"Wer Jude ist, bestimme ich": "Ehrenarier" im Nationalsozialismus 9783412217037, 9783412222161


115 50 6MB

German Pages [360] Year 2014

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

"Wer Jude ist, bestimme ich": "Ehrenarier" im Nationalsozialismus
 9783412217037, 9783412222161

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Volker Koop

»Wer Jude ist, bestimme ich« »Ehrenarier« im Nationalsozialismus

2014 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Reichsmarschall Hermann Göring (Mitte) schreitet im März 1938 nach dem »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich in Begleitung von Luftwaffenoffizieren (links Generalinspekteur der Luftwaffe Erhard Milch) eine Ehrenformation im oberösterreichischen Wels ab. (Foto: akg-images)

© 2014 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D–50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Lektorat: Annalisa Viviani, München Umschlaggestaltung: Peter Frommann, Köln Satz: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Druck und Bindung: Finidr s.r.o., Český Těšín Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the Czech Republic ISBN 978-3-412-22216-1

Inhalt   7 Einleitung   13 Hitlers Judenhass und Judennähe   18 Exkurs: Judenfeindlichkeit im deutschsprachigen Raum   33 Die Nürnberger Rassengesetze   66 Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NS-Führung 101

Der 20. Juli: Auftrieb für NS-Rassisten

115

Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

184

Hitlers Alibi-Juden bei den Olympischen Spielen in Berlin

194

Der Disput um die »biologische Wirklichkeit«

213

Hans Hinkel – Goebbels’ Wächter der Kulturpolitik

219

Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

258

Emil Maurice – Hitlers früher Gefolgsmann

272

Robert Feix – »Halbjude« unter Himmlers Schutz

280

Hitlers Kritik an der Judenfreundlichkeit der Bündnispartner

298

Schlussbetrachtung

Anhang 301 Dank  302 Abkürzungen  303 Zitierhinweis 304 Anmerkungen  333 Archive  334 Ausgewählte Literaturhinweise  338 Bildnachweis  339 Personenregister

Inhalt  5

Einleitung

Der Maler Anton Leidl aus München schrieb am 20. April 1942 an das Reichsinnenministerium und stellte eine heikle Frage.1 Er war von Dr. Paul Heisel, dem Chefchemiker der I.G. Farben in Gersthofen, gebeten worden zu erkunden, ob es »tatsächlich einen Ehrenarier-Pass gibt«. Leidl hatte seiner Anfrage eine Liste mit Erfindungen des Chemikers beigefügt, um dessen Bedeutung zu unterstreichen. Besonders befasste sich Heisel mit chemischen Kampfstoffen sowie mit Ausgangsstoffen für neuartige Sprengstoffe. Dennoch zeigte Leidl sich hinsichtlich einer positiven Beantwortung seines Briefes skeptisch, denn bei Heisel handelte es sich um einen sogenannten Halbjuden. Und die galten im »Dritten Reich« nicht viel, es sei denn, sie waren für die Kriegswirtschaft wichtig oder hatten einflussreiche Förderer. Zwar hatten sich die Werksleitung wie auch der zuständige NS-Gauobmann für Heisels Verbleib in dem Unternehmen eingesetzt, doch ob die Entscheidung zugunsten des Chefchemikers fallen würde, war mehr als unsicher. Einen »Ehrenarier«-Pass gebe es nicht, antwortete im Auftrag des Reichsinnenministers Ministerialrat Johannes Kaibel am 24. April 1942 und riet Heisel, »ein Gesuch um Gleichstellung mit deutschblütigen Personen zu stellen«.2 Einen derartigen Antrag hielt der Ministerialrat für nicht aussichtslos, denn Heisel hatte zwar eine jüdische Mutter, aber einen »vollarischen« Vater. Zudem hatte er neuartige künstliche Kautschukmassen, Lackrohstoffe sowie Weichmacher und Lösungsmittel, Ausgangsmaterialien für Kunststoffe, neue Klebmassen, Riechstoffe, Schädlingsbekämpfungsmittel und Textilstoffe entwickelt. Außerdem war er während seiner Münchner Studentenzeit Mitglied des Epp’schen Freikorps3 gewesen und hatte sich somit frühzeitig für die »Bewegung« eingesetzt, was im »Dritten Reich« mehr galt als manch anderes Verdienst. Am 16. Juli 1943 richtete Kaibel ein weiteres Schreiben an Leidl und informierte ihn darüber, das Heisels Gesuch inzwischen an das Bayerische Staatsministerium des Innern weitergeleitet worden war.4 Bedenken gegen eine »ausnahmsweise« Bearbeitung des Gesuchs bestünden nicht, »falls die Einleitung  7

vom Gesuchsteller behauptete Kriegswichtigkeit zutreffen sollte«. Wie lange die Bearbeitung des Antrags dauern werde, lasse sich aber nicht abschätzen. Die Frage nach dem »Ehrenarier-Pass« wirft ein Schlaglicht auf den Wahnwitz der nationalsozialistischen Rassenpolitik und auf die Willkür, mit der auch in diesem Bereich vorgegangen wurde. Nicht erst mit den Nürnberger Rassengesetzen vom 15. September 1935 und den folgenden zahlreichen Verordnungen teilten die Nationalsozialisten Menschen in unterschiedliche Kategorien ein: in Deutschblütige, Artverwandte oder Artfremde, in Juden, jüdische Mischlinge, Geltungsjuden oder in jüdisch Versippte und in »Kleiderjuden«, um nur die wichtigsten zu nennen. Sie waren vom »Rassegedanken« besessen und setzten ihn – ohne merkbaren Widerstand der Bevölkerungsmehrheit – rigoros in allen Bereichen des Staates um: in der Wirtschaft, der Politik, in Reichswehr beziehungsweise Wehrmacht und im Alltag. Allein Hitler vermochte dank seiner Machtuneingeschränktheit als »Führer« die rassische Einordnung von Menschen zu ändern. Damit war er auch in diesem Bereich Herr über Leben und Tod. Aus »Mischlingen 1. Grades« machte er »Mischlinge 2. Grades«, und solche stellte er bisweilen »Deutschblütigen« gleich. Auf der einen Seite wollten die Nationalsozialisten das Judentum auslöschen – in Deutschland, in den besetzten Gebieten und schließlich weltweit. Hitler gab an, dass selbst nach einem halben Jahrtausend »jüdisches Blut« die Physiognomie eines Menschen bestimmen würde. Andererseits stellte er »Mischlinge« – und häufig auch deren Nachkommen – Deutschblütigen gleich, was die Verfechter der reinen NS-Rassenlehre zur Verzweiflung brachte. Denn mit einer solchen Erklärung, einem solchen »Gnadenakt«, wurde »die Ausrottung« jüdischen Bluts schlicht unmöglich. Die »Gleichstellung mit Deutschblütigen« bedeutete jedoch keinesfalls, dass sich die Betreffenden dauerhaft in Sicherheit wiegen konnten. Häufig wurde sie nur vorläufig ausgesprochen, da Hitler eine endgültige Entscheidung erst nach dem Ende des Krieges treffen wollte. Den Begriff des »Ehrenariers« gab es im damaligen amtlichen Deutsch nicht. Er entsprach im Wesentlichen dem »Deutschblütigen«, wobei wiederum unterschieden wurde zwischen jenen, die trotz eines Anteils jüdischen Blutes oder einer jüdischen Partnerin bzw. eines jüdi8  Einleitung

schen Partners zum Beispiel dem öffentlichen Dienst weiterhin angehören durften. Anderen besonders Bevorzugten war es zudem gestattet, in der Partei zu bleiben und dort sogar Ämter auszuüben. Der systemimmanente Zynismus zeigte sich auch hier: In einem Flugblatt der Gaupropagandaleitung Berlin wurde behauptet: »Diese Ausnahmebestimmungen bedeuten keine Rücksichtnahme auf den Juden, sondern sie bezeugen Achtung vor deutschem Blut selbst im Mischling.«5 Es gab nur eine unumstößliche Größe bei der Genehmigung von Ausnahmen und Sonderregelungen im Kontext mit den Rassengesetzen: Parteigrößen oder Minister konnten zwar Weichen stellen, vorschlagen und vortragen, doch waren sie stets auf Hitlers Zustimmung angewiesen. Dass beispielsweise immer wieder Reichsmarschall Hermann Göring der Ausspruch zugeschrieben wird »Wer Jude ist, bestimme ich«, trifft nicht den Sachverhalt, denn Göring hatte in diesen Fragen keinerlei Befugnis und war somit nicht in der Lage, in diesem Bereich überhaupt etwas zu bestimmen. Es ist bezeichnend, dass alle Erklärungen, mit denen »Mischlinge« zu »Deutschblütigen« erklärt wurden, den Hinweis enthalten: »Nach Vortrag beim Führer …« Manchmal wird als Urheber dieses Satzes auch der Wiener Bürgermeister Karl Lueger genannt, der mit seinem Anfang des 20. Jahrhunderts propagandistisch und religiös motivierten Antisemitismus als Impulsgeber Hitlers galt. Aber auch diese Behauptung lässt sich nicht nachweisen. Propagandaminister Joseph Goebbels oder Reichsmarschall Göring werden bisweilen als Pragmatiker dargestellt, weil sie in ihrem Umfeld Personen duldeten, die den NS-Rassekriterien nicht entsprachen. Doch hatte dies häufig persönliche Gründe. Insbesondere Goebbels, der als »Schürzenjäger« bekannt war, nutzte die Möglichkeit, um schöne Frauen, die er erobern wollte, trotz »rassischer Bedenken« mit Sondergenehmigungen zu fördern. Das ändert nichts daran, dass Goebbels und Göring überzeugte militante Antisemiten waren. Und wenn Hitler eine Zeit lang seine schützende Hand über den jüdischen Arzt seiner Mutter, seinen früheren Kompaniechef oder seinen ehemaligen Fahrer hielt, dann allenfalls aus einem Anflug von Sentimentalität. Da es in den Nürnberger Rassengesetzen von 1935 lediglich hieß: »Der Führer und Reichskanzler kann Befreiungen von den Vorschriften der Ausführungsverordnungen erteilen«, ohne hierfür Voraussetzungen Einleitung  9

zu definieren, waren der Willkür Tür und Tor geöffnet. Hier wurde ein verdienter Offizier zum »Deutschblütigen« erklärt, dort ein für das Regime wichtiger Unternehmer oder Forscher. Der eine mit einer jüdischen Frau Verheiratete musste aus der NSDAP austreten, der andere durfte in ihr bleiben. In dem einen Fall galt die Bewährung als Frontoffizier, in dem anderen der frühe Einsatz für die »Bewegung«, in einem dritten hatte beides kein Gewicht. Häufig schien auch Korruption eine Rolle gespielt zu haben. Jedenfalls lässt sich das aus einer Äußerung von Propagandaminister Goebbels schließen, der zufolge in der von Philipp Bouhler geleiteten Privatkanzlei Hitlers »Gnadengesuche zum Teil auf dem Bestechungswege« erledigt worden waren.6 Diese Vermutung wird durch die Historikerin Beate Meyer erhärtet. Sie beschreibt einen Vorgang, nach dem der Hamburger Reichsstatthalter und Gauleiter Karl Kaufmann die »halbjüdischen« Stiefkinder eines Kaufmanns für arisch hatte erklären lassen. Im Gegenzug hatte er eine großzügige Spende für die von ihm geleitete und verwaltete »Hamburger Stiftung von 1937« bekommen.7 Für die Prüfung der Anträge und für die Vorlagen an Hitler war federführend das Reichsinnenministerium zuständig, das oft auf »erbbiologische Gutachten« des Reichssippenamtes zurückgriff. Doch gerade diese Stelle, die Hüter des Rassenwahns hätte sein sollen, erwies sich im nationalsozialistischen Sinn als unzuverlässig und empfahl – für die NS-Rassenfanatiker zu häufig –, dem Ersuchen der Antragsteller stattzugeben. Die wesentlichen Quellen für die Befassung mit dieser Thematik finden sich vor allem im Bundesarchiv und sind weit verstreut. Die Bestände der Partei-Kanzlei der NSDAP, der Reichskanzlei, des Reichsministeriums des Innern beziehungsweise der Justiz, des Propagandaministeriums sowie von Himmlers SS sind hier ebenso ergiebig wie – vor allem im Hinblick auf die Wehrmacht – die Akten des Bundesarchivs in Berlin und seiner Abteilung Militärarchiv in Freiburg. Über Hitlers »halbjüdischen« ersten Fahrer Emil Maurice geben die Spruchkammerakten des Staatsarchivs München Auskunft ebenso wie über den Staatskommissar Hans Hinkel, der das kulturelle Leben »judenfrei« machen sollte. Bezüglich Dotationen für den »halbjüdischen« Staatssekretär und Generalfeldmarschall Erhard Milch ist das Hauptstaatsarchiv München ertragreich, während dessen Geburtsurkunde das Stadtarchiv 10  Einleitung

Wilhelmshaven verwahrt. Zu empfehlen sind die Arbeiten von Beate Meyer (Jüdische Mischlinge – Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933–1945) sowie eine Reihe von Ausarbeitungen des Instituts für Zeitgeschichte München. Manche der bisherigen Veröffentlichungen sind mit gewisser Skepsis zu betrachten, beispielsweise Bryan Mark Riggs Hitlers jüdische Soldaten. Abgesehen davon, dass allein der Titel Fragen aufwirft, ging der Autor mit teils fragwürdigen Methoden vor. So schätzt er die Zahl der »jüdischen Soldaten« auf 150 000 und hat damit ein weltweites Medienecho hervorgerufen. Das Rechenkunststück basiert allerdings auf einer angenommenen und durch nichts begründeten »Nettofortpflanzungsrate« von zwei bis drei Kindern pro »Mischehe«. Auf diese Weise kommt Rigg zu der Behauptung, es habe 150 000 jüdische Wehrmachtsangehörige gegeben. Dabei zitiert er Literatur, die ihn selbst widerlegt: Etwa 42 Prozent der »Mischehen« waren kinderlos, circa 26 Prozent hatten ein Kind, 17 Prozent zwei und nur 15 Prozent drei oder mehr Kinder. Es braucht keine »Sensationshascherei«, um den Wahnwitz der NSRassenpolitik und verbunden damit den Umgang mit ihr darzustellen. Es gab im »Dritten Reich« nur einige Hundert sogenannte Ehrenarier. Der Leiter des Referats »Rassenpolitik« im Reichsministerium des Innern, Bernhard Lösener, nannte für den Zeitraum bis September 1942 ganze 394 Gleichstellungen mit »Deutschblütigen«. Da von diesem Zeitpunkt an die Genehmigung von Ausnahmebestimmungen erheblich restriktiver gehandhabt wurde und nach dem 20. Juli 1944 praktisch keine »Ehrenarier« mehr ernannt wurden, kann man davon ausgehen, dass deren Zahl letztlich die 500 nicht überschritten haben dürfte. Völlig anders gestaltete sich die Situation für die »Mischlinge« oder »jüdisch Versippten«, die im Bereich der Kultur, und insbesondere im Film, tätig waren. Gerade hier wurden zahlreiche Sondergenehmigungen ausgesprochen. Die Betroffenen wurden zwar nicht »heraufgestuft«, durften aber weiterhin auftreten oder in Filmen mitwirken, um – wie der nach NS-Diktion »jüdisch versippte« Heinz Rühmann – die kriegsmüde und leidgeprüfte Bevölkerung abzulenken oder zu erheitern. Der Zynismus, mit dem die Nationalsozialisten in Rassenfragen mit Menschen umgingen, zeigt sich an folgender Anweisung: Reinhard Heydrich, der Chef der Sicherheitspolizei und des SD stellte am Einleitung  11

26. August 1942 klar, dass Reichsdeutsche, die zum jüdischen Glauben übergetreten waren, auch weiterhin als »Deutschblütige« behandelt werden sollten, wenn sie nach Deutschland zurückkehren wollten.8 Ihrer Rückkehr ins Reichsgebiet stand damit nichts im Wege, machte man sie glauben. Den folgenden Teil des Befehls wird man wohlweislich verschwiegen haben: »Da es sich hierbei jedoch um stark belastete Personen handelt, werden sie sofort nach Grenzübertritt einem Konzentrationslager überstellt. Nach einer gewissen Haftzeit wird dann geprüft werden, ob eine Haftentlassung in Betracht kommen kann.« Im »Altreich« und in den besetzten Gebieten konnten die Nationalsozialisten ihre »Rassengesetze« zu einem großen Teil umsetzen, was Millionen Menschen, in erster Linie Juden, das Leben kostete. Bemerkenswerterweise aber dachten einige der »Verbündeten« gar nicht daran, dem NS-Regime auf diesem Weg bedingungslos zu folgen. Immer wieder mokierten sich NS-Führer darüber, dass beispielsweise in Kroatien oder in Ungarn das Instrument der »Ehrenarierschaft« zu exzessiv angewandt wurde. Selbst in Mussolinis Italien wurden zahlreiche jüdische Mitbürger gerettet, indem sie zu »Ehrenariern« erklärt wurden. Schließlich gestand das NS-Regime den Japanern, die Hitler in Mein Kampf noch als minderwertige Rasse bezeichnet hatte, pauschal den Status von »Ehrenariern« zu, um die asiatische Achsenmacht als Verbündeten nicht zu verprellen. Wenn man sich mit »Ehrenariern« befasst, wird man oft keine genauen Zahlen nennen können, sondern sich auf die Spekulation zurückziehen müssen. Das ist aber nicht erforderlich, denn die nationalsozialistischen Rassengesetze und die Willkür, mit der sie teilweise umgangen wurden, sprechen eine allzu deutliche Sprache. Sie stehen weiterhin für das pathologische Rassendenken der Nationalsozialisten, dem kaum jemand im »Dritten Reich« widersprochen oder sich gar entgegengestemmt hatte.

12  Einleitung

Hitlers Judenhass und Judennähe

Hitler war von einem völlig irrationalen Hass auf Juden und alles Jüdische erfüllt und hat daraus auch nie einen Hehl gemacht. Über sechs Millionen Menschen – in erster Linie Juden, darüber hinaus Angehörige anderer völkischer Minderheiten – ließ er in seinem Wahn brutal ermorden. Dabei wurde er in seiner Liquidierungswut, in der Lust zu quälen, von einigen seiner engsten Vertrauten sogar noch übertroffen. Dazu zählt zweifellos der Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, der für die Massenermordung von Juden ebenso verantwortlich war wie für die unsäglichen Foltermethoden und Experimente an Menschen in den Konzentrationslagern des NS-Regimes. Der ehemalige Laborant in einer Fabrik für künstliche Düngemittel Himmler hatte sogar eine Begutachtung aller Deutschen in »rassischer Hinsicht« gefordert. »Rassenkenner« sollten nach dem Krieg jeden Deutschen durch »praktische Inaugenscheinnahme« begutachten, um »gutes« von »schlechtem Blut« zu trennen und Letzteres auszumerzen.1 Aber es waren durchaus nicht immer die führenden Repräsentanten des Systems, die besondere Härte in der Verfolgung von »Nichtariern« an den Tag legten. Es war oft genug die »zweite Reihe«, die direkt oder über Vorlagen an ihre vorgesetzten Minister oder Parteifunktionäre über Leben und Tod von Menschen entschied wie im Fall des SS-Obersturmbannführers Adolf Eichmann, Leiter des für die Organisation der Vertreibung und Deportation der Juden zuständigen Referats des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) in Berlin. Dasselbe galt auch für den Kommandanten des Konzentrationslager Auschwitz, SS-Obersturmbannführer Rudolf Höß. Im Reichsministerium des Innern ist beispielsweise Staatssekretär Wilhelm Stuckart zu nennen, der schon 1922 in die NSDAP und dann 1936 in die SS eingetreten war. Er war wesentlich an der Formulierung der Nürnberger Rassengesetze sowie an den Durchführungsverordnungen beteiligt. Unter anderem leitete er als Vorsitzender die Geschicke der »Kommission zum Schutz des deutschen Blutes«. Gegen Kriegsende war Stuckart, der als Staatssekretär auch an der berüchtigten Hitlers Judenhass und Judennähe  13

Wannseekonferenz teilgenommen hatte, auf der die »Endlösung der Judenfrage« beschlossen worden war, in der kurzlebigen Flensburger Regierung Dönitz Reichsinnenminister. Ein weiterer Täter war Ministerialdirektor Hans Hinkel, ab 1930 Reichstagsabgeordneter für den Wahlkreis 3, Potsdam, und Staatskommissar im Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung. 1933 veröffentlichte er in seiner Funktion als »beauftragter Führer des als Herausgeber zeichnenden Berliner Kampfbundes für Deutsche Kultur« eine Übersicht über das Kabinett Hitler, die verrät, wes Geistes Kind er war. Er schrieb: »Wenn sich eine neue deutsche Kultur entwickeln soll, so ist das nur möglich im Schatten der Macht.«2 Hinkels vorrangiger Auftrag lautete, das deutsche Kulturleben grundlegend zu »entjuden«. Seine Abteilung »Besondere Kulturaufgaben« war zuständig u. a . für die Erfassung der Juden, »Mischlinge« und »jüdisch Versippten«, ihre Ausschaltung aus dem Kulturleben sowie ihre Deportation. In seinen Funktionen als Reichsfilmintendant und Leiter der Filmabteilung im Propagandaministerium war es vor allem Hinkel, der Sondergenehmigungen für Schauspieler und andere Kulturschaffende im Bereich des Films gegenüber Goebbels befürwortete oder ablehnte und damit in das Leben vieler Menschen eingriff. In der Frankfurter Zeitung vom 6. April 1933 verkündete Hinkel bereits, Klemperer und Walter seien von der musikalischen Bühne verschwunden, weil es nicht mehr möglich gewesen sei, diese » jüdischen Kunstbankrotteure« vor der Stimmung des deutschen Publikums zu schützen. Hinkel war stolz darauf, dass, wie er es formulierte, »in den ersten Jahren des Dritten Reiches alle Rassejuden von der künstlerischen oder sonstig kulturschaffenden Betätigung innerhalb des deutschen Bereiches« ausgeschaltet worden waren.3 Die nur ganz seltenen Ausnahmen bei Frontkämpfern und alternden Personen bestätigten die Regel, dass nach NS-Auffassung »rassisch artfremde Menschen nicht in der Lage sind, deutsche Kulturgüter zu pflegen, zu verwalten oder gar zu gestalten«. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang nicht zuletzt Walter Tießler, der seine NS-Karriere zunächst als Angehöriger der Gaupropagandaleitung München gestartet hatte und dann als Abteilungsleiter für Propaganda im Stab »Stellvertreter des Führers« und damit als Verbindungsmann zum Propagandaministerium fortsetzte. Tießler gehörte zu den radikalsten Rassisten innerhalb der NS-Hierarchie und machte kei14  Hitlers Judenhass und Judennähe

nen Hehl daraus, dass er die deutsche Kulturszene von jedem auch noch so geringen jüdischen Einfluss befreien wollte. Symptomatisch für seine Haltung ist ein persönliches Schreiben von ihm, nachdem seine Wohnung im Mai 1943 bei einem Bombenangriff zerstört worden war. Einem Bekannten schrieb er: »Wir sind inzwischen über das Schlimmste hinweg und nun von einer früheren Judenwohnung in die andere gewandert.«4 In der Endzeit des Regimes wurde er als Aufpasser von Generalgouverneur Hans Michael Frank, der bei Hitler in Ungnade gefallen war, nach Krakau geschickt. Im Münchener Staatsarchiv finden sich noch Tießlers Spruchkammerakten, die Auskunft über ihn bis ins Jahr 1948 geben, doch sein weiteres Schicksal beziehungsweise seine Todesumstände sind nicht bekannt. Unmittelbar nach der Machtübernahme am 30. Januar 1933 gingen die Nationalsozialisten daran, alles Jüdische in Deutschland zu tilgen. Als eine erste Generalprobe konnte der Boykott gegen jüdische Geschäfte, Ärzte, Rechtsanwälte usw. gelten, den der fränkische Gauleiter der NSDAP, Julius Streicher, am 1. April 1933 organisierte. Es folgte das Gesetz zur Wiederherstellung des Beamtentums, das den Nationalsozialisten die gesetzliche Grundlage verschaffte, Juden aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Mit den Nürnberger Rassengesetzen vom September 1935 wurden Juden endgültig zu Menschen zweiter Klasse erklärt. Das »Reichsbürgergesetz« mit einer Reihe von Verordnungen und vor allem auch das »Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre« nahmen Juden und Angehörigen einer Reihe anderer Ethnien »artfremden Blutes« alle grundlegenden Menschenrechte. Letztlich wurde ihnen sogar das Menschsein abgesprochen. Verdienste, die über hunderttausend jüdische Soldaten im Ersten Weltkrieg erworben hatten, galten nichts mehr. Sogar die Namen gefallener jüdischer Soldaten wurden von den Ehrentafeln getilgt, nichts sollte an sie erinnern. Wissenschaftliche Erkenntnisse, soweit jüdische Forscher und Wissenschaftler maßgeblichen Anteil daran hatten, sollten »germanisiert« werden. Dies galt für die Physik ebenso wie die Mathematik oder wesentliche Bereiche der Medizin. Bedeutende Wissenschaftler wie Albert Einstein gingen Deutschland auf diese Weise verloren.

Hitlers Judenhass und Judennähe  15

»Arier« als auserwähltes Volk Antisemitismus war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nichts Ungewöhnliches, Hitlers Hass auf alles Jüdische entsprach durchaus dem Zeitgeist. Dagegen war für Hitler der »Arier«, den er übrigens nie exakt definieren konnte, der »Kulturbegründer« überhaupt. Das Wort »Arier« stammt aus dem Altpersischen und bedeutet »gut«, »rein«, »edelmütig«.5 Als Arier bezeichnete man im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts ein Volk, von dem angeblich alle hellhäutigen Europäer abstammten. Der am meisten verbreiteten Theorie zufolge waren die Arier ein nomadisches Reitervolk aus den Steppen, das sich sowohl nach Süden als auch nach Westen ausgebreitet hatte. Die Theorie, die Arier hätten ihren Ursprung in den Weiten Russlands gehabt, wurde von deutschnationalen Kreisen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitgehend abgelehnt. Stattdessen wurde behauptet, die Arier seien ursprünglich in Norddeutschland oder Skandinavien heimisch gewesen, wo ihre rassischen Merkmale – blond, blauäugig – besonders deutlich erhalten seien. Belegt wurde diese Theorie nicht. Viele der selbst ernannten Theosophen und Ariosophen glaubten, der Ursprung der Arier sei Atlantis gewesen, die Arier somit die Atlanter. Himmler war sogar der Überzeugung, alle hoch entwickelten Kulturen hätten ihren Ursprung im Ostseeraum. Selbst die italienische, griechische und sogar die chinesische Kultur wollte er auf diese Weise vereinnahmen. Die Ideologie des Nationalsozialismus sah in den »Ariern« eine rein germanische »Herrenrasse«, allen anderen Rassen und Völkern überlegen und zu ihrer Beherrschung auserkoren. Damit wurden zugleich die Verfolgung und Ausmerzung der semitischen Juden ideologisch begründet ebenso wie die Beherrschung der slawischen Völker. Die in der Theosophie entwickelte Vorstellung der Arier als Gottes auserwähltem Volk zur Befreiung der Welt fand über die Guido-von-ListGesellschaft6 ihren Weg von Österreich nach Deutschland, wo durch Vermischung mit nationalistischen Elementen dem Nationalsozialismus eine seiner Grundlagen bereitet wurde. Lists Visionen erschöpften sich nicht in einer romantischen Verklärung der Vergangenheit, sondern mündeten in praktische Forderungen zur Wiederherstellung der alten Priesterschaft der Armanen, wobei die Bezeichnung Armanen eine germanisierte Form des legendären, von Tacitus genannten teutonischen 16  Hitlers Judenhass und Judennähe

Stammes der Hermionen war. In Die Armanenschaft der Ario-Germanen entwarf Guido von List 1911 einen detaillierten Plan für ein neues alldeutsches Reich, in dem die Reinheit und die Vorrangstellung der »arischen Rasse« das oberste Prinzip sein sollte. Nur sie sollte bürgerliche Freiheitsrechte genießen und von der Lohnarbeit befreit sein. Alle Nichtarier sollten bedingungslos unterworfen werden.

»Arier« als auserwähltes Volk  17

Exkurs: Judenfeindlichkeit im deutschsprachigen Raum

Geprägt wurde der Begriff Antisemitismus 1879 im Umkreis des Publizisten Wilhelm Marr vor dem Hintergrund der damals öffentlich diskutierten »Judenfrage«. Sie war 1879/80 in Deutschland einerseits Gegenstand eines Gelehrtenstreites, den der Historiker Heinrich von Treitschke mit Überfremdungsängsten ausgelöst hatte, andererseits wurde sie durch den Berliner Hofprediger Adolf Stoecker in dessen christlich-sozial argumentierender Kampagne gegen die Arbeiterbewegung instrumentalisiert. In Österreich vertrat der Wiener Bürgermeister Karl Lueger ähnliche Positionen. Die fanatischen Judenfeinde organisierten sich in Parteien und Verbänden. In Dresden existierte seit 1881 die Deutsche Reformpartei; in Kassel wurde 1886 die Deutsche Antisemitische Vereinigung ins Leben gerufen, deren Protagonist der Bibliothekar Otto Böckel war. Von 1887 bis 1903 saß er im Reichstag, er war Herausgeber völkischer Zeitschriften und betätigte sich maßgeblich im Deutschen Volksbund, der ab 1900 versuchte, »national gesinnte Männer« gegen »die erdrückende Übermacht des Judentums« zusammenzuschließen. Auf dem Antisemitentag in Bochum einigten sich Anfang Juni 1889 die verschiedenen judenfeindlichen Strömungen (mit Ausnahme der christlich-sozialen Partei Adolf Stoeckers) auf gemeinsame Grundsätze und Forderungen. Aber schon über der Bezeichnung des Zusammenschlusses entzweiten sich die Antisemiten wieder. Es gab nun eine Deutschsoziale Antisemitische Partei und eine Deutschsoziale Partei und ab Juli 1890 die von Böckel in Erfurt gegründete Antisemitische Volkspartei, die ab 1893 Deutsche Reformpartei hieß. Im Reichstag errangen Vertreter antisemitischer Gruppierungen 1890 fünf und 1893 sechzehn Mandate. Ernst Henrici war zusammen mit dem Reichstagsabgeordneten Wilhelm Pickenbach 1894 Gründer des Deutschen Antisemitenbunds. Politischen Einfluss erlangten die Antisemiten im Kaiserreich nicht. Aber ihre Propaganda zeitigte ihre Wirkung: Juden wurden mit allen nur denkba-

18  Exkurs: Judenfeindlichkeit im deutschsprachigen Raum

ren schlechten Eigenschaften belegt, die, so erklärten die Antisemiten, in der »Rasse« begründet seien. Im Ersten Weltkrieg wurden die antijüdischen Vorbehalte in Deutschland neu aufgeladen. Schnell kam das völlig unbegründete Gerücht von der »jüdischen Drückebergerei« in Umlauf, und als zweites antisemitisches Stereotyp war die Überzeugung landläufig, dass Juden sich als die »geborenen Wucherer und Spekulanten« als Kriegsgewinnler an der Not des Vaterlandes bereicherten. In zahlreichen Pu­blikationen wurden diese Klischees verbreitet, so etwa in einem Flugblatt, das im Sommer 1918 kursierte, auf dem die jüdischen Soldaten lasen, wovon ihre nicht jüdischen Kameraden und Vorgesetzten trotz der vielen Tapferkeitsauszeichnungen (30 000) und Beförderungen (19 000) und ungeachtet der 12 000 jüdischen Kriegstoten bei insgesamt etwa 100 000 jüdischen Soldaten überzeugt waren: »Überall grinst ihr Gesicht, nur im Schützengraben nicht.« Entgegen der Wahrheit hielt die Mehrheit der Deutschen an ihrem negativen Judenbild fest. Im Programm der völkischen und nationalistischen Parteien der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, vor allem der NSDAP ab 1920 und in der Deutschnationalen Volkspartei bildete der Antisemitismus das ideologische Bindemittel, mit dem Existenzängste und Erklärungsversuche für wirtschaftliche und soziale Probleme konkretisiert wurden, um republik- und demokratiefeindliche Verzweifelte als Anhänger zu gewinnen. Die pathologischen Vorstellungen im Weltbild Hitlers, die in Fantasien von der jüdischen Weltverschwörung gipfelten, trafen auf verbreitete Ängste in der Bevölkerung. Im Programm der NSDAP waren seit 1920 die Lehr- und Grundsätze des Antisemitismus fixiert, die in den Pamphleten und Traktaten des 19. Jahrhunderts publiziert worden waren: »Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksicht auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein.« Diesem abstrusen Denken hatte sich alles unterzuordnen, was Hitler in seinem Machwerk Mein Kampf zu begründen versuchte. Ihm zufolge war der Arier dem Juden überlegen. In Mein Kampf klingt allerdings eine gewisse, wenngleich widerwillige Bewunderung durch, wenn Hitler Juden einen »unendlich zähen Willen zum Leben, zur Erhaltung der Art« zubilligt.7 Bei kaum einem anderen Volk sei der Selbsterhaltungswille stärker ausgeprägt. Exkurs: Judenfeindlichkeit im deutschsprachigen Raum  19

Martin Bormann genoss als »Sekretär des Führers« die zweifelhafte Ehre, von Hitler zu »Tee-Gesprächen« einbestellt zu werden. Bei einem solchen »Führer-Gespräch« am 31. November 1944 ließ sich Hitler wie folgt über Christen- und Judentum aus: Jesus war sicher kein Jude, denn einen der ihren hätten die Juden nicht den Römern und dem römischen Gericht ausgeliefert, sondern selbst verurteilt. Vermutlich wohnten in Galilea sehr viele Nachkommen römischer Legionäre (Gallier), und zu ihnen gehörte Jesus. Möglich, dass seine Mutter Jüdin war. Jesus kämpfte gegen den verderblichen Materialismus seiner Zeit und damit gegen die Juden. Paulus – zunächst einer der schärfsten Gegner der Christen – erkannte plötzlich, welche ungeheuren Möglichkeiten die richtige Verwendung einer faszinierenden Idee bot. Paulus erkannte, dass die richtige Verwendung einer tragenden Idee bei »Nichtjuden eine weit höhere Macht gab, als das Versprechen materieller Belohnung beim Juden. Und nun fälschte Saulus-Paulus in raffinierter Weise die christliche Idee um: Aus der Kampfansage gegen die Vergottung des Geldes, aus der Kampfansage gegen den jüdischen Eigennutz, den jüdischen Materialismus wurde die tragende Idee der Minderrassigen, der Sklaven, der Unterdrückten, der an Geld und Gut Armen gegen die herrschende Klasse, gegen die Oberrasse, ›gegen die Unterdrücker‹.«8

Hitlers und Bormanns gemeinsame »Erkenntnis« lautete: Jede Ablehnung des Klassenkampfes ist deshalb antijüdisch, jede antikommunistische Lehre ist antijüdisch, jede antichristliche Lehre ist antijüdisch und vice versa. 9

Absurde Gerüchte: Jüdisches Blut in Hitlers Adern Im Hinblick auf Hitlers Judenhass ist auch ein Abstecher auf das Gebiet der Gerüchte und Spekulationen zwar nicht sachdienlich, jedoch interessant. Denn immer wieder tauchte die Behauptung auf, in Hitlers Adern flösse jüdisches Blut, was seinen Hass nur gesteigert habe. Hierfür gibt es eine einzige Quelle: Hans Michael Frank. Er gehörte zu den 20  Exkurs: Judenfeindlichkeit im deutschsprachigen Raum

frühesten Getreuen Hitlers, hatte sich schon 1919 der NSDAP-Vorgängerpartei DAP angeschlossen und war Hitlers Rechtsanwalt. Nach 1933 organisierte er die Gleichschaltung der Justiz in Bayern und später in ganz Deutschland. Als Generalgouverneur des besetzten Polen wurde er als »Schlächter von Polen« oder »Judenschlächter von Krakau« berüchtigt. In seinem Buch Im Angesicht des Galgens behauptete Frank, der Vater Hitlers sei das uneheliche Kind einer in einem Grazer Haushalt angestellten Köchin namens Schickelgruber aus Leonding bei Graz gewesen.10 Schon 1921 hatten NSDAP-Mitglieder Flugblätter verbreitet, auf denen eine jüdische Abstammung Hitlers angedeutet wurde. Darauf waren Texte zu lesen wie: »Hitler glaubt die Zeit gekommen, um im Auftrag seiner dunklen Hintermänner Uneinigkeit und Zersplitterung in unsere Reihen zu tragen und dadurch die Geschäfte des Judentums und seiner Helfer zu besorgen … und wie führt er diesen Kampf ? Echt jüdisch.«11 1930 schrieb Hitlers Neffe William Patrick seinem Onkel einen Brief, in dem er andeutete, dass er »Judenblut in seinen Adern und daher eine geringe Legitimation hätte, Antisemit zu sein«.12 Hitler beauftragte daraufhin den erwähnten Hans Michael Frank, der Sache »vertraulich« nachzugehen.13 Zwar behauptete Frank, »dass Adolf Hitler bestimmt kein Judenblut in seinen Adern hatte, scheint mir aus seiner ganzen Art dermaßen eklatant erwiesen, dass es keines weiteren Wortes bedarf«, formulierte aber kurz darauf das Gerücht: »Ich muss also sagen, dass es nicht vollkommen ausgeschlossen ist, dass Hitlers Vater demnach ein Halbjude war, aus der außerehelichen Beziehung der Schickelgruber zu dem Grazer Juden entsprungen. Demnach wäre Hitler selbst ein Vierteljude gewesen. Dann wäre sein Judenhass mitbedingt gewesen aus blutempörter Verwandtenhasspsychose.«14 Weitere Spekulationen über Hitlers angebliche jüdische Abstammung waren 1967 im Nachrichtenmagazin Der Spiegel zu lesen: Vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurden in Deutschland insgeheim Photographien herumgereicht, die das Grab des 1892 verstorbenen Juden Adolf Hitler (jüdischer Name: Avrham Eylliyohn) auf dem Bukarester Friedhof, Grab 9, Reihe 7, Gruppe 18) zeigten. Die polnisch-jüdische Zeitung »Haynt« veröffentlichte das Bild, und ein Warschauer Journalist Absurde Gerüchte: Jüdisches Blut in Hitlers Adern  21

schrieb, es handele sich um die letzte Ruhestätte von Adolf Hitlers Groß­ vater.15

Zweifel an Hitlers arischer Herkunft – so ist dort weiter zu lesen – befielen nun auch den Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, den obersten Aufnorder des »Dritten Reichs«. Am 4. August 1942 schickte er insgeheim Kundschafter aus, um die »Abstammung des Führers« zu ergründen. Und 1945, nachdem das »Dritte Reich« samt Hitler untergegangen war, sei dem Nachrichtenmagazin zufolge die Anthropologische Commission – ein internationaler Kreis renommierter Gelehrter – zu dem Schluss gelangt, Hitler sei ein »Bastard von einem nicht sehr angesehenen Juden« gewesen: »Schon im städtischen Kinderheim in Linz haben die Erzieherinnen (…) ihn einen ›Judenbengel‹ genannt.« 16 Der Hitler-Biograph und frühere Priester Franz Jetzinger erklärte die Tatsache, dass im österreichischen Waldviertel die Gemeinde Döllersheim, wo Hitlers Vater geboren und Hitlers Großmutter beerdigt wurde, in einen Truppenübungsplatz verwandelt wurde, so: »Es hat ganz den Anschein, dass die Vernichtung Döllersheims direkt über ›Auftrag des Führers‹ erfolgte – aus irrsinnigem Hass gegen seinen Vater, der vielleicht einen Juden zum Vater hatte.«17 Am Vater Hitlers, Alois Hitler, wollte Jetzinger die These erhärten, der spätere Reichskanzler sei Vierteljude gewesen.18 Jetzinger behauptet zwar nicht, ein solches jüdisches Erbteil definitiv nachgewiesen zu haben. Aber er hat sorgsam zusammengetragen, was seiner Ansicht nach die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Hitlers Großvater Jude gewesen sei. Den endgültigen Beweis wollte Jetzinger aber den österreichischen Heimatforschern überlassen. Fest steht, dass Adolf Hitler den Ariernachweis, den er den meisten Deutschen abverlangte, für seine Person kaum hätte erbringen können. Sein Großvater väterlicherseits ist unbekannt. Eine teilweise jüdische Abstammung Hitlers ist trotz aller Gerüchte keineswegs belegt und eher unwahrscheinlich. Ob sie sein Verhalten in der Verfolgung des Judentums beeinflussten, sei dahingestellt. Die Unterstellung, jüdisches Blut in den Adern zu haben, war übrigens ein probates Mittel, politischen Gegnern zu schaden. Als Beispiel kann hier der Fall des Obersten NSDAP-Parteirichters und BormannSchwiegervaters Walter Buch gelten. Er erhielt im April 1936 folgendes anonyme Schreiben: 22  Exkurs: Judenfeindlichkeit im deutschsprachigen Raum

Sehr geehrter Herr Major Buch! Sie sind der Oberste Richter der Partei, die jeden anständigen Juden bekämpft und infamiert, das sollten Sie als unser Verwandter nicht tun. Wissen Sie, dass Ihre Frau jüdisches Blut in den Adern hat? Wissen Sie, dass die Familie Ihrer Frau (Bilernesti, siehe Ahnentafel Ihrer Frau!) noch 1820 bis 1825 dem Ghetto in Frankfurt am Main angehört hat? Wissen Sie, dass Sie Kinder gezeugt haben, die unseres Blutes sind? Ihr Schwiegersohn, der wie Sie Reichsleiter der Nationalsozialisten ist, weiß es, dass seine Frau und seine Schwiegermutter nicht rein arischer Abstammung sind. Das Reichssippenamt weiß es auch! Nur Sie sollten es nicht wissen? Sie sind am meisten belastet, Sie haben Hunderte von Menschen verurteilt wegen des gleichen tragischen Schicksals, das ihre Frau betroffen hat. Welche Konsequenzen ziehen Sie, Sie weiser und gerechter Richter! Wir freuen uns, Sie zu den unseren zählen zu dürfen. Einige Berliner Juden.19

Natürlich sorgte der Inhalt für Aufregung, und wären die Behauptungen korrekt gewesen, hätte dies ein Erdbeben an der NS-Spitze ausgelöst. Immerhin hatte Buch nicht nur eine bedeutende Parteifunktion, sondern vorausgesetzt, die Gerüchte stimmten, wäre der Judenverfolger und »Sekretär des Führers« Martin Bormann durch seine Frau Gerda, die älteste Tochter Buchs, »jüdisch versippt« gewesen. Tatsächlich aber hatte der Gauleiter der brandenburgischen Ostmark, Wilhelm Kube, dieses Schreiben verfasst. Darüber wurden alle NS-Reichsleiter und Gauleiter von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß mit Rundschreiben 88/36 Anfang August 1936 informiert. Betrifft: Gauleiterwechsel im Gau Kurmark. In Abschrift beiliegendes Schreiben erhielt Reichsleiter Buch anonym zugesandt. Im Verlauf der durch die Geheime Staatspolizei angestellten Nachforschungen ergab sich, dass der Verfasser des Schreibens der bisherige Gauleiter Kube ist. Auf Vorhalt durch den Stellvertreter des Führers musste Kube dies zugeben. Die in dem Schreiben an Reichsleiter Buch aufgestellte Behauptung der nichtarischen Abstammung der Frau Buch wurde durch unabhängige SipAbsurde Gerüchte: Jüdisches Blut in Hitlers Adern  23

penforschungsstellen, von denen das eine das Reichsamt für Sippenforschung ist, einwandfrei als unwahr festgestellt. Beide Gutachten decken sich darin, dass Frau Buch rein arischer Abstammung ist. Kube hat sich unabhängig davon, nach eigener Angabe, gleichfalls von der Unrichtigkeit seiner Behauptung überzeugt. Ein Gauleiter hat also unter dem Decknamen »einige Berliner Juden« ein anonymes Schreiben verschickt, in dem zwei Reichsleiter bezichtigt werden, unter Verheimlichung der Tatsache der jüdischen Abstammung ihrer Frau vor dem Führer ihre Ämter zu führen und in dem der eine Reichsleiter als zu den Berliner Juden gehörig bezeichnet wird. Darüber hinaus hat dieser Gauleiter über Dritte die gleichen unwahren Behauptungen verbreitet. Im Hinblick auf die Ungeheuerlichkeit dieser Vorgänge hat der Führer Kube veranlasst, seine Ämter niederzulegen.20

Propagandaminister Goebbels trug zu diesem Vorgang am 9. August 1936 in sein Tagebuch ein: Zu Haus Arbeit. Kube abgesetzt. Er hat sich gemein benommen, anonyme Briefe an Buch etc., seine Frau unsacht behandelt. Ein böser Fall. Er hat ihn sich selbst zuzuschreiben. (… ) Göring schimpft mächtig auf Kube. Der hat es ja auch verdient. So ein Miststück. Aber wie immer. Ein wilder Bürger.21

Kube wurde zum SS-Rottenführer im Konzentrationslager Dachau degradiert, später rehabilitiert und als Generalkommissar für Weißrussland nach Minsk geschickt.

Juden in Hitlers Umgebung Überraschenderweise fanden sich in Hitlers Umgebung Menschen – Juden und solche mit Anteilen jüdischen Blutes –, über die er aus unterschiedlichen Gründen seine schützende Hand hob, zumindest eine Zeit lang. Möglicherweise war bisweilen ein Anflug von Dankbarkeit im Spiel. Bei seinem ehemaligen Kompaniechef Ernst Heß könnte dies der Fall gewesen sein.

24  Exkurs: Judenfeindlichkeit im deutschsprachigen Raum

Ernst Heß – Hitlers Kompaniechef

Ein bemerkenswerter Fall, in dem ein Jude nahe an Hitler herangekommen war, ist der des 1880 in Gelsenkirchen geborenen, zum Katholizismus konvertierten Amtsrichters Ernst Heß. Er hatte vier »volljüdische« Großeltern und war daher nach den nationalsozialistischen Rassekriterien »Volljude«. Die Historikerin Susanne Mauss entdeckte bei Recherchen zu einer Ausstellung im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen einen Brief, dem zufolge der Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, im August 1940 die Anweisung erteilt hatte, den Juden Ernst Heß »in jeder Hinsicht unbehelligt« zu lassen: Der Obengenannte hat aufgrund der deutsch-italienischen Vereinbarungen von 1939 das italienische Staatsgebiet verlassen und wieder Aufenthalt im Reich nehmen müssen. H. ist Jude mit 4 volljüdischen Großeltern. Er war während des Krieges 1914/18 in derselben Kompanie wie der Führer und vorübergehend auch Kompanieführer des Führers. Gelegentlich eines Gesuchs des H. um Erteilung einer Ausnahmegenehmigung hat der Führer unter Ablehnung dieses Gesuchs zum Ausdruck gebracht, dass H. in anderer Weise Entgegenkommen gezeigt werden solle. Diesem Wunsch des Führers wurde zunächst insofern Rechnung getragen, als H. die Transferierung seiner Versorgungsbezüge nach Italien genehmigt erhielt. Ferner wurden keine Bedenken dagegen erhoben, dass bei behördlichen Zuschriften an H. von der Angabe der Vornamen überhaupt und damit auch des Zusatznamens Israel abgesehen wird. Nachdem H. nunmehr aufgrund der zwischenstaatlichen Vereinbarungen in das Reich zurückgekehrt ist, muss dafür Sorge getragen werden, dass H. – dem Wunsche des Führers entsprechend – entgegengekommen wird. Ich bitte Sie daher, im Einvernehmen mit allen in Frage kommenden Dienststellen sicherzustellen, dass H. in jeder Hinsicht unbehelligt gelassen wird. 22

Zur Vorgeschichte ist Folgendes zu bemerken: Heß hatte im Bayerischen 16. Reserve-Infanterieregiment List gedient und war im Juni 1916 als Chef der 3. Kompanie Hitlers Vorgesetzter. Als Frontoffizier erhielt Heß eine Reihe von Auszeichnungen, neben dem Bayerischen Militärverdienstorden auch das Eiserne Kreuz (EK) Erster und Zweiter Klasse. Dann wurde er Amtsrichter in Düsseldorf und blieb dank der Juden in Hitlers Umgebung  25

Sonderregelungen für hochdekorierte Frontsoldaten des Ersten Weltkriegs nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zunächst weitgehend unbehelligt. Der »Arisierung« infolge der Nürnberger Rassengesetze fiel jedoch auch Heß zum Opfer und wurde seines Richteramtes enthoben. Wie die Historikerin Susanne Mauss herausfand, zog er daraufhin mit seiner Familie nach Bozen in Südtirol. Heß suchte Kontakt zu Hitler, den ein gemeinsamer Kriegskamerad vermitteln sollte, nämlich Hauptmann a.D. Fritz Wiedemann, von 1934 bis 1939 Adjutant Hitlers. In einem Brief bat er Heß darum, dass er nach den Nürnberger Rassengesetzen als »Halbjude« gelten möge und demzufolge nicht »als Jude«. Auch der Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, und der damalige deutsche Generalkonsul in Italien, Otto Bene, setzten sich für Heß ein. Nach dem Hitler-Mussolini-Pakt über die »Italianisierung« Südtirols musste die Familie Heß 1939 nach Deutschland zurückkehren und ließ sich im oberbayerischen Dorf Unterwössen nieder. Dort erhielt Heß 1941 überraschend die Nachricht, dass er nicht mehr unter Hitlers Schutz stehe.23 Wiedemann war inzwischen bei Hitler in Ungnade gefallen und als Generalkonsul nach San Francisco versetzt worden, er konnte Heß nicht mehr helfen. Heß wurde in das Konzentrationslager Milbertshofen bei München gebracht. Die »Mischehe« mit seiner nicht jüdischen Frau Margarethe rettete ihn jedoch vor der Deportation. Tochter Ursula wurde als Zwangsarbeiterin in einer Elektrofirma eingesetzt. Doch Heß’ Mutter Elisabeth und die Schwester Berta wurden auf Anweisung von Adolf Eichmann deportiert. Berta Heß wurde in Auschwitz ermordet, der Mutter gelang in den letzten Kriegswochen die Flucht aus Theresienstadt in die Schweiz. Ein Nachtrag zu Fritz Wiedemann, der jahrelang Hitlers Vertrauen genoss: 1939 war er auf Geheiß von Hitler nach San Francisco gezogen, doch seine Ehefrau kehrte im September 1941 nach Deutschland zurück, wo sie auf Schritt und Tritt von der Gestapo überwacht wurde.24 Ihr Mann war zwischenzeitlich nach Tientsin in China versetzt worden, wohin auch Anna Luise Wiedemann zusammen mit ihrer Gesellschafterin Haffner reisen wollte. Detailliert beschrieb der Chef der Sicherheitspolizei und des SD gegenüber Himmler, wie viele Lebensmittelmarken Anna Luise Wiedemann erhalten hatte, und übermittelte ihm Abschriften von Briefen, die die Gestapo abgefangen und geöffnet hatte.

26  Exkurs: Judenfeindlichkeit im deutschsprachigen Raum

Anlass für die strikte Überwachung war möglicherweise die Denunziation einer Bekannten namens Heilemann gewesen, die gegenüber SSObergruppenführer Wolff zu Protokoll gegeben hatte: Es wäre an der Zeit, »eine Reinigung der nächsten Umgebung des Führers vorzunehmen. Als Erstes müsste der Kasinoverwalter der Reichskanzlei Kannenberg und als Zweiter Reichsführer-SS Himmler erschossen werden«. Frau Heilemann, die eine Bekannte der Helene Bechstein war (einer Gönnerin und Verehrerin Hitlers und Ehefrau des Klavierfabrikanten Edwin Bechstein), sei der »richtigen Meinung«, dass »eine Frau mit solcher Gesinnung nie ins Ausland dürfte«. Eduard Bloch – der Edeljude

Den Juden Eduard Bloch, den Arzt seiner Eltern, schützte Hitler vor den Folgen der von ihm verantworteten Nürnberger Rassengesetze. Bloch, 1872 in Frauenberg geboren, hatte Medizin studiert und nach seiner Militärzeit in Linz eine Praxis eröffnet. Zu seinen Patientinnen zählte Hitlers Mutter Klara, die an einem Tumor in der Brust litt und am 21. Dezember 1907 trotz aller ärztlichen Bemühungen verstarb. Bloch, der dem Vorstand der Jüdischen Gemeinde Linz angehörte, nahm nur einen Teil des ihm zustehenden Honorars in Anspruch, und 1908 schrieb ihm Hitler eine Karte, mit der er sich nochmals für seinen Einsatz bedankte. Als Hitler 1938 anlässlich der »Wiedereingliederung« Österreichs ins Deutsche Reich im Triumphzug in Linz einzog, erkundigte er sich bei Hofrat Adolf Eigl nach Bloch und nannte ihn einen »Edeljuden«.25 »Ja, wenn alle Juden so wären wie er, dann gäbe es keinen Antisemitismus«, soll Hitler gesagt haben. Bloch erfuhr eine Vorzugsbehandlung, denn trotz der Nürnberger Rassengesetze durfte er weiter praktizieren, behielt seine Wohnung und blieb auch von Repressalien, wie dem des »J-Stempels« im Pass und dem Führen des zusätzlichen Vornamens »Israel« verschont. Brigitte Hamann zitiert hierzu Bloch: Vorerst wurden allen Juden die Pässe abgenommen, um eine Flucht derselben zu verhindern; vor der Passabgabe blieb einzig ich verschont. Wohnungen und besonders die Geschäfte der Juden wurden durch gelbe Zettel, auf deren Grunde in schwarzen Lettern das Wort »Jude« stand, gekennzeichnet. (…) Juden in Hitlers Umgebung  27

Nach einigen Tagen kamen »Gestapoleute« und teilten mir mit, ich könnte über »Auftrag von Berlin« die Judenzettel entfernen; ich lehnte dies ab, da man mir vorwerfen könnte, ich hätte eigenmächtig eine Maßnahme der »Gestapo« »missachtet«, worauf sie die Entfernung selbst vornahmen.26

In seinen Vernehmungen durch den US-Geheimdienst Office of Strategic Services (OSS) erklärte Bloch am 5. März 1943 zur Situation in Linz u. a., dass Hitler sich im Vorfeld des »Anschlusses« während einer Konferenz in Berchtesgaden nach Neuigkeiten aus Linz erkundigt hatte, darunter auch nach Blochs Befinden. »›Lebt er noch, praktiziert er noch?‹ Dann machte er eine Bemerkung, die die örtlichen Nazis irritierte: ›Dr. Bloch‹, sagte Hitler, ›ist ein Edeljude, ein Nobeljude.«27 Und zur Rückkehr Hitlers nach Linz im Zusammenhang mit der Annexion Österreichs gab Bloch zu Protokoll: Jahrelang hatte sich Hitler geweigert, sein Heimatland zu besuchen. Nun gehörte ihm das Land. Die Hochstimmung, die ihn erfasst hatte, war ihm abzulesen. Er lächelte, winkte und grüßte die Menschen, die die Straßen füllten, mit dem Nazi-Gruß. Für einen Augenblick sah er zu meinem Fenster hoch. Ich bezweifele, dass er mich gesehen hat, aber er muss einen Moment der Reflexion gehabt haben: Hier war die Wohnung des Edeljuden, der bei seiner Mutter den verhängnisvollen Krebs diagnostiziert hatte; hier war das Sprechzimmer des Mannes, der seine Schwestern behandelt hatte; hier war der Ort, wohin er als Junge gegangen war, um seine kleineren Krankheiten behandeln zu lassen.

Am folgenden Tag traf Hitler laut Bloch einige ältere Vertraute, darunter Oberhummer, einen lokalen Funktionär, den Musiker Kubitschek, den Uhrmacher Liedel und Dr. Hümer, seinen früheren Geschichtslehrer. Es sei verständlich gewesen, dass Hitler ihn, einen Juden, nicht zu einem solchen Treffen eingeladen habe. Das Angebot »Ehrenarier« zu werden, lehnte Bloch ab und entschloss sich 1940 stattdessen zur Emigration in die USA. Eingeflochten sei hier eine weitere Absurdität aus der Zeit nach dem »Anschluss« Österreichs. Himmler hatte Reichsmarschall Göring am 3. März 1938 darüber informiert. Demnach hatte ein gewisser Oberst28  Exkurs: Judenfeindlichkeit im deutschsprachigen Raum

leutnant Berthold über mehrere Jahre ein Verhältnis mit der Volljüdin Elsa Lange und war vom Kriegsgericht der 28. Division freigesprochen worden. Entschuldigt wurde das Verhalten Bertholds u. a . damit: »Es wird gesagt, dem Beschuldigten sei nicht zu widerlegen, dass er die Jüdin Lange für einen südamerikanischen Mischling mit Negerblut gehalten habe. Der Zeuge Dr. Lange habe sie ebenfalls für einen negroiden Mischling gehalten und auch die Schwester Linde versichere, nur einen negroiden Einschlag bei der Lange gesehen zu haben, die Sanitätsschüler und andere Kranke des Lazaretts hätten sie ›Blume von Hawaii‹ genannt.« Der Verkehr eines Offiziers der Wehrmacht mit einer Jüdin wurde also im Jahr 1937, im »Dritten Reich«, damit entschuldigt, dass das Kriegsgericht feststellte, der »Offizier habe das Mädchen nicht für eine Jüdin, sondern für einen negroiden Mischling gehalten«. Sven Hedin – Hitlers glühender Anhänger

Der schwedische Asienforscher Sven Hedin genoss die größte Sympathie Himmlers und Hitlers. Dabei spielte es keine Rolle, dass Hedin Nachkomme der nach Schweden ausgewanderten jüdischen Familie Abraham Brody alias Berliner war und somit die Nationalsozialisten jeden Umgang mit ihm hätten meiden müssen. Tatsächlich aber durfte der Sympathisant und Verehrer Hitlers in Deutschland publizieren und wurde in ungewöhnlichem Maße hofiert. Ein Forschungsinstitut der verbrecherischen SS-Organisation »Ahnenerbe« im österreichischen Mittersill wurde feierlich »Reichsinstitut Sven Hedin für Innerasienforschung« benannt . Nach dem deutschen Einmarsch 1938 hatte die SS das Schloss beschlagnahmt. Dort waren in einem Außenkommando des Konzentrationslagers Mauthausen ab dem 24. März 1944 auch weibliche Zwangsarbeiterinnen untergebracht. Es handelte sich um sechs Zeuginnen Jehovas, die ursprünglich im KZ Ravensbrück inhaftiert waren. Sven Hedin war bei den Nationalsozialisten wohlgelitten. 1936 hatte er anlässlich eines Deutschlandbesuchs 96 Vorträge halten dürfen, nicht zuletzt auch im Olympiastadion in Berlin. Der Nationalsozialismus habe Deutschland aus einem Zustand politischer und moralischer Auflösung gerettet, ist in seinem Buch Deutschland und der Weltfrieden zu lesen, was aber einige deutsche Städte – selbst Berlin – nicht daran hindert, auch heute noch nach ihm Straßen und Plätze zu benennen. Juden in Hitlers Umgebung  29

»Gnadengesuche ausnahmslos ablehnen!« Wenn es möglicherweise Sentimentalität war, die Hitlers Handeln gegenüber den genannten Personen bestimmte, brachten seine »Gnadenakte« für die Beamten und übrigen Schergen des NS-Regimes einige Unsicherheiten mit sich. Denn Hitler allein oblag es, einen »Ehren­ arier« zu ernennen oder dies zu verweigern. Nachdem – aus Sicht Hitlers – die Zahl der Gesuche um Ausnahmeregelungen überhandgenommen hatte, wollte Hitler entsprechenden Anträgen einen Riegel vorschieben und ließ durch den Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, dem zuständigen Reichsinnenminister Wilhelm Frick am 4. November 1938 vom Obersalzberg aus folgende Anweisung zukommen: In den letzten Wochen sind eine Reihe von Gesuchen an den Führer eingegangen, in denen eine Befreiung von den für Juden geltenden besonderen Vorschriften, in erster Linie den Bestimmungen über Vornamen, über Kennkartenzwang und über Reisepässe erbeten wird. Ich habe die Gesuche zum Anlass genommen, die Frage einer etwaigen ausnahmsweisen Freistellung bestimmter Personen von diesen Vorschriften bei dem Führer grundsätzlich zur Sprache zu bringen. Der Führer ist der Ansicht, dass gnadenweise Befreiungen von den für Juden geltenden besonderen Bestimmungen ausnahmslos abgelehnt werden müssen. Der Führer beabsichtigt, auch selbst solche Gnadenerweise nicht mehr zu bewilligen.28

Mit solchen Ausnahmen hatte Hitler oft das Unverständnis von staatlichen oder Parteidienststellen hervorgerufen. Hier einige Beispiele: Reichsleiter Walter Buch, Schwiegervater von Martin Bormann und oberster NSDAP-Parteirichter, hatte am 5. Mai 1934 Otto Freiherr von Dungen wegen seiner nicht arischen Ehe den freiwilligen Parteiaustritt nahegelegt.29 Hitler aber hatte anders entschieden und die Parteimitgliedschaft für von Dungen und dessen Söhne gebilligt. Buch konnte dagegen nichts unternehmen und teilte das Ergebnis am 15. Mai 1934 Lammers mit. Curt Conrad hatte eine jüdische Mutter, von der er angeblich bisher nichts gewusst hatte. Er gehörte der Partei seit dem 1. November 1930 an und wurde 1931 von Reichsbannerangehörigen schwer verletzt. Im 30  Exkurs: Judenfeindlichkeit im deutschsprachigen Raum

Hinblick auf diesen Einsatz für die »Bewegung« gab Hitler seinem Gnadengesuch statt. Winifred Wagner setzte sich für Melanie Chrambach ein, die mit einem Juden verheiratet war. Deren Tochter Esther bekam daraufhin Hitlers Bescheid vom 18. Oktober 1935, dass sie weiterhin in der Partei bleiben könne. Willy Bukow war mit einer Frau verheiratet, deren Großmutter Jüdin war. Er war alter Parteigenosse, hatte schon dem Bund »Oberland« angehört und als Mitwisser des Rathenau-Attentats in U-Haft gesessen. Hitler schickte ihm am 16. Juli 1936 folgendes Schreiben: »Nach Vortrag des Chefs der Kanzlei des Führers der NSDAP habe ich auf dem Gnadenwege entschieden, dass Sie trotz nicht rein arischer Abstammung Ihrer Ehefrau weiterhin der NSDAP als Mitglied angehören können.« Oberregierungsrat Hans von Dohnanyi war Persönlicher Referent von Reichsjustizminister Franz Gürtner. Er war »Mischling 2. Grades«, und Hitler hatte nach einer entsprechenden Bitte von Gürtner mit Bescheid vom 14. Oktober 1936 zugesagt, dass »Dohnanyi wegen seiner Abstammung keinerlei Nachteile erleiden« solle. Allerdings galt, wie Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß brieflich mitteilte, die Befreiung von den Nürnberger Gesetzen nicht für die Mitgliedschaft in der NSDAP.30 In einem vertraulichen Papier formulierte er seine Kritik an der Rassenpolitik der Partei. Martin Bormann veranlasste daraufhin Dohnanyis Ausscheiden aus dem Reichsministerium und seine Versetzung als Reichsgerichtsrat nach Leipzig. Durch einen Zufall soll herausgekommen sein, dass die Diätköchin Hitlers, Helena Maria von Exner, eine jüdische Großmutter hatte. Hitler rührte angeblich von da Exners Gerichte nicht mehr an und täuschte Magenbeschwerden vor.31 Exner wurde erst in Urlaub geschickt und dann im Mai 1944 entlassen. Allerdings veranlasste Hitler die Arisierung Exners und ihrer Familie durch seinen »Sekretär« Martin Bormann. Der Historiker Adam Wandruszka von Wanstetten aus Lemburg trat im April 1938 als SA-Obertruppführer im Namen der nationalsozialistischen Hörerschaft mit einer Dankadresse aus Anlass des »Anschlusses« Österreichs hervor. Er beantragte gemeinsam mit seinem Bruder Mario Wandruszka (Sprachwissenschaftler) am 28. Mai 1938 die Auf»Gnadengesuche ausnahmslos ablehnen!«  31

nahme in die NSDAP. Der Gauleiter von Wien befürwortete schließlich das Gesuch mit der Begründung, die Brüder stünden »seit März 1933 in der Bewegung«, und man sehe ihnen das Achtel jüdischen Blutes, das in ihren Adern fließe, nicht an. Der Appell an die »Gnade des Führers« hatte Erfolg, die Brüder wurden am 1. Mai 1941 rückwirkend zum 1. Mai 1938 in die Partei aufgenommen. Die genannten Beispiele sind durchaus symptomatisch für Hitlers Verhalten. Unbestritten ist sein Judenhass. Was ihn im Einzelfall – auch gegen den Willen seiner Ratgeber – veranlasste, »Gnadenakte« auszusprechen, lässt sich häufig nur erahnen. Pragmatismus war es wohl kaum. Es war ein irrationales Verhalten, das sich u.a. daran zeigte, dass die Wehrmacht auch die letzten »Mischlinge« und »jüdisch Versippten« entlassen musste, als sie diese angesichts der bevorstehenden militärischen Gesamtniederlage am ehesten gebraucht hätte. Hitler war sich im Übrigen sicher, jüdische Physiognomie sofort erkennen zu können. Aus diesem Grunde spielten bei der Änderung von Abstammungsnachweisen Lichtbilder für ihn eine wichtige Rolle. Wie wenig verlässlich sein Urteil war, beschrieb Ernst Hanfstaengl am Fall des internationalen Opernstars Bertha Morena. Hitler verehrte die Künstlerin, doch stellte ihn Hanfstaengl bloß, als er sich den Begeisterungsstürmen Hitlers anschloss, dann aber hinzufügte: Zweifellos eine Vollblutkünstlerin, allerdings darf man dabei eins nie vergessen: Bertha Morena ist von Haus aus ein Fräulein Meyer und in Mannheims traditionsreicher Judengasse groß geworden. Mit einem Wort also: Die Morena ist Volljüdin! Oder wussten Sie das nicht, Herr Hitler? Ich sehe noch sein verdutztes Gesicht vor mir und höre sein verärgertes »Ausgeschlossen. Niemals«.32

32  Exkurs: Judenfeindlichkeit im deutschsprachigen Raum

Die Nürnberger Rassengesetze

Als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen, lebten in Deutschland – der Volkszählung vom 16. Juni 1933 zufolge – 499 682 »Volljuden (mosaische Juden)«, was 0,77 Prozent der Gesamtbevölkerung entsprach.1 Hinzu kamen 4036 jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger im Saargebiet. 1935 war die Zahl der »Volljuden mosaischen Glaubens« bereits auf rund 300 000 zurückgegangen, gleichzeitig gab es ca. 500 000 Juden nicht mosaischen Glaubens. Hinzu kamen 750 000 »Mischlinge 1. und 2. Grades«. Für die Rassenpolitiker der NSDAP hieß dies: In Deutschland gab es über 1,5 Millionen »Nichtarier«, die 2,3 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten.2 Die Volkszählung vom 17. Mai 1939 zeigte, dass die Zahl der Juden in Deutschland erneut erheblich abgenommen hatte.3 Im Deutschen Reich lebten zum Stichtag 79 378 338 Menschen. Davon waren 330 892 Juden, nämlich 139 033 männlichen und 191 059 weiblichen Geschlechts. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung betrug gerade einmal 0,42 Prozent. Ferner hatte die Volkszählung ergeben, dass in Deutschland »72 738 Mischlinge 1. Grades« wohnten, davon 34 010 Männer und 38 728 Frauen. In diesem Fall lag der Anteil an der Gesamtbevölkerung bei 0,09 Prozent. Ferner waren 42 811 »Mischlinge 2. Grades« registriert, 20 654 männliche und 22 157 weibliche. Sie machten 0,05 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Den 500 000 Juden, die es bei Machtübernahme in Deutschland gab, standen also wenige Jahre später nur noch 330 000 gegenüber. Viele waren mittlerweile emigriert und hatten sich auf diese Weise in Sicherheit gebracht, zumal die Nationalsozialisten anfangs die Auswanderung sogar noch förderten, sie sich allerdings teuer bezahlen ließen. Der Massenmord hatte noch nicht begonnen, aber das Leben war für Juden durch eine Vielzahl von Gesetzen, Schikanen und Pressionen unerträglich geworden. Schon während des Ersten Weltkriegs hatte es eine »Judenzählung« gegeben.4 Die in Deutschland bei Kriegsbeginn 1914 weit verbreitete Erwartung eines schnellen und sicheren Siegs über die Entente-Staaten Die Nürnberger Rassengesetze  33

schwand, als der deutsche Vormarsch im Westen zum Stellungskrieg erstarrte und die Einfuhr kriegswichtiger Rohstoffe aus den neutralen Ländern unter der britischen Seeblockade immer stärker litt. Vor diesem Hintergrund und angesichts der sich katastrophal verschlechternden Lebensmittelversorgung fanden Agitatoren antisemitischer Verbände und Parteien mit ihren Botschaften einen fruchtbaren Nährboden. Um dem angeblich in weiten Kreisen der Bevölkerung erhobenen Vorwurf nachzugehen, dass eine unverhältnismäßig große Anzahl Wehrpflichtiger jüdischen Glaubens vom Heeresdienst befreit sei, sich unter allen nur denkbaren Vorwänden davor zu drücken versuche und alles tue, um nicht an der Front eingesetzt zu werden, ordnete der preußische Kriegsminister Adolf Wild von Hohenborn am 11. Oktober 1916 eine statistische Erhebung über die Dienstverhältnisse aller deutschen Juden an. Nach Bekanntgabe des Erlasses zur »Judenzählung« entbrannte im Reichstag eine heftige Debatte: Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) und die Fortschrittliche Volkspartei werteten den Vorstoß des Kriegsministeriums als »Bruch des Burgfriedens«, der alle Deutschen gleich welcher politischen Überzeugung und Konfession hinter dem Kaiser vereinen sollte. Der deutschnationale Reichstagsabgeordnete Gustav Stresemann warnte im Januar 1917 vor einer »antisemitischen Bewegung (…), wie sie noch nie dagewesen ist«. Die offenkundige Diffamierung und Ausgrenzung durch ein Ministerium wurde von den deutschen Juden als Preisgabe der bisherigen Assimilations- und Emanzipationspolitik des Kaiserreichs empfunden. Nach Protesten des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, des Vereins zur Abwehr des Antisemitismus, des Verbands der deutschen Juden unter Federführung seines Vorsitzenden, des Reichstagsabgeordneten Oscar Cassel, sowie nach Eingaben des Hamburger Bankiers und gedienten kaiserlichen Offiziers Max Warburg sah sich das Kriegsministerium zwar zu der Feststellung veranlasst, dass das Verhalten der jüdischen Soldaten während der Kämpfe weder Ursache noch Veranlassung zu der Anordnung gegeben habe, doch mit dieser Erklärung war der einmal entstandene Schaden nicht mehr zu beheben. Da das Ergebnis dieser mit statistisch unhaltbaren Methoden durchgeführten »Judenzählung« nie veröffentlicht wurde, erhielten antisemitische Gerüchte und Spekulationen neue Nahrung. Nicht zuletzt war aber mit

34  Die Nürnberger Rassengesetze

der »Judenzählung« der Antisemitismus staatlich legitimiert worden. Die Folgen waren verheerend. Angesichts der Zahlen und des Anteils an der Gesamtbevölkerung kann man nicht ernsthaft behaupten, dass durch diesen Personenkreis Deutschland in Gefahr hätte gebracht werden können. Doch darum ging es den Nationalsozialisten nicht. Sie wollten erst den Einfluss der »Juden, Mischlinge und jüdisch Versippten« aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens ausschalten und dann die Menschen selbst eliminieren. Ein Instrument zur Verfolgung des ersten Ziels war zunächst das »Gesetz zur Wiederherstellung des Beamtentums« vom 7. April 1933. Ihm zufolge mussten jüdische Beamte den Dienst quittieren. Ausgenommen waren zu diesem Zeitpunkt noch Beamte, die als Frontsoldaten gedient hatten oder kriegsbeschädigt waren. Dafür soll Reichspräsident Paul von Hindenburg plädiert haben. Laut Artur Axmann, dem letzten Reichsjugendführer, hatte sich Hindenburg hierfür eingesetzt und am 4. April 1933 an den Reichskanzler – an Hitler also – einen Brief geschrieben und gefordert: Nach meinem Empfinden müssen Beamte, Richter, Lehrer und Rechtsanwälte, die kriegsgeschädigt oder Frontsoldaten oder Söhne von Kriegsgefallenen sind oder selbst Söhne im Feld verloren haben, soweit sie in ihrer Person keinen Grund zu einer Sonderbehandlung geben, im Dienste belassen werden. Wenn sie es wert waren, für Deutschland zu kämpfen und zu bluten, sollen sie auch als würdig angesehen werden, im Vaterland in ihrem Beruf weiter zu dienen.5

Die Nationalsozialisten nahmen den Reichspräsidenten nicht ernst, wichtig war er für sie nur, um Hitler in das Amt des Reichskanzlers zu heben. Die Pläne, Juden aus dem öffentlichen Leben auszuschalten, waren längst geschmiedet und mussten nur noch in Gesetzesform gegossen werden. Dies geschah bereits in einer sechsstündigen Kabinettssitzung am 7. April 1933, also unmittelbar nachdem Hindenburg sich für verdiente Frontkämpfer einsetzen wollte. Bei Goebbels war dazu von »einschneidenden Gesetzentwürfen« zu lesen, die das Kabinett angenommen hatte:

Die Nürnberger Rassengesetze  35

Es handelte sich um die Gesetze der Gleichschaltung, der Reichstatthalterschaften, des Beamtenrechtes mit dem Arierparagrafen und zum Schluss wird offiziell der erste Mai zum nationalen Feiertag proklamiert.6

Zur Eliminierung jeglichen jüdischen Einflusses diente zunächst das »Deutsche Beamtengesetz«, für das Innenminister Wilhelm Frick dem Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß am 6. Juni 1935 folgende Formulierung vorgeschlagen hatte: 1. Beamter kann nicht werden, wer nicht arischer Abstammung oder mit einer Person nicht arischer Abstammung verheiratet ist. 2. Wenn dringende Rücksichten der Verwaltung es fordern, kann die oberste Dienstbehörde im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Innern und mit dem Stellvertreter des Führers für den Einzelfall eine Ausnahme zu­lassen. 3. Wer als Person nicht arischer Abstammung zu gelten hat, bestimmt der Reichsminister des Innern im Einvernehmen mit dem Stellvertreter des Führers. (…) Der Beamte ist zu entlassen, wenn sich nach seiner Ernennung herausstellt, dass er oder sein Ehegatte nicht arischer Abstammung ist, oder wenn er als Beamter arischer Abstammung nach seiner Ernennung mit einer Person nicht arischer Abstammung die Ehe geschlossen hat.7

In der Folge konnten Hitler und seine Vasallen – an erster Stelle Propagandaminister Goebbels – ungeniert und in aller Eile das Reichsbürgergesetz einschließlich zahlreicher dazugehörender Verordnungen formulieren und in Kraft setzen. Für die Zeit vom 10. bis 16. September 1935 hatte er nach Nürnberg zum »Parteitag der Freiheit« eingeladen. Da dieser Parteitag aber keine Gesetze verabschieden konnte, berief Hitler für den 15. September 1935 den Reichstag zu einer Sondersitzung nach Nürnberg, der dann im Kulturvereinshaus die berüchtigten Nürnberger Rassengesetze verabschiedete. Zuvor, am 13. September, hatte Hitler noch zwei Rassenspezialisten nach Nürnberg beordert, Reichsärzteführer Gerhard Wagner und den »Rassereferenten« im Reichsinnenministerium Bernhard Lösener.

36  Die Nürnberger Rassengesetze

Antisemitismus als Staatsräson Das Reichsbürgergesetz vom 15. September 1935 schloss Juden von vornherein aus der Gemeinschaft der deutschen Staatsangehörigen aus, denn in Paragraf 2 hieß es: »Reichsbürger ist nur der Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes, der durch sein Verhalten beweist, dass er gewillt ist, in Treue dem Deutschen Volk und Reich zu dienen.« Ebenfalls am 15. September 1935 wurde auf dem Nürnberger »Reichsparteitag der Freiheit« das »Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre« verabschiedet, das die NS-Propagandisten wie folgt bekannt machten: Durchdrungen von der Erkenntnis, dass die Reinheit des deutschen Blutes die Voraussetzung für den Fortbestand des Deutschen Volkes ist, und beseelt von dem unbeugsamen Willen, die Deutsche Nation für alle Zukunft zu sichern, hat der Reichstag einstimmig das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird: § 1 (1) Eheschließungen zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes sind verboten. Trotzdem geschlossene Ehen sind nichtig, auch wenn sie zur Umgehung dieses Gesetzes im Ausland geschlossen sind. (2) Die Nichtigkeitsklage kann nur der Staatsanwalt erheben. § 2 Außerehelicher Verkehr zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes ist verboten. § 3 Juden dürfen weibliche Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes unter 45 Jahren in ihrem Haushalt nicht beschäftigen. § 4 (1) Juden ist das Hissen der Reichs- und Nationalflagge und das Zeigen der Reichsfarben verboten.

Für den Alltag der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger waren eine Reihe von Verordnungen zum Reichsbürgergesetz von entscheidender Bedeutung. Sie schränkten die Persönlichkeiten Stück für Stück ein, wie die »1. Verordnung« vom 14. November 1935. Als Reichsbürger galten »die Staatsangehörigen deutschen oder artverwanden Blutes, die beim Inkrafttreten des Reichsbürgergesetzes das Reichstagswahlrecht« besaßen. Als jüdischer Mischling wurde defiAntisemitismus als Staatsräson  37

niert, »wer von ein oder zwei der Rasse nach volljüdischen Großelternteilen abstammt, sofern er nicht nach § 5 Abs.2 als Jude gilt. Als volljüdisch gilt ein Großelternteil ohne weiteres, wenn er der jüdischen Religionsgemeinschaft angehört hat«. Ohne Umschweife wurde gesagt: »Ein Jude kann nicht Reichsbürger sein. Ihm steht ein Stimmrecht in politischen Angelegenheiten nicht zu; er kann ein öffentliches Amt nicht bekleiden«. Und weiter hieß es: »Jüdische Beamte treten mit Ablauf des 31. Dezember 1935 in den Ruhestand.« Jude war nach NS-Diktion, wer von mindestens drei der Rasse nach volljüdischen Großeltern abstammt. Als Jude gilt auch der von zwei volljüdischen Großeltern abstammende Staatsangehörige jüdische Mischling, a) der beim Erlass des Gesetzes der jüdischen Religionsgemeinschaft angehört hat oder danach in sie aufgenommen wird, b) der beim Erlass des Gesetzes mit einem Juden verheiratet war oder sich danach mit einem solchen verheiratet, c) der aus einer Ehe mit einem Juden im Sinne des Abs. 1 stammt, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September geschlossen ist, d) der aus dem außerehelichen Verkehr mit einem Juden im Sinne des Abs. 1 stammt und nach dem 31. Juli 1936 außerehelich geboren wird.

Im Zusammenhang mit der künftigen Möglichkeit, »Ehrenarier« zu ernennen oder die »Deutschblütigkeit« eines Juden oder »Mischlings« festzustellen, war die Bestimmung von Bedeutung: Der Führer und Reichskanzler kann Befreiungen von den Vorschriften der Ausführungsverordnungen erteilen.

Angesichts der Unsicherheit über die Auslegung der Gesetze und Verordnungen sah sich Hitler-Stellvertreter Heß in einem Rundschreiben an die NSDAP-Gliederungen zu folgenden Erläuterungen veranlasst: Es werden unterschieden drei Gruppen von Staatsangehörigen:

38  Die Nürnberger Rassengesetze

1. Die Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes. 2. Die staatsangehörigen jüdischen Mischlinge. 3. Die staatsangehörigen Juden.8

Antisemitismus als Staatsräson  39

Die Zahl der in Deutschland lebenden Voll-, Dreiviertel- und Halbjuden – diese soweit sie gesetzlich als Juden gelten – wird auf etwa 400 000 bis 500 000, die der jüdischen Mischlinge auf etwa 300 000 geschätzt, davon 200 000 Halbjuden und 100 000 Vierteljuden. Mit welchem Zynismus die Rassenfanatiker vorgingen, dokumentiert übrigens eine Anweisung des Reichsministers des Innern vom 7. Dezember 1936. Ihr zufolge war es »dem deutschblütigen Ehegatten, der in einer deutsch-jüdischen Mischehe lebt« verboten, »in seiner Wohnung die Reichs- und Nationalflagge zu hissen«. Das traf auch für Beamte zu. Und »da der Zustand, dass ein Beamter nicht flaggen darf, auf die Dauer nicht tragbar ist«, musste der »jüdisch versippte Beamte« in der Regel in den Ruhestand versetzt werden.9 Der Begriff »Mischling« wurde im Mai 1938 noch einmal präzisiert. Nunmehr galt als jüdischer Mischling (…), wer von einem oder zwei der Rasse nach volljüdischen Großelternteilen abstammt. Als jüdische Mischlinge 1. Grades werden die Mischlinge mit zwei volljüdischen Großelternteilen bezeichnet, während jüdische Mischlinge 2. Grades einen volljüdischen Großelternteil haben. Ist ein Großelternteil nicht rassisch Volljude, sondern selbst nur jüdischer Mischling, so scheidet er, falls er der jüdischen Religionsgemeinschaft nicht angehört hat, für die rassische Einordnung seines Enkels im Sinne der Nürnberger Gesetze aus. War also der betreffende Großelternteil Halbjude, ohne der jüdischen Religionsgemeinschaft anzugehören, und ist ein anderer Großelternteil Volljude, so ist der Enkel nach den Nürnberger Gesetzen jüdischer Mischling 2. Grades, da er nur einen volljüdischen Großelternteil hat. Der Begriff des Dreiachteljuden ist durch die in den Nürnberger Gesetzen vorgesehene Regelung ausgeschlossen. Wer keinen volljüdischen Großelternteil, wohl aber zwei halbjüdische Großelternteile hat, ist nach der Regelung in § 2 der Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 nicht jüdischer Mischling im Sinne dieser Vorschriften. Aus der Regelung des § 2 der genannten Verordnung folgt gleichfalls, dass auch derjenige, dessen Eltern jüdische Mischlinge 1. Grades (Halbjuden) waren, selbst jüdischer Mischling 1. Grades ist. Gehörte ein Großelternteil der jüdischen Religionsgemeinschaft an, so gilt er ohne weiteres als voll­ jüdisch, ohne dass es in diesem Falle auf seine rassische Zugehörigkeit 40  Die Nürnberger Rassengesetze

ankommt. War also seinerzeit der betreffende Großelternteil deutschblütig, aber zum Judentum übergetreten, so gilt er aufgrund der eben genannten Vorschriften als Volljude. Der Enkel, der an sich blutsmäßig gesehen nur jüdischer Mischling 2. Grades ist, ist aufgrund der genannten Bestimmung jüdischer Mischling 1. Grades. (…) Der Begriff des jüdischen Mischlings im Sinne der Nürnberger Gesetze umfasst nur die deutsch-jüdischen Mischlinge, also Mischlinge von Juden und Angehörigen deutschen oder artverwandten Blutes, wobei als artverwandt im Wesentlichen die europäischen Völker und ihre Nachkommen außerhalb Europas ohne artfremden Bluteinschlag zu bezeichnen sind. Nicht dagegen fallen unter den Begriff jüdische Mischlinge im Sinne der Nürnberger Gesetze Mischlinge von Juden und Angehörigen artfremden Blutes. Das Kind eines Juden und einer Chinesin oder Negerin ist, auch wenn es die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, nicht jüdischer Mischling im Sinne der Nürnberger Gesetze.10

Ausnahmen von den Arierbestimmungen In einem Schnellbrief an die Obersten Reichsbehörden wies Staatssekretär Wilhelm Stuckart am 10. Dezember 1935 darauf hin, dass Hitler ihn durch einen Erlass vom 4. Dezember 1935 ermächtigt hatte, Gesuche um die Befreiung von den Nürnberger Rassengesetzen zu prüfen und abzulehnen, »wenn nicht ausnahmsweise eine Befürwortung des Gesuchs angebracht erscheint«.11 Die endgültige Entscheidung aber hatte sich stets – wie erwähnt – Hitler vorbehalten. Auf der einen Seite wollte er damit u. a . verdienten Kämpfern der »Bewegung« entgegenkommen, zum anderen aber – und darauf hatte Staatssekretär Stuckart am 7. Oktober 1935 in einem Vermerk für den Innenminister hingewiesen – ging es um die Möglichkeit »unvorhersehbare politische Schwierigkeiten« auszuräumen. Die Teilnahme der jüdischen Fechterin Helene Mayer an den Olympischen Spielen 1936 ist hierfür geradezu ein Musterbeispiel. Mit Inkrafttreten der Nürnberger Rassengesetze kam es aber auch zu Ausnahmen. Es wurde unterschieden zwischen der Mitgliedschaft in der Partei und der Bestellung zu Beamten im Staatsdienst. Darauf machte

Ausnahmen von den Arierbestimmungen  41

Reichsinnenminister Wilhelm Frick am 28. Juli 1937 in einem Schreiben an die Obersten Reichsbehörden aufmerksam: Der Führer und Reichskanzler hat in einzelnen Fällen Ausnahmen von den Arierbestimmungen der Partei zugestanden. Der Stellvertreter des Führers ist der Ansicht, dass eine solche Ausnahmeregelung für das Beamtenrecht entsprechend gelten muss. Ich trete dem Standpunkt des Stellvertreters des Führers bei und bitte im Einvernehmen mit ihm nach folgenden Richtlinien zu verfahren: 1. Personen nicht deutschen oder artverwandten Blutes, denen der Führer durch Gnadenakt die Fähigkeit, Mitglied der Partei zu sein, zuerkannt hat, ohne ihnen dabei die Amtsfähigkeit ausdrücklich abzusprechen, sind uneingeschränkt fähig, öffentliche Ämter zu bekleiden. 2. Personen nicht deutschen oder artverwandten Blutes, denen der Führer durch Gnadenakt die Fähigkeit, Mitglied der Partei zu sein, zuerkannt, aber gleichzeitig eine Beschränkung hinsichtlich der Amtsfähigkeit in der Partei auferlegt hat, sind fähig, öffentliche Ämter zu bekleiden, bei deren Wahrnehmung die Möglichkeit einer schädlichen Auswirkung des fremden Blut­ einschlags nur gering ist. Grundsätzlich ausgeschlossen sind sie jedoch von solchen Ämtern, die der Erziehung der Jugend dienen oder politischen Charakter haben. 3. Entsprechendes gilt für Personen deutschen oder artverwandten Blutes, die mit Mischlingen verheiratet sind und denen der Führer die Fähigkeit, Mitglied der Partei zu sein, im Sinne von Ziffer 1 oder 2 zuerkannt hat.12

In kleinem Kreis meinte Hitler am 13. August 1938, die Nürnberger Gesetze und die sich daraus ergebenden Folgen seien eigentlich noch viel zu human gewesen. Man habe zwar dem jüdischen Bürger gewisse Rechte genommen und ihn aus dem Staatsleben entfernt. Es seien aber noch fast alle jüdischen Geschäfte vorhanden, wie er vor Kurzem bei einem Besuch in München habe feststellen können. Er werde sich jetzt überlegen, durch Zusatzgesetze jüdisches Leben in Deutschland derart einzuschränken, dass die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung einfach nicht mehr in Deutschland bleiben wolle. Das wäre der beste Weg, um sie loszuwerden. Seinetwegen sollten sie auch ruhig Geld mitnehmen. Hauptsache sei, dass sie wegzögen.13 42  Die Nürnberger Rassengesetze

1 Wilhelm Stuckart und die Reichsfrauenführerin Gertrud Scholz-Klink 1934 in Berlin.

Rassische Aufwertung durch Abstammungsbescheide Entscheidend für die rassische Einstufung waren sogenannte Abstammungsbescheide, die oft nur mühsam zusammengestellt werden konnten. Bereits 1933 hatte der Reichsminister des Innern einen »Sachverständigen« für die Erstellung solcher Urkunden ernannt: Achim Gercke aus München.14 Allein für den Zeitraum vom 1. Mai bis 14. August 1933 gab er folgende Zahlen an:15 In 1323 Fällen war eine systematische Prüfung und eingehende Forschung erforderlich. In ca. 1200 Fällen reichten zur Erledigung mündliche Angaben und eingereichte Unterlagen. Insgesamt 26 000 Urkunden waren in diesem Zusammenhang angefordert und geprüft worden. Für das gesamte Jahr 1933 nannte Gercke 4887 Anträge zu Abstammungsgutachten, die bei der Reichsstelle für Sippenforschung eingegangen waren. 3400 wurden erledigt. Im Jahr darauf schwoll die Zahl der Anträge auf 7692 Anträge an, von denen 6382 erledigt wurden.16 Rassische Aufwertung durch Abstammungsbescheide  43

Entstanden war eine neue Bürokratie, für die zunächst Räume angemietet werden mussten, später wurde ein Neubau in Erwägung gezogen. Staatssekretär Stuckart informierte den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß am 12. Februar 1938 über ein diesbezügliches Gespräch mit dem Finanzminister. Beide waren sich einig, dass ein Neubau die beste Lösung sei, insbesondere angesichts der Planungen zur Neugestaltung der Reichshauptstadt. Jedoch sollte der Raumbedarf der Reichsstelle vorerst durch die Anmietung weiterer sieben Räume gelöst werden. Im Juni 1938 wurde eine Zentralstelle zur Beschaffung von Urkunden aus dem Ausland eingerichtet.17 Dafür wurden für den Rest des Jahres 157 000 RM veranschlagt. Gercke war – auch wenn manche Entscheidungen des Reichssippenamtes für die Antragsteller ausfielen – ein entsetzlicher Rassist. Der gebürtige Greifswalder hatte als »Privatmann« bis 1932 eine Kartei mit den Namen von über 400 000 deutschen Juden zusammengestellt, die den Nationalsozialisten für Denunziationen und nach der Machtergreifung als Grundlage für den sogenannten Arierparagrafen diente. Gercke avancierte zum Leiter der »NS-Auskunft bei der Reichsleitung der NSDAP« in München, behielt sich die Abstammungsprüfung bei prominenten NS-Mitgliedern selbst vor und wurde schließlich Leiter der Reichsstelle für Sippenforschung im Reichsinnenministerium. In den Händen dieses Mannes lag das Schicksal vieler Menschen, denn er bereitete die Papiere vor, die letztlich Hitler zur Entscheidung vorgelegt wurden. Der Aufsatz »Soll man den deutsch-jüdischen Bastarden die vollen Staatsbürgerechte geben?« gibt ein aufschlussreiches Bild von Gercke. Nach vehementer Ablehnung jeder »Mischehe« plädierte er für die »Entmischung«, die er langfristig anstrebte: Wenn man 600 000 mosaische Juden in Deutschland zählt, die übertrieben hohe Zahl von 600 000 getauften Juden annimmt, so kann man ungefähr nochmals ungefähr 600 000 Mischlinge in Rechnung setzen, ohne eine zu niedere Zahl getroffen zu haben. Von Letzteren sind 90 % sicherlich Bastarde erster und zweiter Ordnung. Einige 10 000 Judenstämmlinge weiter zurückliegender Mischung können und dürfen uns nicht überreden, weich zu werden. Rechnen wir nämlich diese wieder uneingeschränkt zu Germanen, so erkennen wir nachträglich die Mischehe wieder an und begeben uns der Möglichkeit, sie zu verurteilen und zu verhindern.18 44  Die Nürnberger Rassengesetze

Gercke wollte die Anerkennung von Staatsbürgerrechten von der »Reinrassigkeit« der Deutschen abhängig machen und alle, die hierzu falsche Angaben – wissentlich oder unwissentlich – machten, hart bestrafen. Schließlich echauffierte sich der Rassenfanatiker darüber, dass es in der Partei tatsächlich Leute gebe, »die sogar das sonderbare Wort ›es gibt auch (!!!) anständige Juden‹ in neuen Abwandlungen ertönen lassen«. »Rassenscheidende Maßnahmen« aber hätten gar nichts damit zu tun, ob jemand glaubte, »ausnahmsweise einmal einen anständigen Juden gesehen zu haben«. Ein solcher Mann stand also an der Spitze der Reichsstelle für Sippenforschung. Abgesehen davon, dass sie mit ihren konkreten Aufgaben zur Umsetzung des NS-Rassenwahns eines jeden zivilisierten Volkes unwürdig gewesen wäre, wurde sie maßgeblich von der SS mit der Forderung nach Abstammungsbescheiden überhäuft. Es gab aber auch immer wieder wahnwitzige Aufträge durch den Reichsführer-SS, Himmler, der beispielsweise am 7. Mai 1936 den Chef des Rasse- und Siedlungshauptamtes beauftragte,19 die Ahnentafel der zweiten Ehefrau des Generals Erich Ludendorff, Mathilde von Kemnitz, geb. Spieß, eingehend zu überprüfen. Sie war eine überzeugte Antisemitin, hatte u. a . die völkische Bewegung »Deutsche Gotterkenntnis« begründet und Schriften veröffentlicht, in denen sie das politisch einflussreiche Wirken der »überstaatlichen Mächte« des Judentums, der Jesuiten und der Freimaurer behauptete. Himmler vermutete jedoch, »dass in der Ahnentafel irgendwelche jüdischen Blutteile auftreten werden, da sonst die Rabulistik dieser Frau, die bezeichnenderweise in ihren jüngeren Jahren eine sehr tätige internationale Pazifistin in der Schweiz war, sowie ihr ganzes anormales persönliches und sexuelles Leben« nicht erklärlich wären. Der Leiter der Reichsstelle für Sippenforschung wurde – in Himmlers Sinn – nicht fündig, wie er am 10. November 1936 mitteilte. Ein jüdischer Einschlag habe bei der Frau des Generals Ludendorff nicht festgestellt werden können. Allerdings sei auffällig, »dass einschließlich der 16er Reihe unter den Vorfahren nicht weniger als 9 Theologen erscheinen. Eine entsprechende Schlussfolgerung ist daher ohne weiteres gegeben«. Mithilfe des Reichssippenamtes gelang es vielfach – oft nach Jahrzehnten und sehr zum Leidwesen der NS-Führung – Abstammungs­ Rassische Aufwertung durch Abstammungsbescheide  45

bescheide zu ändern und die Antragsteller »rassisch« aufzuwerten. Das für Abstammungsbescheide eigentlich zuständige Reichsministerium des Innern entwarf daher in Übereinstimmung mit der allmächtigen Partei-Kanzlei Richtlinien für die Gewährung von Ausnahmen von den Nürnberger Rassengesetzen. Nach einem Entwurf vom 17. Januar 1942 sollte künftig bei Ausnahmegenehmigungen ein strengerer Maßstab angelegt werden. Die Einstellung von »jüdischen Mischlingen oder Personen, die mit solchen verheiratet waren« in den öffentlichen Dienst sollte grundsätzlich nicht mehr erlaubt sein: Ausnahmen kommen in der Regel nur dann in Betracht, wenn Personen, die selbst oder deren Ehegatten Mischlinge sind, sich im Altreich vor der Machtübernahme, in den neuen Reichsgauen vor deren Eingliederung besonders tatkräftig für den Nationalsozialismus und das Reich eingesetzt haben. In solchen Fällen kann es unbillig sein, ein Prinzip gegen jemanden anzuwenden, der sich vorher für die Verwirklichung dieses Prinzips mit seiner ganzen Person eingesetzt hat. (…) Ausnahmen sind grundsätzlich nur dann zuzulassen, wenn es sich um untergeordnete Stellen handelt.20

Martin Bormann hatte am 26. Juni 1941 die Verfügung erlassen: Angesichts der Tatsache, dass die Mischlinge ersten Grades aus der Wehrmacht und den Parteiorganisationen entfernt wurden, mehren sich ihre Versuche, eine besondere Genehmigung zu erhalten, in den Parteiorganisationen zu verbleiben und dadurch ihren Stand zu verbessern. Die Parteistellen werden daher angewiesen, dies in strenger Weise zu verhindern und solchen Mischlingen jede Möglichkeit zu nehmen, sich der Erleichterungen zu bedienen, die sie früher vonseiten der Partei bei anderen Behörden erhalten haben.

Einige Monate später gab der »Sekretär des Führers« im »Verordnungsblatt der NSDAP vom Juli 1942, Folge 234« folgende Auskunft: Hitler hatte kurz nach Kriegsbeginn, am 8. August 1940, entschieden, dass jüdische »Mischlinge 1. Grades« oder solche deutschen Männer, die mit jüdischen »Mischlingen 1. Grades« oder Jüdinnen verheiratet waren, aus der Wehrmacht entlassen werden mussten. Jüdische »Mischlinge 2. Grades« oder Männer, die mit jüdischen »Mischlingen 2. Gra46  Die Nürnberger Rassengesetze

des« verheiratet waren, konnten in der Wehrmacht weiterdienen, durften aber nicht zu Vorgesetzten befördert werden. Die Genehmigung von Ausnahmen habe sich der »Führer« vorbehalten, aber nun aus gegebener Veranlassung unmissverständlich verlangt, dass Parteidienststellen nur noch in seltenen Ausnahmefällen befürwortende Stellungnahmen abgeben dürften. Dazu gehöre zum Beispiel, »dass ein solcher Mischling, ohne von seiner Mischlingseigenschaft gewusst zu haben, sich jahrelang während der Kampfzeit für die Partei eingesetzt hat«. Der »Führer« werde künftig Anträgen auf Ausnahmebehandlung nur stattgeben, wenn mit dem Antrag zugleich eine persönliche Befürwortung des zuständigen Gauleiters mit besonderer Begründung vorgelegt werde.21

Die Bewertung der »Erbanlagen« Die NS-Führung – insbesondere der Chef der Partei-Kanzlei Bormann – zeigte sich zunehmend unzufrieden mit dem aus ihrer Sicht zu nachlässigen Umgang mit den Bestimmungen der Rassengesetze. In dem Rundschreiben 117/43 stellte Bormann deshalb unmissverständlich klar, wie die »Erbanlagen jüdischer Mischlinge 2. Grades« durch die Partei politisch zu werten seien. Erbanlagen politisch beurteilen zu lassen, war schon ein Anachronismus – nicht der einzige in diesen Jahren. Bormann ging zunächst auf den Umstand ein, dass Gau- und Kreisleiter relativ häufig »sich zu der Eignung eines jüdischen Mischlings 2. Grades für bestimmte Berufe, in denen Mischlinge 2. Grades nur ausnahmsweise verwendet werden dürfen, zu sonstigen Ausnahmeanträgen oder zu der Verwendung eines Mischlings 2. Grades in besonders verantwortlichen oder hervorgehobenen Stellungen zu äußern oder in diesem Zusammenhange über den Mischling eine politische Beurteilung abzugeben« hätten. Häufig werde von der beurteilenden Stelle der Standpunkt vertreten, eine Äußerung zu den rassischen Qualitäten des »Mischlings« erübrige sich, da er ja als »Mischling« bekannt sei und alle »Mischlinge 2. Grades« nach der Tendenz der Nürnberger Gesetze im Allgemeinen gegenüber Deutschblütigen keine Schlechterstellung erfahren sollten. Es sei aber falsch, so Bormann weiter, von der Vorstellung auszugehen, »alle Die Bewertung der »Erbanlagen«  47

Mischlinge 2. Grades wiesen nur zu einem Viertel jüdischen Bluteinschlag auf«. Vielmehr müsse man sich von der – wie Bormann sagte – »Erkenntnis« leiten lassen, »dass ein solcher Mischling von seinem halbjüdischen Elternteil weit mehr als ein Viertel jüdischen Blutes erben kann; ein Mischling 2. Grades kann mithin blutsmäßig im ungünstigsten Fall sogar einem Halbjuden gleichkommen, während es auf der anderen Seite natürlich möglich ist, dass er von seinem halbjüdischen Elternteil weniger als ein Viertel jüdischen Blutes geerbt hat«. Bormann plädierte vorab für eine »Aussonderung der Mischlinge nach ihrem äußeren Erscheinungsbild«. Wenn diese Hürde genommen sei, sei aber zu berücksichtigen: Bei jüdischen Mischlingen 2. Grades, die aus einer sog. Bastardehe stammen, d.h. einer Ehe, deren Partner beide jüdische Mischlinge sind (z. B. der Vater ist Mischling 2. Grades, die Mutter Mischling 1. Grades) kann auch ohne nähere Prüfung des rassischen Erscheinungsbildes ohne Weiteres angenommen werden, dass der jüdische Blutsanteil überwiegt. Bei solchen Mischlingen ist immer gegen eine Ausnahmebehandlung Stellung zu nehmen.22

In jedem Fall müssten die Gau- und Kreisleiter bei der Beurteilung die zuständigen Rassenpolitischen Ämter beteiligen.

Neuregelung der Sonderbestimmungen Immer wieder gab es neue Erlasse, in denen die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen neu geregelt wurde. Um die sogenannten Geltungsjuden nicht wie »gewöhnliche« Juden zu deportieren und ihnen einen wenigstens minimalen Schutz zu gewähren, erließ das Reichsministerium des Innern eine Verordnung, die darauf verwies, dass es Härtefälle gebe, deren Bearbeitung nicht von vornherein aussichtslos erscheine. Um einer späteren Gleichstellung mit »Mischlingen 1. Grades« nicht durch eine inzwischen erfolgte Abschiebung vorzugreifen, sollte von einer solchen Maßnahme vorerst abgesehen werden. Innenminister Frick ordnete deshalb an, folgende Sachverhalte zu prüfen:

48  Die Nürnberger Rassengesetze

a) Der Austritt aus der jüdischen Religionsgemeinschaft ist erst nach dem Stichtag, aber vor der Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reiche erfolgt. Gilt nur für damals österreichische Staatsangehörige. b) Es ist glaubhaft gemacht, dass der Halbjude rechtzeitig, d.h. spätestens vor der Wiedervereinigung aus der Religionsgemeinschaft ausgetreten wäre, wenn ihm dies nicht durch das österreichische Gesetz vom 23. Mai 1868 verwehrt gewesen wäre, weil das Gesetz einen Wechsel des Religionsbekenntnisses zwischen dem vollendeten 7. und dem vollendeten 14. Lebensjahr verbot. c) Der Wille zum tatsächlichen Austritt aus der jüdischen Religionsgemeinschaft ist vor dem Stichtag bewiesen (insbesondere durch schriftliche Taufe), doch ist der nach den staatlichen Gesetzen vorgeschriebene förmliche Austritt aus der jüdischen Religionsgemeinschaft aus entschuldbaren Gründen nicht oder nicht formgerecht vollzogen worden. d) Nach der Trennung einer Mischehe ist die deutschblütige Ehefrau mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern, die als Juden gelten, zurückgeblieben – jüdischer Einfluss auf die Kinder ist ausgeschaltet. e) Ein Geltungsjude ist verheiratet mit einer deutschblütigen Frau, und es sind aus dieser Ehe Kinder vorhanden, die Mischlinge 2. Grades sind.23

Weitere Bestimmungen sahen vor allem eine Machtausweitung für Hitler-Sekretär Martin Bormann vor. Am 20. Februar 1944 hieß es in einem Führer-Erlass zum Beispiel: Um eine einheitliche Behandlung aller Anträge auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung wegen jüdischen oder sonstigen artfremden Bluteinschlags sicherzustellen, bestimme ich: 1. Ausnahmegenehmigungen aller Art wegen jüdischen oder sonstigen artfremden Bluteinschlags können, soweit sie nicht mir zur Entscheidung vorzulegen sind, nur im Einvernehmen mit dem Leiter der Partei-Kanzlei erteilt werden. 2. Allen Anträgen, die mir zur Entscheidung vorgelegt werden, ist die Stellungnahme des Leiters der Partei-Kanzlei beizufügen. 3. Sämtliche Unterlagen in den bisher bearbeiteten Vorgängen dieser Art sind auf Verlangen dem Leiter der Partei-Kanzlei zugänglich zu machen.24

Neuregelung der Sonderbestimmungen  49

Auf die NSDAP-Mitgliedschaft bezogen, verfügte Hitler ebenfalls am 20. Februar 1944: Alle Anträge von jüdischen oder sonstigen artfremden Mischlingen oder von artfremd Versippten auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung wegen jüdischen oder artfremden Bluteinschlags werden im Bereich der NSDAP, ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbände ab 1.1.1944 ausschließlich durch den Leiter meiner Partei-Kanzlei bearbeitet und mir durch ihn vorgetragen, soweit meine Entscheidung einzuholen ist. Sämtliche Unterlagen in den bisher durch andere Parteidienststellen bearbeiteten Vorgängen dieser Art sind auf Verlangen an den Leiter meiner Partei-Kanzlei abzugeben.25

Wenig später, am 1. April 1944, ging es wiederum um die Handhabung von Ausnahmegenehmigungen: Die Reinerhaltung des deutschen Blutes ist eine Hauptaufgabe der nationalsozialistischen Führung des deutschen Volkes. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, ist eine einheitliche Behandlung und Bescheidung aller Anträge erforderlich, in denen für Personen mit jüdischem oder sonstigem artfremdem Bluteinschlag oder mit solchen versippte Personen Ausnahmen von den für sie geltenden Vorschriften erstrebt werden. Hierzu bedarf es einer unbedingten Sicherstellung dahin, dass die NSDAP, die zur Wahrung des nationalsozialistischen Ideengutes berufen ist, in maßgebender Weise beteiligt wird.26

Hitler ordnete an, dass ihm alle Fälle, die seiner Entscheidung unterlagen, durch den Chef der Reichskanzlei oder den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht vorzutragen waren, und zwar in Anwesenheit von Martin Bormann. Anträge aus dem Bereich der NSDAP legte Bormann direkt vor. Die wenigen Ausnahmegenehmigungen, die sich Hitler nicht vorbehalten hatte, bedurften stets der Zustimmung Bormanns, der dadurch einen weiteren Machtzuwachs für sich verbuchen konnte.

