung und Erfolg eines Tatbestandes durch Kausalität und objektive Zurechenbarkeit (abgesehen von Rechtswidrigkeit und Schuld) eingeschränkt und bestimmt wird, reicht für Rosmini der Zusammenhang aus, wenn die Handlung auch nur auf ein pervertiertes Ziel hingeordnet (ähnlich wie beim strafrechtlich relevanten Versuch eines Tatbestandes) ist.167 Alternativ zu dieser Hinordnung der Handlung auf ein pervertiertes Ziel nennt Rosmini an erster Stelle die falsche Intention,168 mit der jemand handelt, und wodurch die von sich aus ehrliche Handlung ein überschreiten der Grenzen des Rechts darstellt. 163
Vgl. Chiantella 1965, 104. Übers. d. Verf.: „intrinsecamente onesto e lecito“ (Rosmini 1967, S. 116); Die englische Übertragung übersetzt nun auch lecito mit der Bedeutung erlaubt mit lawful mit der Bedeutung gesetzlich, also als ob legittimo im Italienischen stünde: „intrinsically upright and lawful“ (Rosmini 1993a, 256). Im Ergebnis wird auch hier für die Untersuchung der Bedeutung der italienischen Fassung im Sinn von erlaubt gefolgt. 165 Vgl. Rosmini 1967, S. 116; Rosmini 1993a, 256. 166 Vgl. Rosmini 1967, S. 116; Rosmini 1993a, 256. 167 Vgl. Rosmini 1967, S. 116; Rosmini 1993a, 256. 168 Vgl. Rosmini 1967, S. 116; Rosmini 1993a, 256. 164
66
2. Kap.: Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
Es kann festgestellt werden, dass Rosmini die Handlung hinsichtlich der Beurteilung des Elementes der Erlaubtheit auch ähnlich strafrechtlicher Kategorisierungen des objektiven und subjektiven Tatbestandes untersucht und beurteilt, wobei jedoch festzustellen ist, dass Rosmini hier eben nicht bei seiner Aufteilung in einerseits, Hinordnung der Handlung auf ein pervertiertes Ziel und der falschen Intention, andererseits, nicht auf den Zusammenhang von subjektiver und objektiver Seite abstellt, in der Weise, dass der objektive Tatbestand etwa von subjektiver Intention umfasst sein müsste. Rosmini stellt die objektive und subjektive Seite alternativ dar, dass beim Vorliegen eines Elementes bereits die Handlung als nicht mehr erlaubt bezeichnet werden könne. Aus der Darstellung Rosminis ist aber nicht ersichtlich, dass er seine Ausführungen bewusst darauf abstellt, dass der objektive Tatbestand der Hinordnung der Handlung auf ein pervertiertes Ziel bereits keiner subjektiven Komponente mehr bedürfe. Vielmehr scheint es Rosmini darauf anzukommen, dass er bei der Aufteilung von objektiver und subjektiver Seite hier Versuch und Vollendung der Handlung darstellen will. Dafür sprich sein Vorgehen, dass er mit der Intention der Handlung beginnt. Liegt eine falsche Intention vor, werden die Grenzen des Rechts durch die Handlung überschritten. Danach erst geht er auf den Erfolg ein, auf den die Handlung hingeordnet ist. Ist dieses Ziel pervertiert, bedeutet dies nach Rosmini dann ein Überschreiten der Grenzen des Rechts. Es ist aber nicht zu erkennen, dass Rosmini hier auf eine subjektive Seite der Handlung, welche auf das pervertierte Ziel als Handlungserfolg gerichtet ist, verzichten will. Eine solche Vermutung lässt sich aus dem Schweigen Rosminis hierzu sicher nicht ableiten. Dies wäre eine neue Problematik auf die er gesondert eingehen müsste. Ein Schluss auf den Verzicht eines subjektiven Elements bei Vorliegen eines objektiven Tatbestands als alternativ wäre sicher zu weit interpretiert. Das Schweigen Rosminis über die subjektive Komponente hinsichtlich des objektiven Tatbestandes erschließt sich nur aus der Tatsache, dass der subjektive Tatbestand als erster bereits abgehandelt wurde und somit hinsichtlich der Erwähnung des Falles beim Vorliegen eines objektiven Tatbestandes die subjektive Komponente im ErstRecht-Schluss als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Zusammenfassend sind die Untersuchungsteile für die Erlaubtheit einer Handlung, die einzelne Handlung als solche, das Ziel auf das die einzelne Handlung gerichtet ist, sowohl objektive als auch subjektive Komponenten einerseits der Handlung andererseits des Erfolges. An welchen Maßstäben sind die oben dargestellten Untersuchungsteile für die Erlaubtheit einer Handlung, wodurch der Rechtsbegriff bestimmt wird, nun zu messen? Rosmini verweist zunächst auf die Unterschiedlichkeit der Definitionen von Erlaubtheit je nach Autor. Diese Unterschiedlichkeit hänge von den verschiedenen Zielen ab, die bei der Festsetzung der konstitutiven Elemente des Rechts jeweils
E. Viertes Rechtselement: Handlungserlaubtheit
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ins Auge gefasst werden, und deshalb von der Legislation,169 auf die sich die Erlaubtheit beziehe.170 Zur Darstellung der unterschiedlichen Erlaubtheitsbegriffe liefert Rosmini verschiedene Beispiele. Dabei beginnt er mit der Situation in Deutschland, um hieran einen Erlaubtheitsbegriff darzustellen, woran er dann die Darstellung des Erlaubtheitsbegriffs am Beispiel Österreichs folgen lässt. 1. „Germania“ als Beispiel für Handlungserlaubtheit In Deutschland sei aus Rosminis Sicht das Naturrecht einzig erwogen als Basis der positiven Legislation des Staates. So sei demgemäß Erlaubtheit Ergebnis positiver Gesetzgebung des Staates.171 In Deutschland verortet Rosmini damit den Gesetzespositivismus. Im Hintergrund dieser Tatsache erscheint damit zunächst die Frage, auf welche der vielen zu dieser Zeit aufeinanderprallenden Denkrichtungen in Deutschland Rosmini hier Bezug nimmt: Will er eine bestimmte Auffassung hier anführen oder auf die Situa tion in Deutschland generell hinweisen? Da Rosmini von der Rolle des Naturrechts in Deutschland spricht, die in Deutschland als Grundlage der positiven Gesetzgebung aufgefasst werde, sind damit auch schon die ersten Hinweise gegeben: Es ist zwar von Naturrecht die Rede. Dieses Naturrecht172 habe aber nur sehr eingeschränkte Funktion, nämlich als Grundlage der positiven Gesetzgebung zu dienen. 169 An dieser Stelle scheint Rosmini nicht umhin zukommen die Spannung seiner Zeit zwischen den Naturrechtssystemen der Aufklärung und der bereits in Europa eingesetzten Kodifikationsbewegung, die mit den Verfassungstheorien ihrerseits, als Kontrahenten dem aufklärerischen Vernunftrecht die rechtstheoretischen Grundlagen zu entziehen begonnen haben, unerwähnt zu lassen. Bei der Frage der Erlaubtheit tritt der Konflikt des Einflusses der Naturrechtssysteme der Aufklärung, wie er sich in den großen Kodifikationen des Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, dem Code Napoleon von 1804 und dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1811 manifestierte, mit dem Gesetzespositivismus zu Tage. 170 Vgl. Rosmini 1967, S. 116; Rosmini 1993a, 258. 171 Vgl. Rosmini 1967, S. 116; Rosmini 1993a, 258. 172 Die Verwendung des Naturrechtsbegriffs allein hilft hier noch nicht viel weiter. Seine verschiedenen Ausprägungen finden sich angefangen von der Antike, über den christlich-theologischen-, bis hin zum aufklärerischen Naturrechtsbegriff. Zunächst scheint es so, dass aus der zeitlichen Nähe das Naturrecht der Aufklärung gemeint sein könnte und damit der aufklärerische Naturrechtsbegriff, der gespeist ist von dem Einfluss Hugo Grotius’, wo Naturrecht als Vernunftrecht begriffen wird, was Samuel von Pufendorf dann zu einem ausgebauten Lehrsystem des Naturrechts ausbaut und Christian Thomasius, wie auch Christian Wolff, dann den Versuch unternehmen aus Naturrechtsgrundsätzen ein System von Gesetzen abzuleiten.
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2. Kap.: Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
Insgesamt ist festzustellen, dass Rosmini bei der Bezugnahme auf die Situation in Deutschland wohl keine exklusive Zuordnung zu einer Richtung intendierte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass Rosmini mit dem Beispiel, Deutschland, Bezug auf den damaligen Status quo der Einzelgesetzgebung nimmt, die umgeben von den verschiedenen juristischen Richtungen war. Vom Ziel Rosminis ist dies naheliegend. Er will schließlich zeigen, was erlaubt konkret in Deutschland bedeutet. Wenn er sich dabei auf Deutschland bezieht, ist es am naheliegendsten, dass er die Bedeutung der Erlaubtheit am geltenden Recht in Deutschland aufzeigen will. Im Folgenden ist noch zu überprüfen, inwieweit die Situation des geltenden Rechts in Deutschland173 auch den Ausführungen Rosminis entspricht: Rosmini bezieht sich auf das Naturrecht als Basis der positiven Gesetzgebung. Die Positivierung des Rechts erfolgte schließlich zunächst in Einzelkodifikationen, wie sie zur Zeit der Entstehung von Rosminis Rechtsphilosophie vorlagen, bei denen naturrechtliche Gedanken eine unterschiedlich starke Rolle spielten.174 Diese Situation trifft auf die Anmerkungen Rosminis nun völlig zu: Einerseits besteht hier eine naturrechtliche Grundlage für die positiven Gesetze und andererseits sind bereits durch die Einzelgesetze große Etappen auf den Positivismus hin getan.
In diesem System dient das Naturrecht als Gesetzesgrundlage, wie es Rosmini formuliert. Das Naturrecht allein, ohne einen notwendigen Schritt zur Positivierung der Gesetze, kann nicht gemeint sein, da Rosmini eben ausdrücklich darauf abstellt, dass sich das Naturrecht eben gerade als Basis der positiven Legislation des Staates darstellt. Gegen die Bestrebungen der Naturrechtsschule wandte sich die von Gustav Hugo (1764–1844) begründete historische Rechtsschule mit Carl von Savigny (1779–1861). Hiernach wird Recht nicht mehr aus der Natur abgeleitet, sondern als Geschichtsprodukt erfasst, das aus dem Volksgeist erwachse, vgl. Savigny 1973, 105). Da hier eine Abkoppelung von Naturrechtsbegriff vorliegt, ist es fraglich, ob Rosmini sich auf die Historische Rechtsschule bezieht. Zeitlich passend könnte auch anzunehmen sein, Rosmini beziehe sich auf die in Deutschland im frühen 19. Jahrhundert herrschende Vorstellung der Konstruktions-/Begriffsjurisprudenz, wie sie vom bedeutendsten Vertreter der historischen Schule neben Savigny, wie von Puchta (1798–1846), entwickelt wurde. Hiernach werden die Rechtssätze gemäß der Logik aus der obersten Rechtsidee, dem Rechtsbegriff selbst pyramidenförmig deduziert. Der Rechtssatz ist aber auch hier nicht mehr auf das Naturrecht gegründet. Die Beschreibung Rosminis trifft damit auch nicht auf die Begriffsjurisprudenz zu. 173 Zur Zeit der Entstehung der Rechtsphilosophie Rosminis gibt es in Deutschland noch keine einheitliche Kodifikation. Die Forderungen nach einer einheitlichen Kodifikation erhoben sich in Deutschland aber bereits seit dem 17. Jahrhundert, was aber auf Grund der politischen Lage im Reich nicht zu realisieren war. Das heißt es gab schon eine längere Zeit der Positivierungsbestrebungen zur Verdrängung des römischen Rechts in Deutschland durch das Naturrecht. 174 Im Gegensatz zum Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 spielten Naturrechtsgedanken im Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756 eine wesentlich untergeordnete Rolle, vgl. Meder 2002, 220.
E. Viertes Rechtselement: Handlungserlaubtheit
69
Insgesamt ist von Rosmini damit die Situation in Deutschland angeführt, wie sie sich im geltenden Recht dieser Zeit erweist. Andererseits sind aber auch die juristischen Strömungen neben Vertretern des Naturrechts und Vertretern, die für die Positivierung des Rechts eintraten, wie die Historische Schule, nicht ausgeschlossen, die zur Vorbereitung der Positivierung der Gesetze wesentliche Beiträge leisteten und schließlich in den Positivismus mündeten. Weiter ist aber bisher unbeantwortet geblieben, warum hier die positivierte Gesetzesform in Deutschland als ein gesondertes Beispiel für die Bedeutung von Erlaubtheit von Rosmini angeführt wird. Die österreichische Situation bietet schließlich auch Naturrecht im ABGB, und zwar in der Synthese von wissenschaftlich systematischem Naturrecht, römischem Recht und germanischem Recht. Darüber hinaus entspricht das ABGB mit seiner Kürze, im Gegensatz zum ALR, dem kantschen Grundsatz der Beschränkung der Gesetzgebung auf das Erforderlichkeitsmaß zur Aufrechterhaltung der Freiheit. Entscheidend für das Beispiel, Deutschland, dürfte die Anmerkung Rosminis sein, dass sich in Deutschland die Erlaubtheit allein nach dem Gesetz richte, das staatlich positiviert175 wurde.176 Rosminis Ziel ist zu verdeutlichen, was Erlaubtheit in Richtung Positivismus177 bedeutet: Nach dem deutschen Beispiel ist eine Handlung nach positivistischer Betrachtung erlaubt, wenn sie den Gesetzen entspricht. Nur in dieser Ausprägung bedeutet Erlaubtheit dann Gesetzmäßigkeit.
175
Damit könnte Rosmini auf die Auswirkung der Idee hinter der Tatsache des Umfangs des ALR mit über 20 000 Paragraphen anspielen, d. h. auf die Ausführlichkeit des ALR, das für alle Rechtsfälle Entscheidungsgrundlagen geben und damit das Volk auch vor richterlicher Willkür schützen sollte. 176 Vgl. Rosmini 1967, S. 116; Rosmini 1993a, 258. 177 Diese Bemühungen des Positivismus sind darauf gerichtet, metaphysische Elemente durch Positivierung obsolet zu machen und im Ergebnis eine Überprüfbarkeit der Aussagen der Rechtswissenschaft auf wahr und falsch zu erreichen, vgl. Strömholm, 1976, 23 ff. Eine Bindung der Norm an eine übergesetzliche Autorität gibt es dabei nicht. Der Positivismus, der sich nur auf das empirisch Feststellbare und die beschreibbaren Tatsachen beschränkt, war jedoch nicht nur in Deutschland vertreten, sowie dies aus dem Deutschlandbeispiel Rosminis erscheinen könnte. Rosminis Deutschlandbeispiel ist zur Zeit der Entstehung seiner Rechts philosophie nicht nur exemplarisch. Denn das weitere Auftreten des Gesetzespositivismus’ liegt zeitlich erst nach der Veröffentlichung der Rechtsphilosophie, 1841/42, wie in Skandinavien durch die Uppsala-Schule, begründet von Hägerström (1869–1939). Damit führt Rosmini völlig zu Recht Deutschland als Land in Richtung des Gesetzespositivismus’ an. In Deutschland trat er in Konkurrenz zur historischen Rechtsschule und zur Begriffsjurisprudenz mit der Forderung der einheitlichen Zivilrechtskodifikation auf und löste dort die große Kodifikationsstreitigkeit aus. Für unseren Zusammenhang steht die Gegnerschaft zur Historischen Schule nur am Rande. Vorrangig ist der Positivismus im Umfeld Rosminis auch nicht in erster Linie als Gegenbewegung zur Scholastik, sondern vor allem zum deutschen Idealismus, einzuordnen.
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2. Kap.: Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
2. Zeiller als Beispiel für Handlungserlaubtheit Nach Darstellung der Bedeutung des Erlaubtheitsbegriffs nach deutschem Muster, stellt Rosmini auf die Situation in Österreich ab, indem er auf Zeiller eingeht.178 Bei Zeiller findet er, dass „das Recht kein sittliches Vermögen in dem engeren Sinne“179 sei und „dass man nur zu dem, was sittlich gut und dem Tugendgesetze gemäß ist, ein Recht hätte; Nach Zeiller handelt es sich bei Recht eben nicht um ein „inneres Dürfen“180. Er zeigt, dass „viele Ansprüche, ob sie gleich von einer offenbar unsittlichen Gesinnung ausgehen und auf die lieblosesten Zwecke gerichtet sind, dennoch allgemein als rechtlich anerkannt, und von Rechtswegen durchgesetzt werden.“181 Das Ergebnis der Ansicht Zeillers für den Erlaubtheitsbegriff führt Rosmini nicht explizit an. Es liegt aber doch dem Leser unmittelbar vor Augen. Rosmini will hier eine negative Bestimmung von Erlaubtheit präsentieren. Erlaubtheit ist danach nicht vom moralischen Standpunkt, gemäß der Ansicht Zeillers, festzule gen, weil dies eben dann nicht dem Rechtsverständnis entspräche und somit zu eng gefasst wäre.
178 Rosmini stellt hier zwei Sichtweisen gegenüber. Nach der deutschen Position führt er sodann Zeiller an, der führend bei der Erstellung der letzten Fassung des ABGB war. Auch wenn möglicherweise nach der Darstellung des Beispiels, Deutschland, nun nicht ein weiteres Beispiel eines Juristen zu erwarten war, entspricht es doch im Ergebnis genau dem ABGB hier nun Zeiller anzuführen, statt des Beispiels der österreichischen Gesetzgebung. Denn das ABGB als ebenfalls naturrechtliche Kodifikation stellt insoweit auch ein Gegenstück zum ALR dar, da in Preußen die voluminösen Gesetzesentwürfe im Ergebnis so bestehen blieben, und Rosmini so zu der Gesetzmäßigkeitsbedeutung des Erlaubtheitsbegriffs gelangte. In Österreich hingegen wurden die umfassenden Entwürfe umgearbeitet und das Gesetzeswerk gelangt so zu Kürze und Deutlichkeit. Die Lehrhaftigkeit ist somit aus dem ABGB verschwunden und daher bei den Juristen zu suchen, wie Rosmini dies nun vornimmt. Repräsentativ für die Lehrmeinung die hinter dem ABGB steht ist sicherlich Zeiller, sowohl als sog. Schöpfer des ABGB als auch als erster Kommentator des ABGB. Damit hat Rosmini also nicht nur die Meinung eines Juristen, dargestellt, sondern auch die Rechtssituation Österreichs neben der deutschen Situation mit großem Feinsinn präsentiert. Diese differenzierte Darstellung zu Deutschland einerseits und Zeiller andererseits erweist sich somit nicht als inkonsequent, sondern als höchst angemessene Vorgehensweise, da es eben nach deutschem Konzept gerade nicht erlaubt war, eine Juristenmeinung neben dem ALR zu benötigen, konnte für die deutsche Situation kein Jurist angeführt werden, um eine gesetzessystemgetreue Bedeutung der Erlaubtheit zu erzielen. Dagegen lag es aber nach österreichischer Gesetzeskonstruktion nahe für die lehrhaften Ausführungen eben nicht auf ein Gesetz, sondern auf eine Juristenmeinung zurückzugreifen. 179 Zeiller 1819, § 11. 180 Zeiller 1819, § 11. 181 Zeiller 1819, § 11.
E. Viertes Rechtselement: Handlungserlaubtheit
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3. Untersuchung der Beispiele Aus den bereits zuvor von Rosmini erwähnten Ausführungen deutet schon vieles daraufhin, dass der Sinn von seinem Erlaubtheitskriterium für die Rechtshandlung eben nicht Gesetzmäßigkeit bedeuten soll. Rosmini ging zuvor schon auf die falsche Intention einer Handlung ein, ohne dabei auf Gesetzmäßigkeit abzustellen. Im Gesetzespositivismus dagegen könnte von einer falschen Intention gar nicht die Rede ohne Rückkoppelung von falsch oder richtig an das Gesetz sein. Grundsätzlich gibt es, gemäß dem Gesetzespositivismus, keine falsche Intention, solange sie dem Gesetz entspricht und damit wäre auch jede Verwirklichung von Unrecht solange als Recht zu bezeichnen,182 solange es die positiven Normen der Gesetze nicht anders festlegen. a) Übergeordnetes moralisches Gesetz Entgegen der Ansicht Zeillers weist Rosmini in seiner Ausarbeitung der Bedeutung der Erlaubtheit auf die Tatsache hin, dass es viele Handlungen gebe, die nicht verboten werden können durch die positive staatliche Gesetzgebung und alle als legitim bezeichnet werden müssen.183 So leitet er seine Kritik am Erlaubtheitsverständnis Zeillers ein. Er setzt nicht an der Abkoppelung von einem Moralbegriff an, sondern am zweiten Schritt Zeillers, der auf die Rechtsprechungspraxis verweist und damit von der Praxis aus das Erlaubtheitsverständnis bestimmt, wenn er feststellt, dass das, was Gerichte im Staat von Rechtswegen anerkennen und durchsetzen auch unsittlich und auf „liebloseste Zwecke gerichtet“184 sein könne. Hier sieht er den Rechtsbegriff als zu kurz gegriffen an. Das Problem der begrenzten Gesetzgebung tritt dabei deutlich zu Tage. Die einzelne Handlung werde nur in der speziellen Relation beurteilt und ggf. als nicht verboten befunden.185 Die Beurteilung der Handlung habe dann aber eben nur einen „relativen Erlaubtheitscharakter“186 und ggf. wäre dieselbe Handlung unerlaubt,187 in Bezug auf eine universale188 Gesetzgebung. Rosmini verdeutlicht das Problem am Beispiel von Handlungsverweigerungen, anderen Gutes zu tun. Hier werde die Sphäre der Rechte anderer Menschen verletzt und so werde im Ergebnis oft festgestellt, dass der einzelne das Recht habe, auf diese Weise zu handeln.189 Rosmini stellt dabei die nicht exakte 182
Kritisch hierzu: Bergbohm 1892, 144. Vgl. Rosmini 1967, S. 117; Rosmini 1993a, 258. 184 Zeiller 1819, § 11. 185 Vgl. Rosmini 1967, S. 117; Rosmini 1993a, 259. 186 Übers. d. Verf.: „carattere della liceità relativa“ (Rosmini 1967, S. 117); „character of re lative lawfulness“ (Rosmini 1993a, 259). 187 Vgl. Rosmini 1967, S. 117; Rosmini 1993a, 259. 188 Mit universaler Gesetzgebung meint Rosmini „den Komplex aller den Menschen verpflichtenden Gesetze“ (Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, S. 117; Rosmini 1993a, 259). 189 Vgl. Rosmini 1967, S. 117; Rosmini 1993a, 261. 183
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2. Kap.: Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
Sprechweise fest, denn es gebe kein Recht inhuman gegenüber anderen Menschen zu handeln.190 Dagegen stellt er auf ein „höheres moralisches Gesetz“191 ab, nach dem der einzelne das Recht habe, nicht belästigt oder verletzt zu werden. Gegen die Menschlichkeit zu handeln sei kein Recht im wahren und absoluten Sinn. Ein solches Handeln sei verboten und zwar „durch das Gesetz des Schöpfers“192. b) Auswertung und Einordnung der Position Rosminis Somit distanziert sich Rosmini hier von jeder rein positivistischen Position und stellt sich auf die Seite oder zumindest in die Richtung der naturrechtlichen Position, die das Recht aus dem Sein der Sache selbst bestimmt, wie er dies mit dem Gesetz des Schöpfers verdeutlicht. Andererseits könnte hier eingewendet werden, dass Rosmini hier keine naturrechtliche Position vertritt, sondern ethisch-theologische Aussagen, wenn er vom übergeordneten moralischen Gesetz spricht und schließlich vom Gesetz des Schöpfers. Allerdings ist hier bei näherer Betrachtung anzumerken, dass zwar ein theologisch scholastischer Standpunkt aus der Erwähnung Rosminis vom Gesetz des Schöpfers im Sinn eines ewigen Gesetzes verstanden werden könnte193 und diese Aussage hierin zu sehen sicher möglich ist, jedoch auch nicht zwingend, da ein Bezug zwischen Schöpfer und Gott jedenfalls an dieser Stelle weder explizit herausgestellt wird noch sich aus dem Textzusammenhang zwingend ergibt. Im Ergebnis ist hier jedenfalls festzuhalten, dass Rosmini Raum für eine naturrechtliche Interpretation aufbaut, die über das moralische Gesetz und das Gesetz des Schöpfers ein in sich geschlossenes naturrechtlich verstandenes System darzustellen vermag, aber auch gleichzeitig mit der entsprechenden generalklausulierten Öffnungsmöglichkeit über das moralische Gesetz und das Gesetz des Schöpfers als christlich-theologische Fundamentalkonzeption begriffen werden könnte. Dabei wendet sich Rosmini insgesamt deutlich gegen Strömungen eines blanken Positivismus. Seine Rechtsauffassung sieht schon die potentiellen Gefahren für die Humanität, die die einseitige Positivierung des Gesetzes ein Jahrhundert nach Erscheinen seiner Rechtsphilosophie durch die Handlungen gegen jede Humanität im Namen des Gesetztes zur Folge hat. Die Notwendigkeit eines übergesetzlichen Maßstabes, der davor schützen soll, Handlungen gegen die Humanität als Recht zu bezeichnen verankert Rosmini im Erlaubtheitskriterium. Als Korrektiv führt Rosmini das Gesetz des Schöpfers an. 190
Vgl. Rosmini 1967, S. 117; Rosmini 1993a, 261. Übers. d. Verf.: „legge morale superiore“ (Rosmini 1967, S. 117); „higher moral law“ (Rosmini 1993a, 261). 192 Übers. d. Verf.: „vietata dalla legge del Creatore“ (Rosmini 1967, S. 118); „forbidden […] by the law of the Creator“ (Rosmini 1993a, 259). 193 Hiernach gibt es ein ewiges Gesetz, als die summa ratio in Gott, vgl. Thomas STh I-II 93, 1, aus dem jedes Gesetz hergeleitet wird, vgl. Thomas STh I-II 93, 3. 191
F. Fünftes Rechtselement: Rücksichtspflicht
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Mit der Forderung nach der übergesetzlichen Rückkopplung schließen seine Ausführungen zur Erlaubtheit. Als Ergebnis ist jedoch festzuhalten, dass das Erlaubtheitskriterium als die Rückbindung auf ein übergesetzliches Gesetz in sich trägt. Nur wenn nach dem absoluten Erlaubtheitsbegriff, der sich am übergesetzlichen Gesetz orientiert, das ein Handeln gegen die Humanität verbietet, die Erlaubtheit zu bejahen ist, ist eine weitere definitorische Voraussetzung für den Rechtsbegriff gegeben.
F. Fünftes Rechtselement: Rücksichtspflicht194 Das fünfte Element des Rechts ist für Rosmini die Rücksichtspflicht.195
I. Auffassung Rosminis Das fünfte Element des Rechtsbegriffes stellt die „moralische Pflicht“196 in der Relation mit „anderen intelligenten Wesen“197 dar, die „Ausübung der […] Befugnis nicht zu stören“198. Für Rosmini impliziert das Recht zum einen im fünften Punkt die Relation mit anderen intelligenten Wesen. Zum anderen führt er den Moralbegriff explizit in den Rechtsbegriff in Verbindung mit der Pflicht ein. Durch das Recht unterliegen diese intelligenten Wesen der moralischen Verpflichtung die Ausübung der Befugnis nicht zu stören.199 Das Recht schließt somit eine moralische Pflicht ein, die Unverletzlichkeit des Rechts.
II. Position Rosminis in der Literatur Hier verweist Orecchia hinsichtlich des rosminischen Rechtsbegriffs auf die inkludierte natürliche Implikation einer Relationalität zu anderen intelligenten Seienden, wobei er bei jedem Recht eines Subjekts von einer logischen Korrespondenz zu einer juristischen Pflicht in den anderen ausgeht, das dann bei Rosmini die Ob-
194
Soweit frei im Deutschen wiedergegeben. Wörtlich aber holprig im Deutschen kann Rosminis Formulierung des fünften Rechtselement wie folgt übersetzt werden: „Moralische Pflicht innerhalb der anderen intelligenten Wesen, die Ausübung der genannten Befugnis nicht zu stören“ (Übers. d. Verf.: „… debito morale negli altri esseri intelligenti di non turbare l’esercizio della detta facoltà“ (Rosmini 1967, S. 118); „[…] moral exigency in other intelligent beings requiring them not to interfere with the exercise of this faculty“ (Rosmini 1993a, 262)). 195 Vgl. Rosmini 1967, S. 118; Rosmini 1993a, 262. 196 Vgl. Rosmini 1967, S. 118; Rosmini 1993a, 262. 197 Vgl. Rosmini 1967, S. 118; Rosmini 1993a, 262. 198 Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, S. 118; Rosmini 1993a, 262. 199 Vgl. Rosmini 1967, S. 118; Rosmini 1993a, 262.
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2. Kap.: Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
ligation des Nicht-Verletzens sei.200 Landi betont im fünften Element des Rechts die Generierung juristischen Schutzes als Konstitutivum des Rechts,201 indem die Unverletzlichkeit nicht nur passivisch, sondern aktivisch als Quelle der juristischen Pflicht aufgezeigt werde.202 Auf diesem Hintergrund sieht Landi im Anschluss an Gonella die Autonomie des moralisch-ethischen Urteils vor dem juristischen Urteil. Grund hierfür ist die formale Autonomie der Quellen vor moralischer Freiheit und Pflicht:203 Gonella hatte zuvor hierzu festgestellt, dass diese Unverletzlichkeit des fünften Rechtselements auf einer moralischen Pflicht basiere204 und Recht hier als „spezifische Macht“205 qualifiziere: Was daraus zu erklären sei, dass soweit das Subjekt in Beziehung zu anderen immer in Genuss der Unverletzlichkeit des fünften Rechtselements komme und damit in jedem Recht eine im anderen korrespondierende juristischen Pflicht, nicht zu verletzen, bestehe.206 Während Gonella also im fünften Rechtselement eine spezifische Macht betont, will Chiantella in diesem Ergebnis das Vorliegen der juristischen Pflicht statt der spezifischen Macht erkennen.207 Recht entstehe als Pflicht des anderen, indem es den Menschen die Berücksichtigung einer freien Handlungsbefugnis auferlege. Die juristische Pflicht garantiere die menschliche Handlungsfreiheit (auch hier wieder sowohl auf die Person als auch auf die Gesellschaft bezogen, von Chiantella erkannt).208 Hier präsentiere sich die ethische von der juristischen Pflicht nur noch formal unterschiedlich: wenn die moralische Pflicht alle notwendigen Charakteristika besitze ein Recht zu sein, dann erst werde diese Pflicht juristisch genannt.209 Damit ist die Verbindung von Moral und Ethik in der Pflicht für das Recht aufs engste hergestellt.
III. Analyse zum fünften Rechtselement Rosminis Im fünften Element stellt Rosmini eine Verbindung zwischen Recht und Pflicht her. Das Recht wird zu einer speziellen Macht im zwischenmenschlichen Bezug. Damit ist jedem Recht eine Pflicht zugeordnet in dem Sinn, dass der eine, der das Recht innehat, eben die Befugnis hat, dieses Recht auszuüben, ohne dabei von einem anderen in seiner Handlung der Ausübung des Rechts gestört zu werden. 200
Vgl. Orecchia 1955, 581. Vgl. Landi 2002, 47. 202 Vgl. Landi 2002, 47. 203 Vgl. Landi 2002, 47. 204 Vgl. Gonella 1934, 61. 205 Übers. d. Verf.: Gonella 1934, 61. 206 Übers. d. Verf.: Gonella 1934, 61. 207 Vgl. Chiantella 1965, 105. 208 Vgl. Chiantella 1965, 107. 209 Vgl. Chiantella 1965, 107 mit weiterem Verweis auf Rosmini. 201
G. Ergebnis
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Jeden anderen trifft die Pflicht die Ausübung des Rechtes des einen eben nicht zu stören.210 Dieses relationale Element der Berücksichtigung des Rechtes des anderen mit der Pflicht der Gewährung der Rechtsausübung des anderen ist für Rosmini konstitutives Merkmal für Recht und nicht lediglich eine Ausführungsbestimmung. Dieses Element der Gewährung ungestörter Rechtsausübung wird in der Literatur häufig in unmittelbarer Verbindung zur Pflicht dargestellt und somit eigentlich schon hier das Verhältnis zwischen Recht und Pflicht auf dem Hintergrund der tatsächlich existenten Gesellschaft erörtert.211 Diese Herstellung des unmittelbaren Zusammenhangs mag sich anbieten, da Rosmini selbst wenig später auf die Pflicht eingeht und dabei auch auf den Zusammenhang von Pflicht und Moral. Eine derartige Zusammenstellung von Recht und Pflicht trägt aber die Gefahr in sich, das fünfte Element des Rechts als eine Abhängigkeitskonstruktion des Rechts von der Existenz zu anderen intelligenten Wesen in gesellschaftlicher Organisation zu betrachten, da eben diese Relation hier beschrieben wird. Dennoch ist hier festzuhalten, dass Rosmini an dieser Stelle die real existierende Gesellschaft nicht zur konstitutiven Größe für das Recht erhebt. Für ihn schließt Recht die Relation zu anderen gerade mit ein, mit Rosminis Formulierung, „Recht impliziert eine Relation mit anderen intelligenten Seienden“212. Mehr ist für die Voraussetzung von Recht hier aber nicht gesagt. Damit ist festzuhalten, dass Rosmini seinen Rechtsbegriff in einem weiten Verständnis konstruiert, also auch einen vergesellschaftungsunabhängigen bzw. außer- oder vorgesellschaftlichen Rechtsbegriff kennt, was für den Inhalt des Rechtsbegriffs maßgeblich ist: Das Recht ist nicht in diesem Punkt an die Realisierung eines Vergesellschaftungsprozesses vorab gebunden, aber diesen Zustand der Vergesellschaftung schließt das Recht mit ein. Im gegebenen Fall des Vergesellschaftungsprozesses ist die moralische Pflicht zur ungestörten Rechtsausübung eben elementar für das Recht.
G. Ergebnis War als Ausgangspunkt für das zweite Kapitel die Frage nach der Rechts definition bei Rosmini mit der Definierbarkeit von Recht bei Rosmini bereits bejaht und das Vorliegen eines inhaltlich einheitlichen Rechtsbegriffs festgestellt worden, richtet sich das zweite Kapitel auf die Untersuchung der Struktur und der Elemente
210
Vgl. Rosmini 1967, S. 118; Rosmini 1993a, 262. Vgl. Orecchia 1955, 581. 212 Übers. d. Verf.: „diritto implica altresi una relazione cogli altri esseri intelligenti“ (Rosmini 1967, S. 118); „right implies a relationship with other intelligent beings“ (Rosmini 1993a, 262). 211
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2. Kap.: Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
der Rechtsdefinition: Im zweiten Kapitel geht die Untersuchung von Rosminis Auffassung des Rechts als facultas agendi aus und entscheidet sich hier unter den verschiedenen Übertragungs-/Bedeutungsmöglichkeiten derselben für die Auffassung als Handlungsbefugniskonzeption. Von der Handlungsbefugniskonzeption aus als Leseanweisung für die Rechtsdefinition Rosminis wurden die einzelnen Rechtselemente Rosminis hinsichtlich des Inhalts und der Bedeutung mit Reflexion an der Sekundärliteratur untersucht.
I. Erstes Element des Rechts: Subjekt-Aktivität Die Aktivität eines Subjekts stellt das erste Rechtselement dar. Inhaltlich ist es weit gefasst, jede aktive oder passive Gefühlsregung. Rosmini verbindet schon mit dem bloßen Subjektsbegriff die Subjektsbedeutung als Person und konkretisiert dies weiter in seinem zweiten Rechtselement der personalen Aktivität.
II. Zweites Element des Rechts: Personale Aktivität Zur Darstellung des zweiten Rechtselements der personalen Aktivität zieht Rosmini seine Persondefinition, „Die Person […] ist das aktive Höchste Prinzip eines intelligenten Subjekts“213, heran. So gelangt er vom Rechtsbegriff zum Personbegriff als einem Element des Rechts. Entscheidende Merkmale der Person sind Intelligenz und Wille und damit Rechtskonstitutiva. Die Festlegung des handelnden Subjekts als Urheber und Herr der Handlungen als Rechtsvoraussetzung wurde aufgezeigt. Die Untersuchung weist einen anthropologischen statt juristischen oder theologischen Personbegriff Rosminis ohne Engführung für die Verwendung des Rechtsbegriffs nach. Mit dem Merkmal des aktiven Höchsten Prinzips aus der Persondefinition kann ein generalklausuliertes Öffnungselement aufgezeigt werden als ein abstrahierter Verweis auf eine komplexe Realität, die Rosmini hier in seinem Rechtsbegriff mit dem Personbegriff zu erfassen versucht.
III. Drittes Element: Handlungswert Überdies fordert Rosmini ein eudämonologisches Element in seinem Rechtsbegriff. Dabei handelt es sich um das Element eines Handlungswertes mit objektiv feststellbarer Werthaltigkeit. Nach Klärung der Bedeutung und grundsätzlicher Einordnung des eudämonologischen Aspekts wurden in der vorliegenden Untersuchung die Verbindungslinien der rosminischen Verwendung des eudämonologi 213 Übers. d. Verf.: „La persona […] è il principio attivo supremo d’un soggetto intelligente“ (Rosmini 1967, S. 109); „[…] the person is the supreme, active principle of an intelligent subject“ (Rosmini 1993a, 240).
G. Ergebnis
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schen Aspekts zum antiken, wie auch modernen Verständnis des Naturrechtsbegriffs nachgezeichnet und die engere Verwendung bei Rosmini in Einschränkung des Naturbegriffs auf die menschliche Natur herausgestellt. Damit konnte anschließend die Inhärenz des Handlungswertes in der menschlichen Person in der Konzeption einer rosminischen Rechtsanthropozentrik geklärt und von den eudämonologischen Aspektauffassungen der utilitaristischen Reduktion in der Rechtsauffassung, wie auch durch die Trennung vom Sittengesetz abgegrenzt und hier durch die Verbindung von eudämonologischem Element in Kompatibilität mit der Moral die rosminische Eigenständigkeit ein Schritt weiter nachgewiesen werden.
IV. Viertes Element des Rechts: Handlungserlaubtheit Zunächst wurde die Inhaltsbedeutung für die Übertragung des rosminischen iceità-Begriffs als Handlungserlaubtheit herausgearbeitet und anschließend ist die L inhaltlich differenzierte Sichtweise der Bedeutung der Handlungserlaubtheit anhand der Positionen in der Literatur dargestellt mit dem Ergebnis der Verbindung von Recht und Moral im vierten Rechtselement. Hier schließt sich die Analyse der inhaltlichen Ausgestaltung des Verständnisses und der Beurteilungsmaßstäbe dieser ethisch moralischen Erlaubtheitsauffassung an. Als Untersuchungsergebnis sind bei Rosmini, ähnlich strafrechtlicher Kategorisierungen, Beurteilungsmaßstäbe nach objektiven und subjektiven Kriterien festzustellen. Beurteilungsmerkmale sind dabei die einzelne Handlung als solche, das Ziel, auf das die einzelne Handlung gerichtet ist und sowohl objektive als auch subjektive Komponenten von Handlung und Erfolg. Die Erlaubtheitsmaßstäbeproblematik zeigt Rosmini an den Beispielen der Rechtsordnungen in Deutschland und bei Zeiller auf und verneint im Ergebnis mit Rekurs auf ein übergeordnetes moralisches Gesetz jede rein positivistische Position zur Beurteilung des Erlaubtheitselements. Rosmini hält gegen einseitige Festlegungen des Erlaubtheitskriteriums an einer übergesetzlichen Rückkopplung fest und schließt eine Verabsolutierung seines Erlaubtheitselements für den Rechtsbegriff aus. Handeln gegen die Humanität im Namen des Gesetzes soll so schon in seiner Rechtskonzeption nicht als erlaubt beurteilt werden können. Damit steht der Rechtsbegriff Rosminis für etwaigen Missbrauch, wie in den Totalitarismen des 20. Jahrhunderts, schon gar nicht zur Verfügung.
V. Fünftes Element des Rechts: Rücksichtspflicht Mit der Rücksichtspflicht stellt Rosmini die explizite Verbindung zwischen Recht und Pflicht heraus. Dies geschieht hier, indem der Moralbegriff nun explizit als Rechtselementsbestandteil und zudem in Verbindung mit der Pflicht als „moralische Pflicht“214 erscheint. Diese ist gekennzeichnet durch die Relation mit 214
Vgl. Rosmini 1967, S. 118; Rosmini 1993a, 262.
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2. Kap.: Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen
„anderen intelligenten Wesen“215, die „Ausübung der […] Befugnis nicht zu stören“216. Hier eröffnet die Analyse weitere Fragen für die weitere Untersuchung der Konzeption des Rechts bei Rosmini, ob sich durch das Rücksichtspflichtelement der Kreis der Rechtskonstitutiva schließe, indem ein Rechtselement eingeführt wird, das nun selbst die Verpflichtung aufstellt, die zuvor eingeführte Handlungsbefugnis zu beachten und so in einer systemimmanenten Stabilisation mündet oder in einen Zirkelschluss verfällt, der die Beachtung eingeführter Voraussetzungen zur letzten Voraussetzung erhebt, was schließlich bei der weiteren Untersuchung der Frage nach der ontologischen Grundlage des Rechts für dieser Verpflichtungs elementskonzeption nach einer Antwort ringt.
215 216
Vgl. Rosmini 1967, S. 118; Rosmini 1993a, 262. Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, S. 118; Rosmini 1993a, 262.
Drittes Kapitel
3.
Rosminis Rechtsbegriff im Spiegel konzeptionell bedeutsamer Rechtsbegriffe und Strömungen Weiteren Aufschluss über die Rechtsdefinition Rosminis soll durch Blick auf einen Vergleich mit einer Auswahl1 an Positionen zum Recht bzw. zum Begriff vom Recht erzielt werden, wobei die Untersuchung bei Ulpian ansetzen und mit dem Aquinaten über Hobbes und Kant, sowie Hegel fortsetzen wird, um eine vergleichende Einordnung Rosminis als Grobabriss wenigstens andeutungsweise darlegen zu können.
A. Ulpian Bei der Suche nach dem Begriff vom Recht bei Ulpian finden sich folgende Erörterungen Ulpians:
I. Rechtsbegriff „Recht bezieht seinen Namen von der Gerechtigkeit her […] Recht ist die Kunst des Guten und Billigen“2; „Die Gebote des Rechts sind, ehrenhaft und anerkennenswert zu leben, den anderen nicht zu schädigen und das Seine einem jeden zuzuteilen“3.
II. Erläuterung Eine Definition des Rechtsbegriffs, jedenfalls im engeren Sinn, ist bei Ulpian nicht zu finden.4 Der Rechtsbegriff wird bei Ulpian von einzelnen Merkmalen aus formuliert, wie durch die Gerechtigkeit. Recht wird als die Fertigkeit einer Kunst 1
Die Auswahl für die in den Vergleich einbezogenen Rechtsdefinitionen bzw. Auffassungen vom Recht ist soweit am Rechtsbegriff Rosminis orientiert, dass Rosmini entweder sich mit der jeweiligen Auffassung explizit auseinandersetzte oder dass davon auszugehen ist, dass sie auf Grund ihrer grundlegenden Bedeutung insbesondere im 19. Jahrhundert als für Rosmini als nicht unbedeutsam in seinem Blick vorausgesetzt werden dürften. 2 Ulpian 1 instit: Dig. 1.1.1. prc. 3 Ulpian 1 regul: Dig. 1.1.10. § 1. 4 Vgl. Brieskorn 1990, 41.
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3. Kap.: Rosminis Rechtsbegriff im Spiegel bedeutsamer Rechtsbegriffe
verstanden, die die Leistung einer angemessenen Zuteilung der Güter an die Menschen hervorbringe.5 Dabei werden Forderungen als Gebote des Rechts aufgestellt, die sich an die Menschen richten. Vom Menschen wird eine ehrenhafte Lebensweise gefordert. Dabei ist Ehrenhaftigkeit als die äußere Erscheinung der Tugend zu verstehen6 mit der Konsequenz eines gesellschaftlich verantworteten Handelns. Im Nicht-Beeinträchtigt-Werden-Dürfen des anderen zeigt sich die soziopolitische Dimension des Rechts in der Relation.7 Der Machtgenuss des Römers soll nicht auf Kosten des anderen gehen.8 Die Zuteilungskriterien des jedem Zustehenden werden von der res publica vorgegeben. Das Denken mit Ausgangspunkt vom Staat statt vom Einzelnen erschließt den funktionalen Daseinscharakter des Menschen in der Gemeinschaft bei Ulpian.9
III. Vergleichende Einordnung Die römischrechtliche Ius-Auffassung Ulpians hängt primär am Gerechtigkeitsbegriff und enthält als ars boni et aequi die weite Bedeutung des ius als Gesetzgebung, Gesetzanwendung und Rechtsprechung.10 Die Auffassung Rosminis von Recht nimmt einen gänzlich anderen Ausgangspunkt. Nicht die Gerechtigkeit ist primärer Bezugspunkt des Rechts, sondern erster Anknüpfungspunkt ist die Handlungsbefugnis ganz allgemein, die dann näher präzisiert wird. Die Umschreibung Rosminis bezieht sich nicht konstitutiv auf die Anwendungsbereiche des Rechts, wie Gesetzgebung, Rechtsprechung usw., um Recht zu definieren. Dies zeugt von einem wesentlich abstrakteren Definitionsverständnisses als im römischrechtlichen Denken Ulpians. Ebenso bestätigt sich dies in der näher beschriebenen Art der Lebensführung bei Ulpian als Element der Rechtsauffassung, den anderen nicht zu schädigen und jedem das Seine zuzuteilen. Bei Rosmini finden sich diese Überlegungen, wenn auch in viel abstrakterem und dadurch komplexerem Maß in der Ausgestaltung der Handlungsbefugnis wieder, was die Beschränkung des Freiheitsmaßes des Einzelnen anbelangt, die sich in der Handlungs befugnis der Koexistenz findet. Die für Ulpian selbstverständliche Verbindung von ius und mores11 findet sich bei Rosmini wieder in der Verbindung der Handlungsbefugnis mit dem moralischen Gesetz. Dagegen geht Rosminis Verbindung zum moralischen Gesetz wesentlich 5
Vgl. Brieskorn 1990, 40. Vgl. Büchner 1980, 83. 7 Vgl. Brieskorn 1990, 40. 8 Vgl. Büchner 1980, 92. 9 Büchner 1980, 68. 10 Vgl. Brieskorn 1990, 40. 11 Vgl. Brieskorn 1990, 41. 6
B. Thomas v. Aquin
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weiter als bei Ulpian, da bei Rosmini nicht nur ein inhaltlicher Zusammenhang von Recht und moralischem Gesetz, wie bei Ulpian, gesehen wird, sondern vom moralischen Gesetz Schutz und Berücksichtigungsbefehl ausgehen. Ein Forderungsdenken ist nicht der Ausgangspunkt Rosminis, sondern demgegenüber steht der Befugnisansatz Rosminis, die Forderungen ergeben sich erst in den Konsequenzen der Handlungsbefugnisse. Damit scheint auch in diesem Punkt die Definition Rosminis zu zeigen, nicht an soziopolitischen Erscheinungen anzusetzen, sondern wesentlich näher an den Ursprüngen der Erscheinungen anzuknüpfen.
B. Thomas v. Aquin Hat Ulpian seinen Rechtsbegriff von der Gerechtigkeit sowie vom Guten und Billigen aus formuliert, so soll neben diesem für die christliche Rechtslehre grundlegenden Denker der Antike nun der Aquinat hinsichtlich seines Begriffs vom Recht mit Rosminis Rechtsbegriff in Verbindung gebracht werden.
I. Rechtsbegriff Bei Thomas heißt es hierzu: „Recht wird also genannt, was gleichsam die Recht heit der Gerechtigkeit hat, gerade das also, worin die Tätigkeit der Gerechtigkeit ihren Abschluss findet.“12 „Von Recht oder Gerechten spricht man mit Beziehung auf ein anderes.“13 Die Gesetzesgerechtigkeit ordnet den Menschen „sufficienter […] in his quae sunt ad alterum“, quantum ad commune quidem bonum, immediate; quantum autem ad bonum unius singularis personae, mediate.“14 In seiner Questio, De Iure, antwortet Thomas mit dem Ergebnis seiner Untersuchung: „ius est obiectum iustitiae“15. Rechtschaffenheit basiert für Thomas auf der eigenen Aktivität eines handelnden Subjekts16 und damit ist Recht zu verstehen, als die gerechte Natur einer Handlung.17
12
Thomas 1953, II-II 57, 1. Thomas 1953, II-II 57, 4. 14 Thomas 1950c, II-II 58, 7 ad 1. 15 Thomas 1950c, II-II 58, 7, 1. 16 Vgl. Landi 2002, 181; Thomas 1950c, II-II 57, 1. 17 Vgl. Landi 2002, 181. 13
82
3. Kap.: Rosminis Rechtsbegriff im Spiegel bedeutsamer Rechtsbegriffe
II. Erläuterung Wie bei Ulpian sucht man auch bei Thomas von Aquin vergeblich nach einer präzisen Rechtsdefinition. Die thomistische Betrachtung geht an das Recht mit einer vierfachen Betrachtungsweise im Licht der Spiritualität, der Rationalität, der Politik und der Gerechtigkeit heran. Das Augenmerk richtet sich bei Thomas, ebenso wie bei Ulpian, auf die Begriffe von Gerechtigkeit und Gesetz. Primär ist Recht eine Ordnung der Beziehungen und erst in der Ordnung der Beziehungen richtet sich Recht auf den Einzelnen und anderen. Dabei ist Recht unmittelbar eine Ordnung des Gemeinwohls. Erst mittelbar betrifft das Recht die Beziehungen des Einzelnen.18 Damit ist der Auffassung einer gewissen Eingrenzung des Rechtsbegriffs auf eine Rechtsgemeinschaft19 hin zu folgen. Im Gegensatz zu Aristoteles, der das „dikaion“ sowohl auf die Ordnung der Polis als auch auf die Gerichtsurteile bezog,20 konstruiert Thomas als Ausgangspunkt des Rechts die Communitas als Rechtsgemeinschaft,21 in deren Anliegen das Recht auf den Einzelnen trifft, der hier nun in der Aktivität als handelndes Subjekt22 in Erscheinung tritt.