50  Die Nürnberger Rassengesetze

»Die Tarnung der Judenmischlinge« Das »Mischlingsproblem« beschäftigte die NS-Rassenideologen bis zum Ende des Regimes. Himmlers Persönlicher Stab hatte beispielsweise am 26. Juli 1944 eine entsprechende 41-seitige Ausarbeitung vorgelegt. Ausnahmebehandlung von Judenmischlingen Bei der Fassung der Nürnberger Gesetze und auch bei späteren Einschränkungen, die man für Judenmischlinge festlegte, ist man der – wie sich inzwischen herausgestellt hat – viel zu weichen Auffassung gewesen, man müsse zur Vermeidung von Härten bei allen Einschränkungen die Möglichkeit von Ausnahmen für einzelne Judenmischlinge vorsehen.27

Die »Judenmischlinge« hatten es Himmler zufolge ausgezeichnet verstanden, folgende Bestimmungen auszunutzen: a) Gleichstellung mit Deutschblütigen (…) Die »Gleichstellung mit Deutschblütigen« als verwaltungstechnischer Begriff ist eine Erfindung der Verwaltungsbürokratie, sie ist in keiner gesetzlichen Bestimmung ausdrücklich genannt. (…) Der gleichgestellte Mischling erhält das Recht, sich auch in Fragebogen und gegenüber Behörden als deutschblütig zu bezeichnen. Er erhält außerdem auf Antrag zur Verwendung bei Anfragen über die Abstammung vom Reichssippenamt einen auf »deutschblütig« lautenden Abstammungsbescheid ausgestellt. (…) b) Die sog. »anerkannten Härtefälle« Nach den Bestimmungen der Nürnberger Gesetze musste eine Reihe von Mischlingen eine andere rassische Einordnung erfahren, als dem tatsächlichen biologischen Tatbestand entsprach. Es wurde z. B. der Halbjude, der bei Inkrafttreten der Nürnberger Gesetze noch der jüdischen Religionsgemeinschaft angehörte oder mit einem Juden verheiratet war, als Volljude behandelt (der sog. Geltungsjude). Die Nachkommen dieser Geltungsjuden wurden, wenn dieser mit einer deutschblütigen Frau verheiratet war, als Mischlinge 1. Grades eingeordnet, obgleich sie nur einen jüdischen Großelternteil hatten.

»Die Tarnung der Judenmischlinge«  51

In all den Fällen, in denen den Mischling keine Verantwortung für diese vom biologischen Tatbestand abweichende Einordnung traf, hat sich der Führer schon vor Jahren generell damit einverstanden erklärt, dass diese Mischlinge durch Ausnahmeentscheidung im Einzelfall eine dem eigentlichen biologischen Tatbestand entsprechende Einordnung erhielten. Die in Betracht kommenden Mischlinge sind durch Einzelentscheidungen des Führers rassisch so eingeordnet worden, wie es ihrer tatsächlichen Blutzusammensetzung entsprach. Dabei ließ sich nicht vermeiden, dass blutmäßige Mischlinge 3. Grades als deutschblütig eingeordnet wurden, da es Mischlinge 3. Grades im staatlichen Bereich nicht gibt. Derzeitiger Stand des Mischlingsproblems im Bereich der NSDAP Ausnahmen vom Gesetz der Blutreinheit Wie im staatlichen, so hat sich auch im Bereich der Partei seit Jahren die Übung herausgebildet, von Fall zu Fall durch Einzelentscheidungen des Führers Ausnahmen von den Anforderungen an die Blutsreinheit der Parteimitglieder zuzulassen. Politische Bewährung in der Zeit vor der Machtübernahme sowie geringer Grad des jüdischen Bluteinschlages wurden häufig Grundlage und Begründung für den weiteren Verbleib der Judenmischlinge in der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen.28

Viele Aussagen dieses Papiers können durchaus als gefährlich für den Verfasser betrachtet werden, denn in zahlreichen Bemerkungen wird offen Kritik an der Handhabung der Sonder- und Ausnahmeregelungen sowie an der »Gleichstellung mit Deutschblütigen« geäußert. Genau dies aber waren die Bereiche, in denen sich Hitler die Entscheidungen persönlich vorbehalten hatte. Kritik daran war zwangsläufig gleichbedeutend mit Kritik an Hitler selbst. Dies zeigte sich besonders deutlich an dem folgenden Kapitel der Darstellung: Die Tarnung der Judenmischlinge durch die Gleichstellung mit Deutschblütigen Erst im Laufe der Zeit ist man sich darüber klar geworden, dass die oben näher dargestellte »Gleichstellung mit Deutschblütigen« den davon betroffenen Judenmischlingen eine vom Standpunkt der Rassenpolitik in höchstem Maße unerwünschte und gefährliche Tarnungsmöglichkeit gegeben hat. Während ursprünglich in den gesetzlichen Vorschriften beab-

52  Die Nürnberger Rassengesetze

sichtigt war, bestimmte Mischlinge wegen besonderer Verdienste von den gesetzlichen Einschränkungen unserer Rassengesetze auszunehmen, ist daraus allmählich in der Verwaltungspraxis die »Gleichstellung mit Deutschblütigen« geworden, eine an sich widersinnige Maßnahme, da ja der biologische Tatbestand, das Vorhandensein des jüdischen Bluteinschlages durch eine solche Entscheidung keineswegs berührt werden kann – man tat aber so, als sei der gleichgestellte Mischling nunmehr auch biologisch deutschblütig! Die Tatsache, dass diese Mischlinge sich auch in Fragebogen und amtlichen Stellen gegenüber als deutschblütig bezeichnen dürfen, ja dass sie sogar, wie dies gelegentlich vorkommt, ungestraft die eidesstattliche Versicherung abgeben können, sie seien deutschblütig, gibt ihnen eine Tarnungsmöglichkeit gegenüber den deutschen Volksgenossen, die u.U. in späteren Jahren, wenn man über die Blutszusammenhänge klarer sieht und ein schärferes Urteil erlangt hat, geradezu verhängnisvolle Folgen haben kann.

Mit den folgenden Sätzen wurde das Scheitern der nationalsozialistischen Rassenpolitik in einer seltenen Deutlichkeit beschrieben und eingestanden: Seit die Einrichtung der Gleichstellung mit Deutschblütigen geschaffen wurde, ist praktisch kein Volksgenosse, auch der in politisch führender Stellung Stehende, mehr davor sicher, dass er oder seine Kinder eines Tages im Vertrauen auf die abgegebenen Erklärungen über die Deutschblütigkeit oder auf den amtlichen Abstammungsbescheid des Reichssippenamtes, den man heute dem gleichgestellten Mischling auf Antrag ausfertigt, in verwandtschaftliche Beziehungen zu verjudeten Sippen geraten, die sich bekanntlich nur schwer lösen lassen, wenn eine Eheschließung bereits vollzogen wurde und vor allem, wenn Kinder aus dieser Ehe hervorgegangen sind. (…) Im Hinblick auf diese erheblichen Bedenken gegen die Gleichstellung mit Deutschblütigen sollte gerade die Partei bei der Befürwortung solcher Anträge besonders zurückhaltend sein und insbesondere davon Abstand nehmen, im Einzelfall Gleichstellungen anzuregen.

»Die Tarnung der Judenmischlinge«  53

Jüdische Mischlinge und jüdisch Versippte als Kulturschaffende Eine wahre Domäne des Judentums vor der Machtübernahme waren die verschiedenen Gebiete unseres kulturellen Schaffens. Da der Jude zu wirklich schöpferischen Leistungen nicht fähig ist, war es ein Leichtes, ihn nach der Machtübernahme von den Spielplänen in Theater, Kino und Rundfunk zu verbannen und Juden als Schriftsteller, Komponisten und bildende Künstler restlos auszuschalten. Wie stark das Judentum aber auf kulturellem Gebiete bei uns eingedrungen war, zeigt sich auch heute noch – ein Jahrzehnt nach der Machtübernahme – an der unverhältnismäßig großen Zahl der heute noch in Theater und Film tätigen Judenmischlinge und jüdisch versippten Künstler. (…) Da aber eine Reihe von Künstlern Sondergenehmigungen besitzen, durch die ihnen trotz jüdischen Bluteinschlags eine ungehinderte Berufsausübung zugesichert wurde, ist es zweckmäßig, bei auftretenden Zweifelsfällen an die Partei-Kanzlei zu berichten, bevor irgendwelche Einzelmaßnahmen gegen solche Künstler ergriffen werden.

Die vermeintliche Empörung der Bevölkerung In ähnlicher Weise äußerte sich der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Ernst Kaltenbrunner, zugleich Leiter des gefürchteten Reichssicherheitshauptamtes. Allerdings attackierte er die »Gleichstellungspolitik« nicht direkt, sondern verschanzte sich hinter einer vermeintlichen Empörung der Bevölkerung darüber. In seinen »Meldungen aus dem Reich, Nr. 307« schilderte er am 11. August 1944 wie folgt die Stimmung in der Bevölkerung hinsichtlich der Praxis, Abstammungsbescheide zu ändern: Zur Änderung der Abstammungsbescheide von Volljuden oder jüdischen Mischlingen ersten Grades In zahlreichen Meldungen aus dem gesamten Reichsgebiet wird berichtet, dass es in der Bevölkerung Verwunderung und z.T. Empörung auslöste, wenn es immer wieder Personen, die bisher allgemein als Juden bekannt waren und sich auch als solche ausgaben, gelingt, einen Entscheid des Reichssippenamtes zu erhalten, wonach sie Mischlinge ersten Grades im Sinne des Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre sind. 54  Die Nürnberger Rassengesetze

Der Weg, der von den Juden beschritten werde, sei fast immer der gleiche. Der Jude oder die Jüdin behaupteten plötzlich, ihr bisher gesetzlich anerkannter jüdischer Vater sei gar nicht ihr Erzeuger, die Mutter habe vielmehr Verkehr mit einem arischen Mann gehabt, sodass dieser der wirkliche Vater sei. Dabei falle auf, dass diese angeblich arischen Väter in den meisten Fällen gar nicht mehr am Leben seien. Trotzdem werde aber von den amtlichen Stellen den Anträgen auf Überprüfung der Abstammung stattgegeben und ein erb- und rassenkundliches Gutachten beigezogen. Diese Gutachten könnten zwar das Ergebnis fast immer nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit festlegen, trotzdem werde aber aufgrund dieser Gutachten nach dem Grundsatz in dubio pro reo meistens der Jude als Mischling ersten Grades anerkannt. So habe z. B. der 1893 geborene Dr. G. stets als Jude gegolten und sei auch als solcher aufgetreten. Erst jetzt habe er plötzlich die Behauptung aufgestellt, seine Mutter habe in der fraglichen Zeit mit einem deutschblütigen Mann, der in ihrem Hause als Hausmeister tätig war, Verkehr gehabt. Dies wird u. a . auch von dem Vater der Frau, also einem Volljuden, eidesstattlich versichert. Bei der erb- und rassenkundlichen Untersuchung haben von dem gesetzlichen und dem angeblichen Vater lediglich Lichtbilder vorgelegen, da beide bereits verstorben sind. Nur aufgrund der Ähnlichkeitsfeststellung kommt das Gutachten zu dem Schluss, dass der Prüfling von dem arischen Manne abstamme. Darauf ist der Abstammungsbescheid ergangen, dass G. jüdischer Mischling mit zwei der Rasse nach jüdischen Großelternteilen (Mischling ersten Grades) ist. In einem anderen Jahr stellte eine im Jahr 1893 geborene Frau E. Antrag auf Nachprüfung ihrer Abstammung, indem sie ebenfalls die Vaterschaft ihres volljüdischen Vaters bestritt und zusammen mit ihrer Mutter die Behauptung aufstellte, ein schon seit Jahren verstorbener Lehrer sei ihr wirklicher Vater. Die zur rassenkundlichen Überprüfung nötigen Lichtbilder des Verstorbenen besorgte sich die Antragstellerin selbst aus der letzten Dienststelle dieses Lehrers. In diesem Fall kommt das rassenkundliche Gutachten zu dem Schluss, dass die Vaterschaft des arischen Mannes um ein geringes wahrscheinlicher sei als die des Volljuden. Auch hier lautet der endgültige Abstammungsbescheid auf Mischling ersten Grades. Auch einem hier weiterhin bekannt gewordenen dritten Fall hat ein Apotheker von C. (geboren 1881) 1934 selbst auf dem ihm von der Reichsapothekerkammer vorgelegten Fragebogen angeben, dass er Volljude sei. Jetzt Die vermeintliche Empörung der Bevölkerung  55

taucht plötzlich die Behauptung auf, dass der Vater des Prüflings, der bereits 1836 geboren und 1890 gestorben ist, mit Wahrscheinlichkeit nicht von einem jüdischen, sondern von einem deutschblütigen Elternpaar abstamme. In dem Abstammungsgutachten heißt es wörtlich: »Im Abstammungsprüfverfahren wurde vorgebracht, dass der Prüfling nach Charakter, Lebens- und Berufsführung kein Volljude sein könne. Es wird, gestützt auf die Tatsache, dass die Geburtsurkunde des Vaters des Prüflings nicht beizubringen ist und dessen Geburtsangaben in der Heiratsurkunde unvollständig sind, behauptet, es müsse seine blutsmäßige Abstammung von dem jüdischen Ehepaar ›van Cleaff-Meyer‹ als zweifelhaft angesehen werden. Zur Klärung des biologischen Abstammungsverhältnisses des Prüflings habe ich eine erb- und rassenkundliche Untersuchung bei dem Universitätsinstitut für Erbbiologie und Rassenhygiene in Frankfurt/Main vornehmen lassen, bei der der Prüfling und seine Schwester zur Verfügung standen. Lichtbilder der Eltern des Prüflings sowie Lichtbilder aus dem Sippenkreise des Prüflings haben vorgelegen. Nach dem abschließenden Gutachten des genannten Instituts vom 30.6.1941 weisen der Prüfling und seine Schwester keine ausgesprochen jüdischen Rassenmerkmale auf. Nach dem Untersuchungsbefund könne kein Hinweis dafür gefunden werden, dass der Prüfling und seine Schwester von einem volljüdischen Elternpaar abstammen. Das vorgelegte Bild des Vaters des Prüflings ließe keinerlei jüdischen Rassenmerkmale erkennen. Nach diesem Befund könne mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Vater des Prüflings nicht von einem jüdischen, sondern von einem deutschblütigen Elternpaar abstamme.« Aufgrund dieses Gutachtens wurde der Volljude van C. zum Mischling ersten Grades erklärt. Aber auch Mischlinge ersten Grades versuchen nach den vorliegenden Meldungen, auf die gleiche Weise eine Änderung ihres Abstammungsbescheides zu erreichen. So trat der jüdische Mischling ersten Grades, M., der ebenfalls in einem amtlichen Fragebogen sich als von zwei volljüdischen Großelternteilen abstammend angegeben hatte, plötzlich, als es um die Erbschaft einer Apotheke ging, mit der Behauptung auf, sein volljüdischer Vater sei nicht der Erzeuger, sondern ein Offizier, der 1917 im Weltkrieg gefallen sei. Trotzdem die Personalien des gefallenen Offiziers nicht festgestellt werden konnten, wurde aufgrund eines erb- und rassenkundlichen Gutachtens 56  Die Nürnberger Rassengesetze

entschieden, dass M. als arisch im Sinne des Gesetzes zu gelten habe. In dem Gutachten heißt es, dass mit sehr großer Wahrscheinlichkeit jüdische Merkmale bei dem Untersuchten nicht festzustellen seien. Aus den zu diesem Tatbestand hier vorliegenden Meldungen geht hervor, dass man es in der Bevölkerung nicht verstehen kann, dass aufgrund so schwacher Beweisstücke, wie sie Lichtbilder darstellen, Änderungen von Abstammungsbescheiden erfolgen könnten. Es sei doch kein Zweifel, dass diese Volljuden und die Mischlinge ersten Grades ihre bisherige Abstammung vor allem lediglich aus wirtschaftlichen Gründen bezweifelten. Es bestehe hier offensichtlich eine Lücke in der Gesetzgebung, wenn überhaupt noch nach Jahrzehnten ein Einspruch gegen einen bisher immer anerkannten Abstammungsbescheid möglich sei, besonders dann, wenn die in Frage stehenden Väter inzwischen verstorben seien.29

Zwangsnamen: Sara und Israel Da es bei der Beantragung von Ausnahmen häufig darum ging, von dem Zwang befreit zu werden, einen zweiten, diskriminierenden Namen zu tragen, soll im Folgenden auf diesen Sachverhalt eingegangen werden. Die Nationalsozialisten verabschiedeten am 17. August 1938 die Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen. Juden mussten ab dem 1. Januar 1939 – sofern sie sich durch ihren Vornamen nicht ohnehin schon als Juden auswiesen – zusätzlich den Vornamen Israel oder Sara annehmen und »bei jeder Gelegenheit, insbesondere im Geschäfts- und Rechtsverkehr« führen.30 Die Nichtbeachtung war strafbar. In der Begründung hieß es, damit könne sich »schon äußerlich jeder deutschblütige Träger durch seinen Vornamen von einem Juden gleichen Namens unterscheiden«. Auf der anderen Seite sollte ein Widerruf von Namensänderungen verhindert werden. Es sollte »der seit der Machtergreifung immer wieder erhobenen Forderung nach einem Widerruf der Namensänderungen Rechnung getragen werden, die den Juden die Verschleierung ihrer Abstammung möglich gemacht haben«.31

Zwangsnamen: Sara und Israel  57

Ein Widerruf der Namensänderungen von »Mischlingen« sollte grundsätzlich ausgeschlossen sein. Dazu hatte sich Staatssekretär Hans Pfundtner Gedanken gemacht: Mischlinge, die z.Zt. einen nichtjüdischen Namen tragen und vielleicht niemals einen anderen Namen getragen haben, diesen Namen durch Widerruf einer früher genehmigten Namensänderung zu entziehen, erscheint (…) nicht angezeigt. Der Nachteil, der durch die neue Annahme eines jüdischen Namens erwächst, ist erheblich größer als der, der durch die Beibehaltung eines schon bisher geführten Namens entsteht. Es ist auch zu beachten, dass eine andere Regelung nur die Mischlinge treffen würde, bei denen der jüdische Bluteinschlag von der Vaterseite herrührt. Auch sind die Kinder oder Enkel in der Regel als »deutschblütig« anzusehen, sodass dann für die Nachkommen eine abermalige Änderung in Frage käme. (…) Die deutschblütigen Träger solcher Namen, die in der Volksauffassung als jüdisch angesehen werden, haben vielfach den Wunsch geäußert, dass die Juden zur Ablegung ihrer bei der Judenemanzipation angenommenen ursprünglich deutschen Namen veranlasst werden. Der Verwirklichung dieser durchaus verständlichen Anregung stehen aber unüberwindliche praktische Schwierigkeiten entgegen. Es ist stattdessen den deutschblütigen Trägern jüdischer Namen durch eine Regelung der Vornamensführung geholfen worden, die in jedem Fall ermöglicht, die Abstammung des Namensträgers zu erkennen.32

Wie wenig konsequent die Rassenpolitik letztlich durchgeführt wurde, zeigte ein Papier der NSDAP-Partei-Kanzlei aus dem Jahr 1944, in dem es um das »Mischlingsproblem« ging. Die Volkszählung von 1939 hatte 72 000 Mischlinge 1. Grades und 39 000 Mischlinge 2. Grades ergeben.33 Nach den Bestimmungen der Nürnberger Gesetze von 1935 musste eine Reihe von »Mischlingen« eine andere rassische Einordnung erfahren, als es dem tatsächlichen biologischen Tatbestand entsprach. Beispielsweise wurde der Halbjude, der bei Inkrafttreten der Nürnberger Gesetze noch der jüdischen Religionsgemeinschaft angehörte oder mit einem Juden verheiratet war, als Volljude – als sogenannter Geltungsjude – behandelt. Die Nachkommen dieses Geltungsjuden wurden, wenn dieser mit einer deutschblütigen Frau verheiratet war, als »Misch58  Die Nürnberger Rassengesetze

linge 1. Grades« eingeordnet, obwohl sie nur einen jüdischen Großelternteil hatten. In all den Fällen, in denen den Mischling keine Verantwortung für diese vom biologischen Tatbestand abweichende Einordnung traf, hatte sich Hitler schon seit Jahren damit einverstanden erklärt, dass diese »Mischlinge« durch Ausnahmeentscheidung im Einzelfall eine dem eigentlichen biologischen Tatbestand entsprechende Einordnung erhielten. Die in Betracht kommenden »Mischlinge« sollten durch Einzelentscheidungen rassisch so eingeordnet werden, wie es ihrer tatsächlichen Blutzusammensetzung entsprach Dabei wurden blutsmäßige »Mischlinge 3. Grades« als deutschblütig eingeordnet wurden, da es »Mischlinge 3. Grades« im staatlichen Bereich nicht gab, wie es in dem Rassen-Papier hieß: »Für die Behandlung der nichtjüdischen artfremden Mischlinge sowie artfremd Versippten sind im staatlichen Bereich keine besonderen Bestimmungen ergangen.« Im Verhältnis zur NSDAP galt: Die für die Judenmischlinge und jüdisch Versippten dargestellten Vorschriften gelten in gleichem Umfang auch für den Fall eines sonstigen artfremden Bluteinschlages. Artfremder Bluteinschlag liegt ebenso bei den Völkern Ostasiens – z. B. Japanern, Chinesen, Malaien usw. – wie bei den Nachkommen von Negern, Hottentotten, Indianern usw. vor. Artfremde Bluteinschläge kommen aber auch gelegentlich bei den in Europa geschlossen siedelnden Völkern, insbesondere in Südosteuropa vor.

Bernhard Löseners umstrittenes Wirken im »Dritten Reich« Einen wesentlichen Anteil an der Formulierung der »Judengesetzgebung« hatte – wenigstens formal – das Reichsministerium des Innern unter Minister Wilhelm Frick. Tatsächlich aber hatte spätestens ab der Gleichsetzung von Partei und Staat die NSDAP weitgehend das Sagen, zumal Frick keinerlei Anstalten machte, seine Kompetenzen wahrzunehmen. In Fricks Haus war von Mitte 1933 bis Ende 1942 Bernhard Lösener Leiter des Referats »Rasserecht« im Reichsministerium des Innern

Bernhard Löseners umstrittenes Wirken im »Dritten Reich«  59

(RMI) und damit in die gesetzliche Verbrämung der Judenverfolgung und -vernichtung entscheidend involviert. Lösener war nach dem Jurastudium erst Vorsteher des Hauptzollamts Glatz, dann im Landesfinanzamt Neiße tätig gewesen. 1930 war er der NSDAP beigetreten. Schon kurz nach der Machtübernahme beorderten die Nationalsozialisten ihn 1933 nach Berlin, wo ihn Staatssekretär Hans Pfundtner, der ihn von früher kannte, ins RMI holte. Dort stieg Lösener 1935 zum Ministerialrat auf und befasste sich in der Abteilung I mit der – wie er schrieb – »Gesetzgebung in der Judenfrage«. In seiner Niederschrift »Als Rassereferent im Reichsministerium des Innern«34 aus dem Jahr 1950 stellte sich Lösener in sehr subjektiver Weise als entschiedener Gegner der Rassenpolitik der Nationalsozialisten dar, gegen die er jedoch als einzelner Referent nichts habe unternehmen können. Zudem wies er auf die große Zahl von Dienststellen hin, die für die Judenpolitik zuständig waren: Es habe den Judenreferenten in der Medizinalabteilung des Reichsministeriums des Innern gegeben, ferner Judenreferenten im Propagandaministerium, Wirtschaftsministerium, Justizministerium, Erziehungsministerium und später im Auswärtigen Amt, vor allem aber in der von Himmler geleiteten, äußerlich mit dem Reichsministerium des Innern verbundenen, tatsächlich gänzlich davon unabhängigen Polizeiabteilung »Hauptabteilung Sicherheitspolizei«, später Reichssicherheitshauptamt genannt. Lösener schrieb, er habe im Rahmen des Möglichen »versucht zu retten, was zu retten« war. Auch wenn dies maßlos übertrieben sein dürfte, gibt es doch eine Reihe von Belegen hierzu. So hatte er im Hinblick auf eine Vorlage vom 30. Oktober 1933 im Zusammenhang mit dem »Arierparagrafen« des »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« kritisch Stellung genommen. Lösener gab zu bedenken, dass ihm die Nichtberücksichtigung besonders hoher Verdienste um das deutsche Volk »unbillig« erscheine im Vergleich zu dem Erfolg, der von einer Ausgliederung der Nachkommen solcher Männer erwartet werde. Die Zahl der Betroffenen mache einen nennenswerten Teil der Gesamtbevölkerung aus, argumentierte er: »Die Folgen der Bestimmungen über die Mischlinge treffen vorzugsweise solche Kreise, die sonst völlig auf dem Boden der Regierung stehen und die nach Erziehung und Intelligenz als wertvoll im deutschen Sinne zu betrachten sind.«

60  Die Nürnberger Rassengesetze

Lösener schlug unter anderem vor, doch für die Zukunft sogenannten Dreiviertelariern den Zugang zur Beamtenlaufbahn nicht politischer Art zu gewähren und zumindest »Ausnahmen für die Nachkömmlinge besonders verdienter Deutscher (von Bering, von Gierke) oder der im Kriege oder in der deutschen Revolution ausgezeichneten Männer vorzusehen, gegebenenfalls in Form eines allgemeinen ›Härteparagrafen‹«. Ausführlich beschrieb Lösener in seiner nach dem Krieg verfassten Rechtfertigungsschrift, dass er lediglich in Einzelfällen habe helfen können. Eine Möglichkeit habe darin bestanden, sich auf legalem Weg für Verfolgte einzusetzen: Es lag mir ob, die Gnadengesuche an Hitler vorzubereiten, soweit sie Härtefälle im Sinne des § 7 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz betrafen, d.h. soweit ein Betroffener mit stichhaltigen Gründen erstrebte, rassisch in eine günstigere Klasse eingeordnet zu werden, als der Buchstabe der Bestimmungen zuließ, z. B. nicht als Geltungsjude, sondern als Mischling 1. Grades. In vielen Fällen handelte es sich um Mischlinge 1. oder 2. Grades, die die sogenannte Gleichstellung, d.h. die mit Deutschblütigen, erstrebten. Die Entscheidung über solche Fälle hat sich Hitler bis zuletzt persönlich vorbehalten. Zahllose Gesuche waren von vornherein aussichtslos; wo aber auch nur eine geringe Aussicht war, machte ich einen Versuch, die unerlässliche Zustimmung des »Stellvertreters des Führers«, später »Parteikanzlei« genannt, zu erlangen, damit der Antrag über [Staatssekretär Wilhelm] Stuckart an die Reichskanzlei gehen und durch [Reichsminister Hans Heinrich] Lammers dem Führer vorgetragen werden konnte. Um manche Fälle wurde oft wochen- und monatelang mit der Partei gekämpft.35

Stuckart war es übrigens auch, der definiert hatte, wann es sich um »kriegswichtige Fälle« handelte, in denen zumindest bei der Wehrmacht Ausnahmegenehmigungen möglich sein sollten: bei Gesuchen von Wehrmachtsangehörigen oder im öffentlichen Leben stehenden Persönlichkeiten, deren Einsatz im Interesse des Staates nicht entbehrt werden konnte.36 Es gibt keine exakten Zahlen über die rassischen Heraufstufungen durch sogenannte Gnadenakte Hitlers. Allerdings sind bei Bernhard Lösener Bernhard Löseners umstrittenes Wirken im »Dritten Reich«  61

einige Zahlen zu lesen, über die er als Leiter des Referats »Rasserecht« einen Überblick gehabt haben sollte und die Aufschluss über die Dimensionen geben. Demnach waren 1935 gerade einmal 295 Gnadenanträge auf eine andere rassische Einordnung gestellt worden. Diese Zahl stieg 1936 – vor dem Hintergrund der Nürnberger Rassengesetze – sprunghaft auf 1400 an und ging 1937 auf 562 zurück. 1938 gab es 1254 Anträge und neun positive Entscheide Hitlers, 1939 lagen 2100 Anträge und 12 »Gnadenerweise« vor, 1940 waren es 2750 Anträge und 111 positive Entscheide. Bis April 1941 lagen Anträge vor, von denen 113 positiv beschieden worden waren. Für die Folgezeit stehen keine Angaben zur Verfügung. Von 1935 bis April 1941 hatten 9636 »Juden, Mischlinge oder jüdisch Versippte« eine rassische Heraufstufung beantragt, 260-mal hatte Hitler dem Anliegen entsprochen. Bis zum 10. September 1942 hatte Hitler Lösener zufolge folgende »Gnadenentscheidungen« getroffen: 339 Gleichstellungen von Geltungsjuden mit Mischlingen 1. Grades, 238 Zulassungen von Mischlingen 1. Grades zum Wehrdienst und zur Verwendung als Vorgesetzte, 394 Gleichstellungen mit Deutschblütigen. Diese Zahlen, die von den zuständigen Stellen der Reichsregierung stammen, dürften als seriös gelten. Hingegen nannte Alfred M. Posselt völlig andere, überzogene Daten zu »Ehrenariern« und »Ausnahmeträgern«.37 Seinen Aufstellungen zufolge gab es im Deutschen Reich 1000 »Ehrenarier« sowie 32 000 sonstige »Ausnahmeträger«. Als Vergleichszahlen für die übrigen Länder, soweit sie unter deutschem Einfluss standen oder von deutschen Truppen besetzt waren, führte Posselt auf, dass es in Polen 2000 »Ehrenarier« und 18 000 »Ausnahmeträger« gegeben habe. Wie Posselt auf solche Zahlen kommt, kann man sich nicht erklären, zumal er für Ungarn 200 000, die Slowakei, die Niederlande und Frankreich je 10 000 »Ehrenarier« nennt und Frankreich 200 000 »Ausnahmeträger« zubilligt und Rumänien sowie Ungarn je 100 000. Die Skepsis, mit der man Posselts Aussagen betrachten muss, zeigt sich auch daran, dass er behauptet, Magda Friedländer, Goebbels’ 62  Die Nürnberger Rassengesetze

spätere Frau, sei vom »Mischling 1. Grades« zur Arierin und Baldur von Schirach vom »Mischling 2. Grades« zum Arier aufgewertet worden. Den Beleg für eine solche Behauptung bleibt er jedoch schuldig. Lösener wollte sich – wie viele andere ehemalige Nazis auch – nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Retter von »Mischlingen« und Juden darstellen. Er war aber Teil des Systems. Auch Göring hatte sich im Fall von Erhard Milch für einen »Mischling« eingesetzt, Goebbels hatte »Mischlingen« und »jüdisch Versippten« Ausnahmegenehmigungen erteilt, und Hitler hatte »gnadenhalber« mehrere Hundert Menschen zu »Mischlingen 1. Grades« oder gar zu »Deutschblütigen« erklärt. Reinwaschen von ihren Verbrechen können sie sich dadurch alle nicht.

Das Reichssippenamt Auch wenn im Nationalsozialismus das »Führerprinzip« galt, das heißt, die Entscheidungen des »Führers« als unfehlbar und unanfechtbar zu betrachten waren, wurde darauf geachtet, dass nie eine einzige Dienststelle in einer Sachfrage das ausschließliche Sagen hatte. Damit wurde verhindert, dass eine Stelle allein – besser gesagt: ein einziger Funktionär – zu viel Macht anhäufen konnte. Alleinige Ausnahme stellte lediglich der Leiter der Partei-Kanzlei der NSDAP, Martin Bormann, dar, der zugleich »Sekretär des Führers« war. Es waren stets verschiedene Stellen von Partei und Staat beteiligt, die sich gegenseitig kontrollierten. Dies galt natürlich auch in »Rassefragen«. Entscheiden konnte Hitler allein, und zwar in der Regel auf der Grundlage von Vorträgen Bormanns. Die Unterlagen bereitete das Reichsministerium des Innern vor, hier vor allem Bernd Lösener als Rassereferent. Macht übte eine Zeit lang auch Achim Gercke aus, der zunächst das »Archiv für berufsständische Rassenstatistik« als Grundlage für die »NS-Auskunft bei der Reichsleitung der NSDAP« aufgebaut hatte. Gercke war promovierter Naturwissenschaftler und dem Rassenwahn verfallen. Er befasste sich mit dem jüdischen Einfluss auf die deutsche Gesellschaft und hatte schon während des Studiums an der Universität Breslau seine Professoren auf den »Grad ihrer Verjudung« untersucht.38 In privater Initiative hatte er das erwähnte Archiv aufgebaut, das der Das Reichssippenamt  63

2 Achim Gercke, der Sippenforscher. Porträt aus dem Jahr 1933.

NSDAP als Basis für die Überprüfung der Abstammung der Bürger diente. Es gab Auskunft über »jüdische Versippungen« . 1932 wurde Gercke Leiter der Abteilung »NS-Auskunft bei der Reichsleitung der NSDAP« im »Braunen Haus« in München, das zum Reichssippenamt und dann zur Reichsstelle für Sippenforschung ausgebaut wurde. Gercke fiel 1935 – angeblich wegen des Verstoßes gegen § 175 – in Ungnade und wurde aller Ämter enthoben. Sein Nachfolger wurde der SS-Standartenführer und Historiker Kurt Mayer. Er war im Stab des 64  Die Nürnberger Rassengesetze

Reichsführers-SS als Abteilungsleiter im Rasse-und Siedlungshauptamt sowie im Hauptamt für Volksgesundheit tätig. Mayer konnte sich nicht lange des Wohlwollens der Parteispitze erfreuen. In weinseliger Stimmung meinte er, der stellvertretende Gauleiter der Pfalz, SS-Standartenführer Richard Leyser, könne jüdischer Abstammung sein. Es folgte ein Parteiverfahren, dennoch ging die Angelegenheit für Mayer glimpflich mit einem Verweis aus.39 Himmler hatte ohnehin die Bearbeitung der Rassefragen immer mehr an sich gezogen. Als er am 24. August 1943 zum Reichsinnen­ minister ernannt wurde, war er auch formal für die Einschätzung und Bearbeitung von »Gnadengesuchen« zuständig. Am 21. Oktober übernahm das Reichssicherheitshauptamt den gesamten Unterlagenbestand.40 Den Recherchen von John M. Steiner und Jobst von Cornberg zufolge handelte es sich dabei um 21 Pakete mit von Hitler genehmigten Gleichstellungen und den entsprechenden Listen, 6 Pakete mit Eingängen von Gnadengesuchen, 18 Pakete mit Wiedervorlagen zu Gnadenfragen und einem Paket mit Wiedervorlagen zu Sonderfällen. Darüber hinaus erhielt SS-Untersturmführer Friedrich Martin acht Pakete mit Abstammungsunterlagen und drei Pakete mit erledigten Akten. Bormanns Partei-Kanzlei erkundigte sich am 6. Dezember 1943 nach dem Verbleib der Akten und erhielt vom Reichssicherheitshauptamt die Antwort, man möge sich doch zuständigkeitshalber in Zukunft nur noch an dieses Amt wenden.

Das Reichssippenamt  65

Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NS-Führung

An die strengen Bestimmungen der nationalsozialistischen Rassengesetze mussten sich nur diejenigen halten, die nicht für das Regime gebraucht wurden oder nicht über entsprechende Beziehungen verfügten. Die NS-Führung dagegen dachte gar nicht daran, sich den von ihr selbst geschaffenen Bestimmungen zu unterwerfen, baute auf »Gnadenakte« Hitlers oder ließ einfach Abstammungsunterlagen fälschen.

Görings Günstling: Erhard Milch, »Ehrenarier« und Generalfeldmarschall Einer der bekanntesten und mächtigsten »Mischlinge« und zugleich »Ehrenarier« des »Dritten Reichs« war Erhard Milch, Generalfeldmarschall und Staatssekretär im Reichsluftfahrtministerium und zuletzt als Stellvertreter von Rüstungsminister Albert Speer verantwortlich für die Verlängerung des Zweiten Weltkriegs. Unter dem schillernden, bisweilen exzentrischen Reichsmarschall Hermann Göring durchlief der 1892 in Wilhelmshaven als Sohn eines jüdischen Marine-Apothekers und einer »arischen Mutter« geborene Milch eine Karriere, die ihm keineswegs in die Wiege gelegt war. Im Ersten Weltkrieg diente er in der Fliegertruppe, 1923 wurde er Chef der Flugbetriebsleitung der Junkers-Werke und bald darauf Leiter der Junkers-Zentralverwaltung. 1926 kam er in den Vorstand der noch jungen »Lufthansa« und traf hier mit Hermann Göring zusammen, der ihn bis zum Ende des NS-Regimes protegierte. Am 2. Februar 1933 berief Reichspräsident Paul von Hindenburg »den Direktor Deutschen Lufthansa A.G. Erhard Milch unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs zum Vertreter des Reichskommissars für die Luftfahrt« – und der hieß Hermann Göring.1 In dem 1938 im Zentralverlag der NSDAP in München erschienenen Buch von Erich Grissbach, Hermann Göring – Werk und Mensch, heißt es hierzu: 66  Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NS-Führung

Es ist ein kleiner Stab, mit dem Göring die ersten Arbeiten leistet, sein Stellvertreter ist Erhard Milch, der einige tüchtige Männer aus der Lufthansa mitbringt. Dann sind’s die alten Kameraden aus dem Weltkriege und schließlich eine Reihe von verantwortungsbewussten Männern aus der bisherigen Abteilung Luftfahrt des Reichsverkehrsministeriums, Männer, die für den Verfall der deutschen Luftfahrt in den Jahren von 1919 bis 1932 nicht verantwortlich zu machen sind.2

Damit begann eine Karriere, die hier nur summarisch wiedergegeben werden kann: 1936 gratulierte der bayerische Ministerpräsident Ludwig Siebert Milch zur Beförderung zum General der Flieger3 und betonte, dass damit die außerordentlichen Verdienste um die Neubegründung der deutschen Luftwaffe ihren Ausdruck gefunden hätten. 1937 wurde Milch Senator der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, 1938 erhielt er von Hitler das Goldene NSDAP-Parteiabzeichen. Im Jahr darauf ernannte Hitler ihn zum Generalinspekteur der Luftwaffe und im Juli 1940 zum Generalfeldmarschall. Wiederum gratulierte Siebert, verbunden mit dem Wunsch: »Mögen Sie mit unserem unvergleichlichen siegreichen Heere bald in die Heimat zurückkehren!«4 Es folgten 1941 die Ernennung zum Generalluftzeugmeister und 1943 zum Präsidenten der Lufthansa. Milch genoss nicht nur Görings, sondern vor allem Hitlers Vertrauen und nahm an einer Reihe von höchst vertraulichen Besprechungen mit dem »Führer« teil. Er erhielt – dem Historiker Max Domarus zufolge – von diesem am 13. Juni 1940 eine besondere Anerkennung für seinen Anteil an der Besetzung Norwegens. In den »Monologen im Führerhauptquartier« wurde Milch als Gesprächsteilnehmer u. a . am »28. Januar 1942, mittags, Gäste: Milch, Jeschonnek, Galland« oder am »19. Februar 1942, abends: Reichsminister Speer, Generaloberst Milch« genannt.5 Im Führerhauptquartier »Werwolf« nahmen am 7. September 1942 als Gäste Hitlers teil: Reichsminister Albert Speer, Reichskommissar Erich Koch und der inzwischen zum Generalfeldmarschall avancierte Milch.6 Vor dem Internationalen Gerichtshof in Nürnberg bestätigte Milch später, mehrfach bei Hitler gewesen zu sein – auch ohne seinen Mentor Göring. So am 23. Mai 1939, als Hitler den Ausbruch des Krieges mithilfe der Luftwaffe angekündigt hatte.7 Hitler zeigte sich Milch gegenüber dankbar und ließ ihm 1942 anlässGörings Günstling: Erhard Milch, »Ehrenarier« und Generalfeldmarschall  67

lich des 50. Geburtstags eine üppige Dotation zukommen. In einem Vermerk vom 21. März 1942 hielt Albert Bormann, der Bruder des Hitler-»Sekretärs« Martin Bormann, für die Privatkanzlei Hitlers dazu fest: Der Führer hat bei meinem Vortrag angeordnet, dass Generalfeldmarschall Milch aus Anlass seines 50. Geburtstags am 30. März 1942 eine Dotation erhalten soll, und zwar in Form eines Schecks über 250 000 RM. Der Scheck wird von mir zugleich mit einem Schreiben des Führers und einem Bild ausgehändigt werden.8

Reichskanzleichef Hans Heinrich Lammers unterrichtete am 3. April 1942 Reichsfinanzminister Graf Schwerin von Krosigk darüber, dass diese Dotation nach dem Willen Hitlers steuerfrei bleiben solle.9 NSKK-Gruppenführer Albert Bormann habe ihm durch seinen Adjutanten mitteilen lassen, der »Führer« habe den Auftrag erteilt, den Scheck mit der Nummer A 1 555 20 über die gesamte Summe von 250 000 RM dem Generalfeldmarschall auszuhändigen. Ebenfalls anlässlich seines 50. Geburtstags sollte Milch außerdem der Ehrendoktortitel der Technischen Hochschule Braunschweig verliehen werden.10 Der Vorschlag kam von der Hochschule, die darauf verwies, dass auch der verstorbene Generaloberst Udet in Braunschweig die Ehrendoktorwürde erhalten habe. Reichskanzleichef Lammers machte darauf aufmerksam, dass die Entscheidung, ob Milch die Auszeichnung annehmen dürfe, ausschließlich Hitler obliege. Reichsmarschall Göring war jedenfalls mit der Verleihung einverstanden, das hatte dessen Staatssekretär und Generalforstmeister Friedrich Alpers bereits am 18. Februar 1942 Lammers mitgeteilt.11 Im März 1942 informierte die Reichskanzlei sowohl Wissenschaftsminister Bernhard Rust als auch Alpers darüber, dass Hitler von der geplanten Verleihung »der Würde eines Dr.-Ing e.h.« wisse und nichts gegen sie einzuwenden habe.12 Obwohl – oder gerade weil – selbst »Mischling«, machte Milch aus seiner Verachtung für diesen Personenkreis keinen Hehl.13 Als es im März 1928 darum ging, Reichstagsabgeordnete zu bestechen, um die Zivilluftfahrt subventionieren zu lassen, titulierte Milch den Berliner Abgeordneten Georg Reinhold Quaast von der Deutsch Nationalen Volkspartei abfällig als »Halbjuden und furchtbares Schwein«. 1933 68  Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NS-Führung

wurde Quaast von den Nationalsozialisten aller Ämter enthoben – nicht aber Milch! Der erfreute sich der Gunst Görings und beteiligte sich an Intrigen, um den Minderheitskanzler Franz von Papen zu stürzen. So nahm er beispielsweise an Besprechungen in Görings Wohnung teil, bei denen es um eben diese Frage ging. Weitere Teilnehmer dieser Runden waren die Prinzen von Wied und Hessen, Gregor Strasser, Rudolf Heß, Ernst Röhm und Wilhelm Frick.14 Möglicherweise hatte Milch zahlreiche NS-Repräsentanten in der Hand, denn wie David Irving in seiner Göring-Biographie schrieb, trafen in Milchs Dienstzimmer im Reichsluftfahrtministerium per Rohrpost zahlreiche Abschriften von heimlich mitgehörten Telefonaten ein.15 Darunter das Liebesgeflüster eines Bischofs mit einer Nonne, von dem Milch meinte, dagegen sei Casanova nur ein »armes Würstchen gewesen«. Wirksam setzte sich Milch bei der Vereidigung der Wehrmacht auf Hitler in Szene. Er, der »Halbjude« – wie es bei Irving hieß –, hatte eine Hand auf die Klinge von Görings Säbel gelegt, die Offiziere im Luftfahrtministerium erhoben die Schwurhand und sprachen die Eidesformel auf Hitler.16 Milch verleugnete seine Abstammung, was durchaus verständlich ist. Teilweise setzte er sich aber an die Spitze der Judenverfolger, was kaum verzeihbar ist. So gab es von Milch keinen Widerspruch, als in einer Geheimbesprechung mit Reichs- und Gauleitern der Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, in seiner Anwesenheit am 6. Oktober 1943 in Posen die »Notwendigkeit« unterstrich, auch jüdische Frauen und Kinder zu ermorden.17 »Die Juden müssen ausgerottet werden«, verlangte Himmler und mokierte sich zugleich über die große Zahl von Gnadengesuchen: (…) bedenken Sie aber selbst, wie viele – auch Parteigenossen – ihr berühmtes Gesuch an mich oder irgendeine Stelle gerichtet haben, in dem es hieß, dass alle Juden selbstverständlich Schweine seien, dass bloß der Soundso ein anständiger Jude sei, dem man nichts tun dürfe. Ich wage zu behaupten, dass es nach der Anzahl der Gesuche und der Mehrzahl der Meinungen in Deutschland mehr anständige Juden gegeben hat, als nominell überhaupt vorhanden waren. In Deutschland haben wir nämlich so viele Millionen Menschen, die ihren einen berühmten anständigen Juden haben, dass diese Zahl bereits größer ist als die Zahl der Juden. Ich will das bloß deshalb anführen, weil Sie aus dem Lebensbereich Ihres eigenen Gaues bei achtbaren Görings Günstling: Erhard Milch, »Ehrenarier« und Generalfeldmarschall  69

und anständigen nationalsozialistischen Menschen feststellen können, dass auch von ihnen jeder einen anständigen Juden kennt.18

Was mag Milch bei solchen Worten gedacht haben? Schlimmer noch: Milch wurde selbst zum Mörder, indem er die Verantwortung für zahlreiche tödliche Versuche des KZ-Arztes Sigmund Rascher an Häftlingen vor allem im Konzentrationslager Dachau trug. Als Staatssekretär im Reichsluftfahrtministerium ließ Milch durch Rascher Höhenflugversuche an Häftlingen vornehmen, die in der Regel tödlich endeten. Ziel war es zu erkunden, wie in großen Höhen abgeschossene Flieger gerettet werden könnten. Ähnliches galt auch für die unmenschlichen Unterkühlungsversuche, denen viele Häftlinge unter entsetzlichen Qualen zum Opfer fielen. Hierbei ging es darum, Seeleute aus kaltem Wasser zu bergen und sie trotz immenser Unterkühlung wiederzubeleben. In welcher Weise Milch in die tödlichen Experimente einbezogen war, geht aus einem Brief Himmlers an Rascher vom 24. Oktober 1942 hervor. Darin hatte Himmler zu den »Unterkühlungsversuchen« Stellung genommen und Rascher ausdrücklich ermächtigt, »von den Nichtärzten nur Generalfeldmarschall Milch und selbstverständlich dem Reichsmarschall, falls dieser dazu Zeit hat, Bericht zu erstatten«.19 Loyal gegenüber seinem Förderer Göring, dem er immerhin seine »Arisierung« zu verdanken hatte, zeigte sich Milch keineswegs. Im Reichsluftfahrtministerium war es Milch, der die Befehle unterzeichnete und darüber entschied, welche Flugzeuge gebaut werden sollten. Göring begnügte sich zumindest hierbei mit der Rolle des Statisten. Am 9. April 1943 notierte Goebbels beispielsweise: Im Sonderwagen haben wir noch lange Besprechungen. Generalfeldmarschall Milch äußert sich in der schärfsten und kritischsten Weise über den Reichsmarschall. Er macht ihm zum Vorwurf, dass er die technische Entwicklung der deutschen Luftwaffe vollkommen auf den Hund habe kommen lassen. Er sei auf den Lorbeeren, die er in den Jahren 1939 und 1940 errungen habe, eingeschlafen.20

Milch behauptete in diesem Gespräch, dass die 6. Armee hätte gerettet werden können, wenn er in Stalingrad die Befehlsgewalt gehabt hätte – er hätte auch gegen den Befehl des »Führers« den Rückzug angetreten. 70  Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NS-Führung

Es entbrannte eine Debatte, über die Berechtigung eines militärischen Führers, dem obersten Befehlshaber, also Hitler, zuwiderzuhandeln. Schließlich berichtete Milch, »dass der Führer über die Entwicklung der deutschen Luftwaffe außerordentlich ungehalten ist. Er hat sich den Generälen der Luftwaffe gegenüber darüber in der wütendsten und ausfälligsten Weise geäußert, ohne dabei den Reichsmarschall zu schonen«. Milch wollte darüber hinaus die gesamte zivile Luftkriegführung in einer Hand zusammengefasst sehen und wollte hier Hitler wie Göring Goebbels vorschlagen. Die Konsequenz für Goebbels lautete: „Es ist auch aus diesen Gründen dringend notwendig, Göring eine stärkere Stütze zu geben. Seine Autorität darf unter keinen Umständen verschütt­ gehen. Das wäre noch schlimmer als der Schaden, der durch die Säumigkeit der Luftwaffenführung angerichtet worden ist.« 1944 gab es einen letzten »Karriereschub« für Milch: Rüstungs­ minister Albert Speer informierte die Obersten Reichsbehörden am 21. Juni 1944 darüber, dass er »aus Anlass der Übernahme der gesamten Luftwaffenrüstung durch den Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion (…) den Reichsmarschall Hermann Göring als ObdL und RMdL gebeten [habe], mir den Generalfeldmarschall Milch für das Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion zur Verfügung zu stellen«. Milch wurde somit Speers Stellvertreter.21 Diskutiert wurde lediglich über die Frage, ob er formell aus dem Amt des Staatssekretärs entlassen werden sollte.22 Entschieden wurde schließlich, dass die entsprechende Urkunde anders als üblich abzufassen sei. Darin solle zum Ausdruck kommen, dass Milch mit Rücksicht auf seine neue Verwendung die Entlassung beantragt habe.

Milchs ausweichende Antworten bei den Nürnberger Prozessen Für seine Aktivitäten in der NS-Zeit musste sich Milch vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg verantworten. Zuvor hatten ihn die Amerikaner ins Gefangenenlager Kaufbeuren gebracht und ihm versprochen, seiner Frau und seiner behinderten Tochter Briefe zu übermitteln, wenn er gegen Göring aussagen würde. Milch lehnte ab, obwohl die Briten drohten, ihn in diesem Fall selbst als Kriegsverbrecher anzuklagen. Milchs ausweichende Antworten bei den Nürnberger Prozessen  71

Der amerikanische Hauptankläger Robert H. Jackson – »Justice Jackson« – vernahm Milch am 8. März 1946 zu seiner Stellung als »Ehren­ arier«. Die Passagen der Vernehmung, die im Zusammenhang mit dieser Thematik von Bedeutung sind, lauteten wie folgt: Justice Jackson: Sie wussten, dass Ihr unmittelbarer Vorgesetzter, Göring, die antijüdischen Verordnungen der Reichsregierung herausgab, nicht wahr? Milch: Nein, das weiß ich nicht. Soviel ich weiß, sind sie von einer anderen Stelle herausgegeben worden … Justice Jackson: Wussten Sie nicht, dass die Verordnungen, die Juden und Halbjuden von ihren Stellungen ausschlossen, von Göring erlassen wurden? Milch: Nein, das weiß ich nicht, sondern, soviel ich weiß, sind die Bestimmungen vom Innenministerium, das ja auch zuständig gewesen wäre, herausgeben worden. Justice Jackson: Mussten Sie nicht selbst gewisse Schritte unternehmen, um die Wirkungen dieser Verordnungen zu umgehen? Milch: Nein, ich weiß, was Sie meinen. Das war eine Frage, die lange vorher geklärt worden war. Justice Jackson: Wie lange vorher wurde sie geklärt? Milch: Soviel ich weiß, im Jahre 1933. Justice Jackson: 1933, gerade nach der Machtübernahme der Nazis? Milch: Jawohl. Justice Jackson: Göring machte Sie damals, wir wollen darüber kein Miss­ verständnis aufkommen lassen, zu dem, was Sie Vollarier nennen. Ist das richtig? Milch: Das glaube ich nicht, dass ich durch ihn dazu gemacht wurde, sondern dass ich es war. Justice Jackson: Gut, sagen wir, er hat es bescheinigen lassen. Milch: Er hat mir absolut bei dieser Frage, die unklar war, geholfen. Justice Jackson: Das heißt, der Mann Ihrer Mutter war Jude, ist das richtig? Milch: Das ist nicht gesagt. 72  Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NS-Führung

Justice Jackson: Sie mussten beweisen, dass keiner Ihrer Vorfahren Jude war? Milch: Jawohl, das musste jeder. Justice Jackson: Und in Ihrem Fall betraf es Ihren angeblichen Vater? Milch: Jawohl. Justice Jackson: Sie kannten sicherlich von Anfang an die Haltung der Nazi-Partei den Juden gegenüber, nicht wahr? Milch: Nein, das wurde nicht mitgeteilt, sondern es musste jeder seine Papiere einreichen, und von einem Großelternteil war ein Papier nicht zu finden.23

Es ist bemerkenswert, mit welcher Unverfrorenheit Milch den Fragen zu seiner Abstammung auswich. Natürlich wusste er, dass er erst durch einen »Gnadenakt« Hitlers »Vollarier« geworden war, mochte dies aber vor dem Tribunal nicht einräumen. Der Hauptanklagepunkt hatte Milchs Tätigkeit als Mitglied des »Amtes Zentrale Planung« betroffen. Dieses Amt war durch eine Verordnung Hitlers vom 29. Oktober 1943 eingerichtet worden war. Milch war hier für die Zwangsarbeiterprogramme des Regimes mitverantwortlich gewesen.24 Während ansonsten die amerikanischen Prozesse vor dem Internationalen Militärtribunal sich gegen Berufsstände richteten (Generäle, Ärzte), stand mit Milch lediglich in einem einzigen Fall ein Einzelner vor Gericht. Milchs Verteidiger Friedrich Bergold und dessen Assistent Werner Milch – ein Bruder des Angeklagten – scheiterten mit ihrer Verteidigungsstrategie, den Angeklagten als unpolitischen Militär darzustellen, der unter Befehlszwang stand und keine persönliche Verantwortung besaß. Lutz Graf Schwerin von Krosigk berichtete in seinen Memoiren, dass eine amerikanische Sekretärin einer deutschen Kollegin vorab verbotenerweise den Urteilsspruch mitgeteilt hatte: zweieinhalb Jahre Freiheitsentzug. Und ein US-Sergeant soll Milch am Vortag der Urteilsverkündung gar zur unmittelbar bevorstehenden Freilassung gratuliert haben. Dazu kam es nicht, denn einer der Richter, Michael A. Musmanno, hatte das Urteil nicht unterschrieben. Er war strikt dagegen, dass Görings rechte Hand in Freiheit gesetzt würde. Er erreichte es in Washington Milchs ausweichende Antworten bei den Nürnberger Prozessen  73

und mithilfe der US-Presse, dass Milch zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Später wurde das Strafmaß auf fünfzehn Jahre reduziert. Milch wurde 1954 vorzeitig aus der Haft entlassen. Für seine Verantwortung bei den tödlichen Dachauer Häftlingsversuchen wurde er nicht zur Rechenschaft gezogen.

Falscher Vater und gefälschtes Geburtsdatum Am Fall Milch ist exemplarisch nachzuvollziehen, wie eine solche rassische Heraufstufung zum »Arier« verlief. Göring musste bei Hitler vorstellig werden, um Milch zum »Vollarier« werden zu lassen. Ferner musste er Standesamtsakten fälschen oder verschwinden lassen, damit die Fälschung der Abstammungsurkunden von Milch nicht offensichtlich werden konnte. Beweis hierfür ist ein Schreiben Görings an den Leiter der Reichsstelle für Sippenforschung in Berlin, das vom 7. August 1935 datiert ist. Unter dem Briefkopf »Der Preußische Ministerpräsident« hatte er folgenden Befehl erteilt: Der Führer und Reichskanzler hat auf meinen ihm gehaltenen Vortrag hin die arische Abstammung des Staatssekretärs und Generalleutnants Erhard Milch, geboren 30.12.1892 zu Wilhelmshaven anerkannt. In Durchführung des Befehls des Führers ersuche ich Sie, die standesamtlichen Unterlagen dahin zu berichtigen, dass der Vater des Staatssekretärs, der verstorbene Baumeister Carl Bräuer, zuletzt wohnhaft Berlin-Grunewald Königsallee 9, als solcher eingetragen wird. Das Gleiche gilt für die Geschwister. Mit Rücksicht auf die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit ersuche ich um umgehende Erledigung und Bericht an mich.25

Auffallend ist in diesem Zusammenhang, dass an den Standesamtsunterlagen in Wilhelmshaven offensichtlich überhaupt keine Manipulationen vorgenommen wurden. Im Gegenteil. Unter der laufenden Nummer 101 ist der standesamtlichen Geburtsanzeige zu entnehmen, dass am 21. März 1892 der kaiserliche Marine-Apotheker Anton Georg Hugo 74  Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NS-Führung

3  Faksimile der Geburtsurkunde von Erhard Milch.

Falscher Vater und gefälschtes Geburtsdatum  75

Milch erschien und anzeigte, dass von seiner Ehefrau Clara Auguste Wilhelmine Milch, geborene Vetter, zu Wilhelmshaven in seiner Wohnung am 30. März 1892 ein Kind männlichen Geschlechts geboren wurde.26 Erst am 4. Mai 1892 kam der Marine-Apotheker erneut ins Standesamt und gab bekannt, dass sein Sohn die Vornamen Erhard Al­fred Richard erhalten sollte. Zu dem von Göring angeordneten Geburtsdatum 30.12.1892 erklärte das zuständige Stadtarchiv Wilhelmshaven, dass in den Geburtenregistern von Wilhelmshaven für Dezember 1892 sowie Januar 1893 keine Geburt unter dem Namen Milch vermerkt ist. Möglicherweise hat Görings Anweisung zur Fälschung das Standesamt Wilhelmshaven gar nicht erreicht. Denn der zuständige Archivar Heinz-Dieter Ströhla teilte dem Autor dieses Buches am 13. August 2013 mit, »dass an den hier vorliegenden standesamtlichen Unterlagen keine nachträglichen Manipulationen feststellbar sind«.27 Vorsichtshalber aber soll Göring Milchs Mutter veranlasst haben, in einer Erklärung zuzugeben, ihr Sohn Erhard stamme aus einer illegitimen Verbindung mit einem Arier. Dieser hätte nach Görings »Sprachregelung« nur »Baumeister Carl Bräuer« sein können, doch findet sich in den Standesamtspapieren kein entsprechender Hinweis.28 Einen Beleg für diese Behauptung konnte nicht gefunden werden. Auch ein Tagebucheintrag Victor Klemperers vom 18. Oktober 1936: »und Martha berichtet von dem Fliegergeneral Milch, der eine arische Mutter und einen jüdischen Vater habe: er gebe an, seine Mutter habe ihn im Ehebruch von einem Arier empfangen«, kann kaum als Beleg für seine »arische« Abstammung geeignet sein. Die zitierte Anweisung Görings setzt allen Spekulationen ein Ende, er habe im Fall seines Staatssekretärs Milch »möglicherweise« Unterlagen fälschen lassen. Um die »Legende« eines »Vollariers« hieb- und stichfest werden zu lassen, mussten Akten (in der Regel bezüglich der Vaterschaft) gefälscht werden – und zwar auf Befehl der Partei- und Staatsspitze. Im Zusammenhang mit Milch wird Göring häufig der Satz zugeschrieben: »Wer Jude ist, bestimme ich.«29 Dies mag er vielleicht einmal so gesagt haben, doch aus seinem Brief an das Reichssippenamt geht eindeutig hervor: Das letzte Wort in solchen Fragen lag stets bei Hitler.

76  Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NS-Führung

Görings Beziehung zu Juden Bisweilen wird Göring eine gewisse Milde gegenüber Juden nachgesagt. Eine solche Darstellung ist schlichtweg falsch. In der Ausgabe vom 20. März 1963 des Nachrichtenmagazins Der Spiegel war beispielsweise zu lesen, wie Görings Privatleben sei auch seine Arbeitsweise nach dem Prinzip ausgerichtet gewesen, seiner Meinung nach vermeidbaren Schwierigkeiten auszuweichen: »Beispielsweise lehnte er es ab, in jedem Juden nur einen Schädling des NS-Staates zu sehen, und er machte den Halbjuden Erhard Milch zum Staatssekretär im Reichsluftfahrtministerium. Andere rassisch Verfolgte wurden von ihm, wenn sie ihm nützlich waren, kurzerhand zu Ehrenariern ernannt.«30 Die Angelegenheit Milch belegt, dass diese Aussage nicht zutrifft, Göring konnte niemanden zum »Ehrenarier« befördern. Es mag sein, dass Göring, der mit Fortschreiten der NS-Diktatur immer weniger ernst genommen wurde, manchem Juden, Halbjuden oder »Mischling« das Leben rettete. Vielleicht war es Pragmatismus, möglicherweise spielten aber auch seine Jugenderfahrungen dabei eine Rolle. In Afrika hatte Görings Vater Ernst Heinrich Bekanntschaft mit dem Arzt Hermann von Epenstein gemacht.31 Epenstein, der einer alten jüdischen Adelsfamilie entstammte, machte Görings Mutter Fanny zu seiner Geliebten. Die Liaison hielt fünfzehn Jahre, und Erhard Milch gab später an, dass aus dieser Beziehung ein illegitimer Halbbruder Görings, Herbert L.W. Göring, stammen würde. Dieser sei so jüdisch gewesen, wie man nur sein könne. Epenstein beendete 1913 die Affäre und warf die Familie Göring aus der Burg Veldenstein. Diese mittelalterliche Wehranlage oberhalb von Neuhaus an der Pegnitz, etwa fünfzig Kilometer nordöstlich von Nürnberg, hatte er aufwendig restaurieren lassen. 1938 ging sie in den Besitz von Hermann Göring über. Bekannt ist, dass das Verhältnis Hermann Görings zu seinem jüdischen Paten­ onkel bis zu dessen Tod 1934 eng und herzlich war. Eine besondere Beziehung zu Juden hatte Görings zweite Ehefrau Emmy, geborene Sonnemann. Die Schauspielerin nutzte ihre Beziehungen, um unter ihren alten Berufskollegen auch Juden zu schützen. Goebbels empfand dies als Einmischung in sein ureigenstes Gebiet und hielt am 22. September 1943 fest, Hitler ärgere sich darüber, »dass Frau Göring sich immer in die Theaterfragen hineinmischt und hier eine Görings Beziehung zu Juden   77

ziemlich unglückliche Personalpolitik betreibt«.32 Dies bestätigt auch David Irving in seiner Göring-Biographie. Dort heißt es zur Rolle von Emmy Göring: Als Ministerpräsident von Preußen ließ er auch den Generalintendanten seines Staatstheaters, Gustaf Gründgens, Schauspieler wie Wolf Trutz, Paul Bildt, Paul Henckels und Karl Etlinger engagieren, alle mit jüdischen Frauen verheiratet, die auch überlebten. Er ermutigte seine Frau, sich für jüdische Kolleginnen von der Bühne einzusetzen (bis Hitler ihr einen persönlichen Brief schrieb, sie möge die Hilfe für die Juden unterlassen). Doch Göring setzte sich darüber hinweg und hielt die Verbindung mit Juden aufrecht, solange diese ihm schöne Kunstwerke und wertvolle Steine verkaufen konnten. In München ging er ungeniert in das Haus Bernheimer am Lenbachplatz hinein, eines der angesehensten Antiquitätenhäuser der Welt, um dort einzukaufen. Und durch Diener ließ er sich Schallplatten mit »Hoffmanns Erzählungen« aus Paris besorgen, da Offenbachs Werke in Deutschland verboten waren.33

In diesem Zusammenhang leistete Bruno Lohse Göring gute Dienste. Der stellvertretende Direktor des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg besorgte für Göring zahlreiche Kunstwerke. Einen besonders guten Kontakt hatte er zu den Brüdern Allen und Manon Loebl. Ihre Galerie in Paris war zwar arisiert worden, aber Loebl blieb dank Göring faktischer Besitzer. Über diese Galerie wurden viele Käufe mit den Deutschen vor allem auch für Göring abgewickelt. Lohse arrangierte es, dass Loebl Göring das Vorkaufsrecht für alle Bilder zusicherte, die er in die Hand bekam. Dafür gewährte ihm Lohse den Schutz vor Verfolgungsmaßnahmen von SD und SS. Am 15. Juni 1943 schrieb Lohse an Göring: »Ich bitte um Anordnung, die sagt, dass ich die Juden Gebrüder Loebl weiterhin vom SD für meine Ermittlungszwecke zur Verfügung stellen lassen kann.« Handschriftlich wurde auf dem Brief vermerkt: »Lohse soll sehen, dass er das so macht, soll Namen RM [Reichsminister] nicht mit Juden in Verbindung bringen! Wenn es geht unter der Hand machen.«34 Die einzige Bedingung Görings gegenüber Lohse war also, dass sein Name auf keinem Papier bei den Verhandlungen mit der Gestapo auftauchen dürfe.

78  Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NS-Führung

Goebbels’ Verstoß gegen die Rassengesetze Major Gerhard Engel, Hitlers Wehrmachtsadjutant, schrieb am 2. November 1942 an das Oberkommando der Wehrmacht: »Die Tatsache, dass eine deutsche Frau, ganz gleich unter welchen Umständen, gewillt gewesen ist, in ehelicher Gemeinschaft mit einem Juden zu leben, ist ein Zeichen von Charakterschwäche, die nicht unbeachtet bleiben darf.«35 Wenn die NS-Repräsentanten diesen Satz auch für sich als gültig betrachtet hätten, hätte Joseph Goebbels niemals seine Frau Magda heiraten dürfen. Denn mit dieser Ehe verstieß ausgerechnet der Chefpropagandist gegen die rassenpolitischen Grundsätze, die er lautstark propagierte. Abgesehen von all seinen übrigen Schwächen und Fehlern war Goebbels, sofern es um seine Liebschaften ging, nicht eben wählerisch – zumindest hinsichtlich der »rassischen Abstammung«. In seiner Zeit in Wuppertal-Elberfeld unterhielt er ein inniges Verhältnis zu Else Janke, die als technische Lehrerin an der katholischen Volksschule in Rheydt arbeitete und sich als Goebbels’ Verlobte betrachtete. Elses Mutter war allerdings Jüdin. In den Jahren 1924 bis 1926 gibt es kaum einen Tagebucheintrag von Goebbels, in dem er nicht von Else schwärmte, sich mit ihr stritt und wieder versöhnte, wie beispielsweise folgender Eintrag dokumentiert: Mit Else wieder aufs innigste vertragen. Eine köstliche Stunde gegenseitigen Verstehens. Ich habe sie gleichsam wieder von Neuem. Sie ist so lieb und anhänglich. Die schärfste Waffe, die die Frauen gegen uns führen: ein Tränenstrom. Dagegen sind wir machtlos. Ich höre Else auf dem benachbarten Schulhof kommandieren. Sie freut sich bestimmt schon auf unser Zusammensein heute Nachmittag. Sie kann ohne mich nicht mehr sein. Ich bin ihr Alles. Warum gibt mir das Geschick so viel an Liebe? Warum kann ich so viel an Liebe wiedergeben? Bin ich anders als die anderen alle? Ein Glückskind gar?36

Dieses »Glück« hielt nicht lange an. 1922 kam es mit Else Janke zu einem heftigen Wortwechsel über seine Behinderung, bei dem die junge Lehrerin ihm eröffnete, dass ihre Mutter Jüdin sei. Die Beziehung wurde dennoch fortgesetzt, doch Goebbels vermerkte im Tagebuch, der Goebbels’ Verstoß gegen die Rassengesetze  79

»ursprüngliche Zauber« sei nun dahin. Sein wachsender Antisemitismus belastete die Beziehung zunehmend – aber zu Ende ging das Verhältnis zur »Halbjüdin« Else Janke erst 1926, als Hitler Goebbels zum Gauleiter von Berlin bestellte. Am 13. Dezember 1933 war von der einstigen großen Liebe nicht mehr viel zu spüren. Zufällig begegnete Goebbels Else Janke am Rande einer Beerdigung in seiner Heimatstadt: »Ich treffe mittags durch einen Zufall Else Janke und Alma [eine Kollegin von Else]. Else wird abwechselnd puterrot und kreidebleich. Nachher fragt sie mich, ob ich noch manchmal an sie denke. Ich sage ja und lüge wohl dabei. Sie hat sich gar nicht verändert. Immer noch hübsch und zart wie damals. Über 3 Jahre sahen wir uns nicht.«37 Der letzte Eintrag über Else Janke findet sich am 25. Juni 1933 in den Tagebüchern: Goebbels begnügte sich anlässlich eines Besuchs in Rheydt mit dem Hinweis. »Auf dem Marktplatz geredet. Dann bei Mutter. Ich regele mit ihr allein die Frage Else J.«38 Da war er längst, mit Magda, geschiedene Quandt, liiert. Johanna Maria Magdalena Behrend, die spätere Magda Goebbels, wurde am 11. November 1901 als uneheliche Tochter des Ingenieurs Oskar Ritschel und des Dienstmädchens Auguste Behrend geboren. Ritschel heiratete Auguste nach der Geburt der Tochter, die Ehe hielt aber nur bis 1904. Magda lebte mit ihrem Vater in Brüssel, in dieser Zeit heiratete ihre Mutter den jüdischen Kaufmann Richard Friedländer, dessen Name auch Magda annahm. 1920 lernte Magda den zwanzig Jahre älteren Großindustriellen Günther Quandt kennen. Am 15. Juli dieses Jahres erkannte Ritschel sie als leibliche Tochter an, sie verlobte sich mit Quandt und trat vom katholischen zum evangelischen Glauben über. 1919 wurde die Ehe der Quandts geschieden, Magda ging eine Beziehung mit dem linken Zionistenführer Chaim Vitaly Arlosoroff ein, der Magda eine Zeit lang zur glühenden Zionistin werden ließ. 1930 trat sie in Berlin der NSDAP-Ortsgruppe Westend bei. Die Arbeit an der Parteibasis gefiel ihr aber nicht. Darum bot sie an, in der Parteizentrale der Berliner NSDAP mitzuarbeiten. Dort lernte sie Joseph Goebbels kennen, der damals Gauleiter von Berlin war und sie zur Betreuerin seines Privatarchivs machte. Bald entwickelte sich eine Liebesbeziehung zwischen den beiden, und sie heirateten am 19. Dezember 1931. Auf Veranlassung von Goebbels legte Magdas Mutter 1931 den Nachnamen ihres zweiten Ehemanns Friedländer ab. Seit 80  Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NS-Führung

der Hochzeit mit Quandt hatte Magda jeden Kontakt mit ihrem ehemaligen Stiefvater Richard Friedländer vermieden. Dieser war inzwischen verarmt und musste sich mit Gelegenheitsarbeiten als Hilfskellner durchs Leben schlagen. Im Sommer 1938 wurde er bei der sogenannten Juni-Aktion »Arbeitsscheu Reich« in das KZ Buchenwald deportiert. Dort musste er, gesundheitlich schon angeschlagen, schwere Arbeit im Steinbruch verrichten, die in Verbindung mit den katastrophalen Lebensbedingungen zu seinem Tod führte. Seine Urne wurde den Angehörigen per Nachnahme, gegen Zahlung von 93 Reichsmark, nach Berlin zugestellt. Sie wurde auf dem jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee beigesetzt. Goebbels, der keine Mittel scheute, Berlin »judenfrei« zu machen, hatte also eine Frau geheiratet, die zwar selbst kein jüdisches Blut in ihren Adern hatte, aber früher enge Beziehungen zu Juden und zionistischen Aktivisten unterhalten hatte. Jedem anderen Deutschen wäre eine solche Ehe, wie Goebbels sie mit Magda geschlossen hatte, nicht genehmigt oder, wenn sie doch zustande gekommen wäre, zum Verhängnis geworden. Goebbels hätte zumindest den öffentlichen Dienst verlassen müssen, ebenso die Wehrmacht – aber er war ja Minister. Und eben dieser Goebbels echauffierte sich darüber, dass anlässlich der Ausweisung eines maßgebenden Berliner Juden und bei der Überprüfung seiner Hinterlassenschaft festgestellt worden war, dass der deutsche Kronprinz noch Mitte 1941 »an diesen Juden noch sehr herzliche Briefe geschickt und Bilder mit außerordentlich herzlichen Widmungen hat überreichen lassen«.39 Das Hohenzollernhaus von heute sei keinen Schuss Pulver mehr wert, folgerte Goebbels. In diesen Zusammenhang passt übrigens eine Meldung der Reichsmusikkammer, die einen eigenen Kontrolldienst mit dem Charakter einer Hilfspolizei unterhielt. Die Kontrolleure hatten am 27. Januar 1935 im Berliner Restaurant Engelhardt »unter dem Deckmantel eines caritativen Handarbeitsclubs (…) einen Kreis ehemaliger aktiver Offiziere bei des Kaisers Geburtstagsfeier überrascht«.40 Aus rassenideologischer NS-Sicht war aber dieser Vorfall weitaus schwerwiegender: Demnach war der »volljüdische« Besitzer des Mohr’schen Konservatoriums Fritz Vogel aus der Reichsmusikkammer ausgeschlossen worden. Dennoch hatte er auch weiterhin »2 Söhne des Ex-Kronprinzen, die beide beim Amtsgericht Werder/H. als Referendar bzw. Assessor tätig sind, im Goebbels’ Verstoß gegen die Rassengesetze  81

Schloss Charlottenhöhe, Potsdam, im Harmonikaspiel unterrichtet«. Folglich war das frühere Kaiserhaus mit wenigen Ausnahmen zumindest für Goebbels höchst unzuverlässig und verdächtig.

Der Kampf gegen die »Geltungsjuden« Der Propagandaminister, der gleichzeitig NS-Gauleiter von Berlin war, betrachtete es als eine seiner größten »politischen« Leistungen, Berlin nahezu »judenfrei« gemacht zu haben.41 Dennoch klagte er am 19. April 1943 darüber, dass sich noch immer eine »ganze Reihe von sogenannten ›Geltungsjuden‹, von Juden aus privilegierten Mischehen und auch von Juden, die nicht privilegiert sind«, in Berlin befanden. Noch am selben Tag wollte er eine erneute Überprüfung der Juden veranlassen. Vor allem aber wollte er den »Judenstern« nicht mehr auf Berlins Straßen sehen: »Entweder muss man ihnen den Judenstern nehmen und sie privilegieren, oder sie im anderen Falle endgültig aus der Reichshauptstadt evakuieren.« Mit aller Härte ging Goebbels in Berlin gegen Juden vor, sprach aber dann selbst von einigen »Misshelligkeiten«, zu der diese »Evakuierung« geführt habe: Leider sind dabei auch die Juden und Jüdinnen aus privilegierten Ehen zuerst mit verhaftet worden, was zu großer Angst und Verwirrung geführt hat. Dass die Juden an einem Tage verhaftet werden sollten, hat sich infolge des kurzsichtigen Verhaltens von Industriellen, die die Juden rechtzeitig warnten, als Schlag ins Wasser herausgestellt. Im Ganzen sind wir 4000 Juden dabei nicht habhaft geworden. (….) Die Verhaftung von Juden und Jüdinnen hat besonders in Künstlerkreisen stark sensationell gewirkt. Denn gerade unter Schauspielern sind ja diese privilegierten Ehen noch in einer gewissen Anzahl vorhanden. Aber darauf kann ich im Augenblick nicht übermäßig viel Rücksicht nehmen. Wenn ein deutscher Mann es jetzt noch fertigbringt, mit einer Jüdin in einer legalen Ehe zu leben, dann spricht das absolut gegen ihn, und es ist im Kriege nicht mehr an der Zeit, diese Frage allzu sentimental zu beurteilen.42

Aber selbst Goebbels kam trotz seines Judenhasses nicht umhin, gerade solche »privilegierten« Ehen in Künstlerkreisen zu dulden und 82  Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NS-Führung

den Betroffenen Sondergenehmigungen und Auftrittserlaubnisse zu erteilen. Ferner sei darauf hingewiesen, dass Goebbels die »Evakuierungsmaßnahmen« in Berlin für kurze Zeit hatte unterbrechen lassen. Der SD habe sie für ungünstig gehalten, da »sich leider etwas unliebsame Szenen vor einem jüdischen Altersheim abgespielt hätten, wo die Bevölkerung sich in größerer Menge ansammelte und zum Teil sogar für die Juden etwas Partei ergriff«, notierte er am 6. März 1943 in seinem Tagebuch.43

Die Bespitzelung von Wissenschaftsminister Bernhard Rust Ein anderer Reichsminister, der nach NS-Rassekriterien dieses Amt nicht hätte bekleiden dürfen, war Wissenschaftsminister Bernhard Rust. Offensichtlich hatte die NS-Spitze mit Reichsmarschall Göring geargwöhnt, dass die Abstammung von Rust oder seiner zweiten Ehefrau Anna-Sofie, geborene Dietlein – aus nationalsozialistischer Sicht – dunkle Flecken aufwies. Göring erteilte der Reichsstelle für Sippenforschung am 25. Dezember 1936 den Befehl, »einen vertraulichen persönlichen Bericht« über Rust zu erstellen.44 Das Ergebnis lag schon kurze Zeit später, am 7. Januar 1937, vor. Von vorrangigem Interesse erwies sich für die Nationalsozialisten die Abstammung der Ministergattin. Anna-Sofie Rust war die Urenkelin des Ehepaares Steinmann-Gottheimer, wobei sich herausstellte, dass Ludwig Steinmann ebenso »Volljude« war wie seine Gattin Eleonore. Nach den Feststellungen der Reichsstelle für Sippenforschung ergab sich, dass die »Ehefrau Rust (…) jüdischer Mischling mit einem der Rasse nach volljüdischen Großelternteil (Mischling 2. Grades, ¼ Jüdin)« war.45 Der Leiter der Reichsstelle für Sippenforschung verwies auf einen Ausweg aus dem Dilemma, nämlich auf eine Vereinbarung mit Reichsleiter Philipp Bouhler, der zufolge ihm von der Kanzlei des »Führers« sämtliche Begnadigungen in Abstammungsangelegenheiten mitgeteilt werden sollten. Im Übrigen regte er an, dass die von Bormann geführte Partei-Kanzlei solche Abstammungsfragen wie die der Ehefrau Rust

Die Bespitzelung von Wissenschaftsminister Bernhard Rust  83

unbedingt seiner Dienststelle vorlegen müsse, da sie allein über die Prüfungsmöglichkeiten verfügen würde. Diskrepanzen zwischen dem Reichsministerium des Innern, der Partei-Kanzlei und der Reichsstelle für Sippenforschung ergaben sich, als es um die Frage ging, nicht nur der Ehefrau von Minister Rust die wichtige »Deutschblütigkeit« zu bescheinigen, sondern auch ihren Geschwistern. Der Reichsminister des Innern wandte sich am 1. Februar 1937 »wegen einer Ausdehnung des zugunsten der Geschwister von Dietlein ergangenen Gnadenaktes des Führers und Reichskanzlers auf weitere Nachkommen des Ehepaares Steinmann/Gottheimer« an Bouhler. Für eine »Mitteilung des Veranlassten« wäre er dankbar.46 Als Heinrich von Dietlein, Bruder der Ehefrau Rusts, noch weitere Forderungen stellte, lehnte der Innenminister ab,47 denn solche Bescheide würden im Widerspruch zu den tatsächlichen Abstammungsverhältnissen stehen. Ihre Erteilung sei daher nur rechtlich zulässig, »wenn der Führer und Reichskanzler im Gnadenwege eine derartige Anordnung getroffen hätte«. Dass Änderungen der Abstammungsbescheide, sofern Hitler sie auf dem »Gnadenweg« anordnete, fast nie den tatsächlichen Abstammungsverhältnissen entsprachen, überging der Reichsminister des Innern geflissentlich. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis von Interesse, dass es Martin Bormann war, der im Herbst 1942 die Verwendung des Begriffs »Gnadengesuch« verbot.48

Hieß Robert Ley eigentlich Levi? Dem Reichsorganisationsleiter der NSDAP Robert Ley sagte man jüdische Wurzeln nach. Dies jedenfalls behauptete Reichsjugendführer Artur Axmann in seinem Buch Das kann doch nicht das Ende sein. Axmann berief sich dabei allerdings auf Baldur von Schirach, seinen Vorgänger im Amt des Reichsjugendführers, der in seinem Buch Ich glaubte an Hitler geschrieben hatte: »Ich erinnerte mich, wie er [Ley] mir einmal gesagt hatte: ›Ich habe ja eigentlich gar kein Recht, mich als Vorkämpfer der Germanen hinzustellen. Ich bin ja auch sonst kein Vorbild im Leben.‹« Axmann schrieb dann weiter: »Nun war Ley tot, dessen Ariernachweis im Panzerschrank von Heß lag. Ley war jüdischer

84  Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NS-Führung

Abstammung und hieß eigentlich Levi. Nicht einmal gerüchteweise wie bei Heydrich und Milch hatte ich je davon gehört.«49 Ley war 1923 in die NSDAP eingetreten und wurde 1925 von Hitler mit der Führung des Gaus Rheinland-Süd beauftragt.50 Seit 1930 gehörte er für den Wahlkreis Köln/Aachen dem Reichstag an, war Reichsinspekteur und Stellvertreter des Reichsorganisationsleiters der NSDAP. Nach der Zerschlagung der Gewerkschaften wurde er Chef der Deutschen Arbeitsfront (DAF). Als größte Massenorganisation im Dritten Reich (1938 zählte sie 23 Millionen Mitglieder) kontrollierte die DAF Einstellung und Entlassung, Entlohnung und Sozialversicherung sowie die Altersversorgung von Arbeitskräften. Ley, innerhalb der NS-Führung meistens abfällig »Reichs-Trunkenbold« genannt, gründete im Rahmen der DAF nach dem Vorbild von Mussolinis »Opera Nazionale Dopolavoro« die Organisation »Kraft durch Freude« (KdF), um die Bevölkerung stärker an die Partei anzubinden und ihre Freizeit zu gestalten, zu überwachen und gleichzuschalten. Axmann wollte im Übrigen, wie Millionen anderer, die Hitler blind gefolgt waren, nach dem verlorenen Krieg von Antisemitismus, Judenverfolgung und Holocaust kaum etwas gewusst haben.51 Er behauptete sogar, dass er und die übrigen Mitglieder des Nationalsozialistischen Schülerbundes die jüdischen Mitschüler nie gehänselt, benachteiligt oder gar bedroht hätten. Außerdem sei sein ältester Bruder Kurt im jüdischen Bankhaus Caro & Co. beschäftigt gewesen und danach bei einem jüdischen Geschäftsmann, den er auch auf Reisen begleitet hatte. Er selbst habe erlebt, dass ein Jude einem Jungen empfohlen habe, in die Hitlerjugend einzutreten. Kurzum: Axmann beteuerte, Juden nicht feindlich gesinnt gewesen zu sein, allenfalls habe er eine Abneigung gegen »Ostjuden« gehabt.

Gerüchte um Reinhard Heydrichs »jüdisches Blut« Jüdische Verwandtschaft wurde übrigens auch Reinhard Heydrich, dem gefürchteten Chef der Sicherheitspolizei und des SD, nachgesagt. Grundlage für eine solche Vermutung war ein Eintrag in Riemanns Musik-Lexikon aus dem Jahr 1916, bei dem hinter dem Namen von Gerüchte um Reinhard Heydrichs »jüdisches Blut«  85

Heydrichs Vater – Bruno Heydrich – der Vermerk: »eigentlich Süß« zu finden war.52 Achim Gercke, Sachverständiger für die Überprüfung von Abstammungsbescheiden beim Reichsminister des Innern, wurde beauftragt, den Wahrheitsgehalt zu eruieren. Er kam zu dem Ergebnis, dass Heydrich deutscher Herkunft sei, »frei von farbigem oder jüdischem Bluteinschlag«. Gercke erklärte die Entstehung des Gerüchts damit, »dass Oberleutnant Heydrichs Großmutter Ernestine Wilhelmine Heydrich, geborene Lindner, in zweiter Ehe mit dem Schlossergehilfen Gustav Robert Süß verheiratet war und als Mutter einer zahlreichen Kinderschar aus der Ehe mit ihrem ersten Mann Reinhold Heydrich sich des öfteren Süß-Heydrich genannt hat«.53 Letztlich gab es keinen Beweis für jüdisches Blut in Heydrichs Adern, doch hielt sich das Gerücht bis weit über seinen Tod und über das Ende des Nationalsozialismus hinaus. Genährt wurde es im Übrigen auch durch den finnischen Medizinalrat Felix Kersten, der ab 1939 Himmlers Leibarzt war und den Reichsführer-SS wie kaum ein anderer kannte. Ihn hatte Kersten am 20. August 1942 anlässlich eines Krankenbesuchs auf Gut Hartzwalde auf das Gerücht angesprochen, dass Heydrich nicht rein arisch sei. Es entspann sich der folgende Dialog: Himmler: Doch, es stimmt. Kersten: Wussten Sie das schon früher, oder haben Sie das erst jetzt bei seinem Tode erfahren? Weiß das auch Herr Hitler? Himmler: Das wusste ich schon, als ich noch Chef der bayerischen politischen Polizei war. Ich habe damals dem Führer Vortrag gehalten, daraufhin ließ dieser Heydrich zu sich kommen, hat mit ihm lange gesprochen und einen sehr günstigen Eindruck von ihm bekommen. Später erklärte der Führer mir, dieser Heydrich sei ein hochbegabter, aber auch sehr gefährlicher Mann, dessen Gaben man der Bewegung erhalten müsse. Solche Leute könnte man jedoch nur arbeiten lassen, wenn man sie fest in der Hand behielte, und dazu eigne sich seine nichtarische Abstammung ausgezeichnet, er werde uns ewig dankbar sein, dass wir ihn behalten und nicht ausgestoßen hätten und werde blindlings gehorchen. Das war dann auch der Fall.54

Kersten habe sich an die unterwürfige Art erinnert, mit der Heydrich stets Himmler begegnet sei. Dieser habe erklärt, dass man Heydrich 86  Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NS-Führung

Aufgaben übertragen konnte, an die niemand sonst gern heranging, auch die »Judenaktion«. Kersten habe darauf reagiert und gemeint: »Da haben Sie also, um die Juden zu vernichten, einen ihrer Verwandten benutzt, der in Ihrer Hand war. Das ist wirklich ein teuflisches Spiel.« In einem weiteren Gespräch – so berichtet Kersten – habe Himmler erklärt, Heydrich habe »unendlich unter der Tatsache gelitten, »dass er nicht reinrassig war«. Durch erhöhte Leistungen im Sport habe er beweisen wollen, dass der germanische Anteil in seinem Blut überwiege, zumal bekannt sei, dass der Sport Juden an sich nicht liege. Himmler habe dann gesagt: Wie leid tat er mir, wenn er mir in seinem Bereich Männer zur Aufnahme in die SS vorschlug und besonders auf ihre ausgezeichnete rassische Abstammung hinwies. Ich wusste dann, was in ihm vorging. (…) Ich habe mich oft mit ihm unterhalten und versucht, ihm zu helfen, sogar gegen meine Überzeugung ihm gegenüber die Möglichkeit der Überwindung des jüdischen Blutanteils durch das bessere germanische Blut zuzugeben und ihn selbst als ein Beispiel dafür bezeichnet. Wie freute er sich, als dieser Gedanke für Vierteljuden, jedoch nur aus rein staatspolitischen Gründen, um die Judenfrage endgültig einer Regelung zuzuführen, in der Rassegesetzgebung zum Ausdruck kam.55

Heydrich sei »herrlich zum Kampf gegen das Judentum« zu gebrauchen gewesen, fuhr Himmler fort: Er hatte in sich den Juden rein intellektuell überwunden und war auf die andere Seite übergeschwenkt. Er war davon überzeugt, dass der jüdische Anteil an seinem Blut verdammenswert war, er hasste dieses Blut, das ihm so übel mitspielte. Der Führer konnte sich im Kampf gegen die Juden wirklich keinen besseren Mann aussuchen als gerade Heydrich. Den Juden gegenüber kannte er keine Gnade und kein Mitleid.56

Hans Michael Frank, 1900 in Karlsruhe geboren, begegnete als 19-Jähriger erstmals Hitler in München und wurde dessen Rechtsanwalt. Während des Zweiten Weltkriegs war er Generalgouverneur in Polen und wurde als »Judenschlächter von Krakau« bekannt. Er hatte Gerüchte um Reinhard Heydrichs »jüdisches Blut«  87

möglicherweise ebenfalls jüdische Wurzeln. So war 1953 im Spiegel zu lesen, dass Franks Vater Jude gewesen war, sich vom Bamberger Bischof hatte taufen lassen und dann zum altkatholischen Glauben übergetreten war.57 Hitler hatte laut Spiegel 1933 hiervon erfahren und seinen Hof­ fotografen Heinrich Hoffmann wissen lassen, dass ihm an einer Beseitigung entsprechender Urkunden über die Herkunft Franks gelegen sei. Recherchen des Autors dieses Buches ergaben, dass im Geburtenregister der Stadt Karlsruhe von 1900, Eingang Nr. 1177, unter der Geburt von Hans Michael Frank als Vater der Sohn eines Ölmüllers aus Edekoben und geprüften Rechtskandidaten Karl Frank angegeben ist.58 Den Karlsruher Standesamtsunterlagen zufolge war Karl Frank evangelisch, seine Frau Magdalena, geborene Buchmaier, ist als altkatholisch vermerkt. Das Paar hatte 1899 in München altkatholisch geheiratet. Eine jüdische Abstammung Hans Michael Franks scheint damit eher unwahrscheinlich, zumal es laut Stadtarchiv Karlsruhe auch keine Hinweise auf eine Manipulation der Standesamtsunterlagen – wie im Fall Erhard Milch – gibt. Ebenso finden sich im Altkatholischen Ordinariat Bonn keine Hinweise auf die Taufe Karl Franks.59 Hans Michael Frank, der spätere Gouverneur im besetzten Polen, wurde dagegen am 4. Juni 1900 altkatholisch getauft.60 Der Spiegel scheint demnach einem nicht zu belegenden Gerücht aufgesessen zu sein.

Schwerin von Krosigks Förderung eines Juden Der 1932 von Reichskanzler Franz von Papen als Reichsfinanzminister ins Kabinett berufene Lutz Graf Schwerin von Krosigk stellte nach der nationalsozialistischen Machtergreifung am 30. Januar 1933 den Wechsel des Staatssekretärs als erste große Veränderung im Ministerium fest. Er selbst hatte 1932 den Ministerialdirektor Arthur Zarden61 zum Staatssekretär ernannt: Der bisherige Direktor der Steuerabteilung nahm mir die Sorge um die Steuer ganz ab; aber er war ein loyaler und treuer Mitarbeiter. Aus einer jüdischen Familie stammend und selbst Halbjude, trug er eine Judengegnerschaft zur Schau, die sich in manchmal nicht sehr taktvollen Bemerkungen über seine jüdischen Kollegen [Herbert] Dorn 62 und [Hans] 88  Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NS-Führung

Schäffer63 äußerte. Das war umso merkwürdiger, als auch seine Frau Jüdin war. Zarden suchte in dem Glauben, dass er auch unter Hitler Staatssekretär bleiben könne, seine Stellung dadurch zu festigen, dass er an zahlreichen festlichen Veranstaltungen der damaligen Zeit ausnahmslos teilnahm und, wenn Damen zugelassen waren, seine Frau mitbrachte.64

Zarden wurde noch 1933 im Rahmen eines von Hitler gegebenen Empfangs entlassen. Zarden drängte Hitler in eine Ecke und nötigte ihm das Versprechen ab, ihm ein seinem Rang entsprechendes Amt anzuvertrauen. Selbstverständlich nahm Hitler ein solches Versprechen in keiner Weise ernst.

Ivar Lissner – »Ehrenarier« in Canaris’ Diensten Der deutsche Geheimdienst ließ hinsichtlich der Russland-Aufklärung Ende der Dreißigerjahre zu wünschen übrig. Interessanterweise beschränkte sie sich im Wesentlichen, wie Heinz Höhne in Canaris: Patriot im Zwielicht berichtet, »auf die Arbeit zweier ›Nichtarier‹, die dem Staat rüdester Judenverfolgung die besten Russland-Nachrichten der Branche lieferten. Der eine war der jüdische Kaufmann Klatt in Sofia, V-Mann der Abwehrstelle Wien und zugleich japanischer Nachrichtendienststellen (…), und der andere war der deutschbaltische Schriftsteller Ivar Lissner in Harbin, ein Opfer nazistischer Rassengesetze, der sich gleichwohl zum Schutze seiner gefährdeten Eltern der Abwehr verdingt hatte und präzise Nachrichten über Russlands Luftabwehr funkte.«65 Lissner war 1909 in Riga als Nikolai Ivar Hirschfeld geboren. Sein Vater war Robert Hirschfeld, ein evangelisch getaufter »Volljude«. 1920 zog die Familie, die sich inzwischen Lissner nannte, nach Berlin, dann nach Lyon und 1932 wieder zurück nach Berlin. Ivar Lissner, der sich als Schriftsteller einen Namen gemacht hatte, trat 1932 der NSDAP bei, 1934 der SS, besuchte die SS-Junkerschule und gehörte zwei Jahre lang der Berliner SS-Standarte VI und einem Godesberger SS-Sturm an. In seinem ersten Buch Blick nach draußen (1935) verteidigte er das »Dritte Reich« gegen »die Hasssaat der Kriegs- und Boykotthetzer« und machte folgerichtig Karriere in der Parteipresse. Er schrieb Artikel Ivar Lissner – »Ehrenarier« in Canaris’ Diensten  89

für den Angriff, das NS-Propagandaorgan von Joseph Goebbels, und arbeitete später für den Völkischen Beobachter. Die beiden Parteiblätter schickten den Parteigenossen als Korrespondenten in den Fernen Osten, wo er in Tokio sein Quartier aufschlug. Lissners Freund Werner Crome bezeugt: »Er war brennend ehrgeizig und wollte kein Paria, kein Outcast sein. Er überkompensierte diesen Komplex durch besonderen Einsatz innerhalb der NSDAP.« Im Spiegel heißt es über sein weiteres Schicksal: Ein neidischer Schulfreund las eines Tages einen Lissner-Artikel im Angriff; den Nazi dünkte es ungeheuerlich, dass ein Jude in einem NS-Blatt schreibe, und er alarmierte die Partei. Daraufhin schaltete sich die Gestapo ein, die nach monatelangen Ermittlungen feststellte, dass Vater Lissner seinen sogenannten Ariernachweis frisiert hatte. Robert Lissner wurde wegen »Verdachts eines Falscheides« verhaftet. Für seinen Sohn aber brach eine Zeit der Demütigungen an: Anfang September 1939 leitete die Partei ein Ausschlussverfahren gegen ihn ein, Mitte des Monats schloss ihn die Reichsschrifttumskammer aus, kurz darauf entzogen ihm die Redaktionen von Angriff und VB die Arbeitserlaubnis. Lissner bot sich als V-Mann an. Er wusste, dass der mächtige Geheimdienst der Wehrmacht über genügend Einfluss verfügte, dem geschassten VB-Mann zu sichern, worum es ihm in erster Linie ging: eine neue berufliche Existenz und die Befreiung seines Vaters aus der Gestapo-Haft.«66

Lissner gelang es, beim Chef der deutschen Abwehr, Admiral Wilhelm Canaris, unterzukommen, den er 1938 kennengelernt hatte. In der Folgezeit bewährte er sich als äußerst erfolgreicher V-Mann der deutschen Abwehr, der umfassendes Material über Russland lieferte. Bald konnte Lissner seine Forderungen stellen. Er verlangte von seinen Auftraggebern, zu denen Major Busch und Hauptmann Brede gehörten, man möge ihn rehabilitieren und seinem Vater die Freiheit wiedergeben. Schon Ende 1940 hatten Busch und Brede bei der Gestapo durchgesetzt, dass Robert Lissner in Freiheit kam und Deutschland mit seiner Frau verlassen durfte. Kurz darauf musste die Reichsschrifttumskammer Ivar Lissner wieder aufnehmen. Um ihn als Topinformanten zu halten, hatten sich die Nationalsozialisten sogar bereit erklärt, seinen erneut verhafteten Vater aus dem Kon90  Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NS-Führung

zentrationslager zu entlassen und ihm die Ausreise nach China zu gestatten. Ivar Lissner wurde aufgrund seiner Verdienste sogar zum »Ehrenarier« erklärt. Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, teilte am 24. August 1941 mit: »Führer hat entschieden, dass der Schriftsteller Dr. Ivar Lissner Deutschblütigen gleichgestellt wird.«67 Die Gleichstellung bezog sich jedoch nicht auf die NSDAP und ihre Gliederungen, sondern nur auf die anderen Lebensbereiche. Allerdings wurde der frisch gekürte »Ehren­arier« sogar mit dem Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern ausgezeichnet – offensichtlich war dies weniger wert als eine Mitgliedschaft in der NSDAP. Lissner bezog Quartier in Harbin, wo er vorgab, er sei ein hoher SSFührer, den Adolf Hitler persönlich mit außerordentlichen Befugnissen ausgestattet habe. Lissner gab sich auch als Chef der Gestapo für den Fernen Osten aus, der mit der Führung aller dort lebenden Reichsdeutschen beauftragt sei. Einige Deutsche, die Lissner skeptisch gegenüberstanden, wurden aufmerksam. Einer von ihnen, ein Parteigenosse namens Adalbert E. Schulze, meldete sich Ende Februar 1942 bei dem Polizeiverbindungsführer der deutschen Botschaft in Tokio, dem SSStandartenführer Josef Meisinger. Ihm erzählte Schulze, in Harbin wundere man sich darüber, wie es der Halbjude Lissner geschafft habe, zum Gestapo-Chef Asiens aufzusteigen. Gestapo-Mann Meisinger zeigte sich unangenehm überrascht. Wütend drohte er, »diesem arroganten Juden« das Handwerk zu legen. Er ernannte Schulze zum Gestapo-Vertreter in Harbin und beauftragte ihn, Lissner zu beschatten. Meisinger war von April 1941 bis zum Kriegsende als Polizeiverbindungsführer und Sonderbeauftragter des SD an der deutschen Botschaft in Tokio sowie als Verbindungsmann zum japanischen Geheimdienst eingesetzt. In dieser Funktion war es seine Aufgabe, den Sowjetagenten Richard Sorge zu beobachten. Doch statt diesem misstrauisch zu begegnen, wurde er dessen Saufkumpan und ergiebigste Quelle für Informationen, die Sorge nach Moskau meldete. Seinem Chef Walter Schellenberg meldete er nur Gutes über ihn.68 Nachdem Sorge im Oktober 1941 von den Japanern verhaftet wurde, versuchten Meisinger und der deutsche Botschafter Eugen Ott die Sache zu vertuschen. Als Ivar Lissner schließlich doch das Ausmaß des Verrats nach Berlin enthüllte, was zur Ablösung von Ott führte, gehörte Meisinger zu den Ivar Lissner – »Ehrenarier« in Canaris’ Diensten  91

treibenden Kräften, die ihn selbst bei den Japanern anschwärzten und verhaften ließen. Seine rücksichtslosen Methoden, Gegner zu beseitigen, wurden auch schnell in den deutschen Gemeinden in Schanghai und Tokio bekannt. Er schickte Regimekritiker beispielsweise von Japan auf Blockadebrechern nach Deutschland, was mit hohen Risiken behaftet war. Dabei schärfte er zusätzlich den Kapitänen ein, die Übeltäter bei drohendem Verlust des Schiffes zu töten. Eine andere Methode von Meisinger war, unliebsame Gegner den japanischen Sicherheitsbehörden auszuliefern. Meisinger hielt den Zeitpunkt für gekommen, Lissner vollends zu Fall zu bringen. Am 25. Mai 1943 meldete er nach Berlin, Lissner gebe sich als »Angehöriger des Stabs des Führers« aus und berufe sich auf seine »direkte Verbindung zum Führer«. Lissner-Gegner im Auswärtigen Amt erkannten ihre Chance: Sie leiteten den Bericht Meisingers an den Obersalzberg weiter, wo Walter Hewel, »Botschafter zur besonderen Verfügung im Rang eines Staatssekretärs«, ihn Hitler vorlegte. Dieser gab an, Lissner nicht zu kennen, »solche Leute« solle man »am besten gleich erschießen«. Meisinger hatte freie Bahn, die japanische Spionageabwehr konnte losschlagen. Fünf Tage nach Hitlers Kommentar, am 4. Juni 1943, wurden Lissner, sein Freund Crome und dessen Sekretärin von japanischen Polizisten verhaftet. Über Lissner schrieb Heinz Höhne im Vorwort zu Lissners Biographie Mein gefährlicher Weg: Lissner war immer auf der Flucht. Als Balte wurde er von den Russen aus Riga vertrieben. Dann war er Deutscher, bis die rassischen Gesetze des Dritten Reichs ihn zum Halbjuden machten. (…) Von entscheidender Bedeutung für sein Leben aber wurde die nationalsozialistische Judenverfolgung, die ihn in die innere Emigration zwang. Auf seinem gefährlichen Weg bis hin zum wichtigsten Mann der deutschen Abwehr in Ostasien offenbarte er sich niemandem. Er blieb auch seinen besten Freunden ein Rätsel.69

Nach dem Krieg war Lissner von 1949 bis 1956 Chefredakteur der Springer-Illustrierten Kristall. Er siedelte nach Frankreich über und starb 1967 in der Nähe vom Montreux in der Schweiz.

92  Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NS-Führung

Der begnadete Wiener Künstler Hans Harald Rath Besonders pikant ist der Fall des Wiener Künstlers Hans Harald Rath. Während des »Dritten Reichs« stand er an der Spitze der Firma J. & L. Lobmeyr, die 1823 in der Wiener Innenstadt gegründet worden war und Gläser höchster künstlerischer Qualität herstellte. Seit 1835 durfte sie sich »Kaiserlicher Hoflieferant« nennen. Gustav Steengracht von Moyland, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, schrieb dem Staatssekretär in der Reichskanzlei, Friedrich Kritzinger, am 12. Juni 1943: Nach einer Mitteilung der Kanzlei des Führers hat sich der Inhaber der Firma Lobmeyr in Wien, Herr Hans Harald Rath, mit einem Gesuch um Gleichstellung mit Deutschblütigen an die Kanzlei des Führers gewandt. Rath ist, wie er erst jetzt erfahren hat, jüdischer Mischling zweiten Grades; er hat sich bisher gutgläubig für einen Vollarier gehalten, besaß auch den kleinen Ariernachweis des zuständigen Sippenamtes und hat erst jetzt aufgrund von Familienforschungen festgestellt, dass er nach den Nürnberger Gesetzen ein Vierteljude ist. Das Auswärtige Amt steht mit Herrn Rath, der die meisten Beleuchtungskörper in den repräsentativen Bauten Deutschlands entworfen hat, seit Jahren in Geschäftsverbindung. Rath hat sich hierbei stets menschlich bescheiden und zuverlässig erwiesen. Künstlerisch ist er zweifellos eine wertvolle Persönlichkeit. Der Herr Reichsminister des Auswärtigen, der Herrn Rath persönlich kennt, befürwortet aus diesem Grunde das vorliegende Gesuch. Hierbei ist auch die Tatsache zu berücksichtigen, dass es außenpolitisch nicht wünschenswert erscheint, wenn im Ausland bekannt würde, dass die Kristalllüster in den Repräsentationsbauten des neuen Deutschland von einem Mann entworfen sind, der jüdisches Blut in den Adern hat.70

Die Nachkommen von Hans Harald Rath konnten ein wenig Licht in die Angelegenheit bringen, zumal beispielsweise in den Beständen des Auswärtigen Amts oder auch des Bundesarchivs sich keine weiteren Dokumente zu dem Antrag auf Gleichstellung und zu den entsprechenden Ergebnissen finden. So teilte der heutige Geschäftsführer der Firma Lobmeyr, Leonid Rath, dem Autor schriftlich mit: »Soweit die Geschichte Der begnadete Wiener Künstler Hans Harald Rath  93

der Familie überliefert ist, war Hans Harald Raths Vater nicht ›deutschblütig‹ genug, um Staatsaufträge übernehmen zu können. Aus dem Grund übergab er die Firma seinem Sohn und zog sich nach Tschechien zurück, wo er schon um 1920 ein Haus gekauft und eine Firma gegründet hatte.«71 Auf eine Intervention, wie sie aus dem Schreiben von Staatssekretär Gustav Steengracht von Moyland hervorgeht, gab es keinerlei Hinweise in den Firmenunterlagen. Allerdings konnte Stefan Rath eine Liste von Objekten zusammenstellen, die Lobmeyr in der nationalsozialistischen Zeit meist mit Lüstern, teilweise aber auch mit Glas ausgestattet hatte. Dazu zählten so repräsentative Bauten wie der Zwinger in Dresden, die Wiener Volksoper, das Salzburger Festspielhaus, das Posener Schloss und das Schloss Kleßheim. Dieses in der Nähe von Salzburg gelegene Schloss hatte Hitler ab 1938 für Staatsempfänge und Arbeitstreffen genutzt. Er empfing hier u. a. den italienischen Diktator Benito Mussolini, den ungarischen Reichsverweser Miklós Horthy und den rumänischen Staatschef Ion Antonescu. Ferner stattete Lobmeyr das Krakauer Schloss aus, das als Amtssitz von Generalgouverneur Hans Michael Frank diente. Auf der Liste fanden sich St. Florian, Haus Ribbentrop und vor allem die Berliner Reichskanzlei, die Hitler mit enormem Aufwand hatte errichten lassen. In der Familie Rath kennt jeder die folgende Anekdote, auf die Leonid Rath den Autor hingewiesen hat. Sie zeigt, in welcher Weise sogar Hitler, der sich auch zum Architekten berufen fühlte, hinters Licht geführt werden konnte: Großvater hat sein Handwerk geliebt. Seine Vorfahren waren jüdisch, seine Frau Engländerin, aber es ist relativ wenig überliefert. Jedenfalls wurde er zu einem hochrangigen Nazi-Funktionär zitiert, wo man ihm mitteilte, wie er fortan zu produzieren hatte. Der Geist dieser Zeit sickert aus den Produkten: Alles ist größer. Es fehlt das positive Leben – wie wenn man einen Geschwindigkeitsdruck gehabt hätte. (…) Als Albert Speer die Reichskanzlei plante, wollte Hitler eine monumentale Halle, die nach dem technischen Stand der Zeit aber nicht machbar war – nur: Hitler wollte das nicht wissen. Also baute man ein Modell im falschen Maßstab mit einem getürkten Zollstab für Hitler zum Abmessen. Ein Geheimnis, in das wir eingeweiht wurden, weil ja auch die Lüster proportional passen mussten.72 94  Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NS-Führung

In diesem Zusammenhang ist ein weiterer Fall erwähnenswert. Denn ähnlich absurd gestaltete sich die Diskussion um die Frage, ob der Bildhauer Paul Gruson aus Berlin-Kleinmachnow arischer Abstammung war oder nicht. Die NS-Gauleitung Mark Brandenburg sah in ihm einen Halbjuden, die Reichskammer der bildenden Künste dagegen einen Vierteljuden und nahm ihn am 1. Januar 1942 nach vorherigem Ausschluss wieder als Mitglied auf. Für die Partei-Kanzlei forderte Bormanns Beauftragter Walter Tießler Staatskommissar Hinkel daher auf, für Klarheit zu sorgen.73 Grusons Abstammung war für nationalsozialistischen Rassisten wichtig geworden, weil er eine Figurengruppe geschaffen hatte, die in dem Berlin-Lichtenberger Schwimmstadion aufgestellt werden sollte. Schon am 13. Mai 1942 hatten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) gegenüber der Brandenburger Gauleitung Stellung bezogen und als Auftraggeber erklärt, dass nach sorgfältiger Prüfung auch durch »den Herrn Reichsminister Dr. Goebbels« und nachdem diesem auch Fotos der Figurengruppe vorgelegen hätten, diese nun im Rahmen einer Sportveranstaltung der BVG enthüllt werden sollten.74 Die Antwort der Gauleitung ließ nicht lange auf sich warten und strotzte vor antijüdischem Rassenhass.75 Gruson habe sich politisch zwar zurückgehalten, sei aber »Halbjude«. Und wörtlich: »Äußerst bedenklich erscheint es mir nach wie vor, die von ihm geschaffenen Bildwerke im neu hergestellten Schwimmstadion zur Aufstellung zu bringen. Es erscheint mir nahezu unmöglich, dass Werke eines Halbjuden in einer Sportstätte, die zur Ertüchtigung der deutschen Jugend dienen soll, zur Aufstellung kommen und damit diesen Künstler halbjüdischer Abstammung in so ungewöhnlicher Weise zu ehren und in den Vordergrund zu stellen.« Ungeachtet der wiederholten Einwände des NS-Gaus kam die Reichskulturkammer, Abteilung Kulturpersonalien, am 24. Juni 1942 zu dem Ergebnis: »Paul Gruson ist Vierteljude.«76 Unabhängig hiervon jedoch war die Angelegenheit damit noch nicht erledigt. Denn nun kamen neue Einwände, dieses Mal vonseiten Tießlers. Abgesehen davon, dass Vierteljuden der Reichskulturkammer angehören dürften, sei es für jeden Nationalsozialisten klar, »dass keinerlei Veranlassung besteht, Vierteljuden durch die öffentliche Hand zu fördern bzw. zu unterstützen«. Schließlich gebe es genügend deutsche Künstler. »Aus diesem Grunde steht die Partei-Kanzlei auf dem Standpunkt, dass Plastiken für ein öffentliches Der begnadete Wiener Künstler Hans Harald Rath  95

Schwimmbad nicht ausgerechnet von einem Vierteljuden bezogen werden.«77 Gegen seine Überzeugung musste Tießler jedoch der Reichskulturkammer am 27.Oktober 1942 die Mitteilung machen, er habe nunmehr auch von der Gauleitung Mark Brandenburg den Bescheid erhalten, dass sie Gruson jetzt als Vierteljuden betrachte: »Damit dürfte die Angelegenheit zu Ihrer Zufriedenheit erledigt sein.«78 Ähnlich verhielt es sich auch mit einem anderen Künstler. SS-Obersturmbannführer Rudolf Brandt, Persönlicher Referent und rechte Hand Himmlers, wollte am 16.Oktober 1942 von SS-Obersturmbannführer Hein aus der Partei-Kanzlei wissen, ob dieser einen Kunstmaler namens Hanisch kenne.79 Dieser arbeite mit einem Braunschweiger Kunstverlag zusammen und sei angeblich mit einer Jüdin verheiratet. Dennoch habe er »jahrelang Bildnisse von führenden Persönlichkeiten angefertigt, u. a . auch vom Reichsführer-SS«. Obwohl kaum weitere Unterlagen vorliegen, ist davon auszugehen, dass es sich hier um den Kunstmaler Reinhold Hanisch gehandelt hat.

Die »Säuberung« des öffentlichen Dienstes Angesichts der radikalen Verfolgung von Juden in allen Bereichen des Lebens – nicht nur des öffentlichen – durch die Nationalsozialisten mag es erstaunen, dass sich auch 1944 noch »jüdische oder sonstige artfremde Mischlingen oder artfremd Versippte« im öffentlichen Dienst befanden. Immer wieder waren Anträge auf Sonderregelungen hinsichtlich der Nürnberger Rassengesetze gestellt und vielfach von unterschiedlichen staatlichen oder Partei-Dienststellen befürwortet worden. Damit aber sollte ab Anfang 1944 Schluss sein. Hitler hatte sich die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen zwar weitgehend weiterhin persönlich vorbehalten, doch die Vorbereitung der erforderlichen Vorlagen sollte jetzt ausschließlich in der Hand des »Sekretärs des Führers« und Leiters der Partei-Kanzlei der NSDAP, Martin Bormann, liegen. »Um eine einheitliche Behandlung aller Anträge auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung wegen jüdischen oder sonstigen artfremden Bluteinschlags sicherzustellen«, bestimmte Hitler daher in einem Erlass vom 20. Februar 1944, Entscheidungen, soweit er sie nicht selbst zu treffen habe, könnten nur im Einvernehmen mit dem Leiter der Partei96  Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NS-Führung

Kanzlei erteilt werden.80 Ähnlich lautete eine Verfügung Hitlers vom selben Tag, der zufolge »alle Anträge von jüdischen oder sonstigen artfremden Mischlingen oder von artfremd Versippten auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung wegen jüdischen oder artfremden Bluteinschlags« im Bereich der NSDAP, ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbände ab dem 1. Januar 1944 ausschließlich durch Bormann bearbeitet und von diesem Hitler vorgetragen werden sollten, sofern dessen Entscheidung erforderlich war.81 Die Macht Bormanns auch in dieser Frage wird deutlich, als Hitler zudem bestimmte, dass sämtliche Unterlagen in den bisher durch andere Parteidienststellen bearbeiteten Vorgängen dieser Art auf dessen Verlangen an den Leiter seiner ParteiKanzlei abzugeben waren. Ein weiteres Mal befasste sich Hitler am 1. April 1944 mit grundsätzlichen Problemen bei der »Bearbeitung von Mischlingsangelegenheiten«. Wiederum war es ein »Führer-Erlass«, der die »Reinerhaltung des deutschen Blutes [als] eine Hauptaufgabe der nationalsozialistischen Führung des deutschen Volkes« zum Inhalt hatte.82 Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, verlangte Hitler »eine einheitliche Behandlung und Bescheidung aller Anträge (…), in denen für Personen mit jüdischem oder sonstigem artfremdem Bluteinschlag oder mit solchen versippte Personen Ausnahmen von den für sie geltenden Vorschriften erstrebt werden«. Da die NSDAP zur »Wahrung des nationalsozialistischen Ideengutes« berufen sei, müsse unbedingt sichergestellt werden, dass die Partei »in maßgebender Weise beteiligt wird«. Dass Bormann mehr als nur eine »graue Eminenz« war, sondern in vielen Fragen das Sagen im »Dritten Reich« hatte, zeigte sich einmal mehr an der Anordnung Hitlers, nach der ihm Fälle, in denen er zu entscheiden hatte, durch den Chef der Reichskanzlei beziehungsweise den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht vorgetragen werden mussten, jedoch stets in Anwesenheit von Bormann. Anträge aus dem Bereich der NSDAP legte Bormann direkt vor. Alle Ausnahmegenehmigungen, die sich Hitler nicht vorbehalten hatte, also geringerer Bedeutung waren, bedurften jedoch stets der Zustimmung Bormanns. Strenge Bestimmungen galten bekanntermaßen schon zuvor, wie das Reichsministerium des Innern am 25. Januar 1942 gegenüber den Obersten Justizbehörden bekräftigte.83 Im Einvernehmen mit dem Leiter der Partei-Kanzlei unterlagen vor allem Beamte, die selbst Die »Säuberung« des öffentlichen Dienstes  97

»Mischlinge 1. Grades« oder mit »Mischlingen 1. Grades« verheiratet waren, rigiden Restriktionen. Ohnehin kamen Ausnahmen grundsätzlich nur bei Beamten in untergeordneten Stellen infrage. Für Erzieher wurden keinerlei Ausnahmen zugelassen, denn von ihnen konnte, wie es hieß, nicht erwartet werden, »dass sie die nationalsozialistische Weltanschauung, zu deren wesentlichen Bestandteilen die Rassegrundsätze gehören, im Unterricht mit der erforderlichen Überzeugungskraft« vertreten.

Hans Flesch – »Zivilarzt im Wehrmachtsgefolge« Ausnahmsweise waren auch 1943 noch einige Ärzte in Deutschland zu finden, die den NS-Rassevorstellungen nicht vollends entsprachen. Am 1. April dieses Jahres hatten 800 bis 900 jüdische Ärzte in Deutschland praktiziert, 1935 waren es etwa 5000 gewesen. Ab 1937 sollte zwar der Ärztestand laut Reichsärzteführer Wagner vollends von Juden »befreit« werden, doch mit einem »Gnadenerweis« hatte Hitler einer kleinen Zahl von jüdischen »Mischlingen 1. Grades« die Approbation belassen. Mit diesen Ausnahmen wollte sich insbesondere der Leiter der Pressestelle beim Reichsgesundheitsführer, »Pg. Dr. [Rudolf ] Ramm«, nicht abfinden. Er übte – im NS-Staat gefährlich genug – relativ offene Kritik an Hitlers Entscheidungen und schrieb am 4. Mai 1943 an die Reichspropagandaleitung: Durch Gnadenakt des Führers ist einzelnen jüdischen Mischlingen 1. Grades die Approbation als Arzt belassen worden. Welche Motive in dem einen oder anderen Falle zu diesem Beweis des Wohlwollens bestanden, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls haben diese Mischlinge als approbierte Ärzte ein Recht darauf, ärztlich verwendet zu werden. Wenn bei ihrer Verwendung entweder durch die Tatsache, dass es sich um Halbjuden handelt oder aber durch das Verhalten dieser im nationalsozialistischen Staate besonders wohlwollend behandelten Bastarde Missstimmung in der Bevölkerung hervorgerufen wird, so ist das durchaus verständlich. Auf der anderen Seite darf man natürlich nicht verkennen, dass ein geeigneter Arbeitseinsatz als Arzt dieser nicht gerade großen Zahl von jüdischen Mischlingen äußerst schwierig ist. Ich selbst halte die radikale Lösung für die beste: Es 98  Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NS-Führung

sollte grundsätzlich allen jüdischen Mischlinge 1. Grades die Approbation als Arzt genommen werden, dann hätten wir saubere Verhältnisse und der nationalsozialistisch eingestellte deutsche Mensch läuft nicht mehr Gefahr, beim Konsultieren eines Arztes einem Halbjuden in die Hände zu fallen.84

Einen Teilerfolg erzielte Ramm Mitte 1943: Es war eine Anordnung erlassen worden, »wonach Mischlinge 1. Grades nicht mehr an einem Ort als alleiniger Arzt tätig sein sollen, sodass jedem Volksgenossen die Wahl eines arischen Arztes möglich ist«. Geradezu bedauernd fuhr Ramm fort: »In Anbetracht des starken Arztmangels auf dem zivilen Gebiet und mit Rücksicht auf die vom Führer getroffene Entscheidung, die manchen jüdischen Mischling Deutschblütigen gleichstellt, dürfte im Augenblick keine Möglichkeit zur Änderung dieser Sachlage gegeben sein.«85 Entzündet hatte sich die Diskussion am früheren Intendanten der »Funk-Stunde Berlin«, dem »Halbjuden« Hans Flesch, einem Arzt und Rundfunkpionier. Flesch galt als einer der fortschrittlichsten deutschen Rundfunkleiter. Als Reichskanzler Franz von Papen das NSDAPMitglied Ernst Scholz zum Rundfunkkommissar des Reichsinnenministeriums ernannt hatte, dauerte es nicht lange, bis Flesch – am 15. August 1932 – entlassen wurde. Wenige Monate nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler wurde Flesch im August 1933 mit anderen Vertretern des Weimarer Rundfunks inhaftiert, zunächst im Konzentrationslager Oranienburg, später im Gefängnis Moabit. Im November 1934 begann der »Reichs-Rundfunk-Prozess«, ein 86-tägiger Schauprozess gegen einige der Spitzen des »Systemrundfunks«. Nach Prozessende durfte der »Halbjude« Hans Flesch weder künstlerisch noch als Arzt tätig sein. Seine Frau Gabriele musste die Familie mit Sekretariatsarbeiten ernähren. Ab 1943 wurde Flesch von der Reichsärztekammer jedoch erneut als Arzt zugelassen und zunächst einem »arischen« Arzt in Falkensee nahe Berlin als Vertreter zugeteilt.86 Anschließend wurde er zu Praxisvertretungen für Ärzte im Militärdienst zwangsverpflichtet. Er kam nach Crossen an der Oder, wo er zwei Arztpraxen verwaltete. Ende Januar 1945 wurde die Zivilbevölkerung Crossens evakuiert, die Rote Armee marschierte auf Berlin zu. Hans Flesch, Kriegsfreiwilliger des Ersten Weltkrieges, sah das Elend verwundeter Soldaten. Statt sich als Zivilist nach Berlin in vorläufige Hans Flesch – »Zivilarzt im Wehrmachtsgefolge«  99

relative Sicherheit zu bringen, wandte er sich an die Wehrmacht und richtete in der Hindenburg-Schule in Crossen ein Militärlazarett ein. Als »Zivilarzt im Wehrmachtsgefolge« im Rang eines Bataillonsarztes leitete er dieses Lazarett und ging mit den hinter die Oder zurückweichenden deutschen Truppen Richtung Guben. Im März 1945 wurde Flesch als Arzt an den Volkssturm überstellt. Seitdem gilt er als verschollen.

100  Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NS-Führung

Der 20. Juli: Auftrieb für NS-Rassisten

Der 20. Juli 1944, der Tag des missglückten Attentats auf Hitler, stellte eine gravierende Zäsur im Umgang mit »jüdischen Mischlingen« dar. Als Folge sollten nun auch noch die letzten Beamten, in deren Adern Anteile jüdischen Blutes flossen, aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden. Dasselbe galt für die »deutschblütigen« Beamten, die mit einem jüdischen »Mischling« verheiratet waren. Zunächst wurde eine Bestandsaufnahme angeordnet. Am 7. November 1944 forderte der Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, alle Reichsminister sowie das Oberkommando der Wehrmacht und die Führungen der Teilstreitkräfte auf, »Beamte, die jüdische Mischlinge oder mit Juden oder mit jüdischen Mischlingen verheiratet sind«, zu melden. Er berief sich auf einen entsprechenden Hitler-Erlass, den der »Sekretär des Führers«, Martin Bormann, am 2. November 1944 gegenüber Lammers begründet hatte. Bormann behauptete darin, die Ereignisse des 20. Juli hätten gezeigt, wie notwendig es sei, aus den Führungsstellen des Reichs alle Männer zu entfernen, »die ihrer Herkunft nach bei besonderer Belastung zu Zweifeln an ihrer nationalsozialistischen Haltung und weltanschaulichen Festigkeit Anlass geben. Hierzu sind die Beamten zu rechnen, die als jüdische Mischlinge oder jüdisch Versippte die nationalsozialistische Weltanschauung niemals aus innerster Überzeugung bejahen können, sondern ihrer blutsmäßigen oder verwandtschaftlichen Bindungen wegen mit ihr immer wieder in Konflikt kommen müssen«. Der »Führer« habe aus diesen Erwägungen heraus angeordnet, »dass Beamte, die jüdische Mischlinge oder die mit Juden oder mit jüdischen Mischlingen verheiratet sind, in obersten Reichsbehörden nicht mehr tätig sein dürfen, auch wenn früher ihre oder ihrer Ehegatten Gleichstellung mit Deutschblütigen ausgesprochen wurde«.1 Schon bald darauf, am 14. November 1944, meldete als eines der ersten Ministerien Goebbels’ Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda »Fehlanzeige«.2 Hingegen führte das Auswärtige Amt am 20. November 1944 eine Reihe von Beamten auf, die in die von der Reichskanzlei beschriebenen Der 20. Juli: Auftrieb für NS-Rassisten  101

Kategorien fielen. Genannt wurde beispielsweise der Gesandtschaftsrat Thorner, nach NS-Kriterien ein »Mischling zweiten Grades«: Thorner ist alter Parteigenosse und Hitlerjugend-Führer von vor der Machtübernahme. Er erhielt am 17. September 1937 vom Führer die Erlaubnis, trotz seiner Abstammung in der Partei zu verbleiben, und wurde durch Schreiben der Reichskanzlei vom 13. Februar 1942 sowie durch Bescheinigung des Reichssippenamtes vom 1. Juni 1942 deutschblütigen Personen gleichgestellt. Thorner ist zurzeit an der Gesandtschaft in Stockholm tätig. Er hat sich jederzeit, sowohl während seiner Zeit im Inland als auch im Ausland, ausgezeichnet bewährt, und seine nationalsozialistische Einstellung ist völlig einwandfrei.3

Genannt wurde ferner Gesandtschaftsrat Hans Heinrich Herwarth von Bittenfeld, der wegen seiner jüdischen Großmutter – Julia von Herwarth, geborene Haber – als »nichtarisch« und als »Mischling zweiten Grades« galt. Auch er war mit Hitlers Zustimmung im Auswärtigen Amt weiter beschäftigt und »unter Zustimmung des Führers vom 17. Januar 1938 zum Legationssekretär ernannt« worden. Von Bittenfeld arbeitete u. a. als Legationsrat an der deutschen Botschaft in Moskau und nahm dort engen Kontakt zu US-amerikanischen und britischen Diplomaten auf. Seit Beginn des Zweiten Weltkriegs diente von Bittenfeld bei der Wehrmacht, vorwiegend an der Ostfront, hatte frühzeitig das Eiserne Kreuz 1. Klasse bekommen und war vom Feldwebel zum Hauptmann aufgestiegen. Der Führer hat seinerzeit erklärt, dass die Deutschblütigkeitserklärung von Herwarth von Bittenfeld, um die die Wehrmacht eingekommen war, zurückgestellt werden solle bis nach Kriegsende, woraufhin der Führer dann je nach seiner Bewährung einen Entscheid hierüber treffen wolle. Grund zu der positiven Einstellung des Führers ist, dass Herwarth von Bittenfeld sich seinerzeit Verdienste um die Schwarze Reichswehr erworben und im KappPutsch gegen die Kommunisten sich hervorragend bewährt hat. Nach seinen Verdiensten ist anzunehmen, dass der Führer nach Kriegsende seine Deutschblütigkeitserklärung endgültig genehmigen wird.4

102  Der 20. Juli: Auftrieb für NS-Rassisten

Anerkennende Worte fand von Bittenfeld übrigens für den Leiter der Personalabteilung im Auswärtigen Amt, Ministerialdirektor Hans Schroeder: Dieser sei »Beamten, die vom Regime rassisch diskriminiert wurden oder mit der Partei oder NS-Gliederungen in Konflikt gerieten«, zu Hilfe geeilt.5 »Unerschrocken und tatkräftig stellte er sich schützend vor mich und andere, die in der gleichen Lage waren«, lobte Herwarth von Bittenfeld.6 In der Aufstellung des Auswärtigen Amts vom 30. November 1944 waren ferner aufgeführt: Botschafter Gaus, Ehefrau Mischling 2. Grades, der Führer hat sich zur Aufnahme von Gaus in die NSDAP positiv eingestellt. Konsulatssekretär Peinert, Ehefrau Mischling 1. Grades Konsulatssekretär Müller, Ehefrau Mischling 1. Grades.7

Botschafter Friedrich Gaus wurde trotz seiner Ehe mit einer »Vierteljüdin« auch von den Nationalsozialisten als juristischer Experte für Vertragsangelegenheiten und internationale Beziehungen geschätzt. Er gehörte der Akademie für Deutsches Recht an. Der Text des DeutschPolnischen Nichtangriffspakts von 1934 stammt aus seiner Feder, wie auch der vom »Führererlass über die Errichtung des Reichsprotektorats Böhmen und Mähren« von 1938 und des Hitler-Stalin-Pakts von 1939. Gaus begleitete sowohl Außenminister Joachim von Ribbentrop als auch Hitler auf zahlreichen Reisen und war zuletzt »Botschafter zur besonderen Verwendung«. Nach dem Krieg stellte er sich im sogenannten Wilhelmstraßenprozess den Alliierten als Kronzeuge zur Verfügung und begründete seine Tätigkeit im »Dritten Reich« u. a. damit, er habe Angst um seine »vierteljüdische« Ehefrau gehabt.

Leo Killy – als »Nichtarier« in der Reichskanzlei Die zitierte Meldung des Auswärtigen Amts war jedoch unvollständig, denn dort fehlte vor allem der Name Leo Killy. 1885 in Bonn geboren, fuhr Killy nach der Jahrhundertwende als Schiffsjunge und Matrose zur See, studierte, promovierte 1914 zum Dr. jur., heiratete eine Frau, die nach NS-Terminologie ein »Mischling 1. Grades« war, nahm als Offizier in der Kaiserlichen Marine am Ersten Weltkrieg teil, wurde 1916 Leo Killy – als »Nichtarier« in der Reichskanzlei  103

zum Oberleutnant zur See befördert, ab 1919 war er Rechtsanwalt am Oberlandesgericht Köln. 1932 schloss er sich der NSDAP an. Als im Reichsfinanzministerium der Posten des Bearbeiters für Beamtenfragen nachzubesetzen war, intervenierte die NSDAP, erklärte durch den Reichstagsabgeordneten Hans Fabricius, die Nationalsozialisten würden es gern sehen, »wenn ein Pg. diese so wichtige Stelle bekommen würde«, nämlich »Pg. Dr. jur. Oberregierungsrat Killy«.8 Fabricius setzte sich unter anderem auch am 13. Februar 1933 gegenüber dem damaligen Staatssekretär Hans Heinrich Lammers für Killy ein, weil er ihn seit vielen Jahren als einen »völlig vertrauenswürdigen und sehr befähigten Beamten« kannte. »Er ist der einzige höhere Beamte, den wir als Pg. auf dem RFM haben.«9 Dennoch schwebte über Killy stets das Damoklesschwert seiner Abstammung, worauf er beispielsweise sehr ausführlich in einem Schreiben an Staatssekretär Lammers am 12. Mai 1933 einging: Er legte darin dar, dass die in einer Aufstellung wiedergegebenen Voreltern (…) allein 12 Stämme aufweisen, die rein deutsch und christlich waren und als Bauern und Beamte ein deutsches Leben geführt haben. Der 13. Stamm, der vor drei Generationen zu diesen Reihen hinzugetreten ist, hat wohl, das darf ich sagen, die Erbmasse all dieser Stämme nicht beeinflusst, abgesehen davon, dass dieser Stamm vor seiner Eheschließung sich bewusst aus seiner bisherigen Gemeinschaft gelöst hatte und (…) sein Leben nicht unter materialistischen Gesichtspunkten gelebt hat.10

Nicht nur nach seiner äußeren Erscheinung sei er »Deutscher und nichts als Deutscher«. Ungeachtet des genannten »13. Stammes« unterrichtete Lammers am 6. Juni 1933 den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß darüber, dass Hitler nach seinem Vortrag entschieden hatte, »dass gegen die weitere Verwendung des Ministerialrats Dr. Killy in der Reichskanzlei keine Bedenken bestehen. Der Herr Reichskanzler wünscht, dass etwaige weitere Angriffe gegen Killy in der gleichen Richtung zurückgewiesen werden oder unbeachtet bleiben«.11 Dennoch wurde Killy immer wieder als »Mischling« denunziert. So hatte am 29. Oktober 1933 ein Bonner Geschäftsmann namens Ernst Schulte sich gegenüber dem Ministerium für Volksaufklärung und Pro104  Der 20. Juli: Auftrieb für NS-Rassisten

paganda über eine Beschwerde Killys beim Kölner Regierungspräsident beklagt. Killy hatte dort interveniert, weil die Bonner Handelskammer ihm die Eröffnung eines Konfektionsgeschäftes in Bonn verwehrt hatte. Der Bonner Geschäftsmann schrieb von einem »Ministerialrat Killy aus Bonn, der in der Reichskanzlei tätig ist und dessen Großvater Jude (Dr. Hirtz) und die Mutter seiner Frau Jüdin (geb. Selma Nathan) waren …«, um dann fortzufahren, man verstehe in Bonn ohnehin nicht, »dass ein Nichtarier Ministerialrat in der Reichskanzlei bleibt. (…) Man fragt sich mit Recht, ist die Regierung hinsichtlich der Abstammung des Herrn Killy und seiner Frau überhaupt unterrichtet?«12 Staatssekretär Lammers wurde eingeschaltet und antwortete »SS-Sturmführer Kranefuß, im Haus«, Killys Abstammung sei bereits früher eingehend geprüft worden.13 Der Angriff Schultes beruhe offensichtlich auf Konkurrenzneid. Lammers holte Killy nun zu sich in die Reichskanzlei, wo er unter anderem für die Referate Reichsfinanzministerium, Reichsarbeitsministerium, Rechnungshof, Haushaltsrecht und Beamtenrecht zuständig war. Darüber hinaus hatte Killy als Leiter des Bereichs »Arbeitseinsatz« in der Abteilung B zentral mit der Zwangsarbeit in NS-Deutschland zu tun; als Stellvertreter von Staatssekretär Friedrich Wilhelm Kritzinger bearbeitete er auch den Bereich »Juden und Mischlingssachen«. Seine Abstammung holte Killy immer wieder ein, so zum Beispiel, als er im Oktober und Dezember 1936 für seine Kinder Walther (der berühmte spätere Germanist) und Hertlies die Gleichstellung mit »deutschblütigen Personen« beantragte. Daraufhin erhielt er von Lammers am 24. Dezember 1936 einen aufschlussreichen Brief, »persönlich in geschlossenem Umschlage«: Nachdem der Führer und Reichskanzler bereits im Jahre 1933 die inzwischen mehrfach bestätigte Entscheidung getroffen hatte, dass Ihrem Verbleiben in der Reichskanzlei und in der Partei keine Bedenken entgegenstehen, habe ich veranlasst, durch Ihr Gesuch vom 24. Oktober wie 5. Dez. d. Js. dem Führer und Reichskanzler nochmals Vortrag zu halten. Dabei hat der Führer und Reichskanzler zum Ausdruck gebracht, seine bereits getroffene Entscheidung sei so zu verstehen, dass Sie in jeder Beziehung rein deutschblütigen Personen gleichgestellt sind. Hieraus ergibt sich, dass Sie in Ihrer Stellung als Beamter in keiner Weise Nachteile erleiden sollen. Leo Killy – als »Nichtarier« in der Reichskanzlei  105

In Ihrem Verhältnis zur Partei ergibt sich aus der Entscheidung gleichfalls, dass Sie von Nachteilen und Einschränkungen irgendwelcher Art befreit sein sollen. Maßgebend für die Entscheidung des Führers und Reichskanzlers und die Auslegung der Entscheidung waren Ihre Leistung und Ihre Haltung in Krieg und Frieden. Sie haben den Krieg als Frontsoldat mitgemacht, u. a. das Eiserne Kreuz 2. und 1. Klasse erhalten, sich als pflichttreuer Beamter bewährt und sind vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei öffentlich aufgetreten.14

In einem Nachsatz wurde Killy mitgeteilt dass der »Führer« auch seine beiden Kinder »rein deutschblütigen Personen gleichgestellt« hatte. Zu diesem Schreiben verfasste Lammers ergänzend einen Vermerk, in dem die Bedeutung der »Führer«-Entscheidung beschrieben wurde. Daraus wird die Willkür ersichtlich, mit der die Nationalsozialisten in Rassefragen vorgingen: Zur Ausräumung etwaiger Zweifel über die Tragweite der vom Führer und Reichskanzler bezügl. des Ministerialrats Dr. Killy getroffenen Entscheidung stelle ich Folgendes fest: Die zu dieser Entscheidung vom Führer selbst gegebene und im Schreiben Dr. Killy vom 04. Dezember 1936 niedergelegte Interpretation geht dahin, dass Dr. Killy in jeder15 Beziehung rein deutschblütigen Personen völlig gleichgestellt ist. Das bedeutet nicht etwa bloß, dass Dr. Killy für seine Person in rechtlicher Beziehung von denjenigen einschränkenden Bestimmungen gesetzlicher oder anderer Art befreit sein soll, die sonst für jüdische Mischlinge zweiten Grades Platz greifen. Es bedeutet dies vielmehr auch, dass Dr. Killy auch in rein tatsächlicher Hinsicht als rein deutschblütig behandelt werden soll. Daraus ergibt sich z. B., dass Dr. Killy in Verzeichnissen, Statistiken und ähnlichen Aufstellungen nicht als Mischling zweiten Grades bezeichnet werden darf, der jedoch von allen einschränkenden Bestimmungen, die für solche Personen gelten, befreit sei. Er darf in solchen Aufstellungen vielmehr gar nicht als Mischling, sei es mit, sei es ohne Namensnennung, in Erscheinung treten.16

Ausgestanden war für Killy die Kontroverse um die Abstammung dennoch nicht. Denn seine Frau war weiterhin nicht »Deutschblütigen« 106  Der 20. Juli: Auftrieb für NS-Rassisten

gleichgestellt. Dies änderte sich erst Ende 1941. Lammers unterrichtete Killy im November: Der Führer hat Alice Friederike Johanna Killy geb. Janke, geboren am 19. Dezember 1887 in Köln am Rhein, Deutschblütigen gleichgestellt. Die Gleichstellung bezieht sich nicht auf den Bereich der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und ihre Gliederungen.17

Die Gleichstellung von Killys Ehefrau war demnach lediglich eine zweiter Klasse. Verbunden war damit jedoch das im »Dritten Reich« eminent wichtige Recht, sich auf Formblättern, besonders auch in Fragebogen als »deutschblütig« zu bezeichnen. Das Reichssippenamt sollte hinsichtlich der Abstammung eine entsprechende Bescheinigung ausstellen, »in der Ihre Einordnung als Deutschblütige im Sinne der Nürnberger Gesetze bestätigt wird«. Strikte Geheimhaltung war befohlen, deshalb ordnete Lammers an, dieses Schreiben und das vorausgegangene Gesuch verschlossen in einem Tresor aufzubewahren. Der Umschlag musste zudem mit der Aufschrift versehen werden: »Nur durch den Herrn Reichsminister zu öffnen.« Killy befand sich häufig in Hitlers Nähe, als Beispiel sei das Treffen vom 4. Januar 1944 genannt, bei dem es im Gespräch mit Hitler unter anderem um den Arbeitseinsatz – auch von Juden – im laufenden Jahr ging.18 Ferner spielte Killy bei einem Treffen am 22. Juli 1944 eine wichtige Rolle, bei dem es in der Runde von Bormann, Keitel, Goebbels, Speer und Funk und eben auch von Reichkabinettsrat Killy um die Führung des totalen Kriegs ging. Trotz der wiederholten Entscheidungen Hitlers zur »Deutschblütigkeit« Killys, konnte dieser sich deren Dauerhaftigkeit nie sicher sein. Als die obersten Reichsbehörden dem mittlerweile von Heinrich Himmler geführten Innenministerium die Zahl der »Mischlinge« innerhalb der Beamtenschaft erneut melden mussten, wurde auch Killy am 2. November 1944 entlassen. Nach 1945 war er Mitbegründer und Bundesvorsitzender des Allgemeinen Beamtenschutzbundes e.V. und setzte sich für die Wiedereinstellung derjenigen Beamten ein, die nach 1945 wegen ihrer Rolle während der Zeit des Nationalsozialismus entlassen wurden.

Leo Killy – als »Nichtarier« in der Reichskanzlei  107

Das Durchkämmen der Ministerien Die Nationalsozialsten gingen mit den »jüdischen Mischlingen« beziehungsweise den »jüdisch Versippten« in den Ministerien und im übrigen öffentlichen Dienst höchst unterschiedlich um. Der Einsatz für die »Bewegung« schon vor der Machtübernahme 1933 war ein wichtiges Kriterium für einen »Gnadenerweis« Hitlers. Die uneinheitliche Behandlung dieser Personen kommt auch in den Berichten der einzelnen Reichsministerien und Dienststellen deutlich zum Ausdruck.19 Das Reichsministerium des Innern unter Minister Wilhelm Frick meldete, dass »Ministerialrat Ruppert«, verheiratet mit einer Ehefrau »Mischling 1. Grades«, aus dem Dienst ausscheiden werde. Hingegen habe »Ministerialrat Bukow, Ehefrau Mischling 2. Grades«, als »Altparteigenosse und Gauredner« die Erlaubnis, in der Partei zu bleiben. Zudem sei der Vater der Ehefrau Ritter des Ordens »Pour le mérite«. Der Fall Bukow hatte zahlreiche Dienststellen über Jahre beschäftigt, bis Hitler am 19. Juni 1936 beschied: »Nach Vortrag des Chefs der Kanzlei des Führers der NSDAP habe ich auf dem Gnadenwege entschieden, dass Sie trotz nicht rein arischer Abstammung Ihrer Ehefrau weiterhin der NSDAP als Mitglied angehören können.«20 Vorausgegangen waren entwürdigende und seine Frau demütigende Bemühungen Bukows. So hatte er am 8. Mai 1934 Hitler folgendes Gnadengesuch gesandt: Seit 8 Jahren bin ich mit Fräulein Lieselotte Milisch verlobt. Im Sommer 1933 mussten wir zu unserem schweren Leide die der gesamten Familie unbekannte Tatsache feststellen, dass die Großmutter meiner Frau jüdischer Abstammung war.21

Bukow beschrieb erst die Verdienste der Familie seiner Braut, fügte dann hinzu, dass er seit 1931 der NSDAP angehöre und als Amtswalter der Parteiorganisation auf allen Posten, die er bekleidet habe, seine nationalsozialistische Pflicht nach besten Kräften zu erfüllen versucht habe. Zuvor sei er in der nationalen Bewegung »Oberland« als Jugendführer aktiv gewesen. Wenn er irgendwann den jüdischen Bluteinschlag seiner Frau bemerkt hätte, hätte er niemals den Entschluss gefasst, Fräulein Milisch zu heiraten. Auch anderen Parteigenossen, die seine Braut 108  Der 20. Juli: Auftrieb für NS-Rassisten

gesehen hätten, sei der jüdische Bluteinschlag nicht aufgefallen. Um sicherzugehen, dass keine rassischen Bedenken gegen die Ehe bestünden, habe er ein amtliches Gutachten erstellen lassen. Dies sei zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine Hindernisse für die Ehe gebe. Im Reichsluftfahrtministerium hatte Reichsmarschall Hermann Göring, der mit Erhard Milch einen »Mischling« sogar als Staatssekretär hatte, alle Fäden in der Hand. In seinem Ministerium musste »Amtsrat Schulze, Ehefrau Mischling 1. Grades«, um seinen Posten bangen, im ebenfalls von Göring geleiteten Reichswirtschaftsministerium u. a.: »Ministerialamtsobergehilfe Müller, Mischling 2. Grades, Regierungsrat Segelcke, Ehefrau Mischling 2. Grades, Regierungsoberinspektor Schmaland, Ehefrau Mischling 2. Grades, Reichsbankinspektor Redel, Ehefrau Mischling 2. Grades, Regierungsinspektor Schaida, Ehefrau Mischling 2. Grades, im Wehrdienst.«22 Als Beauftragter für den Vierjahresplan beschäftigte Göring »Ministerialrat Bergbohm, Mischling 2. Grades«. Dieser war zwar aus der NSDAP ausgeschlossen worden, doch war sein »Verbleiben im Amt vom Reichsmarschall genehmigt« worden. Als oberster Jäger des Reichs und als Reichsforstmeister hatte Göring »Ministerialrat Dr. Vollbach, Ehefrau Mischling« gemeldet und nahm als Preußischer Ministerpräsident schließlich am 17. November 1944 noch einmal zu Ministerialrat Bergbohm Stellung: Die Tatsache, dass Bergbohm »Mischling 2. Grades« sei, »stellte sich erst im Jahre 1938 zufällig heraus, da es sich bei den nichtarischen Großeltern teils um eine im Ausland (Baltikum) verstorbene Persönlichkeit handelt, deren deutschblütige Abstammung nach den vorliegenden Urkunden außer Zweifel schien. Mit Rücksicht hierauf musste Bergbohm aus der NSDAP, der er bis dahin angehört hatte, entlassen werden. Der Herr Reichsmarschall hat seinerzeit dahin entschieden, dass unter den obwaltenden Umständen gegen das Verbleiben des Ministerialrats Bergbohm keine Bedenken bestehen. Der ParteiKanzlei ist der Fall bekannt«.23 Der Fall Bergbohm zeigt, dass Göring bisweilen von den starren NSRassevorschriften abwich. Göring jedoch Anwandlungen von Menschenfreundlichkeit zugutezuhalten, wäre völlig verfehlt. Im Verantwortungsbereich von Reichsverkehrsminister Julius Dorp­ müller gab es mit »Amtsrat Roedel« und »Regierungsoberinspektor Das Durchkämmen der Ministerien  109

Meyer-Steimke« zwei Beamte, deren Ehefrauen »Mischlinge 1. Grades« waren. Ferner war dort Regierungsbaumeister a.D. Ehrentraut angestellt, der »Mischling 1. Grades« war.24 Wie sehr die rassische Überwachung perfektioniert war, zeigt sich auch an zwei weiteren Beispielen aus demselben Ministerium: Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß informierte Dorpmüller am 17. Juni 1939 darüber, dass er der Beförderung eines Oberladeschaffners zum Lademeister sowie des Reservelokomotivführers Heinrich Kock zum Lokomotivführer ausnahmsweise zugestimmt habe.25 Ebenso dürfe ein Reichsbahnbetriebsassistent befördert werden. Reservelokomotivführer Ladislaus Corencki sollte zum Lokomotivführer befördert werden, doch es stellte sich heraus, dass seine Ehefrau »jüdischer Mischling 2. Grades« war.26 Corencki war zu diesem Zeitpunkt sechsundvierzig Jahre alt, gehörte dem Staatsdienst seit 1918 an und war seit Januar 1933 verheiratet. Führung und Leistung wurden als gut bezeichnet. Im Ersten Weltkrieg hatte er an der Front gekämpft. Vor allem aus diesem Grund empfahl das Amt für Beamte bei der NS-Gauleitung Berlin die Beförderung Corenckis. Der Reichsverkehrsminister schloss sich dem Ersuchen an und bat »dass dem Führer die Zulassung einer Ausnahme von § 8b der Reichsgrundsätze über Einstellung, Anstellung und Beförderung der Beamten vorgeschlagen« werde. Für das Reichsfinanzministerium nannte Amtschef Lutz Graf Schwerin von Krosigk folgende Mitarbeiter: »Regierungsinspektor Martin Göhlmann, Reichshauptkasse, und Amtsrat Max Zuther, deren Ehefrauen Mischlinge 1. Grades waren, sowie Regierungsinspekteur Erich Uhse mit einer Ehefrau 2. Grades.«27 In dem von Franz Seldte geleiteten Reichsarbeitsministerium mussten »Amtsrat Pries, Mischling« und »Ministerialrat Stephan, Ehefrau Mischling« um ihre Posten fürchten und beim Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, Fritz Sauckel »Ministerialrat Goldschmidt, Mischling« sowie »Oberregierungsrat Dr. Neff, Ehefrau Jüdin«. Auf eine Ausnahmegenehmigung Hitlers verwies der Reichsarbeitsführer Konstantin Hierl und nannte in diesem Zusammenhang »Prüfer (Fritz), [Mischling] 2. Grades«.28 Der Reichsjustizminister hatte »mit Einverständnis der Parteikanzlei der ausnahmsweisen Belassung des P. im Dienste des OKH zugestimmt«.

110  Der 20. Juli: Auftrieb für NS-Rassisten

Reichsminister Albert Speer teilte am 30. November 1944 mit, bei ihm gebe es den vom Bayerischen Staatsministerium des Innern abgeordneten Regierungsbaurat Hans Poppel, den er beim Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen einsetzen wolle.29 Poppel sei mit einer »Vierteljüdin« verheiratet, was er jedoch bei der Eheschließung nicht gewusst habe. Bis zum Bekanntwerden der nichtarischen Abstammung seiner Frau sei Poppel NSDAP-Mitglied gewesen und habe sich – auch durch Bestätigung der Partei-Kanzlei – um die Partei verdient gemacht. Er sei Freikorpskämpfer gewesen und an verantwortlicher Stelle im OT30-Fronteinsatz in Russland. Das Staatssekretariat von Generalgouverneur Hans Michael Frank in Krakau sandte am 24. November 1944 ein Fernschreiben folgenden Inhalts an die Reichskanzlei Berchtesgaden, in dem es hieß: In den Obersten Behörden des Generalgouvernements gebe es keine jüdischen Mischlinge, »wohl aber ist der beim Rechnungshof des Generalgouvernements beschäftigte Ministerialrat Dr. Anton-Günter Ulrichs mit einem jüdischen Mischling 1. Grades verheiratet«. Ulrichs sei seit dem 1. 12. 1931 NSDAP-Mitglied und habe schon vorher ehrenamtlich für die NSDAP gearbeitet. Nach Bekanntwerden seiner Mischlingseigenschaft habe er aus der Partei austreten müssen. Am 2. Mai 1936 habe »der Führer auf Vortrag des Chefs seiner Kanzlei am 2. 3. 36 im Gnadenweg entschieden, dass Dr. Ulrichs trotz der nicht rein deutschstämmigen Abstammung seiner Ehefrau weiterhin der NSDAP als Mitglied angehören kann. Der Beamte ist auch nach diesem Zeitpunkt noch zum Regierungsdirektor (1. 6. 42) und zum Ministerialrat (1. 6. 44) befördert worden«.31 Aus dem Reichspostministerium unter Wilhelm Ohnesorge wurde »Amtsrat Müller, Ehefrau Mischling 2. Grades« gemeldet32 und aus dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit Herbert Backe an der Spitze Oberregierungsrat Nelson, der mit einer Volljüdin verheiratet war.33 Kurz vor Ausbruch des Krieges mit der Sowjetunion war Nelson mit einer Wirtschaftsdelegation nach Tokio gereist. Da die Rückreise sich als sehr schwierig gestaltete, wurde er an der dortigen Botschaft beschäftigt. Darüber hinaus gab es im Ernährungsministerium den aus dem österreichischen Landwirtschaftsministerium übernommenen Ministerialrat Dr. Domes. Dessen Ehefrau galt als »Misch-

Das Durchkämmen der Ministerien  111

ling 1. Grades«, war unheilbar an einem Gehirntumor erkrankt und in einer Heilanstalt untergebracht. Ein besonderer Fall, mit dem sich auch Bormann befasste, verzeichnete auch das Reichsministerium für kirchliche Angelegenheiten. Der zuständige Minister hatte dem Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, geschrieben: Als jüdischer Mischling kommt in meinem Ministerium der am 5. April 1892 geborene Ministerialrat Kurt Grünbaum in Frage. Ein Großvater Grünbaums war Volljude. Grünbaum ist somit ¼ Jude. Auch die Ehefrau Grünbaums ist jüdischer Mischling, Ein Großvater von ihr war ebenfalls Volljude. Auch sie ist zu ¼ Mischling. Die beiden volljüdischen Großväter der Eheleute Grünbaum gehörten noch der jüdischen Religionsgemeinschaft an. Sie sind zur evangelischen Kirche übergetreten.34

Grünbaum galt als tüchtiger und fleißiger Beamter. Versuche, ihn wegen seiner nichtarischen Abstammung zu entfernen, waren bisher erfolglos geblieben. Im Ersten Weltkrieg hatte er das Eiserne Kreuz 1. und 2. Klasse sowie das Verwundetenabzeichen in Schwarz erhalten. Der Minister hatte ein Schreiben beigefügt, das Bormann 1939 in dieser Angelegenheit verfasst hatte: Die Unzuträglichkeiten, die sich bei der Verwendung des Ministerialrats Kurt Grünbaum ergeben haben, sind mir seit längerer Zeit bekannt. Ich sehe allerdings, nachdem das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums außer Kraft getreten ist,35 jetzt keine Möglichkeit mehr, Grünbaum aus dem Dienste zu entfernen. Die einzigen jetzt noch in Betracht kommenden Handhaben – Dienststrafverfahren und § 71 des Deutschen Beamtengesetzes – lassen sich, wie ich annehme, nach der Sachlage nicht anwenden. Auch eine Versetzung Grünbaums in einen anderen Verwaltungsbereich wird auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, da kein Ministerium bereit sein wird, Grünbaum in seinen Geschäftsbereich aufzunehmen.36

Bormann kritisierte zugleich die damals gängige Praxis, »Beamte, die aus politischen Gründen anderweitig nicht verwendbar waren, an die Preußische Oberrechnungskammer oder an den Rechnungshof des Deutschen Reiches« zu versetzen. An diesen Behörden gebe es zwar 112  Der 20. Juli: Auftrieb für NS-Rassisten

keine Beamtenstellen, aber sie nähmen, wenn auch nur mittelbar, erheblichen Einfluss auf die Führung der Verwaltungsgeschäfte. Die einzige Möglichkeit, sich von Grünbaum zu trennen, sah Bormann darin, ihm die Versetzung in den Ruhestand nahezulegen, worauf dieser erkennbar nicht eingegangen war. Bemerkenswert an dem Bormann-Brief ist, dass selbst in dem nationalsozialistischen Unrechtsstaat alles »rechtens« sein sollte. Der Präsident des von Bormann gescholtenen Rechnungshofs des Deutschen Reiches, Heinrich Müller, teilte am 16. November 1944 mit, in seiner Behörde gebe es mit Ministerialrat Herbert Conrad einen »Mischling 2. Grades«.37 Dessen Großmutter soll Jüdin und mit acht Jahren getauft worden sein. Conrad sei im Ersten Weltkrieg kriegsfreiwilliger Landsturmmann gewesen und habe an der Schlacht von Verdun teilgenommen. Ihm sei das Ehrenkreuz für Frontkämpfer verliehen worden. Aus dem Bereich der Wehrmacht wurden schließlich folgende Fälle aufgeführt: Oberkommando des Heeres (Generaloberst Hans Guderian) Techn. Insp. Prüfer, Mischling 2. Grades, Belassung im OKH durch RMdI und Partei-Kzl. Genehmigt, Oberregierungsrat Baudisch, Ehefrau Mischling 2. Grades. Am 19.10.40 deutschblütigen Personen gleichgestellt Ministerialrat von Riedel, Ehefrau Mischling 1. Grades.38

Im Oberkommando der Luftwaffe (Karl Koller) gab es mit Paul Schulz einen Amtsrat, der mit einer Ehefrau »jüdischer Mischling 1. Grades« verheiratet war.39 Er war als Spezialist an die Deutsche Akademie für Luftfahrtforschung abgeordnet. Zu den Widersprüchlichkeiten jener Tage gehört, dass nach einem Befehl von Heinrich Himmler als Reichsinnenminister und Reichsführer-SS Beamte, Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes ausgenommen werden sollten, vorausgesetzt sie nahmen keine Schlüsselstellungen ein und waren an Arbeitsplätzen beschäftigt, »an denen sie keinerlei Gefahr bilden«.40 Dieser Befehl stand im Widerspruch zu einem »Führer-Erlass« in dem es hieß: Das Durchkämmen der Ministerien  113

Beamte, die jüdische Mischlinge sind oder deren Ehefrauen Juden oder jüdische Mischlinge sind, dürfen nicht in den Obersten Reichsbehörden oder Obersten Preußischen Landesbehörden verwandt werden. Soweit solche Beamte derzeit in einer dieser Behörden beschäftigt sind, sind sie alsbald zu anderen Behörden zu versetzen. Ist eine Versetzung nicht möglich, so sind diese Beamten bis zum 1. Mai 1945 in den Ruhestand zu versetzen. Die Bestimmung zu Ziffer I gilt auch für Beamte, die oder deren Ehefrauen ich deutschblütigen Personen gleichgestellt habe.41

114  Der 20. Juli: Auftrieb für NS-Rassisten

Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

Die Rechtslage zum Umgang mit Juden, »jüdisch Versippten« und »Mischlingen« war durch die Nürnberger Rassengesetze und die darauf folgenden Verordnungen geregelt. Doch diese Ordnung wurde von denen, die die Macht dazu hatten, nur allzu oft durchbrochen, sofern es ihnen selbst oder dem Überleben des Regimes diente. Dies wird am Beispiel des Kulturlebens in NaziDeutschland besonders deutlich.

Die Reichskulturkammer als Kontrollinstrument Henny Porten, Theo Lingen, Hans Moser, Heinz Rühmann – diese Filmstars der Dreißiger- und Vierzigerjahre des 20. Jahrhunderts hätten nicht mehr auftreten, Operetten des Komponisten Franz Lehár nicht mehr aufgeführt werden dürfen, wenn die Nationalsozialisten ihre Rassengesetze konsequent umgesetzt hätten, denn sie waren – nach der entsetzlichen NS-Terminologie – »jüdisch versippt«. Folglich wäre das kulturelle Leben in Deutschland noch trister gewesen. Aber gerade weil der jüdische Einfluss so bedeutend war, war er den Nationalsozialisten umso mehr ein Dorn im Auge. Um ihn zu bekämpfen, waren vor allem Propagandaminister Goebbels viele Mittel recht. Auch zu diesem Zweck hatte er die Reichskulturkammer (RKK) ins Leben gerufen. Unterstützt wurde er von Walter Tießler, der in der Partei-Kanzlei der NSDAP als Verbindungsmann zum Propagandaministerium fungierte und sich häufig noch judenfeindlicher gebärdete als Goebbels, der klug genug war, in beschränktem Maße auf die Stimmung im Volk Rücksicht zu nehmen. Publikumslieblinge waren daher für ihn mehr oder weniger tabu, auch wenn sie oder ihre Ehepartner nicht den Rassebestimmungen der Nationalsozialisten entsprachen. Ebenso galten Künstler als unantastbar, wenn sie sich des besonderen Wohlwollens Hitlers erfreuen konnten. Kurzerhand wurden dann die rigiden Rassevorschriften der Nationalsozialisten außer Kraft gesetzt. In einigen Fällen erteilte Hitler persönlich Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz  115

»Gnadenerweise«, in anderen genügten Sondergenehmigungen der Reichskulturkammer, also die von Goebbels. Entlarvend für die Beweggründe, »Sondergenehmigungen« für Juden, jüdische »Mischlinge« und »jüdisch Versippte« zu erteilen, war eine Rede, die Goebbels am 16. September 1935 in Nürnberg vor NSGau- und Propagandaleitern hielt. Anlass war der 7. NSDAP-Reichsparteitag, der zu den berüchtigten Nürnberger Rassengesetzen führte. Im Hinblick auf einzugehende Kompromisse meinte er: Man lässt irgendeinen Halbjuden aus irgendeinem Grunde, den man nun vor der Öffentlichkeit nicht entwickeln kann, oder sagen wir: Man lässt einen Schauspieler, der mit einer Jüdin verheiratet ist, sagen wir: zehn Jahre mit einer Jüdin verheiratet ist, den lässt man weiterhin auf einer Bühne auftreten. Doch nicht, weil man nun der Jüdin einen Gefallen tun will, sondern weil man sich überlegt hat: Wenn wir diesem Schauspieler nun die Lebensmöglichkeit nehmen, dann bleibt ihm ja nichts anderes übrig, als nach Wien zu gehen; in Wien wird er mit offenen Armen empfangen. Wir stärken damit also das Kulturzentrum Wien: Wir haben kein Geld und keine Mühen gescheut, den Wienern große deutsche Künstler abspenstig zu machen – also treiben wir eine eigene Kanone nach Wien heraus. Ich sage: Es ist ein Kompromiss – aber man ist zu dem Ergebnis gekommen: Beim Kompromiss hat das deutsche Volk mehr Nutzen als Schaden. Ich kann natürlich diese Überlegungen nicht in der Öffentlichkeit darlegen. Ich kann nicht sagen: Also Pardon, Parteigenossen, das ist nicht so, wie Ihr meint, das tue ich nicht der Jüdin zuliebe, sondern das tue ich, weil …, damit decke ich ja meine ganze Taktik auf. Da ist es nun notwendig, dass unsere Parteigenossen Disziplin halten und dass sie einsehen, dass ein nationalsozialistischer Minister das nicht aus Spaß tut, sondern dass er dabei seine Überlegungen hat und dass sie stichhaltig sind.1

Mit dem Einmarsch der Wehrmacht in Österreich und der Annexion der Alpenrepublik im Jahr 1938 entfiel natürlich die Argumentation, dass Wien als Kulturzentrum »rassisch« belastete Künstler anziehen könnte. Am 15. November 1933 hatte Goebbels die Reichskulturkammer eröffnet und war gleichzeitig deren erster Präsident.2 Sein Stellvertreter wurde der Pressechef der Reichsregierung und Staatssekretär Walther Funk. Gegliedert war die RKK in sieben Abteilungen, von denen im 116  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

Zusammenhang mit der Thematik des vorliegenden Buches die Reichsfilmkammer, die Reichstheaterkammer, die Reichsmusikkammer sowie die Reichskammer für bildende Kunst die wichtigsten waren. Zum Präsidenten der Reichsmusikkammer wurde Generalmusikdirektor Richard Strauss ernannt, zu Mitgliedern des Präsidialrates Generalmusikdirektor Staatsrat Wilhelm Furtwängler, Paul Graener, Fritz Stein und Gustav Havemann. Die Reichsfilmkammer wurde geführt von dem Juristen Fritz Scheuermann, dann von dem württembergischen Wirtschafts­ minister Oswald Lehnich und schließlich von 1939 bis 1945 von dem Regisseur Carl Froelich. Präsidenten der Reichstheaterkammer waren – nacheinander – der Schauspieler Otto Laubinger, Reichsdramaturg Rainer Schlösser, Schauspieler und Regisseur Ludwig Körner und schließlich der Schauspieler Paul Hartmann. Die Reichskulturkammer war eine Einrichtung, die maßgeblich über Wohl und Leid der Kulturschaffenden mit entschied. Nur Kammermitglieder durften sich künstlerisch betätigen, und diese Bestimmung galt für alle Bereiche – vom Komponisten und Regisseur bis zum Schauspieler, zur Sängerin, sogar bis hin zum Kinobesitzer. Derjenige, dessen Mitgliedschaft – zumeist aus rassischen Gründen – abgelehnt wurde, hatte zugleich Berufsverbot erhalten. Die Reichskulturkammer stellte umfangreiche Listen über Künstler auf, die nur aufgrund von Sondergenehmigungen auftreten oder publizieren durften, weil sie entweder selbst jüdisches Blut in ihren Adern hatten oder mit Juden, Halbjuden oder »Mischlingen« verheiratet waren. Nach den NS-Rassebestimmungen hätte dies eigentlich reichsweite Auftrittsverbote zur Folge gehabt, wenn es nicht zahlreiche Ausnahmebestimmungen und Sondergenehmigungen gegeben hätte. Diese Ausnahmen bedeuteten noch nicht die Ernennung zum »Ehrenarier« oder gar die Gleichstellung mit »Deutschblütigen«, aber sie gaben den Betroffenen einen gewissen Schutz vor rassischen Übergriffen und ermöglichten ihnen, den Lebensunterhalt weiter selbst zu verdienen. Beliebtheit beim Publikum war in der Regel der Grund für eine Sondergenehmigung, bisweilen aber ging es um ganz persönliche Beweggründe, wenn beispielsweise der Geliebten von Goebbels oder von anderen NSRepräsentanten auf diese Weise geholfen werden sollte. Ebenso konnte sich der Einsatz für die nationalsozialistische Bewegung noch vor der Machtübernahme Hitlers als hilfreich erweisen. Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz  117

Zuständig für solche Ausnahmegenehmigungen war in der Regel Propagandaminister Goebbels, der ungeachtet seines Hasses auf alles Jüdische eher pragmatisch vorging, wobei seine diesbezüglichen Aktivitäten gleich von mehreren Seiten argwöhnisch beobachtet wurden. Dazu gehörte Alfred Rosenberg, der »Beauftragte des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP«. Aber auch die Sicherheitspolizei und der Sicherheitsdienst waren an allen Handlungen Goebbels’ interessiert und meldeten sie dem Reichsführer-SS Heinrich Himmler. Dies war beispielsweise auch am 25. Mai 1939 der Fall. Goebbels hatte »den Führer um Entscheidung über die Weiterbeschäftigung von 21 nicht vollarischen oder jüdisch versippten Schauspielern bzw. Filmschauspielern gebeten. Aufgrund der Entscheidung des Führers sind so u. a. der Halbjude Henckels, der mit einer Jüdin verheiratet ist, und der Arier Max Lorenz, der mit einer Jüdin verheiratet ist, zu vollwertigen Mitgliedern der Reichskulturkammer bestätigt worden. Es wurde in diesem Zusammenhang bekannt, dass den jüdischen Ehefrauen in Bezug auf den Besuch von Theatern, Hotels usw. die Rechte arischer Frauen eingeräumt werden«.3 Der Schwerpunkt der Bespitzelung durch Rosenbergs diverse Dienststellen lag auf der Einhaltung der nationalsozialistischen Ideologie und auf der Beachtung der sogenannten Rassengesetze. Aus diesem Grunde gab Rosenbergs Kulturpolitisches Archiv im Amt für Kunstpflege vertrauliche Informationen heraus, die den Zweck verfolgten, »die Führer des neuen Deutschland über besondere Fälle des gesamten kulturellen Lebens zu unterrichten«.4 In der ersten Folge wurde u. a. mitgeteilt, dass der Komponist Eduard Künneke mit einer »Nichtarierin« verheiratet war und aufgrund dieser Tatsache seinen Austritt aus der Partei hatte erklären müssen. Im Wesentlichen konzentrierte sich der Dienst darauf, Juden, »Mischlinge« oder »jüdisch Versippte« zu denunzieren. So hatte der Dirigent Wilhelm Furtwängler nach seinem Rücktritt ein drei Seiten langes Glückwunschschreiben des polnischen Juden Bronisław Huberman erhalten und an Regierungsstellen weitergeleitet. Der Komponist Franz Lehár bediente sich fast ausnahmslos jüdischer Textbuchverfasser wie Leo Stein, Bela Jenbach, Artur Bodanzky, Julius Bauer und Fritz Löhner-Beda. Letzterer wurde als jüdischer Aktivist und Mitbe-

118  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

gründer der jüdischen Sportclubs »Hakoha« und »Bar-Kocha« bezeichnet. Vom Deutschen Musikverlag in Berlin hatten Rosenbergs Spitzel die Nachricht erhalten, dass Lehár nicht arisch verheiratet war, und zu Paul Hindemith meldete der Informationsdienst, dass dieser sich in London aufhielt und bei dem jüdischen Geiger Elison, dem Schwiegersohn des Leiters der Berliner Staatlichen Hochschule für Musik, Fritz Stein, wohnte. Stein war übrigens zugleich Leiter des Amtes für Chorwesen in der Reichsmusikkammer, war extrem nationalsozialistisch eingestellt und hatte entscheidenden Anteil an der Gleichschaltung der Musik im »Dritten Reich«. Offensichtlich nur dank seiner guten Beziehungen zu Goebbels hatte er trotz jüdischen Schwiegersohns im Amt bleiben dürfen.

Sondergenehmigungen und »Gottbegnadeten-Liste« Für alle Künstler, die aus rassischen Gründen ins Visier der Nationalsozialisten geraten waren, war es buchstäblich überlebenswichtig, als Mitglieder der Reichskulturkammer Sondergenehmigungen für die jeweiligen künstlerischen Tätigkeiten zu erhalten. Eine Mitte 1943 zusammengestellte Liste der Reichstheaterkammer enthielt beispielsweise 130 Namen, die der Reichsmusikkammer 118.5 110 Namen umfasste die Liste der Reichskammer der bildenden Künste, 55 die der Reichsschrifttumskammer, dagegen lediglich 27 die der Reichsfilmkammer. Dabei benötigten nicht nur die »belasteten« Schauspielerinnen und Schauspieler Sondergenehmigungen, sondern auch Schnittmeister, Filmbildner, Kameraleute und Statisten. Bemerkenswert ist, dass eine erhebliche Zahl von Schauspielern ab Juli 1939 keine Sondergenehmigung für Auftritte mehr brauchte, da sie nun dank verschiedener Ausnahmeregelungen und Fürsprachen Vollmitglieder der Reichskulturkammer geworden waren. Dazu gehörten: »Georg Alexander, Hans Batteux, Paul Bildt, Walter Felsenstein, Erich Fiedler, Paul Henckels, Frieda Leider, Max Lorenz, Hans Meyer-Hanno, Karl Neumann, Heinrich Rehkemper, Bruno Schönfeld, Ernst Schütte, Günter Treptow, Otto Wernicke, Eduard von Winterstein.«6 Hinzu kamen Künstler wie Fritz Hilpert, Albert Lieven, Henny Porten oder Heinz Rühmann. Zu klären waren zu diesem Zeitpunkt demnach noch folgende »Fälle«: Sondergenehmigungen und »Gottbegnadeten-Liste«  119

– Hans Fischer: Goebbels hatte dem Oberspielleiter und Schauspieler die RKK-Mitgliedschaft erlaubt, seiner jüdischen Ehefrau war der Theaterbesuch jedoch verboten. – Alfons Kreuzinger, Schauspieler: Die Aufnahme in die RKK ließ noch auf sich warten, da Kreuzinger »Halbjude« war. – Alfred von Löbenstein: Obwohl er »⅛ Jude« war, sollte er auf Anordnung des Propagandaministeriums als Vollmitglied geführt werden.7 Besondere Bedeutung bekam eine »Gottbegnadeten-Liste«, die Goebbels 1944 hatte aufstellen lassen und auf der sich die Namen von 1041 Künstlerinnen und Künstlern befanden.8 Zu einem großen Teil handelte es sich um Schauspielerinnen und Schauspieler, die Goebbels für seine Propagandafilme benötigte. Aber auch durch Intervention anderer NSGrößen war es möglich, auf die Liste zu gelangen. So fand sich beispielsweise bei Carla Spletter, Berlin, der Hinweis »Wunsch des Reichsmarschalls«. Die gebürtige Flensburgerin hatte am Konservatorium Leipzig Gesang studiert und als Sopranistin 1932 am Deutschen Opernhaus in Berlin debütiert. Von 1935 bis 1945 gehörte sie zum Ensemble der Berliner Staatsoper. Ebenfalls auf Wunsch Görings stand die Sopranistin Lieselotte Enck auf der Liste, während Hitlers Chef der Partei-Kanzlei, Martin Bormann, den Sänger Horst Taubmann, München, hatte darauf setzen lassen, der 1932 in die NSDAP eingetreten war.

Walter Tießler – Bormanns Helfershelfer Besonders eifrig bei der »Entjudung« des Kulturlebens zeigte sich der bereits mehrfach erwähnte Walter Tießler. Im Vergleich zu Goebbels, der auf Stimmungen im Volk reagierte, war Tießler, der als Zwanzigjähriger 1924 in die NSDAP mit der niedrigen Mitgliedsnummer 15.761 eingetreten war, ein ausgesprochener Rassenfanatiker.9 Schon 1924 war er Ortsgruppenleiter in Karlsfeld, dann Kreisleiter in Bitterfeld und stieg anschließend 1926 zum Gaupropagandaleiter im NS-Gau Halle und 1930 zum hauptamtlichen Gaugeschäftsführer auf. Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde Tießler 1933 als Landesstellenleiter für Mitteldeutschland vom Propagandaministerium übernommen. 120  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

1934 baute er in München den »Reichsring für nationalsozialistische Propaganda« auf. Seine Arbeit wurde insofern gewürdigt, als er 1940 in den Stab des »Stellvertreters des Führers« berufen wurde, wo er das Verbindungsbüro zum Propagandaministerium leitete. Angesichts zunehmender Spannungen mit seinem Chef Goebbels wurde er Anfang 1944 auf den Posten eines Verbindungsmanns der Partei-Kanzlei zu Generalgouverneur Hans Michael Frank in Krakau abgeschoben, wo er bis Januar 1945 blieb. Tießler hatte das Goldene Parteiabzeichen, das Gauehrenzeichen sowie NSDAP-Dienstauszeichnungen in Gold, Silber und Bronze erhalten. Vor der Lager-Spruchkammer Nürnberg-Langwasser gab er nach dem Krieg an, er habe sich schon in frühester Jugend vor die Wahl gestellt gesehen, Kommunist oder Nationalsozialist zu werden. Schließlich habe er sich für die NSDAP entschieden, er bestritt aber, sich jemals »zur Unterstützung der Gewaltherrschaft« hergegeben zu haben.10 Er habe es sogar abgelehnt, für den Reichstag zu kandidieren und sei bereit gewesen, deshalb Gehaltskürzungen in Kauf zu nehmen. Die LagerSpruchkammer Nürnberg-Langwasser glaubte ihm, dass er ab 1934 nur noch Befehlsempfänger und Befehlsüberbringer gewesen sei und keinerlei Einfluss mehr ausgeübt habe. Ein fataler Irrtum! In allen bisherigen Darstellungen wird behauptet, über Tießlers Verbleib ab 1944 sei nichts bekannt. Tatsächlich aber befinden sich im Staatsarchiv München die Spruchkammerakten der Lager-Spruchkammer Nürnberg-Langwasser. Sie beweisen unter anderem, dass Tießler im März 1945 noch zur Wehrmacht einberufen wurde. Offensichtlich gelang es ihm, für längere Zeit einer Verhaftung zu entgehen, denn erst im Juni 1947 kam er in Gefangenschaft und wurde in das Kornwestheimer Interniertenlager eingewiesen. Vor der Spruchkammer lamentierte er, dass er dort »Toilettenreinigungsarbeiten« hatte verrichten müssen. 1947 wurde Tießler ins Internierungs- und Arbeitslager NürnbergLangwasser verlegt und dort am 19. Oktober 1948 als Belasteter der Gruppe II eingestuft. Tießlers umfangreicher Korrespondenz sind aufschlussreiche Einblicke in den Umgang mit »Mischlingen« und »jüdisch Versippten« zu entnehmen. Tießler hatte gegenüber dem Propagandaministerium moniert, dass in einer Aufführung der Oper Der Evangelimann mehrere »Mischlinge« aufgetreten seien: Walter Tießler – Bormanns Helfershelfer  121

Der Komponist dieser Oper, Kienzl, ist jüdischer Mischling 2. Grades. Die männliche Hauptrolle soll mit dem jüdischen Mischling 1. Grades Kurt [sic] Treptow, die weibliche Hauptrolle mit dem jüdischen Mischling 2. Grades Margarete Slezak besetzt sein. Die Regie soll ein weiterer jüdischer Mischling geführt haben. Die Partei-Kanzlei mag sich nicht vorstellen, dass diese Meldung den Tatsachen entspricht. Ich bin daher gebeten worden, doch einmal Näheres festzustellen.11

Auf diese Hinweise Tießlers antwortete das Reichspropagandaministerium am 12. April 1943 eher zurückhaltend: Der Komponist Wilhelm Kienzl12 ist in der Tat jüdischer Mischling zweiten Grades. Doch wurde laut Aktenvermerk der Reichsmusikkammer (Min. Dir. Hinkel) seinerzeit mitgeteilt, dass Bedenken gegen die Aufführung Kienzl’scher Werke nicht bestehen. Bei dem unfraglich bestehenden Weltruhm Kienzls, der erst langsam verblasst, schien es seinerzeit, als Österreich noch nicht angegliedert war, zweckmäßig, seine Repertoire-Werke »Evangelimann« und »Kuhreigen« nicht plötzlich von den Spielplänen verschwinden zu lassen, was nur einen ungeheuren Lärm jenseits der Reichsgrenzen würde ausgelöst haben. Ich persönlich stehe auch jetzt noch auf dem Standpunkt, dass ein Verbot ausschließlich propagandistische Nachteile, jedoch nicht den geringsten Vorteil einbringen würde. Auch der Tenor Günther Treptow13 ist jüdischer Mischling. Nach dem der Reichstheaterkammer erteilten Bescheid bestehen indessen gegen sein Auftreten keine Bedenken. Treptow hat, ohne selbst Kenntnis seines jüdischen Blutbestandsteils zu haben, sich während der Kampfzeit für die Bewegung eingesetzt, sogar in Saalschlachten. Deshalb, und weil er zu den schon fast aussterbenden letzten Tenören mit Zukunft gehört, ist, wie angegeben, entschieden worden. Auch Margarete Slezak ist jüdischer Mischling.14 Entscheid wie in den vorangegangenen Fällen. Ich persönlich bin Frau Slezak bei offiziellen Veranstaltungen und Einladungen immer wieder begegnet, auch bei Künstlerempfängen in der Reichskanzlei. Diese Ausnahmestellung dürfte auf die dankbare Wertschätzung zurückzuführen sein, die von entscheidender Seite ihrem Vater gezollt wird. Auch der Regisseur [Hans] Batteux15 ist jüdischer Mischling. Sondergenehmigung wie in den anderen Fällen! 122  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

Federführend werden diese Angelegenheiten von der Geschäftsführung der Reichskulturkammer bearbeitet und durch Min.Dir. Hinkel dem Minister meist persönlich zur einzelfälligen Entscheidung unterbreitet. Dass zufällig alle drei bei einer Aufführung gleichzeitig mitwirkten, darf nicht dahin gedeutet werden, als wenn sich dieses Bild allabendlich im Deutschen Opernhaus ergäbe.16

Entscheidenden Einfluss nahm Tießler auch auf das Schicksal des Wiener Kunstmalers Werner Ritter von Stockert, der in die Reichskammer der bildenden Künste aufgenommen werden wollte. Von Stockert war aktiver Seeoffizier und U-Boot-Kommandant und während des Ersten Weltkriegs u. a. mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden. Zu seinem Fall stellte Tießler fest: »Von Stockert könnte, da er selbst deutschblütig und seine Ehefrau nur Vierteljüdin ist, Mitglied der Reichskammer der bildenden Künste werden. Aufgrund ungünstiger politischer Gutachten wurde s.Zt. die Aufnahme abgelehnt.«17 Zum Schicksal des Sängers Günther Treptow erklärte übrigens die langjährige Sekretärin von Hans Hinkel, Ursula Framm, Hinkel habe sich wegen seiner »hervorragenden künstlerischen Fähigkeiten« für dessen Weiterbeschäftigung am Deutschen Opernhaus in Berlin eingesetzt, »obwohl dieser Halbjude« war.18 Zu Margarete Slezak ist anzumerken, dass sie mit Hitler befreundet war. Am 24. Dezember 1932 sandte sie ihm als Weihnachtsgruß ein Foto von sich, verbunden mit der Bemerkung: »Meinem lieben guten Freund Adolf Hitler ein herzliches Weihnachtsbusserl von seiner Gretl Slezak.«19 Laut Ernst Hanfstaengl20 war es Goebbels, der nach dem Tod von Geli Raubal Hitler mit der Sängerin Margarete Slezak bekannt machte. Hanfstaengl bezeichnet sie als »eine muntere Blondine, die selbst eine ganz gute Stimme besaß. Sie war damals schon etwa 27 oder 28 Jahre alt, dafür aber so köstlich naiv in ihren Fragen, dass wir alle ihren Spaß an ihr hatten«. Von Hitler wollte sie sich die Ziele der NSDAP erklären lassen und wissen, ob er wirklich so hart mit den Juden umspringen werde, wie man sich immer erzähle. (Übrigens war die Frage gar nicht so abwegig, da Gretl Slezak eine Jüdin zur Großmutter hatte.) Hanfstaengl traf Margarete Slezak bei diversen Gelegenheiten und erlaubte sich, sie nach ihrer Beziehung zu Hitler zu fragen. »Gretl

Walter Tießler – Bormanns Helfershelfer  123

schickte nur einen Blick in den Himmel und zuckte mit den Schultern. Mehr brauchte ich nicht zu wissen.« Laut Henry Picker hatte Hitler seine Beziehung zu Gretl Slezak um Weihnachten 1932 einschlafen lassen. Picker sprach von einem »besonders herzlichen Kontakt« zur beliebten Berliner Operettensoubrette. »Sie war blauäugig, eine große Künstlerin, voller Temperament und anschmiegsam wie ein Wiener ›Tschapperl‹, also eine Partnerin, wie Hitler sie sich erträumte. Aber er kam nicht darüber hinweg, dass sie unter ihren Großeltern eine jüdische Großmutter hatte und das nicht einmal zeitgemäß zu kaschieren suchte.«21 Dieses gute Verhältnis zu Gretl Slezak dürfte der Schlüssel dafür sein, dass auch Leo Slezak22 von Göring bevorzugt behandelt wurde, obwohl er ein »Mischling« war. Hanfstaengl behauptete in Zwischen Weißem und Braunem Haus sogar, dass Hitler eine »Liebschaft« mit Margarete Slezak eingegangen sein soll, obwohl er wusste, dass sie eine jüdische Großmutter hatte, und widerspricht somit Pickers Einschätzung. Hanfstaengl, der angesichts eines Großvaters namens »Heine« aufgefordert wurde, seine »arische« Abstammung nachzuweisen, berichtete übrigens, er habe einigen Juden helfen können, so dem Geiger Georg Kreisler: »Hitler bewunderte seine Kunst. Kreisler hatte mir bei der Orchestrierung einiger meiner Marschlieder geholfen. Und eine meiner Melodien, die Canzonetta, in sein Repertoire aufgenommen. Er sah die zukünftige Entwicklung voraus und hielt es für besser, in die Vereinigten Staaten auszuwandern. Durch Schacht und Neurath gelang es mir, für den Transfer seines bedeutenden Vermögens zu sorgen.«23

Der Fall von Franz von Hößlin Der Umgang mit dem Musiker Franz von Hößlin macht in besonderer Weise die Willkür und Rücksichtslosigkeit deutlich, mit der die Nationalsozialisten ihre rassenpolitischen Vorstellungen umsetzten. Hößlin war Orchesterleiter in Dessau, dann Generalmusikdirektor der Stadt Wuppertal und lehrte schließlich ab 1932 am Breslauer Konservatorium. In zweiter Ehe war er mit der jüdischen Altistin Erna Liebenthal ver­heiratet. Ab 1933 hatte das Ehepaar zunehmende Repressalien der 124  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

Nationalsozialisten zu ertragen. Als Hößlin im Juni 1936 sein Orchester bei einem Staatsakt das Horst-Wessel-Lied ohne seine Mitwirkung spielen ließ, wurde er fristlos gekündigt und aufgefordert, binnen 28 Tagen Breslau zu verlassen. Als Abschiedskonzert führte er vor ausverkauftem Haus am 26. Juni 1936 Beethovens Neunte Symphonie auf. Während des Konzertes wurden dem Dirigenten immer wieder lang andauernde Ovationen dargebracht. Als das Konzert beendet war, wurde die Beleuchtung außer der Notbeleuchtung ausgeschaltet, um das Publikum zum rascheren Verlassen des Saales zu veranlassen. Aber (…) Hesslin [sic!] wurde immer wieder herausgerufen (…): »Hesslin wiederkommen«. Im gleichen Hause wurde die Sitzung einer Parteikörperschaft abgehalten. Die Teilnehmer gingen, angelockt von dem Lärm im Konzertsaal, auf die Galerie, um nachzusehen. Dabei rief einer dieser Nazis: »Judenketzer«. Nun setzte ein nicht zu beschreibender Tumult ein. »Pfui«, »Raus«, »Unflätiger Lümmel« usw. wurde gerufen. (…) Hesslin (…) fragte, was denn los sei. Es wurde ihm erwidert, er möge zur Kenntnis nehmen, dass man ihn nicht beleidigen lasse. Hesslin hielt eine kurze Ansprache, (…) alle sollten als Freunde auseinandergehen und erst recht wieder Freunde werden. Das Publikum hielt noch lange im Saale aus, dann wurde Hesslin durch die Stadt zum Hotel Monopol getragen. Vor dem Hotel wiederholten sich nochmals die Ovationen und die Rufe: »Hesslin wiederkommen.« (…) Sein Auto musste leer hinterherfahren.«24

Noch in derselben Nacht brachte Hößlin seine Frau nach Florenz. Ein Versuch, ihr über einen »Befreiungsantrag« die Rückkehr zu ermöglichen, scheiterte 1939. Erna von Hößlin blieb bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Italien und überlebte als Einzige der drei Geschwister ihrer Familie den nationalsozialistischen Massenmord. Der deutsche Botschafter in Rom, Hans-Georg von Mackensen, hatte sich am 3. März 1939 für Hößlin eingesetzt und den Staatssekretär im Reichsinnenministerium, Hans Pfundtner, daran erinnert, dass Hößlin »sich aufgrund seiner Bayreuther Dirigententätigkeit des besonderen Wohlwollens des Führers und Reichskanzlers erfreut«.25 Hößlins Schwierigkeiten beruhten darauf, »dass seine Gattin nichtarisch ist und daher angesichts der italienischen Rassengesetzgebung ihr Verbleiben in Italien, wo sie sich vor Jahren ansässig gemacht hat, in Frage gestellt ist«. Der Fall von Franz von Hößlin  125

Im Hinblick darauf, dass Hößlin selbst »Vollarier« sei und er »trotz seiner Ehe durch persönliche Entscheidung des Führers, die etwa anderthalb Jahre zurückliegt, seine Berufstätigkeit in Deutschland weiter in vollem Umfange ausüben darf«, habe er, von Mackensen, sich mit den italienischen Behörden in Verbindung gesetzt. Weiter sei Frau Hößlin vom zuständigen deutschen Konsulat aufgefordert worden, »ihren Pass zwecks Kenntlichmachung ihrer Person als Jüdin vorzulegen«. Die allein berechtigte Stelle zur Erteilung von Ausnahmegenehmigungen aber war das Reichsinnenministerium. Da sich Hößlin gerade in Berlin aufhielt, um am Palmsonntag und Karfreitag in der Staatsoper den Parzival zu dirigieren, schlug von Mackensen vor, dass Pfundtner oder ein Sachbearbeiter Hößlin empfangen sollte: »Ich würde mich sehr freuen, wenn es möglich wäre, dem großen Künstler die Schwierigkeiten zu erleichtern, denen er aus den dargelegten Gründen ausgesetzt ist und die sie sich bei seinen Gastspielen außerhalb Italiens und Deutschlands fühlbar machen.«26 In dieser Angelegenheit unterrichtete Bernhard Lösener, Ministerialrat und Leiter des Referats »Rasserecht« im Reichsministerium des Innern den Staatssekretär, nachdem er mit Hößlin telefoniert hatte.27 Da es sich ausschließlich um die Passangelegenheit von Hößlins Frau gehandelt habe, habe er ihn an das zuständige Hauptamt Sicherheitspolizei verwiesen. Hößlin habe dann den Ministerialrat Krause aufgesucht, der ihn über die Aussichtslosigkeit seines Anliegens belehrt habe, schrieb Lösener. Der Chef der Sicherheitspolizei. Reinhard Heydrich, war es schließlich, der den Antrag, »auf Befreiung Ihrer Ehefrau von der Führung des Vornamens Sara im Rechts- und Geschäftsverkehr« ablehnte und Hößlin darüber am 2. Mai 1939 informierte.28 Hößlin selbst erhielt kein Auftrittsverbot, blieb aber im Visier der Partei-Kanzlei der NSDAP. Diese monierte in einem Vermerk vom 14. Dezember 1943: Das Auftreten dieses Kapellmeisters, der mit einer Volljüdin verheiratet sein soll und daher eine Sondergenehmigung der Reichsmusikkammer besitzt, hat verschiedentlich unangenehmes Aufsehen erregt. Können Sie in den Vorgängen des Promi29 feststellen, ob sich die Partei-Kanzlei mit diesem Mann bereits beschäftigt hat, und was es mit dem Kapellmeister für eine Bewandtnis hat?30

126  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Goebbels Propagandaministerium hatte schon am 15. Februar 1942 für die Partei-Kanzlei einen entsprechenden Vermerk formuliert, den es nun dem Schreiben an Bormann beifügte. Darin hieß es: Franz von Hoeßlin ist (…) mit einer Volljüdin verheiratet. Nach einer Entscheidung des Herrn Reichsministers vom 27.11.37 hat Hößlin wegen seiner hervorragenden künstlerischen Fähigkeiten die Genehmigung zur uneingeschränkten Tätigkeit. Im Jahre 1938 wurde er zur Mitwirkung an den Bayreuther Festspielen verpflichtet. Dort hat der Führer Frau Wagner gegenüber geäußert, dass dem weiteren Wirken Hößlins keine Hindernisse in den Weg gelegt werden sollten.31

Der Fall Hößlin zeigt übrigens sehr eindrucksvoll, dass selbst Hitlers Wort nicht immer und überall, geschweige denn für alle Zeiten, galt.

Emmerich Kálmán – eine Abfuhr für Hitler Der Gunst Hitlers, Görings oder Goebbels’ konnten sich eine Reihe von Kulturschaffenden erfreuen, die ohne diese Protektion – im günstigsten Fall – mit Auftrittsverbnoten belegt worden wären. Allerdings gab es durchaus Künstler, die darauf verzichteten, von Hitler zum »Ehren­ arier« ernannt zu werden und es stattdessen vorzogen, Deutschland und den Einflussbereich der Nationalsozialisten zu verlassen. Zu ihnen gehörte beispielsweise der Komponist von Erfolgsoperetten Emmerich Kálmán, der 1880 als Imre Koppstein und Sohn des jüdischen Getreidehändlers Karl Koppstein am Plattensee geboren wurde, 1892 mit seiner Familie nach Budapest zog und seinen Nachnamen auf Kálmán änderte. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurden seine Werke in Deutschland verboten. Nachdem er unmittelbar nach dem Anschluss Österreichs 1938 in Wien von der SA bedrängt worden war, riet ihm der ungarische Reichsverweser Miklós Horthy, sich mit seiner Familie im Ausland in Sicherheit zu bringen. Kurz darauf bot ihm Hitler an, »Ehren­arier« zu werden. Kálmán lehnte ab und zog es vor, erst nach Paris und dann in die USA zu emigrieren.32

Emmerich Kálmán – eine Abfuhr für Hitler  127

4 Hitler und Miklós Horthy. Die Nationalsozialisten warfen dem Ungarn vor, zu nachsichtig mit Juden umzugehen.

Auch der berühmte jüdische Regisseur Fritz Lang lehnte es ab, »Ehren­ arier« zu werden. Der gebürtige Wiener wurde vor allem durch seinen Film Metropolis bekannt, einen Klassiker der Filmgeschichte. 1933 wollte Goebbels ihn zum »Ehrenarier« machen und bot ihm die Leitung des deutschen Films an. Doch Lang verzichtete nach eigenen Angaben und rettete sich in die USA. Max Reinhardt, ursprünglich als Maximilian Goldmann in Baden bei Wien geboren, zählte zu den größten Regisseuren und Intendanten seiner Zeit. Er arbeitete in Berlin – u. a. am großen Schauspielhaus und am Deutschen Theater – und gleichzeitig am Theater in der Josefstadt. Im Sommer 1933 schickte Goebbels den Schauspieler Werner Krauss nach Leopoldskron, um Reinhardt die »Ehrenarierschaft« anzubieten. Doch der Regisseur verzichtete und emigrierte 1937 in die USA.33

Einzelschicksale Nicht alle Kulturschaffenden hatten allerdings die Möglichkeit oder die Kraft zur Emigration, manche haben möglicherweise lange Zeit die 128  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

Gefahr des Nationalsozialismus nicht erkannt, und andere arrangierten sich auf ihre Weise mit dem System. Die nachstehende Übersicht von Künstlern mit Sondergenehmigungen ist unvollständig, erlaubt aber einen Einblick in die Mechanismen, mit denen die rassischen Grundsätze der Nationalsozialisten angewandt oder außer Kraft gesetzt wurden. Paul Bildt

Der 1885 in Berlin geborene und 1957 ebenda gestorbene Paul Bildt gehörte zu den meistbeschäftigten Schauspielern der Stummfilmära. Seit 1908 war er mit der jüdischen Schauspielerin Charlotte Friedländer verheiratet. Dennoch konnte er, protegiert von Gustaf Gründ­gens, weiterhin Theater spielen und erhielt zahlreiche Filmrollen der UFA – auch in NS-Propagandafilmen. Im Februar 1932 wurde beispielsweise Hitler der Film Das schöne Fräulein Schragg vorgeführt, in dem nicht nur Paul Bildt, sondern auch Eduard von Winterstein zu sehen war.34 Zu Ehren Hitlers wirkte er 1933 an dessen Geburtstag in dem Staatsschauspiel Schlageter mit. Am 16. Juli 1937 erhielt Hitlers Adjutantur in Berchtesgaden u. a. den Film Verwehte Spuren, der Hitler vorgeführt werden sollte.35 Weitere Rollen spielte Bildt u. a. in Glückskinder, Der Herrscher und Der Mann, der Sherlock Holmes war.36 Rudolf Blümner

Der Schauspieler (1873–1945) war vor allem durch seine Mitwirkung in Tonfilmen wie M – Eine Stadt sucht einen Mörder und Der Hauptmann von Köpenick berühmt geworden. Im Frühjahr 1934 hatte er die Ausstellung »Italienische futuristische Luft- und Flugmalerei« eröffnet. Zu ihren Schirmherren zählte Joseph Goebbels als Präsident der Reichskulturkammer. Blümner spielte auch in dem NS-Hetzfilm Ohm Krüger mit, doch wegen der jüdischen Abstammung seiner Ehefrau wurde er mit Schreib- und Aufführungsverbot belegt. Ab 1938 bekam er wieder einige Nebenrollen in Historien- und Heimatfilmen und wurde schließlich sogar auf die »Gottbegnadeten-Liste« gesetzt.

Einzelschicksale  129

Hans Albers

Die Nationalsozialisten drängten den Schauspieler (1891–1960) nach der Machtübernahme, sich von seiner Lebensgefährtin Hansi Burg, der Tochter seines jüdischen Mentors Eugen Burg, zu trennen. Zwar ging Albers formell auf die Forderung ein, lebte aber weiterhin am Starnberger See mit ihr zusammen. Albers, der bei Goebbels hohes Ansehen genoss, drehte mit Sondergenehmigung weiter höchst erfolgreiche Filme – u. a. Münchhausen – und sorgte dafür, dass Hansi Burg sich 1939 in England in Sicherheit brachte.

5 Hans Albers und Brigitte Horney.

Albers selbst wurde von den Nationalsozialisten großzügig mit Honoraren bedacht. Staatskommissar Hinkel erinnerte beispielsweise die Prag Film-AG am 4. April 1945 an die Entscheidung des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda, der zufolge Albers aus den Filmen Der tolle Bomberg und Die ewigen Jagdgründe noch eine Forderung in Höhe von 50 000 Reichsmark hatte – eine damals gewaltige Summe, und es erstaunt, dass so kurz vor dem totalen Zusammenbruch Deutschlands das Geldwesen noch funktionierte.37 130  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

Karl Etlinger

Der Wiener Schauspieler (1879–1946) feierte in den 1920er-Jahren Erfolge an Berliner Bühnen, nachdem er schon 1910 in Stummfilmen mitgewirkt hatte. Als der Tonfilm aufkam, arbeitete er 1930/31 auch in Hollywood. Er war mit einer Jüdin verheiratet, durfte aber mit einer Sondergenehmigung uneingeschränkt weiterarbeiten. Er wirkte u. a. in den Filmen Varieté, Traumulus, Heiratsinstitut Fortuna und Volksfeind mit. Paul Henckels

Henckels (1885–1967) war Schauspieler, Bühnenregisseur und Theaterdirektor und spielte in mehr als 220 Filmen mit. Goebbels hatte sich dafür eingesetzt, dass Henckels in die Reichskulturkammer aufgenommen wurde, obwohl er »Halbjude« war und nach seiner Scheidung von Cecilia Brie die Jüdin Thea Grodtcinsky geheiratet hatte. Im Mai 1941 wurden seiner Frau beim Besuch von Theatern, Hotels und dergleichen »die Rechte einer arischen Frau« zuerkannt.38 Henckels spielte in bekannten Filmen mit wie Der Maulkorb, 2 x 2 im Himmelbett und Fremdenheim Filoda. Theo Lingen

Der Schauspieler und Regisseur Theo Lingen (eigentlich Theodor Schmitz, 1903–1978) hatte 1932 Brechts erste, »nichtarische« Frau, die Schauspielerin und Opernsängerin Marianne Zoff, geheiratet. Da Marianne Zoff gemäß den damals geltenden Rassengesetzen »Halbjüdin« war und Lingen daher als »jüdisch versippt« galt, trug er sich mit dem Gedanken, ins Exil zu gehen. Aber aufgrund seiner Popularität erhielt er von Goebbels eine Sondergenehmigung und konnte weiter auftreten. Bis Kriegsende spielte er in 96 Filmen mit. 1944 verlegte er seinen Wohnsitz nach Wien, wo er über Paul Hörbiger Kontakt zu einer kleinen Widerstandszelle erhielt. Die Probst Film, Zürich, stellte beim Reichsfilmintendanten den Antrag, Lingen möge doch Anfang 1945 für etwa vier bis fünf Wochen für Dreharbeiten freigegeben werden, doch Einzelschicksale  131

6   Theo Lingen (1903–1978) – für die Nationalsozialisten unentbehrlich.

Hinkel lehnte dieses Ansinnen ab.39 Zu seinen bekanntesten Filmen der NS-Zeit zählen: Das Testament des Dr. Mabuse, Der Tiger von Eschnapur, Tanz auf dem Vulkan, Wiener Blut. Otto Wernicke

Der Schauspieler Otto Wernicke (1893–1965) wurde vor allem durch die Filme M – Eine Stadt sucht den Mörder und Das Testament des Dr. Mabuse bekannt. Da er mit einer Jüdin verheiratet war, konnte er nur mit einer Sondergenehmigung der Reichskulturkammer spielen. Er wirkte insbesondere in NS-Propagandafilmen mit und erhielt als Dank hierfür 1939 die volle Mitgliedschaft in der Reichstheaterkammer. In der Endphase des NS-Regimes nahm ihn Goebbels sogar noch in die »Gottbegnadeten-Liste« auf. 132  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

7   Heinz Rühmann (1902–1994). Der populäre Schauspieler konnte es sich dank des Wohlwollens von Goebbels leisten, Frauen mit jüdischem Blut zu heiraten.