III. Vergleichende Einordnung Während nun die Rechtskonzeption bei Thomas die Rechtsgemeinschaft in besonderer Weise betont, hat Rosmini in seiner Definition darauf verzichtet. Die Definition Rosminis setzt nicht bei der Ordnung der Relationen der Communitas an, sondern nimmt ihren Ausgangspunkt bei der Handlung, die als Handlung des Einzelnen betrachtet wird und erst entgegengesetzt, wie bei Thomas die Alteritas und Koexistenz mittelbar betrifft als konzeptionelles Charakteristikum und so zur Festlegung des Freiheitsmaßes und der Limitation gelangt. Rosmini sieht das Recht in einer personalen Konzeption, die dann mittelbar die Koexistenz betrifft. Ein Fehlen der Communitas-Struktur im Rechtsbegriff Rosminis kann auf Grund der rosminischen Rechtskonzeption nicht angenommen werden, da Rosmini die verschiedenen Communitates durchaus sieht, in denen es Recht gibt. In seiner Abhandlung stellt er die Rechtsgemeinschaften von der Familie über die Staatsgemeinschaft bis hin zu Societas perfecta schließlich dar. In Rosminis Rechtsbegriff zeichnet sich der Gemeinschaftsbezug in zweifacher spannungsvoller Hinsicht aus, da einerseits die Gemeinschaft kein unmittelbares Rechtskonstitutivum ist und andererseits aber der Rechtsbegriff die Person des anderen Menschen in die Konstitutiven in der negativen Abgrenzung derart einbe 18
Vgl. Brieskorn 1990, 41. Vgl. Brieskorn 1990, 42; im Anschluss an: Büchner 1980, 68. 20 Vgl. Aristoteles. Politik I, 1253a 26 ff. 21 Vgl. Thomas 1950b, I-II 90, 4. 22 Vgl. Landi 2002, 181; Thomas 1950c, II-II 57, 1. 19
C. Hobbes
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zieht: zum einen, dass diese die Handlungen des anderen von bestimmter Qualifikation nicht behindern dürfen, wie im zweiten Kapitel gezeigt wurde, zum andern aber auch, dass das Recht aus der Pflicht hervorgeht,23 die aber hierzu immer Pflicht gegenüber einem anderen ist und eben nicht Pflicht lediglich gegen sich selbst, um von Recht zu sprechen.24 Damit ist der Rechtsbegriff Rosminis im Grunde zugleich gemeinschaftsunabhängig, im Sinn der unmittelbaren Definitionskonstitutiven, und zugleich zutiefst gemeinschaftsrelational, über die Filiation des Rechts aus der Pflicht gegenüber anderer Personen. Dadurch gewinnt der Rechtsbegriff ein hohes Maß an Flexibilität und Stabilität, da er nicht von der Existenz einer Communitas unmittelbar abhängt und die Koexistenz und Alteritas von entscheidender Funktion mit in den Rechtsbegriff integriert. In Gegensatz zu Thomas ist der Gedanke der Koexistenz der anderen Personen in der organisierten Form der Communitas jedoch kein Rechtskonstitutivum, sondern das Recht ist dann eben jeweils in diesen gesellschaftlichen Ordnungen in unterschiedlicher Weise vorhanden und ausgeprägt für Rosmini, anstatt von diesen her konzipiert zu sein. Somit ist eine gewisse Abstraktion von konkreter gesellschaftlicher Organisation bei Rosmini geschafft und gleichzeitig auf Einbeziehung unterschiedlichster gesellschaftlicher Organisationsformen hin offen, da sich Rosminis Konzeption primär am Subjekt der Person orientiert. Im Ergebnis dürfte damit auch die gesellschaftsorganisatorische Unabhängigkeit im Gegensatz zu Thomas den Charakter des rosminischen Rechtsbegriffs in seiner individuellen Kompatibilität auszeichnen.
C. Hobbes Im nächsten Schritt nach der Einbeziehung der Positionen Ulpians und des Aquinaten soll nun der Rechtsbegriff von Hobbes miteinbezogen werden.
I. Rechtsbegriff Zum Rechtsbegriff findet sich bei Hobbes die folgende Aussage: „Das Recht besteht in der Freiheit, etwas zu tun oder zu unterlassen; das Gesetz aber schließt eine Verbindlichkeit, etwas zu tun oder zu unterlassen, in sich.“25
23
Vgl. Rosmini 1967, S. 127; Rosmini 1993a, 281. Vgl. Rosmini 1967, S. 128; Rosmini 1993a, 282. 25 Hobbes 2007, XIV, 3. 24
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3. Kap.: Rosminis Rechtsbegriff im Spiegel bedeutsamer Rechtsbegriffe
II. Erläuterung Die Rechtsauffassung Hobbes’ setzt am Liberty-Begriff an. Brieskorn versteht den hobbesschen Rechtsbegriff als „Zugriffsbefugnis auf alles und jeden die unbeschränkte Freiheit des Tuns und Unterlassens, deren Maß nur das individuelle Lebenskalkül bestimmt.“26 Hobbes versteht das Recht als eine Handlungsbefugnis, durch welche die Freiheit des Einzelnen hergestellt werden könne, in dem „alle ein Recht auf alles, die Menschen selbst nicht ausgenommen“27, hätten. Geleitet werde das Individuum dabei von seiner Vernunft im Krieg aller gegen alle. Law stellt im Gegensatz zu right eine allgemeine Individualobligation dar.28 Im wechselseitigen Rechtsverzichtsvertrag29 bei der Friedenssuche mit dem Ziel der Herstellung von Ruhe und Selbsterhaltung tritt der Gesetzesgehorsam in den Vordergrund und jeder müsse „mit der Freiheit zufrieden sein, die er den übrigen eingeräumt wissen will.“30 Das Gemeinwesen bzw. der Staat als Gesetzgeber als Vermittler gesellschaftlichen Lebens,31 ist bei Hobbes allein in der Lage zur Verteidigung und Aufrechterhaltung der Staatsgemeinschaft,32 indem der gewalttätige Umgang der Menschen untereinander durch funktionierende Rechtsordnung unterbunden ist.33
III. Vergleichende Einordnung Der Rechtsbegriff bei Hobbes kennt ein grundsätzlich umfassendes Freiheitsmaß. Die vertragliche Selbstbeschränkung der Freiheit geschieht um der Ordnung Willen, die vom Leviathan hergestellt wird. Das Freiheitsmaß und die Beschränkung der Freiheit stellen zwar bei Rosmini konzeptionelle Charakteristika des Rechts dar, beinhalten aber keinen grundsätzlich schrankenlosen Freiheitsbegriff. Die rosminische Konstruktion der juristischen Handlungsbefugnis, die immer ein gewisses Maß an Freiheit beinhaltet und beinhalten muss, um juristische Handlungsbefugnis zu bleiben, ist auf Grund ihrer Konstruktion insbesondere durch Nützlichkeit, Erlaubtheit und Unverletzlichkeit der juristischen Handlung immer als limitierte Freiheit zu verstehen. Ein Handeln im Zustand unbeschränkter Freiheit wäre bei Rosmini eben nicht mehr als Recht zu verstehen, so wie dies bei Hobbes theoretisch denkbar vor der vertraglichen Selbstbeschränkung der Freiheit erscheint. Eine solche grenzenlos freie Handlung, die im Krieg aller gegen alle zwar die Alteritas kennt, aber gerade die Koexistenz dabei nicht mehr als Wert
26
Brieskorn 1990, 42. Hobbes 2007, XIV, 4. 28 Vgl. Brieskorn 1990, 42. 29 Vgl. Brieskorn 1990, 42. 30 Hobbes 2007, XIV, 5. 31 Vgl. Brieskorn 1990, 42. 32 Vgl. Hobbes 2007, XVII, 12. 33 Vgl. Brieskorn 1990, 42. 27
D. Kant und die Auseinandersetzung Rosminis mit Kants Rechtsbegriff
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achtet, sondern sich ihrer nur als Mittel zur Ausübung des eigenen Rechts in Freiheitsverwirklichung bedient, stellt kein Recht nach der Auffassung Rosminis dar. Damit stehen sich zwei an der Freiheit anknüpfende Rechtskonstruktionen mit gleicher Blickrichtung auf die Handlungsbefugnis gegenüber, die auf Grund der Begründung des Maßes der Freiheit ggf. zu entgegengesetzten Ergebnissen von Recht kommen können.
D. Kant und die Auseinandersetzung Rosminis mit Kants Rechtsbegriff I. Rechtsbegriff „Recht […] ist der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des andern nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann.“34
II. Erläuterung Kants Rechtsbegriff aus seiner Metaphysik der Sitten enthält „unmittelbar drei Elemente:“35 Willkür, allgemeines Freiheitsgesetz und Vereinigungsbedingung.36 Dem ersten Element der Willkür liegen die „Begehrungsvermögen“37 zugrunde. Die damit ggf. verbundene „Gegensätzlichkeit menschlicher Zwecksetzungen“38 muss das Recht nun unter den Gesichtspunkten von Freiheit und der Vereinigungskondition ordnen.39 Das zweite Element des kantschen Rechtsbegriffs ist das allgemeine Gesetz der Freiheit, dabei ist die Freiheit bei Kant durch Vernunftbestimmtheit
34
Kant AA VI, 230. Folkers 1985, 247. 36 Vgl. Folkers 1985, 247. 37 Folkers 1985, 247. 38 Folkers 1985, 247. 39 Inwieweit damit allerdings schon von einer Aufnahme des hobbesschen Elementes, homo homini lupus, in den Rechtsbegriff gesprochen werden kann, vgl. Folkers 1985, 247, mag angesichts der Begründung Folkers, dass Kant damit dem Recht die Aufgabe stelle, die Natur des Menschen mit seiner Freiheit zu vereinigen, noch weiter zu differenzieren sein. Schließlich ist die Konzeption des Rechtsbegriffs bei Kant auf den Staat hin konzipiert und nicht zuerst eine vorstaatliche Konzeption, vgl. Brieskorn 1990, 44 mit Verweis auf Kant VI, 313). Somit liegt dem hobbesschen Rechtsbegriff zunächst nicht nur primär statt dem allgemeinen Freiheitsgesetz die individualisierte Freiheit als Lebenskalkühl zugrunde, vgl. Brieskorn 1990 42. Vielmehr ist bei Kant nicht die individualisierte Rivalität, sondern die Komplexität von Bedingungen für ein geordnetes Staatsleben und damit tatsächlich die Vereinigung von menschlicher Natur mit Freiheit das Thema, wogegen bei Hobbes im Recht die unbeschränkte Freiheit des Einzelnen gesehen wird. Alles Leben wird dann erst durch den Staat 35
86
3. Kap.: Rosminis Rechtsbegriff im Spiegel bedeutsamer Rechtsbegriffe
des Willens gekennzeichnet, wie sich die Idee der Freiheit bei Kant schon in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten entfaltete als eine Freiheit, die „lediglich im dem Verhältnisse des Intellectuellen als Ursache zur Erscheinung als Wirkung“40 stattfindet. So ist hier die Vernunft frei, da sie „keine Ursache außer sich41 hat. Das Allgemeine ist im Vernunftgesetz zu erkennen,42 in der für alle hörbaren „Stimme des Gewissens“43. Das dritte Element der Vereinigung von Willkür und allgemeinem Freiheitsgesetz ist nicht näher festgelegt, worin es genau besteht.44 Die Vereinigung der Willküren bedeutet im Ergebnis Limitation der Handlungsfreiheit45 ggf. mit einer entsprechenden Durchsetzungsbefugnis dieser Limitation verbunden, d. h. mit äußerem Zwang.46 Somit wird der Zwang als vereinigendes Moment als drittes Rechtselement erkannt.47
III. Auseinandersetzung Rosminis mit Kant An der kantschen Definition macht Rosmini vier Bemerkungen48: 1. Moralische Erlaubtheit Rosmini kommt es bei der Definition in besonderem Maße darauf an, das moralische Element der Erlaubtheit einer Handlung mit einzubeziehen. Diese kommt seiner Ansicht nach in der kantschen Definition zu kurz.49 Er führt folgendes Konstrukt an, um die Notwendigkeit eines moralischen Elementes der Erlaubtheit einer Handlung zu verdeutlichen: Es ist eine gemäß dem Naturgesetz unerlaubte Handlung, die die Koexistenz von niemandem tangiert. Hier stellt sich die Frage, ob diese so beschriebene Handlung nun gemäß der kantschen Definition ausgeführt werden darf. Für Rosmini gibt es kein Recht, Schlechtes zu tun.50 Wenn Rosmini hier Schlechtes erwähnt, ist dies im moralischen Sinn zu verstehen. Auf der anderen Seite spricht er dagegen von der Unerlaubtheit im Sinn des vermittelt und zwar nicht mehr durch das Recht, sondern bei Hobbes eben durch das, was er Gesetz nennt. und dieses sog. Gesetz gewährleistet die Vereinbarkeit von menschlicher Natur und Freiheit aber eben nicht der hobbessche Rechtsbegriff. 40 Kant AA IV, 344, Fn. 41 Folkers 1985, 248. 42 Vgl. Folkers 1985, 248. 43 Folkers 1985, 248. 44 Vgl. Folkers 1985, 248. 45 Vgl. Folkers 1985, 248. 46 Vgl. Kant AA VI, 231. 47 Vgl. Folkers 1985, 248. 48 Vgl. Rosmini 1967, S. 120 ff.; Rosmini 1993a, 269 f. 49 Vgl. Rosmini 1967, S. 121; Rosmini 1993a, 270. 50 Vgl. Rosmini 1967, S. 121; Rosmini 1993a, 270.
D. Kant und die Auseinandersetzung Rosminis mit Kants Rechtsbegriff
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Naturgesetzes. Im Ergebnis sagt Rosmini, es gibt kein Recht moralisch Schlechtes zu tun und damit ist bei Rosmini dann der Handlungsspielraum enger als bei Kant: Erstens, darf Unerlaubtes nicht getan werden. Zweitens, darf nicht moralisch Schlechtes getan werden. Die eingangs dieser Frage beschriebene unerlaubte Handlung, die die Koexistenz von niemandem tangiert, darf also nicht ausgeführt werden, auch wenn keine Koexistenz betroffen ist. Als Grund hierfür reicht, dass die Handlung moralisch schlecht ist. 2. Erlaubtheit als principium cognoscendi In einem zweiten Punkt merkt Rosmini zur Definition Kants an, dass unerlaubte Handlungen, die die Koexistenz berühren, nicht unerlaubt sind, wegen ihres Effektes, weil sie die Existenz berühren.51 Die Tatsache nämlich, dass eine Handlung die Koexistenz nicht berührt, ist weder Grund dafür, dass diese Handlung auch erlaubt sei, noch, dass es hierzu ein Recht gibt. Für Rosmini ist die Tatsache, dass die Handlung die Koexistenz nicht berührt ein Zeichen, durch welches das Recht erkannt werden könne.52 Diese Tatsache ordnet Rosmini lediglich dem „principium cognos cendi“53 zu. Er verneint ausdrücklich eine Zuordnung zu „principium essendi“54. 3. Universalität Weiter spricht Kant in seiner Definition von der Universalität der Ausführung einer Handlung. Diese Universalität ist für Rosmini kein moralisches Element, sondern lediglich ein Indiz für ein moralisches Element.55 Rosmini merkt an, dass diese Universalität bei Kant missverständlich und interpretationsbedürftig sei:56 Kant legt dabei nicht fest, ob es sich hier um eine absolute oder um eine relative Universalität handelt.57 Handelt es sich um eine absolute Universalität sind auch erlaubte Handlungen, die die Koexistenz anderer Personen betreffen erfasst.58 Als Beispiel führt Rosmini hier für die absolute Universalität die hypothetische Tatsache an, dass alle Menschen sich für den gleichen Beruf entscheiden und alle Schuhe herstellen. Dies ist eine erlaubte Handlung, die aber die Koexistenz der Menschen beeinträchtigt, da notwendige Bereiche nicht mehr abgedeckt werden würden.59
51
Vgl. Rosmini 1967, S. 121; Rosmini 1993a, 270. Vgl. Rosmini 1967, S. 121; Rosmini 1993a, 270. 53 Rosmini 1967, S. 121; Rosmini 1993a, 270. 54 Rosmini 1967, S. 121; Rosmini 1993a, 270. 55 Vgl. Rosmini 1967, S. 121; Rosmini 1993a, 270. 56 Vgl. Rosmini 1967, S. 121; Rosmini 1993a, 270. 57 Vgl. Rosmini 1967, S. 121; Rosmini 1993a, 270. 58 Vgl. Rosmini 1967, S. 121; Rosmini 1993a, 270. 59 Vgl. Rosmini 1967, S. 121; Rosmini 1993a, 270. 52
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3. Kap.: Rosminis Rechtsbegriff im Spiegel bedeutsamer Rechtsbegriffe
Meint Kant also eine absolute Universalität, dann würde die Definition von Recht Handlungen erfassen, die auch erlaubt sind und aber auch die Koexistenz sogar aufheben.60 Ist jedoch nur bei Kant eine relative Universalität gemeint, sind von den unerlaubten Handlungen der Definition Recht nur diejenigen erfasst, die die Koexis tenz nicht aufheben.61 Rosmini stellt fest, dass die Permanenz der Koexistenz nicht von der Erlaubtheit einer Handlung abhängt, sondern von deren Absolutheit und auch weniger von der Universalität.62 Eine relative Universalität behindere nach Rosmini dagegen die Koexistenz nicht. Der Bezugspunkt von Universalität sind danach die Umstände des einzelnen Handelnden. Die Begrenzung führe dann dazu, dass auch schlechte Handlungen die Koexistenz nicht gefährden, da diese Umstände so sehr begrenzt auf den Handelnden sind, dass sie eben ohne Relevanz für die Koexistenz sind. 4. Erlaubtheit und Koexistenz können Recht nicht endgültig definieren Als vierte Anmerkung wendet Rosmini noch weiter ein, dass es Handlungen gibt, die erlaubt sind und auch die Koexistenz nicht aufheben, aber eben nicht allen Menschen zustehen. Als Beispiel dient ihm das Erziehungsrecht des Vaters. Was meint Rosmini damit? Die Handlungen, die der Erziehungsberechtigte innerhalb eines Erziehungsrechtes an dem Kind vornimmt, sind sowohl moralisch erlaubt und gefährden die Koexistenz nicht, auch wenn der Vater dabei erlaubte Handlungen des Sohnes verhindert.63 Diese Handlungen des Vaters können aber nicht von jedem, sondern nur von Erziehungsberechtigten vorgenommen werden. Damit sind die Handlungen also nicht beliebig applizierbar auf alle Personen. Damit stehen nicht alle Handlungen, die erlaubt sind und auch die Koexistenz der anderen Menschen nicht behindern, eben nicht allen Menschen zu und können nicht eigentliches Recht genannt werden,64 um Recht nicht gesellschaftsabhängig oder mit einer tatsächlichen Koexistenzvoraussetzung zu konzipieren.65
60
Vgl. Rosmini 1967, S. 121; Rosmini 1993a, 270. Vgl. Rosmini 1967, S. 121; Rosmini 1993a, 270. 62 Vgl. Rosmini 1967, S. 121; Rosmini 1993a, 270. 63 Vgl. Rosmini 1967, S. 122; Rosmini 1993a, 270. 64 Vgl. Rosmini 1967, S. 122; Rosmini 1993a, 270. 65 Vgl. Rosmini 1967, S. 122 Fn. 1; Rosmini 1993a, 270 Fn. 163. 61
D. Kant und die Auseinandersetzung Rosminis mit Kants Rechtsbegriff
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IV. Vergleichende Einordnung Der Rechtsbegriff setzt bei Kant am kontradiktorischen Vertragsgedanken von mindestens zwei Personen in Form einer Ordnung statt subjektiver Eigenmacht an. Ausgangspunkt ist somit die Koexistenz von Personen auf einen tatsächlichen gesellschaftlichen Verband ausgerichtet und Recht das Ergebnis der Vertrags gestaltung im Dienst der Freiheitsschaffung mittels Zwangs. Recht bedeutet die Verbindung von Willküren unter der Freiheit. Recht ist die Ordnung des Festlegens von Freiheitsräumen. Sanktionen, wie Zwang, werden immer von dem Freiheitsgesetz her gedacht. Das Recht Kants als „Zwangsrecht“66 zu bezeichnen, ist daher missverständlich, da alles Recht vom Freiheitsbegriff bei Kant konzipiert ist und eben auch das Vereinigungsmoment im Recht als Zwang immer freiheitlich gedacht ist, da Zwang als „Verhinderung eines Hindernisses der Freiheit“67 verstanden ist. Aus Sicht Rosminis definiert Kant Recht „als Befugnis alle Handlungen vorzunehmen, deren Ausführung, obwohl universal, die Koexistenz anderer Personen nicht behindert“68. Während Kant für seine Rechtsdefinition die Koexistenz anderer Personen in gesellschaftsvertraglicher Verbindung im Auge hat, will Rosmini hingegen nicht von der Konzeption des Rechts auf eine Gesellschaft hin konstitutiv ausgehen,69 wenngleich das Recht für die Gesellschaft kompatibel konzipiert ist. Er sieht hierin ein zu eng eingegrenztes Merkmal. Als Begründung führt Rosmini für die Unabhängigkeit der Existenz des Rechts von der Gesellschaft an, dass die Formierung zweier Individuen zu einer Gesellschaft nicht notwendig sei, weil nach seiner Ansicht die Existenz von Recht auch zwischen zwei Individuen ohne bestimmte Gesellschaftsform gegeben sei. Rosmini spricht als Voraussetzung statt von Gesellschaft von einer möglichen Koexistenz, das heißt, von hypothetischer Relation mit dem anderen, die aber von einem Individuum aus gedacht wird.70 Eine Voraussetzung für Existenz von Recht ist damit kein Vergesellschaftungsprozess. Rosmini sieht die Voraussetzungen hier also weiter als Kant. Rosmini sieht die Voraussetzung schon im Mensch-Sein und nicht erst im Gesellschaft-Sein. Darüber hinaus liegt der Schwerpunkt bei Rosmini auf der Subjektivitätskomponente im Rechtsbegriff, als dem, wie oben dargestellten, ersten Rechtselement. Dies zeichnet sich besonders in der Konzeption Rosminis gegenüber Kant aus, da die Subjekt-Komponente auf Kosten der Rechtskonzeption auf einen vergesellschafteten Zustand hin bei Kant zurücktritt. Darüber hinaus ist das moralische Gesetz, wie bei Ros-
66
Folkers 1985, 249. Brieskorn 1990, 43. 68 Übers. d. Verf.: vgl. Rosmini 1967, S. 121; Rosmini 1993a, 270. 69 Vgl. Rosmini 1967, S. 122 Fn. 1; Rosmini 1993a, 270 Fn. 163. 70 di Carlo 1913, 164. 67
90
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mini im fünften Element des Rechts, nicht explizit genannt, obwohl gerade das Ergebnis für den Spielraum, den Kant für die „innere Freiheit, das Handeln aus Moralität“71 geschaffen hat, in der Konzeption der Herstellung einer äußeren Freiheit durch die Bedingungsvereinbarung mittels Zwang als Stärke Kants gewertet wird. Dennoch darf dabei das auch von Rosmini monierte fehlende Element der moralischen Erlaubtheit in der kantschen Rechtsdefinition – nicht vorschnell auf dem Hintergrund der kantschen begrifflichen Trennung von Legitimität und Moral72 – als „völlige Entgegensetzung“73 letztlich verstanden werden.74 Lisser zeigt auf, wie das Auseinanderfallen von Legalität und Moral in verschiedensten Bereichen ad absurdum geführt wird und wie Kant es dennoch schafft, aus diesem Dilemma herauszufinden.75 Kant sieht die Verbindung zur Moralität über die Pflicht: Der Staat verkörpert nun die Legalität und schafft damit einen Rahmen des äußeren Zwangs und wird dadurch zum Erzieher zur Moralität: In den durch die Gesetze gesicherten Verhältnissen könne dann die Moralität aufleben.76 Auffallend ist hier, dass es sich lediglich um einen späten Zusammenfluss von Moralität und Recht handelt. Auch vermag eine Konzeption über die Pflicht gerade entgegen dem konstitutiven Zusammenhang, wie er bei Rosmini nachgewiesen werden konnte, keine innere voraussetzende Verbindung der Moral für die kantsche Rechtskonzeption erkennen lassen, sondern lediglich einen Zusammenhang im Ergebnis, indem das Recht die Moral begünstigt. Somit tritt hier eine der wesentlichsten und grundsätzlichen Entgegensetzungen der Rechtskonzeption Rosminis und Kants zu Tage.
E. Hegel Nach einem Ausblick auf den kantschen Rechtsbegriff und seine vergleichende Einordnung zum rosminischen Rechtsbegriff soll der Rahmen der vergleichenden Positionierung Rosminis mit Hegel dann zunächst zu einem Positionierungs ergebnis gelangen.
I. Rechtsbegriff So formuliert Hegel zum Recht: „Der Boden des Rechts ist überhaupt das Geistige und seine nähere Stelle und Ausgangspunkt der Wille, welcher frei ist, so dass die Freiheit seine Substanz und Bestimmung ausmacht und das Rechtssystem das 71
Folkers 1985, 249. Vgl. Lisser 1922, 45. 73 Lisser 1922, 45. 74 Vgl. Lisser 1922, 45 f. 75 Vgl. Lisser 1922, 46. 76 Vgl. Lisser 1922, 46. 72
E. Hegel
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Reich der verwirklichten Freiheit, die Welt des Geistes aus ihm selbst hervor gebracht, als eine zweite Natur, ist.“77
II. Erläuterung Ausgangspunkt des Rechts ist bei Hegel der Wille.78 Dabei ist der Wille durch drei Momente gekennzeichnet: Erstens, durch die „Unabhängigkeit von jeder Be schränkung“79 als „absolute Abstraktion, reines Denken“80, zweitens durch „Übergehen zum Setzen einer Bestimmtheit […] das Moment der Besonderung des Ich“81, also im Sinn der Willkür bei Kant,82 und drittens, durch die Einheit von Abstraktion und Besonderung.83 Substanz des Willens ist die Freiheit. Damit ist Freiheit Kernbegriff in Hegels Rechtsphilosophie.84 Dabei liegt dem hegelschen Freiheitsbegriff „Erfüllung und Wahrheit“85 zugrunde86 mit dem Kerngedanken, dass „das Individuum nur dann die unendliche und konkrete Freiheit erreichen kann, wenn es sein isoliertes FürSich-Sein autonom aufhebt und sich zum Anderen bewusst intersubjektiv verhält“87. Bedeutend ist dabei, dass der Übergang von der negativen Freiheit in die positive Freiheit in der „reziprokalen und symmetrischen Anerkennungsbeziehung zwischen selbständigen Selbstbewusstseinen“88 festzustellen ist. Schließlich ergibt sich für den hegelschen Freiheitsbegriff, dass Freiheit des anderen „notwendige Bedingung der Möglichkeit eigener Freiheit“89 statt Schranke bedeutet.90 Recht wird bei Hegel als das „Dasein der Freiheit“91 aufgefasst: „Recht […] ist […] die Freiheit als Idee“92. Recht ist „gleichbedeutend mit Freiheit bzw. freiem Willen einschließlich deren Verwirklichung in der Objektivität.“93 Die volle Frei-
77
Hegel 2007, § 4. Vgl. Folkers 1985, 251. 79 Folkers 1985, 251. 80 Folkers 1985, 251. 81 Folkers 1985, 251. 82 Vgl. Folkers 1985, 251. 83 Vgl. Folkers 1985, 251. 84 Vgl. Seo 2004, 156. 85 Seo 2004, 156. 86 Nicht liegt bei Hegel dagegen die Auffassung der „abstrakten Negation der negativen Freiheit“ (Seo 2004, 156) zugrunde. 87 Seo 2004, 157. 88 Seo 2004, 158. 89 Seo 2004, 158. 90 Vgl. Seo 2004, 158. 91 Folkers 1985, 250; Seo 2004, 154 f. 92 Hegel 2007, § 29. 93 Seo 2004, 155. 78
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3. Kap.: Rosminis Rechtsbegriff im Spiegel bedeutsamer Rechtsbegriffe
heitsverwirklichung ist für Hegel erst erreicht, wenn die Freiheit über den Zustand eines geistigen Konstrukts auch die Verwirklichung im zwischenmenschlichen Dasein gefunden hat.94 Die Ausgestaltung dieses Verhältnisses ist das Recht. Rechtsverhältnisse sind Freiheitsschöpfungen.95 Das Recht ist die lokale Beheimatung der Freiheit in der menschlichen Historie. Bei Hegel sind Recht, Freiheit und Geschichte untrennbar verbunden.96 Das Recht, „ein Sollen und ein ‚Seiendes‘“97, tritt als objektiver Geist auf und so kommt die Freiheit zu ihrem Recht,98 was für Hegel ein Entwicklungsschritt der Geistwerdung bedeutet.99
III. Vergleichende Einordnung Der Ansatz des hegelschen Rechtsbegriffs beim Geistigen ist der Ansatz beim Subjekt entgegen der aristotelischen Konzeption. Darin treffen sich Rosmini und Hegel, da beide vom Einzelnen und der Subjektivität ausgehen, wenn auch für Rosmini die Subjektivität als solche nicht hinreichend ist, um Recht zu erklären. Für Rosminis Rechtsbegriff ist die Subjektivität wesentlich, doch kommt vor allem zum Subjekt die Personalität hinzu. Zwar ist in seiner abstraktesten Form für Hegel das Recht auch Person,100 jedoch lediglich auf dem Hintergrund einer Vertragskonzeption in Vermittlung der Elemente Freiheit, Person und Eigentum.101 Der Ausgangspunkt des Rechts ist für Hegel der Wille. Bei Rosmini erweist sich die Bedeutung der Fähigkeit des Willens, die Handlungen laut der Intelligenz zu determinieren,102 als Voraussetzung der Rechtsträgereigenschaft. Für Hegel sind das Geistige und darin der Wille der Boden des Rechts. Unterschiedliche anthropologische Konzeptionen von Geist, Wille und Vernunft treten dabei hervor. Insofern stehen sich die Konstruktionen Rosminis und Hegels nahe, wenn auch eben die Unterschiede zu betonen sind: Die Verbindung von Wille und Intelligenz bei Rosmini und die Verbindung von Geist und dem darin verorteten Willen stellen jeweils den Boden für den Rechtsbegriff dar. Bei Rosmini ist dieser Boden dann aber auch nur der Boden der Rechtsträgerschaft und nicht der Boden eines geschlossenen Systems, da als letzter Grund des Rechts bei Rosmini nicht ein weltimmanenter Geist explizit bezeichnet ist. Zudem erscheinen hier auch die Unterschiedlichkeiten der Auffassungen der Rolle der Freiheit im Recht: Hegels Rechtsbegriff
94
Vgl. Brieskorn 1990, 44. Vgl. Brieskorn 1990, 45. 96 Vgl. Liebrucks 1966, 487 ff. 97 Brieskorn 1990, 45. 98 Hegel 2007, § 258. 99 Vgl. Beyer 1964, 561. 100 Vgl. Folkers 1985, 252. 101 Vgl. Folkers 1985, 252. 102 Vgl. Rosmini 1967, S. 109; Rosmini 1993a, 241. 95
F. Ergebnis
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mit der Komponente des sog. „positiven Freiheitsbegriffs“103 steht gegenüber der kantschen Position im kontradiktorischen Verhältnis: Bei Kant ist die Freiheit des Individuums und die Situation des Individuums in Koexistenz als gegensätzliches Verhältnis gefasst,104 wodurch im Ergebnis die Freiheit mit dem kantschen Zwang zunichte gemacht werde,105 sowie vorher bei Hobbes die Freiheit im Verzichtsvertrag des Individuums faktisch auf den Leviatan übertragen wird und damit für den Einzelnen nicht mehr zur Verfügung steht. Hier könnte Rosmini eine Vermittlerrolle zugedacht werden, der zwischen dem kantschen Freiheitsbegriff des Zwangs und andererseits dem hegelschen Freiheitsbegriff, die Freiheit des anderen nicht als Schranke der eigenen Freiheit zu verstehen, vermittelt: Rosmini sieht im fünften Element seines Rechtsbegriffs in gewisser Weise eine Handlungsgrenze im Sinn einer Schranke, „die Ausübung der Befugnis des anderen nicht zu stören“106. Aber das Wesen ist nicht als ein Verbot, als eine Negativbestimmung im Sinn der Beschränkung oder Schranke gefasst, sondern Rosmini erfasst diesen Freiheitsraum des anderen intelligenten Wesens von der moralischen Pflicht der Bejahung des anderen. Freiheitsräume sind damit bei Rosmini nicht eine stabilisierte Situation durch Gesetze des Leviatan oder durch den kantschen Zwang, aber auch nicht bloß die hegelsche Fassung notwendiger Bedingung isolierter eigener Freiheit als Dasein, sondern Kombination der Elemente der Schranke mit der eigenen Freiheit unter der moralisch sozialen Dimension, positiv gefasst, die Befugnis der anderen nicht zu stören, was im Grunde des Hervorgehens des Rechts aus der Pflicht107 bei Rosmini unter dem Anspruch der moralischen Pflicht seinen Ursprung findet.
F. Ergebnis Der Facettenreichtum des Vergleiches des rosminischen Rechtsbegriffs mit schon nur einigen ihm vorausliegenden Ansätzen lässt die Ähnlichkeiten und Anknüpfungspunkte Rosminis zu den auf ihn überkommenen Positionen erkennen. Hier zeigt sich, dass er nicht gänzlich von Neuem ausgeht, sondern Althergebrachtes nicht nur in seinem Entwurf wenigstens in Grundzügen ansatzweise mitdenkt, aber nicht übernimmt oder etwa gar kopiert und lediglich als Ferment zu einem neuen Ganzen integriert. Es wird deutlich, wie Rosmini hier einen eigenständigen Ansatz entwickelt, der Berührungspunkte aufweist, aber doch mehr als nur von kombinatorischer Innovation geprägt, einen homogen
103
Seo 2004, 158. Vgl. Seo 2004, 158. 105 Vgl. Seo 2004, 158. 106 Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, S. 118; Rosmini 1993a, 262. 107 Vgl. wie oben dargestellt, die Filiation des Rechts von der Pflicht bei Rosmini mit Bezug auf Rosmini 1967, S. 127; Rosmini 1993a, 281. 104
94
3. Kap.: Rosminis Rechtsbegriff im Spiegel bedeutsamer Rechtsbegriffe
eigenen Rechtsbegriff entwickelt und in unterschiedlichster Abgrenzung keiner der exemplarisch dargestellten auf ihn überkommenen Richtungen folgend – zwischen den Richtungen seiner Zeit von Subjektivismus108 und Finalismus109 108 Um das Recht zu begründen, reicht es für Rosmini nicht aus, vom Subjekt auszugehen, wie dies im Subjektivismus der Fall ist. Hier besteht die Annahme, dass die rein physische Verbindung der Person mit den Dingen das Recht auf der wirklichen Natur der Dinge begründet und schließlich zu den unbegrenzten und absoluten Rechten führt. Die Ursache, das formale Element des Rechts zu übergehen ist in der Tatsache zu suchen, dass die Rechte vom Subjekt abgeleitet sind. Quelle des Rechtes ist die subjektive Erfahrung. Die subjektive Erfahrung ist für Rosmini dagegen eine mögliche Quelle der Erkenntnis des Rechts aber eben nicht die Quelle des Rechts, vgl. Rosmini 1968, 413; Rosmini 1993b, 413. Rosmini kritisiert die Behauptung (Spedalieris), dass das Recht aus dem Instinkt zum Glück hervorgeht und dass dieser die Ratio als Meisterin der Mittel zur Garantie des Rechts erhebt, die ihre Quelle im Instinkt habe und nicht in der Vernunft: Konsequenz ist ein ewiger Kampf weil die Vernunft zeigen kann, dass alles, auch was den anderen gehört der Befriedigung des Instinkts zum Glück dienen kann. Das Recht ist für Rosmini von den moralischen Pflichten aufgestellt und nicht umgekehrt. Es kann keine Verpflichtung geben, die den Gebrauch eines Objektes behindert, in Bezug auf den man das Recht hat ihn zu gebrauchen. Aber im Gegenteil gibt es auch kein Gebrauchsrecht für ein Objekt dessen Gebrauch einem anderen vorbehalten ist. Rosmini wirft Spinoza vor, dass auch er die Rechte vom Subjekt ableite. Wenn die Rechte vom subjektiven Instinkt abgeleitet werden, entstünden nach Ansicht Rosminis unmögliche Verträge weil es keine Stabilität mehr gebe, da die Quelle des Rechts selbst instabil wäre. Das Recht wäre somit permanent mutabel. Denn das Recht ist nur insofern unveränderlich als auch seine Quelle unveränderlich ist. Aus diesen Erwägungen heraus meint Rosmini, dass eben das Subjekt kein Kriterium für eine Rechtsquelle ist. Rosmini wendet sich auch gegen die Grenzen, die die subjektivistische Theorie enthält, die Grenze des rechten Urteilens und des Maßes des individuellen physischen Könnens. Diese Grenzen weiß der Subjektivismus allein durch das jeweilige einzelne Subjekt festgesetzt und bestimmt. Rosmini sieht in jeder Weise, in der Recht und moralische Pflicht vom Subjekt abgeleitet werden ein Recht und eine Moral, die kein Fundament haben. Für Rosmini existiert die Pflicht unabhängig vom Impuls, den der Mensch zum Guten hat. Die Pflicht werde nicht von einem Prinzip des Glücks geboren, das der freie Wille des Menschen ist, der dieses Prinzip als Objekt dirigiert, indem er das größere eudämonologische Gute zurückstellt auf der Suche nach dem moralisch Guten. Das bedeutet den Instinkt nach Glück auf die Ausführung des moralischen Gesetzes zu lenken. Für Rosmini ist die Quelle der Pflicht das Prinzip der Moral. Die Quelle der Ausführung der Pflicht ist das Prinzip des Glücks. Alle Systeme des Wohlwollens und der Sympathie reduzieren sich auf das System des Glücks und dienen schließlich dazu die Ausführung der Pflicht zu erklären. Was sie aber nicht erklären können, ist die Quelle der Pflicht. 109 Dem Finalismus setzt Rosmini in seiner Rechtskonzeption sein Rechtskonzept entgegen, das seinen Ausgangspunkt am Konzept der Aktivität nimmt und so die Handlungen bestimmt, die unabhängig von ihrem Ziel als rechtens bezeichnet werden können. Als Beispiel dient dabei das Ziel, die Bewahrung des Lebens, dass in der Untersuchung als ein legitimes Ziel festgesetzt werden soll. Dieses Ziel kann nun durch Handlungen völlig unterschiedlicher Gattung erreicht werden. Das Ziel, das legitim ist, sagt allein noch nichts über die Handlungen, die zur Erreichung des Zieles anwendbar sind, aus. Es könnte sich bei diesen Handlungen also auch um unmoralische Handlungen handeln, mit denen ein legitimes Ziel verfolgt wird. Es besteht also kein Ausschluss zwischen legitimen Ziel und unmoralischer Handlung. Für Rosmini reicht es aber nicht aus nur ein Ziel allein zu bestimmen. Für Rosmini ist es notwendig auch die gerechten Grenzen zu bestimmen. Denn will jemand das Leben als angeborenes Recht bewahren und man würde alle Handlungen hierzu als rechtens bezeichnen die derjenige
F. Ergebnis
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und in der Auseinandersetzung besonders mit Romagnosi110 – einen eigenen Weg einschlägt.
ausübt, der das Leben bewahrt, könnte das Leben zu einem Teufelskreis werden, insofern man das als rechtens voraussetzt, das als rechtens vom Ziel her bestimmt wird. Das Recht muss aber von der Befugnis und der Handlung selbst her abgeleitet werden, in denen sie konkret und existentiell tatsächlich gefunden werden. 110 Bei Rosmini findet sich die Untersuchung folgender Rechtsdefinition Romagnosis: „eine Macht des Menschen ungehindert von einer Norm des Naturgesetzes so zu handeln, wie andere befolgen, was ihre Pflicht ist kraft desselben Gesetzes“ (Rosmini 1967, S. 122; Rosmini 1993a, 271). Rosmini überprüft dann die einzelnen Bestandteile der Rechtsdefinition Romagnosis in seiner Filosofia del diritto, vgl. Rosmini 1967, S. 122 f.; Rosmini 1993a, 271. Die Anknüpfung Romagnosis an das Naturgesetz in der Rechtsdefinition hält Rosmini für besonders problematisch, da dies viel zu abstrakt und wenig aussagekräftig ist. Das Naturrecht regelt nämlich nicht alle Handlungen, wie dies von einem positiven Gesetz erwartet werden kann. Im Naturrecht gibt es Handlungen, die aus moralischer und natürlicher Sicht frei sind, diese können von einem positiven Gesetz zu illegitimen Handlungen erklärt werden. Rosmini hält Romagnosi die Unterscheidung entgegen, dass es für das Naturgesetz nur Gesetzmäßiges gibt. Dagegen gebe es beim positiven Gesetz neben dem Gesetzmäßigen auch das Erlaubte. Überdies spricht Romagnosi von Hindernissen der Macht des Menschen ohne zu erklären, um welche Hindernisse es sich dabei handelt. Wenn es sich bei diesen Hindernissen um rein physische und vom Menschen unabhängige Hindernisse handelte, hindern sie das Recht nicht. Weiterhin bedeutet die Aussage Romagnosis, das Recht sei eine Macht, zu befolgen soweit sie verpflichtend ist, einen Teufelskreis, weil alles verpflichtend ist, soweit es sich dabei um Recht handelt. Romagnosi unterscheidet nicht, ob die Macht des Befolgens eine physische oder eine moralische Macht ist. Wenn diese Macht physisch ist, kann man die Macht haben oder auch nicht, oder sie auch nur haben ohne folgen zu müssen. Ebenso verhält es sich mit dem Folgen oder Nicht-Folgen. Es ist lediglich ein Umstand, der aber das Recht nicht verändert. Zudem spricht Romagnosi erst von Handeln dann von Folgen. Damit will er das Recht ohne notwendigen Grund in zwei Möglichkeiten teilen. Das Handeln führt zum Folgen und dieses impliziert das Handeln. Auf Grund dieser Überlegungen weist Rosmini die Definition Romagnosis als unvollständig und verfehlt zurück.
Viertes Kapitel
4.
Konzeptionelle Charakteristika für das Recht bei Rosmini Nach der bisherigen Untersuchung der expliziten konstitutiven definitorischen Elemente des Rechtsbegriffs mit einer ersten definitionsvergleichenden Einordnung soll nun auf die Probleme und konkrete Konsequenzen des rosminischen Rechtsbegriffs eingegangen werden, die sich aus der Konstruktion Rosminis ergeben und als implizite Merkmale des Rechts Verständnisvoraussetzungen für Recht bei Antonio Rosmini darstellen. Es geht um das Gerüst, das hinter und um die konstitutiven Merkmale herum aufgestellt ist, mit der Frage nach dem Umfang des Rechts, der Abhängigkeit des Rechts von der Pflicht und der Bedeutung der Koexistenz für Rosminis Rechtskonzeption als Handlungsbeschränkung in moralischer und interessenlogischer Hinsicht.
A. Beschränkungen des Rechts durch die konstitutiven Elemente des Rechts selbst Die Grenzen des Gebrauchs der Macht oder der Befugnis im Sinn des Rechts resultieren aus den fünf konstitutiven Elementen des Rechts. Die Beschränkung des Rechts sei Folge der Elemente des Rechts selbst.1 Diese Grenzen des Rechts machen die Koexistenz der Rechte von mehreren Personen möglich, die in Gemeinschaft zusammenleben. Aber die Grenzen seien dagegen nicht Ergebnis der Notwendigkeit des Zusammenlebens.2 Dabei hänge die Pflicht, die moralische Freiheit des anderen zu respektieren, nicht davon ab, dass diese Befugnis ein Recht sei, sondern diese Befugnis sei ein Recht, weil andere die Pflicht haben, diese Befugnis zu respektieren.3 Damit findet sich schon ein erster Hinweis auf das Verhältnis von Recht und Pflicht. Orecchia stellt hierbei auf die Festlegung des Verhältnisses von Recht und Pflicht ab: Die Pflicht folgt nicht dem Recht, sondern aus der Pflicht entstehe das Recht.4 1
Vgl. Rosmini 1967, S. 118; Rosmini 1993a, 263. Vgl. Rosmini 1967, S. 118; Rosmini 1993a, 263. 3 Vgl. Rosmini 1967, S. 118; Rosmini 1993a, 264. 4 Vgl. Orecchia 1955, 582. 2
A. Beschränkungen des Rechts durch die konstitutiven Elemente des Rechts
97
Rosminis Ziel ist aber hier noch nicht das Verhältnis von Recht und Pflicht festzulegen, da er dieses Verhältnis andernorts untersucht,5 sondern es geht ihm um die Darstellung der Grenzen des Rechts im Zusammenspiel mit den fünf konstitutiven Elementen des Rechts.
I. Eine Grenze des Rechts: neminem laedere Rosmini schildert in seinen konstitutiven Elementen, was Recht sei. Das fünfte konstitutive Element für das Recht stellt das neminem laedere dar, die Pflicht, die Handlungsbefugnis des anderen nicht zu stören bzw. zu verletzen. Von dieser Pflicht, der Gewährung der ungestörten Rechtsausübung für den anderen, ergibt sich, soweit auch die anderen vier Elemente hinzukommen, erst das Vorliegen von Recht. Aber aus dem Vorliegen der Pflicht auf die Unverletzlichkeit ergibt sich einerseits nicht nur Recht, sofern die weiteren konstitutiven Elemente hierzu vorliegen, sondern eben andererseits auch eine Grenze des Rechts, die Rosmini hier darstellen will, in Form des konstitutiven fünften Elements, die Handlungsfreiheit des anderen zu respektieren und nicht zu verletzen. Durch diese Pflicht der Rücksichtnahme ergeben sich die Grenzen für das eigene Handeln.6
II. Der Umfang der Rücksichtspflicht als Grenze des Rechts Die Pflicht der Respektierung der persönlichen Handlung eines anderen hat Rosmini dargestellt. Wie weit geht nun diese Pflicht, die Handlung des anderen zu respektieren, wo findet diese Pflicht ihre Grenze? Die Grenze dieser Pflicht endet für Rosmini nicht, im Gegensatz zu vielen Rechtstheoretikern,7 sobald die Handlung des anderen nicht „moralisch frei“8 ist.9 Eine von Rosmini dargestellte denkbare Möglichkeit der Begrenzung sei, dass, wenn die moralische Pflicht aus einem vorhergehenden Recht einer Handlung hervorgehe, die moralische Rücksichtspflicht mit dem Recht, als dem Objekt der Berücksichtigung, aufhöre. Aber eine solche Antwort stellt für Rosmini nicht nur einen gefährlichen Irrtum dar, sondern auch die Verhinderung des Fortschritts der Legislation.10 Moralische Freiheit der Handlung einer Person und die moralische Rücksichtspflicht in den anderen Personen entspringen verschiedenen Quellen und beide können unabhängig voneinander existieren. Für Rosmini bedeutet die An 5
Vgl. Rosmini 1967, S. 125; Rosmini 1993a, 274. Vgl. Rosmini 1967, S. 118; Rosmini 1993a, 264. 7 Vgl. Rosmini 1967, S. 119; Rosmini 1993a, 265. 8 Übers. d. Verf.: „moralmente libera“ (Rosmini 1967, S. 119); „morally free“ (Rosmini 1993a, 264). 9 Vgl. Rosmini 1967, S. 119; Rosmini 1993a, 264 f. 10 Vgl. Rosmini 1967, S. 119; Rosmini 1993a, 265. 6
98
4. Kap.: Konzeptionelle Charakteristika für das Recht bei Rosmini
nahme, dass beide strikt aufeinander bezogen und konditioniert seien, eine unendliche Anzahl von Ansprüchen auf beiden Seiten, die schließlich in Krieg endeten.11
III. Folgen der fünf konstitutiven Elemente des Rechts als Rechtsgrenzen Dass die Limitation des Rechts nicht lediglich im fünften Element allein besteht, daraufhin deutet schon die Überschrift zum Kapitel der Grenze des Rechts. Hier ist als Grenze des Rechts nicht nur die Folge eines, sondern die Folge von fünf konstitutiven Elemente genannt.12
IV. Analyse der Folgen der fünf konstitutiven Elemente des Rechts als Rechtsgrenzen Bisher stand die Grenze des Rechts im konstitutiven Rechtselement der Unverletzlichkeit durch die Rücksichtspflicht des neminem laedere im Mittelpunkt. Eine Einschränkung der Grenzsetzung des Rechts auf das fünfte Element allein in einer Exklusivfunktion ist jedoch nicht angeführt. Es bleibt zu überprüfen, inwiefern aus den Ausführungen Rosminis hervorgeht, wieweit die ersten vier konstitutiven Elemente des Rechts Grenzen des Rechts beinhalten. Damit der Handlung einer Person der Status eines Rechts zugesprochen werden könne, müssen u. a. die moralische Freiheit der Handlung einer Person, die den Anspruch erhebt, kumulativ mit der Voraussetzung vorliegen, dass die Handlung auch Objekt der moralischen Rücksichtspflicht der anderen, die diese Person umgeben, sei.13 Die von Rosmini geschilderte Konstruktion des Zusammenhangs von Anspruchsteller und Anspruchgegner in Bezug auf die Handlung machen die Voraussetzung des ersten konstitutiven Elements der Subjektivität der Handlung deutlich. Die Präzisierung Rosminis, dass es um die Handlung einer Person geht, bezieht das zweite konstitutive Rechtselement der Personalität der Handlung mit ein. Die Pflicht des Anspruchsgegners, die Handlung nicht zu stören, entspringt dem fünften konstitutiven Rechtselement der Unverletzlichkeit. Die damit zusammenhängende weitere von Rosmini geforderte Voraussetzung auf Seiten des Anspruchstellers ist, dass die Handlung moralisch frei sei. Hinter der Forderung nach moralischer Freiheit ist das vierte konstitutive Rechtselement erkennbar, die Erlaubtheit einer Handlung, die, wie oben gezeigt, Erlaubtheit in moralischer Hinsicht bedeutet.