Heinz Rühmann

Rühmann, der vorwiegend Rollen in Komödien spielte, genoss bei Hitler höchste Wertschätzung. Angeblich sah sich der »Führer« jeden Rühmann-Film an. Der Schauspieler, der auch Durchhaltetexte sang, war in erster Ehe mit Maria Bernheim verheiratet, die aus einer jüdischen Münchener Familie stammte. Anders als beispielsweise Hans Moser, der zu seiner jüdischen Frau hielt, sann Rühmann nach der nationalsozialistischen Machtübernahme über eine Scheidung nach. Goebbels notierte hierzu am 6. November 1936 in seinem Tagebuch: »Rühmann klagt uns sein Eheleid mit einer Jüdin. Ich werde ihm helfen. Er verdient es, denn er ist ein ganz großer Schauspieler.«40

Einzelschicksale  133

8   Hertha Feiler (1916–1970).

1938 ließ sich Rühmann von seiner Frau scheiden und heiratete ein Jahr später seine Kollegin Hertha Feiler. Aber auch die geborene Wienerin wies im Sinne der Nationalsozialisten einen Makel auf: Sie galt als »Vierteljüdin«. Die Sympathie Hitlers und Goebbels’ bewahrte sie jedoch vor Berufsverbot. Rühmann und seine Frau durften mit Sondergenehmigungen weiterarbeiten, Rühmann wurde auf die »Gottbegnadeten-Liste« gesetzt. Die bekanntesten Filme, in denen Rühmann mitwirkte, waren: Die drei von der Tankstelle, Lumpazivagabundus, Der Mann, der Sherlock Holmes war, Der Mustergatte, Quax, der Bruchpilot und Die Feuerzangenbowle. 134  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

Leo Slezak

Der beliebte Tenor und Schauspieler (1873–1946) hatte in Breslau seine spätere Gattin Elsa Wertheim, eine Jüdin, kennengelernt. Mit ihr hatte er zwei Kinder, Walter und Margareta. Bis 1943 durfte Slezak mit einer Sondergenehmigung der Reichskulturkammer drehen, dann wurde er mit einem Berufsverbot belegt. Offensichtlich wurde jedoch dieses Verbot aufgehoben, denn in der Besetzungsliste 1944/45 der Reichsfilmintendanz vom 22. September 1944 wurde Slezak wieder aufgeführt.41 Nach Goebbels war der Reichsfilmintendant die höchste Instanz, die im NS-Regime Verantwortung für den Film trug, und 1944 übte Staatskommissar Hans Hinkel diese Funktion aus. Auf dieser Liste – der letzten, die vor Zusammenbruch des Regimes noch aufgestellt wurde – fanden sich übrigens weitere »Mischlinge« und »jüdisch Versippte« wie Hans Albers, Paul Henckels, Hans Moser, Eduard von Winterstein, Theo Lingen, Heinz Rühmann, Hertha Feiler, Pepi Glöckner-Kramer, Brigitte Horney oder Henny Porten. Eduard von Winterstein

Eduard von Winterstein (eigentlich Eduard Clemens Franz Freiherr von Wangenheim, 1871–1961) war Film- und Theaterschauspieler und drehte eine Vielzahl von nationalsozialistischen Propagandafilmen wie Ohm Krüger, Stukas oder Hundert Tage. 1900 hatte er die Schauspielerin Hedwig Pauly geheiratet, eine »Volljüdin«, und benötigte daher eine Sondergenehmigung, um während des »Dritten Reichs« arbeiten zu dürfen. Josefine (Pepi) Glöckner-Kramer

Die österreichische Volksschauspielerin und Soubrette (1874–1954) hatte 1900 ihren Schauspielerkollegen, den »volljüdischen« Leopold Kramer geheiratet und nannte sich fortan Pepi Kramer-Glöckner. Ab 1917 spielte sie neben dem Theater auch in Stummfilmen. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm ihr Mann das Deutsche Volkstheater in Prag. 1929 spielte sie in der Dreigroschenoper im RaimundtheEinzelschicksale  135

ater und in Der lebende Leichnam im Theater in der Josefstadt unter der Regie von Max Reinhardt. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg wirkte sie in kleineren Rollen in Spielfilmen mit, in denen unter anderen Hans Moser und Johannes Heesters zu ihren Partnern zählten. Henny Porten

Die von Hitler bewunderte Stummfilmlegende (1890–1960) hatte 1921 in zweiter Ehe den Arzt Wilhelm von Kaufmann-Asser, damals Leiter des Sanatoriums »Wiggers Kurheim«, in Garmisch-Partenkirchen geheiratet. Er übernahm von diesem Jahr an die Produktionsleitung ihrer Filme. 1930 dreht sie ihren ersten Tonfilm – wieder ein Erfolg. Nach 1933 waren die Nationalsozialisten daran interessiert, sie in großen Rollen als ideale Darstellerin »deutschen Frauentums« einzusetzen. Da sie sich weigerte, sich von ihrem »halbjüdischen« Mann zu trennen, wurde sie ab 1933 boykottiert. Dennoch drehte sie, u. a. dank der Fürsprache Albert Görings, während der Zeit des Nationalsozialis-

9 Henny Porten in Der Ruf der Liebe.

136  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

mus noch insgesamt neun Filme. Nach ihren Worten wurde sie von Goebbels „mit Wollust“ verfolgt.42 Hitler gewährte ihr ab 1941 eine monatliche Pension von 1000 Reichsmark. Hans Moser

Bormanns Vertrauter Walter Tießler drängte häufig auf die Verhängung von Auftrittsverboten, konnte sich jedoch angesichts des persönlichen Eingreifens von Goebbels oder gar Hitlers oft nicht durchsetzen. So im Fall des Filmschauspielers Hans Moser (eigentlich Johann Julier Moser,1880–1964). Dessen Ehefrau Blanca Hirschler war Jüdin. Nach dem »Anschluss« Österreichs musste sie auf Druck von Propagandaminister Joseph Goebbels Österreich verlassen und nach Budapest ziehen. Alle vierzehn Tage durfte Moser sie dort besuchen. Dabei hatte Goebbels noch am 13. Juni 1938 nach einem Besuch zum Cobenzl oberhalb Wiens in seinem Tagebuch anvertraut: »Ich beruhige Hans Moser, den man hier viel gespielt hat. Er weint vor Freude.«43 Am 24. Oktober 1938 wandte sich Moser mit folgendem Bittbrief an Hitler: Mein Führer! Ich lebe seit 25 Jahren in glücklichster Ehe. Ich bin vollkommen arischer Abstammung, während meine Frau Jüdin ist. Die für Juden geltenden Ausnahmegesetze behindern mich außerordentlich, insbesondere zermürben sie mich seelisch, wenn ich ansehen muss, wie meine Frau, die so viel Gutes für mich getan hat, dauernd abseits stehen muss. Ich würde mir nicht erlaubt haben, dieses Gnadengesuch einzubringen, aber ich habe so viel Kummer.44

Der österreichische Historiker Oliver Rathkolb weist in seinem Buch Führertreu und gottbegnadet darauf hin, dass dieser Brief Hitler nie erreicht hat, sondern von Gauleiter Josef Bürckel abgefangen wurde.45 Der Regierungspräsident von Wien, Hans Delbrügge, war es, der sich ans Reichsministerium des Innern wandte und angesichts Mosers »großer Durchschlagskraft« beim Publikum darauf hinwies, dass bei Einhaltung der Bestimmungen es »nicht einmal möglich wäre, dass seine eigene Frau bei einer Uraufführung Moser’scher Filme im Kino anwesend sein könnte«.46

Einzelschicksale  137

10   Der österreichische Volksschauspieler Hans Moser (1880–1964).

Hitler sah sich die meisten Moser-Filme in seinen Filmvorführräumen auf dem Obersalzberg, in München oder Berlin an. Ein SS-Angehöriger führte Protokoll, so auch am 24. April 1939. SS-Obersturmführer E. Bahal hielt gegenüber dem Propagandaministerium, Filmabteilung, Herrn Fink, Hitlers Urteil fest: Liebe streng verboten, gut Schauspielerische Leistung Mosers: sehr gut.47

Da Hitler also selbst gern Filme mit Hans Moser sah, blieb den NSBehörden nichts anderes übrig, als auf das Ehepaar Rücksicht zu nehmen. Dies zeigt deutlich das nachfolgende Schreiben des Propagandaministeriums an das Reichsministerium des Innern vom September 1942, in dem Ausnahmeregelungen für Blanca Moser befürwortet werden: 138  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

Die Obengenannte befindet sich seit etwa 2 Jahren freiwillig in Budapest. Aufgrund des § 2 der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25.11.1941 hat sie daher am 25.11.1941 die deutsche Staatsangehörigkeit automatisch verloren, wie der Chef der Sicherheitspolizei und des SD am 24.6.1942 hierher mitgeteilt hat. Hans Moser, der zu den bekanntesten deutschen Filmschauspielern gehört, zählt zu denjenigen Personen, die aufgrund allerhöchster Entscheidung48 unbehindert im Deutschen Reichsgebiet tätig sein können. Moser ist durch die gegen seine Ehefrau getroffenen Maßnahmen verständlicherweise aufs äußerste betroffen und in seiner Tätigkeit stark behindert, da seine Ehefrau sich nun als Staatenlose in Budapest aufhält und nicht mehr im Besitze eines deutschen Reisepasses ist. Ich bitte daher, die Wiedereinbürgerung und damit die Aushändigung eines Passes an Frau Moser in die Wege zu leiten. Zur Begründung dieses meines Antrages möchte ich darauf hinweisen, dass im Deutschen Reichsgebiet noch eine Anzahl bekanntester Schauspieler, so der Staatsschauspieler Paul Henckels, der selbst Halbjude und mit einer Volljüdin verheiratet ist, ebenso wie der bekannte Kammersänger Max Lorenz (Sülzenfuß) und der Schauspieler Georg Alexander, die ebenfalls mit Volljüdinnen verheiratet sind, genau wie Hans Moser aufgrund allerhöchster Entscheidung unbehindert tätig sein dürfen, mit ihren volljüdische Ehefrauen in Deutschland zusammenleben, ohne dass sie in irgendeiner Form wegen dieser Tatsache angegriffen und behindert werden dürfen. Im Hinblick auf die besonders qualifizierte Tätigkeit des Moser bitte ich im vorliegenden Falle eine Befreiung der Ehefrau Moser von den Bestimmungen der oben angezogenen Verordnung herbeizuführen.49

Zwei Tage später, am 18. September 1942, schaltete sich der Generalsekretär der Reichskulturkammer mit einem Brief an das Reichsministerium des Innern in die Angelegenheit ein: Anlässlich des Falles der Ausbürgerung der volljüdischen Ehefrau des Schauspielers Hans Moser möchte ich, da hierfür ein dringendes Interesse vorliegt, für die Zukunft bitten, bevor Maßnahmen gegen Mitglieder eine Einzelkammer der Reichskulturkammer unternommen werden, vor der dortigen Entscheidung bei mir Rückfrage zu halten.50

Einzelschicksale  139

1944 durfte Blanca Moser – nicht zuletzt dank des Einsatzes der Wiener Schauspielerkollegin Marte Harell – als »Ehrenarierin« nach Wien zurückkehren. Georg Alexander

Der Schauspieler Georg Alexander (eigentlich Werner Louis Georg Lüddekens, 1888–1945) wirkte in über 160 Filmen mit und wurde auch als Operettensänger gefeiert. Ab 1928 war er in zweiter Ehe mit der Filmagentin Ilse Brach, einer »Volljüdin«, verheiratet und konnte nach der nationalsozialistischen Machtübernahme nur noch mit einer Sondergenehmigung von Propagandaminister Goebbels auftreten. Am 12. Oktober 1937 hielt Goebbels fest: Georg Alexander will sich von seiner jüdischen Frau scheiden lassen. Er fühlt sich überall so zurückgesetzt. Ich rate ihm nicht zu und nicht ab. Aber er tut mir leid.51

Am 8. Dezember 1937 widmete Goebbels Alexander eine weitere Notiz: Georg Alexander bringt nun doch die Scheidung von seiner Jüdin nicht fertig. Soll er in Gottes Namen bei ihr bleiben.52

Im selben Eintrag hielt Goebbels fest, dass neben anderen Heinz Rühmann in den Kunstausschuss der Tobis-Filmproduktionsgesellschaft berufen worden war. Louis Rainer

Der in Brixen, Südtirol, geborene Schauspieler Louis Rainer (1885– 1963) war mit einer Jüdin verheiratet und besaß die italienische Staatsangehörigkeit. Dennoch wurde er 1933 Mitglied der Reichstheaterkammer. Als er 1935 die Mitgliedschaft auch in der Reichsfilmkammer beantragte, unterlag er der sogenannten Kontingentpflicht. Die Ehe mit einer gemäß den NS-Rassengesetzen »Volljüdin« führte dazu, dass Rainer von 1937 bis 1939 für seine Theaterarbeit in Dresden eine 140  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

Sondergenehmigung benötigte. Der Sippenforscher Hugo von Hohenhorst bescheinigte ihm »den Nachweis der Unerbringlichkeit« der noch ausstehenden Geburts- und Taufurkunde des Großvaters mütterlicherseits, worauf nunmehr notfalls verzichtet werden könne. 1941 legte er die italienische Staatsbürgerschaft ab und nahm die deutsche an. Außerdem wurde am 18. Juli 1942 seine Ehe rechtskräftig geschieden. Daraufhin hob die Partei-Kanzlei auf Nachfrage Tießlers die Bedenken gegen Rainers Mitgliedschaft in der Reichstheaterkammer auf.53 Reinhold Schünzel

Der aus Hamburg stammende erfolgreiche Schauspieler und Regisseur (1888–1954) war Halbjude. Angesichts so erfolgreicher Filme wie Viktor und Viktoria und Amphytrion mit Willy Fritsch ließen ihn die Nationalsozialisten mit Sondererlaubnis vorerst weiterarbeiten. Vor dem Hintergrund zunehmender Schikanen verließ er 1937 Deutschland und ging in die USA. 1949 kehrte er nach Deutschland zurück. Otto David Manasse

Der Komponist (Pseudonym Tomas E. Aston) genoss eine Zeit lang die Duldung durch die Nationalsozialisten. Als Jude 1861 in Stettin geboren, trat er schon in seiner Jugend, nachdem er die Bach’sche Choralmusik kennengelernt hatte, zum evangelischen Glauben über. Manasse schrieb eine große Anzahl kirchenmusikalischer Kompositionen, die zumeist in München aufgeführt wurden. 1941 wandte er sich »krank und hilflos und völlig vereinsamt« an Paul Graener und bat ihn um Unterstützung. Dieser schrieb Staatsrat Hans Hinkel, dem Sonderbeauftragten für »Kulturpersonalien« im Propagandaministerium, dass Manasse seine Münchner Wohnung, in der er fünfunddreißig Jahre gelebt hatte, gekündigt worden war und er sie innerhalb kürzester Zeit verlassen sollte. Der extrem nationalsozialistisch eingestellte Graener bat Hinkel, Manasses Lage zu erleichtern. Tatsächlich telegrafierte Hinkel dem Münchener Oberbürgermeister und Reichsleiter Karl Fieler und bat ihn im Namen des Propagandaministeriums, »dem 80-jährigen nichtarischen Komponisten Otto David Mannasse [sic], Nicolaistraße 5, bisherige Wohnung zu belassen«.54 Dieser Einsatz war allerdings Einzelschicksale  141

vergebens. Obwohl zum Christentum übergetreten, blieb Manasse für die Nationalsozialisten Jude. Am 25. Juni 1942 wurde er nach Theresienstadt deportiert, wo er am 27. November 1942 starb. Max Lorenz

Ein Dorn in den Augen von Bormanns Beauftragten Walter Tießler war der Tenor Max Lorenz (1901–1975), was ihn am 21. August 1943 zu folgendem Vermerk veranlasste: Bei den Bayreuther Festspielen wirkte dieses Jahr in den »Meistersingern« der Obengenannte in der Rolle des Ritters von Stolzing mit. Der ParteiKanzlei ist aus anderen Vorgängen bekannt, dass Lorenz in Wirklichkeit Sülzenfuß heißt und Halbjude sein soll. Es wird um Nachprüfung gebeten.55

Lorenz war zwar homosexuell, aber seit 1932 mit der Jüdin Charlotte (Lotte) Appel verheiratet, einer Sängerin, die später auch als seine Managerin tätig war. Seine Homosexualität war von den Nationalsozialisten zunächst stillschweigend geduldet worden. Als Lorenz jedoch wegen einer Affäre mit einem jungen Mann vor Gericht gestellt wurde, teilte Hitler der damaligen Leiterin der Bayreuther Festspiele, Winifred Wagner, mit, Lorenz sei für die Festspiele untragbar geworden. Wagner soll ihm, laut eigener Schilderung, entgegnet haben, in diesem Fall könne sie »Bayreuth schließen«, ohne Lorenz sei »Bayreuth nicht zu machen«. Nach dem Ende des Gerichtsverfahrens versicherte ihr Hitler, Lorenz dürfe auch künftig in Bayreuth auftreten. Was seine jüdische Ehefrau betraf, bestand Lorenz darauf, sich mit ihr in der Öffentlichkeit zu zeigen – ein Verhalten, das von den Nationalsozialisten als Provokation empfunden wurde. Als SS-Leute während Lorenz’ Abwesenheit seine Frau und seine Schwiegermutter aus der Wohnung abholen sollten, konnte dies im letzten Moment verhindert werden: Lotte Lorenz konnte über eine Telefonnummer, die sie von Hermann Görings Schwester erhalten hatte, mit einer vorgesetzten Stelle telefonisch Kontakt aufnehmen. Von dort erging an die SS-Leute die Weisung, die Wohnung zu verlassen und die Frauen unbehelligt zu lassen. Als Reaktion auf diesen Vorfall dekretierte Göring mit Schreiben vom 21. März 1943, Lorenz stehe unter seinem persönlichen Schutz, 142  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

jedes Vorgehen gegen Lorenz, dessen Frau und deren Mutter habe zu unterbleiben. Doch Tießler gab im Hinblick auf Lorenz keine Ruhe. Am 4. August 1943 wurde er darüber unterrichtet, dass bei den Etatverhandlungen für die Staatstheater in Wien festgelegt worden war, dass »Kammersänger Max Lorenz für 30 Abende zu je 3000,00 an der Wiener Staatsoper« singen sollte.56 Drei Tage später, am 26. August 1943, formulierte Tießler den folgenden Vermerk und gab die Stellungnahme Hinkels wieder: Wie bei jeder Aufführung der Bayreuther Festspiele seit 12 Jahren, also auch nach der nationalsozialistischen Machtübernahme, wirkte der Kammersänger an der Preußischen Staatsoper Max Lorenz-Sülzenfuß auch diesmal wieder mit. Neue Nachprüfungen sind nicht notwendig, denn es ist hier seit dem 30. Januar 1933 genauestens bekannt, dass zwar Max Lorenz-Sülzenfuß Arier ist, dass er aber – wie sowohl unser Minister als auch der Reichsmarschall und selbstverständlich auch der Führer wissen – mit einer Volljüdin verheiratet ist. Max Lorenz-Sülzenfuß kann aufgrund höchster Entscheidung uneingeschränkt tätig sein. Er gehört zu jeden Prominenten, die diese Genehmigung bereits vor sieben Jahren erhielten, besitzt also die gleichen Rechte zur ungehinderten Betätigung wie der Halbjude Paul Henckels (mit Volljüdin verheiratet), Hans Moser (mit Volljüdin verheiratet), Franz Lehár (mit Volljüdin verheiratet), Erich Fiedler (mit Volljüdin verheiratet), Georg Alexander (mit Volljüdin verheiratet), Frieda Leider (mit dem volljüdischen ehemaligen Geiger Demann verheiratet), Henny Porten (mit einem volljüdischen ehemaligen Arzt verheiratet) usw. Diese in der gesamten Öffentlichkeit Bekannten haben also, wie oben bereits gesagt, das Recht zur uneingeschränkten Betätigung.57

Für Tießler musste damit endgültig klar sein, dass er gegen Max Lorenz nichts ausrichten konnte. Dessen Ehefrau wurde, sofern es den Besuch von Theatern, Hotels usw. anging, ebenso wie die Henckels Deutschblütigen gleichgestellt. Im Zusammenhang mit Winifred Wagner ist noch zu erwähnen, dass sie sich am 10. April 1942 bei Himmler darüber beschwert hatte, dass in Würzburg ein Vortrag über die »jüdische Versippung der Familie Wagner gehalten worden war«.58 Mehr als ein halbes Jahr später, am 30. Dezember 1942, antwortete Himmler, die Untersuchungen hätten Einzelschicksale  143

ergeben, dass es sich nicht um einen Vortrag, sondern um die Unterhaltung zweier SS-Leute gehandelt hatte. Himmler bat Winifred Wagner um Zusendung ihrer Ahnentafel zur Unterrichtung der beiden SS-Führer, »um die Sache endgültig abschließen zu können«. Fritz Schaetzler

Der damals bekannte Stuttgarter Kammersänger und Bariton Fritz Schaetzler (1898–1994) sollte nach Vorstellungen der Partei-Kanzlei in einem Film der Wehrmachtsversorgungsabteilung mitspielen, der die Behandlung und Gesundung von Schwerverletzten zum Inhalt hatte. Allerdings hatte Goebbels entschieden, den Film ohne Schaetzler zu drehen, da dieser »Mischling 2. Grades« war.59 Offensichtlich hielt aber die Wehrmachtsführung an Schaetzler fest, da dieser selbst im Krieg verwundet worden war, einen Fuß verloren hatte und deshalb die Rolle in dem Film Sieg des Willens besonders glaubwürdig spielen konnte. Doch die Reichspropagandaleitung in Person von Tießler ließ nicht locker. In einem Schreiben vom 7. Januar 1942 an das Oberkommando der Wehrmacht monierte er, dass im Drehbuch noch immer der Name Schaetzler für die Rolle des Unteroffiziers Wagner aufgeführt werde, obwohl der Propagandaminister diesen bereits abgelehnt habe.60 Er teile das ordnungshalber noch einmal mit. Die Angelegenheit schien erledigt, denn Tießler legte Goebbels am 2. April 1942 einen Vermerk vor, der auf Seite 147 im Faksimile wiedergegeben wird. Obwohl nun als »deutschblütig« mehr oder weniger in Sicherheit, brachte sich Schaetzler durch sein Verhalten selbst in Gefahr. Offensichtlich tingelte er in Varietés, bagatellisierte in kabarettistischer Art seine schwere Kriegsverletzung und erregte damit, so jedenfalls die Partei-Kanzlei, bei ernsthaft Verwundeten Ärgernis. 61 Schaetzler hatte inzwischen ein Buch Nun erst recht! herausgegeben, das nach Ansicht der Partei eine »beispiellose Selbstbeweihräucherung« darstellte. Zwar hatte Hitler Schaetzler »Deutschblütigen« gleichgestellt, doch verstanden es seine Gegner, ihn wegen seiner Abstammung dennoch zu denunzieren. Der Öffentlichkeit gegenüber sei Schaetzler als »vollberechtigt« zu behandeln, »innerhalb der Bewegung könnte dies jedoch nicht gelten, da Schaetzler selbst zugibt, dass seine Großmutter mütter144  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

11 Fritz Schaetzler mit Violine.

Einzelschicksale  145

licherseits jüdischer Herkunft war«.62 Es sei darauf zu dringen, dass Schaetzler sich auf seine Tätigkeit als Kammersänger beschränke und darauf verzichte, in Kabaretts und ähnlichen Einrichtungen zum Verwundetenproblem Stellung zu nehmen. Schließlich griff die Partei-Kanzlei zum Mittel der Denunziation. Man sei im Österreichischen Hof in Salzburg an einem Gespräch zwischen »Kammersänger Patzak, Paul Hörbiger und zwei weiteren Bühnenkünstlern über den Kriegsbeschädigten Fritz Schaetzler« beteiligt gewesen. Patzak habe erzählt, dass Schaetzler wegen seines jüdischen Vaters 1935 die Stuttgarter Oper habe verlassen müssen. Jetzt, im Krieg, hätten die Nationalsozialisten Schaetzler wieder geholt, ihn beauftragt, ein Buch zu schreiben und in Lazaretten und öffentlichen Veranstaltungen aufzutreten. Er verdiene dadurch enorme Summen. Ohne die 146  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

12 »Führerentscheid« bezüglich der Gleichstellung von Fritz Schaetzler mit »Deutschblütigen«. Der »Herr Minister« ist Goebbels, »Ti« steht für Tießler.

Einzelschicksale  147

Dienststelle zu nennen, habe man Patzak und die anderen Künstler von dem wahren Sachverhalt der Abstammung Schaetzlers unterrichtet. Ich war mir nämlich klar, dass die Begleiter Patzaks zweifellos bei nächster Gelegenheit die Angaben wieder verbreiten würden und dementsprechend den Grundtenor, die NSDAP mache nach Belieben einen Halbjuden zum Arier, wenn es nur gerade opportun erscheine.63

Der Unmut selbst in der Partei-Kanzlei über die Beliebigkeit der NSDAP-Rassenpolitik wird durch diese kritischen Bemerkungen unübersehbar. Carl Schuricht

Der 1880 in Danzig geborene Carl Schuricht war einer bedeutendsten Komponisten und Dirigenten des 20. Jahrhunderts. Verheiratet war er mit der »Nichtariern« Friedel Heinemann. Ihm hatte das Propagandaministerium mitgeteilt, »dass die Tatsache der Verheiratung eines prominenten Künstlers mit einer Nichtarierin allein auch in Deutschland nicht als Grund betrachtet wird, diesen in seinem Wirken im Reich zu behindern. Der Führer hat mehrfach erklärt, dass in derartige bereits bestehende Ehen nicht eingegriffen werden solle. Die Warnung vor solchen Ehen bezieht sich lediglich auf die in Zukunft abzuschließenden«.64 Allerdings nahm der Druck des NS-Regimes auf Schuricht derart zu, dass er sich im September 1933 von seiner Frau scheiden ließ, wobei er sie jedoch weiterhin unterstützte. Als Schuricht festgenommen werden sollte, wurde er gewarnt. Er verließ im November 1944 Deutschland und ließ sich in der Schweiz nieder, wo er 1967 starb. Eduard Künneke

Der erfolgreiche Operettenkomponist Eduard Künneke (1885–1953), dessen bekanntestes Werk die Operette Der Vetter aus Dingsda ist, war mit einer »nichtarischen« Frau, der Sängerin Katarina Garden verheiratet. Im Mai 1933 war er in die NSDAP eingetreten, doch blieb er Zielscheibe der Dienststelle Rosenberg, die ihn wegen »jüdischer Versippung« und jüdischer Texte attackierte. Nach der Machtergreifung der 148  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

Nationalsozialisten trat er am 1. Mai 1933 in die NSDAP ein (Mitgliedsnummer 2.633.895), wurde aber bereits 1934 wegen »nichtarischer Versippung« ausgeschlossen. Aufgrund der Intervention von Goebbels durfte er jedoch Mitglied der Reichskulturkammer bleiben und »ungehindert seiner künstlerischen Betätigung nachgehen«. 1943 dirigierte er in Litzmannstadt die Aufführung eigener Werke. Jan Kiepura

Der polnische Tenor Jan Kiepura (1902–1966) wurde als zweiter Caruso gefeiert. Der mit der ungarischen Operettensängerin und Filmschauspielerin Marta Eggerth verheiratete Sänger wurde im NS-Lexikon der Juden in der Musik als »Halbjude« aufgeführt. Obwohl sein Vater Jude war, durfte er im »Dritten Reich« weiter auftreten; in Opernfragen ließ sich Goebbels sogar von ihm beraten. Am 27. Februar 1936 bemerkte er über Kiepura in seinem Tagebuch: Kiepura und Martha Eggert: über neuen Filmplan. Kiepura hat Ideen. Ein charmanter Mensch. Die Eggert wirkt wie eine Mumie.65

Tatsächlich galten die beiden als das »Traumpaar« des deutschen und österreichischen Musikfilms der Dreißigerjahre und heirateten 1936. Damals lebte das Paar in Wien, weil die Eggerth in Deutschland seit 1935 nicht mehr auftreten durfte, da sie einen jüdischen Elternteil hatte. Rosette Anday-Bündsdorf

Nach einem Abstammungsbescheid des Reichssippenamts vom 4. Juli 1941 war Kammersängerin Rosette Anday-Bündsdorf, gebürtige Budapesterin, »Halbjüdin«.66 Ein von ihrem Mann eingelegter Einspruch gegen diesen Bescheid wurde am 20. Juni 1941 zurückgezogen. Zuerst erhielt sie »unter Aufrechterhaltung des Abstammungsbescheids« eine Sondergenehmigung. Ihre Auftritte wurden von den Nationalsozialisten zunächst geduldet, doch wurde sie 1938, nach dem »Anschluss« Österreichs, wegen ihrer jüdischen Herkunft mit einem Auftrittsverbot belegt.67 Bis zu ihrer Kündigung 1940 verhandelte ihr Mann, Karl Bündsdorf, der ohne Erfolg die Mitgliedschaft in der NSDAP beantragt Einzelschicksale  149

hatte, über ihre Weiterbeschäftigung an der Staatsoper Wien und eine Mitgliedschaft in der Reichsmusikkammer. Obwohl die ungarische Mezzosopranistin in einer »privilegierten Mischehe« lebte, musste sie mit Deportation rechnen. Erst mit einer am 27. November 1941 erteilten Sondergenehmigung durfte sie wenigstens für einige Monate im gesamten Reichsgebiet auftreten. Einige Zeit später, am 20. Juli 1942, wurde diese Ausnahmeregelung widerrufen und damit begründet, »sie übe keinerlei künstlerische Tätigkeit im Reichsgebiet mehr aus« und sei in Budapest an der Königlichen Oper tätig. Etta Metz

Obwohl »Mischling 1. Grades« durfte die Bühnenbildnerin Etta Metz, Frau des Generalintendanten der Zoppoter Waldoper, mit ihrem Mann weiterarbeiten. Gauleiter Albert Forster hatte sich für sie eingesetzt und bei Hitler sogar eine »Begnadigung« für ihren Mann erreicht, der daraufhin die Erlaubnis erhielt, Mitglied der NSDAP zu bleiben. Marianne Simson

Marianne Simson wurde 1920 in Berlin als Tochter eines Versicherungsangestellten geboren. 1935 trat die »Vierteljüdin« dem »Bund Deutscher Mädel« (BDM) bei. Sie erhielt eine Ausbildung im Klassischen Tanz und wurde 1935 Tänzerin am Nollendorftheater in Berlin, 1936 am Deutschen Opernhaus in Berlin und 1939 am Staatstheater unter Gustaf Gründgens. 1943 stellte Marianne Simson, die von Goebbels häufiger zu Abendgesellschaften eingeladen wurde, einen Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP, der aber abgelehnt wurde. Im Juli 1944 zeigte sie Fritz Goes, einen damaligen Major der Wehrmacht, bei der Gestapo an, da er sich in ihrer Gegenwart positiv zum Attentat auf Hitler geäußert hatte. Goes wurde anschließend drei Monate lang in der Gestapo-Haft misshandelt. In der Vernehmung durch den SS-Obersturmbannführer Karl Radl (Adjutant von Otto Skorzeny) und in der Gerichtsverhandlung vor einem Sondergericht des Heeres hielt sie an ihrer Aussage fest, die aber als unglaubwürdig bewertet wurde: Aussagen u. a. von Viktor de Kowa, Anneliese Uhlig, dem Filmproduzenten Herbert Engelsing und General Jesco von Puttkamer sorgten für den Freispruch des Angeklagten. 150  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

Simson beschwerte sich in der Folge noch bei Joseph Goebbels, dass ihrer Denunziation nicht geglaubt wurde. Von 1945 bis 1952 wurde Simson in sowjetischen »Speziallagern« festgehalten. Rolf von Sydow

1924 in eine militärische Adelsfamilie hineingeboren, erfuhr er mit elf Jahren, dass er nach den NS-Rassengesetzen »Mischling 2. Grades« war, auch wenn bereits seine jüdischen Urgroßeltern mütterlicherseits zum protestantischen Glauben übergetreten waren.68 Dennoch gelang es ihm, in die Wehrmacht aufgenommen zu werden. Mehrfach erhielt er Auszeichnungen, doch nach der Entdeckung seiner »nichtarischen Abstammung« entzog er sich durch Flucht in kanadische Gefangenschaft einer Verurteilung wegen Wehrkraftzersetzung. In seinen Lebenserinnerungen gesteht der erfolgreiche Regisseur von Sydow seinen damaligen, jedoch nicht erfüllten Wunsch: »Ich habe von Hitler zum Ehrenarier ernannt werden wollen.«69 Hedy Gura

1933 entließ der Generalintendant der Hamburgischen Staatsoper, Heinrich Karl Strohm, eine Reihe jüdischer Mitarbeiter. Gleichzeitig aber stellte er im August 1933 die Österreicherin Hedy Gura als Spielaltistin ein. Dies ist deshalb so bemerkenswert, weil es sich bei der Sängerin um eine »Halbjüdin« handelte, und dies bei den Vertragsverhandlungen offenkundig wurde. Mit dem Fortgang der Karriere hat sich die Historikern Beate Meyer befasst, bei der dazu zu lesen ist: Zu ihren Gunsten konnte die Künstlerin immerhin anführen, dass ihr Sohn bereits 1931 der HJ beigetreten war, seit 1932 dem 11. Sturm der SS in Österreich angehörte und wegen dieser Betätigung im Juni 1933 des Landes verwiesen worden war. Als Angehöriger der KZ-Wachmannschaft in Da­chau und der Politischen Abteilung der SS in München setzte er seine nationalsozialistische Weltanschauung in die Tat um. Nachdem Hedy Gura mehrere Sondergenehmigungen der Reichstheaterkammer für jeweils eine Spielzeit erhalten hatte, fuhr Strohm persönlich nach Berlin, um eine generelle Ausnahmegenehmigung zu erwirken (…) Diesem massiven Einsatz verdankte Einzelschicksale  151

die Sängerin ihre Weiterbeschäftigung bis Kriegsende. Der Schutz für Familienangehörige beschränkte sich allerdings auf Ehemann und Sohn, nicht aber auf ihre Geschwister. Ihre Schwester hatte drei Jahre im Konzentrationslager überlebt, der Bruder war dort ermordet worden, der elterliche Grundbesitz enteignet. 70

Mario Heil de Brentano

Mario Heil de Brentano entstammte einer deutsch-italienischen Familie und setzte sich von 1930 an für die NS-Bewegung ein. Da er mit einer »Halbjüdin« verheiratet war, wurde er aus der NSDAP ausgeschlossen. Allerdings blieb er in der Wehrmacht: Wie ich Ihnen kürzlich mitteilte, ist Brentano mit einer Halbjüdin verheiratet. Er wurde wegen dieser Tatsache seinerzeit aus der Partei entlassen. Wie ich jetzt erfuhr, ist B. z. Zt. Sonderführer bei einer Propaganda-Kompanie (Leutnantsrang). Auch den Dichterpreis des Reichsführers-SS und Chefs der Deutschen Polizei hat er erhalten. B. dürfte den Versuch machen, auf irgendwelchen Wegen wieder in die Partei aufgenommen zu werden. Bezeichnend für ihn ist, dass er trotz seiner angeblichen nationalsozialistischen Gesinnung alle Jahre einen Mischling 2. Grades in die Welt setzt. Er hat z. Zt. 5 oder 6 Kinder. Da B. sich schriftstellerisch und journalistisch betätigt, stoße ich häufiger auf diese Verhältnisse, da mir meine Kollegen hohnlächelnd diesen Fall für die Konsequenz der nationalsozialistischen Rassenpolitik vor Augen führen.71

Obwohl das Reichspropagandaministerium drängte und das OKW Brentano als Wortberichterstatter in einer Kompanie des Heeres ablehnte,72 veröffentlichte dieser weiterhin Berichte, beispielsweise in der Zeitschrift Der Montag. Am 7. Februar 1942 wurde das OKW über die Hintergründe informiert: Zu obigem Vorgang wird mitgeteilt, dass Mario Heil de Brentano durch Verfügung des Führers vom 12.9.41 weiter im aktiven Wehrdienst verbleiben konnte. Maßgebend für die Entscheidung des Führers war der Umstand, dass de Brentano im Jahre 1930 unter der Mitgliedsnummer 293.635 in die NSDAP eingetreten ist. Die nichtarische Abstammung seiner Ehefrau wur152  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

de ihm erst im Jahre 1932 bekannt, und aufgrund dieser Tatsache wurde er nach der Machtübernahme aus der Partei entlassen. Trotzdem wurde de Brentano wegen seiner Verdienste in der Partei und seiner kulturellen Tätigkeit als Schriftsteller und Schriftleiter in den Organen der Bewegung durch Verfügung des Herrn Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda vom 17.4.1935 als Schriftleiter der Berufsliste A ohne Beschränkungen in die Reichsschrifttumskammer aufgenommen. Aufgrund dieser Tatsache hat auch der Chef der Kanzlei des Führers der NSDAP den Verbleib Brentanos im aktiven Wehrdienst befürwortet.73

Arnolt Bronnen

Besondere Aufmerksamkeit verdient Arnolt Bronnen (1895–1959), weil er Teil einer Dreiecksgeschichte ist, in der seine Frau und vor allem Propagandaminister Goebbels eine besonders aktive Rolle einnahmen. In Wien als Sohn von Ferdinand Bronnen geboren, war er »Halbjude« im Sinne der Nürnberger Gesetze. Auch wenn er sich – im Zusammenhang mit einer schon 1930 erstmals von ihm erwogenen Vaterschaftsklage – von seiner Mutter seine »arische Abkunft« hatte eidesstattlich versichern lassen, bestritt er jedoch später die Vaterschaft von seinem gesetzlichen Vater. 1920 zog er nach Berlin, wo er das Stück Vatermord veröffentlichte, für das er den Kleist-Preis erhielt. Ab 1930 verkehrte Bronnen mit Otto Strasser und Goebbels. Am 17. Oktober 1930 störte er gemeinsam mit den Brüdern Ernst und Friedrich Georg Jünger und etwa dreißig SA-Leuten einen Vortrag im Berliner Beethoven-Saal, bei dem Thomas Mann vor den Gefahren des aufkommenden Nationalsozialismus warnte. Goebbels lobte Bronnen unter anderem am 19. September 1929: Unterwegs: O.S. von Arnolt Bronnen. Kampf um Oberschlesien. Ein hinreißend nationalistisches Buch, geschrieben von einem, der noch vor kurzem auf der anderen Seite stand.74

Durch den Umgang mit Goebbels hatte Bronnen die Schauspielerin Olga Förster-Prowe kennengelernt und sich in sie verliebt. Sie war eine Geliebte von Goebbels und wurde unter dem Decknamen Agent A229 von 1929 bis 1935 vom NKWD geführt. Es entstand eine »Ménage à trois«. Einzelschicksale  153

Im folgenden Jahr nahm zumindest für Goebbels »Olly Förster«, die mittlerweile mit Bronnen verheiratet war, den wichtigeren Part ein, wie er in seinem Tagebuch festhielt: 14. November 1930: Gespräch mit Arnolt Bronnen. Ich treffe ihn mit Olly Förster [Förster-Prowe], seiner kleinen Schauspielerin.75 21. November 1930: Die kleine Olga Förster kam zum Plaudern. Sie wird sich in einigen Wochen mit Bronnen verheiraten. Dabei liebt sie ihn nicht einmal. Aber mich mag sie gern. Bronnen kam sie abholen.76 12. Dezember 1930: Gemütlicher Abend mit Olga F. Sie ist mit Bronnen sehr unglücklich, aber ein vernünftiges und liebes Mädel.77 15. Dezember: Mit Olga F. und Bronnen meine neue Wohnung besichtigt. Es geht gut voran. Dann bei Olgas Pflegeeltern zum Kaffee.78 5. Januar 1931: Olga Bronnen war voll von süßer Schwermut. Eine schöne Frau.79 19. Januar 1931: Bei Bronnens abends heftige Debatte über die Frau und ihre Aufgabe.80 23. Januar 1931: Olga Bronnen hat im Fr. eine Gehirnerschütterung abbekommen. Sie ruft mich vom Krankenhaus mitten in der Nacht an und führt ein wirres Telephongespräch. Armes Ding. Sie tat mir sehr leid.81 1. Februar 1931: Gestern nachmittag war Frau Quandt zum Arbeiten da. Sie ist in der Tat eine fabelhafte Frau, und ich wünschte schon, dass sie mich liebte. Den Abend allein zu Hause gearbeitet. Und spät noch mit Bronnens und Maria und Weißauer debattiert.82 15. Februar 1931: Abends kommt Magda Quandt. Und bleibt sehr lange. Und blüht auf in einer berückenden blonden Süßigkeit. Wie bist Du meine Königin? Eine schöne, schöne Frau! Die ich wohl sehr lieben werde. Heute gehe ich fast wie im Traum. So voll von gesättigtem Glück. Es ist doch herrlich, eine schöne Frau zu lieben und von ihr geliebt zu werden.83 19. Februar 1931: Magda Quandt kommt. Zu einem wunschlos schönen Abend.84 10. März 1931: Aussprache mit Olga Bronnen. Sie ist in ihrer Ehe sehr unglücklich. Aber wie soll ich ihr helfen? Es ist auch sehr viel Hysterie dabei. (…) Am Abend kommt Magda und ist sehr gut zu mir.85

154  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

30. März 1931: Unterredung mit Bronnen. Er steht in dieser schweren Zeit fest zu uns.86 12. April 1931: Bronnens kommen und sind sehr nett zu mir. Olga Bronnen bringt mir einen Riesenfliederstrauß.87

Nach der Machtergreifung Hitlers wurde Bronnen aus seiner Stellung als Dramaturg beim Rundfunk (»Dramatische Funkstunde Berlin«) entlassen. Mit zahlreichen anderen Schriftstellern unterzeichnete er jedoch das »Gelöbnis treuester Gefolgschaft« für Hitler und wurde vorüber­gehend wieder eingestellt. Ab 1934 arbeitete er für den ersten Fernsehsender; von 1936 bis 1940 als Programmleiter. 1937 wurde Bronnen aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen – eine Entscheidung, gegen die er Widerspruch einlegte, die aber 1939 von Goebbels bestätigt wurde. Nachdem es ihm 1941 gelang, seine »arische« Abstammung auf Grundlage einer erbbiologischen Untersuchung über die Abwesenheit »jüdischer Rassemerkmale« aktenkundig zu machen, wurde er wieder in die Reichsschrifttumskammer aufgenommen. Aber vor allem Tießler hatte Bronnen weiterhin im Visier und wollte ihn endgültig aus der Reichsschrifttumskammer verbannen. Er schrieb deshalb einen Vermerk für Goebbels: In der Kulturpolitischen Information Nr. 43 des Reichspropagandaamtes Berlin vom 17. Oktober 1942 war auf die Tatsache aufmerksam gemacht worden, dass demnächst Arnolt Bronnen im Spielplan einiger Bühnen auftaucht. Es sei darüber weder in negativer noch in positiver Hinsicht sensationell Bericht zu erstatten. Die Partei-Kanzlei bat daraufhin um Mitteilung, warum Bronnen, der Halbjude und als typischer Systemliterat bekannt ist, wieder an deutschen Bühnen aufgeführt werden muss. Aufgrund meiner diesbezüglichen Anfrage bei der Theaterabteilung des Hauses nahm diese dahingehend Stellung, dass eine Wiedererweckung der früheren Stücke Bronnens nicht infrage käme, seine neuen Schauspiele »Gloriana« und »N« aber »keinerlei Handhabe zu Beanstandungen in staatspolitischer Hinsicht« geben. 88

Goebbels wurde vorgeschlagen, Aufführungen Bronnen’scher Werke bis auf Weiteres zu verbieten: Einzelschicksale  155

Der Minister hat dies gutgeheißen. Der Reichsdramaturg hat daraufhin sichergestellt, dass Aufführungen nicht stattfinden werden. Diese Stellungnahme habe ich der Partei-Kanzlei zur Kenntnis gebracht. Die Partei-Kanzlei hat meine Notiz an Reichsleiter Bormann weitergeleitet. Die Vorlage ist mit nachstehender Randbemerkung des Reichsleiters zurückgekommen: »Parteigenosse Tießler ist davon zu unterrichten, dass der Führer es für abstrus, für unmöglich hält, dass solche Männer noch einmal im Druck erscheinen«.89

Die geplante Aufführung des Stücks Gloriana in München wurde 1943 untersagt; im selben Jahr erhielt Bronnen endgültig Publikationsverbot und wurde aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen. 1935 beging seine Frau Olga, Goebbels’ Geliebte, angeblich Selbstmord. 1936 heiratete Bronnen ein zweites Mal. Im August 1944 wurde Bronnen zu einem Ersatzbataillon in Steyr eingezogen. Joachim Gottschalk

Der 1904 geborene Sohn eines Arztes fuhr nach dem Abitur vier Jahre zur See und nahm anschließend Schauspielunterricht in Cottbus und Berlin. Während eines Engagements an der Württembergischen Volksbühne in Stuttgart lernte er die jüdische Schauspielerin Meta Wolff kennen, die er dann am 3. Mai 1930 heiratete. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung erhielt Gottschalks Frau Berufsverbot; Joachim Gottschalk konnte nur unter Verheimlichung seiner Familiensituation seinen Schauspielerberuf weiter ausüben. Nach einem Engagement in Leipzig spielte er von 1934 bis 1938 in Frankfurt am Main, bevor er an die Berliner Volksbühne wechselte. Seine Theatererfolge machten ihn zu einem der populärsten Schauspieler der Reichshauptstadt. 1938 begann er seine Filmlaufbahn bei der UFA. Nach Kriegsbeginn verstärkte sich der Druck des Propagandaministerium auf den erfolgreichen Schauspieler. Hans Hinkel, Sonderbeauftragter für »Kulturpersonalien«, verlangte von Gottschalk die Scheidung, doch dieser weigerte sich. 1941 wurde er an den Berliner Bühnen nicht besetzt und beging noch im selben Jahr Selbstmord. Goebbels notierte dazu am 7. November 1941 in seinem Tagebuch: 156  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

14   Joachim Gottschalk – Goebbels bezeichnete seinen Freitod als »peinlich« für das Regime.

Am Abend kommt noch die etwas peinliche Nachricht, dass der Schauspieler Gottschalk, der mit einer Jüdin verheiratet war, mit Frau und Kind Selbstmord begangen hat. Er hat offenbar keinen Ausweg mehr aus dem Konflikt zwischen Staat und Familie finden können. Ich sorge gleich dafür, dass dieser menschlich bedauerliche, sachlich fast unabwendbare Fall nicht zu einer alarmierenden Gerüchtebildung benutzt wird.90

Leo Blech

Den Dirigenten und Komponisten Leo Blech (1871–1958) hatte Max Reinhardt als den »jüdischen Superpreußen« bezeichnet. Der Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper durfte seinen Posten behalten, als 1933 alle übrigen jüdischen Mitglieder entlassen wurden. Ebenso durfte Einzelschicksale  157

er wegen seiner Verdienste auf musikalischem Gebiet zunächst noch der Reichskulturkammer angehören. Dank des Schutzes von Göring konnte er bis 1937 in Berlin bleiben, bevor er Dirigent der lettischen Nationaloper in Riga wurde und dann nach Einmarsch der Wehrmacht nach Stockholm floh. August Griebel

In dem Bassbuffo August Griebel hatte Walter Tießler ein Opfer gefunden, das jedoch unter Hitlers besonderem »Schutz« stand, wie er bedauernd dem Präsidenten der Reichstheaterkammer schrieb: Aufgrund der hiesigen Entscheidung vom 25.5.36 wurde dem Obengenannten die jederzeit widerrufliche Sondergenehmigung erteilt, in seinem Beruf tätig zu sein. Diese Sondergenehmigung hat auch heute noch Gültigkeit. Zu der Angelegenheit teile ich noch Folgendes mit: Der Bassbuffo August Griebel in Köln ist mit einer Jüdin verheiratet. Frau Griebel, die im Jahre 1928 evangelisch getauft worden ist, macht geltend, dass ihre Mutter zwar jüdischen Glaubens, aber keine Volljüdin gewesen ist. Dem Vernehmen nach ist Griebel anlässlich einer Gerichtsvernehmung die Auflage gemacht worden, bis Anfang Februar endgültig den Nachweis zu erbringen, dass seine Frau nicht Volljüdin sei. Die Bemühungen Griebels, diesen Nachweis zu erbringen, haben bis jetzt zu keinem Erfolg geführt, da die in Frage kommenden Matrikelbücher im Generalgouvernement durch die Kriegshandlungen vernichtet worden sind. Der Führer, der von der Angelegenheit Kenntnis erhalten hat, hat bestimmt, dass der Fall Griebel bis zur weiteren Entscheidung durch ihn selbst zurückzustellen ist. Der Führer will seine Entscheidung nach dem Kriege treffen. Bis dahin sollen keine Entscheidungen zu Ungunsten des August Griebel und seiner Familie getroffen werden.91

Johann Strauss (Sohn)

Der Großvater des österreichischen Komponisten, Johann Michael Strauß, war jüdischer Herkunft. Die Musik des Walzerkönigs, der nach den Nürnberger Rassengesetzen ein Vierteljude war, hätte demnach

158  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

verboten werden müssen. Das allerdings passte nicht in Goebbels’ Konzept, der dazu am 5. Juni 1938 in seinem Tagebuch festhielt: Ein Oberschlauberger hat herausgefunden, dass Joh. Strauß ein Achteljude ist. Ich verbiete, das an die Öffentlichkeit zu bringen. Denn erstens ist es noch nicht erwiesen, und zweitens habe ich keine Lust, den ganzen deutschen Kulturbesitz so nach und nach unterbuttern zu lassen. Am Ende bleiben aus unserer Geschichte nur noch Widukind, Heinrich der Löwe und Rosenberg übrig.92

Eine üble Rolle hatte übrigens in diesem Zusammenhang Julius Streichers Hetzblatt Der Stürmer gespielt. Vorangegangen war eine Propagandaaktion auf Wiener Litfasssäulen: Johann Strauss mit seinen unvergleichlichen Melodien kennt die Welt. Es gibt wohl kaum eine andere Musik, die so deutsch und so volksnah ist als die des großen Walzerkönigs. Johann Strauss ist längst tot. Er ist unsterblich geworden. Jüdische Erbschleicher haben es fertiggebracht, dass seine leiblichen Nachkommen heute zum Teil in bitterer Not leben, weil Juden sich einschlichen, weil Juden alles an sich rissen, weil Juden die Erbschaft ergaunerten. In seiner Ausgabe Nr. 23 veröffentlicht Der Stürmer in Fortsetzungen erschütternde Tatsachenberichte über das Tun und Treiben dieser jüdischen Fälscher und Betrüger. Jeder muss sich Aufklärung verschaffen. Jeder muss erfahren, in welch schändlicher Weise die Juden heute das Andenken des deutschen Walzerkönigs in den Schmutz ziehen wollen.93

Franz Lehár

Der österreichische Komponist ungarischer Herkunft Franz Lehár (1870–1948) gehörte zu den Mitbegründern der sogenannten Silbernen Operettenära. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten begannen die Schwierigkeiten, denn die Libretti für seine Opern hatten vorwiegend jüdische Librettisten verfasst, unter anderen Leo Stein, Bela Jenbach, Julius Brammer, Alfred Grünwald. Schwerwiegender war allerdings, dass er Sophie Paschkis, eine Jüdin, geheiratet hatte. Da jedoch Hitler ein Anhänger seiner Musik war, erhielt er vom Propagandaministerium eine Einzelschicksale  159

Sondergenehmigung zur Berufsausübung. Ebenso durften nach einer kurzen Verbotsphase seine Operetten auf deutschen Bühnen gespielt werden. Goebbels erwähnte Lehár am 9. Dezember 1937 in seinem Tagebuch: Die Juristen können auch nicht den Komponisten Lehár in den Genuss der Tantiemen der »Lustigen Witwe« bringen. Ich werde das auch schaffen.94

Unter der Überschrift »Bruder des NS-Verbrechers. ›Der gute Gö­ring‹« führte Spiegel-Online Autor Christoph Gunkel eine Reihe von Fällen auf, in denen Görings Bruder Albert eingriff, um Juden oder »jüdisch Versippte« zu retten, unter anderem auch das Ehepaar Lehár: Eines Tages stand bei den Eheleuten Lehár die Gestapo vor der Tür. Wäre ihr Mann nicht daheim gewesen, hätten die zwei SS-Männer sie vermutlich gleich mitgenommen. Nach diesem Vorfall erhielt Franz Lehár ein Schreiben, in dem er aufgefordert wurde, sich scheiden zu lassen – andernfalls werde er als Nichtarier eingestuft, was ein Verbot all seiner Werke bedeutet hätte. Albert Göring konnte das verhindern: Er berichtete seinem Bruder von Lehárs Situation. Hermann Göring wandte sich daraufhin an Goebbels, der die Ehe der Lehárs schließlich als »privilegierte Mischehe« heraufstufte – das bewahrte Sophie vor der Deportation.95

Lehárs Frau wurde 1938 zur »Ehrenarierin« erklärt, was Goebbels so kommentierte: »Der Fall Lehár finde nun seine endgültige Erle­ digung.«96 Der Komponist »revanchierte« sich, indem er den jüdischen Rechtsanwalt Eitelberg bei Staatsrat Hans Hinkel denun­zierte. Möglicherweise hätte er auch etwas zur Rettung seines langjährigen Librettisten Fritz Beda-Löhner unternehmen können, der 1942 in Auschwitz ermordet wurde. Auch 1946 stand Lehár noch zu Hinkel. In einer Erklärung vom 3. August 1946 bescheinigte er Hinkel, dass dieser ihm »in schwerster Zeit« freundschaftlich entgegengekommen sei: Meine Frau Sophie Lehár, die jüdischer Abstammung ist, hatte während der Nazizeit sehr viel zu leiden. Sie schwebte in ständiger Todesgefahr und zog sich auch ein schweres Herzleiden zu. Herr Hinkel war es, der uns beistand, und wenn irgendwann eine Schwierigkeit entstand, war er es, der helfend eingriff. Ich hoffe, dass diese Zeilen dazu beitragen werden, seinen Charak160  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

ter zu erkennen. Er ist ein wertvoller Mensch und verdient es, dass man ihn wieder aufrichtet und ihm Gelegenheit gibt, ein neues Leben zu beginnen.97

Günther Treptow Der 1907 geborene Sänger begann seine Ausbildung an der Hochschule für Musik und setzte sie in Mailand bei Giovanni Scarmeo fort. Treptow war Mitglied der SA und der NSDAP (Mitgliedsnummer 38.579) bis 1934, als jüdische Vorfahren im Stammbaum seiner Mutter festgestellt wurden. Daraufhin erhielt er zunächst ein Auftrittsverbot, bevor er am 6. Juni 1935 von Goebbels eine Sondergenehmigung bekam und somit seine Karriere fortsetzen konnte. Sein Bühnendebüt feierte Treptow 1936 in Berlin in Der Rosenkavalier. 1939 sang er auf dem Sopot Festival die Hauptrolle in Richard Wagners Tannhäuser. 1940 begeisterte er mit seinem ersten Auftritt in der Bayerischen Staatsoper. Am 15. November 1944 erhielt der Chef der Sipo und des SD, Ernst Kaltenbrunner, von Hinkel die Meldung, dass – ausgenommen der Fall Günther Treptow – beim »Arbeitseinsatz jüdischer Mischlinge 1. Grades bzw. jüdischer Versippter« von der Organisation Todt keine Ausnahmen gefordert würden.98 Sowohl die Abteilung Kulturpersonalien der Reichskulturkammer als auch die ihm – Hinkel – unterstehende Reichsfilmintendanz und die staatsmittelbaren Filmgesellschaften hätten eine entsprechende Weisung erhalten. Im Übrigen bitte er Kaltenbrunner um einen »gelegentlichen Vortragstermin« zu den damit zusammenhängenden Fragen. Carl Flesch

Der 1873 in Ungarn geborene jüdische Geiger und Musikschriftsteller wurde nach Hitlers Machtergreifung am 30. September 1934 von der Musikhochschule entlassen. Am 20. Juni 1935 wurde ihm und seiner Familie die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen. Für kurze Zeit gelang es der Familie, sich in London in Sicherheit zu bringen. 1939 konnte Flesch mit seiner Frau dank einiger Konzertverpflichtungen in die Niederlande reisen. Sie blieben in Den Haag, weil sie sich dort von den Nationalsozialisten unbehelligt glaubten. Doch im Mai 1940 besetzten deutsche Truppen die Niederlande, und Flesch wurde Einzelschicksale  161

aufgefordert, das Land zu verlassen und nach London zurückzukehren. Versuche, ein Visum für die USA zu erhalten, scheiterten. Im Januar 1941 fand das letzte öffentliche Konzert von Flesch in den Niederlanden statt. 1942 verlor er auch die ungarische Staatsangehörigkeit, musste den gelben Stern tragen und durfte weder unterrichten noch Konzerte geben. Im selben Jahr wurden Flesch und seine Frau zweimal verhaftet, doch Wilhelm Furtwängler setzte sich für sie ein, und sie wurden wieder freigelassen. Furtwängler forderte, »die Angelegenheit Flesch« auch hinsichtlich ihrer außenpolitischen Seite zu betrachten: Flesch ist in der ganzen Welt ohne Einschränkung als der erste GeigenPädagoge überhaupt bekannt und anerkannt. Deutschland würde mit ihm eine ganze Anzahl in- und ausländischer Schüler verlieren. Er hat bekanntlich Angebote von der ganzen Welt erhalten, und es ist lediglich sein rein persönlicher Wunsch, in Deutschland zu bleiben, der ihn veranlasste, diesen Angeboten, die ihm finanziell mindestens das bieten, was er in Deutschland hatte, bisher nicht zu folgen. Selbst wenn das Gesetz keine Handhabe böte, ihn zu halten, so würde ich in diesem schwerwiegenden Falle raten, eine Ausnahme zu statuieren, um die auf kulturellem Gebiet in katastrophalem Ausmaße anwachsende Isolierung Deutschlands nicht noch zu vergrößern. Deutschland als das Land der Musik müsste Mittel und Weg finden, sich die ersten Lehrkräfte in jedem Falle zu erhalten.99

Sein letztes großes Konzert gab Flesch 1943 in Budapest, danach folgte er einer Einladung in die Schweiz, wo er 1944 starb. Walter Reisch

Der österreichische Drehbuchautor und Filmregisseur Walter Reisch (1903–1983) arbeitete bei der Berliner Super-Film GmbH und ab 1930 für die UFA.100 1933 musste er wegen der nationalsozialistischen Rassenpolitik nach Wien zurückkehren und schrieb dort Drehbücher für so bekannte Filme wie Maskerade. Reisch hatte Paula Wessely mit der Rolle des Mädchens aus dem Volk, Poldi Dur, in diesem Film unter der Regie von Willi Forst zum Durchbruch verholfen. Ein weiterer Film Wesselys mit Reisch war Episode. Der Film war die einzige österreichische Produktion unter Mitwirkung von Juden, die nach 1933 162  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

noch zur Aufführung zugelassen wurde. Goebbels vertraute am 11. Mai 1936 seinem Tagebuch an: »Für Paula Wessely ihr Jude Reisch abgelehnt. Muss sich fügen.«101 Hintergrund für diese Bemerkung war, dass sich Paula Wessely für die Weiterbeschäftigung des jüdischen Drehbuchautors Walter Reisch eingesetzt hatte. Otto Freiherr von Dungern

Verdienste im nationalsozialistischen Sinn im Vorfeld der Machtergreifung waren für Hitler häufig ausschlaggebend, um von den Rassebestimmungen abzuweichen, so auch im Fall des Freiherrn von Dungern (1875–1967). Aus dem Stab des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß ist dazu folgendes Schreiben überliefert: Der Führer hat am 9. Juli 1934 aufgrund der Verdienste des Pg. Otto Freiherrn von Dungern um die Bewegung auf dem Gnadenwege bestimmt, dass ihm und seinen Kindern wegen der nicht voll deutschblütigen Abstammung seiner Ehefrau keine nachteiligen Folgen entstehen sollen. Eine Tochter des Otto Freiherrn von Dungern ist mit Herrn von Wedel auf dem Gut Gramzow verheiratet. Wie mir mitgeteilt wurde, soll das Wedelsche Gut nun wegen der nicht voll deutschblütigen Abstammung der Frau von Wedel nicht als Erbhof anerkannt werden. Die hierbei entstandene Frage ist – wenn derartige Fälle auch äußerst selten sind – von grundsätzlicher Bedeutung. (…) Ich darf darauf hinweisen, dass es sich hier nicht um eine Gleichstellung der genannten Personen durch den Führer handelt, bei der nur die gesetzlichen Bestimmungen des Staates in Frage stehen, sondern dass die Gleichstellung in vollem Umfange auch in Anbetracht der erheblich weiteren und schärferen Abstammungs-Bestimmungen und Grundsätze der Partei erfolgt.102

Nach intensiver Prüfung kam das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft zu dem Ergebnis, dass im konkreten Fall »Herrn von Wedel in der Frage der Anerkennung der Erbhofeigenschaft seines Gutes Schwierigkeiten aus einer nicht vollblütigen Abstammung seiner Ehefrau geb. von Dungern nicht erwachsen können«.103 In diesen inhaltlichen Zusammenhang gehört der Hinweis, dass sich Hitler intensiv auch mit der »Bauernfähigkeit von jüdischen MischlinEinzelschicksale  163

gen, die deutschblütigen Personen gleichgestellt sind«, befasst hat. Lammers trug dazu als Chef der Reichskanzlei Hitler vor und informierte am 31. August 1942 darüber den Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft. Der »Führer« habe die Frage für solche Personen, »die nicht auch für den Bereich der NSDAP gleichgestellt sind, verneint. Für Personen, die auch für den Bereich der NSDAP gleichgestellt sind, hat der Führer die Entscheidung zurückgestellt«.104 Felix Caro

Ausgerechnet Hitlers Adjutant, Hauptmann a.D. Wiedemann, setzte sich für den »volljüdischen« Arzt Felix Caro ein. Ihn hatte im Dezember 1938 Caros Hilferuf erreicht:105 Demnach war Caro Anfang 1937 bei Wiedemann gewesen. Auf Empfehlung von Helene Bechstein – einer engagierten Förderin und Verehrerin Hitlers – sollte ein Gesuch an den »Führer« gerichtet werden. Ebenso war Wiedemann bereit gewesen, Professor Ferdinand Sauerbruch um Vermittlung zugunsten Caros zu bitten, doch dieser stellte fest: »Leider hat dieser nichts für mich getan.« Caro gab an, er habe geglaubt, angesichts seiner hohen militärischen Auszeichnungen und seiner Zugehörigkeit zur Orgesch,106 zum Freikorps Garde-Kavallerie-Schützen-Division, zum Stahlhelm und zur SA sich in Deutschland eine bescheidene Existenz aufbauen zu können. Er habe aber feststellen müssen, dass er in Deutschland völlig unerwünscht sei. Für seine Familie – seine Frau sei arisch – sei er von der Stütze zum Ballast geworden. Wiedemann hatte Sauerbruch geschrieben, dass Caro aus der Unfallklinik der Nord-östlichen Eisen-und-Stahl-Berufs-Genossenschaft entlassen worden sei, da er nicht habe nachweisen können, »dass er reinarisch« sei.107 Untersuchungen der Reichsstelle für Sippenforschung hätten nun ergeben, dass Caro Volljude sei. Er habe jedoch derart viele Verdienste in Kriegs- und Friedenszeiten, dass er ihm helfen wolle. So habe Caro den Bayerischen Sanitätsorden bekommen, die höchste militärische Auszeichnung überhaupt, und das Eiserne Kreuz als Arzt auf Fort Doaumont. Er wäre Sauerbruch dankbar, wenn er ihm »gegebenenfalls sogar Unterstützung zukommen lassen wollte«. Daran aber schien Sauerbruch keineswegs gedacht zu haben. Der weltberühmte

164  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

Chirurg wollte auch im Fall Caro seine Popularität nicht für die Verfolgten des NS-Regimes einsetzen. Max von Oppenheim

Ein Wissenschaftler, der Hoffnungen auf die Nationalsozialisten gesetzt hatte, war Max von Oppenheim. Der 1860 geborene Bankierssohn und Orientalist hatte eigentlich eine Diplomatenkarriere einschlagen wollen, doch wurde diese dem »Halbjuden« bereits unter Bismarck verwehrt. Er verbrachte viele Jahre im Orient und finanzierte privat Forschungs­ reisen ebenso wie ein Orient-Forschungsinstitut. Ab 1943 hatte er seinen festen Wohnsitz in Dresden. Er überstand unversehrt das NSRegime. Schon damals kam das Gerücht auf, er sei zum »Ehrenarier« ernannt worden, obwohl sich Belege dafür nicht auffinden ließen. 1946 erlag er den Folgen einer Lungenentzündung.

Wissenschaft – Wirtschaft Bekannt ist, dass gerade viele Wissenschaftler Deutschland verließen, weil sie entweder aus rassischen Gründen verfolgt wurden oder keine Aufstiegschance mehr für sich in Deutschland sahen. Die Nationalsozialisten hatten nämlich auch die Wissenschaften »neu erfinden« wollen – eine deutsche Mathematik, eine deutsche Physik, eine deutsche Chemie. Viele Wissenschaftler konnten und wollten sich an dieser Torheit nicht beteiligen und zogen die Emigration vor, wie etwa Albert Einstein. Aber auch Thomas Mann oder Mies van der Rohe verließen das nationalsozialistische Deutschland. Andere aber blieben. Otto H. Warburg

Der 1883 geborene Biochemiker, Arzt und Physiologe Otto H. Warburg, Sohn eines Juden, der zum evangelischen Glauben konvertierte, hatte 1931 für »die Entdeckung der Natur und der Funktion des Atmungsferments« den Nobelpreis für Physiologie und Medizin erhalten. Einen zweiten Nobelpreis im Jahr 1941 durfte er auf Befehl Hitlers nicht annehmen. Warburg war Gründer des 1930 eingerichteten KaiserWilhelm-Instituts für Zellphysiologie. 1941 wurde er als Instituts­­di­Wissenschaft – Wirtschaft  165

rektor abgesetzt, im Jahr darauf jedoch wieder in das Amt eingesetzt. Weitgehend unbehelligt arbeitete er bis Kriegsende an dieser hoch ange­ sehenen Einrichtung. Gustav Hertz

Der Physiker jüdischer Abstammung Gustav Hertz (1887–1975) übernahm 1920 für fünf Jahre die Leitung des Physikalischen Labors der Philips Glühlampenfabriken Eindhoven und war dort mit der Physik der Gasentladung beschäftigt. 1925 wurde er mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Ab diesem Jahr war er Professor für Physik an der Universität Halle. 1927 er einen Ruf an die Technische Hochschule Berlin-Charlottenburg an, wo er Leiter des neu eingerichteten Physikalischen Instituts wurde. 1935 wurde ihm wegen seiner jüdischen Herkunft die Prüfungsberechtigung entzogen. Darum entschied er sich für einen Direktorposten des Siemens & Halske-Forschungslabors II in Berlin, wo er sich mit der Technologie zur späteren Entwicklung der Uranbombe befasste. Als Atomforscher kam er nach Kriegsende erst in die Sowjetunion, wo er ein Forschungslabor für deutsche Atomspezialisten leitete, dann in die DDR, wo er in der Kernforschung weiterarbeitete. Theodor Pöschl

Eine hervorragende wissenschaftliche Expertise konnte Hitler »gnädig« stimmen, ebenso die Fürsprache bedeutsamer Militärs – aber beides war nicht zwingend. Diese Erfahrung musste der 1882 in Österreich geborene Theodor Pöschl machen, der in Karlsruhe an der TU lehrte. Bis 1916 war er ordentlicher Professor für Technische Mechanik an der Deutschen Technischen Hochschule in Prag gewesen, deren Rektor er 1926 wurde. 1928 wurde er ordentlicher Professor für Mechanik und Angewandte Mathematik an der Technischen Hochschule Karlsruhe. Da er aber mit einer Jüdin verheiratet war, wurde er 1937 entlassen. Wiederholt stellte er für seine Frau und seine Kinder den Antrag auf eine Befreiung von den Bestimmungen der Nürnberger Rassengesetze. Selbst der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Großadmiral Erich Raeder, setzte sich für Pöschl ein und stand in engem Kontakt mit dem 166  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

Reichsinnenministerium. Am 1. Juni 1942 erhielt er von dort jedoch einen endgültigen negativen Bescheid.108 Der Antrag habe abgelehnt werden müssen, zumal auch der Leiter der Parteikanzlei, Bormann, sich dagegen ausgesprochen habe. Karl Haushofer

Der »Fall Haushofer« machte den Nationalsozialisten in erheblichem Maß zu schaffen. Der 1869 geborene Karl Haushofer, der 1896 die Tochter eines jüdischen Tabakfabrikanten aus Mannheim geheiratet hatte, war Professor für Geografie an der Universität München sowie Präsident der Deutschen Akademie, Vorstandsmitglied der Deutschenglischen Gesellschaft und Leiter des Volksbundes für das Deutschtum im Ausland. 1939 gab er seine Lehrtätigkeit auf. Mit Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß, der bei ihm studiert hatte, war er freundschaftlich verbunden. Doch dem Nationalsozialismus stand er kritisch gegenüber. Hatten Karl Haushofer und dessen Sohn Albrecht lange Zeit den Schutz von Heß genossen, so änderte sich dies nach seinem Flug nach Schottland am 10. Mai 1941. Heß hatte den Alleingang gewagt, um mit dem britischen Premierminister Friedensverhandlungen zu führen – und war prompt von den Nationalsozialisten für geisteskrank erklärt worden. Für Martin Bormann war damit der Weg an die Spitze frei. Das Amt des »Stellvertreters des Führers« wurde abgeschafft, dafür die ParteiKanzlei gegründet. Als deren Chef war Bormann mächtiger als es Heß jemals zuvor gewesen war. Er schlug einen neuen Kurs gegenüber den Haushofers an. Bormann übersandte seinem Adlatus Tießler am 29. Juni 1941 mehrere Unterlagen in Bezug auf Haushofer mit der ausdrücklichen Anweisung, eine »öffentliche Diskreditierung« Haushofers zu vermeiden, wurde aber dennoch deutlich: »Bisher wurden die Haushofers durch R. H. [Rudolf Heß] aber sehr stark gefördert. Ich habe nicht die Absicht, das fortzusetzen.«109 Wesentlich für die ablehnende Haltung Bormanns war, dass Karl Haushofer mit der »Volljüdin« – als solche betrachtete sie jedenfalls Bormann – Martha Mayer-Doss verheiratet war. Nach Unterlagen der Reichskulturkammer war sie jedoch »Halbjüdin«110, was eine Mitgliedschaft von Haushofer in der Reichskulturkammer nicht ausschloss. Der Wissenschaft – Wirtschaft  167

NSDAP gehörte Haushofer zu keiner Zeit an, was aufgrund seiner Ehe ohnehin einer Sondergenehmigung bedurft hätte. Auf Abstammungsfragen ging Bormann u. a. in einem Schreiben an den Chef der Sipo und des SD, Reinhard Heydrich, am 29. Juni 1941 ein: Keinesfalls kann der mit einer Volljüdin verheiratete Prof. Haushofer als Vertreter der Partei in der Deutschen Akademie gelten.111

Albrecht Haushofer sollte am 4. Juli 1941 als Autor in München öffentlich in Erscheinung treten, wogegen sich Bormann entschieden wandte: Im Gegensatz zu Herrn Haushofer sen. bin ich der Auffassung, dass dies keinerlei Aufsehen erregen wird, denn es kommt oft genug vor, dass Autoren an der Erstaufführung ihrer Werke [in diesem Fall des Schauspiels »Augustus«] irgendwelcher Gründe halber – Krankheit oder dergleichen – nicht teilnehmen können.112

Seinem Mitarbeiter in der NSDAP-Kanzlei, Ministerialrat Klopfer, erteilte Bormann folgende Anweisung: Anstelle Haushofers hätte ich schon längst wegen der wenn auch ungewollten Beteiligung an dem Unternehmen vom 10.5.1941113 alle öffentlichen Ämter niedergelegt; General Haushofer denkt offenbar nicht daran. Es ist also notwendig, dass wir Ministerpräsident Siebert114 darauf aufmerksam machen, sämtlichen Gauleitern sei bekannt, die beiden Haushofers seien mit als intellektuelle Urheber des Unternehmens vom 10.5. anzusehen, ihr Auftreten in der Öffentlichkeit sei daher nicht erwünscht. Am 4. 7.1941 soll in München im Residenztheater die Erstaufführung des Schauspiels »Augustus«, dessen Autor Prof. Albrecht Haushofer ist, stattfinden. (…) Eine Absetzung sei sicher nicht möglich, »eine starke Herausstellung aber unerwünscht«.115

Verboten war auch die Besprechung von Haushofers Werken. Haushofer hatte um Aufhebung des Verbots ersucht, doch regte die Abteilung S im Propagandaministerium bei Tießler an, zunächst eine Stellungnahme der Partei-Kanzlei einzuholen.116

168  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

Die Partei-Kanzlei entschied schließlich, dass Haushofer gegenüber anderen Professoren weder benachteiligt noch bevorzugt werden sollte.117 Das Besprechungsverbot wurde aufgehoben, was aber nicht bedeuten sollte, »dass für die Bücher des Generals Haushofer eine überdurchschnittliche Reklame gemacht wird«. Karl Haushofer geriet mehr und mehr in Vergessenheit und beging im März 1946 Selbstmord. Sein Sohn Albrecht wurde als vermeintlicher Mitwisser des Attentats vom 20. Juli 1944 verhaftet und kurz vor Kriegsende von der SS in Berlin erschossen. Gunther Burstyn

Gunther Burstyn wurde 1879 im österreichischen Bad Aussee geboren. Sein Vater Adolf war Jude, hatte sich an der Technischen Hochschule Wien noch unter dem Namen Abel Chaim Burstyn eingeschrieben, war später zum katholischen Glauben konvertiert und wurde Kommissar der österreichischen Staatsbahnen. Gunther Burstyn trat als Kadett in das Eisenbahn- und Telegrafenregiment ein, wurde Oberleutnant und 1906 dem »Geniestab« in Trient zugeteilt. 1910 heiratete er und trat vom katholischen zum evangelischen Glauben über. 1911 konstruierte er den ersten geländegängigen Panzerwagen mit drehbarem Geschützturm und legte den Entwurf dem k. u. k. Kriegsministerium vor. Drei Monate nach der Einreichung erhielt er einen ablehnenden Bescheid. Das Kriegsministerium verwies zunächst auf den Leiter des Automobilwesens, der sich eine Erprobung auf Kosten der Heeresverwaltung nicht vorstellen konnte. Aus Kostengründen und aufgrund des Desinteresses wollte man nicht einmal einen Prototypen bauen.118 Daraufhin legte Burstyn seine Entwürfe auch dem deutschen Kriegsministerium vor. Doch dort lehnte man die Finanzierung eines Proto­ typen ebenfalls ab. Der Durchbruch kam mit dem Zweiten Weltkrieg. Burstyn entwickelte Panzersperren und konnte am 31. März 1941 Hitler eine Panzerfähre vorführen. Burstyn wurde mit dem Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern I. und II. Klasse ausgezeichnet, verbunden mit einer Dotation, die Generaloberst Heinz Guderian überreichte. Gunther Burstyn war ein vielseitiger, kreativer und selbstständiger Offizier, Organisator und Truppenführer, der in beiden Weltkriegen Wissenschaft – Wirtschaft  169

hohe Auszeichnungen erhielt. Er verfasste Schriften über Panzer, Panzerabwehr, Schwimmpanzer und Panzerfähren, beschäftigte sich aber auch mit historischen Themen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war er kein überzeugter Nationalsozialist, wenngleich er – wie viele seiner Zeitgenossen – nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie ein Deutsch-Nationaler war. Gunther Burstyn hat seine Abstammung entweder anlässlich seiner Promotion verdrängt, oder er musste sie verleugnen. Dass Hitler ihn zum »Ehrenarier« machte, ändert nichts daran, dass Burstyn ein genialer Erfinder war. Vor den anrückenden Russen beging er am 15. April 1945 Selbstmord. Arthur Imhausen

»Gnade« ließ Hitler auch im Fall des 1885 geborenen Chemikers, Unternehmers und Erfinders Arthur Imhausen, einem »Halbjuden«, walten. Er hatte zur industriellen Fettherstellung im Rahmen der Benzinsynthese zusammen mit den Henkel-Werken 1936 das Unternehmen Deutsche Fettsäure-Werke in Witten gegründet.119 Göring, Beauftragter für den Vierjahresplan, wollte selbst an der Werkseröffnung teilnehmen. Sein Generalbevollmächtigter für deutsche Roh- und Werkstoffe, Arbeitsgebiet Industrielle Fette und Öle, Wilhelm Keppler, hatte ihn in einem Schreiben vom 18. Juni 1937 auf die Wichtigkeit der Einweihung von Imhausens Fettsäure-Werk in Witten aufmerksam gemacht, zumal es sich um den ersten Großbetrieb dieser Art in Deutschland handelte.120 Allerdings hatte Keppler Göring vorher bereits in einem mündlichen Vortrag darüber informiert, dass der Haupterfinder auf dem Gebiet der Fettsäure und des Speisefettes, »Herr Imhausen, teilweise nichtarischer Abstammung« sei. Er galt als »Mischling 1. Grades«, da seine Mutter – Friederike Stern – Jüdin war. Dies habe er, Keppler, an die höchsten Stellen gemeldet, und der »Führer« habe daraufhin erklärt, »wenn der Mann die Sache wirklich erfunden hat, dann machen wir ihn zum Arier«. Imhausen war es gelungen, künstliches Speisefett aus Kohle herzustellen, wobei für eine Tonne solcher Butter 6,7 Tonnen Kohle benötigt wurden. Es liegt auf der Hand, dass gerade in Kriegszeiten das NSRegime größtes Interesse an Imhausens Erfindung hatte. Zudem hoffte es, dass sich das Herstellungsverfahren beziehungsweise die technischen 170  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

Anlagen auch eignen könnten, synthetisches Benzin zu produzieren, und das wäre laut Göring, der »Kanonen statt Butter« propagierte, noch wichtiger gewesen. Abgesehen von der Wichtigkeit der Erfindungen Imhausens dürfte auch dessen militärische Vergangenheit bei Hitlers »Gnadenakt« eine Rolle gespielt haben. Keppler unterrichtete Göring darüber, dass Imhausen Sohn eines Feldwebels war und dass drei seiner Brüder im Ersten Weltkrieg gefallen waren. Keppler bat daher um Prüfung, »ob in diesem besonderen Fall etwas zugunsten des Herrn Imhausen und seines Sohnes geschehen könnte, da die Familie einerseits viel für das Vaterland geopfert hat und andererseits niemand die großen Verdienste des Herrn Imhausen um die Rohstoffentwicklung bestreiten kann«.121 Schon am 23. Juli 1937 konnte Göring Reichsleiter Philip Bouhler, Chef der »Kanzlei des Führers«, mitteilen, Imhausen sei durch Hitler als Vollarier anerkannt worden: Herr Imhausen ist Halbjude. Drei seiner Brüder sind im Weltkrieg gefallen. (…) Aufgrund dieses Sachverhalts hat der Führer bei einer Rücksprache, die ich mit ihm hatte, entschieden, dass Herr Imhausen als Vollarier anerkannt werden soll, und ich bitte Sie, hierzu das Erforderliche zu veranlassen.122

Am selben Tag informierte Göring auch Imhausen über die Entscheidung Hitlers: In Anbetracht der großen Verdienste, die Sie sich um die Entwicklung der synthetischen Seife und des synthetischen Speisefetts aus Kohle erworben haben, hat der Führer auf meinen Vorschlag ihre Anerkennung als Vollarier gutgeheißen.123

Görings Büro wandte sich am 3. August 1937 erneut an Keppler und informierte darüber, dass »die Kanzlei des Führers« angerufen habe. Imhausen müsse noch »formal ein Gesuch an den Führer um Anerkennung als Arier einreichen – unabhängig davon, dass die Anerkennung als solche bereits Tatsache sei«.124 Geklärt werden musste jedoch noch, ob sich die »Deutschblütigkeitserklärung« Imhausens nur auf ihn allein oder auch auf dessen Nachkommen beziehen sollte. Keppler antwortete dem Büro Göring, dass sich der »Gnadenakt« durch Entscheid Hitlers Wissenschaft – Wirtschaft  171

vom 3. November 1937 auch auf die gesamte Familie und die Nachkommen bezog. 1939 gelang es dem Forscher, der 1935 schon den renommierten internationalen Leonhard-Preis erhalten hatte, gemeinsam mit seinem Sohn Karl-Heinz, emulgiertes Speisefett herzustellen. Im Afrikafeldzug und auf U-Booten wurde fast ausschließlich Wittener Speisefett gegessen. Es wurde nicht ranzig, war nahezu unbegrenzt haltbar und schmeckte fast wie Butter. Nach dem Krieg hatte Imhausen gehofft, die Fettproduktion wieder aufnehmen und ausbauen zu können, doch ließen die Siegermächte, speziell die Franzosen, dies nicht zu und setzten seine Werke auf die Demontagelisten. Ein Grund hierfür war, dass in den Anlagen auch synthetisches Benzin hätte hergestellt werden können, was jedoch durch Kontrollratsgesetze verboten war. Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg

Zu den prominenten »Ehrenariern« gehörte auch die Testpilotin Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg. Sie wurde 1903 in Posen als drittes von fünf Kindern des aus einer jüdischen Pelzhändlerfamilie stammenden Baurats und preußischen Beamten Michael Schiller geboren. Zwar konvertierte der Vater zum Protestantismus, was jedoch nichts daran änderte, dass Melitta aus nationalsozialistischer Sicht »Mischling« war. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs besuchte sie das Mädchengymnasium in Hirschberg und zog dann 1922 nach München, wo sie Mathematik, Physik und Flugmechanik studierte. Von 1928 an arbeitete sie als Diplomingenieurin an der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) in Berlin-Adlershof, nahm theoretische und experimentelle Untersuchungen an Verstellluftschrauben vor und ließ sich zur Flugzeugführerin ausbilden. 1931 lernte sie den Historiker Alexander Schenk Graf von Stauffenberg kennen, den sie 1937 heiratete. Ihr Mann war ein älterer Bruder des späteren Hitler-Attentäters Claus von Stauffenberg. Bei der Hochzeit hatte das Paar noch verhindern können, dass die jüdische Herkunft der Braut bekannt wurde, aber 1940 kam sie durch die NS-Rassefahnder ans Licht. Melitta Schenk von Stauffenberg stellte den Antrag, »Deutschblütigen« gleichgestellt zu werden – zumal sie wichtige Leute im Luftfahrtministerium kannte, an erster Stelle Reichsmarschall Göring. Da ihre Arbeit als »kriegswichtig« eingestuft wurde, 172  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

wurde ihrem Antrag schließlich stattgegeben, sodass ihr und ihrer Familie die Deportation ins Konzentrationslager erspart blieb. Zu den Fürsprechern gehörten neben Göring vor allem Ernst Udet, der im Reichsluftfahrtministerium für die technische Ausrüstung der Luftwaffe verantwortlich war. Am 22. Januar 1943 erhielt sie für ihre gefährliche Arbeit das Eiserne Kreuz II. Klasse und das Militärfliegerabzeichen in Gold mit Brillanten und Rubinen. Einen Monat später wurde sie mit dem Flugzeugführer- und Beobachterabzeichen in Gold mit Brillanten ausgezeichnet. Ab Mai 1944 wurde sie zur technischen Leiterin der Versuchsstelle für Flugsondergeräte ernannt. Nach dem missglückten Putschversuch vom 20. Juli 1944 wurden sie und ihr Mann Alexander in Sippenhaft genommen. Melitta wurde nach wenigen Wochen wegen der Wichtigkeit ihrer Arbeit aus der Haft entlassen und nahm bald ihre Forschungstätigkeit wieder auf. Ihr Mann und weitere elf Familienmitglieder kamen ins Konzentrationslager. Wilhelm Furtwänglers Einsatz für rassisch Verfolgte

Wilhelm Furtwängler war ein begnadeter Dirigent, der weit über seine Zeit hinaus musikalische Maßstäbe setzte. Stationen des 1866 in Berlin geborenen Künstlers waren u. a. Breslau, Zürich, München, Straßburg, Lübeck, Mannheim, Wien und immer wieder Berlin. 1933 wurde er zum Leiter der Berliner Staatsoper ernannt, gleichzeitig gastierte er am Deutschen Opernhaus Berlin-Charlottenburg. Die Hoffnung der Nationalsozialisten, Furtwängler für ihre Zwecke propagandistisch einzusetzen, erfüllte sich jedoch nicht, eher das Gegenteil war der Fall. Ohne Furtwänglers Einsatz hätten viele Künstler im nationalsozialistischen Deutschland nicht mehr auftreten oder aufgeführt werden dürfen – auch ohne eine formelle Ausnahmegenehmigung. Ein Beispiel für Furtwänglers Einsatz für rassisch Verfolgte bietet Bernhard Sekles, Direktor des Hoch’schen Konservatoriums in Frankfurt am Main. Als er in Bedrängnis geriet, schrieb Furtwängler folgenden Vermerk: Prof. Dr. Prof. Sekles, der schon seit etwa 40 Jahren am Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt/M. tätig ist, ist einer der wenigen Juden, dessen Tätigkeit, seit ich ihn kenne (seit über 15 Jahren) ausgesprochen aufbauend war, Wissenschaft – Wirtschaft  173

und der stets eine echte innere Wahlverwandtschaft mit der deutschen Musik bekundet hat. Ich halte die generöse Erledigung dieses Falles für eine Pflicht der Gerechtigkeit. – Zuständig für die Erledigung ist in Frankfurt/M. als maßgebendes Mitglied des Kuratoriums der dortige kommissarische Oberbürgermeister Dr. Krebs, und zwar deshalb, weil das Institut vom Staat subventioniert wird.125

Bernhard Sekles (eigentlich Seckeles), 1872 geboren, studierte Instrumentation, Komposition und Klavier, wurde nach Abschluss des Studiums Kapellmeister in Heidelberg und Mainz, 1923 Direktor des Hoch’schen Konservatoriums, gründete 1928 zudem die erste Jazzklasse überhaupt und wurde wegen seiner jüdischen Abstammung im April 1933 seines Amtes enthoben. Seine Musik wurde verboten. Er starb 1934 an Lungentuberkulose. Der Einsatz Furtwänglers hatte in diesem Fall nichts bewirken können, durch seine Fürsprache erreichte er dagegen für eine Reihe von Juden einen lebensrettenden Sonderstatus. Dies lag vor allem daran, dass Hitler ihn as Generalmusikdirektor schätzte. Dass Furtwängler mit seinem Engagement führende NS-Repräsentanten, mit denen er zu tun hatte, eher belästigte, liegt auf der Hand. Goebbels schrieb beispielsweise am 7. Juli 1933: »Furtwängler wie immer Philharmonisches Orchester und Judenfrage«, 126 und am 1. November 1935 hieß es: »Lange Unterredung mit Furtwängler. Er hat wie immer einen Sack voll Sorgen und Beschwerden. Aber sonderbarerweise fast immer für andere und fast nie für sich.«127 Furtwängler warnte wiederholt und unerschrocken vor den Folgen nationalsozialistischer Rassenpolitik im Ausland und vor der zunehmenden Isolierung Deutschlands. In einem Schreiben an Wissenschaftsminister Bernhard Rust forderte er am 4. Juni 1933, »dass in Deutschland in Zukunft jeder Künstler, gleichviel welcher Nation und Rasse, zu Gehör kommen kann«.128 Schon jetzt zeige sich ein Boykott deutscher Künstler im Ausland. Das werde so bleiben, denn er habe den Eindruck, »dass zur Zeit die ganze internationale Künstlerschaft, ob rassemäßig jüdisch oder nicht, so denkt«. Zu einzelnen Personen meinte er:

174  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

Arnold Schönberg gilt bei der jüdischen Internationale als der schlechthin bedeutendste Musiker der Gegenwart. Es ist dringendst zu empfehlen, ihn nicht zu einem Märtyrer zu machen, und, wenn er nun schon einmal beurlaubt ist – auch das hätte ich nicht für richtig gehalten –, jedenfalls die Abfindungsfrage generös zu behandeln. Robert Henried gehört zu jenen, seit Langem im deutschen Musikleben tätigen wenigen Juden, deren Wirken als im Sinne der großen deutschen Musik aufbauend, als traditionsbewusst gewertet werden muss und deren Erhaltung wünschenswert ist. Karl Straube ist ein Mann von führender Bedeutung innerhalb Deutschlands, dazu von internationalem Ruf.129

In einem Brief an Staatsrat Hans Hinkel fragte Bernhard Rust lapidar: Können Sie mir einen Juden nennen, für den Furtwängler nicht eintritt? Aber im Ernst, auch wenn ich es wollte, könnte ich für diesen Dr. Raymond Klinbansky nichts unternehmen, weil er ja Privatdozent an der Heidelberger Universität ist und somit mir nicht untersteht.130

Zur Erläuterung: Raymond Klibansky wurde 1905 in Paris als Sohn eines deutschen, jüdisch-orthodoxen Weinhändlers geboren. Die Familie siedelte nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs nach Frankfurt am Main über. Zusammen mit den Kindern von Thomas Mann und Max Weber ging Klibansky in Frankfurt zur Schule und studierte später Philosophie und Philologie. 1929 folgte die Promotion, 1931 die Habilitation an der Universität Heidelberg, anschließend eine Privatdozentur. Im April 1933 wurde er aus dem Universitätsdienst entlassen und emigrierte drei Monate später, im Juli 1933, nach London. Immer wieder erregte Furtwängler die Aufmerksamkeit der nationalsozialistischen Dienststellen, wie auch eine Meldung vom August 1933 zeigt: Es ist allgemeiner Gesprächsstoff in der Künstlerschaft, dass Furtwängler heute noch die Tendenz hat, jüdische Künstler zu bevorzugen, was besonders augenblicklich wieder in Erscheinung tritt. 1. Durch die Einladung an den galizischen, jüdischen Geiger Hubermann, der als fanatischer Zionist bekannt ist und ein Jahr lang alle Konzerte abgesagt hat, um sich restlos der Propaganda für ein Pan-Europa widmen zu können. Wissenschaft – Wirtschaft  175

2. Durch die Einladung an den jüdischen Pianisten Arthur Schnabel. Es gilt als offenes Geheimnis, dass die treibende Kraft dieser Bevorzugungen jüdischer Künstler die jüdische Sekretärin Furtwänglers ist, die in Gemeinschaft mit ihrer Mutter bei dem starken vorhandenen persönlichen Kontakt die Dispositionen Furtwänglers ausschließlich beeinflussen soll.131

Staatsrat Hans Hinkel, der für die rassische »Sauberkeit« in der Kulturszene sorgen sollte, wurde im August 1935 von der Abteilung VI des Propagandaministeriums darüber informiert, dass Furtwängler in Wien Wagners Tannhäuser dirigieren werde und für die Inszenierung den »Volljuden Dr. Herbert Graf« verpflichtet habe. Dessen Vater sei auch noch als Kunstkritiker »bei der bolschewistisch-jüdischen Wiener Montagszeitung ›Der Morgen‹ und der Tageszeitung ›Der Tag‹ tätig«. Furtwängler habe keinen Einspruch erhoben, und weiter hieß es: Die z. Zt. hier umlaufenden Gerüchte drücken das Befremden darüber aus, dass ein Preußischer Staatsrat an einem österreichischen Kunstinstitut mit einem Volljuden zusammenarbeitet.«132

Auch das Amt für Kunstpflege mischte sich ein und denunzierte Furtwängler gegenüber der Gestapo am 18. Dezember 1935: Die Äußerungen Furtwänglers und auch seine Verpflichtung des Juden Herbert Graf beweisen, dass er nicht nur nichts gelernt hat aus den seinerzeitigen Zwischenfällen, sondern, dass er anscheinend nur auf den Augenblick wartet, in dem er öffentlich für eine andersgerichtete kulturpolitische Linie antreten kann. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der neue verpflichtete 1. Konzertmeister des Philharmonischen Orchesters, Hugo Kolberg, (früher Opernhaus Frankfurt a./M.) mit einer Volljüdin verheiratet ist.133

Argwöhnisch beobachteten die verschiedenen NS-Stellen Furtwängler und sein Umfeld. Ins Visier der Rassenfanatiker war auch seine Privatsekretärin Berta Geißmar geraten. Dazu schrieb Ministerialrat AlfredIngemar Berndt am 25. Mai 1936 nachstehenden Brief. Empfänger war »Reichskulturwalter Horaller«. Berndt sah die Gefahr, dass die langjährige Privatsekretärin Furtwänglers, die »Jüdin Fräulein Dr. Berta 176  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

15   Wilhelm Furtwängler (1886–1954), einer der bedeutendsten Dirigenten des 20. Jahrhunderts.

Geißmer (…) in nächster Zeit in Berliner Kunstkreisen wieder Fuß zu fassen sucht, um dann die Auslandsdispositionen des Philharmonischen Orchesters und anderer Stellen ihren zukünftigen ausländischen Brotgebern aus Konkurrenzgründen zu verraten«.134 Über die Reichsmusikkammer sollten alle Intendanten und ihre Orchesterleiter samt Personal vor Berta Geißmar gewarnt werden; der Verkehr mit ihr untersagt werden. Ergänzt wurde das Schreiben durch den Hinweis, Himmler müsse informiert werden. Unter persönlicher Gefahr setzte sich Furtwängler für jüdische Künstler ein. In Salzburg sollte er Wagners Meistersinger dirigieren, machte seine Zusage aber davon abhängig, dass der Jude Walter Großmann die zweite Besetzung des Hans Sachs bleiben sollte.135 Am Abend der Aufführung war Karl Kammann, die erste Besetzung, erkrankt, und vor Goebbels und seinen Lakaien sang der Jude Großmann. Wissenschaft – Wirtschaft  177

Auch über den österreichischen Komponisten, Musiktheoretiker und Kompositionslehrer Arnold Schönberg hielt Furtwängler seine schützende Hand. Schönberg stammte aus einer Wiener jüdischen Familie. 1925 hatte er an der Preußischen Akademie der Künste einen Meisterkurs für Komposition übernommen, doch »beurlaubten« ihn die Nationalsozialisten im September 1933. Über Schönberg vermerkte Furtwängler: Arnold Schönberg gilt bei der Linkspresse der ganzen Welt (ausnahmslos) als der führende Komponist der Gegenwart. Sein internationaler Ruf ist außerordentlich groß. Ich halte eine großzügige und anständige Regelung seiner Angelegenheit für ein Gebot außenpolitischer Klugheit. Es muss vermieden werden, ihn mehr zum Märtyrer zu machen, als unbedingt nötig ist, abgesehen davon, dass er persönlich politisch völlig indifferent ist und gefühlsmäßig mit Deutschland und der deutschen Musik sich immer auf seine Art innerlich verbunden fühlt. Er hat seine Beurlaubung in Paris erfahren, wo er auf einer Ferienreise war. Seitdem hat er kein Geld mehr erhalten und sitzt dort in einem Hotel in größter finanzieller Zwangslage.136

Wie kaum ein anderer prominenter Künstler des »Dritten Reichs« hat sich Wilhelm Furtwängler für rassisch Verfolgte eingesetzt und manchen von ihnen das Leben gerettet – obwohl er Hitler ewige Gefolgschaft geschworen hatte und sich zum Vizepräsidenten der Reichsmusikkammer hatte ernennen lassen, »um die Kunst von allem Niederen freihalten zu können«.137 Die Gurlitts

Im Herbst 2013 rückte der Galerist Hildebrand Gurlitt (1895–1956) ins Blickfeld der Öffentlichkeit. In der Wohnung seines Sohnes Cornelius waren in München rund 1400 Gemälde von unschätzbarem Wert gefunden worden. Bei ihnen handelte es sich weitgehend um Exponate der von den Nationalsozialisten sogenannten und verfemten »entarteten Kunst«. Zahlreiche Gemälde, Aquarelle und Grafiken dieses Fundes galten bis dahin als verschollen. In diesem Zusammenhang wurde thematisiert, dass es sich bei Hildebrand Gurlitt um einen »Mischling 2. Grades« gehandelt hatte, den die 178  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

Nationalsozialisten unbehelligt gelassen hatten, weil er für sie von unschätzbarem Wert war: Er kaufte beschlagnahmte Exponate der »entarteten Kunst« auf, verkaufte sie ins Ausland und sorgte somit für Deviseneinnahmen des Deutschen Reichs. Dabei arbeitete er eng mit der »Kommission zur Verwertung der Produkte entarteter Kunst« zusammen, die Propagandaminister Joseph Goebbels unterstand. Übersehen wurde in der Diskussion um den Sensationsfund, dass Hildebrand Gurlitt nicht der Einzige der Familie war, der enge Beziehungen zu den Nationalsozialisten unterhalten hatte.138 Gegründet worden war die Kunsthändler-Dynastie von dem in Wien geborenen Fritz Gurlitt (1854–1893). Er war Sohn des Landschaftsmalers Louis Gurlitt und dessen dritter Ehefrau, der Jüdin Elisabeth Lewald, einer Schwester der jüdischen Schriftstellerin Fanny Lewald. 1881 heiratete Fritz Gurlitt Annarella Imhoff (1858–1935), Tochter des Schweizer Bildhauers Heinrich Maximilian Imhof. Aus dieser Ehe stammt der Sohn Wolfgang Gurlitt (1888–1965) sowie möglicherweise auch Manfred Gurlitt (1890–1972). Kurz vor ihrem Tod soll Annarella ihrem Sohn Manfred offenbart haben, dass sein leiblicher Vater nicht Fritz Gurlitt, sondern Willi Waldecker sei, den sie gleich nach dem Tod ihres Mannes geheiratet hatte und der als Manfreds Stiefvater galt. Wolfgang und Manfred waren demnach Halbbrüder. Waldecker war Geschäftsführer bei Fritz Gurlitt gewesen, und diesen Umstand führte Manfred 1933 bei seinem Antrag, in die NSDAP aufgenommen zu werden, an. Anders als die beiden Galeristen geriet Wolfgang Gurlitts Halbbruder Manfred wegen seiner Abstammung in erhebliche Schwierigkeiten. Bis 1933 war er Dirigent an der Berliner Staatsoper und ständiger Dirigent am Berliner Sender. Beide Ämter verlor er mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Am 3. Mai 1937 wurde er aus der Partei ausgeschlossen, weil das zuständige Berliner Parteigericht seinen Beteuerungen nicht glaubte und ihn stattdessen als »Mischling 2. Grades« einstufte. 1939 ging Manfred Gurlitt ins Exil nach Japan. Zur Verwirrung trug bei, dass es im Berlin der Dreißiger- und Vierzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts die Kunsthandlung Fritz Gurlitt GmbH gab. Sie gehörte offiziell der eng mit Wolfgang Gurlitt verbundenen ungarischen Jüdin Lilly Agoston. Mit Sondergenehmigung durfte sie dieses Geschäft bis 1938 führen. 1939 jedoch siedelte Agoston nach Wissenschaft – Wirtschaft  179

Ungarn über, heiratete dort einen Dänen, nahm die dänische Staatsbürgerschaft an und kehrte im Juni 1940 als Lilly Christiansen zu Gurlitt nach Berlin zurück. Ein weiteres Familienmitglied war Willibald Gurlitt, Wolfgangs Onkel. Er war Ordinarius an der Universität Freiburg im Breisgau und musste den Lehrstuhl 1937 aufgeben. Der Sohn des Architekten und Kunsthistorikers Cornelius Gurlitt (1850–1938, drittes Kind von Louis und Elisabeth Gurlitt) war der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, dessen Name 2013 an Aktualität gewann. Er war ein Verfechter moderner Kunst, wurde aber bereits 1930 auf Druck des u. a. von Alfred Rosenberg und Heinrich Himmler gegründeten »Kampfbundes für deutsche Kultur« als Museumsdirektor in Zwickau entlassen. Zugleich verlor er seine Stelle als Geschäftsführer des Hamburger Kunstvereins. Dennoch wurde er später – neben seinem Cousin Wolfgang – im Auftrag der Nationalsozialisten Einkäufer für das geplante Linzer »Führermuseum« und Verwerter der »entarteten Kunst«, die von den Nationalsozialisten auch »Verfallskunst« genannt wurde. Wenngleich in München Kunstwerke gefunden wurden, die Hildebrand Gurlitt zusammengetragen hatte, hatte Wolfgang Gurlitt offenbar die engeren Beziehungen zu den Nationalsozialisten. Grundlage für den Handel der Gurlitts und anderer Galeristen war das »Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst« vom 31. Mai 1938. Es legte fest, dass derartige Kunstwerke, »die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes in Museen oder der Öffentlichkeit zugänglichen Sammlungen sichergestellt und von einer vom Führer und Reichskanzler bestimmten Stelle als Erzeugnisse entarteter Kunst festgestellt sind, (…) ohne Entschädigung zugunsten des Reiches eingezogen werden« konnten.139 Dies bedeutet, dass ein Teil der jetzt in München aufgefundenen Kunstwerke auch aus Museen stammen kann und nicht zwangsläufig Privatpersonen geraubt worden sein muss. Vorsitzender einer Kommission, die damals die Museen nach »entarteter Kunst« durchkämmen musste, war der Präsident der Reichskammer der bildenden Künste, Professor Adolf Ziegler, München. Der Kommission gehörte auch Hitlers Hoffotograf Heinrich Hoffmann an. Penibel wurde festgehalten, welche Kunstwerke eingezogen, im Berliner Schloss Niederschönhausen gelagert und dann verkauft wurden.

180  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

Zuständig für die »Verwertung der entarteten Kunst« war das Propagandaministerium. Interessanterweise aber taucht der Name Gurlitt an keiner Stelle der umfangreichen Tagebücher Goebbels’ auf. Stattdessen gibt es einen umfangreichen Dokumentenbestand zu dieser Thematik im Landesarchiv Berlin, im Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde sowie zum »Sonderauftrag Linz« im Bundesarchiv Koblenz. So hatte der Leiter der Abteilung Bildende Kunst im Propagandaministerium, Ministerialrat Franz Hofmann, Goebbels am 28. November 1938 diesen zynischen Vermerk zukommen lassen: Das Depot in der Köpenickerstraße muss baldigst geräumt werden, da es als Getreidespeicher dringend benötigt wird. Ich schlage deshalb vor, diesen Rest in einer symbolischen Handlung auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen, und erbiete mich, eine entsprechend gepfefferte Leichenrede dazu zu halten.140

Ähnlich diskutierte die Kommission am 20. Februar 1939 in Schloss Niederschönhausen. Im Protokoll heißt es dazu, angesichts der Raumknappheit sollten sofort Gemälde vernichtet werden. Dagegen protestierten mehrere Kommissionsmitglieder: Herr Haberstock stellte den Antrag, ihn und Herrn Scholz vor dem Vernichtungsakt von der Verantwortung für diese Maßnahme zu entbinden. Es wurde beschlossen, dass die genannten Kommissionsmitglieder am 27. Februar 1939 die Depotbestände noch einmal besichtigen, um sich von deren völliger Wertlosigkeit persönlich zu überzeugen.141

Bis zum 1. Dezember 1940 waren verkauft: 218 Gemälde, 2755 Grafiken, 56 Plastiken. Nachverkauf: 10 Gemälde, 2 Aquarelle, Grafiken. An Kommissionsgegenständen befanden sich bei den Kunsthändlern über 700 Werke. Unter »restliche Bestände der Verfallskunst im Schloss Schönhausen« wurden aufgeführt: »95 Gemälde, 5 Plastiken, 1360 Grafiken, 59 Mappenwerke, die keine Nachfrage gefunden hatten«.142 Die Erlöse betrugen zu diesem Zeitpunkt: 10 294 Pfund Sterling, 43 395 US-Dollar, 75 070 Schweizer Franken und 2350 norwegischen Kronen. Darüber hinaus waren durch Tauschgeschäfte 131 630 RM eingenommen worden.

Wissenschaft – Wirtschaft  181

Mitte 1942 war die »Verwertungsaktion« abgeschlossen.143 Die Abteilung Bildende Kunst des Propagandaministeriums bestätigte in einem internen Vermerk ausdrücklich, dass es Ziel gewesen war, »die Objekte gegen Devisen an das Ausland zu veräußern«.144 Der Name Gurlitt taucht im Schriftverkehr und in den Protokollen der Abteilung Bildende Kunst häufig auf. Auch der Chef der Sipo und des SD, Reinhard Heydrich, war wegen der partiell jüdischen Abstammung der Gurlitts darauf aufmerksam geworden. Ihm teilte Ministerialdirektor Leopold Gutterer, ein enger Vertrauter von Goebbels, am 6. Mai 1941 mit, dass insgesamt sechs Galerien wegen ihrer guten Auslandsbeziehungen für den Kunsthandel mit entarteter Kunst in Betracht gekommen waren, darunter das Kunstkabinett Dr. H. Gurlitt, Hamburg, sowie die Galerie Wolfgang Gurlitt, Berlin.145 So hatte Ende 1939 Hildebrand Gurlitt in Hamburg die leihweise Überlassung von Gemälden Kokoschkas erbeten, um sie einem italie­ nischen Interessenten zu zeigen. Am 11. Januar 1940 bekam er eine Absage.146 Es wurde auf eine lebhafte Nachfrage nach Werken Kokoschkas verwiesen. Er erhielt jedoch Fotos von Gemälden, nämlich »Marabou«, »Mädchen«, »Bildnis Nameß« und »Alter Herr«. Am 4. Dezember 1940 bot Gurlitt dem Propagandaministerium ein Tauschgeschäft an: eine Landschaft von Johann Faber, einem Hamburger Romantiker, gegen eine Reihe von Werken »entarteter Kunst«, darunter von Otto Dix »Theodor Däubler« zu 200 RM, von Emil Nolde »Kuhmelken« zu 325 RM, »Mann und Weib« zu 400 RM, von Karl Schmidt-Rottluff vier Bilder zu 250 RM und von Max Beckmann »Maskenball« zu 280 RM sowie »Selbstporträt« zu 169 RM. Ende 1941 erwarb das Kunstkabinett Dr. H. Gurlitt, Hamburg, zwei Aquarelle von Franz Marc für 2500 Schweizer Franken. Vom 21. März 1941 datiert ein Kaufvertrag mit Gurlitt, Hamburg. Demnach wurden »aus dem Eigentum des Reiches 3 Aquaralle von Franz Marc, 1 Studie von Paul Klee und ein Restposten von Hofer, Beckmann, Corinth, Dix, Groß, Campendonk, Kogon, Schlichter und einige einzelne Blätter« zum Gesamtpreis von 3800 Schweizer Franken an Gurlitt verkauft.147 Auch mit der Galerie Gurlitt in Berlin, Kurfürstenstraße 27, gab es einen intensiven Handel Im Juli 1940 mahnte die Galerie, dass ein »Auftrag über 500 $ für Lilly Christiansen von der Schweizerischen Bankgesellschaft Zürich nicht eingelöst werden konnte«.148 182  Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz

Eine weitere Mahnung der Galerie Gurlitt in Berlin betraf am 6. Februar 1941 Außenstände für zwei Bilder von Lovis Corinth, die Lilly Christiansen – die »Volljüdin« – vom Propagandaministerium gekauft hatte, nämlich »›Kleines Stillleben‹ zu 200 $ und ›Kleiner Walchensee‹ zu 300 $«.149 »Entartete Kunst« konnte zu Spottpreisen gekauft werden, während alte Meister hoch im Kurs standen, wie Jan Wynants (1620–1682). Die Kölner Galerie Abels berechnete beispielsweise Magda Goebbels für das Bild »Landschaft mit einem mit drei Enten belebten, ruhigen Gewässer« des holländischen Malers, mit Figuren von Johannes Lingelbach (1662–1674), signiert und datiert 1668, 46 200 RM.150

Wissenschaft – Wirtschaft  183

Hitlers Alibi-Juden bei den Olympischen Spielen in Berlin

Die Olympischen Spiele 1936 in Berlin brachten die Nationalsozialisten und ganz besonders Hitler in arge Verlegenheit. Im Ausland war längst Kritik an der Verfolgung der Juden in Deutschland laut geworden, wenngleich der Massenmord an ihnen noch nicht begonnen hatte. Aus außenpolitischen Gründen und seines Prestiges wegen musste Hitler aber gegenüber Juden wenigstens eine Zeit stillhalten, weil sonst die Spiele von einigen Ländern, vor allem von den USA, boykottiert worden wären. Dies begann bereits beim Vorsitzenden des Organisationskomitees der Olympischen Spiele 1936, dem Sportfunktionär Theodor Lewald. Er war 1860 in Berlin als jüngster Sohn eines königlichen Justizrats und Rechtsanwalts geboren worden. Der Vater war Jude aus dem Raum Königsberg, die Mutter Christin. Lewald durchlief eine erfolgreiche Beamtenkarriere und hatte wesentlichen Anteil daran, dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) sich entschloss, die 11. Olympischen Spiele nach Berlin zu vergeben. Hitler versuchte vergebens, das Organisationskomitee für die Spiele, das aus Lewald und Carl Diem, dem Vorsitzenden der deutschen Sportbehörde für Athletik, bestand, abzulösen. Stattdessen sollte der neu ernannte Reichssportführer, Hans von Tschammer und Osten, an die Spitze des Komitees gesetzt werden.1 Nach Lutz Graf Schwerin von Krosigk hatte IOC-Präsident Baillet-Latour bei einem Berlin-Besuch Hitler allerdings unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass das IOC nur dann die Garantie für einen ordnungsgemäßen Ablauf der Spiele als gegeben ansehe, wenn Lewald und Diem ihre Aufgaben ungehindert erfüllen könnten. Hitler gab nach, doch diese Spiele gerieten zunehmend in Gefahr, als nach der Machtübernahme die Nationalsozialisten die jüdischen Bevölkerungsteile immer größeren Repressionen aussetzten. Vor dieser durchaus realen Möglichkeit warnte Lewald am 21. November 1933 Staatssekretär Hans Pfundtner, der im Reichsministerium des Innern Lewalds 184  Hitlers Alibi-Juden bei den Olympischen Spielen in Berlin

Ansprechpartner war.2 Die drei deutschen IOC-Mitglieder Herzog Friedrich zu Mecklenburg, Karl Ritter von Halt und er, so Lewald, hätten angesichts der amerikanischen Besorgnisse ein Telegramm formuliert, »damit Klarheit darüber besteht, dass seit der Wiener Beschlussfassung in der Behandlung jüdischer Sportsleute in Deutschland sich nichts geändert hat«.3 Sollte Amerika auf der IOC-Tagung im Mai 1934 beantragen, die Spiele an einen anderen Ort zu verlegen, bestehe kein Zweifel darüber, dass sich dafür eine große Mehrheit finden würde, zumal Japan und Italien bereit sein würden, die Spiele auszutragen. Das Telegramm lautete: Bezugnehmend auf den gestrigen Beschluss der »Amerikanischen Amateur Athletik Union« erklären wir feierlich, dass das in Wien durch die deutsche Regierung und das deutsche Olympische Komitee abgegebene und vor GARLAND und SHERILL als befriedigend angenommene Versprechen betreffend Beteiligung der deutschen Juden an den Spielen, genau so eingehalten werden wird, und dass seit Wien weder Regierung noch Olympisches Komitee irgendeinen Erlass oder Befehl herausgegeben haben, der die deutschen jüdischen Wettkämpfer diskriminiert. Wir vertrauen, dass unsere amerikanischen IOC (Internationalen Komitee)-Kollegen zu ihrem Wiener Versprechen stehen werden.4

IOC-Präsident Henri Baillet-Latour unterstützte offenbar die Austragung der Spiele in Berlin, denn in einem Brief an Lewald gab er am 13. Januar 1934 Hinweise, wie Deutschland der »Propaganda« etwas entgegensetzen könne. Er schrieb von einem Gerücht, »dass der Kugelstoßer Hirschfeld, der Jude sein soll, im letzten Sommer an den deutschen Meisterschaften in seiner Sportart teilgenommen habe. Wenn es sich so damit verhält, warum wird es nicht bekanntgegeben, und warum verfährt man nicht in der gleichen Weise, wenn noch andere solcher Beispiele gegeben werden könnten?«5 Bei Emil Hirschfeld handelte es sich um einen deutschen Leichtathleten, der bei den Olympischen Spielen 1928 in Amsterdam die Bronzemedaille im Kugelstoßen gewonnen hatte. Er nahm auch an den Olympischen Spielen 1932 teil, dort jedoch ohne Medaillenerfolg. 1936 wurde er nicht mehr in die deutsche Mannschaft aufgenommen.

Hitlers Alibi-Juden bei den Olympischen Spielen in Berlin  185

Das Schreiben Baillet-Latours war für Lewald Anlass, sich am 20. Januar 1934 erneut an Pfundtner zu wenden.6

Boykottbewegung in den USA Hitler, der anfangs von den Olympischen Spielen nur wenig gehalten hatte, war mittlerweile vom propagandistischen Wert dieses Großereignisses für das NS-Regime überzeugt. Am 24. August 1934 empfing er daher in München den amerikanischen General Charles Sherill, der eine leitende Persönlichkeit im IOC war.7 Natürlich sprach Sherill die Frage der Beteiligung von Juden an und verwies auf eine entsprechende Zusage der Reichsregierung von 1933, die Hitler angeblich unbekannt war.8 In der Aufzeichnung über das Treffen Hitler/Sherill ist unter anderem davon die Rede, dass die Judenfrage in den USA bereits zu einer Boykottbewegung geführt hatte. Jetzt würden die jüdisch eingestellten Kreise Amerikas erneut alle diesbezüglichen Anstrengungen unternehmen. Sherill wird häufig als jemand dargestellt, der sich besonders engagiert für die Teilnahme von Juden an den Spielen von Berlin eingesetzt haben soll. Wie es um seine Haltung zu den Juden jedoch wirklich bestellt war, machte er deutlich, als er gegenüber Hitler meinte, aus seiner »sportsmännischen« Erfahrung wisse er, »dass die jüdischen Athleten im Allgemeinen den hohen Anforderungen, die für die Aufnahme in eine Olympia-Ländermannschaft gestellt werden, nicht gewachsen seien«.9 Ihn wundere daher als erfahrenen Sportsmann nicht, dass in der deutschen Olympiamannschaft für 1936 kein Jude vertreten sei. Die Einzelheiten der Zusage, von der Hitler angeblich nichts gewusst hatte, erläuterte Innenminister Wilhelm Frick dann am 3. September 1935 in einem Schreiben an den Chef der Präsidialkanzlei: Demzufolge hatte er am 31. Mai 1935 Lewald mitgeteilt, »dass alle Olympischen Regeln beachtet würden«.10 Ein grundsätzlicher Ausschluss deutscher Juden von den deutschen Mannschaften bei den Olympischen Spielen 1936 erfolge nicht. Am 7. September 1934 habe er, Frick, »nach vorheriger Fühlungnahme mit dem Stellvertreter des Führers dem Reichssportführer eröffnet, dass das Verbot über den Verkehr von Parteigenossen mit Juden sich weder auf den sportlichen Verkehr im Allgemeinen, 186  Hitlers Alibi-Juden bei den Olympischen Spielen in Berlin

noch auf die bereits eingeleiteten Trainingskurse für jüdische Sportler und deren Zulassung zu den Olympischen Spielen erstrecke«.11 Im Übrigen erläuterte Frick, dass General Sherill bei der Unterredung mit dem »Führer« zutreffend darauf hingewiesen habe, dass sich die seinerzeitige deutsche Zusage nicht nur auf das Auftreten von Juden in ausländischen Olympiamannschaften, sondern auch auf die Aufnahme von Juden deutscher Staatsangehörigkeit in die deutsche Olympiamannschaft bezogen habe. In zynischer Weise bekräftigte Frick dann eine Aussage Hitlers, dass nämlich »keinesfalls etwa eine Verpflichtung übernommen worden sei, für eine jüdische Beteiligung innerhalb der deutschen Olympiamannschaft Sorge zu tragen«. Ebenso selbstverständlich sei, dass man nicht etwa dafür sorgen müsse, »jüdische Sportler deutscher Staatsangehörigkeit in olympiareifen Zustand zu bringen«.12 Allerdings brachte es Hitler nicht über sich, wenigstens im Straßenbild den amtlich verordneten Judenhass zu verdecken. Sein Adjutant, Hauptmann a.D. Wiedemann, referierte im April 1935 die Bedenken, die vielfach wegen der zahlreichen Schilder »Juden ist der Zutritt verboten« geäußert wurden. Resigniert teilte Wiedemann dem Büro des Hitler-Stellvertreters Heß jedoch mit: »An der Entscheidung des Führers, dass gegen diese Schilder nichts einzuwenden ist, hat sich dadurch nichts geändert.«13

Antisemitische Auswüchse in Garmisch-Partenkirchen Ungeachtet all dieser Diskussionen liefen die Vorbereitungen für die Olympischen Spiele, wobei die Bevölkerung von Garmisch-Partenkirchen die antijüdische NS-Propaganda mittlerweile verinnerlicht zu haben schien. Dies war den Nationalsozialisten umso unangenehmer, als dort die Olympischen Winterspiele ausgetragen werden sollten. Zwar wurden diese vor den Sommerspielen in Berlin durchgeführt, doch hätten rassische Auswüchse in der Alpenregion möglicherweise am Ende doch noch zu einem Boykott der Spiele insgesamt geführt. Zumindest die regionalen NS-Funktionäre machten aus ihrem antijüdischen Denken und Handeln keinen Hehl, was in dieser Situation den in Berlin regierenden Nationalsozialisten gar nicht mehr recht sein konnte. So informierte Innenminister Wilhelm Frick den Chef der Antisemitische Auswüchse in Garmisch-Partenkirchen  187

Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, am 22. Mai 1935 über eine Reihe von antisemitischen Umtrieben.14 Der NSDAP-Kreisleiter von Garmisch-Partenkirchen hatte beispielsweise am 1. Mai gefordert, alles Jüdische aus dem Ort zu vertreiben. An der gesamten Landstraße von München nach Garmisch-Partenkirchen gab es große Tafeln mit der Aufschrift »Juden sind hier unerwünscht«. Die Deutsche Arbeitsfront (DAF) hatte bereits angekündigt, jeder Gaststättenbesitzer, der einen Juden aufnehme, solle aus der Partei ausgeschlossen werden. Minister Frick mahnte daher den Chef der Reichskanzlei: Alle Nationen sind eingeladen, und alle haben zugesagt. Exzellenz Lewald und ich einerseits und der Reichssportführer andererseits haben unter ausdrücklicher Billigung des RMI dem IOC verschiedenen Führern nationaler ausländischer Verbände das Versprechen gegeben, dass alles vermieden wird, was zu einer Störung anlässlich einer evtl. Teilnahme von jüdischen Sportlern anderer Nationen führen könnte. Wenn die Propaganda in dieser Form weitergeführt wird, dann wird die Bevölkerung von Garmisch-Partenkirchen bis 1936 so aufgeputscht sein, dass sie wahllos jeden jüdisch Aussehenden angreift und verletzt.15

Zugleich erinnerte Frick daran, dass General Sherill für Juni seinen Besuch in München angekündigt hatte. Bei der Empfindlichkeit dieses Herrn hielt er es für nicht ausgeschlossen, dass er kurz außerhalb Münchens bei der ersten Tafel »Juden sind hier unerwünscht« kehrtmachte und umgehend wieder Deutschland verließ. Aber auch Frick konnte nicht aus seiner Haut. Er pervertierte den olympischen Gedanken, indem er schrieb, er äußere seine Sorgen nicht etwa, »um den Juden zu helfen, es handelt sich ausschließlich um die olympische Idee und um die Olympischen Spiele«.

Helene Mayer: Mit »deutschem Gruß« auf dem Siegertreppchen Die Suche nach einer »Alibi-Jüdin« gestaltete sich für die National­ sozialisten erstaunlich einfach. Gefunden wurde sie in der »halbjüdi­schen« Florettfechterin Helene Mayer. Ihr Vater war der jüdische Arzt 188  Hitlers Alibi-Juden bei den Olympischen Spielen in Berlin

Dr. Ludwig Mayer, die Mutter war Ida Mayer, geborene Becker, evangelisch. Die gebürtige Offenbacherin hatte bereits 1928 bei den Olympischen Spielen in Amsterdam die Goldmedaille gewonnen und zahlreiche deutsche und europäische Titel erkämpft. Sie entsprach in ihrem Äußeren dem Idealbild einer »Arierin«: groß, blonde Zöpfe, blauäugig, siegreich mit der Waffe. Der »blonden He« widmete die Anhaltische Rundschau sogar eine Ode: Und, denkt euch, sie trägt blonde Zöpfe! / Und schlingt darum ein weißes Band. / Ein blaues Aug, ein deutscher Schädel, / der Jugend Anmut im Gesicht / ein gut gewachsen rheinisch Mädel – / und ficht, als wie der Teufel ficht.16

Schon 1928 gab es erste Hinweise, dass die jüdische Fechterin im weiteren Verlauf ihres Lebens mit vielen Hindernissen zu kämpfen haben sollte.17 So beantwortete der Direktor der Schillerschule, Dr. Klaudius Bojunga, den Brief eines Herrn Professor Schneider aus Dresden, der eine genaue Auskunft über die »rassische Abstammung« der Schülerin Helene Mayer wünschte, mit folgendem Wortlaut: Auf Ihre Anfrage kann ich Ihnen antworten, dass Helene Mayer israelitischer Religion ist. Den wissbegierigen Schülern können Sie dabei vielleicht zugleich mitteilen, dass die Zugehörigkeit zu dieser Religionsgemeinschaft für die Rassenzugehörigkeit wenig besagt, denn ein Blick auf ein Bild Helene Mayers zeigt jedem Kenner ja sofort, wie die Verhältnisse da liegen. Wie bei Rassenmischung so manchmal, mendelt sie eben völlig nach der arischen Seite.18

Nach Hitlers Machtergreifung 1933 jedoch kamen die NS-Rassenfanatiker auf den Plan. Wegen ihres jüdischen Vaters wurde Helene Mayer von ihrem »Fechtclub Offenbach von 1863« ausgeschlossen. Ebenso wurde ihr aus rassischen Gründen das Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes gestrichen, mit dem sie am renommierten Scripps College in Claremont, Kalifornien, studierte, um sich auf den diplomatischen Dienst vorzubereiten. Rechtzeitig vor einem Boykott der Berliner Spiele erinnerten sich die Nationalsozialisten an die Vorzeigefechterin. Sie fragten bei Helene Helene Mayer: Mit »deutschem Gruß« auf dem Siegertreppchen  189

Mayer in den USA an, ob sie nicht für Deutschland starten wolle. Mayer nahm für kurze Zeit wieder ihre deutsche Reichsangehörigkeit an, zumal ihre Mutter ihr in einem Telegramm mitgeteilt hatte, dass sie ebenso wie ihre Brüder im Besitz der deutschen Staatsbürgerrechte seien. In Berlin gewann Helene Mayer die Silbermedaille, zeigte bei der Siegerehrung im Olympiastadion den »deutschen Gruß« und wurde von Hitler in der Reichskanzlei empfangen.

16 Helene Mayer auf dem Siegertreppchen.

Ihr wurde auch die fragwürdige Ehre zuteil, im Band Die Olympischen Spiele 1936 in Berlin und Garmisch-Partenkirchen gewürdigt worden zu sein. Dort heißt es unter anderem zu den Florettkämpfen der Frauen: Zwischen der besten europäischen Klasse der Fechter und der der überseeischen Nationen besteht ein beträchtlicher Unterschied. In dieser Feststellung mag die Ursache dafür liegen, dass Helene Mayer ihren olympischen Sieg von 1928 nicht wiederholen konnte. (…) Helene Mayer kannte ihre europäischen Gegnerinnen nicht. Sie ließ sich durch die naturalistische Fechtweise der späteren Olympiasiegerin Elek-Schacherer, Ungarn, irritie190  Hitlers Alibi-Juden bei den Olympischen Spielen in Berlin

ren. Dessen ungeachtet hat Helene Mayer großartig gekämpft und ihr Bestes gegeben. Vielleicht wäre ihr der große Wurf doch wieder gelungen, hätte sie nicht im entscheidenden Gefecht gegen Ellen Preis durch deren ungestüme Angriffe eine schmerzhafte Prellung erlitten. So blieb ihr nur der eine Erfolg, die Siegerin von 1932, Ellen Preis-Österreich, auf den dritten Platz verwiesen zu haben.19

1940 kehrte Helene Mayer in die USA zurück.

Gretel Bergmann: Trotz Rekord ausgeschlossen Eine weitere Alibifunktion hätte nach NS-Vorstellungen die Hochspringerin Gretel Bergmann erfüllen sollen. Sie hatte 1931 bei den Süddeutschen Meisterschaften im Hochsprung mit 1,51 Metern einen deutschen Rekord aufgestellt. Im April 1933 wurde sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft aus ihrem Sportverein ausgeschlossen. Daraufhin verließ sie Deutschland und nahm 1934 an den britischen Meisterschaften teil. Dabei gewann sie den Hochsprung mit 1,55 Metern. Vor dem Hintergrund eines drohenden Boykotts der Olympischen Spiele zwangen die Nationalsozialisten die Sportlerin zur Rückkehr nach Deutschland; andernfalls wäre ihre Familie Repressalien zum Opfer gefallen. Bergmann siegte bei den Vorbereitungswettkämpfen mit deutschem Rekord, doch wurde ihr kurz vor den Olympischen Spielen mitgeteilt, dass sie wegen unbeständiger Leistungen nicht in die deutsche Olympiamannschaft aufgenommen werden könne. Diesen Bescheid erhielt sie wohlweislich erst, nachdem das amerikanische Olympiateam die USA verlassen hatte.

Rudi Ball: Von den Nationalsozialisten »vergessen« In Zusammenhang mit den Olympischen Spielen von 1936 ist auch der 1910 in Berlin geborene Eishockeyspieler Rudi Ball zu nennen. Bei den Olympischen Winterspielen war er der einzige »Mischling«. Von 1928 bis 1933 und von 1936 bis 1944 hatte der populäre Sportler für den EC Berlin gespielt, zwischenzeitlich, 1933/34, für den EHC St. Moritz. Gretel Bergmann: Trotz Rekord ausgeschlossen  191

Zwischen 1929 und 1938 spielte er 49-mal für die Deutsche EishockeyNationalmannschaft und erzielte dort 19 seiner insgesamt über 500 Tore. 1933 war er zunächst aus Deutschland emigriert, kehrte aber 1936 zurück, zumal auch seiner Familie die Erlaubnis zur Ausreise aus Deutschland versprochen worden war. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft wurde ihm zunächst 1936 die Teilnahme an den Olympischen Spielen untersagt. Da er allerdings zusammen mit dem Spieler Gustav Jaenecke für die deutsche Nationalmannschaft unverzichtbar war und Jaenecke sich weigerte, ohne seinen besten Freund zu spielen, durfte Ball als einziger männlicher deutsch-jüdischer Athlet an den Spielen von 1936 teilnehmen. Zu seinen herausragenden Erfolgen zählen u. a.: die Bronzemedaille bei den Olympischen Winterspielen 1932, die Silbermedaille bei der Eishockey-Weltmeisterschaft 1930, die Goldmedaille bei der Eishockey-Europameisterschaft 1930, die Bronzemedaille bei der Eishockey-Weltmeisterschaft 1932, die Bronzemedaille bei der Eishockey-Europameisterschaft 1936 und Eishockey-Europameisterschaft 1938. Zwischen 1928 und 1944 war er 8-mal Deutscher Meister. Trotz dieser überwältigenden Bilanz hatte ihn die Partei-Kanzlei der NSDAP nicht aus den Augen gelassen und wandte sich deshalb 1943 an das Propagandaministerium. Walter Tießler erinnerte am 5. Februar 1943 in einer Vorlage daran, dass Rudi Ball noch immer auf dem Eis zu finden war: Im Berliner Eissport ist seit der Olympiade der Mischling 1. Grades, Rudi Ball, als Eishockeyspieler tätig. Aufgrund einer vom Führer damals getroffenen Sonderreglung, die sich im besonderen auf Helene Mayer bezog, erhielt Rudi Ball durch die Partei-Kanzlei bzw. damals durch den Stellvertreter des Führers die Genehmigung, bei der Olympiade zu starten. Rudi Ball war sicherlich zur Zeit der Olympiade einer der besten Eishockeyspieler. Nachdem der Führer entschieden hat, dass Mischlinge 1. Grades aus der Wehrmacht zu entfernen sind, von Rudi Ball jedoch nicht gesagt werden kann, dass für ihn eine ausdrückliche Ausnahmegenehmigung des Führers vorliegt, bittet mich das Propagandaministerium, die Angelegenheit der Partei-Kanzlei vorzulegen, damit Rudi Ball nunmehr aus dem deutschen Sport entfernt wird.

192  Hitlers Alibi-Juden bei den Olympischen Spielen in Berlin

Die Reichssportführung, die in dieser Sache befragt wurde, teilt mit, dass sie in der Angelegenheit nichts tun könnte, da die oben genannten Voraussetzungen bestehen. Das Propagandaministerium ist der Meinung, dass aufgrund der inzwischen vor sich gegangenen Entwicklung Ausnahmebestimmungen, die damals gerechtfertigt und nützlich waren, heute – im Besonderen aufgrund der immer sichtbarer werdenden Tätigkeit des Weltjudentums – überholt sind. Ich bitte um die Stellungnahme der Partei-Kanzlei. Meinerseits halte ich es ebenfalls für richtig, dass ein Mischling 1. Grades aus dem deutschen Sport entfernt wird.20

Tießler reagierte gereizt und kritisierte am 5. April 1943 erneut, dass Rudi Ball weiterhin als Eishockeyspieler auflaufen durfte.21 Das Propagandaministerium wäre für einen Bescheid der Partei-Kanzlei dankbar, schrieb er. Kurz darauf entschied Bormann: Nach eingehender Überprüfung Ihrer Vorlage vom 5.2.1943 teile ich Ihnen im Einvernehmen mit unserer Abteilung III mit, dass die Partei-Kanzlei vollkommen mit Ihrer Ansicht einig geht und gegen eine Entfernung des Rudi Ball aus dem deutschen Sport nichts einzuwenden hat.22

Ball überlebte diese »Entfernung« und emigrierte 1948 nach Südafrika. Nach den Olympischen Spielen war übrigens auch Theodor Lewald für das nationalsozialistische Regime nicht mehr von Nutzen. Nun wurde ihm seine jüdische Herkunft zum Verhängnis. Er wurde zwar noch als Vizepräsident des IOC vorgeschlagen, musste sich aber auf Drängen Hitlers aus dem Komitee zurückziehen. Er lebte weiterhin in Berlin und zog nur während der Bombenangriffe auf Berlin für kurze Zeit nach Baden-Baden. Auch nach Beendigung seiner Karriere verfügte er über gute Kontakte und Einflüsse. Auf seinen Rat hin wurde Walter von Reichenau und nicht Hans von Tschammer und Osten als sein Nachfolger ins IOC berufen.

Rudi Ball: Von den Nationalsozialisten »vergessen«  193

Der Disput um die »biologische Wirklichkeit«

Neben all dem Morden und Foltern war eine der am meisten psychisch belastenden Erscheinungen im »Dritten Reich« die Notwendigkeit, um des reinen Überlebens willen sich und die eigene Herkunft zu verleugnen. Für diejenigen, die nicht auf Protektion von »ganz oben« bauen konnten, bekannte Schauspieler oder Sänger waren oder sich um die »Bewegung« verdient gemacht hatten, bestand die Möglichkeit, mithilfe sogenannter Abstammungsprüfungen doch noch rassisch »heraufgestuft« zu werden, vom Juden zum »Mischling 1. Grades«, vom »Mischling 1. Grades« zum »Mischling 2. Grades«, in seltenen Fällen gar zum »Deutschblütigen«. Zuständig für die Abstammungsprüfungen war das dem Reichsinnenministerium unterstellte Reichssippenamt, ursprünglich Reichsstelle für Sippenforschung. Als »Sachverständiger für Rassenforschung« im Reichsministerium des Innern galt Achim Gercke, der eine Dienststelle mit rund sechzig Mitarbeitern leitete. Das Reichssippenamt wurde von den Hardlinern unter den führenden Nationalsozialisten kritisch betrachtet, denn für sie ging das Amt zu oft auf die Forderungen der Antragsteller ein. Innen-Staatssekretär Wilhelm Stuckart beispielsweise fasste die Ergebnisse einer Besprechung zum Instrument der Abstammungsprüfungen am 11. September 1942 wie folgt zusammen: »Sofern die Möglichkeit besteht, vor ordentlichen Gerichten auf Feststellung der biologischen Abstammung (Anfechtung der Ehelichkeit, Klage auf Bestehen oder Nichtbestehen der Vaterschaft) zu klagen, hat das Reichssippenamt sich stets der Einleitung des Verwaltungsverfahrens auf Feststellung der Abstammung zu enthalten und die Antragsteller auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen.« Er kritisierte, dass Anträge überhandnahmen, um durch erb- und rassenkundliche Untersuchungen eine günstigere rassische Einstufung zu erreichen. Nach den bisherigen Erfahrungen hätten solche Untersuchungen nur dann einen hinreichenden Wert, wenn die maßgebenden Personen – insbesondere der angebliche und der auszuschließenden Erzeuger – noch lebten und zur Untersuchung zur Verfügung stünden, oder wenn 194  Der Disput um die »biologische Wirklichkeit«

es wenigstens ausreichend geeignete Lichtbilder gebe. Aufgrund des rassischen Erscheinungsbildes des Nachweispflichtigen allein könne in der Regel kein maßgebliches Urteil über eine jüdische oder nichtjüdische Abstammung abgegeben werden. Wichtig sei der Vergleich erbbedingter Merkmale zwischen den Nachweispflichtigen und den infrage kommenden Vorfahren. Erb- und rassenkundliche Gutachten dürften künftig nur dann eingeholt werden, wenn bereits aufgrund der vorhandenen Grundlagen berechtigte Zweifel an der gesetzlichen jüdischen Abstammung bestehen. Und Stuckart bekräftigte: »Grundsätzlich werden Zeugenaussagen von Juden für sich allein überhaupt keine Beweiskraft haben.« Für die Bewertung der erbbiologischen Gutachten im Rahmen der Beweiswürdigung forderte der Staatssekretär einen strengeren Maßstab. Die Gutachten sollen nur dann für eine Widerlegung der gesetzlichen jüdischen Abstammung ausreichen, wenn sie sich mit genügender Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit für die behauptete anderweitige Abstammung aussprachen.1 In dieselbe Richtung zielte ein Schreiben des Justizministeriums vom 3. Oktober 1944 an die Partei-Kanzlei der NSDAP. Dort hieß es, dass insbesondere Aussagen von Angehörigen und Freunden sowie mangelhafte Gutachten für eine Glaubhaftmachung der wahren Abstammung regelmäßig nicht ausreichen dürften.2 Ebenfalls im Justizministerium wurde ein weiteres Schreiben an den Oberreichsanwalt beim Reichsgericht formuliert. Justizminister Otto Georg Thierack verlangte darin für die Überprüfung von Urteilen, durch die die rassische Einordnung von Juden und jüdischen Mischlingen verbessert worden sei, strengere Regeln: Die Belange der Volksgemeinschaft erfordern [es], dass derartige Urteile auch noch nach Jahren richtiggestellt werden. Ich halte es deshalb für erforderlich, dass alle Urteile, die ohne voll ausreichende Beweise die rassische Einordnung verbessert haben, überprüft werden, und zwar auch dann, wenn eine Bestätigung der Entscheidung zu erwarten ist.3

Um eine nachträgliche Änderung der Abstammungsbescheide zu erreichen, verleugneten beispielsweise Kinder ihre Väter, Eltern ihre Kinder oder Ehemänner ihre Frauen, weil sie nur so meinten, in Amt und Würden bleiben zu können. Der Disput um die »biologische Wirklichkeit«  195

So wandte sich Alfred Halm aus Berlin Hilfe suchend an Staatskommissar Hinkel. Jahrelang war er Direktor deutscher Bühnen gewesen und hatte sein gesamtes Vermögen in das Theater am Berliner Nollendorfplatz investiert. 1933 wurde er in die Reichskulturkammer aufgenommen, sodass er als Filmautor weiterhin den Lebensunterhalt für sich, seine Frau und sein damals 14-jähriges Kind verdienen konnte. Am 18. Juni 1935 aber wurde er plötzlich wegen »Nichtarierschaft« aus der Kammer ausgeschlossen und war damit zugleich arbeitslos. Als 73-Jähriger flehte er nun Hinkel an, den Ausschluss rückgängig zu machen. Dabei sei er, was er leider nicht nachweisen könne, »nicht einmal Volljude, sondern ein uneheliches Kind eines sehr arischen Vaters aus der österreichischen Aristokratie«.4 Wer ihn sehe, seine Gewohnheiten und seinen Charakter kenne, werde bestätigen, dass er von einem Juden gar nichts an sich habe. Das Schreiben schaffte ihm nicht die erhoffte Erleichterung, sondern bewirkte das Gegenteil. Hinkel ließ ihn wissen, dass ihm »ein Verkauf von Filmideen an arische Autoren oder eine sonstige Betätigung, die das Gebiet der Reichskulturkammer umschließt«, nicht gestattet war.5 Staatssekretär Stuckart war es im Übrigen auch, der im Rahmen der Wannseekonferenz einen radikalen Vorschlag zur Lösung des »Mischling-Problems« präsentierte. Er warnte – so ist bei Friedländer zu lesen, »vor der beträchtlichen Menge an bürokratischer Arbeit, welche die mit Mischlingen und Mischehen verbundenen Fragen bereiten würden, und empfahl mit Nachdruck die generelle Sterilisierung der Mischlinge ersten Grades als politische Strategie. Darüber hinaus sprach er sich für die Möglichkeit aus, Mischehen durch ein Gesetz zu annullieren«.6

Verleugnung und Änderung der eigenen Abstammung Die größten Demütigungen, die Abstammungsprüfungen für den Einzelnen mit sich brachten, hatten Ehefrauen zu erdulden, wenn sie zugunsten ihrer Kinder »Seitensprünge mit Ariern« einräumen mussten. Sie bedeuteten eine psychische Tortur und sind kaum nachvollziehbar, wie die folgenden Fälle eindringlich zeigen.

196  Der Disput um die »biologische Wirklichkeit«

Gerti Hiller

Für die seelische Notlage, in der sich die Menschen befanden, steht der Fall von Gerti Hiller. Für sie hatte sich der Kunstmaler Anton Leidl eingesetzt, der sich am 30. März 1940 an Staatssekretär Hans Pfundtner im Reichsinnenministerium gewandt hatte. Es handelte sich um dieselbe Person, die schon wegen des IG-Farben-Chefchemikers Heisel interveniert hatte. Die Tochter der ihm nahestehenden Familie eines an einem Kriegsleiden verstorbenen Majors im Bayerischen Generalstab wolle sich kriegstrauen lassen, der Bräutigam, der an der Westfront eingesetzt sei, dränge auf Heirat. »Nun ist aber bei der jungen Dame der Großvater mütterlicherseits nicht ganz so, wie es erwünscht wäre«, schrieb Leidl. Darum habe die Braut schon vor einem halben Jahr beim Reichsamt für Sippenforschung eine anthropologische Untersuchung beantragt. Vielleicht könne der Staatssekretär als oberster Chef des Amtes helfen, »dass in diesem Fall auch einmal die biologische Wirklichkeit in den Vordergrund geschoben werden« könne. Fräulein Hiller zeige keine nichtarischen Züge und »schon der Umstand, dass die nichtarische Reihe der Ahnen Nagelschmiede waren, also ein ehrbares Handwerk betrieben, scheint mir wichtig, ebenso, dass der nichtarische Großvater Hauptmann d. R. war«. Für die »seelische deutsche Artung« stehe er voll und ganz ein, er könne sich »ein deutscheres Mädchen kaum vorstellen. Bescheiden, pflichtbewusst, national«.7 Beigefügt war der Antrag von Gerti Hiller an die Reichsstelle für Sippenforschung. Mit einer Vielzahl von Urkunden, Fotos und eidesstatt­ lichen Versicherungen wollte sie um ihre »biologische Erhöhung kämpfen«. Nach ihrem Abstammungsbescheid gelte sie als »Mischling 2. Grades«, weil mein Großvater mütterlicherseits, Hauptmann d. R. Direktor Heinrich Riegelmann, Fürth, von zwei jüdischen Eltern abzustammen scheint«. Aus der Versicherung seines Sohnes gehe jedoch hervor, »dass Heinrich Riegelmann nicht der Sohn des Kaufmanns A. Riegelmann ist, sondern dass vielmehr seine Mutter Babette Riegelmann, geb. Wassermann, Tochter des Nagelschmiedemeisters Wassermann zu Fürth, diesen Sohn von einem nichtjüdischen italienischen Brauereidirektor, einem Geschäftsfreund ihres Mannes, außerehelich empfangen hat. Infolgedessen müsse ihre Ahnentafel Verleugnung und Änderung der eigenen Abstammung  197

dahingehend abgeändert werden, dass unter ihren 8 Urgroßeltern nur ein Elternteil nicht deutschen oder artverwandten Blutes ist, sodass ich selbst nicht Mischling zweiten Grades, sondern zivilrechtlich deutschen oder artverwandten Blutes bin.8

Dies sollten auch die zahlreichen beigefügten Fotos beweisen. Und weiter hieß es: Da der Name meines biologischen Urgroßvaters mütterlicherseits nicht bekannt ist, kann allein eine rassenbiologische Analyse den Beweis erbringen, dass ich durchweg deutschen oder artverwandten Blutes bin. Schon ein flüchtiger Blick auf das Lichtbild Heinrich Riegelmanns lässt erkennen, dass es sich hier um einen jüdisch-mediterranen (also artverwandt-blütigen) Mischling handelt. Heinrich Riegelmann heiratete eine rassisch hoch zu bewertende Angehörige der Sippe Holper. Die Tochter aus dieser Ehe ist meine Mutter, die, wenn ihr Vater nicht Mischling ersten Grades wäre, niemals in einer so stark deutschblütigen Prägung der Holperschen Sippe hätte herausgemendelt werden können. (…) Ich darf von mir behaupten, dass ich aufgrund der erbbiologischen Substanz meiner Mutter in Verbindung mit dem Blutserbe meines Vaters im Erscheinungs- und Erbbild als durchaus deutschblütig angesprochen werden kann. Wäre das nicht der Fall, so hätte sich wohl auch ein aktiver deutscher Wehrmachtsangehöriger vor einiger Zeit nicht mit mir verlobt.9

Für Pfundtners Persönlichen Referenten Kaibel reichte die eidesstattliche Versicherung als Beweis einer »außerehelichen Erzeugung«, nicht aus. Stattdessen kündigte er eine «erbkundliche Untersuchung« an.10 Pfundtner dagegen setzte sich für eine »Ausnahme von den Nürnberger Gesetzen« ein und teilte dies am 25. Oktober 1940 dem Chef der Reichskanzlei mit.11 Gerti Hiller gelte als »Mischling zweiten Grades«, weil ihr halbjüdischer Großvater mütterlicherseits der jüdischen Religionsgemeinschaft angehört habe. Blutsmäßig sei sie nur Achteljüdin. Er befürworte »die Gleichstellung mit deutschblütigen Personen und bitte, den Antrag dem Führer zu unterbreiten«. Trotz dieser Fürsprache zog sich der Fall hin. Am 28. Oktober 1940 informierte Kaibel den Kunstmaler Leidl, die befürwortende Stellungnahme des Beauftragten des Stellvertreters des Führers sei inzwischen 198  Der Disput um die »biologische Wirklichkeit«

eingegangen. Daraufhin sei der Antrag »auf Gleichstellung mit deutschblütigen Personen« dem Chef der Reichskanzlei, Reichsminister Hans Heinrich Lammers, »zur Herbeiführung der Entscheidung des Führers« zugeleitet worden.12 Aber noch am 16. Juli 1943 stand die Entscheidung aus: Kaibel schrieb Leidl diesmal, er könne daran leider nichts ändern, wolle aber betonen, »dass nach der Lage des Falles Hiller an einer positiven Entscheidung des Führers, den wir auch über Herrn Minister Lammers nicht um eine Beschleunigung bitten können, nicht gezweifelt wird«.13 Curt Sonntag

Um eine Änderung der Abstammungsbescheide seiner Kinder ging es Reichsgerichtsrat i. R. Curt Sonntag. Er bemühte sich verzweifelt, seinen Kindern eine – wenn auch ungewisse – Zukunft zu sichern. »Wie sich aus den eingereichten Unterlagen ergibt, ist es zweifelhaft, ob meine Kinder arischer Abstammung sind«, schrieb er dem Kölner Regierungspräsidenten. Der Zweck meiner Eingabe vom 22. Nov. 1935 war, im Gnadenwege eine authentische Klärung dieser Zweifel im Sinne der arischen Abstammung meiner Kinder herbeizuführen. Diesem Zweck würde es entsprechen, wenn der zu erlassenden Verfügung des Führers und Reichskanzlers folgende Fassung gegeben würde: »Die Kinder des Reichsgerichtsrats i.R. Dr. Curt Sonntag, nämlich Erika Bierbach Elen Lorscheidt Edith Sonntag Hans Joachim Sonntag gelten als Vollarier.« Sollte der Behörde diese Formulierung zu weit gehen, so erlaube ich mir folgenden Vorschlag: »Soweit in Gesetzen oder Verordnungen der Nachweis der arischen Abstammung für erforderlich erklärt ist, gilt dieser Nachweis für die Kinder des Reichsgerichtsrat i. R. Dr. Curt Sonntag, nämlich: (…) als erbracht.« Verleugnung und Änderung der eigenen Abstammung  199

Einen Abstammungsnachweis über Staatsanwaltschaftsrat Robert Neuhoff füge ich wunschgemäß bei. Die Angaben entstammen einem umfangreichen, bereits im Jahr 1924 aufgestellten Stammbaum.14

Der Ausgang dieser Petition war den Dokumenten im Bundesarchiv nicht zu entnehmen. Heinz Wismann

Gegen die Unterstellung der bewussten »jüdischen Versippung« wehrte sich Ministerialrat Heinz Wismann und übte dabei gleichzeitig Verrat an seiner Braut und späteren Ehefrau. Pikant war in diesem Fall zudem, dass Wismann im Propagandaministerium beschäftigt war und dort auch für die »rassische Reinheit« zu sorgen hatte. Dazu hatte SS-Obersturmführer Menz am 3. April 1937 dem Reichsführer-SS Folgendes geschrieben: Der Obengenannte ist seit dem Jahre 1933 im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda tätig. Seit 1934 leitet er als Beamter auf Widerruf mit der Dienstbezeichnung Ministerialrat die Abteilung VIIII (Schrifttum). Zugleich ist er Vizepräsident der Reichsschrifttumskammer. Seit 1932 gehört Wismann der NSDAP an. Eine Zeit lang galt er als unbekannt verzogen und war aus den Listen der zuständigen NS-Ortsgruppe gestrichen. Das Nähere geht aus den Akten der Partei hervor, die bereits durch den Leiter der Gruppe Buchhandel in der Reichsschrifttumskammer, Verlagsleiter des Eher-Verlages, Pg. Wilhelm Baur (Träger des Goldenen Ehrenzeichens) angefordert sind. Durch Pg. Baur hat auch Reichsleiter, SSObergruppenführer Amann, von den gegen Wismann schwebenden Vorgängen Kenntnis erhalten. Im Jahre 1929 heiratete Wismann ein Fräulein Elsbeth Melanie Faust, Tochter des jüdischen Kaufmanns Moritz Faust und seiner mosaischen Ehefrau Karoline, Friederike Luise, geborene Fischer. Von dieser wurde er am 21.4.1934 laut Urteil des Landgerichts Berlin rechtskräftig geschieden. Aus den Akten geht hervor, dass die Klage von der Ehefrau erhoben wurde, die dem Beklagten Verweigerung des ehelichen Verkehrs und seine Bekanntschaft mit der Stenotypistin im Ministerium, Fräulein Hüssener, der jetzigen Ehefrau des Wismann, vorwarf, die er vor der Scheidung als 200  Der Disput um die »biologische Wirklichkeit«

seine Frau bezw. Braut ausgegeben hatte. Da Wismann diesen Angaben nicht widersprach, wurde die Ehe innerhalb von drei Wochen geschieden. (…) Aus den Akten geht nicht hervor, dass die Faust von mosaischen Eltern abstammt; vielmehr ist ihre Religionszugehörigkeit als evangelisch festgestellt. Die Scheidungsakten sollen eine Zeit lang bei der Personalabteilung des Ministeriums gelegen haben. Da aus den Akten – wie erwähnt – nichts über die nichtarische Abstammung der Faust zu entnehmen ist, entfällt der mögliche Vorwurf, dass das Ministerium von der jüdischen Versippung des Wismann Kenntnis gehabt hat. Es war dem Unterzeichneten nicht möglich, in Erfahrung zu bringen, wann die Faust getauft worden ist; ob Wismann bei seinem Eintritt in das Ministerium hinsichtlich der Abstammung seiner damaligen Ehefrau, geb. Faust, unwahre Angaben gemacht hat; ob Wismann der Partei gegenüber in dieser Hinsicht unwahre Angaben gemacht hat.15

Allein diese Beispiele machen deutlich, in welcher seelischen – und häufig auch materiellen – Notlage sich Menschen befanden, wenn sie ihren Abstammungsbescheid ändern lassen wollten – und in der Regel waren es Frauen, denen besondere Opfer abverlangt wurden. Um die »rassische« Einordnung ging es auch in den nachfolgenden Fällen. Julius Alban

Julius Alban war offensichtlich Sohn des Uhrmachers Julius Alban sen., einem Volljuden, und dessen Ehefrau Rahel, geb. Mendel. Der Großvater mütterlicherseits war Volljude, die Großmutter mütterlicherseits, Johanna, geb. Reditschker, war Russin und Arierin und war bei ihrer Heirat zum jüdischen Glauben übergetreten. Um im Nationalsozialismus eine Überlebenschance zu bekommen, focht Julius Alban die Vaterschaft von Julius Alban sen. an. Dazu schrieb Oberregierungsrat Kaibel der Reichsstelle für Sippenforschung: In Wirklichkeit ist jedoch nicht der gesetzliche Vater des Dr. Julian Alban sein Erzeuger, sondern sein leiblicher Vater ist der Konditoreibesitzer Rudau in Rössel. Demzufolge würde, wenn man von der gesetz­ Verleugnung und Änderung der eigenen Abstammung  201

lichen Abstammung ausgeht, Herr Dr. Julius Alban 3 jüdische Großeltern und 1 arischen Großelternteil haben (Großmutter mütterlicherseits), wobei jedoch Letztere nach § 5 der ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz deshalb als jüdisch gilt, da sie zur jüdischen Religionsgemeinschaft übergetreten ist. Mit anderen Worten würde, wenn man von der gesetzlichen Vaterschaft ausgeht, Dr. Julius Alban nach den Gesetzesbestimmungen Volljude sein. In Wirklichkeit ist jedoch blutmäßig, da Herr Rudau der natürliche Vater ist, Dr. Julius Alban nur zu 25%, nur vom Großvater mütterlicherseits her Jude und unter Berücksichtigung des oben zitierten § 5 zu 50%. Dr. Alban nimmt für sich in Anspruch, dass er sich seit seiner frühesten Jugend an in jüdischen Kreisen nicht wohlgefühlt hat, sich seiner ganzen Einstellung und Geisteshaltung nach nicht als Jude, sondern voll und ganz als Arier fühlt, wie er dies auch durch seine ganze Laufbahn in Krieg und Frieden und durch seine sportliche Betätigung bewiesen hat. Insbesondere spricht hierfür, dass er seinem gesetzlichen Vater gegenüber mit 19 Jahren seinen Austritt aus der jüdischen Religionsgemeinschaft und seinen Übertritt zum evangelischen Glauben erzwungen hat. Nicht um materieller Vorteile wegen legt Herr Dr. Alban Wert darauf, dass seine Abstammungsfrage dahingehend geklärt wird, dass er nach dem Gesetz zum mindesten als Nichtjude gilt. Denn materiell kann die Stellung von Herrn Dr. Alban als angesehener Zahnarzt sowohl in Deutschland als auch im Falle einer Verlegung seines Wohnsitzes ins Ausland als gesichert angesehen werden. Es ist für Herrn Dr. Alban ein inneres Bedürfnis, Deutscher zu sein, mit allen Pflichten, die im Frieden und Krieg die Reichsangehörigkeit auferlegt. Insbesondere aber hält sich Dr. Alban seinem Sohn gegenüber für verpflichtet, für die Klarheit der Rassefrage zu sorgen, was praktisch nur möglich ist, solange seine Mutter noch lebt. Als Beweis trägt Herrn Dr. Alban vor: Die Ehe seiner Eltern sei schon vor seiner Geburt und auch weiterhin bis zuletzt denkbar unglücklich gewesen, Julius Alban sen. nahm sich in der Ehe jede Freiheit und vernachlässigte seine Frau, sodass diese in Beziehungen zu Rudau trat. Alban sen. hat von der Geburt an seinen Sohn niemals als seinen leiblichen Sohn angesehen, weil er genau wusste, dass er nicht der Vater gewesen sein konnte. (…) Weiterhin hat die Mutter des Herrn Dr. Alban an Eides statt versichert, dass Rudau der natür202  Der Disput um die »biologische Wirklichkeit«

liche Vater ist. Diese Dokumente müssten allein genügen, um den vollen juristischen Beweis dafür zu erbringen, dass a) Julius Alban sen. nicht der Vater ist, b), dass es Rudau ist.16

In diesem Fall lehnte die Reichsstelle für Sippenforschung den Antrag ab und bekräftigte, dass Alban sen. der Vater sei. Otto Lummitzsch

Otto Lummitzsch hatte 1919 die »Technische Abteilung« aus ehemaligen Angehörigen der Kriegsmarine und der Armee geschaffen. Im Herbst 1919 wandelte er sie aufgrund der Bestimmungen des Versailler Friedensvertrags zur Technischen Nothilfe (TN) um, die dem Reichsministerium des Innern unterstand. 1934 wurde er seines Postens enthoben, weil er sich weigerte, sich von seiner »halbjüdischen« Frau scheiden zu lassen. Lummitzsch trat dann in die Leitung der AEG ein und war dort bis Juni 1946 Direktor in der Zentralverwaltung Berlin. Aus der Ehe waren zwei Töchter hervorgegangen, die nach den NSRassengesetzen als »Mischlinge« galten. Mithilfe von Staatssekretär Pfundtner gelang es Lummitzsch, seine Töchter »rassisch« aufwerten zu lassen. Dafür dankte er in einem Schreiben vom 9. November 1940: Mit Schreiben vom 4. 11. 1940 wurde mir von dem Herrn Reichsminister und Chef der Reichskanzlei mitgeteilt, dass der Führer meine Töchter deutschblütigen Personen gleichgestellt hat. Ich weiß, dass ich diese für das ganze Leben meiner Töchter so außerordentliche bedeutungsvolle Entscheidung Ihrer Befürwortung verdanke und bitte Sie, meinen wärmsten, unauslöschlichen Dank entgegennehmen zu wollen.17

Heinz Rabe

Am 27. März 1934 bescheinigte der NSDAP-Ortsgruppenleiter von Halle-Lutherlinde, dass der Parteigenosse Dr. Heinz Rabe am 4. April 1933 in die Partei eingetreten war, sich an allen Parteiveranstaltungen, an den Nachtstreifen und beim »Wahlschleppdienst« rege beteiligt hatte.18 Seine Einstellung zum »heutigen Staat« sei »außerordentlich aktiv«, im Übrigen sei Rabe seit November 1933 in der Motor-SA tätig. Verleugnung und Änderung der eigenen Abstammung  203

Für Rabe setzte sich auch der Generalinspekteur des Bundes Nationalsozialistischer Juristen, Erwin Noack, ein. Er bescheinigte Rabe, »ein äußerst rühriger und fleißiger Mitarbeiter« sowie ein »unbedingt zuverlässiger Nationalsozialist« zu sein.19 Ähnlich äußerte sich Karin Ottens als Parteigenossin und Trägerin des »Ehrenzeichens der Bewegung«.20 Es liege sicherlich ein Ausnahmefall vor, »der nach nochmaliger Prüfung vom Führer entschieden werden könnte«, schrieb sie. Mit Nanny Dietlein meldete sich eine weitere Trägerin des »Ehrenzeichens«. Sie kam auf den Kern der Angelegenheit zu sprechen, als sie meinte: »Die nichtarische Frau würde in diesem Falle praktisch keine nachteiligen Folgen haben, da die Ehe kinderlos ist und nach ärztlichem Gutachten bleiben wird und lediglich der Mann um Aufnahme als Parteimitglied bittet, der seinerseits aber arischer Herkunft ist.«21 Nach über einem Jahr befürwortete der Reichsminister der Justiz das Verbleiben Rabes im Vorstand der Anwaltskammer für den Bezirk des Oberlandesgerichts Naumburg, im Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen (BNSDJ) sowie im Fliegersturm.22 Dem schloss sich der Chef der Reichskanzlei Lammers an, der am 12. Dezember 1935 feststellte, die »nicht rein arische Abstammung Ehefrau Rabe« stehe der Mitgliedschaft in den genannten Einrichtungen nicht entgegen.23 Heinrich Veit Simon

Heinrich Veit Simon, Rechtsanwalt am Berliner Kammergericht, war Jude und mit einer »reinen Arierin« verheiratet. Beide hatten die Aufnahme in den Kulturbund Deutscher Juden beantragt, doch das wurde ihnen verwehrt. »Der Kulturbund hat die Aufnahme meiner Frau mit der Begründung abgelehnt, dass er nach Vorschrift des Herrn Ministers Arier nicht aufnehmen dürfe«, beklagte sich Simon. »Da ich annehme, dass sich dieses Verbot nicht auf die Ehefrauen von Juden bezieht, bitte ich zu gestatten, dass meine Frau Irmgard, geb. Gabriel, Tochter des verstorbenen Kaiserlich-Deutschen Generalkonsuls für NiederländischIndien, Dr. Hermann Gabriel, und seiner Ehefrau Zella, geb. Wolter, in den Kulturbund Deutscher Juden aufgenommen wird und ich ermächtigt werde, dem Kulturbund die Genehmigung vorzulegen.«24 Diese Bitte wurde abgelehnt.

204  Der Disput um die »biologische Wirklichkeit«

Elisabeth Niemann

In einer extremen, aber für die damalige Zeit geradezu typischen Notlage befand sich Elisabeth Niemann, die sich am 14. Juli 1936 Hilfe suchend an Staatskommissar Hans Hinkel wandte: Da mir bekannt ist, dass die mit dem Arier-Paragrafen zusammenhängenden Angelegenheiten zu Ihrem Ressort gehören, möchte ich Ihnen einen Fall darlegen, um Klarheit darüber durch die erste Instanz zu erlangen. Im Frühjahr 1933 erst erfuhr ich, dass mein Vater nichtarischer Abstammung sei. Er war früh verwaist bei katholischen Verwandten aufgezogen und katholisch getauft. Ich bin seit 1923 mit einem Arier verheiratet, habe zwei Söhne, 12 und 9 Jahre alt, und erwarte Ende dieses Monats ein drittes Kind. Meine Jungens sind also zu einem Viertel nichtarisch, wovon ihnen aber weder äußerlich noch im Charakter etwas anzumerken ist. Sie sind evangelisch wie mein Mann, ich selbst und auch meine Mutter (Arierin). Der jüngere Knabe weiß von diesem »Manko« noch nichts, während ich gezwungen war, es dem Älteren bei der im Frühjahr stark einsetzenden Jungvolk-Werbung mitzuteilen. Da das Kind sich noch nie anders denn als Deutscher gefühlt hatte, war es sehr bestürzt, und die immerwährenden Fragen von Werbern, Lehrern und Mitschülern steigerten seine Beschämung, die, verbunden mit der Angst, die Kameraden könnten den wahren Grund seines Nichteintritts erfahren, zu fieberhafter Erkrankung führte. Während der Junge krank lag, teilte ich dem Ordinarius den Sachverhalt mit, da das Kind wohl als Einziges in der Klasse ausgeschlossen war. Auch versuchte ein anderer Lehrer unseres Sohnes festzustellen, ob eine Aufnahme möglich wäre, erhielt aber von den mit der Werbung beauftragten Oberprimanern den Bescheid, es sei nicht möglich, auch bei nur einem Viertel. Sie müssten sich nach ihren Vorschriften richten. Auch beim Zehlendorfer Turn- und Sportverein (1888) wird auf dem Aufnahmeformular die Versicherung der arischen Abstammung der Kinder verlangt. Wo bleibt da die Anwendung der Beschlüsse vom Reichsparteitag in Nürnberg 1935?25

Es zeigt sich hierbei übrigens auch, wie vergiftet von der nationalsozialistischen Ideologie bereits die Oberprimaner waren. Hinkel ließ lapidar antworten, er sei für »die Überwachung der in Deutschland lebenden Juden und Nichtarier lediglich auf geistigem und kulturellem Gebiet« Verleugnung und Änderung der eigenen Abstammung  205

zuständig, Frau Niemann solle sich doch direkt an die Reichsjugendführung wenden. Geholfen war der Familie damit keinesfalls.26 Hildegard Burghardt

Am 2. November 1937 meldete sich Hildegard Burghardt in der Dienststelle des Hitler-Stellvertreters Heß, weil sie auf der Suche nach ihrem arischen Vater angeblich fündig geworden war. Dazu liegt folgender Vermerk vor: Fräulein Hildegard Burghardt, Frankfurt a.M., spricht hier am Dienstag, den 2. 11. vor und legt einen Antrag auf Arisch-Erklärung an den Stellvertreter des Führers vor, der jedoch – wie sie erklärt – nicht an diesen, sondern auf dem Wege über die Reichskanzlei an das Reichsministerium des Innern und von hier an den Regierungspräsidenten in Wiesbaden weitergegeben worden sei. Ihre in dem Antrag enthaltene Erklärung, ihr außerehelicher Vater sei Jude, entbehre nach neueren Nachforschungen der Unterlage, ihr Erzeuger sei vielmehr nun bekannt. Sie bittet um Nachforschung nach dem Schicksal ihres Gesuchs. (Adresse des angeblichen Erzeugers: Walter Nassauer, Oberursel/Taunus, Fabrikant, Frontkämpfer, hat angeblich Ehrenkreuz.)27

Niemand kann heute wohl noch nachvollziehen, welche Höllenqualen Mutter und Tochter durchlitten haben müssen, um den Ehemann beziehungsweise Vater derart zu verleugnen. Zynisch berichtete das antisemitische Hetzblatt Der Stürmer über solche Fälle:28 Beim Ostrauer Kreisgericht häuften sich die Klagen, die sich mit der Feststellung der Abstammung beschäftigten: »Juden wollen nicht mehr Juden sein.« Sie strebten ein Urteil an, wonach festgestellt werden sollte, dass ein Elternteil arisch sei und sie demnach nicht mehr Juden seien. 1942 titelte das Blatt: »Erbärmliche Judenschwindelei im Protektorat. Juden suchen arische Väter. Mein Mann [meine Mutter] hat Ehebruch betrieben.«29 Felix William Wickel

Formell war zwar das Reichsministerium des Innern für die Erstellung beziehungsweise Abänderung von Abstammungsentscheiden zuständig, 206  Der Disput um die »biologische Wirklichkeit«

doch abgesehen von Hitler selbst, war in diesen Fällen der »Stellvertreter des Führers« und später die Partei-Kanzlei der NSDAP dazu berechtigt. Das »Amt für Gnadensachen« innerhalb der Partei-Kanzlei befasste sich unter anderem mit dem Fall eines gewissen Felix William Wickel, der wegen seiner Abstammung damit rechnen musste, aus der NSDAP ausgeschlossen zu werden. Derzeit werde ein Gnadengesuch behandelt, nach dem er trotz nicht rein arischer Abstammung in der Partei bleiben dürfe, ließ das Amt am 30. März 1938 Hitlers Adjutantur wissen. »Wickel ist nach den einwandfreien Feststellungen der Reichstelle für Sippenforschung Halbjude.« Eine abschließende Äußerung Hitlers stehe noch aus, hieß es jedoch.30 Wilhelm Vogel

An Staatskommissar Hinkel wandte sich Wilhelm Vogel am 6. August 1936. Er habe am 9. Juli bereits ein »Bittgesuch an den Herrn Reichskanzler und Führer« gerichtet, »um eine Ausnahme vom Verlegergesetz für mich zu erwirken. Ich bin Arier, bin aber mit einer nichtarischen Frau verheiratet. Da ich inzwischen hörte, dass Sie, Herr Staatskommissar, in diesen Angelegenheiten das entscheidende Wort sprechen, erlaube ich mir, an Sie die ergebene Bitte zu richten, mir Gelegenheit zu persönlichem mündlichen Vortrag derjenigen Gründe und Tatsachen zu geben, die eine Sonderbehandlung in meinem Falle rechtfertigen könnten«.31 Heinrich Braun

Um Hitlers »Gnade« bat Professor Heinrich Braun aus Wien am 14. April 1940. Mit Bescheid der Reichsmusikkammer vom 11. März 1939 war sein Aufnahmegesuch abgelehnt worden, weil er die nach der Reichskulturkammergesetzgebung erforderliche Eignung im Sinne der nationalsozialistischen Staatsführung nicht besaß. Braun bat nun Ihre Gnaden, mein Führer (…) in Würdigung der folgenden Ausführungen mir ausnahmsweise die Aufnahme in die Reichsmusikkammer zu bewilligen. Der Grund, warum die Reichsmusikkammer mir die Aufnahme als Mitglied verwehrt, ist darin zu suchen, dass ich als Sohn eines jüdischen Vaters Verleugnung und Änderung der eigenen Abstammung  207

und einer rein arischen Mutter nach den Nürnberger Gesetzen Mischling 1. Grades bin. Meine ganze Erziehung war frei von jüdischem Einfluss, da ich als Zögling der national gefärbten staatlichen Lehrerbildungsanstalt in Wien, III., nur deutsches Gedankengut in mich aufnahm. Demgemäß habe ich auch sofort nach der Reifeprüfung im Jahre 1910 das Elternhaus verlassen und mich nationalen Vereinigungen angeschlossen, war z. B. im Verein mit dem Tondichter Hans Wagner-Schönkirch Gründer des Wiener LehrerA-capella-Chores, solistisches Mitglied des Wiener Männer-Gesangvereines, Mitglied des Deutschen und Oesterr. Alpenvereines. (…) Mein Führer! Nach 30 Jahren musikalischer Lehrtätigkeit wird es mir jetzt unmöglich gemacht, auf dem mir vertrauten und lieb gewordenen Gebiete weiterzuarbeiten. Was eine derartige Verurteilung zur Untätigkeit bedeutet, vermag wohl nur ein Musiker zu ermessen. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass schon die erste ablehnende Entscheidung mich tief unglücklich gemacht hat, immerhin durfte ich hoffen, dass das Reichsministerium dieselbe aufheben werde. Nun auch diese Entscheidung zu meinen Ungunsten ausgefallen ist, bleibt mir nichts übrig, als Sie, mein Führer, zu bitten, mir wieder den Weg zu der Tätigkeit zu eröffnen, mit der ich seit Jahren verwachsen bin.32

Immerhin: Die Partei-Kanzlei wandte sich noch einmal an das Propagandaministerium und regte an, »die Angelegenheit des Professors Braun einer nochmaligen Prüfung zu unterziehen. Sollte das Ergebnis dieser Prüfung wieder negativ sein, bitte ich, mir eine Äußerung zukommen zu lassen, die mich instandsetzt, dem Gesuchsteller eine Antwort zu erteilen«.33 Harriet von Campe

Die Willkür der NS-Behörden offenbart in dramatischer Weise der Fall der Freifrau Harriet von Campe.34 Der Amerikaner T. St. Gaffney, Generalkonsul in München, wurde am 22. September 1936 beim Staatssekretär im Reichsministerium des Innern, Hans Pfundtner, vorstellig, um sich für Harriet von Campe, Enkelin des Bankiers Gerson Bleichröder, einzusetzen und einen Reichsbürgerbrief für sie zu erbitten.35 Dem beigefügten Gesuch war zu entnehmen, dass der Vater der damals 45-jährigen Freifrau »nichtarisch« 208  Der Disput um die »biologische Wirklichkeit«

war. Ihre Familie lebte seit zweihundert Jahren in Berlin, hieß es in dem Schreiben, und die Freifrau sei »vollkommen nationalsozialistisch eingestellt«. Bleichröder war ein konservativer deutscher Jude, der die privaten Geldangelegenheiten von Reichskanzler Otto von Bismarck geregelt und für den preußischen Staat Millionen-Transaktionen organisiert hatte. Als Anerkennung für seine loyalen Dienste wurde Gerson Bleichröder 1872 in den Adelsstand erhoben. Die Erben des Bankiers versuchten auf verschiedene Weise, sich in die preußisch-wilhelminische Gesellschaft einzugliedern. Anita Wilhelmine Sammy Harriet, 1892 auf dem ehemaligen sächsischen Rittergut Schloss Drehsa in Weißenberg bei Bautzen als Tochter von James und Harriet von Bleichröder geboren, heiratete Jordan von Campe, einen Freiherrn aus uralter braunschweigischer Adelsfamilie. Die Ehe war von kurzer Dauer und blieb kinderlos. Die Zeitgenossen argwöhnten, sie habe durch die Eheschließung der Einordnung als Jüdin entgehen wollen. In Gaffneys Schreiben hieß es weiter, die Freifrau habe sich ihr Leben lang als »Mischling« betrachtet und sei dreizehn Jahre mit einem »Arier«, Jordan Freiherr von Campe, verheiratet gewesen. Trotz aller Eingaben teilte der Reichsminister des Innern Harriet von Campe am 7. Juni 1937 mit, dass ihrem Anliegen nicht entsprochen werde und der Bescheid endgültig sei.36 Doch da sie nicht aufgab, zog sich die Angelegenheit bis April 1942 hin. Das Reichssippenamt befand, dass sie als Jüdin zu gelten habe. Daraufhin teilte der »Vollarier« Rudolph A. Herrschel, zugleich Campes Vermieter, dem Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, mit, die Freifrau sei bereit, ihr Vermögen von 60 000 RM sofort für gute Zwecke zur Verfügung zu stellen, wenn sie ein Gnadengesuch an den »Führer« richten dürfe, um wenigstens als Halbarierin eingestuft zu werden.37 Ins Spiel gebracht wurde nun, dass der tatsächliche Erzeuger der Freifrau der arische Architekt Hermann Ende sei, mit dem die Mutter Ehebruch begangen habe. Aber das Reichssippenamt erkannte eine eidesstattliche Versicherung des angeblichen Erzeugers Hermann Ende nicht an und verwies auf »die Rassemerkmale«, die auf einen jüdischen Vater hindeuteten. Der Reichsminister des Innern kam zu dem Ergebnis, es könne »unterstellt werden, dass die Mutter der Freifrau von Campe mit Hermann Ende tatsächlich Ehebruch getrieben hat. Nach dem eindeutiVerleugnung und Änderung der eigenen Abstammung  209

gen Ergebnis der vom Reichssippenamt herbeigeführten erb- und rassenkundlichen Untersuchung ist aber die Tochter nicht aus diesem Ehebruch hervorgegangen, sondern von ihrem gesetzlichen jüdischen Vater gezeugt worden.«38 Am 10. März 1942 erfolgte die endgültige Ablehnung des Gesuchs. In einem Schreiben des Reichsinnenministers an den Polizeipräsidenten von Berlin hieß es, »Harriet Sara Freifrau von Campe« habe erneut Einwendungen gegen ihre rassische Einordnung als Jüdin erhoben und die gnadenweise Gleichstellung mit jüdischen Mischlingen zweiten Grades beantragt. Ich ersuche ergebenst, der Gesuchstellerin auf ihre Einwendungen zunächst zu eröffnen, dass ich mich nicht veranlasst sehe, die Entscheidung vom 26. Januar 1942 zu ändern, wonach sie als Jüdin rassisch einzuordnen ist. Ferner ersuche ich, sie auf die Eingabe vom 6. Februar 1942 zu bescheiden, dass ich ihren Antrag auf gnadenweise Gleichstellung mit jüdischen Mischlingen gemäß der mir vom Führer übertragenen Ermächtigung abgelehnt habe und dass diese Entscheidung endgültig ist.39

Hinzu kam in diesem speziellen Fall, dass Nazi-Funktionäre ein Auge auf die prominent gelegene Wohnung der Freifrau mit Blick über den Kurfürstendamm zum Lehniner Platz geworfen hatten. Seit November 1935 lebte sie im dritten Stock des Prachthauses am Kurfürstendamm 75. Für zwei geräumige Zimmer mit Balkon, Bad und Fahrstuhl bezahlte Harriet von Campe 120 RM Miete an den Hauseigentümer Rudolph A. Herrschel in Lichterfelde-Ost, mit dem sie auch freundschaftliche und geschäftliche Beziehungen unterhielt. Außerdem verfügte sie über eine Zweitwohnung in Garmisch-Partenkirchen in der Höllentalstraße 63. In einer eidesstattlichen Erklärung über den ehemaligen NSDAP-Kreisleiter vom 1. Oktober 1949 steht: »Am 10. November 1938 erhielt ich von Kreisleiter Johann Hausböck den Auftrag, die Jüdin Frau Bleichenröder [sic!] zu veranlassen, sich zwecks Entgegennahme einer Erklärung des Gauleiters unverzüglich zur Kreisleitung zu begeben.« Näheres ist darüber nicht mehr zu erfahren. Einerseits genossen Harriet von Campe und ihre drei Geschwister, die jeweils 120 000 RM (was nach heutigen Begriffen einem Millionenvermögen entspricht) geerbt hatten, einige Privilegien. Das Finanzamt 210  Der Disput um die »biologische Wirklichkeit«

Moabit-West verfügte am 24. Mai 1940 nach dem Tod ihres Onkels Hans eine Ausnahme: »Der Nachlass ist nicht judenvermögensabgabepflichtig.« Und die Behörde des Reichsführers-SS, Heinrich Himmler, bestätigte am 28.1.1942 eine Sonderregelung für die Bleichröder-Erben: »Da sich die vorbezeichneten Erben noch im Reichsgebiet aufhalten und auch nicht die Absicht haben auszuwandern, ist von einer Sicherstellung der inländischen Vermögenswerte des verstorbenen Hans von Bleichröder Abstand genommen worden.« Harriet von Campe, die ein materiell sorgenfreies Leben führen durfte, überwies jeden Monat 50 RM an ihre Mutter Harriet von Bleichröder, die in München lebte. Dem befreundeten Rudolph A. Herrschel, der ihr Vermögen verwaltete, hatte sie mehrere Darlehen vergeben, insgesamt 58 000 RM, die zu 4 Prozent verzinst wurden. Trotz hochrangiger Bekanntschaften wusste Harriet von Campe, dass sie sich weder in Garmisch-Partenkirchen noch in der Berliner Gesellschaft sicher fühlen durfte. Einen genauen Bericht darüber hat der Hausbesitzer Herrschel hinterlassen. Unter dem »Betreff: Mietrückstände« schrieb er später an den ihm persönlich bekannten Oberfinanzpräsidenten Karl Kuhn, der seinen Dienstsitz im Haus Cumberland am Kurfürstendamm 193/194 hatte, Harriet von Campe sei »am 22. 7. 42 von der Gestapo abgeholt und am selben Tage auch die Wohnung v.d. Gestapo versiegelt. Die Baronin war 3 Wochen noch in Berlin in Haft. Der Herr Reichsminister Lammers hatte mir geschrieben, dass er sich bei Herrn Minister Frick für die Baronin verwenden wolle. Vielleicht wurde deshalb mit ihrem Abschub noch etwas gewartet. Sie ist am 15. 8. 42 nach dem Osten dann abgeschoben worden.« Lammers war als Chef der Reichskanzlei direkt Hitler unterstellt. Bei ihm hatte sich auch der berühmte Felix von Luckner (der Autor von Seeteufel. Abenteuer aus meinem Leben), der beste Beziehungen zu Nazi-Oberen hatte, für die Freifrau eingesetzt. Doch am 21. Februar 1942 erhielt Herrschel Nachricht aus der Reichskanzlei, es gebe keine Ausnahmeregelung. Eines Tages wurde Harriet von Campe in das Sammellager in der Synagoge an der Levetzowstraße verschleppt. Dort musste sie wie alle in dieser Massenunterkunft am 13. August 1942 ihre Vermögenserklärung abliefern. In die Spalte Beruf schrieb sie: »Wicklerin A.E.G. Drontheimerstraße Wedding«. Offenbar war sie in den letzten Tagen als Zwangsarbeiterin verpflichtet worden. Verleugnung und Änderung der eigenen Abstammung  211

Zwei Tage später musste sie mit wenig Handgepäck in einer Kolonne zum Güterbahnhof Moabit an der Putlitzstraße marschieren. Mit fast tausend Menschen, darunter siebenundfünfzig Kindern unter zehn Jahren, wurde sie in einen Sonderzug der Reichsbahn gesteckt, der drei Tage später auf dem Bahnhof Riga-Skirotava ankam. Nur eine Frau aus diesem Transport, die als Krankenschwester ausgebildet war und zur medizinischen Versorgung der Bewohner des Ghettos Riga abkommandiert wurde, überlebte den Zweiten Weltkrieg. Alle anderen wurden sofort nach der Ankunft des Todeszugs aus Berlin im Wald von Bikernieki erschossen und in Massengräbern verscharrt. Über Harriet von Campes wertvollen Besitz – Orientteppiche, einen achtarmigen Kronleuchter, eine Frisiertoilette, kostbares Meißner Porzellan – machten sich sogleich die auf den Raub jüdischen Eigentums spezialisierten Händler B. Tiekötter und H. Giesecke (NAMÖ Neuund Altmöbel) her und kauften für 5060,30 RM all das auf, was sie abtransportieren konnten. Aber auch Herrschel war nicht untätig. Er schwenkte sofort um und erklärte: »Die Möbel des Wohnzimmers sind mein Eigentum.« Er sei im Übrigen bereit, »auch die Einrichtung des Schlafzimmers zu erstehen« und bot an, die gesamte Einrichtung der Wohnung »dem Büro d. Herrn Generalbauinspektor Speer zur Verfügung zu stellen. Heil Hitler! Sehr ergebenst R. A. Herrschel«. Am 3. Juni 1944 schrieb die Behörde des Oberfinanzpräsidenten einen trockenen Vermerk an die Deutsche Bank, wo Harriet von Campes Konten geplündert werden sollten: »Die Jüdin ist außerhalb des Reichs abgeschoben worden.« Und die Berliner Städtischen Elektrizitätswerke BEWAG meldeten noch Ansprüche von 18,24 RM für Stromverbrauch der Freifrau bis zum 2. März 1943 an.

212  Der Disput um die »biologische Wirklichkeit«

Hans Hinkel – Goebbels’ Wächter der Kulturpolitik

Staatskommissar Hans Hinkel ist in der bisherigen Darstellung schon häufig erwähnt worden. Dieser NS-Funktionär ist darum einer näheren Untersuchung wert.1 Hinkel, 1901 in Worms als Sohn eines Kaufmanns geboren, studierte nach dem Besuch der Oberrealschule Philosophie und Staatswissenschaften an der Universität Bonn. Er gehörte dem »Freikorps Oberland« – auch »Bund Oberland oder Kameradschaft Freikorps und Bund Oberland« genannt – an, einem zur »Schwarzen Reichswehr« zählenden Wehrverband in der Anfangsphase der Weimarer Republik. Der »Bund Oberland« bildete ab 1921 den Kern der Sturmabteilung (SA) in Bayern. Zu diesem Freikorps gehörten neben vielen späteren führenden Nationalsozialisten übrigens auch Heinrich Himmler und Hitlers Vertrauter, der »Halbjude« Emil Maurice. In München fand Hinkel über Dietrich Eckardt am 4. Oktober 1921 zur NSDAP. Im März 1923 wurde er von der Interalliierten Militär-Kontrollkommission zur Überwachung der Entmilitarisierung Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg wegen »Widerstandes gegen die Besatzungsarmee« aus Bonn ausgewiesen, darum setzte er sein Studium in München fort. Am 8. November 1923 beteiligte sich Hinkel an Hitlers »Marsch auf die Feldherrnhalle« in München. 1924 wurde er Schriftleiter an baye­ rischen Zeitungen, 1925 an dem von den Brüdern Gregor und Otto Strasser in Berlin gegründeten NS-Kampf-Verlag, in dem die nationalsozialistischen Publikationen erschienen. Nach dem Scheitern des HitlerPutsches und dem Verbot der NSDAP wurde die Partei am 27. Februar 1925 neu gegründet, und Hinkel trat ihr mit der Mitgliedsnummer 4686 erneut bei. 1927/28 war er Gaugeschäftsgeschäftsführer von HessenNassau. 1930 wurde er Mitglied der Schriftleitung des Völkischen Beobachters (für den er bis 1932 als Redakteur tätig war). Im selben Jahr wurde er Reichstagsabgeordneter und war zugleich »Reichsredner«, zudem bis 1933 Gaupresseleiter des Gaus Berlin, also in direkter Nähe von Goebbels. Mit der Mitgliedsnummer 9148 trat er 1931 der SS bei. Hans Hinkel – Goebbels’ Wächter der Kulturpolitik  213

Politische Macht gewann Hinkel als Reichsorganisationsleiter der »Nationalsozialistischen Gesellschaft für deutsche Kultur«, später umbenannt in »Kampfbund für deutsche Kultur« (KfdK) besonders als Leiter der Abteilung II A, des sogenannten Judenreferats im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda. Ab Juli 1933 überwachte Hinkel als Staatskommissar und »Reichskulturwalter« den »Kulturbund Deutscher Juden«. Seit 1935 war Hinkel im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda als Sonderbeauftragter für »Kulturpersonalien« zuständig – »Sonderreferat Hinkel – Judenfragen«. In dieser Funktion betrieb er verantwortlich den Ausschluss jüdischer Deutscher aus dem Kulturbetrieb. Hinkel, der sich selbst als Journalist bezeichnete, war in keiner Weise qualifiziert, eine verantwortungsvolle Stellung zu bekleiden, geschweige denn, über Menschenschicksale zu entscheiden. Interessant ist, wie Goebbels, Hinkels Dienstherr, den Staatskommissar einschätzte: Er misstraute ihm zutiefst, wie zahlreiche Tagebucheinträge verraten: 21. April 1931 Gestern großes Reinemachen: morgens mit Lippert2 und Hinkel Angriff durchgesprochen. Ich muss jetzt klug sein. Hinkel schwankt noch zwischen Amann3 und mir. Aber ich werde ihn schon gewinnen.“ 4 2. Mai 1931 Ich trau dem Pgn. Hinkel nicht recht. 5 4. September 1935 Hinkel ist nicht immer loyal, altes Lied.6 8. September 1935 Große Reformen in der RKK. Hinkel arbeitet gut, aber er ist persönlich nicht zuverlässig.7 19. September 1935 Ein geborener Intrigant und Lügner. Ob er auf die Dauer zu halten ist?8

214  Hans Hinkel – Goebbels’ Wächter der Kulturpolitik

26. Juni 1936 Hinkel arbeitet nicht zuverlässig. Man kann ihm kaum trauen. Ein Windmacher! Ich werde ihm etwas mehr auf die Finger schauen.9 19. November 1937 Hinkel hat einen gemeinen und dummen Vortrag gegen das Staatstheater gehalten und ihn auch noch drucken lassen. Ich komme mit Göring überein, dass der ihn sich mal vorknöpft. Hinkel ist ein ekelhafter Intrigant.10 25. Dezember 1937 Hinkel ist nun auch glücklich, dass er nun die Arisierung der Kulturunternehmen vornehmen kann. Nun soll er aber auch Ruhe geben und keinen Blödsinn mehr [machen]. 11 14. Februar 1938 Hinkel zieht sich jetzt auf seine Judenarbeit zurück. Er ist ganz resigniert. Die Arisierung der Kulturunternehmen hat er zu groß aufgezogen. Mit 90 000 Fragebogen. Ich stoppe das ab.12 12. November 1938 Mit Hinkel lege ich eine Verordnung fest, dass die Juden keine Theater und Kinos mehr besuchen dürfen.13

Ungeachtet dieser Einschätzung bekleidete Hinkel folgende Posten: Ostern 1931: Verlagsleiter des Berliner NS-Organs Der Angriff; Herbst 931: Leiter des Presseamts des NS-Gaus Groß-Berlin; Januar 1933:Staatskommissar im Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung; Sommer 1933: Leiter des Amtlichen Preußischen Theaterausschusses von Ministerpräsident Göring; Mai 1935: Geschäftsführer der Reichskulturkammer; Herbst 1935: Vorsitzender Vereinigung Künstlerischer Bühnenleiter. Er war Träger des Goldenen Ehrenzeichens der NSDAP und des Abzeichens für die die NS-Kämpfer von 1923. Als »Reichsredner« bestritt er über 3000 Parteiversammlungen. Heftige Vorwürfe richtete die Sängerin Lale Andersen am 6. Dezember 1949 in einem Schreiben an den Generalankläger beim KassationsHans Hinkel – Goebbels’ Wächter der Kulturpolitik  215

hof des Staatsministeriums für Sonderaufgaben in München. Sie habe Hinkel als einen »harten, gefühllosen Antisemiten« kennengelernt. An Hinkels »Lustfahrten« durch das Lodzer Ghetto hatten mehr oder weniger beschämt und widerwillig auch Emmi Leisner, Kirsten Heiberg, Marika Rökk, Willy Fritsch, Willi Höhe und andere teilnehmen müssen, ebenso am dortigen Gastspiel der sogenannten Berliner Künstlerfahrt. Lale Andersen selbst sei 1942 nach einem Verhör durch Hinkel wegen »philosemitischer Äußerungen« und wegen einiger Briefe an ihre jüdischen Freunde in der Schweiz, die Hinkel in die Hände geraten seien, verhaftet und mit einem Auftrittsverbot belegt worden.14 Ein anderes Bild zeichnete der Münchner Kammersänger Erich Mauck, der Hinkel seit etwa 1930 kannte. Er habe mit Hinkel Verbindung aufgenommen, um das Verbleiben von Kammersänger Richard Tauber, dessen Lehrer Mauck zeitweilig war, in Deutschland zu ermöglichen.15 Der weltberühmte österreichische Tenor war 1933 in Berlin vor dem Hotel Kempinski von einem SA-Trupp mit den Worten »Judenlümmel, raus aus Deutschland« beschimpft und niedergeschlagen worden. Eigentlich wollte Tauber sofort emigrieren, blieb aber doch, um an seiner Operette Der singende Traum zu arbeiten. Nach dem »Anschluss« Österreichs emigrierte Tauber nach Großbritannien. Hinkel habe – offenbar im Einvernehmen mit Wissenschaftsminister Rust – den Vorschlag gemacht, Tauber für arisch zu erklären und in Deutschland weiter zuzulassen. Auch Hinkels Sekretärin Ursula Framm gab in dem Spruchkammerverfahren gegen Hinkel an, dieser habe verschiedentlich »Mischlingen« oder »jüdisch Versippten« geholfen.16 Häufig habe er sich für Künstler eingesetzt, die den erforderlichen »Abstammungsnachweis« nicht vorlegen konnten. Sie nannte in diesem Zusammenhang die Schauspielerin Anneliese Born, Ehefrau des Schauspielers Albrecht Schoenhals sowie die Sängerin und Kabarettistin Eva Busch, die aufgrund einer Denunziation in ein Konzentrationslager gebracht und nach intensiven Bemühungen Hinkels freigekommen sei. Eine Fürsprecherin hatte Hinkel nach dem Zusammenbruch des NSRegimes auch in der Schauspielerin Käthe Dorsch gefunden. In einer eidesstattlichen Erklärung zählte sie im Dezember 1949 unter anderen folgende Fälle auf:17

216  Hans Hinkel – Goebbels’ Wächter der Kulturpolitik

Der Theaterdirektor und Schauspieler Leopold Kramer, jüdischer Abstammung, hatte binnen vierundzwanzig Stunden aus Wien abtransportiert werden sollen. Seine Frau, die bekannte Schauspielerin Josefine »Pepi« Glöckner-Kramer, wandte sich Hilfe suchend an Käthe Dorsch, diese rief Hinkel an, und nach ein paar Stunden wurde er von der Deportationsliste gestrichen. Mehrmals habe sich Hinkel für die Entlassung prominenter Künstler aus Konzentrationslagern eingesetzt, so für die des Theaterdirektors Arthur Hellmer oder des mit einer Jüdin verheirateten Schriftstellers August Hermann Zeiz (Pseudonym: Georg Fraser). Hermine Mutzner, die Tochter eines jüdischen Vaters war plötzlich verhaftet worden und wurde – so Käthe Dorsch – dank der Intervention von Hinkel wieder freigelassen. Schließlich soll Hinkel auch die Sängerin Anita Spada aus einem Konzentrationslager geholt haben. Trotz dieser entlastenden Aussagen war Hinkel ein entschiedener Antisemit. Bei seiner Mutter hatte er sich in einem Brief vom 9. Februar 1937 darüber beklagt, dass er und seine Mitarbeiter zahlreiche Schreiben erhielten, in denen »irgendwelche halbjüdischen Musikerfamilien« an ihn heranträten.18 Er bat seine Mutter, niemandem zu raten, sich in solchen Fällen an ihn zu wenden. Er könne sich nämlich nicht mit den Schulden oder den jüdischen Großmüttern von mehreren Hundert Wormsern befassen. In der »Judenfrage« brachte Hinkel immer wieder seinen unheilvollen Einfluss zur Geltung. Obwohl Hinkel sich in Einzelfällen für »Mischlinge« und »jüdisch Versippte« eingesetzt hat, war er ein überzeugter Antisemit und Zyniker zugleich. 1938 hatte er einen Beitrag unter der Überschrift »Die Lage der Juden in Deutschland« geschrieben, der sein wahres Denken wiedergibt.19 Darin schrieb er, dass die Juden in Deutschland trotz der »Sondergesetzgebung« weder einen ängstlichen noch bedrückten Eindruck machen, nach wie vor in wohlhabenden Stadtgegenden wohnen und einen verheerenden Einfluss haben würden. Dann stellte er diese Statistik auf: »In Preußen waren 1926 4,6 Prozent aller Redakteure, 4,8 Prozent aller selbstständigen bildenden Künstler, 11,0 Prozent aller Regisseure und 7,5 Prozent aller Schauspieler Angehörige einer jüdischen Religionsgemeinschaft, und dies bei einem Anteil von nur 0,9 Prozent ›Glaubensjuden‹ an der Gesamtbevölkerung.« Für Berlin nannte er bei einem jüdischen BevölHans Hinkel – Goebbels’ Wächter der Kulturpolitik  217

kerungsanteil von 4,29 Prozent im Jahr 1933 4,8 Prozent aller selbstständigen bildenden Künstler, 14,2 Prozent aller Regisseure, 12,3 Prozent aller Schauspieler Angehörige der jüdischen Religionsgemeinschaft. Dabei seien die »Rassejuden« noch nicht einmal erfasst. Nach ellenlangen Beschreibungen der Mischlingsformen kam Hinkel zu dem Ergebnis, die Nürnberger Gesetze seien im Ausland missverstanden worden, denn sie trügen zur »Befriedigung der Beziehungen zwischen dem deutschen Wirtsvolk und dem jüdischen Gastvolk bei«. Im Übrigen hätten die vielen jüdischen Bühnen- und Filmkünstler dem deutschen Publikum unter gar keinen Umständen mehr zugemutet werden können. Man hätte die jüdischen Künstler ihrem Schicksal überlassen können, aber eine solche Haltung liege nicht in der Natur des deutschen Menschen, »der gegen den überwundenen Widersacher immer großmütig ist«.20 Hinkels Ausfälle gipfelten in dem Irrsinn, dass es unter den in Deutschland lebenden Juden eine wachsende Zahl gebe, die in der »Sondergesetzgebung« einen zwar harten, aber rettenden Zwang zur Selbstbesinnung für das durch die Assimilierungsversuche zersetzte und gefährdete Judentum sehe. Die »Sondergesetzgebung« endete mit sechs Millionen ermordeter Juden – und Hinkel wurde für die Verdrängung der Juden aus dem Kulturbetrieb und seine antisemitische Hetze nie zur Rechenschaft gezogen. Er starb unbehelligt 1960 in Göttingen.

218  Hans Hinkel – Goebbels’ Wächter der Kulturpolitik

Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

Heute bekanntester – in der NS-Diktion – »Mischling« in der Wehrmacht ist zweifellos der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt. Er war Oberleutnant der Luftwaffe und »Vierteljude«. Schmidts Vater Gustav, unehelicher Sohn des jüdischen deutschen Privatbankiers Ludwig Gumpel und einer Kellnerin, wurde von der Familie Schmidt adoptiert. Im Haus eines Hafenarbeiters aufgewachsen, hatte sich Gustav Schmidt nach einer Lehre in einer Anwaltskanzlei mit dem Berufsziel Bürovorsteher zum Volksschullehrer fortgebildet. Später machte er das Handelslehrerdiplom und war zuletzt Studienrat. Nach Aussage Helmut Schmidts, selbst Protestant, vertuschten er und sein Vater dessen jüdische Abstammung durch Urkundenfälschung, sodass der Ariernachweis erteilt wurde. Als »jüdischer Mischling zweiten Grades« wäre Schmidt benachteiligt worden; auch seine Verwendung als Offizier der Wehrmacht wäre fraglich gewesen. In der Öffentlichkeit gab Helmut Schmidt diese Zusammenhänge erst 1984 auf Nachfrage bekannt, als Journalisten den Sachverhalt von Valery Giscard d’Estaing, dem ehemaligen französischen Staatspräsidenten und Freund Schmidts, erfahren hatten.1 Der Fall Helmut Schmidt zeigt, auf welch brüchigem Eis sich jüdische »Mischlinge« oder »jüdisch Versippte« innerhalb der Wehrmacht bewegten. Viele Offiziere der kaiserlichen Reichswehr, die den entsprechenden Gruppen angehörten, hatten darauf gehofft, in der neuen Wehrmacht eine Perspektive zu finden, denn trotz aller Rassengesetze sollte es für Frontsoldaten Ausnahmeregelungen geben. Sie wurden bitter enttäuscht. Exemplarisch hierfür ist das nachfolgend beschriebene Schicksal.

Die Brüder Robert und Ernst Borchardt Im August 1941 wurde dem damaligen Hauptmann Robert Borchardt, Kompaniechef einer auf dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz eingesetzten Panzerspähkompanie, das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes Die Wehrmacht und die »Judenfrage«  219

verliehen. Aus den Zeitungsmeldungen ging allerdings nicht hervor, dass es sich bei dem hochdekorierten Offizier um einen Mann handelte, der nach den im »Dritten Reich« gültigen Bestimmungen eigentlich in der deutschen Wehrmacht unerwünscht war.2 Denn Hauptmann Robert Borchardt, der noch vor der Machtergreifung Hitlers als Offiziersanwärter in die Reichwehr eingetreten war, gehörte schließlich zu jenen Soldaten, die aufgrund der Nürnberger Rassengesetze von 1935 für unwürdig befunden wurden, eine deutsche Uniform zu tragen: Er war nämlich Halbjude. Seine damaligen Vorgesetzten sorgten jedoch dafür, dass Borchardt seine in China bei der dort für die Regierung des Marschalls Chiang Kai-shek arbeitenden Militärmission unter Führung der Generäle Wetzel, von Seeckt und Falkenhausen erworbenen soldatischen Fähigkeiten angemessen einsetzen konnte. Diese Tätigkeit endete im Herbst 1940, nachdem am 27. September 1940 der sogenannte Dreimächtepakt zwischen dem Deutschen Reich, Japan und Italien geschlossen worden war und sich damit die Tätigkeit einer größeren Gruppe deutscher Offiziere für den Japan-Gegner Chiang Kai-shek erübrigte. Somit wurde auch Robert Borchardt, dessen Vater 1938 im Konzentrationslager Dachau inhaftiert worden und inzwischen nach England emigriert war, nach Deutschland zurückgerufen. Mit dem Vater floh auch die Schwester nach England. Roberts Bruder Ernst hingegen erhielt eine »Deutschblütigkeitserklärung«, beging aber später schwer verwundet Selbstmord. Robert Borchardt wurde Ende Juli 1941 in den Sonderverband 288 nach Nordafrika versetzt. Er kämpfte an der Front aus Liebe zu Deutschland: «Ich diente, weil ich beweisen wollte, dass Hitlers RassenNonsens falsch war. Ich wollte beweisen, dass Menschen jüdischer Abstammung tatsächlich tapfere und mutige Soldaten waren.«3 Dies war bitter nötig, nicht weil Vorwürfe gegen jüdische Soldaten von der Sache her gerechtfertigt gewesen wären, sondern weil sie in der Öffentlichkeit als feige diffamiert wurden.

Kampagne gegen jüdische Soldaten Nicht nur die Nationalsozialisten verbreiteten das Gerücht, die Juden seien Drückeberger und hätten sich als Kriegsgewinnler nach dem Ersten 220  Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

Weltkrieg an der Not des Vaterlandes bereichert. Hitlers wahnhafte Furcht vor einer jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung, die durch eine »Lösung der Judenfrage« abgewendet werden müsse, fiel bei einem von Existenzängsten und wirtschaftlicher Not geplagten Volk auf fruchtbaren Boden. In Berlin war nach Kriegsende ein jüdischer Soldatenbund aus der Taufe gehoben worden, der sich im Februar 1919 zusammen mit anderen Ortsgruppen zum »Reichsbund jüdischer Frontsoldaten« (RjF) zusammenschloss. Initiator war der Hauptmann der Reserve Leo Löwenstein. Die Hauptaufgabe des Bundes war die Wahrung der Ehre der jüdischen Frontsoldaten. In Zusammenarbeit mit dem »Zentralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens« sollte den antisemitischen Agitatoren durch gezielte Aufklärung über den Einsatz jüdischer Soldaten im Krieg der Wind aus den Segeln genommen werden. Gleichzeitig wollte man den Veteranen eine »Heimat« bieten und sie auch bei Bedarf in sozialen Fragen beraten und unterstützen. Viele Soldaten folgten dem Aufruf und traten dem neuen Bund bei. Die schlechten Erfahrungen, die sie im Laufe des Krieges, insbesondere im Zusammenhang mit der »Judenzählung« und mit einem ständig zunehmenden Antisemitismus gemacht hatten, ließ sie die Notwendigkeit einer Interessenvertretung erkennen. Der RjF hatte im Zeitraum seines Bestehens von 1919 bis zu seiner im Jahre 1938 im Zusammenhang mit der Pogromnacht erfolgten Auflösung stets zwischen 30 000 und 40 000 Mitglieder, der Verband vertrat also mehr als die Hälfte der überlebenden jüdischen Frontsoldaten des Ersten Weltkriegs. Beispielhaft für die antijüdischen Kampagnen und die Vorwürfe, jüdische Soldaten hätten sich an der Front »gedrückt« ist folgende, am 13. Januar 1934 in der Fränkischen Tageszeitung abgedruckte Behauptung: »Vielmehr ist Rosenkranz Arier und Frontsoldat mit einer Reihe Tapferkeitsabzeichen, die ein Jude auf ehrlichem Wege nie in der Lage wäre zu erwerben.«4 Damit wurde unterstellt, Juden seien grundsätzlich feige. In diesem vergifteten Klima entstanden dann auch Gedichte, in denen jüdische Soldaten und Juden überhaupt geschmäht wurden. Das Gedicht »Der erkannte Rattenfänger« aus dem Jahr 1921 gibt ungeschminkt all die Stereotypen von der »jüdischen Drückebergerei« und den Juden als »Halsabschneider, Wucherer und Schacherer« wieder: Kampagne gegen jüdische Soldaten  221

Wandern, ach wandern musst Du jetzt wohl, Du, mein lieb’ s Jüdche, dein Maß ist jetzt voll, Weiter, nur weiter, hinaus aus dem Land, Du bist als Gauner uns allen bekannt. Du kennest nicht Sorgen, nicht Kummer und Plag’, Dich rührt nicht die Not, der Elenden Klag’ Du pressest die Armen wie ’ne Citron’, Und nimmst ihm das Letzte, beraubst Vater und Sohn! Ein ew’ger Jude, von allen bekannt, Ein Halsabschneider, bist Du von Stand! Wuchern und Schachern von früh bis spät, Und überall ernten, wo du nicht gesät; Ob mein oder Dein unterscheidest du nit, Die Hauptsache ist dir stets der Profit! Du füllst dir den Beutel, du füllst dir den Bauch, und raffen und prassen, das ist bei dir Brauch; Ob Tausende hungern, das lässt dich kalt, Du gieriger Vampir in Menschengestalt! Fahr in die Hölle! Dort wartet bereits Dein Bruder, der Teufel! Eine glückliche Reis’! Bald Fürstendiener, bald Bolschewist, Bald Mohammedaner, und bald ein Christ, als Volksverführer lügst du wie gedruckt, bis dessen Groschen du hast geschluckt. Doch pfeifen die Kugeln, drückst du dich schnell, Zu wertvoll erscheint dir dein erbärmliches Fell. Als schamloser Hetzer im deutschen Land Und elender Feigling bist du bekannt. Du hast im Weltkrieg, den du hast entfacht, Geschoben in Massen, ’s G’schäftle gemacht! Im Schützengraben fand man dich nicht, Da warst du herzkrank und hattest die Gicht! Doch in der Etappe im Café und Bar Da warst du ein Held, ein Maulheld sogar! Auf dem Rückzug der Erste, da warst du parat Und ließest dich wählen in den Soldatenrat! Dann machtest du behende »in Revolution« zu daitschen Ministern »Hirsch, Elsner und Kohn«.5 222  Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

Zurückhaltung im Reichswehrministerium Die Wehrmacht hatte zweifellos ein Interesse daran, auch »Mischlinge« zum Wehrdienst einzuziehen. Sie stellten einerseits Tausende junger Wehrpflichtiger, zum anderen dienten im sogenannten Friedensheer zahlreiche hervorragend qualifizierte jüdische Offiziere bzw. »Mischlinge«. Die antisemitische Hetzkampagne der Nationalsozialisten hatte schon vor deren Machtergreifung in Deutschland für Unruhe gesorgt, nicht nur bei den Juden. Ein halbes Jahr, bevor Hitler die unumschränkte Herrschaft an sich riss, hatte der Staatssekretär in der Reichskanzlei in einem Brief an Heinrich Levy in Frankfurt am Main noch zu beruhigen versucht: Gemäß Artikel 109 der Reichsverfassung sind alle Deutschen vor dem Gesetz gleich. Der Herr Reichskanzler ist selbstverständlich gewillt, diese Vorschrift der Reichsverfassung streng einzuhalten.6

Reichskanzler war zu dieser Zeit – und nur für einige Wochen – Kurt von Schleicher. Er hatte vergebens versucht, die Nationalsozialisten zu spalten, und wollte den Reichstag ohne anschließende Neuwahlen auflösen. Diese Form des »Staatsstreichs« lehnte Reichspräsident Paul von Hindenburg ab, von Schleicher demissionierte, statt seiner ernannte der greise Hindenburg Hitler zum Reichskanzler. Hitler aber dachte überhaupt nicht daran, sich an die Verfassung zu halten. Unverzüglich begannen er und seine Anhänger mit der Verfolgung von Juden, »Mischlingen« und »jüdisch Versippten«, zunächst mit ihrer rigorosen Entfernung aus dem öffentlichen Dienst. Natürlich gab es auch in der Reichswehr, später in der Wehrmacht, konkrete Bestimmungen, wie mit »Nichtariern« umzugehen war, die Minister Werner von Blomberg nicht ignorieren konnte. In einer Geheimen Kommandosache über eine Besprechung im Reichskriegsministerium traten jedoch die Differenzen in der Behandlung der »Judenfrage« zwischen dem Reichswehrministerium,7 der NSDAP und den meisten übrigen staatlichen Stellen zutage.8 In dem am 2. April 1934 verfassten Papier war unter anderem die Rede davon, dass Reichsminister Hermann Göring von »allen Angehörigen der Luftfahrt den Nachweis der arischen Abstammung, ohne Rücksicht auf ihre Eigenschaft als Zurückhaltung im Reichswehrministerium  223

Frontkämpfer« verlangte. Der Verfasser des Protokolls nahm damals an, dass die Regelung »vermutlich verhindern [soll], dass Nichtarier in höhere Kommandostellen gelangen (siehe Fall Düsterberg)«. Der Hinweis auf Düsterberg bezog sich auf folgenden Vorgang: Theodor Düsterberg war Vorsitzender des Stahlhelmbundes gewesen und wurde 1932 von der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) als Kandidat für das Amt des Reichspräsidenten aufgestellt. Die NSDAP machte seine Abstammung als »Vierteljude« publik, woraufhin Düsterberg im ersten Wahlgang nur 6,8 Prozent der Stimmen erhielt und seine Kandidatur zurückzog. Das geradezu Absurde: Düsterberg hatte 1924 gegen den Widerstand vieler in der DNVP den Arierparagrafen eingeführt, dem er als »Mischling« nun selbst zum Opfer fiel. Verlangt wurde im Reichskriegsministerium ein einheitliches Vorgehen aller drei Wehrmachtsteile, dies vor allem vor dem Hintergrund, dass gerade Offiziere häufig versetzt würden und dabei den Wehrmachtsteil wechselten. Im Übrigen aber – und hier schloss sich das Reichskriegsministerium den anderen Partei- und staatlichen Stellen nicht an – brauche man nicht über die Bestimmungen zur Wiederherstellung des Berufsbeamtengesetzes hinauszugehen. Entsprechend dieser Haltung ordnete Minister Werner von Blomberg mit Erlass vom 28. Februar 1934 die Nachprüfung der arischen Abstammung für die Soldaten von Heer und Marine an, während die Luftwaffe in Görings Zuständigkeitsbereich fiel. Diesen ließ von Blomberg am 7. Juni 1934 wissen, wenn er für alle Angehörigen der Luftfahrt die Überprüfung verlange, werde er, von Blomberg, sich an die Be­stimmungen die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums halten.9 Er jedenfalls sehe keinen Anlass, über diese Bestimmungen hinauszugehen. Diese Kontroverse zeigt übrigens erneut, dass Göring keineswegs der »Judenfreund« war, als der er bisweilen dargestellt wird. Aber auch Blomberg kam nicht umhin, jüdische Offiziere beziehungsweise »Mischlinge« noch vor den Nürnberger Rassengesetzen vom September 1935 zu entlassen. Eine von ihm in Auftrag gegebene Bestandsaufnahme ergab, dass bis zum 22. Juni 1934 beim Heer auf sieben Offiziere, acht Offiziersanwärter, 13 Unteroffiziere und 28 Mannschaften der sogenannte Arierparagraf anzuwenden war.10 Bei der Marine waren es drei Offiziere, vier Offiziersanwärter, drei Unteroffiziere sowie vier 224  Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

Mannschaften. Allerdings hatten in Heer und Marine »Frontkämpfer« den urkundlichen Ariernachweis nicht zu führen. Die genannten Zahlen konnten jedoch nicht – wie es hieß – als »endgültig« betrachtet werden. Die Zahl der »Mischlinge« und »jüdisch Versippten« war erheblich höher, wie auch die zahlreichen Hilferufe von Betroffenen an von Blomberg, an Hitler direkt und an viele andere Partei- und staatliche Dienststellen zeigen. Andererseits setzte Blomberg durch, dass vorläufig noch »Mischlinge« zur Ableistung der Wehrpflicht herangezogen werden konnten. Schon 1933 und dann verstärkt in den folgenden Jahren erreichten von Blomberg zahlreiche Bittbriefe aus Heer und Marine. Sie hatten alle die Forderung zum Inhalt, in der Reichswehr bleiben zu dürfen. So wandte sich Oberstleutnant a.D. Albert Benary an das Reichswehrministerium und bat darum, »ihn und seine Nachkommen für alle Zeit für deutsch zu erklären«.11 Zur erforderlichen »Abstammungsüberprüfung« wurde der »Sachverständige für Rasseforschung« im Reichsinnenministerium, Achim Gercke, eingeschaltet, der sein Prüfungsergebnis am 20. Juli 1933 dem Reichswehrministerium meldete und dabei auch Bezug auf die »Nachkommen« nahm: Benary sei zwar Frontkämpfer, konzedierte er, aber im Hinblick auf die Nachkommen hielt er fest: »Der Großvater der Studentin Eleonore Benary war nichtarisch, da von jüdischen Eltern geboren. Damit ist auch die Studentin nichtarisch.« Der Reichswehrminister teilte dann Benary am 28. Juli 1933 lapidar mit, die Ausnahmeregelungen beträfen nur die Frontkämpfer selbst, nicht deren Nachkommen:12 »Die Kinder erlangen keine Sonderstellung.«13 Von Blomberg erhielt bereits in dieser frühen Phase der NS-Diktatur zahlreiche Briefe von Offizieren – aktiven und ehemaligen – sowie von deren Angehörigen, die ihn um Unterstützung bei der »rassischen« Einordnung baten. Am 20. März 1934 beispielsweise meldete sich der ehemalige Kapitänleutnant Pfinstler, der zwar im Kaiserreich hatte kämpfen dürfen, dessen Abstammung aber nun den rassischen Anforderungen der Nationalsozialisten nicht entsprach. Er wollte jetzt die Ausnahmebestimmungen der Nürnberger Gesetze für »Frontkämpfer« in Anspruch nehmen:

Zurückhaltung im Reichswehrministerium  225

Zur Frage des Arierparagrafen melde ich: Von August 1915–September 1918 an Bord S.M.S. »König Albert« kommandiert, habe ich an allen kriegerischen Unternehmungen des Schiffes während dieser Zeit (Ösel-Unternehmung14) sowie als Angehöriger der Marinebrigade Löwenfeld an den Unterdrückungen der Unruhen in Oberschlesien 1919 und Kiel 1920 teilgenommen.15

Pfinstlers Hoffnung, dies qualifiziere ihm zum Verbleib in der Reichswehr, wurde enttäuscht. Auch Ernst Grüneberg aus Berlin war der – irrigen – Auffassung, Reichskriegsminister und Generaloberst von Blomberg könne ihm zur Seite stehen, wenn schon nicht in eigener Sache, so doch zumindest im Hinblick auf die Zukunft seiner Tochter. Er wandte sich am 9. Februar 1935 an ihn und schilderte ihm, er verfolge mit Sorge sein Schicksal als Jude im eigenen Vaterland. Seit vierzehn Jahren sei er mit einer »arischen« Frau verheiratet. Seine zwölfjährige Tochter erziehe er im »vaterländischen« Sinn. Er bat Blomberg dringend, »dass das Kind, das in der christlichen Religion erzogen wird, nicht unter dem Gesetz für Frontkämpfer zu leiden hat«.16 Der Wahnsinn nationalsozialistischer Rassenideologie kam beispielsweise auch in dem Schreiben zum Ausdruck, das »Frau Josef Gnott« aus Düsseldorf am 10. August 1935 an Blomberg17 gerichtet hatte: »Als Deutsche arischer Abstammung evangelischer Konfession« hatte sie 1909 den Ingenieur Josef Gnott, »jüdischer Abstammung, früher mosaischen Glaubens, seit vielen Jahren evangelischer Konfession«, geheiratet. Josef Gnott war 1903 aus Warschau nach Deutschland gekommen und hatte 1928 die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Er stellte Gummischläuche für Gasmasken und andere kriegswichtige Güter her. Das Ehepaar hatte vier Kinder – zwei Söhne und zwei Töchter – im Alter von achtzehn bis sechsundzwanzig Jahren und war von den Nationalsozialisten wegen der Abstammung Gnotts ausgebürgert worden. Als Staatenloser jedoch durfte Gnott nicht mehr arbeiten. In dieser verzweifelten Situation wandte sich seine Frau an den Reichswehrminister, der für den wichtigsten Auftraggebers des kleinen Betriebs stand. Der Hilferuf an Blomberg verhallte wie viele andere auch. Am 14. August 1935 ließ er ihr mitteilen, er sei nicht in der Lage, irgendetwas zu unternehmen. 226  Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

Max Lichtenberg, Major a.D. in Berlin, setzte seine Hoffnung auf Hitler direkt. Ihm schrieb er am 3. Dezember 1935 einen Brief, der den enormen psychischen Druck widerspiegelt, unter dem »Mischlinge« und »jüdisch Versippte« standen: Erst vor wenigen Wochen habe ich durch eine vor längerer Zeit an die Reichsstelle für Sippenforschung gerichtete Anfrage erfahren, dass mein im Jahre 1804 geborener Großvater väterlicherseits Jude war. Er hat sich im Jahr 1832, also vor mehr als 100 Jahren, taufen lassen. Ein weiterer jüdischer Bluteinschlag liegt in meiner Familie nicht vor. Ich bin bis Ende 1919 aktiver Offizier gewesen (Stammregiment ehemaliges Feldartillerie-Regiment Nr. 29 in Ludwigsburg/Württemberg). Bei beabsichtigten Übungen in der Wehrmacht sowie bei einer etwaigen Wiederverwendung im Mobilmachungsfalle könnten meiner Abstammung wegen Schwierigkeiten entstehen. Ich bitte daher ergebenst, im Sinne des Paragrafen 7 der ersten Verordnung zur Durchführung der in Nürnberg beschlossenen Gesetze, mir eine Bestätigung zu erteilen, aus der hervorgeht, dass ich meinen vollarischen Kameraden gleichgestellt und gleichgeachtet werde.18

Erstaunlicherweise verfolgte der »Reichsbund der höheren Beamten« die Bemühungen von Juden und »Mischlingen« mit erheblichem Argwohn. Er fragte am 17. Januar 1934 das Reichswehrministerium, ob es stimme, dass über 800 Offiziere der Reichswehr nichtarischer Abstammung seien und trotzdem im Heer belassen würden.19 Auf dem Schriftstück findet sich jedoch der handschriftliche Vermerk, die Nachricht sei unzutreffend. Überhaupt stand das Reichswehrministerium unter »Beobachtung«. Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß monierte am 27. Februar 1934, dass das Reichswehrministerium angeblich der jüdischen Metallgesellschaft in Frankfurt am Main den Auftrag erteilt hatte, die gesamte inländische Kampfmotorenfabrikation zu prüfen und zu überwachen.20 Der Vertrag solle unverzüglich aufgehoben werden. Außerdem, so ein weiterer Vorwurf, sei bei einer wehrpolitischen Besprechung in Königsberg der »Kleiderjude Barschall« anwesend gewesen. Der Vorwurf der Auftragsvergabe stellte sich schnell als falsch heraus, und zum Fall Barschall hieß es zu dieser Zeit noch, man könne Vertretern der Wirtschaft die Teilnahme an derartigen Veranstaltungen nicht verwehren. Zurückhaltung im Reichswehrministerium  227

Der Kampf um die Wehrwürdigkeit der Juden Die jüdische Bevölkerung und die jüdischen Soldaten hatten sich in mehreren Verbänden organisiert, die dem Nationalsozialismus anfangs sehr unterschiedlich gegenüberstanden und ein gemeinsames Handeln gegenüber dem NS-Staat verhinderten. Die assimilierten Kreise, wie der »Verband nationaldeutscher Juden«, der »Reichsbund jüdischer Frontsoldaten« und der »Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens«, erkannten viel zu spät die Gefahren ihrer Aufforderung, in Deutschland zu bleiben und von innen heraus der NS-Politik zu trotzen. Statt einer organisierten Auswanderung stand etwa bei den Mitgliedern des »Central-Vereins« der Geist des Ja-Sagens zum Judentum im Mittelpunkt ihrer Arbeit. Die Assimilanten beriefen sich auf ihr »Heimatrecht«. Der Gedanke an eine Auswanderung wurde in der ersten Phase der NS-Judenpolitik noch von vielen Gruppen eindeutig negiert. Charakteristisch hierfür ist die Ansicht des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten: Der RjF sieht die Grundlage seiner Arbeit in einem restlosen Bekenntnis zur deutschen Heimat. Er hat kein Ziel und kein Streben außerhalb dieser deutschen Heimat und wendet sich aufs schärfste gegen jede Bestrebung, die uns deutsche Juden zu dieser deutschen Heimat in eine Fremdstellung bringen will.