11
Vgl. Rosmini 1967, S. 119; Rosmini 1993a, 266. Vgl. Rosmini 1967, S. 118; Rosmini 1993a, 263. 13 Vgl. Rosmini 1967, S. 118 f.; Rosmini 1993a, 264. 12
A. Beschränkungen des Rechts durch die konstitutiven Elemente des Rechts
99
Weiter ist zu fragen, welche Rolle im Rahmen der Grenzen des Rechts Rosmini für die Eudämonie einer Handlung, als dem dritten konstitutiven Rechtselement, vorgesehen hat. Für diesen Punkt findet sich keine explizite Zuordnung Rosminis. Eine Antwort hierzu soll unter den von Rosmini so genannten Beispielen für drei Klassen von ungerechten Ansprüchen14 im Folgenden gesucht werden, die seinen Artikel über die Grenzen des Rechts abschließen.15 1. Drei Klassen von ungerechten Ansprüchen Rosmini gibt Beispiele zu drei Klassen von ungerechten Ansprüchen, die aus dem Irrtum der Annahme eines relationalen und konditionierten Verhältnisses von Recht einer Handlung und moralischer Rücksichtspflicht hervorgehen.16 Die ersten beiden Klassen betreffen die Anspruchsteller, die dritte Klasse betrifft die Verpflichteten:17 Das sind erstens, ein immoderater Freiheitsanspruch,18 zweitens, ein Anspruch auf die Verwirklichung von Übel19 und drittens, der Dispensationsanspruch von der Rücksichtspflicht20. a) Erste Klasse: ein immoderater Freiheitsanspruch Die erste Klasse eines immoderaten Freiheitsanspruches stellen Anspruchsteller einer Handlung, die moralisch frei ist,21 die ihren Anspruch gegenüber jedermann erheben und darüber hinaus das Recht, das andere haben, ihrer eigenen Freiheit Grenzen aufzuerlegen, nicht erkennen.22
14
Vgl. Rosmini 1967, S. 119; Rosmini 1993a, 267. Vgl. Rosmini 1967, S. 119; Rosmini 1993a, 267. 16 Vgl. Rosmini 1967, S. 119; Rosmini 1993a, 267. 17 Vgl. Rosmini 1967, S. 119; Rosmini 1993a, 267. 18 Vgl. Rosmini 1967, S. 119; Rosmini 1993a, 267. 19 Vgl. Rosmini 1967, S. 119; Rosmini 1993a, 267. 20 Vgl. Rosmini 1967, S. 119 f.; Rosmini 1993a, 267. 21 Rosmini gebraucht die Formulierung moralisch frei wiederholt in der Bedeutung einer Handlung, der nach moralischen Kriterien nichts entgegensteht. Die Wendung „frei“, die mehrmals wiederholt im Zusammenhang mit moralisch erscheint, bildet so ein Gegenstück zum Begriff „limitiert“ den Rosmini im Zusammenhang mit Recht verwendet. Moralisch frei ist damit im Gesamtzusammenhang so aufzufassen, dass die moralisch freie Handlung keine Beschränkung aus moralischen Kriterien darstellt, wodurch der Handlung die Einordnung unter das Recht entzogen würde. 22 Vgl. Rosmini 1967, S. 119; Rosmini 1993a, 267. 15
100
4. Kap.: Konzeptionelle Charakteristika für das Recht bei Rosmini
b) Zweite Klasse: ein Anspruch auf die Verwirklichung von Übel Von Anspruchstellern wird die moralische Rücksichtspflicht der anderen Personen soweit eingefordert, dass diese Rücksichtspflicht auch für ihre Handlungen bestehen soll, die selbst aber moralisch nicht frei sind. Als Begründung hierzu führen diese Anspruchsteller an, dass es ausreiche ein Recht zu haben. Diese Ansprüche ermutigen die Menschen zur Verwirklichung von Übel.23 c) Dritte Klasse: ein Dispensationsanspruch von der Rücksichtspflicht Auf Rücksichtnahme verpflichtete Menschen stellen den Anspruch, dass sie von der moralischen Verpflichtung der Rücksichtnahme auf die Handlung anderer dispensiert seien, im Fall, dass die Handlung des anderen moralisch nicht frei sei und daher der Handelnde nicht Subjekt des Rechts sein könne. Diese Ansprüche überziehen die Gesellschaft mit einer falschen Gleichheit und würden dazu autorisieren, dass der Wohlhabende vom Armen beraubt würde mit dem Anspruch des Armen, dass dies sein Recht sei, weil der Wohlhabende keine Almosen gebe. Dagegen sei aber die Handlung des Armen eben nicht moralisch frei, weshalb der Arme kein Recht auf den Raub habe.24 2. Grenzen des Rechts hinsichtlich der konstitutiven Elemente Die drei dargestellten Punkte, die Rosmini als Beispiele zu drei Klassen von ungerechten Ansprüchen bezeichnet, sind genauere Beispiele in einem weiten Sinn: Die ersten beiden Punkte sind deskriptiver Art. Dort werden die ungerechtfertigten Ansprüche abstrakt-generell dargestellt. Abstrakt, da eine allgemeine nicht konkret fallbezogene Darstellung geschildert wird, generell, da nicht auf eine individuell betroffene Person oder auf einen bestimmten Personenkreis abgestellt wird. Im ersten Punkt beschreibt Rosmini die allgemeine Konstellation der Grenzen der eigenen Handlungsfreiheit hinsichtlich des Umfangs von Ansprüchen und Obligationen in Verbindung mit den Maßstäben der Moral zwischen Anspruchssteller und Anspruchsgegner. Es wird hier deutlich, dass eine Grenze des Rechts manchmal durch das Recht anderer von außen auferlegt wird, damit diese anderen ihre Freiheit bewahren können. Im zweiten Punkt stellt Rosmini in ebenso abstrakt-genereller Weise auf Handlungen ab, die moralisch nicht frei sind und ein Übel darstellen. 23 24
Vgl. Rosmini 1967, S. 119; Rosmini 1993a, 267. Vgl. Rosmini 1967, S. 120; Rosmini 1993a, 267.
A. Beschränkungen des Rechts durch die konstitutiven Elemente des Rechts
101
Wenn auch von Rosmini unausgesprochen, stellt er mit dem Übel, das sich in der Handlung findet und eben deshalb kein Recht mehr darstellt, auf das konstitutive Rechtselement der Eudämonie ab. Die Begriffe, Gut oder angenehme Sache als Satisfaktion oder als Glückseligkeit, versteht Rosmini unter dem eudämonischen Aspekt. Beinhaltet eine Handlung, wie im Beispiel, ein Übel, so kann diese Verwirklichung von Übel auch kein Recht darstellen, da dem die Grenze des Rechts im konstitutiven Aspekt der Eudämonie entgegensteht. Im dritten Punkt kommt Rosmini nun zu einem eigentlichen Beispiel im engeren Sinn. Hier stellt er ein konkret individuelles Beispiel dar, indem er den Armen schildert, der vom Reichen kein Almosen erhält und deshalb den Reichen beraubt. Dieser dritte Punkt zeigt, dass die Handlung des Armen moralisch nicht frei sei. Rosmini will demonstrieren, dass diese moralisch nicht freie Handlung des Armen nicht zum Recht werden könne. Der Arme habe kein Recht zum Raub. Eine Dispens von der moralischen Pflicht der Unverletzlichkeit des Reichen liege nicht vor.25 Der dritte Punkt stellt damit u. a. auch die Konsequenz aus dem fünften konstitutiven Element der moralischen Rücksichtspflicht dar. Die Grenze des Rechts des Armen ist hier veranschaulicht hinsichtlich seiner Pflicht, die Handlung des Reichen nicht zu stören.
V. Ergebnis Insgesamt findet sich in den Ausführungen Rosminis zu jedem konstitutiven Element des Rechts eine Grenze für das Recht. Die Grenzen des Rechts stellen sich somit in der Subjektivität, Personalität, Eudämonie, moralischen Erlaubtheit und der moralischen Rücksichtspflicht dar. Auffallend ist, dass eine genannte Grenze, i. R. d. Eudämonie innerhalb des immoderaten Freiheitsanspruchs, sich nicht aus dem Rechtsbegriff unmittelbar selbst ableitet, sondern einem Menschen in seinem Handeln von anderen als auferlegt bezeichnet wird. Rosmini sieht die Begrenzungsmöglichkeiten des Rechts damit nicht allein unmittelbar aus dem Rechtsbegriff gegeben,26 sondern auch von außen möglich. Auffällig ist dabei, dass dennoch ein mittelbarer Bezug zum Rechtsbegriff vorhanden ist, da die Handlungsfreiheit des Einzelnen nur soweit ermöglicht wer 25
Die Unverletzlichkeit der Handlung des Reichen ist im Beispiel Rosminis im Unterlassen der Handlung zu sehen, dass der Reiche keine Almosen gibt. Die Handlung des Reichen stellt keinen Dispensgrund für die Rücksichtspflicht für die Handlung des Armen dar. Der Arme ist verpflichtet die Handlung des Reichen, das ist das Nicht-Almosen-Geben, zu respektieren. Die Handlung des Armen, der Raub, respektiert die Handlung des Reichen eben nicht und eine Dispens von dieser moralischen Rücksichtspflicht ist nicht gegeben. 26 Im ersten so genannten Beispiel Rosminis für ungerechte Ansprüche erwähnt Rosmini, das Recht, das andere haben, ihrer eigenen Freiheit (gemeint ist die Freiheit des ursprünglich Handelnden) Grenzen aufzuerlegen.
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4. Kap.: Konzeptionelle Charakteristika für das Recht bei Rosmini
den kann, soweit andere diese Handlungen respektieren. Aber jeder Einzelne, der Handlungen ausführt, muss somit auch zugleich jede einzelne Handlung berücksichtigen. Jeder ist Anspruchsinhaber und Anspruchsgegner, sobald er in einer Gemeinschaft lebt. Rosmini geht aber nicht darauf ein, welche Voraussetzungen für diese Auferlegung der Grenzen der Handlungsfreiheit durch andere gegeben sein müssen, wie etwa der beobachtete mittelbare Zusammenhang. Die Antwort findet sich aber im Rechtssystem Rosminis, da die Auferlegung einer Grenze für das eigene Recht durch andere nur dann eine mit dem Rechtssystem kompatible Grenze darstellt, wenn diese grenzsetzende Handlung anderer rechtskonform ist, um wirksam das eigene Recht zu begrenzen. Damit müssen für die rechtsbegrenzende Handlung notwendiger Weise auch die konstitutiven Rechtselemente vorliegen und somit ist ein Zusammenhang in zumindest mittelbarer Weise für die das Recht begrenzende Handlung anderer zu fordern. Neben der Umfangsbestimmung des Rechts mit der Frage nach den Grenzen des Rechts ist nun innerhalb der Rechtskonzeption nach der formgebenden Konzeption im Rechtsbegriff zu fragen. Dabei soll zunächst bei der grundsätzlichen Bedeutung der Pflicht für Rosminis Rechtskonzeption angesetzt werden.
B. Die Bedeutung der Pflicht für Rosminis Rechtskonzeption Die enge Verbindung von Recht und Pflicht-Element zeigt sich bei Rosmini schon insbesondere am oben dargestellten fünften Rechtselement, der „moralische[n] Pflicht innerhalb der anderen intelligenten Wesen, die Ausübung der genannten Befugnis nicht zu stören“27. Juristische Pflicht ist für Rosmini eine moralische Pflicht, die Menschen verpflichte, die Freiheit der anderen zu respektieren, wenn diese Freiheit alle notwendigen Charakteristika besitzt, um ein Recht zu sein. Juristische Pflicht ist deshalb die Obligation, die ein Mensch korrespondierend zum Recht des anderen Menschen hat. Es ist die Rücksichtspflicht eines Menschen, die juristische Macht eines anderen Menschen nicht zu stören.28 Schließlich identifiziert Rosmini die juristische Pflicht mit dem fünften konstitutiven Element des Rechts.29 27 Übers. d. Verf.: „[…] debito morale negli altri esseri intelligenti di non turbare l’esercizio della detta facoltà“ (Rosmini 1967, S. 118); „[…] moral exigency in other intelligent beings requiring them not to interfere with the exercise of this faculty“ (Rosmini 1993a, 262). 28 Vgl. Rosmini 1967, S. 120; Rosmini 1993a, 268. 29 Vgl. Rosmini 1967, S. 120; Rosmini 1993a, 268.
B. Die Bedeutung der Pflicht für Rosminis Rechtskonzeption
103
I. Relation zwischen Recht und Pflicht 1. Existentielle Unabhängigkeit der Pflicht vom Recht und Vorrangigkeit der Pflicht vor dem Recht Rosmini geht in seiner Definition vom Recht als eine moralische Macht aus,30 durch die der Mensch tun könne, was nicht verboten und was vom Gesetz geschützt sei. Er gelangt zum Ergebnis, dass erstens die Notio der Pflicht der Notio des Rechts vorangehe31 und zweitens von ihr, der Notio des Rechts,32 unabhängig sei.33 Auf die Darstellung des Rang- und Abhängigkeitsverhältnisses lässt Rosmini die Überprüfung durch den Umkehrschluss folgen: Wäre die Notio der Pflicht der Notio des Rechts nicht vorrangig, dann müsste die Notio des Rechts entweder eine erste Notio sein, die durch sich selbst evident ist, oder die Bildung des Rechts wäre überhaupt nicht möglich.34 a) Aufbau der Darstellung Rosminis Nach Rosminis Konstruktion schließe die Notio des Rechts die Notio der Pflicht ein und nicht umgekehrt.35 Hierauf kommt es Rosmini an. Er betont wiederholt, dass es sich bei ihm um keinen Zirkelschluss handle, weil er eben die Notio des Rechts durch die Notio der Pflicht erklärt und diese der Notio des Rechts vorausgehe.36 Er sieht die Gefahr des Gegenarguments, dass das Recht der Pflicht nicht als vorrangig beurteilt werden könnte und somit sein Aufbau zusammenstürzt. Er selbst erwähnt die Gefahr in einen derartigen Zirkelschuss zu geraten, wenn man nicht von der Vorrangigkeit der Pflicht vor dem Recht ausgehe. Die Ausführungen hierzu sind sehr breit gehalten, mit dem erwähnten Hintergrund, dass diese Thesen oft vertreten worden sind in den Auffassungen, dass eine essentielle Relativität zwischen Recht und Pflicht erkannt wurde und beide einander einschlössen.37 Der Artikel Rosminis zur Darstellung des Verhältnisses von Recht und Pflicht endet mit der Darstellung der existentiellen Unabhängigkeit der Pflicht vom Recht. Die Pflicht werde vom Objekt auferlegt, während das Recht aus dem Subjekt hervorgeht. Wie das Objekt ein unabhängiges Sein vom menschlichen Subjekt hat, so hat auch die Pflicht eine unabhängige Existenz vom Recht.38 30
Vgl. Rosmini 1967, S. 125; Rosmini 1993a, 274. Vgl. Rosmini 1967, S. 125; Rosmini 1993a, 274. 32 Eine generelle Unabhängigkeit zwischen Recht und Pflicht findet sich hier jedoch nicht. Lediglich die einseitige Abhängigkeitsuntersuchung der Pflicht vom Recht ist mit unabhängig gewertet. 33 Vgl. Rosmini 1967, S. 125; Rosmini 1993a, 274. 34 Vgl. Rosmini 1967, S. 125; Rosmini 1993a, 274. 35 Vgl. Rosmini 1967, S. 126; Rosmini 1993a, 277. 36 Vgl. Rosmini 1967, S. 125; Rosmini 1993a, 275. 37 Vgl. Rosmini 1967, S. 125; Rosmini 1993a, 275. 38 Vgl. Rosmini 1967, S. 126; Rosmini 1993a, 276. 31
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4. Kap.: Konzeptionelle Charakteristika für das Recht bei Rosmini
b) Zwischenergebnis der Untersuchung des Begründungsaufbaus Rosminis Rosminis Argumentation ist im Ergebnis so aufgebaut, dass er seine eigene These, die Abhängigkeit des Rechts von der Pflicht, voranstellt, aber keine eigentlichen Begründungen für diese These liefert. Dagegen ist seine Begründung eine Gegenargumentation, die behauptet, die Annahme der essentiellen Relativität zwischen Recht und Pflicht sei falsch. Seine Begründungen beziehen sich auf das Argument der Defektivität der essentiellen Relationalität zwischen Recht und Pflicht. Damit gewinnt sein eigenes Argument aber nur an einer Negativabgrenzung, was als eigentliche Behauptung nur an Wert gewönne, wenn allein nur die beiden Alternativen, Abhängigkeit des Rechts von der Pflicht oder essentielle Relativität zwischen Recht und Pflicht, denkbar wären. Da es sich bei den beiden dargestellten Konstruktionen aber nicht um die einzig denkbaren Möglichkeiten handelt, sondern eben um zwei unter vielen, wie z. B. der entgegengesetzten Abhängigkeit, der Pflicht vom Recht, oder der Abhängigkeit des Rechtes von anderen Voraussetzungen als der Pflicht, fehlen im Ergebnis die positiven Begründungen im engeren Sinn für die Abhängigkeitskonstruktion des Rechts von der Pflicht bei Rosmini an dieser Stelle. Im letzten Schritt bei der Darstellung der existentiellen Unabhängigkeit der Pflicht vom Recht, zieht Rosmini Vergleiche zwischen der Herkunft von Recht und Pflicht. Rosmini spricht von der Auferlegung der Pflicht und von dem Hervorgehen des Rechts und nimmt eine Subjekt-Objekt-Unterscheidung vor. Das Recht setzt er mit dem Subjekt in Verbindung, die Pflicht dagegen mit dem Objekt. Wenn auch die Subjekt-Objekt-Zuordnungen hier ohne nähere Begründungen bleiben, fügen sie sich doch unproblematisch in die Ausführungen Rosminis zur Definition des Rechts ein, da Rosmini dem Recht die Subjektivität schon als erstes konstitutives Element zugeordnet hat und die Pflicht im fünften konstitutiven Element als Entsprechung im jeweils anderen Menschen, im Objektbezug des neminem laedere, entfaltet hat. Die Pflicht werde vom Objekt auferlegt, während das Recht aus dem Subjekt hervorgeht. 2. Korrespondenz von Recht und Pflichten „Nicht jeder Pflicht entspricht ein Recht aber jedem Recht entsprechen Pflichten.“39
Von dieser Zuordnung der Korrespondenz von Recht und Pflicht geht Rosmini aus und zeigt damit, wie Pflichten ohne korrespondierende Rechte existieren kön-
39 Übers. d. Verf.: „Non ad ogni dovere corrisponde un diritto, ma sì ad ogni diritto corrispondono de’ doveri“ (Rosmini 1967, S. 126); „A right does not correspond to every duty, but duties correspond to every right“ (Rosmini 1993a, 278).
B. Die Bedeutung der Pflicht für Rosminis Rechtskonzeption
105
nen, auch wenn er anerkennt, dass mit jeder Pflicht ein Recht, diese Pflicht zu erfüllen, verbunden ist.40 a) Voraussetzung der Bindung durch eine Pflicht Eine Bindung durch eine Pflicht sieht Rosmini gegeben, wenn eine Verstandesnatur sich uns präsentiert, das heißt, für die Pflichtenbindung ist die Anerkennung und der Respekt des Grades der Entität, an welcher das Gegenüber partizipiert, Voraussetzung.41 b) Voraussetzung für die Korrespondenz eines Rechts zur Pflicht Nach dieser Voraussetzung für die Entstehung der Pflichtenbindung, ist für eine Korrespondenz eines Rechtes zu der entstandenen Pflicht entscheidend, ob es sich um eine Pflicht handelt, die eine Relation mit einem anderen Menschen einbezieht. Bei den Pflichten sieht Rosmini zwei Möglichkeiten und eine Sonderstellung. Erstens, handelt es sich um eine Pflicht, die eine Relation mit anderen Menschen einbezieht, dann korrespondiert dieser Pflicht auch ein Recht.42 Zweitens, handelt es sich um eine Pflicht gegen sich selbst, die keine Relation mit anderen Menschen einbezieht, dann korrespondiert dieser Pflicht kein Recht, weil es für Rosmini keine Rechte gegen sich selbst gibt.43 Drittens, handelt es sich abstrakt gefasst um sog. erste Pflichten gegen die impersonale Wahrheit, und nicht gegen eine gegebene Person, dann seien sie der Rechte fähig, denn die Wahrheit sei das Element, das die Respektabilität der Person ermögliche.44 Aber zu allen Pflichten des Menschen gegenüber der impersonalen Wahrheit ohne Relation zu anderen Menschen existiere kein Recht. Rechte können in diesem Zusammenhang nur in anderen Personen existieren, deren Existenz nicht nötig sei für die Existenz dieser Pflichten.45 Eine Ausnahme, das heißt, eine Bejahung der Existenz von Recht, sieht Rosmini hinsichtlich der Pflichten gegenüber der impersonalen Wahrheit gegeben in Bezug auf Gott, gesehen als moralisches Gesetz.46
40
Vgl. Rosmini 1967, S. 126 Fn. 3; Rosmini 1993a, 278 Fn. 168. Vgl. Rosmini 1967, S. 126 f.; Rosmini 1993a, 278. 42 Vgl. Rosmini 1967, S. 127; Rosmini 1993a, 278. 43 Vgl. Rosmini 1967, S. 127; Rosmini 1993a, 279. 44 Vgl. Rosmini 1967, S. 127; Rosmini 1993a, 278. 45 Vgl. Rosmini 1967, S. 127; Rosmini 1993a, 280. 46 Vgl. Rosmini 1967, S. 127; Rosmini 1993a, 280. 41
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4. Kap.: Konzeptionelle Charakteristika für das Recht bei Rosmini
Dies fügt Rosmini nur fragmentartig ohne weitere Erklärung an. Dadurch wird erstens deutlich, dass die Ausführungen Rosminis zum Recht grundsätzlich eine weltimmanente Sichtweise des Rechts darstellen. Zweitens wird aber auch deutlich, dass eine metaphysische Ebene nicht unberücksichtigt ist, da diese eine eigene, wenn auch kurze, Darstellung findet. Und drittens zeigt sich insgesamt ein Aspekt von Inkompatibilität des weltoder gesellschaftsimmanenten Rechtsverständnisses Rosminis zu seinem metaphysischen Rechtsverständnis, da es sich einerseits nur als Ausnahme in das System integrieren lässt, andererseits für Rosmini eine solche Rückkoppelung seiner Rechtskonzeption an eine metaphysische Sphäre gerade mit Hilfe und mittels einer Ausnahmereglung in seinem System Platz findet. Diese Ausnahmeregelung öffnet das Rechtssystem Rosminis für eine umfassendere Weltanschauung, in der ein Gott an dieser Stelle zumindest einen deklaratorischen Platz finden kann, wenn auch keinen konstitutiven, da Gott als das moralische Gesetz gesehen wird, auf das im Zweifel ggf. alternativ ausgewichen werden kann, ohne das System weiter zu verändern. c) Transzendente Öffnung im Zusammenhang von Recht- und Pflichtenkorrespondenz Fraglich ist aber, ob Rosmini diese wiederholten transzendenten Öffnungen vorsieht, weil sie für sein Rechtssystem insgesamt eine notwendige Rolle spielen, oder will er mit den wiederholten Kurzrekursen auf Gott nur die Salonfähigkeit seines aufgeklärten Rechtssystems für das Italien des 19. Jahrhunderts erreichen. Anlass zu dieser Frage gibt hier die dargestellte Ausnahmeregelung, in der Rosmini die Existenz von Recht, hinsichtlich der Pflichten gegenüber der impersonalen Wahrheit in Bezug auf Gott, gesehen als moralisches Gesetz bejaht.47 Logisch stringent könnte Rosmini auch bei der Frage ansetzen, ob ein Recht in Korrespondenz zu einer Pflicht gegen Gott allein (und nicht zu den Mitmenschen) bestehen könne. Eine derartige Frage erscheint bei Rosmini dagegen nicht. Er stellt die gleiche Frage, nur statt Pflicht gegen Gott geht er von einer Pflicht gegen die Wahrheit aus und lässt Gott als moralisches Gesetz dann hinter der Wahrheit hervortreten.48 47
Vgl. Rosmini 1967, S. 127; Rosmini 1993a, 280. Eine Überprüfung anhand der fünf konstitutiven Elemente des Rechtsbegriffs hinsichtlich Gottes könnte nun die Lösung bringen. Allerdings wäre dann eine Festlegung auf Subjektivität, Personalität, Liceitas, Eudämonie und Unverletzlichkeit bezüglich der Handlung Gottes notwendig. Dies setzt aber eine Konkretisierung des Gottesbegriffs voraus. Eine Eingrenzung des Systems wäre damit notwendig verbunden. Für den christlichen Gott wären aber sogar die für das Gottesbild entscheiden Merkmale, wie Subjektivität und Personalität, ggf. gegeben. (Dies erscheint möglich, soweit die Personalität weit interpretiert wird, indem die menschliche Personalität, die ursprünglich als Abgrenzungskriterium zur Tierwelt von Rosmini eingeführt wurde, hier, teleologisch aufgefasst, einer Subsumption der Personalitätseigenschaft des christ 48
B. Die Bedeutung der Pflicht für Rosminis Rechtskonzeption
107
Der Spagat zwischen transzendentaler Bejahung der Anwendbarkeit seines Rechtssystems und primär weltimmanenter Ausrichtung gerät bei einer Subsumption unter das Beispiel des christlichen Gottes zu folgendem Ergebnis: Erstens, bei Rosmini gibt es grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln der fünf konstitutiven Rechtselemente kein Recht, das der Pflicht korrespondiert, die allein der unpersonalen Wahrheit gegenüber besteht.49 Bei einer Subsumption gibt es dagegen ggf., wie am Rande gezeigt werden konnte, nach allgemeiner Regel ein korrespondierendes Recht, was sich ganz mit der oben angeführten Ausnahmeregelung50 Rosminis deckt.51 Zweitens, gibt es bei Rosmini aber ausnahmsweise ein Recht, das der Pflicht korrespondiert, die allein Gott gegenüber besteht, weil Gott als moralisches Gesetzt gesehen wird, dann bleibt aber die Subjektivität und die Personalität unbeantwortet in der Klausel der Ausnahme zurück. Drittens, ist damit ein Ergebnis einer Rechtskonstruktion erreicht, die unsere Subsumption auf den christlichen Gott nicht dementiert, da von Rosmini nur das Ausnahmeergebnis erwähnt ist, das dann aber mit obiger Subsumption im Ergebnis übereinstimmt. Somit kann von einer Rechtskonstruktion ausgegangen werden, die auf ein breites Spektrum von Gottesvorstellungen anwendbar ist. Aber immer nur unter der Voraussetzung, dass in der jeweiligen Gottesvorstellung das Verständnis Gottes in engster Verbindung und Übereinstimmung mit dem moralischen Gesetz gesehen werden kann, was für Rosminis Sichtweise ausschlaggebend ist. d) Ergebnis So kann einerseits das Rechtssystem Rosminis mit der abendländisch christlichen Tradition im Ergebnis nicht als inkompatibel gewertet werden, die Proklamation einer exklusiven Geltung hierzu entspräche andererseits aber nicht der Weite der Rechtskonzeption Rosminis. lichen Gottes nicht widerspricht.) Auch das Vorliegen der weiteren konstitutiven Elemente ist offensichtlich nicht zu bezweifeln. Im Ergebnis wäre damit der Rechtsbegriff erfüllt. Rosmini könnte bei der Pflicht gegen Gott, oder eben bei der Pflicht gegen Gott auf dem Umweg über die Wahrheit systemgerecht ohne Ausnahme zum Vorliegen von Recht kommen, was er aber hier gerade so nicht nachweisen will und den Weg über Ausnahmen wählt. 49 Vgl. Rosmini 1967, S. 127; Rosmini 1993a, 280. 50 Vgl. Rosmini 1967, S. 127; Rosmini 1993a, 280. 51 Damit erhält die Ausnahmeregelung einen präzisierten Existenzberechtigungsaspekt: Sie muss zunächst nur als Ausnahmeregel hinsichtlich der impersonalen Wahrheit dienen, um das System Rosminis durchgehend ohne logische Brüche als Einheit aufrechtzuerhalten. Sie muss nicht als eine Ausnahme dienen, die sich auf die bisherige Rechtskonzeption Rosminis bezieht, dass, wie gezeigt, Gott hier ohne logische Brüche subsumierbar ist. Damit ist die Ausnahmeregel kein künstlicher Rettungsversuch der Rechtskonzeption Rosminis, um das Recht hier mit einem Gottesgedanken vereinbar zu machen, sondern stellt vielmehr die genuine Kompatibilität auch in diesem Punkt der Pflicht-Recht-Korrespondenz als mit Gott vereinbar heraus, insbesondere deshalb, weil Gott hier nicht eine wirkliche Gegenstellung zur impersonalen Wahrheit auf Grund seines personalen Charakters, der gemäß der christlich abendländischen Tradition insbesondere in der Inkarnation del Logos besonders deutlich in Erscheinung getreten ist.
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4. Kap.: Konzeptionelle Charakteristika für das Recht bei Rosmini
3. Filiation52 des Rechts von der Pflicht Nachdem Rosmini bei der Untersuchung von der Relation von Recht und Pflicht im ersten Schritt Vorrangigkeit und Unabhängigkeit der Pflicht untersucht hat und im zweiten Schritt zu dieser Pflicht die Korrespondenz eines Rechtes beleuchtet hat, bezieht sich sein nächster entscheidender Schritt auf das, was die Pflicht hervorbringt. a) Die Herkunft des Rechts aus der Pflicht Die Pflicht selbst bringe das Recht hervor.53 Diese These stellt Rosmini voran und kommt zusammengefasst in drei Schritten von der Pflicht zum Recht: Die Pflicht bringe das Recht mit zwei Akten hervor: Durch einen Akt, der auf die Person bezogen sei, die in den Besitz des Rechtes komme, und durch einen anderen Akt, der auf die Person bezogen sei, die das Recht respektieren müsse.54 b) Pflicht limitiert die persönliche Handlung Der erste Akt der Pflicht: Bezogen auf die Person, die in den Besitz des Rechts komme, limitiert die Pflicht deren persönliche Aktivität innerhalb bestimmter Grenzen, welche die Sphäre des Rechts konstituieren.55 c) Berücksichtigung persönlicher Handlungen Der zweite Akt der Pflicht: Die Pflicht obligiert persönliche Handlungen zu berücksichtigen, wobei die Grenzen der Handlungen durch die Pflicht der Personen, welche im Besitz der Handlung sind, selbst determiniert sind.56 Diese Handlung 52 Rosmini selbst greift bei der Bestimmung des Verhältnisses von Recht und Pflicht auf das italienische „figliato“ zurück, (Rosmini 1967, S. 127), welches „gekalbt oder geworfen“ bedeutet. Cleary und Watson haben sich in ihrer englischen Übersetzung für das englische „generated“ entschieden (Rosmini 1993a, 281), das „erzeugen“ bedeutet, was auch hinsichtlich der Kausalitätsbestimmungen von kalben oder werfen deutlich unterschieden ist, was wiederum besonders für die Bestimmung der letzten Ursachen für die Auffassung der Rechtskonzeption miteinzubeziehen ist. Rosmini selbst bezeichnet aber nicht das Recht als von der Pflicht im engeren Sinn von generated, als erzeugt wie dies bei Cleary und Watson auch verstanden werden könnte: „Rigth is generated by duty“ (Rosmini 1993a, 281). Rosmini unterscheidet durch ein äußerst präzise gewähltes Wort „werfen.“ Das Recht ist von der Pflicht geworfen, also von der Pflicht hervorgebracht im weiteren Sinne des englischen generated. Eine weitergehende Kausalität hinter der Hervorbringung des Rechts von der Pflicht ist damit jedenfalls bei Rosmini an dieser Stelle nicht erwähnt. 53 Vgl. Rosmini 1967, S. 127; Rosmini 1993a, 281. 54 Vgl. Rosmini 1967, S. 128; Rosmini 1993a, 282. 55 Vgl. Rosmini 1967, S. 128; Rosmini 1993a, 282. 56 Vgl. Rosmini 1967, S. 128; Rosmini 1993a, 282.
B. Die Bedeutung der Pflicht für Rosminis Rechtskonzeption
109
der Pflicht, welche den Teil der Aktivität zu der Würde des Rechts erhebe, mache „heilig und unverletzlich“57. d) Ergebnis für das Recht Das Recht ist bei Rosmini als Ergebnis der beiden Akte der Pflicht und nicht als Voraussetzung verstanden: Das Recht sieht Rosmini als eine „Macht, die relativ zu dem, der sie besitze, ehrlich sei und bezogen auf die anderen unverletzlich“58 sei. e) Wirkung der moralischen Pflicht In diesem Zusammenhang stehe die Wirkung der moralischen Pflicht: Sie sei diejenige, die anständig und unverletzlich mache. Anständig mache sie negativ durch Restriktion, indem sie die Grenzen vorschreibe und unverletzlich mache sie positiv durch die Verpflichtung der anderen Menschen zur Respektierung der Grenzen, wodurch die Formgebung des Rechts in konstitutiver Weise erfolge, da ohne die primäre Pflicht zu Unverletzlichkeit einer Macht oder Handlung, Recht nicht existierte.59 f) Zwischenergebnis Hier wird erst am Ende der Ausführungen Rosminis der eigentliche Zusammenhang deutlich, warum das Recht von der Pflicht kommt: Rosminis Erklärungen sind auf den weitesten Strecken so ausgebaut, dass er von der Beschreibung der Pflicht über ihre Wirkungen dann durch das Zusammenspiel der Akte der Pflicht schließlich beim Recht ankommt. Entscheidend dafür, damit ein Recht ein Recht sei, benennt er schließlich dennoch das formgebende Prinzip der Unverletzlichkeit. In gewisser Weise ist hier ein Zugeständnis enthalten. Trotz der materiellen Erklärungen des Rechts, als Zusammenspiel der Wirkungen der Pflicht, werde das Recht erst durch die Unverletzlichkeit zum Recht. Allerdings wäre es sicher unangemessen, hierdurch die grundsätzliche Abhängigkeit von Recht und Pflicht in Frage zu stellen, auch wenn es scheint, dass nur der zweite Akt der Pflicht, die Unverletzlichkeit, ausschlaggebend wäre und man so bei konsequent isolierter Betrachtung Recht schlicht als das Unverletzliche betrachtet, also das, wozu eine Verpflichtung besteht, persönliche Handlungen der anderen zu berücksichtigen. Die Rechtskonzeption Rosminis zeichnet sich aber durch lediglich primäre Anerkennung der Unverletzlichkeitsvoraussetzung für das Recht aus. Um zum Recht 57
Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, S. 128; Rosmini 1993a, 282. Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, S. 128; Rosmini 1993a, 283. 59 Vgl. Rosmini 1967, S. 128; Rosmini 1993a, 283. 58
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4. Kap.: Konzeptionelle Charakteristika für das Recht bei Rosmini
zu kommen, ist darüber hinaus eben nicht nur diese formelle Seite nötig, sondern auch die materiellen Elemente, wie sich eingangs schon in den konstitutiven Elementen gezeigt hat und sich hier nun auch aus dem ersten Akt der Pflicht erweist. Damit ist gleichzeitig die praktische Konsequenz der Berücksichtigung des Rechts im Rechtsbegriff Rosminis mit der Unverletzlichkeit des Rechts eingeschlossen, aber auch eine Art Generalklausel durch die Limitierung persönlicher Handlungen gegeben. Als eine Folge dieser materiellen Rückkopplung als erste Voraussetzung neben der formellen Unverletzlichkeit, gemäß dem fünften konstitutiven Rechtselement, kann hier keine Rechtskonstruktion als Recht des Stärkeren entstehen. 4. Gesamtergebnis: Nachweis der Rechtselemente in der Pflicht Die These der Hervorbringung des Rechts durch die Akte der Pflicht vollzieht sich jedenfalls bei Rosmini in der Weise, dass Rosmini materielle und formelle Elemente, die er im Recht fand, nun in der Pflicht nachweist. Dem Element der Unverletzlichkeit weist er in der Pflicht Priorität nach, indem er diese Priorität praktisch begründet, als formgebend für die tatsächliche Anerkennung von Recht. 5. Konsequenz Rosmini dürfte es dann primär bei seinen Ausführungen zur Bedeutung der Unverletzlichkeit um den Nachweis der Vorrangigkeit gehen. Schließlich beweist er so, dass Pflicht vor dem Recht liegen muss. Der Rest der Darstellung ist nur mehr eine Beschreibung des Wie, also wie die Pflicht das Recht hervorbringt. Gleichzeitig ist Rosmini dabei aber auch an eine neue Grenze gestoßen. Es ist die Unverletzlichkeit, die schließlich nun in gewisser Weise am Anfang der Reihenfolge von der Pflicht zum Recht steht.
II. Verständnis der juristischen Pflicht bei Rosmini Der oben beschriebenen Pflicht kommt die Bedeutung zu, dass sie das Recht hervorbringt. Nun ist mit Rosmini der Frage nachzugehen, worum es sich bei dieser Pflicht genau handelt, was im Ergebnis auch bedeutet zu fragen, von wo aus die Rechtskonzeption für Rosmini hervorgeht. „Juristische Pflicht ist die moralische Pflicht, die eine Person obligiert, die anderen Personen eigentümlichen Handlungen intakt und frei zu belassen.“60 Am Anfang 60
Übers. d. Verf.: „l’obbligazione giuridica essere lo stesso dovere morale, che obbliga una persona a lasciare intatta e libera qualche attività propria di un’altra persona“ (Rosmini 1967, S. 132 f.); „Jural obligation is that moral duty which obliges one person to leave intact and free some activity proper to another person“ (Rosmini 1993a, 294).
B. Die Bedeutung der Pflicht für Rosminis Rechtskonzeption
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der Untersuchung der Natur und Extension der moralischen Pflicht, die dem Recht korrespondiere und von Rosmini als juristische Pflicht bezeichnet wird,61 steht bei Rosmini erst die Frage nach der Definition der juristischen Pflicht, nachdem die Relevanz der Pflicht für das Recht im Rahmen seiner Verhältnisbestimmung von Recht und Pflicht erst deutlich geworden ist. Damit liegen für die Definition des Begriffs der juristischen Pflicht die Ausführungen zur Relation von Recht und Pflicht zugrunde, auf die Rosmini hierbei verweisen kann.62 Dieser Verweisung zugrunde liegen insbesondere die Darstellungen, dass die juristische Pflicht erstens immer auf eine andere Person gerichtet sei.63 Zweitens, dass alle juristischen Pflichten moralische Pflichten darstellen.64 Drittens, dass eine Korrespondenz von Rechten und juristischen Pflichten niemals in der selben Person existieren können65 und viertens, dass nicht alle moralischen Pflichten gegen eine andere Person juristische Pflichten seien, sondern nur die, die die Berücksichtigung einer Handlung einer anderen Person erfordern.66 Somit in dem in sich soweit stimmigen Konzept Rosminis wiederum eine weitere Einschränkung aus der Menge der moralischen Pflichten über die Aussonderung der moralischen Pflichten, die nicht gegen eine andere Person gerichtet sind, bis hin nun zur weiteren Abgrenzung nach dem Kriterium der Pflichten mit Berücksichtigungserfordernis der Handlung einer Person als Qualifikation als juristische Pflicht, gegeben ist. 1. Personale Eigentümlichkeit: Personenverschiedenheit Als Element der Definition, sieht Rosmini für klärungsbedürftig an, dass die Handlung, die das Subjekt des Rechts konstituiert, einer anderen Person eigentümlich sein müsse, was heiße, dass Personenverschiedenheit gegeben sein müsse zwischen der Person, die handle, und der Person, die verpflichtet sei.67 61
Vgl. Rosmini 1967, S. 132; Rosmini 1993a, 293. Vgl. Rosmini 1967, S. 132; Rosmini 1993a, 293. 63 Vgl. Rosmini 1967, S. 134 f.; Rosmini 1993a, 299. 64 Vgl. Rosmini 1967, S. 135; Rosmini 1993a, 299. Aber umgekehrt seien nicht alle moralische Pflichten auch zugleich juristische Pflichten, Vgl. Rosmini 1967, S. 135; Rosmini 1993a, 299, was eben dem ersten Schritt entspricht, dass Pflichten gegen sich selbst keine juristischen Pflichten seien (mangels juristischer Appellationsfunktion). Vgl. Rosmini 1967, S. 134; Rosmini 1993a, 299. 65 Vgl. Rosmini 1967, S. 135; Rosmini 1993a, 299. Dies entspricht wiederum dem ersten Punkt, da die Pflicht gegen sich selbst nicht als juristisch sondern als moralisch bei Rosmini eingestuft wird und bei der moralischen Pflicht gegen sich selbst kein entsprechendes Recht existiere, vgl. Rosmini 1967, S. 135; Rosmini 1993a, 299. Damit liegt auch die Entsprechung zum zweiten Schritt vor, da die Pflicht gegen sich selbst moralisch ist und nicht juristisch und somit Übereinstimmung zur These vorliegt, dass alle juristischen Pflichten moralische Pflichten seien, aber nicht alle moralischen Pflichten juristische, wie eben die Pflicht gegen sich selbst. Vgl. Rosmini 1967, S. 135; Rosmini 1993a, 299. 66 Vgl. Rosmini 1967, S. 135; Rosmini 1993a, 300. 67 Vgl. Rosmini 1967, S. 133; Rosmini 1993a, 294. 62
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4. Kap.: Konzeptionelle Charakteristika für das Recht bei Rosmini
2. Aufbau Es geht hier also um das Konzept der personalen Eigentümlichkeit. Rosmini muss für die näheren Ausführungen zu eigentümlichen Handlungen nach unten verweisen auf seine Erläuterungen des Konzepts der personalen Eigentümlichkeit, die er innerhalb seiner Abhandlung zur Derivation des Rechts verortet.68 3. Inhalt Das Konzept der personalen Eigentümlichkeit ist definitorischer Bestandteil der Bestimmung der juristischen Pflicht. Was ist nun aber hierunter zu verstehen und wie lässt es sich in den zeitgeschichtlichen Hintergrund Rosminis einordnen? Rosmini nimmt seinen Ausgangspunkt von der Herkunft der Rechte, die darauf basiert, dass die Person von einer Sphäre von Handlungen umgeben ist. In dieser der Person eigenhaften Sphäre im ethisch-anthropologischen Sinn69 findet sich dasjenige, das sich die jeweilige Person als ihr eigen zuordnen kann. Das ist, was in permanenter und exklusiver Relation zur Person steht.70 Dies bezeichnet Rosmini als proprietá, was inhaltlich treffend mit dem deutschen Begriff, Eigentümlichkeit, statt des missverständlichen juristischen Termini technici, Eigentum, wiedergegeben werden kann.71 Basis für diese Eigentümlichkeit ist der Imperativ des moralischen Gesetzes, neminem laedere. Damit ist eine physische Limitation für den Menschen aus moralischen Gründen bei Rosmini gegeben, die weitergehendere Beschränkungen enthält, als im kategorischen Imperativ zu finden sind. Es handelt sich bei Rosmini um Präzisierungen quantitativer Limitationen. 68 Dies könnte möglicherweise als eine Aufbauschwäche gewertet werden. Doch Rosmini selbst löst zunächst dieses Problem, mit dem Argument, dass er hier auf das Wissen über die Eigentümlichkeit zurückgreife, das schließlich jeder besäße, vgl. Rosmini 1967, S. 133; Rosmini 1993a, 294. Diese Lösung trifft bedingt, da Rosmini die Eigentümlichkeit der Handlung bereits unmittelbar an Ort und Stelle bis zur Personenverschiedenheit auflöst und so das Konzept der Proprietät sehr verkürzt darstellt. Andererseits hängen damit jedoch weitgehende Konstrukte zusammen mit besonderer Relevanz zum historisch aktuellen Umfeld Rosminis, dass ihm der Verweis auf die konzeptionelle Darstellung dennoch offenbar als nötig erschien. Insgesamt erscheint die Lösung Rosminis als Mittelweg, um die detaillierteren Erklärungen nach hinten zu schieben, um dort breiter zu werden und oben die Ausführungen möglichst schlank zu halten, worin sich eine Richtung seiner Vorgehensweise, vom Einfachen zum Besonderen vorzugehen widerspiegelt, wie dies als methodische Vorgehensweise Rosminis auch im Rahmen der Definitionsermittlung des Rechtsbegriffs mit den Präzisierungen schon aufgezeigt werden konnte. 69 Vgl. Rosmini 1979, S. 230. 70 Vgl. Rosmini 1967, S. 155; Rosmini 1993a, 334. 71 Der rosminische Proprietas-Begriff, proprietá, deckt sich in weiten Teilen mit dem juristischen Eigentumsbegriff, entsprechend dem römischen Recht, ist aber bei Rosmini nur von der menschlichen Person her und auf die menschliche Person hin konstruiert, die als Subjekt einzig möglicher Bezugspunkt für das Akzidenz einer Proprietas ist. Rosmini versteht Proprietas gerade nicht im römischrechtlichen Sinne als Eigentum.
B. Die Bedeutung der Pflicht für Rosminis Rechtskonzeption
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Rosmini teilt seine Argumentation hinsichtlich des fehlerhaften Prinzips für die Bestimmung der Rechte mittels einer möglichen Koexistenz dabei wie folgt ein. Ein Rechtsbegriff, der mittels einer möglichen Koexistenz definiert werde, enthält erstens nicht notwendigerweise den Charakter der Moralität, zweitens ist ein derartiger Rechtsbegriff auch nicht vollständig unabhängig vom Fehlen des moralischen Elements, drittens können so nur einige Rechte und nicht alle bestimmt werden und schließlich reicht eine derartige Bestimmung nicht, um dem einzelnen Menschen aufzuzeigen, inwieweit sein eigentümliches Handeln beschränkt72 wird.73
III. Die juristische Pflicht in ihrer Manifestation nach außen als Alteritas-Konzeption Die Frage nach der Rechtskonzeption Rosminis führte bisher mit Blick auf den Ursprung des Rechts zur Herkunft des Rechts aus der Pflicht, wie oben dargestellt. Daran schloss sich die Frage nach der Pflicht, um der Herkunft des Rechts weiter nachgehen zu können. Das Verständnis der juristischen Pflicht sieht Rosmini 72 Die Handlungsbeschränkung beurteilt Rosmini als juristische Pflicht von grundsätzlich negativer Natur: In dieser Beschränkung wird deutlich, dass Rosmini durchgängig eine negative Natur in der juristischen Pflicht erkennt, indem sie befehle, nicht zu schaden, nicht einen Anschlag auf das Eigentum anderer vorzunehmen, vgl. Rosmini 1967, S. 135; Rosmini 1993a, 301. Verallgemeinert besteht die negative Form der juristischen Pflicht für Rosmini im Verbot Unrecht zu tun, vgl. Rosmini 1967, S. 135; Rosmini 1993a, 301. Eine Konsequenz stellt Rosmini wiederum am Beispiel des Höchsten Seins dar: Hier gebe es eine Verletzung der Pflicht auch gegen das Höchste Sein auch wenn gleichzeitig keine Verletzung der Pflicht gegenüber einem Menschen vorliege, obwohl die Befugnisse und Eigentümlichkeiten des Höchsten Seins nicht limitiert oder beschädigt werden können, vgl. Rosmini 1967, S. 135; Rosmini 1993a, 302. Wie diese Pflichtverletzung gegenüber dem Höchsten Sein sich konkret darstelle ohne eine Limitation oder Beschädigung hervorzurufen hat Rosmini nicht dargestellt. Insgesamt deutet der Verweis auf das Höchste Sein bezüglich der negativen Natur der Pflicht jedenfalls auf die umfassende Durchgängigkeit der negativen Natur in allen Pflichtbereichen hin. Als Negation sieht Rosmini auch bei Thomasius das Fundament des Rechts als christliche Moral mit dem Prinzip des quod tibi non vis fieri alteri ne feceris. Im verneinenden Imperativ, ne feceris, sieht Rosmini die Folge, dass auch für Thomasius die Pflichten negativer Natur seien, vgl. Rosmini 1967, S. 136; Rosmini 1993a, 303. Das Problem der Notwendigkeit gegenseitiger positiver Hilfe, wie sie Rosmini bei Romagnosi vorliegt (Romagnosi hält dagegen das Konzept des Thomasius in diesem Punkt für nicht zutreffend und destruktiv für die Fundamente der Gesellschaft unter Hinweis auf das Naturgesetz), steht nach Rosminis Ansicht aber der negativen dabei nicht entgegen: Um anderen keinen Schaden zuzufügen, sei es in bestimmten Fällen auch nach Rosminis Auffassung nötig, Hilfe zu leisten, um Schaden zu behindern, was auch Thomasius berücksichtige. Diese Fälle stellen für Rosmini dann die spezielle und positive Form dar. vgl. Rosmini 1967, S. 137; Rosmini 1993a, 303. Die Position Romagnosis sieht er lediglich als eine Sichtweise der Ausführung der generell negativen Rolle der Pflicht, dass man keinen Schaden für andere verursache. Mit dieser Rückführung sieht er die Bestätigung, dass die negative Form neben der speziellen Form die primäre und generelle Form der Pflicht darstelle, vgl. Rosmini 1967, S. 137; Rosmini 1993a, 303. 73 Vgl. Rosmini 1967, S. 160–172; Rosmini 1993a, 343–359.
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4. Kap.: Konzeptionelle Charakteristika für das Recht bei Rosmini
enger, als dass hier der bloße Hinweis auf eine moralische Komponente jeglicher Art genügte: Rosmini versteht hierunter ausschließlich Pflichten, die immer gegen andere74 Personen gerichtet seien:75 Somit liegt seinem Rechtsbegriff in der Verbindung zur moralischen Komponente eine Konstruktion zugrunde, die im Folgenden als Alteritaskonzeption bezeichnet werden kann. Diese Alteritaskonzeption tritt insbesondere in der Verletzung der Rechte hervor. Diese Verletzung ist ein Tun oder Unterlassen, das sich von der Beachtung des Rechts unterscheidet. Eine schuldhafte Handlung gegen einen Mitmenschen, also etwa nur im Geist ohne auch nur irgendeinen Versuch von Manifestation, sei eben keine Verletzung einer juristischen Pflicht gegen andere, insofern die Manifestation in Bezug auf die anderen fehlt. Dieses Merkmal der Alterität sei nötig, um die Rechtmäßigkeit zu konstituieren und somit auch eine Verletzung des Rechts hervortreten zu lassen.76 So unterscheidet sich die Rechtskonzeption Rosminis als weltliches Rechtssystem im Gegensatz zum christlich-spirituellen Moral- und Rechtsverständnis im engeren Sinn, in dem auch schon die bloße Intention ausschlaggebend ist und damit eine Verletzung der juridischen Pflicht, entsprechend dem göttlichen Recht darstellen kann. 1. Verbindung und ggf. Trennung von Moral und Recht Das juridische Moment ist zwar bei Rosmini mit dem moralischen Moment innerlichst verbunden, aber dennoch zu unterscheiden und ggf. zu trennen: Wenn nun eine Böswilligkeit sich nicht nach außen manifestiert, stellt sie keine Verletzung der juridischen Pflicht dar. Das heißt, innerhalb des Zustandes der Böswilligkeit gibt es einen gewärtigen Willensakt der Manifestation der Böswilligkeit. Äußerlich dagegen gibt es die Manifestation, wenigstens den Versuch. Im Willensakt liegt die essentielle Voraussetzung für die Verletzung der juridischen Pflicht. Aber nur durch die Manifestation ist die Verletzung der juridischen Pflicht real.
74 Rosmini bezeichnet die juristische Pflicht als eine äußere Pflicht, vgl. Rosmini 1967, S. 138; Rosmini 1993a, 306. Diese Exteriorität (Übers. d. Verf.: „esteriorità“ (Rosmini 1967, S. 138); „externality“ (Rosmini 1993a, 306)) der Pflicht will Rosmini in dem Sinn verstanden wissen, dass diese Pflicht eine Relation indiziert zwischen der einen Person, die die Pflicht trifft und der anderen Person, die das Handlungsrecht hat und damit Objekt der Pflicht ist, vgl. Rosmini 1967, S. 138; Rosmini 1993a, 306. 75 Vgl. Rosmini 1967, S. 134; Rosmini 1993a, 299. 76 Vgl. Rosmini 1967, S. 138; Rosmini 1993a, 308.