Ein Schreiben von Leo Löwenstein, dem Gründer und weltanschaulichen Leiter des Reichsbundes, an Hitler zeigt, dass die Vorschläge des Bundes immer wieder die Bitte mit einschlossen, die alteingesessenen jüdischen deutschen Familien besonders zu berücksichtigen. Dabei wird deutlich, dass man in der Illusion lebte, nur den »zugewanderten« Juden würde eine schlechte Behandlung widerfahren. Viele glaubten, die NS-Verfolgung sei nur auf die seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts eingewanderten Ostjuden zurückzuführen. Exemplarisch hierfür ist dieses Schreiben des »Verbandes Nationaldeutscher Juden« (VnJ) vom 20. März 1935 an Hitler. Der Verband gebärdete sich dabei teilweise »völkischer« als die Nationalsozialisten selbst. Ungeachtet dessen wurde auch dieser Verband am 18. November 228  Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

1935 verboten. In dem Schreiben hieß es unter anderem, seit seiner Gründung 1921 habe sich der Verband »in schärfstem Kampf gegen alle deutschfremden Volksschädlinge befunden, insbesondere auch gegen Ostjuden und die ihnen geistesverwandten Politiker und Literaten«. Der Vorsitzende Max Naumann hob hervor, dass er seit dreiunddreißig Jahren deutscher Soldat sei, Frontkämpfer und das Eiserne Kreuz I. und II. Klasse sowie andere Militärauszeichnungen erhalten habe: Der ausländische Jude war für mich stets nur ein Ausländer; dem in Deutschland lebenden undeutschen Juden habe ich stets mit dem gleichen Gefühl wie jedem anderen Fremden gegenübergestanden. Alles dies habe ich durch meine ganze Lebensführung sowie durch unzählige im nationalen Sinne gehaltene Schriften, die ich insbesondere seit 1920 veröffentlicht habe und die mir wütende Angriffe seitens fremdfühlender Juden und Nichtjuden eingebracht haben, unter Beweis gestellt. Seit dem März 1921 führe ich eine sorgfältig gesiebte Schar gleichfühlender Stammesgenossen, die in dem »Verband nationaldeutscher Juden« zusammengeschlossen sind. Unser Verband betrachtet sich selbst nur als Stoßtrupp derjenigen Juden, die abstammungs- und gefühlsmäßig völlig eingedeutscht sind, die nicht anders als deutsch denken und fühlen können und die in einer internationalen »alljüdischen« Gemeinschaft unter Fremden wären.

Es ist mir gesagt worden, dass in Erwägung gezogen sei, sämtliche Nichtarier von der Teilnahme an der allgemeinen Wehrpflicht auszuschließen. Wir nationaldeutschen Juden, die wir die Proklamierung der allgemeinen Wehrpflicht mit Begeisterung begrüßt haben, vermögen nicht daran zu glauben, dass wir wirklich nicht zur Ausübung unserer Ehrenpflicht, unser deutsches Vaterland mit der Waffe zu verteidigen, zugelassen werden sollten. Wir würden in einer solchen Zurücksetzung eine ebenso tiefe wie unverdiente Entehrung sehen. Wer »die Juden« wirklich kennt, weiß genau, dass nicht ein Jude wie der andere ist, dass es vielmehr unter den Juden Wesensunterschiede gibt, die angestammt, unauslöschlich und daher im wahrsten Sinne des Wortes volkhaft sind. Wir nationaldeutschen Juden gehören, obwohl wir unsere nichtarische Abstammung niemals verleugnet oder vertuscht haben, unserer Überzeugung nach zum deutschen Volke, weil wir nicht anders können. Es wäre für uns unfassbar und unerträglich, waffenlos zusehen zu müssen, wie die Menschen, mit denen wir uns gefühlsmäßig aufs engste verbunDer Kampf um die Wehrwürdigkeit der Juden  229

den fühlen, für Deutschlands Ehre und Freiheit kämpfen. Wir richten daher an Sie, hochgeehrter Herr Führer und Reichskanzler, die Bitte zu befehlen, dass man die nationaldeutschen Juden, die sich ohne Zögern Mann für Mann zum Heeresdienste melden werden, als den Ariern gleichgestellte und gleichverpflichtete Angehörige der Wehrmacht aufnimmt. Unsere Jugend wird durch die Tat beweisen, was wir Älteren in früheren Kriegen bewiesen zu haben glauben, dass sie bei der Erfüllung der Wehrpflicht für Deutschland ebenso Wertvolles leistet, wie jeder zum Waffendienst eingezogene Arier. Eine Überwindung der aus der Judenfrage für Deutschland unzweifelhaft sich ergebenden Gefahren kann auf dem Gebiete der Wehrpflicht ebenso wie auf andren Gebieten nur in der Weise erfolgen, dass zwischen nationaldeutschen Juden und Fremdjuden – unter denen wir nicht nur die Ostjuden, sondern alle fremdfühlenden Juden verstehen – unterschieden wird. Der nationaldeutsche Jude empfindet seine Tätigkeit für das deutsche Volk und Vaterland nicht nur als Recht, sondern in erster Linie als Pflicht. Wir – und wohl auch die ganze Welt – würden es nicht begreifen, wenn man Menschen, die stets ihre deutsche Pflicht getan haben und sie auch in Zukunft tun wollen, durch Zwang zu Fremden stempeln und von ihrer Pflichterfüllung ausschließen würde. Deutschland kann und darf nicht auf Menschen verzichten, die am Aufbau mitarbeiten wollen. Demgemäß bitte ich Sie, hochgeehrter Herr Führer und Reichskanzler, namens der durch mich vertretenen nationaldeutschen Juden um Zulassung zur Erfüllung der Wehrpflicht. Bezüglich der organisatorischen Einzelheiten, insbesondere der notwendigen Abgrenzung zwischen den zuzulassenden nationaldeutschen Juden und den nicht zuzulassenden Fremdjuden bin ich in der Lage, bestimmte Anregungen zu unterbreiten. Ich würde es mit größter Freude begrüßen, wenn mir hierüber Gelegenheit zu persönlichem Vortrag gegeben würde.21

Und der »Reichsbund jüdischer Frontsoldaten« erklärte am 23. März 1935: Bei der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht durch den Führer und Reichskanzler und Oberbefehlshaber der deutschen Wehrmacht drängt es uns, auf unsere stets bewährte Treue zum deutschen Vaterlande hinzuweisen. Seitdem es eine allgemeine deutsche Wehrpflicht gibt, seit den Befrei230  Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

ungskriegen, hat die waffenfähige Mannschaft der deutschen Juden stets ihre Pflicht erfüllt. Auch in dem letzten und größten aller Kriege haben die deutschen Juden 100 000 Mann, darunter 2000 Offiziere, zum Heeresdienst gestellt. 12 000 sind auf dem Felde der Ehre geblieben.22 (…) Der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten als Wahrer der soldatischen Tradition und der soldatischen Erziehung der deutschen Juden hält es für deren unveräußerliches Recht, mit der Waffe unter der allgemeinen Wehrpflicht Deutschland zu dienen. Diese Ehrenpflicht gilt uns neben dem Recht auf unsere Heimat als höchstes Gut.23

Im März 1934, gut ein Jahr nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, hatte der RjF-Vorsitzende Löwenstein einen letzten verzweifelten Versuch unternommen, die Entlassung der jüdischen Soldaten aus der Reichswehr abzuwenden. Doch sein Appell an den Reichspräsidenten und Obersten Befehlshaber der Reichswehr, Paul von Hindenburg, blieb erfolglos. Mit der von Reichswehrminister Werner von Blomberg am 28. Februar 1934 angeordneten Anwendung des »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« auf Soldaten mussten außer den ehemaligen Frontkämpfern sämtliche jüdischen Soldaten die Armee verlassen. Am 5. Oktober 1935 wandte sich der »Reichsbund Jüdischer Frontsoldaten« daher mit einem Appell an Hitler. Er bezeichnete sich als Wahrer des Andenkens und der Ehre von mehr als 12 000 für Deutschland im Kriege 1914 bis 1918 gefallener jüdischer Soldaten, als Betreuer vieler Tausender jüdischer Kriegereltern, Kriegerwitwen, Kriegerwaisen und kriegsbeschädigter Kameraden als Vertreter der überlebenden jüdischen Frontsoldaten

und erinnerte den Führer und Reichskanzler, den Obersten Befehlshaber der Wehrmacht,

daran, dass

Kultur als Instrument der Politik  231

die Gesetzgebung des Jahres 1933 hat die ehemaligen jüdischen Frontsoldaten und die Nachkriegskämpfer in ihren Ämtern und Berufen belassen und ihnen damit die Sorge für unsere Kinder ermöglicht hatte.24

Ideologisch stand der RjF dem «Central-Verein« nahe, der den Zionismus ablehnte und sich zur deutschen Nation bekannte. Für den RjF war es daher zutiefst schockierend, als deutsche Juden unmittelbar nach der Machtübernahme 1933 für wehrunwürdig erklärt wurden. Ab 1936 durfte sich der RjF auch politisch nicht mehr betätigen, sondern musste sich auf die Betreuung jüdischer Kriegsopfer beschränken. Als der RjF 1938 aufgelöst wurde, war bereits ein Großteil seiner Mitglieder aus Deutschland emigriert. Ferner existierte ein »Reichsverband nichtarischer Christen«, der in einem Schreiben an die NSDAP, Stab des Stellvertreters des Führers, am 16. Juli 1936 festhielt: Die Nachforschungen nach den Mischlingen im Reichsverband nichtarischer Christen haben ergeben, dass eine Entscheidung, wer als Mischling und wer als Volljude gilt, noch nicht feststeht; an dieser Frage wird z. Zt. gearbeitet. Sobald das endgültige Ergebnis vorliegt, erfolgt Mitteilung.«25

Verschärfter Kurs der Wehrmacht In einer Vorlage von Bernhard Lösener an Minister Frick hieß es: Der Führer hat während des Krieges eine Anzahl von halbjüdischen Offizieren (und Offiziersfrauen) Deutschblütigen gleichgestellt und sie im aktiven Dienst belassen; er hat bisher rund 125 Mischlingen die Qualifikation zum Vorgesetzten in der Wehrmacht erteilt, teils unter Gleichstellung, teils mit Aussicht auf Gleichstellung nach dem Kriege; er hat in diesen Tagen lt. Mitteilung von Herrn M. Dir. Kritzinger zwei ehemalige aktive Offiziere, die als Halbjuden entlassen worden waren, reaktiviert und Deutschblütigen gleichgestellt.26

Einer der ärgsten Scharfmacher gegen jüdische Soldaten und Offiziere beziehungsweise solche mit »Mischlingsblut« war einmal mehr Hitlers 232  Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

Sekretär Martin Bormann. Bei einem Gespräch im kleinen Kreis am 13. August 1938 hatte Hitler sich vorbehalten, »Mischlinge« im Staatsdienst und in der Wehrmacht zu belassen.27 Allerdings könne er nur bis zu 50 Prozent »Mischlingsblut« akzeptieren, alles was darüber liege, sei von Übel. Heeresadjutant Gerhard Engel kam mit Hitler über die zahlreichen »jüdisch versippten Offiziere« ins Gespräch. Hitler habe dies nicht gern gehört, aber zugesagt, die einzelnen Fälle zu prüfen. Die unangenehmste Rolle aber, so Engel, »spielte wie immer Bormann, der mir auf das heftigste widersprach und zum Ausdruck zu bringen versuchte, dass jüdisch versippte Offiziere noch Dienst täten«. Engel meinte anschließend, er habe in dieser Hinsicht »ein nicht allzu angenehmes Ressort. Aber manches könne man ja auch heute noch tun«.28 Bisherigen Veröffentlichungen zufolge soll es weit über 100 000 jüdische Soldaten oder Soldaten mit jüdischem Blut in der Reichswehr und dann in der Wehrmacht gegeben haben. Tatsächlich dienten aber in der nur 100 000 Mann starken Reichswehr nur wenige jüdische Soldaten, wie das Militärgeschichtliche Forschungsamt der Bundeswehr (MGFA) nachweist.29 Am 14. Mai 1936 erließ Hitler einen Befehl, nach dem er es für die Wehrmacht als eine selbstverständliche Pflicht bezeichnete, ihre Berufssoldaten und damit ihre Führer und Unterführer über die gesetzlichen Vorschriften hinaus nach schärfsten rassischen Gesichtspunkten auszuwählen und dadurch als Erzieher in der soldatischen Schule des Volkes eine Auslese besten deutschen Volkstums zu erhalten.30

Auch der gesellschaftliche Umgang mit den noch verbliebenen »rassisch nicht einwandfreien« Offizieren sollte unterbunden werden: Ergibt sich, dass eine im Offizierskorps verkehrende Persönlichkeit jüdischer Mischling ist, so kann von Fall zu Fall erwogen werden, ob ein Abbruch der gesellschaftlichen Beziehungen zur Wahrung des Ansehens der Wehrmacht erforderlich ist.31

Immerhin wurde hierbei »großes Taktgefühl« angemahnt. Offensichtlich unterlag Hitler hinsichtlich der »Gnadenmöglichkeiten« starken Stimmungsschwankungen. Einerseits unterschrieb er zahlVerschärfter Kurs der Wehrmacht  233

reiche Deutschblütigkeitserklärungen, andererseits zog er unerwartet und grundlos die Zügel wieder an. Bormann hatte Anfang 1940 vor der Gefahr gewarnt, verbitterte »Mischlinge« könnten militärische Geheimnisse verraten und deshalb den Ausschluss aus der Wehrmacht empfohlen. Obwohl noch am 20. Januar 1940 verheiratete Soldaten, deren Frauen Jüdinnen oder »Mischlinge 1. Grades« waren, die Zusicherung erhalten hatten, in der Wehrmacht verbleiben und bis zum Dienstgrad Feldwebel befördert werden zu können, ordnete Hitler am 8. April 1940 die Entlassung dieses Personenkreises an. Ausnahmen solle es nur noch bei besonderer Tapferkeit geben. Am 2. Mai 1940 ereiferte sich Bormann, als es darum ging, dass »Zigeuner« in der Wehrmacht ihre Dienstpflicht erfüllten. Hitler zeigte sich laut Heeresadjutant Engel sehr erregt und stellte ihm gegenüber fest, »Zigeuner seien artfremd und seien bezüglich der Ausnahmegesetze in gleicher Weise wie Juden zu behandeln«. Hier würde es sich, sicherlich wieder um eine der üblichen »Mogelversuche« handeln, um – wie schon bei vielen Judenabkömmlingen – zu versuchen, sie im Heer verschwinden zu lassen. Er beklagte, dass dieser Einsatz für Mischlinge und ähnliche Personengruppen allmählich unangemessen sei und er mit dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Wilhelm Keitel, darüber sprechen werde.32 Am 3. Dezember 1942 schaltete sich Bormann energisch in die Diskussion um das Schicksal der Zigeuner ein. Er schrieb Himmler, er sei davon unterrichtet worden, dass die Behandlung der sogenannten »reinrassigen Zigeuner« im Reich neu geregelt werden solle. »Diese Zigeuner – mit Ausnahme der sogenannten Roma-Zigeuner – sollen die Erlaubnis erhalten, ›Sprache, Ritus und Brauchtum‹ zu pflegen, sollen sogar frei im Lande herumziehen und gegebenenfalls in besonderen Einheiten der Wehrmacht den Wehrdienst ableisten dürfen.« Diese Sonderbehandlung sei gerechtfertigt, weil sie sich im Allgemeinen nicht asozial verhalten hätten und in ihrem Kult wertvolles germanisches Brauchtum überliefert sei, das erforscht werden müsse. Entschieden wandte sich Bormann gegen solche Pläne und verschanzte sich hinter Hitler: »Auch der Führer würde es nicht billigen, wenn man einem Teil der Zigeuner seine alten Freiheiten wiedergäbe.«33 Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hatte die Wehrmacht ihr Vorgehen gegen Juden und »Mischlinge« verschärft. Wilhelm Kei234  Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

tel, Generalfeldmarschall und Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, erteilte am 8. April 1940 den »Befehl zur Behandlung von jüdischen Mischlingen in der Wehrmacht«: 1. Jüdische Mischlinge oder Männer, die mit 50%igen jüdischen Mischlingen oder Jüdinnen verheiratet sind, sind je nach Lebensalter der Ersatzreserve II bzw. der Landwehr II zu überschreiben, jedoch mit dem jeweiligen Zusatz »n.z.v.« (nicht zu verwenden), um sie von den übrigen Wehrpflichtigen dieser Kategorien grundsätzlich zu unterscheiden. Ausgenommen hiervon sind Offiziere, die aufgrund der Führerentscheidung in der Friedenswehrmacht verblieben sind. In besonders gelagerten Fällen hält sich der Führer Ausnahmen vor, die über OKW zu beantragen sind. 2. 25%ige Mischlinge und Wehrmachtsangehörige, die mit 25%igen Mischlingen verheiratet sind, verbleiben in der Wehrmacht und können während des Krieges ausnahmsweise befördert und als Vorgesetzte verwendet werden, wenn eine besondere Bewährung erwiesen ist. (…) Der Beförderungs- bzw. Wiedereinstellungsantrag ist dem Führer über OKW zur Entscheidung vorzulegen.34

Das heißt: Jüdische »Mischlinge« oder »jüdisch Versippte« wurden sehr wohl gemustert und eingezogen, galten allerdings nicht mehr als vollwertige Soldaten. Andererseits entschied Hitler aber, dass »diejenigen Mischlinge, die infolge persönlicher Tapferkeit vor dem Feind mit Kriegsauszeichnungen bedacht oder befördert wurden, für deutschblütig zu erklären« waren.35 Nach einer Übersicht des Oberkommandos der Wehrmacht galten zusammenfassend diese Bestimmungen über die deutschblütige Abstammung beziehungsweise das Verbleiben oder Entfernen von Angehörigen mit jüdischen Blutsanteilen in der Wehrmacht. Wesentliche Grundlagen hierfür waren die Befehle OKW–WZ II/J – Nr. 651/39 vom 15. März 1939, OKW 121 10–20 J, Ic – Nr. 524/40 vom 8. April 1940 sowie der Befehl 6840/41 des Oberkommandos des Heeres vom 16. Juli 1941: 1. Mischlinge 1. Grades (50%) oder Wehrmachtsangehörige, die mit 50%igen jüdischen Mischlingen verheiratet sind und bei denen nicht die GenehmiVerschärfter Kurs der Wehrmacht  235

gung des Führers auf Belassung vorliegt, sind aus der Wehrmacht zu entlassen. Gnadengesuche sind nicht mehr vorzulegen. 2. Mischlinge 2. Grades (25%) oder Wehrmachtsangehörige, die mit 25%igen jüdischen Mischlingen verheiratet sind, dürfen ohne Genehmigung des Führers nicht Vorgesetzte sein. Anträge auf Ausnahmegenehmigung sind P 2 einzureichen. Voraussetzung ist Feindbewährung und Besitz von Tapferkeitsauszeichnungen aus diesem Kriege bzw. besondere Verdienste um Partei und Staat. Berufssoldaten oder deren Ehefrauen dürfen auch in weiter zurückliegender Geschlechterfolge nicht jüdisch versippt sein. Deutschblütigkeitserklärungen werden vom Führer während des Krieges nicht erteilt, Ausnahmen lediglich nachträglich für Gefallene und Versehrte der Stufe III und für akt. Wehrmachtsangehörige. 3. Zigeuner oder Zigeunermischlinge, die von den Zigeunerlisten der Staatspolizeistellen erfasst sind, sind zu unterlassen.36

Halbjuden wurden der Ersatzreserve II oder der Landwehr II zugewiesen, Vierteljuden hingegen verblieben in der Wehrmacht und konnten während des Kriegs ausnahmsweise befördert werden.37 Ebenfalls war es möglich, halbjüdische ehemalige Offiziere, Unteroffiziere und Beamte im Krieg zu verwenden. Diese Bestimmungen galten auch für alle, die mit Halb- oder Vierteljuden verheiratet waren. Alle Kann-Bestimmungen und Ausnahmefälle mussten von Hitler persönlich genehmigt werden. Bei dessen Entscheidungen spielten die in den Anträgen beizufügenden Fotos eine wichtige Rolle. Hatte Hitler nichts zu bemängeln, war ein Gnadenakt wahrscheinlich. Mit dem Erlass des OKW vom 25. September 1942 trat nach Hitlers Entscheidung jedoch eine wesentliche Verschärfung in der Behandlung von halbjüdischen Angehörigen der Wehrmacht in Kraft. Gesuche auf Ausnahmebehandlung durften nicht mehr gestellt werden, bereits vorliegende wurden unbearbeitet zurückgegeben. Halbjüdische Wehrmachtsangehörige, die zu dieser Zeit noch keine Ausnahmegenehmigung Hitlers besaßen, wurden sofort aus der Wehrmacht entlassen. Selbst kurz vor dem völligen Zusammenbruch Deutschlands gab die Wehrmacht noch Befehle zum Umgang mit Juden und »Mischlingen« heraus. Am 3. Januar 1945 erließ der Chef des Heerespersonalamts, Generalleutnant Wilhelm Burgdorf, diese »Arbeitsrichtlinie«:

236  Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

Offiziere, welche selbst jüdische Mischlinge (25%ige oder darunter) oder mit solchen Mischlingen verheiratet sind und mit Ausnahmegenehmigung des Führers im aktiven Wehrdienst weiterverwendet werden, sind, um das Hineinwachsen in Spitzenstellungen unter allen Umständen zu vermeiden, grundsätzlich nach Erreichen des Dienstgrades Oberst in der Beförderung zu sperren. Die Überwachung erfolgt durch Ag P 2/3b; durchgeführte Beförderungssperren sind dieser mitzuteilen.38

»Mischlinge« auch in Himmlers SS Weitgehend unbekannt und eher überraschend ist, dass selbst Judenhasser Heinrich Himmler als Reichsführer-SS innerhalb der SS Angehörige mit jüdischer Abstammung duldete. Dafür stehen SS-Rottenführer Fritz Katzenstein sowie SS-Obersturmführer Julius und Rolf Sütterlin. Die drei hatten den um 1663 geborenen Juden Abraham Reinau als gemeinsamen Vorfahren und wären damit eigentlich für die SS untragbar gewesen, auch wenn sich Reinau 1685 hatte taufen lassen. Der Chef des Rasse- und Siedlungshauptamtes der SS, SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Richard Hildebrandt, nahm dazu am 1. Dezember 1943 gegenüber seinem Chef Himmler Stellung. Katzenstein hatte sich »im Felde« gut bewährt, das Eiserne Kreuz II. Klasse, das Infanterie-Sturmabzeichen, die Ostmedaille sowie das Verwundetenabzeichen erhalten und konnte laut Hildebrandt »rassisch als nordisch-fälisch angesprochen werden«. Er habe daher Bedenken, ihn »wegen dieser weit zurückliegenden jüdischen Abstammung aus der SS zu entfernen«. Das Gleiche galt für die SS-Obersturmführer Julius und Rolf Sütterlin, die »rassisch gesehen«, einen »guten Eindruck« machten. »Keinesfalls ist im Erscheinungsbild der ahnentafelmäßig feststellbare jüdische Bluteinschlag festzustellen«, befand Hildebrandt. Zugleich kritisierte er, dass über die von Himmler festgelegte Grenze von 1750 hinaus SSAngehörige entlassen würden, wenn es aus der Zeit zuvor jüdische Vorfahren gebe. Er regte an, den Ahnennachweis auf sechs Generationen zu beschränken und »falls vorher noch jüdisches Blut nachweisbar ist, durch rassische Musterung bzw. charakterliche Beurteilung durch Vorgesetzte und »Mischlinge« auch in Himmlers SS  237

Bürgen zu entscheiden, ob der Betreffende in der SS verbleiben kann oder nicht«. Er sei der Meinung, »dass das Ausmendeln des jüdischen Blutes wahrscheinlich ist, wenn sich durch solche rassischen und charakterlichen Beurteilungen keine jüdischen Züge mehr nachweisen« ließen.39 Himmler schloss sich den Überlegungen Hildebrandts teilweise an und erlaubte den drei, »auf eigene Verantwortung« zu heiraten; zugleich verlangte er Wiedervorlage der Akten »nach dem Krieg«.40 Kinder aus diesen Ehen dürften jedoch nicht in die SS aufgenommen werden.

Gesonderte Einheiten für jüdische »Mischlinge« Himmler selbst hatte vor, »Mischlinge« und »jüdisch Versippte« einziehen zu lassen, allerdings sollten sie in gesonderten Einheiten zusammengefasst und isoliert werden. In einem geheimen Vermerk an Walter Tießler wurde jedoch gefragt, ob der Reichsführer-SS »aufgrund der Vorkommnisse in Warschau auch jetzt noch mit einer Zusammenfassung des oben genannten Personenkreises zu besonderen Einheiten einverstanden ist«. Mit den »Vorkommnissen« war der Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto gegen ihre Deportation in Vernichtungslager gemeint, den vor allem Einheiten der SS am 16. Mai 1943 blutig niedergeschlagen hatten. Offensichtlich hatte dieser Aufstand der NSFührung zu denken gegeben. Sobald das Reichssicherheitshauptamt geklärt habe, wie viele »Mischlinge 1. Grades und jüdisch Versippte« überhaupt infrage kämen, solle die Partei-Kanzlei der NSDAP Weiteres veranlassen, hieß es dann abschließend in dem Vermerk.41 Derartige Einheiten wurden zwar im »Dritten Reich« nicht gebildet, doch ordnete Hitler an, dass Mischlinge 1. Grades und jüdisch Versippte aus dem Betrieb herausgenommen werden. Sie werden von der Wehrmacht gezogen und in Form von Arbeitsbataillonen bei Aufräumungsarbeiten in bombengeschädigten Gebieten unter Wehrmachtsaufsicht eingesetzt werden. Bei Vorbestraften, Entmannten, Zigeunern, Hundertfünfundsiebzigern etc. ist noch kein Entscheid getroffen, da dies eine rein sicherheitspolitische Angelegenheit ist.42

238  Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

Solche jüdischen Arbeitsbataillone gab es u. a. in einigen mit Deutschland verbündeten Staaten in Südosteuropa – vor allem Bulgarien, Rumänien, der Slowakei und Ungarn.43 Diese wandernden Zwangsarbeitslager für Juden wurden während des Zweiten Weltkriegs im Rahmen antisemitischer Maßnahmen der jeweiligen nationalen Regierungen gebildet und waren diesen unterstellt. Bei der Bildung der Bataillone beziehungsweise der Gestaltung der Haft- und Arbeitsbedingungen spielten aber auch rassenideologische und militärstrategische Interessen der deutschen Führung eine Rolle. Von deutscher Seite wurde entsprechend Druck auf die betreffenden Regierungen ausgeübt. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den jüdischen Arbeitsbataillonen in Bulgarien, Rumänien, der Slowakei und Ungarn unterschieden sich stark voneinander. Sie hingen von der unterschiedlichen Stärke des in den amtlichen Stellen und in der Bevölkerung ausgeprägten Antisemitismus sowie vom jeweiligen Einfluss des NSStaates auf die jeweiligen Regierungen ab. Nachdem Bulgarien etwa 12 000 Juden aus den bulgarisch besetzten Gebieten sowie etwa 8000 bulgarische Jüdinnen und Juden im März 1943 zur Vernichtung an die Deutschen ausgeliefert hatte, wurden weitere Deportationen aufgrund von Protesten aus der Bevölkerung eingestellt. Dennoch war die jüdische Bevölkerung zwischen Anfang 1941 und dem Einmarsch der Roten Armee im September 1944 zunehmend antisemitischen Entrechtungs- und Verfolgungsmaßnahmen der bulgarischen Regierung ausgesetzt. Nachdem jüdische Männer – zunächst zwischen zwanzig und vierzig Jahren, später auch Ältere – bereits Anfang 1941 zum Arbeitsdienst in der bulgarischen Armee verpflichtet worden waren, wurden im August 1941 auf deutschen Druck hin spezielle Arbeitsbataillone für Juden gebildet. Diese waren dem bulgarischen Ministerium für öffentliche Arbeiten, Straßen und Städtebau unterstellt. Sie waren bei unzureichender Verpflegung und Unterbringung und fehlender medizinischer Versorgung in bewachten Lagern untergebracht, wurden zu körperlicher Schwerstarbeit im Straßen- und Eisenbahnbau zur Sicherung der deutschen Versorgungswege, beim Holzfällen und bei Befestigungs- und Entwässerungsarbeiten gezwungen. Viele kamen aufgrund der auszehrenden Arbeit ums Leben. Zwischen August 1941 und September 1944 gab es über hundert wandernde Zwangsarbeitslager, die meisten auf bulgarischem Territorium, einige auch in den Gesonderte Einheiten für jüdische »Mischlinge«  239

von Bulgarien besetzten Gebieten Jugoslawiens und Griechenlands. Im Zuge des Einmarschs der Roten Armee in Bulgarien wurden die jüdischen Arbeitsbataillone aufgelöst. Die Zahl der zwischen 1941 und 1944 dort eingesetzten jüdischen Männer wird auf bis zu 15 000 geschätzt. In Rumänien waren bereits 1938 die ersten antisemitischen Gesetze erlassen worden. Ende 1940 wurden Juden aus der Armee ausgeschlossen und jüdische Männer im Alter zwischen achtzehn und fünfzig zum Arbeitsdienst verpflichtet. Später wurden auch jüdische Jugendliche und Frauen zur Zwangsarbeit eingesetzt. Ab 1941 übte die deutsche Führung zunehmend Einfluss auf die antisemitischen Maßnahmen des mit Deutschland verbündeten rumänischen Staates aus. Vor dem Hintergrund der von Rumänen und Deutschen gemeinsam verübten Massenmorde an der jüdischen Bevölkerung in Bessarabien und der Bukowina und der Vertreibung von Hunderttausenden Juden in das von Rumänien annektierte Transnistrien verschlimmerte sich auch die Situation der jüdischen Zwangsarbeiter auf rumänischem Gebiet. So musste ein großer Teil der Männer in vom rumänischen Militär bewachten Arbeitsbataillonen schwerste Zwangsarbeit im Eisenbahnbau, in Steinbrüchen und bei der Flussbegradigung leisten. Medizinische Versorgung war höchst notdürftig vorhanden, ein Teil der Inhaftierten besaß kaum Kleidung, Schläge und drakonische Lagerstrafen waren an der Tagesordnung. Nach dem Übertritt Rumäniens auf die Seite der Alliierten wurden diese Bataillone im August 1944 aufgelöst. In der Slowakei waren der slowakischen Armee ab einem nicht näher bekannten Zeitpunkt neben einer Sträflingskompanie und einer Kompanie für »Zigeuner« auch drei Arbeitskompanien für Juden zugeordnet. Circa tausend jüdische Zwangsarbeiter waren in der Westslowakei und zeitweilig auch im besetzten Polen zur Zwangsarbeit bei Entwässerungsbauten und Ausschachtungsarbeiten sowie im Straßenbau eingesetzt. Ihre Unterbringung und Verpflegung sowie die hygienischen Bedingungen in den Lagern waren mangelhaft. Im Gegensatz zu den Inhaftierten anderer Zwangslager für Juden in der Slowakei waren die Angehörigen der Arbeitskompanien durch ihren Arbeitseinsatz jedoch zumindest vor den bis Oktober 1942 durchgeführten Deportationen und damit vor der systematischen Ermordung geschützt. Im Mai 1943 wurden die jüdischen Arbeitskompanien in der Slowakei aufgelöst und 240  Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

die Angehörigen in die slowakischen Zwangslager für Juden deportiert, die bis Oktober 1942 der Deportationsvorbereitung gedient hatten und die von den Deutschen nach der Besetzung der Slowakei ab September 1944 als Sammellager für Deportationen genutzt wurden. In Ungarn bestand bereits seit August 1940 eine Arbeitspflicht für jüdische Männer im wehrpflichtigen Alter. Später wurden die Altersgrenzen zunehmend erweitert und auch jüdische Frauen zur Arbeit verpflichtet. Ab 1941 waren jüdische Arbeitsbataillone in Ungarn, 1942/43 auch an der Ostfront sowie 1943/44 in Serbien eingesetzt. Während sich die ungarische Regierung bis zum Einmarsch der Deutschen im März 1944 den deutschen Forderungen nach Deportation der jüdischen Bevölkerung widersetzte, kamen im gleichen Zeitraum dennoch über 60 000 Juden in Ungarn durch antisemitischen Terror ums Leben. Etwa ein Drittel der Opfer waren Angehörige der jüdischen Arbeitsbataillone.

Einschränkung der Ausnahmegenehmigungen Hitler war beim Erlassen von »Gnadenerweisen« unberechenbar und durchaus auch von Stimmungen abhängig. In den von Henry Picker aufgezeichneten Tischgesprächen berichtete er beispielsweise am 1. Juli 1942 von einem gewissen Freiherrn von Liebig, der als streng national gegolten habe und deshalb in sein Blickfeld geraten sei. Ihn habe jedoch das ausgesprochen jüdische Aussehen des Mannes abgestoßen. Man habe ihm aber immer wieder versichert, dass dem besonders weit zurückreichenden Stammbaum des Freiherrn zufolge keinerlei Anzeichen für einen nichtarischen Blutanteil bei ihm vorlägen. Nun stelle sich durch Zufall heraus, dass eine Urahnin von ihm 1616 in Frankfurt am Main als Tochter volljüdischer Eltern zur Welt gekommen sei. Über dreihundert Jahre lägen also zwischen der Jüdin und dem heutigen Freiherrn von Liebig. Und obwohl er außer dieser Jüdin nur Arier zu seinen Vorfahren zähle, zeige er in seinem Aussehen eindeutig die rassischen Merkmale eines Juden. Dies bestätige seine schon bezüglich des Engländers Cripps vertretene Auffassung, »dass sich bei Mischlingen – selbst wenn der jüdische Bluteinfluss noch so gering sei – im Laufe der Generationen immer wieder ein reinrassiger Jude ausmendele. (…) Eine Einschränkung der Ausnahmegenehmigungen  241

weitere Belastung unseres Blutes mit rassisch fremden Elementen sei nicht zu verantworten«.44 An dieser Stelle ist der Hinweis erforderlich, dass es im »Dritten Reich« und selbst bei der SS Funktionäre gab, die Hitlers Thesen vom »Ausmendeln« widersprachen. Zu ihnen gehörte SS-Standartenführer Bruno Kurt Schultz, der das Rasseamt im Rasse- und Siedlungshauptamt (RuSHA) leitete. Er erdreistete sich, am 12. November 1943 in einem Papier Hitlers Ansichten zu widerlegen. Hinsichtlich der 9. zurückliegenden Generation kam er zu folgendem Ergebnis: Die Zahl der den Juden speziell auszeichnenden Erbanlagen ist jedenfalls wesentlich kleiner und wird vermutlich nur in einzelnen Chromosomen lokalisiert sein. Es kann daher, wenn die fremdrassige Beimischung so weit zurückliegt, eine Belastung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, wenn diese Personen selbst sowie ihre nächsten Vorfahren hinsichtlich des rassischen Erscheinungsbildes, ihrer charakterlichen Veranlagung und in ihrer Lebensbewährung keinerlei Anhaltspunkte für jüdische Wesensart und jüdisches Aussehen bieten. In diesem Fall sind die betreffenden Personen mit vollem Recht als frei von jüdischer Belastung anzusehen und verdienen dementsprechende Behandlung.45

Dies bedeutet allerdings nicht, dass Schultz die Rassenpolitik der Nationalsozialisten grundsätzlich anzweifelte. Im Gegenteil. Er verlangte sogar »Mischlinge 2. Grades« nicht ausnahmslos den Deutschblütigen zuzuordnen, »sondern dieselben einer rassischen Sichtung durch das Rasse- und Siedlungshauptamt-SS zu unterziehen« und sie gegebenenfalls den »Mischlingen 1. Grades« gleichzustellen.46 Hitler dürfte solche Überlegungen nicht gekannt oder ernst genommen haben. Er hielt an seiner Überzeugung fest, Ausnahmegenehmigungen für »Mischlinge« seien auf ein Minimum zu beschränken. In dieser Phase des Tischgesprächs brachte eine Ordonanz eine Notiz Bormanns herein: »Dr. Picker, besonders genau und ausführlich aufschreiben, was der Führer über Behandlung und Gefährlichkeit unserer jüdischen Mischlinge sagt, warum diese Mischlinge nicht in Wehrmacht und nicht gleichgestellt werden sollen.« 242  Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

Picker merkte später dazu an, dass 1939 die Statistik im Deutschen Reich nur 72 738 jüdische »Mischlinge 1. Grades« (mit zwei jüdischen Großeltern) und 42 811 jüdische »Mischlinge 2. Grades« (mit einem jüdischen Großelternteil) aufgewiesen habe. Aber es habe einen Ausweg gegeben, den auch er bei seinen Bekannten mit Erfolg gegangen sei: Man ließ die Betroffenen zur Wehrmacht einziehen und beantragte dann ihre Gleichstellung mit Deutschblütigen. Das Mischlingsreferat des FHqu., d.h. Hitlers Heeresadjutant [Gerhard] Engel, stempelte im Schnellverfahren fast alle ihm vorgelegten Wehrmachtsfälle als genehmigt ab, womit die Belästigungen und Beschränkungen für die Betroffenen schlagartig aufhörten. (…) Hitler murrte natürlich über diese Handhabung des Problems durch Engel und versuchte, ihm dienstlich und bei Tisch eine härtere Verfahrensweise beizubringen, ohne ihm einen ausdrücklichen dienstlichen Befehl zu erteilen.47

Mit einem Erlass des Oberkommandos der Wehrmacht vom 25. September 1942, einem absoluten Vorlagestopp, habe Hitler Engels großzügiger Mischlingspraxis dann ein Ende bereitet. Picker schönte hier zweifellos die Geschichte, denn so einfach war es nicht, die begehrte »Deutschblütigkeitsbescheinigung« zu bekommen, zumal auch nicht alle Offiziere und Soldaten die Gelegenheit hatten, sich direkt an Hitlers Heeresadjutanten zu wenden. Dennoch: Gerhard Engel nutzte seine Möglichkeiten, um Menschen zu helfen. Am 28. Mai 1942 notierte er: Schm.48 lässt mich kommen und bereitet mich darauf vor, dass F. künftig ganz andere Maßstäbe an die Bearbeitung der Mischlingsgesuche zwecks Belassung im Wehrdienst zu legen gedenke. Ich habe das Referat von Anfang an und eine ganz schöne Erfolgsserie aufzuweisen. Hunderte von 50%igen, 25%igen und im Einzelnen sogar 75%igen konnten sich durch Sondergenehmigung ins Heer retten und dort bleiben. Das ist nun wohl einer Anzahl von Gau- und Kreisleitungen aufgefallen, als man die 50%igen erfassen und registrieren wolle. Ich sprach mit Frey49 vom OKW darüber, der genauso unglücklich ist wie ich. Wir vertauschten manches Bild aus »Versehen« und halfen, wo wir nur konnten.50

Einschränkung der Ausnahmegenehmigungen  243

Nur zwei Tage später verdüsterte sich das Bild. Engel brachte am 30. Mai 1942 zu Papier: Habe wieder neue Gesuche zur Ausnahmegenehmigung vorgelegt und wartete darauf, was F. sagen würde. F. ist sehr scharf, spricht von Mogelversuchen. Künftig würden derartige Gesuche von der Partei-Kanzlei geprüft werden und müssten zur Gegenzeichnung dem Chef OKW vorgelegt werden. Das durfte nicht sein. Ich versuchte, noch eine Lanze für Weltkriegsteilnehmer und diejenigen zu brechen, die in diesem Krieg schon Frontbewährung hatten. Aber es war ratsam, bei der augenblicklichen Einstellung von F. nicht weiterzugehen. Bin mit meiner Weisheit am Ende und weiß gar nicht, was man machen kann. Denke an den Reichsmarschall, der hier schon immer großzügig war.51

Die »Mischlingsthematik« stand am 28. Mai 1942 auf der Tagesordnung. Schmundt unterrichtete Heeresadjutant Engel, dass Hitler »künftig ganz andere Maßstäbe an die Bearbeitung der Mischlingsgesuche zwecks Belassung im Wehrdienst zu legen gedenke«.52 Engel nahm in diesem Zusammenhang für sein Referat in Anspruch, »von Anfang an eine ganz schöne Erfolgs-Serie« aufweisen zu können. Das war nun offenbar einer Anzahl von Gau- und Kreisleitungen aufgefallen, als man die 50%igen »Mischlinge« erfassen und registrieren wollte. Am 30. Mai 1942 legte Engel Hitler neue Gesuche um Ausnahme­ genehmigungen vor, doch der reagierte scharf und sprach von »Mogelversuchen«.53 Engel unternahm zwar noch einen Versuch, sich für Weltkriegsteilnehmer und aktive, an der Front stehende Offiziere einzusetzen, hielt es aber »bei der augenblicklichen Einstellung von F.« für ratsam, nicht zu insistieren. Schmundt deutete in wenigen Zeilen am 31. Oktober 1942 an, dass auch die Wehrmacht schärfer gegen jeglichen jüdischen Einfluss vorgehen werde. In seinem Tagebuch ist dazu zu lesen: Mehrere Vorfälle gaben Veranlassung, auf die Einstellung der Offiziere zum Judentum als einen entscheidenden Teil der nat. soz. Haltung des Offiziers

244  Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

eindeutig hinzuweisen. Eine entsprechende Verfügung, die den einzunehmenden Standpunkt klarstellt, wird durch die Ag P 2 herausgegeben.54

Am 2. Januar 1944 hielt Schmundt dann fest, dass eine Liste aufgestellt werden würde, auf der alle Offiziere enthalten sein sollten, die selbst 25oder 50-prozentige »Mischlinge« beziehungsweise mit solchen verheiratet waren.55 Verbunden damit wurde innerhalb des Heerespersonalamts eine Arbeitsbestimmung erlassen, die besagte, »dass diese Offiziere in Zukunft nicht in maßgeblichen Stellen Verwendung finden dürfen und bei älteren, sofern diese Voraussetzungen geben sind, die Verabschiedung vorzubereiten ist«. Ähnlich ging der Reichsführer-SS Himmler vor. Auch er bereitete sich auf die Entlassung aller »Mischlinge« und »jüdisch Versippten« vor und ordnete daher laut einem Vermerk für SSObergruppenführer und General der Waffen-SS Richard Hildebrandt an, »dass in der Polizei-Adjutantur eine Sonderkartei angelegt wird, in der alle die Offiziere und ihre Angehörigen, die gleichgestellt worden sind, erfasst sind«.56 Engels obige Notizen passen zu den Inhalten der Tischgespräche, die Henry Picker festgehalten hatte. Für die Zulassung von »Mischlingen« zum Wehrdienst beziehungsweise für ihren Einsatz als Vorgesetzte ist beispielsweise ein Tischgespräch Hitlers vom 10. Mai 1942 erhellend. Beim Nachmittags-Geburtstagstee für General Alfred Jodl meinte Hitler, »er bedauere die vielen Ausnahmen, die die Wehrmacht bei der Einstellung fünfzigprozentiger Juden-Mischlinge mache. Denn die Erfahrung beweise, dass aus diesen Judennachkommen doch vier, fünf, sechs Generationen lang immer wieder reine Juden ausmendelten. Diese ausgemendelten Juden bedeuten eine große Gefahr. Er werde jetzt grundsätzlich nur noch in ganz besonderen Fällen Ausnahmen zulassen«.57 Hitler schien nicht immer so gedacht zu haben. Denn sein Heeresadjutant Engel hielt in seinen Notizen am 13. August 1938 unter dem Stichwort »Mischlinge« fest: »F. sprach in kleinem Kreis wiederum über die Nürnberger Gesetze und die sich daraus ergebenden Folgen. Wenn er es sich rückläufig überlege, seien diese Gesetze eigentlich viel zu human gewesen.« Man habe zwar die Juden aus dem staatlichen Bereich entfernt, nicht aber aus dem Wirtschaftsleben, und gerade das liege ihnen besonders. Problematisch sei noch immer die Frage der vielen Einschränkung der Ausnahmegenehmigungen  245

Mischehen, der »Versippten« also. Er wisse noch gar nicht, wie er das Problem lösen solle: Manches täte ihm leid, denn man kann sagen, was man wolle, es habe im Weltkrieg auch tapfere jüdische Soldaten, ja sogar Offiziere gegeben. Bei denen kann man ja eine Ausnahme machen, denn die Kinder könnten ja nichts dafür. In jedem Falle aber behielt er bei Mischehen die Belassung im Staatsdienst und in der Wehrmacht vor. Ausschlaggebend hierfür sei die festzustellende Haltung zum Staat, doch vor allem das rassische Aussehen. Im Übrigen ginge er in diesem Falle nur bis zu 50% Prozent Mischblut, was darüber sei, sei von Übel und könne nicht berücksichtigt werden. Wegen der zahlreichen jüdisch versippten Offiziere kam ich mit F. ins Gespräch und konnte eine ganze Anzahl Fälle aufführen, in denen wirklich tragische Umstände eine Rolle spielten. Ich merkte, dass er das nicht gerne hörte; er versprach aber in jedem Fall Prüfung.58

Wozu »Prüfungen« auch führen konnten, sei an dem Beispiel von Obersturmbannführer Wiehler dargestellt, der in der SS-BosniakenDivision diente. Bei ihm hatte sich herausgestellt, dass es in der Ahnenreihe seiner Frau im 18. Jahrhundert einen Juden gab. Himmler erlaubte ihm am 25. November 1943 dennoch, in der SS zu bleiben, er müsse sich jedoch darüber im Klaren sein, dass keines seiner Kinder in der SS dienen oder keine seiner Töchter einen SS-Mann heiraten dürfe.59 Aber auch Eheschließungen mit »Mischlingen« sollte es für Wehrmachtsangehörige nicht mehr geben. Am 28. September 1944 gab das Oberkommando der Wehrmacht die Anordnung Hitlers bekannt, »dass in Zukunft eine Heirat mit Mischlingen für Wehrmachtsangehörige grundsätzlich verboten ist«.60 Ausnahmeanträge sollten erst gar nicht mehr vorgelegt, geschweige denn bearbeitet werden. Es wurde sogar befohlen, dass Zug um Zug alle Offiziere, die sich in besonderer Stellung befanden und unter diese Bestimmungen fielen, zu entlassen waren. Die Liste »auszusondernder« Offiziere hatten die Amtsgruppen P 1 und P 2 im Heerespersonalamt zu erstellen. Oberst Georg Erdmann, der die Amtsgruppe IV in P 2 leitete, sandte sie am 11. Januar 1944 an die zuständigen Stellen weiter. Auf ihr befanden sich die Namen von 77 Offizieren, darunter zwölf Generäle, die selbst »Mischlinge« waren oder mit »Mischlingen« verheiratet waren.61 Steiner und von Cornberg 246  Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

weisen aber darauf hin, dass es sich nicht immer um Gleichstellungen mit Deutschblütigen gehandelt haben muss.62 Vielmehr habe das Oberkommando der Wehrmacht in einer Anmerkung zu der Liste betont, dass möglicherweise nicht alle in den ersten Jahren nach 1935 erfolgten Gleichstellungen erfasst seien.

Hauptsache Protektion In der Wehrmacht war es – wie in allen anderen Bereichen des »Dritten Reichs« auch – wichtig, einflussreiche Fürsprecher zu haben. Die einen wurden dank des Einsatzes von Propagandaminister Goebbels als »uk« (unabkömmlich) gestellt und brauchten keinen Kriegsdienst zu leisten. Andere aber legten es geradezu darauf an, die Uniform anziehen zu können, denn dort fühlten sich die rassisch verfolgten »Mischlinge« und »jüdisch Versippten« einigermaßen sicher, wie die folgenden Fälle zeigen. Hans Pfundtner

Staatssekretär Hans Pfundtner korrespondierte mit Fritz Todt, dem damaligen Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen, über die Gleichstellung mit »Deutschblütigen«. Todt hatte sich für August Ganghofer eingesetzt, und im Reichsministerium des Innern befasste sich Pfundtner mit dem Fall. In der Angelegenheit Ganghofer habe man bereits im Februar dem Stellvertreter des Führers mitgeteilt, dass wir, seine Zustimmung vorausgesetzt, die Reichsstelle für Sippenforschung zur Erteilung eines die deutschblütige Abstammung bestätigenden Abstammungsbescheides anweisen würden. Andernfalls wäre ein Verfahren auf Befreiung im Gnadenwege von den für nicht deutschblütige Personen geltenden Einschränkungen einzuleiten. Der Stellvertreter des Führers hat daraufhin durch Schreiben vom 17. April d. J. den ersten Weg für nicht gangbar erklärt, sich dagegen auch für einen Gnadenerweis durch den Führer ausgesprochen, den er über die Kanzlei des Führers erwirken wolle. (…) Vorstehende Auskünfte bitte ich als nur für Ihre Person bestimmt zu betrachten.63 Hauptsache Protektion  247

Am 27. Oktober 1937 erhielt Ganghofer dann die ersehnte »Deutschblütigkeitserklärung«. »Nach Vortrag des Chefs der Kanzlei des Führers der NSDAP habe ich auf dem Gnadenweg entschieden, dass ihre sowie ihrer Geschwister Nachkommen trotz nicht einwandfrei geklärter Abstammung als arisch im Sinne der Vorschriften der NSDAP sowie der reichgesetzlichen Bestimmungen zu gelten haben«, lautete die von Hitler unterzeichnete Verfügung.64 Gobert von Sternbach65

Der Österreicher diente in der k. u. k.-Armee, wurde nach dem »Anschluss« der Alpenrepublik am 31. Mai 1938 in die Wehrmacht übernommen und stand bald an der Spitze einer Batterie des I. GebirgsArtillerie-Regiments 79 in Bad Reichenhall. Doch seine militärische Karriere schien am Ende zu sein, als der Offizier Maria von Edelmann heiratete. Bei der Überprüfung ihrer Abstammung stellte sich nämlich heraus, dass die Braut ein »jüdischer Mischling mit einem der Rasse nach volljüdischem Großelternteil« war. Der Direktor der Reichsstelle für Sippenforschung stellte am 20. Dezember 1939 in einem »Gutachten« fest, dass die Großmutter väterlicherseits der Maria von Edelmann Tochter jüdischer Eheleute aus Hamburg war. Die Nachforschungen hatten ferner ergeben, dass der Vater der Großmutter väterlicherseits Sohn jüdischer Eltern – ebenfalls aus Hamburg – und die Mutter der Großmutter väterlicherseits Tochter jüdischer Eheleute war. Die drei anderen Großelternteile waren »deutschblütig«.66 Damit galt die Braut als »Mischling«, und ein Offizier der Wehrmacht konnte eigentlich nicht damit rechnen, die erforderliche Heiratserlaubnis zu bekommen. Offensichtlich in Unkenntnis dieser Abstammungsergebnisse hatte das Oberkommando der Wehrmacht jedoch im Dezember 1939 die Genehmigung zur Heirat erteilt, woraufhin die Hochzeit im Januar 1940 stattfinden sollte. Doch Sternbachs Regimentskommandeur war augenscheinlich ein NS-treuer Rassenfanatiker. Durch sein Eingreifen musste die Hochzeit vorerst abgesagt werden.67 Damit nicht genug: Am 3. April 1940 wurde die Heiratsgenehmigung für ungültig erklärt, doch Sternbach und seine Verlobte gaben nicht auf. Maria von Edelmann wandte sich Hilfe suchend an die »Adjutantur der Wehrmacht beim Führer«, und ausgerechnet hier 248  Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

stieß sie auf offene Ohren. Am 14. Januar 1941 musste das OKW/OKH der Heerespersonalabteilung ein Fernschreiben schicken, dem zufolge die Braut »von der Adjutantur der Wehrmacht beim Führer Verständigung erhalten habe, dass der Heirat nichts im Wege steht«.68 In dem »Führerentscheid« hieß es: Der Führer hat entschieden, dass Fräulein Maritschi von Edelmann in Nahoschitz, Post Blisowa (Sudentengau), geboren am 14. Januar 1916 in Wien, als deutschblütig im Sinne der deutschen Rassengesetzgebung und der hierzu erlassenen Gesetze mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten zu gelten hat. Berlin, 31. Januar 194169

Es ist nicht bekannt, ob Hitler sich tatsächlich mit der Angelegenheit befasst hatte. Auf jeden Fall aber folgte er der Empfehlung der Wehrmachts-Adjutantur und stellte damit Sternbachs Kommandeur wie auch die Reichsstelle für Sippenforschung gleichermaßen bloß. Ernst Bloch70

Dass die »Gleichstellung mit Deutschblütigen« durch Hitler vor Verfolgung nicht schützte, zeigt das Schicksal des 1898 in Berlin geborenen Offiziers Ernst Bloch. Er war ins Visier des Reichsführers-SS, Heinrich Himmler, geraten, der sich am 15. September 1944 an den Chef des Heerespersonalamts, Generalleutnant Burgdorf, wandte. Unter »betr.: Gleichgestellten jüdischen Mischling 1. Grades Oberstleutnant Dr. Ernst Bloch« forderte Himmler Burgdorf auf – im Schreiben hieß es: »bittet« – »den Oberstleutnant Dr. Ernst Bloch, jüdischer Mischling 1. Grades, zu pensionieren, damit er dem Arbeitseinsatz zugeführt werden kann«. Die Antwort erfolgte durch Burgdorfs Stellvertreter, der am 29. September 1944 Himmlers Dienststelle darüber informierte, dass Bloch »im Herbst 1939 durch Führererlass den deutschblütigen Personen Hauptsache Protektion  249

uneingeschränkt gleichgestellt worden« war. Seine Frontverwendung erfolge auf eigenen Wunsch am 1. Mai 1943 trotz seiner schweren entstellenden Weltkriegsverletzungen. Lapidar hieß es dann: »Die Entlassung von Obstlt B. aus dem aktiven Wehrdienst ist angeordnet worden.« Offensichtlich konnte Bloch dazu veranlasst werden, seine Entlassung selbst zu beantragen, denn die Wehrmacht kam seinem »Wunsch« nach. Der Chef des Heerespersonalamtes teilte dem inzwischen zum Oberst beförderten Offizier am 15. Februar 1945 mit: »Der Führer hat Ihrem Antrag entsprochen und Ihre Entlassung aus dem aktiven Wehrdienst mit Wirkung vom 31. Januar 1945 verfügt. Es ist mir eine Ehrenpflicht, Ihnen im Auftrag des Führers für die im Krieg und Frieden im Einsatz für Volk und Vaterland geleisteten Dienste zu danken.« Günther Kessel71

Um Oberstleutnant Günther Kessel ging es in einem Vermerk des Chefs »Ag P 1« des Heerespersonalamtes an die Abteilung »P1 7« vom 9. Januar 1944. Im Haus war eine Liste mit aktiven Offizieren erstellt worden, die »nichtarisch« waren. Auf ihr fand sich auch der Name von Oberstleutnant Günther Kessel, der zu dieser Zeit einen Posten als Sachbearbeiter im Wehrbezirkskommando Cilli, Steiermark, bekleidete. Es wurde nun um Auskunft ersucht, ob Kessel dort noch tätig war. Wenn dies der Fall war, sollte seine Versetzung ins Feldheer angeordnet werden. Dieser Anordnung wurde Folge geleistet, sodass Kessel zum Kommandanten O.K. I/268 in Marsch gesetzt wurde. Allerdings neigte sich seine Zeit in der Wehrmacht dennoch dem Ende. Der Chef des Heerespersonalamts entschied am 28. August 1944, dass der Oberstleutnant »für weitere Verwendung in der Wehrmacht nicht mehr in Betracht« komme und zum Jahresende zu entlassen sei. Immerhin sollte Kessel als Sonderregelung weiterhin Uniform tragen dürfen. Ob er dies nach seiner Entlassung tatsächlich getan hat, geht aus den erhaltenen Personalunterlagen nicht hervor. Die Liste mit »nichtarischen« Offizieren hatte insbesondere den Reichsführer-SS Himmler beschäftigt. Erhalten hatte er sie von SS-Brigadeführer Gerhard Klopfer im Braunen Haus in München, dem er am 5. September 1944 schrieb: 250  Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

Lieber Brigadeführer! Ich danke Ihnen für Ihren Brief vom 21. 8. 1944 mit der sehr interessanten Liste über Berufsoffiziere, welche Deutschblütigen gleichgestellt wurden.72

Diese fünfseitige Liste umfasste rund 80 Namen mit Dienstgrad, Dienststelle und – was für die Nationalsozialisten noch wichtiger war – einer Aufschlüsselung der »Blutsanteile«. Wolf von Werlhof73

Wie so oft, wollten die Verantwortlichen in Reichswehr beziehungsweise Wehrmacht nicht dulden, dass einer ihrer Offiziere eine Frau mit jüdischem Blut in den Adern heiratete. Diese bittere Erfahrung mussten der am 16. April 1908 geborene Wolf von Werlhof und seine Braut Erika Schomburgk machen. Noch vor der Eheschließung waren beim Chef des Heerespersonalamts Zweifel über die »arische Abstammung« der Braut aufgekommen. In der Folge wandte sich das Kavalleriekommando Dresden am 18. April 1934 an die Inspektion der Kavallerie und forderte sie auf zu prüfen, ob die Großeltern der Braut zu den Juden zu zählen seien. Wieder einmal wurde der Sachverständige für Rasseforschung beim Reichsministerium des Innern mit der Angelegenheit betraut und kam zu einem Ergebnis, das er am 12. Juni 1934 der Inspektion der Kavallerie im Reichswehrministerium zukommen ließ: »Die Braut des Oberleutnants Wolf von Werlhof, Erika Schomburgk, ist nichtarisch«, schrieb er. Der Großvater mütterlicherseits, Bankier Meyer, war der Sohn der jüdischen Eheleute Max und Julie Meyer. Beide gehörten bis zu ihrem Tod der israelitischen Kultusgemeinde an, hatte der Sachverständige herausgefunden. Entsprechend wurde am 16. Juni 1934 die Eheerlaubnis verweigert, aber von Werlhof beantragte am 19. Oktober 1934 eine Änderung des Bescheids. In einem Fernschreiben an das Heerespersonalamt befürwortete der Kommandeur des Reiterregiments Dresden am 30. November 1934 »wärmstens« eine Ausnahmebewilligung, doch schien von Werlhof darüber nicht informiert worden sein, denn im Dezember 1934 löste er die Verlobung.

Hauptsache Protektion  251

Damit allerdings war die Liebesgeschichte noch nicht beendet. Fast vier Jahre später, am 23. März 1938, befürwortete der Kommandeur der 1. Panzerdivision in Weimar eine Eheschließung und plädierte für die erforderliche Heiratserlaubnis: »Ein Abweichen von den über die Nürnberger Gesetze hinausgehenden Sonderbestimmungen halte ich in vorliegendem Fall für gegeben.« Dieser Haltung schloss sich mit Schreiben vom 25. März 1938 nun auch das Heerespersonalamt an. Kurz zuvor hatte Erika Schomburgk als »Mischling 2. Grades« am 23. Februar 1938 ein Gnadengesuch an Hitler gerichtet und auch den Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, darüber informiert. In dem Brief an Hitler hieß es: »Seit 1931 bin ich verlobt mit dem jetzigen Oberleutnant Wolf von Werlhof. Meine Mutter ist durch ihre Abstammung Mischling 1. Grades, ich selbst bin Mischling 2. Grades.« Warum Hitler sich erweichen ließ, ist nicht nachvollziehbar. Fest steht jedoch, dass die Adjutantur der Wehrmacht beim Führer und Reichskanzler am 3. Mai 1938 Werlhof, seiner Braut und Werlhofs Regiment mitteilte: »Der Führer und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht hat aufgrund der in diesem Falle vorliegenden besonderen Umstände die Genehmigung zur Heirat erteilt.« Hans-Günther von Gersdorff74

Der Fall dieses Offiziers des Jahrgangs 1915 ist symptomatisch für den Einsatz von Verwandten, häufig der Mütter, die nicht hinnehmen wollten, dass ihre Angehörigen nun plötzlich als »rassisch« nicht mehr einwandfrei gelten sollten. Schon 1934 hatte sich die Reichsstelle für Sippenforschung mit Gersdorff befasst und war in einem Vermerk vom 6. Mai 1934 gegenüber dem 4. Artillerieregiment zu dem Ergebnis gekommen: Bei der Auslegung des Begriffs »arische Abstammung« ist nicht die Religion, sondern die Abstammung, die Rasse, das Blut entscheidend. Die Tatsache, dass die Großmutter des Lt. v. G. (Henriette Seligmann) der jüdischen Religionsgemeinschaft nicht angehört hat, und dass die Eltern der Großmutter, also die Urgroßeltern, bereits getaufte Christen gewesen sind, genügt sonach nicht, Lt. v. G. als »arisch« anzusehen. Anhand der Abstammungsnachweise des Dr. Adolf Leopold Seligmann und seiner Ehefrau 252  Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

Christine, geb. Figdor, muss vielmehr festgestellt werden, ob v. G. von einer der Rasse nach arischen oder jüdischen Großmutter abstammt.

Über ein Jahr später, am 12. Juli 1935 wandte sich der Chef des Heerespersonalamts an die Reichsstelle für Sippenforschung, um für seine Behörde festzustellen, dass nach diesseitiger Auffassung (…) die Großmutter väterlicherseits des Leutnants von Gersdorff (Frau Henriette Seligmann) von der Rasse nach jüdischen Eltern ab[stammt]. Auch dürfte als erwiesen angesehen sein, dass der Großvater väterlicherseits (Dr. Adolf Seligmann) am 8.1.1815 in Koblenz von jüdischen Eltern abstammt.

Hans-Günther von Gersdorff galt demnach als »nichtarisch«. Der Offizier wurde aufgefordert, aus dem Militärdienst auszuscheiden. Doch ausgerechnet seine Mutter wollte nicht aufgeben. Sie, die zum zweiten Mal geheiratet hatte und nun Maria Fritsch hieß, bat um Audienz bei Hitler. Gersdorff reichte hingegen wie verlangt seinen Abschied ein. Dem Gesuch der Mutter wurde natürlich stattgegeben, woraufhin der Chef P des Heerespersonalamts am 27. August 1936 Gersdorff in einem Schreiben noch wissen ließ, dass seine Verwendung im Krieg einer späteren Regelung vorbehalten bleibe. Zu diesem Zeitpunkt war nicht absehbar, dass der Kampf von Maria Fritsch von Erfolg gekrönt sein könnte. Doch ihre Hartnäckigkeit führte zum Ziel. Weniger durch ihre ständigen Interventionen bei Generaloberst von Blomberg als vielmehr ausgerechnet durch die Adjutantur der Wehrmacht beim Reichskanzler und Führer. Von dort kam am 5. April 1940 die befreiende Nachricht: Ich genehmige ausnahmsweise die Wiedereinstellung des Leutnants a.D. Hans von Gersdorff. Ich entscheide hiermit, dass der Leutnant a.D. Hans von Gersdorff, Dresden, geb. 16.2.15 zu Berlin, als deutschblütig im Sinne der deutschen Rassengesetzgebung und die hierzu erlassenen Gesetze mit allen daraus sich ergebenden Rechten und Pflichten zu gelten hat.

Entsprechend informierte das Oberkommando der Wehrmacht das Oberkommando des Heeres am 20. April 1940 über die neue Sachlage: Hauptsache Protektion  253

Der Führer hat entschieden, dass der Leutnant a.D. Hans von Gersdorff als deutschblütig im Sinne der deutschen Rassengesetzgebung und die hierzu erlassenen Gesetze zu gelten hat. Der Genannte ist darauf hinzuweisen, dass die Gleichstellung auch für die Nachkommen gilt, soweit nicht etwa bei ihnen ein fremdrassiger Blut­ einschlag von anderer Seite hinzukommt; dass der Gleichgestellte und seine Nachkommen berechtigt sind, sich als deutschblütig besonders auch in Fragebogen zu bezeichnen.

Angesichts dieser Entscheidung Hitlers äußerte natürlich die zuständige Wehrmachtsabteilung P 2 keinerlei Bedenken mehr gegen die »Deutschblütigkeitserklärung«, sodass Gersdorff seinem Wunsch entsprechend zum 1. Mai 1940 als Berufsoffizier mit dem Dienstgrad eines Oberleutnants dem Artillerieregiment 156 im Wehrkreis IV zugewiesen wurde. Emil Sommer

In diesen Zusammenhang gehört auch Emil Sommer, der nach dem Besuch des Gymnasiums die Infanterie-Kadettenschule in Budapest, die Korpsoffiziersschule in Hermannstadt, dann den Stabsoffizierskurs in Wien absolvierte. Seit 1889 war er Berufsoffizier Im Ersten Weltkrieg war er Bataillonskommandeur an der russischen Front und wurde 1915 am Uszokerpass verwundet. Er geriet in russische Gefangenschaft, konnte aber nach einem ersten erfolglosen Versuch aus dem Lager Novo-Nikolajewsk in Sibirien über Finnland in seine Heimat flüchten und wurde danach Oberstleutnant und sofort nach Italien abkommandiert, wo er als Regimentskommandant an der Piave-Offensive im Juni 1918 teilnahm. Im selben Jahr wurde er zum Oberst befördert. 1922 war er Leiter der militärischen Eroberung des Burgenlandes und wurde daraufhin Generalmajor. 1924 wurde er in den Ruhestand versetzt. Nachdem sein Schwiegersohn 1938 nach dem »Anschluss« Österreichs von den Nationalsozialisten im KZ Buchenwald inhaftiert worden war, gelang es Emil Sommer, ihn zu befreien, indem er sich für ihn bei Generalfeldmarschall und Oberbefehlshaber des Heeres Walther von Brauchitsch einsetzte, der ihn zur allgemeinen Verwunderung in

254  Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

Ehren empfing und ihm die Freilassung des Schwiegersohns versprach. Tatsächlich hielt Walther von Brauchitsch dann sein Versprechen. Leonhard Schlüter und seine Familie75

Franz Leonhard Schlüter wurde am 2. Oktober 1921 in Rinteln im Weserbergland geboren. Sein Vater, Friedrich Schlüter, hatte als aktiver Offizier bis zum November 1918 dem Kaiser treu gedient, zuletzt als Feldartillerie-Premierleutnant im Stab einer Heeresgruppe. Der Kriegsausgang hatte die vaterländische Gesinnung von Friedrich Schlüter zwar nicht erschüttern können, aber er hatte seinen sozialen Status eingebüßt, die Uniform ablegen und eine Anstellung suchen müssen. Wichtiger noch als das Aufgeben des Militärdienstes seines Vaters war für Leonhard Schlüters Entwicklung der Umstand, dass seine Mutter laut NS-Terminologie »Volljüdin« war. Im Februar 1945 erging gegen die Mutter ein Deportationsbefehl, den Leonhard, assistiert von einem SA-Standartenführer und einem Gestapo-Beamten, in letzter Minute abwenden konnte. Damals war die Schwester von Schlüters Mutter im KZ Theresienstadt inhaftiert, und der Bruder seiner Mutter war schon vor Kriegsbeginn ins KZ Buchenwald abgeführt worden. Wieder auf freien Fuß gesetzt, war der Onkel über Belgien nach Frankreich emigriert. Die Franzosen hatten ihn in einem Lager an der Mittelmeerküste festgehalten. Später war er von der Gestapo in Belgien ein zweites Mal verhaftet worden. Auch dieser Onkel von Leonhard Schlüter hatte im Ersten Weltkrieg als Offizier im Feld gestanden und zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Er war Mitglied des »Verbandes nationaldeutscher Juden« und hatte – ungeachtet Hitler, Gestapo und Buchenwald – zu Beginn des Zweiten Weltkriegs gesagt: »Was sie auch immer mit uns anstellen mögen, wenn sie mich brauchen, gehe ich noch morgen freiwillig an die Front.« In diesem Geist wuchs Leonhard Schlüter auf, der sich nichts sehnlicher wünschte, als kein »Halbjude« zu sein, sondern ein gleichberechtigter deutscher Patriot. Zweifellos hatte Leonhard Schlüter nach 1933 darunter gelitten, in der Hitlerjugend nicht mitmarschieren zu dürfen. Die Evangelische Jungenschaft war kein vollwertiger Ersatz dafür. In der Schule wurden ihm Hauptsache Protektion  255

aber keine besonders großen Schwierigkeiten in den Weg gelegt. Der Abiturient Schlüter meldete sich freiwillig zu einem halben Jahr Reichsarbeitsdienst (RAD) und danach, im November 1939, wiederum freiwillig zum Wehrdienst. Grundstellung und Ehrenbezeigungen lernte er im Ersatzbataillon des Infanterieregiments 74, und in den Krieg gegen Frankreich zog er mit dem II. Bataillon I.R. 194, dem zweiten Kriegsbataillon der Goslarer Jäger. Seine ersten Gefechte gingen um das Maginot-Panzerwerk 505, um Verdun und Nancy. Am 1. Juni 1940 avancierte der Jäger Leonhard Schlüter zum Gefreiten. Vor Pont St. Vincent wurde er aber durch eine Wurfgranate verwundet: Durchschuss durch Oberschenkel und linkes Handgelenk, Steckschuss in der Brust. Sein Kommandeur schlug ihn für das Eiserne Kreuz 2. Klasse, Sturmabzeichen und Verwundetenabzeichen in Schwarz vor und beförderte ihn am 1. Juli 1940 zum Oberjäger (Unteroffizier). Leonhard Schlüter drängte es aber, Offizier zu werden, und sein Bataillonskommandeur regte denn auch an, ihn zum Kriegsoffiziersbewerber (KOB) zu ernennen. Mit dem Erfolg, dass die vorgesetzte Dienststelle herausfand, dass Schlüter »Halbjude« war. Das KOB-Vorhaben scheiterte, der Vorschlag des Bataillons, Schlüter zum Feldwebel zu befördern, wurde vom Regiment abgelehnt. Mehr noch, man machte sich sogar daran, Schlüters Oberjäger-Beförderung zurückzunehmen. Das schien schon deshalb nötig, weil es »Voll-, Halb- und Vierteljuden« in der Wehrmacht verwehrt war, Vorgesetzte zu sein, der Unteroffizier-Dienstgrad aber bereits mit der Eigenschaft eines ständigen Vorgesetzten ausgestattet war. Die Beförderung wurde jedoch nicht aufgehoben, denn Schlüters Bataillonskommandeur hatte daraufhin gemeldet, er habe sie in Kenntnis der Tatsache ausgesprochen, dass Schlüter »Halbjude« sei. Doch er konnte nicht verhindern, dass der Oberjäger Schlüter aus der Wehrmacht entlassen wurde. Ein Jahr später reichte Schlüter ein Gesuch ein, ihn zum Wehrdienst wieder einzuberufen. Schlüter zufolge wurde »das Gesuch sogar Hitler vorgelegt«. Aber der »Führer« wollte auf Schlüters Mitwirkung lieber verzichten. Der Bruder des Generalfeldmarschalls Wilhelm Keitel, General der Infanterie Bodewin Keitel, war es dann, der Schlüter am 24. September 1942 unter der Brieftagebuchnummer 9153/42 Ag P2/3a (4) und dem Aktenzeichen li20 schrieb: 256  Die Wehrmacht und die »Judenfrage«

Betr.: Ihr Gesuch um Wiedereinstellung zum aktiven Wehrdienst. Ihr Antrag auf Wiedereinstellung in den aktiven Wehrdienst ist abgelehnt worden. Sie erhalten die Ihnen gehörenden Unterlagen anliegend zurück.

Hauptsache Protektion  257

Emil Maurice – Hitlers früher Gefolgsmann

Das, was gemeinhin als Freundschaft zwischen Hitler und Emil Maurice bezeichnet wird, geht auf die Zeit zurück, die beide gemeinsam in der Festungshaftanstalt Landsberg einsaßen. Einschränkend muss aber gesagt werden, dass es sich eher um eine gute Bekanntschaft als um eine Freundschaft handelt, zu der Hitler kaum fähig gewesen sein dürfte. 1919 hatte Maurice in München erstmals Reden von Hitler gehört und war sofort von dessen antisemitischen Hasstiraden, von der Weltkriegs-Dolchstoßlegende und dem Gerede um die Schmach von Versailles begeistert. Im Münchner »Sterneckerbräu« trafen sich die Rechtsextremisten unter Hitlers Führung. Neben Emil Maurice waren es der Müller Ulrich Graf, der Pferdehändler Christian Weber, der arbeitslose Abiturient Hermann Esser, der Student Rudolf Heß und der Publizist Dietrich Eckart, dazu als einzige Frau Eugenie Haug, Schwester von Hitlers erstem Chauffeur. Sie sollten sich in der Festungshaftanstalt Landsberg und nach 1933 in wichtigen Partei- und Staatsämtern wiederbegegnen. Zunächst aber hatten Hitler, Erich Ludendorff und weitere Putschisten am 8. und 9. November 1923 in der bayerischen Landeshauptstadt München versucht, die Regierungsmacht an sich zu reißen. Der Putsch misslang, die Hauptakteure, unter anderen neben Hitler auch Emil Maurice, wurden vor Gericht gestellt und erhielten milde Strafen: Hitler, »led., kath. Schriftsteller, Straftat: Hochverrat«, war zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden und hatte seine Strafe am 1. April 1924 in Zelle 7 angetreten.1 Der Uhrmacher Maurice, der einen jüdischen Urgroßvater hatte, den Gründer des Thalia-Theaters Chéri Maurice, hätte wegen Beihilfe zum Hochverrat ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe verbüßen sollen, war Hitlers Zellennachbar, wurde aber wie dieser vorzeitig entlassen: Hitler kam am 20. Dezember 1924 frei, ihm folgte wenig später, am 27. Januar 1925, Emil Maurice. Unter den bekannten Häftlingen befand sich auch Rudolf Heß (Zelle 5/8, Student, 1 Jahr 6 Monate, 1933 Stellvertreter Hitlers). Er erhielt sehr häufig Besuch von Professor Karl Haushofer, jedoch ledig258  Emil Maurice – Hitlers früher Gefolgsmann

lich einmal von Hitler, und zwar am 28. Dezember 1924 von 10.45 bis 10.55 Uhr.2 Weitere Häftlinge waren Julius Schaub, der zu einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden war, Walther Hewel, der das gleiche Strafmaß hatte, sowie Karl Fiehler, der eine Haftstrafe von zwei Tagen, und Julius Schreck von drei Tagen auferlegt bekam. Sie sollten innerhalb der »Bewegung« und nach der Machtübernahme der Nationalsozia­ listen noch eine erhebliche Rolle spielen. Alfred Rosenberg, der am 13. Januar 1893 in Reval geborene Architekt, glühende Antisemit und spätere führende Ideologe der NSDAP, musste nur sieben Tage Festungshaft absitzen. Die Besucherliste von Emil Maurice, der für Hitler »die Geschäfte« führte, also auch seine Post erledigte, liest sich wie ein frühes Who is Who des Nationalsozialismus. Am 6. Mai 1924 suchten ihn auf: General Erich Ludendorff, der vom Vorwurf des Putschisten freigesprochen worden war, der politische Schriftsteller Alfred Rosenberg sowie Oberleutnant Neumann; am 15.Oktober 1924: Frau Helene Bechstein, Berlin, die Hitler finanziell förderte und ihm den Kosenamen Wolf verlieh; am 28. Dezember 1924 von 11 bis 12 Uhr Adolf Hitler, derselbe dann erneut am 13. Januar 1925 von 11.45 bis 12.05 Uhr.3 Interessant ist auch, in welcher Weise Hitler Maurice materiell unterstützte. Aus den Unterlagen der Festungshaftanstalt sind folgende Ausgaben Hitlers für Maurice festgehalten: 11. August 1924: 0,88 RM für Wäsche Maurice 24. August 1924: ½ l Bier für Maurice, 0,18 RM 2. September 1924: Bier für Maurice, 015 RM 11. Oktober 1924: 3 Flaschen Bier, 1 Flasche für Maurice 12.Oktober 1924: 3 Flaschen Bier, 1 Flasche für Maurice 21. Oktober 1924: 3 Flaschen Bier, 1 Flasche für Maurice 25. Oktober 1924: 3 Flaschen Bier, 1 Flasche für Maurice 17. November 1924: 1,40 RM Porto für Paket Maurice 17. Dezember 1924: 15,55 RM Schuld vom Konto Maurice 30. Dezember 1924: 10 RM für Konto Maurice 2. Januar 1925: 1 RM für Telegramm Maurice 26. Januar 1925: 1 Kiste für Maurice, 4,00 RM.4

Emil Maurice – Hitlers früher Gefolgsmann  259

Besuchsliste in der Haftanstalt, Blatt 1.

260  Emil Maurice – Hitlers früher Gefolgsmann

Maurice, der zu dieser Zeit wohl weitgehend mittellos war, erhielt Unterstützung auch von Julius Schaub: 30 RM am 10. Januar 1925 sowie 10 RM von Hitler am 4. September 1924 und 20 RM von einem gemeinsamen Konto Hitler-Maurice am 20. November 1924.

Der Münchner mit den »Bärenkräften« Wer war nun dieser Mann, der als Freund und Vertrauter Hitlers gilt, obwohl er Halbjude war? Auskunft geben hier vor allem die umfangreichen Akten des Spruchkammerverfahrens, die sich im Staatsarchiv München befinden.5 Emil Willy Jules Maurice wurde am 19. Januar 1897 in Westermoor in Schleswig-Holstein geboren. Er besuchte die Volksschule in Owschlag, dann die Realschule in Eckernförde, trat eine Lehre als Uhrmachergehilfe an und legte die Meisterprüfung ab. Maurice trat 1939 aus der evangelischen Kirche aus und bezeichnete sich fortan als gottgläubig. Er hatte drei Brüder: Gustav wurde Oberstfeldmeister im Reichsarbeitsdienst, Franz avancierte in der Gauleitung Mecklenburg, Alfons wurde Amtsträger bei der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) in Miesbach. 1919 schon trat Emil Maurice, der im bayerischen Heer gedient hatte, in das Freikorps Oberland ein und nahm 1921 am Kampf gegen den Polenaufstand in Oberschlesien teil. Er gehörte der am 5. Januar 1919 gegründeten Deutschen Arbeiterpartei (DAP) an, die bereits am 20. Februar 1920 in NSDAP umbenannt wurde. Er war einer der ersten Anhänger der SA, Mitglied des »Stoßtrupps Adolf Hitler«, der Vorläuferorganisation der SS, und Mitglied Nr. 2 der 1925 aus dem Saalordnungsdienst hervorgegangenen SS. Am 14. Oktober 1922 fuhr Hitler mit 650 Anhängern, zu denen auch Emil Maurice zählte, in einem Sonderzug zum »3. Deutschen Tag« nach Coburg, wo es zu Straßenkämpfen und Schlägereien mit Gegendemonstranten aus links gerichteten Parteien kam. Am 15. Oktober 1932 wurde während der »Coburger Hitlertage« anlässlich des 10. Jahrestags den ehemaligen Teilnehmern, darunter auch Emil Maurice das sogenannte Koburger Ehrenzeichen verliehen. Er erhielt in dieser Zeit höchste Auszeichnungen der Partei: 1933 die von Hitler anlässDer Münchner mit den »Bärenkräften«  261

lich des zehnten Jahrestags des Putsches vom 9. November 1923 für die noch lebenden Teilnehmer gestiftete »Blutorden-Medaille« und 1934 das »Goldene Parteiabzeichen der NSDAP«. Maurice hatte sich in vielfältiger Weise um die »Bewegung« verdient gemacht. Beim Mittagessen am 11. Mai 1942 in der Wolfsschanze sprach Hitler von Maurice als einem »überlebensgroßen Münchner mit Bärenkräften. Der sei in der Kampfzeit mehr wert gewesen als Hunderte von Bürgern. Er habe ausgeschaut wie ein waschechter Proletarier und sei im Sprengen gegnerischer Veranstaltungen und im Erobern des Fahnentuches der anderen ebenso routiniert gewesen wie in dem Saalschutz bei eigenen Versammlungen.«6 Im Februar 1920 gehörte Emil Maurice zu den Gründern einer Ordnertruppe, die sich »Turn- und Sportabteilung« nannte. Sie zählte 46 Mitglieder und war Kern der späteren SS. In den Monologen im Führerhauptquartier beschrieb Hitler ihre Gründung: Lieber zwanzig Mann, die nichts kennen als Treue und Gehorsam in einer Stadt, als einen Haufen, auf den letztlich kein Verlass ist. Da ist Maurice gekommen, Schreck, Heiden. In München sollten sie eine kleine Staffel aufstellen aus Leuten, die bedingungslos tun würden, was befohlen wird. So ist die Schutzstaffel entstanden.7

Einen tiefen Einblick in die in den Zwanzigerjahren noch verschworene Gemeinschaft um Hitler gewährt ein Prozess, in dem Hitler vor dem Amtsgericht Augsburg wegen verbotenen Waffentragens angeklagt war. Die öffentliche Sitzung fand am 1. Juli 1926. Vor Gericht standen:8 1. Fischer, Josef, geb. 24.5.1879, Gastwirt in Biburg 2. Hitler, Adolf, geb. 20 VI. [sic], 1889, Schriftsteller, Thierschstraße 41/1 2. Maurice Emil, geb. 19.1.1897, Kraftwagenführer, Liebigstraße 12 4. Schreck, Julius, geb. 13. VIII. 1898, Kaufmann, Balanstraße 339 5. Heß Rudolf, geb. 20.IV, 1894, Privatsekretär, Römerstraße 3310 6. Wagner, Ernst, geboren 29. IX. 1902, Flugschüler, Marienstraße 2 7. Steinbinder, Michael, geb. 19.XI. 94, Kraftwagenführer, Metzstraße II/O 8. Heiden, Erhard, geb. 20. II. 1901, Berichterstatter, Herrnstraße11.11

262  Emil Maurice – Hitlers früher Gefolgsmann

Aus Sicht der NSDAP war dies zweifellos eine illustre Runde, die sich vor dem Augsburger Gericht verantworten musste. Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Josef Sicher war beschuldigt worden, am 17. Dezember 1925 abends ohne Beleuchtung mit zwei Anhängern voller Reisig auf der Staatsstraße nach Biburg gefahren zu sein. Seiner Aussage nach war es da noch nicht dunkel. Dem widersprachen Hitler, Maurice und Wagner. Fischer fuhr mit seinem landwirtschaftlichen Gefährt auf der Straßenmitte, als Maurice ihm in einem Auto entgegenkam und nicht mehr ausweichen konnte: Nach dem Zusammenstoß entstiegen dem Auto und einem unmittelbar darauffolgenden 2. Wagen die Angeklagten Hitler, Maurice, Schreck, Wagner, Steinbinder, Heiden sowie Rosenwink und drangen auf das Fuhrwerk ein, um Ursache und Urheber des Unfalls festzustellen. Dabei hatten die meisten nach Aussagen der Zeugen Fischer und Schmid und nach ihrem eigenen Geständnis 50–60 cm lange, über daumenstarke dicke Gummiknüppel bei sich geführt. Die beiden Zeugen und Schmidt behaupteten, dies seien Gummiknüppel gewesen. Die Angeklagten stellen dies entschieden in Abrede und erklären, es habe sich um Reitpeitschen gehandelt, was übrigens für einen Fall auch der Zeuge Schmid zugibt. Die Zeugin Arnold sagt unter Eid aus, keiner der Angeklagten habe einen Gummiknüppel mit sich geführt. Ihre Aussage wird unterstützt durch die Aussage des Zeugen Schaut, die die Autos bei Abfahrt und Rückfahrt versorgte und dabei keine Gummiknüppel bemerkte und auch durch den Zeugen Bechtold, der erklärt, so habe er noch nie bei einem der Angeklagten einen Gummiknüppel gesehen. Es habe auch Hitler seinen Parteigenossen streng verboten, solche wie andere Waffen bei sich zu führen. Es komme hinzu, dass Gummiknüppel niemals 50–60 cm lang sind, sondern 25– 30cm. Nach alledem muss es als nachgewiesen gelten, dass die Angeklagten keine Waffen bei sich führten.12

Hitler und seine Weggefährten wurden freigesprochen. Hingegen wurde der Biburger Gastwirt wegen Übertretung »Oberpolizeilicher Vorschriften« – Fahren ohne Beleuchtung und Fehlen eines Nummernschildes – zu einer Geldstrafe von 3 bzw. 5 RM verurteilt.

Der Münchner mit den »Bärenkräften«  263

Klage vor dem Arbeitsgericht Im Handbuch Der Deutsche Reichstag war über Maurice zu lesen: »Als Mitbegründer der SA und Angehöriger des Stoßtrupps Adolf Hit­ler, Teilnehmer des Marsches vom 9. November 1923 zur Feldherrnhalle. 1924 und 1925 längere Zeit in gemeinsamer Haft mit dem Führer.« Maurice selbst jedoch relativierte am 12. September 1949 gegenüber dem Bayerischen Staatsministerium für Sonderaufgaben seine Rolle: Er sei beim Hitlerputsch 1923 nur an der Besetzung der Ludwigsbrücke beteiligt gewesen, habe aber den Marsch zum Odeonsplatz nicht mitgemacht. Ebenso sei er nie Reichsleiter der SS gewesen, die zu dieser Zeit nur aus kleinen Gruppen bestanden habe. Der Leiter der SS-Organisation, Stoßtrupp-Mitbegründer Erhard Heiden, habe ihn lediglich beauftragt, anlässlich der Fahrten mit Hitler vor Ort die Arbeit der SS-Trupps zu beobachten. Auch Emil Maurice versuchte wie die meisten Deutschen, sich von jeder Schuld reinzuwaschen. Gleich bei der Gründung des »Lebensborn e.V.«, einer Organisation, die am 12. Dezember 1935 von Himmler mit dem Ziel gegründet wurde, die Zukunft des deutschen Volkes durch »rassisch und erbbiologisch wertvollen« Nachwuchs zu sichern, gehörte Maurice zu ihrem Stab. Es mutet wie eine Ironie der Geschichte an, dass der »Halbjude« Maurice dort mitarbeitete, den SS-Ehrenring und den SS-Degen erhielt und schließlich auch noch das SA-Sportabzeichen in Gold. Möglich war dies alles nur, weil Maurice das Wohlwollen Hitlers genoss. Als dieser sich sein erstes Auto, einen Mercedes Benz, kaufte, fungierte Maurice von März 1925 bis Dezember 1927 als sein Chauffeur. Josef Gerum, ein frühes NSDAP-Mitglied und Teilnehmer des Hitlerputsches 1923, kannte Maurice seit 1920, denn er hatte mit ihm zusammen den »Stoßtrupp Adolf Hitler« gegründet und mit ihm in Landsberg in Haft gesessen. Er gab an, Maurice sei in der Politischen Kartei des Münchner Polizeipräsidiums als Begleiter Hitlers eingetragen gewesen.13 Schon damals sei das Gerücht aufgekommen, Maurice sei »Halbjude«, weshalb er vonseiten der Partei bewusst nicht beachtet wurde. 1928 brüskierte Maurice Hitler in einer Weise, die dieser wohl nie vergessen haben dürfte. Da er mit der Zahlung seines Gehalts im Verzug

264  Emil Maurice – Hitlers früher Gefolgsmann

und Maurice auf das Geld angewiesen war, verklagte er Hitler vor dem Arbeitsgericht auf Zahlung und siegte. Darauf nahm Hans Kallenbach, ein weiterer Angehöriger des »Stoßtrupps Adolf Hitler«, am 7. Mai 1947 eidesstattlich Bezug: Ich bin seit Jahren darüber unterrichtet, dass er bei Hitler wegen seiner Klage 1928 in Ungnade gefallen war und dass Heydrich Maurice 1933 festnehmen und mundtot machen lassen wollte. Maurice hat sich mehr als einmal mit mir über die Gestapomethoden Heydrichs und Himmlers ausgesprochen, und ich konnte immer wieder seinen Hass, aber auch seine Furcht vor diesen Männern feststellen. Er, Maurice, verschwieg mir den Grund seiner Angst diesen Männern gegenüber, aber ich kannte die Ursache. Deshalb konnte ich M. besser verstehen, als er ahnen konnte. Denn ich wusste lange davon, dass er nicht vollarisch war und mit seiner Kritik »aus bestimmten Gründen«, wie er sich ausdrückte, vorsichtig sein musste.14

Umso erstaunlicher ist es, dass Hitler Maurice offensichtlich verzieh. Der Völkische Beobachter berichtete in seiner Ausgabe vom 13. Mai 1935 ausführlich über die Hochzeit von Maurice mit Hedwig Ploetz, der Tochter von Oberst Rudolf Ploetz. Demnach hatten Hunderte von Volksgenossen sich vor der Englischen Kirche aufgestellt, um das Brautpaar zu bejubeln. Trauzeugen waren Präsident Weber und Stadtrat Hoffmann. Zu den Gästen gehörte der Zeitung zufolge auch Brigadeführer Julius Schaub, Hitlers ständiger Begleiter und Chefadjutant. Die Hochzeitsfeier hatte schon am 11. Mai 1935 stattgefunden, und zwar im »Haus des Führers« am Prinzregentenplatz 15. Die Klage von Maurice gegen Hitler mag zwar als mutig bezeichnet werden, einen moralischen Freispruch für Maurice bedeutete sie aber keineswegs, wie die Spruchkammer Regensburg im Ermittlungsbericht 1948 befand: Nach seiner eigenen Darstellung hat ihm Hitler diesen Schritt (der Versöhnung) aber sehr leicht gemacht. Indem er ihn mit den Worten »Mosel, ich habe Dir damals Unrecht getan«, sofort die Hand reichte. Unter diesen Umständen wäre es für ihn seinerzeit nicht, wie für die meisten anderen alten Kämpfer, ein Spiel mit dem Leben gewesen, von seinem ihm gegenüber so großherzigen Freund die Erlaubnis zum Ausscheiden aus der Partei zu Klage vor dem Arbeitsgericht  265

erbitten. Seine nichtarische Abstammung wäre hierfür ein unverfänglicher Grund gewesen, denn sie bedeutete ja für den sonst so kompromissfeindlichen Hitler zweifellos selbst eine Belastung gerade auch der SS gegenüber. Hitlers Autorität hätte ihn auch im Fall seines Ausscheidens aus der Partei gegen Himmler u. a . gesichert, denn sie hat es ja sogar vermocht, ihn nach seiner trotz Himmlers Widerstreben erfolgten Wiederaufnahme in die SS, ihn nicht nur zu schützen, sondern sogar bis zum SS-Oberführer aufsteigen zu lassen. Gerade der Zeitpunkt der Aussöhnung mit Hitler lässt es daher zum mindestens zweifelhaft erscheinen, ob der Betr. nicht trotz seines Wissens um die Gefahren des seine Herrschaft antretenden Regimes seine Rehabilitierung nicht nur um seiner persönlichen Sicherheit willen, sondern auch deshalb erstrebt hat, weil er sich als alter Kämpfer davon Vorteile versprach. Er mag in Einzelfällen Nichtariern geholfen haben, aber diese Hilfe ist zumindest mitbedingt durch seine nicht vollarische Abstammung und kann sein sehr viel höheres politisches Schuldkonto nicht aufwiegen.15

Wiederholt war bereits die Rede davon, dass Himmler und sein Adlatus, der Chef der Sipo und des SD, Reinhard Heydrich, Maurice nur allzu gern aus dem Weg geräumt hätten. Das bestätigte beispielsweise auch Heinrich Kiessling, der als Urkundsbeamter beim Obersten Parteigericht der NSDAP Einblick auch in solch heikle Vorgänge hatte. Er erklärte am 12. Mai 1947 an Eides statt: Aus meiner früheren Tätigkeit als Urkundsbeamter am Obersten Parteigericht der NSDAP ist mir bekannt, dass gegen Herrn Emil Maurice ein Mitgliedsvorgang beim O.P.G anhängig war. Aus einer Stellungnahme Himmlers ging hervor, dass er Hitler gegenüber energische Vorhalte gemacht hatte, als dieser entschieden hatte, dass Maurice trotz seiner jüdischen Abstammung in der Partei und in der SS belassen werden solle. Himmler betonte in einer Stellungnahme, dass er wiederholt Hitler energisch darauf hingewiesen habe, dass Maurice für die SS untragbar sei. Der Vorgang stammt meiner Erinnerung nach aus den Jahren 1935/1937.16

Welches Vertrauen Maurice über lange Zeit bei Hitler genoss, zeigt sich auch an der folgenden Episode, die Goebbels-Biograph Ralf Georg Reuth schildert.17 1926 war Goebbels aufgefordert worden, als Gauleiter der NSDAP nach Berlin zu gehen. Als er von Hitlers Chauffeur Emil 266  Emil Maurice – Hitlers früher Gefolgsmann

Maurice erfuhr, für wie wichtig der »Führer« seine Berliner Mission erachtete, war für Goebbels die Entscheidung gefallen. Über seinen Lebenslauf befragt, erklärte Maurice gegenüber der Spruchkammer Regensburg, dass er nach der Machtergreifung gewarnt wurde, Heydrich habe ihn wegen des gegen Hitler angestrengten Prozesses verhaften wollen, da er zudem vorher seinen alten Freund Erhard Heiden hatte umbringen lassen. Es habe aber eine Aussprache mit Hitler gegeben, es sei eine Versöhnung zustande gekommen, die ihn vor weiterer Verfolgung geschützt und zur späteren Wiederaufnahme in die SS geführt habe. Er habe 1935 geheiratet, und dabei sei in kleinem Kreis bekannt geworden, dass Maurice nichtarisch war. Hitler habe keinen Anstoß daran genommen, wohl aber Himmler.18 Ob Maurice tatsächlich und formell zum »Deutschblütigen«, also zum »Ehrenarier«, ernannt wurde, war leider nicht zu ermitteln. Hitlers schützende Hand rettete Maurice über die ganze Dauer des Nationalsozialismus und verschaffte ihm so manche Vorteile. Von Reichsmarschall Göring hatte Maurice ein Schreiben erhalten, dass er als alter Kämpfer jede Unterstützung verdiene.19 In der Tat schien das aus NS-Sicht gerechtfertigt, denn im Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft Regensburg war ferner zu lesen: 1940 meldete er sich zum Heeresdienst und wurde in kürzester Zeit Oberleutnant der Flak. (…) Er galt als Draufgänger und ziemlich rabiater Mensch, der sich stets rücksichtslos durchzusetzen verstand und mit Drohungen wie Kazet-Verbringung [sic!] stets bei der Hand war. Er war stets in Uniform zu sehen, bald in der SS-Uniform und bald in der Uniform als Oberleutnant, diese auch noch bis Kriegsende tragend. Bei der Bevölkerung war er wegen seines Auftretens eher gefürchtet. Bei sämtlichen politischen Veranstaltungen leitete er als SS-Oberführer in München die Absperrmaßnahmen und war bei Hitlers Anwesenheit sein Begleiter.20

Hingegen sprach der Geschäftsführer der Wohnhausgesellschaft Äußere Prinzregentenstraße A.G. von einem »zurückhaltendem Auftreten, allseitigen Sympathien und einem ruhigen angenehmen Mieter«.21 Karl Mier, der damalige Präsident der Handwerkskammer, beteuerte, Maurice habe »als scharfer Gegner der Arbeitsfront alles daran gesetzt, die Innungen und Einrichtungen zu schützen und zu fördern und vor den Klage vor dem Arbeitsgericht  267

Zugriffen der Arbeitsfront zu sichern«.22 Maria Hopfer bestätigte am 4. April 1948 in München, dass sie als »Alleinmädchen«, also als einziges Mädchen im Hauspersonal, gut behandelt worden war, zur Kirche gehen durfte und dass Maurice sich nie politisch geäußert habe. Und Emil Marix brach am 25. März 1948 eine Lanze für Maurice: Er habe nicht immer mit »Heil Hitler« gegrüßt und zu den »Abgeklärten« gehört, »welche (…) etwas abseits standen und mit vielen Maßnahmen der Partei nicht einverstanden waren«.23

Die Affäre mit Angela (Geli ) Raubal Formell war Maurice nur Fahrer gewesen, doch zugleich auch Hitlers enger Vertrauter. Am 18. Juli 1926 erwähnte ihn Goebbels in seinen Tagebüchern. Hitler war bereits zu Bett gegangen, und Goebbels räumte ein: »Mit Maurice und dem edlen Bohémien Hoffmann24 noch bis tief in die Nacht bei einer Flasche Malaga. Heute Morgen um ½ 8 h, klopft’s wieder an meine Türe: Maurice. Der Chef will, dass ich mit ihm zum Königssee fahre.«25 Am 31. Juli 1926 hieß es: »Im Auto nach Augsburg. Heß, Maurice und Berthold begleiten den Chef«26 und am 24. September 1924: »Maurice aus München ist da. Er erzählt mir von seiner unglücklichen Liebe. Ordentlicher Kerl.«27 Mit »unglücklicher Liebe« meinte Maurice wohl Hitlers Nichte Geli Raubal. So vertraut Hitler und Maurice auch waren: Als Hitler erfuhr, dass Maurice in seine Nichte verliebt war, zeichnete sich abrupt das Ende der Freundschaft ab. Einem Gerücht zufolge soll Geli Raubal sogar von Maurice schwanger gewesen sein. Dazu heißt es bei Paul Bruppacher unter dem 20. Dezember 1937 anlässlich der Hochzeit von Rudolf Heß und Ilse Pröhl, dass Hitler und Maurice die Feier vorzeitig verlassen hätten.28 Dabei habe Maurice seine Gefühle für Geli Raubal offenbart. Am nächsten Tag habe eine Unterredung stattgefunden, bei der Hitler Maurice mit einem Revolver bedroht und eine Trennung des Paares verlangt habe. Beide hätten das jedoch verweigert, was zum Bruch der Freundschaft mit dem »Führer« geführt habe. Seine Liebe zu Geli Raubal hatte Maurice lange Zeit geheim gehalten. Lediglich Goebbels gegenüber schien er sich offenbart zu haben. 29 268  Emil Maurice – Hitlers früher Gefolgsmann

Bei Ernst Hanfstaengl, der die Affäre Maurice/Raubal aus nächster Nähe beobachtete, ist darüber zu lesen: Obwohl Emil Maurice, Hitlers Chauffeur und Leibwächter, sich des Vorzugs rühmen konnte, ihr ständiger Liebhaber zu sein, ging Geli anderen Männerbekanntschaften keineswegs aus dem Wege, sobald sich ihre offenbar rege entwickelte Präsenz angesprochen fühlte. Das führte begreiflicherweise gelegentlich zu recht ungemütlichen Situationen, wie etwa Gelis Têteà-Tête mit einem Studenten zeigte, bei dem die beiden von Maurice in fla­ granti erwischt wurden und die »Schlagfertigkeit« eines berufsmäßigen Leibwächters sehr nachdrücklich zu spüren bekamen.30

Laut Hanfstaengl war die Form der Abrechnung, die Hitler eines Tages mit Maurice vornahm, typisch für seine Art, Inkorrektheiten lästig gewordener Weggefährten so lange zu übersehen, bis ihm der Zeitpunkt einer genüsslichen Rache gekommen zu sein schien: So ließ zwar die eines Tages fällig werdende Auseinandersetzung zwischen Hitler und Maurice nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig, ohne dass sich daraus jedoch fürs Erste irgendwelche Weiterungen ergaben. Lediglich Geli musste ihr sturmfreies Quartier räumen und wurde in die Obhut von Frau Elsa Bruckmann, geborene Fürstin Cantacuzène, gegeben, während Maurice nach außen weiterhin Dienst tat, als sei nichts geschehen, allerdings unter Begleitumständen, die der jahrelange Begleiter und Mithäftling Hitlers in der Festung Landsberg zweifellos nicht verdient hatte. Durch bewusst schlechte Behandlung, die sich bis zur Verweigerung und Verschleppung von Lohnzahlungen steigerte, wurde Maurice so lange schikaniert, bis er von sich aus die Konsequenzen zog, seinen Dienst quittierte und sein Recht beim Arbeitsgericht suchte.31

Im Spiegel vom 8. Juni 1987 war unter der Überschrift: »Das Grab von Onkel Adolfs Nichte« zu lesen: Als Hitlers Duzfreund und Chauffeur Emil Maurice mit ihr anbandelte, trug ihm das von seinem Chef 1928 die fristlose Kündigung ein. Maurice ließ die Nichte fahren und erstritt sich vor dem Arbeitsgericht eine Abfindung. Die Affäre mit Angela (Geli ) Raubal  269

Ganz ging ihm, der die SA mitbegründet hatte, jedoch Hitlers Protektion nicht verloren. Als 1935 ein Ahnennachweis ruchbar machte, dass der inzwischen zum Münchner Stadtrat Avancierte jüdische Vorfahren hatte, erteilte ihm Hitler höchstpersönlich rassischen Dispens und erklärte ihn – streng geheim – zum Ausnahmefall: Standartenführer Maurice durfte weiter SSKarriere machen. Fast vierzig Jahre später schwärmte der nicht ganz reinrassige HitlerKumpan noch immer von Geli. Sie war »eine Prinzessin, nach der sich die Leute auf der Straße umdrehten«, sagte er 1967 zu dem amerikanischen Journalisten Nerin Gun.32

Ungeachtet all dieser – belastenden wie entlastenden – Aussagen und Gerüchte wurde Emil Maurice am 2. Juni 1948 von einer Spruchkammer als Belasteter der zweiten Kategorie zu vier Jahren Arbeitslager verurteilt. Dreißig Prozent seines Vermögens sollten eingezogen werden, fünf Jahre lang durfte er kein öffentliches Amt bekleiden, und außerdem sollte er seine Rentenansprüche verlieren. Aber er stieß – wie schon früher in Landsberg – auf überaus milde Kläger und Richter: Der Hauptkläger der Berufungskammer für Niederbayern/Oberpfalz, Regensburg, entschied, dass der Internierte Emil Maurice sofort zu entlassen sei. Die Vergangenheit holte Maurice jedoch ein: Die Abwicklungsstelle der Spruchkammer München erhielt am 7. Oktober 1949 folgendes Schreiben: Hiermit stelle ich den Antrag auf Wiederaufnahme des Spruchkammerverfahrens gegen den SS-Obergruppenführer Emil Maurice. Dem Verfahren konnte ich damals nicht beiwohnen, da ich zu dieser Zeit erst aus 4-jähriger russ. Kriegsgefangenschaft heimgekehrt bin. Zur Sache: Im Jahre 1939 wurde ich auf Veranlassung des genannten Herrn von meinem Posten als Straßenbahnführer fristlos entlassen, musste daraufhin eine 11-tägige Einzelhaft bei der Gestapo absitzen. Es wurde mir auch bei nochmaligem geringstem Vergehen sofortige Einlieferung in das KZ angedroht.

270  Emil Maurice – Hitlers früher Gefolgsmann

Die betr. Unterlagen hierüber dürften bestimmt noch beim Personalreferat der Stadt München aufliegen. Ich ersuche Sie höflichst, diesem Fall besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Max Fröschl33

Doch der Fall Emil Maurice wurde nicht wieder aufgerollt. 1972 starb er in München. Im »Dritten Reich« hatte er große Anerkennung gefunden, wie die von ihm bekleideten Ämter zeigen: 1936 wurde er zum Ministerialdirektor ernannt, 1936 bis 1945 war er Mitglied des Deutschen Reichstags, vom 1. April 1937 bis 1945 Präsident der Handwerkskammer und Vizepräsident der Handelskammer München, 1933 bis 1945 Ratsherr der Stadt München, 1939 bis 1945 Mitglied des Reichsluftschutzbunds, von November 1944 bis April 1945 Kompanieführer des »Volkssturms München«. Doch damit nicht genug: Maurice war auch noch Vorstandsmitglied der Landes-Gewerbebank, Aufsichtsratsmitglied des Bayerischen Genossenschaftsverbands, Aufsichtsratsmitglied der Fa. Lenz & Co. und Provisionsvermittler von Siemens. Für die Regensburger Spruchkammer galt Maurice als stets aktiver und überzeugter Nationalsozialist und persönlicher Freund Hitlers.34 Er sei ein großer Nutznießer des »Führers« gewesen. So hatte er 1939 ein Pachtgrundstück am Starnberger See erworben und sich dort sogar ein Stahl-Modellhaus errichten lassen.

Die Affäre mit Angela (Geli ) Raubal  271

Robert Feix – »Halbjude« unter Himmlers Schutz

Der 1893 in Wien geborene Robert Feix war ein erfolgreicher Chemiker, der das Geliermittel Opekta erfunden hatte, das das Herstellen von Marmeladen und Fruchtgelees erleichterte. Sein Vater, Ludwig Feix, heiratete in erster Ehe Maria Scheinberger, die einer jüdischen Familie aus Ungarn entstammte. Nach der mittleren Reife trat Feix in das Unternehmen seiner Familie ein. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldete er sich freiwillig zur österreichischen Armee, wurde Frontsoldat und als Oberleutnant bei Kriegsende entlassen. Danach ging er als Geschäftsführer zu den Pomosin Werken nach Frankfurt am Main und befasste sich vorwiegend mit der Entwicklung und dann der Produktion von Pektin. Pektine sind bei der Lebensmittelherstellung, in der Pharmaindustrie oder für Kosmetika als Gelier- oder Stabilisierungsmittel unverzichtbar. Sie wurden aber auch bei der Stahlerzeugung und als blutstillende Mittel in der Medizin verwendet.1 1928 gründeten Robert Feix und Richard Fackeldey die Opekta GmbH (der Name der Firma war ein aus »Obstpektin aus dem Apfel« hergeleitetes Kunstwort), die Pektin für den Haushaltsbedarf herstellte und verkaufte. Aufgrund des großen Erfolgs der Firma beschloss Feix, die Produktion in Köln weiter aufrechtzuerhalten und Niederlassungen in der Schweiz, Österreich, der Tschechoslowakei und den Niederlanden zu gründen. Erster Geschäftsführer der Zweigstelle in Amsterdam war Otto Frank, der Vater von Anne Frank.