B. Die Bedeutung der Pflicht für Rosminis Rechtskonzeption
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2. Analyse von Rosminis Alteritas-Konzeption Bei der Analyse von Rosminis Alteritas-Konzeption ist zunächst nach der Herkunft des darin verwendeten Alteritas-Elements zu fragen. Del Vecchio hat, angefangen bei den Pytagoreiern und Aristoteles, die Alteritas als das Charakteristikum für Gerechtigkeit gefunden und dieses Charakteristikum, die Alteritas, über den Aquinaten und Dante bis zu Rosmini bestätigt gefunden.77 Damit kann zunächst festgehalten werden, dass Rosmini eine klare Kenntnis der Alteritas hat, wie dies neben dem Gewährsmann Del Vecchio auch aus seinem Werk selbst, wie oben gezeigt,78 deutlich hervorgeht: Die Alteritas tritt eher bei der Verletzung der Pflicht zu Tage als bei der Beachtung der Pflicht: Die Beachtung der Pflicht stellt gegebenenfalls lediglich ein Nichthandeln dar, während bei der Verletzung ein positives Handeln in der Verletzung zu sehen ist.79 So versucht Rosmini, die Alteritas in ihrem Zusammenhang mit der Äußerlichkeit zu erklären. Dabei erscheint aber die Bezugnahme des Auftretens der Äußerlichkeit auf die Verletzung des Gesetzes als ein positives Handeln, das Rosmini im Sinn eines aktiven Handelns verstehen will, nicht unbedingt hilfreich, da eine Rechtsverletzung nicht einen aktiven Verstoß erfordert, so dass erst einmal eine gewisse Energie für eine Handlung freigesetzt werden muss, um dann zu einem äußeren Ergebnis zu gelangen, das dann für einen anderen einen Verstoß gegen eine juristische Verpflichtung darstellt, da ein Verstoß auch immer in einem Nichthandeln bzw. Unterlassen sowohl hinsichtlich vertraglich als auch gesetzlich festgeschriebener Verpflichtung vorliegen kann. Dies scheint aber nun beachtenswert, um die Alteritas nicht nur auf positives Handeln denknotwendig beschränkt zu sehen, wie die Gefahr doch durch die Erklärung Rosminis gegeben sein könnte. Eine explizite Einschränkung des Rechts hinsichtlich der Alteritas auf positives Handeln gibt es bei Rosmini nicht, damit dieses Charakteristikum als Prinzip für das Recht durchgehend Bestand haben kann, muss es sich zwingend notwendig auch im Unterlassen wiederfinden.
77
Vgl. Vecchio 1924, 38 f. Die juridische Verpflichtung richtet nach Rosmini ihr Augenmerk immer auf eine andere Person, die unterschieden ist von der, in der sie sich findet, vgl. Rosmini 1967, S. 133; Rosmini 1993a, 294. Auf diese interpersonale Relation führt er die oben erwähnte Äußerlichkeit der juridischen Verpflichtung zurück, vgl. Rosmini 1967, S. 137 f.; Rosmini 1993a, 304 ff. 79 Vgl. Rosmini 1967, S. 132–137; Rosmini 1993a, 294–303. 78
116
4. Kap.: Konzeptionelle Charakteristika für das Recht bei Rosmini
a) Maggiores Überprüfung der Alteritas-Konstruktion Die Kritik auf Rosminis Vorstoß blieb wenigstens in der italienischsprachigen Literatur nicht aus. Für Maggiore ist hierbei nicht so sehr ein Abkopplungsprozess von den Relationen zum göttlichen Recht als solcher Anstoß. Maggiore nimmt aber die daraus resultierenden Einzelprobleme in die Kritik. b) Position Maggiores Hierzu untersucht er die Verpflichtung der Person gegen sich selbst: Die Person ist für Maggiore Träger von Rechten und Pflichten, nicht nur solange eine Manifestation bezüglich einer Alteritas vorliegt. Die Person ist für Maggiore Träger von Rechten und Pflichten auch gegen sich selbst.80 Für die Beweisführung der These, dass die Person Träger von Rechten und Pflichten auch gegen sich selbst sei, führt Maggiore die Überlegung der Konstruktion der Selbstverleumdung als Delikt an. Es sei nicht verboten, die Selbstverleumdung als ein Delikt zu untersuchen. Zwar könne der Körper nicht dem Geist gegenübergestellt werden wie eine andere Person, aber der Geist selbst, sofern er sich durch seine Natur verdoppele und zwar in sich und in einen andern, in Subjekt und Objekt. Sooft das ich in sich selbst zum anderen werden könne, sooft könne es auch zum Träger von Rechten und Pflichten auch gegen sich selbst werden. Wird nun in den Fällen, in denen es nur um eine Person selbst geht, wie von Rosmini nur die Möglichkeit einer moralischen Pflicht gegen sich selbst eingeräumt und nicht auch eine rechtliche Pflicht, werde dennoch nach Maggiore impliziert, dass es für die moralische Pflicht eine Verdoppelung des Subjekts in sich und einen anderen gebe. Wo dies allerdings möglich sei, sei es auch möglich, dass sich ein rechtliches Bewusstsein realisiere, mit der Sanktion einer positiven Norm.81 c) Erläuternder Vergleich der Position Maggiores mit Rosmini Die Vorgehensweise Maggiores ist im Ergebnis die gleiche wie bei Rosmini. Maggiore verzichtet eben auch nicht auf die Alteritas. Es verändert sich lediglich sein Verständnis von Alteritas. Rosmini spricht von Alteritas erst, sobald vonein ander unterschiedliche Personen gegeben sind. Das heißt, dass für Rosmini die Unterscheidung von mehr als einer Person im Ganzen, nicht erst als faktisch existentiell, sondern schon als hypothetisches Konstrukt reicht, um Alteritas zu bejahen. Dagegen reicht es für Maggiore schon aus, wenn das andere nicht geistige Konstruktion eines anderen ist, sondern geistige Verdoppelung der eigenen Person in 80 81
Vgl. Maggiore 1921, 75. Vgl. Maggiore 1921, 75.
B. Die Bedeutung der Pflicht für Rosminis Rechtskonzeption
117
Subjekt und Objekt. Damit sind zwei gegeben und damit ist Alteritas vorhanden und so könne auch in diesem Bereich von rechtlichem Charakter gesprochen werden. Verglichen mit dem Konstrukt Maggiores ist bei der Alteritas Rosminis, die auch keine tatsächlich real existierende andere Person verlangt,82 dafür aber zumindest eine hypothetische andere Person, auf die die Manifestation einwirken kann, eine Vergleichbarkeit insoweit geschaffen, da es sich in beiden Fällen um theoretische Konstruktionen eines anderen handeln muss. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass diese theoretisch konstruierte Person eines anderen bei Rosmini unterschieden ist von der Person des einen. d) Zwischenergebnis Das Ergebnis ist bei Rosmini, dass es sich um zwei völlig unterschiedliche hypothetisch Seiende in theoretischer Konstruktion handelt. Bei Maggiore dagegen, handelt es sich immer um denselben seienden Geist, der sich lediglich selbst betrachtet und somit das Subjekt sich als Objekt erkennt. e) Formaler Charakter der Alteritas Lässt man nun beide Überlegungen als Konstruktionen der Alteritas gelten, ist zu untersuchen, ob dem Argument Maggiores aus dem Werk Rosminis etwas entgegenzusetzen ist, das Klärung für die Position Rosminis bringt: Entscheidende Schlussfolgerung Rosminis ist, dass die Alteritas eine Voraussetzung ist, um den Rechtscharakter einer Pflicht festzustellen und nicht nur um den moralischen Charakter einer Pflicht zu bejahen. Überdies merkt Rosmini jedoch auch an, dass die Tatsache der Bejahung von Alteritas nicht per se Rechtlichkeit bedeute, weil die moralischen Pflichten gegen eine andere Person nicht einfach dadurch rechtliche Pflichten werden, dass sie sich auf andere beziehen. Sie werden nämlich erst zu rechtlichen Pflichten, insofern sie in einer Person die Pflicht aufstellen, eine einer anderen Person eigentümliche Aktivität zu respektieren. Es könnte hier der Schluss gezogen werden, dass Maggiore lediglich eine formale Alteritas konstruiert, da bei Maggiore das Subjekt des Anspruchs auch das Subjekt der Verpflichtung ist. Ob eine solche Wertung den Überprüfungen Maggiores gerecht werden kann, ist zu prüfen. Untersucht man die von Maggiore vorgestellte Selbstbetrachtung der einen Person durch Verdoppelung des Geistes,83 so ist festzustellen, dass, wenn man die Möglichkeit der Selbstbetrachtung ihm zuge-
82 83
Vgl. Rosmini 1967, S. 122 Fn. 1; Rosmini 1993a, 270 Fn. 163; di Carlo 1913, 164. Vgl. Maggiore 1921, 75.
118
4. Kap.: Konzeptionelle Charakteristika für das Recht bei Rosmini
steht, fragen muss, was geschieht bei der Selbstbetrachtung, gibt es dort womöglich auch unterschiedlich eigentümliche Aktivitäten derselben Person. Gäbe es keine unterschiedlichen Eigentümlichkeiten in einer einzigen Person zwischen dem Subjekt des Geistes, der sich selbst als Objekt betrachtet, könnte es nicht zu einer Selbstkorrektur kommen, in der die einzelne Person entscheidet, was sie tun will, was ihr eigentümlich ist und was sie tun soll, was dem Wesen andererseits eigentümlich ist. Ließe man dies gelten, käme man dazu, in einer Person zwei Eigentümlichkeiten zu bejahen und so zu einer womöglich sogar materialen Alteritas im engeren Sinn zu gelangen. Man müsste sich aber den Vorwurf der gespaltenen Persönlichkeit vorwerfen lassen. Dies trifft in dieser Überlegung wohl nicht im klassischen Sinn des Wortes zu, da die eine Person immer nach außen dieselbe Eigentümlichkeit im Handeln repräsentiert und nur in der Selbstbetrachtung einen inneren Dialog über die Eigentümlichkeiten führt. f) Zwischenergebnis Im Ergebnis lässt sich sicher festhalten, dass die Alteritas, die ein und dieselbe Person konstruiert, einen stark formalen Charakter hat und es sich lediglich um Gewissensfragen handelt, die sich mehr in moralischen als in rechtlichen Dimensionen bewegen. Andererseits muss auch die Alteritas, die konstruiert ist als hypothetisch verschiedene Person, den Charakter der Formalität tragen. Dennoch stellt die Kritik Maggiores schon die Stärke der Position Rosminis dar. Auf der einen Seite braucht Rosmini nicht die faktische Koexistenz für die Konstruktion der Alteritas. Auf der anderen Seite ist die Konstruktion der Alteritas nicht verengt auf eine Person selbst, die mit rechtlichen Pflichten gegen sich selbst allein schon ausgefüllt ist. g) Auswertung von Maggiores Argument Versteht man nun den Einwand, dass die Alteritas rein formal bei Maggiore konstruiert sei, hinsichtlich der Tatsache, dass keine hypothetisch verschiedenen Eigentümlichkeiten zwischen dem Subjekt der Pflicht und dem Subjekt des Anspruches vorhanden sind, da es sich ja immer um das selbe Subjekt handelt, gelangt man womöglich einen Schritt weiter, da anzunehmen ist, dass dasselbe Subjekt über dieselben Eigentümlichkeiten verfügt. Nimmt man also an, dass zu berücksichtigende Eigentümlichkeiten in einer Person immer eine geschlossene Einheit darstellen, muss man folglich annehmen, dass eine einzelne Person auf sich in Verdoppelung des Geistes keine Rücksicht auf seine eigentümlichen Handlungen nehmen kann, da diese Person ja gerade diese Handlungen vollzieht und umsetzt und auf seine eigenen Handlungen gerade keine Rücksicht nehmen muss.
B. Die Bedeutung der Pflicht für Rosminis Rechtskonzeption
119
Eine Handlungseinschränkung, die eine Person für sich selbst setzt, in Betrachtung seiner selbst als Objekt, unterscheidet sich deutlich von Handlungseinschränkungen, die sich die Person aus Rücksichtnahme auf andere setzt, in Qualität und Folgen. Denn Handlungssubjekt für die Einhaltung der Entscheidungen ist immer ein Subjekt. Die Verdoppelung des Geistes kann sich zwar selbst als Objekt betrachten, aber nicht in dieser Verdoppelung handeln. Handlungssubjekt ist eines und da fehlt ein anderes, dem etwas zugefügt bzw. nicht zugefügt wird. Die Handlungen des einen treffen dann hinsichtlich der Folgen dieser Handlungsbeschränkungen sowohl im Nichthandeln als auch im Handeln jetzt immer dasselbe Objekt, die eine Person. Die Folgen treffen die eine Person als ganze Person und nicht nur einen Teil von dieser Person als Teil der Verdoppelung des Geistes, sondern auch den ganzen Geist. Eine Alteritas in dieser Hinsicht ist nicht mehr erkennbar. Insofern enthält die Argumentation Maggiores hinsichtlich der Begründung der Alteritas sicher entscheidende Hinweise, um zu erkennen, dass der Charakter des Rechts nicht allein von der Alteritas abhängig gemacht werden kann. Die Notwendigkeit wird deutlich, dass die moralischen Pflichten gegen eine andere Person mehr benötigen, als sich nur auf eine andere Person zu beziehen. Notwendig für den rechtlichen Charakter ist die Berücksichtigung der Eigentümlichkeit des anderen. Das andere ist konstruierbar für Maggiore durch die Verdoppelung des Geistes, doch unterschiedliche Eigentümlichkeiten sind damit noch nicht gegeben, die berücksichtigt werden müssen. Damit ist kein komplett anderes konstruiert und der Rechtsbegriff Rosminis, der die Alteritas einbezieht und genau in der definitorischen Zusammensetzung auch hinsichtlich der Koexistenz genauestens untersucht hat, bewährt sich hier gegen die Überprüfung einer Reduktion der Alteritas auf eine einzige Person als Voraussetzung für den Rechtscharakter. Der Mittelweg, den Rosmini hier hinsichtlich der Koexistenz einschlägt, erweist sich um einen weiteren Schritt als stabil: einerseits bedarf es des andern völlig unterschieden vom einen und andererseits bedarf es dieses anderen nicht in der Realität zur Konstruktion des Rechts, jedoch sehr wohl wenigstens als hypothetisch völlig verschieden konstruiert. Weiter wäre es zu wenig, die Konstruktion des anderen in ein und derselben Person durch Verdoppelung des Geistes zu sehen, da die dabei entstehenden Pflichten moralischer und nicht rechtlicher Art sind. 3. Ergebnis der Überprüfung der Alteritas-Konstruktion Insofern erscheint die Alteritas-Konstruktion Maggiores als lediglich formale Alteritas. Somit kann sie den Ansatz Rosminis nicht zu Fall bringen.
120
4. Kap.: Konzeptionelle Charakteristika für das Recht bei Rosmini
C. Die Bedeutung der Koexistenz für Rosminis Rechtskonzeption als Handlungsbeschränkung in moralischer und interessenlogischer Hinsicht In seiner Rechtsphilosophie merkt Rosmini an, dass er in der deutschen Rechtsphilosophie ein quasi universelles Prinzip, die mögliche Koexistenz, als Konstruktionsvoraussetzung für das Recht vorfinde.84 Rosmini behandelt ausführlich in einem eigenen Artikel seine Konfrontation mit dem in der deutschen Rechtsphilosophie quasi universellen Prinzip der möglichen Koexistenz.85 Nach Rosminis Auffassung werde das Prinzip der Koexistenz von der deutschen Philosophie verwendet, um die Derivation und die Definition des Rechts zu bestimmen.86
I. Die Verortung der Abhandlung zur möglichen Koexistenz in Rosminis Werk Die ausführliche Abhandlung zur möglichen Koexistenz bei Rosmini ist auch in seiner Rechtsphilosophie nicht unter der Definition des Rechtes, sondern im B ereich der Derivation der Rechte verortet,87 bezieht sich inhaltlich aber auf beide Punkte.
II. Koexistenz und Handlungsbeschränkung Rosmini richtet sich gegen die mögliche Koexistenz88 als notwendiges Prinzip89 für die Bestimmung des Rechtes.90 Als Begründung führt Rosmini an, dass das Prinzip zur Determination von Recht mittels möglicher Koexistenz mehrerer Personen nicht notwendigerweise den Charakter der Moralität einschließe.91
84
Vgl. Rosmini 1967, S. 160; Rosmini 1993a, 343. Vgl. Rosmini 1967, S. 160 ff.; Rosmini 1993a, 342 ff. 86 Vgl. Rosmini 1967, S. 160; Rosmini 1993a, 342. 87 Vgl. Rosmini 1967, S. 147 ff.; Rosmini 1993a, 318 ff. 88 Bei der Argumentation Rosminis erinnern eventuelle Anknüpfungspunkte sowohl einerseits an, Bezüge zu Kant als auch zu Zeillers „Das natürliche Privatrecht“ (vgl. Zeiller 1819, § 3). 89 Dabei bezieht Rosmini sich explizit auf Zeiller, vgl. Rosmini 1967, S. 160; Rosmini 1993a, 343, dessen Argumentation Rosminis in seinem aufgegriffenen Punkt folgendermaßen rezipiert: Der in Gemeinschaft lebende Mensch, muss die anderen Menschen nicht als Mittel zum Zweck verstehen, sondern als Personen und damit als Grenzen, wenn er sich selbst nicht widersprechen will, vgl. Rosmini 1967, S. 160; Rosmini 1993a, 343. Der Mensch hat in seinem Handeln somit keine unbegrenzte Freiheit. Er muss sich selbst die Grenzen auferlegen, um den Widerspruch zu vermeiden. Die Restriktion der Freiheit ermöglicht, dass alle auf gleiche Weise als Personen existieren können und konstituiert das Recht in einem absoluten Sinn, vgl. Rosmini 1967, S. 160; Rosmini 1993a, 343; Zeiller 1819, § 3. 90 Vgl. Rosmini 1967, S. 160; Rosmini 1993a, 343. 91 Vgl. Rosmini 1967, S. 161; Rosmini 1993a, 343. 85
C. Die Bedeutung der Koexistenz für Rosminis Rechtskonzeption
121
Ein Ansatz der möglichen Koexistenz, bei dem ein Mensch die anderen existierenden Wesen seiner eigenen Spezies als Personen behandeln müsse, indem das Handeln so ausgerichtet ist, dem anderen nicht Schlechtes zuzufügen, um keine Vergeltung zu erhalten, lasse Zweifel für Rosmini bestehen, ob hierin eine wirklich moralische Pflicht liege.92 Denn in der Weiterentwicklung eines solchen Ansatzes, wie Rosmini ihn darlegt für den Fall, dass sich nur eine einzelne Person alleine in der Welt ohne weitere Koexistenzen befinde, läuft für Rosmini eine Ausrichtung der eigenen Handlungsbeschränkung insoweit ins Leere, da nicht nur die Vergeltung durch andere Koexistenzen nicht zu befürchten ist, weil sie eben nicht existieren, sondern auch, dass schon dem Koexistenten gar nichts Schlechtes zugefügt werden kann, da das Koexistente auch nicht existent ist und bezüglich der Möglichkeit, dem Nichtseienden Schlechtes zuzufügen, ebenfalls tatsächliche Unmöglichkeit bestehe.93 1. Interessenwahrung statt moralisches Element In diesem Zusammenhang fragt Rosmini, ob ein Ansatz der möglichen Koexistenz als notwendiges Prinzip für die Bestimmung des Rechtes hier eine wirklich moralische Pflicht begründen will, oder ob es sich hier lediglich um die Ausformulierung einer logischen Regel handelt.94 Handelt es sich um eine einfache Regel der Logik, um einen Widerspruch im System zu vermeiden, die konstruiert ist aus einer klugen Überlegung und aus Eigeninteresse für den jeweiligen Menschen statt aus dem Respekt des jeweiligen Menschen vor den anderen Menschen?95 Logik und Klugheit können für Rosmini keine moralischen Grenzen begründen.96 Nach Rosminis Auffassung stelle eine Argumentation, die an der Notwendigkeit der Koexistenz festhält, um zu beweisen, dass aus der Koexistenz die Notwendigkeit einer Beschränkung hervorgeht, für Rosmini ein lediglich logisches Kriterium und kein moralisches Kriterium dar.97 Rosmini wirft dabei die Frage auf, ob eine diesbezügliche Notwendigkeit der Koexistenz nun der Moral oder der Interessenwahrung diene.98 Handelt es sich um Interessenwahrung, ist es für Rosmini also logisches Kalkül und nicht moralisches Element.99 92
Vgl. Rosmini 1967, S. 161; Rosmini 1993a, 343. Vgl. Rosmini 1967, S. 161; Rosmini 1993a, 343. 94 Vgl. Rosmini 1967, S. 162; Rosmini 1993a, 343. 95 Vgl. Rosmini 1967, S. 162; Rosmini 1993a, 343. 96 Vgl. Rosmini 1967, S. 162; Rosmini 1993a, 343. 97 Vgl. Rosmini 1967, S. 162; Rosmini 1993a, 343. 98 Vgl. Rosmini 1967, S. 162; Rosmini 1993a, 343. 99 Insoweit wäre darüber hinaus genauer zu untersuchen, wie ggf. Anknüpfungen Rosminis an Kant, hinsichtlich der inhaltlichen Bedeutung der Unterscheidung Kants von Klugheitsregel und Sittengesetz, vgl. Stadler 1994, 98 f. zu würdigen sind. 93
122
4. Kap.: Konzeptionelle Charakteristika für das Recht bei Rosmini
Damit fehle aber auch das moralische Element und es könne für Rosmini lediglich ein für alle nützlicher Staat damit konstruiert werden, aber kein Rechtsstaat.100 Weiter stelle nach Rosminis Auffassung eine Argumentation der Notwendigkeit der Koexistenz mit der Annahme, dass jede Person die moralische Pflicht habe, für die Bewahrung der eigenen Person als auch der des anderen zu sorgen mit der Pflicht die ihr eigentümlichen Handlungen zu restringieren,101 keinen vollständigen moralischen Charakter dar.102 Bei dieser Annahme, dass jede Person die moralische Pflicht habe, für die Bewahrung der eigenen Person als auch der des anderen zu sorgen mit der Pflicht, die ihr eigentümlichen Handlungen zu restringieren,103 müsse der Grund der Restriktion erst noch manifest werden.104 Hier kommt für Rosmini eine Notwendigkeit zum Ausdruck, die keine ausreichende Vernunft besitzt, denn es fehle die Indikation der Art und Weise, auf welche die Restriktion der Freiheit vorzunehmen ist.105 2. Grund der Handlungsbeschränkung: Moralische Gesetzgebung statt bloße Koexistenzermöglichung Die These der Koexistenz bestätige, dass der Mensch das Recht habe, seine ihm eigentümlichen Freiheiten zu gebrauchen und dieses Recht haben alle Menschen.106 Aber um Konfrontationen zu vermeiden, sei eine Begrenzung dieser Handlungsfreiheit nötig.107 Für jeden Menschen bleibt aber trotz der Begrenzung noch ein Handlungsfreiraum. Dadurch wird nicht erklärt, warum diese Begrenzung ein Recht ist. Allein die Begrenzung der Handlungen wird erklärt. Nach Rosmini ist der Grund für die Limitation der Handlungsfreiheit nicht nur die Notwendigkeit die Koexistenz zu ermöglichen, sondern der Grund für die Handlungsbeschränkung kommt von der gesamten moralischen Gesetzgebung, weil das Resultat der Limitation lediglich eine physische und keine moralische Freiheit wäre.108
100
Vgl. Rosmini 1967, S. 162; Rosmini 1993a, 343. Dabei könnten Anknüpfungen an eine Interpretation ggf. gesehen werden, die das moralische Gesetz, das von „Neigungszwecken und diesen dienlichen Naturmitteln“ (Stadler 1994, 99) absieht, und „auf bloßen Ideen der reinen Vernunft“ beruht, und als eine Substitution der Moral erscheint. Gerade eine solche Auffassung der Substitution der Moral ist für Rosmini nicht ausreichend, um zu einer Rechtskonzeption gelangen zu können, vgl. Rosmini 1967, S. 163; Rosmini 1993a, 344. 102 Vgl. Rosmini 1967, S. 162; Rosmini 1993a, 344. 103 Vgl. Rosmini 1967, S. 162; Rosmini 1993a, 344. 104 Vgl. Rosmini 1967, S. 162; Rosmini 1993a, 344. 105 Vgl. Rosmini 1967, S. 162; Rosmini 1993a, 345. 106 Vgl. Rosmini 1967, S. 163; Rosmini 1993a, 345. 107 Vgl. Rosmini 1967, S. 163; Rosmini 1993a, 345. 108 Vgl. Rosmini 1967, S. 163; Rosmini 1993a, 345. 101
C. Die Bedeutung der Koexistenz für Rosminis Rechtskonzeption
123
3. Die Bedeutung eines allen gleichen Freiheitsmaßes in Rosminis Rechtskonzeption Für Rosmini lässt sich eine Sphäre der Handlungsfreiheit hinsichtlich einer gleichen Quantität nicht verifizieren. Bei einem derartigen Ausgangspunkt können nur hypothetische und abstrakte Rechte definiert werden, aber keine Realen, weil die Handlungsfreiheit der Menschen auf Grund der unterschiedlichen Grundvoraussetzungen hinsichtlich ihrer Eigenschaften und damit unmittelbar verbundenen individuellen Handlungsfreiräume tatsächlich unterschiedlich sei.109 Auf Grund dieser Differenzen variieren auch die Handlungsfreiräume, bei Beachtung die Koexistenzen nicht zu behindern. Dabei sieht Rosmini die Schwierigkeit, dass nach einer Möglichkeit eben alle ein gleiches Maß an Beschränkung der Handlungsfreiheit einhalten, dann wäre ein gleicher Faktor geschaffen.110 Nach Rosminis Ansicht bedinge ein Ansatz mit einem einheitlichen Faktor der festgelegten Handlungen, die zu unterlassen sind, in Relation zur individuellen Handlungsfreiheit im Ergebnis für den einzelnen Menschen einen unterschiedlich großen Umfang an Handlungsbeschränkung in Relation zur individuell verschiedenen Handlungspotentialität, was eine Ungleichheit darstelle.111 Dadurch gerate ein gemeinsamer Faktor im Ergebnis immer auf ein unterschiedliches Beschränkungsmaß. Ein Beschränkungsmaß, abhängig in Proportionalität zur individuellen Handlungsfreiheit, bedeute zwar für alle ein gleiches Maß an Beschränkung, aber im Ergebnis unterschiedliche große Handlungsfreiräume. Für Rosmini ist eine derartige Abstraktion deshalb in der Realität unbrauchbar, da sie von einer hypothetischen Gleichheit der Menschen ausgehe, von der abzusehen sei, soweit man die menschlichen Rechte behandeln will.112 Eine Überlegung der Handlungsbeschränkung, ausgehend von der Abstraktion, ist für Rosmini der entscheidende Fehler und in dessen Folge eben kein reales Recht, sondern nur ein Recht in der Sphäre der reinen Vernunft hervorgebracht werde. Damit weist Rosmini auf die Unterschiedlichkeit des wissenschaftlich konstruierten und andererseits in der Realität umsetzbaren Rechtsbegriffes hin.113
109
Vgl. Rosmini 1967, S. 164; Rosmini 1993a, 347. Vgl. Rosmini 1967, S. 165; Rosmini 1993a, 349. Hier ergeben sich Anknüpfungspunkte u. a. in den Interpretationsalternativen der Formalität allgemeiner Gesetzlichkeit. Einerseits, mit der Gleichsetzung des Formalen am transzendentalen Rechtsbegriff mit abstrakt bzw. inhaltsleer (vgl. Luf 1978, 50 mit weiteren Nachweisen) und andererseits mit dem Formalitätsverständnis „im Sinn des transzendental-Allgemeinen“ (Luf 1978, 52) ohne Zuordnung eines letztgültigen Inhalts in der Erscheinungswelt (vgl. Luf 1978, 52) im Ergebnis als Forderung lediglich gleichmäßiger Rechtsanwendung (vgl. Luf 1978, 53). 111 Vgl. Rosmini 1967, S. 164; Rosmini 1993a, 346 f. 112 Vgl. Rosmini 1967, S. 164 f.; Rosmini 1993a, 347 ff. 113 Vgl. Rosmini 1967, S. 164 f.; Rosmini 1993a, 347 ff. 110
124
4. Kap.: Konzeptionelle Charakteristika für das Recht bei Rosmini
4. Subsidiäre Bedeutung des quantitativen Maßes der Handlungsbeschränkung für die Koexistenz in Rosminis Rechtskonzeption Nach Rosminis Ansicht komme es bei einem Prinzip zur Determination des Rechts auf eine Bestimmung der Quantität der Limitation der persönlichen Handlungsfreiheit an, das jedes Individuum seiner eigenen Aktivität auferlegen müsse.114 Dabei wiegt Rosmini Vor- und Nachteil des Koexistenzansatzes ab: Einerseits würdigt Rosmini dabei das Prinzip der Möglichkeit der Koexistenz als Fortschritt in der Derivation des Rechts,115 insofern eine Beschränkung jeder Person im Handlungsgebrauch vorliegt.116 Andererseits kritisiert er, dass das einzelne Individuum nicht selbst festsetzen könne, wie weit es seine ihm eigentümlichen Handlungen beschränken muss, um die Koexistenz der anderen Menschen nicht zu behindern.117 Für Rosmini hängt die Existenz des anderen Menschen als Person nicht von der Quantität der Limitation der eigenen Handlungen und umgekehrt ab.118 Für Rosmini entscheidet der Beschränkungsumfang, den sich eine Person selbst setzt, nicht über ihr Personsein. Ist der Beschränkungsumfang auch noch so groß, bleibt als Personsein immer noch die freiwillige Entscheidung hinsichtlich des Maßes der Beschränkung, den sich derjenige auferlegt, übrig. Rosmini betrachtet auch die Kehrseite. Er beurteilt den Handlungsfreiraum, der einer Person von den anderen Personen gesetzt wird. Dabei sieht Rosmini den Extremfall, dass eine Person das Leben des anderen vernichtet, und beurteilt ihn als Ausnahme, ansonsten gelte aber, dass der Umfang der Limitation nicht über die Existenz als Person entscheidet, da für Rosmini in der Akzeptanz der Limitation ein Entscheidungsfreiraum gegeben sei.119 Entscheidungskriterium nach Rosmini hinsichtlich der Möglichkeit von Koexistenz mehrerer Personen ist also nicht die quantitative Beschränkung des Handlungsfreiraumes für den Einzelnen, sondern immer der freie und eigene Wille.120 Mit Rosminis Konstruktion, dieses freien und eigenen Willens als Entscheidungskriterium, eingebettet in die Gesamtrechtskonzeption der Voraussetzungen des Rechts, insbesondere in der Verbindung mit Handlung und Subjekt, zeigt sich in dieser auf den freien eigenen Willen zugespitzten Konzeption ein indisponibles Festhalten an einer Konzeption des Rechts mit dem Menschen als autonomes, da freies Subjekt,
114
Vgl. Rosmini 1967, S. 169; Rosmini 1993a, 356. Vgl. Rosmini 1967, S. 169; Rosmini 1993a, 356. 116 Vgl. Rosmini 1967, S. 169; Rosmini 1993a, 356. 117 Vgl. Rosmini 1967, S. 169; Rosmini 1993a, 356. 118 Vgl. Rosmini 1967, S. 169; Rosmini 1993a, 357. 119 Vgl. Rosmini 1967, S. 170; Rosmini 1993a, 357. 120 Vgl. Rosmini 1967, S. 170; Rosmini 1993a, 357. 115
C. Die Bedeutung der Koexistenz für Rosminis Rechtskonzeption
125
ohne auf eine theologisch ontologische weder transzendentale, geschweige denn transzendente Begründungsvoraussetzung zurückgreifen zu müssen. Damit ist auch jedem sowohl strukturalistischen Zweifel, wie er wenig später etwa bei Freud als autonomistische Illusion eines toten Subjekts auftreten wird,121 als auch dialogphilosophischen Zweifel,122 schon von philosophisch anthropologischer Seite in Rosminis Ausführungen keinerlei Entwicklungsraum gegeben. 5. Auswertung der Argumentation Rosminis Die tatsächliche Möglichkeit der menschlichen Koexistenz will Rosmini nicht in Abhängigkeit von der Quantität der Limitation des Handlungsraumes erkennen. Seine Argumentation hält hier schon dem von ihm selbst gefundenen und als Ausnahme bezeichneten Extrembeispiel, der Einschränkung der Handlungsgrenzen bis zur Destruktion des Lebens, nicht stand. Für Rosmini ist die Überprüfung, ob in der jeweiligen Limitation des Handlungsfreiraumes des einzelnen Menschen noch eine eigene Entscheidung vorliegt, das Kriterium, an welchem er über das Vorhandensein von Personalität und damit einer möglichen Koexistenz entscheidet. Aus seinem Überprüfungskriterium, ob noch eine eigene Entscheidung vorliegt, lässt sich mit Rosmini nicht nur über eine mögliche Koexistenz urteilen. Aus diesem Kriterium, mit dem er die mögliche Koexistenz überprüft, überprüft er eine Konstruktion der notwendigen Koexistenz als Prinzip für die Bestimmung des Rechts. Daraus ergibt sich wiederum, dass das o. g. Kriterium in engem Zusammenhang mit der Rechtsbestimmung steht und für diese von maßgeblicher Bedeutung ist. 6. Zwischenergebnis Aus diesen Überlegungen kann festgestellt werden, dass die Argumentation Rosminis, die auf den eigenen Willen als Prüfungspunkt für das Recht zuläuft, aber noch Argumente vermissen lässt, um sich als logisch zwingende Voraussetzung für Recht zu erweisen.
121 122
Vgl. Freud 1966, 11. Vgl. Wimmer 2004, 175.
126
4. Kap.: Konzeptionelle Charakteristika für das Recht bei Rosmini
III. Konzept Rosminis: Eigentümlichkeitsprinzip statt Konstruktion der notwendigen Koexistenz als Prinzip für die Bestimmung des Rechts Am Ende seiner Argumentation legt Rosmini einen eigenen Alternativvorschlag zur Konstruktion der notwendigen Koexistenz als Prinzip für die Bestimmung des Rechts vor und so wird noch weiter deutlich, wie er Recht versteht: Das von ihm kritisierte Prinzip der Koexistenz ersetzt Rosmini mit seinem Eigentümlichkeitsprinzip, als Bestandteil seines Rechtsverständnisses. Er stellt dabei den Wert dieser Voraussetzung in zweifacher Hinsicht heraus. Die Eigentümlichkeit stabilisiere, insofern die Eigentümlichkeit des anderen nicht verletzt werde und die determinierte Quantität der Limitation nicht von einem unmöglichen und unbegründeten Kalkül festgesetzt werde, das die Grenze der Handlungsmöglichkeiten zu bestimmen versucht, sondern von einem positiven Faktum, nämlich der Eigentümlichkeit des anderen. Dies stelle zwar auch eine Begrenzung dar, aber für Rosmini eben eine gerechte Begrenzung, da sie immer in Beziehung zu ihrer verschiedenen Ausdehnung begrenzt ist. Diese Eigentümlichkeit stelle eine moralische Grenze auf. Die Handlung jeder Person finde ihre Grenze in der Eigentümlichkeit des andern, die nicht überschritten werden dürfe.123 Die konstitutive Rolle der Eigentümlichkeit für die Bestimmung des Rechts ist damit durch Rosmini am Ende der Argumentation Rosminis hervorgehoben. Im Zusammenhang damit bleibt jedoch festzuhalten, inwieweit seine Argumentation allein hierfür schon ausreicht, um einen Schluss für diese konstitutive Rolle der Eigentümlichkeit für die Bestimmung des Rechts ziehen zu müssen.
IV. Ergebnis Im Ergebnis stellt Rosmini die Koexistenz nicht als Voraussetzung für die Rechtsbestimmung dar. Eben gerade nicht auf diese Weise wird eine lückenlose Bestimmung des eigenen Willens als Konstitutivum für das Recht dargestellt, sondern eine hohe Bedeutung des eigenen Willens ist erkennbar geworden. Die Koexistenz als Konstitutivum zur Rechtsbestimmung wird ersetzt durch die Eigentümlichkeit. Mit der Nennung der Eigentümlichkeit als Konstitutivum für die Rechtsbestimmung wird die Nähe zum bisherigen Überprüfungskriterium des eigenen Willens unübersehbar. Rosmini selbst geht auf diesen Zusammenhang nicht ein. Dadurch wird auch keine Verhältnisbestimmung oder Abgrenzung zwischen dem Eigentümlichen und dem eigenen Willen festgelegt, die Nähe dieser Begrifflichkeiten, Proprietas und Voluntas propria, werden nicht präzisiert. Aber es lässt sich mit den bisherigen Ergebnissen feststellen, dass der eigene Wille ein Teil der der Person eigenhaften Sphäre im ethisch-anthropologischen Sinn darstellt, da sich im eigenen 123
Vgl. Rosmini 1967, S. 171; Rosmini 1993a, 359.
D. Ergebnis
127
Willen dasjenige findet, das sich die jeweilige Person als ihr eigen zuordnen kann, denn ein eigener Wille als solcher steht in permanenter und exklusiver Relation zur jeweiligen Person selbst und stellt somit, gemäß der bereits erörterten Eigentümlichkeitsdefinition, genau das zum Eigentümlichen Gehörende dar. Somit ergibt sich der Zusammenhang, zwischen dem Willen und dem oben angeführten Konstitutivum der rosminischen Eigentümlichkeit, unter welche der eigene Wille zu subsumieren ist, der damit anstelle der Koexistenz für das Recht als Konstitutivum ausgewiesen ist. Damit kann auch die Folgerung der Rolle des eigenen Willens hieraus für die Bestimmung des Rechts im Sinne Rosminis formuliert werden: Der eigene Wille ist konstitutiv für das Recht im rosminischen Sinn. Wo kein Platz für den eigenen Willen mehr ist, ist auch kein Recht. Das heißt, als Recht kann erst etwas bezeichnet werden, das Platz für den eigenen Willen der menschlichen Person lässt. Dieses Ergebnis als Weiterführung steht damit im Einklang zur Rolle des Willens hinsichtlich der Rechtskonzeption, wie Rosmini den Willen im personalen Element des Rechtsbegriffs schon ursprünglich in Verbindung mit seiner anthropologischen Auffassung vom Personbegriff in die Rechtskonzeption eingebunden hat.
D. Ergebnis Nach der Klärung der Rechtsbegriffsdefinierbarkeit im ersten Kapitel und der Untersuchung zu den definitorischen Rechtselementen von Subjekt-Aktivität, personaler Aktivität, Handlungswert, Handlungserlaubtheit und Rücksichtspflicht, geht das vierte Kapitel der vorliegenden Untersuchung den Fragen nach konzeptionellen Charakteristika zur Klärung der Verständnisvoraussetzungen als impliziten Merkmalen des Rechts nach. Die Untersuchung setzt dabei beim Umfang des Rechts mit der Frage nach seinen Grenzen an.
I. Beschränkungen des Rechts durch die konstitutiven Elemente des Rechts selbst Neben dem Hauptmerkmal zur Rechtsgrenze des neminem laedere ist festzuhalten, dass sich in den Ausführungen Rosminis zu jedem konstitutiven Element des Rechts eine Grenze für das Recht findet. Die Grenzen des Rechts stellen sich somit in der Subjektivität, Personalität, Eudämonie, moralischer Erlaubtheit und der moralischen Rücksichtspflicht dar.
128
4. Kap.: Konzeptionelle Charakteristika für das Recht bei Rosmini
II. Die Bedeutung der Pflicht für Rosminis Rechtskonzeption Neben der Umfangsbestimmung des Rechts mit der Frage nach den Grenzen des Rechts ist innerhalb der Rechtskonzeption weiter nach der formgebenden Konzeption im Rechtsbegriff gefragt. Rosmini nimmt schon einen ersten expliziten Bezug zur Pflicht im fünften Rechtselement, wo er auf die moralische Pflicht des Nicht-Störens verweist. Juris tische Pflicht und fünftes Rechtselement erfahren schließlich eine Identifikation bei Rosmini bei gleichzeitiger existentieller Unabhängigkeit der Pflicht vom Recht hinsichtlich der Vorrangigkeit der Pflicht zu Recht in der Konzeption, dass die Herkunft des Rechts die Pflicht sei, da nach Rosmini die Pflicht das Recht hervorbringe. Formgebendes Prinzip sei die Unverletzlichkeitsverpflichtung, die erst ein Recht zum Recht mache. Rosminis Verständnis der juristischen Pflicht zeigt die innerste Verbindung und gleichzeitige Trennungsmöglichkeit zwischen juristischer und moralischer Pflicht, insbesondere anhand der Spiegelung an der Koexistenz im Rahmen der Alteritas- Konzeption.
III. Die Bedeutung der Koexistenz für Rosminis Rechtskonzeption Die Koexistenz mehrerer Personen, aus der die Freiheitsbeschränkung des einzelnen ggf. abgeleitet wird, stellt für Rosmini kein notwendiges Prinzip für die Bestimmung des Rechts dar. Für Rosmini ist der Grund der Handlungsbeschränkung das moralische Gesetz und nicht die bloße Koexistenzermöglichung. Die Bedeutung eines allen gleichen Freiheitsmaßes lässt sich in Rosminis real-praktischer statt rein vernünftiger Rechtskonzeption nicht verifizieren. Das quantitative Maß der Handlungsbeschränkung hat für die Koexistenz in Rosminis Rechtskonzeption subsidiäre Bedeutung. Im Ergebnis will Rosmini die tatsächliche Möglichkeit der menschlichen Koexistenz nicht in Abhängigkeit von der Quantität der Limitation des Handlungsraumes erkennen. Eine Konstruktion der notwendigen Koexistenz als Prinzip für die Bestimmung des Rechts will Rosmini mit seinem Eigentümlichkeitsprinzip, als Bestandteil seines Rechtsverständnisses, ersetzt wissen. Die Eigentümlichkeit stabilisiert, insofern ohne dass ein Mensch die Eigentümlichkeit des anderen verletzt und insofern die determinierte Quantität der Limitation hier von einem positiven Faktum, der Eigentümlichkeit des anderen, abhängt. Dies stellt für Rosmini dann eine gerechte Begrenzung dar, da sie immer in Beziehung zu ihrer verschiedenen Ausdehnung begrenzt ist. Dabei handelt es sich um eine moralische Grenze. Die Handlung einer jeden Person findet ihre Grenze in der Eigentümlichkeit des andern, die nicht überschritten werden darf. Die vorliegende Untersuchung stellt die Verbindungslinie zwischen der Eigentümlichkeit zum eigenen Willen bei Rosmini heraus und stellt die konstitutive Rolle des eigenen Willens für das Recht
D. Ergebnis
129
im rosminischen Sinn dar und schließt so den Bogen vom Willenselement zum Gesamtzusammenhang der Rechtskonzeption auf das personale Element in einer anthropologischen Rechtskonzeption. Dieser Impuls Antonio Rosminis, das Recht nicht nur auf ein rein praktikables gesellschaftliches Phänomen ermöglichenden Koexistenz zu reduzieren, erinnert heute unter komplexer gewordenen Gesellschaftsstrukturen erneut daran, kein verkürztes rein funktionales Recht zu „produzieren“, sondern die tiefere Wirklichkeit der persönlichen Eigentümlichkeit unter Einbeziehung des Willen des einzelnen Geschöpfes der gemeinsamen Realität als Garant eines menschlichen Rechtes als konzeptionellen Maßstab im Auge zu behalten, um der Gefahr zu entgehen, durch bloß oberflächliche Gleichheitsmaßstäbe die Ungleichheiten die auf persönlichen und personalen Eigentümlichkeiten, wie philosophische Grundüberzeugungen oder religiöse Bekenntnisse, beruhen, vorschnell zu nivellieren. Diese Gefahr zeigt sich insbesondere im Beispiel der gegenwärtigen aktuellen Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs, der allzu gerne seine Gleichheitsmaßstäbe an der Person allein als solcher betrachtet im Vergleich von ungerechtfertigter Benachteiligung und das tiefergehende Eigentümlichkeitsprinzip mit der komplexeren Einbeziehung des Willens und der Person zurücktreten lässt,124 sei es in Bezug auf die einzelnen Personen als auch Institutionen sowie hinsichtlich der Freiheit der Staaten die Inhalte seiner Staatsverträge im Hinblick auf die Eigentümlichkeiten der in den Staaten sich befindlichen Institutionen frei zu bestimmen. Dies zeigt sich besonders am staatsvertraglich vereinbarten Selbstbestimmungsrecht der Kirche, deren langer Interpretationsgeschichte der Rechtsprechung durch das Bundesverfassungsgericht125 und schließlich deren schrittweise Beschränkung durch eine wiederholte exzessive Interpretation der Antidiskriminierungsrichtlinie durch den Europäischen Gerichtshof.126 Dies zwingt die Staaten dazu, die Vereinbarungen nicht weiter halten zu können, das im einzelnen Staat erkannte und vereinbarte Eigentümlichkeitsprinzip in Rechtskonzeption und Lebenswirklichkeit einzuschränken und somit die Eigentümlichkeit der Realitäten zu übersehen und einer Oberfläche von Willen und Person den Vorrang einzuräumen, was einem Auseinanderdriften von Recht und Wirklichkeit Vorschub leistet.
124
Vgl. EuGH, Urt. vom 17.04.2018, Egenberger, C-414/16, EU:C:2018:257. Vgl. BVerfGE 137, 273 (341 Rn. 176). 126 Vgl. EuGH, Urt. vom 11.09.2018, IR / JQ, C-68/17, ECLI:EU:C:2018:696. 125
Fünftes Kapitel
5.
Ontologische Rechtsbegründung Mit der Definition des Rechts und nach einer ersten Explikation wurde schließlich die Rechtskonzeption mit der Darstellung der konzeptionellen Charakteristika begonnen zu untersuchen. Die weiterführende Frage, die sich hier unmittelbar anschließt, ist, welche ontologischen Voraussetzungen hinter der Begriffsbestimmung des Rechts stehen, d. h. welche ontologischen Voraussetzungen Antonio Rosmini seiner eigenen Definition zugrunde legt und wie weit bzw. eng er diese Voraussetzungen fasst und was dann diese Voraussetzungen für das Verständnis des Rechtsbegriffs bedeuten. Mit dem Blick auf die Rechtskonzeptionsuntersuchung von Rosmini heißt dies, nach der Bedeutung entscheidender Angelpunkte bei Rosmini zu fragen: Welche Funktion hat die Ethik im Rechtskonzept Rosminis? Welche Bedeutung kommt der Personalität für das rosminische Rechtskonzept zu? Und schließlich konvergieren die ontologischen Beobachtungen in der Frage, ob Rosmini sein Rechtskonzept auf rein immanente oder metaphysische Voraussetzungen und ggf. auf welches transzendentallogisches Apriori oder aber auch auf welche transzendenzphilosophische Voraussetzung gegründet sehen will bzw. tatsächlich gegründet hat. So soll dadurch eine umfassendere Einsicht in die eigentliche Bestimmung des Rechts bei Rosmini gewonnen werden. Bei der Ausgangsfrage, was unter Recht bei Rosmini zu verstehen sei, richtet sich eine Konkretion dieser Frage, worauf das Recht seinsmäßig gegründet ist, im weitesten Rahmen nach dem ontologischen Zusammenhang von Recht und Ethik. In einem zweiten Schritt soll dann fokussiert der Bedeutung der Person für das Recht nachgegangen werden. In einem dritten und letzten Schritt ist dann nach der Untersuchung zur ontologischen Bedeutung von Ethik und Personalität für das Recht schließlich nach metaphysischen Voraussetzungen des Rechts bei Rosmini zu fragen.
A. Die Rolle der Ethik in Rosminis Rechtskonzeption I. Entwicklungs- und Bedeutungszusammenhang Auf Grund der historischen Tatsache eines schwankenden Verhältnisses von Recht und Moral erweist sich die Frage nach der Bedeutung der Moral für das jeweilige Rechtssystem für eine Einordnung des Rechtsbegriffs von richtungweisendem Interesse.
A. Die Rolle der Ethik in Rosminis Rechtskonzeption
131
Die Position Rosminis wird zu bestimmen sein im Spannungsgefüge der erbindung und Trennung von Moralität und Legalität. Je nachdem, ob MoraliV tät auf die Gesinnung, aus welcher eine Handlung stammt und Legalität auf bloße Übereinstimmung der Handlung mit dem Gesetz zurückgeht, oder ob Rechtsphilosophie als Teil der Ethik gesehen wird. Nach Külpe zeige sich im Lauf des 19. Jahrhunderts die Neigung, eine Verbindung zwischen Ethik und Rechtsphilosophie herzustellen, indem das gesetzlich Geforderte als eine Vorstufe des moralisch Gebotenen angesehen werde und in der Rechtsentwicklung eine sukzessive Anpassung an sittliche Vorstellungen erkennbar sei.1 In dieser Weite der Erklärungsmöglichkeiten steht Rosminis Rechtsbegriff mit seinem Bezug zur Moral. Die Frage, der hier nachgegangen werden soll, ist, inwieweit die Moral für eine ontologische Grundlage des Rechts bei Rosmini herangezogen ist.
II. Die Verortung und Einteilung des Systems der Moral bei Rosmini Das System der Moral ist in der Rechtsphilosophie Rosminis im ersten Buch verortet. Rosmini hat es in drei Sektionen aufgegliedert. In einem ersten Abschnitt stellt er sein eigenes System dar. Hieran schließt er eine Zusammenstellung der bedeutenden philosophischen Systeme zur Moral an und lässt als Abschluss das Kapitel über die Relationen von Recht und Religion folgen. Hauptaugenmerkmal liegt bei vorliegender Untersuchung auf Rosminis eigenem Moral-System.
III. Das Prinzip der Moral bei Rosmini Ansatzpunkt Rosminis ist das Erkennen. Er unterscheidet zunächst die Notwendigkeit und die Freiheit im Erkennen.2 Die Notwendigkeit besteht im Erkennen als Akt der Intelligenz. Darunter fällt die Apprehension der Dinge in ihrer Entität.3 Die Freiheit des Erkennens ist ein folgendes Urteil, das mit der Wahrheit übereinstimmen kann oder nicht. Es handelt sich hierbei um ein meinungsabhängiges Urteil, das vom Willen aufgestellt wird. Rosmini unterscheidet in seiner Lehre von der Moral die Wahrheits-Urteile von den Wert-Urteilen. Die Wahrheitsurteile sind die, die die Notwendigkeit4 des Erkennens betreffen und die Werturteile betreffen
1
Vgl. Külpe 1919, 105. Vgl. Rosmini 1968, S. 49; Rosmini 1993a, 94. 3 Vgl. Rosmini 1968, S. 50; Rosmini 1993a, 95. 4 Vgl. Rosmini 1968, S. 50; Rosmini 1993a, 96. 2
132
5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
die Freiheit5 des Erkennens.6 Gibt der Wille ein wahres Urteil, will Rosmini es als ein gutes Urteil bewerten, andernfalls als ein schlechtes Urteil. Ist das Urteil nicht wahr, belüge sich der Mensch selbst.7 1. Unterscheidung des Erkennens vom Würdigen Die unmittelbare Perzeption eines Objekts sei zu unterscheiden von der Reflexion über das Erkannte.8 Bei der Perzeption können nach Rosmini keine Fehler auftreten, da es sich hierbei um einen einfachen Akt, der bestimmt, direkt und notwendig ist, handele. Im Würdigen dagegen könne der Mensch irren. Hier können Verwechslungen auftreten und es könne zu einem nur ausgewählten Würdigen kommen.9 2. Das Moralprinzip – ein Wahlprinzip? Die Ausführungen Rosminis zur Perzeption, die dem Erkennen und Urteilen bzw. Würdigen des Erkannten vorangeht, und zum Urteilen auf Grund der Perzeption geben Aufschluss auf seine Sicht der moralischen Handlung. Für Rosmini ist das Prinzip der Moral kein Prinzip der Wahl,10 wie es aus dem Umstand des Erkennens und des daran anschließenden Urteilens erscheinen könnte. Der Mensch könne das Erkannte beurteilen. Das legt ein Wahlprinzip grundsätzlich nahe. Für 5
Vgl. Rosmini 1968, S. 50; Rosmini 1993a, 96. Vgl. Rosmini 1968, S. 50; Rosmini 1993a, 97. 7 Dieser Auffassung Rosminis entgegnet Croce: „Come esempio delle false formole della libertà di scelta si può recare quella del Rosmini, che la chiama libertà bilaterale, ossia del fare o non fare una determinata azione […] Ora, poichè lo spirito non puo essese stremato a totale passività, non fare un’azione vale farne un’altra diversa; e, se nemmeno quest’altra è voluta, sarà un’altra ancora, e così via. Dunque si tratta non di bilateralità, ma di molteplicita di tendenze; non di scelta tra due volizioni, ma di sintesi di molte tendenze in una, che è la volontà o libertà“ (Croce 1973, 189 f.). Croce kritisiert hier die bilaterale Freiheit bei Rosmini. Nach Rosmini kann der Mensch frei das Urteil fällen, oder eine Handlung vornehmen oder nicht vornehmen. Croce meint, dass es nicht auf diese Bilateralität hinauslaufen könne hinsichtlich einer bilateralen Entscheidungsmöglichkeit des Menschen. Es gebe vielfache Tendenzen, und eine Synthese aus diesen vielfachen Tendenzen führt erst zum Willen des Menschen, vgl. Croce 1973, 189 f. Die Kritik Croces weist hier darauf sicher berechtigt hin, dass das System Rosminis in diesem Punkt möglicherweise eine Vereinfachung aufweist, berührt aber ansonsten das Grundprinzip Rosminis nicht, da lediglich der Bezug auf der Bilateralität liegt und nicht auf der Infragestellung der Urteile als solche an sich hinsichtlich richtig und nicht richtig noch an der Unterscheidung der Ureile als frei und notwenig. Damit zeigt sich auch in der Kritik Croces gerade eine gewisse Stabilität der Konzeption von Rosmini. 8 Vgl. Rosmini 1968, S. 50; Rosmini 1993a, 97. 9 Vgl. Gonella 1934, 143. 10 Vgl. Gonella 1934, 143. 6
A. Die Rolle der Ethik in Rosminis Rechtskonzeption
133
Rosmini ist der entscheidende Punkt, dass der erste Schritt der Moralität nicht das richtige Urteil sei,11 sondern bei der Wahrheitspflicht ansetze.12 Inhaltlich liegt hier ein Ineinandergreifen der Konzeption von Rosminis Rechts philosophie mit dem zehn Jahre zuvor entstandenen Werk, Prinzipien der Moral wissenschaft vor, wo Rosmini die Voraussetzung des Erkenntnisurteils für das moralische Urteil darlegt, aber das Erste über das Zweite als Hinausweisung erkennt, so dass es sich bei diesem Urteil um eine Rekognition von dem handele, „was das Subjekt im ‚ersten Erkennen‘ bereits als Wahrheit erkannt hat.“13 Wenn Rosmini im „Anerkennen das ‚Wesen der Moralität‘ erkannt“14 hat, liegt aber erst wiederum in einem weiteren Schritt die Differenzierung, ob von einem moralisch Guten / Schlechten zu sprechen ist,15 was eben daran hänge, ob das Subjekt nach den ersten beiden Schritten, der Perzeption und Rekognition, die damit verbundene Wahrheitsverpflichtung erfüllt oder nicht. Wird der Verpflichtung nun durch Erfüllung entsprochen, ist vom moralisch Guten bzw. bei Nichtentsprechung vom moralisch Schlechten zu urteilen.16 Im Ergebnis dieser Schritte Rosminis, um zum Moralbegriff zu gelangen, ist festzuhalten, dass die theoretische Perzeption erst im Zusammentreffen mit der praktischen Rekognition zur Moral17 führt. 3. Die Wahrheitspflicht An dem Punkt der Wahrheitspflicht in der Konzeption zur Moral greift Rosmini auf die Lex aeterna zurück. Gegründet sieht er diesen Schritt in der Natur der Dinge.18 Mit dieser Begründung gemäß der Natur der Dinge bezieht Rosmini sich aber nicht auf ein Naturrecht/-gesetz, sondern auf das ewige Gesetz.
11
Vgl. Gonella 1934, 143. Vgl. Gonella 1934, 144. 13 Krienke 2004, 371. 14 Krienke 2004, 375. 15 Vgl. Rosmini 1968, S. 50; Rosmini 1993a, 97. 16 Vgl. Rosmini 1990, 326. 17 Jedoch stellt die daraus gezogene Folgerung Krienkes, dass das „Wesen der Moralität“ nicht in der „Idealität des moralischen Gesetzes besteht, sondern in der praktischen Handlung, die am Gesetz ausgerichtet ist“ (Krienke 2004, 376 Fn. 94 a. E.), folgende Gefahr dar: Die Idealität des Gesetzes könnte hier hinter der Praxis bei Rosmini zu stark zurücktreten und das von Rosmini konzipierte umfassende Zusammenspiel in der Entsprechung von Idealität und Praxis auf die Entwicklung eines Moralbegriffes hin zu Gunsten der praktischen Komponente in ein Missverständnis geraten, da eben auch die praktische Handlung allein nicht zum Moralbegriff führt, sondern dieser in der Verbindung mit dem Idealität der Erkenntnis als Entsprechung im Ergebnis erst vorliegt. 18 Vgl. Gonella 1934, 144. 12
134
5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
Dieser Schritt von der Moral nun auf die Lex aeterna zu verweisen, erscheint in der Argumentation Rosminis hier nicht zwingend bzw. der weiteren Begründung bedürftig, die Rosmini jedoch nicht ausführt. So finden sich zur Begründung der Moral auf der Lex aeterna die verschiedensten Interpretationen als ontologischer Idealismus, der das moralische Gesetz nicht nur als objektiv, ewig und als von uns unabhängig, sondern auch als vom Sein der Sache selbst gemacht, betrachtet19 oder die Interpretation des Moralprinzips als höchstes Gesetz der Gerechtigkeit,20 wodurch die Moral bzw. das Moralprinzip der Gefahr der Interpretation in einem weiten Sinn ausgesetzt wird und eine Präzision in der Interpretation nicht gesichert erreicht werden könnte. So könnte zunächst näher nach dem von Rosmini angeführten ewigen Gesetz bzw. seiner inhaltlichen Wirkung für das Recht zu fragen sein, um weiteren Aufschluss zu erhalten: Das von Rosmini angeführte ewige Gesetzt verpflichte den Menschen zur Wahrheit.21 Diese Prämisse leitet Rosmini nun aber aus der schriftlichen Tradition des abendländisch christlichen Weltbildes ab. Er weist auf die alttestamentliche Aussage in Psalm 119 Vers 160 hin, wo Rosmini die Wahrheit als Prinzip des offenbarten Gesetzes selbst sieht.22 4. Zwischenergebnis Damit gibt es für ihn eine Pflicht zur Wahrheit das Erkannte so zuerkennen, wie es ist, und die Dinge so zu sehen, wie sie sind. Die erste moralische Pflicht ist für Rosmini die Wahrheitspflicht.23 Damit schafft Rosmini eine gemeinsame Grundlage des Erkennens als Ausgangspunkt für die Moral als einen gleichsam kleinsten gemeinsamen Nenner. Als Schwäche könnte vermutet werden, dass er hier auf ein bestimmtes Weltbild abstellen muss und somit seine Prämisse hinsichtlich des Wahrheitsbegriffs eine Verabsolutierung erfährt, die nicht weiter bewiesen wird, sondern auf den Glauben gegründet ist. Damit ist ein absoluter Fixpunkt zwar geschaffen, der als gemeinsamer Ausgangspunkt sicher seinen Zweck erfüllt. Der Rückgriff auf die Lex aeterna, die Wahrheit sei, ist jedoch ein Axiom. Hier erreicht Rosmini eine Abhängigkeit der Moral in ihrer Begründung letztlich auf der Lex aeterna als Wahrheit. Das Bemerkenswerte an dieser Konstruktion ist, dass hier zwar auf einen biblischen Psalm verwiesen wird, der es nahelegt, eine christliche metaphysische Begründung der 19
Vgl. di Carlo 1910, 58 f. Vgl. Brunello 1941, 13. 21 Vgl. Gonella 1934, 144. 22 Vgl. Rosmini 1967, S. 86: „nelle sacre Scritture, la verià è detta il principio della stessa legge rivelata, Principium verborum tuorum veritas“; Rosmini 1993a, 186: „in the Scriptures, truth is called the principle of the revealed law itself, Principium verborum tuorum, veritas“. 23 Vgl. Gonella 1934, 144. 20
A. Die Rolle der Ethik in Rosminis Rechtskonzeption
135
Moral zu folgern, es liegt hier jedoch lediglich eine Begründung der Moral auf der Lex aeterna bzw. auf der Wahrheit ohne weitere Ausformulierung oder Schlussfolgerung vor. Der inhaltliche Bedeutungsumfang der Lex aeterna bei Thomas von Aquin muss aber nicht mit dem bei Rosmini übereinstimmen und so ist eben hier nach der rosminischen Verwendung zu fragen. Einerseits sieht Ferronato in der Wortwahl Lex aeterna einen Anklang an die Terminologie des Aquinaten und damit eine Anknüpfung an die katholische Tradition, die Rosmini hier herstellen will.24 Inhaltlich gehe es dabei um das thomistische bonum faciendum, malum vitandum25.26 Andererseits bewegen sich die inhaltlichen Konkretisierungen, wie sie dann in den positivierten Gesetzen in Erscheinung treten, im Rahmen des ewigen Geset zes, das auch Ferronato als Gesetz der Gerechtigkeit anführt, das bei Ferronato als universale Harmonie verstanden wird, in der die praktische Erkenntnis des Seins zu Tage tritt und im Ergebnis das klassische römischrechtliche Prinzip des suum cuique tribuere27 stehe.28 Die Annahme eines christlichen Axioms ist hier sicher diskutabel und möglicherweise auch von Rosmini als Angebot präsentiert, wofür v. a. die Wortwahl spricht. Jedoch ist hier keine weitergehende inhaltliche Klärung von Seiten Rosminis nachweisbar, die die metaphysische Grundlegung der Moral nur im christlichen Glauben exklusiv als zwingend nachweist. Vielmehr ist anhand der Äußerungen Rosminis an dem Aufhänger der Wahrheit und der Lex aeterna nicht schon eine exklusiv christliche Identifikation dieser Begriffe zu erkennen. Der Bezug zu einem personalen, dreifaltigen, offenbarten Gott ist nicht genannt. Die Äußerungen Rosminis bilden für seine Zeit im christlichen Milieu wohl eine unerwartete Weite der Begründung der moralischen Verpflichtung nicht mehr gegenüber einem personalen Gott, sondern einer unpersonalen Wahrheit. Dies steht dann im guten Einklang mit dem idealen Sein, das Rosmini als unpersonal bezeichnet. Ein Beweis, dass die Moral bei Rosmini zwingend im christlichen Kontext steht, ist hier nicht vorhanden. Eine notwendig christlich-metaphysische gestaltete Abhängigkeit der Moral ist daher soweit bei Rosmini zu verneinen. Rosminis ewiges Gesetz der Gerechtigkeit ist die Notwendigkeit ein Objekt zu bewerten anhand der Unveränderbarkeit der Essenz des Objekts.29 Diese Notwendigkeit wird von Rosmini in ihrem Verhältnis zur Freiheit bestimmt: Die moralische Notwendigkeit ist von der physischen Notwendigkeit zu unterscheiden und auch von der Logischen.30 Eine Person kann physisch auf verschiedene Weisen handeln. 24
Vgl. Feronato 1998, 89. Vgl. Thomas 1950b, I-II 91, a. 1. 26 Vgl. Feronato 1998, 90. 27 Vgl. Pugliatti 1933, 61 ff. 28 Vgl. Feronato 1998, 91. 29 Vgl. Gonella 1934, 147. 30 Vgl. Gonella 1934, 147. 25
136
5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
Will die Person aber nichts an ihrer persönlichen Vollendung durch ihr Handeln einbüßen, indem sie Schlechtes zulässt, ist es nötig, auf eine bestimmte Weise zu handeln. Diese Notwendigkeit des auf eine bestimmte Weise Handelns behindere, dass die Würde zugrunde geht und sei die moralische Verpflichtung.31 Das moralisch Gute und moralisch Schlechte32 seien subjektiv und nicht absolut, aber wenn man bedenkt, dass das Subjekt Person ist und schließlich ein intelligentes Subjekt, bestehe das Gute darin, an der objektiven Entität festzuhalten.33 Ein solches Gutes sei auch objektiv, weil die Person über sich hinausgeht mit seinem willentlichen Handeln und sein vollendendes Gut im Objekt, das das Sein ist, findet.34 Diese differenzierte Betrachtungsweise Rosminis erkennt im selben freien Willen das Universale und Partikulare in Form von Subjektivität und Objektivität.35
31
Vgl. Gonella 1934, 147. Für Zamboni ist die Nomenklatur Rosminis jedoch noch zu wenig präzise. Zamboni will statt dem objektiven und subjektiven Gut besser von einem ontologischen Gut und einem affektiven bzw. sentimentalen Gut sprechen, vgl. Zamboni 1925, 61. Das ontologische Gut beziehe sich auf die Idee des Seins und sei insofern ein Gut insoweit es dem Grad des Seins entspricht. Das Sentimentale Gut sei ein Gefühlsimpuls und damit determiniert durch einen Anstoß des Interesses eines Subjektes, vgl. Zamboni 1925, 59 ff. Dabei erscheint fraglich, ob es sich um eine wirkliche Ersetzung der Begriffe, objektiv und subjektiv, die Rosmini gebraucht, durch die Begriffe, ontologisch und sentimental, handelt. Die Konstruktion Zambonis könnte durchaus nur als eine Präzisierung der Nomenklatur gesehen werden, insgesamt stellt sie die Unterscheidung subjektiv und objektiv in einen neuen Zusammenhang. Rosmini lässt die moralische Entscheidung subjektiv und objektiv von dem einzelnen Menschen abhängen, der sich moralisch entscheidet zwischen dem moralisch Guten und Schlechten. Zamboni knüpft an der Begrifflichkeit der Unterscheidungskriterien Rosminis, subjektiv und objektiv, an. Versetzt dann aber doch die Bedeutung der ersetzten Worte auf eine wenn auch nur geringfügig andere Ebene. Die Abhängigkeit der inhaltlichen Ausfüllung der Worte subjektiv und objektiv gehen bei Rosmini von der einzelnen Person aus und hängen von deren Betrachtung eben ab, wie oben dargestellt. Bei Zamboni bezieht sich die Unterteilung auf affektiv und ontologisch. Damit weitet er die Einteilung des einzelnen Gutes in affektiv oder ontologisch in eine Kategorie ein, die für mehrere als nur für eine Person Geltung hat. Das Gut ist also auch immer gleichzeitig für andere affektiv und ontologisch. Nimmt man diese Einteilung vor und rückübersetzt man die Ergebnisse wieder in subjektiv und objektiv, so gelangt man unter Umständen zu völlig anderen Ergebnissen als bei Rosmini. Grund hierfür ist, dass die Wertungskriterien der Aufteilung in subjektiv – objektiv eben andere sind als das bei der Einteilung ontologisch – affektiv der Fall ist, da die Kriterien eben u. U. einen anderen Einteilungsmaßstab einnehmen können, eben einen allgemein objektivierteren, da der Blick Zambonis bei der Unterscheidung affektiv- ontologisch eben einen gewissen Grad der Verallgemeinerung im Gegensatz zu subjektiv und objektiv bei Rosmini erreicht hat. Damit ist eine Kritik Zambonis, der eine Präzisierung von subjektiv und objektiv vornimmt, zu relativieren. Rosmini kann im Vergleich zur gegenübergestellten Konstruktion Zambonis sicher keine Ungenauigkeit vorgeworfen werden, weil es eben nicht zu einer bloßen Präzisierung durch Zamboni kommt, sondern dadurch eben ein neues Einteilungssystem hinsichtlich des moralisch Guten entsteht. 33 Vgl. Gonella 1934, 148. 34 Vgl. Gonella 1934, 148. 35 Vgl. Gentile 1923, 137. 32
A. Die Rolle der Ethik in Rosminis Rechtskonzeption
137
In die Moral fände so das Prinzip des Lebens und der Bewegung Eingang.36 Die Universalität sei so präsent im menschlichen Geist.37 Die Person wird damit als Potenz der Affirmation des Seins und damit auch als Partizipation des ganzen Seins gefasst. Die Notwendigkeit, so zu verfahren, ergebe sich dabei aus der Natur des Seins. Hier gehe aus der Person das Erkennen hervor: die Strafe der Degradation, das personale Übel, und schließlich die Moral als solche, gewollt von der Person selbst.38 Damit befindet sich Rosmini wieder in einem innerweltlich geschlossenen menschlichen System der Konstruktion der Moral, für das kein transzendenter oder metaphysischer Grund für die Existenz der Moral als solchen notwendig in Erscheinung tritt, um deren Existenz zu konstruieren. Der Mensch selbst und sein Umfeld, das sich aus dem Willen des Menschen konstituiert, ist Erkenntnis und Konstitution der Moral, ohne an dieser Stelle schon auf eine transzendente causa für die Konstruktion der Moral zurückgreifen zu müssen. Denn die Moral entsteht im komplexen Wollen des Menschen, wo Partikularität und Universalität gleichzeitig und nebeneinander auftreten können. Dies ist die entscheidende Voraussetzung für die komplexe Erfassung des größeren Seinzusammenhangs in dem der einzelne Mensch steht. Somit ist der Mensch in diesem Gedankengang nur bedingt transzendent gesehen, indem er nicht auf ein Jenseits der Welt, in der er lebt zurückgreifen muss, sondern lediglich über sich selbst, das heißt, über seine eigene Person hinaus ausgreift in die universelle diesseitige Welt, um so das nötige Maß für die Konstruktion einer umfassenden menschlichen Moral zu gewinnen. Sicher bleibt diese Universalität grundsätzlich offen für eine Interpretation, darin auch Transzendentes, das die diesseitige Welt übersteigt und an eine höhere moralische Entität anknüpfen könnte, erblicken zu können. Darin liegt wohl nun auch die Besonderheit der Konstruktion Rosminis, dass ein transzendenter Aufhänger für die Moral hier nicht bejaht werden muss, sondern lediglich ein transzendentaler, um seiner Philosophie zu folgen, aber gleichzeitig ein transzendenter Aufhänger doch denkbar Platz hat. Damit wird ein besonders hohes Maß an Stabilität der Konstruktion der Moral hier erreicht, auf eine Art, wie sie im katholischen Milieu Rosminis zunächst nicht zu erwarten war. Das Ächzen der „kopernikanischen Wendung im Gebälk konventioneller Moralphilosophie“39 wie es bei Kant mit der Priorisierung der Verbindlichkeitseinschätzung auf Grund der innerlichen Verbundenheit statt der Einschätzung als göttliche Gebote beurteilt ist,40 ist bei Rosmini eben nicht in dieser Entgegensetzung, sondern in Kompatibilität anzutreffen.
36
Vgl. Gentile 1923, 137. Vgl. Gentile 1923, 137. 38 Vgl. Gonella 1934, 148. 39 Stadler 1994, 102. 40 Vgl. Stadler 1994, 102. 37
138
5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
IV. Bedeutung der Freiheit in der Ethik für das Recht Im Bereich der Handlungen als konstitutive Voraussetzung für das Recht des Menschen nimmt die Moral ihren Platz ein als eine Macht, mit der der Mensch seine Handlungen beherrsche und ausführe.41 Dabei vollziehen sich die Handlungen des Menschen in dem oben dargestellten Umfang der rechtlichen Freiheit42 innerhalb der Limitation und der Proprietät des Menschen. Freiheit und Proprietät fordern dabei die schuldige Rücksicht auf die determinierte Aktionsfreiheit der gleichen Berechtigung der anderen Personen mit ihren Aktionsfreiheiten.43 Die Eigenheiten der menschlichen Person, wie die Aktionsprinzipien, sind Besitz des Menschen.44 Eine Aneignung der menschlichen Person ist auch möglich hinsichtlich externer Objekte seiner menschlichen Natur: Diese Objekte kann der Mensch sich zum Besitz durch Aneignung nehmen in Ausübung seiner Freiheitsaktuierung.45 Steht diese Freiheitsaktuierung mit den freiheitskonformen Limitationen im Einklang, werde sie zum Recht durch die „geknüpfte Verbindung“46 als „moralisches Band“47 neben natürlichem Trieb und verstandesmäßiger Absicht.48 Der Vollzug der Betätigung der rechtlichen Freiheit, macht das Objekt zum Besitz der menschlichen Person. Der Besitz wird somit zum Recht des Menschen. Die Wirkung der moralischen Relation zwischen Objekt und Mensch zeigt sich an dem Recht des Besitzes durch den Schutz des moralischen Gesetzes, der den Besitz gewährleistet.49 Im Ergebnis gelangt Rosmini damit wieder zum Grundsatz des neminem lae dere.50 Somit zeigt sich, wie Rosmini die Moral für die Existenz des Rechts einordnet: Es ist die Abhängigkeit des Rechtes vom moralischen Gesetz, als einer Instanz, die als Garant für das Recht fungiert, und aus der der Schutz aller Rechte entspringt.
41
Vgl. Rosmini 1967, S. 107; Rosmini 1993a, 235. Vgl. Rosmini 1967, S. 107; Rosmini 1993a, 235. 43 Vgl. Rosmini 1967, S. 107; Rosmini 1993a, 235. 44 Vgl. Werner 1884, 433. 45 Vgl. Werner 1884, 433. 46 Werner 1884, 433. 47 Werner 1884, 433. 48 Vgl. Werner 1884, 433. 49 Vgl. Werner 1884, 433. 50 „Alles Recht“ (Werner 1884, 433) zeigt sich bei Rosmini somit auch in der Einschätzung Werners als auf „Facta, welche die Rechtstitel abgeben“ (Werner 1884, 433) gegründet: „Die angeborenen Rechte des Menschen stützen sich auf Facta der Natur“ (Werner 1884, 433) und „die erworbenen Rechte stützen sich auf Facta des Menschen, der von seinen angeborenen Rechten Gebrauch macht“ (Werner 1884, 433 f.). 42
B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption
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B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption Die Untersuchung der Bedeutung der Person für die Rechtskonzeption und in der Rechtskonzeption Rosminis steht mit der bisherigen Wertung der Literatur unter der Prämisse, dass eben die Person als subsistentes Recht51 eine hervorragende Stellung in der Rechtskonzeption Rosminis erhält, die als die entscheidende Eigentümlichkeit von Rosminis juristischem Denken gewertet wird.52 Damit ist einerseits nun beim allgemeinen Zusammenhang von Recht und Person anzusetzen und dann nach dem konkreten Verständnis von Rosminis These, der Person als subsistentes Recht,53 zu fragen.
I. Zusammenhang Recht und Person Ein erster Einblick in den Zusammenhang von Recht und Person wurde im Rahmen der Darstellung des Personmerkmals im zweiten Rechtselement, der personalen Aktivität, genannt. Der Rechtsbegriff Rosminis nimmt in erster Linie eine Person als Urheber der eigenen Handlungen an.54 Rosmini dient das Beispiel von der Bewegung des Körpers zur Veranschaulichung dieses Zusammenhangs: Die Handlung hängt vom Körper ab. Aber der Körper könne nicht Urheber genannt werden. Er selbst handle nicht, sondern in diesem werde gehandelt.55 Rosmini zielt hier auf den Willen ab, der entscheidend ist, dass die jeweilige Handlung ausgeführt wird. Rosmini sieht die Handlung schließlich nicht vom Subjekt selbst abhängig, sondern von der Natur des Subjekts, die wiederum von einem Urheber des Universums abhänge, ohne jedoch eine weitere Bestimmung dieses Urhebers vorzunehmen. Urheber einer Handlung ist für Rosmini ein Seiendes, das seine Handlungen macht. Existentielle Voraussetzung dafür ist, dass es erstens erkennt und zweitens will. Das sieht Rosmini in der Person gegeben.56 Rosmini sieht in dieser Auffassung selbst eine Besonderheit seiner Konzeption, denn er merkt sogleich an dieser Stelle in der Fußnote die Besonderheit dieser Auffassung an, dass diese Lehre gänzlich verloren gegangen sei. Er wisse außerdem
51
Vgl. Rosmini 1967, 52; Rosmini 1993b, 52. Vgl. Orechhia 1955, 580. 53 Vgl. Rosmini 1967, 52; Rosmini 1993b, 52. 54 Vgl. Rosmini 1967, S. 106; Rosmini 1993a, 234. 55 Vgl. Rosmini 1967, S. 106; Rosmini 1993a, 234. 56 Vgl. Rosmini 1967, S. 107; Rosmini 1993a, 234. 52
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
um die ontologischen Konsequenzen dieser Aussage. Der Satz, dass es keine wahren Ursachen gäbe, wenn sie nicht intelligent seien, sei ausreichend, um die bisher übliche Denkweise über die äußere Natur zu verbessern.57 1. Analyse und Umfang des rechtskonstitutiven Personbegriffs: Intellekt, Wille oder Ratio? Oben dargestelltes Beispiel Rosminis mit der entsprechenden Interpretation des Autors gibt Ausblick auf den eigenen Gehalt des Rechtsbegriffs, wie er durch die Personauffassung konzipiert ist. Aus diesem Grund kommt diese Untersuchung der Rechtskonzeption nicht umhin, sich mit der Bedeutung des Personbegriffs auseinanderzusetzen, soweit dies für Umfang und konzeptionelle Idee des Rechts relevant erscheint. Nachdem die Untersuchung des zweiten Elements des Rechtsbegriffs, das auf die personale Aktivität gegründet ist, am Punkt angelangt war, wo strenge Konturen des Personbegriffs zu verschwimmen drohen durch die klausulierte Öffnung des Personbegriffs im höchsten Prinzip und dadurch eine gewisse Unschärfe festgestellt werden konnte, ist nachzufragen, was den Begriff der Person nun auszeichnet, das so maßgeblich für die Rechtsbestimmung bei Rosmini ist. Wenn Rosmini von Person spricht, spricht er in der Rechtsphilosophie zunächst bei der Klärung der Merkmale der Person vom Intellekt innerhalb der Definition der Person als intelligentes Subjekt.58 Weiter heißt es, wie oben dargestellt, dass Intelligenz Wille im Subjekt sei.59 Die Ausführung Rosminis bedeutet nicht, dass, um von Person sprechen zu können, die Merkmale von Intelligenz und Wille kumulativ nebeneinander gleichrangig vorliegen müssen. Trotzdem kann weder auf Intelligenz noch auf Wille verzichtet werden. Beide müssen vorliegen, werden aber auf unterschiedlichen Erscheinungsebenen gefasst: Der Wille wird als eine Konkretisierung der Intelligenz im Subjekt dargestellt. a) Zwischenergebnis: Intelligenz in Form des Willens Damit muss für den Personbegriff nach Rosmini also Intelligenz in Form des Willens vorliegen.
57
Vgl. Rosmini 1967, S. 107 Fn. 1; Rosmini 1993a, 234 Fn. 150. Vgl. Rosmini 1967, S. 109; Rosmini 1993a, 240. 59 Vgl. Rosmini 1967, S. 109; Rosmini 1993a, 240. 58
B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption
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b) Ratio neben Intelligenz und Wille? Bei den Ausführungen Rosminis zur Person taucht, wie oben dargestellt, neben Intelligenz und Wille auch die Ratio auf. Der Begriff der Ratio erscheint eher nebenbei im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Rechtsfähigkeit von Tieren.60 Nun erscheint sie als eigenständiges Personkennzeichen, das Rosmini so unspektakulär, fast nebenbei, für die Begründung erwähnt, dass entscheidend bei der Diskussion über die Rechtsfähigkeit von Tieren der Besitz der Ratio sei.61 c) Ergebnis: Intelligenz in Form von Wille und Ratio Auf Grund der nur punktuellen Erwähnung der Ratio kann im Rahmen der Rechtsphilosophie Rosminis festgehalten werden, dass jedenfalls Intelligenz in Form des Willens und Ratio vorliegen muss, um zur Rechtsfähigkeit zu gelangen, da Ratio eben eine bedeutende Frage für Rosmini bei der Zuordnung der Rechtsfähigkeit darstellt. Was in der Rechtsphilosophie ungeklärt bleibt, ist damit lediglich die Bestimmung der Ratio im Personbegriff unter dem Rosmini die Ratio behandelt. Insofern läge hier formell betrachtet, wenn auch kein Bruch, so dennoch eine gewisse Inkonsequenz im Aufbau der Begriffsklärung vor, da die Ratio im Rahmen der Bestimmung der Person als Abgrenzungskriterium nachgeschoben wird, ohne die Bedeutung von Ratio darzustellen und auch ohne das Verhältnis zu den Personmerkmalen zu bestimmen. Eine Klärung könnte dagegen in der zeitlichen wie inhaltlichen Klammer vor der Rechtsphilosophie gesucht werden, was möglicherweise bei Rosmini seine Anthropologie darstellen könnte: In Rosminis An thropologie finden sich dann nähere Ausführungen zur Verwendung von Intellekt und Ratio, jedoch nur hinsichtlich einer Abwägung in Bezug auf das menschliche Sein und nicht auf die Person. Trotzdem lässt sich für die Frage der Verwendung von Ratio und Intellekt aus dieser Untersuchung Rosminis ein grundsätzliches terminologisches Verständnis erhellen und damit für eine entsprechende Übertragung auf das Problem von Intellekt und Ratio im Zusammenhang mit der Person verwenden: Rosmini sieht den Intellekt als vorrangig zur Ratio, als ein Prinzip der Ratio:62 Er verteidigt seine Auffassung gegen verschiedene Definitionen des Menschen. Er sieht den Vorteil seiner Konzeption darin, die rationale Qualität im Intellekt als Prinzip zu verankern: zum einen in der Herausstellung, dass nicht die Ratio eine bloße hinzukommende Eigenschaft des Lebewesens Mensch sei, wie dies die Mensch-Definition Platos als Doppelwesen mit den antithetischen Doppelnaturen63 als Gefahr beinhalte.64 Zum anderen verteidigt Rosmini seine K onzeption gegen 60
Vgl. Rosmini 1967, S. 111; Rosmini 1993a, 244. Vgl. Rosmini 1967, S. 111; Rosmini 1993a, 244. 62 Vgl. Rosmini 1981, 29; Rosmini 1991, 29. 63 Vgl. Grave 1980, 1072 f. 64 Vgl. Rosmini 1981, 31; Rosmini 1991, 31. 61
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
die Auszeichnung des Menschen durch weitere Qualifikationen, die er schließlich als im Intellekt verwurzelt sieht und damit den Intellekt als vorrangig betrachtet.65 Auch die eigentliche Argumentation in der Rechtsphilosophie hat hier keinen engen definitionsstrukturellen Zusammenhang mit dem Personbegriff mehr. Der Zusammenhang ist systematischer Art, da Rosmini die Ratio im Abschnitt zur personalen Handlung als Abgrenzungskriterium für die Rechtsfähigkeit des Menschen zu den Tieren hinsichtlich der personalen Handlung als Merkmal für den Rechtsbegriff gebraucht. Insofern nimmt er in der Rechtsphilosophie jedenfalls Bezug auf die Ratio als Personkennzeichen. Auf eine Erklärung, wie sich die Ratio zum Willen oder zur Intelligenz genauer verhält, verzichtet Rosmini jedoch an dieser Stelle. Der Zusammenhang konnte, wie oben gezeigt, auf dem Hintergrund der Anthropo logie in entsprechender Weise als vorrangiges Verhältnis festgestellt werden. Auf der Suche nach einer weiteren Verständnisklärung der Merkmale in den der Rechts philosophie zeitlich vorangestellten Werken Rosminis kommen Intellekt und Ratio in der Anthropologie nur hinsichtlich einer Abwägung in Bezug auf das menschliche Sein und nicht auf den Personbegriff vor, woraus dann dennoch Schlüsse für den Personbegriff vorzufinden sind. Roggero stellt in seiner Untersuchung Person bei Rosmini als „intelligenz- und willensbegabtes“66 menschliches Subjekt dar,67 nimmt aber keine weitere differenzierende Untersuchung für das Zusammenspiel dieser Elemente im Personbegriff vor, sondern konzentriert seine Untersuchung des Personbegriffs auf metaphysische und schöpferische Prinzipien. Ebenso lassen sich in neueren wie auch gegenwärtigen Untersuchungen zur Person bei Rosmini hier in diesem Punkt kaum weiterführende Ansätze finden.68 Auch wenn es an Untersuchungen um den Personbegriff Rosminis insgesamt nicht mangelt, sind sie dennoch in Gefahr i. d. R. bei der Aufzählung von „Sinnlichkeit, Intelligenz und Wille“69 unter dem freien Willen70 stehen zu bleiben. Dennoch lässt sich aus der Untersuchung Rosminis selbst folgende Klärung des terminologischen Verständnisses für den Zusammenhang von Intellekt und Ratio in der Person versuchen: Für Rosmini ist der Intellekt als vorrangig zur Ratio zu betrachten, als ein Prinzip der Ratio:71 Rosmini verteidigt seine Auffassung gegen verschiedene Definitionen des Menschen. Der Vorteil seiner Konzeption liege in der Verankerung der rationalen Qualität im Intellekt als Prinzip. So ist zum einen die 65
Vgl. Rosmini 1981, 30; Rosmini 1991, 30. Roggero 2000, 283. 67 Vgl. Roggero 2000, 283. 68 Die Untersuchung Muscolinos, Person und Staat bei Rosmini und Kant setzt nicht bei einer ersten Untersuchung des Personbegriffs Rosminis an und liefert daher auch keinen weiteren Einblick für eine tiefer gehende Auseinandersetzung, was Person bei Rosmini nun erst einmal ist, sondern konzentriert sich auch hier gleich auf die Kritik Rosminis an Kant und den Vergleich beider, vgl. Muscolino 2007, 386 f. 69 Krienke 2008, 125. 70 Vgl. Krienke 2008, 125. 71 Vgl. Rosmini 1981, 29; Rosmini 1991, 29. 66
B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption
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Ratio nicht bloße hinzukommende Eigenschaft, wie dies antithetischen Doppelnaturen72 als Gefahr beinhalten.73 Zum anderen verteidigt Rosmini seine Konzeption gegen weitere qualifizierende Merkmale des Menschen. Er selbst sieht derartige Merkmale letztlich im Intellekt zugrunde gelegt. Im Ergebnis kann er daher den Intellekt als vorrangig betrachten.74 Rosmini formuliert also selbst den entscheidenden Unterschied zu den ihm vorliegenden Konstruktionen des Menschen und damit auch der Person, so dass schon hier eine Weiterentwicklung des klassischen animal rationale von Rosmini selbst dargelegt ist und nicht erst auf Grund der Einordnung der Person in „ein Gesamt […] von Prinzipien“75 festgestellt werden kann. 2. Personalität als Abgrenzungskriterium des Rechtsträgerschaftskreises Nachdem die Ratio als Abgrenzungskriterium des Rechtsträgerschaftskreises als bedeutendes Element im Personbegriff herausgestellt ist, ist abschließend die Positionierung Rosminis durch das komplexe Rechtselement des Personbegriffs in seiner Bedeutung als Abgrenzungskriterium des Rechtsträgerschaftskreises hinsichtlich der unterschiedlichen rechtsphilosophischen Tendenzen einzuordnen: Der persönliche Charakter einer Handlung erfordere nach Rosmini einen Autor mit Autorität und Herrschaft über eine Handlung selbst, die nicht aus einer physischen oder instinktiven Handlung entnommen werden könne. Dieser Punkt der Persönlichkeit weise schon auf die Insuffizienz, sowohl der sensualistischen als auch der materialistischen Philosophie hin. Diese Theorien beschränken sich auf den subjektiven Aspekt des Rechts und übergehen dabei den formalen Aspekt des Rechts, nämlich die personale Handlung.76 In diesem Zusammenhang betrachtet Rosmini das Problem der Rechte von Tieren aus einer ganz anderen Perspektive als aus derjenigen, von der gegenwärtig ausgegangen wird, wenn aktuelle Diskurse über die Rechte der Umwelt die Rechtsträgerschaft derselben als Ziel begreifen und geltende Normierungen dahin weiterzuentwickeln seien. Dagegen behandelt Rosmini das Thema in Abkehr zu einer frühen römischen Tradition. Er bezieht sich auf die römische Rechtslage, die für Tiere ein Recht von Natur aus stabilisierten. Dies bezeichnet er als Fehler für Jahrhunderte. Tiere seien nicht des Rechts fähig. Autoren, die die Tiere des Rechtes fähig halten, sehen darin das erste Element, der Subjektivität, in den Tieren gegeben. Aber sie sehen das zweite Element der personalen Handlung nicht klar genug. 72
Vgl. Grave 1980, 1072 f. Vgl. Rosmini 1981, 31; Rosmini 1991, 31. 74 Vgl. Rosmini 1981, 30; Rosmini 1991, 30. 75 Kienke 2008, 124. 76 Vgl. Gonella 1934, 59. 73
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
Im Ergebnis lassen diese das Recht also in den Tieren selbst zu und verneinen eine Persönlichkeit bei den Sklaven. Rosmini sieht hier die Werte des Christentums entgegenstehend, das allen Menschen das Personsein zuspricht. Aus Rosminis Sicht sind dies allgemein anerkannte Fehler des Römischen Rechts,77 was auch aus heutiger Sicht ebenso für den Bereich der Rechte aller Menschen unstreitig bewertet wird. Als Beweis für die Irrtumsüberwindung führt Rosmini die Rechtslage, gemäß dem Österreichischen Codex,78 an. Hiernach habe jeder Mensch angeborene Rechte, die man durch die bloße Vernunft erkenne. Geschichtlich sieht Rosmini diese praktische Umsetzung schon in den Institutionen des Justinian gegeben, wo begonnen werde, auch Sklaven den Namen der Person zu geben79 und bei Sklaven unverlierbare Rechte80 anzuerkennen.81 a) Abgrenzung zum Sensualismus in Rosminis Personalitätsauffassung Schließt man das personale Element aus, kommt man zu einem intellektualistischen und voluntaristischen Charakter des Rechts oder man kommt bis zum Ergebnis sensualistischer Auffassungen, die auch den Tieren einen voluntas constans et perpetua zugestehen und die Stabilität der Gerechtigkeit in allgemeiner Gleichheit zu finden wissen.82 Die tatsächliche Herrschaft, die allgemein Lebewesen in ihrem Handeln haben, wurde dabei vermischt mit der Herrschaft des Rechts, die Bewusstsein und Willensherrschaft über die Handlungen voraussetzt, was der menschlichen Natur ausschließlich vorbehalten sei. Rosmini richtet sich hier explizit83 gegen den Sensualismus,84 dabei stützt er sich auf drei Eckpunkte: Hauptpfeiler ist für Rosmini die Postulation des personalen Elements. Dieses wiederum ruht auf den Stützen von Intellekt und Wille. Mit dem Aufbau des Personalitätskriteriums auf Intellekt und Wille schließt Rosmini einen Aufbau seines Rechtsbegriffs von jeglicher Sinnes 77
Zu den Entwicklungsabschnitten des Römischen Rechts vgl. Meder 2002, 73, 69. Es muss sich auf Grund der zeitlichen Umstände, da die Rechtsphilosophie Rosminis 1841/42 veröffentlicht wurde, um das Österreichische ABGB von 1811 handeln. Es liegt hier für Rosmini nahe dieses, mit seinem Gedankengut aus Frühliberalismus und Naturrecht, zu erwähnen, das damit gerade ein Gegenstück zum Preußischen Allgemeinen Landrecht darstellt, vgl. Meder, 229. 79 Soweit zutreffend, vgl. Corpus Iuris Civilis, Inst. I, 8, prc; Inst. III, 28, prc. 80 Soweit zutreffend, vgl. Corpus Iuris Civilis, Inst. I, 8, 2. 81 Vgl. Rosmini 1967, S. 110 Fn. 1; Rosmini 1993a, 242 Appendix 1 i. V. m. S. 195 f. 82 Vgl. Rosmini 1967, S. 110; Rosmini 1993a, 242. 83 Vgl. Rosmini 1967, S. 110; Rosmini 1993a, 242. 84 Ausschlaggebend für Rosminis Stellungnahme war wohl der erstarkte Einfluss des erkenntnistheoretischen Standpunktes des Sensualismus’ in Italien im letzten Viertel des 18. und im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts durch Condillac, vgl. Vorländer 1966, § 79; Credaro 1953, § 1. Der Sensualismus fand dann durch Romagnosi und Gioja Anwendung in der Rechtswissenschaft, vgl. Credaro 1953, § 1. Nach der condillacschen Ausprägung, der Rosmini unmittelbar gegenüberstand, werden alle psychischen Vorgänge für umgebildete Sinnesempfindungen angesehen. Condillac versucht nachzuweisen, dass den Sinnen alle Erkenntnis zu verdanken sei, vgl. Vollmer 1995, 615. 78
B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption
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erfahrung aus. Es geht ihm darum, die Sonderstellung des Menschen zur Umwelt festzuschreiben, indem er das Personalitätskriterium als Prüfstein gegen die Einebnung der Unterschiede des Rechtes hinsichtlich Mensch und Tier einsetzt. Ein Ausschlussverfahren von Rechtsträgerschaft bei Rosmini könnte damit folgendermaßen zusammengefasst werden: Wo kein Wille und Intellekt vorhanden ist, ist keine Personalität gegeben und wo keine Personalität bejaht werden kann, gibt es keine Rechtsträger. b) Abgrenzung zum Voluntarismus in Rosminis Personalitätsauffassung Erweist sich so das personale Rechtselement als Abgrenzungskriterium gegen den Sensualismus, dient es zugleich, um Rosminis Position zum Voluntarismus zu kennzeichnen. Im Gegensatz zum Sensualismus unterlässt Rosmini eine explizite Verurteilung des Voluntarismus‘, gegen den sich dennoch inhaltlich seine Ausführungen zum Rechtsbegriff richten, wenn er für die Rechtsträgerschaft die Personalitätsvoraussetzung unter der zweifachen Bedingung des Vorhandenseins von Wille und Intellekt fordert, ohne ein Rangverhältnis von beiden innerhalb seiner Rechts philosophie zu postulieren. Indem Wille und Intellekt auf einer Stufe nebeneinander genannt werden, ist hier abzuleiten, dass Rosmini sich gegen Voluntarismus und Intellektualismus, die jeweils von einem entgegengesetzten Vorrangverhältnis von Wille und Intellekt ausgehen,85 wendet. Rosmini lässt sich hier in der Rechtsphilo sophie auch nicht weiter auf die gespaltene Bedeutung des Wesens von Wille, in das schopenhauersche Wollen als ein „dunkles, triebartiges, unbewusstes Vorgehen“86 von der Erkenntnis getrennt und derselben nachrangig,87 oder andererseits in das Wollen, als ein „tätiges, zweckvoll vordringendes, schöpferisches Wirken“88, nach den Auffassungen in der Richtung von Kants Lehre vom Vorrang praktischer Vernunft, als „Vermögen nach Prinzipien zu handeln“89 oder auf den absoluten Wert des guten Willens mit der konsequenten Entfaltung bei Fichte90, ein. Eine Präzisierung seines Willensbegriffs als zusammengehörige Einheit mit der Ratio liegt im Sinn vor, ähnlich, wie sie dann aber in unterschiedlicher Entfaltung bei Kant, Fichte und Hegel im Gegensatz zu der Entwicklung der Aufhebung der Einheit von Vernunft und Wille bei Schelling bis Nietzsche, gegeben ist,91 ohne dass Rosmini aber expliziten Bezug nimmt. Die Darstellung Rosminis lässt jedenfalls die Betonung beider Elemente in ihrer funktionalen Zusammengehörigkeit erkennen mit dem Ziel der Beherrschbarkeit der Handlung.
85
Vgl. Knebel 2001, 1143. Michaelis 1907, 685. 87 Vgl. Hühn 2004, 785. 88 Michaelis 1907, 685. 89 Ramelow 2004, 779 mit weiteren Verweisen. 90 Vgl. Hühn 2004, 784. 91 Vgl. Hühn 2004, 783 f. 86
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
3. Spannung der Problematik des Personalitätskriteriums Rosminis Das Personalitätskriterium zur Bestimmung des Rechts ist bis in die Gegenwart in verschiedener Hinsicht von größter Aktualität geblieben, da sich das Personalitätskriterium einerseits als solches bei der Bestimmung des Umfangs des Rechtsträgerkreises als erheblich bedeutsam erweisen sollte und andererseits, weil Voraussetzungen des rosminischen Personalitätskriteriums – in differenzierten Untersuchungsfortgängen – den Entwicklungen zu den Willensauffassungen zwischen höchster Komplexität und neurobiologisch-deterministischer Reduktion gegenüberstehen. Rosminis Personalitätskriterium als Rechtselement steht inhaltlich in diesem Spannungsfeld, da Rosmini gerade Elemente für den Person- und damit Rechtsbegriff einbezieht, die zentrale Probleme betreffen, die Themen weiterer Entwicklungen nach ihm darstellen.92 Ohne die umfangreiche Geschichte des Personbegriffs für eine Einordnung von Rosminis Personbegriff voranzustellen, da hierfür ein breit erforschtes Spektrum von Publikationen zur Verfügung steht und hier exemplarisch auf die Geschichte der Person, wie etwa bei Sturma93 oder die Definitionszusammenstellung bei Leder,94 verwiesen werden kann, so soll doch der Fokus dieser Untersuchung an ausgewählten Eckpunkten von Ansätzen, denen Rosmini zeitlich nachfolgte, kurz passieren, um so an das Vor- und Umfeld der Auffassung Rosminis zu erinnern.95 War geschichtlich im Rückblick zunächst schon in der germanisch-deutschen Tradition die Personalität in rechtlicher Hinsicht anerkannt,96 wie bei Strafprozessen gegen Tiere,97 so verengte sich der römische Rechtsbegriff, Person, mit der ungefähren Bedeutung, Mensch,98 erst mit der Festlegung durch den Aquinaten.99 Mit dem Einsatz des neuzeitlichen Denkens Descartes‘ spielt der Personbegriff noch eine Randrolle,100 wenngleich sein Denken für die weitere Entwicklung des Personbegriffs ein bedeutendes Fundament mit dem Cogito ergo sum darstellen sollte. Eine größere Bedeutung erlangt der Personbegriff dann mit der Persondefinition bei Hobbes,101 mit den differenzierten Definitionen von natürlichen und künstli-
92
Vgl. Siep 1993, 40 f. Vgl. Sturma 1997, 44–57. 94 Vgl. Leder 1999, 34 ff. 95 Die Vorgehensweise konzentriert sich an diese Stelle der Untersuchung auf eine Kurzskizzierung des Personelements des Rechtsbegriffs unter Zurückstellung des konzeptionell vergleichenden und analysierenden Diskurses, da dieser Diskurs nicht auf das Personelement beschränkt geführt werden soll, sondern umfassend die Rechtselemente Rosminis einzubeziehen hat. 96 Vgl. Schild 1989, 322. 97 Vgl. Schild 1989, 322. 98 Vgl. Schild 1989, 322. 99 Vgl. Schild 1989, 322. 100 Scherer 1989, 300. 101 „Persona est cui verba et actiones hominum attribuntur“ (Hobbes 1670, I, 16). 93
B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption
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chen Personen,102 während bei Leibniz die Formulierung des Personbegriffs dann auf den Begriff der Apperzeption des reflektierten Bewusstseins gründet.103 Bei Locke wird der Personbegriff dann zum Produkt eines subjektiven Prozesses. Der Personbegriff hängt schließlich am Bewusstsein: „For whatever Substance there is, however framed, without consciousness there is no Person.“104 Eben diese Entwicklung des Personbegriffs findet sich bei Kant nicht. Hier zeichnet die Natur die Person aus. Person ist ein Zweck an sich selbst und kein Freiheitsprodukt.105 Viele der Theorien, die Rosmini zeitlich vorausliegen, zeichnen sich durch die Begrenzung des Personbegriffs auf den Menschen aus und legen die angedeuteten unterschiedlichen Begründungsansätze für das die Person bestimmende Merkmal im Menschen dar. Der grundsätzliche Aufbruch der Konzentration des Personbegriffs auf den Menschen hat sich dann besonders anschaulich in Theorien der ökologischen Ethik vollzogen. So hat der Personbegriff hier eine wesentliche Erweiterung erhalten und dementsprechend sind Rückwirkungen auf den Rechtsbegriff durch ein erheblich weiter gefasstes Verständnis von Recht zu verzeichnen. Das Ergebnis der biozentrischen, pathozentrischen und holistischen Ansätze der ökologischen Ethik, die die Ausweitung des Rechtsbegriffs durch Aufbrechung des Personbegriffs und des Personkriteriums als solches überhaupt erreichen, stellt eine Weiterentwicklung der Problematik dar, die bereits Rosmini in anderer Form aus dem ihm unmittelbar vorausgehenden Jahrhundert bereits vorlag und damit eine nicht allzu weit entfernte Theorienquelle für Rosmini darstellte. Denn das Ergebnis der Ausweitung des Rechtsträgerkreises durch die Ausweitung des Personbegriffs begegnet nicht nur, wie gezeigt, in Theorien der frühen römischen Tradition und in der ökologischen Ethik der Gegenwart, sondern auch in der Konstruktion der Tierrechte und der Theorie einer wesentlichen Gleichheit aller Geschöpfe im Europa des 18. Jahrhunderts.106 Andererseits geraten die Voraussetzungen des rosminischen Personbegriffs, wie der Wille und die Beherrschbarkeit der Handlung in Verbindung mit der Freiheit, in von Rosminis Position abstrahierter Form, unter die Analysen u. a. von deterministischen Auffassungen. Die daraus entstandenen Ergebnisse stellen dann wiederum ggf. Rückfragen an den rosminischen Rechtsbegriff dar.
102 Natürliche Person ist, der ihre eigenen Handlungen zugeschrieben werden. Künstliche Person dagegen ist, der die Handlungen eines anderen zugeschrieben werden, vgl. Hobbes 1658, 15; Hobbes 2007, I, 16. 103 Vgl. Leibniz 1978, 299. 104 Locke 1975, II, 27, § 23. 105 Vgl. Kant IV, 428. 106 Vgl. Wimmer, 174.