Im Visier der Nationalsozialisten Nach eigenem Bekunden war Robert Feix gegen den Nationalsozialismus eingestellt, da er Anhänger der österreichischen Monarchie und zudem kein »Arier« war.2 Nach NS-Kategorisierung war er nämlich »Halbjude«. Bis 1938 blieb er weitgehend unbehelligt, wurde aber 272  Robert Feix – »Halbjude« unter Himmlers Schutz

nach dem »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich am 13. März 1938 wegen »staatsfeindlicher Manipulationen« von der Gestapo verhaftet, weil man ihm Devisenvergehen und die Bestechung von Beamten vorwarf. Seine Firmen wurden »arisiert«, das heißt vom Staat konfisziert, wobei es offensichtlich zu Unregelmäßigkeiten gekommen war. In einem Bericht vom 11. Juli 1938 an den Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Wilhelm Keppler, hieß es dazu, dass eine schon im Sommer des Vorjahrs durchgeführte »Arisierung« des Opekta-Unternehmens nicht ordnungsgemäß war: So betonte Regierungsrat Wolfgang Schneider, dass Rückverträge zugunsten von Feix inzwischen auch wieder gelöst waren und dass er sich auf die »glänzende Mitarbeit von Herrn Dr. Pabst« stützen konnte, »der ja seinerzeit in die Geschäftsführung eingetreten war, um für saubere und von jüdischem Einfluss unabhängige Verhältnisse zu sorgen«.3 Einmal ins Visier der Gestapo geraten, wurde Feix wiederholt verhaftet, unter anderem wegen des Vorwurfs einer »getarnten Arisierung«. Dazu gab Keppler am 15. Juli 1938 bekannt, dass abgesehen von der nicht ordnungsgemäßen »Arisierung« inzwischen noch andere Dinge ans Tageslicht gekommen seien, die Feix belasteten. So sei ein ostafrikanischer Glimmerbetrieb, der dem genannten Regierungsrat Schneider gehörte, »durch den Juden Feix finanziert worden«. Schneider werde begreifen, »dass es natürlich peinlich ist, sich von einem Juden derartige Gefälligkeiten erweisen zu lassen«. Keppler räumte aber auch ein, dass Feix Opfer der politischen Umstände war: »Die Angelegenheit Feix hat auch politische Hintergründe; denn es ist ja ein eigenartiger Vorgang, wenn dieser Herr – offensichtlich unter Verletzung der Devisengesetzgebung – dem Otto von Habsburg ein Auto dezidiert [sic!].«4 Einige Wochen nach seiner ersten Verhaftung wurde Feix freigelassen, inzwischen war sein österreichischer Besitz im Wert von 1,8 Millionen Schilling beschlagnahmt worden. Nach und nach »arisierten« die Nationalsozialisten sein gesamtes Vermögen. 1939 wurde Feix erneut verhaftet – diesmal wegen Devisentransfers aus Deutschland an die Niederlassungen im Ausland. Er blieb zwanzig Monate in Untersuchungshaft. Im anschließenden Strafprozess wurde er freigesprochen. Die Gestapo verhaftete ihn aber erneut. Nach vier Wochen wurde er für kurze Zeit in die Freiheit entlassen. Ein drittes Mal wurde er auf Veranlassung von Martin Bormann, dem Chef der ParteiIm Visier der Nationalsozialisten  273

Kanzlei der NSDAP, am 20. Juli 1942 »wegen dringenden Verdachts der staatsfeindlichen Betätigung im Limburger Hof festgenommen und durch Sondertransport dem RSHA überstellt«.5 Die Pektin-Produktion lief in dieser Zeit weiter, da das Unternehmen von den Gau-Wirtschaftsverwaltungen sowie den Industrie- und Handelskammern als »arisiert« weitergeführt wurde. Entscheidend für die Fortführung der Opekta-Werke war vor allem, dass sie am 12. Februar 1943 vom Reichsministerium für Ernährungund Landwirtschaft als Wehrwirtschaftsbetrieb – und damit als »kriegs- und lebenswichtig« – anerkannt wurden.6 Da das nationalsozialistische Regime andere Erfindungen von Robert Feix – das blutstillende Mittel Polygal und das Kartoffelbreipulver – für die Soldaten dringend benötigte, genoss Feix die Protektion des Reichsführers-SS, Heinrich Himmler.

Forschungsarbeiten im KZ Dachau Robert Feix wurde am 29. Januar 1943 ins Konzentrationslager Dachau gebracht, wo er schon zwei Tage nach seiner Ankunft als »Sonderhäftling« mit kleinen Vergünstigungen geführt wurde. Nach einigen Monaten wurde er der wissenschaftlichen Versuchsstation des Lagers zuge­ wiesen und war damit dem berüchtigten SS-Arzt Sigmund Rascher unterstellt, der vor allem durch seine grausamen, verbrecherischen Unterdruck- und Unterkühlungsversuche bekannt wurde. In der KZ-Versuchsstation arbeitete Feix mit Rascher an der Weiterentwicklung der blutstillenden Wirkung von Pektin, das bislang injiziert oder in Sirupform eingenommen werden musste, um seine Wirkung zu entfalten. Nun versuchte Feix, es in Tablettenform zu bringen, denn die Einnahme wäre vor allem an der Front eine große Erleichterung gewesen. Das neue Mittel »Polygal« würde die Blutgerinnungs- und Blutungszeit verkürzen und bei größeren äußeren oder nicht verbindbaren inneren Verletzungen, etwa Lungendurchschüssen, besonders geeignet sein. Feix blieb Häftling, was im Schriftverkehr der SS immer wieder zum Ausdruck kam, wenn auch mit einer Vorzugsbehandlung. So schrieb der Geschäftsführer der Forschungsgemeinschaft Ahnenerbe, Wolfram Sie274  Robert Feix – »Halbjude« unter Himmlers Schutz

vers, am 15. Juni 1944, es solle bald mit »Polygal«-Großversuchen begonnen werden. »Da die geforderten Sicherungsmaßnahmen bestehen, arbeitet Feix dort weiter«, betonte Sievers und fuhr dann fort: »Liegen die Abschlussergebnisse vor, so wird SS-Obergruppenführer Pohl die weiteren Anordnungen für die Herstellung geben und die Beteiligung des Feix regeln.« Ein handschriftlicher Vermerk auf dem Papier besagte, dass die »Beurlaubung« von Feix verlängert werden musste.7 Immer wieder wurde Robert Feix aus dem KZ »beurlaubt«, um seine Forschungen sicherstellen zu können. Zusammen mit Rascher hatte er zum Beispiel am 5. Oktober 1943 in München die Kalichemie AG besichtigt. Das Werk war bei Fliegerangriffen schwer beschädigt worden und sollte nun zur Herstellung des blutstillenden Mittels wieder hergerichtet werden. Schriftlich vereinbart wurde sogar, dass der KZHäftling und »Halbjude« Robert Feix an den Erlösen aus dem Verkauf des blutstillenden Mittels beteiligt werden sollte. Ferner hatte Himmler am 27. Oktober 1943 entschieden, »dass der im Lager Dachau befindliche Schutzhäftling Feix die Genehmigung erhält, mit SS-H’Stuf Rascher in Zivil nach Vorarlberg zu fahren«.8 Vom Amt A (Ahnenerbe), das Himmler unterstand und für die Menschenversuche in Dachau verantwortlich war, erhielt KZ-Kommandant SS-Sturmbannführer Martin Weiß hinsichtlich der Abstammung von Feix folgende Weisung: »Als kürzlich im Zusammenhang mit einem von Reichsmarschall Hermann Göring erteilten geheimen Sonderauftrag der stellvertretende Reichsärzteführer Kurt Blome in Dachau war, hatte er dort auch Feix gesehen.« Ihm sei der »Fall Feix« bekannt, hatte Blome erklärt, er sei als Beauftragter der Partei-Kanzlei mit dem Abstammungsbescheid befasst und selbst der Ansicht, dass es sich bei Feix um einen »Mischling 1. Grades« handle. Das sollte berücksichtigt werden, falls irgendwelche Maßnahmen gegen Feix beabsichtigt seien.9 Wegen seiner Unverzichtbarkeit genoss Feix zahlreiche Vergünstigungen, so durfte er beispielsweise Zivil tragen und Reisen unternehmen. Vor dem Nürnberger Militärtribunal kam zur Sprache, dass Feix sogar nach München geschickt wurde, um dem stellvertretenden Reichsarzt Blome ein im KZ Dachau repariertes Radio zurückzubringen.10

Forschungsarbeiten im KZ Dachau  275

Aus »Polygal« wurde »Styptoral« Ursprünglich war unter Regie des SS-Instituts für Wehrwissenschaftliche Zweckforschung das blutstillende Mittel unter dem Namen »Polygal« entwickelt worden. Doch nachdem KZ-Arzt Rascher und seine Frau im März 1943 unter anderem wegen Kindesentführung verhaftet worden waren, sollte auch der Name des Mittels nicht an mehr an Rascher erinnern. Es wurde daher in »Styptoral« umbenannt. Himmler und Göring als Präsident des Reichsforschungsrats wiesen der Herstellung von »Styptoral« für Heereszwecke die Dringlichkeitsstufe SS zu, wodurch es möglich war, die erforderlichen Materialien auch in Zeiten der kriegsbedingten Knappheit zu bekommen. Feix erwies sich einmal mehr als unentbehrlich. Ahnenerbe-Geschäftsführer Wolfram Sievers unterstrich dies zum Beispiel am 22. Juli 1944 in einem Brief an SS-Standartenführer Rudolf Brandt: Für die zu dazu erforderlichen Mengen und gegebenenfalls Verbesserungen ist Feix unentbehrlich. Seine Beurlaubung [aus dem KZ] läuft am 22.7.44 ab. Ich bitte Sie deshalb um Veranlassung, dass dieselbe bis auf weiteres verlängert wird, d.h. dass Feix wie bisher in Schlachters arbeiten kann.11

Dies war auch Himmlers Wille, sodass sich am Status von Feix nichts änderte. In einem Zwischenbericht über den Stand der »Styptoral«-Forschungsarbeiten vom 1. Oktober 1944 wurde darauf verwiesen, dass in einer KZ-Außenstelle in Schlachters nun laufend wirksames Pektin erzeugt werden konnte.12 Dabei gab es methodische und technische Schwierigkeiten zu überwinden, bei deren Behebung Feix sich besonders eingesetzt hatte. Allein in der Außenstelle Schlachters sollten täglich 20 000 Dosen »Styptoral« hergestellt werden, wozu es allerdings nicht mehr kam. In der Schlussphase des »Dritten Reichs« war SS-Arzt Kurt Friedrich Plötner, der am 11. Juli 1967 im Kriminalkommissariat Freiburg vernommen wurde, an den Forschungen beteiligt.13 Er gab an, er habe sich gegen die unmenschlichen Versuche Raschers gewandt. Dass überhaupt Versuche gegen den Willen der Häftlinge durchgeführt wurden, wollte er lediglich von verschiedenen Häftlingen gehört haben, die sich 276  Robert Feix – »Halbjude« unter Himmlers Schutz

wie Robert Feix über Rascher beschwert hatten. Auf die Frage, warum Feix im Mai 1944 festgenommen worden sei, erklärte Plötner, davon wisse er nichts: Feix war natürlich zu einem viel früheren Zeitpunkt inhaftiert worden, sonst wäre er nicht als Häftling in Dachau anwesend gewesen. Dort habe ich ihn persönlich kennengelernt. Er fuhr dann auch nach Schlachters und kehrte später wieder nach Dachau zurück. Feix hatte ebenso wie andere Häftlinge in Schlachters sehr weitgehende Freiheit, wie sie sonst einem Häftling kaum gewährt werden.14

Kartoffelbreipulver für die Front Eine weitere Trumpfkarte für Feix war seine Erfindung des Kartoffelbreipulvers: Aus einem Kilo Pulver ließen sich entweder zehn Liter Suppe oder fünf bis sieben Kilo Kartoffelbrei herstellen, was für den Einsatz an der Front besonders geeignet war. Rascher reklamierte den Großteil der erhofften Erlöse zunächst für sich. Doch am 31. Januar 1944 vereinbarten der Essener Hersteller von Fruchtpasten, Fruchtaromen, Essenzen und ätherischen Ölen, Johann Joseph Hennes, Sigmund Rascher und Robert Feix die gemeinsame Herstellung von Kartoffelbreipulver.15 Hennes erwarb damit das Recht, den Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion, die Zentrale der Organisation Todt, Abt. Waffen und Munition, sowie die Reichsautobahn-Raststätten GmbH zu beliefern. Feix sollte dabei Rascher in dessen Abwesenheit vertreten. Daraufhin wurde dem Unternehmer Hennes ein Rezept zur Herstellung von Kartoffelbreipulver übergeben, das von Feix stammte. Rascher erhielt von Hennes einen Scheck über 10 000 RM, und Feix erklärte sich mit der Drittelung der Lizenzsumme – Ahnenerbe, Rascher, er – einverstanden. Ahnenerbe-Reichsgeschäftsführer Sievers genehmigte den Vertrag, als Treuhänder der »Damen Feix« – gemeint waren wohl Ehefrau und Tochter – sollte Rechtsanwalt Hans Rudolf Nelken in Frankfurt am Main fungieren. Unter Punkt VI der Vereinbarung hieß es:

Kartoffelbreipulver für die Front  277

Herr Robert Feix verpflichtet sich, gegen eine noch näher festzusetzende Vergütung den Lizenzinhaber bei der Ausweitung des Verfahrens und die Produkte laufend zu kontrollieren sowie Verbesserungen des Verfahrens dem Lizenznehmer Herrn Hennes zur Verfügung zu stellen.16

Obwohl »Mischling 1. Grades« und KZ-Häftling konnte also Feix am 21. Februar 1944 mit Hennes einen Mitarbeitervertrag schließen, nach dem er sich verpflichtete, sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Produktion von Kartoffelbreipulver den Unternehmer zu beraten, die Produktion zu überwachen und das Produktionsverfahren zu verbessern. Hierfür erhielt er ein monatliches Honorar von 400 RM zuzüglich Reisekosten. Am 14. März 1944 bekräftigte Hennes, dass er für die Aufnahme der industriellen Kartoffelbreipulverherstellung Feix als Sachverständigen dringend benötigte.17 Er bat dann Rascher »zu versuchen, die Wiederherstellung der vorher bestandenen Reichsbürgerschaft (Halbarisierung) des Herrn Feix dringlichst zu betreiben«. Er müsse nun forciert Kartoffelbreipulver in großen Mengen sowohl an das Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, für die Baubelegschaften des Rüstungsausbaus und der Lufteinsätze als auch für das Oberkommando des Heeres liefern. »Wie Sie sich vorstellen können, ist es für mich als Großkaufmann selbst in einer so wichtigen Sache, wie sie das Kartoffelbreipulver darstellt, einfach unmöglich, mit einem Volljuden in näherer Arbeitsbeziehung zu stehen.« Mit Feix stehe und falle die Herstellung, beschwor Hennes den KZ-Arzt. Angesichts der Bedeutung Feix’ für die NS-Wirtschaft müsse er vom »Volljuden« – wie Hennes ihn fälschlicherweise bezeichnete zum »Mischling 1. Grades« heraufgestuft werden. Am 5. April 1944 wurde Feix in das KZ-Außenlager Schlachters-Sigmarzell bei Lindau verlegt, am 7. April 1945 ins Außenlager Lochau und am selben Tag zurück nach Schlachters. Dort setzte er in der ehemaligen Edelweiß-Fabrik in Sigmarzell (Milchwerk Schlachters) die in Dachau begonnenen Versuche fort. Den Einwohnern von Schlachters war der Kontakt zu den KZ-Häftlingen untersagt, doch scheint die Überwachung nicht so strikt durchgeführt worden zu sein. So berichten Ortsbewohner, dass Häftlinge gelegentlich Nahrungsmittel zugesteckt bekamen und Personen in Häftlingskleidung abends durch den Ort spaziert 278  Robert Feix – »Halbjude« unter Himmlers Schutz

seien. Im April 1945 erging der Befehl, die Häftlinge ins KZ Dachau zurückzuüberstellen. Doch dieser Befehl erreichte den Kommandoführer nicht, da der Häftling, der die Post abholte, den Brief öffnete und beseitigte. Die Häftlinge entwaffneten das Wachpersonal und warteten im nahen Wald, bis französische Soldaten Schlachters besetzten und sie befreiten. Nach Kriegsende wurde Feix von den Alliierten interniert, konnte aber glaubhaft nachweisen, dass er zur Zusammenarbeit mit der SS gezwungen worden war. Nach seiner Entlassung und mehreren Prozessen erhielt er 1952 die Opekta-Werke zurück. Mit Aufkommen des neu erfundenen Gelierzuckers durch Pfeifer & Langen 1965 wurde »Opekta« überflüssig. Deshalb entschlossen sich die Witwe von Robert Feix und ihre fünf Kinder zu einem Verkauf an die Kölner Firma Pfeifer & Langen. Die Produktion wurde inzwischen eingestellt, die Markenrechte hält Dr. Oetker.

Kartoffelbreipulver für die Front  279

Hitlers Kritik an der Judenfreundlichkeit der Bündnispartner

Antisemitismus gab es in vielfältiger Weise in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in nahezu allen Ländern Europas, wenngleich nicht in einer derart ausgeprägten Form wie in Deutschland und in Österreich. So wurden auch in Italien Juden verfolgt, doch selbst nach Mussolinis Machtergreifung 1922 behielten sie weitgehend ihre gesellschaftliche Stellung und konnten Mitglied im Partito Nazionale Fascista bleiben. Mehrere Hundert der schätzungsweise bis zu 40 000 italienischen Juden hatten sogar am »Marsch auf Rom« des Faschistenführers vom 27. bis 31. Oktober 1922 teilgenommen. Doch als 1933 die Nationalsozialisten in Deutschland an die Regierung kamen, hatte dies erhebliche Auswirkungen auch auf das politische Klima in Italien. Zwar nahm Italien auch jetzt noch aus Deutschland geflohene Juden auf oder gestattete ihnen die Weiterreise nach Palästina, aber der Antisemitismus nahm immer härtere Züge an. In einem lesenswerten Beitrag führte Julius H. Schoeps dazu aus: Nicht Hitler, sondern Mussolini war es, der den Rassenantisemitismus in Italien einführte. Unklarheit herrscht heute höchstens noch über die Motive des Duce, den Wechsel vom Judenfreund zum Handlanger von Hitlers Vernichtungspolitik zu vollziehen. War es der Abessinienkrieg 1935, der die Einstellung Mussolinis gegenüber den Juden änderte? Handelte es sich um einen taktischen Schachzug wegen des Kräftegleichgewichts der Mächte in Europa? War es das Achsenbündnis Berlin–Rom, das nicht ohne Auswirkungen auf die italienische Innenpolitik blieb? Oder war der Rassenantisemitismus auch in Italien ein integraler Bestandteil der faschistischen Dok­ trin? In den Anfängen des faschistischen Regimes hat es keinen nennenswerten Antisemitismus gegeben. Es gab sogar Juden, die Mitbegründer der Bewegung waren und die als Kämpfer für die Sache des Faschismus (martiri fascisti) gefallen sind. So war der Gründer des römischen Faschismus ein Jude (Enrico Rocca), ebenso der Theoretiker des »Korporativismus« (Gino Arias). Im Gegensatz zum Nationalsozialismus war der Faschismus ver280  Hitlers Kritik an der Judenfreundlichkeit der Bündnispartner

gleichsweise tolerant. »Auch wir haben unsere Juden«, erklärte Mussolini im Juni 1932 gegenüber dem Prinzen Starhemberg. »Es gibt viele in der Faschistischen Partei, und sie sind gute Faschisten und gute Italiener.«1

Hitler hatte für die Italiener nicht viel übrig. Sie liefen immer davon, und das versetze ihn in rasende Wut, meinte er in seinen Monologen im Führerhauptquartier am 5. August 1942.2 Weltanschaulich könne man jedoch nur mit ihnen verkehren, gestand er immerhin zu. Die Nationalsozialisten übten ständig Kritik an dem für sie unzureichenden Vorgehen Italiens gegen Juden. Umso erfreuter zeigte sich beispielsweise Propagandaminister Goebbels, als Mussolini einen härteren Kurs einschlug. Am 5. August 1938 jubelte er: »Rom zieht jetzt praktische Konsequenzen aus der Rassenlehre. Scharfe Verordnungen gegen die ausländischen Juden. Nun wird das Weltjudentum Mussolini schon von selbst weitertreiben.«3 Zwei Tage später war Goebbels überzeugt, dass nun auch in Italien mit der Judenverfolgung ernst gemacht würde: »Mussolini erlässt neue Rassengesetze. Numerus clausus für Juden. Er hat also Blut geleckt.«4 Ab 1938 wurde von einer »reinen italienischen Rasse« gesprochen, die »arischen Ursprungs« sein sollte, doch bis zum Fall des Mussolini-Regimes im Juli 1943 war die Lage der Juden in Italien relativ sicher. Zu den Besonderheiten des staatlich gesteuerten italienischen Antisemitismus gehörte die große Zahl von Ausnahmen bei der Verfolgung. So wurde – vom Grundsatz her zumindest – lediglich zwischen Juden und Nichtjuden unterschieden. Bekannt ist auch, dass sich viele italienische militärische Vorgesetzte weigerten, an der Judendeportation teilzunehmen. Zudem gab es auch in Italien das Instrument des »Ehrenariers«, das beispielsweise auf den 1880 geborenen jüdischen General Umberto Pugliese angewendet wurde. Nach Inkrafttreten der italienischen Rassengesetze 1938 wurde er zunächst aus dem Dienst entlassen. Im November 1940, nachdem britische Bomber die italienische Flotte zum großen Teil vernichtet hatten, bat die Marineführung Pugliese um Mitwirkung beim Wiederaufbau. Er sagte unter der Bedingung zu, dass er wieder die Marine-Uniform tragen dürfe. Pugliese kam zugute, dass die italienischen Rassengesetze einige Schlupflöcher aufwiesen. So war eine Form von Ehrenarierschaft nach Artikel 14 des Decreto-Lei-Nr. 1728 Hitlers Kritik an der Judenfreundlichkeit der Bündnispartner  281

im Falle von »außergewöhnlichen Verdiensten« möglich, die sich Pugliese zweifellos erworben hatte. 1944, nachdem die Achsenmacht Italien aus dem Dreimächtepakt ausgeschert war und die Deutschen das Land besetzten, wurde Pugliese von der SS verhaftet, doch »auf Bewährung« wieder freigelassen. Der Italien-Korrespondent David Colin berichtete 1938 aus Rom, dass sich zwar alle Juden zwischen achtzehn und fünfundfünfzig Jahren zur Zwangsarbeit hatten melden müssen, dass jedoch 400 jüdische Ärzte und 300 jüdische Ingenieure von dieser Pflicht ausgenommen worden waren. Mehrere Tausend Juden, Colin schätzte etwa 2800, waren zu diesem Zeitpunkt aus Kroatien nach Italien geflohen und wurden dort betreut. Wie Colin ferner berichtete, hatte sich Italien die »Nazitechnik der Umwandlung von Juden zu ›Ehrenariern‹ angeeignet, soweit sie für Kriegsleistungen nützlich sein konnten«.

Italiens »laxer« Umgang mit Juden Abgesehen von der Geringschätzung für die militärischen Fähigkeiten der Italiener, war den Nationalsozialisten deren – wie es Goebbels formulierte – »laxer« Umgang mit den Juden ein Dorn im Auge. Goebbels schrieb dazu am 13. Dezember 1942 in seinem Tagebuch: Übrigens sind die Italiener in der Frage der Judenbehandlung äußerst lax. Sie nehmen die italienischen Juden sowohl in Tunis wie im besetzten Frankreich in Schutz und dulden durchaus nicht, dass sie zur Arbeit eingesetzt oder zum Tragen eines Judensternes gezwungen werden. Man kann hier wieder einmal sehen, dass der Faschismus doch nicht so recht in die Tiefe zu gehen wagt, sondern in wichtigsten Problemen an der Oberfläche haften bleibt. Die Judenfrage macht uns überhaupt sehr viel zu schaffen. Überall finden die Juden, auch bei unseren Verbündeten, noch Hilfsmannschaften, ein Beweis dafür, dass sie selbst im Achsenlager noch eine bedeutsame Rolle spielen. Umso entmachteter sind sie in Deutschland selbst.5

Deutsche auf allen Ebenen, so der Historiker Jonathan Steinberg, hätten »angewidert« festgestellt, »dass italienische Juden Privilegien genossen, die ihren Glaubensbrüdern im natio­nalsozialistischem Einflussbereich 282  Hitlers Kritik an der Judenfreundlichkeit der Bündnispartner

verwehrt waren«.6 Und in Tripolis stellten Wehrmachtsangehörige Anfang 1942 »voller Abscheu« fest, dass italienische Verwaltungsbedienstete die rund 16 000 jüdischen Einwohner der Stadt schützten, was diesen ermöglichte, »ungehindert ihre unlauteren Geschäfte zu betreiben und gegen den faschistischen Staat zu komplottieren«. Als einige Beamte gar meinten, die libyschen Juden seien an sich »anständige Kerle«, stießen sie damit auf das gleiche Unverständnis wie »die Polizei, die in ihrem Verhalten zwischen Italienern und Juden keinen Unterschied machte«.7 Probleme sah Goebbels im Umgang mit den Italienern insbesondere auch deshalb, weil sie von den Nationalsozialisten als rassisch »minderwertig« betrachtet wurden. Er fürchtete beispielsweise eine »Unterwanderung unserer Rasse« durch den Umgang deutscher Frauen mit Fremdarbeitern. Es sei aber schwer, eine solche Frage öffentlich zu behandeln, weil sich sofort die betroffenen Völker und Nationen getreten fühlen. Beispielsweise wehren sich die Italiener mit Händen und Füßen dagegen, rassisch minder oder auch nur anders bewertet zu werden, als wir uns selbst bewerten.8

Der italienische Botschafter Filippo Anfuso spöttelte darüber, dass Hitler von Zeit zu Zeit den Reichsaußenminister, Joachim von Ribbentrop, in die verbündeten Länder geschickt habe, damit er die Anwendung der Rassengesetze verlange. Mussolini, Pétain, König Boris hörten sich ihn an und versprachen die Anwendung der Vorschriften, die sie dann doch nicht oder doch nur in sehr abgeschwächtem Maße vornahmen.9

Ohnehin habe Hitler Mussolini nie in die letzten Geheimnisse und Grundlagen des »Rassegedankens« eingeweiht. Diese seien »urdeutsch« gewesen. Der »Rassegedanke« sei die Religion der Menschen gleichen Bluts gewesen, und Mussolini konnte daran keinen Anteil haben.10 Dass die Italiener sich nur zögerlich an der Verfolgung der Juden beteiligten, beklagte auch der Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, als er im Januar 1943 in einem ausführlichen Brief an Ribbentrop zu den Italiens »laxer« Umgang mit Juden  283

Zuständen in Frankreich Stellung nahm. Die französische Polizei sei zwar bereit, Frankreich »von uns unerwünschten Elementen zu reinigen«. Sie sollten in drei Präfekturen gesammelt und dann nach dem Osten abtransportiert werden. Schwierigkeiten ergäben sich jedoch bei den Italienern, klagte Himmler. Sie lehnten die Auslieferung und den Abtransport von Juden italienischer Staatsangehörigkeit ab, und er vermutete, »dass wohl eine Anzahl italienischer Funktionäre Bestechungsgelder und sonstige Vorteile erhalten haben«. Himmler bat Ribbentrop um Einwirken auf die Italiener, da die Durchbrechung des gesamten Prinzips, Frankreich von den Juden frei zu machen, unsere Arbeit sehr erschweren würde. Bei den Franzosen fällt die Tatsache, dass die Italiener unsere Bundesgenossen sind und in der Judenfrage nicht mitmachen wollten, besonders in die Waagschale.11

Heftige Kritik übte Himmler an italienischen Soldaten, die alles daransetzten, sich bei der französischen Bevölkerung beliebt zu machen und sich über die deutschen Truppen feindselig äußerten. Aus Himmlers Sicht aber schlimmer noch: Grundsätzlich bringt der Italiener – an der Côte-d’Azur vor allem – seine Sympathie für Juden zum Ausdruck, gegen die sich im unbesetzten Gebiet eine neue verschärfte Regierungspolitik vorbereitet.12

Gegen die Verfolgung von Juden durch SS und Wehrmacht gab es in Italien sogar offenen Widerstand. SS-Obersturmbannführer Herbert Kappler, der als Kommandeur der Sipo und des SD in Rom mit der Durchführung der »Judenaktion« beauftragt war, meldete am 18. Oktober 1943 dem Höchsten SS- und Polizeiführer in Italien, Karl Wolff, die »Judenaktion« sei abgeschlossen, aber eine »Beteiligung der italienischen Polizei in Anbetracht der Unzuverlässigkeit in dieser Richtung [sei] unmöglich« gewesen. Trotzdem wurden im Verlauf der Aktion (…) 1259 Personen in Judenwohnungen festgenommen und in Sammellager in hiesiger Militärschule gebracht. Nach Entlassung der Mischlinge, der Ausländer einschl. eines Vati284  Hitlers Kritik an der Judenfreundlichkeit der Bündnispartner

kanbürgers, der Familien in Mischehen einschl. jüdischen Partners, der arischen Hausangestellten und Untermieter verblieben an festzuhaltenden Juden 1007.13

Mit bemerkenswertem Mut stellten sich Römer gegen die deutschen Polizisten, wie Kappler einräumen musste: Verhalten der italienischen Bevölkerung: eindeutig passiver Widerstand, der sich in großer Reihe von Einzelfällen zur aktiven Hilfeleistung steigerte. In einem Fall z. B. wurden die Polizisten an der Wohnungstür von einem Faschisten mit Ausweis und Schwarzhemd empfangen, der eindeutig die Judenwohnung erst eine Stunde zuvor als seine angeblich eigene übernommen hatte. Verschiebungsversuche der Juden bei Eindringen deutscher Polizisten in das Haus in Nachbarwohnungen waren eindeutig zu beobachten und dürften verständlicherweise in zahlreichen Fällen vorgekommen sein.14

Antisemitismus habe es während der Aktion nicht gegeben. In Einzelfällen sei sogar versucht worden, »die Polizisten von den Juden abzudrängen«. In Griechenland bescheinigte Roms Generalkonsulat in Saloniki den dort ansässigen Juden die italienische Staatsangehörigkeit. 15 Als die Deutschen die Bundesgenossen drängten, den Judenstern einzuführen, um die Flucht von Juden in die italienische Besatzungszone zu verhindern, wurde dies strikt zurückgewiesen. Immer wieder kam es zwischen deutschen und italienischen Dienststellen im Hinblick auf den Umgang mit Juden zu Meinungsverschiedenheiten: Als typischer Vertreter der projüdischen Grundhaltung im Militär wurde der Kommandeur der Infanterie-Division »Marche«, Generalleutnant Giuseppe Amico, zitiert, der sich dahingehend äußerte: »Die Gesetze der Kroaten sind streng; die der Deutschen noch strenger. Die armen nach Ragusa geflüchteten Juden nach Sarajevo zurückzuschicken, hieße ja, die Juden in den Tod zu schicken«.16

Amico verhinderte, dass die Kroaten die im Küstengebiet lebenden Juden auf die Insel Lopud abschoben. Und vom Chef des Stabes der in Italiens »laxer« Umgang mit Juden  285

Mostar liegenden Infanterie-Division »Murge« wird berichtet, dass er es rundheraus ablehnte, gegen die angeblich aufrührerisch tätigen Juden in der Stadt einzuschreiten. Denn Sondermaßnahmen gegen jüdische Bürger seien unvereinbar mit der Ehre der italienischen Armee, schließlich habe die Führung allen Einwohnern gleiche Behandlung zugesichert. In seinem Buch Deutsche Kriegsverbrechen in Italien schreibt Gerhard Schreiber: Noch deutlicher als in Griechenland trat der deutsch-italienische Dissens in der Judenfrage im besetzten Jugoslawien zutage, wo im kroatischen Raum jüdische Landesbewohner bei den Italienern Schutz suchten und fanden. (…) Es indignierte auch die Tatsache, dass sich Offiziere in Begleitung jüdischer Frauen zeigten und ungeniert mit Juden verkehrten, von denen sie angeblich ca. 500 aus Sarejevo in die Stadt an der Adria [Dubrovnik] brachten, die dort mit gefälschten Pässen lebten.17

Die unterschiedliche Einstellung zur Judenfrage gehörte zum Konfliktpotenzial der Achsenmächte. Sie löste sogar auf höchster Ebene Aggressionen aus. Es spricht Bände, dass der 1946 hingerichtete Joachim von Ribbentrop den Gouverneur von Dalmatien und Unterstaatssekretär im italienischen Außenministerium, Giuseppe Bastianini, als »Ehrenjuden« bezeichnete, während die Reichsregierung ihm Obstruktion vorgeworfen hatte. Erst als die nördlichen Landesteile Italiens nach dem Sturz Mussolinis und dem Ausscheiden Italiens aus der »Achse« unter deutsche Besatzung kamen, traten schlagartig Änderungen ein. Die sogenannte Republik von Salò, die von September 1943 bis April 1945 amtierende »Italienische Sozialrepublik« unter der militärischen Protektion des Deutschen Reichs, sorgte nun dafür, dass die Juden in Konzentrationslager eingewiesen wurden; ihr Eigentum wurde beschlagnahmt. Gleichzeitig liefen die Vorbereitungen für die »Endlösung«. Doch unter der Bevölkerung fand die judenfeindliche Politik des Duce und seines »Bündnispartners« nur wenig Sympathie. Viele Italiener versteckten Juden; selbst die Androhung schwerer Strafen konnte sie davon nicht abhalten.

286  Hitlers Kritik an der Judenfreundlichkeit der Bündnispartner

Die »Judenaktion« im Rom führte zu Solidaritätsbekundungen, die es in dieser Form und zu dieser Zeit in Deutschland nicht gegeben hat. Am 17. Oktober 1943 war in der Untergrundzeitung L’Italia Libera zu lesen: Die Deutschen haben in der Nacht und während des ganzen Tages Italiener in Haft genommen. Sie wollen uns glauben machen, dass diese Menschen Fremde, Angehörige einer anderen Rasse sind. Aber sie sind von unserem Fleisch und Blut. Sie haben immer mit uns zusammen gelebt, mit uns zusammen gekämpft und mit uns zusammen gelitten. Nicht nur arbeitsfähige Männer, sondern auch alte Leute, Frauen und Kinder wurden auf Lastwagen verladen und weggebracht. Es gibt niemand, dem es nicht bei dem Gedanken schaudert, welches Schicksal diese Menschen erwartet. Wir hassen nicht mehr, wir sind entsetzt. Es gibt keine Hoffnung auf Frieden in Europa, bis dieser Albtraum ein Ende hat.

Nach der Absetzung des Regimes Mussolini, kam es auch in der italienischen Presse zu erheblichen Umbrüchen. Geradezu angewidert notierte Goebbels am 29. Juli 1943: Die faschistischen Journalisten sind abgesetzt worden, und an ihre Stelle treten Halbjuden, Freimaurer, kurz und gut, das bekannte alte Gelichter, das wir aus der Kampfzeit noch bestens kennen.18

Und zu dem neuen Regierungschef Badoglio meinte Goebbels: Die Art und Weise, wie er uns verrät, zeugt für eine typisch freimaurerischjüdische Arbeit. Badoglio ist ja bekanntlich ein alter Freimaurer und mit einer Jüdin in Rom liiert.19

Am Rande verdiente Goebbels zufolge bemerkt zu werden, »dass [Giuseppe] Renzetti, der italienische Gesandte in Stockholm, sich für die Badoglio-Regierung erklärt hatte. Ich konnte das auf Grund der Kenntnis seiner Persönlichkeit kaum annehmen; wahrscheinlich ist dieser Stimmungs- und Geistesumschwung auf seine jüdische Frau zurückzuführen.20 Italiens »laxer« Umgang mit Juden  287

Während der Zeit, als Renzetti Präsident der italienischen Handelskammer in Deutschland war, hatten uniformierte SS-Offiziere und NS-Parteigrößen es keineswegs verschmäht, mit der hübschen Susanne Renzetti, geb. Kochmann, zu tanzen, wobei die jüdische Abstammung mit Rücksicht auf die deutsch-italienische Freundschaft schamhaft verschwiegen wurde. Sie war die Tochter eines jüdischen Justizrates, die Renzetti in Gleiwitz kennengelernt und 1927 geheiratet hatte. Insbesondere Goebbels ließ sich keine Gelegenheit entgehen, um Juden für den »Verrat« Italiens verantwortlich zu machen. Der »Großschieber Volpi«, so wollte er erfahren haben, hatte einige Wochen vor dem Ausscheiden Italiens aus dem Dreimächtepakt eine Jüdin geheiratet und war deshalb aus der faschistischen Partei ausgeschlossen worden. Für Goebbels war klar, dass Volpi, den er als einen der größten Kriegsschmarotzer bezeichnete, sich mit der Heirat ein Alibi für spätere Zeit habe schaffen wollen.21 Auch der einst so hochgelobte Mussolini war nun aus NS-Sicht zumindest »jüdisch versippt«. So wurde das Gerücht gestreut, Edda, die Tochter Mussolinis, stamme aus einer Verbindung des Duce mit einer russischen Jüdin. Goebbels hatte dies von Hitler gehört, der glaubte, »dies vermuten zu können …«.22 Und Edda Mussolinis angeblich »hemmungsloses Triebleben« war nach Goebbels’ Interpretation ein Indiz dafür, »dass die These des Führers, sie sei Halbjüdin, richtig war«.23

Großzügiges »Ehrenarierrecht« in Kroatien Ebenso wenig zuverlässig im Hinblick auf die »Judenfrage« zeigte sich der im April 1941 nach der Zerschlagung und Aufteilung Jugoslawiens unter der Herrschaft der faschistichen Ustaša auf Betreiben Hitlers ausgerufene vermeintlich »Unabhängige Staat Kroatien«. Dort monierte der deutsche Polizeiattaché in Zagreb, Hans Helms, dass zwar die Judenfrage im Großen und Ganzen als gelöst anzusehen war, dass es aber »in öffentlichen Stellungen, besonders in der Wirtschaft und im Gesundheitswesen, noch einige Juden« gab.24 Man müsse die kroatische Regierung drängen, strengere Maßstäbe bei der Verleihung des »Ehrenarierrechts« anzulegen, verlangte Helms. Am 30. April 1941 hatte Ante Pavelic, der Regierungschef Kroatiens, drei Gesetze zur Ausgrenzung 288  Hitlers Kritik an der Judenfreundlichkeit der Bündnispartner

jüdischer Bürger erlassen, die eine Reihe von Ausnahmen zuließen. Schätzungen zufolge sollen etwa 500 Personen von den kroatischen Ehrenarier-Bestimmungen betroffen gewesen sein. Zuständig für die Einstufung und folglich das Schicksal von Juden war eine Rassenpolitische Kommission im kroatischen Innenministerium. Juden, die sich beispielsweise um die Ustaša-Bewegung verdient gemacht hatten, konnten die vollen Bürgerrechte als »Ehrenarier« erhalten. Eine Vereinbarung vom Januar 1943 zwischen deutschen und kroatischen Polizeidienststellen sah eine Sonderaktion vor, der zufolge alle noch im Land verbliebenen Juden, aus den öffentlichen Ämtern entfernt werden sollten, mit Ausnahme der »Ehrenarier« und »Mischlinge«.25 Der deutsche Gesandte in Zagreb, SA-Obergruppenführer Siegfried Kasche, bemängelte die Vielzahl von Ausnahmen. Dabei verfahre man folgendermaßen: Die vom kroatischen Staat anerkannten »Ehrenarier« waren von den Maßnahmen nicht betroffen. Juden in Mischehen wurden nur dann Zwangsmaßnahmen unterworfen, wenn die Kroaten das von sich aus betrieben oder wenn politische Gründe das erforderlich machten. Halbjuden blieben verschont, wenn sie nicht mit Volljuden verheiratet waren. Dann galten sie nicht mehr als Juden.26 Dennoch gebe es in öffentlichen Stellungen, besonders in der Wirtschaft und im Gesundheitswesen, noch einige Juden, beklagte sich Helms. Deutsche Versuche, gegen sie vorzugehen, wurden von kroatischer Seite abgeblockt, da es an ausreichend ausgebildeten Ersatzkräften fehle. Auch gebe es in wichtigen Stellen noch Juden, die über gute Beziehungen zu kroatischen Persönlichkeiten oder Organisationen verfügten und daher schwer angreifbar seien: Schwierigkeiten bei der endgültigen Bereinigung der Judenfrage in Kroatien bereitet auch der Umstand, dass die kroatische Führung im starken Maße jüdisch versippt ist. Um den Einfluss des Judentums auf das kroatische öffentliche politische und wirtschaftliche Leben auszuschalten, wäre es notwendig, die kroatische Regierung – unter Hinweis auf die Gefahren – zu bewegen, von sich aus die noch in öffentlichen Stellungen befindlichen Juden auszuschalten.27

Außerdem könnte man die kroatische Regierung drängen, strengere Maßstäbe bei der Verleihung des »Ehrenarierrechts« anzulegen. Eine Großzügiges »Ehrenarierrecht« in Kroatien  289

Vereinbarung zwischen deutschen und kroatischen Polizeistellen sah vor: • eine »Sonderaktion« zur Entfernung sämtlicher verbliebener Juden – ausgenommen »Ehrenarier« und »Mischlinge«. • Die in kroatischen Lagern inhaftierten Juden sollten, soweit sie nicht als Arbeitskräfte eingesetzt waren, zur »Aussiedlung« nach Deutschland, das heißt zum Transport nach Auschwitz, freigegeben werden. • Illegal in Kroatien lebende Juden sollten verhaftet und ins Lager Jesenovac verbracht werden. • Sämtliche für die »Aussiedlung« vorgesehenen Juden sollten im Lager Stara Gradiska konzentriert werden.28 Auf deutscher Seite ging man davon aus, dass hiervon rund 2000 Menschen betroffen sein würden. Dennoch wurde in Kroatien immer wieder Widerstand gegen die aufgezwungene Rassenpolitik betrieben. Voller Empörung meldete die Landesgruppe Kroatien der NS-Auslandsorganisation, dass Erzbischof Stepanovic am 14. März 1943 »die Rassenfrage und die Mischehe zum Gegenstand seiner Predigt in der Zagreber Kathedrale gemacht hatte«.29 In schärfster Weise sei Kritik an der deutschen Politik geäußert worden. Dem Staat sei das Recht abgesprochen worden, in »Mischehen« einzugreifen. In Kroatien und in der Slowakei gab es eine große Zahl von »Volksdeutschen«, die Himmler in seiner Eigenschaft als Reichskommissar der Volksdeutschen Mittelstelle (Vomi) gern im »Altreich« gesehen hätte. Aber dem stand häufig die »Abstammung« im Wege. In der Slowakei war am 1. Oktober 1941 ein »Judenkodex« verabschiedet worden, der sich an die Nürnberger Rassengesetze anlehnte. Allerdings hatten sich bei der Überprüfung der »Ahnenpapiere« von Volksdeutschen Fälle ergeben – wie Hermann Behrends, SS-Oberführer und Stellvertreter der Vomi, schrieb –, »in denen Männer, die sich jahrelang, auch in der illegalen Zeit, für die Volksgruppe einsetzen, dem Gesetz nach Juden sind«. Sie waren auf die wohlwollende Behandlung von Gnadengesuchen angewiesen, die zunächst der Volksdeutschen Mittelstelle vorzulegen waren.30 Kritisiert wurde, dass in Kroatien die »Judengesetze vornehmlich aufgrund des katholischen Einflusses nicht unter Berücksichtigung des 290  Hitlers Kritik an der Judenfreundlichkeit der Bündnispartner

Rassestandpunktes erlassen wurden, sodass getaufte Juden den anderen Staatsbürgern gleichgestellt sind und demzufolge auch nicht dem Verordnungszwang des Tragens der Judenplakette unterliegen«. Als Folge befänden sich in der Ustaša-Bewegung zahlreiche Volljuden und Judenmischlinge. Empfohlen wurde nun, den »Mischlingen ersten und zweiten Grades, deren deutschstämmiger Elternteil bereits vor dem 1. September 1939 Mitglied des Kulturbundes war und sich durch Haltung und Einsatz im Deutschtumskampf besondere Verdienste erworben hat, auf Antrag den Besuch der deutschen Schulen zu gestatten, wobei jedoch die Mitgliedschaft der Ausleseorganisation oder einer Gliederung der deutschen Volksgruppe versagt bleiben soll«.31Kurz darauf wurde Behrends zum SS-Brigadeführer befördert. Ihm schrieb SSSturmbannführer Rudolf Brandt am 17. Oktober 1941: Der Reichsführer-SS ist Ihrer Ansicht, dass die Nürnberger Gesetze sowohl in der Slowakei als auch in Kroatien scharf durchgeführt werden. Er bittet, ihm sämtliche Fälle von Gnadengesuchen vorzulegen, damit er sich auch persönlich ein Bild davon machen kann. Wahrscheinlich wird der Reichsführer-SS in allen diesen Fällen die betreffenden Volksdeutschen, die zwar Mischlinge sind, die sich aber schon seit Langem für die volksdeutsche Gruppe eingesetzt haben, in das Altreich nehmen, um den Kroaten und Slowaken jede Möglichkeit zu nehmen, etwa auf Ausnahmen in der deutschen Volksgruppe in dieser Hinsicht hinweisen zu können.32

Diese Vorgaben führten zu geradezu absurden Situationen. So hatte beispielsweise Otto Richter aus Olmütz die Einbürgerung beantragt, wobei die Großeltern mütterlicherseits »vermutlich Juden« gewesen waren.33 Er war folglich als »Halbjude« zu betrachten und hätte nach Paragraf 15 des slowakischen »Judenkodex« sein Staatsamt als Obersekretär der staatlichen Gefällekontrolle in T. S. Martin nicht behalten dürfen. Zweiter Bewerber um die Einbürgerung war Romanic, seinerzeit Direktor des Verkaufsbüros der kroatischen Berg- und Hüttenwerke in Agram. Bei ihm handelte es sich um einen »Vierteljuden«. Nach intensiven Abstammungsprüfungen, einem regen Schriftverkehr und »aufgrund der anerkannten Verdienste hatte der Reichsführer-SS die Übernahme der beiden volksdeutschen Mischlinge ins Reich genehmigt«.34 Allerdings machte

Großzügiges »Ehrenarierrecht« in Kroatien  291

ein SS-Untersturmführer auf die Risiken aufmerksam, denen »Mischlinge« im »Altreich« ausgesetzt waren: Wenn jedoch diese Personen im Reich nicht in den Genuss der Einbürgerung und der Entscheidung, dass über ihre nichtarische Abstammung hinweggesehen wird, kommen würden, so würden sie als Halb- bzw. Vierteljuden weitaus schlechter gestellt sein als zur Zeit in der Volksgruppe.35

Derartige Einbürgerungen aber waren generell verboten, und die Entscheidung, »nach der bei jüdischen Mischlingen über deren nichtarische Abkunft hinwegzusehen« ist, konnte nur durch den »Führer« selbst vollzogen werden.

Die Aufsässigkeit der Ungarn Nach nationalsozialistischer Denkungsart gebärdeten sich die Ungarn besonders aufsässig in der Judenfrage. Schon im Februar 1942 hatte Goebbels István Horthy, dem Sohn von Reichsverweser Miklós Horthy, der zugleich dessen Stellvertreter war, vorgeworfen, »ein ausgesprochener Judendiener« zu sein36 und schmähte ihn wenig später als »ausgemachten Judenfreund«.37 István Horthy hatte seinem Vater aus Kiew geschrieben: Noch ein weiteres trauriges Thema: die jüdische Gesellschaft, wie ich höre, – dort 20 oder 30 000 Mann –, sind auf Gedeih und Verderb den Leidenschaften der Sadisten ausgeliefert, in jeder Hinsicht (…).Ich befürchte, dass wir einmal sehr teuer dafür bezahlen werden. (Ist es möglich, sie zu Hause arbeiten zu lassen?) Andernfalls werden im Frühjahr nur noch wenige leben.38

Am 17. März 1943 hatte Hitler den ungarischen Reichsverweser Miklós Horthy nach Schloss Klessheim bei Salzburg beordert, wo er ihm vorhielt, sich nicht an der »Endlösung der Judenfrage« zu beteiligen. Hitler habe Horthy anschließend die Verfehltheit seiner Politik im Großen gesehen wie speziell in der allgemeinen Kriegführung und der Judenfrage klargemacht«,39 ist bei Goebbels unter dem 19. April 1943 zu 292  Hitlers Kritik an der Judenfreundlichkeit der Bündnispartner

lesen. In seinem Tagebuch widmete der Propagandaminister diesem Umstand am 8. Mai 1943 viel Platz und stellte fest, dass diese Frage »am allerschlechtesten« in Ungarn gelöst werde. Als Gründe hierfür führte er an: Der ungarische Staat ist ganz jüdisch durchsetzt, und es ist dem Führer bei seiner Unterredung mit Horthy nicht gelungen, ihn von der Notwendigkeit härterer Maßnahmen zu überzeugen. Horthy ist ja selbst mit seiner Familie außerordentlich stark jüdisch verfilzt und wird sich auch in Zukunft mit Händen und Füßen dagegen sträuben, das Judenproblem wirklich tatkräftig in Angriff zu nehmen. Er führt hier durchaus humanitäre Gegenargumente vor, die natürlich in diesem Zusammenhang überhaupt keine Bedeutung besitzen. Dem Judentum gegenüber kann nicht von Humanität die Rede sein, das Judentum muss zu Boden geworfen werden. Der Führer hat sich alle Mühe gegeben, Horthy von seinem Standpunkt zu überzeugen, allerdings ist ihm das nur zum geringsten Teil gelungen.40

Kurz darauf ließ Hitler elf Wehrmachtsdivisionen nach Ungarn einmarschieren, auf deutschen Druck wurde eine neue Regierung mit General Döme Sztójay gebildet, die bis Juni 1944 40 000 Juden deportieren ließ. Horthy und seine Familie wurden von Hitler gefangen genommen und überlebten den Krieg als »Ehrenhäftlinge« auf Schloss Hirschberg bei Weilheim, bevor sie von den Amerikanern befreit wurden. Alfred M. Posselt gibt in seinem Buch Die Ehrenarier. Verräter oder geschonte Opfer? folgende Zahlen für »Ehrenarier« und »Ausnahmeträger«41 zur Zeit des Nationalsozialismus europaweit an: Ehrenarier

Sonstige Ausnahmeträger

Deutsches Reich: 1000 Polen: 2000 Litauen: 100 Slowakei: 10 000 Ungarn: 200 000 Italien: 5000 Niederlande: 10 000 Frankreich: 10 000 Rumänien: 100 000

Deutsches Reich: 32 000 Polen: 18 000 Litauen: 100 Slowakei: 5000 Ungarn: 100 000 Italien: 5000 Niederlande: 27 000 Frankreich: 200 000

Die Aufsässigkeit der Ungarn  293

Diese auf Schätzungen beruhende Zahlen sind zweifellos überhöht. Außerdem vermeidet Posselt, den Begriff »sonstige Ausnahmeträger« zu definieren. Das aber öffnet Spekulationen Tür und Tor.

Kurswechsel in Bezug auf Japan Schwierigkeiten bereiteten den Nationalsozialisten die rassische Einordnung und der Umgang mit asiatischen Völkern, insbesondere mit der verbündeten »Achsenmacht« Japan. Nach der NS-Rassenlehre waren die Japaner ein »minderwertiges« Volk. Das aber durfte nicht sein, denn man brauchte Japan als Verbündeten. Die Historikerin Haruni Shidehara Furuya hat in ihrem Buch Nazi racism toward the Japanese die Unfähigkeit der Nationalsozialisten beschrieben, die Rassenfrage für Japan zu beantworten und ihre eigenen Doktrinen von Rassenlehre und Realpolitik halbwegs zu versöhnen.42 In Deutschland lebten während des NS-Regimes rund 500 Japaner, dazu wenige »Mischlinge 1. und 2. Grades«, die zwar zum Teil diskriminiert wurden, aber keine Verfolgung zu befürchten hatten. Bernd Martin hat darauf hingewiesen, dass bis 1933 in der »Rassenfrage« durchaus Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und Japan bestanden.43 Erst die Nürnberger Gesetze schufen zumindest aus japanischer Sicht eine gewisse Klarheit, sodass noch im September 1935 auf japanische Initiative hin Bündnisverhandlungen aufgenommen wurden, die über den Antikominternpakt (1936) zu dem Dreimächtepakt (1940) führten. Die nach der »Reichspogromnacht« 1938 in den japanischen Machtbereich entweichenden deutschen und – ab Kriegsbeginn – auch polnischen Juden gerieten mit zunehmender Festigung der deutsch-japanischen Allianz in Abhängigkeit der Regierungen in Rom und Tokio. Nach dem Abschluss des Dreimächtepakts zeigten sich die Japaner immer geneigter, die deutschen Forderungen nach Absonderung jüdisch-deutscher Emigranten zu erfüllen. In Mein Kampf hatte Hitler von den Japanern noch als »minderer Rasse« gesprochen, lobte aber später immer wieder deren Widerstand gegen die »jüdische Weltverschwörung«:

294  Hitlers Kritik an der Judenfreundlichkeit der Bündnispartner

1925 habe ich in »Mein Kampf« und einer anderen, nicht veröffentlichten Schrift geschrieben, dass das Weltjudentum in Japan den letzten nicht anfressbaren Gegner sieht. Bei den Japanern ist das Natur- und Rassenbewusstsein derart fest, dass der Jude weiß, von innen kann er das nicht zerstören, das muss von außen geschehen.44

Auch die asiatische Physiognomie ließ er plötzlich gelten: Sehr gut ist in diesem Japan immer die Marine gewesen. Die uns nächststehenden Typen fanden sich immer bei der Marine – so ein prachtvoller Schädel wie der Oshima45 – das ist eine Sache für sich!46

Hitler war überzeugt, die japanische Kultur würde ohne den ständigen Zufluss europäischer oder amerikanischer Elemente zugrunde gehen: Es ist nicht so, wie manche meinen, dass Japan zu seiner Kultur europäische Technik nimmt, sondern die europäische Wissenschaft und Technik wird mit japanischen Eigenarten verbrämt. (…) Würde ab heute jede arische Einwirkung auf Japan unterbleiben, angenommen Europa und Amerika zugrunde gehen, so könnte eine kurze Zeit noch der heutige Aufstieg Japans in Wissenschaft und Technik anhalten; allein schon in wenigen Jahren würde der Brunnen versiegen, die japanische Eigenart gewinnen, aber die heutige Kultur erstarren und wieder in den Schlaf zurücksinken, aus dem sie vor sieben Jahrzehnten durch die arische Kulturwelle aufgescheucht wurde.47

Aber Hitler hatte sich gleichzeitig eine Möglichkeit zum Rückzug bewahrt. Denn ebenfalls in Mein Kampf hob er im Zusammenhang mit den Japanern die »gewaltigste Aufgabe der nationalsozialistischen Bewegung« hervor: Sie muss dem Volke die Augen öffnen über die fremden Nationen und muss den wahren Feind unserer heutigen Welt immer und immer wieder in Erinnerung bringen. An Stelle des Hasses gegen Arier, von denen uns fast alles trennen kann, mit denen uns jedoch gemeinsames Blut oder die große Linie einer zusammengehörigen Kultur verbindet, muss sie den bösen Feind der Menschheit, als den wirklichen Urheber allen Leides, dem allgemeinen Zorne weihen.48 Kurswechsel in Bezug auf Japan  295

In ihrem Überlegenheitswahn stießen die Nationalsozialisten zwangsläufig auf den Widerstand anderer Völker. Das spürte sowohl die Auslandsorganisation der NSDAP, die den Nationalsozialismus in alle Teile Welt exportieren sollte, als auch die Reichsregierung. Asiatische Völker, vor allem die von Berlin umworbenen Japaner, reagierten äußerst empfindlich auf die Vorhaltung, »nichtarisch« und folglich »minderwertig« zu sein. Schon Mitte 1935 wurde daher das Deutsche Beamtengesetz geändert, aus dem nun die Begriffe »arisch« und »nichtarisch« entfernt werden sollten. Zur Begründung führte Reichsinnenminister Wilhelm Frick an, es habe sich in den zurückliegenden zwei Jahren eine »unheilvolle Auswirkung in außen- und innenpolitischer Hinsicht« hinreichend erwiesen: Durch die Gleichstellung von Juden und nichtjüdischen Fremdrassen (z. B. Mongolen) in dem Sammelbegriff »nichtarisch« ist jede gegen die Juden gerichtete Maßnahme in den Augen der Welt zwangsläufig auch auf die nichtjüdischen Fremdrassen übertragen worden. Eine große Reihe außenpolitischer Spannungen, insbesondere mit Japan, sind dadurch entstanden, dass man die ursprünglich wesentlich nur gegen die Juden gerichtete deutsche Rassengesetzgebung als kränkende Maßnahme gegen große Völkerstaaten fremder Rasse aufgefasst hat.49

Zweifellos bereitete der Umgang mit Japanern und japanischen »Mischlingen« der NSDAP Probleme. So fragte die Partei-Kanzlei am 13. Juni 1942 beim Auswärtigen Amt an, wie mit dem Wunsch von Kurt Heise um Aufnahme in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund umgegangen werden solle. Heises Vater war demnach »deutschblütig, seine Mutter Japanerin«. Das Erscheinungsbild zeige deutlich, dass Heise wesentliche Züge seiner Mutter geerbt habe, schrieb die Partei-Kanzlei und erbat um Entscheidung, ob der Student als »Mischling 1. Grades« betrachtet werden müsse.50 1945 schließlich leugnete Hitler, je etwas gegen Asiaten gehabt zu haben: Ich war nie der Meinung, dass etwa Chinesen oder Japaner rassisch minderwertig wären. Beide gehören alten Kulturen an, und ich gebe zu, dass ihre Tradition der unsrigen überlegen ist. Sie haben allen Grund, darauf stolz zu 296  Hitlers Kritik an der Judenfreundlichkeit der Bündnispartner

sein, genau wie wir stolz sind auf unseren Kulturkreis, dem wir angehören. Ich glaube sogar, dass es mir umso leichter fallen wird, mich mit den Chinesen und Japanern zu verständigen, je mehr sie auf ihrem Rassenstolz beharren.51

Um den wichtigen Kriegsverbündeten nicht zu verprellen – in Einzelfällen war dies durchaus geschehen – wurden die Japaner in ihrer Gesamtheit von den Nationalsozialisten als »Ehrenarier« behandelt, ohne dass dies formell beschlossen oder angeordnet worden wäre. Am 27. Januar 1942 notierte Goebbels noch, die USA bemühten sich »krampfhaft« Deutschland in die Rassenfrage hineinzuziehen, »vor allem was Japan anbelangt«. Die US-Presse veröffentliche leidenschaftliche Artikel »gegen die gelbe Rasse«. Zu diesem Thema vertraute Goebbels seinem Tagebuch an: Ich verbiete den deutschen Nachrichtendiensten, überhaupt auf diese etwas kitzligen und heiklen Probleme einzugehen, weil ich der Überzeugung bin, dass wir hier keine besonderen Lorbeeren ernten können. In der Tat ist unsere Position Japan und den Problemen Ostasiens gegenüber vor allem in Bezug auf die starre Verfechtung unseres Rassenstandpunkts etwas gefährlich.52

Am besten komme man durch Schweigen über diese Schwierigkeiten hinweg. Ein paar Tage später, am 14. Februar 1942, aber schrieb er: »Größte Bewunderung hegt der Führer nach wie vor für die Japaner«53 – und dies war dann in der NS-Diktatur für jedermann verpflichtend. Selbst der Rassenfanatiker Himmler kam nicht umhin, die Japaner als Vorbild für besondere Tapferkeit zu loben: Wir sehen, wie tapfer ein Volk sein kann, das nur an seine Ahnen glaubt: Japan! Ein solches Volk ist schwer zu besiegen. Diese Gedanken und diese Kraft wollen wir in den Jahrzehnten, die noch vor uns liegen, unserem Volk einflößen. Darum muss dieser Gedanke Lebenselement der SS werden.54

Kurswechsel in Bezug auf Japan  297

Schlussbetrachtung

Es ist erschütternd zu sehen, welche Energie die Nationalsozialisten aufboten, um ihre Rassenpolitik umzusetzen, von dem krankhaften Wahn getrieben, die Bevölkerung in unzählige Kategorien einteilen zu müssen. Die Verworrenheit und totale Absurdität bei der Einordnung der Menschen nach Blut und Blutanteilen wird immer wieder überdeutlich. Die Frage nach dem Warum lässt sich aber heute genauso wenig beantworten wie damals. Antisemitismus war in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts nicht nur in Deutschland weit verbreitetet, reicht aber nicht zur Begründung des Rassenwahns aus – eines Wahns, in dem es mit Ausnahme weniger Mächtiger nur Verlierer geben konnte. Mit einem enormen Aufwand mussten Abstammungsunterlagen beschafft werden, die – wenn es nach Himmler gegangen wäre – bis 1650 zurückreichen sollten, also bis zum Ende des Dreißigjährigen Kriegs. Nach dem erhofften siegreichen Ende des Zweiten Weltkriegs hätte jeder Deutsche – und dann irgendwann wohl auch jeder Bewohner in besetzten und annektierten Gebieten – in Augenschein genommen werden sollen. Wie in jeder Diktatur kümmerten sich die Mächtigen nicht oder nur in geringem Maße um die von ihnen erlassenen Gesetze und Auslesebestimmungen. Die meisten von ihnen hätten die selbst gesetzten Kriterien nicht erfüllt. Sie alle wären in irgendeiner Form »Mischling« oder zumindest »jüdisch versippt« gewesen. Erschütternd ist nicht nur das Schicksal der Betroffenen, nicht nur die Willkür, mit der die Nationalsozialisten vorgingen. Ebenso bestürzend ist es, dass fast 80 Millionen Deutsche sich nicht gegen den Rassenwahn auflehnten, sondern stillschweigend oder aktiv zu Helfershelfern des nationalsozialistischen Rassenwahns wurden.

298  Schlussbetrachtung

Anhang

Dank

Dieses Buch ist in vielerlei Hinsicht ein Gemeinschaftswerk. Es ist mir deshalb ein Herzensanliegen, stellvertretend für alle einigen wenigen zu danken, die mich bei meinen Recherchen in ganz besonderer Weise unterstützt haben. Zu nennen sind hier an erster Stelle mein Freund Jupp Metzen sowie Robert Bierschneider vom Staatsarchiv München. Beide dürfen sicher sein, von mir auch in Zukunft »behelligt« zu werden. Dasselbe gilt auch für Christine Botzet vom Bundesarchiv Freiburg, Abteilung Militärarchiv, sowie für das gesamte Team des Lesesaals des Bundesarchivs Berlin-Lichterfelde. Vollends unverzichtbar ist meine Lektorin Dr. Annalisa Viviani, mit der ich nun schon zum wiederholten Male vertrauensvoll zusammenarbeiten konnte. Ein besonderer Gruß geht nach Wien an Dr. Peter Rauch und Johannes van Ooyen, ohne deren Wohlwollen und Plazet manches meiner Bücher nicht hätte erscheinen können.

Dank  301

Abkürzungen

AAU AEG a.D. BNSDJ

American Athletic Union Allgemeine Electricitäts Gesellschaft außer Dienst Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen (später NS Rechtswahrerbund) DAF Deutsche Arbeitsfront DBG Deutsche Beamtengesetz d.R. der Reserve EK Eisernes Kreuz d.R. der Reserve FHqu Führerhauptquartier IOC International Olympic Committee i.R. im Ruhestand Min.Dir. Ministerialdirektor NSDAP Nationalsozialistische Arbeiterpartei Deutschland NSKK Nationalsozialistisches Kraftfahrerkorps ObdL Oberbefehlshaber der Luftwaffe OKH Oberkommando des Heeres OKW Oberkommando der Wehrmacht OPG Oberstes Parteigericht OT Organisation Todt Pg Parteigenosse PO Parteiorganisation RFM Reichsminister/ium der Finanzen RJF Reichsbund Jüdischer Frontsoldaten RKK Reichskulturkammer RM Reichsmark RMdI Reichsminister/ium des Innern; auch RMI RMdJ Reichsminister/ium der Justiz RMdL Reichsminister/ium der Luftfahrt RMF Reichsminister/ium der Finanzen RMf VuP Reichsminister/ium für Volksaufklärung und Propaganda RMK Reichsmusikkammer 302  Anhang

RTK Reichstheaterkammer RuS-Hauptamt Rasse- und Siedlungs-Hauptamt SD Sicherheitsdienst Sipo Sicherheitspolizei TH Technische Hochschule TN Technische Nothilfe VB Völkischer Beobachter Vomi Volksdeutsche Mittelstelle

Zitierhinweis

Zitate sind in der Originalform, jedoch in der heute verbindlichen Rechtschreibung wiedergegeben. Ergänzungen des Autors sind durch eckige, Auslassungen durch runde Klammern gekennzeichnet.

Zitierhinweis  303

Anmerkungen

Einleitung 1 2 3

4 5

6 7 8

BArch, R 1501/5645, Schreiben von Anton Leidl an das RMdI, München, 20. April 1942. BArch, R 1501/5645, Schreiben RMdI an Leidl, Berlin, 24. April 1942. Das Freikorps Epp war in einer Stärke von ca. 700 Mann im Frühjahr 1919 an der Niederschlagung der Münchner Räterepublik beteiligt. Während des Kapp-Putsches 1920 betrieb es den Sturz der sozialdemokratischen Regierung Hoffmann. Ebenfalls 1920 wurde das Freikorps Epp beim Ruhraufstand gegen die Rote Ruhrarmee eingesetzt. BArch, R 1501/5645, Schreiben von Kaibel an Leidl, Berlin, 16. Juli 1943. BArch, NS 18/225, Notiz für Tiessler, betr.: Erörterung rassenpolitischer Fragen nur im Einvernehmen mit dem rassenpolitischen Amt. Flugblatt der Gaupropagandaleitung Berlin, undatiert. Joseph Goebbels, Tagebücher 1942–1943. München 1999, Eintrag vom 9. März 1943, S. 260. Beate Meyer: Jüdische Mischlinge – Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933– 1945. Hamburg 1999, S. 155. BArch, NS 19/1610, Schreiben vom Chef der Sipo und des SD an Pers. Stab Reichsführer-SS, betr.: Behandlung von Reichsdeutschen, die im Ausland zum jüdischen Glauben übergetreten sind, diesem Jahrelang angehört haben und sich nun zum christlichen Glauben zurücktaufen lassen, Berlin, 26. August 1942.

Hitlers Judenhass und Judennähe 1

BArch, NS 18/309, Schreiben Himmlers an das Rasse- und SiedlungshauptamtSS, Berlin, 7. März 1938. 2 Hans Hinkel: Kabinett Hitler! Berlin 1933, S. 2. 3 Staatsarchiv München, Arbeitsfilm 2402, Beitrag Hinkel: »Deutschland und die Juden«, S. 9f. 4 BArch, NS 18/1226, Schreiben Tießlers, Berlin, 17. Mai 1943. 5 ���������������������������������������������������������������������������� http://www.belleslettres.eu/artikel/arier.php, Arier – Etymologie und Bedeutung. 6 Guido Karl Anton (von) List, österreichischer Schriftsteller und Esoteriker. Er war ein populärer Vertreter der völkischen Bewegung, gilt als Begründer der rassistisch-okkultistischen Ariosophie. 304  Anhang

 7 Adolf Hitler: Mein Kampf. München 1933, S. 329.   8 ������������������������������������������������������������������������ BArch, NS 6/133, Niederschrift Bormanns, betr.: Führer-Gespräch, Führerhauptquartier, 30. November 1944.  9 Ebenda. 10 Hans Frank: Im Angesicht des Galgens. München 1953, S. 330. 11 »Hitler-Abstammung. Dichte Inzucht«, in: Der Spiegel, 24.Juli 1967, S. 40. 12 Hans Frank: Im Angesicht des Galgens, a. a. O., S. 330. 13 »Hitler-Abstammung. Dichte Inzucht«, in: Der Spiegel, 24.Juli 1967, S. 40. 14 Hans Frank: Im Angesicht des Galgens, a. a. O., S. 331. 15 »Hitler-Abstammung. Dichte Inzucht«, in: Der Spiegel, 24.Juli 1967, S. 41. 16 Ebenda. 17 Ebenda. 18 »Hitler: Kein Ariernachweis«, in: Der Spiegel, 12. Juni 1956. 19 BArch, NS 6/223, Anonymes Schreiben an Major Buch, Berlin, 26. April 1923. 20 Institut für Zeitgeschichte (IfZ), Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Dokument veröffentlicht in Jahrgang 4; Heft 1, München 1956. 21 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945. München 1999, Teil I, Bd. 2, Eintrag vom 9. August 1936, S. 657f. 22 ����������������������������������������������������������������������� Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland, RW 58-24484, Schreiben von Reichsführer-SS an den Polizeipräsidenten von Düsseldorf, Vorgang: Amtsgerichtsrat i.R. Hess, Berlin, 19. August 1941. 23 »Hitler’s Jewish Commander and victim«, in: Jewish Voice from Germany, 4. Juli 2012. 24 BArch, NS 19/2651, Schreiben vom Chef Sipo und SD an den Reichsführer-SS, Berlin, 17. Juni 1942. 25 Brigitte Hamann: Hitlers Edeljude. Das Leben des Armenarztes Eduard Bloch. München 2008, S. 261f, Hamann berief sich bei den Zitaten auf das Tagebuch von Itzinger. 26 Ebenda, S. 283f. Zitat aus Collier’s Illustrated Weekly, 22. März 1941. 27 Übersetzung des englischen Originals durch den Autor. 28 �������������������������������������������������������������������������� BArch, R 1501/5045, Schreiben Lammers an Frick, betr.: Ausnahmebewilligungen für Juden, Berchtesgaden, 4. November 1938. 29 John M. Steiner, Jobst von Cornberg: »Willkür in der Willkür. Befreiungen von den antisemitischen Nürnberger Gesetzen«, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte (IfZ), Jahrgang 46 (1998), Heft 2, S. 144–187. 30 BArch, R 43 II/456, Schreiben von Heß an Reichsschatzmeister, 17. Januar 1939. 31 Christa Schroeder: Er war mein Chef. Aus dem Nachlass der Sekretärin von Adolf Hitler. München/Wien 1985. 32 Ernst Hanfstaengl: Zwischen Weißem und Braunem Haus, München 1970, S. 236f. Anmerkungen  305

Die Nürnberger Rassengesetze   1 BArch, R 1509/39, Schreiben des RMI an Adjutantur der Wehrmacht bei Hitler, betr.: Zahl der Voll-, Halb- und Vierteljuden im Deutschen Reich, Berlin, 3. April 1935.  2 BArch, R 58/15, Vermerk, »Das Judentum in Deutschland«, 15. Juni 1939.   3 ����������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43 II/591a, Statistisches Reichsamt, »Die Juden und jüdischen Mischlinge in dem Reichsgebiet nach dem Geschlecht aufgrund der Volkszählung vom 17. Mai 1939«.  4 Deutsches Historisches Museum, Berlin.  5 Artur Axmann: Hitler-Jugend 1933–1943: Die Chronik eines Jahrzehnts. Berlin 1943, S. 77.  6 Joseph Goebbels: Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei: Eine historische Darstellung in Tagebuchblättern (vom 1. Januar 1932 bis zum 1. Mai 1933). München 1934, Eintrag vom 7. April 1933, S.295.  7 BArch, R 1509/35, Schreiben Fricks an Heß, Berlin, 6. Juni 1935.  8 BArch, NS 6/221, Rundschreiben von Heß, 228/355, München, 2. Dezember 1935.  9 BArch, Rep 320/515, Rundschreiben des Reichs- und Preußischen Minister des Innern, Berlin, 8. April 1937. 10 BArch, R 56I/114, Informationsdienst, Rassenpolitisches Amt der NSDAP, Reichsleitung, »Zum Recht der jüdischen Mischlinge nach dem Stande vom Mai 1938«, 11. Juni 1938. 11 BArch, R 1501/5515, Schnellbrief Stuckart an die Obersten Reichsbehörden, Berlin, 10. Dezember 1935. 12 BArch, R 1501/5645, Schreiben des Reichsministers des Innern an die Obersten Reichsbehörden, Berlin, 28. Juli 1937. 13 Heeresadjutant bei Hitler, Eintrag vom 13. August 1938, S. 31f. 14 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, R 1509/1001, Schreiben Fricks an alle Reichsminister und Landesregierungen, Berlin, undatiert. 15 BArch, R 1509/1001, Vorläufiger Tätigkeitsbericht des Sachverständigen für Rasseforschung beim RMI über die Zeit vom 1. Mai bis 14. August 1933, Berlin, undatiert. 16 BArch, R 1509/1001, Übersicht der Reichsstelle für Sippenforschung, Berlin, undatiert. 17 ���������������������������������������������������������������������������� BArch R 2/1185, Schreiben Pfundtner an den RMdF, betr.: Haushalt der Reichsstelle für Sippenforschung, für 1938, Berlin, 14 Juni 1938. 18 BArch, R 1509/35, undatiert. 19 Helmut Heiber (Hg.): Reichsführer…! Briefe an und von Himmler. Stuttgart 1968, Dok. 14a.

306  Anhang

20 BArch, R 43II/425, Schreiben des RMI an den Chef der Reichskanzlei, betr.: Ausnahmegenehmigungen gemäß § 25 DBG, Berlin, 17. Januar 1942. 21 BArch, R 22/4502, Verordnungsblatt der NSDAP vom Juli 1942, Folge 234, betr.: Behandlung von jüdischen Mischlingen in der Wehrmacht, Führerhauptquartier, 23. Juni 1942. 22 BArch, NS 6/342, Rundschreiben der Partei-Kanzlei, 117/43, betr.: Bewertung der Erbanlagen von jüdischen Mischlingen 2. Grades bei ihrer politischen Beurteilung durch die Partei, Führerhauptquartier, 22. August 1943. 23 ������������������������������������������������������������������������������ BArch, R 18/5509, Schreiben des RMI an die Reichstatthalter, Berlin, 12. Oktober 1942. 24 BArch, NS 6/346, Erlass des Führers über die Beteiligung des Leiters der ParteiKanzlei bei der Bearbeitung von Mischlingsangelegenheiten, Führerhauptquartier, 20. Februar 1944. 25 BArch, N 6/78, Verfügung V44, betr.: Anträge auf Ausnahmegenehmigungen für jüdische und artfremde Mischlinge, Führerhauptquartier, 20. Februar 1944. 26 ��������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43 II/1648, Erlass des Führers über die Beteiligung des Leiters der Partei-Kanzlei bei der Bearbeitung von Mischlingsangelegenheiten, Führerhauptquartier, 1. April 1944. 27 BArch, NS 19/199 (alt) Reichsführer-SS, Persönlicher Stab, Ausarbeitung für das SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt, »Derzeitiger Stand des Mischlingsproblems«, Feldhauptquartier. 26. Juli 1944. 28 Ebenda. 29 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, R 58/174, Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Berlin, Meldungen aus dem Reich, Nr. 307 IIR. Rassenpolitik, Berlin 11. August 1944. 30 BArch, R 43 II/1534, Schreiben des RMI an die Obersten Reichsbehörden, betr.: Vornamen, Berlin, 31. August 1938. 31 ������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43 II/1534, Schreiben Pfundtner, betr.: Widerruf von Namensänderungen, Berlin, 31. August 1938. 32 Ebenda. 33 BArch, Papier des Partei-Kanzlei, »Derzeitiger Stand des Mischlingproblems«, Berlin, 1944, o. D. 34 Bernhard Lösener: »Als Rassereferent im Reichsministerium des Innern«, in: Werner Strauß: »Das Reichsministerium des Innern und die Judengesetzgebung«, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Jahrgang 9 (1961), Heft 3. 35 Ebenda. 36 John M. Steiner/Jobst von Cornberg: »Willkür in der Willkür«, a. a. O., S. 149f. 37 Alfred M. Posselt: Die Ehrenarier. Verräter oder geschonte Opfer? Eine zeitgeschichtliche Studie. Wien 1992, S. 126. 38 Siehe dazu: Diana Schulle: Das Reichssippenamt. Eine Institution nationalsozialistischer Rassenpolitik. Berlin 2001, S. 10ff. Anmerkungen  307

39 Ebenda, S. 172. 40 John M. Steiner, Jobst Freiherr von Cornberg: »Willkür in der Willkür«, a. a. O., S. 154f.

Die »flexible« Handhabung der Rassengesetze durch die NSFührung   1 BArch, R 43 II/1151b, Ernennungsurkunde, Berlin, 2. Februar 1933. BArch, R 18/25626/6.  2 Erich Grissbach: Hermann Göring. Mensch und Werk, a. a. O., S. 131.   3 ����������������������������������������������������������������������� BayHStA, StK 757/8/3, Glückwunsch der bayerischen Staatsregierung, München, 22. April 1936.   4 ����������������������������������������������������������������������� BayHStA, StK 757/8/3, Glückwunsch der bayerischen Staatsregierung, München, 22. Juli 1940.  5 Heinrich Heim (Hg.): Adolf Hitler. Monologe im Führerhauptquartier. Hamburg 1980, S. 283.  6 Ebenda, S. 394.  7 Internationaler Militärgerichtshof Nürnberg (Hg.): Der Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vom 14. November 1945–1. Oktober 1946, Bd. 10, S. 55ff., Verhandlung vom 8. März 1946.   8 �������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43II/985a, Vermerk Albert Bormanns, »Dotation für Generalfeldmarschall Milch«. FHqu., 21. März 1942.  9 BArch, R 43 II/985a, Schreiben von Lammers an von Krosigk, Berlin, 3. April 1942. 10 BArch, R 43 II/1151b, Vermerk von Lammers, betr.: Ehrendoktor der TH in Braunschweig für Generalfeldmarschall Milch, Berlin, 18. Februar 1942. 11 BArch, R 43/ II/1151b, Schreiben von Alpers an Lammers, Berlin, 18. Februar 1942. 12 BArch, R 43 II/1151b, Schreiben von Lammers an Rust und Alpers, Berlin, März 1942. 13 David Irving: Göring. Eine Biographie. München 1987, S. 129. 14 Ebenda, S. 146. 15 Ebenda, S. 181. 16 Ebenda, S. 221. 17 Heinrich Himmler: Geheimreden und andere Ansprachen, hg. von Bradley F. Smith und Agnes F. Peterson. Frankfurt a. M. 1974, S. 162ff. 18 Ebenda, S. 162ff. 19 Briefe an Himmler, Dok. 163, S. 163f. 20 Joseph Goebbels: Tagebücher 1942–1943. Zürich 1948, S. 299.

308  Anhang

21 BArch, R 43 II/1151b, Schreiben Speers an die Obersten Reichsbehörden, Berchtesgaden, 21. Juni 1944. 22 BArch, R 43 II/1151, Vermerk Speers, betr.: Generalfeldmarschall Staatssekretär Milch, Berlin, 4. August 1944. 23 Internationaler Militärgerichtshof Nürnberg (Hg.): Der Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher. vom 14. November 1945–1. Oktober 1946, Bd. 10, S. 108ff, Verhandlung vom 11. März 1946. 24 Lutz Graf Schwerin von Krosigk: Memoiren. Stuttgart 1977, S. 280. 25 ������������������������������������������������������������������������������ BArch, R 1509/90, Schreiben Görings an den Leiter der Reichsstelle für Sippenforschung, Berlin, 7. August 1935. 26 Stadtarchiv Wilhelmshaven, Auszug aus der Geburtsurkunde Erhard Milchs, Wilhelmshaven 21. März 1992. 27 E-Mail des Stadtarchivs Wilhelmshaven, Heinz-Dieter Ströhla, an den Autor. Wilhelmshaven, 13. August 2013. 28 Siehe John M. Steiner, Jobst Freiherr von Cornberg: »Willkür in der Willkür«, a. a. O., S. 161. 29 »Göring: Überall Denkmäler«, in: Der Spiegel, 20. März 1963, S. 50f. 30 Ebenda. 31 David Irving: Göring, a. a. O., S. 40ff. 32 Joseph Goebbels: Tagebücher. 1942–1943, a. a . O., Eintrag vom 23. September 1943, S. 445. 33 David Irving: Göring, a.a.O., S. 34. 34 Dokument als Faksimile wiedergegeben in: David Irving: Göring, a. a. O., S. 559. 35 BArch, R 43II/1308, Schreiben des Adjutants der Wehrmacht beim Führer an das OKW, Führerhauptquartier, 2. November 1942. 36 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a. a. O., Eintrag vom 2. Juli 1924, S. 93. 37 Ebenda, Eintrag vom 11. Dezember 1929, S. 434f. 38 Ebenda, Eintrag vom 25. Juni 1933, S. 817. 39 Ebenda, Eintrag vom 25. Januar 1942, S. 55. 40 BArch, R 56 I/141, Reichsmusikkammer, Der Landesleiter Berlin-Kurmark, betr.: Betätigung der Kontrollbeamten der Reichsmusikkammer zu Hilfspolizeibeamten. Berlin, 15. April 1937. 41 Joseph Goebbels: Tagebücher 1942–1943, a. a . O., Eintrag vom 19. April 1943, S. 305. 42 Ebenda, Eintrag vom 11. März 1943, S. 267f. 43 Ebenda, Eintrag vom 6. März 1943, S. 251f. 44 BArch, R 1509/1007, Schreiben Persönlicher Referent von Göring an die Reichsstelle für Sippenforschung, Berlin, 23. Dezember 1936. 45 �������������������������������������������������������������������������� BArch, R 1509/1007, Bericht der Reichsstelle für Sippenforschung, Nachkommenschaft des Ehepaares Steinmann-Gottheimer, Berlin, 6. Januar 1937. Anmerkungen  309

46 BArch, R 1509/1007, Schreiben RMdI an Bouhler, Berlin, 1. Februar 1937. 47 BArch, R 1509/1007, Schreiben RMdI an von Dietlein, Berlin, 30. März 1937. 48 John M. Steiner, Jobst Freiherr von Cornberg: »Willkür in der Willkür«, a. a. O., S. 150. 49 Artur Axmann: Hitler-Jugend: Das kann doch nicht das Ende sein. Koblenz 1995, S. 242f. 50 Deutsches Historisches Museum Berlin. 51 Artur Axmann: Hitler-Jugend: Das kann doch nicht das Ende sein, a. a. O., S. 223. 52 Riemanns Musik-Lexikon. Mainz 1959, S. 799. 53 Heinz Höhne: »Der Orden unter dem Totenkopf«, in: Der Spiegel, 14. November 1966, S. 94ff. 54 Felix Kersten: Totenkopf und Treue. Hamburg 1952, S. 128 (Heydrich Nichtarier, 20. August 1942). 55 Ebenda, S. 129 (Himmler über Heydrich, 25. August 1942). 56 Ebenda, S. 130. 57 »NS-Literatur, Des Teufels Großmutter«, in: Der Spiegel, 19. August 1953. 58 Altkatholisches Ordinariat, Schreibern an den Autor, Bonn, 6. November 2013. 59 Angaben des Altkatholischen Pfarramts Karlsruhe, Pfarrer Reinhold Lampe, an den Autor, Karlsruhe, 20. November 2013. 60 Ebenda. 61 ������������������������������������������������������������������������������ Der Jude und mit einer Jüdin verheiratete Arthur Zarden war zunächst Staatssekretär, wurde jedoch durch Intervention Hitlers aus dem Amt gedrängt und am 31. März 1933 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Am 25. September erfolgte unter Berufung auf § 6 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums die Versetzung in den dauernden Ruhestand per Jahresende. 62 ����������������������������������������������������������������������������� Herbert Dorn war der Wegbereiter des Internationalen Steuerrechts in Deutschland. Als Referats-, später Abteilungsleiter im Reichsfinanzministerium wirkte er maßgeblich an zahlreichen Verhandlungen zum Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen mit. Darüber hinaus vertrat er Deutschland in Gremien beim Völkerbund. Seine kurze Karriere als Präsident des Reichsfinanzhofs endete jäh. Obwohl er evangelischen Glaubens war, galt er als Jude und wurde von den Nationalsozialisten 1933 entlassen. 63 ��������������������������������������������������������������������������� Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde Schäffer entlassen und emigrierte im Juli 1933 nach Schweden, wo er 1938 die schwedische Staatsbürgerschaft erhielt. 64 Lutz Graf Schwerin von Krosigk: Memoiren, a. a. O., S. 159. 65 Heinz Höhne: Canaris: Patriot im Zwielicht. München 1976, S. 432. 66 »Spionage: Deckname Ivar«, in: Der Spiegel, 14. Dezember 1970. 67 So zitiert ebenda, S. 70ff.

310  Anhang

68 Walter Schellenberg: Aufzeichnungen des letzten Geheimdienstchefs unter Hitler. München 1981, S. 150. 69 Ivar Lissner: Mein gefährlicher Weg. München 1975, S. 5. 70 PAA, R 39850, Schreiben von Steengracht an Kritzinger, Berlin, 12. Juni 1943. 71 Schreiben von Leonid Rath an Volker Koop, 13. August 2011. 72 »Traditionsbetriebe im Wandel: Die Lobmeyr-DNA«, www.die-wirtschaft.at/ traditionsbetriebe-im-wandel, 31. Mai 2006. 73 BARch, NS 18/853, Vermerk Tießlers für Hinkel, betr.: Bildhauer Paul Gruson – Arische Abstammung, Berlin, 5. Juni 1942. 74 BArch, NS 18/853, Schreiben BVG an NSDAP-Gauleitung Mark Brandenburg, betr.: Bildhauer Paul Gruson, Berlin, 15. Mai 1942. 75 ������������������������������������������������������������������������ BArch, NS 18/853, Schreiben NS Gauleitung Mark Brandenburg, Gaupersonalamt, an die die Partei-Kanzlei, betr.: Bildhauer Paul Gruson, Berlin, 16. Mai 1942. 76 BArch, NS 18/ Schreiben RKK an Tießler, betr.: Abstammungsnachweis des Bildhauers Paul Gruson, Berlin, 24. Juni 1943. 77 BArch, NS 18/853, Schreiben Reichspropagandaleitung, Hauptamt Reichsring, an die BVG, Berlin., 9.Juli 1942. 78 BArch, NS 18/853, Notiz Tießler für RKK, Pg. von Loebell, betr.: Bildhauer Paul Gruson. 79 ���������������������������������������������������������������������� BArch, NS 19/2412, Schreiben Brandts an Partei-Kanzlei, Feld-Kommandostelle, 16. Oktober 1942. 80 BArch, NS 6/346, Erlass des Führers über die Beteiligung des Leiters der ParteiKanzlei bei der Bearbeitung von Mischlingsangelegenheiten, Führerhauptquartier, 20. Februar 1944. 81 BArch, N 6/78, Verfügung V44, betr.: Anträge auf Ausnahmegenehmigungen für jüdische und artfremde Mischlinge, Führerhauptquartier, 20. Februar 1944. 82 ��������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43 II/1648, Erlass des Führers über die Beteiligung des Leiters der Partei-Kanzlei bei der Bearbeitung von Mischlingsangelegenheiten, Führerhauptquartier, 1. April 1944. 83 BArch, R 22/4502, Schreiben RMI an die Oberen Reichsjustizbehörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts, betr.: Erteilung von Ausnahmegenehmigungen, Berlin, 25. August 1942. 84 �������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 18/694, Schreiben Pressestelle Gesundheitsführer an Reichspropagandaleitung, Hauptamt Reichsring, Berlin, 4. Mai 1943. 85 BArch, NS 18/694, Schreiben von Ramm an Reichspropagandaleitung, 10. Juni 1943. 86 ����������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 18/850, Schreiben Reichspropagandaleitung an die Stabsleitung, Berlin, 12. April 1943.

Anmerkungen  311

Der 20. Juli: Auftrieb für NS-Rassisten   1 BArch, R 43 II/599, Schreiben Bormanns an Lammers, betr.: Entfernung der Beamten, die jüdische Mischlinge oder jüdisch versippt sind, aus den obersten Reichsbehörden. Führerhauptquartier, 2. November 1944.  2 BArch, R 43 II/ 599, Schreiben des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda an Lammers, Berlin, 14. November 1944.   3 ������������������������������������������������������������������������������ BArch, R 43 II/599, Schreiben des Auswärtigen Amtes an die Reichskanzlei, Berlin, 20. November 1944.  4 Ebenda.  5 PA AA, Personalakte Emil Schumburg, Bd. 14090, zitiert in: Eckart Conze/ Norbert Frei/Peter Hayes/Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. 2. Aufl., München 2010, S. 157.  6 Nach dem Zweiten Weltkrieg trat Herwarth in die Dienste der Bundesrepublik Deutschland. Er wurde Chef des Protokolls, Botschafter in London, Staatssekretär und Leiter des Bundespräsidialamtes und schließlich Botschafter in Rom.  7 BArch, R 43 II/599, Rundschreiben, Berlin, 30. November 1944.  8 BArch, R 43 II/1582, RMF-Vermerk, Berlin, undatiert.  9 BArch, R 43 II/1582, Schreiben von Hans Fabricius an Lammers, 13. Februar 1933. 10 BArch, R43 II/1582, Schreiben von Killy an Lammers, Berlin, 12. Mai 1933. 11 BArch, R 43II/1582, Schreiben von Lammers an Heß, betr.: Ministerialrat Dr. Killy, Berlin, 6. Juni 1933. 12 BArch, R 43II/1582, Schreiben von Ernst Schulte, Bonn, an das Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Bonn, 20. Oktober 1933. 13 �������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43II/1582, Schreiben von Lammers an SS-Sturmführer Kranefuß, Berlin, 20. Dezember 1933. 14 BArch, R 43II/1582, Schreiben von Lammers an Killy, 24. Dezember 1936. 15 Hervorhebungen im Original. 16 ������������������������������������������������������������������������ BArch, R 43II/1582, Vermerk von Lammers zu StS Nr 2942/36 vom 24. Dezember 1936. 17 BArch, R 43II/1582, Schreiben von Lammers an Killy, Führerhauptquartier, November 1941. 18 BArch, R 43 II/666, Schreiben der Reichskanzlei, Berlin, 23. Dezember 1943. 19 BArch, R 43 II/599, Rundschreiben, Berlin, 30. November 1944. 20 BArch, R 43 II/599 Entscheid Hitlers, Berlin, 19. Juni 1936. 21 BArch, R 43 II/599, Schreiben Bukows an Hitler, Berlin, 8. Mai 1934. 22 ����������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43 II/599, Schreiben des Reichswirtschaftsministers an Lammers, Berlin, 16. November 1944.

312  Anhang

23 �������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43 II/599, Schreiben des Staatssekretärs des Preußischen Staatsministeriums an Lammers, Berlin, 17. November 1944. 24 BArch, R 43 II/599, Schreiben des Reichsverkehrsministers an Lammers, Berlin, 17. November 1944. 25 �������������������������������������������������������������������������������� PAA, 87/1, Schreiben des Stellvertreter des Führers an Dorpmüller, betr.: Beförderung von Beamten, deren Ehefrauen jüdische Mischlinge 1. Grades sind, München, 17. Juni 1939. 26 PAA, 87/1, Schreiben des Reichsverkehrsministers, an den Reichsminister des Innern, Berlin, 14. Februar 1940. 27 BArch, R 43 II/599, Schreiben RMF an Lammers, Berlin, 6. November 1944. 28 BArch, R 43 II/599, Schreiben des Reichsarbeitsführers an Lammers, Berlin, 30. November 1944. 29 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43 II/599, Schreiben des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion an Lammers, Berlin, 30. November 1944. 30 OT = Organisation Todt. 31 BArch, R 43 II/599, FS Staatsekretariat Krakau an die Reichskanzlei, Krakau, 24. November 1944. 32 BArch, R 43 II/599, Schreiben des Reichspostministers an Lammers, Berlin, 14. November 1944. 33 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43 II/599, Schreiben des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft an Lammers, Berlin, 17. November 1944. 34 ������������������������������������������������������������������������������ BArch, R 43 II/599, Schreiben des Reichsministers für kirchliche Angelegenheiten an Lammers, Berlin, 17. November 1944. 35 Das Gesetz wurde durch das Deutsche Beamtengesetz vom 26. Januar 1937 (RGBl. I. S. 39) weitgehend aufgehoben. 36 BArch, R 43 II/599, Anlage zum Schreiben des Reichsministers für kirchliche Angelegenheiten an Lammers, Berlin, 17. November 1944. 37 BArch, R 43 II/599, Schreiben des Präsidenten des Deutschen Rechnungshofs an Lammers, Potsdam, 16. November 1944. 38 BArch, R 43 //599, Nachweisung des OKH, Heeresbeamten-u. Rassenabteilung, Berlin, Datum nicht ersichtlich. 39 BArch, R 43 II/599 , Schreiben des OKL an Lammers, Kochstedt bei Dessau, 20. November 1944. 40 BArch, R 43 II/599, FS der Reichskanzlei, Berlin, 19. November 1944. 41 BArch, R 43 II/599, Erlass des Führers über die Verwendung von Beamten, die jüdische Mischlinge sind oder deren Ehefrauen Juden oder jüdische Mischlinge sind, Berlin, undatierte Anlage eines Schreibens Bormanns an Lammers, betr.: Entfernung der Beamten, die jüdische Mischlinge oder jüdisch versippt sind, aus den obersten Reichsbehörden, Führerhauptquartier, 21. November 1944.

Anmerkungen  313

Ausnahmegenehmigungen für die Prominenz   1 Joseph Goebbels: Reden 1932–1945, hg. von Helmut Heiber. Düsseldorf 1971. Rede vom 16. September 1935 anlässlich des 7. Reichsparteitags in Nürnberg, »Wesen, Methoden und Ziele der Propaganda«. Band 1, S. 253f.  2 Ebenda, Rede zur Eröffnung der Reichskulturkammer, Berlin 15. November 1933, S. 131–141.  3 BArch, R 58/992, Der Chef der Sipo und des SD, Tagesmeldung, Berlin, 25. Mai 1939.  4 BArch, NS 15/187, Schreiben der NSDAP, Reichsleitung, Amt für Kunstpflege beim Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der NSDAP, Berlin, 2. Februar 1935.  5 BArch, R 55/21308, RKK-Liste mit Sondergenehmigungen, Berlin, Juli 1943.  6 BArch, R 55/21308, Schreiben des Präsidenten der RTK an den Präsidenten der RKK, Berlin, 19. Juli 1943.  7 Ebenda.  8 BArch, R 56 I/3, »Gottbegnadeten-Liste« des Propagandaministeriums, 1944.  9 Staatsarchiv München, Spk-Akte K 1828, Walter Tiessler. Die biografischen Daten sind den Spruchkammerakten, der Lager-Spruchkammer Nürnberg-Langwasser des Jahres 1948 entnommen. 10 Ebenda, Spruch der Lager-Spruchkammer Nürnberg-Langwasser. 11 BArch, NS 18/309, Vermerk Tießlers, betr.: Jüdische Mischlinge im deutschen Kulturleben, Berlin, 6. April 1943. 12 Österreichischer Komponist, Pianist, Dirigent, Gründer des Grazer RichardWagner-Vereins. 13 ������������������������������������������������������������������������� Günther Treptow war bis 1934 SA- und NSDAP-Mitglied. Als jüdische Vorfahren im Stammbaum seiner Mutter festgestellt wurden, erhielt er ein Auftrittsverbot, das im Juni 1935 von Goebbels aufgehoben wurde. 14 Margarete Slezak war die Schwester des Schauspielers Walter Slezak und die Tochter des Opernsängers und Filmkomikers Leo Slezak. Ihr erstes Engagement führte sie von 1930 bis 1933 an die Deutsche Staatsoper Berlin. Von 1935 bis 1943 war sie Ensemblemitglied des Städtischen Opernhauses Berlin-Charlottenburg. 15 In einer RKK-Liste mit Sondergenehmigungen aus dem Juli 1943 wird Batteux dagegen als »m. Halbjüdin verh.« bezeichnet. 16 BArch, NS 18/309, Vermerk Promi, Abt.3, für Reichsamtsleiter Tießler, betr.: Jüdische Mischlinge im deutschen Kulturwesen, Berlin, 12. April 1943. 17 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, RNS 18/307, Vorlage Tießler, betr. Kunstmaler Werner Ritter von Stockert, Berlin, 10. Juni 1942.

314  Anhang

18 Staatsarchiv München, Arbeitsfilm Spruchkammerakte Hans Hinkel, Erklärung Ursula Framm, Hannover, 2. Mai 1950. 19 Quelle: Bruppacher, Paul, Adolf Hitler und die Geschichte der NSDAP Teil 1: 1889 bis 1937, S. 262. 20 Ernst Franz Sedgwick Hanfstaengl, deutscher politischer Aktivist und Politiker. Er wurde vor allem bekannt als finanzieller Unterstützer und Freund Hitlers in den 1920er- Jahren und als zeitweiliger Pressechef der NSDAP in den 1930erJahren. 21 Henry Picker: Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier. München 2003, S. 409. 22 Siehe S. 135. 23 Ernst Hanfstaengl: Zwischen Weißen und Braunem Haus. München 1970, S. 303. 24 Klaus Behnken (Hg.): Deutschland-Berichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Sopade), Vierter Jahrgang 1936, Frankfurt a. M. 1980–August 1936, S. 26f. 25 BArch, R 1501/5645, Schreiben von Mackensen an Pfundtner, Rom, 31. März 1939. 26 Ebenda. 27 BArch, R 1501/5645, Vermerk für Pfundtner, 5. April 1939. 28 BArch, R 1501/5645, Schreiben Heydrichs an Hößlin, Berlin, 2. Mai 1939. 29 Propagandaministerium. 30 BArch NS 18/307, Vermerk der Partei-Kanzlei, betr.: Kapellmeister Franz von Hößlin, Berlin, 14. Dezember 1943. 31 BArch NS 18/307, RMfPuV, Notiz für die Reichskanzlei, betr.: Kapellmeister Franz von Hößlin, Berlin, 15. Februar 1944. 32 Superoperette als »Monarchikum«, 31. Januar 2007, www.habsburg.org.hu. 33 ����������������������������������������������������������������������� Dieter E. Zimmer: »Max Reinhardts Nachlass. Ein Drama um Kunst und Kommerz«, in: Die Zeit, 15. Juli 1994, S. 9ff. 34 BArch, NS 10/48, RMf VuP, Schreiben an die Adjutantur des Führers, Berlin, 3. Februar 1937. 35 BArch, NS 10/45, RMf VuP, Schreiben an die Adjutantur des Führers, Berlin, 16. Juli 1937. 36 Die Filmtitel sind dem Almanach der deutschen Filmschaffenden 1938/39 entnommen und damit nicht vollständig. 37 BArch, R 109 II/38, Schreiben Hinkels an Prag Film AG, betr.: Abgeltung Albers, Prag, 4. April 1945. 38 Ernst Klee: Kulturlexikon zum Dritten Reich. Frankfurt 2009, S. 211. 39 BArch, R 109-II/38, Schreiben Reichsfilmintendanz an Probst-Film AG, Zürich, Berlin, 2. September 1944. 40 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a. a. O., Teil 1, Bd. 2, S. 717. Anmerkungen  315

41 BArch, R 43 I / 29, Reichsfilmintendanz, Filmsetzungsliste 1944/45, Berlin, 22. September 1944. 42 Ernst Klee: Kulturlexikon zum Dritten Reich, a. a. O., S. 420. 43 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a. a . O., Teil I, Bd. 3, Eintrag vom 13. Juni 1938, S. 454. 44 Siehe auch: Angelika Hager: Wie österreichische Publikumslieblinge sich mit dem NS-Regime arrangierten, http://www.profil.at/articles/1008/560/262724/ wie-publikumslieblinge-ns-regime, 28. Februar 2010. 45 Ebenda. 46 Ebenda. 47 BArch, NS 10/49, Vermerk für das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Berlin, 24. April 1934. 48 Hervorhebung im Original. 49 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, R 1501/5645, Schreiben des RMf VuP, an den RMdI, betr.: Die volljüdische Ehefrau des Schauspielers Hans Moser, Blanca Moser, geb. Hirschler, geb. am 8.4.1890 in Wien, jetzt wohnhaft Budapest, Berlin, 16. September 1942. 50 �������������������������������������������������������������������������� BArch, R 1501/5645, Schreiben des Generalsekretärs für Reichskulturkammersachen an den RMI, Berlin, 18. September 1942. 51 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a. a. O., Teil I, Band 3, S. 299. 52 Ebenda, S. 362. 53 BArch, NS 18/307, Vorlage Tießler, betr.: Schauspieler Luis Rainer, Dresden, Berlin, 22. März 1943. 54 BArch, R 56I/1151, Telegramm Hinkels an Reichsleiter Fieler, Berlin, 28. Juli 1939. 55 BArch, NS 18/307, Vermerk Tießlers, betr.: Kammersänger Max Lorenz, Berlin, 21.August 1943. 56 BArch, NS 18/307, Vermerk für Tießler, München, 4. August 1943. 57 ������������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 18/307, Vermerk Tießlers für Pg. Bangert, Partei-Kanzlei, betr.: Kammersänger Max Lorenz (Sülzenfuß), Berlin, 26.August 1943. 58 Heiber, Helmut (Hg.): Reichsführer…! Briefe an und von Himmler, a. a. O., Dok. 182, S. 175f. 59 BArch, NS 18/857, Notiz Tießlers, betr.: Kammersänger Schaetzler, Film für Schwerverwundete, Berlin, 20. November 1941. 60 BArch, NS 18/857, Schreiben Tießlers an das OKW, Oberst Nadrowski, betr.: Film für Schwerverwundete, Berlin, 7. Januar 1942. 61 BArch, NS 18/857, Notiz für Pg. Tießler, betr.: Auftreten des kriegsbeschädigten Kammersängers Fritz Schaetzler, Stuttgart, München, 29. Juni 1943. 62 Ebenda, München, 12. Juli 1943. 63 BArch, NS 18/857, Vermerk für Tießler, betr.: Beurteilung des Fritz Schaetzler in Künstlerkreisen, München, 19. Juli 1943. 316  Anhang

64 Boguslaw Drewniak: Das Theater im NS-Staat. Düsseldorf 1983, S. 163f. 65 Die Tagebücher von Josef Goebbels, Eintragung vom 27. Februar 1936, S. 574. 66 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, R 22/2432, Schreiben der RKK an die Reichstheaterkammer, betr.: Kammersängerin Anday-Bündsdorf, Berlin, 20. Juli 1942. 67 BArch, NS 18 alt/791, Vorlage Tießler, betr.: Kammersängerin Rosette AndayBündsdorf in Budapest. 68 Rolf von Sydow: »Ich wollte von Hitler zum Ehrenarier ernannt werden«. PaulLazarus-Stiftung, Edition Zeugen einer Zeit, Hörbuch. Wiesbaden 2011. 69 Ebenda. 70 Beate Meyer: Jüdische Mischlinge. Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933– 1945. Hamburg 1999, S. 154f. 71 ������������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 18 alt/ 842, Vorlage für Dr.Wetzel, Promi, betr.: Mario Heil de Brentano, Berlin, 16. Juli 1941. 72 BArch, NS 18 alt/842, Vermerk für Tießler, München, 5. Februar 1942. 73 BArch, NS 18 alt/842, Schreiben an das OKW, betr.: Mario Heil de Brentano, Berlin, 7. Februar 1942. 74 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a. a. O., Bd. 1, 1924–1929, S. 407. 75 Ebenda, S. 536. 76 Ebenda, S. 539. 77 Ebenda, S. 545. 78 Ebenda, S. 546. 79 Ebenda, Teil I, Bd. 2, S. 3. 80 Ebenda,S. 9. 81 Ebenda, Bd. 2, 1930–1934, S. 554. 82 Ebenda, Teil I, Bd. 2, S. 15. 83 Ebenda, S. 21f. 84 Ebenda, S. 23 85 Ebenda, S. 31. 86 Ebenda, Bd. 2, 1930–1934, S. 573. 87 Ebenda, Teil I, Bd. 2, S. 47 88 ������������������������������������������������������������������������������� BArch, 18/307, Vorlage Tießlers für Goebbels, betr.: Schriftleiter Arnolt Bronnen, Berlin. 89 Ebenda. 90 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a. a. O., Bd.4, 1940–1942, Eintrag vom 7. November 1941, S. 1699. 91 BArch, NS 18/307, Schreiben der Reichskulturkammer an den Präsidenten der Reichstheaterkammer, betr.: Sänger August Griebel, Köln/Berlin, 3. Februar 1942. 92 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a. a. O., Band 3, 1935–1939, S. 1221.