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
a) Die anthropozentrische Argumentation Rosminis Demgegenüber steht der anthropozentrische Argumentationsansatz Rosminis, der den Menschen exklusiv als Rechtsträger postuliert,107 wie es sich im zweiten Element108 des Rechtsbegriffs manifestiert. Der Rechtsbegriffsauffassung Rosminis liegt eine genuin anthropozentrische Überzeugung zugrunde. Aber es stellt sich unabhängig von der Bewertung des anthropozentrischen Ansatzes nun die Frage, wie haltbar die Argumentation Rosminis wenigstens innerhalb der Prämissen seines Ansatzes wirklich ist. Hat er damit das Problem der Rechtsdefinition hinsichtlich Mensch und Umwelt soweit gelöst, dass sein Ziel erreicht ist, die menschliche Person als exklusiven Rechtsträger auszuzeichnen? Problem der Rechtspostulation: Rosmini hat im Problem der Rechtspostulation für Mensch und Tier das Wort Person eingefügt. Im 20. Jahrhundert wurde der Fortschritt Rosminis in seiner Bearbeitung des Zusammenhangs von Recht und Person gewürdigt.109 Die Problematik seines Personbegriffes wird jedoch im Vergleich mit den Entwicklungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts besonders deutlich. Differenzierung Rechtsträger und Nicht-Rechtsträger: Bei Rosmini sollte zunächst durch das Merkmal der Person eine hinreichende Differenzierung getroffen werden zwischen Rechtsträgern und Nicht-Rechtsträgern. Keine theologische Argumentation: Eine theologische Argumentation, die etwa die Rechtsträgerschaft aus der Schöpfungsordnung begründet, was möglicherweise von Rosmini gerade auch als Theologen hätte vermutet werden können, ist an dieser Stelle nicht vorhanden. Eine anthropologische Argumentation: Dagegen verläuft die Begründung Rosminis anderweitig: Als Rechtsträger kommen für Rosmini ausschließlich Personen in Betracht. Das Personsein wiederum findet er im Menschen gegeben. Begründung hierzu ist für ihn, dass beim Menschen, anders als in der Tierwelt, Wille und Vernunft vorzufinden sind, weshalb nur der Mensch Person sei im Gegensatz zu den Tieren. Im Ergebnis knüpft Rosmini die Rechtträgerschaft über die Person an die beiden Voraussetzungen von Wille und Vernunft. Damit greift Rosmini im Ergebnis aber in analoger Weise auf das Argumentationsmuster der Stoa zurück, die den Tieren jegliche Vernunft abspricht, um den „Unterschied zwischen Mensch und Tier möglichst groß zu machen“110. Diese grobe Differenzierung vollzieht sich bei Rosmini 107
Vgl. Rosmini 1967, S. 111; Rosmini 1993a, 245. Vgl. Rosmini 1967, S. 109; Rosmini 1993a, 240. 109 Vgl. Battaglia 1980, 43; Capograssi 1940, 220. Orecchia 1955, 582. 110 Hügli 1980, 1068. 108
B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption
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hinsichtlich des Personbegriffs, ohne weiter die Nuancen der Vernunft ggf. auch bei Tieren zu hinterfragen bzw. zu untersuchen, um so ggf. auf einen weiter ausdifferenzierten Vernunftbegriff und über diesen dann über einen präzisierten Personbegriff und damit auch ein argumentativ abgesichertes zweites Rechtselement zu einer stabileren Fassung seiner Rechtsdefinition gelangen zu können. b) Ergebnis Eine derartig verkürzte anthropologische Argumentation zur Begründung des Rechtsträgerkreises ist auffallend für die Konstruktion der Voraussetzungen des Rechtsbegriffs. Auch eine explizite theologische Begründung stellt Rosmini hier nicht nur überhaupt nicht her, sondern erwähnt diese Möglichkeit erst nicht in seiner Rechtsphilosophie. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass Rosmini eine theologische Begründung nicht liefern konnte oder aber auch wollte, hierfür sind in diesem konkreten Zusammenhang keine expliziten Nachweise anzutreffen. Aber auch gerade das gänzliche Schweigen hinsichtlich einer explizit abendländisch-christlich-theologischen Begründung könnte dafür sprechen, dass eben eine solche auch nicht widerlegt werden sollte und damit einer grundsätzlichen Kompatibilität für eine theologisch-metaphysische Begründung nichts im Wege steht.111 Im Ergebnis bleibt zunächst lediglich festzuhalten, dass eine theologische Begründung von Rosmini zur Rechtsbegriffskonstruktion an dieser Stelle nicht gegeben ist, wobei auf dem theologischen Hintergrund Rosminis seine Kenntnis dieser Argumentationsmöglichkeit hierüber nicht in Frage gestellt werden kann. Damit lässt sich festhalten, dass Rosmini eine solche theologische Verbindung in seiner Argumentation zu dieser Voraussetzung des Rechtsbegriffs jedenfalls ausgeklammert hat und in seiner Argumentation auf eine nähere, sowohl differenzierte Darstellung des Vernunftbegriffs als solches, als auch ohne eine Untersuchung zum Vorliegen jeglicher Form von Ratio bei Tieren, dieselbe verneinte mit der Konsequenz auch die Beherrschbarkeit der Handlung von Tieren zu verneinen und damit im Ergebnis die Ablehnung der Rechtsträgerschaft bei Tieren der Gefahr des Vorwurfs von Argumentationslücken zugunsten seines rein anthropologisch-traditionellen Ansatzes aussetzte. 111 Damit stehen Meinungen der Literatur nicht im Gegensatz, die im weiteren Zusammenhang des personalen Elements eine metaphysische Fundierung geltend machen, vgl. Dossi 2003, 250. Dies geschieht dort in anderem Zusammenhang, zur Begründung der Würde der Person. Auf den theologischen Zusammenhang den Rosmini dort im Kontext von der Religion als Ursprung für Moral und Humanität herstellt, ist hier im Rahmen seiner Darstellung für das Rechtselement noch kein expliziter theologisch-metaphysischer Zusammenhang von Rosmini gegeben. Die Hinweise auf den theologischen Begründungszusammenhang beziehen sich hier nicht auf eine explizite notwendige Abhängigkeitskonstruktion des personalen Rechtselements, sondern wollen hier zunächst lediglich die Sonderstellung der personalen Würde aufzeigen, vgl. Dossi 2003, 250, weisen aber auf entsprechende Kompatibilität für die Konstruktion des personalen Rechtselements hin.
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
c) Inhaltliche Anknüpfung der anthropologischen Argumentation Rosminis an Kant Bei dieser Unterscheidung Rosminis zu Person und Nicht-Person liegt ihm ein Unterscheidungskriterium zwischen Person und Sachen u. a. auch in Kants Meta physik der Sitten bereits vor.112 Danach ist Person dasjenige Subjekt, „dessen Handlungen einer Zurechnung fähig sind“113. Wie in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten gezeigt, ist für Kant die Auszeichnung der Person konstitutiv durch die Natur gegeben.114 Die Person ist Zweck an sich selbst, die Sachen dagegen sind bloße Mittel, deren Existenz ebenso naturgegeben sind und sich zu den Menschen in dem Nichtbesitz der Vernunft unterscheiden.115 Kant sieht in seiner Anthropologie in pragmatischer Hinsicht dann das Zusammenwirken von Vernunft und Wollen, indem der Wille an die von der eigenen Vernunft unabänderlich vorgeschriebenen praktischen Prinzipien gebunden sei. Diese Bindung des Willens, an die von der Vernunft vorgegeben Prinzipien, stelle die Grundlage des Charakters der Person dar.116 Was ist aber nun für Kant dieser Wille? Der Wille ist ein objektives Prinzip, das nur von einem Zweck an sich selbst begründet werden könne und dieser Zweck an sich selbst ist wiederum die Person.117 d) Ergebnis: Kants Entwurf Damit zeigt sich, dass Rosmini bei seiner Bestimmung der Person unter der Verwendung der Kombination der Merkmale von Wille und Verstand weder eine völlig neue Entwicklung erarbeiten musste noch gezwungen war, verschiedene Entwicklungen, wie etwa die von Boethius118, Thomas119 oder Locke120 über die 112
Zur weiteren Abgrenzung, da bei Kant soweit unproblematisch, kann hier auf die kurze Darstellung bei Matthias Leder verwiesen werden, vgl. Leder 1999, 37. 113 Kant AA VI, 223. 114 Kant AA IV, 428. 115 Kant AA IV, 428. 116 Kant AA VII, 292. 117 Kant AA IV, 429. 118 Für die Anknüpfung der Personbestimmung an das Vernunftmerkmal drängt sich grundsätzlich die einflussreiche Definition der Person als „naturae rationabilis individua substantia“ (Boethius 1988, 80) auf. Diesen Personbegriff grenzt Boethius selbst ein mit den Beispielen, dass als Person weder von unbelebten noch von empfindungslosen, noch von vernunftlosen Substanzen gesprochen werden könne, vgl. Boethius 1988, 80. Im Ergebnis ist im Blick auf Rosminis Personbegriff somit die Vernunft als Merkmal für den Personbegriff mit der Voraussetzung einer vernunftbegabten Substanz bereits schon bei Boethius gegeben und Rosminis Auffassung soweit ganz in der philosophisch-anthropologischen Tradition verankert. 119 Der Gedanke der Vernunftbegabung liegt für Rosmini bereits auch exemplarisch u. a. bei Thomas von Aquin vor, für den jedes vernunftbegabte Individuum Person ist: „omne individuum rationalis naturae dicitur persona“ (Thomas STh I, 24,2). 120 Die Vernunft als wesentliche Bedeutung für die Person greift dann John Locke – neben anderen Merkmalen – auch wieder auf. Für ihn ist die Person ein „vernünftiges besonnenes selbstbewusstes Wesen“ (Locke 1975, II, 27, § 9).
B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption
151
Vernunft und die von Hobbes121 hinsichtlich des Willens zusammenzuführen, da im Entwurf Kants die Verbindung von Wille und Vernunft bereits als für die Person grundlegend für Rosmini zur Verfügung stand. e) Abgrenzung zu Kant Zwar nimmt Rosmini den Ansatz von Kant insoweit auf, indem er auf die Voraussetzungen von Wille und Vernunft in Kombination zurückgreift und so eigentlich noch nichts Neues hervorbringt, jedoch ist das Rahmenverständnis, in dem hier nun bei Rosmini Wille und Vernunft erscheinen, neu: Wille und Vernunft werden zu den zentralen Voraussetzungen der Person als Rechtsträger und sind nicht neben der für Kant bedeutenden Zweck-Mittel-Unterscheidung für die Bestimmung des Personbegriffes vorgeordnete Eigenschaften, die erfüllt sein müssen, um dann zur wesentlichen Eigenschaft des Personseins erst zu kommen, indem man danach fragt, ob das jeweilige vernünftige Wesen denn auch nach ihrer Natur nach als Zweck und nicht bloß als Mittel gebraucht werden dürfe.122 Der Schwerpunkt der Rechtsträgerbestimmung ist so bei Rosmini eine andere. Für Kant entscheidet im Umkehrschluss die Zweckbeurteilung des Individuums über die Personeigenschaft, wobei Wille und Vernunft hinzukommen müssen. Bei Rosmini dagegen entscheidet schon allein, ohne nähere Zweckdifferenzierung, das Vorliegen von Wille und Vernunft darüber, ob eine qualifizierte Handlung möglich ist, wer eine solche Handlung wenigstens potenziell auszuführen vermag, erkennt Rosmini als Person. Damit stellt Personalität ein Qualifikationskriterium der Handlung dar, in dem Sinn, dass die Handlung der Beherrschbarkeit im Rahmen von Willen und Vernunft unterliegt und die Personalität damit einerseits einen entscheidenden Wesensvollzug des Seins selbst und andererseits ein Merkmal des Rechts bedeutet.
121 In der Entwicklung des Personbegriffs als Grundbegriff für die Rechtsphilosophie kommt die Anknüpfung des Personbegriffs an die Wirksamkeit eines Willens bei Hobbes zur Sprache: Wie oben gezeigt ist für Hobbes Person, wem Worte und Handlungen von Menschen zugeschrieben werden können, vgl. Hobbes 1658, 15; Hobbes 2007, I, 16. Am Beispiel der persona fictita legt er deren Legitimation als Person dar, indem er am Beispiel des Staates nachweist, dass der künstlichen Person, wie dem Staat, ein Wille und zwar hier der Wille aller Untertanen, zugeschrieben werden könne, vgl. Hobbes 1669, V, 9; Hobbes 1670, I, 16 f. So knüpft schon Hobbes an das Vorhandensein des Willens als Konstitutivum für das Personsein und damit für eine Rechtsträgerschaft an. Damit ist eine Verbindung des Anknüpfungspunktes der Rechts trägerschaft an den Willen im Vorfeld Rosminis herausgestellt. 122 Vgl. Kant AA IV, 429.
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
f) Diskursfähigkeit hinsichtlich biozentrischer und holistischer Ansätze Die Argumentation Rosminis verweist nicht nur auf die damalige, sondern auch auf die gegenwärtige Aktualität der rosminischen Rechts- und Personkonstruktion hin, da Rosminis Aussagen zur Rechtsträger- und Personauffassung nur ein Jahrhundert später zum Einfallstor werden für die biozentrischen123 und holistischen bzw. physiozentrischen Ansätze der ökologischen Ethik, unter denen dann vor allem die holistischen Ansätze124 die Eigenrechte der Natur anerkennen und sogar auch Vertreter des anthropozentrischen Ansatzes125 entsprechende praktisch-politische Umsetzungen in den Rechtssystemen postulieren.126 Die Tatsache, dass Rosmini nicht innerhalb der rechtsphilosophischen Argumentation nachweist, was das Entscheidende an Wille und Verstand hinsichtlich der Rechtspostulation unter dem Begriff der Personalität als Konstitutivum für Rechtsträgerschaft ist und warum sich daraus zwingend ergeben sollte, dass die Person eine exklusive Rechtsträgereigenschaft innehabe, scheint seine Argumentation zu schwächen. Der Personalitätsbegriff könnte, soweit interpretationsanfällig, auf die Umwelt ausgeweitet werden, sofern nur Wille und Verstand wieder entsprechend weit gefasst werden würden.127
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Schweizer behandelt in radikalisierter Weise, im Gegensatz zu Ricken, als Vertreter des gemäßigten biozentrischen Ansatzes, alle Lebewesen unterschiedslos gleich unter Gleichstellung von ethischem und technischem Fortschritt, vgl. Schweizer 1974, 154. 124 Die Natur, als Rechtssubjekt, wäre hiernach Trägerin von konkreten Einzelrechten, die dann auch einklagbar wären. Hier gibt es eine Erweiterung, wie sie Rosmini nicht kannte. Auch die Pflanzen sind hier auf Grund der allgemeinen Beseeltheit der Welt mit einbezogen als Rechtssubjekte, vgl. Meyer-Abich 1984, 187. 125 Rechtsfähigkeit sei gemäß den Vertretern der Eigenrechtstheorie nur eine geschichtlich gewachsene Größe, die historisch vom Gesetzgeber den Menschen zugeordnet worden ist oder auch bestimmten Gruppen vorenthalten wurde. Die Zuteilung der Rechtssubjektivität – auch an nicht menschliches Leben – scheint möglich, vgl. Leimbacher 1988, 61. Als Legitimationsbeispiel wird die juristische Person angeführt, die weder menschlich noch vernunftbegabt und doch Rechtssubjekt ist, also genau in der Argumentation gleich wie Hobbes, aber im Ergebnis ein hierzu genau konträrer Schluß. Von hier aus wird die Ausweitung versucht. Grundlage sei die Ergänzung der Grundrechte um ein Existenzgrundrecht der Natur, dem dann nähere Konkretisierungen in Ansprüchen der Natur folgen sollten, vgl. Leimbacher 1988, 199. 126 Im juristischen Bereich wurden die Forderungen nach Eigenrechten der Natur von Ston im angloamerikanischen Raum erhoben und sie finden sich auch im deutschsprachigen Raum bei Leimbacher und Bosselmann wieder. 127 Weiter stellt sich in diesem Zusammenhang erneut die Frage nach den Argumenten, warum die Personeigenschaft überhaupt zum Anknüpfungspunkt für die Rechtsträgerschaft herangezogen wird. Rosmini stellt schon bei der Abhandlung über die Notwendigkeit der Personeigenschaft den Schluss auf, dass ein blinder Instinkt nicht ausreiche, um Recht zu konstituieren, vgl. Rosmini 1967, S. 109; Rosmini 1993a, 240. Rosminis Begründung lautet, wie oben gezeigt, dass eine physische Aktion, wie sie in den materiellen Wesen vorzufinden sei, nicht ausreiche, damit Recht existiere. Die Handlung muss nämlich bestimmt sein durch die Norm der Intelligenz. Um Urheber der Handlung zu sein, müsse man auch Herr der Handlung sein, vgl. Rosmini 1967, S. 111; Rosmini 1993a, 245.
B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption
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g) Ergebnis Im Ergebnis ist auch unter Berücksichtigung gewisser Schwachstellen in der Argumentation Rosminis festzuhalten, dass der Begriff des Rechts hier nicht mehr ohne den grundsätzlichen Bezug mit der Faktizität der Person als Handelnde im Sinn einer zur Handlung befugten auskommt. Recht wird zum Rahmen für die Handlungen, die innerhalb der Handlungsbefugnis vollzogen werden können, indem diese Handlungen die Qualifikation der Kontrollierbarkeit im Sinn der Beherrschbarkeit eine Ebene erreichen, die die Voraussetzungen von Wille und Vernunft fordern und in dieser Kombination exklusiv in den Handlungen der Person vorgefunden werden. Damit ist auch die unübersehbare Kluft zum Ansatz der späteren ökologischen Ethik klar herausgestellt. Die Rechtspostulation führt Rosmini auf den Rechtsbegriff selbst zurück. Die qualitative Handlung, beherrscht durch Wille und Intelligenz, ist das eigentlich Entscheidende für Recht und die Bestimmung über den Rechtsträger. Das eigentlich Originäre an der Konzeption Rosminis ist, dass er hier Rechtsträgereigenschaft und Person in der Handlung verbindet. 4. Konsequenz für die Bedeutung des Personbegriffs für die Rechtsphilosophie Rosminis Unter dieser Argumentation erscheint auch die Bedeutung des Personbegriffs neu. Er ist lediglich Hilfskonstruktion im Rechtsbegriff, um die hohe Qualifikation der einzelnen Handlung einzustufen, die nötig ist, um für die Handlung des jeweiligen Autors die Eigenschaft als Rechtssubjekt behaupten zu können. Rosmini
Das Personalitätskriterium soll eine Qualifikation der Handlungsbefugnis durch Wille und Intelligenz, wie gezeigt, darstellen und dabei erweist sich wiederum die Stärke der rosminischen Argumentation. Da für den Rechtsbegriff die Handlung zentral ist, stellt er an die Handlung bestimmte Anforderungen. Sie muss beherrschbar sein durch den Willen und die Intelligenz. Dies ist die Verbindung des Personalitätskriteriums mit dem Rechtsbegriff. Das Personalitätskriterium ist Qualifikation der Handlung des jeweiligen Subjektes dessen Rechtsträgerfähigkeit bestimmt wird. Ein instinktiver Antrieb stellt keine ausreichende Handlung dar, wie sie in der Definition zu subsumieren wäre. Überprüft man nun, ob ein Tier, eine Pflanze oder etwa ein Stein Rechtsträgereigenschaft besitzen, ist dies an der rosminischen Rechtsdefinition zu messen, ob Recht gegeben ist. Das erste Merkmal der Definition ist die Handlungsbefugnis. Bei der Überprüfung, ob diese gegeben ist, endet die Prüfung beim Merkmal der Handlung. Die Handlung liegt bei Beherrschbarkeit derselben durch Intelligenz und Wille vor und eben nicht durch einen instinktiven Antrieb, vgl. Rosmini 1967, S. 109; Rosmini 1993a, 242. So wird nach Rosmini die Rechtsträgerschaft exklusiv dem Menschen zugeschrieben. Umwelt kann damit auf Grund der mangelnden Qualifikation der Handlungen der Umwelt, soweit überhaupt Handlungen gegeben sind, nicht eine eigene Rechtsträgereigenschaft postulieren.
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
bejaht die Urheberschaft für eine Handlung bei der von ihm geforderten Determinierbarkeit der Handlung durch Intelligenz und Wille.128 a) Bedeutung des Willens Definiert Rosmini Intelligenz und Wille nicht näher, hat er doch den entscheidenden Zusammenhang zwischen Willen und Intelligenz in der Person dargelegt und somit dennoch den Willen deutlich charakterisiert: „Der Wille allein hat die Fähigkeit die Handlungen laut der Intelligenz zu determinieren.“129 Damit ist die Qualifikation des Willens nun deutlich herausgestellt. Es ist nicht ein von der Intelligenz abgekoppeltes oder dieser gar entgegenstehendes Merkmal damit gemeint, also nicht ein dunkles triebartiges, unbewusstes Vorgehen, wie bei Schopenhauer. Rosmini sieht Wille im Zusammenspiel mit der Intelligenz. Der Wille ist der eigentliche Determinator der Aktionen und seine Entscheidungen kann er mit Rückkopplung an die Intelligenz treffen. b) Bedeutung der freien Handlung Schließlich merkt Rosmini an, dass die personale Handlung frei sein müsse, um ein konstitutives Element des Rechts darzustellen.130 Für Rosmini reicht es, dass die Handlungen „ihrer Natur nach“131 von der Herrschaft des Menschen abhängen.132 Wird eine Handlung dem freien Vermögen entzogen, bleibt die Eigentümlichkeit des Seins nicht zurück. Der Mensch ist in seinem Handeln gebunden, übt aber seine Vermögen trotzdem aus. Andererseits, kommt es zu einer spontanen Handlung in einem Menschen, der frei in seinem Handeln ist, so hängt die Handlung von seiner Natur ab und ist ihm eigentümlich. Mit dem Vergleich der unterschiedlichen Motivationen der beschriebenen Handlungen will Rosmini zeigen, dass die personale Handlung nicht in erster Linie von der Indifferenz der Freiheit abhängt, sondern von der Persönlichkeit, aus der sie hervorgeht.133
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Vgl. Rosmini 1967, S. 109; Rosmini 1993a, 241. Übers. d. Verf.; Rosmini 1967, S. 109; Rosmini 1993a, 241. 130 Vgl. Rosmini 1967, S. 111; Rosmini 1993a, 245. 131 Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, S. 111; Rosmini 1993a, 245. 132 Dies stellt einen bewussten Verzicht der aktuierten Freiheitsentscheidung in der jeweiligen Situation jeder Handlung dar. Rosmini zeigt, dass er sich entschieden gegen die Lehrmeinung seiner Zeit stellt, wenn er anmerkt, dass die Schulen dies anders lehren, vgl. Rosmini 1967, S. 111; Rosmini 1993a, 245. 133 Vgl. Rosmini 1967, S. 111; Rosmini 1993a, 245. 129
B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption
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5. Auswertung: Translation der Rechtspostulation vom Mensch auf den Personbegriff Im Ergebnis hat Rosmini damit das Problem des für den Menschen exklusiv postulierten Rechts vom Menschenbegriff nur auf den Personbegriff verschoben. Die Leistung mag sicher sein, dass hier eine Stufe der Konkretisierung vorliegt, von Mensch zu Person, die willens- und vernunftbegabt ist und sich durch die Beherrschbarkeit der Handlung auszeichnet. Einerseits hat Rosmini damit eine Auffassung des Rechts mit gewisser inkarnatorischer Beheimatung des Rechts in der Person nachgewiesen / dargestellt. Andererseits aber ist es nicht hinreichend gelungen, die menschliche Person allein als subsistentes Recht aufzuweisen, um so Rechtsträgerschaft einzugrenzen. Maßstab hierzu sind die Ansätze der modernen ökologischen Ethik, wo der Personbegriff nicht ein Hindernis, sondern sogar partiell Bestandteil für Rechtsträgerschaft geworden ist. Der Personbegriff erfuhr aber dabei eben ein entsprechend weites Verständnis.134 Als bleibende Schwachstelle ist bei Rosmini zu werten, dass er nicht am Beispiel des Tiers eine konkrete Subsumption durchführt und zeigt, warum eine Beherrschbarkeit von Handlungen bei den Tieren nicht gegeben sein kann. Denn es ist nicht ohne weiteres einzusehen, dass das Tier, in welchem Grad auch immer, nicht auch Wille und Intelligenz besitzt, wie jüngste Studien nun für logisches Denken am Beispiel von Fischen nachweisen konnten, und wenigstens partiell Handlungen durch Intellekt und Wollen beherrschen kann. Hier stößt man bei Rosmini auf einen Graubereich: Eine differenzierte Untersuchung fehlt, wann das Persönlichkeitskriterium zu bejahen ist, insbesondere hinsichtlich partiell positivem Resultat der Untersuchung des Vorliegens von Wille, Intelligenz und Beherrschbarkeit des Wollens.
II. Person als subsistentes Recht „Die Person enthält in ihrer Natur selbst alle Konstitutiven des Rechts: Sie ist schließlich das subsistente Recht, die Essenz des Rechts.“135 Dies wird als die große Entdeckung Rosminis gewertet.136 Rosmini gelinge es in seiner Konzeption das In 134 Schweizers Naturphilosophie erreicht nahezu pantheistische Züge. Er stellt den Willen zum Leben, den er in jedem Lebewesen erkennt, sogar als Gottespersönlichkeit dar und leitet davon die entsprechende Erfurcht ab, vgl. Schweizer 1974, 143. 135 Übers. d. Verf.: „[…] la persona ha nella sua natura stessa tutti i costitutivi del diritto: essa è dunque il diritto sussistente, l’essenza del diritto“ (Rosmini 1967, 52); „The person […] has in its nature all the constitutive elements of right; consequently it is subsistent right, the essence of right“ (Rosmini 1993b, 52). 136 Vgl. Capograssi 1940a, 220; so auch: Orecchia 1955, 582.
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
dividuum zu finden, das Person ist. Und das ganze Problem des Rechts laufe auf den Begriff der Person hinaus137 und den Personbegriff zu erhellen bedeutet damit auch das Wesen des juristischen Denkens Rosminis zu beleuchten. 1. Erhellung des Rechts vom Personbegriff Die Literatur gibt im Wesentlichen schon einige Wegmarken vor. An diesen kann eine Untersuchung zur „Person als subsistentes Recht“ auf Grund des bisherigen in diesem Punkt angewachsenen Forschungsstandes nicht mehr vorübergehen. Einerseits soll nun ein bisher noch ausstehender zusammenfassender Überblick der hierzu entwickelten Positionen gegeben werden. Andererseits soll diese Zusammenschau zugleich als Ausgangsbasis für die sich daran anschließende weiterführende Untersuchung der Bedeutung der These Rosminis von der Person als subsistentes Recht dienen. Zum einen ist bei der These Capograssis, dass das Problem des Rechts vom Personbegriff her zu erhellen sei, was einen Blick auf den Personbegriff als Ausgangspunkt für die weitere Untersuchung der Rechtskonzeption Rosminis nahe legt, anzusetzen. Zum anderen ist die Feststellung der Literatur als solche zu untersuchen, dass die Formulierung Rosminis, „Die Person enthält in ihrer Natur selbst alle Konstitutiven des Rechts: Sie ist schließlich das subsistente Recht, die Essenz des Rechts.“138 als die große Entdeckung Rosminis zu werten sein139 und insbesondere ist nach dem Verständnis dieser Feststellung Rosminis zu fragen. Das heißt, es wird zu untersuchen sein, welche der möglichen Konkretisierungen / Interpretationen der These Rosminis von der „Person als subsistenten Recht“ überzeugen kann und welche Bedeutung in der sog. großen Entdeckung Rosminis schließlich zu sehen sein wird. a) Personbegriff Rosmini greift bei seiner These, dass die Person alle konstitutiven Merkmale enthalte, die Bestandteile der Definition des Rechts seien, auf seine Definition der Person zurück.
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Vgl. Capograssi 1940a, 220. Übers. d. Verf.: „[…] la persona ha nella sua natura stessa tutti i costitutivi del diritto: essa è dunque il diritto sussistente, l’essenza del diritto“ (Rosmini 1967, 52); „The person […] has in its nature all the constitutive elements of right; consequently it is subsistent right, the essence of right“ (Rosmini 1993b, 52). 139 Vgl. Capograssi 1940a, 220; so auch: Orecchia 1955, 582. 138
B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption
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Die Person sei ein „intellektives Subjekt […] insofern sie ein höchstes Akti vitätsprinzip enthält“.140 Dabei bedeutet höchstes Unabhängigkeit141 von anderen.142 Hierin sieht Rosmini schon das Zusammenfallen der Definitionen von Recht mit Person gegeben.143 Die Person als das höchste Tätigkeitsprinzip identifiziert Rosmini mit der Befugnis selbst. Wenn die Person, wie oben dargestellt, von Natur aus höchste Aktivität ist, so sieht Rosmini die zwingende Konsequenz, in den anderen Personen eine korrespondierende sittliche Verpflichtung zu finden, sie nicht zu verletzen. Dies reicht an Erklärung für Rosmini, um der Person alle konstitutiven Merkmale des Rechts zuzuschreiben. Eine ausführliche Subsumption unter seine Definition mit allen Merkmalen führt Rosmini nicht an. Dies hätte eine zweifache Wirkung gezeigt: Erstens, wäre damit in einem stringenten Beweisverfahren deutlich geworden, dass die Person wirklich Recht sei. Aber darum ging es Rosmini eben nicht und deshalb gab es auch keine derartige Subsumption. Rosmini behauptet eben nicht, dass die Person das Recht sei, sondern, dass die Person das Wesen des Rechts sei. Damit besteht keine Möglichkeit einer Subsumption unter die Rechtsdefinition mehr, sondern lediglich die Möglichkeit eines Vergleichs der Wesensmerkmale, da das Wesen eben gerade nicht die Gleichsetzung von Recht und Person aussagt, sondern den Zusammenhang von Recht und Person. Dieser Eindruck ergibt sich somit schon aus der Betrachtung des Personbegriffs, ohne der Untersuchung zum Verständnis der Person als subsistentes Recht vorgreifen zu wollen. b) Zwischenergebnis Aus dem Personbegriff Rosminis lässt sich erhellen, dass die Person hiernach nicht das Recht sei, sondern das Wesen des Rechts.
140 Übers. d. Verf.: „[…] un soggetto intellettivo […] in quanto contiene un principio attivo supremo“ (Rosmini 1967, 51); „[…] an intellective subject in so far it contains a supreme active principle“; so auch vgl. Rosmini 1981, 769; Rosmini 1991, 769. 141 Die Unabhängigkeit ist darin begründet, dass hierüber niemand befehlen kann, weil Rosmini hier über die Person als höchstes Prinzip nur die Befehlsgewalt eines Unendlichen anerkennen will. Grund hierfür ist, dass das höchste Prinzip vom Licht der Vernunft geformt sei. Dieses Licht der Vernunft wiederum bezeichnet Rosmini als das ideale Sein, das unbegrenzt sei. Nichts könne höher sein als das personale Prinzip. Aus seiner Natur selbst sei es damit höchstes Prinzip, vgl. Rosmini 1967, 52; Rosmini 1993b, 52. 142 Vgl. Rosmini 1981, 835; Rosmini 1991, 835. 143 Vgl. Rosmini 1967, 51; Rosmini 1993b, 51.
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
2. Untersuchung des Zusammenhangs von Recht und Person bei Rosmini Die Frage nach dem Zusammenhang von Recht und Person bei Rosmini scheint angesichts der gegenwärtigen Meinungen in der Literatur einfach und ohne Schwierigkeiten erklärbar zu sein. Dieses Ergebnis versucht jedenfalls v. a. die italienische Literatur zu vermitteln. Ihren Anstoß findet diese Meinung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem durch Giuseppe Capograssi. Auf der Suche nach der Erklärung der Neuigkeit und Originalität von Rosminis juristischem Denken,144 benennt er folgende Aussage als das Eigentümliche in der essentiellen Wahrheit im juristischen Denken Rosminis: „Das Recht ist die Person“145 An diese Aussage knüpfen dann Ausführungen zur Identifikation des Rechts mit der Person146 von Capograssi selbst bis in die Gegenwart, wie sie u. a.147 bei Michele Dossi zur „Identifizierung Rosminis von Recht und Person“148 zu finden sind, an. 3. Vier Verständnis-/Interpretationsmöglichkeiten des Zusammenhangs von Person und Recht Die Formulierung Rosminis selbst, „somit hat die Person in ihrer Natur selbst alle konstitutiven Merkmale des Rechts“, ist dabei in gewisser Weise offen für verschiedene Auffassungsmöglichkeiten. a) Weite Interpretation: Identität Eine Auffassung will hinsichtlich des Zusammenhangs von Person und Recht die Formulierung Rosminis, dass „die Person in ihrer Natur selbst alle konstitutiven Merkmale des Rechts“149 habe, so weit fassen, dass sie von „Identität“150 von Person und Recht spricht. Diese Meinung ist nun zu untersuchen, in wieweit von einer Identität von Recht und Person bei Rosmini tatsächlich gesprochen werden kann.
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Vgl. Capograssi 1940a, 238. Übers. d. Verf.: Capograssi 1940a, 239. 146 Vgl. Capograssi 1940b, 339. 147 Im Ergebnis übereinstimmend nimmt auch Ferronato „Identität zwischen Person und Recht“ (Übers. d. Verf.: Ferronato 1998, 81) an. 148 Dossi 2003, 252. 149 Übers. d. Verf.: „[…] la persona […] nella sua natura stessa tutti i costitutivi del diritto“ (Rosmini 1967, 52); „The person […] in its nature all the constitutive elements of right“ (Rosmini 1993b, 52). 150 Ferronato 1998, 81. 145
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Ansatzpunkt dazu ist zunächst eine Überprüfung der Sekundärquellenbehauptung zur „Identität“151 von Recht und Person bei Rosmini ins Auge zu fassen. Auffällig erscheint zunächst, dass die These zur Identität von Recht und Person bei Rosmini keine Primärquellennachweise über eine Aussage Rosminis zu der behaupteten „Identität“152 hierzu enthalten.153 Bei der Ansicht, der die Untersuchungen Capograssis zugrunde liegen, fällt weiter auf, dass die Gleichsetzung von Recht und Person nicht als singuläre Gleichsetzung des Rechts auftritt: Recht sei die Person,154 daneben stellt er die Gleichsetzungen, dass das Recht das Individuum sei155 und dass das Recht die Freiheit sei.156 Die Vielzahl von Gleichsetzungen, die hier dem Recht ohne weitere Nachweise zugeschrieben werden, legt allein schon aus formaler Sicht eine Gleichsetzung bzw. Identifikation nur im weiteren Sinn nahe, da sonst Recht, Person, Individuum und Freiheit identisch wären. Eine solche Behauptung der Identität dieser vier Begriffe würde eine neue Auffassung der Bedeutung der Begrifflichkeit darstellen, die zur gewöhnlichen Unterscheidung in unvereinbare Gegensätze geriete. Da hierzu keine entsprechende Begründung gegeben ist, muss davon ausgegangen werden, dass hier „Identifikation“ im weiteren Sinn gebraucht ist, möglicherweise etwa im Sinn einer Übereinstimmung zumindest einer gewissen Anzahl von Wesensmerkmalen eines Begriffs mit den essentiellen Merkmalen eines anderen Begriffs. So ist nach der in der Literatur angenommenen Identifikation des Rechts mit Person bei Rosmini weiter zu fragen, was diese Argumentation in der eigentlichen Konzeption Rosminis stützt. Entscheidende Ausführung Rosminis hierzu ist übereinstimmend in der Literatur die Formulierung Rosminis genannt, dass die Person die Essenz des Rechts sei. Fraglich ist, inwiefern die Aussage, die Essenz des Rechts sei die Person,157 eine Identifikation von Recht mit Person enthalte. Da schließlich Rosmini weder sagt, dass das Recht die Person sei, noch umgekehrt, dass Recht und Person identisch seien, kann nicht automatisch von Identität auszugehen sein.
151
Ferronato 1998, 81. Ferronato 1998, 81. 153 Eine sog. Identität wurde bisher teilweise im Rahmen der Untersuchung zur Rechtsphilo sophie Rosminis geäußert. In jüngster Zeit trat im Rahmen einer Untersuchung zu Person und Staat auf dem Hintergrund der Rechtsphilosophie Rosminis diese These erneut auf, indem die Identität von Person und Recht aber nun in Rosminis Nuovo Saggio sull’ origine dell’idee von 1830 behauptet wird, ebenfalls hier ohne Nachweise und ohne Argumente, vgl. Muscolino 2007, 397. 154 Vgl. Capograssi 1940a, 239. 155 Vgl. Capograssi 1940a, 242. 156 Vgl. Capograssi 1940a, 242. 157 Umkehrung der Gleichung Rosminis, um Parallelismus zu Aussagen der Literatur herzustellen. 152
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Dagegen ist differenzierter zu fragen, was der Unterscheid zwischen den Aussagen ist, die einerseits Rosmini aufstellt: Das Wesen des Rechts ist die Person.158 Und andererseits den Aussagen in der Literatur: Bei der Aussage der Literatur „Das Recht ist die Person“159 handelt es sich um eine Gleichsetzung. Dies ist zumindest unter zwei verschiedenen Möglichkeiten der Gleichsetzung zu bedenken. Bei der Aussage „Das Recht ist die Person“160 könnte Sachidentität der Begriffe verstanden werden, wie dies etwa im sprachlogischen Lehrbuchbeispiel der Aussage, „der Morgenstern ist der Abendstern“ der Fall ist. Hier handelt es sich jeweils um denselben Planeten, der zu unterschiedlichen Erscheinungszeiten lediglich mit unterschiedlicher Nomenklatur versehen ist. In diesem Fall handelt es sich um Sachidentität. Die beiden unterschiedlichen Begriffe bezeichnen denselben Gegenstand und auch nicht nur die Identität von zwei kongruenten Mengen. Für vorliegenden Fall des Verhältnisses von Person und Recht kann unproblematisch festgestellt werden, dass kein Hinweis Rosminis dafür feststellbar ist, dass Sachidentität zwischen Person und Recht in dem Sinn gemeint ist, dass Person und Recht lediglich unterschiedliche Begriffe für dasselbe Objekt darstellen sollen. Zweitens ist zu unterscheiden, ob die Aussage „Das Recht ist die Person“161 nur in eine Richtung gelten soll oder auch umgekehrt. Soll ausgedrückt werden, dass in einer größeren Menge eine kleinere Menge enthalten ist, funktioniert die Aussage der Gleichsetzung im Sinn eines Umfassens der Menge eben nur in eine Richtung. Die Umkehrung einer solchen Aussage wäre im Ergebnis dann eine nicht richtige Aussage, da eben nur die größere Menge die Kleinere ganz umfasst und damit eine völlige Identität der kleineren Menge in der größeren Menge zu finden ist, nicht aber umfasst die kleinere Menge die größere Menge und daher kann auch keine völlige Identität der größeren Menge in der kleineren Menge zu finden sein. Eine Aussage-Umkehrung wäre für diesen Fall nicht möglich, von kompletter Identität könnte nicht gesprochen werden. Lediglich könnte aber von der Identität der Merkmale der kleineren Menge mit denselben Merkmalen aus der größeren Menge gesprochen werden. Für das Verhältnis von Person und Recht bedeutet dies, dass zur Identitäts feststellung gefragt werden muss, welche konstitutiven Wesensmerkmale beide Begriffe umfassen und dann kann ggf. die Deckungsgleichheit der Wesensmerkmale der Person im Recht oder umgekehrt festgestellt und diesbezüglich von 158 Umkehrung der Gleichung Rosminis, um Parallelismus zu Aussagen der Literatur herzustellen. 159 Übers. d. Verf.: Capograssi 1940a, 239. 160 Übers. d. Verf.: Capograssi 1940a, 239. 161 Übers. d. Verf.: Capograssi 1940a, 239.
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Identität gesprochen werden. Für Rosmini hat „die Person […] alle Konstitutiven, die in die Definition des Rechts eintreten“.162 Rosmini spricht in diesem Zu sammenhang von einer Koinzidenz163 der Definition der Person mit der Definition des Rechts. Die Koinzidenz will er nachweisen, indem er in seiner Argumentation vom höchsten Aktivitätsprinzip ausgeht, das die Basis der Person darstelle und vom Licht der Vernunft geleitet sei, von der die Norm der Gerechtigkeit empfangen werde als eigentliche Befugnis der erlaubten Dinge.164 Das Vorliegen dieses höchsten Prinzips in der Person stellt Rosmini in Verbindung mit dem Vorliegen dieses Prinzips auch in den anderen Personen, so dass eine Person in anderen Personen korrespondierende sittliche Verpflichtungen des Nichtverletzens, Nicht-Unterdrückens der natürlichen Oberhoheit vorfinden könne.165 Anhand dieses kurzen Nachweises kommt Rosmini dann bereits schon zur Feststellung, dass die Person in ihrer Natur alle konstitutiven Merkmale des Rechts habe.166 Hauptsächlich läuft diese Koinzidenz von Recht und Person hinsichtlich der inhaltlichen Wesensmerkmale auf das „höchste aktive Prinzip“167 hinaus. Das höchste aktive Prinzip ist aber nur in der Definition der Person genannt. In den drei Definitionen von Recht ist es nicht explizit vorhanden. Rosmini spricht dieses Problem nicht aus, sondern greift gleich mit der Feststellung der Koinzidenz der Definitionen von Recht und Person eine Erklärung mit dem Ansatzpunkt zum „höchsten aktiven Prinzip“ auf: „Das höchste aktive Prinzip, Basis der Person, ist vom Licht der Vernunft geformt, von der es die Norm der Gerechtigkeit empfängt: das ist die eigentliche Befugnis der erlaubten Dinge.“168
Mit dieser Erklärung des „höchsten aktiven Prinzips“ als wesentliches Merkmal der Persondefinition stellt Rosmini die Verbindung zwischen Person- und Rechtsdefinition über eben dieses höchste aktive Prinzip her: aa) Überprüfung der Merkmale bei der Koinzidenz von Recht mit Person Einen Nachweis durch Vergleich der Elemente der Rechtsdefinition und den Elementen der Person und damit auch des „höchsten aktiven Prinzips“ führt Rosmini nicht. Das Ergebnis steht für ihn möglicherweise selbstverständlich fest. 162 Übers. d. Verf.: „[…] la persona […] tutti i costitutivi che entrano nella definizione del diritto“ (Rosmini 1967, 51); „[…] person […] all the […] elements that form the definition of right“ (Rosmini 1993b, 51). 163 Vgl. Rosmini 1967, 51: „Or chi non s’accorge che questa definizione coincide con quella del diritto stesso?“; Rosmini 1993b, 51: „This definition clearly coincides with that of right itself.“ 164 Vgl. Rosmini 1967, 52; Rosmini 1993b, 52. 165 Vgl. Rosmini 1967, 52; Rosmini 1993b, 52. 166 Vgl. Rosmini 1967, 52; Rosmini 1993b, 52. 167 Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, 51; Rosmini 1993b, 51. 168 Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, 52; Rosmini 1993b, 52.
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Sind aber tatsächlich auch alle Elemente des Rechtsbegriffs, wie sie in der ausführlichen und von Rosmini selbst analysierten Rechtsdefinition zu finden sind, in der Persondefinition vorhanden? bb) Prüfungsumfang und damit Frage nach Konvertibilität bezüglich der Koinzidenz Bei der Frage nach der Überprüfung, ob hier die Koinzidenz von Recht mit Person gegeben ist, muss vorerst der Prüfungsumfang für die Merkmale anhand der Vorgaben, die Rosmini formuliert, festgestellt sein: Für Rosmini „hat die Person […] alle Konstitutiven, die in die Definition des Rechts eintreten“.169 Eine weitere Auslegung hinsichtlich der von Rosmini geforderten Übereinstimmungsmodalität findet sich nicht. Auch sind keine Anhaltspunkte gegeben, vom Wortsinn abzuweichen. Ferronato hat, wie gezeigt, die „Identität zwischen Person und Recht“170 bei Rosmini behauptet. Diese These untermauert Ferronato unter Bezugnahme auf Mercadantes Ausführungen, worin die Konvertibilität der beiden Definitionen von Person und Recht angeführt wird.171 Jedoch geschieht diese Behauptung der Konvertibilität im Zusammenhang mit danach angeführten Merkmalen, wie dem gleichzeitigen Bezug von Recht und Person zum moralischen und eudämonologischen Gut. Treffenderweise merkt Mercadante in derselben Ausführung weiter an, dass nicht alles in der Person absolut gleich ist [mit dem was im Recht ist], sondern sich auch zugleich vom Recht trennt“.172 (1) Auswertung einer gewissen Konvertibilität bei Mercadante Der Hinweis auf Konvertibilität steht bei Mercadente im Zusammenhang hinsichtlich eines gleichzeitigen Bezuges von Person und Recht zum moralischen und eudämonologischen Gut.173 Die Behauptung dieser Konvertibilität der Definitionen hinsichtlich Person und Recht174 bezüglich des moralischen und eudämonologischen Guts175 verdeutlicht eine wirkliche Koinzidenz, von der Rosmini spricht, indem Mercadante die völlige Übereinstimmung der Definitionen bezüglich eben nur dieser Merkmale durch das Faktum der Konvertibilität nachweist. 169
Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, 51; Rosmini 1993b, 51. Übers. d. Verf.: Ferronato 1998, 81. 171 Vgl. Ferronato 1998, 81, Fn. 179; vgl. Mercadante 1975, 115. 172 Übers. d. Verf.: Mercadante 1975, 115. 173 Vgl. Mercadante 1975, 115. 174 Vgl. Mercadante 1975, 115. 175 Vgl. Mercadante 1975, 115. 170
B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption
163
(2) Zwischenergebnis der nur gewissen Konvertibilität für eine Identitätsbehauptung Insgesamt behauptet Mercadante jedoch nicht eine generelle Konvertibilität für die beiden Definitionen. Im Gegenteil räumt Mercadante aber insgesamt auch trennende Unterschiede ein. Dabei sprechen die Ausführungen Mercadantes selbst nicht von einer Identität von Recht und Person und enthalten zu einer Identität keine Hinweise. cc) Ergebnis für den grundsätzlichen Umfang der Merkmale des Prüfungsumfangs Für Rosmini „hat die Person […] alle Konstitutiven, die in die Definition des Rechts eintreten“.176 Da bei Rosmini weitere Hinweise nicht vorhanden sind, kann hier der Wortsinn den Ausschlag geben: Hiernach sind in der Menge der Merkmale der Person alle konstitutiven Merkmale des Rechts enthalten. Das heißt, die Menge der konstitutiven Merkmale der Person ist mindestens so groß (also gleich groß oder auch größer) wie die Menge derselben konstitutiven Merkmale des Rechts. Damit ist in der Aussage Rosminis, dass die „Person […] alle Konstitutiven habe, die in die Definition des Rechts eintreten“177, eben weiter gefasst als eine bloße Identität. Sonst müsste die Formulierung Rosminis dahingehend lauten, dass alle Konstitutiven der Person in allen Konstitutiven des Rechts wieder zu finden seien, was Rosmini aber gerade nicht sagt. Also steht für den Überprüfungsumfang fest, dass die Anzahl der konstitutiven Merkmale des Rechts ausschlaggebend ist und mit diesen beginnend nach einer jeweiligen Entsprechung in der Persondefinition zu suchen ist. Das heißt, es sind nicht alle konstitutiven Elemente der Persondefinition für die Überprüfung ausschlaggebend, um zu der von Rosmini geforderten Koinzidenz zu gelangen. Entscheidend ist dagegen nur, dass sich alle Konstitutiven des Rechts in der Person wiederfinden.
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Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, 51; Rosmini 1993b, 51. Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, 51; Rosmini 1993b, 51.
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
dd) Definitionsvergleich zur Überprüfung der Koinzidenz aller Konstitutiven des Rechts mit Konstitutiven der Person Soll nun die These Rosminis zur Koinzidenz der Konstitutiven des Rechts mit Konstitutiven der Person nachvollzogen oder überprüft werden, dann kann es sich dabei nur um eine systemimmanente Überprüfung handeln. Das heißt, da die These Rosminis für sein eigenes System aufgestellt ist, kann bei einer Überprüfung als Vergleichsgrundlage auch nur aus den Definitionen Rosminis ausgewählt werden. Dabei stellt sich nun die Frage, welche Definitionen innerhalb der Definitionen Rosminis heranzuziehen sind, soweit Mehrfachdefinitionen vorliegen, wie dies hier beim Rechtsbegriff der Fall ist. Wie eingangs gezeigt, finden sich bei Rosmini hierzu drei Definitionen. Eine kurze und knappe Überprüfung böte sich hier an, indem man die kürzeste Rechtsdefinition Rosminis178 heranzieht. Die Gefahr, die dabei entstünde ist, dass mehrere Konstitutiven des Rechts sich in einem einzigen Prinzip beispielsweise befinden und so eine authentische Aufschlüsselung der Kurzdefinition in die Konstitutiven des Rechts nicht transparent genug werden ließe, da zu einer derartigen Überprüfung Rosmini keine weiteren Ausführungen im Rahmen der ersten, kürzesten Definition, D1, gemacht hat. Für die Überprüfung der Definitionen kommen damit die Definitionen D2 und D3 von ähnlichem Umfang in Betracht. Um einen gewissen systematischen Zusammenhang zu wahren, bietet sich hiervon D2 an, welche Rosmini selbst am detailliertesten aufgeschlüsselt hat und die dieser Untersuchung daher auch von Anfang an zugrunde liegt. Zudem erscheint sie möglicherweise besonders geeignet als präziser Anhaltspunkt mit der detaillierten Aufzählung der konstitutiven Elemente des Rechts, um einen analytischen Definitionsvergleich darstellen zu können. (1) Überprüfung In einer Überprüfung soll somit die Rechtsdefinition D2 Rosminis: „Recht ist eine facultas agendi nach Belieben, geschützt vom moralischen Gesetz, das dar über hinaus anderen die Berücksichtigung befielt“179
178 Das Recht ist eine moralische Macht oder eine Autorität zu handeln. (Übers. d. Verf.: „Il diritto é una podestá morale, o autoritá di operare“ (Rosmini 1967, S. 107); „Right is a moral governance or authority to act“ (Rosmini 1993, 237). 179 Übers. d. Verf.: „Il diritto è una facoltà di operare ciò che piace, protetta dalla legge m orale, che ne ingiunge ad altri il rispetto.“ Rosmini 1967, S. 107. „right is a faculty to do what we please, protected by the moral law which obliges others to respect that faculty“ Rosmini 1993, 237.
B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption
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mit der Persondefinition Rosminis: „Die Person ist ein intellektives Subjekt […] insofern sie ein höchstes Aktivitätsprinzip enthält“180
verglichen werden. Zu vergleichen sind nun nicht die einzelnen Worte im Litteralsinn, sondern die Konstitutiven, die hinter diesen Worten stehen: Augenscheinlich ist sogleich zu erkennen, dass, sowohl bezüglich des Fakultas-Begriffs, dem Ausgangspunkt für die Rechtsdefinition, als auch bezüglich des Subjektelements, dem ersten Element der Rechtsdefinition, wie auch hinsichtlich der Erlaubtheit der Handlung, als fünften Element der Rechtsdefinition, Koinzidenz der Definitionen besteht: Erstens, Fakultas agendi aus der Rechtsdefinition und Aktivitätsprinzip aus der Persondefinition.181 Zweitens, das erste Rechtskonstitutivum, Subjekt aus der Rechtsdefinition und Subjekt aus der Persondefinition. Drittens ist auch die Verbindung der Vernunft zwischen Person und Recht genannt, im zweiten Element der Rechtsdefinition innerhalb der personalen Aktivität und im intellektiven Subjekt aus der Persondefinition, viertens schließt Rosmini von der Person als höchste Aktivität von Natur aus auf die Notwendigkeit, dass in den anderen Personen eine korrespondierende moralische Pflicht, nicht zu verletzen, bestehe.182 Damit ist auch das fünfte Rechtselement gemeinsam in Recht und Person nachgewiesen, indem Rosmini es für die Person wiederum vom höchsten Prinzip abgeleitet hat. (2) Auswertung des Ergebnisses Der Nachweis scheint auf den ersten Blick zu hinken: Zwar ist die Grundlage des Fakultasbegriffs, wie auch das erste, zweite, vierte und fünfte Rechtselement, Vernunft im Rahmen der personalen Aktivität, Erlaubtheit und die moralische Pflicht, die anderen in der Ausübung ihrer Befugnisse nicht zu stören, geklärt. Aber zu klären bleibt, ob eine Übereinstimmung auch für das dritte Element, das in der Handlung existierende Gut zwischen Person und Recht gegeben ist. Ein expliziter Nachweis findet sich nicht, jedoch lassen die Ausführungen Rosminis genügend Raum, um ein derartiges Gut, wie es in der Rechtsdefinition gefordert ist, auch in der Persondefinition zu erkennen. In einer Fußnote weißt Rosmini 180 Übers. d. Verf.: „La persona è un soggetto intellettivo […] in quanto contiene un principio attivo supremo“ (Rosmini 1967, 51); „The person is an intellective subject in so far it contains a supreme active principle“; vgl. ebenso Rosmini 1981, 769: Rosmini 1991, 769. 181 Zur Veranschaulichung des Vergleiches ist zum Verständnis für das höchste Aktivitätsprinzip noch folgende Ausführung Rosminis heranzuziehen: „Die Würde des Lichtes der Vernunft […] ist unbegrenzt, weil nichts über dem personalen Prinzip stehen kann, nichts kann über einem Prinzip stehen, das seiner Natur nach hinter einem Meister und Herrn der unbegrenzten Würde wirkt. Schließlich kommt es, dass das natürliche höchste Prinzip von der Art ist, dass es kein Recht hat dem zu befehlen, der unter dem Befehl des Unendlichen steht“ (Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, 52; Rosmini 1993b, 52). 182 Vgl. Rosmini 1967, 52; Rosmini 1993b, 52.
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
nochmals auf die Partizipation der Person am unendlichen Sein als Erscheinung der Würde des Menschen hin: „Das Gut, das sie [die Person] findet, indem sie solchen [unendlichen Sein] anhängt“183 bezeichnet Rosmini dann als „unendliches Gut, an dem es essentiell teilhat“.184 Damit hat Rosmini auch die Brücke geschlagen für das Rechtselement des in der Handlung existierenden Gutes als Teilhabe der Person am unendlichen Gut. Es ist jedenfalls aufgezeigt, wenn auch nur am Rande der Ausführung, innerhalb einer Fußnote. (3) Zwischenergebnis Im Ergebnis sind damit tatsächlich alle Rechtselemente durch das Höchste Sein in der Person wiederzufinden, wenn auch teilweise lediglich im Grundsatz die Verbindung aufgezeigt ist, wie etwa mittels der Vernunft beim Personelement unter Verzicht auf die detaillierte Aufschlüsselung in Intellekt, Wille und Beherrschbarkeit der Handlung. ee) Endergebnis Die Koinzidenz von Person und Recht ist bei Rosmini in keiner Weise abstrakt vorgenommen, um einen Nachweis der Identität des Personbegriffs mit dem Rechtsbegriff mit abstrakt generellem Verständnis zu liefern. Der Nachweis hierfür wäre systematisch dann unter dem Abschnitt zur Essenz des Rechts erschienen. Um einen Identitätsnachweis zu zeigen, wäre es für Rosmini außerdem nicht nahegelegen, zum einen den Nachweis mit der Prämisse zu führen, dass eine Verbindung von Rechtsinhaber und Rechtssubjekt bei angeborenen Rechten zusammenfällt. Zum anderen hätte er diese These der Koinzidenz der Definitionen nicht auf dem Hintergrund der praktischen Folge seiner Aufführungen der Indisponibilität angeborener Rechte und damit im Effekt ungenannt deren unverlierbaren Gültigkeits- und ggf. Schutzcharakter geführt. Stellt die Literatur aber die verallgemeinernde These der Identität von Person und Recht auf, abstrahiert sie den Koinzidenzfall aus dem von Rosmini geführten Nachweis innerhalb der angeborenen konnaturalen Rechte. Der Inhalt des Personbegriffs bliebe zwar derselbe, aber von entscheidender Bedeutung ist, dass der Umfang des koinzidierenden Rechts, wenn auch unter den allgemeinen Konstitutiven des Rechts, das innerhalb der konnaturalen Rechte zum Nachweis der Koinzidenz wiederum nur in einem einschränkenden Sinn verwendet wurde, nun in unzulässiger Weise eine generalisierende Ausweitung erfahren würde, was einer gesonderten Untersuchung der Folgen bedürfte. Ein solcher Nachweis liegt 183 184
Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, 52, Fn. 2; Rosmini 1993b, 52, Fn. 23. Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, 52, Fn. 2; Rosmini 1993b, 52, Fn. 23.
B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption
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bei Rosmini jedenfalls nicht vor. Als markantes Gegenbeispiel kann hier die juristische Person angeführt werden, wo eben Rechtsinhaber und Rechtssubjekt nicht in einer menschlichen Person, zusammenfallen, sondern eben in einer juristischen Person. Hier müsste dann bei einem Nachweis nicht die Definition der menschlichen Person, sondern die Definition der juristischen Person mit der Definition des Rechts verglichen werden. Dennoch handelt es sich bei den Rechten der juristischen Person ebenfalls um Recht, obwohl hier die menschliche Person außen vor bleibt. Von einer generalisierenden Abstraktion der Koinzidenz von Recht und Person im weiteren Sinn mit dem Ergebnis, dass das Recht immer die menschliche Person ist im Sinn der Identifikation, kann daher in dem von Rosmini nachgewiesenen Zusammenhang unter diesem Aspekt nicht automatisch gesprochen werden. Die Ausgangsthese Rosminis, dass „die Person alle Konstitutiven des Rechts“185 enthält und „schließlich das subsistente Recht, die Essenz des Rechts“186 ist, bleibt davon unberührt, da Rosmini hierin zum einen eben keine Identität von Recht und Person formuliert und zum anderen keine Umkehrung postuliert, wie dies in der Literatur, wie oben dargestellt, ohne Begründung postuliert wurde. Die Umkehrung lautete dann etwa so: Das Wesen des Rechts ist menschliche Person. Die Folge wäre, dass, soweit bei der juristischen Person nicht auch die Konstitutiven der menschlichen Person nachweisbar wären, auch nicht vom Recht gesprochen werden könnte. Es wäre nicht unproblematisch aus ontologischer Sicht, ein aktives höchstes Prinzip für die juristische Person aufzufinden, um so zu den von Rosmini gebrauchten Konstitutiven der menschlichen Person zu gelangen und dadurch Koinzidenz der Konstitutiven von Person und Recht nachzuweisen, was Rosmini in diesem weiten Zusammenhang so auch in keiner Weise intendierte. ff) Untersuchung des Begriffs der Subsistenz Auch unter dem Aspekt der Formulierung Rosminis, dass „die Person das subsistente Recht“187 sei, ist die These der Identität von Recht und Person anhand der Bedeutung der Subsistenz zu hinterfragen, inwieweit die Bedeutung der Subsistenz auf eine Gleichsetzung / Identifikation hinweisen könnte. Rosmini gebraucht den Begriff der Subsistenz schon wiederholt zu Beginn in seiner Rechtsphilosophie im Rahmen der Unterscheidung von realem und idealem Sein. Hier nimmt er auch eine Worterklärung für „Subsistenz“ vor: „Wir gebrauchen konstant das Wort Subsistenz, um die tatsächliche Realität des Rechts anzuzeigen.“188 185
Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, 52; Rosmini 1993b, 52. Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, 52; Rosmini 1993b, 52. 187 Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, 52; Rosmini 1993b, 52. 188 Übers. d. Verf.: „Noi usiamo costantemente la parola sussistenza per indicare la realità di fatto del diritto;“ (Rosmini 1967, S. 44, Fn. 1); „I use the word subsistence constantly to indicate the factual reality of right“ (Rosmini 1993a, 80 Fn. 70). 186
168
5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
Fügt man nun diese Erklärung in die These Rosminis ein, so lautet diese: Die Person […] ist schließlich die tatsächliche Realität des Rechts, die Essenz des Rechts. Hier wird deutlich, dass es Rosmini nicht um formelhafte Erstellung für eine Berechnung des Rechts geht, nicht um die Identitätsfeststellungen oder die Umkehrbarkeitsfeststellung seiner These, dies stellt sich auf diesem Hintergrund eher als spekulative Ausformung dar. Das Ziel Rosminis ist die Ergründung der faktischen Realität des Rechts, die er in der Koinzidenz mit den Konstitutiven der Person gegeben sieht. Damit kann als die eigentlich wesentlich größere Errungenschaft der Ausführungen Rosminis eine Verteidigung und Begründung der Existenz des Rechts als solches gesehen werden: Nicht auf Grund einer rein hypothetischen formelhaften Konstruktion wird dem Recht seine Existenz zugesprochen, sondern alle Wesens eigenschaften des Rechts finden sich auch unter Wesenseigenschaften der Person. Es ist kein dispositiver Zusammenhang von Person und Recht anzunehmen, sondern ein konstitutiver Zusammenhang, den die tatsächliche Realität konstitutiv begründet. Die These, dass die Person das subsistente Recht darstellt, wird von Rosmini schließlich nicht isoliert bearbeitet im Rahmen einer allgemeinen Verhältnisdarstellung von Recht und Person. Die spekulativen Überlegungen zu alternativen Interpretationsmöglichkeiten der Ausführung Rosminis zur Person als subsistentes Recht als Wesen des Rechts sind durch die bisherige allein diskutierte Identifikation von Person und Recht hier angestoßen, die, wie gezeigt, bei Rosmini jedoch nicht so eng formuliert ist, sondern stärkster Ausdruck Rosminis ist die Koinzidenz der Definitionen. gg) Zwischenergebnis zur weiten Interpretationsmöglichkeit: Identität Unter den oben bereits ausgeführten Möglichkeiten kommt zum einen in Betracht, dass das Verhältnis der Wesensmerkmale des Rechts, die in der Person enthalten seien, nicht allesamt in der Person enthalten sind, sondern auch zugleich abschließend alle Wesensmerkmale der Person darstellen und so, wie in der Literatur formuliert, „identisch“189 mit der Person sein könnte. b) Enge Interpretation: Teilmenge Andererseits könnte Recht als eine Teilmenge der Person bezüglich der konstitutiven Merkmale zu verstehen sein. Blickt man der Tatsache ins Auge, dass laut Rosmini alle konstitutiven Merkmale des Rechts in der Person wieder zu finden seien, dann könnte es einerseits zu spekulativ sein, nun zu untersuchen, ob eben zwischen der Menge der konstitutiven Merkmale des Rechts und der konstitutiven Merkmale 189
Übers. d. Verf.: Capograssi 1940b, 339.
B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption
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der Person nur insoweit Übereinstimmung besteht, dass alle konstitutiven Merkmale des Rechts in der Person zwar enthalten sind, dass aber die Formulierung Rosminis nichts über eine Kongruenz der Menge der Merkmale aussage und so anhand Rosminis Formulierung durchaus davon ausgegangen werden könnte, dass die Merkmale des Rechts in einer größeren Menge von Personmerkmalen wieder zu finden sind. Dann würde das Recht eine Teilmenge an konstitutiven Merkmalen aus der Menge an konstitutiven Merkmalen der Person sein. Es findet sich keine weitere Eingrenzung in der Formulierung, dass Kongruenz zwischen Anzahl und Inhalt der Wesensmerkmale des Rechts und der der Person gegeben sind und somit diese Interpretation zumindest denklogisch ebenso möglich erscheint, wie oben dargestellt. c) Ontologische Interpretation Ferronato merkt zur Bestimmung Rosminis, „Die Person enthält in ihrer Natur selbst alle Konstitutiven des Rechts: Sie ist schließlich das subsistente Recht, die Essenz des Rechts“,190 in einem weiter gefassten Erklärungszusammenhang an, dass mit der Ausführung Rosminis „unterstrichen werde, dass einerseits der Mensch das Recht inkarniere“.191 Überdies sieht Ferronato auch eine sog. Umkehrung dieser Aussage enthalten: Auch „umgekehrt“192 sei hiervon umfasst, dass das „Recht im Menschen inkarniert“193 sei. aa) Untersuchung des Arguments mittels Umkehrung Hierzu ist anzumerken, dass es sich bei der Ausführung Ferronatos im zweiten Teil der Aussage eben nicht um eine Bestätigung der Gültigkeit einer „Umkehrung“ der Aussage des ersten Teiles handle, was für eine Identitätsfeststellung von entscheidender Bedeutung sein könnte. Eine Umkehrung der Aussage „der Mensch inkarniere das Recht“ würde nämlich lauten: das Recht inkarniere den Menschen. Eine solche „Umkehrung“ liegt bei Ferronato eben nicht vor, da dort lediglich angemerkt ist, dass das Recht im Menschen inkarniert sei, was wiederum völlig mit der Haltung Rosminis übereinstimmt. Bei Ferronato liegt im zweiten Teil der Aussage keine Umkehrung des ersten Teils der Aussage, wie dort behauptet, vor, sondern es handelt sich im ersten Teil um die Beschreibung des Vorgangs, dass der „Mensch das Recht“194 inkarniere und 190
Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, 52; Rosmini 1993b, 52. Übers. d. Verf.: Ferronato 1998, 82. 192 Übers. d. Verf.: Ferronato 1998, 82. 193 Übers. d. Verf.: Ferronato 1998, 82. 194 Übers. d. Verf.: Ferronato 1998, 82. 191
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
im zweiten Teil ist das Ergebnis dieses Vorgangs beschrieben, dass das „Recht im Menschen inkarniert“195 sei. bb) Zwischenergebnis zur ontologischen Interpretation: Kein umkehrbares wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis / Identität Damit ist festgestellt, dass die inkarnatorischen Ausführungen Ferronatos zum Recht hier weder eine Identität im Sinne einer Eruierung gültiger Aussagen zur Identität von Recht und Person auf inkarnatiorischer Seinsebene noch ein umkehrbares wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis begründen sollen. d) Systematisch-teleologische Interpretation Eine weitere dritte Möglichkeit der Auffassung könnte in einer hierzu entwerfenden systematisch-teleologischen Interpretation gesehen werden: Systematisch befindet sich die Aussage Rosminis, „Die Person enthält in ihrer Natur selbst alle Konstitutiven des Rechts: Sie ist schließlich das subsistente Recht, die Essenz des Rechts“,196 nicht mehr im Systemabschnitt zur Essenz des Rechts. Die Aussage findet sich im darauf folgenden Systemabschnitt über das „derivate Recht“ und dort im ersten Teil „Individualrecht“197 und hierunter im ersten Artikel des dritten Kapitels des ersten Buches „über die konnaturalen Rechte“. Das heißt, entscheidend für den systematischen Zusammenhang ist, dass Rosmini seinen Blick nicht mehr auf das Wesen des Rechts als solches richtet: Rosmini fokussiert seine Untersuchung bereits auf die Individualrechte, genauer auf „konnaturale Individualrechte“. Das sind für Rosmini die Rechte, die von der Natur des Menschen ausgehen und dem Mensch angeboren sind.198 Nach einem ersten Kapitel zur Abgrenzung der Intention des Ausdrucks der Konnaturalrechte als Rechte, „deren Subjekt, die physische Befugnis, Bestandteil der menschlichen Natur ist“199, im Gegensatz zu den Rechten, die durch Erwerbsakt später hinzukommen und nicht Bestandteil der Natur eines
195
Übers. d. Verf.: Ferronato 1998, 82. Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, 52; Rosmini 1993b, 52. 197 Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, 21; Rosmini 1993b, 21. 198 Vgl. Rosmini 1967, 25: „Quelle poi che, relativamente a la derivazione de’ diritti individuali, dobbiamo noi più diligentemente distinguere, sono due: nell’una gli uomini non hanno che i diritti uscenti dalla loro proprio natura, i quali noi chiamiamo connaturali, e innati solitamente si dicono; nell’altra nuovi diritti s’aggiungono in conseguenza di atti loro proprj; e questi si chiamano acquisiti.“; Rosmini 1993b, 25: „Relative to the derivation of individual rights, it is necessary to distinguish carefully two situations. The first is that in which human beings have rights aising solely from their human nature – we call these rights connatural, although they are normally said to be innate. The second situation is that in which new rights are added to individuals as a result of their acts; these rights are called acquired.“ 199 Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, 27; Rosmini 1993b, 27. 196
B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption
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jeden Menschen vom Geburt an sind,200 lässt Rosmini in seiner Rechtsphilosophie ein zweites Kapitel zu der Frage nach der Existenz von Konnaturalrechten im Menschen folgen. Hier bejaht Rosmini im Gegensatz zur thomistischen Auffassung die angeborenen Rechte in Form eines generellen Respektiertwerdens201 mit dem Argument der personalen Würde,202 auf die sich diese konnaturalen Rechte beziehen.203 Erst in diesem Zusammenhang folgt das dritte Kapitel zur Bestimmung, welche konnaturalen Rechte es im Menschen gibt.204 Hier nimmt Rosmini im ersten Kapitel Bezug auf das essentielle Recht der Person205 und daran folgend auf ein materielles Recht in einem zweiten Kapitel. Das essentielle Recht der Person bezeichnet Rosmini als das formale Recht, das er vom materialen Recht abgrenzt.206 Zu den formalen, d. h. essentiellen Rechten der Person, zählt Rosmini die Freiheit des Menschen, weil Sitz der Freiheit für ihn die menschliche Person ist, da die Freiheit in der Vorherrschaft der menschlichen Person gegenüber allen anderen Prinzipien der menschlichen Natur besteht.207 Im Gegensatz hierzu stehen Rechte, wie Eigentum, die als materiale Rechte einzuordnen seien, weil Sitz des Eigentums für Rosmini nicht die menschliche Person, sondern die menschliche Natur als subsistentes Prinzip unter der Oberhoheit des personalen Prinzips ist.208
200
Vgl. Rosmini 1967, 28; Rosmini 1993b, 28. Vgl. Rosmini 1967, 41; Rosmini 1993b, 41. 202 Vgl. Rosmini 1967, 37; Rosmini 1993b, 37. 203 Diese Würde ist verortet im essentiellen Akt menschlicher Intelligenz, die die menschliche Natur konstituiert. Im Gegensatz hierzu steht die thomistische Auffassung, wonach angeborene Rechte negiert werden nach dem Grundsatz, dass kein Rechte bestehen, wo keine Pflichten vorhanden sein können, wie Thomas dies etwa bei Neugeborenen sieht. Rosmini bejaht dagegen die angeborenen Rechte systemkonsequent, da er im Gegensatz zu Thomas die Existenz von Rechten nicht von der Existenz von Pflichten in der selben Person abhängig sieht, sondern nach seiner Konzeption die Abhängigkeit des Rechts auch von der Pflicht besteht, aber hier besteht die Pflicht in Korrespondenz zu einem Recht in einer anderen Person, das heißt, Pflicht und Recht fallen nicht in derselben Person als Existenzvoraussetzung des Rechts zusammen, vgl. Rosmini 1967, 40 Fn. 2; Rosmini 1993b, 40 Fn. 19. 204 Vgl. Rosmini 1967, 44; Rosmini 1993b, 44. 205 Vgl. Rosmini 1967, 48; Rosmini 1993b, 48. 206 Vgl. Rosmini 1967, 59; Rosmini 1993b, 59. 207 Vgl. Rosmini 1967, 59 ff.; Rosmini 1993b, 59 ff. 208 Die Vorherrschaft des personalen Prinzips, dem die Prinzipien der Natur untergeordnet sind, besteht für Rosmini darin, dass das „Subjekt sich als an einer unendlichen Wesenheit teilhabend und von dieser unendlichen Wesenheit, an der sie teilhat, herstammend, vorfindet und sich als eine allen anderen Tätigkeiten übergeordnete Tätigkeit […] in einer ähnlichen Weise erlebt wie der Gehorsam, den ein Mensch einer höheren Autorität leistet, seiner Natur nach von jeder Art von Unterwerfung unter eine niedrigere Autorität frei ist“ (Rosmini 1963, 52). 201
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
aa) Aussagehintergrund Rosmini geht es bei dieser Aussage um die eigentliche Frage, wie sich aus dem oben dargestellten Kontext in der systematischen Einordnung ergibt, ob es angeborene Individualrechte, sog. konnaturale Rechte, im Menschen gibt. Es geht Rosmini beispielsweise um Fragen, ob der neugeborene Mensch schon ein Recht haben kann / hat und um die Begründung hierfür. bb) Aussageziel Für Rosmini hat jeder Mensch Rechte, schon ohne eigenen Rechtsakt, die konnaturalen Rechte, die in einer Einheit mit der Person stehen. Um diese heute allzu geläufige und selbstverständliche These, der Rosmini die thomistische Tradition, wie oben gezeigt, gegenübersah, zu begründen, greift er auf einen Vergleich der Struktur der Person und der Struktur des Rechts zurück. cc) Argumentationsansatzpunkt Als Ansatzpunkt für seine Argumentation wählt Rosmini das Faktum, dass „einige das Recht der eigenen Persönlichkeit“209 nennen. Für Rosmini ist das ein unangemessener Sprachgebrauch:210 Der Mensch habe kein Recht auf eine eigene Persönlichkeit in dem Sinn, dass man im Menschen zwei Personen unterscheiden müsse, die eine, die das Recht habe, die andere, die das Subjekt des Rechts konstituiere.211 Rosmini hält dagegen an einem einheitlichen Konzept von der Vorstellung von Person und Recht fest: „Der das Recht hat, ist die Person selbst, Subjekt des Rechts.“212 dd) Ergebnis Rosmini stellt hier nicht eine bloße Verbindung, sondern die Einheit von der Person, die das Recht hat, das heißt, also einem sog. Rechtsinhaber, und dem Rechtssubjekt heraus. Dies geschieht bei Rosmini am Beispiel des Persönlichkeitsrechts, an dem die Einheit der Person hinsichtlich Rechtsinhaberschaft und Rechtssubjekt am Beispiel der Person, um die es hier ausschließlich geht, gezeigt wird. Beide, Rechtsinhaber und Rechtsträger koinzidieren in einer einzigen menschlichen Person. Die gesamte Argumentation Rosminis ist nicht aufgebaut, um irgendeine Identifikation nachzuweisen, wie etwa von Recht mit Person oder Rechtsinhaber mit 209
Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, 48; Rosmini 1993b, 48. Vgl. Rosmini 1967, 48; Rosmini 1993b, 48. 211 Vgl. Rosmini 1967, 48; Rosmini 1993b, 48. 212 Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, 48; Rosmini 1993b, 48. 210
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Rechtssubjekt oder von Rechtsinhaber und Rechtssubjekt mit der Person. Davon ist bei Rosmini nicht die Rede. Vielmehr wird das Konzept der Koinzidenz von Rechtsinhaber und Rechtsanspruch mit und in einer Person dargestellt, aber nur in Bezug auf die konnaturalen Rechte im engeren Sinn. Rosmini will mit dieser Konstruktion lediglich den Zusammenhang der angeborenen Rechte der Person und davon auch nur diejenigen, die, wie oben gezeigt, unter der Vorherrschaft des personalen Prinzips stehen und nicht die, die den Prinzipen der Natur untergeordnet sind, mit der Person selbst darstellen. e) Abwägung der Interpretationsmöglichkeiten Zur These Rosminis, „Die Person enthält in ihrer Natur selbst alle Konstitutiven des Rechts: Sie ist schließlich das subsistente Recht, die Essenz des Rechts.“213 fragt sich, welcher der vier oben angeführten Interpretationsmöglichkeiten des Zusammenhangs von Person und Recht auf dem Hintergrund der soweit bereits vorgenommenen Darstellung der einzelnen Auffassungen der Vorzug zu geben ist. aa) Weite Interpretation Für die Ansicht der weiten Interpretation, stehen zwei Fassungen: Ferronatos und Dossis Interpretationen sprechen von „Identität“214 oder „Identifizierung“215, in Bezug auf den Zusammenhang von Person und Recht. Die andere Ansicht Capo grassis innerhalb der weiten Interpretation fasst den Zusammenhang von Person und Recht mit der These, Recht sei die Person,216 als eine Gleichsetzung anstelle der zuvor genannten Identifikation etwas weiter und u. U. auch etwas vager auf. Beide Interpretationen lassen für Ihre Thesen einen Primärquellennachweis bei Rosmini vermissen, sie verweisen lediglich auf die These Rosminis, die sie interpretieren. Die Schwäche der Ansicht Ferronatos besteht darin, dass sie sich auf die Ausführungen Mercadantes stützt, ohne diese in ihrem Zusammenhang aufzunehmen, in welchem Mercadante eben auch auf Unterschiede von Recht und Person hinweist.217 Die Schwäche der Ansicht Capograssis besteht darin, dass er im Zusammenhang mit der Gleichsetzung von Recht und Person, wie gezeigt, eine Reihe weiterer Gleichsetzungen des Rechts trifft, was damit nicht mehr den Eindruck präziser Gleichsetzungen als vielmehr einen Ausdruck eines bloßen Ähnlichkeitszusam 213
Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, 52; Rosmini 1993b, 52. Übers. d. Verf.: Ferronato 1998, 81. 215 Dossi 2003, 252. 216 Vgl. Capograssi 1940a, 239. 217 Vgl. Mercadante 1975, 115. 214
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
menhangs von Recht und Person hervorruft. Durch diese Unsicherheit büßt seine These sowohl in der Beweisführung als auch durch den Kontext der Reihung von Gleichsetzungen jedenfalls an Überzeugungskraft ein. Somit kann keiner dieser weiten Interpretationen mangels überzeugender Beweisführung gefolgt werden. bb) Ontologische Interpretation Ebenso wenig vermag die ontologische Interpretation der Inkarnation für den Zusammenhang von Person und Recht mit der These, dass der Mensch das Recht inkarniere,218 zu überzeugen, da kein eigentlicher Nachweis für einen inkarna torischen Vorgang erscheint. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass es sich hier möglicherweise um eine bildliche Veranschaulichung oder auch einen übertragenen Sinn handeln könnte, wo der Zusammenhang von Person und Recht als inkarnatorisch dargestellt ist. Abgesehen davon, dass in der These die inkarnatorische Bedeutung nicht ausgeformt wird, entsteht der Eindruck, dass es sich hier, soweit nicht von einer bildlichen Veranschaulichung, sondern tatsächlich von einer ontologischen Beschreibung auszugehen ist, um eine äußerst spekulative Ausformung des Zusammenhangs zwischen Person und Recht handelt, der mangels weiterer Begründung auch nicht weiter nachgegangen werden kann. Auch die Weiterführung dieser These in ihrem zweiten Teil ist in diesem Zusammenhang ohne weitere Bedeutung, da oben gezeigt werden konnte, dass die Formulierung zur Umkehrung eben keine eigentliche Umkehrung, sondern lediglich die Beschreibung des Ergebnisses der eigentlichen These ist. Somit gilt für den zweiten Teil der These das zum ersten Teil derselben Festgestellte. cc) Enge Interpretation Weiter zu erwägen sind die Auffassungen der dargestellten engen Interpretation als Teilmenge: Die enge Interpretation des Zusammenhangs von Person und Recht orientiert sich strikt am Wortsinn Rosminis und enthält daher ein überzeugendes Argument für die These, dass, soweit von einer Koinzidenz von Person und Recht gesprochen werden kann, wenigstens die Summe aller Konstitutiven des Rechts unter den Konstitutiven der Person wiederzufinden ist. Die Annahme dieser zumindest gegeben kongruenten Teilmenge steht mit den Unterschiedlichkeiten zwischen Person und Recht nicht im Gegensatz und erweist sich aber zugleich als haltbar für den von Rosmini dargestellten Zusammenhang von Recht und Person in Form einer Koinzidenz der Konstitutiven, da diese Koinzidenz dann für das Recht insgesamt mit zumindest einem Teil der Konstitutiven der Person vorliegt, wie Rosmini sie 218
Vgl. Ferronato 1998, 82.
B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption
175
vom aktiven höchsten Prinzip des Personbegriffs ableitet, wofür eben kein Hinweis auf eine abschließende Aufzählung der Ableitung der Konstitutiven gegeben ist. Mit der engen Interpretation liegt damit eine für die Zusammenhangsauffassung von Person und Recht im Blick auf das Konzept Rosminis widerspruchsfreie Interpretation vor. Allerdings liefert sie keine weiteren Ansätze, um den Zusammenhang in der Gesamtkonzeption für die Bedeutung von Person und Recht in dem Grade zu veranschaulichen, wie dies von den mehr spekulativen Ansichten angestrebt wurde. dd) Systematisch-teleologische Interpretation Schließlich ist die systematisch-teleologische Ansicht zu prüfen. Diese Ansicht interpretiert den Zusammenhang von Person und Recht aus der systematischen Einordnung in die angeborenen konnaturalen Rechte der Person. Ausgehend von der Stellung im System der Rechtsphilosophie Rosminis fragt die Ansicht nach dem Ziel Rosminis, der hier den unverlierbaren intrinsischen Zusammenhang des Persönlichkeitsrechts ausnahmslos für jedes menschliche Lebensstadium, insbesondere das des Neugeborenen, nachweist. Diese Ansicht kommt zum Ergebnis, dass der Zusammenhang von Person und Recht eine Einheit von Person und Recht darstellt. Dabei ist jedoch nur von einem eingeschränkten Teil, den angeborenen Rechten, die Rede, für die diese Einheit nachgewiesen wird in der Koinzidenz von Rechtsinhaber und Rechtssubjekt in und mit der Person. Die Argumentation findet ihre Überzeugungskraft durch den direkten Bezug zur Primärquelle, in deren Kontext der Zusammenhang von Person und Recht eine authentische Konkretisierung durch das System Rosminis selbst erfährt, ohne dabei auf eine spekulative Interpretation zurückgreifen zu müssen und ohne in systemimmanente Widersprüche zu geraten. Allerdings thematisiert diese Ansicht das exakte Kongruenzverhältnis der Konstitutiven von Person und Recht nicht. ee) Ergebnis: Kombination aus enger Interpretation und systematisch-teleologischer Interpretation Die Abwägung der Interpretationsmöglichkeiten hat die Stärken und Schwächen der verschiedenen Ansätze als solche für sich gesehen gezeigt. In einem nächsten Schritt ist eine Entscheidung zwischen den Ergebnissen der Interpretationsmöglichkeiten zu suchen. Besondere Überzeugungskraft konnte bei der engen und der systematisch-teleologischen Interpretation bereits festgestellt werden. Besonders überzeugend ist hier, dass in diesen beiden Interpretationsmöglichkeiten nicht nur die Argumente auf der Primärquelle gründen, sondern einerseits in der engen Ansicht das Koinzidenzverhältnis von Person und Recht widerspruchsfrei erklärt wird und andererseits eine damit kompatible weitergehendere Veranschaulichung des Zusammenhangs von Person und Recht als eine intrinsische Einheit von Rechtsinhaber und Rechtssubjekt in der Person gezeigt wird. Die weiteren
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
Ansichten kommen im Gegensatz hierzu nicht ohne Spannungen oder gar Widersprüche aus und entbehren z. T. einer haltbaren Begründung. Die Schwachstelle der sonst äußerst überzeugenden systematisch-teleologischen Interpretation wurde benannt, es ist das Ausbleiben der exakten Kongruenzverhältnisbestimmung der Konstitutiven von Person und Recht. Genau diese Lücke ist in der engen Interpretationsmöglichkeit geklärt als Teilmenge der Konstitutiven des Rechts unter den Konstitutiven der Person. Die systematisch-teleologische Interpretation stellt den Zusammenhang von Recht und Person als eine Einheit im Ergebnis dar. Die enge Interpretation konkretisiert den Umfang dieser Einheit. Im Ergebnis scheint daher eine Kombination aus der engen Interpretation und der systematisch-teleologischen Interpretation zu überzeugen. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass es auch Recht geben kann, das nicht Recht der menschlichen Person ist. Der Rechtsbereich kann also größer sein als das Recht der Menschen. Kennzeichnend wird aber auch für diesen Bereich die Person als Wesen dieses Rechtes sein. Hier lässt sich ggf. Raum erkennen für etwa göttliches Recht, das nicht in Widerspruch mit der Person-Konstruktion geriete, da auch Gott als Person / Personen gedacht werden kann und das nicht nur in der christlichen Religion. Andererseits aber ist kein Rechtsraum bei Rosmini zu erkennen für tierisches oder organisches Material als Rechtsträger.
III. Überprüfung der These Rosminis Die Argumentation Rosminis ist aus der Retrospektive noch zu befragen hinsichtlich des Anfangspunktes. Befinden sich bei dem Vergleich von Recht und Person zwei Axiome, eines, das Recht definiert, und das andere, das Person definiert und schließt sich hier die Argumentation über den Zusammenhang beider an, dann wäre es eben bloßer Zufall oder wenigstens Ähnlichkeit der Axiome, dass man zur Person als Wesen des Rechts gelangte. Diese Beobachtung erscheint deshalb erwähnenswert, da der Text der Rechtsphilosophie Rosminis einen solchen Eindruck durchaus hinterlassen könnte. Erst in den Fußnoten wird der Leser auf den Grund aufmerksam gemacht, weshalb die menschliche Person als höchstes Aktivitätsprinzip Wesen des Rechts sei. Es handelt sich nämlich nicht um mehrere Axiome, wie die Darstellung streckenweise vermuten lassen könnte, sondern um ein gemeinsames Axiom / Grundprinzip, für das Rosmini Gott anführt. Danach habe der Mensch selbst Anteil mit seiner persönlichen Würde an dem essentiellen Sein selbst, das sich dem Menschen mitteile, insofern es sich seinem Wesen nach offenbart. Dies sei der Grund, warum es die Bezeichnung Licht / Ideal trage.219 Hieraus leitet Rosmini ab, dass die menschliche Würde vom Menschen empfangen werde, durch Verleihung von außen. So stammen alle Rechte des Menschen nicht aus seiner Aktivität selbst, sondern von dem Grund außer seiner selbst, Gott.220 219 220
Vgl. Rosmini 1967, 52 Fn. 2; Rosmini 1993b, 52 Fn. 23. Vgl. Rosmini 1967, 52 Fn. 2; Rosmini 1993b, 52 Fn. 23.
B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption
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IV. Personalität bei Rosmini als „Zeichen des Seins“221 Die oben dargestellte Bedeutung der Personalität für das Recht fügt sich in das Gesamtwerk Rosminis als systematisches Element ein. Denn, wie oben gezeigt, ist die Person gleichsam ein ontologisches Urbild des Rechts im Sinn eines subsis tenten Rechts. Mit Blick auf Rosminis Gesamtwerk kann Francois Evian die Personalität als Zeichen des Seins selbst bei Rosmini formulieren, in dem das Verständnis vom Menschen das Gravitationszentrum des Denkens Rosminis darstelle.222 Als systematisches Element lässt sich die Personalität in der hier untersuchten Rechtsphilosophie mit Blick auf das Gesamtwerk in dem Sinn bezeichnen, in dem Rosmini immer wieder seinen Blick auf die Person aus den unterschiedlichsten Bereichen223 von Ontologie bis hin zur Ökonomie oder Politik richtet. Fraglich ist dabei jedoch, ob anhand der Untersuchungsergebnisse zu Begriffsbedeutung von Person, wie oben im Rahmen der Analyse der Definitionsmerkmale dargestellt ist, die bisher unangefochtene Behauptung bestehen kann, dass „das Eigentümliche der Personalität“ darin bestehe, „im Licht des Selbstbewusstseins die Bedeutung des Seins kundzutun.“224 Was den Personbegriff in der Rechts philosophie anbelangt, stehen zwar Vernunft und Wille als Konstitutive der Person bei Rosmini zur Verfügung und daran knüpft, wie oben dargestellt, die Beherrschbarkeit der Handlung, als für die Rechtsträgereigenschaft entscheidend, an. Dies kann allerdings ggf. nur in einem äußerst weiten Verständnis als eine Kundgabe im Licht des Selbstbewusstseins gefasst werden. Dagegen drängt sich hier eine restriktive Auffassung auf, da gerade der rosminische Rechtsbegriff über den Personbegriff sonst zu sehr in die Nähe des subjektiven Idealismus geriete. Für eine derartige Konzeption findet sich bei Rosmini kein ausreichender Anhaltspunkt. Aber im Ergebnis lässt sich in der rosminischen Konzeption die Formulierung zur menschlichen Person als geometrischen Schnittpunkt der Ontologie225 jedenfalls auch aus Sicht der rosminischen Rechtsphilosophie bestätigen, da für Rosmini die These gilt: „Die Person enthält in ihrer Natur selbst alle Konstitutiven des Rechts: Sie ist schließlich das subsistente Recht, die Essenz des Rechts“,226 und somit liegt auch in der Rechtsphilosophie der Personbegriff in dem Schnittpunkt der Ontologie, wie ihn Evian generell anführt.227
221
Evian 1987, 602. Vgl. Evian 1987, 602. 223 Vgl. Evian 1987, 602. 224 Vgl. Evian 1987, 603. 225 Vgl. Evian 1987, 603. 226 Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, 52; Rosmini 1993b, 52. 227 Vgl. ohne nähere Begründung: Evian 1987, 603. 222
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
C. Metaphysische Voraussetzungen des Rechts Die Frage nach metaphysischen Voraussetzungen des Rechts bei Rosmini wird zugleich zur Entscheidungsfrage nach einer Einordnung von Rosminis Rechtssystem, wie sie bisher nur allgemein für Rosmini ohne Nachweise aus der Rechts philosophie, dafür aber völlig unterschiedlich, beantwortet wurde. Dabei besteht die besondere Spannung durch die konträren Annahmen der bisherigen Forschung zur Einordnung und Stellung Rosminis zum Idealismus. So kommt es, dass gleichzeitig im Jahr 1999 Conzemius zur Bedeutung Rosminis schreibt, dass dieser sich „in der Alternative zwischen den […] Systemen des Sensualismus und des Idealismus […] für den Idealismus“228 entschieden habe. Im Gegensatz hierzu steht die Ansicht Büttemeyers, dass Rosmini sich u. a. auch „gegen den […] Idealismus“229 wandte und „im Anschluss an die patristisch-scholastische Tradition ein ontologisch ausgerichtetes philosophisches System“230 entwickelte. In diesem Spannungsfeld unterschiedlicher Auffassungen steht hier die Frage nach metaphysischen Voraussetzungen des Rechts bei Rosmini mit dem Anspruch konkrete Voraussetzungen aufzusuchen.
I. Person Rosmini gelangt, wie oben gezeigt, innerhalb seiner Rechtsphilosophie und dort innerhalb der Untersuchung der Konnaturalrechte zum Ergebnis, dass die Person das Wesen des Rechts sei. Die begriffliche problematische Weiterführung dieses Verständnisses wurde im Zusammenhang der verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten dargelegt. Auf diesem Hintergrund ist gerade bei der Frage nach einer metaphysischen Voraussetzung mit einer Formulierung, dass „Grund des Rechts die Person selbst ist“231, mit besonderer Vorsicht zu begegnen, soweit bei Muscolino hierfür kein Primärquellennachweis erbracht ist. So besteht in der These Muscolinos, von der Person als Grund des Rechts zu sprechen, die Gefahr, schon einen immanenten Grund in der Person als Absage auf einen weiteren direkten metaphysischen Zusammenhang annehmen zu können und einen solchen wenn überhaupt noch indirekt über die Person möglicherweise als nachweisbar erscheinen zu lassen. Das metaphysische Fundament bestehe nach Muscolino darin, dass „jeder Mensch […] ‚Recht‘ [sei], sofern er als Mensch am idealen, das heißt, göttlichen Sein teilhat“.232 228
Conzemius 2006, 1312. Büttemeyer 1999, 1285. 230 Büttemeyer 1999, 1285. 231 Muscolino 2007, 395. 232 Muscolino 2007, 395. 229
C. Metaphysische Voraussetzungen des Rechts
179
Nach dieser Ansicht ist bei Rosmini der Mensch, das heißt, wenigstens ein Teil des Menschen, soweit hier eine Partizipation am göttlichen Sein gegeben ist, metaphysisches Fundament. Fraglich hieran ist, welche Bedeutung nun dem metaphysischen Fundament eingeräumt ist. Schließlich wird mit der Frage nach einer metaphysischen Voraussetzung nicht nach dem physikalischen Spezialfall des Seins, sondern nach dem tieferen der Erscheinung vorausliegenden Sein gefragt. Die Darstellung Muscolinos weist auf den Menschen als dem Recht vorausliegendes Sein und schafft durch eine menschliche Partizipation am Göttlichen eine wenigstens mittelbare Verbindung zum göttlichen Sein. Aber diese Partizipation stellt dann den entscheidenden Teil im Menschen dar, der als fundamenttauglich für das Recht gewertet wird. Im Ergebnis läuft das metaphysische Fundament auch bei der Interpretation Rosminis durch Muscolino auf das göttliche Sein als Fundament des Rechts hinaus. Der Position des Menschen kommt dabei nur ein gedanklicher Zwischenschritt wenigstens im Ergebnis zu, da Muscolino keine spezifisch menschliche Voraussetzung für das Rechtsfundament erwähnt. Die Vorstellung eines Dreischritts, dass das Fundament des Rechts zunächst göttliches Sein, dieses aber erst vermittelt in menschlicher Partizipation dem Recht als Fundament dient, kann aus der Formulierung Muscolinos nicht entnommen werden, da er schließlich als das dem Recht vorausliegende Sein nicht den Menschen benennt, um dann weiterzufragen, was hinter dem Sein des Menschen als Fundament liegt. Bemerkenswert an Muscolinos Auffassung ist, dass er den in gewisser Weise unmittelbaren Weg zu Gott zwar durch den Menschen, aber ohne eine wesentliche Vermittlung im selben aufzeigt. Rosmini gelangt bei seinen Überlegungen nicht durch die Gesellschaft, sondern nur über die Person, zu einem hinter dem Recht liegenden Fundament, dem göttlichen Sein. Das bedeutet bei Rosmini, dass die bürgerliche Gesellschaft nicht für das Wesen des Rechts entscheidend ist, wie am Ende des vierten Kapitels dieser Untersuchung zur Bedeutung der Koexistenz für Rosminis Rechtskonzeption gezeigt werden konnte, indem schon Koexistenz keine Voraussetzung für die Rechtsbestimmung bei Rosmini darstellt und ihr auch keine entsprechende Wesensbestimmungskompetenz, sondern lediglich eine Regelungskompetenz, eingeräumt ist.233 Bei Rosmini stellen die Gesellschaftsformen immer nur ein defizitäres Gebilde zur theokratischen Societas perfecta dar.234 Rosminis Philosophie stellt sich gespalten dar. Zum einen will Rosmini innerhalb seiner Rechtsphilosophie durchaus transzendentallogisch argumentieren, stellt aber andererseits die Frage nach einem metaphysischen Fundament des Rechts explizit 233 234
Muscolino 2007, 398. Vgl. Rosmini 1969, S 899 ff.
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
außerhalb der eigentlichen Rechtswissenschaft235 als Problem der Theologie und Ontologie auf. Somit kann durchaus von einem gewissen Bruch bei Rosmini gesprochen werden: Innerhalb der Rechtsphilosophie kann Rosmini die Konstitutiven des Rechts problemlos im gewissen Sinn transzendentallogisch benennen. Rosmini bleibt sich aber andererseits durchaus bewusst, dass hinter dieser Transzendentallogik seiner Rechtsphilosophie noch ein weiterer Schritt für die Fragen der Ontologie und Theologie zu machen ist, den er aber innerhalb der Rechtsphilosophie lediglich mit einem Verweis hierauf mitgeht. Somit ist die Rechtsphilosophie Rosminis durchaus auch eine Transzendentallogische. Nur ist die Rechtsphilosophie Rosminis offen und kompatibel mit seiner Ontologie und Theologie, die sich nicht in Transzendentalphilosophie erschöpfen, sondern in diesem Bereich einer Transzendenzphilosophie entsprechen, indem Sie das göttliche Sein in der konkreten Bezeichnung mit Gott als Fundament des Rechts erkennen. Für die eingangs konträren Meinungen zur Einordnung Rosminis als Idealist oder patristisch-scholastischer Metaphysiker ist hinsichtlich der Bedeutung der Person zwar beides zutreffend, jedoch nur in der Kombination: Rosmini stellt sich damit als Kompromiss und Abgrenzung dar. Ein Kompromiss die Person als Wesen des Rechts transzendental zu begründen und dennoch an der „alten“ Auffassung der Metaphysik innerhalb von Theologie und Ontologie als dem Fundament Gottes für das Recht festzuhalten.
II. Vernunft Diese doppelte Ausrichtung oder zweigleisige Vorgehensweise Rosminis, indem er sich auf weiten Strecken, wie insbesondere in der Analyse der Elemente des Rechts, s. o., innerhalb transzendentalphilosophischer Argumentation in der Rechtsphilosophie bewegt und stillschweigend Raum für eine Kompatibilität mit seiner transzendenzphilosophischen Auffassung aus Theologie und Ontologie wahrt, spiegelt sich auch am Beispiel der Vernunft wieder. Innerhalb der Analyse der Elemente des Rechts verwendet Rosmini den Vernunftbegriff als rein transzendentales Element der Person, wie oben gezeigt. Der Vernunftbegriff stellt jedoch auch die metaphysische Verbindung her: Musco lino zeigt, dass nach Rosminis Auffassung „in ihr […] [der menschlichen Vernunft] ein göttliches Licht anwesend [ist], das die Quelle des Rechts selbst darstellt.“236 Somit kann aber mit Blick auf die Rechtsphilosophie Rosminis gezeigt werden, dass die rosminische Rechtsphilosophie allein also solche ohne den Transzendenzbezug nicht nur auskommen kann, sondern sich als eine transzendentale Konzeption darzustellen vermag. Im Hinblick auf die Vernunft liegt ein doppeltes Angebot Ros 235 236
Vgl. Rosmini 1967, S 1 Fn. 2; Rosmini 1993b, 1 Fn. 2. Muscolino 2007, 399 mit weiterem Nachweis.
C. Metaphysische Voraussetzungen des Rechts
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minis vor, je nach Fokuseinstellung: Einerseits eine Rechtsphilosophie als in sich geschlossene transzendentale Rechtskonzeption, die sich eines Vernunftbegriffes bedient, der für die Abgrenzung des Rechtsträgerkreises Verwendung findet, indem Vernunft als eine Eigenschaft im Menschen festgestellt wird, die den Tieren fehlt, s. o., ohne jegliche Anknüpfung am Transzendenzbezug der Vernunft. Andererseits liegt eine transzendenzphilosophische Rechtskonzeption vor, indem Vernunft als Bestandteil des Konstitutivums der Person für das Recht in der Rechts philosophie, als Teil eines philosophisch-theologisch-juristischen Werkes gesehen wird, indem in rationaler Theologie und Ontologie Gott als „Quelle und Ursache des Rechts“237 erkannt wird, was sich dann wiederum auf die Vernunft auswirkt, da in ihr das göttliche Licht erkannt wird und der Zusammenhang so wieder zum Recht auf transzendenzphilosophischer Ebene geschlossen werden kann. Da die transzendentale Rechtskonzeption für sich genommen ohne die transzendenzphilosophische Konzeption ein geschlossenes System ohne Bruch darstellen könnte, mag dies Anlass für eine Kirchenkritik gegeben haben, indem einerseits entweder die Zweigleisigkeit Rosminis nicht erkannt wurde / die Gefahr eines möglichen Nichterkennens der metaphysischen Bezüge gesehen wurde oder andererseits genau diese Zweigleisigkeit als für ein scholastisches Verständnis bedenkliches Rechtskonzept unter dem Schutzmantel der metaphysischen Generalklausel Gottes verstanden werden konnte.
III. Moral In der Rechtsphilosophie Rosminis bildet die Moral neben der Person, wie am Ende des zweiten Kapitels dieser Untersuchung im Rahmen der Rücksichtspflicht gezeigt, ein Konstitutivum für das Recht. Dabei handelt es sich um eine Subjektiv- Objektiv-Konzeption, die keine transzendenzphilosophische Voraussetzung in der Moral zwingend erkennt, aber eine solche ebenfalls nicht grundsätzlich ausschließt. Ein metaphysischer Bezug des Rechts ist über das göttliche Licht in der Vernunft der menschlichen Person zu erkennen. Typisch für die Stellung der Moral in Rosminis Konzept ist die konstitutive Rolle der Moral in ihrer unmittelbaren Verbindung mit der Pflicht, über die Rosmini zu einer Lex aeterna gelangt, wie oben am Beginn des vierten Kapitels dieser Untersuchung zum Prinzip der Moral bei Rosmini dargestellt.
237
Übers. d. Verf.: Rosmini 1967, S 1 Fn. 2; Rosmini 1993b, 1 Fn. 2.
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
1. Die Bedeutung der Moral als Bindeglied zur transzendenten Öffnung im Zusammenhang von Recht- und Pflichtenkorrespondenz Die Bedeutung der Moral als Bindeglied zur transzendenten Öffnung des rosminischen Rechtssystems ist auch bei den Erörterungen Rosminis im Zusammenhang von Recht- und Pflichtenkorrespondenz deutlich geworden: Rosmini bejaht die Existenz von Recht, hinsichtlich der Pflichten gegenüber der impersonalen Wahrheit in Bezug auf Gott, gesehen als moralisches Gesetzes.238 In Rosminis Rechtskonzeption gibt es ein Recht, das der Pflicht korrespondiert, die allein Gott gegenüber besteht, indem Gott als moralisches Gesetzt gesehen wird. Damit ist ein Ergebnis einer Rechtskonstruktion erreicht, die in einer Subsumption auf den christlichen Gott, wie oben gezeigt, Gott im Ergebnis miteinzuschließen vermag, ohne Gott als notwendige Voraussetzung für die Rechtskonstruktion festzusetzen, was Rosmini über das Bindeglied des moralischen Gesetzes aufzuzeigen gelingt. 2. Verbindung von Moral und Recht Rosmini lässt keine gänzliche Trennung zwischen Moral und Recht eintreten.239 Tritt aber eine Trennung des Rechts von der Moral ein, „empfängt es [das Recht] ihr Leben nicht mehr von ihr und verdient in keiner Weise mehr die Bezeichnung des Rechts“240. Rosmini ist es primär an der engen Verbindung von Recht und Moral gelegen. „Für Rosmini fußt die Wissenschaft des rationalen Rechts auf dem ‚Schutz, den die Ethik – dem nützlichen Gut – oder allgemeiner: allen eudämonologischen Gütern […] verleiht‘“241. So kann berechtigter Weise in der Literatur davon ausgegangen werden, dass bezüglich der Moral bei Rosmini ein reversibles Verhältnis der klassischen thomis tischen Ableitung der Moral aus der Metaphysik angenommen werden kann.242 Insbesondere lässt sich aber dazu anmerken, dass ausgehend von Rosminis Recht-Moralkonzeption die Verbindung zur Metaphysik als solche nicht zwingend vorgesehen ist und damit ein reversibles Verhältnis nicht notwendigerweise in Betracht zu ziehen ist. Die metaphysische Voraussetzung in der Recht-Moral Konzeption hängt an der Wahrheitspflicht, über die Rosmini dann zu einem ewigen Gesetz kommt, welches sicherlich dann wieder die zweigleisige Öffnung, als ein in sich geschlossenes Rechtskonzept, nicht zerstört, soweit dieses ewige Gesetz nicht als göttliches Ge 238
Vgl. Rosmini 1967, S. 127; Rosmini 1993a, 280. Vgl. Rosmini 1967, S. 28; Rosmini 1993a, 45. 240 Übersetzung in: Muscolino 2007, 389; Rosmini 1967, S. 28. 241 Vgl. Muscolino 2007, 390. 242 Vgl. Krienke 2004, 677 Fn. 754. 239
C. Metaphysische Voraussetzungen des Rechts
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setz im Sinn einer Lex aeterna als Ius divinum aufgefasst wird, sondern durch eine weite Interpretation als eine Konstante für das transzendentale Rechtssystem von ewiger, im Sinn von unveränderlich bestehender, Funktionsgesetzlichkeit. Zu einem reversiblen Verhältnis, von dem also die Metaphysik durch die Moral erschlossen wird, gelangt man nur durch die Verbindung der beiden Möglichkeiten im Rahmen eines zweigleisigen (transzendentalen und transzendenten) Rechtskonzeptionsmodells. Eine solche reversible Verknüpfung zeigt auf, wie Rosmini die „moralische Form zu einem Konstitutivum der Metaphysik“243 in seiner Teosophie macht.
IV. Gott Bei der Erklärung der juristischen Pflicht als Hervorbringerin des Rechts, wie oben in der Mitte des vierten Kapitels im Rahmen der konzeptionellen Charakteristika des Rechts bei der Darstellung der Bedeutung der Pflicht für Rosminis Rechtskonzeption dargestellt, stellt Rosmini im Zusammenhang mit der negativen Natur der juristischen Pflicht den Bezug zum Höchsten Sein her.244 Dabei bejaht er die Möglichkeit einer Verletzung des Rechts gegen das Höchste Sein, obwohl er die Befugnisse und Eigentümlichkeiten des Höchsten Seins weder für limitierbar noch beschädigbar hält.245 Eine direkte Gottesidentifikation geschieht in diesem Rahmen noch nicht,246 aber eine weitere Identifikation wird gegeben. Rosmini stellt hier die Verbindung des Höchsten Seins mit dem Schöpfer und Höchsten Gesetzgeber her. Aber dabei erfolgt eine aufschlussreiche Aufteilung hinsichtlich der Rechtsverletzung gegen das Höchste Sein: Rosmini sieht hier keine Rechtsverletzung gegenüber dem Menschen, weil es schon an der Pflicht zu einer Wohltat fehle, die vom Schöpfer auferlegt wurde. Dagegen sieht Rosmini aber in derselben Konstellation eine Verletzung einer juristischen Pflicht gegen den Höchsten Gesetzgeber, der das Recht hat, die Vorschrift aufzuerlegen und deren Erfüllung zu verlangen.247 Andererseits stellt Rosmini hier die Annahme gegenüber, die Pflicht als vom Licht der Vernunft auferlegt, ohne einen Bezug zum Höchsten Gesetzgeber aufzufassen. Diese Pflicht könne nicht als juristische Pflicht bezeichnet werden.248 Hier vollzieht sich ein qualitativer Durchbruch Rosminis. Beide entgegengesetzten Meinungen sieht er als vereinbar. Den Ausgangspunkt, einerseits das Höchste Sein, der Schöpfer, der Höchste Gesetzgeber, andererseits die reine 243
Krienke 2004, 677. Vgl. Rosmini 1967, S. 135; Rosmini 1993a, 302. 245 Vgl. Rosmini 1967, S. 135; Rosmini 1993a, 302. 246 Die Gottesidentifikation des Höchsten Seins legt Rosmini erst später und zwar im vierten Band der Rechtsphilosophie bei der Abhandlung über das Diritto soziale zu Beginn der Darlegung des Rechts der societa teocratica vor, vgl. Rosmini 1969, S. 867. 247 Vgl. Rosmini 1967, S. 136; Rosmini 1993a, 302. 248 Vgl. Rosmini 1967, S. 136; Rosmini 1993a, 302. 244
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
Vernunft, kann Rosmini schließlich im Ergebnis vereinen. Die Pflicht zur Wohltat behindert weder die anderen in Ausübung ihrer eigenen Aktivität, noch verletzt sie jemanden.249 Warum aber verletzt sie niemanden im Gegensatz zu der Wohltat, die vom Höchsten Gesetzgeber angeordnet ist? Den Grund hierfür führt Rosmini nicht eigens aus. Es scheint ihm wohl so sehr offensichtlich, dass die Verletzung im ersten Fall gegen den Höchsten Gesetzgeber vorliegt und im zweiten Fall eben keine Verletzung gegen die Vernunft möglich erscheint. Das bemerkenswerte daran ist, dass erstens die Vernunft hier scheinbar keine Einforderungsberechtigung besitzt, hinsichtlich der von ihr angeordneten Wohltaten. Ein Widersetzen zu der von der Vernunft auferlegten Pflicht kann damit als einfach nicht juristisch bezeichnet werden, wie Rosmini meint,250 weil einfach niemand behindert oder geschädigt werde. In der Zusammenführung der beiden Ansichten, dass die Pflicht, einerseits der Höchste Gesetzgeber, andererseits das Licht der Vernunft, setze, steht eigentlich der Widerspruch: Warum sollte die Vernunft als pflichtauferlegendes Prinzip nicht auch bei der Nichterfüllung der Pflicht ebenso verletzt sein wie ein Höchster Gesetzgeber. Hier löst sich das Problem scheinbar in der Zuspitzung der Frage um die Möglichkeit einer positiven Pflicht, eine Wohltat zu vollbringen, durch die Nebeneinanderstellungen des Auferlegers der Pflicht, wofür Rosmini verschiedene Quellen vergleicht. Dabei kommt er aber nur bei einem Höchsten Gesetzgeber als Auferleger der Pflicht zu einer juristischen Pflicht. Bei der Vernunft als Auferleger der Pflicht kommt er zu keiner juristischen Pflicht und zeigt dies am selben System der Überprüfung durch die Frage nach der Verletzung oder Behinderung des Handelns des anderen. Da die Fragen für Rosmini systemgerecht beantwortbar sind, meint Rosmini die beiden Ansichten vereint zu haben.251 Jedoch gibt es hier Schwachstellen. Erstens ist nicht ersichtlich ohne nähere Begründung, warum keine Verletzung gegen die Vernunft vorliege, wenn man dieser nicht folge im Gegensatz zum Höchsten Gesetzgeber, da die beiden ggf. identifiziert werden könnten, was Rosmini, wie dieser Umkehrschluss zeigt, eben nicht tut. Zweitens bedeutet die Behauptung, die beiden Ansichten vereint zu haben, dass beide Ansichten sich nicht widersprechen, dass es also Pflichten gebe, die die Vernunft auferlegen könne und Pflichten, die der Höchste Gesetzgeber auferlegen könne, wobei nur die ersteren Pflichten als juristische qualifiziert werden. Damit werden die Pflichten, die die Vernunft auferlegt, als nicht juristisch gewertet und im Ergebnis werden die Ansichten nur insoweit versöhnt, dass Rosmini beiden zugesteht positive Pflichten auferlegen zu können. Das Entscheidende, welche Qualifikation die Pflichten haben, kann er jedoch nicht vereinbar auflösen, indem er den Pflichten ein gleiches Gewicht zuordnet und damit den Prinzipien unterschiedliches Gewicht zuteilt, die diese Pflichten auferlegen. 249
Vgl. Rosmini 1967, S. 136; Rosmini 1993a, 302. Vgl. Rosmini 1967, S. 136; Rosmini 1993a, 302. 251 Vgl. Rosmini 1967, S. 136; Rosmini 1993a, 302. 250
C. Metaphysische Voraussetzungen des Rechts
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Im Ergebnis steht damit jedenfalls nur eine scheinbare Versöhnung der beiden Meinungen, was bedeutet, dass eben für Rosmini nicht jedes Prinzip, wie etwa das Licht der Vernunft, eine positive juristische Pflicht aufzuerlegen vermag. Eine Differenzierung der Prinzipien ist hier von Rosmini getroffen, ob sie schon für ein Bekenntnis zum christlichen Gott als dem Höchsten Gesetzgeber gesehen werden kann, scheint an dieser Stelle als offener Prinzipienbegriff jedenfalls mit dem christlichen Gott kompatibel. Ein kritisches Moment für die Bewertung der Rechtsphilosophie Rosminis ist dabei insbesondere der Vorwurf der „mangelhaften Begründung der Idee der Autorität, welche bei Rosmini allzu sehr hinter die modernen Anschauungen eines abstrakten Vernunftrechtes zurücktrete“252. Konkreter Vorwurf gegenüber Rosmini ist hier ein Absehen von gesellschaftlichen Über- und Unterordnungsverhältnissen.253 Der Kritiker sieht hier die Stabilität der Gesellschaft gefährdet, indem kein beherrschender Wille mit exekutiver Potenz in Stellvertretung zum göttlichen Willen eine autoritative Funktion mehr einnehme.254 Rosminis Auffassung vom Wesen des Rechts geht von der Person als Konstitutivum, wie oben gezeigt, aus im Gegensatz zu anderen Auffassungen seiner Zeit, die den konstitutiven Ansatzpunkt in sog. natürlichen Erscheinungsformen gesellschaftlicher Art, wie die von Familie oder Staat, betrachten.255 Der Vorwurf ist sicher treffend und zeigt die Stärke der Rechtskonzeption Rosminis, die nicht auf eine Erscheinung des realen Seins wie Gesellschaftsformen das Recht konstituiert, sondern weit hinter diesen Erscheinungen nachfragt, um zunächst zu seiner transzendentalphilosophischen Rechtskonzeption zu gelangen. Das damit verbundene Wegfallen eines etwaigen Stabilisierungsversuchs mittels äußerer wechselnder Autoritäten und Gesellschaftsformen verleiht dem Konzept Rosminis überzeitliche Aktualität, wenn Rosmini seinen transzendentalphilosophisch geprägten Aufbau der Rechtskonzeption auf Handlung, Subjekt, Person und damit Vernunft, eudämonologisches Gut, Erlaubtheit und moralische Pflicht aufbaut. Die Vorwürfe scheinen somit begründet und heben den Wert der Konzeption Rosminis in besonderer Weise zu den Strömungen seiner Zeit, insbesondere im Umfeld der Stabilisierung weltlicher und kirchlicher Macht angesichts einer auf den Umbruch durch Revolutionen geprägten europäischen Gesellschaftssituation. Hier spiegelt sich die gegenwärtige gesellschaftliche umgebrochene multikulturelle Situation wieder, die nach Stabilisierung strebt, wofür wiederum Rosminis transzendentalphilosophisch geprägter Aufbau der Rechtskonzeption auf Handlung, Subjekt, Person und damit Vernunft, eudämonologisches Gut, Erlaubtheit und moralische Pflicht in der Gegenwart in Erscheinung treten könnte.
252
Werner 1884, 234. Vgl. Werner 1884, 234. 254 Vgl. Werner 1884, 234. 255 Vgl. Werner 1884, 234 f. 253
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5. Kap.: Ontologische Rechtsbegründung
Andererseits läuft die harte Kritik gegen Rosmini gleichzeitig ins Leere auf Grund des im ontologischen Begründungsnachweis gezeigten doppelten oder zweigleisigen Aufbaus seiner Rechtskonzeption. Denn auch wenn die Vernunft nun in dieser transzendentalphilosophischen Rechtskonzeption die Autorität nach Ansicht der Kritiker zu ersetzen scheint, ist immerhin das Konzept Rosminis im Ganzen zu betrachten, wonach eben diesem wesentlichen Konstitutivum der Vernunft im Rahmen der Person dennoch das göttliche Sein innewohnt, wie oben gezeigt. Diese Verbindung wird zwar nicht innerhalb der Rechtsphilosophie, sondern aus der Verbindung der Rechtsphilosophie mit Ontologie und Theologie gesehen, wodurch das Konzept Rosminis keinen Umbruch bezüglich kirchlicher oder gar göttlicher Autorität andeuten will, sondern ein einheitliches Konzept darzustellen vermag, das den ontologischen Gottesbezug des Rechts in seinen Konstitutiven in umfassender Sicht erst hintergründig aufweist, aber auch einen praktischen Rechtsbegriff liefert, der rein transzendental ohne Transzendenzbezüge ein dennoch in sich soweit geschlossenes Rechtssystem ohne einen expliziten Ausschluss von Transzendenz beinhaltet. Hierin ist ein variables und tolerantes Konzept geboten, in welchem dem von den Kritikern Rosminis vermissten Ius divinum einerseits letztendlich ein ontologisch indisponibler Standort zugewiesen wird, es andererseits aber auch als rational reduzierte Vernunfterkenntnis eingeordnet werden kann, ohne in Widersprüche zu geraten. Im Ergebnis ist der Höchste Gesetzgeber für Rosmini nicht mit der Vernunft identisch. Die Titel des Schöpfers und Höchsten Gesetzgebers verwendet Rosmini als identisch. Die Konzeption des Rechts durch die juristische Pflicht ist auf einen Höchsten Gesetzgeber hin konstruiert. Der christliche Gott ist als Höchster Gesetzgeber nicht absolut explizit identifiziert. Eine Kompatibilität des christlichen Gottes ist zur Rechtskonzeption Rosminis gegeben. Eine multikulturelle Kompatibilität unterschiedlicher Verständnisse des Höchsten Gesetzgebers könnte wie bei Rosmini ihre Verbindung im rechtskonzeptionellen Aufbau auf Handlung, Subjekt, Person und damit Vernunft, eudämonologisches Gut, Erlaubtheit und moralische Pflicht zunächst finden in Offenheit hin auf die unterschiedliche Erkenntnis des Schöpfers.
Conclusio Die Frage, inwieweit es Recht in einem diskursiven multikulturellen Ansatz nach den Impulsen von Rosmini geben kann, ist der Rahmen dieser Untersuchung. Die Suche nach der Begründung des Rechts scheint in einem sich wandelnden Europa an Dringlichkeit zu gewinnen im gesellschaftlichen Umbruch des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlichster Grundauffassungen sowohl religiöser, kultureller, politischer, ethischer und philosophischer Überzeugungen. In diesem Spannungsfeld, von alles ist möglich als Recht zu begründen, solange der Zusammenhalt der Gesellschaft nicht durch erheblichen Widerspruch in Gefahr scheint, bis hin zur Abschottung einzelner Grundüberzeugungen, die für die andere Position keine Kompatibilität erkennen, wollen die vorliegenden Zeilen einen Argumentationsbeitrag leisten. Bei der gegenwärtigen Suche nach einer tragfähigen Definition von Recht und nach einem belastbaren Konzept von Recht, unter sich ändernden gesellschaft lichen Bedingungen, erscheint die Stimme des Vordenkers, Antonio Rosmini. Er, Rosmini, wurde hier befragt, welchen Beitrag seine Rechtsphilosophie zur Frage nach dem Recht einerseits in definitorischer Hinsicht und andererseits in konzeptioneller Weise zur Reflexion ausgewählter Fragen zur Sicht der Rechtskonzeption für die Gegenwart leisten kann. Mit der Ermittlung und Analyse der Rechtsdefinition als „eine facultas agendi nach Belieben, geschützt vom moralischen Gesetz, das darüber hinaus anderen die Berücksichtigung befiehlt.“1 und der Untersuchung der konzeptionellen Charakteristika wurde der Untersuchungsrahmen2 vorbereitet für Fragen nach ontologischen Fundierungen des Rechtsbegriffs im Rahmen der Ethik- und Personkonzeption Rosminis, für weitere Klärungen der ambivalent schillernden Konzeptionsgrundlagen in Person, Vernunft, Moral und Gott hinter den Rechtselementen. Im Einzelnen ist dies in folgenden Schritten dargestellt: In einem ersten Kapitel kann die Definierbarkeit von Rosminis Rechtsbegriff und das Vorliegen eines einheitlichen Rechtsbegriffs bei Rosmini gezeigt werden.
1 Übers. d. Verf.: „Il diritto è una facoltà di operare ciò che piace, protetta dalla legge morale, che ne ingiunge ad altri il rispetto“ (Rosmini 1967, S. 107); „Right is a faculty to do what we please, protected by the moral law which obliges others to respect that faculty“ (Rosmini 1993a, 237). 2 Zu den Ergebnissen vgl. die zusammenfassenden Darstellungen am Ende der jeweiligen Kapitel.
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Conclusio
Ein zweites Kapitel legt ausgehend von der Handlungsbefugnis die fünf konstitutiven Elemente des rosminischen Rechtsbegriffs dar und untersucht sie: Subjekt-Aktivität, personale Aktivität, Handlungswert, Handlungserlaubtheit und Rücksichtspflicht. In einem dritten Kapitel kann nachgewiesen werden, wie Rosmini hier einen eigenständigen Ansatz vom Rechtsbegriff im Spiegel ausgewählter Strömungen der Begrifflichkeiten entwickelt, der Berührungspunkte aufweist, aber doch mehr als nur von kombinatorischer Innovation geprägt, einen homogen eigenen Rechtsbegriff darstellt. Ein viertes Kapitel weitet den Fokus der Untersuchung von der Rechtsdefinition auf konzeptionelle Charakteristika des Rechtsbegriffs durch die Untersuchung der Grenzen des Rechtsbegriffs, wie sie sich aus den konstitutiven Elementen ergeben. Als formgebendes Prinzip der rosminischen Rechtskonzeption wird die Pflicht in ihrer Recht hervorbringenden Bedeutung dargestellt. Schließlich wird die subsidiäre Bedeutung der Koexistenz gegenüber dem Eigentümlichkeitsprinzip als Handlungslimitationsgrund in Rosminis Rechtskonzeption erörtert. Nach einem Blick auf konzeptionelle Charakteristika stellt die Untersuchung die ontologische Begründung der rosminischen Rechtskonzeption auf Moral und Personalität in einem fünften Kapitel dar. Die Untersuchung gelangt zum Ergebnis einer zweigleisigen Konzeption hinsichtlich der metaphysischen Voraussetzungen des Rechts, bei der sich Rosmini auf weiten Strecken innerhalb transzendentalphilosophischer Argumentation hinsichtlich der Voraussetzungen von Person, Vernunft, Moral und einem Gottesbegriff bewegt, aber konkludent Raum für eine Kompatibilität mit seiner transzendenzphilosophischen Auffassung aus Theologie und Ontologie wahrt und somit eine Parallele belastbarer Anhaltspunkte für einen tragfähigen Spannungsbogen im gegenwärtigen multikulturellen Umfeld mit identitätskombinierender Rechtskonzeption aufzeigt:
A. Die multikulturelle Rückbindungseignung der Ethik in Rosminis Rechtskonzeption Im Zusammentreffen von theoretischer Perzeption mit praktischer Rekognition gelangt Rosmini zum Moralbegriff. Rosmini unterscheidet dazu die Notwendigkeit und die Freiheit des Erkennens sowie Wahrheits-Urteile von Wert-Urteilen. Die Ausführungen Rosminis zur Perzeption, die dem Erkennen und Urteilen bzw. Würdigen des Erkannten vorangeht, und zum Urteilen auf Grund der Perzeption geben Aufschluss auf seine Sicht der moralischen Handlung. Damit knüpft Rosmini seine Voraussetzungen der Ethik seiner Rechtskonzeption nicht an dem Menschen vorgelagerte kulturelle Bedingungen, sondern setzt bei den Erkenntnisfähigkeiten des Menschen selbst an.
A. Die multikulturelle Rückbindungseignung der Ethik
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Dabei vollziehen sich die Handlungen des Menschen im Umfang der rechtlichen Freiheit innerhalb der Limitation und der Proprietät des Menschen, wie die Untersuchung aufzeigt. Freiheit und Proprietät fordern dabei die schuldige Rücksicht auf die determinierte Aktionsfreiheit der gleichen Berechtigung der anderen Personen mit ihren Aktionsfreiheiten. Trotz der Freiheit ist für Rosmini das Prinzip der Moral kein bloßes Prinzip der Wahl. Es gibt für ihn eine Pflicht zur Wahrheit das Erkannte so zuerkennen, wie es ist, und die Dinge so zu sehen, wie sie sind. Die erste moralische Pflicht ist für Rosmini die Wahrheitspflicht. Damit schafft Rosmini eine gemeinsame Grundlage des Erkennens als Ausgangspunkt für die Moral als einen gleichsam kleinsten gemeinsamen Nenner auch in einem und gerade für ein multikulturelles Umfeld im Spannungsverhältnis der Proprietätsberücksichtigung des Einzelnen und damit des jeweils auch noch so sehr vom anderen Verschiedenen über die limitierte Handlungsfreiheit aller Menschen auf Grund der Rücksicht auf Handlungsfreiheiten der gleichen Berechtigung der anderen Menschen mit ihren Aktionsfreiheiten. Das Spannungsverhältnis dieser weiten Berücksichtigung aller Eigentümlichkeiten und der Einbeziehung aller Unterschiedlichkeiten im gesellschaftlichen Rahmen findet durch die Rückkoppelung an die Wahrheitspflicht bei Rosmini statt. Dabei endet aber sein multikulturell geeigneter Beginn nicht in einer Sackgasse, etwa bei der Frage, was ist Wahrheit. Auch findet beim Wahrheitsbegriff nun keine religiöse oder kulturelle Determination statt. Rosminis Wahrheitspflicht besteht vielmehr in einer überkulturellen Anforderung, nämlich die Dinge so zu erkennen, wie sie sind. Damit wird die Wahrheitspflicht nicht zum trennenden, sondern zum verbindenden Element zwischen der Proprietät des Einzelnen und der gesellschaftlichen auch multikulturellen Gesamtheit. Die Wirkung der moralischen Relation zwischen Objekt und Mensch zeigt Rosmini am Recht des Besitzes als Schutz des moralischen Gesetzes, der den Besitz gewährleistet. Rosmini ordnet die Moral für die Existenz des Rechts ein als Abhängigkeit des Rechtes vom moralischen Gesetz, als einer Instanz, die als Garant für das Recht fungiert und aus der der Schutz aller Rechte entspringt. Dies könnte nun allerdings zunächst als Störfaktor erscheinen, um Recht multikulturell begründen zu können, da auf den ersten Blick die Anknüpfung des Rechtes an die Moral zunächst die unterschiedlichsten Moralvorstellungen je nach kultureller Ausprägung in Erinnerung rufen könnte. Bei näherer Analyse der Rechtskonzeption Rosminis mit der Rückbindung des Rechtes an die Moral zeigt sich jedoch wiederum die Weite Rosminis: Mit der Begründung der Moral auf die Wahrheit und die Lex aeterna greift Rosmini auf Termini der christlich-abendländischen Tradition zurück, ohne aber jedoch eine exklusiv christliche Identifikation weiter durchblicken zu lassen. Dabei löst sich Rosmini von transzendenten Fundierungsansätzen der Moral gleichzeitig, wenn er letztlich den Menschen selbst und sein Umfeld, das sich aus dem Willen des Menschen selbst konstituiert, als Erkenntnis und Konstitution der Moral sieht, ohne an dieser Stelle schon auf eine transzendente causa für die Konstruktion der Moral zurückgreifen zu müssen. Denn die Moral entstehe im komplexen Wollen
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Conclusio
des Menschen, wo Partikularität und Universalität gleichzeitig und nebeneinander auftreten können. Dies ist die entscheidende Voraussetzung für die komplexe Erfassung des größeren Seinzusammenhangs in dem der einzelne Mensch steht. Jedoch bleibt dabei die Universalität grundsätzlich offen für eine Interpretation, darin auch Transzendentes, das die diesseitige Welt übersteigt und an eine höhere moralische Entität anknüpfen könnte, erblicken zu können. Darin liegt wohl nun auch die Besonderheit der Konstruktion Rosminis, dass ein transzendentaler Aufhänger für die Moral hier nicht bejaht werden muss, um seiner Philosophie zu folgen, aber gleichzeitig ein solcher Aufhänger doch denkbar Platz hat, je nach Weltbild. Damit wird ein besonders hohes Maß an Stabilität der Konstruktion der Moral hier erreicht, auf eine Art, wie sie im katholischen Milieu Rosminis nicht ohne weiteres zu erwarten war und vielmehr für ein multikulturelles Konzept spricht, da nicht nur die transzendentale Option als Erkenntnis in der Rechtskonzeption vorgesehen ist, sondern diese auch weder kulturell noch religiös definiert ist. Es scheint, als ob hier Rosmini bewusst weiten Raum für die transzendentale Rückbindung seiner Rechtskonzeption auf multikulturelle Perspektive hier einräumt, weil er möglicherweise auch keine konkrete Nation oder bestimmte Gesellschaftskultur notwendig exklusiv vor Augen hatte bei der Konzeption seiner Rechtsphilosophie, sondern sich offensichtlich um ein weites, möglichst stabiles Konzept für Menschen in dieser Welt bemüht.
B. Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption Der Untersuchungsabschnitt zur Personalität als ontologische Voraussetzung für Rosminis Rechtskonzeption setzt bei der Frage nach dem Zusammenhang von Recht und Person an. Dann wird der Bedeutung der Person als subsistentes Recht nachgegangen und schließlich verschiedene Verständnismöglichkeiten des Zusammenhangs von Recht und Person diskutiert und abgewogen: Den Zusammenhang von Recht und Person zeigt Rosmini schon im Rahmen der Darstellung des Personmerkmals im zweiten Rechtselement, der personalen Aktivität. Der Rechtsbegriff Rosminis nimmt hier eine Person als Urheber der eigenen Handlungen an, wobei Erkenntnis und Wille für die Handlungsausführung entscheidend sind. Die Handlung hängt letztlich für Rosmini nicht vom Subjekt selbst ab, sondern von der Natur des Subjekts, die wiederum von einem Urheber des Universums, ohne Angabe einer weiteren Bestimmung dieses Urhebers, abhänge. Die Rechtskonzeption hängt damit wesentlich am Personverständnis, das als Ratio und Intelligenz in Form des Willens von Rosmini verstanden wird, wobei für Rosmini der Intellekt als vorrangig zur Ratio, als ein Prinzip der Ratio, betrachtet wird. Die Personalität dient bei Rosmini für die Rechtskonzeption auch als Abgrenzungskriterium des Rechtsträgerschaftskreises. Das Persönlichkeitsmerkmal stellt für Rosmini die Abgrenzung zu sensualistischen, voluntaristischen und materialistischen Theorien
B. Personalität als ontologische Voraussetzung
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dar. Rosminis eindeutige Negation der Frage nach Rechten von Tieren grenzt seine Position von der frühen römischen Tradition und gegenwärtigen Diskursansätzen der ökologischen Ethik ab. Die Rechtsträgerschaft wird am Personkriterium festgeschrieben und gerade an der Weite des Personbegriffs entscheidet sich letztlich der Rechtsträgerschaftskreis. Als Schwachstelle Rosminis ergibt sich hier die mangelnde Präzision der Ausfaltung der Voraussetzungen des Personbegriffs, da nicht gezeigt wird, dass bzw. wieweit und unter welchen wissenschaftlichen Kriterien Wille und Verstand in der Tierwelt oder darüber hinaus ausgeschlossen werden können. Rosmini beschränkt sich lediglich auf die Unterscheidung der freien von Wille und Vernunft determinierten Handlung als menschliche Handlung gegenüber der instinktiven tierischen Handlung, ohne weitere Differenzierungsmöglichkeiten aufzusuchen. Im Ergebnis gelingt es Rosmini eine inkarnatorische Beheimatung des Rechts in der Person zu konzipieren, jedoch ohne hinreichende Erklärung der exklusiven Limitation des Rechts auf die menschliche Person. Die weitere Untersuchung der Einschränkung des Rechts auf die Person als subsistentes Recht führte in der jüngeren Literatur u. a. zu einer Identitätsfeststellung von Person und Recht. Der Identitätsnachweis ist bei Rosmini selbst nicht aufgestellt oder sonst entfaltet in der These zum Zusammenhang von Person und Recht, dass die Person in ihrer Natur selbst alle Konstitutiven des Rechts enthält als subsistentes Recht, als die Essenz des Rechts.3 Die Überprüfung der präzisierten Auffassung dieser so genannten Identitätsfeststellung ergab letztlich, dass Identität nicht im Sinn eines exakten Kongruenzverhältnisses von Recht und Person nachgewiesen werden kann. Eine Entscheidung unter den verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten von weiter, enger, ontologischer und systematisch-teleologischer Interpretation für eine Auffassung eines kombinatorischen Verständnisses der so genannten Identität von Recht und Person wird entwickelt, indem im Rahmen einer systematisch-teleologischen Interpretation die Einheit von Recht und Person nachgewiesen wird und andererseits kombiniert mit dem Verständnis einer so genannten engen Interpretation als Teilmenge das Koinzidenzverhältnis von Person und Recht aufgezeigt werden kann. Der Personbegriff erscheint als ein ontologisches Urbild des Rechts im Sinn eines subsistenten Rechts. Somit kann Francois Evian gefolgt werden, der die Personalität als Zeichen des Seins selbst bei Rosmini formuliert, indem das Verständnis vom Menschen das Gravitationszentrum des Denkens Rosminis darstelle.4 In der rosminischen Konzeption findet die Formulierung zur menschlichen Person als geometrischer Schnittpunkt der Ontologie5 jedenfalls auch aus Sicht der rosminischen Rechtsphilosophie ihre Bestätigung. Mit der hohen Bedeutung, die der Person in der Rechtskonzeption hier als subsistentes Recht eingeräumt wird, setzt Rosmini einen weiteren Verbindungsbogen 3
Vgl. Rosmini 1967, 52; Rosmini 1993b, 52. Vgl. Evian 1987, 602. 5 Vgl. Evian 1987, 603. 4
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Conclusio
in multikultureller Hinsicht, da er einen weiten und umfassenden Personbegriff verwendet, wie oben dargestellt, der nicht an einer kulturellen Zugehörigkeit festgemacht wird. Dabei wird die oben kritisierte Unschärfe im Personbegriff nun zur Stärke in multikultureller Hinsicht, da der Personbegriff durch die Unschärfe noch eine zusätzliche Weite erfährt.
C. Metaphysische Voraussetzungen des Rechts Schließlich kommt die Untersuchung zur Einordnung von Rosminis Rechtssystem mit der Frage nach metaphysischen Voraussetzungen des Rechts bei Rosmini. Zusammenfassend kann gezeigt werden, wie unterschiedlich diese Einordnung in der Literatur bisher wenigstens allgemein für Rosmini noch ohne Nachweise aus der Rechtsphilosophie zu beantworten versucht wurde.
I. Person Anhand der Personstellung als Wesen des Rechts in Rosminis Rechtskonzeption innerhalb der Rechtsphilosophie wird die Verständnismöglichkeit als metaphysische Voraussetzung des Rechts reflektiert und im Ergebnis kann festgestellt werden, dass Rosminis Philosophie der Entwicklung des Rechts nicht in eine Transzendentalphilosophie führt, in der es kein weiteres übergeordnetes Fundament für das Recht als Apriori gibt. Rosmini argumentiert innerhalb seiner Rechtsphiloso phie durchaus auch transzendentallogisch, stellt aber andererseits die Frage nach einem metaphysischen Fundament des Rechts explizit außerhalb der eigentlichen Rechtswissenschaft6 als Problem der Theologie und Ontologie auf. Somit kann durchaus von einem gewissen Bruch bei Rosmini gesprochen werden: Innerhalb der Rechtsphilosophie kann Rosmini die Konstitutiven des Rechts problemlos im gewissen Sinn transzendentallogisch benennen. Rosmini bleibt sich aber andererseits durchaus bewusst, dass hinter dieser Transzendentallogik seiner Rechtsphilosophie noch ein weiterer Schritt für die Fragen der Ontologie und Theologie zu machen ist, den er aber innerhalb der Rechtsphilosophie lediglich mit einem Verweis hierauf mitgeht. Die Rechtsphilosophie Rosminis ist offen und kompatibel mit seiner Ontologie und Theologie, die sich nicht in Transzendentalphilosophie erschöpfen, sondern in diesem Bereich einer Transzendenzphilosophie entsprechen, indem sie das göttliche Sein in der konkreten Bezeichnung mit Gott als Fundament des Rechts erkennen. Mit dieser Konzeption erreicht Rosmini nicht nur ein einen multikulturellen Horizont für seine Rechtskonzeption, sondern über einen auch multireligiösen Ansatz liefert er eine Vorgabe seines ontologischen Ansatzes, der mit multireligiösen und 6
Vgl. Rosmini 1967, S 1 Fn. 2; Rosmini 1993b, 1 Fn. 2.
C. Metaphysische Voraussetzungen des Rechts
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multikulturellen Ansätzen im Einklang steht, da er seine Rechtskonzeption sowohl transzendentallogisch als auch transzendent und im letzten ontologisch zu begründen vermag.7 Somit erhält der Rechtsbegriff hier nicht nur eine Weite, sondern zugleich Klarheit in der Begründung und darüber hinaus Absicherung gegen eine Pervertierung in Konzepte, die der Person zu wider laufen durch die Verankerung der Rechtskonzeption in seinem ontologischem Konzept.
II. Vernunft Diese doppelte Ausrichtung Rosminis, indem er sich auf weiten Strecken innerhalb transzendentalphilosophischer Argumentation in der Rechtsphilosophie bewegt und stillschweigend Raum für eine Kompatibilität mit seiner transzendenzphilosophischen Auffassung aus Theologie und Ontologie wahrt, spiegelt sich auch am Beispiel der Rolle der Vernunft in der Rechtskonzeption wider. Es kann gezeigt werden, dass bei Rosmini einerseits der Vernunftbegriff als rein transzendentales Element der Person verwendet wird und andererseits im Vernunftbegriff auch die metaphysische Verbindung belegt ist durch das göttliche Licht in der Vernunft als Quelle des Rechts.
III. Moral Der Moralbegriff in der Rechtskonzeption steht bei Rosmini in unmittelbarer Verbindung zur Pflicht, über die Rosmini zur Lex aeterna gelangt. Moral ist das Bindeglied zur transzendenten Öffnung des rosminischen Rechtssystems, wie aus dem Zusammenhang von Recht- und Pflichtenkorrespondenz gezeigt werden konnte, da Rosmini die Existenz von Recht, hinsichtlich der Pflichten gegenüber der impersonalen Wahrheit in Bezug auf Gott, gesehen als moralisches Gesetz, bejaht. Es ist eine Rechtskonstruktion erreicht, die Gott im Ergebnis miteinzuschließen vermag, ohne Gott als notwendige Voraussetzung für die Rechtskonstruktion festzusetzen, was Rosmini über das Bindeglied des moralischen Gesetzes aufzuzeigen gelingt.
7 Die multikulturelle Kompatibilität der Rechtskonzeption Rosminis konnte unter einer ganzen Reihe von Untersuchungsaspekten in der Arbeit immer wieder nachgewiesen werden. Dabei war das Ziel nicht Redundanzen zu erzeugen, sondern mit der Kumulation der Ergebnisresultate die vielfache Dimension der multikulturellen Kompatibilität herauszustellen mit dem Progress hier eine komplex multikulturelle Konzeption nachzuweisen statt auf einzelne kompatible Ansatzpunkte zu verweisen.
194
Conclusio
IV. Gott Die Untersuchung stellt Gott als Voraussetzung von Rosminis Rechtsbegriff am Beispiel der Pflicht heraus, wo Rosmini auf die Verbindung des Höchsten Seins mit dem Schöpfer und Höchsten Gesetzgeber abstellt. Rosmini sieht einerseits in der Verletzung einer juristischen Pflicht einen Verstoß gegen den Höchsten Gesetzgeber, der das Recht hat, eine Vorschrift aufzuerlegen und deren Erfüllung zu verlangen. Andererseits vertritt Rosmini demgegenüber die Auffassung, die Pflicht als vom Licht der Vernunft auferlegt zu betrachten, ohne einen Bezug zum Höchsten Gesetzgeber anzunehmen, soweit allerdings diese Pflicht nicht als juristische Pflicht bezeichnet wird. Im Ergebnis gelangt er nur zu einer scheinbaren Versöhnung seines bisher als zweigleisig bezeichneten Ansatzes, da es sich hier zeigt, dass eben für Rosmini nicht jedes Prinzip, wie etwa das Licht der Vernunft, eine positive juristische Pflicht aufzuerlegen vermag, wie der Höchste Gesetzgeber. Letztlich bleibt die innere Spannung nach der Frage der Notwendigkeit eines transzendenten Gottes für Rosminis Rechtskonzeption durchgehend aufrechterhalten bis hin zur Formulierung des Höchsten Gesetzgebers, der nicht identisch mit Vernunft, aber identisch mit der Schöpferbezeichung verwendet wird, und auf den Gottesbegriff hinweist. Die Differenzierung der Prinzipien als Ursprung von Pflichten erscheint als offener Prinzipienbegriff, der sich jedenfalls mit dem christlichen Gottesbegriff wiederum als kompatibel erweist, ohne explizite Identifizierung bei Rosmini zu erhalten, wobei letztlich die Stärke der so entfalteten Zweigleisigkeit der transzendent / transzendentalen Rechtskonzeption Rosminis gezeigt werden kann. Gerade diese Stärke stellt sich als Fundament der Begründung einer Rechtskonzeption in multikulturellem Umfeld dar. Die festgestellte innere Spannung nach der Notwendigkeit eines transzendenten Gottes erweist sich hier nicht als Bruch in dieser Rechtskonzeption, sondern gerade als Spannungsbogen. Möglicherweise kommt eine Rechtskonzeption in multikultureller Gesellschaft nicht ohne diesen Spannungsbogen aus, vielleicht aber bedarf sie gerade eines solchen Spannungsbogens, um Unterschiedlichkeiten in kompatible Konzepte zu transformieren, ohne Identitätsverluste zu erleiden oder in unscharfe Prinzipien abzugleiten, die für die immer größere Realität Gottes keinen Raum lassen und dadurch langfristig für den Menschen welcher Kultur auch immer keine humane Stabilität zu garantieren vermögen, da hierbei nach Rosmini die Grundvoraussetzung für jede moralische Entscheidung, die Dinge so zu erkennen wie sie sind, ausgeblendet würde, was zu einer nur scheinbaren Rechtskonzeption führen könnte. Wenn in Europa kein Raum in der Rechtsbegründung für die Religion und damit auch für Gott ist, trennt sich Europa in diesem Moment nicht nur von seinen christlichen Wurzeln und seinem Geschichtsbewusstsein, sondern dann hängt sich Europa auch von zukunftsträchtigen Entwicklungen mit Religion ab. Will Europa einer multikulturellen Gesellschaft gerecht werden, dann muss es auch Recht in der Dimension für eine multikulturelle Gesellschaft hervorbringen,
C. Metaphysische Voraussetzungen des Rechts
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in der der Religion der ihr angemessene Platz eingeräumt wird, um so Menschsein in Würde zu garantieren, statt den Schutz der Menschenwürde zu reduzieren, sowohl von Anfang des Lebens an bis hin zum assistierten Suizid auf Grundlage des Persönlichkeitsrechts.8 Dem assistierten Suizid wird aus der Einschätzung des Moments unabhängig von sowohl transzendentalen noch transzendenten Voraussetzungen als Teil des Rechts seine Rechtsgrundlage verkündet und darin Person nicht mehr als subsistentes Recht im Sinne Rosminis verstanden, da der Person das Recht des existentiellen Endes des Personseins zugesprochen wird und damit durch die Beendigung der Person die Deckungsgleichheit der Konstitutiva9 der Definitionen entzogen wird und dadurch die Person in diesem Moment nicht mehr subsistentes Recht ist, sondern das Recht nun den subsistenten Tod der Person regelnd umfasst. Will Europa einer multikulturellen Gesellschaft gerecht werden, dann könnte es gelingen, Religion und Europa multikulturell weiterzudenken und zu verbinden, statt Isolationen und Parallelgesellschaften zur erzwingen, weil im öffentlichen Raum der Gesetze und des Rechtes weder Platz für Gott noch für den Gottesbegriff ist. Eine so tiefgreifende und tiefsitzende gesellschaftliche Komponente wie die Religion zu ignorieren, bedeutet nicht inhaltlichen Fortschritt, um größere Kompatibilität zu Atheismus bis hin zu Nihilismus zu erreichen. Es bedeutet vielmehr, weit hinter die Errungenschaft des deutschen Grundgesetzes mit seinem präambulatorischen Verantwortungsbewusstsein vor Gott und den Menschen zurückzufallen10 und ein künstliches Recht zu kreieren, auf das wenig Verlass ist, da hier die Realitäten nicht mehr umfassend abgebildet sind. Antonio Rosmini hat aufgezeigt, wie er unterschiedliche Sichtweisen im Spannungsbogen verbinden kann. Er tut dies als Jurist und Philosoph vornehmlich. Im Hintergrund steht jedoch auch seine Ausbildung als Kanonist und als solcher, der das Recht der Kirche kennengelernt hat, weiß er um die Kraft des Kirchenrechtes, Rechtskulturen zu verbinden in weltweit umspannender kulturübergreifender gesetzlicher Geltung kirchlicher Gesetzgebung, weil Kirche weder jemals national gedacht war und nicht auf Kulturen begrenzt konzipiert wurde, sondern immer in weltweiter Sendungsmission ihren Auftrag verstand auch und gerade in der Konzeption von verbindenden Rechtsstrukturen. 8 Vgl. hierzu den ersten Leitsatz zum Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2020: „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben“ (BVerfG vom 26.02.2020 – 2 BvR 2347/15). 9 Insbesondere entfielen schon automatisch die definitorischen Elemente Subjekt-Aktivität, Personale Aktivität und ggf. Rücksichtspflicht evident neben ggf. Handlungswert und Handlungserlaubtheit, da es gerade um die Nichtaktivität von Subjekt und Handlung als Ziel des Rechtes auf assistierten Suizid geht. 10 Die heute in Diskussion geratene „Verantwortung vor Gott“ in der Präambel des GG der BRD vom 23.05.1949 ist keine Selbstläufer-Abbildung einer früheren Verfassung aus der Paulskirchenverfassung, 1849 oder aus den Reichsverfassungen, 1871 und 1919, da dort kein Gottesbezug vorkommt, sondern eigenständige Errungenschaft in Konsequenz der Erfahrung des gottlosen NS-Staates.
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Bundesverfassungsgericht BVerfG vom 22.10.2014 – 2 BvR 661/12, BVerfGE 137, 273, = NZA 2014, 1387 = KuR 2014, 235. BVerfG vom 26.02.2020 – 2 BvR 2347/15.
204
Appendix
Abkürzungsverweise Allgemeine sowie theologische / philosophische Abkürzungen richten sich nach: Lexikon für Theologie und Kirche, Abkürzungsverzeichnis, hrsg. v. Kasper, Walter m. a., Freiburg im Breisgau u. a.: Herder, 31993. Juristische Abkürzungen richten sich nach: Dax, Peter / Hopf, Gerhard (Hrsg.), Abkürzungs- und Zitierregeln der österreichischen Rechtssprache und europarechtlicher Rechtsquellen (AZR). Samt Abkürzungsverzeichnis und Hinweisen für die sprachliche Gestaltung juristischer Texte im Auftrag des Österreichischen Juristentages hrsg. v. Dax, Peter / Hopf, Gerhard, bearbeitet v. Maier, Elisabet, Wien: Manz, 82019.
Personenverzeichnis Aristoteles 59, 82, 115, 196 Bacci, Antonio 43, 196 Battaglia, Felice 148, 196 Benedictus XVI. / Benedikt XVI. 9 f., 26–28, 196 Bergbohm, Karl Magnus 71, 196 Beyer, Wilhelm 92, 196 Boethius, Anicius Manlius Severinus 46, 150, 196 Brieskorn, Norbert 79 f., 82, 84 f., 89, 92, 196 Brunello, Bruno 134, 196 Büchner, Karl 80, 82, 196 Büttemeyer, Wilhelm 178, 196 Capograssi, Giuseppe 148, 155 f., 158–160, 168, 173, 196 Carlo, Eugenio 89, 117, 134, 196 f. Chiantella, Bruno 45, 58, 62, 64 f., 74, 197 Chiappetta, Luigi 44, 197 Cicero, Marcus Tullius 60, 197 Cleary, Denis 53, 63, 108, 201 f. Composta, Dario 42, 45, 197 Conzemius, Victor 26, 178, 197 Credaro, Luigi 144, 197 Croce, Benedetto 62, 132, 197 Dossi, Michele 41, 46, 49–51, 55 f., 149, 158, 173, 197 Evian, Francois 177, 191,197, 201 Ferrarese, Gianfranco 49, 197 Ferronato, Marta 32, 36, 49 f., 53 f., 135, 158 f., 162, 169 f., 173 f., 197 Fichte, Immanuel Hermann 145, 197 Folkers, Horst 85 f., 89–92, 198 Freud, Sigmund 125, 198 Gargano, Nazario 45, 62, 198 Gentile, Giovanni 136 f., 198
Gonella, Guido 62, 64, 74, 132–137, 143, 198 Grave, Christian 141, 143, 198 Hallermann, Heribert 43, 44,198 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 9, 14, 18, 79, 90–93, 145, 196, 198 f., 202 Hesiod 47 f., 198 Hobbes, Thomas 13, 18, 79, 83–86, 93, 146 f., 151 f., 198 Höllhuber, Ivo 42, 44, 198, 201 Hügli, Anton 148, 198 Hühn, Helmut 145, 198 Janke, Wolfgang 61 f., 199 Johannes Paulus II / Johannes Paul II. 9 f. Joseph Kardinal Ratzinger 10 Kant, Immanuel 9, 14, 17 f., 21, 25, 29–31, 42, 61 f., 69, 79, 85–91, 93, 120 f., 137, 142, 145, 147, 150 f., 198–200, 202 f. Käppel, Lutz 59, 199 Knebel, Sven 145,199 Köstler, Rudolf 44, 199 Krienke, Markus 41 f., 133, 142, 182 f., 197,199, 200 Külpe, Oswald 62, 131, 199 Landi, Pasquale 42 f., 64, 74, 81 f., 199 Leder, Matthias 146, 150, 199 Leo XIII. 9 Leibniz, Gottfried Wilhelm 42, 199 Leimbacher, Jörg 152,199 Lieberwirth, Rolf 43, 199 Liebrucks, Bruno 92, 199 Liermann, Christiane 26, 200, 202 Lilla, Vincenzo 41, 200 Lisser, Kurt 90, 200 Locke, John 147, 150, 200 Luf, Gerhard 123, 200 Maggiore, Guiseppe 19, 116–119, 200
206
Personenverzeichnis
Meder, Stephan 68, 144, 200 Menke, Karl-Heinz 26, 200 Mercadante, Francesco 21, 162 f., 173, 200 Meyer, Hans 59, 200 Meyer-Abich, Klaus Michael 152, 200 Michaelis, Carl 145, 200 Montesquieu, Charles 60 f., 200 Muscolino, Salvatore 142, 159, 178–180, 182, 200
Scherer, Georg 146, 202 Schild, Wolfgang 146, 202 Schweizer, Albert 152, 155, 202 Seo, Yunho 91, 93, 202 Siep, Ludwig 146, 202 Sleumer, Albert 43, 202 Stadler, Christian Maria 7, 121 f., 137, 202 Strömholm, Stieg 69, 202
Ohly, Christoph 7 Orecchia, Rinaldo 45, 58, 62, 64, 73–75, 96, 148, 155 f., 200 f.
Thomas von Aquin 10, 13, 18, 72, 79, 81– 86, 93, 115, 135, 144, 146 f., 150–152, 171, 196, 198, 203 Vecchio, Giorgio del 115, 203
Pius IX. 9 Potz, Richard 7, 11 Puchta, Georg Friedrich 68, 201 Pufendorf, Samuel v. 42, 48, 61, 67, 201 Pugliatti, Salvatore 135, 201 Rees, Wilhelm 7 Ricken, Friedo 152, 201 Riva, Clemente 53, 201 Roggero, Giancarlo 142, 201 Rüthers, Bernd 29, 202 Savigny, Friedrich Carl von 68, 202
Ulpian 13, 17, 79–83 Vollmer, Matthias 144, 203 Vorländer, Karl 144, 203 de Wall, Heinrich 43, 203 Watson, Terence 53, 63, 108, 201 f. Werner, Karl 138, 185, 203 Wimmer, Franz Martin 125, 147, 203 Zamboni, Giuseppe 136, 203 Zeiller, Franz von 17, 70 f., 77, 120, 203
Sachverzeichnis Alteritas-Konstruktion 19, 116, 118 f. Alteritas-Konzeption 114, 128 Anthropologie 30, 46, 49–54, 141 f., 150, 197 Definitionsermittlung 13, 15, 29, 112 Ethik 11, 14, 20, 22, 28, 59, 61, 74, 130 f., 138, 147,152, 153, 155, 182, 187 f., 191, 201–203 Eudämonie 17, 58 f., 62, 99, 101, 106, 127, 199 Eudämonologie 59, 61, 199 Eudämonologie-Konstruktion 59 Europa 28, 67, 147, 187, 194 f., 199, 204 Gesellschaft 13, 15, 25, 27, 74 f., 89, 100, 113, 179, 185, 187, 194 f., 200 Gesetzeskonstruktion 70 Gottesbegriff 106, 188, 194 f. Handlungsbeschränkung 14, 20, 96, 113, 119 f., 121,122, 123 f., 128 Handlungserlaubtheit 10, 13, 17, 63, 67, 70, 77, 127,188, 195, Handlungswert 10, 13, 16 f., 57, 76 f., 127, 188, 195
Personale Aktivität 10, 13, 16 f., 44, 46 f., 55, 56,76, 140,188,195 Personalität 11, 14, 16, 20–22, 28, 37, 48, 55, 58, 92, 98, 101, 106 f., 125, 127, 130, 139,143, 144–146, 151–153, 177, 188, 190 f., 199 Personbegriff 50–56, 76, 127, 140–143, 146–151, 153, 155–157, 166, 175, 177, 191 f., 202 Persontheorie 16, 49 Pflicht 10 f., 14, 17, 19 f., 45, 64, 73–75, 77 f., 83, 90, 93–98, 101–119, 121 f., 128, 134, 165, 171, 181–186, 188 f., 193 f. Rechtsanthropozentrik 17, 61, 77 Rechtselemente 10, 13, 16, 19, 41, 45, 76, 102, 107, 110, 127, 146, 166, 187 Rechtsbegründung 11, 13–15, 20, 25, 28, 130 Rechtskonstruktion 85, 107, 110, 182, 193 Rechtsträgerkreis 52, 146 f., 149, 181 Rechts- und Personkonstruktion 152 Rehabilitation 13, 25 f. Rücksichtspflicht 10, 13, 17 f., 73, 77 f., 97–102, 127, 181, 188, 195
Idealismus 10 f., 29, 69, 134, 177 f. Koexistenz 10, 14, 18, 20, 80, 82–84, 86–89, 93, 96, 113, 118–129, 179, 188
Sensualismus 21, 144 f., 178, 203 Subjekt-Aktivität 13, 16 f., 45, 76, 127, 188, 195 Subsistenz 22,167
Moralphilosophie 30,137 Naturrechtsbegriff 17, 60 f., 68, 77 Ontologie 11, 30, 177, 180 f., 186, 188, 191–193, 202
Transzendentallogik 11, 180, 192 Transzendenzbezug 180 f. Transzendenzphilosophie 180, 192 Voluntarismus 11, 21, 145, 199