Anmerkungen  317

 93 »Jüdische Erbschleicher: Juden und der deutsche Walzerkönig Strauß«, in: Der Stürmer, 8. Juni 1939.  94 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a. a. O., Teil I, Bd. 3, S. 361.  95 Burke, William Hastings: Hermanns Bruder: Wer war Albert Göring? Berlin 2012.  96 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a. a. O., Teil I, Bd. 3, S. 458.  97 Staatsarchiv, München, Arbeitsfilm 2402, Spruchkammerakte Hans Hinkel, Erklärung Franz Lehár, Zürich, 3. August 1946.  98 BArch, R 109-II/27, Schreiben Hinkels an Kaltenbrunner betr.: Arbeitseinsatz jüdischer Mischlinge I. Grades bzw. jüdisch Versippter bei der OT, Berlin, 15. November 1944.  99 BArch, R 56/I/140, Vermerk Furtwänglers, betr.: Das Verbleiben von Prof. Carl Flesch in der Hochschule für Musik, Berlin, undatiert. 100 Universum Film AG mit Sitz in Potsdam-Babelsberg. 101 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a. a. O., Teil I, Bd. 2, S. 611. 102 BArch, R 22/2169, Schreiben Stab Heß an den Reichsminister für Ernährung, betr.: Erbhofbauernfähigkeit von Personen mit jüdischem Bluteinschlag, die vom Führer deutschblütigen Personen gleichgestellt sind, München, 29. Juli 1940. 103 BArch, R 22/2169, Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschat, betr.: Erbhofbauernfähigkeit von Personen mit jüdischem Blutseinschlag, Berlin, November 1940. 104 BArch, NS 19/1614, Schreiben Lammers’ an Backe, Feldquartier, 31. August 1942. 105 BArch, NS 10, Schreiben Caros an Wiedemann, Berlin, 9. Dezember 1938. 106 Orgesch – Nationalsozialistische »Organisation Escherich«. 107 BArch, NS 10, Schreiben Wiedemanns an Sauerbruch, Berlin, undatiert. 108 BArch R 1501, Schreiben RMI an Raeder, Berlin, 1. Juni 1942. 109 BArch, NS 18/954, Schreiben Bormanns an Tießler, Berlin, 29. Juni 1941. 110 BArch, NS 18/954, Schreiben des Präsidenten der RKK an den Präsidenten der RSK, Berlin, 17. Februar 1942. 111 BArch, NS 18/954, Schreiben Bormanns an Heydrich, betr.: Angelegenheit R.H., Führerhauptquartier, 29. Juni 1941. 112 Ebenda. 113 Gemeint war der Flug von Rudolf Heß nach Schottland. 114 Ludwig Siebert, bayerischer Ministerpräsident von 1933 bis zu seinem Tod 1942. 115 ������������������������������������������������������������������������ BArch, NS 18/954, Fernschreiben Bormanns an Ministerialrat Klopfer, München, 29. Juni 1941.

318  Anhang

116 BArch, NS 18/954, Vermerk des Propagandaministeriums Abt. S, für Tießler, betr.: Werke des Generals Haushofer, Berlin, 6. Oktober 1941. 117 BArch, NS 18/954, FS der Partei-Kanzlei an Tießler, betr.: General Haushofer, München, 24. November 1941. 118 Österreichisches Bundesheer, »Der erste Kampfpanzer der Welt. Gunther Burs­ tyn und sein ›Motorgeschütz‹«, Folge 309, Ausgabe 3/2009. 119 Theodor R. Emessen: Aus Görings Schreibtisch. Ein Dokumentenfund. Berlin 1990, Dok. 19, Schreiben Kepplers an Göring, Berlin, 18.Juni 1937, S. 51. 120 Ebenda, S. 51f. 121 Ebenda. 122 Ebenda, Dok. 21, Brief Görings an Keppler, Berlin, 23. Juli 1937, S. 54. 123 Ebenda. 124 Ebenda, Dok. 22, Brief Büro Göring an Keppler, Berlin, 3. August 1937, S. 55. 125 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, R 56/I/140, Vermerk Furtwänglers, betr.: Ersuchen von Prof. Dr. Bernhard Sekles, Direktor des Hoch’schen Konservatoriums in Frankfurt a.M. um eine einmalige Abfindung, Berlin, undatiert. 126 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a. a. O., Bd. 2, 1930–1934, S. 443. 127 Ebenda, S. 534. 128 BArch, R 56I/140, Schreiben Furtwänglers an den Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, Paris, 4. Juni 1933. 129 Ebenda. 130 BArch, R 56I/140, Schreiben an Hinkel Berlin, 20. Juli 1933. 131 BArch, R 56I/140, Meldung an Promi, Berlin, 17. August 1933. 132 BArch, R 56I/140, Schreiben Abt. VI, Promi, an Hinkel, Berlin, 3. August 1935. 133 BArch, NS 15/69, Schreiben des Amts für Kunstpflege, Kulturpolitisches Archiv, an die Gestapo, Berlin, 18. Dezember 1935. 134 BArch, R 56I/140, Schreiben von Berndt an Horaller, Berlin, 25. Mai 1936. 135 Saul Friedländer: Das Dritte Reich und die Juden, 1933–1945. München 2013, S. 120. 136 BArch, R 56/I/140, Vermerk von Furtwängler, Fall Schönberg, undatiert. 137 Fred K. Prieberg: Kraftprobe. Wilhelm Furtwängler im Dritten Reich. Wiesbaden 1986, S. 73. 138 Exposé Kalir 173, Leopold 209, Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Wien (ohne Datum). 139 BArch, R 55/21012, Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst, Berlin 31. Mai 1938. 140 �������������������������������������������������������������������������� BArch, R 55/21020, Vermerk Abt. BK an Goebbels, betr.: Verwertung der Produkte »Entarteter Kunst«, Berlin, 28. November 1938. 141 ������������������������������������������������������������������������� BArch R 55/21020, Sitzungsbericht vom 20. Februar 1939 in Schloss Niederschönhausen. Anmerkungen  319

142 BArch, R 55/21020, Bericht über die Sitzung der »Kommission zur Verwertung der Produkte entarteter Kunst« am 11. Dezember 1941. 143 BArch, R 55/21020, RMf VuP, Abt. BK, Vermerk für die Haushaltsabteilung, betr.: Abwicklung »Entartete Kunst«, Berlin, 15. April 1942. 144 BArch, R 55/21020, RMf VuP, Abt. BK, Vermerk für die Haushaltsabteilung, betr.: Abwicklung »Entartete Kunst«, Berlin, 15. April 1942. 145 BArch, R 55/21015, Schreiben von Ministerialdirektor Leopold Gutterer, RMf VuP an Heydrich, betr.: Entartete Kunst im öffentlichen Kunsthandel, Berlin, 6. Mai 1941. 146 BArch, R 55/21015, Schreiben RMf VuP, H. Gurlitt, Hamburg, Berlin, 11. Januar 1940. 147 BArch, R 55/21020, Bericht über die Sitzung der »Kommission zur Verwertung der Produkte entarteter Kunst« am 11. Dezember 1941. 148 BArch, R 55/21015, Schreiben RMf VuP an Galerie Gurlitt, betr.: Entartete Kunst, Berlin, 27. Juni 1940. 149 BArch, R 55/21015, Schreiben der Galerie Gurlitt Berlin an RMf VuP, Berlin, 6. Februar 1941. 150 BArch, R 55/21015, Rechnung Abels, Gemäldegalerie, an Magda Goebbels, Köln, 29. März 1941.

Hitlers Alibi-Juden bei den Olympischen Spielen in Berlin 1 2 3

4 5 6 7 8 9

Siehe auch: Lutz Graf Schwerin von Krosigk: Memoiren, a. a. O., S. 171f. BArch, R 1501/5614, Schreiben von Lewald an Pfundtner, Berlin, 21. November 1933. IOC-Präsident Henri de Baillet-Latour hatte die Möglichkeit der Verlegung der Spiele auf die Tagesordnung der 32. Tagung des IOC 1933 in Wien gesetzt; das IOC forderte die deutsche Reichsregierung zu einer schriftlichen Garantieerklärung auf, die Regeln der »olympischen Idee« einzuhalten. BArch, R 1501/5614, Telegramm an American Olympic Association, Berlin, 21. November 1933. BArch, R 1501/5614, Schreiben von Baillet-Latour an Lewald, Genf, 13. Januar 1934. BArch, R 1501/5614, Schreiben von Lewald an Pfundtner, Berlin, 20. Januar 1934. BArch, R 1501/5614, Schreiben von Kiewitz, Chef der Präsidialkanzlei, Referent für die Olympiade, an RMI, Berlin, 24. August 1934. BArch, R 1501/5614, Aufzeichnung über den Empfang von Sherill durch Hitler in München, Berlin, 26. August 1935. Ebenda.

320  Anhang

10 BArch, R 1501/5614, Schreiben Fricks an den Chef der Präsidialkanzlei, betr.: Beteiligung von Juden an den Olympischen Spielen, Berlin, 3. September 1935. 11 Ebenda. 12 Ebenda. 13 BArch, NS 10/550, Schreiben Wiedemanns an Bormann, betr.: Schilder »Juden ist der Zutritt verboten«, Berlin, 30 April 1935. 14 BArch, R 43 II/599, Schreiben von Frick an Lammers, Berlin, 22. Mai 1935. 15 Ebenda. 16 »Helene Mayer war Hitlers ›Ehrenarierin›«, DAPD, 27. Juli 2011. 17 Pujari, Anjali, Stadtarchivarin Offenbach: »Helene Mayer. Fechten war ihr Leben. Zum hundertsten Geburtstag der jüdischen Sportlerin«, Offenbach, 20. Oktober 2010. 18 Ebenda. 19 Die Olympischen Spiele 1936 in Berlin und Garmisch-Partenkirchen. Altona-Bahrenfeld 1936, Band 2, S. 97f. 20 BArch, NS 18 alt /842 Vorlage Tießler, betr.: Mischlinge 1. Grades/Mischling Rudi Ball, Berlin, 5. Februar 1943. 21 Ebenda, Berlin, 5. April 1943. 22 Ebenda, München, 17. April 1943.

Der Disput um die »biologische Wirklichkeit« 1

Vgl. BArch, R 22/488, Vermerk als Anlage zum Schreiben von Staatsekretär Stuckart an den Direktor des Reichssippenamts, Berlin, 2. November 1942. 2 BArch, R 22/488, Schreiben des Justizministeriums an Partei-Kanzlei, betr.: Abstammungsverfahren von Juden und Mischlingen, hier: Einzelfall von Tannstein, Berlin, 3. Oktober 1944. 3 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, R 22/488 Schreiben der Justiz an den Oberreichsanwalt beim Reichsgericht, betr.: Wiederaufnahme des Verfahrens in Abstammungsfeststellungssachen von Juden und jüdischen Mischlingen; hier insbesondere Fall von Tannstein, Berlin, 13. November 1944. 4 BArch, R 56 I/113, Schreiben von Halm an Hinkel, Berlin, 19. Juni 1935. 5 BArch, R 56 I / 113, Schreiben von Hinkel an Halm, Berlin, 11. September 1935. 6 Saul Friedländer: Das Dritte Reich und die Juden, a. a. O., S. 318. 7 BArch, R 1501/5645, Schreiben von Kunstmaler Anton Leidl an Staatssekretär Pfundtner, München, 30. März 1940. 8 ������������������������������������������������������������������������������ BArch, R 1501/5645, Schreiben von Gerti Hiller an die Reichsstelle für Sippenforschung, München, 4. Oktober 1939. 9 Ebenda. 10 BArch, R 1501/5645, Schreiben von Klaiber an Leidl, Berlin, 17. April 1940.

Anmerkungen  321

11 BArch, R 1501/5645, Scheiben von Pfundtner an Lammers, betr.: Ausnahme von den Nürnberger Gesetzen, Berlin, 25. Oktober 1940. 12 BArch, R 1501/5645, Schreiben von Kaibel an Leidl, Berlin, 28. Oktober 1940. 13 BArch, R 1501/5645, Schreiben von Kaibel an Leidl, Berlin, 16. Juli 1943. 14 BArch, NS 10/247, Schreiben von Curt Sonntag an den Regierungspräsidenten zu Köln/Bonn, 6. Februar 1936. 15 BArch, R 58/550, Schreiben von SS-Obersturmführer Menz an Reichsführer-SS, betr.: Ministerialrat Dr. Heinz Wismann, Berlin, 3. April 1937. 16 BArch, R 1501/5645, Schreiben von RMdI, Oberregierungsrat Kaibel, Pers. Referent von StS Pfundtner, an Reichsstelle für Sippenforschung, Berlin, 14. Juni 1937. 17 BArch, R 1501/5645, Schreiben von Lummitzsch an Pfundtner, Berlin, 9. November 1940. 18 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43 II/1535, Bestätigung des Ortsgruppenleiters NSDAP Halle-Lutherlinde, Halle, 27. März 1934. 19 BArch, R 43 II/1535, Bescheinigung von Generalinspekteur Noack, Halle, 5. April 1934. 20 BArch, R 43 II/1535, Schreiben von Ottens an das Oberste Parteigericht der NSDAP, Barsinghausen, 28. Juli 1934. 21 BArch, R 43 II/1535, Schreiben von Dietlein an das Oberste Parteigericht der NSDAP, Halle, 4. August 1934. 22 BArch, R 43 II/1535, Vermerk des RMI, Berlin, 16. November 1935. 23 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43 II/1535, Schreibens von Lammers an den RMdJ, Berlin, 12. Dezember 1935. 24 BArch, R 56I/113, Schreiben von Simon an den Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, betr.: Kulturbund Deutscher Juden, Berlin, 14. Oktober 1933. 25 BArch, R 56I/113, Schreiben von Elisabeth Niemann an Hinkel, Berlin, 14. Juli 1936. 26 BArch, R 56I/113, Schreiben Hinkels, Berlin, 3. August 1936. 27 BArch, R 1501/5246, Vermerk von Steinhoff, Berlin, 2. November 1937. 28 Der Stürmer, September 1941. 29 Der Stürmer, Juli 1942. 30 BArch, NS 10/405, Schreiben der Partei-Kanzlei, Amt für Gnadensachen, an die Adjutantur des Führers, betr.: Gnadensache Felix William Wickel, Berlin, Berlin, 30. März 1938. 31 BArch, R 56I/113, Schreiben von Wilhelm Vogel an Staatskommissar Hinkel, Berlin, 6. August 1936. 32 BArch, R 43/3639, Gnadengesuch von Braun an Hitler, Wien, 14. April 1940.

322  Anhang

33 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43/3639, Schreiben der Partei-Kanzlei an RMf VuP, Berlin, 22. Oktober 1940. 34 Vgl. dazu: Fritz Stern: Gold und Eisen. Bismarck und sein Bankier Bleichröder. Frankfurt a. M./Berlin/Wien 1978; Alois Schwarzmüller: Garmisch-Partenkirchen und seine jüdischen Bürger. Garmisch-Partenkirchen 2006; Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam; Bundesarchiv: Eidesstattliche Versicherung von Hermann Ende vom 3. März 1942; Chronik des Ghettos Theresienstadt / Personen; Steiner/von Cornberg: »Willkür in der Willkür«, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 2/1998; Alfred Gottwald/Diana Schulle: Die »Judendeportationen« aus dem Deutschen Reich von 1941–1945 : eine kommentierte Chronologie. Wiesbaden 2005. 35 BArch, R 43/4112, Schreiben von T. St. John Gaffney an StS Pfundtner, Berlin, 22. September 1936. 36 BArch, R 43/4112, Bescheid des RMI an Freifrau von Campe, Berlin, 7. Juni 1937. 37 BArch, R 43/4112, Schreiben von Rudolph A. Herrschel an Lammers, Berlin, 5. Februar 1942. 38 BArch, R 43/4112, Schreiben des RMI, an den Chef der Reichskanzlei, betr.: Abstammung der Freifrau von Campe, Berlin, 18. März 1942. 39 BArch, R 43/4112, Schreiben des RMI an den Polizeipräsidenten von Berlin, betr.: Abstammung der Geschwister von Bleichröder, Berlin, 13. April1942.

Hans Hinkel – Herr über Leben und Tod   1 Sämtliche Angaben zu Hinkels Lebenslauf entnommen aus dem Staatsarchiv München, Arbeitsfilm 2402, Spruchkammerakte Hans Hinkel.  2 Gemeint ist Julius Lippert, Hauptschriftleiter des Kampfblatts Der Angriff.  3 Gemeint ist Max Amann, NS-Reichsleiter Presse.  4 Joseph Goebbels: Die Tagebücher 1924–1945, a. a. O., Sämtliche Fragmente, Teil I, Band 2, S. 53.  5 Ebenda, S. 58.  6 Ebenda, S. 510.  7 Ebenda, S. 511.  8 Ebenda, S. 516.  9 Ebenda, S. 633. 10 Ebenda, Teil I, Band 3, S. 339. 11 Ebenda, Teil I, Band 3, S. 382. 12 Ebenda, Teil I, Band 3, S. 438. 13 Ebenda, Teil I, Band 3, S. 532.

Anmerkungen  323

14 Staatsarchiv, München, Arbeitsfilm 2402, Spruchkammerakte Hans Hinkel, Schreiben von Lale Andersen an den Generalankläger beim Kassationshof im Bayerischen Staatsministerium für Sonderaufgaben, Hamburg, 6. Dezember 1949. 15 Staatsarchiv, München, Arbeitsfilm 2402, Spruchkammerakte Hans Hinkel, Aktenvermerk, München, 15. März 1950. 16 Staatsarchiv München, Arbeitsfilm 2402, Spruchkammerakte Hans Hinkel, Erklärung von Ursula Framm, Hannover, 2. Mai 1950. 17 Staatsarchiv München, Arbeitsfilm 2402, Spruchkammerakte Hans Hinkel, Eidesstattliche Erklärung von Käthe Dorsch, München, 15. Dezember 1949. 18 Staatsarchiv München, Arbeitsfilm 2402, Spruchkammerakte Hans Hinkel, Schreiben von Hinkel an seine Mutter, Berlin, 9. Februar 1937. 19 �������������������������������������������������������������������������� Staatsarchiv München, Arbeitsfilm 2402, Spruchkammerakte Hans Hinkel, Aufsatz von Hans Hinkel, »Die Lage der Juden in Deutschland«, 1938. 20 Ebenda.

Die Wehrmacht und die »Judenfrage«   1 Helmut Schmidt / Loki Schmidt: Kindheit und Jugend unter Hitler. Berlin 1992. Goldmann TB München 1994, S. 209–282.  2 http://www.ritterkreuztraeger-1939-45.de/Infanterie/B/Bo/Borchardt-Robert. htm.  3 Ebenda.  4 BArch Freiburg, RW 6/v 73 d, Fränkische Tageszeitung, 13. Januar 1934.  5 BArch, NS 26/2556.  6 BArch, E 43I/2192, Schreiben des Staatssekretärs in der Reichskanzlei an H. Levy, Berlin, 20. September 1932.  7 Ab 1935 Reichskriegsministerium.  8 BArch Freiburg, RH 15/ 186, Geheime Kommandosache, Berlin, 2. April 1934.  9 BArch Freiburg, 73b 6, Schreiben Blomberg an Göring, Berlin, 7. Juni 1934. 10 BArch Freiburg, 73b 6, Endgültiges Ergebnis einer Bestandsaufnahme des Reichswehrministeriums, Berlin, 22. Juni 1934. 11 BArch Freiburg, RW 6/v 74, Der Sachverständige für Rassenforschung, Gercke, am 20. Juli 1933 an das Reichswehrministerium, betr.: Eingabe von Oberstleutnant a.D. Albert Benary, ihn und seine Nachkommen für alle Zeit für deutsch zu erklären, Berlin, 20. Juli 1933. 12 �������������������������������������������������������������������������� BArch Freiburg, RW 6/v 74, Antwort des Reichswehrministers an Benary, Berlin, 28. Juli 1933. 13 Das »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« vom 7. April 1933 diente als Handhabe zur Gleichschaltung des öffentlichen Dienstes und der Ent-

324  Anhang

lassung von Gegnern des NS-Regimes. Der in diesem Gesetz erstmals ausformulierte »Arierparagraf« (Paragraf 3) verbot die Beschäftigung von »Nichtariern« im öffentlichen Dienst, die in den sofortigen Ruhestand zu versetzen waren. Von dem Gesetz waren vorerst ausgenommen jüdische Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs und ihre Angehörigen sowie vor dem 1. August 1914 Verbeamtete. Mit Verabschiedung der Nürnberger Gesetze im September 1935 entfiel diese Ausnahme. 14 Beim Unternehmen Ösel handelte es sich ab Oktober 1917 um eine umfassende Landungsoperation, bei der starke Kräfte des Heeres mit Unterstützung der Marine in die östliche Ostsee gebracht und dort unter Feuerschutz der Kriegsschiffe angelandet werden sollten, um die baltischen Inseln in Besitz zu nehmen. Im Rahmen dieses Unternehmens kam es Anfang Oktober 1917 zu Gefechten. Ende Oktober war das Unternehmen beendet. 15 BArch Freiburg, 73b 6, Meldung an Blomberg, Berlin, 20. März 1934. 16 BArch Freiburg, 73 b 6, Schreiben Grünebergs an Blomberg, Berlin, 9. Februar 1935. 17 BArch Freiburg, 73 b 6, Schreiben von »Frau Josef Gnott«, Düsseldorf, an Blomberg, 10. August 1935. 18 BArch Freiburg, 73 b 6, Max Lichtenberg, Major a.D. Berlin, am 3. Dezember 1935 an Hitler, Berlin, 3. Dezember 1935. 19 BArch Freiburg, RW 6/v 73 d, Anfrage des Reichsbunds der höheren Beamten beim Reichswehrminister, Berlin, 17. Januar 1934. 20 ���������������������������������������������������������������������� BArch Freiburg, RW 6/v 110, Schreiben von Rudolf Heß an Blomberg, München, 27.Februar 1934. 21 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43 II/1273, Verband Nationaldeutscher Juden e.V., Schreiben an Hitler, Berlin, 20. März 1935. 22 Die exakten Zahlen lauten: 84 352 jüdische Kriegsteilnehmer aus dem Gebiet des Deutschen Reichs in den Grenzen nach 1919; dazu 11 975 Männer aus ElsassLothringen, Posen und Hamburg, von wo keine genauen Daten vorliegen. (Siehe: Deutsche jüdische Soldaten 1914–1945, hg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt. Freiburg 1982, S. 26. 23 BArch, R 43 II/1273, Erklärung des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten e.V., Berlin, 23. März 1935. 24 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43 II/1273, Schreiben des Bundesvorsitzenden des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten an Hitler, Berlin, 5. Oktober 1935. 25 BArch, R 58/99, Schreiben betr.: Reichsverband nichtarischer Christen, Berlin, 16. Juli 1936. 26 »Lösener, Bernhard: Als Rassereferent im Reichsministerium des Innern«, in: Werner Strauß, Werner: »Das Reichsministerium des Innern und die Judengesetzgebung«, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Jahrgang 9 (1961), Heft 3. Anmerkungen  325

27 Kotze, Hildegard von (Hg.): Heeresadjutant bei Hitler 1938–1943. Aufzeichnungen des Majors Engel. Stuttgart 1974, S. 32. 28 Ebenda. 29 Deutsche jüdische Soldaten 1914–1945, a. a. O., S. 69. 30 BArch, MA Freiburg, RH 53/-7/617, Befehl Hitlers, Berlin 13 Mai 1936. 31 ����������������������������������������������������������������������� BArch, MA Freiburg, RH 53 – 7/627, Schreiben des OKH an das Generalkommando des VII. Armeekorps, Berlin, 15. Dezember 1936. 32 Kotze, Hildegard von (Hg.): Heeresadjutant bei Hitler 1938–1943, a. a. O., S. 79f. 33 BArch, NS 19/180, Schreiben Bormanns an Himmler, betr.: Behandlung der Zigeuner im Reich, München, 3. Dezember 1942. 34 BArch Freiburg, RW 6/v 74, Befehl zur Behandlung von jüdischen Mischlingen in der Wehrmacht, Keitel, Berlin, 8. April 1940. 35 John M.Steiner, Jobst von Cornberg: »Willkür in der Willkür«, a. a. O., S. 174. 36 BArch Freiburg, RW 6/v 74, Übersicht des OKW, Berlin, undatiert. 37 Kotze, Hildegard von (Hg.): Heeresadjutant bei Hitler 1938–1943, a. a . O., S. 121f. 38 ������������������������������������������������������������������������� BArch Freiburg, RH 7/829, Schreiben vom Chef des Heerespersonalamts, Führerhauptquartier, 3. Januar 1945. 39 BArch, NS 19/1047, Schreiben Hildebrandt an Himmler, betr.: jüdische Abstammung der SS-Angehörigen Fritz Katzenstein, Julius Sütterlin und Rolf Sütterlin, Berlin, 1. Dezember 1943. 40 �������������������������������������������������������������������� BArch, NS 19/1047, Schreiben Himmlers an Hildebrandt, Feld-Kommandostelle, 17. Dezember 1943. 41 BArch, NS 18, 482, Vermerk für Pg. Tießler, betr.: Heranziehung der jüdischen Mischlinge und jüdisch Versippten zu Dienstleistungen im Kriege, Berlin, 28. Mai 1943. 42 Ebenda, Berlin, 17. Juli 1943. 43 BArch, http://www.bundesarchiv.de/zwangsarbeit/haftstaetten/index. php?tab=21. 44 Henry Picker: Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier. München 2003, Nr. 162, 1. Juli 1942, S. 570f. 45 BArch, NS 19/1047, SS-Standartenführer Schultz, Gutachten zur Frage weit zurückreichenden fremden (jüdischen) Rasseneinschlags, Prag, 12. November 1943. 46 BArch, NS 19/1047, Schreiben vom Chef des RuSHA an den Reichsführer-SS, betr.: Endlösung der Judenfrage, Berlin, 17. März 1943. 47 Henry Picker: Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier, a. a. O., S. 570ff. 48 Sch., bei Engel auch Schm. = Rudolf Schmundt. 49 ������������������������������������������������������������������������� Vermutlich ein Angehöriger der Personalgruppe der Wehrmacht Zentralabteilung. 326  Anhang

50 Kotze, Hildegard von (Hg.): Heeresadjutant bei Hitler 1938–1943, a. a. O., Eintrag vom 28. Mai 1942, S. 121f. 51 Ebenda, Eintrag vom 30. Mai 1942, S. 122. 52 Ebenda, S. 121f. 53 Ebenda, S. 122. 54 Bradley, Dermot, Schulze-Kossens, Richard (Hg.): Tätigkeitsbericht des Chefs des Heerespersonalamtes General der Infanterie Rudolf Schmundt. Osnabrück 1984, S. 124. 55 Ebenda, S. 17. 56 BArch, NS 19/87, Pers. Stab RF-SS, Vermerk für Hildebrandt, Berlin, 30. August 1944. 57 Henry Picker: Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier, a. a . O., Nr. 109, 10. Mai 1942, S. 394. 58 Kotze, Hildegard von (Hg.): Heeresadjutant bei Hitler 1938–1943, a. a. O., Engel, S. 31f. 59 ������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 19/1194, Schreiben Himmlers an Reichsarzt und andere, Feld-Kommandostelle, 25. November 1943. 60 Bradley, Dermot, Schulze-Kossens, Richard (Hg.): Tätigkeitsbericht des Chefs des Heerespersonalamtes General der Infanterie Rudolf Schmundt, a. a. O., S. 269. 61 BArch, Sammlung jüdische Mischlinge, siehe Bryan Mark Rigg: Hitlers jüdische Soldaten. Paderborn 2003, S. 286f. 62 John M. Steiner, Jobst von Cornberg: »Willkür in der Willkür«, a. a. O., S. 174. 63 BArch, R 1501/5645, Schreiben von Pfundtner an Todt, Berlin, 16. Juni 1937. 64 Faksimile von Hitlers Erlass wiedergeben in: Bryan Mark Rigg: Hitlers jüdische Soldaten, a. a. O., S. 92. 65 BArch Freiburg, Pers 6/68058, Personalakte von Gobert Freiherr Sternbach. 66 ������������������������������������������������������������������������������ BArch Freiburg Pers 6/68058, Schreiben des Direktors der Reichsstelle für Sippenforschung an das Reichswehrministerium, Berlin, 20. Dezember 1939. 67 BArch Freiburg, Pers 6/68058, Personalakte von Gobert Freiherr Sternbach, Schreiben des OKW, Berlin, 20. Februar 1940. 68 BArch Freiburg, Pers 6/68058, Personalakte von Gobert Freiherr Sternbach, FS des OKW/OKH, Berlin, 20. Februar 1940. 69 Ebenda. 70 BArch Freiburg, Pers 6/9887, Personalakte von Oberst Ernst Bloch. 71 BArch Freiburg, Pers 6/7341, Personalakte von Oberstleutnant Günther Kessel. 72 ������������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 19/87, Schreiben Hildebrandt an Klopfer, betr.: Liste der Berufsoffiziere, die teils vor Kriegsbeginn, teils auch erst im Kriege Deutschblütigen gleichgestellt wurden, Feld-Kommandostelle, 5. September 1944. 73 BArch Freiburg, Pers 6/270649, Personalakte von Oberstleutnant Wolf von Werlhof. Anmerkungen  327

74 BArch Freiburg, Pers 6/272071, Personalakte von Hans-Günther von Gersdorff. 75 »Ein Feuer soll lodern« in: Der Spiegel, 16. Juni 1955.

Emil Maurice – Hitlers früher Gefolgsmann  ������������������������������������������������������������������������������ 1 Staatsarchiv München, Justizvollzugsanstalten, 15122, Direktion der Gefangenenanstalt und der Festungshaftanstalt Landsberg a.L., Grundbuch der Festungshaft.  2 Staatsarchiv München, Justizvollzugsanstalten, Nr. 15161/15.  3 Staatsarchiv München, Justizvollzugsanstalten, Nr. 15162/28.  4 Staatsarchiv München, Justizvollzugsanstalten, Nr. 15161/17.  5 Staatsanwaltschaft München, Spruchkammern, Karton 1131.  6 Henry Picker: Hitlers, Tischgespräche, a. a. O., Eintrag vom 11. Mai 19842, S. 399.  7 Werner Jochmann (Hg.): Adolf Hitler. Monologe im Führerhauptquartier 1941– 1944. Hamburg 1980, 3./4. Januar 1942, S. 169.  8 BArch, NS 19/961, Urteil des Amtsgerichts Augsburg, Hitler, Adolf und 7 Gen.   9 Julius Schreck war nach dem Ende des Ersten Weltkriegs Mitglied verschiedener Freikorpseinheiten und war ab Januar 1923 am Aufbau der Dachauer und Münchner SA beteiligt. Er hatte die NSDAP-Mitgliedsnummer 53 und gehörte zu den Mitbegründern des »Stoßtrupp Adolf Hitler«. 10 Rudolf Heß beteiligte sich als Mitglied des Freikorps von Franz Ritter von Epp an der Niederschlagung der Münchner Räterepublik. Am 19. Mai 1920 kam Heß bei einer Versammlung der Deutschen Arbeiterpartei zum ersten Mal mit Hitler zusammen. Im Herbst 1920 gründete er den »1. Münchner NS-Studentensturm«, den Vorläufer des späteren Nationalsozialistischen Studentenbundes. Ab 1933 war er Reichsminister ohne Geschäftsbereich. Am 21. April 1933 ernannte Hitler ihn zu seinem Stellvertreter in der NSDAP und ab 1939 Mitglied des Ministerrates für Reichsverteidigung. 11 Erhard Heiden war ein frühes NSDAP-Mitglied und zweiter Reichsführer der SS. Als Hitler die NSDAP im Frühjahr 1925 neu gründete, schloss sich Heiden der Partei an und erhielt die Mitgliedsnummer 74. Im März 1927 ernannte Hitler Heiden, damals im Rang eines SS-Sturmbannführers, zum ReichsführerSS. Zu seinem Stellvertreter berief Heiden Heinrich Himmler. 1933 ließ Himmler Heiden verhaften und später ermorden. 12 BArch, NS 19/961, Urteil des Amtsgerichts Augsburg, Hitler, Adolf und 7 Gen. 13 Staatsanwaltschaft München, Spruchkammern, Karton 1131, Eidesstattliche Erklärung von Josef Gerum Stoßtrupp Hitler, Internierten Krankenhaus Garmisch, 22. Januar 1948. 14 Staatsanwaltschaft München, Spruchkammern, Karton 1131, Eidesstattliche Erklärung von Hans Kallenbach, München, 7. Mai 1947.

328  Anhang

15 Staatsanwaltschaft München, Spruchkammern, Karton 1131, Ermittlungs­ bericht, Regensburg, 1. März 1948. 16 Staatsanwaltschaft München, Spruchkammern, Karton 1131, Eidesstattliche Erklärung von Heinrich Kiessling, München, 12. Mai 1947. 17 Ralf Georg Reuth: Goebbels. München 1990, S. 105. 18 ����������������������������������������������������������������������� Staatsanwaltschaft München, Spruchkammern, Karton 1131, Lebenslauf Maurice, Regensburg, 23. Februar 1948. 19 ���������������������������������������������������������������������� Staatsanwaltschaft München, Spruchkammern, Karton 1131, Ermittlungsbericht, Regensburg, 1. März 1948. 20 Ebenda. 21 Ebenda. 22 Ebenda. 23 Ebenda. 24 Gemeint ist Hitlers Leibfotograf Heinrich Hoffmann. 25 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a. a. O., Teil 1, Bd. 1, S. 197. 26 Ebenda, S. 198. 27 Ebenda, S. 208. 28 Paul Bruppacher: Adolf Hitler und die Geschichte der NSDAP. Eine Chronik. Norderstedt 2008, Teil 1: 1889–1937. 29 Siehe Anm. 27. 30 Ernst Hanfstaengl: Zwischen Weißem und Braunem Haus, a. a. O., S. 232f. 31 Ebenda. 32 Rolf Rietzler: »Das Grab von Onkel Adolfs Nichte«, in: Der Spiegel, 8. Juni 1987. 33 Staatsanwaltschaft München, Spruchkammern, Karton 1131, Schreiben von Max Fröschl, München, 7. Oktober 1949. 34 Staatsanwaltschaft München, Spruchkammern, Karton 1131, Ermittlungs­ bericht, Regensburg, 1. März 1948.

Robert Feix – »Halbjude« unter Himmlers Schutz   1 BArch, Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen Ludwigsburg, IV 413 AR-Z, 17/1969, Protokoll der Erklärung von Feix gegenüber dem LKA Düsseldorf, Köln, 8. Juni 1967.   2 BArch, Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen Ludwigsburg, IV 413 AR-Z, 17/1969, Protokoll der Erklärung von Feix gegenüber dem LKA Düsseldorf, Köln, 8. Juni 1967.   3 BArch, N 1742/4, Bericht Arisierung der Unternehmen von Direktor Robert Feix, Frankfurt a. M., Düsseldorf, 11. Juli 1938.   4 BArch, N 1742/4, Schreiben Kepplers an Schneider, Berlin, 15. Juli 1938.

Anmerkungen  329

  5 ITS Bad Arolsen, Kartei Gestapo Neustadt, Dok. Nr. 1254726#2.   6 BArch, N 1724/4, Bescheinigung des RMfEL, Berlin, 12. Februar 1943.   7 BArch, NS 21/36, Schreiben Sievers an SS-Obergruppenführer Pohl, betr.: Polygalherstellung, Berlin, 15. Juni 1944.   8 BArch, NS 21/917, SS-Obersturmbannführer Rudolf Brandt, Vermerk für SSHauptsturmführer Fälschlein, Berlin, 27. Oktober 1943.   9 BArch, NS 21/917, Schreiben von Amt A an den KZ-Kommandanten von Dachau, Weiss, betr.: Häftling Feix, Waischenfeld, 30. September 1943. 10 Staatsarchiv München, Staatsanwaltschaften 34875/4, Verhandlung vom 17. Dezember 1946 11 BArch, NS 21/36, Schreiben von Sievers an Brandt, betr.: Styptoral (PolygalHerstellung), Berlin, 22. Juli 1944. 12 BArch, NS 21/36, Institut für Wehrwissenschaftliche Zweckforschung der Waffen-SS, Zwischenbericht über den Stand der Styptoral-Arbeiten, Dachau, 1. Oktober 1944. 13 Staatsarchiv München, Staatsanwaltschaften 34875/10, Vernehmungsniederschrift Plötner, Freiburg, 11. Juli 1967. 14 Ebenda. 15 BArch, NS 21/924, Vereinbarung, München, 31. Januar 1944. 16 Ebenda. 17 BArch, NS 21/924, Schreiben von Hennes an Rascher, Essen, 14. März 1944.

Hitlers Kritik an der Judenfreundlichkeit der Bündnispartner  1 Julius H. Schoeps: »Unser Fleisch und Blut. Das Schicksal der italienischen Juden unter Mussolini«, in: Die Zeit, 27. April 1979.   2 Werner Jochmann (Hg.): Adolf Hitler. Monologe im Führerhauptquartier 1941– 1944, a. a. O., S. 328f.   3 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a. a . O., Teil 1, Bd. 3, Eintrag vom 5. August 1938, S. 1249.   4 Ebenda, S. 502.  5 Goebbels Tagebücher aus den Jahren 1942–1943, hg. von Louis P. Lochner. Zürich 1948, Eintrag vom 13. Dezember 1942, S. 222.   6 Jonathan Steinberg: Deutsche, Italiener und Juden. Der italienische Widerstand gegen den Holocaust. Göttingen 1992, S. 193.   7 BArch MA, RH 23/112, Bericht vom 7. Februar 1942.  8 Goebbels Tagebücher aus den Jahren 1942–1943, a. a. O., Eintrag vom 15. Februar 1942, S. 90.   9 Filippo Anfuso: Die beiden Gefreiten. Ihr Spiel um Deutschland und Italien. München 1952, S. 181.

330  Anhang

10 Ebenda, S. 181f. 11 BArch, NS 19/3402, Schreiben Himmlers an Ribbentrop, Feld-Kommandostelle, Januar 1943. 12 Ebenda. 13 BArch, NS 19/3402 , Schreiben Kapplers an Wolff, Berlin, 18. Oktober 1943. 14 Ebenda. 15 Jonathan Steinberg: Deutsche, Italiener und Jude, a. a. O., S. 134ff. 16 Gerhard Schreiber: Deutsche Kriegsverbrechen in Italien. Täter, Opfer, Strafverfolgung. München 1996, S. 33. 17 Ebenda, S. 32ff. 18 Goebbels Tagebücher aus den Jahren 1942–1943, a. a . O., Eintrag vom 29. Juli 1943, S. 385. 19 Ebenda, vom 9. September 1943, S. 390. 20 Ebenda, Eintrag vom 19. September 1943, S. 422. 21 Ebenda, Eintrag vom 17. September 1943 S. 419. 22 Ebenda, Eintrag vom 23. September 1943,S. 434. 23 Ebenda, Eintrag vom 23. September 1943, S. 436. 24 Holocaust-Chronologie, Akten zur deutschen Auswärtigen Politik, (ADAP), Serie E, Bd. VII, Nr. 352. 25 Holocaust-Chronologie, zitiert aus Benz, Dimension, S. 325f26 ADAP, Serie E, Band VII, Nr. 352. 27 Holocaust-Chronologie, Akten zur deutschen Auswärtigen Politik, (ADAP), Serie E, Bd. VII, Nr. 352. 28 Vgl. Wolfgang Benz (Hg.): Dimension des Völkermords: Die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. München 1991, S. 325f. 29 BArch, NS 15/629, Schreiben der Leitung der NSDAP-AO an das Amt Rosenberg, Berlin, 11. Mai 1943. 30 BArch, NS 19/971, Schreiben von Hermann Behrends, SS-Oberführer, Stellvertreter Vomi, an Himmler, betr.: Regelung der Judenfrage in der Slowakei und in Kroatien, Berlin, 10. Oktober 1941. 31 Ebenda. 32 BArch, NS 19/971, Schreiben Brandt an Behrends, betr.: Regelung der Judenfrage in der Slowakei und in Kroatien, Führer-Hauptquartier, 17. Oktober 1941. 33 BArch, NS 19/971, Schreiben Volksdeutsche Mittelstelle an den ReichsführerSS, betr.: Regelung der Judenfrage in den Volksgruppen, Berlin, 5. April 1942. 34 BArch, NS 19/971, Vermerk für Obersturmführer Dr. Brandt, betr.: Übernahme ins Reich von in der deutschen Volksgruppe bewährten Mischlingen, Feld-Kommandostelle, 7. Oktober 1942. 35 Ebenda.

Anmerkungen  331

36 Goebbels Tagebücher aus den Jahren 1942–1943, a. a. O., Eintrag vom 20. Februar 1942, S. 96. 37 Ebenda, Eintrag vom 1. April 1942, S. 149. 38 Ilona Edelsheim-Gyulai: Becsület és kötelesség. Teil I. Budapest 2001. 39 Goebbels Tagebücher aus den Jahren 1942–1943, a. a . O., Eintrag vom 19. April 1942, S. 305. 40 Ebenda, Eintrag vom 8. Mai 1943, S. 1928f. 41 Alfred M. Posselt: Die Ehrenarier. Verräter oder geschonte Opfer?, a. a. O., S. 126. 42 Uwe Schmitt: »Als Japaner blond waren. Die überfällige Erledigung der Legende vom ›Ehrenarier‹«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. September 1996, S. N5. 43 Bernd Martin: »Japan und der Antisemitismus. Nur der Ausgang des Krieges rettete die Juden Schanghais«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. Juni 2008. 44 Werner Jochmann (Hg.): Adolf Hitler. Monologe im Führerhauptquartier 1941– 1944, a. a. O., 17. Februar 1942, S. 280. 45 Japanischer Botschafter in Berlin. 46 Werner Jochmann (Hg.): Adolf Hitler. Monologe im Führerhauptquartier 1941– 1944, a. a. O., 4./5. Januar 1942, S. 177. 47 Adolf Hitler: Mein Kampf, a.a.O., S. 318. 48 Ebenda, S. 724. 49 BArch, R 1509/35, Stellungnahme des RMI zum DBG, Berlin, 6. Juni 1935. 50 PAA, 87/1, Schreiben der Partei-Kanzlei an das AA, betr.: Gesuch des Mischlings Karl Heise um Aufnahme in den NSD-Studentenbund, München, 13. Juni 1942. 51 Hugh R. Trevor-Roper (Hg.): Hitlers politisches Testament: Die Bormann-Diktate vom Februar und April 1945. Hamburg 1981, S. 66. 52 Goebbels Tagebücher aus den Jahren 1942–1943, a. a. O., Eintrag vom 22. Januar 1942, S. 57. 53 Ebenda, Eintrag vom 14. Februar 1942,S. 88. 54 Smith, Bradley F./ Peterson, Agnes F. (Hg.): Heinrich Himmler. Geheimreden 1933 bis 1945 und andere Ansprachen. Frankfurt a. M. 1974, Rede vor SSJunkern in Bad Tölz, 23. November 1942, S. 192.

332  Anhang

Archive

Archiv des Katholischen Bistums der Altkatholiken in Deutschland, Bonn Archiv des Erzbistums Bamberg Archiv der Stadt Karlsruhe Archiv der Stadt Wilhelmshaven Bibliothek des Deutschen Bundestags Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde Bundesarchiv – Außenstelle Ludwigsburg Bundesarchiv – Militärarchiv Freiburg Hauptstaatsarchiv München Landesarchiv Baden-Württemberg – Generallandesarchiv Karlsruhe Landesarchiv Berlin Staatsarchiv München

Archive  333

Ausgewählte Literaturhinweise

Anfuso, Filippo: Die beiden Gefreiten. Ihr Spiel um Deutschland und Italien. München 1952. Axmann, Artur: Das kann doch nicht das Ende sein. Koblenz 1995. Ders.: Hitler-Jugend 1933–1943: Die Chronik eines Jahrzehnts. Berlin 1943. Barkay, Avraham: Vom Boykott zur »Entjudung«. Der wirtschaftliche Existenzkampf der Juden im Dritten Reich. 1933–1943, Frankfurt a. M. 1988. Benz, Wolfgang (Hg.): Dimension des Völkermords: Die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. München 1991. Berger, Michael: Eisernes Kreuz – Doppeladler – Davidstern. Juden in deutschenund österreichisch-ungarischen Armeen. Der Militärdienst jüdischer Soldaten durch zwei Jahrhunderte. Berlin 2010. Bradley, Dermot / Schulze-Kossens, Richard (Hg.): Tätigkeitsbericht des Chefs des Heerespersonalamtes General der Infanterie Rudolf Schmundt. Osnabrück 1984 Bronder, Dietrich: Bevor Hitler kam. Eine historische Studie. 2. erweiterte Auflage. Hannover 1975. Bruppacher, Paul: Adolf Hitler und die Geschichte der NSDAP. Eine Chronik. Norderstedt 2008, Teil 1: 1889–1937. Burke, William Hastings: Hermanns Bruder: Wer war Albert Göring? Berlin 2012. Conze, Eckart / Frei, Norbert / Hays, Peter / Zimmermann, Moshe (Hg.): Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. 2. Auflage, München 2010. Deschner, Günther: Reinhard Heydrich. Statthalter der totalen Macht. 3. Auflage, Esslingen 1992. Die Olympischen Spiele 1936 in Berlin und Garmisch-Partenkirchen, Band 2, Altona-Bahrenfeld 1936. Unveränderter Nachdruck des offiziellen OlympiaAlbums von 1936. Frankfurt a. M. 1972. Domarus, Max: Hitler, Reden 1932 bis 1945. Kommentiert von einem deutschen Zeitgenossen. Wiesbaden 1973. Drewniak, Boguslaw: Das Theater im NS-Staat. Düsseldorf 1983. Emessen, Theodor R.: Aus Görings Schreibtisch. Ein Dokumentenfund. Berlin 1990. Frank, Hans: Im Angesicht des Galgens. München 1953. 334  Anhang

Friedländer, Saul: Das Dritte Reich und die Juden, 1933–1945. München 2013. Furuya, Harumi Shidehara: »Nazi racism toward the Japanese. German relations in the 1930s«, in: Nachrichten der Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens, Jg. 65, Heft1/2, 1995. Goebbels, Joseph: Die Tagebücher von Joseph Goebbels 1924–1945, hg. von Elke Fröhlich. München 1987–2008. Ders.: Goebbels Tagebücher aus den Jahren 1942–1943, hg. von Louis P. Lochner. Zürich 1948. Ders.: Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei: Eine historische Darstellung in Tagebuchblättern (vom 1. Januar 1932 bis zum 1. Mai 1933). München 1934. Gottwald, Alfred / Schulle, Diana: Die »Judendeportationen« aus dem Deutschen Reich von 1941–1945: eine kommentierte Chronologie. Wiesbaden 2005. Gritzbach, Erich: Hermann Göring. Werk und Mensch. München 1937. Hamann, Brigitte: Hitlers Edeljude. Das Leben des Armenarztes Eduard Bloch. München 2008. Hanfstaengl, Ernst: Zwischen Weißem und Braunem Haus. München 1970 Heiber, Helmut (Hg.): Joseph Goebbels, Reden 1932–1945. 2 Bände, Düsseldorf 1971. Ders.: Reichsführer! Briefe an und von Himmler. Stuttgart 1968. Hinkel, Hans / Bley, Wulf (Hg.): Kabinett Hitler! Berlin 1933. Hitler, Adolf: Mein Kampf. Eine Abrechnung. München 1933. Höhne, Heinz: Canaris. Patriot im Zwielicht. München 1976. Internationaler Militärgerichtshof Nürnberg (Hg.): Der Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vom 14. November 1945 bis 1. Oktober 1946. 24 Teile in 12 Bänden. München/Zürich 1984. Irving, David: Göring. München/Hamburg 1987. Jacobsen, Hans-Adolf: 1939–1945. Der Zweite Weltkrieg in Chronik und Dokumenten. Darmstadt 1961. Jochmann, Werner (Hg.): Adolf Hitler. Monologe im Führerhauptquartier 1941– 1944. Hamburg 1980. Kempner, Robert, M.W. / Haensel, Carl (Hg.): Das Urteil im WilhelmstraßenProzess. Schwäbisch Gmünd 1950. Kersten, Felix: Totenkopf und Treue. Aus den Tagebuchblättern des finnischen Medizinalrats Felix Kersten. Hamburg 1952. Klee, Ernst: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, überarbeitete Auflage, Frankfurt a. M. 2009.

Ausgewählte Literaturhinweise  335

Kleine-Kraneburg, Andreas (Hg.): Jüdische Soldaten in deutschen Armeen. St. Augustin 2008. Klemperer, Victor: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933– 1945. Berlin 1996. Kotze, Hildegard von (Hg.): Heeresadjutant bei Hitler 1938–1943. Aufzeichnungen des Majors Engel. Stuttgart 1974. Krosigk, Lutz Graf Schwerin von: Memoiren. Stuttgart 1977. Lee, Carol Ann: Otto Franks Geheimnis. Der Vater von Anne Frank und sein verborgenes Leben. München 2005. Lissner, Ivar: Mein gefährlicher Weg. München 1975. Ders.: Vergessen aber nicht vergeben. Berlin 1970. Lösener, Bernhard: »Als Rassereferent im Reichsministerium des Innern«, siehe: Strauß, Werner: »Das Reichsministerium des Innern und die Judengesetzgebung«, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Jg. 9 (1961), Heft 3. Meyer, Beate: »Jüdische Mischlinge«. Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933–1945. Hamburg 1999. Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hg.): Deutsche Jüdische Soldaten 1914– 1945, 3. erweiterte und überarbeitete Auflage. Herford 1987. Moll, Martin (Hg.): Führer-Erlasse 1939–1945. Hamburg 2011. Picker, Henry: Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier. München 2003. Posselt, Alfred M.: Die Ehrenarier. Verräter oder geschonte Opfer? Eine zeitgeschichtliche Studie. Wien 1992. Reichsfilmkammer (Hg.): Almanach der deutschen Filmschaffenden 1938/39. Berlin, 1939. Reuth, Ralf Georg: Goebbels. München 1990. Rigg, Bryan Mark: Hitlers jüdische Soldaten. Paderborn 2003. Rosenthal, Jacob: »Die Ehre des jüdischen Soldaten«. Die Judenzählung im Ersten Weltkrieg und ihre Folgen. Frankfurt a. M. 2007. Schaetzler, Fritz: Nun erst recht! Ein Schwerverwundeter geht zur Bühne. Lebensbericht. Berlin 1943. Schellenberg, Walter: Aufzeichnungen des letzten Geheimdienstchefs unter Hitler. München 1981. Schirach, Baldur von: Ich glaubte an Hitler. Hamburg 1967. Schmidt, Helmut / Schmidt, Loki: Kindheit und Jugend unter Hitler. Berlin 1992. Goldmann TB München 1994. Schreiber, Gerhard: Deutsche Kriegsverbrechen in Italien. Täter, Opfer, Strafverfolgung. München 1996. 336  Anhang

Schroeder, Christa: Er war mein Chef. Aus dem Nachlass der Sekretärin von Adolf Hitler. München/Wien 1985. Schulle, Diana: Das Reichssippenamt. Eine Institution nationalsozialistischer Rassenpolitik. Berlin 2001. Schumacher, Martin (Hg.): Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933–1945, Düsseldorf 1991. Schwarzmüller, Alois: »Juden sind hier nicht erwünscht«.Zur Geschichte der jüdischen Bürger in Garmisch-Partenkirchen von 1933 bis 1945. GarmischPartenkirchen 1995. Smith, Bradley F. / Peterson, Agnes F. (Hg.): Heinrich Himmler. Geheimreden 1933 bis 1945 und andere Ansprachen. Berlin/Frankfurt a. M. 1974. Speer, Albert: Der Sklavenstaat. Meine Auseinandersetzungen mit der SS. Stuttgart 1981. Ders.: Erinnerungen. Berlin 1969. Steinberg, Jonathan: Deutsche, Italiener und Juden. Der italienische Widerstand gegen den Holocaust. Göttingen 1992. Stern, Fritz: Gold und Eisen. Bismarck und sein Bankier Bleichröder. Frankfurt a. M./Berlin/Wien 1978. Strauss, Franz Josef (Hg.): Kriegsbriefe gefallener deutscher Juden. Stuttgart 1961. Strauß, Werner: »Das Reichsministerium des Innern und die Judengesetzgebung«, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Jg. 9 (1961), Heft 3. Trevor-Roper, Hugh Redwald (Hg.): Hitlers politisches Testament. Die Bormann Diktate vom Februar und April 1945. Hamburg 1981. Wald, Renate: Mein Vater Robert Ley: Meine Erinnerungen und Vaters Geschichte. Nümbrecht 2004. Weber, Thomas: Hitlers erster Krieg. Der Gefreite Hitler im Weltkrieg – Mythos und Wahrheit. Berlin 2012. Woyak, Irmtrud: »Arisierung« im Nationalsozialismus. Volksgemeinschaft, Raub und Gedächtnis. Frankfurt a. M. 2000.

Ausgewählte Literaturhinweise  337

Bildnachweis

akg-images: Umschlagabbildung Archiv der Stadt Wilhelmshaven: Abb. 3 Archiv des Autors: Abb. 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16 Bundesarchiv Berlin (Foto Nr. 183-2006-1009-500): Abb. 2 Tribune Photo Archives: Abb. 1

338  Anhang

Personenregister Der Übersichtlichkeit halber werden lediglich die aktiv handelnden Personen aufgeführt; die ausschließlich in den Zitaten erwähnten Namen sind nicht berücksichtigt. Ebenfalls nicht aufgenommen wird der Name Hitler bzw. »Führer«, da er fast auf jeder Seite vorkommt. Agoston, Lilly, verh. Christiansen, Galeristin, Gefährtin von Wolfgang Gurlitt 179f., 182f. Alban, Julius jun. Zahnarzt 201ff. Alban, Julius sen., Uhrmacher 201ff. Alban, Rahel, geb. Mendel, Mutter von Julius Alban jun. 201 Albers, Hans, Schauspieler 130, 135 Alexander, Georg (eigtl. Werner Louis Georg Lüddekens), Schauspieler und Regisseur 119, 139f., 143 Alpers, Friedrich, SS-Obergruppenführer, Generalforstmeister, Staatssekretär 68 Amico, Giuseppe, Generalleutnant, Kommandeur der italienischen Infanterie-Division »Marche« 285 Anday-Bündsdorf, Rosette, Mezzosopranistin, Kammersängerin 149f. Andersen, Lale, Sängerin 215f. Anfuso, Filippo, Staatssekretär im italienischen Außenministerium, Botschafter in Berlin 283 Antonescu, Ion, Marschall, rumänischer Staatschef 94 Arlosoroff, Chaim Vitaly, radikaler Zionist, Geliebter der späteren Magda Goebbels 80 Axmann, Artur, Reichsjugendführer 35, 84f.

Axmann, Kurt, Bruder von Artur Axmann 85 Backe, Herbert, Reichsernährungsminister 111 Badoglio, Pietro, Marschall 287 Baillet-Latour, Henri Graf, Vorsitzender des IOC 184ff. Ball, Rudi, Eishockeyspieler 191ff. Bastianini, Giuseppe, Gouverneur von Dalmatien und Unterstaatssekretär im italienischen Außenministerium 286 Batteux, Hans, Sänger, Oberspielleiter am Deutschen Opernhaus in Berlin 119, 122 Bauer, Julius, Textbuchverfasser 118 Bechstein, Edwin, Klavierfabrikant 27 Bechstein, Helene, Verehrerin und Förderin Hitlers, Frau von Edwin Bechstein 27, 259 Beda-Löhner, Fritz, Librettist 160 Behrend, Auguste (verh. Friedländer), Mutter von Magda Goebbels 80 Behrends, Hermann, SS-Brigadeführer, Stellvertretender Leiter Vomi 290f. Benary, Albert, Oberstleutnant a.D. 225 Benary, Eleonore, Enkelin von Albert Benary 225 Personenregister  339

Bene, Otto, deutscher Generalkonsul in Italien 26 Berg, Eugen, Mentor von Hans Albers 130 Bergbohm, Karl, Ministerialrat im Ministerium für Volkswohlfahrt 109 Bergmann, Gretel, Hochspringerin 191 Bergold, Friedrich, Verteidiger von Milch vor dem Internationalen Militärtribunal Nürnberg 73 Berndt, Alfred-Ingemar, Ministerialrat im Propagandaministerium 176 Bernheim, Maria, 1. Frau von Heinz Rühmann 133 Bildt, Paul, Schauspieler 78, 119, 129 Blech, Leo, Komponist und Dirigent 157f. Bleichröder, Gerson von, Bankier 209f. Bloch, Eduard, Arzt von Hitlers Eltern 27ff. Bloch, Ernst, Oberstleutnant 249f. Blomberg, Werner von, Reichswehrminister, ab 1936 der erste Generalfeldmarschall der Wehrmacht 223ff., 231, 253 Blome, Kurt, stellvertretender Reichsärzteführer, SA-Gruppenführer 275 Blümner, Rudolf, Schauspieler 129f. Böckel, Otto, Bibliothekar, Gründer der »Deutschen Antisemitischen Vereinigung« 18 Bodanzky, Artur, Textbuchverfasser 118 Borchardt, Ernst, Offizier, Bruder von Robert Borchardt 219f.

340  Anhang

Borchardt, Robert, Kompaniechef 219f. Bormann, Albert, Bruder von Martin Bormann, NSKK-Gruppenführer, Adjutant Hitlers 68 Bormann, Gerda, geb. Buch, Frau von Martin Bormann 23 Bormann, Martin, Leiter der ParteiKanzlei der NSDAP, Sekretär des »Führers« 20, 22f., 30f., 46ff., 63, 65, 83f., 96f., 101, 107, 112f., 120, 137, 142, 156, 167f., 233f., 242, 273 Born, Anneliese, Schauspielerin 216 Bouhler, Philipp, Reichsleiter, Leiter der Kanzlei des Führers 10, 83f., 171 Brach, Ilse, 2. Frau von Georg Alexander, Filmagentin 140 Brammer, Julius, Librettist 159Brandt, Rudolf, SS-Standartenführer, Pers. Stab ReichsführerSS 96 Brandt, Rudolf, SS-Sturmbannführer 96, 276, 291 Brauchitsch, Walther von, Generalfeldmarschall 254f. Bräuer, Carl, Baumeister, vorgetäuschter arischer Vater von Erhard Milch 74, 76 Braun, Heinrich, Wiener Musikprofessor 207f. Brentano, Mario Heil de, Schriftsteller 152f. Brie, Cecilia, erste Ehefrau von Paul Henckels Bronnen, Arnolt, Schriftsteller 153ff. Bronnen, Ferdinand, Vater von Arnolt Bronnen 153

Bronnen, Olga siehe Förster-Prowe, Olga Bruppacher, Paul, Publizist 268 Buch, Gerda, Tochter von Buch, Walter, Ehefrau von Bormann, Martin. Buch, Walter, Reichsleiter und Oberster Parteirichter der NSDAP, Schwiegervater von Martin Bormann 22ff., 30 Bukow, Willy, Ministerialrat 31, 108 Bürckel, Josef, NS-Gauleiter von Österreich 137 Burg, Eugen, Schauspieler 130 Burg, Hansi, Lebensgefährtin von Hans Albers 130 Burgdorf, Wilhelm, Generalleutnant, Chef des Heerespersonalamts 236, 249 Burghardt, Hildegard, Verleugnung der eigenen Abstammung 206 Burstyn, Adolf (eigtl. Abel Chaim), Vater von Gunther Burstyn 169 Burstyn, Gunther, Elektrotechniker 169f. Busch, Eva, Sängerin und Kabarettistin 216 Campe, Freiherr Jordan von, Mann von Harriet von Campe 209 Campe, Harriet von, geb. von Bleichröder, Enkelin des Bankiers Gerson Bleichröder 208–212 Canaris, Wilhelm, Admiral, Chef der Abwehr 90 Caro, Felix, Arzt 164f. Cassel, Oscar, Reichstagsabgeordneter, Vorsitzender des »Verbands Deutscher Juden« 34 Christiansen, Lilly siehe Agoston, Lilly

Colin, David, Italien-Korrespondent 282 Conrad, Curt, von Hitler »gleichgestellt« 30 Conrad, Herbert, Ministerialrat im Rechnungshof des Deutschen Reichs 113 Corencki, Ladislaus, Reservelokomotivführer 110 Cornberg, Jobst von, Publizist 65, 246 Crome, Werner, Freund von Ivar Lissner 90, 92 Dellbrügge Hans, Regierungspräsident von Wien 137 Diem, Carl, Vorsitzender der deutschen Sportbehörde für Athletik 184 Dietlein, Anna-Sofie siehe Rust, AnnaSofie Dietlein, Heinrich von, Bruder von Anna-Sofie Rust 84 Dohnanyi, Hans von, Persönlicher Referent des Reichsjustizministers 31 Domarus, Max, Historiker 67 Dönitz, Karl, Großadmiral 14 Dorn, Herbert, Präsident des Reichsfinanzhofs 88 Dorpmüller, Julius, Reichsverkehrsminister 109f. Dorsch, Käthe, Schauspielerin 216f. Dungern, Otto von, Jurist und Rechtshistoriker 30, 163f. Düsterberg, Theodor, langjähriger Vorsitzender des Stahlhelmbunds 224

Personenregister  341

Eckardt, Dietrich, Publizist und Verleger 213, 258 Edelmann, Maria von, Frau von Gobert von Sternbach 248f. Eggerth, Marta, Frau von Jan Kiepura, Schauspielerin 149 Ehrentraut, Friedrich, Regierungsbaumeister a.D. 110 Eichmann, Adolf, Leiter des für die Deportation der Juden zuständigen Referats im Reichssicherheitshauptamt 13 Eigl, Adolf 27 Einstein, Albert, Physiker 15, 165 Elison, Geiger 119 Enck, Lieselotte, Sopranistin 120 Ende, Hermann, Architekt, angeblicher Erzeuger der Harriet von Campe 209 Engel, Gerhard, Major, Hitlers Wehrmachtsadjutant 79, 233f., 243ff. Engelsing, Herbert, Filmproduzent 150 Epenstein, Hermann von, Geliebter von Görings Mutter Fanny 77 Epp, Franz Ritter von, Reichsstatthalter in Bayern 7 Erdmann, Georg, Oberst, Leiter der Amtsgruppe IV in der HPA-Abt. P 2 246 Esser, Hermann, arbeitsloser Abiturient 258Graf, Herbert, Pianist 176 Etlinger, Karl, Schauspieler 78, 131 Exner, Helena Maria von, Hitlers Diätköchin 31 Fabricius, Hans, NS-Reichstagsabgeordneter 104

342  Anhang

Fackeldey, Richard, zusammen mit Robert Feix Begründer des Unternehmens Opetka in Köln 272 Feiler, Hertha, 2. Frau von Heinz Rühmann 134f. Feix, Ludwig, Vater von Robert Feix 272 Feix, Robert, Chemiker, Erfinder des Geliermittels Opetka und des blutstillenden Mittels Polygal 272–279 Felsenstein, Walter, Regisseur 119 Fiedler, Erich, Schauspieler und Synchronsprecher 119, 143 Fiehler, Karl, Reichsleiter, Gauleiter von München-Oberbayern 259 Fischer, Hans, Schauspieler und Oberspielleiter 120 Flesch, Carl, Geigen-Pädagoge, Musikschriftsteller 161f. Flesch, Gabriele, Frau von Hans Flesch 99 Flesch, Hans, Arzt und Rundfunkleiter der Berliner Funk-Stunde 98ff. Forster, Albert, Gauleiter der NSDAP und Reichsstatthalter in Danzig 150 Förster-Prowe, Olga (Olly Förster), Geliebte von Joseph Goebbels und Frau von Arnolt Bronnen 153ff. Framm, Ursula, Hinkels Sekretärin 123, 216 Frank, Hans Michael, Hitlers Rechtsanwalt, Generalgouverneur im besetzten Polen 15, 20f., 87f., 94, 111, 121 Frank, Karl, Vater von Hans Michael Frank 88

Frank, Magdalena, geb. Buchmaier, Mutter von Hans Michael Frank 88 Frick, Wilhelm, Reichsminister des Innern 30, 36, 41, 48, 59, 69, 108, 186ff., 211, 232, 296 Friedländer Charlotte, Frau von Paul Bildt 129 Friedländer Magda siehe Goebbels, Magda Friedländer, Auguste Mutter von Magda Goebbels Friedländer, Charlotte, Schauspielerin, Ehefrau von Paul Bildt 129 Friedländer, Richard, Stiefvater der späteren Magda Goebbels 80 Friedrich, Herzog zu Mecklenburg, deutsches IOC-Mitglied 185 Fritsch, Willy, Schauspieler 141, 216 Froelich, Carl, Regisseur, Kameramann, Filmproduzent 117 Funk, Walther, Reichswirtschaftsminister 107, 116 Furtwängler, Wilhelm, Generalmusikdirektor, Staatsrat, Dirigent 117f., 162, 173–178 Furuya, Haruni Shidehara, Historikerin 294 Gabriel, Hermann, deutscher Generalkonsul für Niederländisch-Indien 204 Gabriel, Zella, geb. Wolter, Frau von Hermann Gabriel 204 Gaffney, T.S., -Generalkonsul in München, Fürsprecher der Harriet von Campe 208f. Galland, Adolf, Jagdflieger, General der Luftwaffe 67

Ganghofer, August, Forstbeamter 247f. Garden, Katarina siehe Künneke, Katarina Gaus, Friedrich, Botschafter 103 Geißmar, Berta, Privatsekretärin Furtwänglers 176f. Gercke, Achim, Sachverständiger für die Überprüfung von Abstammungsbescheiden im Reichsministerium des Innern 43ff., 63f., 86, 194, 225 Gersdorff, Hans-Günther von, Offizier 252ff. Gerum, Josef, Mitbegründer des »Stoßtrupp Hitler« 264 Glöckner-Kramer, Pepi, Volksschauspielerin und Soubrette 135, 217 Gnott, Josef, Ingenieur 226 Goebbels, Joseph, Reichsminister für Propaganda und Volksaufklärung 9f., 14, 35f., 63, 71, 77, 79ff., 95, 101, 107, 115ff., 119ff., 127ff., 131ff., 137, 144, 147, 149ff., 153, 155ff., 160f., 163, 179, 181, 192, 213f., 247, 266ff., 281ff., 286, 288, 292, 297 Goebbels, Magda, geb. Behrend, adopt. Friedländer, gesch. Quandt, Frau von Joseph Goebbels 62, 79, 81, 90, 154, 183 Goes, Fritz, Major 150 Göhlmann, Martin, Regierungsinspektor Reichshauptkasse 110Göring, Albert, Bruder von Hermann Göring 160 Göring, Emmy, geb. Sonnemann, 2. Frau von Hermann Göring 77f. Göring, Ernst Heinrich, Vater von Hermann Göring 77 Personenregister  343

Göring, Fanny, Mutter von Hermann Göring 77 Göring, Herbert L.W., Bruder von Hermann Göring 77 Göring, Hermann, u.a. Reichsmarschall, Reichsluftfahrtminister, Gründer der Gestapo und der ersten Konzentrationslager 9, 28, 63, 66ff., 77f., 83, 109, 120, 124, 127, 136, 158, 170ff., 223f., 267, 275f. Gottschalk, Joachim, Schauspieler 156f. Graener, Paul, Komponist, Dirigent, NS-Kulturpolitiker 117, 141 Graf, Ulrich, Müller 258 Griebel, August, Sänger 158 Grissbach, Erich, Publizist 66 Grodtcinsky, Thea, 2. Frau von Paul Henckels Grünbaum, Kurt, Ministerialrat im Reichsministerium für kirchliche Angelegenheiten 112f. Gründgens, Gustaf, Schauspieler, Regisseur, Generalintendant des Staatstheaters am Gendarmenmarkt 78, 129, 150 Grüneberg, Ernst, Berliner Antragsteller 226 Grünwald, Alfred, Librettist 159 Gruson, Paul, Bildhauer 95f. Guderian, Heinz, Generaloberst 113, 169 Gumpel, Ludwig, Bankier 219 Gun, Nerin, Journalist 270 Gura, Hedy, Sängerin 151f. Gurlitt, Annarella, geb. ������������� Imhoff, Mutter von Manfred Gurlitt 179 Gurlitt, Cornelius, Sohn von Hildebrand Gurlitt 178 344  Anhang

Gurlitt, Cornelius, Sohn von Louis Gurlitt und Elisabeth LewaldGurlitt, Architekt und Kunsthistoriker, Vater von Hildebrand Gurlitt 180 Gurlitt, Elisabeth siehe Lewald, Elisabeth Gurlitt, Fritz, Gründer der GaleristenDynastie Gurlitt 179 Gurlitt, Hildebrand, Galerist 178ff. Gurlitt, Louis, Vater von Fritz Gurlitt, Landschaftsmaler 179 Gurlitt, Manfred, Komponist und Dirigent 179 Gurlitt, Willibald, Ordinarius in Freiburg, Onkel von Wolfgang Gurlitt 180 Gurlitt, Wolfgang, Galerist in Berlin 179f. Gürtner, Franz, Reichsminister der Justiz (bis Januar 1941) Gutterer, Leopold, Staatssekretärs im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda 182 Halm, Alfred, Theaterdirektor, Filmautor 196 Halt, Karl Ritter von, Deutsches IOCMitglied 185 Hamann, Brigitte, Historikerin 27 Hanfstaengl, Ernst, finanzieller Unterstützer und Freund Hitlers 32, 123f., 269 Hanisch, Reinhold, Kunstmaler 96 Hartmann, Paul, Schauspieler 117 Haug, Eugenie, Schwester von Hitlers erstem Chauffeur 258 Haushofer, Albrecht, Sohn von Karl Haushofer 169

Haushofer, Karl, Geograf, Präsident der Deutschen Akademie 167ff., 258 Havemann, Gustav, Violinist und Leiter der Reichsmusikkammer 117 Hedin, Sven, schwedischer Asienforscher, NS-Sympathisant 29 Heiberg, Kirsten, Sängerin und Schauspielerin 216 Heiden, Erhard, Mitbegründer des »Stoßtrupp Hitler« 262ff., 267 Heise, Kurt, japanischer »Mischling« 296 Heisel, Paul, Chefchemiker der IG Farben 7 Hellmer, Arthur, Theaterdirektor 217 Helms, Hans, Polizeiattaché in Zagreb 288 Henckels Paul (eigtl. Theodor Schmitz), Schauspieler 78, 118f., 131f., 135, 139, 143 Hennes, Johann Joseph, Hersteller von Fruchtpasten, Fruchtaromen und ätherischen Ölen 277f. Henrici, Ernst, Mitbegründer des »Deutschen Antisemitenbundes« 18 Henried, Robert, Musiker Herrschel, Rudolph A., Berliner Hausbesitzer 209ff. Hertz, Gustav, Physiker 166 Herwarth von Bittenfeld, Hans Heinrich, Gesandtschaftsrat 102f. Herwarth von Bittenfeld, Julia, geb,. Haber 102 Heß, Berta, Schwester von Ernst Heß Heß, Elisabeth, Mutter von Ernst Heß 26 Heß, Ernst, Richter 24ff.

Heß, Margarethe, Frau von Ernst Heß 26 Heß, Rudolf, Stellvertreter Hitlers 23, 31, 36, 38, 44, 69, 84, 104, 110, 163, 167, 206, 227, 258, 262, 268 Heß, Ursula, Tochter von Ernst Heß 26 Hetz, Heinrich, Physiker, Nobelpreisträger, Bruder von Gustav Hertz Hewel, Walter, SS-Brigadeführer, Staatssekretär im Auswärtigen Amt 92, 259 Heydrich, Bruno, Vater von Reinhard Heydrich 86 Heydrich, Ernestine Wilhelmine, geb. Lindner, gesch. Süß, Großmutter von Reinhard Heydrich Heydrich, Reinhard, Leiter des Reichssicherheitshauptamtes 11, 85ff., 126, 168, 182, 265ff. Hierl, Konstantin, Reichsarbeitsführer 110 Hildebrandt, Richard, SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS 237f., 245 Hiller, Gerti, Verleugnung der eigenen Abstammung 197ff. Hilpert, Fritz, Sänger und Schauspieler 119 Himmler, Heinrich, Reichsführer-SS 10, 13, 16, 22, 25, 28, 45, 51, 60, 69, 86f., 96, 113, 118, 143f., 177, 180, 213, 237f., 249f., 264, 266, 274ff., 283f., 290, 297f. Hindenburg, Paul von, Reichspräsident 35, 66, 223, 231 Hinkel, Hans, SS-Brigadeführer, Staatskommissar 10, 14, 95, 123, 130, 135, 141, 143, 156, 160f., 175f., 196, 205, 213–218 Personenregister  345

Hirschfeld (später Lissner), Robert, Vater von Ivar Lissner 89 Hirschfeld, Emil, Leichtathlet 185 Hitler, Alois, Hitlers Vater 22 Hitler, Klara, Hitlers Mutter 27 Hoffmann, Heinrich, Hitlers Fotograf, Mitglied der Kommission »Entartete Kunst« 88, 180, 268 Hofmann, Franz, Kunstkritiker beim Völkischen Beobachter, Leiter der Abteilung »Bildende Kunst« im Propagandaministerium 181 Hohenborn, Adolf Wild von, preußischer Kriegsminister 34 Hohenhorst, Hugo von, Sippenforscher 141 Höhne, Heinz, Publizist 89, 92 Hopfer, Maria, »Alleinmädchen« bei Emil Maurice 268 Hörbiger, Paul, Schauspieler 131, 146 Horney, Brigitte, Schauspielerin 130, 135 Horthy, István, Sohn von Miklós Horthy 292 Horthy, Miklós, ungarischer Reichsverweser 94, 127f., 292f. Höß, Rudolf, SS-Obersturmbannführer, Schutzhaftlagerführer im KZ Sachsenhausen, Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz 13 Hößlin, Erna von, Frau von Franz von Hößlin 125 Hößlin, Franz von, Generalmusikdirektor 124ff. Huberman, Bronisław, Violinist 118 Imhausen, Artur, Chemiker, Erfinder und Unternehmer 170ff.

346  Anhang

Imhausen, Karl-Heinz, Sohn von Artur Imhausen, Chemiker und Unternehmer 172 Irving, David, Publizist 69, 78 Jackson, Robert H., amerikanischer Hauptankläger vor dem Internationalen Militärtribunal Nürnberg 72f. Jaenecke, Gustav, Eishockey- und Tennisspieler 192 Janke, Else, Geliebte von Goebbels 79f. Jenbach, Bela, Librettist 118, 159 Jeschonnek, Hans, Generaloberst, Chef des Generalstabs der Luftwaffe 67 Jetzinger, Franz, Hitler-Biograph 22 Jodl, Alfred, Generaloberst, Chef des Wehrführungsstabs im OKW 245 Jünger, Ernst, Schriftsteller 153 Jünger, Friedrich, Bruder von Ernst Jünger, Schriftsteller 153 Kaibel, Johannes, Ministerialrat im Reichsministerium des Innern 7, 201 Kallenbach, Hans, Angehöriger des »Stoßtrupp Hitler« 265 Kálmán, Imre (Emmerich), Komponist von Erfolgsoperetten 127f. Kaltenbrunner, Ernst, Chef der Sipo und des SD, Leiter des RSHA 54, 161 Kannenberg, Arthur, Kasinoverwalter der Reichskanzlei 27 Kappler, Herbert, Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Rom 284f.

Kasche, Siegfried, SA-Obergruppenführer 289 Katzenstein, Fritz, SS-Rottenführer 237 Kaufmann, Karl, Reichsstattleiter und Gauleiter von Hamburg 10 Kaufmann-Asser, Wilhelm von, Mann von Henny Porten, Arzt 136 Keitel, Bodewin, Bruder von Wilhelm Keitel, General der Infanterie 256 Keitel, Wilhelm, Generalfeldmarschall, Chef des OKW 91, 107, 234f., 256 Kemnitz, Mathilde von, geb. Spieß, 2. Frau von Erich Ludendorff 45 Keppler, Wilhelm, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Beauftragter für den Vierjahresplan 170f., 273 Kersten, Felix, finnischer Medizinalrat 86f. Kessel, Günther, Oberstleutnant 250f. Kienzl, Wilhelm, Komponist 122 Kiepura, Jan, Tenor 149 Kiessling, Heinrich, Mitarbeiter am Obersten NSDAP-Parteigericht 266 Killy, Hertlies, Tochter von Leo Killy 105 Killy, Leo, Vater von Walther Killy, Reichskabinettsrat in der Reichskanzlei 103–107 Killy, Walther, Sohn von Leo Killy, Literaturwissenschaftler 105 Klemperer, Victor, Schriftsteller 14, 76 Klinbansky, Raymond, Musiker 175 Klopfer, Gerhard, Ministerialrat in der Partei-Kanzlei der NSDAP 168, 250

Koch, Erich, Reichskommissar des Reichskommissariats Ukraine 67 Kock, Heinrich, Reservelokomotivführer 110 Kolberg, Hugo, Konzertmeister 176 Koller, Karl, Oberkommando der Luftwaffe 113 Körner, Ludwig, Schauspieler und Regisseur 117 Kowa, Viktor de, Chansonsänger, Schauspieler und Regisseur 150 Kramer, Leopold, Mann von Pepi Glöckner-Kramer, Schauspieler 135, 217 Kranefuß, Fritz, SS-Sturmführer 105 Krauss, Werner, Schauspieler 128 Kreisler, Georg, Geiger 124 Kreuzinger, Alfons, Schauspieler 120 Kritzinger, Friedrich, Staatssekretär in der Reichskanzlei, Bormann-Vertrauter 93, 105, 232 Kube, Wilhelm, Gauleiter der brandenburgischen Ostmark, Generalkommissar für Weißrussland 23f. Kuhn, Karl, Oberfinanzpräsident 211 Künneke, Eduard, Komponist 118, 148f. Künneke, Katarina, geb. Garden, Frau von Eduard Künneke 148 Lammers, Hans Heinrich, Reichsminister und Chef der Reichskanzlei 26, 30, 61, 68, 101, 104ff., 112, 164, 188, 199, 204, 209, 211, 252 Lang, Fritz, Regisseur 128 Laubinger, Otto, Schauspieler 117 Léhar, Franz, Komponist 115, 118f., 143, 159ff. Lehnich, Oswald, württembergischer Wirtschaftsminister 117 Personenregister  347

Leider, Frieda, Sängerin 119, 143 Leidl, Anton, Münchner Kunstmaler 7, 197ff. Leisner, Emmi, Sängerin 216 Lewald, Elisabeth, 3. Frau von Louis Gurlitt, Mutter von Fritz Gurlitt 179 Lewald, Theodor, Vorsitzender des Organisationskomitees für die Olympischen Spiele 1936 184, 186, 188, 193 Ley, Robert, Reichsorganisationsleiter der NSDAP 84f. Leyser, Richard, SS-Standartenführer, stellvertretender Gauleiter der Pfalz 65 Lichtenberg, Max, Major a.D. 227Lieven, Albert, Schauspieler 119 Lingen, Theo (eigtl. Theodor Schmitz), Schauspieler 115, 135 Lissner, Ivar (eigtl. Nikolai Ivar Hirschfeld), Schriftsteller 89ff. List, Guido von 16f. Löbenstein, Alfred von, Fotograf 120 Loebl, Allen und Manon, Kunsthändler 78 Löhner-Beda, Fritz, Textbuchverfasser 118 Lohse, Bruno, Kunsthändler, stellvertretender Direktor der NS-Kunstrauborganisation »Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg« in Paris 78 Lorenz, Charlotte (Lotte), geb. Appel, Frau von Max Lorenz 142 Lorenz, Max (Sülzenfuß), Kammersänger 118f., 139, 142ff.

348  Anhang

Lösener, Bernhard, Ministerialrat, Leiter des Referats »Rasserecht« im RMI 11, 36, 59ff., 63, 126, 232 Löwenstein, Leo, Gründer des Reichsbundes Jüdischer Frontsoldaten 221, 228, 231 Luckner, Felix von, Schriftsteller 211 Ludendorff, Erich, General, Teilnehmer am Hitlerputsch 1923 45, 258f. Lueger, Karl, Wiener Bürgermeister 18 Lummitzsch, Otto, Bauingenieur sowie Gründer der Technischen Nothilfe und des Technischen Hilfswerks, Direktor der AEG 202 Mackensen, Hans-Georg von, deutscher Botschafter in Rom 125f. Manasse, Otto David (Pseud. Tomas E. Aston), Komponist 141f. Mann, Thomas, Schriftsteller 153, 165, 175 Marr, Wilhelm, Publizist 18 Martin, Bernd, Publizist 294 Martin, Friedrich, SS-Untersturmführer 65 Mauck, Erich, Kammersänger 216 Maurice, Emil, Hitlers erster Fahrer und Vertrauter 10, 213, 258–271 Mauss, Susanne, Historikerin 25 Mayer, Helene, Fechterin, Teilnehmerin an den Olympischen Spielen 1936 41, 188ff. Mayer, Kurt, Abteilungsleiter im Rasse- und Siedlungshauptamt sowie im Hauptamt für Volksgesundheit 64f.

Mayer, Ludwig, Vater von Helene Mayer 189 Mayer-Doss, Martha, Frau von Karl Haushofer 167 Meisinger, Josef, SS-Standartenführer, Polizeiverbindungsführer an der deutschen Botschaft in Tokio 91f. Metz, Etta, Bühnenbildnerin 150 Meyer, Beate, Historikerin 10f., 151 Meyer-Hanno, Hans, Maler, Bühnenbildner, Musiker, Kabarettist und Schauspieler 119 Mier, Karl, Präsident der Handwerkskammer München 267 Mies van der Rohe, Ludwig, Architekt 165 Milch, Anton Georg Hugo, MarineApotheker, Vater von Erhard Milch 74 Milch, Clara Auguste Wilhelmine, Mutter von Erhard Milch 76 Milch, Erhard, Staatssekretär beim Reichsminister der Luftfahrt, Generalfeldmarschall 10, 63, 66–77, 85, 88, 109 Milch, Werner, Bruder von Erhard Milch, Erhard; Assistent der Verteidigung vor dem Internationalen Militärtribunal Nürnberg 73 Milisch, Lieselotte, Verlobte von Willy Bukow 108 Morena, Bertha, Opernstar 32 Moser, Blanca, geb. Hirschler, Frau von Hans Moser 137ff. Moser, Hans (eigtl. Johann Julier Moser), Schauspieler 115, 133, 135, 137ff., 143 Müller, Heinrich, Präsident des Rechnungshofs des Deutschen Reichs 113

Musmanno, Michael A., US-Richter beim Internationalen Militärtribunal in Nürnberg 73 Mussolini, Benito, italienischer Faschistenführer 85, 94, 280f., 283, 286ff. Mussolini, Edda, Tochter von Benito Mussolini 288 Mutzner, Hermine, Stieftochter von Gustav Freytag 217 Nathan, Selma, Schwiegermutter von Leo Killy 105 Naumann, Max, Verbandsführer des Verband Nationaldeutscher Juden e.V. 229 Nelken, Hans Rudolf, Rechtsanwalt 277 Neumann, Karl, Schriftsteller 119 Neurath, Konstantin von, Reichsprotektor in Böhmen und Mähren 124 Niemann, Elisabeth, Verleugnung der eigenen Abstammung 205f. Noack, Erwin, Generalinspekteur des Bundes Nationalsozialistischer Juristen 204 Ohnesorge, Wilhelm, Reichspostminister 111 Oppenheim, Max von, Orientalist 165 Ott, Eugen, deutscher Botschafter in Tokio 91 Ottens, Karin, Trägerin des »Ehrenzeichens der Bewegung« 204 Papen, Franz von, stellvertretender Reichskanzler 69, 99

Personenregister  349

Paschkis, Sophie, Frau von Franz Léhar 159 Patrick, William, Hitlers Neffe 21 Patzak, Julius, Bühnensänger 146, 148 Pauly, Hedwig, Frau von Eduard von Winterstein, Schauspielerin 135 Pavelic, Ante, Führer des Unabhängigen Staats Kroatien 288 Peinart, Max, Konsulatssekretär 103 Pétain, Philippe, französischer Oberbefehlshaber 283 Pfundtner, Hans, Staatssekretär im Reichsministerium des Innern 58, 60, 125f., 184, 186, 198, 247f. Pickenbach, Wilhelm, Mitbegründer des »Deutschen Antisemitenbundes« 18 Picker, Henry, Hitlers Stenograf, Herausgeber von Hitlers Tischgesprächen 124, 241ff. Ploetz, Hedwig, Frau von Emil Maurice 265 Ploetz, Rudolf, Oberst, Schwiegervater von Emil Maurice 265 Plötner, Kurt Friedrich, SS-Arzt in Dachau 276f. Poppel, Hans, Regierungsbaurat 111 Porten, Henny, Schauspielerin 115, 119, 135ff., 143 Pöschl, Theodor, Professor für Mechanik 166f. Posselt, Alfred M., Publizist 62, 293f. Pröhl, Ilse, Frau von Rudolf Heß 268 Pugliese, Umberto, italienischer General 281f. Puttkamer, Jesco von, Generalleutnant 150

350  Anhang

Quaast, Georg, Reinhold, Abgeordneter der Deutsch Nationalen Volkspartei 68f. Quandt, Günther, Unternehmer, 1. Mann von Magda Behrend/Friedländer/Goebbels 80 Quandt, Magda siehe Goebbels, Magda Rabe, Heinz, Rechtsanwalt 203f. Radl, Karl, Adjutant von Otto Skorzeny 150 Raeder, Erich, Großadmiral 166 Rainer, Louis, Schauspieler 140f. Ramm, Rudolf, Leiter der Pressestelle beim Reichsgesundheitsführer 98f. Rascher, Sigmund, KZ-Arzt im Konzentrationslager Dachau 70, 274ff. Rath, Hans Harald, Wiener Geschäftsmann, Inhaber der Firma Lobmeyr 93f. Rath, Leonid, heutiger Geschäftsführer der Firma Lobmeyr 93f. Rath, Stefan, Sohn von Harald Rath 94 Rathenau, Walther, Reichsaußenminister 31 Rathkolb, Oliver, Historiker 137 Raubal, Angelika (Geli), Hitlers Nichte 123, 268ff. Rehkemper, Heinrich, Bariton 119 Reichenau, Walter von, deutsches IOC-Mitglied 193 Reinau, Abraham, Vorfahre von Fritz Katzenstein sowie der Brüder Sütterlin 237 Reinhardt, Max, Theaterregisseur und Intendant 128, 136, 157

Reisch, Walter, Drehbuchautor 162f. Renzetti, Giuseppe, italienischer Gesandter in Stockholm 287f. Reuth, Ralf Geog, Goebbels’ Biograf 266 Ribbentrop, Joachim von, Reichsaußenminister 94, 103, 283f., 286 Riggs, Bryan Mark 11 Ritschel, Oskar, Vater von Magda Goebbels 80 Roedel, Amtsrat im Reichsverkehrsministerium 109 Röhm, Ernst, Hauptmann der Reichswehr, Stabschef der SA 69 Rökk, Marika, Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin 216 Rosenberg, Alfred, Reichsleiter, Reichskommissar für die besetzten Ostgebiete 118f., 180, 259 Rühmann, Heinz, Schauspieler 11, 115, 119, 133ff., 140 Ruppert, Fritz, Ministerialrat im Reichsministerium des Innern 108 Rust, Anna-Sofie, geb. Dietlein, Frau von Bernhard Rust 83 Rust, Bernhard, Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung 68, 83f., 174f., 216 Sauckel, Fritz, Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz 110 Sauerbruch, Ferdinand, Arzt 164 Schacht, Hjalmar, Bankier, Reichsbankpräsident bis 1939 124 Schaetzler, Fritz, Kammersänger 144ff. Schäffer, Hans, Staatssekretär im Reichsfinanzministerium

Schaub, Julius, Chefadjutant Hitlers 259, 261, 265 Schellenberg, Walter , SS-Brigadeführer, Leiter des SD und der Abwehr im RSHA 91 Scheuermann, Fritz, Jurist und erster Präsident der Reichsfilmkammer 117 Schirach, Baldur von, Reichsjugendführer 63, 84 Schleicher, Kurt von, kurzzeitig Reichskanzler, General der Infanterie 223 Schlösser, Rainer, Reichsdramaturg 117 Schlüter, Friedrich, Vater von Leonhard Schlüter 255 Schlüter, Leonhard 255ff. Schmidt, Gustav, Vater von Helmut Schmidt 219 Schmidt, Helmut, Luftwaffen-Oberleutnant, Bundeskanzler a.D. 219 Schmundt, Rudolf, General, Chef­ adjutant der Wehrmacht bei Hitler 244f. Schnabel, Arthur, Pianist 176 Schneider, Wolfgang, Regierungsrat 273 Schoenhals, Albrecht, Schauspieler 216 Schoeps, Julius H., Historiker und Politikwissenschaftler 280 Scholz, Ernst, Rundfunkkommissar des Reichsministerium des Innern 99 Scholz-Klink, Gertrud, Reichsfrauenführerin 43 Schomburgk, Erika, Verlobte von Wolf von Werlhof 251f.

Personenregister  351

Schönberg, Arnold, Komponist 175, 178 Schreck, Julius, Schauspieler und später Fahrer und Leibwächter Hitlers 259 Schröder, Hans, Ministerialdirektor, Leiter der AA-Personalabteilung 103 Schulte, Ernst, Geschäftsmann, Denunziant 104f. Schultz, Bruno Kurt, SS-Standartenführer, Leiter des Rassenamt im RuSHA 242 Schulze, Adalbert E., Ortsgruppenleiter der NSDAP 91 Schünzel, Reinhold, Schauspieler und Regisseur 141 Schuricht, Carl, Komponist und Dirigent 148 Schütte, Ernst, Pädagoge 119 Schwerin von Krosigk, Lutz Graf von, Reichsfinanzminister 68, 73, 88f., 110, 184 Segelcke, Ferdinand, Regierungsrat im Reichswirtschaftsministerium 109 Sekles, Bernhard (eigtl. Seckeles), Direktor des Koch’schen Konservatoriums in Frankfurt a. M. 173f. Seldte, Franz, Reichsarbeitsminister 110 Seligmann, Henriette, Großmutter von Hans-Günther von Gersdorff 252f. Sherill, Charles, General, amerikanisches IOC-Mitglied 186ff. Siebert, Ludwig, bayerischer Ministerpräsident 67 Sievers, Wolfram, SS-Standartenführer, Reichsgeschäftsführer »Ahnenerbe« 274f. 352  Anhang

Simon, Heinrich Veit Rechtsanwalt 204 Simon, Irmgard, beb. Gabriel, Frau von Heinrich Veit Simon 204 Simson, Marianne, Tänzerin 150f. Skorzeny, Otto, SS-Obersturmbannführer der Reserve 150 Slezak, Leo, Tenor und Schauspieler 124, 135 Slezak, Margarete, Tochter von Leo. Slezak, Sängerin 122ff., 135 Slezak, Walter, Sohn von Leo Slezak, Schauspieler 135 Sommer, Emil, Offizier 254f. Sonntag, Curt, Reichsgerichtsrat i.R. 199f. Sorge, Richard, sowjetischer Agent in Fernost 91 Speer, Albert, Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion 66f., 94, 107, 111, 212 Spletter, Carla, Sängerin 120 Spreda, Anita, Sängerin Stauffenberg, Alexander Schenk von, Mann von Melitta Schenk von Stauffenberg, Historiker 172f. Stauffenberg, Claus Schenk von, Hitler-Attentäter vom 20. Juli 1944 172 Stauffenberg, Melitta Schenk von, Ingenieurin und Pilotin 172f. Steengracht von Moyland, Gustav, Staatssekretär im Auswärtigen Amt 93f. Stein, Fritz, Reichsmusikkammer, Leiter der Berliner Staatlichen Hochschule für Musik 117, 119 Stein, Leo, Librettist 118, 159 Steinberg, Jonathan, Historiker 282

Steiner, John M., Historiker, Überlebender der KZs Theresienstadt, Auschwitz und Dachau 65 Steiner, John M., Publizist 246 Steinmann, Ludwig, Urgroßvater von Elisabeth Rust 83f. Steinmann-Gottheimer, Eleonore, Urgroßmutter von Elisabeth Rust 83f. Sternbach, Gobert von, Offizier 248f. Stockert, Werner Ritter von, Kunstmaler 123Stoecker, Adolf, Berliner Hofprediger, Gründer der Christlich-Sozialen Partei 18 Strasser, Gregor, Reichsorganisationsleiter 69, 153, 213 Strasser, Otto, Verleger 153, 213 Strauss, Johann, Sohn, Komponist 158f. Strauss, Richard, Komponist 117 Streicher, Julius, NSDAP-Gauleiter von Franken, Herausgeber des antisemitischen Hetzblattes Der Stürmer 15, 159 Stresemann, Gustav, Staatsmann der Weimarer Republik 34 Ströhla, Heinz-Dieter, Archivar Standesamt Wilhelmshaven 76 Strohm, Heinrich Karl, Generalintendant der Hamburgischen Staatsoper 151 Stuckart, Wilhelm, Staatssekretär im Reichsministerium des Innern, Leiter der »Kommission zum Schutz des deutschen Blutes« 13, 41, 43f., 61, 194f. Süß, Gustav Robert, Schlossergehilfe, Stiefvater von Reinhard Heydrich 86

Sütterlin, Julius, SS-Obersturmführer 237 Sütterlin, Rolf, SS-Obersturmführer 237 Sydow, Rolf von, Regisseur 151 Sztójay, Döme, ungarischer General 293 Tauber, Richard, Kammersänger 216 Taubmann, Horst, Sänger 120 Thierack, Otto Georg, Reichsminister der Justiz 195 Thorner, Gesandtschaftsrat 102 Tießler, Walter, Reichsamtsleiter im Stab des Stellvertreters des Führers, Leiter des Verbindungsbüros zum Reichspropagandaministerium 14f., 95, 115, 120ff., 137, 141ff., 147, 155f., 158, 168, 192f., 238 Todt, Fritz, Reichsminister für Munitionsbeschaffung, Leiter der Organisation Todt (OT) 161, 247, 277 Treitschke, Heinrich von, Historiker 18 Treptow, Günther, Tenor 119, 122f., 161 Trutz, Wolf, Schauspieler 78 Tschammer und Osten, Hans von, Reichssportwart 184, 193 Udet, Ernst, Generaloberst 68, 173 Uhlig, Anneliese, Schauspielerin 150 Uhse, Erich, Regierungsinspektor 110 Ulrichs, Anton-Günter Ministerialrat im Rechnungshof des Generalgouvernements Krakau 111 Vogel, Fritz, Mohr’sches Konservatorium in Berlin 81 Personenregister  353

Vollbach, Adolf, Ministerialrat im Reichsforstamt 109 Volpi, Giuseppe, Ingenieur 288 Wagner, Gerhard, Reichsärzteführer 36, 98 Wagner, Winifred, Schwiegertochter von Richard Wagner 31, 142ff. Waldeckecker, Willi, Geschäftsführer von Fritz Gurlitt, angeblich leiblicher Vater von Manfred Gurlitt 179 Walter, Max, Musiker 14 Wandruszka von Wanstetten, Adam, Historiker 31 Wandruszka von Wanstetten, Mario, Sprachwissenschaftler 31 Warburg, Max, Bankier 34 Warburg, Otto H., Biochemiker, Arzt und Physiologe 165f. Weber, Christian, Pferdehändler 258 Weber, Max, Soziologe 175 Weiß, Martin, SS-Obersturmbannführer, Kommandant des KZ Dachau 275 Werhof, Wolf von, Offizier 251f. Wernicke, Otto, Schauspieler 119, 132 Wertheim, Elsa, Frau von Leo Slezak 135 Wessely, Paula, Schauspielerin 162f. Wicke, Felix William, Antragsteller beim »Amt für Gnadensachen« 206f.

354  Anhang

Wiedemann, Anna Luise, Frau von Fritz Wiedemann 26 Wiedemann, Fritz, Hauptmann, Hitlers Adjutant 26, 164, 187 Wiehler, Albrecht, Obersturmbannführer 246 Winterstein, Eduard von (eigtl. Eduard Clemens Franz von Wangenheim), Schauspieler 119, 129, 135 Wismann, Heinz, Ministerialrat im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda 200f. Wolff, Karl, SS-Obergruppenführer und General der Polizei, Chef des Persönlichen Stabs des Reichsführers-SS 27, 284 Wolff, Meta, Frau von Joachim Gottschalk 156 Zarden, Arthur, Staatssekretär im Reichsfinanzministerium 88f. Zeiz, August Hermann (Pseud. Georg Fraser), Schriftsteller 217 Ziegler, Adolf, Präsident der Reichskammer der bildenden Künste, Vorsitzender der Kommission »Entartete Kunst« 180 Zoff, Marianne, gesch. von Bertolt Brecht, 1. Frau von Theo Lingen, Schauspielerin und Opernsängerin 131 Zuther, Max, Amtsrat 110

VOLKER KOOP

MARTIN BORMANN HITLERS VOLLSTRECKER

Martin Bormann (1900–1945) war einer der am meisten gehassten NS-Funktionäre. Als Leiter der Partei-Kanzlei der NSDAP im Rang eines Reichsministers und Privatsekretär Hitlers wurde er von Ministern, Gauleitern, Beamten, Richtern und Generälen gefürchtet. Bormann identifi zierte sich mit Hitlers Vorstellungen von Rassenpolitik, Judenvernichtung und Zwangsarbeit und machte sich als sein Vollstrecker für die Detail- und Schmutzarbeit unentbehrlich. Eiskalt entschied er über das Schicksal von Millionen Menschen. Nach Hitlers Selbstmord verlor sich zunächst Bormanns Spur. Im Oktober 1946 wurde er vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg in Abwesenheit schuldig gesprochen und zum Tod verurteilt. 1972 wurde in Berlin sein Skelett gefunden. Er wurde offi ziell für tot erklärt. Inzwischen wurde nachgewiesen, dass Bormann am 2. Mai 1945 zur Giftkapsel gegriffen hatte. Zahlreiche, erst seit Kurzem zugänglich gewordene Dokumente ermöglichen es jetzt, die Biographie von Hitlers treuestem Vasallen neu zu schreiben. Volker Koop führt dem Leser die Machtfülle und Skrupellosigkeit des im Schatten des »Führers« operierenden zweitmächtigsten Mannes im Dritten Reich vor Augen. 2012. 374 S. 22 S/W-ABB. GB. MIT SU. 135 X 210 MM | ISBN 978-3-412-20942-1

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

VOLKER KOOP

IN HITLERS HAND DIE SONDER- UND EHRENHÄFTLINGE DER SS

Deutsche Oppositionelle des NS-Regimes sowie prominente Politiker aus dem europäischen Ausland wurden unter Hitlers und Himmlers Ägide als Sonder- und Ehrenhäftlinge gefangen gehalten, um als Geiseln bei Verhandlungen mit den Alliierten oder als Faustpfand für den Austausch von Kriegsgefangenen dienen zu können. Volker Koop berichtet erstmals umfassend über dieses bisher weitgehend unbekannte Kapitel der NS-Geschichte. 2010. 295 S. 20 S/W-ABB. GB. MIT SU. 135 X 210 MM | ISBN 978-3-412-20580-5

„Volker Koop hat dieses bisher kaum beachtete Thema [...] in einem sehr lesenswerten Buch aufgearbeitet.“ Die Welt

„[E]ine informative Studie.“ Süddeutsche Zeitung

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

VOLKER KOOP

HIMMLERS LETZTES AUFGEBOT DIE NS-ORGANISATION „WERWOLF“

Als eine der geheimnisumwittertsten Einrichtungen des Nationalsozialismus gilt die von Heinrich Himmler initiierte NS-Organisation »Werwolf«, die in den letzten Kriegswochen für zahlreiche Morde an deutschen Zivilisten, die mit den Alliierten kooperierten, verantwortlich war. Volker Koop legt mit seinem neuen Buch eine umfassende Darstellung vor, die der Verharmlosung oder gar Heroisierung des »Werwolfs« durch rechtsradikale Kräfte den Boden entzieht. 2008. 309 S. 9 S/W-ABB. GB. MIT SU. 135 X 210 MM | ISBN 978-3-412-20191-3

„[Ein] Buch, das wohl das ultimative zu dem Thema sein dürfte.“ Der Tagesspiegel

„Volker Koop hat eine detailreiche Darstellung der Geheimorganisation ,Werwolf ‘ vorgelegt.“ 3sat Kulturzeit

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

Carl Goerdeler gegen die Verfolgung der Juden PETER HOFFMANN Peter Hoffmann

CARL GOERDELER GEGEN DIE VERFOLGUNG DER JUDEN

Carl Friedrich Goerdeler war einer der führenden Köpfe der konservativen Widerstandsbewegung im „Dritten Reich“. Seine Vorstellungen über eine Neuordnung der Stellung der Juden in der Welt brachten ihm von einigen Historikern den Vorwurf des Antisemitismus ein. Peter Hoffmann, Kenner des deutschen Widerstands und Stauffenberg-Biograf, zeigt dagegen auf Grundlage neu ermittelter und analysierter Quellen Goerdelers unablässiges Bemühen um den Schutz der Juden vor Verfolgung, Verlust ihrer Staatsangehörigkeit und Ermordung. Eine zentrale Persönlichkeit der bürgerlichen Opposition und der Umsturzbewegung gegen den Nationalsozialismus erfährt hier eine neue Bewertung und Würdigung.

2013. 368 S. 12 S/W-ABB. GB. MIT SU. 155 X 230 MM. | € 39,90 [D] | € 41,10 [A]

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

HORST DIETER SCHLOSSER

SPRACHE UNTERM HAKENKREUZ EINE ANDERE GESCHICHTE DES NATIONALSOZIALISMUS

Diktatorische Herrschaft beruht in erster Linie auf physischer Gewalt. Sie nutzt aber auch sprachliche Mittel, um ihren Machtanspruch durchzusetzen und zu etablieren. Die NS-Diktatur ist in dieser Hinsicht ein besonders eindrückliches Beispiel. Das neue Buch des Sprachwissenschaftlers Horst Dieter Schlosser widmet sich der „Sprache unterm Hakenkreuz“ und ihren Mechanismen zur Machterhaltung. Er arbeitet insbesondere das Wechselspiel zwischen sprachlicher Diskriminierung und Vernichtung von tatsächlichen und mutmaßlichen Gegnern des Regimes heraus und stellt auch die Positionen des Widerstands gegen das Regime umfassend dar. Schlossers Analyse bietet eine profunde Basis zum Verständnis der Massenwirksamkeit von Propaganda und eine Grundlage, ihr mit sprachlichen Mitteln zu begegnen. 2013. 424 S. GB. 155 X 230 MM. | ISBN 978-3-412-21023-6

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar