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German Pages [432] Year 1993
ARBEITEN ZUR KIRCHLICHEN ZEITGESCHICHTE REIHE B: DARSTELLUNGEN • BAND 18
V&R
ARBEITEN ZUR KIRCHLICHEN ZEITGESCHICHTE Herausgegeben im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte von Joachim Mehlhausen und Leonore Siegele-Wenschkewitz
REIHE B: DARSTELLUNGEN Band 18
Leonore Siegele-Wenschkewitz und Carsten Nicolaisen (Hg.) Theologische Fakultäten im Nationalsozialismus
GÖTTINGEN • VANDENHOECK & RUPRECHT • 1993
Theologische Fakultäten im Nationalsozialismus
Herausgegeben von
Leonore Siegele-Wenschkewitz und Carsten Nicolaisen
GÖTTINGEN • VANDENHOECK & RUPRECHT • 1993
Redaktionelle Betreuung dieses Bandes: Carsten Nicolaisen
Die Deutsche Bibliothek —
CIP-Einheitsaufnahme
Theologische Fakultäten im Nationalsozialismus / hrsg. von Leonore Siegele-Wenschkewitz und Carsten Nicolaisen. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1993 (Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte: Reihe B, Darstellungen; Bd. 18) ISBN 3-525-55718-3 N E : Siegele-Wenschkewitz, Leonore [Hrsg.]; Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte/B © 1993 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Pett & Grohs, Landolfshausen Druck und Einband: Hubert & Co., Göttingen
INHALT LEONORE SIEGELE-WENSCHKEWITZ
Problemanzeige
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TRUTZ RENDTORFF
Das Wissenschaftsverständnis der protestantischen Universitätstheologie im Dritten Reich
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EIKE W O L G A S T
Nationais ozialistische Hochschulpolitik und die theologischen Fakultäten
45
KURT MEIER
Anpassung und Resistenz der Universitätstheologie. Ein Beitrag zur institutionsgeschichtlichen Debatte 81 K U R T NOWAK
Protestantische Universitätstheologie und „nationale Revolution". Ein Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte des „Dritten Reiches" . . . . 89 LEONORE SIEGELE-WENSCHKEWITZ
Geschichtsverständnis angesichts des Nationalsozialismus. Der Tübinger Kirchenhistoriker Hanns Rückert in der Auseinandersetzung mit Karl Barth
113
WILHELM DAMBERG
Kirchengeschichte zwischen Demokratie und Diktatur. Georg Schreiber und Joseph Lortz in Münster 1933-1950
145
A D O L F M A R T I N RITTER
Die Heidelberger Kirchenhistoriker in der Zeit des „Dritten Reiches"
169
MARTIN ROHKRÄMER
Fritz Lieb 1933-1939. Entlassung — Emigration — Kirchenkampf — Antifaschismus
181
JENDRIS ALWAST
Theologie im Dienst des Nationalsozialismus, Mentalitätsanalyse als Schlüssel zum Verständnis der Anfälligkeit von Theologen für den Nationalsozialismus. Eine sozialpsychologische Untersuchung der NS-Theologie von Emanuel Hirsch
199
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Inhalt
HANNELORE ERHART
Die Theologin im Kontext von Universität und Kirche zur Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus — ein Beitrag zur theologischen Diskussion
223
GERHARD BESIER
Zur Geschichte der Kirchlichen Hochschulen oder: Der Kampf um den theologischen Nachwuchs
251
GÜNTHER VAN NORDEN
Die Kirchliche Hochschule in Wuppertal
277
JÖRG THIERFELDER
Ersatzveranstaltungen der Bekennenden Kirche
291
HARTMUT LUDWIG
Theologiestudium in Berlin 1937: Die Relegierung von 29 Theologiestudierenden von der Berliner Universität
303
WILHELM NEUSER
Die Teilnahme der Professoren aus Münster an den kirchlichen Prüfungen — ein Stück westfälischer Kirchenkampf
317
INGE MAGER
Göttinger theologische Promotionen 1933-1945
347
K A R L W . SCHWARZ
„Grenzburg" und „Bollwerk". Ein Bericht über die Wiener Evangelisch-theologische Fakultät 1938-1945
361
Abkürzungen
391
Gesamtliteraturverzeichnis
393
Die Autorinnen, Autoren und Herausgeber
417
Personenregister
421
L E O N O R E SIEGELE-WENSCHKEWITZ
Problemanzeige Die Erforschung der Geschichte der Wissenschaftsdisziplin Evangelische Theologie sowie ihrer institutionellen Träger, der theologischen Fakultäten und Kirchlichen Hochschulen, während der NS-Zeit ist eine Herausforderung, ja ein Testfall dafür, inwieweit die wissenschaftliche Theologie bereit und fähig dazu ist, die historisch-kritische Methode, auf deren Entwicklung und Anwendung für ihr Selbstverständnis in der Neuzeit sie sich so viel zugute hält, für die eigene Geschichte fruchtbar zu machen hinsichtlich eines Zeitabschnitts, der bisher eher im Schatten ihres Bewußtseins liegt. Angesichts offenkundiger Unterlassungen, Blockaden und Verdrängungen der NS-Zeit bei Universitätsjubiläen, überhaupt bei Gelegenheiten von repräsentativer Selbstdarstellung der Geschichte der einzelnen Wissenschaftsdisziplinen, der Wissenschaftseinrichtungen und des Wissenschaftsbetriebs war der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte als Veranstalterin des in diesem Sammelband vorgelegten Gemeinschaftsunternehmens daran gelegen, das Probjekt in einem behutsamen Prozeß der Abstimmung und Einbeziehung der „Betroffenen" durchzuführen. Deshalb sind die Fakultäten und Kirchlichen Hochschulen in den beiden deutschen Staaten, der Fakultätentag und die Gesellschaft für wissenschaftliche Theologie sowie der Leitungskreis der Forschungsstelle für Kirchliche Zeitgeschichte in Naumburg, langfristig über das Projekt unterrichtet und um Vorschläge gebeten worden, welche kompetenten Personen sie daran beteiligt und welche Probleme sie bei einer solchen Veranstaltung aufgegriffen sehen wollten. Alle evangelisch-theologischen Fakultäten und Kirchlichen Hochschulen in der Bundesrepublik haben eine Person zu ihrer Vertretung benannt. Ein Jahr vor dem auf den Oktober 1990 anberaumten internationalen Symposion „Zur Geschichte der evangelisch-theologischen Fakultäten in der Zeit des Nationalsozialismus" fand ein Vorbereitungstreffen mit Vertreterinnen und Vertretern von sieben evangelisch-theologischen Fakultäten (Bonn, Erlangen, Göttingen, Heidelberg, Kiel, Marburg, Tübingen) sowie der Lutherischen Hochschule Oberursel in Arnoldshain statt, bei dem ein Austausch möglich wurde über die Quellenlage am jeweiligen Hochschulort, die Forschungssituation sowie über Aufgaben, die das Symposium wahrnehmen solle 1 .
1 Über Bonn hat berichtet Heiner Faulenbach, über Erlangen Berndt Hamm, über Göttingen Inge Mager, über Heidelberg Adolf Martin Ritter, über Kiel Jendris Alwast, über Marburg
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Leonore Siegele-Wenschkewitz
Dies gemeinschaftliche Planungs- und Abstimmungsverfahren hat gezeigt, daß der Zugang zur zu behandelnden Thematik am jeweiligen Hochschulort sehr unterschiedlich ist. Während die Kirchlichen Hochschulen Berlin und Wuppertal-Elberfeld Darstellungen ihrer Geschichte bereits vorgelegt haben und einzelne Fakultäten aus Anlaß von Universitätsjubiläen oder Gedenktagen an bedeutende Repräsentanten ihrer Institution Forschungsaufträge erteilt und öffentliche Veranstaltungen auch zur Geschichte des „Dritten Reichs" durchgeführt haben, haben andere Fakultäten dezidiert darauf verzichtet, der NS-Zeit die Bedeutung einer eigenen Epoche in der Wissenschaftsgeschichte einzuräumen. Diese Unterschiedlichkeit resultiert aus zwei einander diametral entgegengesetzten Grundpositionen, die auch in diesem Band sichtbar werden. Die eine ist dadurch charakterisiert, daß die Universität als ein autonomer, in sich ruhender, gleichsam politikfreier Raum gesehen wird, der geprägt ist durch die in Jahrhunderten gewachsene Kontinuität des Wissenschaftsbetriebs, der Wissenschaftstraditionen, der in ihr geführten Diskurse. In diesen ,Raum' hat das NS-Regime gewaltsam und unerlaubt eingegriffen und damit der Wissenschaft Probleme aufgezwungen, die ihrem Wesen fremd sind. Die andere Grundposition interpretiert den Nationalsozialismus als Zivilisationsbruch, hebt also gerade auf die Besonderheit, das Exzeptionelle dieser geschichtlichen Epoche ab. Sie übt Kritik an der Selbstgenügsamkeit, der Exklusivität, der Unberührbarkeit der Wissenschaft, die sich während der NS-Zeit zu einer Verantwortung für die Geltung von Menschenrechten nicht hat durchringen können. Sie weist auf, daß Wissenschaft, Religion und Künste sich in den Dienst eines menschenverachtenden, zerstörerischen Regimes haben nehmen lassen und so direkt und indirekt zur Massenvernichtung beigetragen haben. Deshalb sollte während des Symposions durchgängig sowohl nach dem Wissenschaftsverständnis in der Theologie als auch nach der Beurteilung des Nationalsozialismus durch die theologische Wissenschaft gefragt werden. Denn für unsere Themenstellung korrelieren diese Probleme miteinander: aus dem jeweiligen Theologieverständnis erwuchs eine bestimmte Einschätzung des Nationalsozialismus; die Einschätzung des Nationalsozialismus hatte wiederum Folgen für das Theologieverständnis. So ist es von zentraler Bedeutung, ob der Nationalsozialismus als etwas den Wissenschaftsinstitutionen Gegenüberstehendes beschrieben oder als eine politische Erscheinung gesehen wird, die von Wissenschaftlern und Wissenschaftsinstitutionen selbst mitgestaltet worden ist bzw. der gegenüber sie bewußt und dezidiert abstinent blieben und sich verweigerten. Hans Schneider, über Tübingen Joachim Mehlhausen, über Oberursel Manfred Roensch; Leonore Siegele-Wenschkewitz ergänzte die Beiträge über Tübingen, Heidelberg und Erlangen. Ein Protokoll der Veranstaltung befindet sich in der Geschäftsstelle der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte in München.
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Folgende Themenbereiche sollten im einzelnen behandelt werden: Hat die deutsche Diktatur in der Zeit des Nationalsozialismus ein spezifisches Wissenschaftsverständnis in der protestantischen Theologie hervorgebracht, ein neues Paradigma, Theologie zu treiben? Denn das nationalsozialistische Regime hatte sich ja das ehrgeizige Ziel gesteckt, einen neuen Typus von Wissenschaft sowie von denjenigen, die Wissenschaft treiben, zu kreieren. (Wie) ist nun das, was tatsächlich an Neuem von den Nationalsozialisten in die Politik eingetragen worden ist, der rassistische Antisemitismus, konstitutiv für wissenschaftlich-theologische Arbeit geworden, welche Verhältnisbestimmung von Christentum und Judentum ist in dieser Zeit vollzogen und in welcher Weise ist das Wissenschaftsverständnis davon betroffen worden? Ferner: Von welchen Grundsätzen war die nationalsozialistische Hochschulpolitik gegenüber den theologischen Fakultäten geleitet? Welche Folgen hat die Einstufung der christlichen Kirchen als weltanschauliche Gegner für die Stellung der theologischen Fakultäten in der akademischen Gemeinschaft gehabt? Hier wäre es von Nutzen, die Geschichte der Schwesterkonfession mitzuberücksichtigen und vergleichend die Lage der katholischen Universitätstheologie in den Blick zu nehmen. Die Situation der evangelisch-theologischen Fakultäten ist jedoch auch signifikant anders gewesen als die der katholisch-theologischen Fakultäten, insofern als es in der evangelischen Kirche mit der kirchenpolitischen Konstellation „Kirchenkampf" das Gegeneinander unterschiedlicher Kirchenparteien und zweier Kirchenregimenter gab, in deren Konflikte die theologische Ausbildung unmittelbar einbezogen war. Deshalb verstand es sich von selbst, daß dem, was die Geschichte der wissenschaftlichen Theologie während des „Dritten Reiches" am markantesten von den anderen Wissenschaftsdisziplinen unterscheidet: die Verlagerung einer wissenschaftlichtheologischen Ausbildung und des Prüfungswesens von den durch den NSStaat gelenkten und bevormundeten, z.T. auch gleichgeschalteten theologischen Fakultäten auf die durch die Bekennende Kirche neugebildeten Kirchlichen Hochschulen und auf von der Bekennenden Kirche zusammengesetzte Prüfungskommissionen, breiter Raum gegeben werden mußte. Welches Konzept, welches Wissenschaftsverständnis einerseits, welches Kirchen- und Amtsverständnis anderseits hat eine solche von der Kirche für notwendig befundene Ausbildung geleitet? War es die Bekennende Kirche, die damit das in Jahrhunderten erstrittene Prinzip von Freiheit der Wissenschaft, der theologischen Wissenschaft auch gegenüber der Kirche, preisgegeben hat? Gewährte der NS-Staat denn den Universitäten noch diese Freiheit der Wissenschaft von staatlicher Bevormundung und Eingriffen in die Personalstruktur und den Wissenschaftsbetrieb? In genau diesem Spannungsfeld befand sich die theologische Wissenschaft, wie nämlich ihre ,Freiheit' gegenüber staatlicher und kirchlicher Bevormundung
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Leonore Siegele-Wenschkewitz
unter den Bedingungen der deutschen Diktatur und des durch sie entfachten Kirchenkampfs zur Geltung gebracht werden könnte. Für die den Deutschen Christen zugehörenden oder nahestehenden Theologen blieb Garant dieser Freiheit nach wie vor der Staat, also auch der NS-Staat. Für die der Bekennenden Kirche verpflichteten Theologen war eben derselbe Staat dafür verantwortlich, daß die Freiheit theologischer Arbeit unterhöhlt, ja beseitigt wurde, so daß die bekenntniskirchliche Trägerschaft der theologischen Ausbildung als Ausweg erschien. An den Kirchlichen Hochschulen sollte eine nicht mit dem Nationalsozialismus gleichgeschaltete theologische Wissenschaft betrieben werden. Für die Forschung stellt sich die Frage, ob die damit vorgenommene Einschätzung der Möglichkeiten und Grenzen der wissenschaftlich-theologischen Arbeit an den staatlichen Fakultäten durch die Bekennende Kirche angemessen und zutreffend war. Und ferner ist hinsichtlich der durch die Bekennende Kirche in Angriff genommenen Neuregelung der theologischen Ausbildung zu prüfen, ob dies als Rückfall in die Unmündigkeit oder im Gegenteil als Akt der Resistenz gegenüber dem NS-Staat, als politisch angemessene Reaktion und somit als Schritt der Erneuerung der Kirche anzusehen ist. Ein Testfall ist z.B. die sog. Theologinnenfrage. Das NSRegime gab sich unumwunden männerbündlerisch und patriarchalisch. Die während der Weimarer Republik in Gang gekommene stärkere Beteiligung von Frauen am theologischen Studium und kirchlichen Dienst erfuhr von 1933 an durch die Rücknahme staatlicher und kirchlicher Gesetze empfindliche Restriktionen. Hat die Bekennende Kirche bei der Neuregelung theologischer Ausbildung und kirchlicher Anstellungsverhältnisse dem allgemeinen Trend der Verdrängung von Frauen aus selbständigen, gleichrangigen Positionen und der Zuschreibung vor allem von Dienstleistungsfunktionen für Frauen entgegengewirkt? Haben Frauen in der Bekennenden Kirche eher eine Anwältin ihrer Interessen gesehen als in gegenüber dem Nationalsozialismus aufgeschlossenen theologischen Fakultäten? Angesichts des erklärten Ziels nationalsozialistischer Hochschulpolitik, einen neuen Typus von Wissenschaft hervorzubringen, ergab sich als Aufgabe zu untersuchen, welche Probleme ein solch ideologischer Anspruch ganz konkret für eine Wissenschaftsdisziplin mit sich gebracht hat. Für die Veranstalterin lag es nahe, schwerpunktmäßig die eigene Disziplin dafür auszuwählen, die Kirchengeschichte. An ihr sollte exemplifiziert werden: Wie kann Wissenschaft „gleichgeschaltet" werden? Wie haben die Fachvertreter diese vom NS-Regime an sie herangetragene Erwartung aufgegriffen? Verkörpern sie den Typus des neuen NS-Professors? Wo sahen sie die Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit dem Regime? Hat wiederum das Regime die Kooperationswilligkeit honoriert? Erwiesen sich die Wissenschaftstraditionen, in denen die Theologieprofessoren ausgebildet und
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denen sie verpflichtet waren, als Momente der Resistenz, oder wurden sie auf die NS-Ideologie hin ausgerichtet und ließen sie sich daraufhin ausrichten? Der hier vorgelegte Band dokumentiert sowohl den beschriebenen Planungs- und Abstimmungsprozeß als auch den Großteil der während des Symposions im Oktober 1990 gehaltenen Referate. Drei Beiträge jedoch, die die Konzeption der Veranstaltung wesentlich mitgeprägt haben, standen für den Abdruck leider nicht zur Verfügung. Kurt Nowaks Vortrag über den Kirchenhistoriker Heinrich Bornkamm ist in der Zeitschrift für Kirchengeschichte, die Bornkamm als Herausgeber so lange betreut hat, erschienen 2 . Auch wenn dieser Aufsatz an anderer Stelle publiziert vorliegt, sollte er als Teil dieses Sammelbandes betrachtet und zur thematischen Ergänzung und zum Vergleich herangezogen werden. Wilhelm Imkamp, der über „Katholische Theologie und Zeitgeistversuchung" referiert hatte, konnte keine schriftliche Fassung seines Beitrags vorlegen. Wilhelm Dambergs Bereitschaft, nachträglich für diesen Band einen Aufsatz zu schreiben „Kirchengeschichte zwischen Demokratie und Diktatur, Georg Schreiber und Joseph Lortz in Münster 1933-1950" hat ermöglicht, daß ein Beitrag über zwei prominente Vertreter katholischer Universitätstheologie vorliegt. Susannah Heschel hat ihre Arbeit über Walter Grundmann und das Eisenacher Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben inzwischen fortgesetzt und vermochte sich nicht dazu entschließen, ihr Referat, das einen früheren Forschungsstand darstellt, zu publizieren. Damit fehlt diesem Band, notgedrungen und unfreiwillig, eine tragende Säule der Konzeption des Symposions, und er kann so auch den Forschungsstand zum Thema „Protestantische Universitätstheologie und nationalsozialistische Rassenideologie im Zusammenhang der Verhältnisbestimmung von Christentum und Judentum" nicht abbilden 3 .
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K . NOWAK, Z e i t e r f a h r u n g .
Als wichtige Schritte der Erforschung der Verhältnisbestimmung von Christentum und Judentum durch die protestantische Universitätstheologie nenne ich folgende Publikationen: K. M E I E R , Kirche und Judentum (1968); W. G E R L A C H , Als die Zeugen schwiegen (1972/1987); C. KLEIN, Theologie und Antijudaismus (1975); U. TAL, Christians and Jews (1975); R . G U T T E R I D G E , Open Thy Mouth (1976); H . LIEBING, Marburger Theologen (1977); L. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, Neutestamentliche Wissenschaft (1980); R . R E N D T O R F F / E . STEGEMANN, Auschwitz (1980); E . BETHGE, Bonhoeffer und die Juden (1980); L. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, Mitverantwortung (1982); C. H O F F M A N N , Juden und Judentum (1988); C . - R . M Ü L L E R , Bekenntnis (1989); G. B R A K E L M A N N / M . ROSOWSKI, Antisemitismus (1989); M. SMID, Protestantismus (1990). 3
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Leonore Siegele-Wenschkewitz
Ein hervorstechendes Merkmal dieser Aufsatzsammlung ist, daß — wie bereits angedeutet — sehr unterschiedliche Ansätze, Grundpositionen und Einschätzungen sichtbar werden. Das mag daran liegen, daß die Veranstalterin, die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte, in sich selbst sehr pluralistisch zusammengesetzt ist, daß so viele Personen und Institutionen an der Planung und Durchführung des Projekts beteiligt waren, vor allem aber, daß es einen Konsens für ein erst im Entstehen begriffenes Forschungsfeld wohl noch nicht geben kann. Der Beitrag von Trutz Rendtorff „Das Wissenschaftsverständnis der Theologie im Dritten Reich" geht methodisch so vor, daß die Kontinuität des Diskurses um das Wissenschaftsverständnis in der Theologie im Vordergrund steht. Schon vor 1933 und auch nach 1945 habe es eine Kontroverse um das Selbstverständnis der Theologie gegeben. Deshalb soll die Zeit des NS-Regimes im Kontext dieser Theologiedebatte erörtert werden. Von daher kommt Rendtorff zu dem Ergebnis, daß es „trotz aller zeitbedingten Arrangements eine relativ zur politischen Umwelt sich durchhaltende autonome Wissenschaftskultur gibt, die nicht zuletzt in der Theologie objektive Maßstäbe gegen weltanschauliche Einflußnahmen zu bewahren vermag... Generell kann man urteilen, daß der Nationalsozialismus aus sich heraus, keine originäre eigene und der Selbständigkeit fähige Wissenschaftskultur erzeugt hat" (S. 30). Diese Einschätzung trifft sich mit Kurt Meiers Wort von der „Resistenzbedeutung der theologischen Wissenschaft gegen ein nationalsozialistisches Wissenschaftsverständnis'". Meier kommt in seinem Beitrag „Anpassung und Resistenz der Universitätstheologie" zu dem Ergebnis: „Es hat in der Universitätstheologie zwar vereinzelt problematische Anpassungsstrategien an das NS-Weltanschauungskonglomerat gegeben, die vorwiegend apologetischen Interessen dienten; im ganzen sind jedoch die konventionellen historisch-kritischen Methodenstandards beibehalten worden" (S. 87; 84). Auch Kurt Nowak vertritt in dem hier abgedruckten Aufsatz „Protestantische Universitätstheologie und ,nationale Revolution' ", in dem er ausgewählte Meinungsäußerungen aus dem breiten Spektrum von Stellungnahmen im und zum Jahr 1933 untersucht, die Auffassung, daß „in der Regel das historisch-kritische Methodenniveau der protestantischen Theologie aufrecht erhalten worden" sei. Nowak plädiert jedoch dafür, „zu differenzieren . . . zwischen politischem Mißbrauch der akademischen Theologie und ihrer methodischen Integrität im Sinne der Aufrechterhaltung der ihr eigentümlichen historisch-kritischen Standards" (S. 98). So kommt er zu dem Ergebnis, daß die Auseinandersetzung protestantischer Universitätstheologie mit dem Nationalsozialismus darin insuffizient gewesen sei, daß sie „vornehmlich unter vorpolitischen Gesichtspunkten" stattgefunden habe: „Das religiös-ethische Betrachtungsmoment dominierte der empirischen Ratio der Politik gegenüber" (S. 112). In seinem während des Symposions in Arnoldshain vorgetragenen
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Beitrag über den Kirchenhistoriker und Holl-Schüler Heinrich Bornkamm geht Nowak an dessen Geschichts-, also Wissenschaftsverständnis entlang. An ihm, der 1933 zusammen mit den meisten anderen HollSchülern beherzt und dezidiert den Weg der Verständigung mit dem NSStaat beschritt und deshalb auch Rektor der Universität Gießen wurde, arbeitet Nowak eher Erfahrungen von enttäuschter Hoffnung und zunehmender Distanz heraus und interpretiert die Anpassung an den Nationalsozialismus als temporäre Erscheinung, die gegenüber der Kontinuität des Wissenschaftsverständnisses sekundär bleibt. Adolf Martin Ritter beschreibt „Die Heidelberger Kirchenhistoriker in der Zeit des ,Dritten Reiches'" in ununterbrochener und ungebrochener Kontinuität mit der Heidelberger Kirchengeschichtswissenschaft, die selbst angesichts der eindeutigen politischen und kirchenpolitischen Option sowohl für den Nationalsozialismus als auch für die Deutschen Christen durch einen ihrer Vertreter nicht hat berührt werden können. Von einer ähnlichen Einschätzung wie die vorgestellten Beiträge, daß die theologische Wissenschaft an den staatlichen theologischen Fakultäten im großen Ganzen unbeschadet fortexistiert hat, geht Gerhard Besier in seinem Aufsatz „Zur Geschichte der Kirchlichen Hochschulen. Oder: Der Kampf um den theologischen Nachwuchs" aus. Von daher stellt er insgesamt in Frage, daß die Gründung Kirchlicher Hochschulen durch die Bekennende Kirche eine angemessene Maßnahme auf die historische Situation gewesen sei. Sie könne nicht als „Notmaßnahme" auf die vom Staat herbeigeführte Lage verstanden werden, sondern stelle sich vielmehr dar als Kampf um die Vorherrschaft einer kirchenpolitischen Partei, der sog. Dahlemiten im Hinblick auf den theologischen Nachwuchs. Zu ganz anderen Ergebnissen und Bewertungen kommt Eike Wolgast, der die „Nationalsozialistische Hochschulpolitik und die evangelischtheologischen Fakultäten" untersucht. „Das Ergebnis der nationalsozialistischen Hochschulpolitik war die weitgehende Zerstörung der theologischen Fakultäten bei institutioneller Fortexistenz", resümiert er. Als weltanschauliche Gegner seien die theologischen Fakultäten „von Staats wegen . . . in eine Paria-Stellung abgedrängt" worden, der selbst diejenigen Theologieprofessoren nicht hätten entkommen können, die „durch Anpassung, Kollaboration und Übernahme von nationalsozialistischem Gedankengut" (S. 78) sich zu rehabilitieren und eine höhere Wertschätzung zu verdienen trachteten. Wolgasts Forschungsresultat läßt es zu, die Motive und Anstrengungen derer, die das Konzept der Neugründung Kirchlicher Hochschulen vertraten und vorantrieben, als Reaktion auf die vom Staat intendierte Ruhigstellung und vorgenommene Gleichschaltung der theologischen Fakultäten ernstzunehmen. Zugleich gibt es Raum dafür, dem tatsächlich ja in Gang gesetzten Prozeß von Anpassung, Kollaboration und Übernahme von nationalsozialistischem Gedankengut in der Wissenschaft genauer nachzugehen.
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Leonore Siegele-Wenschkewitz
Vier Beiträge widmen sich der Frage, welche Strategien von Seiten der theologischen Wissenschaft in Gang gesetzt worden sind, um zu einer Zusammenarbeit mit dem NS-Staat zu gelangen, die Raum und Einfluß für die christliche Theologie sicherstellen sollte. Jendris Alwast arbeitet heraus, wie — allen anderen voran — der Dekan der Göttinger theologischen Fakultät, der Kirchenhistoriker und Systematische Theologe Emanuel Hirsch seine Theologie auf den Nationalsozialismus hin ausrichtete. Den Schlüssel für eine solche Auslieferung des Denkens, ja der ganzen Person an den Nationalsozialismus sieht Alwast in Hirschs bleibender Bindung an eine kleinbürgerliche Mentalität, die ihn dazu getrieben habe, den sozialen Prestigeverlust von Theologie und Kirche nach dem Ersten Weltkrieg durch Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten zu kompensieren. Auch die beiden anderen Holl-Schüler Heinrich Bornkamm, den — wie erwähnt — K. Nowak behandelt hat, und Hanns Rückert, dessen Weg durchs „Dritte Reich" und Rückschau auf diese Zeit nach 1945 ich selbst untersucht habe, haben sich für die Deutschen Christen und damit für das Konzept einer Synthese von Nationalsozialismus und Christentum geöffnet. Mein Beitrag über Rückert arbeitet heraus, daß die Wissenschaftstradition, in der er stand, und der soziale Zusammenhang mit Freunden und Kollegen der Holl-Schule im Jahr 1933 zu einer überschwänglichen Parteinahme für die „nationale Revolution" geführt hat, die durchaus auch Ausdruck in seinen akademischen Vorträgen und wissenschaftlichen Publikationen fand. Obleich Rückert also die wissenschaftlichen Methodenstandards zweifellos weiter angewendet hat, erwiesen sie sich doch nicht als eine Kraft der Resistenz, sondern konnten für Anpassung und Kollaborationsangebote dienstbar gemacht werden. Die traditionell enge Verbindung zwischen der Tübinger evangelisch-theologischen Fakultät und der württembergischen Landeskirche hat jedoch zunehmend eine nüchternere und distanziertere Einschätzung des Nationalsozialismus ermöglicht. Dennoch ist die Zeit der deutschen Diktatur für Rückert ein so undurchdringliches Problemfeld geblieben, daß er nach 1945 die Zeitgeschichtsforschung überhaupt für unmöglich gehalten hat. Karl Schwarz legt einen „Bericht über die Wiener Evangelisch-theologische Fakultät in den Jahren 1938-1945", also nach dem sog. Anschluß Österreichs durch das Deutsche Reich, vor. Nachdem bereits eine Woche nach dem Anschluß der amtierende Dekan Karl Beth, da seine Frau jüdischer Abkunft war, aus seinem Amt vertrieben wurde, hat sein Amtsnachfolger, Gustav Entz, der an Beths Vertreibung maßgeblich mitwirkte, keinen Hehl daraus gemacht, daß er die von ihm geführte Institution und die dort betriebene theologische Wissenschaft uneingeschränkt in den Dienst großdeutscher nationalsozialistischer Volkstumspolitik zu stellen bereit war. Ebenso wie der mit der Vertretung des neutestamentlichen Lehrstuhls
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beauftragte Gerhard Kittel mußte Entz schließlich von der Kirchen- und Christentumsfeindlichkeit des NS-Regimes durch die Nationalsozialisten selbst überzeugt werden. Schwarz arbeitet heraus, daß eine solche Ablehnung der Zusammenarbeit von Seiten der nationalsozialistischen Herrschaftsträger nicht nachträglich von den Kollaborationswilligen als Widerstandshaltung umgemünzt werden darf; er versteht so seine historische Untersuchung als Kritik an der „österreichischen ,Lebenslüge'", daß Osterreich das erste Opfer Hitlerdeutschlands gewesen sei. Wilhelm Damberg kontrastiert in seinem Beitrag „Kirchengeschichte zwischen Demokratie und Diktatur" zwei Theologieprofessoren und Kirchenhistoriker, nämlich Georg Schreiber als prominenten Zentrumspolitiker der Weimarer Republik und Repräsentanten des von den Nationalsozialisten bekämpften politischen Katholizismus dem „Vertreter eines unpolitischen Katholizismus", Joseph Lortz, dem daran gelegen war, die ideengeschichtliche Entsprechung von Nationalsozialismus und Katholizismus herauszuarbeiten. Licht auf den Studienbetrieb an einer Fakultät, die von einem NS-Dekan dominiert wurde, wirft am Beispiel der „Göttinger theologische(n) Promotionen 1933-1945" der Beitrag von Inge Mager. Dabei erhebt sie folgenden Befund: „Neben einer die NS-Ideologie und die DC-Kirchenpolitik unterstützenden und einer ihr zwischen den Zeilen widersprechenden Arbeit stehen 14 normale wissenschaftliche Untersuchungen, die zu allen Zeiten hätten geschrieben werden können". Die Autorin möchte diesen Tatbestand jedoch nicht „als Indiz für die sich in der Forschung durchhaltende wissenschaftliche Unabhängigkeit und Normalität sehen". Vielmehr zieht sie den Schluß: „Man müßte betroffen sein über die große schweigende Mehrheit, die so geforscht und gearbeitet hat, als wenn nichts geschehen wäre. Hat für die theologische Fakultät je eine Notwendigkeit bestanden, ihr reformatorisches Wächteramt auszuüben, dann in den Jahren 1933 bis 1945, um den unheimlichen Rechenschaftszwang eines Emanuel Hirsch und anderer vom Evangelium herein wenigstens zeichenhaftes Gegengewicht zu bieten" (S. 357). Außer dem genannten Beitrag von Gerhard Besier widmen sich sechs weitere Artikel Problemen und Themen, die aus der Bindung wissenschaftlich-theologischer Arbeit an die Bekennende Kirche resultieren. Martin Rohkrämer zeichnet den wechselvollen und ungewöhnlichen Lebensweg des sozialdemokratischen Schweizers und Bonner Theologieprofessors für Ostliches Christentum, Fritz Lieb, der im November 1933 aus politischen Gründen aus seiner Professur vertrieben wurde, nach Paris emigrierte und dort sein Engagement für die Bekennende Kirche mit der Arbeit für die Volksfront verband. Lieb war zu der Einsicht gelangt, daß der Protestantismus — da Freiheit unteilbar sei — nicht nur für die Freiheit der Kirche kämpfen dürfe, sondern den Bereich seiner politischen
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Verantwortung erweitern müsse: auf das Eintreten für Menschenrechte und Menschenwürde. Hannelore Erhart legt einen Beitrag vor zur theologischen Diskussion um die Theologin im Kontext von Universität und Kirche zur Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus. In ihm arbeitet sie heraus, daß von 1936 an, nach der vierten Reichsbekenntnissynode in Bad Oeynhausen und der Bestellung der 2. Vorläufigen Kirchenleitung die altpreußische Bekennende Kirche mit der Ordination von Frauen „einen eigenen Weg in der Ausgestaltung des Amtes der Theologin gegangen" ist (S. 241). Günther van Norden entfaltet in seinem Aufsatz „Die Kirchliche Hochschule in Wuppertal" das grundsätzliche Problem, warum es zu Hochschulgründungen durch die Bekennende Kirche kam. Diese hielt nämlich „die Fakultäten als solche — trotz einiger noch vorhandener BKProfessoren — für nicht mehr geeignet, . . . die künftigen Pastoren in kirchlicher Verantwortung und in der Bindung an die Bekenntnisse . . . heranzubilden, weil die hier vertretene wissenschaftliche Theologie bei aller anerkannter Qualität der Forschung und eines hohen wissenschaftlichen Standards nach ihrer Uberzeugung entweder den kontextuellen Herausforderungen der Zeit auswich oder sich ihnen affirmativ anpaßte" (S. 280). Nach van Nordens Urteil war die „analog zunehmende Widersetzlichkeit" der Bekennenden Kirche „gegen zunehmende Repression des NS-Blocks . . . vielleicht nicht theologisch, aber um so mehr gesellschaftlich ein Faktor der Modernität" (S. 290). Jörg Thierfelder stellt die bisher wenig bekannten Versuche der Bekennenden Kirche vor, an nicht wenigen theologischen Fakultäten durch Ersatzveranstaltungen „den Theologiestudenten ein theologisch zu verantwortendes Studium zu ermöglichen" (S. 301). Zugleich zeigt er auf, von welchen staatlichen Repressionen derartige Maßnahmen begleitet waren. Ein Fallbeispiel für die Gegnerschaft des NS-Regimes gegenüber dem Ausbildungsbetrieb der Bekennenden Kirche ist Hartmut Ludwigs Studie „Die Relegierung von 29 Theologiestudierenden von der Berliner Universität" im Jahr 1937. In ihr macht er deutlich, daß die staatlichen Organe, darin durchaus unterstützt von den Deutschen Christen nahestehenden Theologieprofessoren, die Option der Studierenden für die Bekennende Kirche als Ablehnung des NS-Staats angesehen und geahndet haben. Wilhelm H. Neuser beschreibt „ein Stück westfälischen Kirchenkampfs", nämlich den Konflikt, der innerhalb der Bekennenden Kirche in Westfalen ausgetragen wurde über die Frage, ob sich der Bekennenden Kirche zugehörig fühlende Professoren der evangelisch-theologischen Fakultät Münster an den theologischen Dienstprüfungen des Konsistoriums beteiligen oder ausschließlich an von der Bekennenden Kirche ausgerichteten Prüfungen. Für all die vorgestellten Beiträge zum Thema „Wissenschaftlich-theologische Arbeit in Bindung an die Bekennende Kirche" ist die Staat-Kirche-
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Relation von großer Bedeutung. Kaum daß die Kirchlichen Hochschulen gegründet und Ersatzveranstaltungen der Bekennenden Kirche an theologischen Fakultäten durchgeführt wurden, reagierten staatliche Organe auf diese implizite „Aufkündigung . . . des staatlichen Ausbildungsmonopols" (van Norden, S. 290) mit Verboten, Bestrafung derer, die sie abhielten oder an ihnen teilnahmen, und schließlich mit der Schließung der Hochschulen und Auflösung der Lehrveranstaltungen. Dessen ungeachtet, daß der NSStaat theologisch-konfessionelle Fakultäten an den Universitäten und Hochschulen für obsolet hielt, konnte er gleichzeitig doch die Eigenständigkeit eines von der Bekennenden Kirche getragenen Ausbildungswesens nicht hinnehmen. Deshalb nahm er die Theologieprofessoren als Staatsbeamte, die den staatlichen Anweisungen und Verboten Gehorsam zu leisten hätten, in die Pflicht und behinderte und zerschlug die in kirchlicher Regie kaum mehr als einige Semester durchgeführten Veranstaltungen. Die Professoren standen ihrerseits vor der Entscheidung, ob sie sich den staatlichen Forderungen beugen oder sich mit ihrer Option für die Bekennende Kirche zu illegalen Handlungen entschließen sollten. Macht der so ins Werk gesetzte Weltanschauungskampf Kirchliche Hochschulen und theologische Fakultäten zu Opfern des Regimes? Als Gegner hat sie das Regime zunehmend gesehen — so sehr, daß es sich selbst der Kollaborationswilligen nur noch sehr punktuell bedienen mochte. Auch die anfangs vom Regime ausgezeichneten Professoren mußten erkennen, daß die oberste Führung in Staat und Partei zu ihnen auf Distanz ging. Diese Zurückweisung widerfuhr ihnen jedoch, sie haben sie weder gewollt noch selbst herbeigeführt. Sie traf auch die, die wie z.B. Emanuel Hirsch, Gerhard Kittel, Walter Grundmann oder Wolf MeyerErlach mit dem Regime sympathisierten, sich mit ihm verbunden fühlten und in ihren Äußerungen seine Rassenpolitik unterstützten. Aber die Arbeitsmöglichkeiten blieben ihnen während des Zweiten Weltkriegs bis zum Ende des „Dritten Reiches" erhalten, auch dann, als es kaum noch Theologiestudierende gab. Opfer des Regimes waren die an staatlichen Fakultäten lehrenden Theologieprofessoren mehrheitlich nicht; oder vielleicht sollte man sagen: dem Regime wurde ein Ende bereitet, ehe es die Zeit für gekommen hielt, die christlichen Kirchen und theologischen Fakultäten zu Opfern zu machen. Die Quellen zeigen, daß die Pläne und vorbereitenden Schritte dazu gemacht waren, aber eine konsequente Realisierung wurde während des Krieges sistiert. Selbst diejenigen unter den Theologieprofessoren, die sich vom Nationalsozialismus enttäuscht, degradiert und sich als dessen Opfer fühlten, haben die Augen vor den tatsächlichen Opfern des Regimes verschlossen. Uber den Kollaborationswilligen und einer „schweigenden Mehrheit" sollen aber die unter den theologischen Hochschullehrern nicht vergessen werden, die deutlich oder auch verhalten resistent geblieben sind und
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Leonore Siegele-Wenschkewitz
Widerstand geleistet haben. Einige von ihnen wurden aus ihren Ämtern vertrieben, ihnen wurde die Lehrbefugnis entzogen. Sie verließen Deutschland oder wechselten von der Hochschultätigkeit in den kirchlichen Dienst. Es gibt Beispiele, daß Karrieren abgebrochen worden sind, eine grundsätzliche Gegnerschaft zum NS-Staat von den staatlichen Instanzen nicht nur behauptet wurde, sondern in einzelnen auch heranwuchs, die sie in die Konspiration geführt hat. Solche Überlegungen leiten über zu Forschungsdesideraten, von denen wenigstens einige benannt werden sollen: Amtsentlassungen, das Abbrechen von Laufbahnen, das Schicksal und die wissenschaftlich-theologische Arbeit derer, die emigrierten. Wie hat die Situation der Studierenden, Frauen und Männer, ausgesehen? Welche Motive leiteten sie, während der NS-Zeit ein Theologiestudium aufzunehmen? In den zwölf Jahren des „Dritten Reiches" sind von unterschiedlicher Seite verschiedene Ansätze zur Reform des Theologiestudiums entwickelt worden. Eine Geschichte darüber im Vergleich zu den Verhältnissen während der Weimarer Republik und nach 1945 könnte viel austragen für die Diskussion um das Selbstverständnis der wissenschaftlichen Theologie, ihren Ort in der Gesellschaft und ihr Verhältnis zur Kirche. Ferner: Wie hat die durch die Bekennende Kirche getragene wissenschaftlich-theologische Arbeit inhaltlich ausgesehen, worin war sie eine Alternative zur wissenschaftlich-theologischen Ausbildung an staatlichen theologischen Fakultäten? Diese wenigen Beispiele sollen dazu einladen, die Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte als Forschungsfeld zu entdecken. Für das Zustandekommen dieses Bandes ist all denen zu danken, die sich mit einem Beitrag beteiligt haben. Unseres Arbeitsgemeinschaftsmitglieds, Martin Rohkrämer, sei in besonderer Weise und Verbundenheit gedacht; er ist aus seiner Forschungstätigkeit über Fritz Lieb durch seinen allzu frühen Tod herausgerissen worden. Georg Kretschmar, dem langjährigen früheren Vorsitzenden der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte, gebührt Dank, daß er bereits Mitte der 80er Jahre die Weichen dafür gestellt hat, dies Projekt in Angriff zu nehmen. Die einzelnen Beiträge sind für die Drucklegung entsprechend den für die „Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte" geltenden Regeln formal vereinheitlicht worden. In den Fußnoten werden lediglich Kurztitel zitiert; die vollständigen bibliographischen Angaben finden sich in dem Gesamtliteraturverzeichnis, das damit dann auch eine erste umfassendere Bibliographie zum Gesamtthema darstellt. Meinem Mitherausgeber, Herrn Dr. Carsten Nicolaisen, danke ich dafür, daß er die mühsame redaktionelle Betreuung dieses Sammelbandes sowie die Zusammenstellung der Bibliographie und des Personenregisters übernommen hat. Dabei haben ihm Mark Achilles, Susanne Nicolaisen und Dagmar Weyer geholfen. Auch ihnen sei herzlich für ihre Mitarbeit gedankt.
TRUTZ RENDTORFF
Das Wissenschaftsverständnis der Theologie im „Dritten Reich" Der Kirchlichen Zeitgeschichtsforschung ist von einem ihrer führenden Vertreter das „erstrebenswerte Ziel" vor Augen gestellt worden, „Beiträge zur Selbstprüfung der Gegenwart und zur Erhellung des Selbstbewußtseins der heute lebenden Christen zu liefern". Unter Verwendung der „klassischen historisch-kritischen Methoden" für die jüngste Vergangenheit sei „die Entdeckung relevanter heuristisch-kritischer Fragen für Theologie und Kirche heute" zu fordern 1 . Diesem Anspruch zu genügen ist keine leichte Aufgabe, zumal wenn es um das Wissenschaftsverständnis der Theologie gehen soll. Denn dieses ist heute wie damals umstritten. Schon die in dieser Zielvorgabe in Anspruch genommenen historisch-kritischen Methoden sind dort, wo das Verständnis von Theologie insgesamt und nicht nur in ihren historischen Disziplinen zur Diskussion steht, nur bedingt als willkommene Hilfe akzeptiert, und wenn aktuelle Deuteinteressen im Spiel sind, werden sie mit dem Gegenruf nach engagierter, parteilicher, auf keinen Fall neutraler historischer Betrachtung konfrontiert. Die historisch-kritische Methode repräsentiert im Urteil einer bedeutenden Gruppe von Theologen der Epoche, die hier befragt werden soll, ein wichtiges Element jenes Liberalismus, an dem sich der Streit um das Verständnis der Theologie in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts entzündet hat und immer wieder entzündet. Und überhaupt die Methode! In einer kürzlich geführten Kontroverse um die Bedingung der Möglichkeit von Theologie stellte Wolfhart Pannenberg nüchtern fest: „Man mag das bedauern oder nicht, es gibt heute keine gemeinsam akzeptierte Methode systematisch-theologischer Urteilsbildung." Stattdessen bliebe nur das Problembewußtsein als Index des Sachstandes, der von den am wissenschaftlichen Gesprächsstand Beteiligten zu fordern sei 2 . Historiker werden ein solches Urteil aus der systematischtheologischen Disziplin mit nachsichtigem Lächeln zur Kenntnis nehmen wollen, weil sie von den Systematikern auch nichts anderes erwarten. Aber sie werden auch zugestehen, daß das Fehlen einer gemeinsam akzeptierten Methode nun gerade in der systematischen Theologie für das „Wissenschaftsverständnis der Theologie" eine mehr als beiläufige Bedeutung hat. 1 2
J. MEHLHAUSEN, Methode, S. 518 f. W. PANNENBERG, Glauben, S. 356.
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Trutz Rendtorff
Der Zusammenhang zwischen strittigen methodischen Fragen und inhaltlichen Urteilen macht es erforderlich, das Problemfeld, in dem das Wissenschaftsverständnis der Theologie in der Zeit des Nationalsozialismus untersucht werden soll, von verschiedenen Fragestellungen her anzugehen. In den folgenden fünf Abschnitten werden Forschungsaufgaben und Fragestellungen unterschiedlicher Art diskutiert und im Lichte einer theologiegeschichtlichen Grundthese zum Wissenschaftsverständnis der Theologie im 20. Jahrhundert dargestellt. 1. Problemstellung Der Zusammenhang zwischen strittigen methodischen und inhaltlichen Auffassungen des Verständnisses von Theologie soll zunächst an zwei Beispielen aus den dreißiger Jahren verdeutlicht werden. Karl Gerhard Steck beschließt seine Einführung zum Reprint der „Theologischen Existenz heute" als, wie er von sich sagt, „Weg- und Zeitgenosse jener Jahre" mit folgender Bemerkung: Für ihn und seine Freunde habe gegolten, „daß wir damals unsere theologische und kirchliche Existenz in der Tat unter Bedingungen lebten, die auf das Ende des konstantinischen Zeitalters hinauszulaufen schienen, z.B. was den .uralten Bund' zwischen Universität und Theologie betrifft" 3 . Er beruft sich dabei auf eine wegweisende zeitdiagnostische These von Karl Barth aus dem Jahre 1935: „Es könnte sein, daß unsere Gegenwart bedeutet: einerseits die letzten Tage eines alten, ja uralten Bundes zwischen dem Bekenntnis und der Erkenntnis des Evangeliums und den Kräften und Mächten der menschlichen Geschichte — andererseits: den Anbruch von Tagen, in denen sich die Kirche, ganz auf ihre eigenen Füße gestellt, ohne den Rahmen und den Schutz dieses Bundes, jenen natürlichen Kräften und Mächten der menschlichen Geschichte gegenüber verantworten wird." 4
Zu den geschichtlichen Mächten, denen der Bund aufgekündigt wird, gehört für Barth u.a. die „platonisch-aristotelische Philosophie" ebenso wie die „humanistisch bestimmte Kultur der Neuzeit" 5 . Diese Diagnose des kommenden Endes des Bündnisses der Theologie mit der Universitätswissenschaft wurde 1935 gestellt zu dem Zeitpunkt, als die Augsburger Bekenntnissynode die Einrichtung eigener theologischer Hochschulen außerhalb der Universität beschloß 6 . Hans Emil Weber, Bonner Fakultätskollege von Barth, im Jahre 1935 nach Münster
3 K. G . STECK: Theologische Existenz heute. Rückblick und Ausblick. In: Theologische Existenz heute. Reprint der Hefte 1 - 7 7 . Bd. I. München 1980, S.XXX. 4 K. BARTH, Evangelium, S. 30. 5 EBD., S.31. 6 Die Hochschulbeschlüsse der Augsburger Synode in: W. NIEMÖLLER, Bekenntnissynode Augsburg, S. 81 f.
Das Wissenschaftsverständnis der Theologie im „Dritten Reich"
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zwangsversetzt, reagierte auf diese Beschlüsse als Vertreter der Universitätstheologie mit der bitteren Bemerkung: „Unsere Bekenntniskirche gibt die Fakultäten preis, fällt uns in den Rücken." U n d in äußerster Schärfe reagierte er auf den Beschluß zur „Aufrichtung der freien Fakultäten" mit dem Urteil: „Das ist Gleichschaltung — schlechter Nationalsozialismus in der Kirche — hier droht die Häresie, die als Tat gewordene uns zur schroffen Ablehnung der D C trieb." 7 Er lehne es ab, diese Entscheidung als eine solche zu akzeptieren, die aus der Bindung an das Wort Gottes folge. „Unbedingte Gefolgschaft" sei ein weltliches Postulat, das nicht durchs Bekenntnis gedeckt sei. Barth hatte das Bekenntnis als die „vom Evangelium selbst mitten in der historischen Situation des Christentums herbeigeführte und erzwungene Bejahung des Evangeliums" definiert. Die Befolgung des Bekenntnisses erkenne man daran, daß die Bekenner „in der Lage und willens sind, Haltung anzunehmen und Disziplin zu halten" 8 , d.h. entsprechende Beschlüsse zu fassen und auszuführen, Entscheidungen zu vollziehen. U n d das sei etwas anderes als wissenschaftliche Meinungsäußerungen. An diesem Beispiel der gegensätzlichen Wahrnehmung der Situation der Theologie nach 1933 zwischen dem jungen K . G . Steck, der wie die meisten der Autoren der „Theologischen Existenz heute" nicht zu den Professoren an der Universität zählte, einerseits und dem der Bekenntnissynode ebenso wie den Standards akademischer Theologie verpflichteten Professor andererseits ließe sich bereits der Konflikt darstellen, der am Wissenschaftsverständnis der Theologie hervortritt. H . E . Weber ist dabei keine Einzelstimme. Hans Lietzmann, der sich 1934 der Bekennenden Kirche anschloß, weigerte sich, den berühmten Revers der B K zu unterschreiben und bezeichnete die Augsburger Beschlüsse als „Summe von theologischem und politischem Unverstand" 9 . Rudolf Hermann wandte sich in Korrespondenz mit Hans Asmussen gegen die These Barths von der „dreihundertjährigen Liberalisierung und Depravierung der protestantischen Theologie als verbindliche Lehre der B K " 1 0 . An dieser Auseinandersetzung wird deutlich: Das Wissenschaftsverständnis der Theologie im „Dritten Reich" war durch eine tiefgehende Kontroverse innerhalb der Theologie bestimmt. Diese Kontroverse verlief asymmetrisch zu der Auseinandersetzung von Theologie und Kirche mit dem Nationalsozialismus. Innerhalb der durch den Nationalsozialismus 7 Zit. nach K. MEIER, K i r c h e n k a m p f , Bd. 1, S . 2 3 9 . Vgl. dazu auch die Beiträge von G . Besier, G . van N o r d e n , W. N e u s e r und E . Wolgast in diesem Band. G . van N o r d e n gibt dem vielzitierten W o r t Webers aufgrund neuer Q u e l l e n f u n d e eine viel weniger polarisierende Bedeutung (S. 2 8 3 f.). 8 9 10
K . BARTH, Evangelium, S. 24 und 2 5 . In e i n e m B r i e f an H a n s von Soden v o m 1 1 . 7 . 1 9 3 5 ( K . ALAND, G l a n z , S . 8 2 0 ) . Z i t . nach K . MEIER, K i r c h e n k a m p f , Bd. 1, S . 5 7 2 .
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erzwungenen kirchenpolitischen und theologischen Auseinandersetzungen bildete die Kontroverse um das Verständnis der Theologie eine eigene Frontlinie, die nach anderen Kriterien verlief als die Auseinandersetzung mit dem NS-Regime, und in der es auch um anderes ging als in dem Kampf der Bekennenden Kirche gegen die Deutschen Christen. Die Frontlinie verlief auch anders als in der konfessionellen Kontroverse zwischen Lutheranern und Reformierten bzw. Unions-Protestantismus. Die Kontroverse um die Theologiepolitik der Bekennenden Kirche machte 1935 schlaglichtartig deutlich, daß sich die Universitätstheologie als Repräsentantin der traditionsreichen wissenschaftlichen Theologie in eine Art Zweifrontenkrieg hineingezogen sah. Zwischen NS-Staat und Bekennender Kirche glaubte sie sich in ihrer Selbständigkeit und wissenschaftlichen Freiheit wie Integrität bedroht. 2. Problemexposition Von diesem Ausgangspunkt her stellt sich die Frage, in welchem Kontext und mit welchem methodischen Vorgehen die Erforschung des Themas „Theologie als Wissenschaft im,Dritten Reich'" unternommen werden soll. Das Wissenschaftsverständnis der Theologie im „Dritten Reich" kann als Teil der Geschichte des Kirchenkampfes erörtert und dargestellt werden. Die Aufgabe wäre dann als Erweiterung der Kirchenkampfforschung unter Einbeziehung der Universitätstheologie zu verstehen: Theologie, theologische Wissenschaft und Universitätstheologie im Kontext des Kirchenkampfes. Die kirchenpolitischen und theologischen Auseinandersetzungen mit dem Nationalsozialismus können aber auch als Teil einer schon länger geführten Kontroverse um das Verständnis der Theologie als Wissenschaft betrachtet werden: Kirchenpolitik im Kontext der Auseinandersetzung um das Selbstverständnis der Theologie als Wissenschaft. Diese beiden Betrachtungsweisen schließen sich selbstverständlich nicht gegenseitig aus, sondern hängen zusammen, ohne doch deckungsgleich zu sein. Gleichwohl dient es der schärferen Profilierung des hier zu behandelnden Themas gegenüber der dominierenden Betrachtungsweise der Kirchenkampfforschung, die zweite Betrachtungsweise als die aussagekräftigere in den Vordergrund zu rücken. Das soll im folgenden kurz begründet werden. Aus den Reihen der Kirchlichen Zeitgeschichtler wird immer wieder beklagt, daß ihre Bemühungen zu den „eher unterentwickelten Randdisziplinen im Hause der wissenschaftlichen Theologie" gehörten 11 . In der Tat muß auffallen, daß die Schwerpunkte des theologischen Diskurses nach 11 So zuletzt in der E i n f ü h r u n g der Herausgeber zum ersten Heft der Zeitschrift .Kirchliche Zeitgeschichte" (1, 1988, S.3).
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1945 nicht der Geschichte des Kirchenkampfes galten. Diese hat sich mehr als Spezialdisziplin in kleinem Kreise entwickelt. Sie hat jedenfalls nicht die Grundlagendebatte der Theologie nach 1945 bestimmt. Zugleich kann es keinen Zweifel darüber geben, daß die Grundlagendiskussionen der Theologie in den Jahrzehnten nach 1945 aufs engste mit den Themen und Problemen befaßt waren, die auch den theologisch-wissenschaftlichen Kern der Auseinandersetzungen um das Theologieverständnis nach 1933 bildeten. Deshalb spricht sehr viel dafür, die Frage nach dem Wissenschaftsverständnis der Theologie als eine solche zu identifizieren, die nicht erst für die Zeit des Nationalsozialismus spezifisch ist, sondern sich dort vielmehr in einer bestimmten, politisch und theologisch zugespitzten Form kristallisierte. Die Fortsetzung dieser theologischen Grundlagendebatte unter veränderten politischen Rahmenbedingungen nach 1945 spricht insofern dafür, die Zeit des NS-Regimes im Kontext der Theologiedebatte zu erörtern und nicht umgekehrt. Die wesentlichen und leitenden Voraussetzungen und Bedingungen der Kontroverse um das Selbstverständnis der Theologie sind bereits vor 1933 formuliert und vertreten worden. Die Zeit nach 1933 bringt insofern die Verdichtung und Politisierung von Kontroversen, die schon vorher verhandelt wurden. Erst unter Berücksichtigung dieser Kontinuität läßt sich ein angemessenes Verständnis für die Probleme gewinnen, die im Theologieverständnis nach 1933 strittig waren. Die einzige, allerdings schwergewichtige und komplexe Ausnahme zu dieser Kontinuität ist die durch die Rassenpolitik und die Judenverfolgung des NS-Regimes erzeugte Herausforderung. Nur wenn man diese Frage zur beherrschenden Perspektive erhebt — wofür es gute und gewichtige Gründe gäbe —, wäre es geboten, von einer jedenfalls in dieser Hinsicht spezifischen und außerordentlichen, einmaligen und besonderen Thematik der Theologie im „Dritten Reich" zu sprechen. Mit dem Vorschlag, die Theologieproblematik nicht unter die Kirchenkampfforschung zu subsumieren, sondern die besonderen Forschungsaufgaben der Zeit nach 1933 in den Kontext der Theologiedebatte zu stellen, soll allerdings nicht einer rein geistesgeschichtlichen Betrachtung das Wort geredet werden. Die damit beabsichtigte Horizonterweiterung macht sich die Einsicht zueigen, daß die im Gefolge der Aufklärung generierte Grundlagenkontroverse der Theologie als Wissenschaft als ein sich durchhaltendes und immer wieder erneuerndes Problem der Stellung der Theologie in und zur neuzeitlichen Moderne begriffen werden muß. Doch ist das nicht eine Kontroverse, die rein in sich selbst als akademische Übung schwingt. Sie ist durch reale Modernisierungsprozesse gesellschaftlicher und politischer Art bestimmt, modifiziert und vorangetrieben worden. Das gilt ebenso für die Ausgestaltung der wissenschaftlichen Theologie nach den Kriterien der historischen Methode wie auch für den fundamen-
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Trutz Rendtorff
talistischen bzw. rationalen theologischen Antimodernismus, der die Zeit seit dem Ersten Weltkrieg bestimmte. In dem Spannungsverhältnis von „Ideengeschichte" und „Sozialgeschichte" — auf die Theologie bezogen: von Theologiegeschichte und Kirchengeschichte — perennieren wesentliche Orientierungsprobleme der Theologie in der Moderne, die unter bestimmten Bedingungen sich mit politischen Konflikten verbinden, ohne mit ihnen identisch zu sein, und die deshalb auch Verständigungsprobleme innerhalb der Theologie und den an ihr orientierten Kirchen aufwerfen. In thetischer Abkürzung gesagt: Immer dort, wo eine prinzipielle und faktische Ubereinstimmung zwischen den für die Theologie maßgeblichen Problemlagen und der politisch-gesellschaftlichen Situation behauptet wurde, kam es zu wissenschaftlich nicht mehr handhabbaren Polarisierungen. Der Stellenwert der in sich unabschließbaren theologischen Grundlagendiskussion veränderte sich durch die Einführung von Entscheidungskriterien, die durch die Situation geboten und gefordert schienen. Dabei ist es sekundär, ob diese Ubereinstimmung in Form des strikten Gegensatzes oder der beabsichtigten Deckungsgleichheit konzeptualisiert wurde. Von dieser hier nicht weiter zu verfolgenden systematisch-historischen Exposition der Fragestellung her soll nunmehr in Form eines Perspektivenwechsels das Gegenstandsfeld einer Erforschung der Theologie im Nationalsozialismus in einigen exemplarischen Hinsichten erörtert werden.
3.
Forschungslage
Zur Forschungslage kann und soll hier nicht ein detaillierter Forschungsbericht gegeben werden. Selbstverständlich wird jeder die großen Werke von Klaus Scholder 12 und Kurt Meier 1 3 als Ausgangspunkt nehmen. Welche Erweiterungen und Neuorientierungen lassen sich in der Forschung beobachten? Wichtiges Material enthalten die inzwischen doch schon beachtlich zahlreichen Untersuchungen, die zu einzelnen Theologen und zu Fakultäten vorgelegt worden sind 14 . Die Summe, die aus den vorliegenden Forschungen gezogen werden kann, besagt, daß die Einbeziehung der wissenschaftlichen Theologie und der Universitätstheologen in die Kirchliche Zeit-
12
K.
13
K . MEIER, K i r c h e n k a m p f , Bd. 1 - 3 .
SCHOLDER,
Kirchen, Bd.
1
und 2.
1 4 Pars pro toto sind zu nennen: L . SIEGELE-WENSCHKEWITZ ZU Tübingen und Heidelberg, M. GRESCHAT ZU Gießen, R. STUPPERICH ZU Münster, R. P. ERICKSEN ZU Hirsch, Althaus und Kittel, J . H. ScHjeRRiNG ZU Hirsch, G. BRAKELMANN ZU Reinhold Seeberg; ferner die autobiographischen Darstellungen von W. TRILLHAAS, Vergangenheit; W. VON LOEWENICH, Fakultät; D E R S . , Theologie; W . STÄHLIN, Via Vitae; H.-D. W E N D L A N D , Wege. Zum Ganzen K. MEIER, Barmen und die Universitätstheologie.
Das Wissenschaftsverständnis der Theologie im „Dritten Reich"
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geschichtsforschung zu wichtigen Differenzierungen unseres Verständnisses der Zeit des Nationalsozialismus in theologiegeschichtlicher Hinsicht führt. Die wissenschaftliche Theologie, ihre Institutionen und ihr Personal sind nicht so ohne weiteres in das generelle Konfrontationsmuster zwischen Kirche und NS-Staat einzuzeichnen, wie es von der kirchenpolitischen Gesamtlage vorgegeben zu sein scheint. Neue konzeptionelle Impulse sind von den kritischen Fragen ausgegangen, die wohl zuerst von E. Bethge 15 im Blick auf die Stellung von Kirche und Theologie zur Judenfrage aufgeworfen worden sind. Soweit dabei die vor allem in den USA entwickelte Holocaustforschung eine initiierende Rolle gespielt hat, ging es zugleich um systematische Konsequenzen, um eine Revision des Geschichtsbildes der Bekennenden Kirche, aber auch um die Korrektur fundamentaler Orientierungen im wissenschaftlichen Selbstverständnis der Theologie. Damit eng verbunden ist die Frage, welche normative Bedeutung den Erfahrungen und Ereignissen der Epoche des NS-Regimes für das Verständnis von Kirchen- und Theologiegeschichte zuzumessen ist — bis hin zu weitausgreifenden Genealogien der NS-Weltanschauung oder geschichtstheologischen Fragen einer Hermeneutik der Christentumsgeschichte seit ihren Anfängen. Für die daraus abgeleiteten Postulate hat die Epoche des Nationalsozialismus grundlegend normative Bedeutung für die Hermeneutik der Kirchen- und Theologiegeschichte, die weit über historische Erörterungen und Forschungen hinausgehen und zu eigenwilligen Positionen innerhalb der Theologie ausgebildet worden sind. Darauf ist hier nicht näher einzugehen. Hervorzuheben ist ferner die Ausweitung der Fragestellung auf die Vorgeschichte vor 1933, in erster Linie auf die Zeit der Weimarer Republik. Klaus Scholder hat dafür bereits 1963 mit seinem Aufsatz „Neuere deutsche Geschichte und protestantische Theologie" 1 6 wichtige kritischkonstruktive Fragen entwickelt. Die Arbeiten von Kurt Nowak bis zu Klaus Tanner und Christoph Strohm sind hier einschlägig und ertragreich 17 . In anderer Richtung sind die Untersuchungen und Diskussionen zu erwähnen, die sich auf die Folgegeschichte des Kirchenkampfes nach 1945 beziehen und dabei vor allem dessen kontroverse Nachgeschichte im Zusammenhang mit der Stuttgarter Erklärung von 1945 bzw. dem Darmstädter Wort von 1947 untersuchen 18 .
1 5 Z u seinen k r i t i s c h e n Fragen an das t h e o l o g i s c h - p o l i t i s c h e Weltbild der B e k e n n e n d e n K i r c h e vgl. bes. E. BETHGE, U m s t r i t t e n e s E r b e . 1 6 K . SCHOLDER, N e u e r e deutsche G e s c h i c h t e u n d p r o t e s t a n t i s c h e T h e o l o g i e . 1 7 K . NOWAK, Kirche; K . TANNER, Verstaatlichung des G e w i s s e n s ; C . STROHM, E t h i k . 1 8 Vgl. d a z u bes. M . GRESCHAT, S c h u l d der Kirche; DERS., Z e i c h e n der S c h u l d ; G.BESIER/ G . SAUTER, C h r i s t e n .
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Trutz Rendtorff
Noch kaum in den Blick genommen ist der Vergleich der Rolle und Problematik der wissenschaftlichen Theologie mit anderen Universitätswissenschaften in der Zeit nach 1933. Hier liegt ein noch unerschlossenes Feld für vergleichende Forschung interdisziplinärer Natur 1 9 . So gab es z.B. seitens der NS-Wissenschaftspolitik, etwa bei Ernst Krieck 2 0 , Bestrebungen, über freie, d.h. nicht universitätsgebundene Akademien zu einer effektiveren Ausgestaltung NS-gemäßer wissenschaftlicher Ausbildung zu kommen. Die Dozentenlager waren ein Mittel, systemkonforme Gesinnung im Universitätslehrkörper zu indoktrinieren. Bestrebungen dieser Art, die Autonomie der Wissenschaft zu untergraben, machen das harsche Urteil von H.E. Weber gegen die Ausgliederung der Theologie aus der Universität verständlicher. Drei Beispiele mögen die Gesichtspunkte verdeutlichen, unter denen eine vergleichende Untersuchung der Universitätstheologie mit anderen Universitätswissenschaften ertragreich wird: Alan D. Beyerchen hat in seiner Untersuchung über „Physiker im Dritten Reich" gezeigt, daß das Programm einer „deutschen Physik" in der Zeit nach 1933 zwar wissenschaftspolitisch eine kurze und folgenreiche Blüte erlebte 21 . Konzipiert wurde die „deutsche Physik" von ihren beiden Hauptvertretern Lenard und Stark aber bereits vor 1933, und zwar in Auseinandersetzung mit und als Gegenposition zu der als spekulativ geltenden Relativitätstheorie Einsteins. Im Anschluß an Ringers Buch über die Mandarine 22 bemerkt Beyerchen über die für die deutsche Universität und die Professorenschaft charakteristische Selbstwahrnehmung, daß diese einer ihnen ganz selbstverständlichen nationalen Grundeinstellung verpflichtet waren. Am Beispiel der Physiker und ihrer Kritik an Einstein wird gezeigt, daß sich die Physiker selbst für unpolitisch hielten. „Politisch" war, wer sich, wie Einstein, für die Weimarer Republik einsetzte. Entsprechendes galt aber auch gegenüber einem „hinausposaunten Antisemitismus", der dem Komment des unpolitischen Selbstverständnisses der Wissenschaftler unbehaglich war, trotz des obwaltenden stillschweigenden Antisemitismus an den Universitäten. An Beyerchens Untersuchung wird wie bei vergleichbaren Untersuchungen zu anderen Disziplinen weiterhin deutlich, daß es schwerfällt, von einer einheitlichen Wissenschaftspolitik der Nationalsozialisten zu sprechen.
19
Bei P. LUNDGREEN, W i s s e n s c h a f t , ist die T h e o l o g i e nicht vertreten. Z u n e n n e n ist
M . HEINEMANN, E r z i e h u n g , B d . 2. 2 0 Vgl. etwa E . KRIECK, N e u b a u ; DERS., P r o b l e m l a g e ; DERS., F ü h r e r t u m . Z u r Wissens c h a f t s p o l i t i k v o n E r n s t K r i e c k vgl. G . MÜLLER, K r i e c k . 2 1 A . D . BEYERCHEN, W i s s e n s c h a f t l e r , S . 2 0 f f . Vgl. a u c h E . NOLTE, T y p o l o g i e . 22
F . K . RINGER, D i e
Gelehrten.
Das Wissenschaftsverständnis der Theologie im „Dritten Reich"
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Im Blick auf die Geschichtswissenschaft ist ein Vergleich lohnend, zu dem die Untersuchung von Winfried Schulze 23 Anlaß geben könnte. Schulze zeigt in seiner Darstellung der deutschen Geschichtswissenschaft nach 1945, daß die Wendung zur Sozialgeschichte in aufschlußreichdialektischer Weise vorbereitet worden ist durch die Entwicklung von Volkskunde und politischer Volksgeschichte, die, wiewohl in den dreißiger Jahren aus weltanschaulich-politischen Gründen gefördert, doch nicht einfach als eine Geburt des Nationalsozialismus verrechnet werden kann. Ein Beispiel aus der Soziologie: Hans Freyers frühes Buch „Antäus. Grundlegung einer Ethik des bewußten Lebens" 24 wurde von Ernst Troeltsch als ein „geistreicher Mittelweg" zwischen einer „aktivistischen Verachtung der Geschichte" und einem „Drang nach Synthese" gewürdigt, „der aus dem Gewesenen die Zukunft organisch gestalten möchte" 25 . Freyer war eine Schlüsselfigur in der Konzeptualisierung einer Deutschen Soziologie. Und das Heft 6 des 1. Jahrgangs der von E. Hirsch mitherausgegebenen Zeitschrift „Deutsche Theologie" wirbt auf dem Umschlag für die von Hans Freyer herausgegebene „Zeitschrift für deutsche Soziologie und Volkswissenschaft" mit dem Titel „Volksspiegel" 26 . Diese kurz skizzierten Beispiele enthalten signifikante Hinweise darauf, daß die wissenschaftliche Theologie nicht nur im Kontext der Kirchenpolitik zu sehen ist, sondern in Zusammenhängen mit der „geistigen Lage der Zeit" 27 , deren Deutung sich überall in den verschiedenen Wissenschaften disziplinspezifisch konkretisiert. Dabei zeigt sich, daß jede Disziplin ihre eigenen Probleme und Kontroversen im Blick auf ihren geschichtlich-gesellschaftlichen Standort in Auseinandersetzung mit der Moderne hatte. Und damit verstärken sich auch die Gründe dafür, die Wissenschaftsgeschichte und ihre Grundlagenkontroversen bzw. Orientierungsprobleme als Kontext für das Verständnis der Rolle der Universität im Nationalsozialismus in Anschlag zu bringen. Die kirchen- und theologiegeschichtliche Forschung kann durch solche Vergleiche aus der Engführung positioneller Betrachtungsweisen herausgeführt werden.
23
W . SCHULZE, G e s c h i c h t s w i s s e n s c h a f t .
24
H . FREYER, A n t ä u s .
2 5 E. TROELTSCH, Historismus, S. 26. H. FREYERS Beitrag zur „Uberwindung des Historismus" ist zu finden etwa in seinem 1935 gehaltenen Vortrag „Das geschichtliche Selbstbewußtsein des 20. Jahrhunderts", veröffentlicht in der Reihe Vorträge H. 3 des Kaiser Wilhelm-Instituts f ü r Kunst- und Kulturwissenschaft der Bibliotheca Hertziana in Rom, Leipzig 1937: „ N u r eine Gegenwart, die selbst in der geschichtlichen Bewegung steht, hat Zugang zur Geschichte" (S.27). 2 6 Deutsche Theologie. Monatsschrift f ü r die Deutsche Evangelische Kirche. Heft 6, Juni 1934, Rückseite. Vgl. auch A . BERGSTRAESSER, Volkskunde, sowie J. BEYER, Tagung; dazu H. BAUSINGER, Volksideologie. 2 7 Vgl. etwa P. TILLICH, Lage; DERS., Geisteslage; K . JASPERS, Situation.
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Trutz Rendtorff
Alle Universitätswissenschaften hatten gemeinsam das Problem, wie sie sich zum sog. „Arierparagraphen" stellen sollten. Die Eingriffe der „Entjudung" waren in anderen Wissenschaften, z.B. gerade der Physik, wegen des hohen Anteils „nichtarischer" Professoren und Dozenten viel einschneidender als in der Theologie. Im Vergleich dazu war jedoch der prinzipielle, theologische Stellenwert der Judenpolitik für die Theologie aus Gründen ihrer inhaltlichen Ausrichtung höher bzw. hätte über die eigene Fakultät hinaus für die Universität insgesamt erkannt werden müssen. Damit verbindet sich als noch kaum behandeltes Aufgabenfeld die in anderen Disziplinen stärker betriebene Emigrationsforschung. Es seien nur einige dafür repräsentative Namen genannt, die Bezugspunkt für einschlägige Forschungsunternehmen sein müßten: Paul Tillich, Otto Piper, Karl Ludwig Schmidt, Alfred de Quervain, Fritz Lieb 2 8 . Auch hier muß man vermuten, daß eine entsprechende Forschungsintention bisher noch keine nennenswerte Berücksichtigung gefunden hat, weil sie nicht mit der zunächst vorherrschenden Perspektive des Kirchenkampfes bzw. mit innertheologischen Frontstellungen ineins fällt. Vergleichbares gilt wohl auch für die nötige genauere Erkundung der „inneren" Emigration durch Kaltstellungen, Entlassungen etc. wie in Fällen von Heinrich Hermelink und anderen, die am Rande des Positionsspektrums lagen, das für die innertheologische Grundlagenkontroverse maßgeblich ist. Vergleichende Studien in den hier angedeuteten Fragekreisen können dazu beitragen, das Problem genauer zu definieren, das sich der theologischen und kirchlichen Zeitgeschichte stellt: Welche Bedeutung ist dem Konflikt mit dem Nationalsozialismus, in den Kirche und Theologie hineingerieten und den sie auf unterschiedliche Weise aufgenommen haben, für die Grundkontroverse beizumessen, die in der Theologie als Wissenschaft um ihr Selbstverständnis unter neuzeitlichen Bedingungen geführt worden ist? Welche Konturen werden dabei erkennbar im Unterschied zu der vorrangig behandelten und in anderer Weise aufschlußreichen Frage, ob und in welcher Weise die Theologie zum Aufkommen und zur Akzeptanz des Nationalsozialismus beigetragen hat und wie sich die Theologie insgesamt oder einzelne Theologen nach der „Machtergreifung" 1933 zum Nationalsozialismus gestellt haben? Die Probleme des Wissenschafts- und Selbstverständnisses der Theologie sind jedenfalls nicht allein durch Kirchen- und Theologiepolitik nach 1933 identifizierbar. Sie sind den Modernisierungsprozessen verbunden, die nach 1933 zu bestimmten politischen Pointierungen geführt haben. Dabei erhielt die Grundkontroverse ein zeitweise zugespitztes politisches Profil, an dessen Pointierungen sie sich aber nicht zu klären vermochte. Charakteristisch für die protestan2 8 Aufschlußreich dazu P.E. KAHLE, B o n n University. Zu F r i t z Lieb vgl. den Beitrag von M. R o h k r ä m e r in diesem Band.
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tische Theologie ist es allerdings, daß es in ihr bereits in der Zeit des Nationalsozialismus zu heftigen öffentlichen, literarischen Auseinandersetzungen um das Theologieverständnis gekommen ist, die die Theologiekontroverse teilweise mit Optionen und Gegenoptionen im Blick auf die „deutsche Bewegung" verbunden hat. Denn die Theologie war als kirchlich gebundene Wissenschaft anders als andere Disziplinen der Universität in den Kirchenkonflikt hineingezogen. Damit hängt es auch zusammen, daß die Fortsetzung der theologischen Kontroverse nach 1945 immer wieder auch als Kontroverse um den Kirchenkampf nach dem Kirchenkampf geführt wurde."
4. Zum Gegenstand einer Erforschung des der Theologie im „Dritten Reich"
Wissenschaftsverständnisses
Nach dem Blick auf Desiderate vergleichender Forschung sollen einige Gegenstandsbereiche, die der Erforschung des Wissenschaftsverständnisses der Theologie im „Dritten Reich" zugehören, genauer beleuchtet werden. a. Personen Untersuchungen zu Personen und Personengruppierungen im Sinne der theologischen Schulbildung und ihrer kirchlichen Anhängerschaft sind ohne Frage nötiger Gegenstand historischer Forschung. Es ist durchaus nicht trivial zu bemerken, daß bestimmte Personen, ihr Verhalten, ihre Positionen und Stellungnahmen eine wichtige Rolle gespielt haben. Insbesondere ist die Personalisierung der Kontroversen um das Selbstverständnis der Theologie unübersehbar. Die alles beherrschende Figur, die hier an erster Stelle zu nennen ist, war Karl Barth. Ohne sein Wirken hätte die Kirche nicht zu jener Position gefunden, die mit der Theologischen Erklärung von Barmen 1934 das Fundament für die Behauptung der Selbständigkeit der Kirche gelegt hat. Zugleich gilt aber auch, daß von der Theologie Barths ein spezifischer Polarisierungseffekt in der Theologie ausging, der sich auch in kirchenpolitischen Gegensätzen, trotz der gemeinsamen Front gegen die NS-Politik, auswirkte. Gerade an der Bedeutung Barths läßt sich darum sehr gut ablesen, daß die mit seiner Theologie verbundenen Auseinandersetzungen um das Theologieverständnis weder erst durch die NS-Herrschaft hervorgerufen, noch durch deren Ende nach 1945 beigelegt worden sind. Die sog. Dialektische Theologie, die sich an der Opposition gegen ein modern-neuzeitliches Theologieverständnis gebildet hat, ist an eben diesem Problemstand auch wieder in verschiedene Positionen auseinandergegangen. Das war bekanntlich ein Vorgang, der durch die „deutsche Bewegung" pointiert und wohl auch beschleunigt wurde, sich aber bereits vorher abzeichnete und erst nach 1945 zu voller Auswirkung gekommen ist.
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Hinsichtlich der Bedeutung einzelner Theologen für die Theologie in der Zeit des Nationalsozialismus kann man pauschal eine ausnahmslos geltende Regel aufstellen: Nennenswerte Bedeutung in der Kontroverse um das Selbstverständnis der Theologie haben nur solche Theologen erlangt, die auch unabhängig von ihrer Stellung zum NS-Staat bzw. zur Bekennenden Kirche und zur Kirchenpolitik beachtenswerte wissenschaftlichtheologische Leistungen erbracht haben. Das gilt, neben Karl Barth, für solche ihm opponierenden, in unterschiedlichen Graden der „deutschen Bewegung" zugeneigten Theologen wie z.B. Paul Althaus, Werner Eiert, Gerhard Kittel, Ethelbert Stauffer, Hanns Rückert, Heinrich Bornkamm. Es gilt ebenso für die der Bekennenden Kirche eng verbundenen Theologen der nächsten Generation wie z.B. Ernst Wolf, Gerhard von Rad, Günter Bornkamm, Ernst Käsemann. Diejenigen Theologen dagegen, die aufgrund von Protektion wegen ihrer den Nationalsozialismus unterstützenden Einstellung nach 1933 Karriere gemacht haben, sind durchweg für die Theologie als Wissenschaft bedeutungslos geblieben: Ich nenne nur einige Namen wie Johann Wilhelm Schmidt-Japing, Hartmut Schmökel, Hermann Mandel, Emil Pfenningsdorf oder Walter Birnbaum. Es gibt keine wissenschaftlich relevante Theologie, die durch das Medium expliziter und intendierter Bindung an den Nationalsozialismus für die Theologie als Wissenschaft Bedeutung erlangt hätte. Und entsprechend gilt, daß es auch keine beachtliche wissenschaftliche Theologie gibt, die allein durch die Opposition gegen den NS-Staat Bedeutung erlangt hätte, auch wenn es nach 1945 Karrieren an der Universität wegen entsprechender Verdienste gegeben haben mag. Dieser bemerkenswerte Sachverhalt legt die Deutung nahe, daß es trotz aller zeitbedingten Arrangements eine relativ zur politischen Umwelt sich durchhaltende autonome Wissenschaftskultur gibt, die nicht zuletzt in der Theologie objektive Maßstäbe gegen weltanschauliche Einflußnahmen zu bewahren vermag. Das schließt nicht aus, daß einzelne Wissenschaftler neben der Beachtung wissenschaftlicher Standards auch weltanschaulicher Korrumpierung erlegen sind. Generell kann man urteilen, daß der Nationalsozialismus aus sich heraus keine originäre eigene und der Selbständigkeit fähige Wissenschaftskultur erzeugt hat 29 . 2 9 In diesem Zusammenhang der Personen ist allerdings weitgehend noch unerforscht, was die Bedingungen des Nationalsozialismus für die Karrieren vor allem jüngerer Wissenschaftler bedeutet haben; welche Prozesse der Anpassung im Interesse der Karriere und des schweigenden Ausharrens bei schon erreichter Position zu beobachten wären. Uberhaupt ist die Frage, was die Jahre des Nationalsozialismus für die unterschiedlichen Generationen bedeutet haben, genauerer Nachfrage wert. Welche Unterschiede der Biographien ergeben sich im Blick auf die Ende der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts Geborenen (zu denen die großen Figuren wie Barth, Bultmann, Gogarten, Tillich, Althaus, Eiert etc. zählen), zu den um 1900 oder 1910 Geborenen?
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b. Institutionen Im Blick auf die Institutionen der theologischen Wissenschaft sind noch genauere Untersuchungen und Darstellungen nötig. Einige Gegenstände weiterer Erkundung seien hier aufgelistet: Zum Bestand der Fakultäten: 1931 bestanden im Deutschen Reich 17 evangelisch-theologische Fakultäten mit (1931) 126 bzw. (1938) 109 o.ö. Universitätsprofessoren. Insgesamt umfaßte der Lehrkörper der Fakultäten mit Extraordinarien, Privatdozenten, Honorarprofessoren, Lektoren, Lehrbeauftragten (1931) 273 bzw. (1938) 251 Personen. Im Vergleich aller Universitäten: (1931) 1721 bzw. (1938) 1584 o.ö. Professoren; das gesamte wissenschaftliche Personal der Universitäten: (1931) 5899 bzw. (1938) 5453 3 0 . Die theologischen Fakultäten bildeten in der Universitätslandschaft einen kleinen, überschaubaren Ordo mit hoher gegenseitiger Bekanntheit. Als Institutionen sind einige von ihnen mit Fakultätsgutachten zum „Arierparagraphen" hervorgetreten. Derartiges institutionelles Handeln blieb aber auf wenige Fakultäten begrenzt und wurde veranlaßt durch das besondere Engagement einzelner Professoren. Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit sollten daneben die außerhalb der Fakultätsstruktur gegründeten Institute sein. So hatte Reinhold Seeberg an der Berliner Universität 1923 ein „Institut für Sozialethik und Wissenschaft der Inneren Mission" gegründet, das der Theologischen Fakultät angegliedert war und in gemeinsamer Trägerschaft von Innerer Mission und Preußischem Staat bestand. Dieses Institut wurde 1938 in ein Institut für Volkswohlfahrt umgewandelt und aus der theologischen in die juristische Fakultät umgesiedelt. In dieser kleinen Institutsgeschichte 31 ließe sich die besondere und widersprüchliche Kontinuität der Sozialethik in den 20er und 30er Jahren exemplarisch nachzeichnen. Anders, weil zielgerichtet und einem deutlich an der NS-Ideologie ausgerichteten Programm zugewandt, ist dagegen das 1939 in Eisenach gegründete außeruniversitäre „Institut zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben", bei dem Walter Grundmann der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirates war 3 2 . Das in dieser Gründung bekundete Interesse lag deutlich außerhalb dessen, was die theologischen Fakultäten als Teil ihrer akademischen Aufgaben zu akzeptieren bereit waren. Ein eigener, der genaueren Erkundung harrender, Gegenstand sind die Programme und Pläne zur Studienreform. Das Jahr 1933 setzt auch eine
Die folgenden Angaben nach C . VON FERBER, E n t w i c k l u n g . Zur G r ü n d u n g des Instituts vgl. den Hinweis bei E . BEYREUTHER, Geschichte, S. 195; Genaueres zu seiner Geschichte jetzt bei F.W. G R A F / K . TANNER, Lutherischer Sozialidealismus, S. 364. 3 2 Vgl. dazu VERBANDSMITTEILUNGEN des Eisenacher Instituts N r . 1 v o m 3 0 . 1 2 . 1 9 3 9 , S.3. Z u r Arbeit dieses Instituts vgl. L. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, Mitverantwortung. 30 31
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Diskussion über die Reform des akademischen und so auch des theologischen Studiums in Gang. Dazu seien hier nur einige Hinweise gegeben. Programmatische Äußerungen zur „Entakademisierung" des Studiums finden sich z.B. bei F. K. Schumann 3 3 im Anschluß an den Arbeitsdienst. Dabei werden Motive artikuliert, wie sie immer wieder Studienreformdebatten kennzeichnen: Kritik der „ausschließlich historisch-theologischen Studien" in der Anfangsphase; der Vorschlag, die Studenten alsbald in die Sachfragen und Existenzfragen ihres künftigen Berufs einzuführen. Die Grundlagenkontroverse der Theologie schlägt sich nieder in der Wendung gegen die „Herrschaft der Kategorien des 18. Jahrhunderts in den Köpfen der Studenten". Zeitgeistspezifisch sollen Fragen der „germanischen Religion" ebenso eine Rolle spielen wie die Einbeziehung der „vielgestaltigen politischen Hilfs- und Erziehungsarbeit". Aber die wissenschaftliche Kultur hält doch auch dagegen: „Nicht verloren gehen darf das nur durch eigenes Arbeiten zu erreichende Verständnis für historische Methodik." 3 4 Als weitere Untersuchungsgegenstände müssen die Besetzungs- und Berufungspolitik sowie das Prüfungswesen genannt werden. Die Zerstörung der Autonomie der Universität hat sich nicht unerheblich über Besetzungen und Berufungen bzw. Nichtberufungen vollzogen, z.T. wie z.B. in Göttingen durch tatkräftige Hilfe aus den Fakultäten selbst (E. Hirsch). Zwangsversetzungen und Entlassungen waren massive Eingriffe in den Bestand der Fakultäten. Aufschlußreich ist dabei, daß sich in diesen Einflußnahmen auf widersprüchliche Weise auch traditionelle Spannungen zwischen „kirchlicher" und „wissenschaftlicher" Theologie zeigten, so wenn E. Stauffer oder E. Seeberg mit Gründen der Selbständigkeit akademischer Wissenschaft einer Anpassung an den NS-Staat gegen Ansprüche der Bekennenden Kirche das Wort redeten 35 . Zu besonderen Konflikten kam es im Prüfungswesen, da etwa in Preußen die Fakultätsprüfungen aufgrund von gewachsenen Vereinbarungen als Erstes kirchliches Examen anerkannt waren. Die Reklamation der Prüfungshoheit durch die Landeskirchen gegenüber den Fakultäten bildete insofern dann einen exemplarischen Konfliktfall in der Beziehung von Kirche und Staat. Das gesamte Feld der universitären Theologie mit den genannten institutionellen Faktoren gewinnt in seiner spezifischen Konfliktlage erst deutliches Profil, wenn man die Neugründung der Kirchlichen Hochschulen mit einbezieht 36 . Einerseits spiegelt sich in den Motiven, die zur Errich-
3 3 F.K. SCHUMANN, Neugestaltung. Entsprechende Vorstellungen auch bei H. FREYER, Werkjahr. 34
F . K . SCHUMANN, N e u g e s t a l t u n g , S. 1 4 4 .
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Vgl. dazu die Nachweise bei K. MEIER, Barmen und die Universitätstheologie, S. 101.
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V g l . d a z u STUDIUM; P. BRUNNER, A n f ä n g e ; W . SCHERFFIG, T h e o l o g e n , B d . 1 u n d d i e
Beiträge von G. Besier, H. Ludwig, W. Neuser und G. van Norden in diesem Band.
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tung der Kirchlichen Hochschulen führten, die Vielzahl der Einbruchsteilen des Einflusses der NS-Politik — Studienordnungen und Studieninhalte, Berufungen, Prüfungen —, so daß die Kirchlichen Hochschulen auf ihre Weise die Funktion übernahmen, die Autonomie der theologischen Wissenschaft zu wahren. Andererseits trat in der inhaltlichen Zielsetzung der Hochschulen die Spannung zwischen kirchlich-praktischer und wissenschaftlicher Ausbildung in neuer Form ans Licht. Dafür sind z.B. das Gutachten von Heinrich Schlier zur Aufgabe der Wuppertaler Hochschule mit seiner starken Betonung der Verpflichtung zu wissenschaftlicher Forschung und die ganz auf die praktische Ausbildung zielende Stellungnahme von Hans Asmussen charakteristische Belege 37 . c. Disziplinen In anderer Wendung müßte der Frage genauer nachgegangen werden, ob disziplinspezifische Unterschiede in der Stellung zum bzw. gegenüber dem Nationalsozialismus erkennbar sind. Eine grobe Durchsicht der bisher vorhandenen Kenntnisse ergibt keine eindeutigen Resultate: Theologen, die der „deutschen Bewegung" offen zugewandt waren, kamen aus allen Disziplinen. Als Beispiele seien genannt für das AT Artur Weiser, für das N T Gerhard Kittel, für die Kirchengeschichte Emanuel Hirsch oder Erich Seeberg, für die systematische Theologie Werner Eiert oder Paul Althaus. Offenkundig spielten für solche Einstellungsdisposition andere Gründe eine Rolle als die der wissenschaftlichen Disziplin. Aber es werden doch Themenschwerpunkte erkennbar, die in den Disziplinen die Auseinandersetzung um die Stellung der Theologie zum Nationalsozialismus zu artikulieren geeignet waren. Dazu gehört z.B. die Frage nach der Bedeutung des Alten Testaments für die christliche Theologie 3 8 . Aus dieser Auseinandersetzung resultiert der Legitimationsgewinn der alt-
3 7 Vgl. STUDIUM, S. 3 2 4 - 3 3 1 . In d e m v o n Schlier unterzeichneten M e m o r a n d u m der E l b e r f e l d e r D o z e n t e n v o m F r ü h j a h r 1936 wird m e h r f a c h der M a ß s t a b einer t h e o l o g i s c h e n F a k u l t ä t als f ü r die K i r c h l i c h e H o c h s c h u l e verbindlich g e n a n n t , i n s b e s o n d e r e i m Blick auf eine V e r p f l i c h t u n g der D o z e n t e n zu w i s s e n s c h a f t l i c h e r F o r s c h u n g . G e w a r n t w i r d vor einer „ P r i v a t i s i e r u n g " , die bestehe, wenn die H o c h s c h u l e die „ p r i v a t e A n g e l e g e n h e i t v o n Gliedern der G e m e i n d e " werde. D a g e g e n w i r d f ü r die H o c h s c h u l e ein „ k i r c h l i c h - ö f f e n t l i c h e r " Status gefordert, weil sie etwas anderes sei als eine „ p r i v a t e A n s t a l t " der B e k e n n e n d e n Kirche. D e m g e g e n ü b e r vertrat H a n s A s m u s s e n z u s a m m e n mit N i e m ö l l e r die A u f f a s s u n g , es sei nicht die A u f g a b e der K i r c h l i c h e n H o c h s c h u l e , die F a k u l t ä t e n zu ersetzen; ihre A u f g a b e solle sich jetzt auf die p r a k t i s c h e A u s b i l d u n g k o n z e n t r i e r e n , w o z u die in d e m M e m o r a n d u m a n g e m a h n t e W i s s e n s c h a f t l i c h k e i t einschließlich des d a m i t v e r b u n d e n e n Status der D o z e n t e n nicht erforderlich sei (vgl. die 5. T a g u n g der Ev. B e k e n n t n i s s y n o d e im Rheinland: J . BECKMANN, B e k e n n t n i s s y n o d e n ) . 3 8 Z u r D i s k u s s i o n u m das A l t e T e s t a m e n t vgl. C . NICOLAISEN, A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n ; H . - J . KRAUS, G e s c h i c h t e , bes. S. 4 2 1 - 4 3 4 ; W. SCHOTTROFF, T h e o l o g i e .
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testamentlichen Wissenschaft mit einem neuen Interesse an der Theologie des Alten Testaments, die der historisierend-weltanschaulichen Abwertung des Alten Testaments mit Gesichtspunkten seiner theologischen Bedeutung entgegentrat. Ein Vergleich der theologisch-dogmatischen Impulse, die die alttestamentliche Wissenschaft durch den jungen Gerhard von Rad 3 9 empfing, mit den streng historischen Arbeiten von Albrecht Alt 4 0 zeigt aber auch, daß die Widerständigkeit gegen weltanschauliche Beeinflussung der Theologie auch auf andere Weise, in Form von Methodentreue zur Geltung gebracht werden konnte. In der Kirchengeschichte wurde die Auseinandersetzung um die Germanenmission geführt sowie eine Debatte über die deutsche Mystik ausgetragen 41 . Ein eindrucksvolles Dokument für disziplinenspezifische Forschung jenseits politischer Einstellungsneigungen in der Zeit des „Dritten Reiches" ist das von Gerhard Kittel herausgegebene Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament 42 . Vor 1933 konzipiert, wurde der 1. Band 1932/33 abgeschlossen; in rascher Folge erschienen die Bände 2 bis 4 in den Jahren 1935, 1938 bis 1942. Die Mitarbeiterliste weist aus, daß dieses Werk eine Frucht akademischer Forschung darstellte und von den sich nach 1933 bildenden Konfrontationslinien kaum betroffen war. Sie umfaßt 40 Namen, 22 ordentliche Professoren, 6 außerordentliche Professoren, 8 Privatdozenten und 4 andere Mitarbeiter. Bei den jüngeren Mitarbeitern fällt auf die Mitarbeit z.B. von K. H. Rengstorf, G. v. Rad, E. Stauffer oder H. Schlier, die im theologiepolitischen Spektrum nicht derselben Farbe zuzurechnen waren. 3 9 G . VON RAD hielt als junger J e n a e r O r d i n a r i u s auf d e m Internationalen Alttestamentlerkongreß in G ö t t i n g e n a m 7. S e p t e m b e r 1935 einen Vortrag mit d e m T h e m a „ D a s theologische P r o b l e m des alttestamentlichen S c h ö p f u n g s g l a u b e n s " . D i e theologiepolitische A b s i c h t kennzeichnet R . ALBERTZ SO: „ G e g e n die Versuche dieser Zeit, T h e o l o g i e u n d Kirche über die . S c h ö p f u n g ' mit der nationalsozialistischen I d e o l o g i e zu verquicken, hat von R a d d e m ,alttestamentlichen S c h ö p f u n g s g l a u b e n ' jede Eigenständigkeit bestritten" (Welts c h ö p f u n g , S. 174). 4 0 Z u Alt k a n n auf die von K . Meier belegte Ä u ß e r u n g verwiesen werden (in diesem B a n d S. 84). 41 Zur A u s e i n a n d e r s e t z u n g u m die „ C h r i s t i a n i s i e r u n g D e u t s c h l a n d s " vgl. etwa H . RÜCKERT, B o n i f a t i u s . R ü c k e r t setzt sich dabei m i t den K r i t i k e r n an der Christianisier u n g auseinander, die „ i m Sieg der r ö m i s c h e n M i s s i o n nichts weiter sehen als den Sieg von List u n d Gewalt u n d in der darauf a u f b a u e n d e n deutschen G e s c h i c h t e des Mittelalters nichts weiter als eine F e h l e n t w i c k l u n g " (EBD., S. 341). Z u m Streit u m Meister E c k h a r t vgl.
H . BORNKAMM, E c k h a r t b i l d ; E . SEEBERG, H a n d s c h r i f t . 4 2 D e r H e r a u s g e b e r hebt i m V o r w o r t als „ E i g e n a r t unseres W ö r t e r b u c h s " die „Vielheit der M i t a r b e i t e r " hervor, die „ i n der A n w e n d u n g historischer u n d p h i l o l o g i s c h e r Method e n " ü b e r e i n s t i m m e n , aber auch „ i n e i n e m tieferen S i n n " ; die Einheit bestehe auch darin, einen „Beitrag zu e i n e m G e s a m t w e r k " zu schreiben, „ d a s als ganzes seine N o r m allein am N e u e n Testament h a t " (Bd. 1, S . V I ) .
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d. Zeitschriften 43 Was die Bedeutung der Zeitschriften, Periodica und Reihen für die wissenschaftliche Diskussion anlangt, so sind hier einige bemerkenswerte Beobachtungen zu machen. Zunächst ein Blick auf die klassischen Disziplinenzeitschriften wie „Zeitschrift für alttestamentliche Wissenschaft", „Zeitschrift für neutestamentliche Wissenschaft", „Zeitschrift für Kirchengeschichte" sowie das klassische Rezensionsorgan „Theologische Literaturzeitung". Eine Durchsicht der Jahrgänge von 1933 an ergibt ein relativ einheitliches Bild: Die disziplinspezifischen Zeitschriften haben im Großen und Ganzen, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, keine ausgesprochen zeitgeistspezifischen Tendenzbeiträge publiziert. Die wissenschaftlichen Organe sind sowohl in der Herausgeberschaft wie in den Mitarbeitern weiterhin von der disziplinspezifischen innerwissenschaftlichen Forschung geprägt. Das gilt auch für die Wahrnehmung der außerdeutschen internationalen Literatur und Diskussion. In den Zeitschriften dieses Typs zeigt sich eine politisch und kirchenpolitisch relativ wenig beeinflußte Kontinuität wissenschaftlicher Arbeit. Hier hat die historisch geschulte Methodik die Überlegenheit ihrer wissenschaftlichen Verbindlichkeit zur Geltung bringen können. Das ging natürlich Hand in Hand mit einer Distanz und Abstinenz gegenüber den aktuellen theologisch-kirchlichen Herausforderungen. Ein anderes Bild bieten die Zeitschriften und Reihen, die sich ausdrücklich der aktuellen theologischen Auseinandersetzung widmen. Schon das dramatische Ende der die sog. dialektische Theologie repräsentierenden Zeitschrift „Zwischen den Zeiten" 4 4 war das Zeugnis aktueller, durch den Nationalsozialismus zugespitzter Differenzen, die von dem gegen den Liberalismus gebauten Konsens nicht mehr aufgefangen werden konnten. Es folgten dann — allerdings als Antipoden — die Schriftenreihe „Theologische Existenz heute" (seit 1933) und die Zeitschrift „Deutsche Theologie" (seit 1934) 45 .
4 3 F ü r den folgenden Ü b e r b l i c k stütze ich mich auf detaillierte Untersuchungen von Teilnehmern eines Oberseminars in München „Theologie im Dritten R e i c h " im SS 1989, insbesondere von Elke G o ß zur „Zeitschrift für Systematische Theologie, von A. G r u h n zur „Zeitschrift für alttestamentliche Wissenschaft", von Christian Ihrig zur „Zeitschrift für Kirchengeschichte", von Heinrich H o f f m a n n zur „Zeitschrift für neutestamentliche Wissenschaft", von Christian N e e s zur „Theologischen Literaturzeitung", von G e o r g O k r u s c h zur „Zeitschrift für T h e o l o g i e und Kirche", von T h o m a s Schlag zur J u n g e n Kirche". 4 4 Näheres dazu bei K . G . STECK (vgl. oben A n m . 3), S. VIII ff. 4 5 Zu nennen wäre ferner die Zeitschrift, J u n g e Kirche", erschienen von 1933 bis 1941. D i e N u m m e r n 1 - 1 4 des Jahrgangs 1933 firmieren als „Mitteilungsblatt der Jungreformatorischen Bewegung", die H e f t e 15-20 als „ H a l b m o n a t s s c h r i f t f ü r reformatorisches C h r i s t e n t u m " (Verl a g j u n g e Kirche in Göttingen). Vgl. dazu auch P. NEUMANN, Jungreformatorische Bewegung.
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Eine Auswertung der Programmatik dieser beiden Schriftenreihen lenkt zugleich zurück auf die systematisch-historische These, mit der die Grundkontroverse um das Verständnis der Theologie einführend von mir beschrieben worden ist. Die „Deutsche Theologie" formulierte als Programmziel „die deutsche kirchliche Theologie, in der es wieder — wie allezeit in der Geschichte der christlichen Theologie mit alleiniger Ausnahme der Periode von der Aufklärung bis zum Weltkriege — eine undiskutierbare Substanz gibt, in deren Kraft allein es zu einem geschlossenen wirksamen Einsatz der christlichen Verkündigung in einer bestimmten Epoche der Geschichte kommen kann" 4 6 . An dieser Programmatik sind vier Punkte hervorzuheben: 1. die ausdrückliche Betonung „kirchliche Theologie", mit dem abgrenzenden Zusatz „deutsch"; 2. die dezidiert negative Beurteilung der Periode seit der Aufklärung, die programmatische Aufklärungskritik; 3. die Datierung der neuen Zeit nicht mit dem Jahr 1933, sondern mit dem Ende des Ersten Weltkrieges; 4. die Ausrichtung auf die „bestimmte Epoche der Geschichte". Vergleicht man damit die Programmatik der Schriftenreihe „Theologische Existenz heute", wie sie von Karl Barth in Heft 1 formuliert worden ist, so läßt sich deren Zielsetzung so zusammenfassen: 1. die ausdrückliche Betonung „kirchliche Theologie" („unsere theologische Existenz ist unsere Existenz in der Kirche" mit klarer Abgrenzung gegen den Verpflichtungsgehalt von „deutscher Theologie"); 2. eine dezidiert negative Bewertung des 18. und 19. Jahrhunderts (die Deutsche Glaubensbewegung und die Deutschen Christen sind keine neue Häresie; ihre Lehren entstammen „einer kleinen Sammlung von Prachtstücken aus dem großen theologischen Mülleimer des jetzt so viel gescholtenen 18. und ^ . J a h r hunderts"); 3. der von der Zeit geforderte Einsatz der neuen Theologie gegen die verwerflichen Nachfolgegestalten liberaler Theologie; 4. die emphatische Betonung der Selbständigkeit der Theologie gegenüber den politischen Ansprüchen des Nationalsozialismus („das Volk, auch und gerade das deutsche Volk von 1933, braucht es, . . . daß der uns gewordene Auftrag ausgeführt werde... Die Theologie . . . ist . . . die naturgemäße Grenze jedes, auch des totalen Staates") 47 . Die Gegenüberstellung der Programmaussagen beider Schriftenreihen zeigt charakteristische Ubereinstimmungen, z.B. in der Zuwendung zur „Kirchlichkeit" der Theologie oder im Urteil über die Aufklärung und ihre Folge in der Theologie; zugleich werden dezidierte Differenzen erkennbar im Blick auf die Zuordnung der Theologie zu der durch das 4 6 Das Programm der Zeitschrift findet sich auf der inneren Umschlagseite von Heft 1 und ist in gleicher Fassung und an gleichem O r t in allen folgenden Heften abgedruckt. Vgl. dazu den Beitrag von L. Siegele-Wenschkewitz in diesem Band, S. 123. 4 7 K. BARTH, Theologische Existenz heute!, S.4, 25, 40.
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Jahr 1933 veränderten Situation von Kirche und Theologie. Die Verbindung von Theologie und Zeitdiagnostik schürzt sich zum Knotenpunkt schärfster Gegensätze im Verständnis der Theologie, ihrer Aufgabe und Funktion im Leben der Gesellschaft, angesichts ihrer Inanspruchnahme für die deutsche Politik nach 1933. 5. Theologie im Konflikt zwischen Wissenschaftstradition und Zeitdeutung Die institutionspolitischen, organisatorischen und personellen Problemfelder der Theologie in der Zeit nach 1933 sind verflochten mit konzeptionellen Kontroversen um das Selbstverständnis der wissenschaftlichen Theologie. Aus dieser Verflechtung ergibt sich das spezifische Dickicht, in dem sich die theologische wie die ihr folgende kirchliche Auseinandersetzung um die Zeit des „Dritten Reiches" als Epoche der Theologie- und Kirchengeschichte bewegt. Der Konflikt zwischen der Wissenschaftstradition der Theologie nach der Aufklärung und der in sich höchst widersprüchlichen Zeitdeutung stellt den Kontext dar, in dem die Ereignisse und Erfahrungen der dreißiger Jahre über die aktuellen Anlässe hinaus ausgelegt werden. Die damit eröffnete Gesamtperspektive kann hier nur in Thesenform entwickelt werden. 1. Die wissenschaftliche Theologie hat in der Konsequenz der Aufklärung im 18. Jahrhundert, d.h. nach der Auflösung der klassischen protestantischen Dogmatik als verbindlichem Bezugsrahmen der gesamten theologischen Wissenschaft, einen neuen methodischen Konsens allein auf dem Wege der Entwicklung und Handhabung der historischen Methoden gefunden und praktiziert. Die historisch-kritische Methode stand als Inbegriff akademischer Theologie schlechthin in Geltung. Außerhalb der durch historische Forschungsmethoden bestimmten wissenschaftlichen Arbeit hat die protestantische Theologie zu keinem Zeitpunkt einen allseitig akzeptierten Konsens über das theoretische und praktische Selbstverständnis erreicht. Die dogmatische, ethische und praktische Theologie wurde so zum Austragsort einer permanenten Grundlagenkontroverse, die durch die Verwissenschaftlichung der Theologie in ihren historischen Disziplinen zwar methodisch begrenzt werden konnte, aber nicht befriedigend beendet wurde. Die das 20. Jahrhundert einleitende Krise des Historismus hat diesen methodologischen Konsens brüchig werden lassen und die Grundlagenkontroverse der Theologie für theologische Deutungen der Geschichte insbesondere der Zeitgeschichte geöffnet. 2. In der Deutung des Ersten Weltkrieges hat sich in der Theologie — in Einklang mit allgemeinen Strömungen des Zeitbewußtseins und verbreiteter Wissenschaftskritik — eine geschichtstheologisch artikulierte
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Fundamentalkritik der Grundannahmen der Aufklärung und des historischen Bewußtseins durchgesetzt. In deren Gefolge bildete sich ein Negativkonsens in der Verwerfung des 18. und 19. Jahrhunderts, insbesondere des modernen „Liberalismus" in Theologie und Kirche. Der Negativkonsens blieb in seinen Zielvorstellungen zwar kontrovers, verband aber doch die geforderte Neuorientierung der Theologie mit Erwartungen an grundlegende Wandlungen der Gesamtlage im 20. Jahrhundert. 3. Bis 1933 verlief die Kontroverse um Möglichkeiten und Notwendigkeiten eines neuen, zeit- und sachgemäßen Verständnisses von Theologie akademisch und kirchlich. Als theoretische oder praktische Orientierungssuche war sie über den generellen Negativkonsens hinaus frei, d.h. sie wurde nicht direkt politisch in Anspruch genommen, auch wenn sie von politischen Urteilen durchzogen war. Diese Grundlagenkontroverse veränderte ihren Charakter entscheidend in dem Maße, indem sie unmittelbar mit direkten Ansprüchen der NS-Revolution verbunden wurde. Die unmittelbare Politisierung der theologischen Zeitdeutung führte dazu, daß die Breite der unterschiedlichen Auffassungen und Positionen in diesem Streit in eine theologisch-politische Polarisierung überging. Die freie, weil durch keine direkten politischen Optionsforderungen bestimmte Grundlagendiskussion, wie sie sich bis 1933 als Streit theologischer Lehrmeinungen vollzogen hatte, trat nach 1933 unter den Zwang politischer Urteile. Dadurch wurde die theologische Zeitdeutung als Teil der Selbstverständigungsdebatte in ein ihr im Prinzip fremdes Medium übertragen, für das es keine anerkannten und wissenschaftlich-theologisch erprobten Methoden und Verfahrensweisen gab. Der unmittelbaren Verbindung von Theologie und Politik war die Theologie weitgehend ohne ein dafür geeignetes Instrumentarium ausgesetzt; sie fand sich darin verstrickt. Diese spezifische, durch den Nationalsozialismus heraufgeführte Lage wird schlagartig deutlich, wenn man die entsprechende Entwicklung der Grundlagenkontroverse protestantischer Theologie in anderen Ländern im gleichen Zeitraum vergleicht, wie in den nordischen Ländern Dänemark, Norwegen und Schweden, oder in England und den USA. Obwohl dort durchaus vergleichbare Kontroversen um das Erbe von Aufklärung und Liberalismus geführt wurden, nahmen sie außerhalb Deutschlands einen deutlich anderen Verlauf. Die Politisierung in Deutschland führte zu einer Radikalisierung und spezifischen Verengung der Grundlagendiskussion. 4. Die Verbindung der für die Theologie lebenswichtigen Auseinandersetzung um ihre Stellung zur neuzeitlichen Moderne mit dem politischweltanschaulichen Anspruch des Nationalsozialismus führte in das schon genannte Dickicht. Denn der Nationalsozialismus verband die Grundelemente seiner Ideologie ebenfalls mit einer massiven Aufklärungskritik. Man könnte sagen, daß eine allgemein wahrgenommene Modernisierungs-
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krise das verbindende Element zwischen den politisch-weltanschaulichen Zielsetzungen des Nationalsozialismus und der Grundlagenkontroverse in der Theologie, wie auch in den anderen Wissenschaften, darstellte. 5. Die Erwartung, mit dem Nationalsozialismus beginne eine neue Geschichtsepoche, mit deren Ubereinstimmung auch die für die Theologie relevante Grundlagenkontroverse so oder so geklärt werden könne, beruhte auf einer grundsätzlichen Fehleinschätzung des Verhältnisses von Politik und Theologie bzw. Politik und Wissenschaft. Sie konnte denn auch während der Zeit des Nationalsozialismus nicht geklärt, geschweige denn beendet werden. Sie ist in der Zeit nach 1945 neu aufgenommen und fortgesetzt worden, jetzt aber durchsetzt mit den Erfahrungen des Kirchenkampfes und den daraus resultierenden kirchenpolitischen und allgemeinpolitischen Urteilen und Wertungen. 6. So wie die Grundlagenkontroverse der Theologie seit 1918 bzw. 1914 durchsetzt ist mit zeitdiagnostischen bzw. epochendiagnostischen Urteilen über die Moderne, bleibt sie auch nach 1945 mit entsprechenden politischen Zeitdeutungsurteilen verbunden. Die Kritik an der Verwissenschaftlichung der Theologie nach der Aufklärung hat die Konsequenz, daß die theologischen und kirchlichen Verständigungsdebatten der wissenschaftlich konsensfähigen historischen Methodik entzogen sind, von ihr nicht geregelt und kontrolliert werden können. Denn das historisch-methodische Bewußtsein wird selbst als Ausdruck einer aufklärungsbedingten, zu überwindenden Weltanschauung in den Grundlagenstreit mit hineingezogen und kann ihm nicht, zumindest nicht zureichend als Kontrollinstanz dienen. Es bleibt nur für disziplinäre Teilgebiete der Theologie wirksam, nicht für die Theologie insgesamt. Die Zeitdeutungskomponente mit ihren politischen Optionsforderungen bleibt auch nach dem Ende des Nationalsozialismus relevant und öffnet sich anderen Verbindungen. Nach 1945 ist es dann in erster Linie das Sozialismussyndrom, mit dem sich theologische, mehr aber noch kirchliche Auseinandersetzungen und Polarisierungen verbinden. Als Anhang zu dieser thesenförmig formulierten Gesamtperspektive bzw. als exemplarischer Beleg für die Verbindung von theologischer Grundlagenreflexion und politischer Zeitdeutung seien zwei Positionen in aller Kürze einander gegenüberstellt, die dafür gerade in ihrer Gegensätzlichkeit als repräsentativ gelten können. Uber die herausragende Bedeutung Karl Barths für die Grundlagenkontroverse der protestantischen Theologie nach 1918 kann es keinen Zweifel geben. Er galt seinen theologischen Zeitgenossen als Exponent des Kampfes gegen den theologischen Liberalismus in seinen wissenschaftlichen und kirchlichen Formen. Umbau und Neubau der Theologie in konsequenter Abkehr von der durch Aufklärung und Historismus bestimmten Verfaßtheit der Theologie wurde durch ihn zum theologischen Programm
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einer ganzen theologischen Generation. Nicht akademische Wissenschaft definiert Theologie, sondern die Theologie soll auf dem ihr eigenen Weg zu ihrer rein theologischen Wissenschaftsform finden. In der durch den Nationalsozialismus heraufgeführten Gesamtlage sah Karl Barth in der Gestalt der Deutschen Christen die endgültige Enthüllung des Gegners, dem er den Kampf angesagt hatte. Die innertheologische Auseinandersetzung zwischen sog. liberaler und dialektischer Theologie suchte Barth auch als Kriterium für den Kirchenkampf zu verdeutlichen 48 . Ökumenischen Beobachtern der deutschen Szene nach 1933 erklärte er, das eigentliche Thema der Auseinandersetzung sei für Kirche und Theologie nicht der totale Staat, vielmehr ginge es im Kirchenstreit um die „grundsätzliche Reinigung" von Kirche und Theologie von der Überfremdung durch Liberalismus, natürliche Theologie und menschliche Philosophie. Diese Perspektive, die in der Bekämpfung des „Neuprotestantismus" ihr inneres Kontinuitätsmoment hat, bildet den zeitdiagnostischen Kern seiner Deutung des Kirchenkampfes. Das theologische Programm war zugleich verbunden mit einer ins Politische gewendeten Geschichtstheologie: „Das ,christliche Europa' kehrt unter dem Gelächter der Hölle zu seiner ursprünglichen Freiheit zurück." Heute erhält das Christentum „die Quittung für die große Lüge, deren es sich seit dem verhängnisvollen Zeitalter Konstantins auf der ganzen Linie schuldig gemacht hat" 4 9 . „Die Zeit, das christlich-bürgerliche oder bürgerlich-christliche Zeitalter ist abgelaufen, das Christentum in seiner uns bisher bekannten Gestalt ist zu Ende", die Trennung der Gemeinde von der „konfirmierten und getauften Menschheit" sei unvermeidlich. Mit dieser zeitdiagnostischen Perspektive stellte sich Barth bewußt außerhalb des Verständigungskodex der wissenschaftlichen Theologie. Im Jahr 1935 verabschiedete Barth sich von seinen Studenten in Bonn mit dem vielzitierten Ratschlag, nach intensiver dogmatischer Belehrung sei es nun an ihnen, „Exegese, Exegese, und noch einmal Exegese" zu treiben 50 . An der Beschäftigung mit den biblischen Texten hatte sich jener methodische Konsens gebildet, der der Universitätstheologie ihr wissenschaftliches Gepräge gab. An der Frage der Exegese entstand denn auch der Konflikt mit Rudolf Bultmann. Bultmann, der keiner Neigung zum Nationalsozialismus verdächtig war, bestritt rundheraus die Exegesefähig4 8 Die theologische Zeitdiagnose Barths ist in dieser Hinsicht Bestandteil der Prolegomena der Kirchlichen Dogmatik (vgl. dazu K D 11,1, bes. S. 196 f.). 4 9 K. BARTH, Evangelium, S. 32. Die folgenden Zitate EBD., S. 33 und 35 (Vortrag in Basel und Bern). 5 0 Vgl. EBD., S. 17: „Nehmen Sie jetzt also meinen letzten Rat: Exegese, Exegese und noch einmal Exegese! Wenn ich Dogmatiker geworden bin, so deshalb, weil ich lange vorher mich bemüht habe, Exegese zu treiben" (Ansprache auf einer Bibelfreizeit für die Studenten der Bekennenden Kirche in Bad Godesberg am 10.2.1935).
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keit der Barthschen Theologie: „Der Text wird von Ihnen nach dem Rezept der Dogmatik abgefragt und redet nicht mit seiner eigenen Stimme. Nach wenigen Sätzen weiß man schon alles, was Sie sagen werden und fragt sich nur gelegentlich, wie wird er das jetzt aus den folgenden Textworten herausbringen..." 5 1 Die geschichtstheologische Diagnose Barths, die er an der deutsch-christlichen Variante des Nationalsozialismus festgemacht hatte, ging in ihren Voraussetzungen und Konsequenzen für das Wissenschaftsverständnis der Theologie weit über das hinaus, was Gegenstand der realen politischen und kirchenpolitischen Auseinandersetzung war. Politisierung und Theologisierung der Auseinandersetzung verstärkten sich nach 1933 gegenseitig. Barths Versuch, die Auseinandersetzung mit den Deutschen Christen und insofern mit dem Nationalsozialismus auf die gleiche Ebene zu rücken wie seinen theologischen Kampf gegen die aufklärungsbedingte liberale wissenschaftliche Theologie, gab den Zeitdeutungselementen seiner Theologie ein Gewicht, das weit über 1945 hinaus wirksam blieb. Seine große Bedeutung für die Formierung des kirchlichen und theologischen Widerstands gegen die Gleichschaltungspolitik nach 1933, die entscheidend zum Zustandekommen der Barmer Theologischen Erklärung 1934 beigetragen hat, hängt mit seinem Ruf zur sachgemäßen Selbständigkeit von Kirche und Theologie in einer Weise zusammen, die nicht mit dem ihm eigentümlichen Verständnis von Theologie unmittelbar identisch ist, jedenfalls nicht in der Weise, daß mit seiner kirchenpolitischen Wirkung auch die Grundlagenkontroverse der Theologie in der von ihm anvisierten Weise beendet worden wäre. Sie hat, befreit vom Druck politischer Einflußnahmen, ihren weiteren Gang genommen. Emanuel Hirsch, der sich, seit Barth 1922 nach Göttingen kam, zum Gegenspieler Karl Barths berufen fühlte, hat auf seine Weise den Kampf gegen den Neuprotestantismus und Liberalismus geführt, dem er die Tendenz nachsagte, „die Freiheit ins Untermenschliche zu stürzen". In mehreren programmatischen Stellungnahmen hat er einen Neubau und Umbau der Theologie gefordert. In seiner Darstellung der „Lage der Theologie" von 1936 wimmelt es von geschichtstheologischen und zeitdiagnostischen Urteilen wie „Bannung der Dämonien des 18. und 19. Jahrhunderts", „Umwälzung des Weltbildes", „Vollstreckung der Krise" der Moderne. Gefordert wird die Scheidung von der „vor dem Kriege als kanonisch geltenden neuprotestantischen Theologie" 5 2 . Aber im Rahmen dieser geschichtstheologischen Übereinstimmung mit Barth sah Hirsch im Gegensatz zu Barth den Nationalsozialismus nicht als 5 1 Brief Bultmanns an Barth vom 10.12.1935 (K. BARTH/R. BULTMANN, Briefwechsel, S. 163). 5 2 E. HIRSCH, Lage, S. 42 und 61.
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enthüllte Endgestalt der liberalen Theologie, sondern im Gegenteil als eine Bewegung, die Chancen zu einer Neugestaltung der Theologie eröffnete: „Zum ersten Male seit der Auflösung der alten kirchlich gebundenen deutschen Kultur hat der deutsche politische Wille die innere Einigung des deutschen Volks in der Zucht einer auf den Gottesglauben sich gründenden deutschen Weltanschauung von selbstverständlicher Gültigkeit sich zum Ziele gesetzt."53
Die Theologie müsse sich in die „neue geistige Gesamtlage, die tief in das bis 1933 Gewohnte einschneidet", hineinfinden und in ihr zurechtfinden. Hirsch forderte mit kritischem Blick auf Barth eine Theologie, die nicht zum Altprotestantismus zurückkehrt, sondern den Neuprotestantismus so überwindet, daß dabei die von der neuen Zeit geforderten radikalen Konsequenzen aus dem „Schicksal christlichen Denkens in der Neuzeit" gezogen werden 54 . Als Ziel proklamierte Hirsch ein neues „Heimischwerden unserer so andersartigen Denk- und Lebensverfaßtheit in eben dem Glauben, der Luthers Reformation bewirkt und getragen hat". Dabei wendet sich Hirsch ausdrücklich gegen eine Gleichschaltung von „politischer Gemeinschaft" und „Gemeinschaft des Glaubens und der Anbetung" 5 5 . Der Theologie als Ausdrucksgestalt evangelischen Glaubens wird von Hirsch eine charakteristisch andere Funktion zugewiesen als von Barth. Hirsch plädiert zwar auch und auf seine Weise für ein Bekenntnis zur Erschütterung aller wissenschaftlich-theoretischen Sicherheiten und Gewißheiten. Der Theologe müsse offen sein zu der für das evangelische Christentum eigentümlichen „schöpferischen Unruhe", die in keiner festgelegten Weltanschauung aufgehe und zur Ruhe komme. Sie habe ihre theologische Richtschnur in der Rechtfertigung, nicht in der Erkenntnis. Der Berufung auf das Eigenrecht, den Reichtum und die Stärke der Theologie bei Barth tritt bei Hirsch der Appell an die Armut und den Notbehelfscharakter der Theologie gegenüber. Hirsch setzt dem politischen Anspruch des Nationalsozialismus keine starke Theologie entgegen. Wenn er die Reinigung und Erneuerung der Theologie, zu der das Jahr 1933 in zeitdiagnostischer Hinsicht beizutragen vermag, darin sieht, daß die Theologie der wissenschaftlichen Rüstung entkleidet wird, die sie sich mit Mitteln der Verwissenschaftlichung nach der Aufklärung angelegt hat, dann liegt darin ein Moment der Ubereinstimmung mit Barth. Die Unvereinbarkeit beider Positionen liegt also nicht in der zeitdiagnostischtheologischen Bewertung, die der gegenwärtigen Lage 1933 eine normative EBD., S. 38. Das folgende Zitat EBD., S.39. Diesem Zweck sollte auch die von E. HIRSCH herausgegebene Textsammlung dienen, die 1938 erschienen ist mit dem Titel „Die Umformung des christlichen Denkens in der Neuzeit" (Zitat aus der „Vorrede", S.VI). 5 5 E. HIRSCH, Lage, S. 61 und 62. Vgl. auch den Beitrag über E. Hirsch von J . Alwast in diesem Band. 53
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Besonderheit zuspricht. Unvereinbar ist das Selbstverständnis der Theologie. Barths Stärke lag darin, die Theologie als im Medium der Kirche handelndes Subjekt mit eigener Selbständigkeit gegenüber dem Staat auszustatten, während Hirsch dem politischen Handlungssubjekt nicht nur den unbedingten Vorrang in der Gesamtgestaltung der politischen Gemeinschaft zuordnete, sondern diesem Vorrang in dem Maße theologische Würde verlieh, als der NS-Staat mit seiner Weltanschauung das Eigenrecht des humanen Subjekts, wie es als Frucht der Aufklärung sich gebildet hat, prinzipiell negierte. Beide Positionen sind nicht das letzte Wort in der Auseinandersetzung darum, auf welche Weise das Subjekt repräsentiert wird, das dem totalen Staat die Grenze setzt und darum in seinem Eigenrecht stark gemacht werde, obwohl dasselbe Subjekt zugleich vor Gott als der der Rechtfertigung bedürftige, weil aus eigener Kraft nicht beständige Mensch bestimmt ist. Das Wissenschaftsverständnis der Theologie im „Dritten Reich" läßt sich als die unter extremen politischen Bedingungen spezifische Akzentuierung von Grundproblemen der Theologie in der Moderne begreifen. Die Zeit des Kirchenkampfes ist im protestantischen Geschichtsbild in ihrer paradigmatischen Bedeutung zu Reformation und Aufklärung hinzugetreten. Je größer der zeitliche Abstand, umso stärker scheint das der Fall zu sein. Kirchenkampfforschung und theologische Verständigungsdebatten haben sich dabei gleichsam aufeinander zu bewegt. Wird das so weitergehen? Es könnte sein, daß wir gegenwärtig Zeugen von weltpolitischen Ereignissen sind, die zur Ausprägung eines neuen Paradigmas führen, das den bisher schon in Theologie und Kirche geltenden historischen Orientierungsdaten an die Seite tritt. Das mag einige Zeit dauern. Aber die Intensität, mit der sich in den Jahrzehnten seit 1945 theologische Auseinandersetzungen mit am Sozialismus orientierten Zeitdeutungen verflochten haben, spricht eher dafür, daß mit dem Ende des staatlich organisierten Sozialismus und der von ihm ausgehenden theologisch-kirchlichen Orientierungsforderungen der Forschung sich ähnliche Fragen stellen werden, wie sie durch den Rückblick auf die Zeit nach 1933, ihre Vorgeschichte und ihre Nachgeschichte, zu stellen sind. U m so wichtiger ist es, daß über allem dramatischen Wandel und Zeitdeutungsbedarf der gleichzeitig bestehende und erneuerungsnötige Bedarf an historisch-kritischer Sicht als Rückgrat wissenschaftlicher Verständigung nicht zu kurz kommt.
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Nationalsozialistische Hochschulpolitik und die evangelisch-theologischen Fakultäten 1 A. Juristische und ideologische Ausgangssituation Von den zwei Begriffen der Themenformulierung ist nur der eine genau zu definieren. Die theologischen Fakultäten waren rechtlicher Bestandteil der Körperschaft Universität, und zwar seit alters der rang- und prestigemäßig vornehmste Teil der universitas magistrorum et scolarium. Freilich hatte die Entfaltung der modernen Wissenschaft in den letzten Jahrhunderten die Theologie in eine eher negativ tangierte Sonderstellung gerückt: Ihre Lehrmaterie ließ sich dem konsensuellen Normbegriff von Wissenschaft nicht mehr ohne weiteres einordnen; das Erfordernis eines spezifischen Bekenntnisses als Voraussetzung für die personale Zugehörigkeit wie für adäquate Behandlung der Lehrmaterien isolierte sie von den sich zunehmend als konfessionsneutral definierenden anderen Universitätswissenschaften. Die Besonderheiten der theologischen Fakultäten hatten schon im 19. Jahrhundert zu Angriffen auf ihren Verbleib an den staatlichen Hochschulen geführt; so forderte Paul de Lagarde ebenso wie Franz Overbeck ihre Ersetzung durch religionswissenschaftliche, konfessionsfreie Fakultäten 2 . Dennoch war 1933 der rechtliche Status der theologischen Fakultäten doppelt abgesichert: durch Art. 149 III WRV und durch Verträge zwischen Einzelstaat und jeweiliger evangelischer Landeskirche. Die Garantie der theologischen Fakultäten durch die Reichsverfassung war Bestandteil der imparitätischen Privilegierung der etablierten Großkirchen und neben der staatlichen Kirchensteuereinziehung ein hervorstechendes Kennzeichen für die 1919 nur partiell vollzogene Trennung von Staat und Kirche 3 . Der verfassungsrechtliche Bestandsschutz der theologischen Fakultäten in der Reichsverfassung resultierte aus der von allen Parteien akzeptierten Kultur-
1 Nachfolgendes kann nur als erste Skizze des vielschichtigen Problems verstanden werden. Vor allem müßten, u m alle Aspekte und Einzelvorgänge zu erfassen, weitaus detaillierter sowohl Aktenauswertungen in Archiven als auch Untersuchungen der Geschichte aller theologischen Fakultäten vorgenommen werden, als dies dem Verfasser aus Zeitgründen möglich ist. 2
V g l . E . - L . SOLTE, T h e o l o g i e , S . 2 1 f f .
3
Vgl. dazu grundlegend M. HECKEL, Fakultäten; aus der älteren Literatur W. WEBER, Status;
H . C . MAHRENHOLZ, M i t w i r k u n g .
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staatsverpflichtung, zu deren Aufgabe die Pflege der Wissenschaften und damit auch die der Theologie gehörte. Daß die Regelung von 1919 nicht von vornherein als selbstverständlich gelten konnte, beweisen die nicht geringe Zahl von Gutachten prominenter Theologen, an ihrer Spitze Harnack 4 , sowie Eingaben von Universitäten zugunsten der Beibehaltung der theologischen Fakultäten 5 . Im Regierungsentwurf der Verfassung war die Bestandsgarantie nicht enthalten gewesen, wenn sie auch implizit aus der Festlegung des Religionsunterrichts als ordentlichen Lehrfachs an den Schulen in Art. 149 I W R V folgte. Die Garantie, der alle Parteien außer der USPD 6 zustimmten, wurde im Antrag des Zentrums damit motiviert, daß sie in der „Konsequenz des bisherigen Bestandes der großen alten Religionsgesellschaften" liege und daß es der im „Interesse der Gesamtheit des Staates" erteilte Religionsunterricht nahelege, die Ausbildung der entsprechenden Lehrkräfte nicht von der allgemeinen akademischen Ausbildung zu trennen 7 . Nicht eindeutig erklärt war durch den Wortlaut von Art. 149 III WRV, wieweit sich der Bestandsschutz erstreckte. Aus der Formulierung der zweiten Lesung: „Die bestehenden theologischen Fakultäten an den Hochschulen bleiben erhalten" 8 , wurde in der dritten Lesung das Wort „bestehenden" gestrichen9 — aus einer Koalition gegensätzlicher Motive heraus: die einen wollten nicht die eventuelle Errichtung theologischer Fakultäten 4 Vgl. W . D E L I U S , Fakultäten, S . 4 2 f f . ; EBD. auch Inhaltsangaben der Gutachten von Adolf Deißraann und Hans von Schubert. 5 Vgl. als Beispiel den Beschluß des Großen Senats der Universität Heidelberg vom 19.12.1918: „Der Große Senat der Universität Heidelberg hält es für seine Pflicht, etwaigen Absichten auf Beseitigung der theologischen Fakultäten an den deutschen Universitäten mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten. Die Zerstörung des Zusammenhanges des theologischen Studiums mit der Gesamtuniversität würde eine unheilvolle Schädigung der wissenschaftlichen Ausbildung der Geistlichkeit und damit auch eine Gefährdung der allgemeinen Volksbildung bedeuten, die zu den Grundgedanken des Volksstaates in schroffem Widerspruch stünden. Zugleich aber würde die Wissenschaft durch eine Isolierung der theologischen Studien in besonderen Anstalten, aber auch bei einer Unterbringung der rein theoretischen Gebiete der Theologie in der philosophischen Fakultät, einen schweren und unersetzlichen Verlust erleiden. Die theologischen Fakultäten haben sich durch ihre wissenschaftlichen Leistungen das unbedingte Recht erworben, im Rahmen der Universitäten gleichberechtigt weiterzuwirken." Der Beschluß wurde den übrigen deutschen Universitäten, dem badischen Kultusministerium und der Heidelberger Presse übermittelt (UA HEIDELBERG, Senatsprotokolle 1918). 6 Auch ihr Vertreter hatte nichts dagegen einzuwenden, daß die theologischen Fakultäten bestehen blieben, „wenn die Erhaltung aus rein privaten Mitteln außerhalb der Hochschulen geschieht." 7 Vgl. zu den Beratungen im Verfassungsausschuß VERHANDLUNGEN, Bd. 336: Anlagen: Anlagen zu den Stenographischen Berichten; Nr. 391: Bericht des Verfassungsausschusses. Über die Motive für die Aufnahme von Art. 149 III WRV vgl. W. L A N D E , Schule, S. 92 ff. 8
VERHANDLUNGEN, B d . 3 3 7 ,
9
VERHANDLUNGEN, B d . 3 3 9 , S . 2 1 7 6
S.335. B.
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an den neuen Universitäten Köln, Frankfurt und Hamburg behindern, andere sahen in der Streichung eine Aufweichung der Bestandsgarantie und damit eine Fallermächtigung für den Staat, theologische Fakultäten an einzelnen Universitäten aufzugeben oder zusammenzulegen 10 . Die Bestandsgarantie der theologischen Fakultäten wurde für Rostock durch die Verfassung von Mecklenburg-Schwerin, sonst in den bis 1933 abgeschlossenen preußischen, bayerischen und badischen Kirchenverträgen präzisiert, indem hier die jeweiligen evangelischen Fakultäten namentlich aufgeführt sind 11 . Damit war die generelle und einseitige Verfassungsgarantie in eine spezielle Vertragsgarantie umgewandelt. Von den 17 evangelischen Fakultäten in Deutschland blieben nur Gießen, Jena und Leipzig ohne eine derartige Spezialgarantie. Der Bestandsschutz war nicht nur für die Kirche vorteilhaft, sondern bot auch dem Staat — mindestens indirekt — eine gewisse Gewähr für eine staatsfreundliche Haltung der theologischen Hochschullehrer, da sie als Staatsbeamte ihrem Dienstherrn zur Loyalität verpflichtet waren. Von ihren Kollegen unterschieden sie sich gleichwohl nach wie vor durch ihr konfessionsgebundenes Staatsamt, ein „staatliches Amt, dessen Inhaber kraft staatlichen Rechts verpflichtet ist, bei der Ausübung seines staatlichen Amts zugleich eine kirchliche Aufgabe wahrzunehmen" 1 2 . Mithin waren die theologischen Fakultäten res mixtae. Diese Konstruktion war ohne Gefahr, solange der Vertragspartner ein weltanschaulich pluralistischer und folglich neutraler Staat war. Dagegen gerieten die theologischen Fakultäten unausweichlich in dem Augenblick in Bedrängnis, als das Gegenüber sich in einen ideologisch totalitären Staat wandelte. Die theologischen Fakultäten waren daher vom „Dritten Reich" zweifach betroffen: Einmal waren sie als Bestandteil staatlicher Hochschulen der allgemeinen Wissenschafts- und Hochschulpolitik des Nationalsozialismus unterworfen, zum anderen gerieten sie in besonderer Weise unter den Druck einer extremen Konkurrenz durch den ideologischen Staat. Die Hochschulpolitik des „Dritten Reiches", beeinflußt von verschiedenen Institutionen und interessierten Großwürdenträgern des Regimes und
1 0 Ü b e r die Tragweite der B e s t a n d s g a r a n t i e v o n A r t . 149 III W R V vgl. z u s a m m e n f a s s e n d E . R . HUBER, Verfassungsgeschichte, B d . 6, S. 983 ff. 1 1 Vgl. VERFASSUNG DES FREISTAATES MECKLENBURG-SCHWERIN ( R o s t o c k 1921), S . 6 : „ D i e t h e o l o g i s c h e F a k u l t ä t der L a n d e s u n i v e r s i t ä t bleibt e r h a l t e n " (§21111); E . R . HUBER/ W. HUBER, Staat u n d K i r c h e , B d . 4, S . 7 1 1 (Preußen, A r t . 11), S . 6 7 7 (Bayern, A r t . 2), S . 7 2 9 ( B a d e n , A r t . V I I , 1). E n t s p r e c h e n d e Verfahren w u r d e n f ü r die k a t h o l i s c h e n F a k u l t ä t e n im p r e u ß i s c h e n u n d im badischen K o n k o r d a t angewendet; vgl. EBD., S. 326 ( A r t . 12) u n d S. 357 f. ( A r t . I X ) . Im bayerischen K o n k o r d a t sind die U n i v e r s i t ä t e n e b e n s o wenig namentlich a u f g e f ü h r t w i e i m R e i c h s k o n k o r d a t ; vgl. EBD., S. 300 ( A r t . 3,1) u n d S. 509 ( A r t . 19; fast w ö r t l i c h A r t . 149 III W R V ) . 1 2 E . - L . SOLTE, T h e o l o g i e , S. 129; vgl. a u c h A . HOLLERBACH, F a k u l t ä t e n .
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darin ein Spiegelbild des polykratischen Charakters des nationalsozialistischen Herrschaftssystems, vollzog sich auf zwei Ebenen: der administrativen Ebene, auf der vor allem Personalpolitik gemacht wurde, und der ideologischen Ebene, auf der versucht wurde, die Universität im nationalsozialistischen Geist neu auszurichten. Besonders die Bemühungen um eine ideologische Neuorientierung waren für die theologischen Fakultäten substantiell gefährlich, da die nationalsozialistische Weltanschauung eine prinzipielle Kirchen- und Christentumsfeindschaft implizierte, insofern diese Ideologie selbst — wenn auch säkularisiert — Religionscharakter besaß und Glaubensgefolgschaft beanspruchte 13 . Das Alternativmodell einer Synthese von Christentum und Nationalsozialismus, wie es von den Deutschen Christen entwickelt und getragen wurde, täuschte lediglich über den Absolutheitsanspruch des Nationalsozialismus hinweg und wurde von der Führung nur zeitweise aus taktischen Gründen akzeptiert. Bereits im Sommer 1933 erwies sich das Streben nach Synthese als Illusionspolitik, auch wenn der seit 1935 amtierende Kirchenminister Kerrl beharrlich an ihr festhielt. Schon der vielberufene Art. 24 des Parteiprogramms von 1920, mit dem sich die Partei zu einem sogenannten positiven Christentum bekannte, war durchaus nicht so konfessionell indifferent, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben konnte, sondern war konditional formuliert 14 . Die proklamierte Toleranz wurde eingeschränkt durch einen polizeilichadministrativen Vorbehalt — keine Gefährdung des Bestandes des Staates — und einen ideologischen Vorbehalt — kein Verstoß gegen das „Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse." Insbesondere der ideologische Vorbehalt war problematisch, da das apostrophierte „Sittlichkeitsund Moralgefühl der germanischen Rasse" im Gegensatz zur „Staatsgefährdung" kein justitiabler Faktor war, sondern sich als Generalklausel potentiell gegen jede Konkurrenz in Anwendung bringen ließ 15 . Auf jeden Fall war die Zusicherung voller Glaubens- und Gewissensfreiheit und die Gewährleistung ungestörter Religionsausübung in Art. 135 WRV durch den Art. 24 des Parteiprogramms mindestens tendenziell empfindlich eingeschränkt. Eine authentische Interpretation des Sinngehalts von Art. 24 nahm die Parteispitze trotz mancher Nachfragen und Anregungen nie vor und wahrte sich so die Möglichkeit vielfältiger Auslegung. Wenn dem „positiven Christentum" als Negativbegriff der „jüdisch-materia-
Vgl. dazu vor allem L . SIEGELE-WENSCHKEWITZ, Nationalsozialismus. Vgl. W. MOMMSEN, Parteiprogramme, S. 550. 1 5 U n u m w u n d e n stellt E. R . HUBER die Religionsfreiheit unter den Vorbehalt des germanischen Sittlichkeitsgefühls, der völkischen Einheit und des Bestandes des Reiches. Unbedingten Vorrang vor der Religionsfreiheit besitzt „die Erhaltung des völkischen und staatlichen Bestandes" (Verfassungsrecht, S. 498). 13
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listische Geist" entgegengestellt wurde, waren damit Reizworte genannt, die verläßliche Assoziationen auslösten: Antisemitismus und Antimarxismus/Antisozialismus, zusätzlich noch Antiliberalismus 16 . Die prinzipielle Feindschaft Hitlers gegen Christentum und Kirchen blieb nach außen sorgfältig verborgen. Wie er schon in „Mein Kampf" aus taktischen Gründen eindeutige Stellungnahmen zum Komplex Kirche und Religion vermieden hatte, bediente er sich während seines politischen Aufstiegs und danach bewußt quasireligiöser Metaphern und Zeremonien, um Gläubige und Ungläubige zu beeindrucken. Seine wahre Meinung läßt sich unverstellt besonders in den „Monologen im Führerhauptquartier" während des Krieges erfassen 17 — Hitler schwankte damals nur zwischen administrativ-ideologischer Austrocknung der Kirchen und schneller polizeilicher Abrechnung nach dem Sieg. In seiner Totalablehnung stimmte Hitler mit dem „Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der N S D A P " Alfred Rosenberg 18 überein, während er dessen Bemühen um die Stiftung einer eigenen NSReligion ebenso skeptisch gegenüberstand wie der auf das Germanentum fundierten SS-Religion Heinrich Himmlers 1 9 , da er in diesem Punkt rationaler, moderner, technik- und naturwissenschaftsbezogener dachte als jene 20 . Rosenberg war der einzige der nationalsozialistischen Hierarchen, der einen programmatischen Gegenentwurf zur christlichen Religion formulierte. Daher war er auch für die Kirchen ein ernstzunehmender Gegner, nicht wegen der inhaltlichen oder intellektuellen Bedeutsamkeit seiner Ideen, sondern wegen seiner Funktion als Parteiideologe, als den ihn Hitler durchaus akzeptierte und respektierte 21 — Beleg dieser Wertschätzung ist die Zuerkennung des 1937 als Anti-Nobelpreis gestifteten „Nationalpreises für Kunst und Wissenschaft" an Rosenberg gleich bei dessen erstmaliger Verleihung 22 . Rosenbergs „deutsche Religion" oder „germanische Weltanschauung" in einen rational einsichtigen Zusammenhang zu bringen, ist nahezu unmög-
1 6 Vgl. die Interpretation der F o r m e l v o m positiven C h r i s t e n t u m als Trennungsstrich zu den Konfessionsparteien der R e p u b l i k bei H . FABRICIUS, P r o g r a m m . 1 7 Vgl. W. JOCHMANN, H i t l e r ; vgl. auch n o c h i m m e r E . JÄCKEL, Hitlers Weltanschauung. 1 8 U b e r ihn vgl. zuletzt R . BOLLMUS, R o s e n b e r g ; DERS., A m t R o s e n b e r g ; R . BAUMGÄRTNER, W e l t a n s c h a u u n g s k a m p f , S. 6 ff. D e n Ü b e r w a c h u n g s a u f t r a g hatte H i t l e r a m 2 4 . 1 . 1 9 3 4 erteilt (vgl. C . NICOLAISEN, D o k u m e n t e , Bd. 2, S. 41, A n m . 10). 19
V g l . J . ACKERMANN, H i m m l e r , S. 4 0 ff.
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Vgl. zuletzt R . ZITELMANN, Hitler, S. 2 7 2 f f . Erst als glückloser O s t m i n i s t e r fiel R o s e n b e r g in halbe U n g n a d e . D i e L a u d a t i o G o e b b e l s ' auf R o s e n b e r g bei R . BAUMGÄRTNER, W e l t a n s c h a u u n g s k a m p f ,
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S.llOf.
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lieh 2 3 . „Weltanschauung", Schlüsselbegriff seiner Ideologie, ist für Rosenberg Haltung, Ausdruck einer neuen Werteordnung, deren Zentralpunkt die nationale Ehre bildet. Die christliche Liebe wird ersetzt durch die „nationalsozialistische, germanische Volkskameradschaft" 24 . Mutig, stark und frei ist der durch die Weltanschauung geformte Individualcharakter. Wie gequält Rosenbergs Definitionen ausfielen, zeigt das Stichwort Religion; sie ist „die innere Uberzeugung, inmitten einer solchen Vorsehung oder eines großen Schicksals zu stehen, das über das Materielle hinausweist" 25 . Rosenberg glaubte an die Selbstdurchsetzungskraft seiner Ideen und meinte, bereits „Hunderttausende" für sie gewonnen zu haben 26 . Theoretisch sprach er sich daher für Nichtbeachtung der Kirchen durch Partei und Staat aus und für Aussterbenlassen durch Entzug der ideellen und materiellen Basis. Andererseits hielt er eine bloße Trennung von Staat und Kirche für ein Relikt vergangener liberalistischer Zeiten und trat für eine strikte Unterordnung der Kirchen unter den Staat ein, um sie wirksamer bekämpfen zu können. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Rosenberg von Reichserziehungsministerium und Stellvertreter des Führers bzw. Parteikanzlei an den Planungen und Aktionen gegen die theologischen Fakultäten beteiligt wurde. U m die Formulierung des unüberbrückbaren Gegensatzes von Christentum und Nationalsozialismus hat sich neben Rosenberg auch Martin Bormann bemüht, als Stabsleiter beim Stellvertreter des Führers eine Art Staatssekretär im Parteiministerium, der seinen Chef schon in den dreißiger Jahren zunehmend in den Schatten stellte, bis er sich nach Heß' Ausscheiden 1941 als „Sekretär des Führers" auch formell die Schlüsselstellung für die deutsche Innenpolitik und alle Parteifragen sicherte 27 . Mit Rosenberg war sich Bormann einig in der Ablehnung der Synthesebemühungen Kerrls und postulierte 1940 — offensichtlich statt des Katechismus — die Ausarbeitung eines „kurzen Leitfadens über eine nationalsozialistische 2 3 Neben dem „Mythus des 20. Jahrhunderts" vgl. als Kurzfassung A. ROSENBERG, Weltanschauliche Thesen; vgl. ferner DERS., Wesensgefüge; DERS., Nationalsozialismus. Zusammenfassend vgl. R . BAUMGÄRTNER, Weltanschauungskampf, S. 73 ff. 2 4 Weltanschauliche Thesen, S. 206. 2 5 Zitat aus einem unveröffentlichten Manuskript von 1939 bei R. BAUMGÄRTNER, Weltanschauungskampf, S. 78. 2 6 Vgl. die Eintragung vom 1 9 . 1 . 1 9 4 0 : „Es ist ein merkwürdiges Gefühl zu wissen, daß nach und nach Hunderttausende inwendig durch mein Werk revolutioniert worden sind. Viele haben dadurch innere Ruhe und Befreiung bekommen; einen neuen Sinn, da der alte verlorengegangen war" (H.-G. SERAPHIM, Tagebuch, S . 98). 2 7 Uber ihn vgl. zuletzt J. VON LANG, Bormann. Zur Rolle Bormanns und des Amtes des Stellvertreters des Führers bzw. der Parteikanzlei vgl. P. DIEHL-THIELE, Partei und Staat, S.201 ff.; D. REBENTISCH, Führerstaat, bes. S. 371 ff. Zur Kirchenfeindschaft Bormanns vgl. auch J. WULF, Bormann, S. 106 ff.
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Lebensgestaltung", in den aufzunehmen waren: „das Gebot der Tapferkeit, das Verbot der Feigheit, ein Gebot der Liebe zur allbeseelten Natur, in der sich Gott auch im Tier und in der Pflanze offenbart, ein Gebot der Reinerhaltung des Blutes; es gehören auch Grundsätze hinein, wie sie zum Teil auch in den alttestamentlichen Dekalog aufgenommen sind, soweit sie als sittliche Grundsätze jeglichen Völkerlebens angesehen werden können" 2 8 . In seinem berühmten Rundschreiben an die Gauleiter vom 9. Juni 1941 versuchte sich Bormann an einer eigenen Definition der nationalsozialistischen Weltanschauung als Gegenbild zum Christentum 29 . Dabei ersetzte er den individuellen Gottesbegriff durch einen Gottesbegriff, der lediglich als Chiffre für das überindividuelle Naturgesetz fungierte 30 . ,Je genauer wir die Gesetze der Natur und des Lebens erkennen und beachten, je mehr wir uns an sie halten, desto mehr entsprechen wir dem Willen der Allmacht" — mit der primitiv-utilitaristischen Perspektive: ,Je mehr wir den Willen der Allmacht einsehen und befolgen, desto größer werden unsere Erfolge sein" 3 1 . Bei aller Unbestimmtheit der Ideologeme waren die Folgerungen, die Bormann zog, eindeutig: „Die Einflußmöglichkeit der Kirche [muß] restlos beseitigt werden", da erst dann die Staatsführung das Verfügungsmonopol über den Menschen und das Volk besaß 32 . Auch wenn das Rundschreiben aus Furcht vor Indiskretion und wegen seiner allzu deutlichen Zielproklamierung zurückgezogen werden mußte, blieb die in ihm ausgegebene Parole verbindlich. Nach außen und formal hatte die Partei unter der Erfahrung des beginnenden Kirchenkampfes schon früh die Konsequenz gezogen aus dem Scheitern ihrer Politik einer Totalüberwältigung und -gleichschaltung der evangelischen Kirche. In der bekannten Verfügung des Stellvertreters des Führers vom 13. Oktober 1933 wurde Neutralität proklamiert: „ K e i n N a t i o n a l s o z i a l i s t d a r f i r g e n d w i e b e n a c h t e i l i g t w e r d e n , w e i l er s i c h n i c h t z u e i n e r b e s t i m m t e n G l a u b e n s r i c h t u n g o d e r K o n f e s s i o n o d e r w e i l er s i c h ü b e r h a u p t z u k e i n e r K o n f e s s i o n b e k e n n t . D e r G l a u b e ist e i n e s j e d e n e i g e n s t e A n g e l e g e n h e i t , d i e er n u r v o r s e i n e m G e w i s s e n z u v e r a n t w o r t e n h a t . G e w i s s e n s z w a n g d a r f n i c h t ausgeübt
werden."33
A n R o s e n b e r g a m 2 2 . 2 . 1 9 4 9 ( a b g e d r u c k t in: I M G , B d . 25, S. 195). Vgl. K J 1 9 3 3 - 1 9 4 4 , S . 4 5 0 f f . und den textkritischen A b d r u c k bei F. ZIPFEL, Kirchenk a m p f , S. 511 ff. 3 0 „ D i e naturgesetzliche K r a f t , mit der sich alle diese ungezählten Planeten i m Weltall bewegen, nennen w i r A l l m a c h t oder G o t t " (EBD., S. 513). 3 1 EBD., S. 514. 3 2 EBD., S . 5 1 5 f . 3 3 J . GAUGER, C h r o n i k , B d . 1, S. 106; auch bei F. ZIPFEL, K i r c h e n k a m p f , S . 2 7 0 ; C . NICOLAISEN, D o k u m e n t e , B d . 1, S. 145. Zur B e d e u t u n g dieses Erlasses vgl. E . R . HUBER, Verfassungsrecht, S. 497: M i t P u n k t 24 des P a r t e i p r o g r a m m s u n d der R e g i e r u n g s e r k l ä r u n g v o m 2 3 . 3 . 1 9 3 3 „enthält die V e r f ü g u n g . . . die m a ß g e b e n d e n Richtlinien f ü r das Verhältnis des 28
29
52
Eike Wolgast
Fast genau ein Jahr später ging Himmler einen Schritt weiter und befahl das ehrenvolle Ausscheiden der Geistlichen aus der SS 34 , während die NSDAP erst 1938 die Betrauung von Geistlichen mit Parteifunktionen untersagte 35 .
B. Hochschulpolitik
1933-1938
Die Politik von Staat und Partei gegenüber den theologischen Fakultäten hatte die ideologischen Vorgaben und taktischen Gegebenheiten zu berücksichtigen und in die Praxis umzusetzen. Die Hochschulpolitik des „Dritten Reiches" 3 6 setzte sich drei globale Reformziele: Schaffung eines neuen Typus von Professoren, eines neuen Typus von Studenten und eines neuen Typus von Wissenschaft. Genauere Vorstellungen über Inhalte und Verwirklichungsmöglichkeiten bestanden allerdings nicht; vor allem gab es keine spezifische nationalsozialistische Wissenschaftskonzeption. Hitler hatte kein genuines Interesse an den Hochschulen, ließ im Gegenteil, geleitet durch sein biologistisch bestimmtes Weltbild, eine ressentimentgeladene Verachtung der Wissenschaft erkennen 37 . Für ihn wie für die Mehrzahl der großen und kleinen Regime-Hierarchen war Wissenschaft das Lebensfremde, Artifizielle, Sterile, Mechanisch-Unschöpferische, das Intellektuelle, Federfuchserisch-Ungeniale, gegen das positive Werte wie Natürlichkeit, Lebensverbundenheit, Instinkt, Unverbindlichkeit, Spontaneität, Kreativität, Genialität gesetzt wurden, die Priorität des Körpers vor dem Geist, des Marschierers vor dem Denker, des intuitiven Forschers vor dem methodisch arbeitenden Wissenschaftler. Angesichts derartiger Prämissen zählte Hochschulpolitik zunächst nicht zu den bevorzugten Tätigkeitsfeldern der Führungselite des Systems, als sie neuen Reiches zu Kirche und Religion." Eine Vorstufe bildete der Erlaß Bormanns vom 6 . 1 0 . 1 9 3 3 an die Gau- und Reichsleiter, daß niemand aus Partei und Frauenschaft ausgeschlossen werden bzw. Nachteile erleiden solle, weil er bei den Kirchenwahlen nicht die Deutschen Christen gewählt habe (vgl. F. ZIPFEL, Kirchenkampf, S . 2 6 9 ; C . N I C O L A I S E N , Dokumente, Bd. 1, S. 143). 3 4 Vgl. J . S . C O N W A Y , Kirchenpolitik, S . 1 3 2 A n m . 2 8 ; C . N I C O L A I S E N , Dokumente, Bd. 2 , S. 1 7 9 (Befehl des Reichsführers SS vom 1 5 . 1 0 . 1 9 3 4 ) . 3 5 Vgl. IMG, Bd. 25, S.208 f. (Anordnung vom 2 7 . 7 . 1 9 3 8 ) . Die Anordnung wurde damit begründet, daß die Partei den Kirchen gegenüber neutral sei und nicht zulassen könne, über Geistliche als Amtsträger der Partei, ihrer Gliederungen und angeschlossener Verbände in den Kirchenstreit hineingezogen zu werden. 3 6 Zur nationalsozialistischen Hochschulpolitik vgl. an älteren Arbeiten immer noch H. SEIER, Rektor; H. M A I E R , Hochschulpolitik; G. KOTOWSKI, Universitätstage, S . 2 0 9 f f . Wenig ergiebig ist A.F. KLEINBERGER, Hochschulpolitik; vorzüglich dagegen die knappe Skizze bei N. HAMMERSTEIN, Goethe-Universität, Bd. 1, S. 171 ff. Vgl. auch zusammenfassend H. SEIER, Universität. Eine offizielle Darstellung lieferte der Amtschef W im REM: T h . VAHLEN, W i s s e n s c h a f t . 37
Vgl. etwa die Erziehungsgrundsätze in A . HITLER, Mein Kampf, S. 451 ff.
Nationalsozialistische Hochschulpolitik
53
daran ging, ihre Machtbereiche abzustecken. Daher konnte die Hochschulreform 1933/34 Berufenen wie Unberufenen einen gewissen Freiraum zur Propagierung ihrer Konzepte bieten 38 . Ernst Kriecks Programm einer „nationalpolitischen Erziehung" bemängelte allgemein an der bestehenden Hochschule das Fehlen „der zielweisenden und sinngebenden Idee"; er bestritt die Möglichkeit einer zweckfreien Allgemeinbildung ebenso wie er proklamierte: „Eine absolute Lehrfreiheit an der Hochschule ist ein absoluter Unsinn." 3 9 Der Historiker Adolf Rein wollte „gegen die liberale Beliebigkeit und demokratische Volkshochschultendenz" in der neuen Universität „eine politische Fakultät oder Fachgemeinschaft der politisch bedeutsamen Diszplinen" schaffen, in die von der theologischen Fakultät „Kirchengeschichte, Kirchenrecht, Ethik und andere Fächer" eingegliedert werden sollten 40 . Uneingeschränkt bezog der Marburger Jurist Johann Wilhelm Mannhardt die theologischen Fakultäten in sein Reformkonzept ein. Wie die Studierenden der anderen Fakultäten sollten auch die Theologen ihr Grundstudium in einer „Akademie" absolvieren, wo sie mit Hebräisch, Religionslehre, Religionsphilosophie, Kirchen- und Dogmengeschichte vertraut gemacht werden sollten, während im Mittelpunkt der zwei Jahre auf der Universität das „Studium der Heiligen Schrift, vor allem des Neuen Testaments" zu stehen hatte 41 . Das Hochschulkonzept des offiziellen Trägers der nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik, des preußischen und seit Mai 1934 Reichsministers für Erziehung, Wissenschaft und Unterricht Bernhard Rust, bestand zum überwiegenden Teil lediglich aus ideologischen Schlagworten. In einer programmatisch gemeinten Rede in der Berliner Universität am 6. Mai 1933 verkündete Rust als Aufgabe der Hochschule im „Dritten Reich" die Synthese von Forschung und Führung, wobei er gleich auch die Koordinaten der geistigen Freiheit absteckte: „Synthese von freier Forschung auf der einen Seite und von nationalsozialistischer Weltanschauung auf der anderen." 42 Er proklamierte „die Rassenerkenntnis" als „das tragende Prinzip der gesamten Wissenschaft vom Menschen", das „daher das System der Wissenschaften neu ordnen und der kommenden Hochschule eine neue Mitte geben" wird 43 . „Gibt es eine schönere Aufgabe für eine artbewußte Wissenschaft als die, im Dienst der völkischen Gemeinschaft 38 39 40 41
Zur Programmdebatte vgl. H . SEIER, Universität, S. 149 ff. Vgl. auch G . J . GILES, Idee. E. KRIECK, Erziehung, S. 162, 173; dazu G . MÜLLER, Krieck, S . 3 7 9 f f . A . REIN, Idee, S . 3 6 f . J . W . MANNHARDT, H o c h s c h u l r e v o l u t i o n , S . 7 8 ,
92.
P. MEIER-BENNECKENSTEIN, D o k u m e n t e , Bd. 1, S.265. 4 3 B. RUST, Reichs-Universität, S. 10. Vgl. auch O. WACKER (Amtschef W im REM), Bewegung, S. 165: „ D i e Wissenschaft ist also von N a t u r aus gebunden an die Rasse, als deren blutsmäßige Lebensäußerung sie entstanden ist. Sie ist also a priori auch weltanschaulich gebunden." 42
54
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zu stehen?", fragte Hans Huber, einflußreicher Oberregierungsrat im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Unterricht (REM), in einem Vortrag vor Universitätsbeamten Anfang 1939 44 . Trotz aller Anstrengungen der staatlichen Stellen, die Universitäten geistig und personell umzuformen, und trotz aller Adaptationsbereitschaft und Unterwerfungsgesten der Professoren nahmen aber gegen Ende der dreißiger Jahre die Klagen über die Minderbewertung von Wissenschaft und Universität zu. Selbst Huber rechnete es zu den Leitlinien des REM, für eine „stärkere" — beschönigend hieß es bei ihm: „noch stärkere" — „Anerkennung und Wertung der Aufgabe und Leistung der Hochschulen und der akademischen Berufe in der Öffentlichkeit" zu sorgen 45 . Als 1939/ 40 die Reichskanzlei eine Umfrage nach dem Hochschulniveau und den Gründen seines Sinkens veranstaltete, wurde in einer Denkschrift regimetreuer Berliner Professoren schonungslos erklärt, die Universität könne ihre Aufgabe nicht erfüllen, solange die Partei danach trachte, ihre Autorität zu zerstören; der Wissenschaftler, als Intellektueller diffamiert, werde „geradezu als grundsätzlich anfechtbare Erscheinung" betrachtet 46 . Als Erfolg der NS-Hochschulpolitik schrieb sich das REM zugute: a) die drastische Personalveränderung; b) die tatkräftige Förderung von bisher vernachlässigten Wissensgebieten wie deutscher Vorgeschichte, Volkskunde und Biologie; c) die Einfügung ganz neuer Wissenschaftszweige in den Universitätskanon, wie Rassenkunde, Erblehre, Wehrwissenschaften 47 . Bei aller Geringschätzung und Vernachlässigung der Wissenschaft bestand dennoch bei einer nicht unbeachtlichen Zahl von Staats- und Parteidienststellen ein Interesse an der Hochschulpolitik, so daß es — wie häufig im „Dritten Reich" — zu konkurrierenden Mitentscheidungsansprüchen oder wenigstens Mitspracheforderungen kam. Die zuständige staatliche Instanz war seit Mai 1934 das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Unterricht 48 , das in Personalfragen aber nicht ohne 44
H . HUBER, A u f b a u , S . 2 4 .
EBD., S. 40. Vgl. auch die Entschließung der deutschen Rektorenkonferenz vom 10.3.1939: „Die deutsche Hochschule hat nach überlieferter Weltgeltung der deutschen Wissenschaft und nach ihrer gegenwärtigen Aufgabe und Leistung im Großdeuschen Reich den Anspruch auf die Anerkennung und Unterstützung des gesamten Volkes" (G. K A S P E R , Hochschulverwaltung, Bd. 1, S. 16). 4 6 Vgl. H. SEIER, Niveaukritik. Vgl. auch die Beschwerde des Heidelberger Rektors Krieck 1937 bei Rust wegen seiner Zurücksetzung beim Karlsruher Gauparteitag: „Es ist schon fast beleidigend, wie die Universitäten heute bei öffentlichen Veranstaltungen, zumal der Partei, übergangen und geflissentlich übersehen w e r d e n . . . So wird unsere Arbeit für die Bewegung um ihre Stoßkraft und Geltung gebracht" (H. SEIER, Rektor, S. 132). 45
47
Vgl. O . WACKER, B e w e g u n g , S. 1 6 2 ; H . HUBER, A u f b a u , S . 8 f .
Eine Untersuchung über das REM, den Minister und seine Mitarbeiter ist ein dringendes Desiderat; vgl. die sehr dürftige Darstellung von O . G R A F ZU R A N T Z A U , Reichsministerium. Vgl. auch H. HEIBER, Frank, passim; H. SEIER, Hochschullehrerschaft, S. 273 ff. 48
Nationalsozialistische Hochschulpolitik
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die Dienststelle Stellvertreter des Führers (StdF) tätig werden konnte. Mitspracheforderungen sowohl in konzeptionellen wie personalpolitischen Fragen erhoben daneben Parteistellen unterschiedlicher Bedeutung und Autorität, vor allem Rosenberg als Parteiideologe, daneben für bestimmte Wissenschaftszweige der Reichsführer SS mit seiner wissenschaftlichen Organisation „Ahnenerbe" 4 9 , ferner der Reichsdozentenführer und der Reichsstudentenführer. Das R E M ging aus dem Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung hervor; es erhielt die Zuständigkeit für „das gesamte Erziehungs-, Bildungs- und Unterrichtswesen des Reiches sowie für die Aufgaben der Wissenschaft" 50 und unterwarf damit ein wichtiges Stück Länderhoheit der „Verreichlichung". Gleichwohl folgte aus der Zentralisierung der Kulturkompetenz nicht eine Vereinfachung der Verwaltung, da die Hochschulabteilungen und Kultusministerien der Länder bestehen blieben. Allerdings übernahm Rust ohne Einschränkung „die gesamte Personalpolitik der deutschen Hochschulen" 5 1 . In der inoffiziell-informellen Hierarchie des „Dritten Reiches" war das REM ein ausgesprochen schwacher Machtfaktor, vor allem weil der Minister Bernhard Rust (1883-1945) schwach war, obwohl er als alter Parteigenosse und Gauleiter von Südhannover-Braunschweig über eine herausragende Parteistellung verfügte 52 — nur Goebbels war neben ihm gleichzeitig Gauleiter und Reichsminister. Seine theoretisch beträchtliche Machtfülle nutzte Rust, der schon gleich nach der Machtübernahme 1933 preußischer Kultusminister geworden war, offensichtlich kaum aus, so daß er wenig Ansehen bei seinen Parteikollegen genoß; für Rosenberg war der zehn Jahre Altere 1940 „der haltlose, alte und kranke Rust" 5 3 , während Goebbels 1943 noch schärfer urteilte: „Ein absoluter Hohlkopf" 5 4 . Bei Goebbels mochte freilich der Neid auf die seriöse Position Rusts von Anfang an eine wichtige Rolle spielen; 1933 hatte er geglaubt: „Rust wird mein Stellvertreter im Kultusministerium", war aber in dieser Erwartung bitter enttäuscht worden 55 . Trotz eines sich bei ihm verfestigenden negati-
49 50 51
Vgl. dazu M . H . KATER, Ahnenerbe. Vgl. Erlaß des Reichspräsidenten vom 1.5.1934 (RGBl 1934 I, S.365). Vgl. R u n d e r l a s s e des R E M v o m 2 3 . 2 . 1 9 3 5 u n d 2 6 . 6 . 1 9 3 6 ( G . KASPER, H o c h s c h u l v e r -
waltung, Bd. 1, S. 36; vgl. O. GRAF ZU RANTZAU, Reichsministerium, S. 8). 5 2 Allerdings führte er seinen Gau nach 1933 offenbar nur noch nominell; Ende 1940 gab er ihn (erzwungenermaßen?) ausgerechnet wegen Arbeitsüberlastung auf — ein ganz seltener Fall im „Dritten Reich" (vgl. K. HÖFFKES, Hitlers Generale, S. 277 f.). 5 3 Zit. nach H . - G . SERAPHIM, Tagebuch, S.95. 5 4 Zit. bei P. DIEHL-THIELE, Partei und Staat, S. 114 Anm. 5. 5 5 So Goebbels in seinem Tagebuch (vgl. E. FRÖHLICH, Tagebücher, Bd. 2, S. 362). Seit 1935 durchziehen die Tagebücher Klagen über Rusts Unfähigkeit, vor allem 1937 fällt mehrfach das Urteil „Sauhaufen" o.a. über das R E M (vgl. z.B. EBD., Bd. 3, S.24, 64, 187, 287).
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ven Urteils ließ Hitler Rust „in Erinnerung alter Tage" (so Rosenberg) nicht fallen, obwohl er offenbar schon Ende 1937 an seine Entlassung dachte 56 — erst in seinem Politischen Testament ersetzte er ihn durch den Reichsdozenten- und Reichsstudentenführer sowie Salzburger Gauleiter Gustav Adolf Scheel 57 . Auf sein Amt war Rust, ehemaliger Studienrat für alte Sprachen, überhaupt nicht vorbereitet gewesen 58 — offenbar wurde er dem prädestinierten Anwärter Rosenberg aus zwei Gründen vorgezogen: Rosenberg selbst verabscheute den bürokratischen Pflichtenalltag; außerdem blieb der dezidierte Kirchenfeind aus taktischen Gründen besser ohne offizielle Position. Da Rusts Interesse vor allem der Schulpolitik galt, wurde die Hochschulpolitik im wesentlichen von den Leitern des Amtes für Wissenschaft gemacht 59 . An der Fähigkeit oder Neigung, sein Ministerium straff zu führen, fehlte es Rust völlig; daher suchten die höheren Chargen Anlehnung und Rückendeckung bei mächtigen Nachbarinstitutionen oder -führern, so daß zugespitzt formuliert worden ist: „In diesem Ministerium ,stand' fast hinter jedem irgend jemand" 6 0 , Göring als preußischer Ministerpräsident und Beauftragter für den Vierjahresplan (Zschintzsch), Himmler (Wacker), die Wehrmacht oder der SD. Dennoch galt das REM unter den Ministerien des „Dritten Reiches" generell als gemäßigt, da der Kernbestand der Beamtenschaft aus dem Preußischen Kultusministerium übernommen worden und in altem Ministerialethos bemüht war, die Sorgepflicht des Dienstherrn für die seinem Ressort unterstehenden Institutionen und Personen wahrzunehmen. Durchsetzen konnte sich das REM bei Kontroversen gleichwohl nur dann, wenn es Koalitionen einging, etwa mit der SS gegen Rosenberg, oder wenn sich seine Konkurrenten blockierten. Rückhalt bot häufig die Ministerialbürokratie benachbarter Fachministerien, insbesondere das Reichs- und das preußische Finanzministerium. Gefährlichster Gegner der theologischen Fakultäten war im REM Otto Wacker, Amtschef W von Januar 1937 bis Frühjahr 1939 61 . Von Hause aus katholischer Konfession, diplomierter Architekt und promovierter Philologe, war er 1933 im Alter von 34 Jahren badischer Kultusminister geworden und behielt dieses Amt auch bei, als er in das REM berufen Vgl. Eintragung vom 2 2 . 1 2 . 1 9 3 7 (EBD., S.379). Vgl. M . D O M A R U S , Hitler, Bd. I I / 2 , S.2238. Kritik an der Schulpolitik Rusts übte Hitler in seinen Monologen im Führerhauptquartier (vgl. W. J O C H M A N N , Hitler, S.377). 5 8 Vgl. die Glückwunschansprache von Staatssekretär Zschintzsch am 60. Geburtstag Rusts (in: D W E V 9, 1943, S.306). 5 9 Theodor Vahlen, Prof. für Mathematik (1934-37), Dr. Otto Wacker, badischer Kultusminister (1937-39), Rudolf Mentzel, Prof. für Wehrchemie (seit 1939). 6 0 H. HEIBER, Frank, S. 123 (mit näheren Angaben über die Zuordnungen). « Über ihn vgl. E . K I E N A S T , Reichstag, S . 3 3 8 f . ; D W E V 6, 1940, S . 108; K . S C H O L D E R , Baden, S . 2 3 7 f . A n m . 53; L. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, Fakultät, S . 506 f. 56
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wurde. Sein Ziel war schon in Baden nicht lediglich die vollständige Trennung von Staat und Kirche und die ideologische Bekämpfung der Kirchen, sondern die Herabdrückung der Kirchen auf den Status von nichtöffentlichen Körperschaften, wie sie dann im Warthegau praktiziert wurde 62 . Zu seinem selbstgewählten „Sonderauftrag politischer Natur", wie Rudolf Heß seine Amtsübernahme interpretierte 63 , gehörte offensichtlich auch die Zurückdrängung der theologischen Fakultäten. In Personalangelegenheiten mußte das R E M seit dem Führererlaß vom 24. September 1935 6 4 den Stellvertreter des Führers — seit Heß' Flug nach England 1941 die Parteikanzlei unter Bormann — beteiligen 65 . Kein Hochschullehrer durfte ernannt oder befördert werden, ohne daß das „Parteiministerium" eine Beurteilung der politischen und ideologischen Qualifikation abgegeben hätte; die Parteistelle ihrerseits zog Erkundigungen bei den örtlichen NS-Dozentenbundsführern ein 6 6 . Eine Vorläuferfunktion für die 1935 institutionalisierte Mitentscheidung besaß die Hochschulkommission der NSDAP unter Heß, die seit 1934 offensichtlich fallweise bei Ernennungen zu Rate gezogen wurde bzw. ihre Voten einbrachte 67 . Mitsprache bei der Rekrutierung der Professorenschaft verlangte auch Rosenberg, der in seiner Dienststelle eine Hochschullehrerkartei aufbaute und 1938 ein Amt Wissenschaft einrichtete 68 . In der ersten entscheidenden Gleichschaltungsphase 1933/34 lag die Kompetenz für die Universitäten beim Reichsinnenministerium für die allgemeinen Richtlinien und im übrigen bei den Kultusministerien der Länder, damit für Preußen bei Rust. Von den Verordnungen und staatlichen Eingriffen waren die theologischen wie alle Fakultäten betroffen, von den Säuberungen aus politischen und rassistischen Gründen nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April
62
V g l . K . SCHOLDER, B a d e n , S. 2 3 7 ff.
63
V g l . H e ß a n W a c k e r , 2 1 . 1 1 . 1 9 3 6 ( A K T E N DER PARTEIKANZLEI, R e g e s t 1 1 7 9 6 . D i e
große
S a m m l u n g v o n A k t e n auf Mikrofiches w i r d n a c h der N u m m e r des Regests zitiert, da die Signatur des Bundesarchivs nicht i m m e r eindeutig zugeordnet ist). 64
Vgl. R G B l
1 9 3 5 I, S. 1203. Vgl. dazu H . MOMMSEN, B e a m t e n t u m , S . 7 8 f f . ,
182ff.;
D. REBENTISCH, F ü h r e r s t a a t , S. 6 8 f f . , 4 4 1 ff.; vgl. allgemein DERS., „Politische Beurteilung". 65
Vorangegangen war die A n o r d n u n g v o m 2 7 . 7 . 1 9 3 4 , d e m StdF bei allen Gesetzesent-
würfen die Stellung eines beteiligten Ministeriums e i n z u r ä u m e n (vgl. I M G , Bd. 3 5 , S. 1 6 f . ; H . M I N U T H , A k t e n , B d . 2 , S. 1 3 8 1 f . ) . 66
Zu d e m A b l a u f des unübersichtlichen Berufungsverfahrens vgl. schematisch
U.D.
ADAM, H o c h s c h u l e , S. 1 3 5 f . Zu d e m seit 1 9 3 5 v o m N S L B unabhängigen N S - D o z e n t e n b u n d vgl. R . C . KELLY, Personalpolitik, S. 6 6 f f . ; seine weltanschaulichen A k t i v i t ä t e n w u r d e n im D e z e m b e r 1 9 4 1 Rosenberg unterstellt (vgl. I M G , B d . 2 5 , S . 3 5 1 f . ) . 67
Vgl. die Beschwerdedenkschrift H e ß ' an H i t l e r ü b e r das Verhältnis der H o c h s c h u l -
k o m m i s s i o n der N S D A P z u m R E M v o m 3 . 8 . 1 9 3 5 (AKTEN DER PARTEIKANZLEI, Regest 1 0 9 8 2 ; B A KOBLENZ, N S 1 0 / 5 3 . Bl. 5 3 f.); vgl. auch R . C . KELLY, Personalpolitik, S . 6 5 f . 6 8
V g l . R . BAUMGÄRTNER, W e l t a n s c h a u u n g s k a m p f ,
S. 9 2 .
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1933 69 zumeist freilich prozentual weitaus weniger. Die politischideologische Haltung der Theologieprofessoren dürfte sich von der ihrer Kollegen wenig unterschieden haben, d.h. aber auch, daß die mit der Bereitschaft zur partiellen Identifikation mit den „Ideen von 1933" verbundene Hoffnung, als Hüter der traditionellen Werte respektiert und honoriert zu werden, sich hier ebenso wenig erfüllte wie bei der übrigen Kulturelite, da die Nationalsozialisten diese Hüterfunktion selbst beanspruchten, sinnfällig gemacht am „Tag von Potsdam", und zudem die nationalen Werte in ihrem Sinne umdeuteten. Viele Professoren zogen sich daraufhin erneut wie zwischen 1918 und 1933 auf die Haltung eines parteiunabhängigen Patriotismus zurück, wenn auch in unvergleichlich größerer Affinität zum neuen System als zum bisherigen. Die Kodifizierung der Hochschulpolitik 7 0 setzte sich nach dem Gesetz über das Berufsbeamtentum und Gesetzen über die Organisation der Studenten sowie die Reglementierung des Hochschulzugangs am 21. Januar 1935 fort mit dem „Gesetz über die Entpflichtung und Versetzung von Hochschullehrern aus Anlaß des Neuaufbaus des deutschen Hochschulwesens" 71 . In ihm wurden — befristet bis zum 31. Dezember 1937 — drei wichtige Entscheidungen getroffen: Emeritierung mit 65 Jahren 72 ; Möglichkeit zur Versetzung an eine andere Universität, „wenn es das Reichsinteresse im Hinblick auf den Neuaufbau des deutschen Hochschulwesens erfordert"; vorzeitige Entbindung von amtlichen Verpflichtungen bei Wegfall oder Umwidmung des Lehrstuhls „aus Anlaß des Neuaufbaus". Emeritierte Professoren erhielten nur dann die Erlaubnis, ihre Lehrtätigkeit weiterzuführen, „wenn der Antragsteller die Gewähr dafür bietet, daß er sich in die im jungen Geiste sich erneuernde Universität hineinfügt und daß seine politische Haltung die nationalsozialistische Erziehungsarbeit an der akademischen Jugend nicht gefährdet" 73 . Auch die Probleme der Nachwuchslenkung waren für alle Fakultäten zunächst dieselben, seit die Reichshabilitationsordnung vom Dezember 1934 die Habilitation als akademischen Akt von der Verleihung der Lehrbefugnis, vorgenommen durch den Reichserziehungsminister 74 , trennte. 69 70
Vgl. RGBl 1933 I, S. 175. Das Recht der Hochschullehrer und Hochschulen mit Stand von 1942 ist gesammelt bei
G . KASPER, H o c h s c h u l v e r w a l t u n g , Bd. 2, S. 7 f f .
71 Vgl. RGBl 1935 I, S. 23. 7 2 Aus fiskalischem Interesse hatte der Reichsfinanzminister gegen diese Altersgrenze Einspruch erhoben, so daß die Kultusverwaltungen in § 2 des Gesetzes ermächtigt wurden, die Altersgrenze bis auf 68 Jahre hinauszuschieben. 7 3 Runderlaß Rusts vom 1 5 . 5 . 1 9 3 5 (vgl. G. KASPER, Hochschulverwaltung, Bd. 2, S. 11). Vgl. auch das Gesetz über die besonderen Rechtsverhältnisse der beamteten Lehrer an den wissenschaftlichen Hochschulen vom 9 . 4 . 1 9 3 8 (vgl. RGBl 1938 I, S.377 [über die Emeritierung]). 7* Vgl. DWEV 1, 1935, S. 13f.
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Um diese Befugnis zu erhalten, mußten nichtwissenschaftliche Leistungen in Gestalt eines seit 1937 vierwöchigen Dozentenlehrgangs, absolviert in einem Gemeinschaftslager, erbracht werden. Dadurch sollte, wie es im Erlaß Rusts hieß, „Gemeinschaftsgeist aller Dozenten über die Grenzen der Fakultäten und der einzelnen Hochschule hinweg geweckt und gefördert" werden 75 . Seit der Neufassung der Reichshabilitationsordnung vom 17. Februar 1939 wurde mit der Verleihung der Lehrbefugnis der Bewerber unter Berufung in das Beamtenverhältnis zum Dozenten ernannt, allerdings ohne Besoldung, und konnte bei Bewährung in Forschung und Lehre den Titel eines außerplanmäßigen Professors erhalten 76 . Die so in das Beamtenverhältnis Uberführten waren „Dozenten neuer Ordnung". Die vollgültige Existenz der theologischen Fakultäten als gleichberechtigte Glieder der Gesamtkörperschaft Universität wurde in den ersten Jahren des „Dritten Reiches" offiziell nicht in Frage gestellt; mehrfach sind Theologen zu Rektoren gewählt worden und avancierten damit zu Führern ihrer Universität 77 . Dennoch täuschte diese Kontinuität der Gleichberechtigung eine Normalität vor, denn die theologischen Fakultäten gerieten schon 1933 in eine Sonderrolle durch die Kirchenpolitik des Staates und der von ihm unterstützten Kirchenkampfpartei. Dabei brach in aller Schärfe das Problem der Doppelstellung der Theologieprofessoren auf: Staatsbeamte und zugleich, jedenfalls im Selbstverständnis, bevollmächtigte Lehrer der Kirche. Die Funktionen der „persona duplex in eodem homine" (so Luther 1530 über die Reichsbischöfe) gerieten in Widerspruch zueinander. Der Staat unterwarf seine Untergebenen administrativen Reglementierungen; Gemeinden und kirchenleitende Gremien verlangten von den Professoren ex-cathedra-Voten, in denen die Heilige Schrift zu dem jeweils in Rede stehenden Problem authentisch ausgelegt wurde 7 8 . Während in der Sicht Hans von Sodens die Aufgabe der Theologieprofessoren „nicht die [ist], darüber zu wachen, daß der Staat kein Unrecht tue . . . Unsere eigentliche und hauptsächliche Pflicht, als Theologieprofessoren ist vielmehr, darüber zu wachen, daß die Kirche christlich und evangelisch bleibt" 7 9 , verstießen die Professoren in der Sicht des Staates 7 5 Zur Zusammenlegung der v o n der Reichshabilitationsordnung geforderten Teilnahme an diesem Gemeinschaftslager und an einem Dozentenlehrgang 1 9 3 7 vgl. D W E V 3, 1937, S. 2 6 6 f . Vgl. auch V. LOSEMANN, K o n z e p t i o n . 7 6 Vgl. D W E V 5, 1 9 3 9 , S. 128 (§ 17). 7 7 So amtierten Heinrich B o r n k a m m in G i e ß e n 1 9 3 3 - 3 5 , Karl Fezer in Tübingen 1 9 3 4 / 3 5 und Wolf Meyer-Erlach in Jena 1 9 3 5 - 3 7 . 7 8 Die M a r b u r g e r und Erlanger Gutachten zum kirchlichen „Arierparagraphen" entstanden auf diese Weise (vgl. E. DINKLER/E. DINKLER-VON SCHUBERT, Theologie, S. 352 ff.;
THEOLOGISCHE BLÄTTER 1 2 , 79
1 9 3 3 , S . 3 2 1 f f . ; W . GERLACH, Z e u g e n ,
S.72ff.).
E . D I N K L E R / E . D I N K L E R - V O N SCHUBERT, T h e o l o g i e , S . 4 8 ( J u l i
1934).
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bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe gegen die ihnen vom Dienstherrn auferlegte Pflicht, bei den innerkirchlichen Auseinandersetzungen Neutralität zu bewahren. Den engagierten Vorkämpfern der Bekennenden Kirche taten demgegenüber die Fakultäten weitaus zu wenig; sie hatten vielmehr „eine unerhörte Chance, die sich ihnen für die Führung von Kirche und Universität im Jahre 1933 geboten hat, sträflich verkannt und versäumt" — so das Urteil von Sodens Ende 1935 8 0 . Als der Staat im Streit um die Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK) für den Reichsbischof Partei nahm, verlangte er von seinen Hochschullehrern loyales Mittragen dieser Entscheidung; am 13. Januar 1934 ließ der preußische Kultusminister Rust dementsprechend die evangelisch-theologischen Fakultäten seines Machtbereichs wissen, es sei „mit den Pflichten eines Beamten der Preußischen Unterrichtsverwaltung nicht vereinbar", wenn er „in irgendeiner Form", insbesondere öffentlich gegen Mitglieder oder Maßnahmen der Kirchenregierung Stellung nähme oder sich „Vereinigungen, die sich ihrer Gesamthaltung nach gegen die Kirchenregierung stellen", anschließe 81 . Auch weiterhin bemühten sich staatliche und Parteiinstanzen, die theologischen Fakultäten im Interesse der deutschchristlichen Kirchenleitungen zu disziplinieren. Als die Tübinger Fakultät sich mit ihrem Landesbischof — so wie die Erlanger Fakultät mit Meiser — solidarisierte und scharfe Kritik an der gewalttätigen Eingliederungspolitik Reichsbischof Müllers übte, wurde der Dekan vom württembergischen Kultusminister abgesetzt und den Fakultätsmitgliedern eine Rüge ausgesprochen. Der Studentenführer erhielt den Auftrag, jede Resolution der theologischen Fachschaft zu unterbinden 82 . Nachdem über 120 Theologieprofessoren den Reichsbischof zum Rücktritt aufgefordert hatten und diese Forderung wenig später wiederholten, jetzt versehen mit der gewichtigen Selbstautorisation „aus der uns als theologischen Lehrern der Kirche aufliegenden Verantwortung" 83 , erging in Reaktion darauf am 28. Februar 1935 der in das Selbstverständnis der theologischen Fakultäten tief eingreifende sog. Maulkorberlaß des R E M 8 4 . Die Verantwortung der theologischen Hochschullehrer wurde durch diesen Erlaß einseitig auf den Staat hin orientiert, indem ihnen ihre Pflichten als Staatsbeamte und die daraus erwachsende „politische Verantwortung eines 8 0 Vgl. EBD., S. 185f.; EBD., S. 83 über „das schwere Versagen der Fakultäten in der Krisis unserer Kirchen" (7.5.1934). 8 1 Vgl. J. GAUGER, Chronik, Bd. 1, S.134; C. NICOLAISEN, Dokumente, Bd. 2, S. 13. 8 2 Vgl. J. GAUGER, Chronik, Bd. 2, S. 336, 345. Zur Tübinger evangelisch-theologischen Fakultät vgl. auch L. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, Fakultät Tübingen, und ihren Beitrag in diesem Band. 8 3 Der erste Appell, veröffentlicht am 6 . 1 1 . 1 9 3 4 , vgl. EBD., S.371, der zweite EBD., S. 373. Selbst das Wort des Reichsbischofs an die Gemeinden und Pfarrer vom 8 . 1 1 . 1 9 3 4 räumte ein, daß sich „eine große Zahl von Professoren der Theologie" dem Rücktrittsdrängen angeschlossen hätten (EBD., S. 366). 8 4 Vgl. EBD., S. 462; 464; C. NICOLAISEN, Dokumente, Bd. 2, S.271f.
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Amtsträgers des nationalsozialistischen Staates" eingeschärft wurden. ,Jede öffentliche Stellungnahme im Kirchenstreit" wurde untersagt, jede Teilnahme an „frei gebildeten kirchlichen Vereinigungen kirchenpolitischer Herkunft und Zielrichtung" verboten. Ausnahmen bedurften ministerieller Genehmigung. Der Staat verlangte aber nicht nur Gehorsam gegen sich, sondern auch die Erbringung pflichtgemäßer Leistungen an die „amtierenden Kirchenbehörden", deren Anerkennung durch die Staatsbehörden von den Professoren zu akzeptieren war. Damit standen sich zwei Prinzipien inkompatibel gegenüber: die vom Staat beanspruchte Kompetenz, staatliche Einrichtungen aus einem außerstaatlichen Institutionenkonflikt herauszuhalten und seine Bediensteten zur Loyalität gegenüber seiner eigenen und gegenüber den von ihm anerkannten Autoritäten zu verpflichten; die von den Professoren postulierte besondere kirchliche Aufgabe und Verantwortung ihres Amtes als theologische Lehrer. Demgemäß verstießen kirchenregimentskritische Stellungnahmen von Staatsbeamten ihrer Meinung nach nicht gegen die Pflicht des Staates zur Neutralität, und vollends war die Beteiligung an der Bekennenden Kirche eine kirchliche Betätigung, die mithin ihre Aufgaben als Staatsbeamte nicht berührte 85 . In einem Erläuterungserlaß vom 5. Juli 1935 definierte der R E M das Verhältnis zwischen der von ihm bejahten Freiheit der Lehre und der staatsbürgerlichen Verantwortung der Professoren dahingehend, daß aus der Lehrfreiheit nicht die Vollmacht zu einer Stellungnahme in kirchenpolitischen Streitfragen folge, die die Volkseinheit gefährden könnte. „Bei der gegebenen Sachlage" könne es nicht „Aufgabe theologischer Lehrer sein, in dem Machtkampf einzelner kirchlicher Persönlichkeiten und Gruppen gegeneinander öffentlich Stellung zu nehmen" 8 6 . Den Maulkorberlaß stellte Rust als „vorübergehende Notmaßnahme" hin, bis die Professoren zur richtigen Einsicht gekommen und die theologischen Fakultäten wieder befriedet seien. Aufgehoben wurde der Verbotserlaß 1936, und auch dann nur sehr zweckgebunden, um den Mitgliedern der theologischen Fakultäten die Möglichkeit zur Akklamation der Kirchenausschuß-Politik des Kirchenministers Kerrl zu geben, ihr „in voller Freiheit . . . innerlich zuzustimmen und das auch durch literarische grundsätzliche Stellungnahme zu vertreten" 87 . Opposition war mithin auch jetzt nicht erlaubt. 8 5 So die Heidelberger Professoren Dibelius, Hupfeld, F r o m m e l und Wendland in einem Protestschreiben an den badischen Kultusminister ( U A HEIDELBERG, B-7110; vgl. E. DINKLER/E. DINKLER-VON SCHUBERT, Theologie, S. 135ff., 149ff.); ähnlich das Ergebnis einer Besprechung theologischer Hochschullehrer im M ä r z 1935 (EBD., S. 140 f.). Einen Protest der Rostocker Fakultät vgl. bei S. PAULI, Geschichte, S. 348. 86
J.
GAUGER,
Chronik,
B d . 2,
S. 4 6 4 / 4 6 6 ;
E.
DINKLER/E.
DINKLER-VON
SCHUBERT,
Theologie, S. 370 ff. 8 7 J. GAUGER, C h r o n i k , Bd. 2, S. 466. Z u m Reichskirchenministerium, dessen Geschichte noch der Bearbeitung bedarf, vgl. die beiden Arbeiten von L. SIEGELE-WENSCHKEWITZ,
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Eike Wolgast
Ein neuer Konflikt zwischen Staat und theologischen Fakultäten entstand durch die dritte Bekenntnissynode von Augsburg im Juni 1935. Die Hochschullehrer waren von der Synode aufgefordert worden, an Prüfungen der Bekennenden Kirche teilzunehmen, die Studenten, sich nur von Behörden prüfen zu lassen, die von der Bekennenden Kirche anerkannt waren. In diesem Zusammenhang griff die Synode unmißverständlich das Grundproblem der theologischen Fakultäten auf: Wurden die Professoren an der Zugehörigkeit zur Bekennenden Kirche gehindert und in ihrem Prüfungsrecht beschränkt, „würde die Einrichtung der staatlichen theologischen Fakultäten für die Kirche ihre bisherige Bedeutung verlieren." Indirekte, aber deutliche Kritik übte die Synode an der Berufungspolitik des REM, wenn sie den Kirchenleitungen zur Pflicht machte, für Ersatz von solchen Lehrveranstaltungen zu sorgen, deren Besuch den Studenten „um des Gewissens willen" nicht zuzumuten war 88 . Wie sehr sich das R E M in seinen Monopolansprüchen auf das Bildungswesen getroffen fühlte, geht aus dem Erlaß vom 15. Oktober 1935 hervor, dem zufolge jeder theologische Dozent zu befragen war, ob er an der Augsburger Synode teilgenommen habe; wenn ja, ob er am Hochschulausschuß beteiligt gewesen sei; wenn ja, ob er an den Antragsformulierungen mitgewirkt und dem Antrag in der Synode zugestimmt habe. Bei Bejahung auch nur einer Frage war der Betreffende zu fragen, wie er dies mit dem Verbotserlaß vom 28. Februar 1935 vereinbare 89 . Als aufgrund des Augsburger Beschlusses zum Wintersemester 1935 / 36 die Kirchliche Hochschule der Bekennenden Kirche mit ihren Abteilungen Wuppertal-Elberfeld und Berlin-Dahlem die Arbeit aufnahm 9 0 — freilich mit der konzeptionellen Unklarheit, ob damit eine freie Fakultät entstand, die auch im Forschungsbereich die staatlichen Fakultäten substituieren sollte, oder ob es sich um einen Notbehelf handelte, der sich auf Unterricht beschränkte 91 —, nutzte die staatliche Hochschulpolitik diese Gelegenheit nicht, durch Gewährenlassen der kirchlichen Hochschulen entweder die staatlichen Fakultäten unter Konkurrenzdruck zu setzen 92
Geschichte; DIES., Versuche; vgl. auch J . S . CONWAY, K i r c h e n p o l i t i k , S. 136ff.; 3 7 0 f f . Zu Kerrls Vorstellungen vgl. sein Schreiben v o m 6 . 9 . 1 9 3 9 an W. Stapel ( I M G , Bd. 25, S. 223 ff.; H . - G . SERAPHIM, Tagebuch, S. 151-154). 8 8 Vgl. W. NIEMÖLLER, Bekenntnissynode A u g s b u r g , S. 81 f. 89
Vgl. U A
HEIDELBERG, B - 1 5 4 7 .
Vgl. dazu STUDIUM; an zeitgenössischen Zeugnissen u.a. H . SCHLIER, Verantwortung. 9 1 Z u m Rechtsstatus vgl. W. WEBER, Rechtsfragen. 9 2 D i e S t i m m u n g nicht weniger mit der B e k e n n e n d e n Kirche sympathisierenden Theologieprofessoren gegenüber d e m Beschluß der Augsburger S y n o d e gab H . E. Weber wieder: „ D i e Bekennende Kirche gibt die Fakultäten preis, fällt uns in den R ü c k e n ! " (STUDIUM, S. 94; vgl. dazu jedoch auch den Beitrag G . van N o r d e n s in diesem Band). Vgl. auch 90
K . A L A N D , G l a n z , S . 8 2 0 f . ( H . L i e t z m a n n ) ; E . D I N K L E R / E . D I N K L E R - V O N SCHUBERT, T h e o -
logie, S. 169 ff. (J. Jeremias); EBD., S. 146 ff. ( H . von Soden). Von der Gegenseite aus formulierte E. STAUFFER den Protest: „ K i r c h e n s e m i n a r i e n in diesem Augenblick wären Kase-
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und stärker als zuvor an den Staat zu binden oder aber unter Hinweis auf die Bereitschaft der Kirche, die Ausbildung ihres Nachwuchses in die eigene Hand zu nehmen, die staatlichen Fakultäten zu eliminieren. Stattdessen wurde administrativ und schließlich mit Polizeimaßnahmen gegen die kirchliche Konkurrenz vorgegangen. Das REM untersagte schon am 17. Dezember 1935 allen Lehrkräften der theologischen Fakultäten, an „illegalen Prüfungen" mitzuwirken oder Alternativveranstaltungen zum normalen Lehrbetrieb abzuhalten 93 ; ein Jahr später wurde den Studenten bei Strafe dauernder Relegation verboten, Ersatzvorlesungen zu besuchen oder sich am Boykott von Hochschullehrern zu beteiligen 94 . Im Einvernehmen mit dem REM löste der Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei mit Erlaß vom 29. August 1937 alle von der Bekennenden Kirche errichteten „Ersatzhochschulen, Arbeitsgemeinschaften und die Lehr-, Studenten- und Prüfungsämter" auf und verbot „sämtliche von ihnen veranstalteten theologischen Kurse und Freizeiten" 95 . Nicht nur bei der Bekennenden Kirche, sondern auch bei der anderen Kirchenkampfpartei wurde über die Zukunft der theologischen Fakultäten nachgedacht 96 . Auf einer Akademischen Reichstagung der Deutschen Christen im Februar 1935 wurde ein Programm zur Neugestaltung entworfen, das alle Fächer einbezog. Danach sollten die alttestamentlichen Lehrstühle reduziert, andererseits in ihrem Stoffgebiet ausgeweitet werden durch Einbeziehung der „Geschichte des Judentums bis in die Gegenwart" und „Fragen des Ariertums"; ebenso sollte in der Kirchengeschichte die neueste Zeit und insbesondere Konfessionskunde der Gegenwart stärkere Berücksichtigung finden. Die Systematik hatte Religions- und Kulturphilosophie einzubeziehen, die praktische Theologie sollte sich um Volksmission kümmern, während für das Neue Testament ein „möglichst lebendiger Ausbau der Wissenschaft" gefordert wurde, was immer das heißen mochte. Eingang in die NS-Hochschulpolitik fand das Programm nicht, zumal der Einfluß der Deutschen Christen bereits rapide zurückgegangen war. Gegenüber der kirchlichen Opposition wurde das Verfahren des Maulkorberlasses von 1935 wiederholt, als sich der Staat über die Errichtung von Finanzabteilungen der Kirche zu bemächtigen versuchte. In Baden wurde den Staatsbediensteten 1938 verboten, sich an Protesten gegen die matten der Opposition", die von der „undeutschen Modetheologie" und dem „gläubigen Nihilismus" abhängig würden (Lehramt, S. 35 f.). 93
V g l . DIE CHRISTLICHE WELT 5 0 , 1 9 3 6 , S p . 1 3 9 ; d e m n ä c h s t a u c h i n G .
GRÜNZINGER-
SIEBERT/C. NICOLAISEN, D o k u m e n t e , B d . 3 , N r . 5 7 . 9 4
V g l . u . a . STUDIUM, S . 1 8 7
95
EBD., S. 2 1 5 .
(17.11.1936).
96
V g l . z u m F o l g e n d e n JUNGE KIRCHE 3 , 1 9 3 5 , S . 2 8 3 ( n a c h d e m B e r i c h t i n : EVANGELIUM
IM DRITTEN REICH v o m 3 . 3 . 1 9 3 5 ) ; das Referat über „Die Neugestaltung der theologischen Fakultäten und der praktischen Vorbildung f ü r das geistliche A m t " hatte der Berliner Systematiker Cajus Fabricius gehalten.
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Finanzabteilungen zu beteiligen, da sie „damit gegen eine Maßnahme der Reichsregierung Stellung nehmen" 9 7 . Gezielt setzte der nationalsozialistische Staat immer wieder die Personalpolitik ein, um die theologischen Fakultäten umzugestalten. Bei Neuberufungen wurden Deutsche Christen bevorzugt, allenfalls noch Neutrale eingestellt, Mitglieder der Bekennenden Kirche aber durchweg ausgeschlossen, so daß geradezu von einer „staatlichen Kampfbesetzungspolitik" gesprochen werden konnte 98 . Neben dem Berufsbeamtengesetz diente vor allem das Hochschullehrergesetz von 1935 als Instrument, um Eingriffe in den vorhandenen Personalbestand vornehmen zu können. Zwar blieben die Veränderungen in Bonn und Kiel, deren Lehrkörper bis 1936 fast vollständig ausgetauscht wurde, singulär, aber nach einer Berechnung, die Hermann Mulert in der „Christlichen Welt" anstellte 99 , waren gegenüber 1933 zum Wintersemester 1936/37 nur noch Tübingen, Rostock und Erlangen in ihrem Bestand unverändert. Während sieben Fakultäten (Heidelberg, Jena, Leipzig, Gießen, Halle, Marburg und Greifswald) mehr als die Hälfte ihres Bestandes von 1933 behalten hatten, waren fünf Fakultäten (Göttingen, Münster, Königsberg, Berlin und Breslau) stärkeren Veränderungen ausgesetzt gewesen — freilich sind bei dieser Bestandsaufnahme auch die normalen Fluktuationen einbezogen, nicht nur die politisch motivierten Veränderungen. Seit der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre wurde die Personalpolitik verstärkt eingesetzt, um die Funktionsfähigkeit der theologischen Fakultäten zu beschränken. So erfolgten Neuberufungen bei Vakanzen nur noch mit Verzögerung. Andererseits schrumpfte auch die Zahl der Theologiestudenten geradezu dramatisch. Der kontinuierliche Rückgang seit dem Sommersemester 1933 entsprach zwar dem allgemeinen Trend — so hatte sich in Heidelberg die Gesamtzahl der Studierenden vom Sommersemester 1933 bis zum Sommersemester 1939 halbiert 1 0 0 —, bei den Theologen war der Rückgang aber um ein Vielfaches stärker 101 . Hatten im Wintersemester So im Schreiben der Badischen Staatskanzlei vom 1 0 . 8 . 1 9 3 8 an den Kultusminister von diesem an seine unterstellten Dienststellen weitergeleitet ( E 1 1 6 9 6 ) : U A H E I DELBERG, B-7110. 9 8 Vgl. E. D I N K L E R / E . D I N K L E R - V O N SCHUBERT, Theologie, S. 172 (von Soden an J. Jeremias, 18.8.1935). 97
(Nr.
99
5149),
V g l . D I E CHRISTLICHE W E L T 5 0 ,
1 9 3 6 , Sp. 8 2 8 ff.
Vgl. die Übersicht bei H . WEISERT, Verfassung, S . 1 5 9 f . 1 0 1 Die Zahlen differieren; am verläßlichsten dürfte sein H. TITZE, Datenhandbuch, Bd. 1 / 1 , S. 105 Tab. 27; vgl. ferner die Übersicht in: J U N G E K I R C H E 5, 1937, S. 315. Frequenzzahlen einzelner Fakultäten aus der Kriegszeit vgl. in den SD-Berichten bei H . BOBERACH, Meldungen, Bd. 3, S.835 (1939/40); EBD., Bd. 6, S.2168 (Trimester 1941); EBD., Bd. 10, S. 3825 f. ( 1 9 3 4 / 3 5 - 1 9 4 1 / 4 2 ) . In einer offenbar im REM angefertigten Zusammenstellung wurde die Kriegsentwicklung mit der Vorkriegszeit verglichen: Zwischen 1939 und 1943 werde sich die Zahl der „berufsfertigen evangelischen Theologen" auf 1/10 verringern, 100
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1932/33 etwa 6.800 Studenten an deutschen Universitäten Theologie studiert, so waren es 1935/36 nur noch etwa 4.100 und im Sommersemester 1939 lediglich 1.300, davon 39 Erstsemester — in acht Fakultäten hatten sich überhaupt keine Studienanfänger eingeschrieben. Gemessen an der Zahl aller Studenten, ging der Anteil von 4,57% (1932/33) über 3,36% (1935/36) auf 2,78% (1939) zurück 1 0 2 . Dagegen verlief der Prozeß bei den katholischen Theologen umgekehrt; deren stark ansteigende Zahl führte den SD schon 1938 zu der Vermutung, „daß sich die Kirche mit aller Aufmerksamkeit und Zielbewußtheit der Frage ihres Nachwuchses zuwendet" 1 0 3 . Eine offene Behinderung oder Reglementierung der Zulassung zum Theologiestudium fand nicht statt, wenn auch im September 1938 aufgrund einer Anregung des Stellvertreters des Führers das Reichsfinanzministerium angeordnet hatte, Theologiestudenten keine Ausbildungsbeihilfen mehr zu gewähren; nach Intervention Kerrls bei Finanzminister Schwerin von Krosigk und einem Protest des württembergischen Landesbischofs Wurm war diese Maßnahme aber im September des folgenden Jahres rückgängig gemacht worden 1 0 4 . Unter dem Stichwort „Entklerikalisierung" erklärte ein Sachbearbeiter im R E M 1939 den Rückgang der evangelischen Theologiestudenten damit, daß der evangelische Bevölkerungsteil, offen für das Weltgeschehen, „aus der politischen Entwicklung der letzten Jahre, die gebieterisch alle Kräfte für die nationalsozialistische Wirklichkeit fordert, die Folgerung gezogen" hat, seine Söhne nicht mehr „einer immer noch jenseitig ausgerichteten Theologie zuzuführen" 1 0 5 . Ein SD-Bericht von 1942 nannte unter den Gründen des Rückgangs ebenfalls an erster Stelle den Verlust an Anziehungskraft des Theologiestudiums „mit dem Durchbruch der nationalsozialistischen Weltanschauung", fügte aber zynisch als weiteren Grund hinzu: „Keinerlei günstige Berufsaussichten" 106 . Daß sich auch unter den zur Bekennenden Kirche stehen1942 sei nur noch 1 / 8 des Bestandes v o m SS 1938 vorhanden gewesen. Im SS 1941 waren 178 Studenten der Theologie eingeschrieben, davon zehn Studienanfänger, der Anteil der Abiturienten, die als Berufswunsch Pfarrer angaben, war von 0 , 5 3 % (1937) über 0 , 4 9 % (1939) auf 0,21 % (1942) abgesunken. Vgl. Bericht über E n t w i c k l u n g , Stand und Aussichten des S t u d i u m s der evangelischen T h e o l o g i e an den wissenschaftlichen Hochschulen in Deutschland v o m 1 8 . 6 . 1 9 4 2 ( M i k r o f i l m IfZ MÜNCHEN, M A 127/4). 1 0 2 Z u m Vergleich: 1920 betrug der Theologenanteil lediglich 1,43%. 103
H . BOBERACH, M e l d u n g e n , B d . 2 , S. 8 3 .
104
V g l . A K T E N DER PARTEIKANZLEI, R e g e s t N r . 2 3 2 7 4 , 2 4 2 2 5 . K e r r l b e g r ü n d e t e s e i n E i n t r e -
ten für eine Einschränkung des Stipendienverbots auf Priesteranwärter damit, daß die Zahl der evangelischen Theologiestudenten unter den Bedarf absinke, aber ein Interesse des Staates an aus kinderreichen Familien stammenden, nicht gegen das „ D r i t t e Reich" eingestellten Geistlichen bestehe. Zur Intervention Wurms vgl. G . SCHAFER, Landeskirche, Bd. 6, S.77. 105
F. ZIPFEL, K i r c h e n k a m p f ,
106
Vgl. H . BOBERACH, Meldungen, Bd. 10, S.3827.
S.492.
66
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den Studenten „häufig erbbiologisch und charakterlich gute Leute" befanden, „auf die der Staat in anderen Berufen Wert legen könnte", wurde im R E M ausdrücklich festgehalten, verbunden mit dem Idealprogramm, alle Theologiestudenten „heute und künftig wichtigeren Berufen zuzuführen"^107. Die Gestapo hielt die Fakultäten unter genauer Kontrolle; so wurde 1937 auf einer Tagung von Kirchenexperten als Direktive der SD-Oberabschnitte ausgegeben: „Die einzelnen theologischen Fakultäten sind auf ihre kirchenpolitische Einstellung, auf ihre Einflußnahme auf den übrigen Professorenapparat und auf die Einstellung der einzelnen Professoren zu Partei und Staat zu erörtern." 1 0 8 C. Konzentrierter Angriff seit 1938 Um das Jahr 1938 läßt sich allgemein ein nachlassendes Interesse des Regimes an den Hochschulen konstatieren, wodurch die Universitäten einen gewissen Freiraum zurückgewinnen konnten 1 0 9 , allerdings mit der Hypothek belastet, daß die Personalpolitik des vergangenen Jahrfünfts sie zu nicht unbeträchtlichen Teilen mit Parteiaktivisten aufgefüllt hatte. Dieses nachlassende Interesse galt aber nicht für die theologischen Fakultäten, die im Gegenteil gerade seit Ende 1938 durch einen konzentrischen Angriff von R E M (Wacker), StdF (Bormann), SD (Heydrich) und NSDAP (Rosenberg) in eine existenzbedrohende Krise gerieten. Nachdem noch im Januar 1935 der bisherige Staatssekretär im R E M Wilhelm Stuckart in einer Denkschrift für Hitler befunden hatte, das Volk sei für die vollständige Trennung von Staat und Kirche, die u.a. auch den Wegfall der theologischen Fakultäten einschließen würde, noch nicht reif 1 1 0 , ergriff der Amtschef W Otto Wacker im Spätjahr 1938 die Initiative zur internen Verständigung über die Beseitigung der theologischen Fakultäten als Staatseinrichtung 111 . Am 28. November 1938 gab er in einem Schreiben an den Stellvertreter des Führers zu erwägen, ob nicht eine Anzahl theologischer Fakultäten beider Konfessionen geschlossen bzw. zusammengelegt werden ">7 F. ZIPFEL, Kirchenkampf, S . 4 9 2 f . 108
Z i t . bei J . S . CONWAY, K i r c h e n p o l i t i k ,
109
S o H . MAIER, H o c h s c h u l p o l i t i k , S. 8 9 .
S.190.
1 1 0 Vgl. J.S. CONWAY, Kirchenpolitik, S. 137f.; L. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, Geschichte, S. 188ff.; DIES., Nationalsozialismus, S. 207. Abdruck der Stuckart-Denkschrift bei C . NICOLAISEN, Dokumente, Bd. 2, S . 2 4 9 - 2 5 9 . 1 , 1 Vgl. zum Folgenden K. SCHOLDER, Baden, S . 2 4 0 f . (die dort angekündigte Arbeit über die staatskirchenrechtliche „Endlösung" der Kirchenfrage im „Dritten Reich" ist offenbar nie erschienen) und L. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, Fakultät, S. 507ff. Beide Autoren haben Aktenstücke als ungedruckt benutzt, die bereits in IMG, Bd. 25 veröffentlicht waren. Wichtiges Material zum Folgenden ist jetzt in der Sammlung AKTEN DER PARTEIKANZLEI zusammengetragen und danach von mir benutzt worden; es ist über die jeweils zitierte Regestennumer zu erschließen.
Nationalsozialistische Hochschulpolitik
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sollten. Da es sich in seiner Sicht um „höchst politische Entscheidungen" handelte, wurde Bormann als Stabsleiter des StdF gebeten, „gelegentlich den Willen des Führers darüber zu ermitteln und mir mitzuteilen." Nach einer von Wacker beigefügten Liste sollten durch Verlegung aufgehoben werden Heidelberg (nach Tübingen), Kiel (nach Göttingen), Leipzig (nach Halle und Jena), Gießen (nach Marburg), Greifswald (nach Berlin oder Königsberg), Rostock (nach Berlin) 112 . Nicht die erbetene Willensäußerung Hitlers, wohl aber „die Stellungnahme der Partei" übermittelte Bormann am 24. Januar 1939 113 — gewissermaßen als Magna charta des Kampfes gegen die theologischen Fakultäten: „Grundsätzlich kann die theologische Forschung nicht mit den übrigen Wissenschaftsgebieten an den Universitäten gleichgestellt werden, da sie weniger eine freie Wissenschaft, als vielmehr eine konfessionelle Zweckforschung darstellt. Aus diesem Grunde bestehen deshalb keine Bedenken, wenn die theologischen Fakultäten an den deutschen Hochschulen wesentlich eingeschränkt werden"; zur Begründung für eine Veränderung der Hochschullandschaft trotz anderslautender Rechtsgrundlagen ließe sich „die allgemeine Veränderung der Verhältnisse", insbesondere die Einführung der Wehrpflicht, der Vierjahresplan, außerordentlich großer Nachwuchsmangel und die Notwendigkeit „einer gewissen planvollen Gestaltung auch des deutschen Hochschulwesens" heranziehen. Öffentliche Bekanntmachungen oder amtliche Erklärungen gegenüber den Kirchen oder anderen Stellen sollten unterbleiben 114 . Begrüßenswert fand Bormann die Umwidmung freiwerdender Lehrstühle für neue Forschungsgebiete wie Rassenforschung und germanische Altertumskunde. Am 6. April 1939 legte das R E M — Wacker war gerade ausgeschieden — dann einen detailliert begründeten Zusammenlegungsplan vor, der zum Wintersemester 1939/40 realisiert werden sollte 115 . Aus den Begründungen geht nun eindeutig hervor, daß das eigentliche Ziel in der Beseitigung der theologischen Fakultäten bestand und daß lediglich aus Opportunitäts112
V g l . K . S C H O L D E R , B a d e n , S . 2 4 0 ; L . SIEGELE-WENSCHKEWITZ, F a k u l t ä t , S . 5 0 7 f . V o n d e n
katholischen Fakultäten sollten nach Wackers Vorstellungen Innsbruck und Salzburg endgültig geschlossen, M ü n c h e n nach Würzburg, T ü b i n g e n nach Freiburg, B o n n nach Münster, die Philosophisch-theologische Hochschule Regensburg nach Passau verlegt werden. 1 1 3 Vgl. I M G , Bd. 25, S . 2 1 0 f f . (mit Durchschlag an Rosenberg). A n k n ü p f e n d an das Schreiben des R E M v o m 2 8 . 1 1 . 1 9 3 8 hatte eine Besprechung zwischen Wacker und dem Sachbearbeiter Wemmer v o m StdF stattgefunden (vgl. EBD., S. 211). 1 1 4 Dieser Linie folgend, wurden die Rektoren auf ihrer Konferenz a m 7 . / 8 . 3 . 1 9 3 9 auf den „ A b b a u der theologischen Fakultäten", an deren Stelle Lehrstühle für vergleichende Religionsgeschichte und -Wissenschaft treten sollten, vorbereitet (vgl. H . BOBERACH, Meldungen, Bd. 2, S. 249). 1 1 5 Vgl. I M G , Bd. 25, S. 241 ff. (von B o r m a n n in K o p i e an Rosenberg zur baldigen Stellungnahme übermittelt). Zwischenzeitlich hatte B o r m a n n zweimal beim R E M wegen des A b b a u s nachgefragt (24.2. und 7.3.1939).
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gründen gegenwärtig vorläufige Regelungen getroffen wurden, wobei die regionale Abdeckung maßgeblich war. Durch Verlegung aufgehoben werden sollten von den 18 116 evangelisch-theologischen Fakultäten fünf (Heidelberg, Bonn oder Münster, Leipzig, Rostock, Berlin) 117 . Göttingen sollte wegen des Interesses der angelsächsischen Welt vorläufig erhalten bleiben, ebenso Marburg wegen der Mitarbeit ausländischer Gelehrter bis zur Festigung des neu zu errichtenden Instituts für Religionswissenschaft; in Gießen und Greifswald wollte man die insgesamt nur kleinen Universitäten nicht weiter schwächen, Halle war schon um des Namens der Universität willen — sie hieß seit November 1933 „Martin-Luther-Universität" — beizubehalten. Das extrem deutsch-christlich orientierte Jena erhielt, obwohl nur von wenigen Studenten besucht, eine Bewährungschance „in den geistigen Auseinandersetzungen in nächster Zeit". Auf die kirchenpolitische Ausrichtung einer Fakultät hob das Ministerium aber nur in diesem Falle ausdrücklich ab. Das Aufsehen, das die Aufhebung der Berliner Fakultät zur Folge haben würde, war das R E M bereit in Kauf zu nehmen, um die Theologen aus der „neuen Hochschulstadt Berlin" zu entfernen. Von den 17 katholischen Fakultäten und Philosophischtheologischen Hochschulen waren vier bereits geschlossen, vier weitere sollten nach Wackers Plan noch verlegt werden. Der Stellvertreter des Führers war entschiedener als das REM. Nach einer „Besprechung mit sämtlichen beteiligten Parteidienststellen" 118 und damit vollgültig autorisiert, erklärte Bormann am 23. Juni 1939 sein Einverständnis mit den Planungen, wollte aber zusätzlich Göttingen und Greifswald aufgehoben sehen 119 . Ferner sollte, anders als vom REM aus Konfessionsproporzgründen geplant, die Tübinger Fakultät nach Heidelberg verlegt werden, um zu verhindern, daß das „ausgesprochen evangelisch-theologische Zentrum" Tübingen durch die Heidelberger Studenten noch weiter gestärkt würde. Das Berliner Problem wurde aufgeschoben; zwar sollte die theologische Fakultät auch nach Bormanns Meinung keinesfalls in die neue Hochschulstadt übernommen werden, eine Verlegung nach Greifswald würde dieser Universität aber ein unerwünschtes Gepräge geben. „Grundsätzlich ist es unangebracht, eine theologische Fakultät von einer Großstadt in eine Kleinstadt zu verlegen"; deswegen
1 1 6 Zu den 17 reichsdeutschen Fakultäten war seit dem A n s c h l u ß 1938 die evang.-theol. Fakultät Wien h i n z u g e k o m m e n . 1 1 7 Auch ein im R E M angefertigter Vermerk von 1939 ging von „dem praktischen Verschwinden von 5 - 7 evangelisch-theologischen Fakultäten in absehbarer Z e i t " aus (vgl. F. ZIPFEL, K i r c h e n k a m p f , S. 494). 1 1 8 Vgl. die Einladung an Rosenberg zur Besprechung über das Schicksal der theologischen Fakultäten v o m 7 . 6 . 1 9 3 9 (AKTEN DER PARTEIKANZLEI, Regest N r . 23783). Vgl. I M G , Bd. 25, S. 219 ff.
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sollte Berlin bis z u m Verschwinden „in absehbarer Zeit" erhalten bleiben, zumal die neue Hochschulstadt erst in einigen Jahren fertiggestellt sein werde. Rosenberg, der den Schriftwechsel z w i s c h e n R E M und StdF zur Stellungnahme zugeleitet erhielt, war mit den Vorschlägen einverstanden, erhob aber gegen die Begründung zugunsten Halles Einspruch, da Luther dem ganzen Volk u n d nicht lediglich einer Konfession gehöre. „Unbeschadet dessen mag i m übrigen bis auf weiteres die theologische Fakultät in Halle erhalten bleiben." 1 2 0 D i e Planungen stellten sich jetzt wie folgt dar: Osten Königsberg ev. Braunsberg kath. Breslau ev./kath.
REM 6.4.39 +
StdF 23.6.39 +
+ +
nach Breslau + („zunächst") +
Wien ev./kath. Prag ev./kath. Graz kath. Innsbruck kath. Salzburg kath.
+ (später mit Wien vereinigen)
bereits nach Wien verlegt bereits geschlossen bereits geschlossen
Bayern München kath. Würzburg kath. Erlangen ev. Passau kath. Regensburg kath. Bamberg kath. Eichstätt kath. Freising kath. Südwesten Heidelberg ev. Tübingen ev. kath. Freiburg kath.
120
bereits geschlossen + + staatlich subventioniert zwei davon zu schließen
nach Tübingen + nach Freiburg
in kürzester Zeit zu schließen, bes. Passau, Regensburg, Bamberg bei Eichstätt Einstellung der staatlichen Zuschüsse
nach Heidelberg Stellungnahme vorbehalten ohne Äußerung
Vgl. Rosenberg an Heß, 4.5.1939 ( A K T E N DER PARTEIKANZLEI, Regest Nr. 23783 [BA N S 8 / 1 8 1 , Bl. 58 ff.]). Rosenberg wollte, wie der StdF, die katholische Fakultät in Bonn statt in Münster erhalten wissen wegen des dort herrschenden modernistischen Geistes. Außerdem sollten Passau und Freising nach Regensburg verlegt werden. KOBLENZ,
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Westdeutschland B o n n ev./kath. Münster ev./kath. Gießen ev. M a r b u r g ev. G ö t t i n g e n ev. Mitteldeutschlund Leipzig ev. H a l l e ev. Jena
noch unentschieden, wohin ev. bzw. kath. Fak.
beide Fakultäten nach B o n n
später nach Gießen
+
sofort nach Gießen nach Gießen
nach Halle
nach H a l l e
+
+ +
+
+ +
( „ b i s auf weiteres") Norddeutschland Kiel ev. Rostock ev. Greifswald ev. Berlin ev.
+
nach Kiel
+
nach Greifswald
+
nach Kiel nach Kiel
+
(„einstweilen") ( + = soll a m alten O r t bestehen bleiben).
Kein geographisches, sondern ein ideologisch-kirchenpolitisches Argument leitete den Reichsdozentenführer Walter Schultze 1939 bei seinem Reduzierungsvorschlag. Er teilte die theologischen Fakultäten sehr pauschal und ohne wirkliche Sachkenntnis in drei Gruppen. A) Positiv zum Nationalsozialismus: Berlin, Wien, Jena, Gießen; B) Unbestimmte Haltung: Bonn, Breslau, Königsberg, Kiel; C) der Bekennenden Kirche nahestehend: Tübingen, Erlangen, Leipzig, Halle, Marburg, Heidelberg, Göttingen, Greifswald, Rostock, Münster. Da 75% der Studenten in einer Fakultät der Gruppe C eingeschrieben seien, sollten diese zehn Fakultäten auf vier bis fünf reduziert werden, um nicht den Pfarrernachwuchs in reaktionärem Geist ausbilden zu lassen 121 . Gegen die katholischen Fakultäten unternahm der Chef des Sicherheitshauptamtes der SS Heydrich Anfang 1939 beim R E M einen Vorstoß 122 . Die SD-Denkschrift erklärte zwar die einfache Auflösung der staatlichen Fakultäten im Sinne einer Verwirklichung strikter Trennung von Staat und Kirche für wünschenswert, aber gegenwärtig nicht durchführbar. Eine Auflösung war jedoch dann möglich, wenn Hochschulen oder Fakultäten zu „Zentralen des Widerstandes gegen den nationalsozialistischen Staat geworden sind" 1 2 3 , was für Innsbruck zutraf, oder wenn innerhalb einer Vgl. J.S. CONWAY, Kirchenpolitik, S.210. Schreiben Heydrichs an Wacker vom 21.2.1939 mit beiliegender Denkschrift (vgl. F. ZIPFEL, Kirchenkampf, S. 485 ff.). 1 2 3 EBD., S. 487. 121 122
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Diözese mehr als eine Ausbildungsstätte vorhanden war, wie bei Freising und der Fakultät in München 1 2 4 . Im übrigen wurde der Vorschlag gemacht, die Fakultäten und Philosophisch-theologischen Hochschulen in ihrem Personalbestand auf das den kirchenrechtlichen Vorschriften gerade noch entsprechende Mindestmaß zurückzuschneiden. Zu erwarten war dann, daß die Kirche das Interesse an ihnen verlor und eigene Ausbildungsstätten errichtete 125 . Wacker versicherte Heydrich, daß sein Ministerium entsprechende Aktionen „bereits in weitem Maße" vorbereite; sie „könnten wahrscheinlich baldigst in die Tat umgesetzt werden" 1 2 6 . Öffentlich bezeichnete Huber vom REM zur selben Zeit die katholischen Fakultäten als Fremdkörper in der nationalsozialistischen Universität. Rhetorisch fragte er, ob es dem Staat auf Dauer zuzumuten sei, bei der Ernennung von Beamten vom Einvernehmen mit kirchlichen Würdenträgern abhängig zu sein 1 2 7 . Radikaler noch als Heydrich, wollte Wacker die kirchlichen Ersatzgründungen, die jener zu tolerieren bereit schien, verhindern. Obwohl die Zusammenlegungen für das Wintersemester 1939/40 geplant waren, hat es konkrete Vorbereitungen für diesen Zeitpunkt anscheinend nicht gegeben. Auch wurde die vorübergehende Schließung der Universitäten bei Kriegsbeginn nicht zur Verwirklichung genutzt — offensichtlich sollte jede Beunruhigung in der ohnehin problematischen Stimmungssituation der ersten Kriegsmonate vermieden werden. Lediglich die Leipziger Fakultät blieb von der Wiedereröffnung ausgenommen, nachdem ihre Schließung schon vor Kriegsausbruch von Göring und dem sächsischen Gauleiter betrieben worden war 1 2 8 . Gegen die Nichtwiederzulassung durch das REM erhob Kerrl so beharrlich Widerspruch, unterstützt vom Auswärtigen Amt wegen des Eindrucks in Schweden und vom preußischen Finanzminister Popitz im Namen des Gustav-Adolf-Vereins, daß der Ministerrat für die Reichsverteidigung gegen das Votum von REM, StdF, sächsischer Gauleitung, Reichsführung SS, Reichsdozenten- und Studentenführer u.a. die Wiedereröffnung anordnete 129 . 1 2 4 Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, daß das Reichskonkordat nur die Erhaltung der Institution, nicht aber die Zahl der Fakultäten garantierte (vgl. EBD., S.488). 1 2 5 Die freiwerdenden Lehrstühle sollten für andere Gebiete, „die für die Lebensnotwendigkeiten des deutschen Volkes von fundamentaler Bedeutung sind", verwendet werden
( v g l . EBD.). 126 127 128
Wacker an Heydrich, 14.3.1939 (vgl. EBD., S.489f.). Vgl. H . HUBER, Aufbau, S.24f. V g l . AKTEN DER PARTEIKANZLEI, R e g e s t N r .
13874.
Leipzig geriet 1942 noch einmal in Gefahr, als Lammers und Bormann nach Wegfall der außenpolitischen Rücksichten keine Bedenken mehr gegen die Schließung hatten, nachdem Gauleiter Mutschmann sich das Einverständnis des deutschchristlichen Präsidenten des sächsischen Landeskirchenamtes Klotzsche besorgt hatte. Das R E M argumentierte mit dem Mißverhältnis von 21 Studenten bei 14 Lehrkräften für die Schließung (vgl. AKTEN DER 129
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Die SD-Berichte über das erste Trimester 1940 unterstützten die Schließungs- und Zusammenlegungspläne durch Meldungen wie, daß „in nationalsozialistischen Hochschulkreisen" mehrerer Universitäten (Jena, Kiel, Marburg, Gießen, Halle, Münster und Heidelberg) kein Verständnis mehr bestehe, daß für „solche Restbestände ehemaliger historischer Größen" der ganze Apparat einer Fakultät aufrechterhalten werde; die theologischen Fakultäten sollten „bis auf einige wenige" aufgelöst bzw. zusammengelegt werden. Mit Zahlen wurde das Mißverhältnis zwischen Lehrkräften und Studenten — erstere übertrafen letztere angeblich in Bonn, Heidelberg, Rostock, Kiel, Gießen und erreichten sie fast in Marburg und Berlin — demonstriert und die Existenzberechtigung der Fakultäten in Frage gestellt 130 . Dennoch nahm das REM selbst von seinem reduzierten Plan Abstand, wenigstens Rostock nach Kiel und Bonn nach Münster zu verlegen 131 . Der neue Amtschef W Rudolf Mentzel einigte sich mit dem zuständigen Referenten des StdF schon am 23. April 1940 darauf, daß der im Vorjahr beschlossene Abbau der theologischen Fakultäten „mit Rücksicht auf die besonderen, durch den Krieg bedingten Verhältnisse vorläufig zurückgestellt wird" 1 3 2 . Allerdings traf das REM einschneidende Ubergangsregelungen. Schon Ende 1939 133 war Einvernehmen mit dem StdF erzielt worden, Neuberufungen in den theologischen Fakultäten nicht mehr auszusprechen und auch Dozenten nur noch vereinzelt zu ernennen 1 3 4 . Anfänge dazu reichten sogar noch weiter zurück, insofern bereits 1937 in den Anleitungen für die Abfassung der Gutachten der DozentenbundRegest Nr. 15642; vgl. auch Nr. 15670 sowie zusammenfassend L. R A T H MANN, A l m a mater, S. 268. 1 3 0 Vgl. H . B O B E R A C H , Meldungen, Bd. 3, S . 8 3 5 f . ; Vgl. auch E B D . , Bd. 6, S . 2 1 6 7 f f . (1941); EBD., Bd. 10, S. 3 8 2 5 f f . (1942). 1 3 1 Bormann am 1 . 3 . 1 9 4 0 übermittelt ( A K T E N DER PARTEIKANZLEI, Regest Nr. 2 3 7 8 3 ) . 1 3 2 So in der Bestätigung Bormanns an das REM, 2 7 . 4 . 1 9 4 0 (EBD., Bl. 208 f.). D e r Wiedervorlagevermerk zu diesem Vorgang bestimmte: „Mit Kriegsausgang, evtl. nach 3 Monaten"; vgl. K . S C H O L D E R , Baden, S . 2 4 1 . Vgl. auch L. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, Fakultät, S . 516; entgegen der dort gegebenen Auskunft handelte es sich aber nicht um Anordnungen Bormanns, sondern um Absichten des REM, die Bormann zustimmend referiert. — Die Realisierung der von Heydrich angeregten Maßnahmen wurde ebenfalls vertagt. Im Wiedervorlagevermerk des stellvertretenden Amtschefs W, G r o h , v o m 1 9 . 7 . 1 9 4 3 heißt es: „Ich glaube, daß man die Sache wohl auf 2 Jahre vertagen kann. W[ieder]V[orlage] 1 . 8 . 4 5 " (vgl. F. ZIPFEL, Kirchenkampf, S.491). 1 3 3 Das Datum ergibt sich daraus, daß noch im O k t o b e r 1939 Theologen zu Dozenten neuer A r t ernannt wurden (vgl. D W E V 5, 1939, S.492f.). Die Absprache v o n 1939 erhellt aus einem Schreiben Rusts an Lammers vom 3 0 . 9 . 1 9 4 3 ( A K T E N DER PARTEIKANZLEI, Regest Nr. 13196). 1 3 4 Die letzten Ernennungen in theologischen Fakultäten sind in den Personalnachrichten von D W E V im Frühjahr 1940 verzeichnet, darunter sogar die eines apl. Professors für Altes Testament in Marburg. PARTEIKANZLEI,
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führer festgelegt worden war: „Theologen sind bei der Nachwuchsförderung abzulehnen. Ausnahmen nur bei hervorragendem politischen Einsatz, in diesem Falle ist genauestens zu erörtern." 135 In seinem Schreiben vom 27. April 1940 begrüßte Bormann ausdrücklich die Absicht des REM, keine Neuernennungen mehr vorzunehmen und auch Wegberufungen an andere Universitäten nur noch in Ausnahmefällen und als Abordnung von hörerschwachen Fakultäten an größere zu vollziehen, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Lehrbetriebs notwendig erscheine. Zum Wehrdienst eingezogene Lehrkräfte sollten nicht durch Lehrbeauftragte ersetzt, Ernennungen zu Dozenten neuer Ordnung und damit beamtenrechtliche Sicherung nicht mehr ausgesprochen werden. „Auf diese Weise könnte auf kaltem Wege der Abbau im Rahmen des seinerzeit festgelegten Planes wenigstens teilweise auch während des Krieges in Angriff genommen werden." Zwar erklärte Bormann den Weg des R E M in seinen Auswirkungen für unbedenklich, mahnte aber zu besonderer Vorsicht, um nicht den Anschein eines gezielten Vorgehens gegen die theologischen Fakultäten zu erwecken; zur Erklärung sollten Kriegs- oder allgemeine Sparmaßnahmen herangezogen, Umwidmungen durch Ringtausch von Lehrstühlen kaschiert werden 136 . Die Planungserwägungen vollzogen sich intern — mit Ausnahme der andeutenden Äußerung Hubers —, dennoch blieben sie nicht geheim. So fragte der Heidelberger Rektor Schmitthenner schon im Mai 1939 in Karlsruhe nach dem Schicksal der Heidelberger theologischen Fakultät und bat mit Zustimmung des Senats das Ministerium, mit aller Kraft für die Erhaltung der Fakultät einzutreten. „Die Interessen der Nationalsozialistischen Bewegung und der Universität Heidelberg sind in dieser Frage so gemeinsam gelagert, daß schon deshalb die drohende Gefahr verhindert werden muß." 1 3 7 In der Karlsruher Antwort hieß es lapidar, bisher sei offiziell noch nichts bekannt geworden 138 . Der Heidelberger Neutestamentier Martin Dibelius lud im Oktober 1941 mehrere Kollegen nach Würzburg ein, „um sich über die Zukunft der Fakultäten und unser Verhalten im Ernstfall auszutauschen" 139 . Seine 135
R . C . K E L L Y , P e r s o n a l p o l i t i k , S. 7 1 A n m . 8 .
136
V g l . A K T E N DER PARTEIKANZLEI, R e g e s t N r . 2 3 7 8 3 , B l . 2 0 8 f.
1 3 7 U A HEIDELBERG, B 7110. S c h m i t t h e n n e r hatte nichts dagegen e i n z u w e n d e n , daß alle theologischen Fakultäten beseitigt würden, wandte sich aber gegen eine Sonderregelung für H e i d e l b e r g . Zur B e g r ü n d u n g f ü r den E r h a l t der H e i d e l b e r g e r Fakultät f ü h r t e er historische G r ü n d e (Heidelberger K a t e c h i s m u s ) sowie die N o t w e n d i g k e i t eines konfessionellen badischen G e g e n g e w i c h t s gegen das k a t h o l i s c h e F r e i b u r g ins Feld. A u ß e r d e m würden sich die Heidelberger T h e o l o g e n in die württembergische B e k e n n t n i s f r o n t einreihen. Schließlich mußte der Verlust der theologischen Fakultät eine G e w i c h t s v e r l a g e r u n g zugunsten der Universität F r e i b u r g bedeuten, die d e m H e i d e l b e r g e r R e k t o r u n e r w ü n s c h t war. Vgl.
L . SIEGELE-WENSCHKEWITZ, F a k u l t ä t , S . 5 0 5 f f . 138 EBD. ( A n t w o r t v o m
16.6.1939).
1 3 9 V g l . K . A L A N D , G l a n z , S. 1 0 3 3 .
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Schrift „Wozu Theologie? Von Arbeit und Aufgabe theologischer Wissenschaft" (Leipzig 1941) gehört in denselben Zusammenhang; sie war dazu bestimmt, die theologische Fakultät als Bestandteil der Universität zu verteidigen und ihre Leistungen zu würdigen. Wie weit sich in den Augen der staatlichen Wissenschaftsverwalter die Theologie in einer Randexistenz befand, hatte schon die repräsentative Festgabe des R E M zum 50. Geburtstag Hitlers „Deutsche Wissenschaft. Arbeit und Aufgabe" (Leipzig 1939) gezeigt. In diesem Werk, in dem „die Deutsche Wissenschaft" dem Führer und Reichskanzler Rechenschaft ablegte, war die Theologie überhaupt nicht vertreten. An den im Kriege neugegründeten Reichsuniversitäten Posen und Straßburg wurden keine theologischen Fakultäten errichtet, obwohl die alte deutsche ebenso wie die französische Universität Straßburg über eine solche verfügt hatte und Posen die Tradition von Riga fortführen sollte; stattdessen waren hier Lehrstühle für Geschichte und Sprache des Judentums und für Rassenkunde vorgesehen 140 . Die Regelungen im sogenannten Warthegau praktizierten die Trennung von Staat und Kirche bis zur äußersten Konsequenz 1 4 1 ; da die Geistlichen nicht hauptamtlich tätig sein durften, waren auch keine Ausbildungsstätten erforderlich. Die Kirchenpolitik Greisers, die Bormann lenkte, wurde von Hitler ausdrücklich gebilligt 142 — ein Menetekel für das sogenannte Altreich nach einem siegreich beendeten Krieg. Als Alternative zur herkömmlichen Universität — allerdings keineswegs beschränkt auf die theologischen Fakultäten — bereitete Rosenberg seit 1938 den Aufbau der „Hohen Schule der N S D A P " vor, die nach einem Führererlaß vom 29. Januar 1940 dazu bestimmt war, „einst die zentrale Stätte der nationalsozialistischen Forschung, Lehre und Erziehung [zu] werden" 1 4 3 . Für diese „Hohe Schule" beanspruchte Rosenberg u.a. die Lehrstühle der 1939 geschlossenen Münchener katholischen Fakultät. Als Gegenbild zu den theologischen Fakultäten war vor allem das „Institut für Religionswissenschaften" gedacht, das der Universität Halle angeschlossen wurde; für München war ein „Institut zur Erforschung der arischen Geistesgeschichte" vorgesehen. Das R E M machte der „Hohen Schule" Schwierigkeiten, so gut es nur konnte, um die eigene Kompetenz für die 140 V g l . P. GÜRTLER, N a t i o n a l s o z i a l i s m u s , S. 1 3 0 .
Vgl. EBD., S.260ff. (Verordnung vom 13.9.1941). Vgl. die Aufzeichnung des Gesandten Hewel vom 11.6.1942: Die Kompetenz für Kirchenfragen in den nicht zum Altreich gehörenden Gebieten liege bei den dortigen Verwaltungen, die „von dem Leiter der Parteikanzlei ausgerichtet" werden (EBD., S. 54. Vgl. auch EBD., S.lOlf.). Zur Billigung Hitlers vom 11.11.1941 vgl. EBD., S.277. 1 4 3 IMG, Bd. 25, S. 230; zur „Hohen Schule" vgl. zusammenfassend R. BOLLMUS, Projekt. Vgl. auch R. BAUMGÄRTNER, Weltanschauungskampf, S. 30 ff. Vgl. auch den Briefwechsel Rosenberg-Heß von 1940 über das Projekt (AKTEN DER PAFTEIKANZLEI, Regest Nr. 24620). 141
142
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Hochschulen ungeschmälert zu bewahren. Mit Hilfe des Finanzministeriums wehrte es auch den Zugriff Rosenbergs auf die Münchener Lehrstühle ab. Dagegen konzedierte Rust 1940, daß die Außenstellen der „Hohen Schule" durch Personalunion mit Universitätsstellen verklammert wurden, was Rosenberg Anspruch auf Mitentscheidung bei den Berufungen gab. Obwohl der Reichsinnenminister in einem vertraulichen Rundschreiben am 24. Juli 1940 Reichsstatthalter und Oberpräsident wissen ließ, „daß der Führer alle nicht unbedingt notwendigen Maßnahmen zu vermeiden wünscht, die das Verhältnis des Staates und der Partei zur Kirche verschlechtern könnten" 1 4 4 , galt dies nicht für die Behandlung der theologischen Fakultäten. Im Gegenteil wurde die „kleinliche Nadelstichpolitik", die Bormann 1943 ausdrücklich verbot, durchaus fortgesetzt, und zwar unter sehr aktiver Beteiligung des „Sekretärs des Führers" selbst. Mittelbar berührt wurden die Fakultäten von der Einschränkung des Religionsunterrichts und der daraus folgenden Änderung der Prüfungsordnung. „Konfessionelle Religionslehre" war seit 30. Januar 1940 auf Anordnung des REM nur noch als Beifach zugelassen, in dem zudem „Kenntnis der germanischen Religionsgeschichte" nachgewiesen werden mußte 145 . Unterricht in hebräischer Sprache durfte an den Schulen schon seit 1938 nicht mehr erteilt werden — „den erforderlichen Nachwuchs an Orientalisten heranzubilden, muß den Universitäten überlassen bleiben" 1 4 6 ; von Theologen war in diesem Zusammenhang keine Rede mehr. Die Planungen für die Nachkriegszeit wurden auch nach 1940 fortgesetzt. In einer Zusammenstellung von Mitte 1942 hieß es nicht nur: „Die Entwicklung während des Krieges bedeutet das praktische Verschwinden des Theologiestudiums von den Hochschulen", sondern auch der Nachkriegsbedarf wurde als minimal beurteilt. Daher brauchten nur vier bis fünf Fakultäten, nach Abklingen des Zustroms der Kriegsteilnehmer sogar nur zwei bestehen zu bleiben 147 . Die Personalpolitik wurde, wie 1939 ver1 4 4 Abgedruckt bei J. S. CONWAY, Kirchenpolitik, S. 375; die Anordnung wurde in dem Rundschreiben ausdrücklich als „politische Entscheidung des Führers" deklariert. Ähnlich hieß es in einem Rundschreiben Bormanns vom 26.4.1943 „über die Behandlung politischkonfessioneller Angelegenheiten": ,Jede kleinliche Nadelstichpolitik muß unterbleiben", um die Bevölkerung nicht zu beunruhigen und keine internationale Hetze auszulösen. „Der Grundsatz der Glaubens- und Gewissensfreiheit soll unbedingt beachtet werden." Zwang zum Kirchenaustritt dürfe daher nicht ausgeübt werden (vgl. EBD., S. 378 f.). 1 4 5 Vgl. DWEV 6, 1940, S. 122. Alttestamentliche Stoffe waren „auf das für das Verständnis des Neuen Testaments notwendige Maß" zu beschränken. Bei der Umstellung der Zeugnisformulare auf Normalschrift erging 1941 ein Erlaß des REM, die Zeile über den Religionsunterricht auszulassen und etwaige Noten auf einem Sonderblatt zu vermerken (vgl. DWEV 7, 1941, S.223). Zum Streit um den Religionsunterricht in Württemberg vgl. G. SCHÄFER, Landeskirche, Bd. 6, S. 193 ff. 1 4 6 DWEV 4, 1938, S. 15. 147 ygl Jen oben Anm. 101 genannten Bericht vom 18.6.1942.
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abredet, entsprechend orientiert. Als der Dekan der Heidelberger theologischen Fakultät Ende 1939 für einen kurz zuvor habilitierten Kirchenhistoriker die Venia legendi beantragte und dieser um ein Stipendium zur Finanzierung seiner Lehrtätigkeit nachsuchte, reagierte das R E M ablehnend: „Bei dem zu verzeichnenden Absinken der Zahl der Theologie-Studenten ist es begreiflich, daß für die jungen Dozenten der Theologischen Fakultät keine günstigen Aussichten für ihr Fortkommen bestehen. Aus diesem Grunde und weil das gewählte Fach auch mehr in die Philosophische Fakultät zu gehören scheint", stellte das R E M anheim, daß der Petent sich im Einvernehmen mit der Philosophischen Fakultät und „unter entsprechender Abänderung des Faches" neu bewarb. Nachdem dies geschehen war — allerdings für dasselbe Fach, da die Philosophische Fakultät ihm die Eignung für Philosophie oder Geschichte absprach —, erhielt der schwerbeschädigte Parteigenosse schließlich im März 1942 die Venia legendi für Kirchengeschichte und wurde zum Dozenten neuer Ordnung ernannt; das R E M wies ihn der Philosophischen Fakultät zu mit dem Vermerk, „in der genannten Fakultät das Fach Kirchengeschichte in Vorlesungen und Übungen zu vertreten" 1 4 8 . 1943 drohte den unter personeller Auszehrung leidenden theologischen Fakultäten — im Sommersemester 1942 standen 222 Lehrkräften lediglich 175 Studierende gegenüber 149 — insgesamt oder teilweise zweimal der Exitus. Aufgrund des Führererlasses vom 13. Januar über die totale Mobilisierung aller Männer und Frauen für den Kriegseinsatz 150 plante das R E M , Fakultäten mit geringer Hörerzahl stillzulegen, so daß nur noch an zehn Universitäten Unterrichtsbetrieb stattfinden sollte. Es verzichtete aber im Einverständnis mit Bormann auf „die vielfach beabsichtigte Schließung von theologischen Fakultäten" 1 5 1 , da nach Meinung Bormanns eine solche Stillegung „aus politischen Gründen nicht möglich" war 1 5 2 ; selbst wenn andere Fakultäten geschlossen würden, sollten deshalb die Theologen verschont bleiben. 1 4 8 U A HEIDELBERG, PA Wagenknecht. Wagenknecht kündigte seine Lehrveranstaltungen im Bereich Philosophie an. 1 4 9 Die Zahlen stammen gleichfalls aus dem Bericht von 1942 (vgl. oben Anm. 101). Die Frequenz im SS 1942 betrug in Berlin 20 Studierende, Wien 7, Gießen 0, Jena 3, Bonn 3, Breslau 3, Königsberg 5, Kiel 1, Tübingen 48, Erlangen 23, Leipzig 19, Halle 17, Marburg 14, Heidelberg 5, Göttingen 6, Greifswald 12, Rostock 0, Münster 2. 1 5 0 Den Wortlaut des Erlasses, dem zufolge sich Männer zwischen 16 und 65, Frauen zwischen 17 und 50 Jahren zum Arbeitseinsatz zu melden hatten, wobei aus dem Bildungsbereich nur „Schüler und Schülerinnen, die eine öffentliche oder anerkannte private allgemeinbildende Schule besuchen", ausgenommen waren, vgl. bei G . FÖRSTER/O. GROEHLER, Weltkrieg, S. 218 ff. 151
Vgl.
AKTEN
DER
PARTEIKANZLEI,
4 . 3 . 1 9 4 3 ; Vermerk Lammers',
Regesten
Nr.
16665:
Bormann
an
Lammers,
6.3.1943.
1 5 2 Vgl. EBD., Regest Nr. 16549; Mitteilung des Staatssekretärs Klopfer (Parteikanzlei) in der Chefbesprechung am 4 . 2 . 1 9 4 3 .
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Als Hitler im Herbst 1943 Fakultäten mit weniger als sechs Studierenden zu schließen wünschte, versuchte das REM selbst, den Führerwunsch zu umgehen, verfolgte also seine frühere Kampfpolitik nicht weiter, sondern verlegte sich auf eine Taktik des Temporisierens 153 . Lammers und Bormann wurden davon in Kenntnis gesetzt, daß dank der restriktiven Personalpolitik der Abbau der Fakultäten „bereits erheblich fortgeschritten" sei; weitgehend lahmgelegt wären schon Kiel, Gießen, Jena und Rostock 1 5 4 . Durch eine förmliche Stillegung oder Schließung ließe sich nicht mehr bewirken als bisher, wohl aber würde der gegnerischen Propaganda ein Argument für die angebliche Kirchenfeindschaft des Nationalsozialismus in die Hand gespielt. Da die katholischen Fakultäten alle über mehr als sechs Studenten verfügten, müßte zudem eine Schließung evangelischer Fakultäten falsche Rückschlüsse auf die Kirchenpolitik des Staates nahelegen. Lammers und Bormann sahen aufgrund des Berichtes von Rust den Führerwunsch als erfüllt an und stimmten daher der Taktik des Ministeriums zu 1 5 5 . Von der Bereitstellung für den totalen Kriegseinsatz durch den Schnellbrief des REM vom 1. September 1944 wurden dagegen die Theologen genauso betroffen wie alle Nicht-Naturwissenschaftler 156 . Im Wintersemester 1944 / 45 fand dementsprechend uneingeschränkter Lehrbetrieb nur noch an den Fakultäten Berlin, Greifswald, Leipzig und Tübingen statt, während das REM für alle übrigen Fakultäten verzeichnete: „Kein Lehrbetrieb" 1 5 7 . Gleiche Behandlung erfuhren die evangelische und katholische Theologie in den „Grundsätzen für Weiterbildung von deutschen Kriegsgefangenen im Britischen Reich und in den USA", die das R E M am 15. April 1944 erließ; für beide Theologien wurde Bonn als „Betreuungshochschule" nominiert 1 5 8 . Wie beharrlich Bormann trotz aller taktischen Konzessionen am Kampf gegen die theologischen Fakultäten festhielt, zeigt sein Insistieren auf dem eher symbolischen Akt einer Änderung der Rangfolge der Fakultäten 159 . Vgl. EBD., Regest N r . 13195: Rust an L a m m e r s , 3 0 . 9 . 1 9 4 3 . Zu Kiel vgl. GESCHICHTE, B d . l , Tl. 2, S . 1 0 6 f . ; zu Rostock vgl. S. PAULI, Geschichte, S. 246 ff. 153
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V g l . A K T E N DER PARTEIKANZLEI, R e g e s t N r .
13196.
Vgl. EBD., Regest N r . 17960 ( B A KOBLENZ, R 43 II 942c, Bl. 46). 1 5 7 R E M , Ubersicht über den Lehrbetrieb an den wissenschaftlichen Hochschulen im WS 1944/45; vgl. L . BOEHM/J. SPÖRL, Universität, S. 367. Bei den katholisch-theologischen Fakultäten fand ohne Einschränkung Lehrbetrieb statt in Breslau, Freiburg, Prag und Wien, kein Lehrbetrieb in B o n n , Münster, T ü b i n g e n und Würzburg. 1 5 8 D W E V 10, 1944, S. 111. 1 5 9 Vgl. z u m Folgenden zusammenfassend N . HAMMERSTEIN, Goethe-Universität, Bd. 1, S . 4 7 9 f f . ; zu T ü b i n g e n vgl. U . D . ADAM, Hochschule, S . 8 2 f . sowie G . SCHÄFER, Landeskirche, Bd. 6, S. 6 6 f f . Vgl. auch H . BOBERACH, Meldungen, Bd. 3, S. 836 über nationalsozialistische Hochschulkreise, die ohne Verständnis dafür seien, daß den theologischen Fakultäten weiterhin der traditionelle Platz „ i m Senat, Vorlesungsverzeichnis, in der Universitätsrepräsentation und dergleichen" eingeräumt werde. 156
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Eike Wolgast
Nachdem die Rektoren von Bonn und Tübingen eigenmächtig schon 1939 die theologischen Fakultäten auf den letzten Platz der Folgeordnung gesetzt hatten — ebenso verlor die Katholisch-Theologische Fakultät der Deutschen Karls-Universität Prag ihren ersten Rang 1 6 0 —, hatte das REM eine reichseinheitliche Regelung angekündigt. Als aber die Rektorenkonferenz im Dezember 1940 empfahl, die Änderung nach Bonner und Tübinger Muster „auf kaltem Wege von den einzelnen Universitäten bzw. den Rektoren selbst" durchführen zu lassen, hatte sich das REM dieser Meinung angeschlossen. Sowohl 1940 wie 1941 mahnte Bormann die Änderung an, das REM setzte sich selbst eine Frist bis zum Wintersemester 1941/42. Dennoch blieb eine Regelung aus, so daß zu Bonn und Tübingen lediglich noch Freiburg, Jena und Kiel kamen. In seinem allumfassenden Regelungsdrang fand Bormann noch zu Beginn des Jahres 1945 die Zeit, vom REM zu verlangen, „die in Aussicht gestellte Änderung für das kommende Semester an allen Hochschulen durchführen zu lassen" 161 . Diese Mahnung steht am Ende der nationalsozialistischen Hochschulpolitik gegenüber den theologischen Fakultäten.
D. Ergebnisse Das Ergebnis der nationalsozialistischen Hochschulpolitik war die weitgehende Zerstörung der theologischen Fakultäten bei institutioneller Fortexistenz. Nach außen hatte sich an den meisten Universitäten nichts geändert, der interne Lehr- und Forschungsbetrieb war jedoch durch die personelle Austrocknung auf den bloßen Schatten früherer Tätigkeit reduziert worden. Vor einer drastischen institutionellen Reduzierung mit der Perspektive der völligen Ausschaltung aus dem Kosmos der Universität hatte der Krieg die theologischen Fakultäten bewahrt. Vom Marsch in die Zukunft des siegreichen „Großdeutschen Reiches" sollten sie jedoch ausgeschlossen werden, obwohl die Mitgliedschaft der Professoren in der NSDAP bei den Theologen vermutlich insgesamt keine geringere Quote aufwies als bei anderen Fakultäten 162 . Die theologischen Fakultäten waren von Staats wegen — was über ihre Binnenstellung in der jeweiligen Universität noch nicht unbedingt etwas aussagt — in eine Paria-Stellung abgedrängt, ohne daß ihren Angehörigen die Chance gewährt wurde, sich wie Wissenschaftler aller anderen Disziplinen durch Anpassung, Kollaboration und Übernahme von nationalsozialistischem Gedankengut zu rehabiVgl. K . A . HUBER, Prager Fakultäten, S.37. N. HAMMERSTEIN, Goethe-Universität, Bd. 1, S.481. 1 6 2 Vgl. die Angaben über die Berliner Professoren bei H. SEIER, Hochschullehrerschaft, S.265 Anra. 57. Die hohe Quote der Theologen von 7 1 , 4 % gegenüber Medizinern mit 2 8 % , Juristen mit 6 0 % Parteimitgliedschaft, jeweils auf die Ordinarien bezogen, erklärt sich vielleicht aus der Kleinheit des Lehrkörpers. 161
Nationalsozialistische Hochschulpolitik
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litieren und sich eine höhere Wertschätzung zu verdienen. Der Nationalsozialismus war entschlossen, sich der Kirchen und der Theologie vollständig zu entledigen 163 — nur die militärische Niederlage und der politische Zusammenbruch des Systems retteten auch die theologischen Fakultäten.
163 VGL ¿JE T a g e b u c h e i n t r a g u n g e n v o n G o e b b e l s ( z w i s c h e n J u n i 1941 u n d 1 9 . 7 . 1 9 4 2 ) : „ U n e r b i t t l i c h i s t . . . d e r E n t s c h l u ß des F ü h r e r s geworden, die christlichen K i r c h e n nach d e m Sieg zu v e r n i c h t e n " (zit. bei R . BOLLMUS, A m t R o s e n b e r g , S. 117).
KURT
MEIER
Anpassung und Resistenz der Universitätstheologie Ein Beitrag zur institutionsgeschichtlichen Debatte Wie im Referat von Eike Wolgast gezeigt wird 1 , kann die institutionsgeschichtliche Beurteilung der theologischen Fakultäten im Rahmen der NS-Hochschulpolitik nicht von dem Doppelaspekt absehen, daß sie staatliche Einrichtungen des Universitätswesens waren, deren Aufgabe in der konfessionellen Theologenausbildung für die evangelischen Kirchen bestand. Ihre institutionelle Einbindung in das staatliche Bildungswesen wie ihre wissenschaftliche Bildungsaufgabe für den Theologennachwuchs der Kirchen stellte die staatliche Hochschulpolitik dabei vor eine spezifische doppelte Problemlage, die bei anderen Fakultäten und Fachrichtungen so nicht gegeben war. Das Referat schildert nachdrücklich, wie die verfassungsrechtlichen und kirchenvertraglichen Bestandsgarantien der evangelisch-theologischen Fakultäten aus der Weimarer Zeit auch im „Dritten Reich" ihre Weiterexistenz sichern halfen. Nach dem als Zäsur anzusehenden Jahr 1938 wird staatlicherseits ein „konzentrierter Angriff" auf die Existenz der theologischen Fakultäten geführt. Die Aufhebung der universitären Theologenausbildung sollte durch Planungen eingeleitet werden, die die drastische Reduzierung der theologischen Fakultäten durch Zusammenlegung zum Ziel hatten. Doch hat gerade die Kriegssituation bei aller Beschränkung der Arbeit der theologischen Fakultäten ihre institutionelle Liquidierung verhindern helfen. Die NS-Hochschulpolitik vollzog sich demnach in einer auffallenden Parallelität zur religionspolitischen Entwicklung des „Dritten Reiches" und erhielt von dort wirksame Akzente. Die ursprünglich forcierte, aber faktisch mißglückte integrative Gleichschaltungspolitik gegenüber den evangelischen Kirchen wurde — zunächst unterschwellig — von einem Ausschaltungstrend abgelöst, dessen Auswirkungen während des Zweiten Weltkrieges indes im Altreich stagnierten, und der so der Zeit nach dem erhofften Endsieg vorbehalten blieb. Die polykratischen Herrschaftsstrukturen des „Dritten Reiches" haben bis 1938 eine staatsintegrative Hochschulpolitik auch gegenüber den theologischen Fakultäten ermöglicht, obwohl bereits frühzeitig die deutschgläubige Presse massiv die Abschaffung der Universitätstheologie forderte. 1
Vgl. S. 45 ff. in diesem Band.
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Kurt Meier
Die Repressionen gegen die Theologenausbildung der Bekennenden Kirche schalteten ein hochschulpolitisch unerwünschtes Konkurrenzpotential aus, ohne dessen kirchlichen Einfluß wirklich beseitigen zu können. Was institutionsgeschichtlich der Interessenwahrung der theologischen Fakultäten dienen mochte, wirkte auf sie kirchlich diskreditierend. Das Verbot, sich an bekenntniskirchlichen Prüfungen zu beteiligen, brachte Theologieprofessoren ebenso in Loyalitätskonflikte wie die Tatsache, daß Theologiestudenten die Teilnahme an Ersatzvorlesungen der Bekennenden Kirche bei Strafe der Relegierung vom Studium untersagt wurde, zahlreiche Konflikte hervorrief. Die Zerschlagung des bekenntniskirchlichen Prüfungswesens durch den Prozeß gegen den BK-Prüfungsausschuß im Jahre 1941 zeigt nach funktionalistisch-strukturalistischem Verständnis der NSHochschulpolitik die Relevanz der staatlichen Theologenausbildung noch in einer Phase, in der Planungen zur Liquidierung der theologischen Fakultäten bereits angestellt worden waren. Intentionalistisches Verständnis erblickt in der betont staatsintegrativen Tendenz der NS-Hochschulpolitik gegenüber den theologischen Fakultäten nur eine mehr oder minder taktisch-verdeckende Variante einer letztlich auf Ausschaltung zielenden programmatischen Grundkonzeption. Funktionalistische Beurteilung betont hingegen die situativen und konstellativen Momente des Entwicklungsprozesses, so etwa die Bedeutung des Scheiterns des Reichskirchenexperiments und die weithin erfolglosen Bemühungen des Reichskirchenministeriums zur Durchsetzung einer synthetisch-integrativen Kirchenpolitik. Auch herrschaftsgeschichtlich relevante Machtverschiebungen im NS-System, die den Ausschaltungs- und Verdrängungsmechanismus von Kirche und Theologie verstärkten, wirkten sich hier aus. Die NS-Hochschulpolitik gegenüber den theologischen Fakultäten folgte zunächst dem beamtenrechtlichen Gleichschaltungskurs. So wurden sie auch vom Berufsbeamtengesetz vom 7. April 1933 betroffen, wenngleich zahlenmäßig geringer als andere Fakultäten. Nur verhältnismäßig wenige Theologieprofessoren wurden aus politischen Gründen ausgeschaltet, meist infolge mißliebigen parteipolitischen Engagements vor 1933, auch wegen bekenntniskirchlichen Einsatzes seit 1934. Der sog. Arierparagraph des Berufsbeamtengesetzes betraf im Unterschied zu anderen Fakultäten keinen Ordinarius der Theologie. Einschneidender war indes, daß Berufungen bekenntniskirchlich orientierter Nachwuchswissenschaftler erschwert, verzögert oder ganz verhindert wurden. Obligatorische Schulungslager und Kurse der Dozentenakademie bildeten bereits politisch-weltanschauliche Hürden im Zusammenhang mit der Habilitation. Durch die ausgeprägte ministerielle Versetzungspolitik wurde die Homogenität mancher Fakultät eingeschränkt und zerstört. Doch sind die überspannten Forderungen der Deutschen Christen im Frühjahr 1933, in den nächsten Jahren alle freiwerdenden Lehrstühle durch ihre Richtung zu besetzen, nicht realisiert worden.
Anpassung und Resistenz der Universitätstheologie
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Die meisten der zunächst der Glaubensbewegung Deutsche Christen angehörenden Professoren traten nach dem deutschchristlichen Sportpalastskandal im November 1933 aus, so daß die ohnehin theologiearme Bewegung seit Ende 1933 weitgehend akademischer Reputation entbehrte. Doch blieben auch einige profilierte Theologen ihr zunächst verbunden. Jüngere Vertreter der Universitätstheologie versuchten gelegentlich, durch reichskirchliche Kontakte zunächst noch ihre Hochschulkarriere abzusichern oder zu fördern. Die Priorität kirchenpolitischer und politischer Gesichtspunkte fiel dort ins Auge, wo freigesetzte kirchenpolitische Exponenten mit vorwiegend praktisch-theologischen Lehrstühlen abgefunden werden mußten. LobbyBildungen versuchten, auf die Berufungsspolitik personalpolitisch im Sinne der eigenen theologischen Schulrichtung steuernd Einfluß zu nehmen. Beratungskontakte zu Hochschulreferenten und andere Beziehungen, wie dies etwa bei Erich Seeberg und seinem Schülerkreis zu beobachten war, spielten dabei eine Rolle. Erich Seeberg hat 1935 und 1936 zusammen mit anderen Theologen auch Erklärungen veröffentlicht, die dem Ziel dienten, die Existenz der Universitätstheologie und die theologischen Fakultäten als Staatsanstalten zu sichern 2 . Standen die institutionellen Sicherungsprobleme für die Universitätstheologie damals durchaus im Vordergrund, so sind historiographische Tendenzen zurückzuweisen und zu relativieren, die die Wahrnehmung kirchlicher Verantwortung seitens der theologischen Fakultäten im „Dritten Reich" in Abrede stellen. Schon auf dem Fakultätentag im Frühjahr 1933 hat man die Notwendigkeit einer aktiven Beteiligung an der Reichskirchenreform ausgesprochen und die Wahrnehmung entsprechender Aufgaben an einen Beauftragten delegiert. Seit Herbst 1933 bis Anfang 1935 haben die theologischen Fakultäten zu Bekenntnis- und Kirchenrechtsfragen gutachtlich und durch öffentliche Verlautbarungen Stellung genommen, bis ihnen durch das Reichswissenschaftsministerium vorübergehend das Hervortreten im Kirchenstreit untersagt wurde. Die Stellungnahmen gegen eigene deutschchristliche Kirchenregierungen, aber auch gegen die Gewaltpolitik des Reichsbischofs belegen das eindrücklich 3 . 2 BA KOBLENZ, NL 248 (= NL Seeberg), Nr. 18, Bl. 1 3 5 - 1 3 7 ; Nr. 92, Bl. 6 - 9 und passim; Nr. 97, Bl. 1 - 1 1 , 77; Nr. 140, Bl. 46; vgl. auch EBD., Nr. 3a, b, c: Briefwechsel E. Seeberg mit E. Benz. 3 Vgl. K.D. SCHMIDT, Bekenntnisse 1933, S. 1 8 9 - 1 9 1 (Neues Testament und Rassenfrage,
2 3 . 9 . 1 9 3 3 ) ; S. 1 8 2 - 1 8 6 ( E r l a n g e r G u t a c h t e n v o m 2 5 . 9 . 1 9 3 3 ) ; S. 1 8 6 - 1 8 9 ( S o n d e r g u t a c h t e n
H. Strathmann, Erlangen); S. 1 7 8 - 1 8 2 (Marburger Gutachten vom 11.9.1933); DERS., Bekenntnisse 1934, S. 29 (Hochschulerklärung zur Sicherungsverordnung des Reichsbischofs, 1 4 . 1 . 1 9 3 4 , 72 Unterschriften). Ferner: Defensive Fakultätsgutachten, vorwiegend zu landeskirchlichen Fragen: DERS., Bekenntnisse 1933, S. 1 9 1 - 1 9 5 (Kiel, 5.10.1933); DERS., Bekenntnisse 1934, S. 2 9 - 3 1 (Münster, 18.1.1934); S. 1 3 6 - 1 3 8 (Erlangen, September 1934); S. 149 (Tübingen, 19.9.1934); S. 163 (Gießen, 2.11.1934). - Vg. dazu auch K. MEIER, Barmen und die Universitätstheologie.
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Kurt Meier
Ausgesprochene Konfliktfelder ergaben sich für nicht wenige theologische Universitätslehrer durch das ministerielle Verbot, sich am bekenntnismäßigen Prüfungswesen zu beteiligen. Die Augsburger Hochschulbeschlüsse Juni 1935 wurden vielfach nur in ihrer Konkurrenzfunktion gesehen, da sie auch die Tätigkeit bekenntniskirchlicher Universitätstheologen gefährden konnten 4 . Trotz willkürlicher Versetzungs- und Vertretungspraxis, wie sie im Blick auf die theologischen Fakultäten seitens des Reichswissenschaftsministeriums geübt wurde und dabei auch fakultätspolitische Homogenität zerstörte, kann man davon sprechen, daß die Resistenzkraft der Universitätstheologie gegenüber weltanschaulichen Transformationsmechanismen des NS-Systems ungebrochen war. Die von Wolgast genannten hochschulpolitischen Reformziele (neuer Typus von Professoren und Studenten, neuer Typus der Wissenschaft) konnten allerdings auch sonst an den Universitäten trotz neuer weltanschauungsangepaßter Lehr- und Forschungsgebiete keineswegs eine durchgreifende Erfolgsbilanz aufweisen. Diese Reformziele sind an den theologischen Fakultäten aufs Ganze gesehen erst recht nicht erreicht worden. Auch die im Referat herangezogene interessante parteiamtliche Denkschrift von Anfang 1939, die die Mehrzahl der theologischen Fakultäten als der Bekennenden Kirche nahestehend bezeichnet, läßt unschwer erkennen, daß die hochschulpolitischen Reformziele in der Optik der Partei- und Überwachungsorgane nicht als erreicht galten. Eine Untersuchung der Lehr- und Forschungstätigkeit der theologischen Fakultäten im einzelnen würde indes zeigen, daß nicht nur ihre kriegsbedingt sehr eingeschränkte institutionelle Existenz erhalten blieb, so bedroht sie auch im Blick auf einen „Endsieg" Hitlerdeutschlands gewesen wäre. Es hat in der Universitätstheologie zwar vereinzelt problematische Anpassungsstrategien an das NS-Weltanschauungskonglomerat gegeben, die vorwiegend apologetischen Interessen dienten; im ganzen sind jedoch die konventionellen historisch-kritischen Methodenstandards durchweg beibehalten worden. So erklärte der Alttestamentler Albrecht Alt in Leipzig, er habe seine Aufgabe als Hochschullehrer und Forscher während der Zeit des „Dritten Reiches" darin gesehen, die „wissenschaftlichen Belange" zu wahren und in die Zukunft hinüberzuleiten 5 . Die von Wolgast vertretene These von einer „weitgehenden Zerstörung" der theologischen Fakultäten im „Dritten Reich" mag im Blick auf personelle Restriktionen bei der Berufungspolitik wie auf die niedrigen Hörerzahlen im Krieg ihre Berechtigung haben. Auch für die den theologischen Fakultäten zugedachte Perspektive, die Kriminalisierung und Ausschal4 B A KOBLENZ, N L N r . 2 4 8 , N r . 9 2 , BL. 2 0 1 - 2 0 3 ; B A ABT. POTSDAM, 5 1 . 0 1 , N r . 2 3 1 0 3 , BL. 1 4 1 - 1 5 1 ; U A HEIDELBERG, H 1 / 0 5 5 ( T h e o l . F a k u l t ä t ) . 5 U A LEIPZIG, P A A . A l t .
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tung einschloß, ist sie von Bedeutung. Aber auf die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Mehrzahl der Universitätstheologen läßt sie sich schwerlich beziehen. Abgesehen von der Kriegszeit, die angesichts der beschränkten Publikationsmöglichkeiten für einen Vergleich wenig geeignet ist, läßt sich sagen, daß die methodischen und konzeptionellen Arbeitsformen moderner wissenschaftlicher Theologie auch nach 1933 weiterhin uneingeschränkt angewandt wurden. Natürlich ist durch die zunehmende Abschottung vom Ausland und durch die Verdrängung führender Theologen (man denke an Barth und Tillich) der wissenschaftliche Diskurs verarmt. Aber ein theologischer Paradigmenwechsel hat in der evangelischen Theologie während des „Dritten Reiches" nicht stattgefunden. Auch die bisweilen höchst gewagte und im Blick auf das NS-System retrospektiv politisch völlig unangebrachte Apologetik stand intentional im Dienste der Erhaltung der theologischen Substanz. Die Akkommodation an den Zeitgeist schloß gelegentlich allerdings auch Substanzverluste ein. Was die wissenschaftliche Arbeit der theologischen Fakultäten als solche anging, so zeigte indes gerade die Notwendigkeit der Aktualisierung in Vorworten zu wissenschaftlichen Publikationen, die nur so die Prüfstelle passieren konnten, daß die Forschungsergebnisse zumeist nach herkömmlichen methodischen Standards und Beurteilungskriterien erarbeitet waren. Mitunter trug auch die Themenwahl der Aktualisierungsnotwendigkeit Rechnung. Eine methodisch-konzeptionelle U m f o r m u n g theologischer Arbeit fand jedoch kaum statt. Auch am Beispiel der Verhandlungen des Fakultätentages in den Jahren 1935 bis 1937 ließe sich zeigen, daß die Fakultäten selbst bei Studien- und prüfungsorganisatorischen Fragen dem landeskirchlich üblichen Usus folgen wollten, wie sehr auch eine Vereinheitlichung des Prüfungswesen sich nahelegen mochte. Die Einführung des Fakultätsexamens in allen Fakultäten — obwohl ministeriell wie deutschchristlicherseits erstrebt — mußte schließlich 1937 aus kirchenpolitischen Gründen zurückgestellt werden. Der Gesichtspunkt landeskirchlicher Pluralität setzte sich durch 6 . N o c h deutlicher zeigt die Debatte um die Studienreform, die 1938 im Fakultätentag geführt wurde, daß neben der Forschung auch die Lehre an den theologischen Fakultäten nach traditionellen Leitbildern und Methodenstandards geformt blieb 7 . Vorstellungen, die Prof. Eisenhuth von der theologischen Fakultät Jena vortrug, ließen dabei noch am ehesten völkische Transformationsansätze erkennen. Es gehe darum, bei der Reform des Theologiestudiums „Grundeinsichten des nationalsozialistischen Wissen6
B A ABT. POTSDAM, 5 1 . 0 1 , N r . 2 3 1 0 4 .
Zum Folgenden: U A BONN, 33 (Evang. Fakultätentag); U A GÖTTINGEN, Theol. Fakultät, Nr. 146: Bericht über die Verhandlungen des Fakultätentages in Halle am 25.4.1938. 7
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schaftsverständnisses" zur Geltung zu bringen. Im Mittelpunkt theologischer Lehre sollte „Wesen und Erscheinungsform deutscher Frömmigkeit" stehen. Die theologischen Disziplinen sollten neue Akzente erhalten: die neutestamentliche Wissenschaft wurde als „Kunde des Evangeliums und der Anfänge des Christentums" im Zusammenhang mit der damaligen religiös-völkischen Umwelt gekennzeichnet. Der alttestamentliche Lehrstuhl sollte in einen religionsgeschichtlichen umgewandelt werden und Einzelauslegung des Alten Testaments wegfallen. Kirchengeschichte sei als „Geschichte des deutschen Glaubens und allgemeine Kirchenkunde" zu lesen. Der Systematischen Theologie wurde die „Aufgabe einer grundsätzlichen Besinnung auf die wirksamen Kräfte des Evangeliums für das fromme deutsche Leben innerhalb der völkischen Schöpfungsordnung" zugewiesen. Praktische Theologie verstand sich nach diesem Konzept als „kirchliche Gegenwartskunde und Gemeindeführung". Ziel der Reform sei es, aus enger konfessioneller Gebundenheit herauszuführen und zu einer weiten und tiefen deutschen Frömmigkeit den Weg freizumachen. Die Alttestamentier lehnten die Aufhebung des obligatorischen Hebräischunterrichts ab, nicht ohne auf die aktuelle Bedeutung einer Kenntnis des Hebräischen aufmerksam zu machen, die dem Studenten den Wesensunterschied zwischen arischem und semitischem Wesen verdeutlichen könne oder auch, weil die griechische Ubersetzung des Alten Testaments seinen Wesensgehalt nicht adäquat zur Geltung bringe. Der Vorsitzende des Fakultätentags Prof. Hans Schmidt (Halle) meinte, ohne Hebräisch werde der Pfarrer auf das Niveau eines Sektenpredigers herabgedrückt. Den auch sonst spürbaren Widerspruch gegen eine inhaltliche Veränderung der Studieninhalte drückte die Tübinger Denkschrift, die Prof. Weiser erläuterte, am deutlichsten aus. Sie plädierte für eine sachbezogene Aufgabenstellung, die am traditionellen Verständnis der Theologie orientiert bleibe. Sonst sei die Weltgeltung der deutschen Theologie gefährdet. Unsachgemäße Reformen des Theologiestudiums, die lediglich auf Institutionssicherung ausgerichtet seien, müßten abgelehnt werden. Die meisten Voten gingen in Richtung auf eindeutige Fachkompetenz. So lehnte Prof. Emanuel Hirsch (Göttingen) jeden Dilettantismus im Blick auf eine verkürzte Religionsgeschichte für Theologen ab. Die Erneuerung und Verwandlung der Systematischen Theologie könne nicht Gegenstand einer Studienreform sein. Für die systematische Einübung des theologischen Denkens und Verstehens sah Hirsch neutestamentliche Theologie, reformatorische und altprotestantische Theologiegeschichte und das philosophische Erbe des deutschen Idealismus von Leibniz bis Hegel als vorgegeben an. Die hier nur ansatzweise und exemplarisch wiedergegebene Diskussion um die Reform des Theologiestudiums auf dem Fakultätentag 1938 zeigt, daß schon der Versuch, evangelische Theologie konzeptionell und metho-
A n p a s s u n g und R e s i s t e n z der U n i v e r s i t ä t s t h e o l o g i e
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disch auf ein wie immer geartetes nationalsozialistisches Wissenschaftsverständnis zu beziehen, auf Widerstand stieß. Es würde sich lohnen, im einzelnen zu untersuchen, welche Resistenzkraft die historisch-kritische Methode wie der durchaus nicht uniforme Reflexionsstandard moderner evangelischer Theologie für die Bewahrung der Kontinuität des Theologieverständnisses im „Dritten Reich" gehabt hat. Apologetische Versuche weltanschaulicher Anpassungsstrategien konnten von dieser Voraussetzung, die mit dem theologischen Traditionskomplex gegeben war, nicht absehen, wenn sie ernst genommen werden wollten. Insofern gilt es, neben dem institutionsgeschichtlichen auch den wissenschaftsgeschichtlichen Aspekt bei der Beurteilung der Rolle der evangelischen Theologie im „Dritten Reich" ins Auge zu fassen. Neben institutionspolitischen Restriktionen, denen sich auch die theologischen Fakultäten im „Dritten Reich" ausgesetzt sahen (Studentenmangel, drohende Schließungen im Kriege, Reduzierung der Dozentenschaft u.a.), ergaben sich ideologische Gefährdungen durch den nationalsozialistischen Weltanschauungsstaat, denen die Universitätstheologie apologetisch entgegengetreten ist. Anpassungsverhalten und Apologetik dienten hier nicht selten der Institutionssicherung und der Abwehr von Eingriffen. Nicht übersehen werden darf jedoch die Resistenzbedeutung der theologischen Wissenschaft gegen ein „nationalsozialistisches Wissenschaftsverständnis". Die objektive Resistenzfunktion, die in der „Sache" der Theologie angelegt war, ergab sich zu ihrem Teil auch aus der historischkritischen Methode und dem traditionellen Paradigmen- und Methodenstandard der modernen evangelischen Theologie.
KURT
NOWAK
Protestantische Universitätstheologie und „nationale Revolution" E i n Beitrag z u r Wissenschaftsgeschichte des „ D r i t t e n R e i c h e s " * Dieter Simon zugeeignet Nach sporadischen Anläufen in der Nachkriegszeit und einem zweiten Ansatz in den sechziger Jahren haben Schicksal und Geschichte der Wissenschaften im „Dritten Reich" erst in jüngster Zeit wieder neue Aufmerksamkeit gefunden. Sollte der Schnitt ins eigene Fleisch so schmerzhaft sein, daß er nur in Intervallen geschehen kann? Die protestantische Theologie- und Fakultätsgeschichtsschreibung meldet sich allmählich ebenfalls zu Wort. Dabei fällt auf, daß sie von den wissenschaftshistorischen Arbeiten der außertheologischen Disziplinen kaum N o t i z nimmt. Umgekehrt schenken die nichttheologischen Fächer der Theologie keine oder nur geringe Aufmerksamkeit. In dem Sammelband „Wissenschaft im Dritten Reich", der konzeptionell durchaus eine gewisse Repräsentanz beansprucht, ist sie nicht einmal erwähnt 1 . Spricht die Vernachlässigung der doch immerhin ältesten Fakultät für oder gegen die Theologie? Ist ihr aktueller Kurswert im Horizont der Geistes- und Sozialwissenschaften so gering, daß man glaubt, sie auch wissenschaftsgeschichtlich vernachlässigen zu können? Oder bringt sich die Theologie selbst aus dem Gespräch, indem sie den Grad ihrer Vernetzung in die deutsche Hochschule und das Gewebe der wissenschaftlichen Disziplin nicht hinreichend realisiert und darstellt?
Vortrag am Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main am 17. Dezember 1991. 1 P. LUNDGREEN, Wissenschaft. D e r Sammelband ist aus einem Vortragszyklus an der Universität Bielefeld erwachsen. Daß die Universität über keine Evang.-Theol. Fakultät verfügt, dürfte eine lediglich pragmatische Erklärung für das Fehlen der Theologie sein. Einen Sonderfall stellt der Sammelband von L. SIEGELE-WENSCHKEWITZ/G. STUCHLIK, Hochschule, dar. Er enthält keinen Beitrag zur Hochschultheologie, geht aber auf eine Tagung in der Evangelischen A k a d e m i e Arnoldshain zurück.
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Kurt N o w a k
I. Im Vergleich mit Rechtswissenschaft, Soziologie, Biologie und weiteren Schwerpunktdisziplinen des „Dritten Reiches" muten Funktion und Rolle der Theologie als eingegrenzt an, auch wenn die Theologie nicht minder als andere geistes- oder naturwissenschaftliche Disziplinen damals den Anspruch erhob, die „Leitwissenschaft" der neuen Epoche zu sein. Den NS-Ideologen galt die Theologie in aller Regel als suspekt. Eine Randerscheinung ist sie freilich nicht gewesen. Dagegen sprach bereits ihre quantitative Repräsentanz im Universitätsbetrieb. Im Jahr 1933 existierten an den deutschen Universitäten 17 evangelisch-theologische Fakultäten. Ohne theologische Fakultäten waren lediglich die Universitäten Frankfurt / Main, Köln und Hamburg. Die Universitäten München, Würzburg, Freiburg i.B. besaßen katholisch-theologische Fakultäten. In Breslau, Bonn, Münster und Tübingen waren beide Fakultäten vertreten. Ausschließlich mit evangelischen Fakultäten ausgestattet waren die Universitäten Königsberg, Greifswald, Berlin, Halle, Rostock, Kiel, Göttingen, Leipzig, Jena, Marburg, Gießen, Heidelberg, Erlangen. An Ordinarien verfügten die evangelisch-theologischen Fakultäten im Jahr 1933 nach Fächern aufgeteilt 2 : Altes Testament 21 Neues Testament 23 Kirchengeschichte 24 Systematische Theologie 31 Praktische Theologie 18 Religionswissenschaft 5 Die von den staatlichen Hochschulstatistikern ermittelte Zahl der Theologiestudenten lag im Wintersemester 1933/34 bei 6388 Studenten. Allerdings waren die Zahlen seit 1926 rückläufig — eine Tendenz, die sich mit dem Jahr 1934 sprunghaft verstärkte 3 . Die Stellung der theologischen Fakultäten im Hochschulverband war nach der Trennung von Staat und Kirche im Jahr 1918 durch Art. 149 (3) WRV garantiert: „Die theologischen Fakultäten an den Hochschulen bleiben erhalten" 4 . Den theologischen Fakultäten war auch deshalb eine Ver2
Diese Z a h l e n f u ß e n auf A n g a b e n bei C . VON FERBER, E n t w i c k l u n g , S. 2 2 4 .
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C . LORENZ, Zehnjahresstatistik, S. 5 3 . In a n d e r e n P u b l i k a t i o n e n , z.B. bei H . TITZE,
D a t e n h a n d b u c h 1 / 1 , S. 105, finden sich leicht differierende A n g a b e n . Diese Differenzen, die an den Gesamtaussagen n i c h t s ä n d e r n , erklären sich aus den jeweiligen Samples. 4
D a z u aus zeitgenössischer O p t i k F. DRÜGH, Stellung. D i e Aussagen zu den theologi-
s c h e n F a k u l t ä t e n sind in den V e r h a n d l u n g e n des Verfassungsausschusses d e r N a t i o n a l v e r s a m m l u n g erst i m vierten E n t w u r f a m 1 8 . 6 . 1 9 1 9 a u f g e t a u c h t . D e r F o r t b e s t a n d der t h e o l o gischen F a k u l t ä t e n an den U n i v e r s i t ä t e n w a r v o n allen Parteien e r w ü n s c h t . Strittig w a r j e d o c h , o b a u c h neue F a k u l t ä t e n eingerichtet werden k o n n t e n , die d a n n die gleichen Verfassungsgarantien zu erhalten hatten (VERHANDLUNGEN, B d . 3 3 6 , S . 2 0 9 ) . Vgl. dazu den Beitrag v o n E . Wolgast in diesem B a n d .
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fassungsgarantie zuteil geworden, weil man sie als berufene Hüter einer gesellschaftlichen Teilkultur betrachtete. Die kultur- und staatstragende Dimension des Christentums innerhalb weiterer gesellschaftlicher Teilkulturen war durch die Väter der Weimarer Verfassung als jener Wurzelboden anerkannt, aus dem sich die theologischen Fakultäten in besondere Verantwortung erhoben — ganz abgesehen davon, daß sie aus dem System der Wissenschaften schwerlich wegzudenken waren. Im „Dritten Reich" ist es den Kräften, die innerhalb der NS-Partei und des Staates einen weltanschaulichen Kampfkurs gegen Christentum, Kirche, Theologie steuerten, nicht gelungen, die theologischen Fakultäten aus dem Universitätsverband zu eliminieren. Auch die Zahl der nach 1933 entlassenen Theologieprofessoren blieb im Vergleich mit anderen Disziplinen relativ klein. Dabei spielten staatskirchenrechtliche und religionspolitische Faktoren eine Rolle, da Entlassungen von theologischen Hochschullehrern nicht allein universitäre, sondern auch kirchliche Belange tangierten. Welche Position haben die evangelischen Theologieprofessoren in der „nationalen Revolution" eingenommen? Auch wenn man der These Klaus Scholders, im Jahr 1933 seien alle Weichen bereits gestellt, alle weiteren Entwicklungen schon angelegt, nicht folgt, bleibt die prinzipielle Bedeutung dieses „deutschen Schicksalsjahrs" unübersehbar 5 . Auch an hochschulpolitischen Ereignissen und wissenschaftshistorisch belangvollen Perspektiven ist das Jahr 1933 reich gewesen. Verdeutlicht werden sollen hier einige Schwerpunkte. Manches muß dabei außer Betracht bleiben, beispielsweise das kirchenpraktische Engagement der Hochschullehrer, die fachwissenschaftlichen Erträge, die Gutachtertätigkeit (etwa im Zusammenhang mit dem kirchlichen „Arierparagraphen") und anderes mehr. Außerdem können — entsprechend ihrer hervorgehobenen Position im damaligen Universitätsgefüge — nur die Ordinarien Berücksichtigung finden. Bezieht man die außerordentlichen Professoren, die Honorarprofessoren, Privatdozenten und sonstigen Lehrkräfte in das Spektrum der Betrachtung ein, wird die Szenerie schnell unübersichtlich. Die evangelischen Theologieprofessoren haben sich in bislang noch kaum wahrgenommener Vielfalt zu der politischen Wende von 1933 geäußert, sei es in der Form des Presseartikels, der Kollegerklärung zur Eröffnung des Sommersemesters, sei es auf dem Weg der öffentlichen Ansprache, des offenen Briefes, der Ringvorlesung oder auch auf dem Weg der „Akademischen Vorlesungen zum Verständnis des deutschen Jahres
5 K . SCHOLDER, Kirchen, Bd. 1, S. I X : „ A m Ende dieses Jahres sind, jedenfalls was die Kirchen betrifft, fast alle grundsätzlichen Entscheidungen gefallen. Was sich dann weiterentwickelt, ist durchweg bereits hier angelegt." — Im zweiten Band seines leider unvollendet gebliebenen großen historischen Gemäldes hat Scholder freilich auch dem Jahr 1934 „einen besonderen, ja einzigartigen R a n g " eingeräumt (K. SCHOLDER, Kirchen, Bd. 2, S. 12).
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1933" 6 . Die Wortmeldungen reihten sich in Traditionen öffentlicher Äußerungen ein, die schon von anderen Höhe- und Wendepunkten des nationalen Lebens bekannt waren, z.B. bei Gelegenheit der Reichsgründung von 1870/71 oder beim Ende des deutschen Kaiserreichs und der Novemberrevolution von 1918. Engagement und Urteilskompetenz standen dabei nur selten in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander. Man wird die Meinungslandschaft des Jahres 1933 erfolglos nach einer Stimme absuchen, die es an historischem Lagebewußtsein und analytischer Überlegenheit mit Ernst Troeltschs berühmten „Spektator-Briefen" über die deutsche Revolution und die Weltpolitik 1918-1922 hätte aufnehmen können. Der Grund liegt in der Ausflechtung der evangelischen Theologie aus dem interdisziplinären Gespräch mit den Geistes- und Sozialwissenschaften als Folge des theologischen Umbruchs nach 19187. Setzt man die professoralen Meinungsäußerungen von 1933 ins Verhältnis zu den Stellungnahmen von Politikern, Journalisten, Gewerkschaftern, Schriftstellern, so zeichnen sie sich kaum durch besondere politische Einsichten aus. Der Zugriff auf die Ereignisse erfolgte zumeist recht flächig — ein Ausdruck von Verlusten an politischer Theoriebildung, der sich in der evangelischen Theologie seit Längerem angebahnt hatte. Bedeutsam und beachtenswert ist, daß die Geschehnisse von 1933 das professorale Meinungsspektrum in unterschiedlicher Intensität haben aufleuchten lassen. Man muß sich also vor Verallgemeinerung insbesondere jener Positionen hüten, die sich wegen der Quellenlage bequem anbieten. Bevor das im engeren Sinne politische Panorama aufgerollt wird, und zwar unter lockerem Gebrauch der politischen Richtungsbegriffe demokratisch-liberal, jungkonservativ, nationalkonservativ und nationalsozialistisch, ist es reizvoll, einige Schlaglichter auf das Thema Freiheit von Forschung und Lehre aus der Sicht evangelischer Universitätstheologen zu werfen. Ich beziehe mich dabei auf Positionsmarkierungen von Paul Tillich, Karl Barth, Hermann Mulert, Rudolf Bultmann, Hans von Soden und Hanns Rückert. II. „Wissenschaft ist frei oder ist überhaupt nicht." Mit diesem thetischen Satz hatte Paul Tillich eine seinerzeit unveröffentliche Betrachtung aus dem Jahre 1932 über die „Freiheit der Wissenschaft" eingeleitet. Die
So der Untertitel von E. HIRSCH, Lage. Signifikant in diesem Z u s a m m e n h a n g sind die protestantischen Debatten im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts über Christentum und Kultur sowie über die T h e o r i e der Kirche. Vgl. dazu F.W. G R A F / K . TANNER, F u n d a m e n t ; außerdem R . VON BRUCH, Kultur. 6
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Erziehung zur Sachlichkeit, zur Selbstkritik und zur Humanität sei für den Staat unentbehrlich, selbst wenn sie dessen politische und religiöse Fundamente in Frage stelle. Die Hochschule war vor außerakademischen Zumutungen nach Kräften zu schützen. „ U n d die Hochschullehrer und ihre Instanzen, Rektor, Senat, Fakultäten, Hochschulverband sollen diesen Kampf ohne jeden Kompromiß führen. Denn die wissenschaftliche Frage ist mit jeder anderen unlösbar verbunden. Ein Kompromiß, die Annahme des Verbotes auch nur eines Gebietes oder eines Problèmes (sic!) bedeutet darum die Zerstörung der wissenschaftlichen Möglichkeit selbst." 8 Wenige Monate später — im Frühjahr 1933 — stand Tillich vor der Entscheidung, der Forderung nach Austritt aus der S P D nachzugeben, wenn er seine Stellung als Universitätslehrer und preußischer Beamter nicht von vornherein hoffnungslos verspielen wollte. Unter dem Eindruck, daß die S P D sich nach dem Verbot ihrer Presse im Stadium der Liquidation befand, hielt Tillich es für möglich, die SPD-Zugehörigkeit nicht zum „punctum confessionis" zu machen. „Auch hier handelt es sich nicht um die Ideologie von mir, sondern um die unmittelbare taktische Reaktion gerade der Politiker unter uns." 9 G a n z anders und wesentlich schärfer ist das Problem der SPDMitgliedschaft im Jahr 1933 von Karl Barth (SPD-Eintritt 1931) gesehen worden. Zum einen besaß er wegen seines anders gearteten theologischen Profils keine „Rückzugslinie zu einem esoterischen Sozialismus". Zum anderen war nach Barths Auffassung „nun gerade die Freiheit zur rein politischen Entscheidung . . . der Punkt, auf den für mich Alles a n k o m m t " 1 0 . Mit anderen Worten: Freiheit der Wissenschaft hatte die Freiheit des Wissenschaftlers, sich parteipolitisch zu organisieren, einzuschließen. Beide Gesichtspunkte verhielten sich komplementär zueinander. In der Uberzeugungstreue des Gelehrten und in seinen Begriffen von Redlichkeit fielen sie ineinander. Die Politisierung der Hochschule im Zuge der nationales P. TILLICH, Freiheit, S. 1 5 0 / 1 5 2 . 9 Paul Tillich an K a r l Barth v o m 2 9 . 3 . 1 9 3 3 (in: P. TILLICH, L e b e n s b i l d , S. 191 f.). Mit der „taktischen R e a k t i o n der P o l i t i k e r " war die E m p f e h l u n g der S P D - F ü h r u n g gemeint, die S P D - M i t g l i e d e r im Beamtenstatus sollten diese Q u a l i t ä t nicht ihrer Zugehörigkeit zur Partei o p f e r n . 1 0 B a r t h an T i l l i c h v o m 2 . 4 . 1 9 3 3 (EBD., S. 1 9 2 - 1 9 5 ) . — Barth insistierte in seinem Schreiben an Tillich auf zwei P u n k t e n . 1. Auf der Freiheit, aus der Perspektive der T h e o l o g i e ( „ i n der theologischen E t h i k " ) über den „ S o z i a l i s m u s als Idee u n d W e l t a n s c h a u u n g " sprechen zu k ö n n e n , „d.h. o h n e R ü c k s i c h t darauf, daß der gegenwärtige Staat der nationalsozialistischen Idee den V o r z u g gibt." 2. A u f der Freiheit zu politischer „ E n t s c h e i d u n g , S t e l l u n g n a h m e u n d eventuell Betätigung." „ D i e s e F r e i h e i t . . . g e h ö r t . . . zu meiner Existenz, u n d wer mich nicht so haben will, k a n n mich ü b e r h a u p t nicht haben." — T i l l i c h ist ungeachtet seines R ü c k z u g s aus der S P D bereits während der Osterferien 1933 „ v o m A m t s u s p e n d i e r t " worden. N a c h d e m im O k t o b e r 1933 die L a g e f ü r ihn h o f f n u n g s l o s geworden war, entschloß er sich, d e m R u f des U n i o n T h e o l o g i c a l S e m i n a r y in N e w Y o r k zu folgen.
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sozialistischen „Gleichschaltung" der Gesellschaft, damit aber zugleich die Einengung des politischen Entscheidungs- und Bewegungsspielraums der Professoren bedeutete im Prinzip genau das, was Tillich 1932 mahnend angesprochen hatte: „die Zerstörung der wissenschaftlichen Möglichkeit selbst". Ahnlich präzise wie Barth hat der Kieler Systematiker, Konfessionskundler und Schleiermacherforscher Hermann Mulert im Jahr 1933 die grundsätzliche Unmöglichkeit empfunden, den Wirkungsraum der Hochschullehrer einzuengen. Als Hochschultheologe hat sich Mulert nicht allein für den kulturellen und politischen Zustand des Gemeinwesens verantwortlich gewußt, sondern sich auch als Mann der Kirche permanent in Pflicht genommen gesehen. Der staatliche Gewaltakt gegen die Evangelische Kirche der Altpreußischen Union vom Sommer 1933 ließ in ihm den Plan reifen, sein Amt als Universitätsprofessor der Theologie unter Protest aufzugeben. Ein besonderer Stachel war hierbei die Überlegung, daß Professoren anderer Fakultäten ihr Amt bereits niedergelegt hatten, sich unter den Theologen jedoch niemand dazu bereitfand, „auch nach den neuesten Eingriffen in die Kirchen nicht" 1 1 . Mulert beabsichtigte, in Briefen an den Kultusminister, an den Reichspräsidenten von Hindenburg und an Hitler um Beurlaubung aus seiner Professur zu bitten. Dazu ist es nicht gekommen, weil Gesinnungsfreunde — vor allem Hans von Soden (Marburg) — fanden, ein Zeichen des Protests könne in der augenblicklichen Situation nur schaden: „der Staat kann dann mit einem Schein von Recht von Revolte reden", von Soden meinte, solange sie nicht zur Beteiligung an kirchenpolitischen Aktionen gerufen seien, hätten die Theologieprofessoren zu warten, bis man sie hindere, Theologie zu treiben 12 . Offenbar war der Gedanke, daß die nationalsozialistische Uberformung der Universität und die Veränderungen in der Wissenschaftsmatrix der nichttheologischen Disziplinen auch auf die Universitätstheologie zurückfallen müsse, 1 1 Brief Mulerts an Hans von Soden, Martin Rade und Wilhelm Schubring vom 3 . 7 . 1 9 3 3 mit zwei Anlagen (in: E . D I N K L E R / E . D I N K L E R - V O N SCHUBERT, Theologie, Nr. 3a, S. 45-47). — Die beiden Anlagen sind Briefentwürfe an den preußischen Kultusminister und an den Reichspräsidenten. Das geplante Schreiben an Hitler sollte analog abgefaßt werden. Weitere Details bei K . M . FÜHRER, Mulert, Exkurs III; K. NOWAK, Reinmuth. Der Jurist Dr. Reinmuth war ein Neffe Mulerts und 1933/34 mit Hilfsaktionen für politisch Verfolgte befaßt. Er verstarb 1942 im K Z Sachsenhausen. Uber die umstrittene Zahl der 1933 und in den Folgejahren aus dem A m t getriebenen und emigrierten Wissenschaftler vgl. neuerdings die Betrachtung von K. FISCHER, Emigration. Fischer zerlegt kritisch die „magische Zahl" von 39 % Emigrationsverlust, die sich, nachdem C. von Ferber sie vor 34 Jahren in die Welt gesetzt habe, „als äußerst robust gegenüber allen Anfeindungen" erwies. Nach Fischer betrug die Emigrationsquote 1 4 - 1 7 % , ein Ergebnis, das sich i.w. mit den zeitgenössischen Berechnungen von Hartshorne jr. deckt. 12 Von Soden an Mulert vom 9 . 7 . 1 9 3 3 (in: E . D I N K L E R / E . D I N K L E R - V O N SCHUBERT, Theologie, Nr. 3b, S. 48-51).
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in derartigen abratenden Überlegungen wenig ausgeprägt. Die eigentümliche Verengung der Problemperspektiven wird deutlich, wenn man einen Seitenblick auf die Fragen und Sorgen wirft, welche im Jahr 1933 die außerdeutsche akademische Welt beherrschten. In Teilen der französischen Gelehrtenwelt sind die politischen Entwicklungen Deutschlands samt ihren Auswirkungen auf das akademische Leben als Ausdruck eines schon länger anhaltenden Prozesses der Einschränkung freier Forschung und Lehre angesehen worden. Nach dem Ersten Weltkrieg sind es die nationalstaatlichen Veränderungen im Zuge der Verträge von Versailles und St. Germain gewesen, welche nicht wenige Forscher in ihrer sprachlichen und ethnischen Identität und damit auch in ihren wissenschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten eingeengt hatten. In den 20er Jahren waren es die totalitären Ideologien in Ost-, Süd- und Mitteleuropa, die die Wissenschaftssysteme bedrohten. D e r Faschismus in Italien und der Nationalsozialismus in Deutschland sowie der Bolschewismus in der U d S S R waren die krassesten Exponenten dieser Trends. U m die moralischen, wissenschaftlichen und materiellen Interessen der Gelehrtenwelt zu schützen, plante eine Gruppe französischer Wissenschaftler die Einberufung eines internationalen Gelehrtenkongresses. Der Ausgangspunkt für diese Initiative war eine Vollversammlung der Initiantengruppe am 18. Januar 1934 in Paris unter der Präsidentschaft von Paul Langevin, Professor am Collège de France 1 3 . In den Statuten der „Organisation professionelle internationale pour la defense des libertés académiques et des droits des savants" war die Schaffung eines über verschiedene Länder verzweigten Netzes vorgesehen, „ayant pour but de donner une aide informatrice, juridique et financière à tout membre en cas de cessation involontaire de son travail scientifique". Ein weiterer Artikel sah die Gründung einer „Internationalen Universität" mit Sitz in Paris vor, um bedrängten und verfolgten Wissenschaftlern Gelegenheit zu geben, ihre Arbeit fortzusetzen 1 4 . D e r aktuelle O r t des Streits um die Freiheit von Forschung und Lehre war 1933 neben dem Thema Hochschulautonomie der D r u c k auf die Politisierung der Wissenschaftsdisziplinen. In ihren Kollegerklärungen zur Eröffnung des Sommersemesters 1933 haben sich die beiden Marburger Theologen Rudolf Bultmann und Hans von Soden zum Politisierungsdruck, der auch auf der Theologie lag, in deutlichen Worten geäußert. Bultmann konzentrierte sich dabei auf eine Beschreibung der „Aufgabe der Theologie in der gegenwärtigen Situation". Dieser Text ist weitaus weniger bekannt geworden als Barths „Theologische Existenz heute!" vom Juni 1933, nichtsdestoweniger aber kaum minder interessant. Bultmann
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F. SCHNEERSOHN, L i b e r t é s a c a d é m i q u e s .
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EBD., S. 13 ff. ( D r u c k d e r S t a t u t e n ) .
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bezog sich unter Zuhilfenahme des lutherischen Denkmodells von den beiden Reichen auf das permanente und fundamentale Verhältnis der Distanz zwischen christlichem Glauben und Weltgestaltung. Beim Dienst der Christen an Staat und Volk sei die Grenze des Handelns durch das Gebot der Liebe markiert. „Nur der kann seinem Volkstum echt dienen, der durch den Empfang der Liebe Gottes in Christus zur Liebe befreit ist." Bei der Mitarbeit an „Deutschlands Zukunft" war von den Christen — und hier insbesondere von den Professoren und Studenten der Theologie — „Wahrheit" gefordert. Die Wahrheit bestand in der sauberen theologischen Unterscheidung der beiden Reiche, ohne daß dabei jedoch einer bloßen Selbstläufigkeit des Reiches Gottes zur Linken das Wort geredet war. Bultmann plädierte im Bereich der Politik für vernunftgeleitetes Handeln. Gleichzeitig wollte er in politicis das neutestamentliche Gebot der Nächstenliebe wirksam gemacht sehen. Würde man Bultmanns theologische Linienführung in die Konkretionen der politischen Kultur von 1933 übersetzen, ließe sich leicht ersehen, welche denkerische Querlage der berühmte Neutestamentier in seiner Kollegerklärung vom 2. Mai 1933 eingenommen hat 15 . Bultmanns Fakultätskollege Hans von Soden lehrte in Marburg Neues Testament und Kirchengeschichte. Für das Thema Wissenschaft und Politik war er besonders sensibilisiert deshalb, weil er bereits 1927 in seiner Rektoratsrede die Frage nach dem Fundament wissenschaftlicher Wahrheitsbegriffe gestellt hatte. 1927 hatte von Soden dabei auf die beiden Hauptwurzeln des abendländischen Geistes Bezug genommen, auf den hellenischen Humanismus und das biblische Christentum. Das am Sein orientierte Griechentum verstand von Soden zufolge Wahrheit als adäquates Verstehen eines Sachverhalts. Das Christentum hingegen faßte Wahrheit als christusorientierte Lebensnorm auf, die sich im Tatzeugnis bewährte 16 . Als Staatsbeamter empfand von Soden dem Gemeinwesen gegenüber die Verpflichtung, dessen Wohl durch Vorurteilsfreiheit und Sachlichkeit zu fördern. Es ging nicht um die Hinausweisung des Politischen aus der Universität generell, denn unpolitisch — so von Soden in der Kollegerklärung von 1933 — sei die Universität seit Fichtes Zeiten nie gewesen. Die „nationale Verantwortung ihrer Arbeit" sei ihr „stets klar und wichtig" gewesen. Abzuweisen war jedoch die Einschränkung der Wahrheitsforschung durch zeitgebundene parteipolitische Dogmen, gleichviel ob das im Namen der Nation, der Konfession oder der Generation geschah. In der Gedankenbahn seiner Rektoratsrede von 1927 meinte von 1 5 R. BULTMANN, Aufgabe. Bultmann betonte, es handele sich nicht um eine politische Stellungnahme. „Wir haben die Ereignisse einfach darauf anzusehen, welche Verantwortung wir gerade als Theologen angesichts dieser Möglichkeiten haben" (EBD., S. 161). 1 6 H . VON SODEN, Wahrheit.
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Soden am 4. Mai 1933, wirkliches Leben hänge davon ab, inwieweit es zur Erkenntnis der Wahrheit und vor allem auch zum Tun der Wahrheit fähig sei. Das bedeutete bei realistischer Anerkennung der Sachverhalte des Lebens Offenheit und Selbstkritik, um nicht in die Sackgassen vorgefaßter Meinungen zu laufen. „Diese kritische, selbstkritische Funktion ist die der Wissenschaft, die nicht handelt, aber zum Handeln erzieht, weil sie dem Menschen zur Erkenntnis seiner Möglichkeiten hilft, die dann der Entschluß besonnen, aber auch beherzt ergreifen muß." 1 7 D e m Prinzip kritisch-prüfender Offenheit ist von Soden im „Dritten Reich" treu geblieben. 1933/34 wurde er zum Dekan der Theologischen Fakultät Marburg berufen. In dieser Funktion fiel ihm vermehrte hochschulpolitische Verantwortung zu. Er hat sie u.a. dazu benutzt, um gegen die Entmachtung der Fakultät bei der Wiederbesetzung der praktischtheologischen Professur, gegen die unbillige Entziehung des Ruhegeldes für Martin Rade und die Streichung eines Förderungsstipendiums für den damaligen cand. theol. G ö t z Harbsmeier zu intervenieren. In den kirchlichen Auseinandersetzungen der Zeit vertrat von Soden die Anliegen der Bekennenden Kirche als deren Leiter in Kurhessen-Waldeck. In politischen Angelegenheiten hielt er sich zurück, ließ es sich dafür aber um so mehr angelegen sein, die Theologie als Wissenschaft vor den Zugriffen Unbefugter innerhalb und außerhalb des fachwissenschaftlichen Kreises zu schützen. Mit besonderer Intensität hat er sich gegen die völkische Verhunzung Jesu Christi zur Wehr gesetzt 1 8 . Zu jenen theologischen Hochschullehrern, die in Kollegerklärungen oder hervorgehobenen Vorlesungsveranstaltungen zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik Stellung nahmen, zählte auch der Tübinger Kirchenhistoriker Hanns Rückert. Er wies eine bloß kontemplative wissenschaftliche Haltung — in seinen Augen ein überlebtes Erkenntnisideal — von sich. „Wir retten die Güter, die uns anvertraut sind, nicht dadurch, daß wir sie herauszureißen versuchen aus der Bedrohung unseres Volkes auf eine stille gesicherte Insel." Rückert hatte ein Negativbild der Universität vor Augen, das gekennzeichnet war durch Uberspezialisierung der Disziplinen, durch übertriebenes Ethos der Bindung an die Sache und den Verfall des Ideals der Wissenschaftlichkeit. Rückert meinte, diesem Verfallsprozeß entspreche ein Funktionsverlust der Universität im Volksleben. Die
1 7 E r k l ä r u n g von Sodens in der Vorlesung am 4 . 5 . 1 9 3 3 (in: E. DINKLER/E. DINKLERVON SCHUBERT, Theologie, N r . 1, S. 37-43). D e r innere Z u s a m m e n h a n g der Kollegerklärung mit der Rektoratsrede ist in der D o k u m e n t a t i o n nicht gewürdigt. 1 8 Z u m Wirken von Sodens im „Dritten R e i c h " vgl. neben E. DINKLER/E. DINKLERVON SCHUBERT, Theologie, auch die M o n o g r a p h i e von U. SCHNEIDER, Kirche. Zur Kritik am methodischen Ansatz dieser Studie vgl. meine Rezension in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 99, 1988, S. 2 6 8 - 2 7 0 .
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„nationale Revolution" war in Rückerts Augen ein offenbarungsträchtiges Geschehen. „In der Geschichte dieser Wochen und Monate offenbart sich Gott." Deshalb sollte sie der Wurzelboden neuer Sinnfindung und Integration für die akademische Theologie sein. Es sei notwendig, sich den „nationalen Sinn" der eigenen Arbeit zu verdeutlichen. Andererseits wollte Rückert die Standards wissenschaftlicher Arbeit nicht preisgegeben wissen. Es galt Rückert als notwendig, deshalb zwischen nationaler Integrationsbereitschaft und Fachgelehrsamkeit eine Balance zu halten. Rückert glaubte sagen zu können, daß er mit seinen Überlegungen ausspreche, was bei den meisten seiner theologischen Kollegen lebendige Uberzeugung sei 19 . Ob sich die deutschen Theologieprofessoren 1933 und in den Folgejahren mehr nach der Seite selbstgenügsamer Fachgelehrsamkeit neigten oder ihre Arbeit mehr dem politischen Zeitgeist öffneten, war von zahlreichen universitären und außeruniversitären Faktoren abhängig. Sieht man von radikalen Außenseiterpositionen ab, d.h. von Vertretern der Zunft, deren Arbeiten schon nicht mehr das Prädikat wissenschaftlich verdienten, ist in aller Regel das historisch-kritische Methodenniveau der protestantischen Theologie aufrechterhalten worden. Wenn die Vergabe von Dissertationsthemen für die Aufrechterhaltung dieses Anspruchs aussagekräftig ist, so lassen sich z.B. in den Promotionslisten der Theologischen Fakultät Berlin kaum Themen finden, die vom Anspruch des Zeitgeistes diktiert sind — mit Ausnahme der unheilvollen Dissertation Wolfgang Stroothenkes über „Erbpflege und Christentum" 2 0 . Man wird insgesamt sorgfältig zu differenzieren haben zwischen politischem Mißbrauch der akademischen Theologie und ihrer methodischen Integrität im Sinne der Aufrechterhaltung der ihr eigentümlichen historisch-kritischen Standards. Diese analytische Unterscheidung ist mitunter nicht ganz einfach, und zwar deshalb nicht, weil die geistes- und sozialgeschichtlichen Krisenphänomene, die den Nationalsozialismus als Ideologie und Herrschaftssystem überhaupt erst hervorgebracht haben, Gemeingut der Moderne und damit auch der protestantischen Theologie waren. Sosehr die „Krise der Moderne" auf die protestantische Theologie eingewirkt hat — die Beharrungskraft der historisch-kritischen Methodik blieb gleichwohl ein Phänomen sui generis. Die Überflutung der protestan1 9 H . RÜCKERT, B e r u f , S. 4. — Z u r E i n o r d n u n g R ü c k e r t s in den K o n t e x t der T h e o l o g i schen F a k u l t ä t T ü b i n g e n , L . SIEGELE-WENSCHKEWITZ, F a k u l t ä t T ü b i n g e n , u n d ihren Beitrag in d i e s e m B a n d ; S. HERMLE, D i e n s t . — Im Z u s a m m e n h a n g m i t R ü c k e r t sei darauf hingewiesen, d a ß die D e b a t t e u m die Stellung der T h e o l o g i e im O r g a n i s m u s der W i s s e n s c h a f t e n u n d der G e i s t e s k u l t u r der Zeit s c h o n a m E n d e der 20er J a h r e auf breiter F l ä c h e g e f ü h r t w o r d e n ist. D a b e i k a m e n a u c h über die T h e o l o g i e hinausgreifende A s p e k t e zur Sprache. Vgl. etwa R . OTTO, S i n n u n d A u f g a b e . 20
A H U BERLIN, T h e o l o g i s c h e F a k u l t ä t / D o k t o r b u c h - L i c . 1 9 2 3 - 1 9 4 4 , N r . 1 2 6 / 4 .
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tischen Theologie im letzten Dezennium des 19. Jahrhunderts und seit 1918 in verstärktem Ausmaß durch Lebensphilosophie, pneumatische Exegese, Existenzphilosophie, Dezisionismus hat deren historisch-kritische Fundamente nicht wegspülen können. Unter diesem Aspekt stellen sich zwischen protestantischer Theologie und Geschichtswissenschaft manche Analogien her. Trotz mancher methodischer und persönlicher Sündenfälle ist es im „Dritten Reich" nicht gelungen, die Geschichtswissenschaft zu einer rassischen bzw. völkischen „Geschichtsschau" umzuformen. Traditionelle Methodenstandards waren nicht einfach unter den Anspruch der NS-Herrschaftsideologie zu beugen. Bei der protestantischen Theologie kam im Vergleich mit der Geschichtswissenschaft noch die permanente Aufforderung zur Kontrolle ihrer Ergebnisse nicht allein an den Standards der historisch-kritischen Methode, sondern auch an Bibel, Bekenntnisschriften und evangelischer Lehrentwicklung hinzu. Selbst in den außerakademischen theologischen Fortbildungsprogrammen der damaligen Zeit zeigten sich Kontinuitäten, die durch das Jahr 1933 nicht einfach abgebrochen worden sind 2 1 . Die Zersetzung der kognitiven Fundamente der protestantischen Theologie blieb die Sache einzelner Theologenmilieus. III. N u n m e h r zu dezidiert politischen Stellungnahmen protestantischer Theologieprofessoren im Kontext der „nationalen Revolution" von 1933. Zu den ersten markanten Äußerungen gehörte der offene Brief Martin Rades von der Universität Marburg an seinen Nachfolger in der Redaktion der „Christlichen Welt" vom 16. März 1933. Die Reichstagswahlen vom 5. März 1933 lagen zu diesem Zeitpunkt erst wenige Tage zurück. Nach den Worten des amerikanischen Botschafters in Berlin hatte die Demokratie in Deutschland mit dieser Wahl einen Schlag erlitten, von dem sie sich nicht mehr erholen werde 2 2 . Der verfassungstreue Republikaner Rade blickte nicht auf die eingeschränkten, bereits vom Terror geprägten äußeren Umstände der Wahl. Er akzeptierte sie als Ausdruck demokratischer Willensbildung und der inneren Haltung breiter Schichten. Rade bezeichnete es als „seelische und moralische Unmöglichkeit, eine solche Masseneinstellung in ihrer Bedeutung zu übersehen". Sie zwinge zur Revision bisheriger Wertungen. Was Rade als Revision verstand, war ein Versuch zur Bewährung seines Demokratieverständnisses am ungeeigneten Objekt 2 3 . 21 E Z A BERLIN, Konsistorium Berlin-Brandenburg, Superintendentur Kölln-Land I. Berlin-Lichterfelde. D i e Akten enthalten Unterlagen über theologische Vortragsprogramme im gemeindlichen und übergemeindlichen R a h m e n . Sie zeigen die ungebrochene Fortexistenz eines protestantischen Wissenschaftsstils. 2 2 Frederick M. Sackett an Außenminister Hull v o m 9 . 3 . 1 9 3 3 (in: J . UND R . BECKER, Hitlers Machtergreifung, S. 135). 2 3 M. RADE, Brief. — Eine Übersicht über das Material zu Rades Leben und Wirken (namentlich im H i n b l i c k auf die zur Verfügung stehenden Archivalien) findet sich in dem Ausstellungskatalog der Universitätsbibliothek M a r b u r g : RADE.
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Denn die Wahl vom 5. März 1933 ist nicht frei gewesen. Den Kommunisten und Sozialdemokraten waren Wahlplakate, Zeitungen, öffentliche Versammlungen verweigert. Behindert war auch der politische Katholizismus. Unliebsame Beamte waren bereits entlassen. Der Rundfunk stand nur noch Freunden der Regierung zur Verfügung. „Die Öffentlichkeit", resümierte der französische Botschafter Franfois-Poncet, „war einem Druck, einer Einschüchterung, einer Hypnotisierung ausgesetzt, die System hatten." 24 Auch Rade sah die Auswüchse von Gewalt und Unrecht, meinte aber, mit der „nationalen Revolution" um Verfassung, Recht und Gerechtigkeit zu streiten, habe keinen Zweck. „Sie schafft neues Recht. Das gehört zum Wesen der Revolution." Bei der Gestaltung der Zukunft sollte der freie Protestantismus sich zur Bewahrung des christlichen Erbes und zu ethischer Gesinnungspflege aufgerufen sehen 25 . Anders gesprochen: Der Raum des Politischen war nicht mit politischen Mitteln zu betreten, sondern kulturpolitisch zu beeinflussen. Rades Brief war das Dokument einer Diskrepanz. Sie bestand in der Anwendung eines an der Weimarer Verfassung geschulten Demokratieverständnisses auf die politische Wende von 1933 bei weitgehenden Konzessionen an deren „revolutionäre Dynamik". Dabei unterlief dem Demokraten Rade nicht allein ein populistisches Mißverständnis demokratischer Prozeduren, sondern auch eine Verkürzung des Politikbegriffs. Vom „neuen Staat" ist Rade trotz seiner Bemühungen um begleitendes Verstehen der Entwicklung als national unzuverlässig behandelt worden. Rades Nachfolger in der Redaktion der „Christlichen Welt" war Hermann Mulert. Seine anti-nationalsozialistische Haltung ist durch viele Fakten belegt. In der Endphase der Weimarer Republik hat Mulert, der einige Jahre lang Schriftführer des Landesverbandes Schleswig-Holstein der D D P gewesen ist, in republikanischen Publikationsorganen gegen die Infiltration des Protestantismus durch die „völkische Freiheitsbewegung" gestritten. A m 11. August 1933, dem Tag der Weimarer Verfassung, zog er am Fenster seiner Kieler Wohnung demonstrativ die schwarzrotgoldene Fahne der Republik auf. 1935 schob man ihn sang- und klanglos in den Ruhestand ab 2 6 . Im Gegensatz zu Rade bot Mulert wesentlich präzisere Instrumentarien bei der Beurteilung der Entwicklungen des Jahres 1933 auf. Da die „Christliche Welt" lediglich im Zwei-Wochen-Rhythmus er2 4 A n d r é Fran^ois-Poncet an Außenminister Paul-Boncour v o m 7 . 3 . 1 9 3 3 (in: J . UND R . BECKER, Hitlers Machtergreifung, S. 127 f.). 25 Vgl. A n m . 23. 2 6 Formal betrachtet hat Mulert die Versetzung in den Ruhestand am 2 . 9 . 1 9 3 5 (im Alter von 56 Jahren) selbst beantragt. D o c h er tat dies, um seiner immer wahrscheinlicher werdenden Entlassung z u v o r z u k o m m e n . D i e von G ö r i n g als preußischem Ministerpräsidenten unterzeichnete Entpflichtungsurkunde ( U A LEIPZIG, N L Mulert) drückte nicht einmal mehr einen formalen D a n k für Mulerts Wirken als Universitätslehrer aus.
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schien, sah Mulert sich vor der Schwierigkeit, etwas seiner Meinung nach Notwendiges nicht leisten zu können: die tagesaktuelle Kommentierung der dramatischen und bestürzenden Zeitereignisse. Mulerts publizistische Strategie als Redaktor der „Christlichen Welt" ist aus dem Horizont dieser Überlegung zu beurteilen. Er bediente sich des Kunstgriffs, an die Stelle des schnell überholten Tageskommentars den problemorientierten Sachartikel zu setzen. Uberblickt man Mulerts entsprechende Beiträge in der „Christlichen Welt" über das ganze Jahr 1933 hinweg, wird man immer wieder beobachten können, mit welcher Sicherheit er den Finger auf neuralgische Punkte legte. Im Februar 1933 publizierte Mulert einen Aufsatz unter dem Stichwort „Marxismus". Er ist ein bemerkenswertes Beispiel für das kritische Auffangen der Tagespolitik in grundsätzlichen Problemstudien. Denn die „nationale Revolution" richtete ja von Anbeginn ihre Wut und Wucht gegen alles, was als marxistisch galt, und machte dabei wenig Unterschiede zwischen Kommunisten, Sozialdemokraten, Zentrumspolitikern, Juden und Liberalen. Mulert verfolgte in seinem Aufsatz zwei Ziele. Auf der einen Seite ging es ihm um die Entzerrung und Differenzierung der nationalsozialistischen Kampfparole „Marxismus", auf der anderen Seite um eine gerechte Würdigung der Schwächen und Leistungen derer, die tatsächlich als Marxisten zu bezeichnen waren. Außerdem wehrte er sich gegen eine „verhängnisvolle Verfälschung" des politischen Kampfes. Sie bestand in seinen Augen darin, daß im Kampf gegen den Marxismus religiöse, nationale und sittliche Interessen mit absolut formuliertem Anspruch reklamiert wurden, was zu einer metaphysischen Überhöhung in den Prozessen politischer Auseinandersetzung führte 27 . Am 18. März 1933, zwei Tage nach Rades offenem Brief an den Nachfolger, erschien Mulerts Aufsatz „Führertum und Gewissen". Während sich Rade populistisch zur „nationalen Revolution" hinüberneigte, stieß Mulert wiederum zielsicher in ein Kernproblem hinein. Er sprach sich gegen die sittlichen Verwüstungen durch ein mißverstandendes Führertum aus 28 . Im Rückblick auf das von so vielen außer- und pseudolegalen Akten, von Radauaktionen und Gewalt gekennzeichnete erste Halbjahr 1933 wählte Mulert am 1. Juli 1933 zum Gegenstand einer Betrachtung das Thema „Christenpflicht und Menschentugend". Mulert forderte in diesem Artikel Bescheideneres als Christenpflicht, nämlich Menschentugend: Achtung vor dem Feind und dem politischen Gegner und vorher noch Schlichteres, „die Aufrichtigkeit . . . , Menschen und Dinge zu sehen, wie sie sind" 2 9 . Auch dieser Beitrag bietet sich als eindrucksvolle Kom27
H . MULERT,
Marxismus.
2 8
H . MULERT,
Führertum.
2 9
H . MULERT,
Christenpflicht.
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pensation eines tagespolitischen Kommentars dar. Schließlich sei noch als Beispiel für Mulerts publizistische Strategie sein Aufsatz ,Jubiläen" genannt. Sein Veröffentlichungsdatum ist der 4. November 1933. Anlaß waren die zu Luthers 450. Geburtstag geplanten Jubiläumsveranstaltungen, die freilich aus verschiedenen Gründen sehr viel weniger pompös ausfielen als ursprünglich geplant bzw. von den Initiatoren erhofft 3 0 . Für den liberalen Protestanten und Demokraten Mulert stand Luther nicht als nationale oder gar nationalsozialistische Symbolfigur im Raum, sondern als Repräsentant selbständiger Gewissenhaftigkeit. „Wer es aber für erlaubt hält, auf Gewissen und Gesinnung anderer einen Druck auszuüben, wer mitverantwortlich dafür ist, daß Andre in innerer Unselbständigkeit und geistiger Unmündigkeit bleiben, füge dem wenigstens nicht noch die Dreistigkeit hinzu, daß er Luthers Gedächtnis mitfeiern will." 31 Die Geradheit dieser Sprache, ihre leichte Entschlüsselbarkeit nach der politischen, kulturpolitischen und kirchlichen Seite hin beeindruckt um so mehr, wenn man berücksichtigt, daß sich das Bild der öffentlichen Meinung in Deutschland im zweiten Halbjahr unter dem Druck des neuen Regimes schon deutlich zu nivellieren begonnen hatte. Wie singulär Mulerts kritische Sondierungen im übrigen waren, zeigt der Vergleich mit den Bekundungen anderer Hochschullehrer auf Schritt und Tritt. Die Theologische Fakultät Gießen nahm die Geschehnisse seit dem 30. Januar 1933 zum Anlaß für einen Lehrgang 32 . Er fand im Juni 1933 in Darmstadt und Gießen statt. Eingeladen hatten zusammen mit der Fakultät und der Landeskirche Vertreter der hessischen Pfarrerschaft und der „Glaubensbewegung Deutsche Christen". Vor den Gießener Ordinarien für Kirchengeschichte (Heinrich Bornkamm), Altes Testament (Wilhelm Rudolph), Neues Testament (Georg Bertram), Systematische Theologie (Ernst Haenchen) und dem Dekan Leopold Cordier (Praktische Theologie) stand die Aufgabe, aus der Sicht ihrer Disziplin zur theologischen Besinnung über Volk und Staat beizutragen. Spiritus rector des Lehrgangs war Cordier. Ihm lag daran — nicht zuletzt im Hinblick auf die starke DCAnhängerschaft in Hessen, Nassau und Frankfurt —, in einer Zeit breiter Zustimmung zum Nationalsozialismus mit all den Kräften zusammenzuarbeiten, „die das neue Wollen bejahen" 3 3 . Im Mai 1933 hatte Cordier seine Einsatzbereitschaft für die neue Regierung bekundet, diese Haltung jedoch 30 31 32
Vgl. dazu S. BRAUER, Lutherjubiläum. H . MULERT, Jubiläen; vgl. außerdem DERS., Nationalstaat; DERS., Macht. VOLK-STAAT-KIRCHE. — Z u m K o n t e x t M . GRESCHAT, F a k u l t ä t .
VOLK-STAAT-KIRCHE, Vorwort. Exemplarisch für die von L. CORDIER gemeinte „Offenheit" in der B i n d u n g an Jesus C h r i s t u s war auch sein Beitrag v o m Frühjahr 1933: Bund. Näheres über den „Christdeutschen B u n d " und Cordiers Verankerung in ihm bei U . SMIDT, D o k u m e n t e , S. 118 f.; dort ist auch Cordiers oben erwähnter Beitrag nachgedruckt (S. 136f.). 33
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nicht als Verzicht auf Kritik verstanden wissen wollen. Vor allem forderte Cordier Beugung unter das Evangelium, damit von dort die eigentliche Erneuerung des Volkes kommen könne 34 . Abgesehen von dem Beitrag des theologisch liberalen Alttestamentlers Wilhelm Rudolph waren alle Vorträge des Lehrgangs von dem Bemühen geprägt, sich zum nationalen Aufbruch positiv ins Verhältnis zu setzen. Am weitesten gingen dabei Ernst Haenchen und Georg Bertram. Haenchen (er war Mitglied der NSDAP) zögerte nicht, die äußere Gehorsamshaltung im Gemeinwesen, theologisch gesprochen die iustitia civilis, in eine innere christliche Ergriffenheit umzudeuten, in der das discrimen zwischen Gesetz und Evangelium zu verschwimmen drohte. Als Deutscher sollte und durfte man dem Ganzen dienen und opfern und sich von ihm tragen lassen 35 . Bertram, alsbald ein Gefolgsmann des DCLandesbischofs Dr. Dietrich und ab 1939 Mitarbeiter des „Eisenacher Instituts", widmete seinen Vortrag den Aussagen des Neuen Testaments zum Staat. Sie waren, wie er meinte, auf dem Boden des Judentums erwachsen und aus verschiedenen Gründen nicht ausreichend. Das Neue Testament sei über die jüdische Haltung, im Staat eine bloße Ordnungsmacht zu sehen und kein Verständnis für seine positiven Aufgaben zu haben, nicht hinausgewachsen. Deshalb hatte die christliche Ethik über den Horizont der neutestamentlichen Positionsmarkierungen hinauszuschreiten und die Gottesgaben des Volkstums und des nationalen Staates dankbar anzunehmen und mitzugestalten 36 . Heinrich Bornkamm lieferte als Kirchenhistoriker ein Beispiel für die Aufbereitung geschichtlichen Materials im Dienst von Volk, Staat, Rasse. Zusammen mit Hanns Rückert, Hermann Wolfgang Beyer, Erich Vogelsang und Emanuel Hirsch gehörte er zu jenen jungkonservativen Schülern des Berliner Kirchenhistorikers Karl Holl, die das nationale Leben durch Rückgang auf Luthers Theologie aktiv mitzugestalten hofften. Im Amtsjahr 1933/34 ist Bornkamm Rektor der Universität Gießen gewesen. In sein Rektoratsjahr fiel die Entlassung von 18 Professoren aus rassischen und politischen Gründen, „mehr als ein Zehntel der etwa 160 im Vorlesungsverzeichnis für das Sommersemester ausgewiesenen Professoren" 37 . Bornkamm hat grundsätzliche Härten zu mildern versucht und auch in zumindest zwei Fällen den Betroffenen Hilfe geleistet. Doch gab es von seiner Seite keine wirklichen
34
VOLK-STAAT-KIRCHE, S.
67.
„Das Gesetz des völkischen H a n d e l n s fordert den ganzen Menschen, nicht n u r den äußeren Menschen, seine äußere Gesetzeserfüllung, s o n d e r n es will den inneren Menschen" (EBD., S. 65). 3 6 EBD., S. 39, 44, 5 1 . 3 7 Einzelheiten in dem (leider nicht durchweg sachlichen) S a m m e l b a n d v o n H . J . BÜHLES, Frontabschnitt, S. 1 3 7 ff. 35
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Einwände „gegen das Ziehenlassen von Kollegen, denen der neue Staat die rechte Art absprach" 38 . Im Mai 1934 bekräftigte er in einer Rede vor den Rhein-Mainischen Studentenführern die offizielle Lesart der rassischen Reinigung des Universitätskörpers. Später folgte Ernüchterung. 1935 erhielt Bornkamm einen Ruf an die Theologische Fakultät Leipzig und machte sich u.a. verdient gegen die Pläne, die Fakultät aus dem Universitätsverband zu eliminieren. In seinem Vortrag von 1933 verfolgte Bornkamm eine Linie des gesamtgermanischen Bewußtseins von Hermann dem Cherusker bis zu Martin Luther. Neben jenen Gedankenlinien, die sich als ideologische Affirmation der „nationalen Revolution" lesen lassen, enthielt der Vortrag allerdings auch Elemente des Widerspruchs. Bornkamm war nicht bereit, den Universalismus der christlichen Botschaft einem völkischen Germanismus aufzuopfern. Das Volkstum, so Bornkamm, sei eine geschichtsmächtige Größe, doch unterliege es — weil zur „Natur" gehörig — in theologischer Hinsicht dem gleichen Urteil wie Mensch und Natur überhaupt. Es bedürfe der Erlösung. Gegen diese theologische Eingrenzung des Volkstums fügte er allerdings sofort hinzu, es gäbe ein völkisches Lebensgesetz, dem ein völkisches Evangelium, welches auf das besondere Volkstum der Deutschen ziele, zu entsprechen habe 3 9 . Nicht wenige Hochschultheologen haben 1933 in erheblicher Nähe zum völkischen Staatsbegriff gedacht und geschrieben. Er erschien ihnen als das notwendige Instrument zur Heilung der deutschen Zivilisationsund Kulturschäden und als die geeignete Form einheitlicher politischer Willenssteuerung. In den großen Kirchenkampfdarstellungen von K. Scholder und K. Meier sind entsprechende Materialien zusammengetragen, die hier nicht rekapituliert werden müssen 40 . Hingewiesen sei jedoch mit besonderem Nachdruck auf die Stellungnahmen zur „Entjudung" des deutschen Staates und der deutschen Universität. Georg Wobbermin, Professor für Systematische Theologie in Göttingen, sah den berüchtigten „Arierparagraphen" im „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933 nicht unter dem Gesichtspunkt der Entrechtung. Er interpretierte ihn als legitime Konsequenz einer Notlage, an der die Kirchen nicht unschuldig seien, weil sie sich durch die Judentaufen des 19. Jahrhunderts zu einem Einfallstor für das Judentum in die deutsche Gesellschaft hätten machen lassen. Wobbermin befürwortete energisch die „Entjudung" der Universitäten. Er behauptete, der Nachwuchs an Privatdozenten und Assistenten betrage an manchen Fakultäten „schon 50 Prozent, teilweise sogar noch weit mehr" 4 1 . Etwas moderatere „Entjudungs"-
38
K.-V. SELGE, B o r n k a m m , S. 116; weiteres bei K . NOWAK, Zeiterfahrung.
3 9
VOLK-STAAT-KIRCHE, S . 1 9 .
40
K. MEIER, Kirchenkampf, Bd. 1, S . 7 7 f f . ; K . SCHOLDER, Kirchen, Bd. 1, S. 124 ff.
41
G . WOBBERMIN, G u t a c h t e n .
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gedanken verfolgte der Erlanger Systematiker Paul Althaus. Gerhard Kittel, der renommierte Neutestamentier und Judaist (Tübingen), entwickelte ein Apartheid-Modell, mit dem er allen Beteiligten gerecht zu werden hoffte. Deutliche Voten gegen die Diffamierung der Juden gaben u.a. Bultmann und von Soden in ihren bereits erwähnten Kollegerklärungen ab. Bultmann übte dabei offene Kritik an der Hitlerrede vom 1. Mai 1933 4 2 . Wie gingen nationalkonservative Professoren mit der „nationalen Revolution" um? Da das Meinungs- und Verhaltensspektrum auch in diesem Bereich lediglich an einigen Beispiel darstellbar ist, die nicht für das Ganze genommen werden können, soll sich die Betrachtung auf den Berliner Kirchenhistoriker Hans Lietzmann und auf seinen emeritierten Fachkollegen Karl Müller (Tübingen) konzentrieren. Lietzmann lehrte seit 1924 in der Nachfolge Adolf von Harnacks an der Berliner Theologischen Fakultät. Sein Hauptwerk, die ab 1932 erscheinende „Geschichte der Alten Kirche", ist Harnack und Müller gewidmet. Gemeinsam war Lietzmann und Müller ein Grundzug des Unpolitischen insofern, als sie sich strikt von der Tages- und Parteipolitik zurückhielten. Lietzmanns politischer Standort zeigte sich noch am ehesten im stellvertretenden Vorsitz der losen Tagungen „Rechtsgerichteter Hochschullehrer". Die eigentliche Leitung befand sich in den Händen des Berliner Anatomen Otto Lubarsch, der am 1. April 1933 verstarb. Am 12. Mai 1933 erließ der Erlanger Jurist Friedrich Lent einen Aufruf zur Bildung einer „Arbeitsgemeinschaft Deutschnationaler Hochschullehrer". Lietzmann begrüßte dieses Unternehmen, vor allem die Nennung des deutschnationalen Parteinamens in der Bezeichnung der Organisation. Seit 1933 beobachtete er voller Bangen die Zerschlagung und Lahmlegung der bürgerlichen Rechtsparteien. Ähnlich wie es in der Novemberrevolution 1918 die Sorge seines Vorgängers Harnack gewesen war, die Kräfte der Tradition unter den gewandelten Verhältnissen zur Geltung zu bringen, meinte nun auch Lietzmann: „Wir haben dem neuen Staat wirklich große Werte zu bieten, und es ist notwendig, ihm das zum Bewußtsein zu bringen und zugleich unsere volle Bereitschaft zur Mitarbeit kundzutun." 43 Wie das gemeint war, zeigte die programmatische Zielsetzung der geplanten Arbeitsgemeinschaft. Sie trat für Lehrfreiheit ein und wandte sich dagegen, die Hochschullehrer zu beamteten Vertretern einer von der Regierung vorgeschriebenen Meinung zu machen. Müllers anfänglicher Jubel beim, wie er fälschlich meinte, Emporkommen der „alten Farben", war bereits Anfang Mai 1933 erheblich gedämpft.
4 2 Eigens zu erwähnen ist n o c h R . BULTMANNS scharfer Artikel gegen W o b b e r m i n : Arierparagraph. Bultmann beschränkte seine A r g u m e n t a t i o n strikt auf den kirchlichen Bereich und wählte für die staatliche Gesetzgebung eine vieldeutig anheimstellende Formulierung („Mag es mit der Gesetzgebung des Staates wie i m m e r bestellt sein. . ."). Zu Althaus vgl. M.SMID, Protestantismus; zu Kittel L. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, Neutestamentliche Wissenschaft. 4 3 L i e t z m a n n an Friedrich Lent v o m 3 1 . 5 . 1 9 3 3 (in: K . ALAND, Glanz, N r . 830, S . 7 4 1 ) .
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Er wollte anerkennen, daß viel Verderben ausgekehrt worden sei, Zustände der Korruption ihr Ende gefunden hätten — „vor allem auch beim Zentrum" —, „daß durch weite Volkskreise wirklich ein neuer Geist geht". Nur: wie haltbar war der „neue Geist"? „Wenn nur die Gewaltsamkeiten (Juden usw.), die man zunächst als die sichtbarsten Züge hat eintreten sehen, nicht auch draußen z.T. jedenfalls mit Recht die Stimmung verderben und unsere politische Lage immer schwieriger und hoffnungsloser machten! Aber wir müssen eben warten. Vielleicht kommen doch auch gesunde Kräfte bald ganz zur Wirkung." 4 4 Attentismus und Hoffnung auf die vernünftigen Kräfte war im ersten Halbjahr 1933 die typische Haltung vieler rechtsbürgerlicher Zeitgenossen. Auch Lietzmann teilte sie. Wie es damals noch akademische Sitte bei außergewöhnlichen Ereignissen war, benutzte auch Lietzmann die erste Stunde seiner Vorlesung im Sommersemester 1933, um „de statu rei publicae" zu sprechen. Lietzmann mahnte seine 300 studentischen Zuhörer zu Zurückhaltung, Mäßigung und Besonnenheit. „Der auf dem Ofen siedende Topf kühlt sich doch sehr schnell ab, wenn er auf dem Tisch steht." A m Tag vor Eröffnung seines kirchenhistorischen Kollegs hatte er in der Aula der Berliner Universität an einer Redeschlacht über das Verhältnis von germanischer Religiosität und Christentum teilgenommen: „anstandshalber", da ihm derartige Veranstaltungen ein „Greuel" waren. Die Entfernung der jüdischen Professoren von der Universität bezeichnete Lietzmann im Ganzen wohl als Notwendigkeit „nach langen Jahren üblen Mißbrauchs; aber im einzelnen zuweilen mit schweren Verlusten menschlicher und wissenschaftlicher A r t " 4 5 . Besonders vor Augen gestanden haben dürfte ihm dabei die gefährdete Position des Altphilologen Eduard Norden, mit dem Lietzmann freundschaftlich verbunden war und der 1938 in die Emigration getrieben wurde 4 6 . Im Blick auf das neue staatliche (und universitäre) Leitungsprinzip, das Führertum, hoffte Lietzmann auf die Durchsetzung der stärksten und kompetentesten Persönlichkeiten. „Wir sind jetzt in gärender Revolutionszeit, wo man vieles hingehen lassen muß. Kommt erst die Ruhe und die normale Arbeit, so wird auch die rich-
Müller an Lietzmann vom 2./3.5.1933 (EBD., Nr. 825, S. 733 ff.). Lietzmann an Müller vom 16.5.1933 (EBD., N r . 829, S.739ff.). 4 6 Eduard N o r d e n (1868-1941), seit 1906 Ordinarius für Klassische Philologie in Berlin, als „ N i c h t a r i e r " 1938 in die Emigration (Schweiz) gedrängt. D i e freundschaftliche Verbindung zwischen Lietzmann und N o r d e n ist aus der Korrespondenz zu ersehen (vgl. EBD., N r . 342, 362, 415, 484, 505, 506, 519, 555, 591, 652, 835, 853, 878, 906, 952, 1022, 1043, 1056, 1122, 1130 u.ö.). — Tendenzen zu einem bildungsbürgerlichen Kulturantisemitismus sind bei Lietzmann, wie bei so vielen Angehörigen seiner Generation, gleichwohl nicht zu übersehen. Eine vollständige Auswertung des Lietzmannschen Briefcorpus (z.B. in den Beständen der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der D D R ) unter diesem Aspekt steht noch aus. 44 45
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tige Wertung und Kräfteverteilung einsetzen. Bis dahin müssen wir ruhig in Reserve bleiben und unsere Zeit abwarten." 47 Lietzmann war Mitglied der „Mittwochs-Gesellschaft". Im Jahr 1863 gegründet, setzte sie sich aus Vertretern des öffentlichen Lebens in Justiz, Wirtschaft und Militär zusammen. Sie verstand sich als „Freie Gesellschaft für wissenschaftliche Unterhaltung". Es gehörte zu ihren Traditionen, tagespolitische Themen zu vermeiden. Gleichwohl haben die Ereignisse des Jahres 1933 in der „Mittwochs-Gesellschaft" ihre Spuren hinterlassen. Auch sind prominente Verschwörer des 20. Juli 1944 aus ihr hervorgegangen (Ludwig Beck, Ulrich von Hasseil, Johannes Popitz). Auf der 895. Sitzung vom 25. April 1933 sprach Popitz, der wenige Tage zuvor zum preußischen Staatsminister und Finanzminister ernannt worden war, über die Machtergreifung. Er interpretierte sie als eine Revolution, die nach dem Scheitern der Präsidialreform und wegen der Schwäche der Republik, sinnvolles staatliches Handeln zu gewährleisten, notwendig geworden sei. Popitz meinte, ein Mißlingen des Staatsneubaus auf nationaler und autoritärer Grundlage werde ins Chaos führen. Popitz soll für diese Darlegungen den spontanen Beifall der Mitglieder geerntet haben, ausgenommen den Beifall des jüdischen Mitgliedes Werner Weisbach. Die meisten Mitglieder der „Mittwochs-Gesellschaft" haben die Machtübernahme „mehr als Rettung denn als Bedrohung empfunden" 4 8 . Lietzmanns briefliche Äußerungen und seine Kollegansprache zur Eröffnung des Sommersemesters fielen nahezu zeitgleich mit jener Sitzung der „Mittwochs-Gesellschaft" zusammen. Betrachtet man Lietzmanns Bekundungen auf diesem Hintergrund, gewinnt das spätere Zeugnis Weisbachs über die politische Haltung des Berliner Kirchenhistorikers gesteigerten Wert. In seinen Memoiren „Geist und Gewalt" teilte Weisbach mit, anfangs habe Lietzmann gemeint, die Kirche solle sich hinter die neue Regierung stellen, um keinen Zwiespalt zwischen Staat und Kirche zu schaffen. Von dieser Meinung sei er bald abgekommen und habe jegliche Sympathie für die neue Staatsführung verloren: „Er konnte sich dann in scharfen, sarkastischen und verächtlichen Bemerkungen nicht genugtun." 49 IV. Der Identifikation mit der „nationalen Wende" waren in der deutschen Professorenschaft Grenzen gezogen. Die Verhältnisse von 1933 waren nicht die Verhältnisse von 1914. Im Weltkriegsjahr 1914 ist es möglich gewesen, daß die durch Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff (1848-1931)
47
Vgl. A n m . 4 5 .
4 8
K . SCHOLDER, M i t t w o c h s - G e s e l l s c h a f t ,
4 9
E B D . , S.
86 f.
S. 1 7 .
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angeregte und verfaßte „Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches" — nicht zu verwechseln mit dem Aufruf „An die Kulturwelt!" — mehr als 4.000 Unterschriften von Ordinarien und Hochschulangehörigen bis zum Lehrbeauftragten und Lektor hinter sich gebracht hatte. Die Erklärung wehrte sich gegen die Aufreißung einer Kluft zwischen dem Geist der deutschen Wissenschaft und dem, was das feindliche Ausland preußischen Militarismus nannte. Nur wenige Professoren hatten sich im Kriegstaumel von 1914 dem Sog der Unterschriftenkampagne entziehen können. Die „Erklärung" ist am 16. Oktober 1914 in deutscher, englischer, französischer und spanischer Sprache der Öffentlichkeit übergeben worden 50 . In offenkundiger Anlehnung an dieses Muster nationaler Willensbekundung der deutschen Universität hat im Herbst 1933 der „Nationalsozialistische Lehrerbund Sachsen" unter Gauobmann Arthur Göpfert im Zusammenwirken mit der Landesuniversität dazu eingeladen, von Leipzig aus ein „Bekenntnis freier und politisch nicht gebundener deutscher Gelehrter" in die Welt zu schicken 51 . Die Veranstaltung fand im Vorfeld der Volksabstimmung vom 12. November 1933 statt, in der sich Hitler den am 14. Oktober 1933 vollzogenen Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund bestätigen ließ. Bekundet werden sollte in einem „Ruf an die Gebildeten der Welt" der Wille zu volksgebundener Wissenschaftspflege, aus dem allein die völkerverbindende Macht der Wissenschaft erwachsen könne. „Aus dieser Überzeugung heraus richtet die deutsche Wissenschaft an die Gebildeten der ganzen Welt den Appell, dem Ringen des durch Adolf Hitler geeinten deutschen Volkes um Freiheit, Ehre, Recht und Frieden das gleiche Verständnis entgegenzubringen, welches sie für ihr eigenes 5 0 Grundlegend B. VOM BROCKE, „Wissenschaft und M i l i t a r i s m u s " ; K . SCHWABE, Wissenschaft; R . VOM BRUCH, Wissenschaft. 5 1 BEKENNTNIS DER PROFESSOREN. — In den Akten des U A LEIPZIG findet sich noch eine korrigierte maschinenschriftliche Erstfassung der „ K u n d g e b u n g der deutschen Wissenschaftler. Ruf an die Gebildeten der Welt". Sie ist länger als die Endfassung und mit der Versicherung verbunden, ein entschiedenes Ja für die L o s u n g des 12.11.1933 auszusprechen: „ M i t Adolf Hitler für Freiheit, Ehre und Recht des deutschen Volkes und für den Frieden der Welt" ( U A LEIPZIG, Akten Phil. Fak., Bd. 2, A 2 / 2 0 0 4 ) ; der N S L B war im engen Benehmen mit der Leitung der Universität Leipzig der Initiant des „Bekenntnisses" (Varia des akademischen Senats [ 1 7 . 1 . 1 9 3 3 - 1 6 . 4 . 1 9 3 4 ] : U A LEIPZIG, Rep. I I I / I V / 1 2 9 6 , Bd. 29a). Bereits zu Beginn des Jahres 1933 hat es Auseinandersetzungen und Interessenkämpfe u m eine politische Deklaration der deutschen Hochschullehrer gegeben. D e r NS-Studentenbund drängte mit Vehemenz auf ein pro-nationalsozialistisches Bekenntnis. D e m g e g e n ü b e r favorisierten nationalkonservative und am Reichspräsidenten von H i n d e n b u r g orientierte Hochschullehrer unter maßgeblicher F e d e r f ü h r u n g von A b r a h a m Esau (Jena) einen eigenen Entwurf. D i e Unterschriftenaktion für diesen E n t w u r f ist ebenfalls bereits mit der Universität Leipzig verknüpft gewesen. Rektor in Leipzig war damals noch der Kirchenhistoriker H a n s Achelis. In Leipzig unterzeichneten den Jenenser Text u.a. Achelis, Frenzel, Jeremias und
R e n d t o r f f (EBD.).
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Volk erwarten." 5 2 Die Veranstaltung lief nach den Ansprachen der Professoren Arthur Golf (Rektor der Universität Leipzig), Martin Heidegger (Freiburg i.B.), Wilhelm Pinder (München), Ferdinand Sauerbruch (Berlin), Friedrich N e u m a n n (Göttingen) als die Darbietung von Zustimmungserklärungen zu Hitler und seiner Politik durch Vertreter verschiedener Fakultäten ab. Die protestantische Hochschultheologie war vertreten durch Emanuel Hirsch (Göttingen) und Friedrich Karl Schumann (Halle). Daß es unter den Theologen Emanuel Hirsch war, der in Leipzig zur Darstellung seines politischen Bekenntnisses ausgewählt wurde, bedeutete keine Überraschung. Niemand unter den deutschen Theologieprofessoren hat sich mit auch nur annähernd vergleichbarer Vehemenz in das nationale Leben als christlicher Volkstribun einzuschalten versucht und sich der NSPropagandamaschinerie zur Verfügung gestellt. Ende Mai 1933 hatte Hirsch im „Völkischen Beobachter" versichert, kein Volk der Welt besitze gleich dem deutschen Volk einen führenden Staatsmann, „dem es so ernst um das Christliche" sei 5 3 . N a c h Meinung von Dr. Walter Buff, einem Schüler Hirschs, habe der verehrte Lehrer solche Äußerungen mit einer strategischen Zielstellung verknüpft. Hirsch habe damals die These vertreten, Hitlers politische Position im Jahr 1933 sei sehr viel stärker gefährdet gewesen als es späterhin schien. U m Hitler politisch zu stärken und ihn sich gleichzeitig zu verpflichten, habe Hirsch energisch für ein Zusammengehen der evangelischen Kirche mit Hitler und ein Zusammengehen Hitlers mit der evangelischen Kirche gekämpft. Leider sei man auf kirchlicher Seite nicht strategiebewußt genug gewesen, u m die Notwendigkeit wechselseitiger Protektion im Dienst des deutschen Schicksals — d.h. der Christlichkeit der Gesellschaft — zu erkennen 5 4 . Wie auch immer — bloß kühler Stratege war Hirsch nicht. In Leipzig bekräftigte er sein Bekenntnis zu Hitler als, wie er formulierte, „deutscher Mann, als evangelischer Christ und Theolog, als Lehrer der Universit ä t " 5 5 . Das Jahr 1933 ist für Hirsch eine Stunde geschichtlicher Erfüllung gewesen, das Ende einer Babylonischen Gefangenschaft der Deutschen unter dem Joch der Moderne. Seine Jugendzeit und das Alter, da er „noch jung genug war, um bildsam zu sein" 5 6 , hatte Hirsch als Zeit der perma-
52
BEKENNTNIS DER PROFESSOREN, Präambel: „ E i n Ruf an die Gebildeten der Welt."
53
VÖLKISCHER B E O B A C H T E R , N o r d d e u t s c h e A u s g a b e v o m 2 8 . / 2 9 . 5 . 1 9 3 3 , S . 1 .
Informationsgespräch des Vf.s mit H e r r n Dr. Walter Buff (Hannover) vom Januar 1984. BEKENNTNIS DER PROFESSOREN, S. 1 5 - 1 7 ; hier S. 17. „Wir Deutsche sind auf dem Wege hinweg aus dem L a n d des Unglaubens zurück zu dem Heiligen, das zu vergessen wir in G e f a h r waren und ohne das wir als Einzelne und als Volk nicht leben k ö n n e n . . . Wenn auf morgen der Führer uns ruft, uns z u m neuen nationalsozialistischen Deutschland zu bekennen, M a n n für M a n n , Frau f ü r Frau, so antwortet es aus mir: Ja. Ich sage es als deutscher Mann, als evangelischer Christ und T h e o l o g , als Lehrer der Universität." 5 6 E. HIRSCH, Lage, S. 3. Vgl. auch den Beitrag über Hirsch von J. Alwast in diesem Band. 54
55
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nenten Krise, des kulturellen Umbruchs und tiefgreifender zivilisatorischer Erschütterungen erlebt. Für seine theologische Ideenwelt nahm Hirsch den Modus der „Grenzüberschreitung" und des „Wagnisses" in Abkehr von allen Formen des bürgerlichen „Salonchristentums" in Anspruch. Sein Lebensthema war die „zum Ewigen, Unbedingten sich verhaltende vergängliche und bedingte Kreatur" und die schmerzlich erfahrene Antinomie zwischen Zeitlichkeit und Ewigkeit. Im Spannungsfeld dieses theologischen Grundproblems hat Hirsch den in die Transzendenz verweisenden Bezügen der Wirklichkeit besonderes Nachdenken gewidmet und umgekehrt das Hereinbrechen der Transzendenz in die Immanenz auf dem Boden der Philosophie Fichtes, der Theologie Luthers und der Existenzdialektik Kierkegaards zu konkretisieren gesucht. Eine religiös-idealistische Überhöhung der Wirklichkeit war Hirschs Konzept seit den Anfängen eingeboren 57 . In der Phase der „nationalen Revolution" sah er nach eigenem Bekunden seine Aufgabe darin, nicht mehr — wie noch in der Weimarer Republik — in einem kämpfenden und gestaltenden Denken zu verharren. Fortan sollte ein bescheidenerer Wirklichkeitsdienst getan werden: „Um klärendes und helfendes Denken darf es heute gehen." Hirsch glaubte sich in einer exzeptionellen geistigen Situation. „Kaum je sind deutsche Universitätslehrer in unserer Lage gewesen. Unsere Schüler haben, mit Recht, das Bewußtsein, daß allein die Kämpferschar, der sie zugehören, uns, die Lehrer, mit unserer Arbeit und unseren Schaffensmöglichkeiten vor der Bedrohung durch den Bolschewismus geschützt hat und schützt; mit dem ganzen deutschen Volkstum hat auch der deutsche Geist heute allein Existenz und Wirkungsmöglichkeit in dem vom Führer und seiner SA gehaltenen neuen Gemeinwillen." 58 Hirschs freiwillig-freudige Beugung des Geistes unter die Macht sucht unter den theologischen Stimmen zur „nationalen Revolution" — und möglicherweise nicht nur dort — ihresgleichen. Das Jahr 1933 erschien dem Göttinger Theologen als gesegnete Neu- und Wiedergeburt. Besonders stolz machte es ihn, die schon 1920 vorgetragene Idee des Arbeitsdienstes für beide Geschlechter nunmehr verwirklicht zu sehen. Nicht kritisches Räsonnieren, sondern geistige Durchdringung der „neuen deutschen Möglichkeit" bezeichnete Hirsch als seine aktuelle Aufgabe 5 9 . Sind es 1914 mehr als 4.000 Akademiker gewesen, die sich der „Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches" angeschlossen hatten, so brachte es das „Bekenntnis der Professoren an den deutschen Hochschulen . . . " auf kaum mehr als 700 Unterschriften. Die Unterzeichner kamen 5 7 EBD., S. 103 ff. — Z u m Verhältnis von Zeitgeschichte und theologischer Ethik bei Hirsch vgl. J. H . SCHJORRING, Gewissensethik, bes. S. 150ff. 5 8 E. HIRSCH, Lage, S. 4. 5 9 EBD., S.5.
Protestantische Universitätstheologie und „Nationale Revolution"
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zu größeren Teilen aus Technischen Hochschulen, Pädagogischen Akademien und Bergakademien, während sich die Universitäten zurückhielten. Eingetragen auf der Zustimmungsliste waren auch Vertreter der (katholischen) philosophisch-theologischen Hochschulen Eichstätt, Passau, Regensburg und Dillingen. Zu den protestantischen Hochschultheologen, die sich zur Unterzeichnung bereitgefunden hatten, zählten Hans Freiherr von Campenhausen (damals Privatdozent in Marburg), Johannes Hempel (Göttingen) und Georg Wobbermin (Göttingen) 6 0 . Daß die deutsche Wissenschaft 1933 und in den Folgejahren nach dem Urteil K . D . Erdmanns „vor der Aufgabe versagt hat, Recht und Unrecht beim N a m e n zu nennen", ist weithin unstrittig 6 1 . Politische Urteilsblindheit, Pragmatismus und Konformismus haben dabei eine wesentliche Rolle gespielt. Von daher relativiert sich die Zurückhaltung der deutschen Universität angesichts der Leipziger Inszenierung vom November 1933, die in das Licht der ebenso hochtrabenden wie niveaulosen Rede des NSLB-Führers von Sachsen, Arthur Göpfert, getaucht war. Sie wird in ihrer eingeschränkten Reichweite sichtbar. Jedoch sollte das Faktum als solches nicht gänzlich unter den Tisch fallen. V. Generalisierende Schlüsse sind beim derzeitigen Stand der Forschungen zur protestantischen Hochschultheologie im „Dritten Reich" kaum erlaubt. Immerhin sei abschließend eine These formuliert, die sich bei der Betrachtung des akademisch-theologischen Meinungsbildes in der „nationalen Revolution" von 1933 m.E. aufdrängt. Sie lautet: Auch wenn man das Meinungsbild immer weiter ausrollt, wird man ungeachtet der unterschiedlichen politischen und theologischen Ausgangspunkte wahrscheinlich feststellen können, daß die konservativ-autoritäre Transformation der
6 0 BEKENNTNIS DER PROFESSOREN, A n h a n g (Liste der Unterzeichner). Laut Beschluß des Senats der Universität Leipzig vom 2 . 1 2 . 1 9 3 3 war die Versendung des A u f r u f s neben den Unterschriftenlisten mit der Bitte u m „eine recht starke Beteiligung" zu verbinden. A m 2 9 . 1 1 . 1 9 3 3 hatte der Senat bereits beschlossen, sich an der D e c k u n g der Unkosten für die K u n d g e b u n g und dem D r u c k der D e n k s c h r i f t zu beteiligen ( U A LEIPZIG, Rep. III/IV, 1296, Bd. 29a). Im Jahresbericht des turnusmäßig scheidenden Rektors Prof. G o l f vom 3 1 . 1 0 . 1 9 3 4 las sich die der „Leipziger K u n d g e b u n g " gewidmete Passage so: „ A m 11. N o v e m b e r beteiligte sich die Universität an der großen Veranstaltung des NS-Lehrerbundes G a u Sachsen in der Alberthalle zu Leipzig, in welcher im Beisein mehrerer tausend vorwiegend akademischer Volksgenossen neun deutsche Professoren, darunter der Rektor der Leipziger Universität, ein klares Bekenntnis zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat ablegt e n . . . und den f l a m m e n d e n Appell an die Welt richteten, das nationalsozialistische Deutschland begreifen und verstehen zu wollen" (AKADEMISCHE REDEN. Bericht des scheidenden Rektors. D r u c k : Alexander Edelmann. Leipzig 1934, S. 13 f.). 61
K.D.
ERDMANN, D e u t s c h l a n d , S. 1 7 4 .
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Kurt Nowak
Republik zur Diktatur vornehmlich unter vorpolitischen Gesichtspunkten erörtert worden ist. Der empirisch-politische Ursachenzusammenhang des Scheiterns der Republik und der Machtübergabe an Hitler — beispielsweise das Zusammenwirken von wirtschaftlicher Stagnation und politischer Desintegration, das Widerspiel zwischen dem Ausbau des Sozialstaates auf der einen, den Gegenoffensiven der großen Wirtschaftsverbände auf der anderen Seite oder auch die strukturellen Widersprüche der Weimarer Verfassung — ist zwar im Prinzip bewußt gewesen. Aber dieses Bewußtsein schien nicht ausgeprägt genug gewesen zu sein, um die Herausforderung anzunehmen, die politische Entwicklung mit genuin politischen oder, allgemeiner gesprochen, mit den in der Sache der Politik gegebenen Kategorien anzugehen. Das religiös-ethische Betrachtungsmoment dominierte der empirischen Ratio der Politik gegenüber. Ein singulares Gegenbeispiel war, bei allen oben erwähnten Einschränkungen, Hermann Mulert. Selbst ein so eminent politischer Kopf wie Otto Piper, der in den 20er Jahren politische Sachprobleme mit auffallender Kompetenz behandelt hatte, ist 1933 bei der Deutung des deutschen Herrschaftsumbruchs in primär vorpolitische Kategorien zurückgefallen 6 2 . Unter dem Aspekt der Unausgewogenheit von religiös-ethischer und politischer Perspektive stellte die nationalsozialistische Machtübernahme nicht zuletzt auch eine methodische Herausforderung an die protestantische Theologie in Deutschland dar, insbesondere im Hinblick auf ihre politiktheoretische und historisch-zeitgeschichtliche Kompetenz.
62
V g l . F. W. G R A F ,
Neuidealismus.
LEONORE
SIEGELE-WENSCHKEWITZ
Geschichtsverständnis angesichts des Nationalsozialismus Der Tübinger Kirchenhistoriker Hanns Rückert in der Auseinandersetzung mit Karl Barth A m 2. November 1945 hielt Karl Barth auf Einladung des württembergischen Innenministers, des Sozialdemokraten Fritz Ulrich, im Staatstheater in Stuttgart seinen vieldiskutierten Vortrag „Ein Wort an die Deutschen" 1 . Diesen Vortrag hat er unmittelbar darauf in Tübingen noch einmal gehalten. Durch die Quellenedition „Die Schuld der Kirche" von Martin Greschat und Christiane Bastert ist bekannt, daß Barths Auftreten in Tübingen eine Kontroverse ausgelöst hat zwischen dem frisch an die Tübinger evangelischtheologische Fakultät berufenen Helmut Thielicke und dem Schüler und Freund Karl Barths, Ernst Wolf, der damals in Göttingen Kirchengeschichte lehrte 2 . Nicht bekannt hingegen ist, daß außerdem ein sehr prominentes Mitglied der Tübinger evangelisch-theologischen Fakultät Barths Auftreten in Tübingen zum Anlaß einer öffentlichen Auseinandersetzung mit ihm genommen hat: der Kirchenhistoriker Hanns Rückert, der nach dem Zusammenbruch der NS-Herrschaft 1945 zum Prorektor der Universität gewählt worden war und vom Sommersemester 1946 an Dekan seiner Fakultät werden sollte. Unter dem Thema „Zur Revision unsres Geschichtsbilds" hat Rückert sich mit Barths politischen Vorträgen des Jahrs 1945 auseinandergesetzt: nicht nur mit dem in Tübingen gehaltenen Vortrag, sondern auch mit den Beiträgen, die unter dem Titel „Zur Genesung des deutschen Wesens" seit Ende September 1945 im Stuttgarter Verlag Franz Mittelbach gedruckt vorlagen. Rückert hat seine Überlegungen nur einer eingeschränkten Öffentlichkeit anvertraut und bekanntgegeben. Er hat sie im Rahmen einer Fachschaftstagung der Tübinger Studierenden der evangelischen Theologie am 3. März 1946 als Vortrag in der Wankheimer Kirche, einem Dorf wenige Kilometer von Tübingen entfernt, gehalten 3 . Außerdem hat er DurchStuttgart 1946. M . GRESCHAT, Schuld der Kirche, S. 156-183. 3 Die exakte Datierung erlaubt das Abkündigungsbuch der Ev. Kirchengemeinde Wankheim. A m Sonntag Sexagesimae (24. Februar 1946) wurde auf die Tagung der Fachschaft hin1
2
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Leonore Siegele-Wenschkewitz
schlage seines Referats im Freundeskreis verschickt 4 . Im Druck jedoch ist es niemals erschienen. Ich erwähne diesen Umstand, weil er für die Art und Weise, wie Rückert das Gespräch mit Karl Barth geführt und sich so mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinandergesetzt hat, von Bedeutung ist. O b Barth Rückerts Äußerungen in vollem Umfang je zu Gesicht bekommen hat, ist zweifelhaft. Zunächst soll beschrieben werden, welche Thesen von Barth Rückerts Replik ausgelöst haben; dann wird die Replik selbst dargestellt. Dieser Text Hanns Rückerts erscheint mir geeignet, an ihm zweierlei aufzuzeigen: Daß nämlich sowohl sein akademischer Werdegang als Schüler Karl Holls und Mitglied des Hollschen Schülerkreises als auch seine von 1931 an eingenommene Stellung innerhalb der Tübinger Fakultät bestimmend dafür sind, wie er 1 9 4 5 / 46 gegenüber Barth optiert. In diesem zweiten Teil wird also die Entwicklung einer theologischen Schule sowie der Tübinger evangelisch-theologischen Fakultät angesichts der Herausforderungen durch den Nationalsozialismus beschrieben. In einem dritten und abschließenden Teil wird gezeigt werden, wie diese Kontroverse das Interpretament darstellt für das von Rückert seit 1946 vorgetragene historiographische Konzept einer personalen Geschichtsbetrachtung. gewiesen, die Gemeinde um gastliche Aufnahme der Theologiestudierenden zum Mittagessen gebeten und zu der Veranstaltung eingeladen. A m Sonntag Estomihi lautet der Eintrag: „Zu den Studenten wird heute sprechen um 3 / 4 11 U h r Herr Dr. Wehrhan von der Kirchenkanzlei der Ev. Kirche in Deutschland über das Thema: Recht und Ordnung der Kirche sollen ihrem Wesen entsprechen, Herr Prof. Rückert, Tübingen, um 2 U h r über das Thema: Zur Revision unsres Geschichtsbilds." Aus einem Bericht über die Pressetagung der Evangelischen Akademie Bad Boll, die vom 19.-24. November 1946 stattgefunden hat, geht hervor, daß Rückert denselben Vortrag bei dieser Gelegenheit noch einmal gehalten hat, nun unter dem Thema „Theologische Kritik am Preußentum". Vikarin Rehmann, die Berichterstatterin in den ZEICHEN DER ZEIT 1, 1947, S. 102 f. gibt mit Recht als Zielsetzung von Rückerts Referat an: „Er gab also gewissermaßen eine Kritik der theologischen Kritik am Preußentum, oder genauer gesagt, da die Barthsche Kritik, die er im Auge hatte, keine vordergründige theologische ist, die Auseinandersetzung mit der historischen Kritik des Theologen Barth, eine Auseinandersetzung, die auch bewußt auf historisch-politischem Boden geführt werden sollte". Auf den Bericht in „Zeichen der Zeit" hat mich freundlicherweise Hartmut Ludwig hingewiesen. 4 Dies geht hervor aus den Erinnerungen HELMUTH KITTELS, Paideuomai, Bd. 3, S. 412, die er als Privatdruck für seinen Freundeskreis niedergeschrieben hat. Kittel beschreibt seine ablehnenden Empfindungen gegenüber Barths Äußerungen zur Schuldfrage und berichtet: „Ein Brief von Hanns Rückert und — etwas später — die Umschrift eines Vortrags, den er damals gegen Barths Konstruktion der deutschen Geschichte von .Luther bis Hitler' hielt, fingen mich auf". Das mir vorliegende Exemplar, ein stark vergilbter 21-seitiger Durchschlag, entstammt dem Nachlaß von Heinrich Bornkamm. Seine Tochter, Frau Prof. Dr. Karin Bornkamm, hat mich auf diesen Vortrag aufmerksam gemacht und mir das Manuskript zur Verfügung gestellt. Ihr verdanke ich diese wichtige Quelle. Das Schreibmaschinenmanuskript trägt keine Überschrift. Mit Bleistift ist — von wessen Hand? — als Titel darübergesetzt: „Friedrich d. Gr.-Bismarck-Luther".
Geschichtsverständnis angesichts des Nationalsozialismus
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Im Januar und Februar 1945, noch in den letzten Kriegsmonaten, als das Ende der großdeutschen Schreckensherrschaft in Europa allerdings abzusehen war, hat der Basler Theologieprofessor Karl Barth in verschiedenen Städten der Schweiz Vorträge zum bisherigen und künftigen Weg der Deutschen gehalten 5 . Der eine Vortrag trug den Titel „Die Deutschen und wir", richtete sich also gezielt an Schweizer Zuhörerinnen und Zuhörer; der zweite hatte das Thema: „Wie können die Deutschen gesund werden?" Beide Vorträge verstand Barth ausdrücklich als „Freundesworte von draußen". Wohl hatte er in den Jahren 1921 bis 1935, als er an den Universitäten Göttingen, Münster und Bonn lehrte, die Deutschen „von innen" erlebt. Er hatte mit ihnen gearbeitet und Freundschaft geschlossen, ja sogar eine theologische Schule, die sogenannte Dialektische Theologie, hervorgebracht. Er hatte die Deutschen als Schweizer Reformierter und überzeugter Demokrat, schließlich sogar als Sozialdemokrat provoziert und entschiedene Ablehnung bis hin zur Gegnerschaft erfahren. Er hatte einen Teil der Deutschen im beginnenden Kirchenkampf, die Bekennende Kirche, als theologischer Lehrer und kritischer kirchenpolitischer Vorkämpfer inspiriert, zugleich aber angesichts der Richtungskämpfe innerhalb des deutschen Protestantismus zur Profilierung der Gegensätze und Konfliktpunkte beigetragen. 1945 fragt Barth als Freund der Deutschen, in der Absicht, Freunde für Deutschland zu gewinnen und Freundschaft mit den Deutschen zu halten — allerdings eine „Freundschaft trotz": Wie war diese nationalsozialistische Diktatur in Deutschland möglich, wer hat sie ermöglicht, was ist jetzt in dieser Situation, in der Deutschland „auf den Nullpunkt zurückgeworfen ist", . . . „wenn man vor der Erkenntnis stehen muß, in einem verderblichen und vergeblichen Unternehmen, um reiner Torheit und Bosheit willen und mit einem rein negativen Erfolg so viel geleistet, durchgemacht und geopfert zu haben", was ist jetzt nötig in Deutschland und für Deutschland 6 ? Barth fragt nach den Wurzeln der Anpassungsbereitschaft der Deutschen für die Diktatur und sieht sie in politischen und geistigen Entwicklungen und Prozessen, die mit den N a m e n Friedrich der Große und Bismarck, mit der Geschichte Preußens und des Zweiten Reichs verbunden werden können. Damit setzt Barth an bei solch symbolischen Selbstdeutungen wie dem Tag von Potsdam am 23. März 1933, als Adler und Hakenkreuz als Symbole deutscher nationaler Identität zusammengeführt und unter dem Beifall des Großteils der Deutschen die nationale Erhebung proklamiert wurden. Diese Symbole signalisierten den „Willen zur Macht", also die Erwartung, Deutschland werde wieder wie zu Friedrichs oder zu Kaisers Zeiten zu einer Weltmacht emporsteigen, signalisierten die Rückkehr zu 5 6
K . BARTH, Z u r G e n e s u n g des d e u t s c h e n Wesens. EBD., S. 25.
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einer autoritären, auf Unterordnung der Staatsbürger gründenden Staatsform, signalisierten die Bereitschaft, militärische Potenz als Mittel der territorialen Expansion einzusetzen. Das deutsche Volk hat von dieser „ M a c h t . . . , seit es sie gewann, einen mißlichen, endlich und zuletzt aber einen unmöglichen Gebrauch g e m a c h t . . . Konsequenter konnte das Werk Friedrichs des Großen und Bismarcks nicht vollendet, und gründlicher konnte es nicht zerstört werden als es durch Adolf Hitler geschehen ist" 7 . Die Krankheit, die Barth den Deutschen diagnostiziert und von der sie genesen müssen, ist der Umstand, daß ihnen zivile Gesundheit und Mündigkeit fehlen. Diese im Jahr 1945 zu praktizieren, hieße: die Verantwortung für das seit 1933 Geschehene zu übernehmen 8 . Denn nicht in Bismarck und Hitler, sondern in der Anfälligkeit der Deutschen für Bismarck und Hitler sieht Barth das Problem. Immer wieder wendet er sich insbesondere der Anpassungsbereitschaft der deutschen Intelligenz, der Universitäten zu, „daß die Zustände der Zeit vor 1933 beherrscht waren von einer Bewegung, deren Geist das Aufkommen des Nationalsozialismus nicht nur nicht behindert, sondern gefördert hat. Ich habe", sagt Barth in seinem in Stuttgart und Tübingen gehaltenen Vortrag, „jene Zeit an drei deutschen Universitäten miterlebt und weiß, von was ich rede. Der beherrschende Geist jener Zeit war der deutschnationale Geist, d.h. der Geist des als Fronde weiterlebenden bismarckisch-kaiserlichen Deutschland. Seine Vertreter waren es, die Hitler innerlich und dann auch äußerlich freie Bahn gegeben h a b e n . . . Die Katastrophe, die über Deutschland ergangen ist, hat nicht nur den Irrtum des Hitlerreichs, sie hat auch den Irrtum in den Wurzeln aufgedeckt, aus denen das Hitlerreich hervorgegangen ist" 9 .
Dieser nüchternen Einsicht sollen sich die Deutschen, auch wenn sie mühsam und schmerzlich ist, stellen: „Es gibt verbrauchte Verhältnisse, verbrauchte Gewohnheiten, verbrauchte Menschen in Deutschland — verbraucht nicht darum, weil sie alt sind, aber darum, weil sie sich als Keimzellen und Förderer des nun hereingebrochenen Unheils erwiesen h a b e n . . . Deutsche Nüchternheit müßte jetzt darin bestehen", appelliert Barth an seine deutsche Zuhörerschaft, „daß alle, aber auch alle Uberlieferung auf die Waage gelegt wird mit der Frage, ob sie angesichts des auf Herzen und Nieren gehenden Gerichtes, das nun über Deutschland ergangen ist, darum bestehen kann, ob sie sich in der Krisis bewährt hat." Und er fragt:
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EBD., S. 24.
8 EBD., S. 85.
9
K.
BARTH, Wort,
S.22f.
Geschichtsverständnis angesichts des N a t i o n a l s o z i a l i s m u s
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„Wäre es nicht einfach gerecht zu sagen: Was in dieser Zeit dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus nicht gedient hat, was in dieser Zeit kein Element der Hoffnung, keine Bürgschaft einer besseren Zukunft gewesen ist, das ist faul, das darf nicht wiederkommen, das ist wert, daß es spätestens jetzt, wo es um Neuaufbau gehen soll, verschwindet und zugrunde geht?" 1 0 Barth stellt die Deutschen vor die Aufgabe, Verantwortung für die eigenen Verfehlungen und Irrwege zu übernehmen. Sie sollen ihre Geschichte prüfen und unterscheiden zwischen dem, was verbraucht ist, weil es dem Nationalsozialismus gedient hat, und dem, was für einen befreienden Neuanfang tauglich ist. D i e Eindringlichkeit von Barths Botschaft liegt darin, daß jede und jeder einzelne sich nach ihrem und seinem Anteil am Nationalsozialismus fragen soll. Aus der Ü b e r n a h m e von Verantwortung zunächst gegenüber dem Geschehenen, der jüngsten Vergangenheit, erwüchse die Einsicht in begangene Schuld. D i e Erkenntnis der eigenen wie der nationalen Schuld wäre die Voraussetzung dafür, Verantwortung für die Vergangenheit wie für die Zukunft zu übernehmen, für einen Weg ins Freie, für einen Neuanfang, für eine Reformation anstelle der Restauration. Barths Freundesdienst besteht darin, daß er mit den Deutschen darüber nachdenken und ihnen dabei helfen will, wie sie aus ihrer Geschichte lernen und wie sie sich verändern können und müssen. D e n n anders als der Vansittartismus 1 1 , der den Nationalsozialismus als Aufgipfelung, zugleich aber als wahren Ausdruck des deutschen Nationalcharakters ansah, geht Barth — und dies tut er als Christenmensch — von der Lernfähigkeit und Veränderbarkeit der Deutschen aus. D a ß sie sich verändern müssen — dies fordert er allerdings mit N a c h d r u c k . D e n verbrauchten Verhältnissen und verbrauchten Gewohnheiten wie: sich führen lassen, sich fallen lassen, gehorchen, stellt Barth positive Leitwerte wie Verantwortlichkeit und Freiheit gegenüber. E r schärft den Deutschen ein: „ E s gibt eine höhere, eine weitere Pflicht als die des Gehorsams, und das ist die Pflicht der Freiheit. Freiheit heißt eben Verantwortlichkeit, nicht abzuschiebende, sondern selber zu tragende Verantwortlichkeit." Diese beschreibt er nun ganz konkret und gibt dabei gewissermaßen Elementarunterricht in Demokratie: „Freiheit ist da, wo jeder Einzelne sich selbst zu seinem Teil für die Führung des Ganzen haftbar macht. Freiheit ist da, wo dem Ganzen, seiner Führung, seiner Erhaltung, seiner Gestaltung die Verantwortlichkeit jedes Einzelnen zugute kommt. Freiheit ist da, wo der Einzelne nicht mehr ausreißen kann, indem er zwar gehorcht, im übrigen aber den Führer, die Behörden, die Stimme aus der EBD., S. 25. L o r d R o b e r t V a n s i t t a r t , ein b r i t i s c h e r D i p l o m a t , war v o n 1929 bis 1937 U n t e r s t a a t s sekretär im Foreign Office. 10
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Wolke über das Ganze entscheiden läßt, wo er vielmehr über dem Ganzen wacht, selber mitentscheidet über das, was aus dem Ganzen werden soll." 1 2
Hatte Barth nach den Ursachen für die spezifische geschichtliche Situation des Jahres 1945 gefragt, war ihm daran gelegen, zu erörtern, wie die Deutschen jetzt mit dieser Geschichte umgehen, so verlagert Rückert in seinem Vortrag „Zur Revision unsres Geschichtsbilds" die Fragestellung in den allgemeinen Zusammenhang des Umgangs mit Geschichte überhaupt 1 3 . Seine Replik auf Karl Barth ist davon bestimmt, daß er sich als Historiker zu Wort meldet; als jemand, dessen Metier es ist, historische Prozesse über verschiedene Epochen hinweg zu erfassen. Ehe er auf Barths Thesen im einzelnen zu sprechen kommt, macht er einige grundsätzliche Bemerkungen zum Wesen und Verständnis von Geschichte. Ihm ist daran gelegen, von einem „vulgären" zu einem „philosophisch vertieften" Geschichtsverständnis vorzudringen, das Geschichte nicht mit dem Subjekt-Objekt-Schema begreift. Geschichte, führt er aus, stehe uns nicht als etwas Abgeschlossenes gegenüber, das Gegenstand unserer Betrachtung wäre. Es bestehe vielmehr „ein sehr lebendiger Seins- und Wirkzusammenhang zwischen der Geschichte und uns. Wie die Gegenwart von der Vergangenheit geformt ist, so formt umgekehrt auch jede Gegenwart die Vergangenheit neu." Revisionen dessen, wie man Geschichte verstanden hat, seien also im Wesen von Geschichte selbst angelegt. Aber mit Entschlossenheit will Rückert dagegen angehen, daß SchwarzWeiß-Malerei im Umgang mit Geschichte getrieben wird, daß historische Personen durch eine oberflächliche und falsche Geschichtsbetrachtung zu Götzen anstelle von Menschen geraten, daß wir sie uns zu „geschichtlichen Prügelknaben" machen, „an denen wir den Zorn auslassen, den wir besser gegen uns selbst richteten" (llr). Unter dieser Vorgabe greift er Barths Fragestellung auf nach den Vorbereitungen und Ermöglichungsgründen dafür, „daß Hitler aufkam und daß Deutschland ihm anheimfiel" (2r). Er will Barth darin Recht geben, „daß die Frage nach den Wegbereitern der Entwicklung von 1923 bis 1945 die höchste Aufmerksamkeit verdient. Denn die Überwindung dieser Entwicklung schließt in der Tat die Abwendung von den älteren Geschichtsmächten in sich ein, die sie haben heraufführen helfen" (2r). Ist nun aber die von Barth benutzte Traditionslinie Friedrich der Große — Bismarck — Hitler geeignet, die historische Entwicklung des Aufkommens des Nationalsozialismus aufzuschließen? Wohl will Rückert gelten lassen, daß es ein deutschnationales Fridericus- und Bismarckbild gegeben habe, das von der Geistigkeit der Wilhelminischen Ära gestaltet war und das viel
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K.
BARTH, Wort, S.28f. D a s T y p o s k r i p t ist foliiert; d a n a c h die A n g a b e n im laufenden Text.
G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s a n g e s i c h t s des N a t i o n a l s o z i a l i s m u s
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zur Anfälligkeit der nationalen Kreise beigetragen hat. Aber, hält er Barth nun entgegen, seine Kritik treffe nur dieses Bild, nicht die Wirklichkeit der für politische Zwecke unzulässig vereinnahmten Personen. Wenn dieses Bild aber kein richtiges, sondern nur ein Zerrbild war, dann ergibt jeder daraus gezogene Schluß wieder ein Zerrbild. Von daher bestreitet Rückert die Sinnhaftigkeit und Stringenz dieser Traditionslinie. Als Belege dafür, daß sie weder plausibel sei, noch daß sie etwas zur Erhellung der Ursachen für den Nationalsozialismus beitrage, gibt er zwei Begründungen: der Nationalsozialismus ist nicht in Preußen, sondern in Bayern hochgekommen; der Widerstand des 20. Juli, getragen vom Adel und von der Armee, ist auf diese Traditionslinie zurückzubeziehen. Nachdem er so das Ergebnis gewonnen hat, daß von der deutschnationalen Traditionslinie Friedrich der Große — Bismarck sowohl Unterstützung als auch Widerstand gegen den Nationalsozialismus erwachsen sind, verwendet Rückert nun den Hauptteil seines Vortrags darauf, das richtige Bild von den beiden historischen Personen, Friedrich dem Großen und Bismarck, gegenüber Mißbrauch durch die Nationalsozialisten einerseits und Verzeichnung durch ein zeitgenössisches inkorrektes historisches Verständnis anderseits hervorzukehren. Ihm geht es darum zu zeigen, daß die Inanspruchnahme dieser historischen Personen durch den Nationalsozialismus diese damit nicht verdammt, ihre Funktion als politische Leitfiguren nicht beendet. Hier diskutiert er Barths These, was 1945 als „verbraucht" zu gelten habe, worauf 1945 ein positiver Rückbezug nicht mehr möglich ist. Mit aller Entschiedenheit besteht Rückert darauf, daß dies für diese Männer und ihr politisches Konzept nicht gelten dürfe. Denn der Nationalsozialismus war, wie z.B. Gerhard Ritter bereits in seiner 1936 erschienenen Biographie Friedrichs des Großen gezeigt hat, nicht deren konsequente Weiterbildung, sondern der Verrat an ihnen 1 4 . Was nun bietet Rückert seinerseits an als Antwort auf die von ihm als berechtigt anerkannte Frage, wie der Nationalsozialismus möglich war und warum Deutschland Hitler anheimfiel? Er nennt drei Faktoren: — die schrankenlose Proklamierung der Macht um der Macht willen, die auf Nietzsches „Willen zur M a c h t " zurückgeht und dann im Nationalsozialismus zur Staatsphilosophie vergröbert wurde (diesen Punkt allerdings führt Rückert nicht weiter aus); — den Gedanken vom Nationalstaat, der sich zum Nationalismus gesteigert und letztlich im Imperialismus des „Dritten Reiches" selbst ad absurdum geführt hat; und schließlich — den lutherischen Staatsgedanken, der dazu geführt hat, das „weltliche Reich seiner Eigengesetzlichkeit preiszugeben". 14
G . RITTER, F r i e d r i c h d e r G r o ß e .
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Interessanterweise verbindet Rückert die Diskussion dieser drei Faktoren damit, daß er auf die jeweilige und unterschiedliche Kontextualität Barths und von sich selbst zu sprechen kommt: „Wir alle können ja in unserem U m g a n g mit Geschichte nicht absehen von gewissen vorgegebenen Daten unserer eigenen E x i s t e n z . . . Man wird unserem Geschichtsbild immer etwas davon anmerken, wo wir herkommen. So ist es sicherlich mir heute anzumerken, daß ich Preuße und in der geschichtlichen Tradition meiner märkischen Heimat aufgewachsen bin."
In Barths Äußerungen zur preußisch-deutschen Geschichte hingegen „reagiert der Süddeutsche gegen Norddeutschland, reagiert der Bürger eines übernationalen und neutralisierten Kleinstaats gegen den Macht- und Großmachtgedanken ü b e r h a u p t . . . , reagiert der Sozialdemokrat gegen den absolutistischen König und gegen den Junker, aber zugleich mit und hinter allem reagiert auch der Calvinist gegen das Luthertum" (9r).
So darf man nach diesen Andeutungen R ü c k e n s eigene Kontextualität miteinfließen sehen in die Diskussion der zwei Hauptfaktoren für die Anfälligkeit der Deutschen gegenüber dem Nationalsozialismus. Zugleich gibt Rückert damit zwei Beispiele, wo und wie er angesichts der Wende des Jahres 1945 sein eigenes Geschichtsverständnis zu revidieren sucht. Barth war ja angesichts des bevorstehenden Zusammenbruchs des „Dritten Reiches" davon ausgegangen, daß Deutschland in den Augen der europäischen Nachbarstaaten, ja möglicherweise der ganzen Welt, durch die nationalsozialistische Diktatur seinen Platz in der Völkergemeinschaft verspielt habe. Indem er „von außen" auf Deutschland blickt, arbeitet er das Spezifische der deutschen Situation heraus. Rückert nun kehrt sich von dieser Perspektive, die nach den Besonderheiten der deutschen Geschichte und Gegenwart fragt, ab. Er verfolgt die Frage nach den Gründen für die tiefe Zerrüttung des europäischen Gedankens und sieht einen Hauptgrund dafür im Aufkommen des Gedankens vom Nationalstaat. Ihn sieht er als die gefährliche Triebfeder für Nationalismus und Imperialismus, für Völkerhaß und Rache, für Volkskrieg und totalen Krieg. So versucht Rückert offensichtlich, gegenüber deutschnationalen Leitvorstellungen von Volk und Volkstum Distanz zu gewinnen. Gleichzeitig sind seine Bindungen an demokratiefeindliche, antiaufklärerische Denkmuster unverkennbar. So muß die Französische Revolution als Wurzel für den Nationalismus herhalten, so wird die Kategorie Dämonie in ihrer ganzen Unbestimmtheit als Triebkraft zur Entstehung des Nationalstaatsgedankens hin zum Nationalismus herangezogen. Es fällt auf, daß Rückert die Frage des Nationalismus selbst in der Situation des Jahres 1945 nicht zuerst als ein spezifisch deutsches Problem, sondern als eine europäische Frage behandelt. Dabei greift er wieder auf ein deutschnationales Deutungs-
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muster zurück, in dem Versailles als Begründung für den Nationalsozialismus dient. Schließlich hält Rückert selbst jetzt noch fest an einer besonderen geschichtlichen Sendung Deutschlands: nun allerdings nicht mehr als eines Volks, an dessen Wesen die Welt genesen soll, aber das doch „durch das, was geschehen ist, vom Schicksal bezeichnet ist als das Volk, das zur Uberwindung und Beisetzung dieses nationalen Gedankens berufen ist" (8r). Der zweite, nicht minder heikle Punkt berührt die Frage nach der Haltung des Luthertums gegenüber dem Nationalsozialismus. Ebensowenig wie Friedrich der Große und Bismarck möchte Rückert — wie Barth ihm dies zu tun scheint — Luther zu den historischen Voraussetzungen des Nationalsozialismus rechnen. Aber „ z u bejahen ist die andere Frage, o b nicht die lutherische Lehre v o n den zwei Reichen u n d von der unbedingten G e h o r s a m s v e r p f l i c h t u n g des U n t e r t a n e n im preußisch-deutschen Volk m i t g e w i r k t hat zu jener politischen Lethargie, in der m a n f ü r die u n m ö g l i c h s t e n Regenten u n d f ü r jene S t a a t s f r ö m m i g k e i t . . . anfällig geworden ist u n d gar nicht m e h r fähig war, sich politisch mitverantwortlich zu f ü h l e n . . . D a m i t war das weltliche Reich seiner Eigengesetzlichkeit preisgegeben, und die letzte A u s w i r k u n g war die f a m o s e A r b e i t s t e i l u n g zwischen Kirche einerseits, Staat u n d Partei anderseits, die d e m N a t i o n a l s o z i a l i s m u s beliebt hat: die Kirche soll sich u m das Jenseits k ü m m e r n ; das Diesseits ist unser A r b e i t s f e l d " (lOr).
Ohne Wenn und Aber gibt Rückert zu, daß der lutherische Staatsgedanke diese unheilvolle Rolle gespielt hat. Daraus ergeben sich für ihn die folgenden Konsequenzen: Kritik und Selbstkritik des Luthertums anzuregen, das entgegen Luthers eigener Auffassung eine solche Staatslehre entwickelt hat. In diesem Zusammenhang verweist er mit Zustimmung auf „Arbeiten aus der Schule Karl Barths", die zeigen, „daß die Lehre von den zwei Reichen bei Luther nicht so gemeint ist, als dispensiere sie den Christen von der politischen Verantwortung." Ferner plädiert er dafür, die zeitbedingten und zeitbezogenen Anschauungen Luthers für die Bedürfnisse unserer Zeit weiterzuentwickeln. Wir sind nicht mehr Untertanen, sondern Bürger und damit zu politischer Mitgestaltung ermächtigt und verpflichtet. U n d Rückert faßt seine Ausführungen zu diesem Punkt zusammen in der Forderung: „ E s ist eine der dringlichsten A u f g a b e n des deutschen Protestantismus, auf eine Weiterbildung der lutherischen Staatslehre zu denken, die d e m Staatsbürger den E i n s p r u c h u n d W i d e r s t a n d gegen widerrechtliche M a ß n a h m e n der R e g i e r u n g auch im Politischen nicht nur erlaubt, s o n d e r n als seine u n a b d i n g b a r e christliche Pflicht ins G e w i s s e n schiebt u n d die kritischen u n d a u f b a u e n d e n Kräfte des reform a t o r i s c h e n C h r i s t e n t u m s i m politisch-sozialen R a u m zur vollen E n t f a l t u n g bringt" (llr).
Was nun greift Rückert auf von dem, was Barth vorbringt und intendiert, was läßt er außer acht, bzw. wovor weicht er aus? Grundsätzlich ist
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er bereit, angesichts des Zusammenbruchs des Deutschen Reiches im Jahr 1945 auf die Revisionsbedürftigkeit politischer und theologischer Leitvorstellungen sich einzulassen, und verdeutlicht dies an den genannten Problemen. Aber er sieht 1945 in einer Kette mit 1918 und 1933, Jahreszahlen, die für ihn in gleicher Weise Zäsuren in der deutschen Geschichte markieren, an denen Geschichtsrevisionen vorgenommen werden mußten. Wenn die Gleichsetzung von 1918 und 1945 noch dadurch plausibel erscheinen könnte, daß Deutschland jedes Mal vor der Situation eines verlorenen Weltkriegs stand, so ist die Gleichsetzung von 1933 und 1945 doch wohl ein Problem. Uber der Formalisierung, daß dreimal in der jüngsten Geschichte die Ideale sich geändert haben, weicht er der konkreten Situation sow9hl von 1933 wie von 1945 aus, läßt er die inhaltliche Diskussion, worin die Änderung bestand, wer sie vollzogen und wohin sie geführt hat, aus. Derselbe Vorgang ist zu beobachten, wenn er als Wurzel der deutschen Diktatur das Aufkommen des Nationalstaatsgedankens in Europa ausmacht. So richtig es ist, die deutsche Geschichte im Zusammenhang mit den anderen europäischen Staaten zu betrachten, liegt in der hier vorgenommenen Verallgemeinerung erneut ein Ausweichen vor der konkreten historischen Situation, die die Deutschlands kraß von der Situation der anderen europäischen Staaten unterscheidet. Besonders augenfällig ist dieses Ausweichen im Hinblick auf seine Kritik an der Traditionslinie Friedrich der Große — Bismarck — Luther. Barth hatte sie ja nicht erfunden, sondern aus vorhandenen Deutungsmustern aufgenommen, um mit ihr zu erklären, warum die Deutschen Hitler akzeptieren, ihm zustimmen, mit ihm gehen konnten. Hitler schien für viele Deutsche auf der Linie der politischen Ideale und Wertvorstellungen zu liegen, die sich mit den N a m e n dieser großen Deutschen verbanden, schien deren Ideen neu zu beleben und fortzusetzen. U n d Barth insistiert darauf, daß Hitler Akzeptanz aus diesen Gründen gerade bei seinen Universitätskollegen gefunden hat. Selbst wenn diese Traditionslinie im nachträglichen Urteil des Historikers nur ein Zerrbild war, bleibt doch die Frage, warum die Deutschen, Historiker wie Kirchenhistoriker eingeschlosen, einem solchen Zerrbild erliegen konnten? Es ist keine Antwort auf diese Frage, die Traditionslinie mittels historischer Aufklärung als Zerrbild zu entlarven. Denn es geht u m die Wirkungsgeschichte von historischen Personen, Ideen und Vorgängen, die, unabhängig von der Erfassung durch ein angemessenes Geschichtsverständnis, ihre eigene historische und politische Realität schafft. Die Gewohnheiten und Verhältnisse, die Rückert als verbraucht akzeptieren kann, sind Staatsfrömmigkeit bis hin zu unbedingter Gehorsamspflicht, sind Lethargie und Resignation, die die Menschen in ihrer Bereitschaft, Verantwortung für die politische Entwicklung zu übernehmen, gelähmt hätten. Er denkt also eher an Unterlasssungen. Aber wie erklärt
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Rückert die freudige und erwartungsvolle Zustimmung, das Hochgefühl gegenüber dem Nationalsozialismus, das ihn selbst 1933 erfüllt hat? Wo geht er auf Barths Anfrage nach dem spezifischen eigenen Anteil, den Keimzellen und Förderern des Nationalsozialismus im Hinblick auf seinen eigenen Lebensweg ein? D a Rückert sich 1945 geistig und politisch (mit welchem Recht auch immer) bei denen ansiedelt, die den Nationalsozialismus als Verrat der Traditionen Friedrichs und Bismarcks betrachten, bleiben die Anfangsjahre des „Dritten Reiches" ganz offenkundig im Schatten seines Bewußtseins. Hier versinkt die historische Erinnerung. Ich möchte nun im Rückblick auf Rückerts berufliches Wirken zeigen, wie zutreffend Barths Anfragen sind, warum Rückert ihnen allerdings ausweicht. Aus dem Jahre 1933 liegen drei programmatische Reden Hanns Rückerts gedruckt vor. Zu Beginn des Sommersemesters am 3. Mai 1933 hat er sein theologisches Kolleg eröffnet unter dem T h e m a „Der völkische Beruf des T h e o l o g e n " 1 5 . Diesen Vortrag hat er, wie er in einem kurzen Vorwort angibt, auf vielfältigen Wunsch seiner Hörer veröffentlicht, auch wenn er sich dessen bewußt ist, „in ihm nicht mehr und vielleicht sehr viel weniger zu sagen, als was heute bei den meisten meiner Kollegen lebendig ist" (3). Ebenso im Rahmen eines öffentlichen Universitätsvortrags (allerdings für Hörer aller Fakultäten) im Zusammenhang mit einer interdisziplinären Ringvorlesung über „Deutsche Gegenwart und ihre geschichtlichen Wurzeln" sprach Rückert 14 Tage später, am 17. Mai 1933, über „Das Wiedererwachen reformatorischer Frömmigkeit in der Gegenwart" 1 6 ; und schließlich erschien im November 1933, als Null-Nummer der von 1934 an herausgegebenen Monatsschrift für die Deutsche Evangelische Kirche, „Deutsche Theologie", ein Luthersonderheft. Darin ist die Rede abgedruckt worden, die Rückert bei der akademischen Lutherfeier der evangelisch-theologischen Fakultät Tübingen am 18. November 1933 gehalten hat mit dem Thema „Luther, der D e u t s c h e " 1 7 . Diese drei programmatischen Äußerungen verdienen unsere Aufmerksamkeit, weil Rückert hier eine Position bezogen hat, zu der er sich 1945 nicht nur nicht mehr hat verstehen, sondern an die er sich 1945 nicht einmal mehr hat erinnern können. E r hat sie für seine eigene Erinnerung getilgt, er hat sie für die Uberlieferung seines wissenschaftlichen Oeuvres getilgt; er hat versucht, sie der Erinnerung seines Schülerkreises zu ent-
T ü b i n g e n 1933. Stuttgart 1 9 3 3 . 1 7 Das L u t h e r - S o n d e r h e f t der „ D e u t s c h e n T h e o l o g i e " enthält ein „Geleitwort des H e r r n R e i c h s b i s c h o f s Ludwig M ü l l e r " , einen Beitrag von F r i e d r i c h G o g a r t e n „Luther, der T h e o l o g e " und a u ß e r R ü c k e r t s Aufsatz n o c h einen A r t i k e l von E m a n u e l H i r s c h „Luthers Berufung." 15
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ziehen; ja er hat ein historiographisches Konzept entwickelt, das die geschichtliche Aufarbeitung dessen, was hier geschehen ist, unmöglich machen sollte. Die Worte, mit denen Rückert das erste Semester nach der NS-Machtergreifung vor seinen Studenten eröffnet, beschreiben und benennen einen Ausnahmezustand. Deutschland habe am Rande eines Abgrundes gewandelt und dennoch nun seine „allerletzte große Möglichkeit erhalten". Das bedeute soviel wie „Mobilmachungsbefehl und Verhängung des Kriegszustands". In diesem Ausnahmezustand fordert Rückert nun von sich und seinen Theologiestudenten: „Wir müssen uns selbst mitsamt dem Kostbarsten, was wir kennen, mitten hineinwerfen in die Gefahr. Denn unseres Volkes Schicksal ist unser Schicksal..." Auch die Universität dürfe sich nicht teilnahmslos auf den Wissenschaftsbetrieb zurückziehen, sondern müsse dem Leben des Volkes dienen. Womit dienen Theologen ihrem Volk? Indem sie sich dem Nationalsozialismus „opferbereit und rückhaltlos" öffnen. Von daher kann es gelingen, das völkische Leben christlich zu vertiefen. Soll die Kirche nun nicht besser abwarten und ihre Eigengesetzlichkeit bewahren, sollte sie nicht die Existenz einer Märtyrerkirche einer mächtigen und einflußreichen Kirche vorziehen? Gegenüber solchen Fragen und Standpunkten findet Rückert seine stärksten Worte: „Ich glaube, mit aller Deutlichkeit zu sehen, daß Gott anders aus den Ereignissen unserer Tage zu uns spricht und daß er einen ganz anderen Gehorsam von uns fordert. Es handelt sich in der Erhebung unseres Volkes nicht um ein säkulares Geschehen, von dem die Verkündigung der Kirche unbeeinflußt bleiben dürfte oder an der sie sich gar gegensätzlich orientieren müßte. In der Geschichte dieser Wochen und Monate offenbart sich Gott. Ich kenne meinen Luther gut genug, um zu wissen, daß jede Offenbarung in der Geschichte mehrdeutig ist, daß sie Zornesund Gnadenoffenbarung sein kann, und ich kann es niemandem beweisen, daß Gottes Siegerkraft mit den Bataillonen dieser nationalen Erhebung sein wird. Das muß man glauben, und der Glaube ist eine gewisse Zuversicht des, das man nicht siehet. Wohl aber kann ich jedem, der an Jesus Christus glaubt, zeigen, daß das Kreuz von Golgatha das große Ja Gottes zu seiner Schöpfung ist und damit auch zu d e n . . . von ihm mit bestimmten geschichtlichen Aufträgen begnadeten Völkern. Er hat mich in dieses Volk hineingestellt und mir meine ganze physische und geistige Existenz aus den Kräften dieses Volkes geschenkt, damit ich als Christ, als Jünger Jesu Christi, bis zum letzten Atemzug an sein endliches Ja zu diesem Volk glauben soll. Er hat seine Kirche in dieses Volk hineingestiftet..., damit sie mit ihm stehe und f a l l e . . . Von uns wird einmal die Seele unseres Volkes gefordert werden, und wehe uns, wenn wir dann antworten müßten: Wir dachten, es käme darauf nicht so sehr an." 18
18
H.
RÜCKERT,
Beruf, S.llf.
G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s angesichts des N a t i o n a l s o z i a l i s m u s
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Zu Beginn seines Vortrags hatte Rückert selbst von Mobilmachung gesprochen, und diese Funktion erfüllt er nun als Hochschullehrer gegenüber seinen Studenten. Mit theologischen Gründen, daß Gott sich hier und jetzt in dieser Geschichte der nationalen Erhebung offenbare, ruft er dazu auf, sich dem Nationalsozialismus zu öffnen. Als Kirchenhistoriker dazu berufen, Geschichte zu deuten, macht er Gott in diesem geschichtlichen Zeitpunkt eindeutig auf Seiten des Nationalsozialismus aus. U n d nicht einmal die Berufung auf Jesus Christus läßt ihn die Grenzen des Volkstums überwinden zu einem Begriff von Schöpfung, der die gesamte Ökumene unter Gottes Annahme und J a stellt. Zu dieser Haltung führen Rückert nicht etwa — wie er 1945 sein Verhalten gegenüber dem Nationalsozialismus beschreibt — politische Abstinenz oder staatsbürgerliche Lethargie gegenüber einem diktatorischen Machtstaat. Vielmehr ist es eine kämpferische überschwängliche Volkstumsideologie und Volkstumstheologie, die der Größe Volk theologische Qualitäten verleiht. Aus der Verbindung einer vom Neuluthertum entwickelten und angewandten Geschichtstheologie und Schöpfungsordnungstheologie, die Gott sich in der Geschichte des deutschen Volkes offenbaren sieht, resultiert die hier vorgetragene vorbehaltlos Ö f f n u n g für den Nationalsozialismus. U n d diese Öffnung betrachtet Rückert als Glauben. Der zweite Vortrag nun über „Das Wiedererwachen reformatorischer Frömmigkeit in der Gegenwart" vom 17. Mai 1933 rückt näher an die von Barth aufgeworfene Fragestellung heran. Denn in diesem Vortrag geht es Rückert darum aufzuweisen, daß die Gegenwart aus den Kräften der Geschichte lebt und daß er darauf hofft, daß der Nationalsozialismus das Erbe der Reformation — vor allem wie es durch Karl Holl neu aufgeschlossen worden ist — zu einer lebendigen Macht im deutschen Volk werden lassen wird. Hier werden Reformation und NS-Revolution zu einer historischen Linie verbunden, und aus dieser Verbindung soll eine gemeinsame Verantwortung von evangelischer, reformatorischer Kirche und neuem Staat gegenüber dem Volk erwachsen. „Wahrlich, dem Wiedererwachen reformatorischer Frömmigkeit", proklamiert Rückert, „ist eine große Tür geöffnet. N u n wird es auf zweierlei ankommen: einmal darauf, ob die von Luther ausgegangene kirchliche Strömung stark genug ist, um in die gerissenen D ä m m e einzubrechen und das Land zu überfluten, ob sie die ganze Kirche mit hineinreißen kann in den Strudel dieser Bewegung, in der alles Alte und Morsche zerschellt. . . Das evangelische deutsche Volk aber ist gefragt, ob es diese Kirche um des Luther willen, der in ihr angefangen hat, lebendig zu werden, für seine Kirche annehmen will. . . Auf dem Nationalsozialismus und auf der Kirche von heute liegt die Verantwortung dafür, ob nach Jahrhunderten der Entfremdung die beiden wieder zusammenfinden, die zusammengehören: das deutsche Volk und der Luther, der gesagt hat: ,Germanis meis natus sum; eis serviam'" 1 9 . 19
H . RÜCKERT, W i e d e r e r w a c h e n , S. 17 f.
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In diesem Beitrag sieht Rückert die Reformation als mögliche Keimzelle für die Neuwerdung Deutschlands durch den Nationalsozialismus, fungiert er selbst als dessen Förderer, weil er sich vom Nationalsozialismus ja etwas versprach, das Theologie und Kirche zugute kommen sollte. Hier wird der Nationalsozialismus nicht als Abbruch, sondern als Fortführung und Neubelebung der eigenen Tradition angesehen. Den dritten Vortrag hat Rückert bei der Lutherfeier der evangelischtheologischen Fakultät am 18. November 1933 gehalten. Bei diesem Anlaß, bei dem — wie er pathetisch formuliert — die evangelischtheologische Fakultät vor das Ganze der Universität hintritt, spricht er pogrammatisch darüber, was die NS-Revolution für die Arbeit der Universität überhaupt und insbesondere für die Arbeit der akademischen Theologie bedeutet. Der Nationalsozialismus stelle der Universität die Aufgabe eines „großen, einheitlichen Bildungsideals". Dementsprechend habe die Wissenschaft, die theologische eingeschlossen, das Bild des deutschen Menschen „in der kristallenen Klarheit des Gedankens..., in der scharf umrissenen Form des Begriffs" herauszuarbeiten. Dies geschähe „im Rückblick auf die Geschichte" und im Hinblick auf die „vorwärtsweisende, zukunftschaffende Tat". Das Bild vom deutschen Menschen symbolisierte sich nicht nur „im Frontsoldaten, in Langemarck, im unbekannten SA-Mann"; es sei auch und beispielhaft zu finden in Luther. „Hier ist ein deutscher Mensch wie wenige es waren. Dieses Deutschtum Luthers soll unsere F e i e r . . . darstellen, um so einen bescheidenen Beitrag zu leisten zu den brennenden Fragen nach dem Sinn und Ziel der neuen Universität." 2 0
An Luther nun will Rückert zeigen, wie Christentum und Deutschtum, und zwar ein Deutschtum, wie es in der nationalsozialistischen Wende Gestalt angenommen hat, zusammentreffen, ja einswerden. Er benennt drei Charakteristika Luthers, die jeder Deutsche von ihm weiß. Er sei „der Mann der Klosterkämpfe", „der Mann von Worms" und „der Familienvater". An diesen Charakteristika Luthers, des Deutschen, arbeitet er die Komplementarität des reformatorischen Christentums mit dem Nationalsozialismus heraus. Unter dem Stichwort „Mann der Klosterkämpfe" löst Rückert sich weitgehend von dem, womit Luther sich im Kloster inhaltlich auseinandergesetzt hat. Statt dessen beschreibt er eine Lebensform, die er mit Berufung auf Kierkegaard als existentielles Denken bezeichnet. Dies existentielle Denken sei zutiefst Ausdruck eines deutschen Lebensgesetzes. Es beinhalte die vorbehaltlose Bindung, das rückhaltlose Vertrauen auf etwas, das als Wahrheit begriffen wird, jedoch nicht auf intellektuellem 20
H . RÜCKERT, Luther, S. 12.
Geschichtsverständnis angesichts des N a t i o n a l s o z i a l i s m u s
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Wege, sondern als intuitive Lebensentscheidung gleichsam in das „Ungewußte" hinein. Daß er mit dieser Charakterisierung seine eigene Lebenssituation im Jahr 1933 verarbeitet und legitimiert, wo ihm an einer Öffnung, ja einer vorbehaltlosen Entscheidung für den als „wahr" erkannten Nationalsozialismus gelegen ist, liegt auf der Hand. Wozu nun dient ihm „der Mann von Worms"? Durch zwei Momente der Haltung, die Luther in Worms eingenommen hat, fühle sich der deutsche Mensch in seinem tiefsten Wesen angesprochen: durch das Ineinander von Freiheit und Gebundenheit und durch das Kämpferische. Aus den beiden Motiven von Freiheit und Gebundenheit, Freiwilligkeit und Gehorsam habe Luther seine Ethik neu entworfen. Das Verblüffende jedoch dabei sei, daß er „bis in den Ausdruck hinein das Gottesverhältnis des Christen in Parallele gesetzt (habe) zu dem freiwilligen Gehorsam, den der germanische Freie seinem Stammesführer leistet". Deshalb legt es sich auch für Rückert nahe, das Gottesverhältnis des evangelischen Christen in Analogie zu setzen zu dem Gefolgschaftsverhältnis des deutschen Menschen gegenüber dem Führer 2 1 . Das Kämpferische an Luthers Haltung in Worms illustriert Rückert an der Frage vom göttlichen Sinn des Krieges. Ungeachtet dessen, daß dies Thema 1521 in Worms überhaupt keine Rolle gespielt hat, genügt ihm die Chiffre des Kämpferischen dazu, als grundsätzliche Äußerung Luthers über den Krieg folgendes zu zitieren: daß er „ein an sich selbst göttliches A m t " sei „und der Welt so nötig und nützlich wie Essen und Trinken" 2 2 . Welches Bildungsideal schließlich verkörpert Luther als Familienvater? Mit Bestimmtheit weist Rückert zurück, daß etwa der Uberschwang einer romantischen Liebe Luther in die Ehe geführt habe. Dagegen stellt er fest: die Eheschließung war ein Stück Reformationswerk, eine kämpferische Tat „gleich der von Worms". Sie bestand darin, daß er sich bewußt als „Glied eines Volkstums und einer Rasse" und „als aktiv mitarbeitender Staatsbürger" verstand. Als Historikerin fällt mir auf, daß für die Schaffung eines großen einheitlichen Bildungsideals vom deutschen Menschen ausschließlich männliche Symbolgestalten und als historische Personen Männer figurieren. Selbst im Bilde Luthers als Familienvater soll die Ehe ausdrücklich nicht als Beziehung von Mann und Frau oder von Eltern zu ihren Kindern betrachtet werden — dies wird als romantisch abgetan. Der Mann Luther erkennt sich als Glied seines Volkstums und seiner Rasse und genügt seiner Pflicht gegenüber diesen Schöpfungsordnungen, indem er in kämpferischer Tat frei von aller Sentimentalität die Ehe vollzieht.
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EBD., S. 18. EBD., S. 19.
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D e m Bilde Luthers, des Deutschen, schließlich dürfen zwei Züge nicht fehlen: Luther als Schöpfer der deutschen Sprache, der die Bibel verdeutscht hat, und Luther als derjenige, der „dem Staat seine volle uneingeschränkte Selbständigkeit und damit seine volle Selbstverantwortlichkeit" zurückgegeben habe. Der Staat brauche sich „vor keinem, auch nicht vor einem christlichen Gesetz zu rechtfertigen, das außerhalb seiner selbst läge" 2 3 . So arbeitet Rückert heraus, wie wesensnah sich reformatorisches Christentum und Nationalsozialismus sind, inwieweit sie einander ergänzen und befruchten. Die gemeinsame Wurzel, aus der sie sich speisen, ist das Deutschtum. Im Herbst 1933 hat Rückert, wie sein Vortrag „Luther, der Deutsche" ausweist, sehr wohl verstanden, auf welche Prinzipien und Leitideen hin der Anpassungsprozeß zu leisten ist: auf die vorbehaltlose Öffnung zum Nationalsozialismus hin, auf seine Volkstumsideologie — das Rassedenken eingeschlossen —, auf das Führerprinzip, auf die Nichthinterfragbarkeit und Nichtkritisierbarkeit des Staates, auf die Notwendigkeit, Kriege zu führen. Zu dieser Sicht einer Kompatibilität bzw. Komplementarität von reformatorischem Christentum und Nationalsozialismus kann er deshalb kommen, weil für ihn in Luther „der deutsche Mensch und der C h r i s t . . . in eins fallen". Alle Erkenntnisse und Leistungen seien Luther zugewachsen, weil „Christus, von ihm wiedererkannt als das ewige J a Gottes zu seiner S c h ö p f u n g , . . . (ihn) zu seinem Deutschtum befreit" habe. U n d „weil in Luther das Wesen des deutschen Menschen zum Bewußtsein seiner selbst erwacht" sei, „deswegen konnte er die Wahrheit Gottes in einem neuen, reineren Lichte sehen". So behauptet Rückert, daß die NS-Volkstums- und Rassenideologie in der Reformation vorgebildet sei: „Bei ihm (Luther) schon liegt das vor, was man heute als die Form germanischer Weltanschauung wiederentdeckt hat". Diese Wiederentdeckung sei die Voraussetzung dafür, „die Wahrheit Gottes in einem neuen, reineren Lichte zu sehen". Wenn das geschieht — was für Luther zutrifft und was für Rückert unter den gegebenen Umständen in der Zukunft durchaus vorstellbar ist —, ist der Anbruch der messianischen Heilszeit, nämlich, „die Einheit von Geschichte und Heilsgeschichte, von Schöpfung und Erlösung" gegeben 2 4 . Es hat natürlich Zeitgenossen gegeben, die solche Proklamationen mit Unverständnis und Widerwillen aufgenommen haben. Die Vorträge, die Barth 1945 hält, nehmen ja eine Diskussion wieder auf, knüpfen ja an eine Kontroverse an, die weit früher datiert, nämlich als er als Universitäts-
» 24
Ebd., S.21. EBD., S . 2 2 f .
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professor in Deutschland gegen seine Tübinger Kollegen und gegen die Theologie und die politischen Uberzeugungen der Holl-Schule angetreten war. Insofern stellen auch die hier vorgestellten Vorträge Rückerts (die Barth ohne Zweifel bekannt sind) den Hintergrund dar für seine Frage nach der Anfälligkeit der Deutschen für die Diktatur und den Veränderungsmöglichkeiten der Deutschen bei einem Neuaufbau. Angesichts dessen, wie konkret Rückert die Situation 1933 gefüllt hat, welche Themen und Erkenntnisse ihm auf den Lippen brannten, wie er an vorderster Front des Geschehens an der Universität und in der Kirche handelte, bleibt seine Replik auf Barth 1945 äußerst zurückgenommen und verhalten, beinahe blaß. Er zieht sich vor der inhaltlichen Konkretheit auf formale Fragen und theoretisierende Fragestellungen zurück. D e r Grund dafür liegt, so scheint mir, in der fortwährenden Bindung an die zwei Kontexte, die seine akademische Karriere begleitet haben: die Zugehörigkeit zur Holl-Schule und zur Tübinger Theologie. *
Neuere sozialgeschichtliche Ansätze zur Erforschung der Geschichte der Wissenschaft und des Wissenschaftsbetriebs an den Hochschulen haben Aspekte wie die Stellung und Verortung der Universitäten und Hochschullehrer in der Gesellschaft, Strukturen und Funktionsweisen der akademischen Gruppen und Gemeinschaften, das Selbstverständnis der Wissenschaftler und Wissenschaftsinstitutionen gegenüber der Gesellschaft ins Bewußtsein gerückt und fruchtbar gemacht 2 5 . Solche Fragestellungen aufnehmend, möchte ich R ü c k e n s Entwicklung und sein politisches wie kirchenpolitisches Verhalten sowohl im Zusammenhang mit der Schule, aus der er hervorgegangen und der er verbunden geblieben ist, als auch der Institution, an der er 35 Jahre lang gearbeitet hat, beschreiben. Durch diese beiden Kontexte hatte er Freunde, Kollegen, Weggefährten und Mitstreiter: Mit ihnen ist er zu seiner jeweiligen Position gekommen, mit ihnen hat er sie vertreten; sie legten ihn sogar auf einmal bezogene Positionen fest, so daß er es gar nicht leicht hatte, sich davon wegzubewegen oder sich von ihnen zu lösen. Hanns Rückert wurde am 18. September 1901 in Fürstenwalde / Spree geboren 2 6 . Er hatte nach einem neunsemestrigen Theologiestudium in Jena und Berlin 1923 bei Karl Holl promoviert, dessen 1921 als Sammlung erschienene Luther-Aufsätze ihn in die erste Reihe der Lutherforscher
2 5
F.K.
WITZ/G.
RINGER,
Die
Gelehrten;
STUCHLIK, H o c h s c h u l e
K.
und
SCHWABE,
Hochschullehrer;
L.
SIEGELE-WENSCHKE-
Nationalsozialismus.
26 UA TÜBINGEN, Personalbogen H . Rückert 162. Ich danke H e r r n Archivdirektor Dr. Volker Schäfer, Frau Irmela Bauer und H e r r n Dr. Johannes M. Wischnath für kompetente Hilfeleistung und die gute langjährige Zusammenarbeit.
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und vor allem Lutherinterpreten verwiesen. Neben Holl lehrten in Berlin zwei weitere führende Kirchenhistoriker Deutschlands: Adolf von Harnack und Hans Lietzmann. So konnte Rückert hier eine vorzügliche Ausbildung gerade für diese theologische Disziplin erhalten. Zwei Jahre nach seiner Promotion habilitierte sich Rückert und wurde 1925 Privatdozent für Kirchengeschichte an der Berliner Universität. Aus der Berliner Zeit und der gemeinsamen Schülerschaft bei Karl Holl, der 1926 starb, datiert die wissenschaftliche Zusammenarbeit und Freundschaft mit Emanuel Hirsch, Hermann Wolfgang Beyer, Friedrich Karl Schumann, Heinrich Bornkamm, Helmuth Kittel, Erich Vogelsang und Fritz Blanke, um nur einige Namen der HollSchüler zu nennen, die in den 20er und 30er Jahren — in der Regel blutjung — auf kirchengeschichtliche Lehrstühle berufen wurden. Rückert war Assistent von Holl gewesen und galt als sein Lieblingsschüler. 1928 wurde er 27jährig als Nachfolger des plötzlich verstorbenen Lutherforschers Heinrich Böhmer als ordentlicher Professor an die Universität Leipzig berufen. Seine steile Karriere setzte sich fort mit dem Ruf nach Tübingen im Jahr 1931. Diese Berufung verdankt Rückert der Absage von Emanuel Hirsch, der der Wunschkandidat sowohl der Fakultät als auch der württembergischen Landeskirche gewesen war. Als Hirsch abgesagt hatte, verfertigte die Fakultät eine völlig neue Berufungsliste, die programmatisch herausstellte, daß es ihr um die Gewinnung von Vertretern der jungen Generation, vor allem aus der Holl-Schule gehe. Rückert ist also ausdrücklich als Schüler des Württembergers Karl Holl gewünscht und berufen worden. Und Emanuel Hirsch hat durch ein empfehlendes Gutachten für seinen Freund und Kollegen bei dieser Berufung nachgeholfen 27 . Wofür nun stand die Holl-Schule in der theologischen, universitären und kirchlichen Öffentlichkeit? Durch ihren Gründer und ihr Schulhaupt stand sie — außer natürlich für eine solide wissenschaftliche Schulung — für die Lutherrenaissance, für die Wiederentdeckung der Bedeutung der Theologie Luthers und für ein neuerwachendes Interesse am Menschen Luther. Holl entwarf einen „Luther für seine Zeit". Seine Luther-Aufsätze wurden nicht nur an der Universität studiert, sie wurden auch in der Kirche rezipiert, sie bekamen Relevanz für aktuelle kirchenpolitische Fragen: z.B. für die kirchliche Bindung der Theologie, für die konfessionelle Identität der evangelischen Kirchen, für ihre Existenz als Volkskirche. Es hat die Schülergeneration nach dem Ersten Weltkrieg an dem Lehrer offenbar besonders fasziniert, daß sie in seinem Lutherbild, in seiner Beschreibung von Luthers Problemen und Entscheidungen ihre eigenen Probleme wiedererkennen und Wegweisung für ihre eigenen Entscheidungen finden 2 7
DEKANAT
DER
EV.-THEOL.
FAKULTÄT T Ü B I N G E N ,
Lehrstuhlakten,
Kirchengeschichte
415-11. Frau Helene Krauß, der Dekanatssekretärin, danke ich für bereitwillige Hilfe.
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Geschichtsverständnis angesichts des Nationalsozialismus
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konnten. Unter Holls Anleitung, bezeugt Rückert in seinem Nachruf auf den Lehrer 1926, habe er gelernt, „daß Geschichte treiben stark und reif macht f ü r die Gegenwart und daß w i r k l i c h e historische Erkenntnis n u r da zustande k o m m t , w o man den M u t findet, v o n der eigenen theologischen Gesamtanschauung aus die Wahrheitsfrage an die geschichtlichen Erscheinungen zu stellen und Urteile zu fällen" 2 8 .
Die Verbindung von Geschichtsforschung und der Deutung von Geschichte für die Gegenwart — dies wurde für die Holl-Schule nach dem Ersten Weltkrieg zunehmend zum Programm. Mit der Deutung von Geschichte für die Gegenwart ging es den jungen Theologieprofessoren darum, maßgeblichen Einfluß auszuüben auf die Situation der Kirche ebenso wie die von Volk und Staat. Ihr Weg der Integration antidemokratischer, antiliberaler und antiaufklärerischer, vor allem auch antisemitischer Denkmuster mit einer sich auf Luther berufenden Geschichts- und Schöpfungsordnungstheologie zu einer Volkstumstheologie, schließlich gar zu einer völkischen Theologie, wie sie sich in der Zeitschrift „Deutsche Theologie" darstellt, ist wohl eher dem nach Holls Tod an die Stelle des Schulhaupts rückenden Emanuel Hirsch zuzuschreiben als Holl selbst 29 . Zugehörigkeit zur Holl-Schule bedeutete ferner die Frontstellung gegenüber Barth und seiner Schule. Dabei war ein wichtiger Punkt des Dissenses Barths abwertende Sicht der Kirchengeschichte als einer „Hilfswissenschaft" der Theologie. Mit dieser Formel hat er seinen Zweifeln am theologischen Ertrag kirchenhistorischer Arbeit Ausdruck gegeben. Gegen eine solche Bewertung stand das Selbstbewußtsein der Holl-Schule, daß — wie Rückert es formuliert hat — „mit Karl Holl zum ersten Mal wieder nach Baur die Kirchengeschichte wirkungsvoll eingreift in die theologische Gesamtproblematik einer Zeit" 30 . Mit dem Rangstreit der theologischen Disziplinen ging es aber nicht nur um Herrschaftsansprüche in der Theologie. Die schon in den 20er Jahren, noch zu Holls Lebzeiten aufkommende Kontroverse zwischen BarthSchule und Holl-Schule beinhaltete die Frage einer angemessenen NeuH. RÜCKERT, Karl Holl. Mit diesem Urteil folge ich der Deutung von J . W A L L M A N N , Karl Holl und seine Schule, S. 32: „Von Holl führt kein gerader (Hervorhebung von der Verf. in) Weg zur ,Deutschen Theologie' und zu den ,Deutschen Christen'". Gleichwohl führt der von Holl wie von K. Barth während des Ersten Weltkrieges vollzogene Bruch mit dem Liberalismus unübersehbar zu unterschiedlichen Konsequenzen und politischen Optionen. Wallmann leitet bei seiner Deutung von Holl das Interesse, den Lehrer von seinen Schülern zu unterscheiden und ihn von der Verantwortung für den Weg der Holl-Schule gleichsam zu entlasten. Es bleibt m.E. eine Aufgabe für die historische Forschung, zu erklären, welche Kontinuitäten zwischen Lehrer und Schülerschaft wirksam waren, als die Holl-Schule in relativer Geschlossenheit und Einmütigkeit diesen Weg durchs „Dritte Reich" beschritten hat. 3 0 H. Rückert, Karl Holl, S.372. 29
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interpretation der reformatorischen Theologie. Während Emanuel Hirsch mit seinem Buch „Deutschlands Schicksal" aus dem Jahr 1920 lutherische Ethik als Schöpfungsordnungstheologie entwarf und sich auf eine Theologie des 1. Artikels konzentrierte, von der aus er die Weimarer Republik verwarf und sich auf einen nationalistischen und rassistischen autoritären Führerstaat hin entwickelte, arbeitete die Barth-Schule an einem sozialethischen Konzept der Königsherrschaft Christi, die auch in Kritik gegenüber der vorfindlichen „Welt" zur Geltung gebracht würde. In der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 gelang es von diesem Ansatz aus, sich aus der Umklammerung durch die Zwei-Reiche-Lehre wenigstens ansatzweise zu lösen und — wenn auch in aller Vorsicht — ein kritisches Wächteramt der Kirche gegenüber der NS-Diktatur zu begründen. Von 1933 an hat diese Kontroverse im beginnenden Kirchenkampf neue Nahrung und eine gefährliche Schärfe bekommen, als die meisten Mitglieder der Holl-Schule, Hanns Rückert unter ihnen, sich den Deutschen Christen anschlössen, während Barth und sein Schüler- und Freundeskreis die kirchliche Opposition bildeten. Nun lautete die triumphierende Botschaft der Holl-Schule gegenüber den in ihren Augen ignoranten Barthianern: Wir finden Gott in der Geschichte, in der deutschen Geschichte hier und jetzt! Neben das Evangelium tritt die nationalsozialistische Wende als Impuls, ja als zwingende Notwendigkeit, eine Deutsche Theologie zu schaffen. Und Holl-Schule und Tübinger Theologie gemeinsam erhoben den Anspruch, daß sie in ihrer neugegründeten Zeitschrift „Deutsche Theologie" über die Streitigkeiten der theologischen Schulen hinauswachsen und vorstoßen könnten zu einem „Kern evangelischer Theologie", einer „undiskutierbaren Substanz", die selbstverständlich sie formulierten 31 . In dieses Unternehmen war Hanns Rückert maßgeblich eingebunden. Er war Gründungsmitglied der „Deutschen Theologie", Mitherausgeber und von Anfang an ihr Schriftleiter. Als von 1938 an sich der zunächst 12-köpfige Herausgeberkreis auf Hanns Rückert und Friedrich Karl Schu3 1 Auf der Innenseite jedes Heftes der „Deutschen Theologie" war die folgende Programmatik zu lesen: „Die Zeitschrift will alle Kreise zusammenfassen, die aus dem Evangelium und aus der durch den Nationalsozialismus heraufgeführten Wende des deutschen Schicksals die Verpflichtung heraushören, um eine kirchlich verantwortliche, wirklichkeitsnahe und volksverbundene evangelische Theologie zu ringen. Diesen Kreisen will sie helfen, in der Gemeinschaft der A r b e i t über sich selbst hinauszuwachsen zu einem neuen theologischen Denken, das aus der Vereinzelung des privaten Theologisierens und aus dem selbstgenügsamen Neben- und Gegeneinander der theologischen Schulen herauskommt und h i n f ü h r t zu der von der Stunde unausweichlich geforderten Herausstellung eines Kerns evangelischer Theologie. Ihr letztes Ziel ist die deutsche kirchliche Theologie, in der es wieder — wie allezeit in der Geschichte der christlichen Theologie mit alleiniger A u s n a h m e der Periode von der A u f k l ä r u n g bis zum Weltkrieg — eine undiskutierbare Substanz gibt, in deren Kraft allein es zu einem geschlossenen wirksamen Einsatz der christlichen Verkündigung in einer bestimmten Epoche der Geschichte k o m m e n kann".
G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s angesichts des N a t i o n a l s o z i a l i s m u s
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mann reduzierte, blieb Rückert auch in diesem Jahr noch Schriftleiter, gab mit dem letzten Doppelheft des Jahrgangs 1938 aber dann die Schriftleitung an Ernst Würthwein ab. In der Zeitschrift selbst ist zu den gravierenden personellen Veränderungen, die die Geschichte dieses Publikationsorgans begleiten, niemals Stellung genommen worden. 1943 ist das letzte eigenständige Heft der „Deutschen Theologie" erschienen. Von 1944 an wurde sie für die Dauer des Kriegs mit der „Theologischen Rundschau" vereinigt. Praktisch hieß das, daß die „Deutsche Theologie" sang- und klanglos verschwand. Denn die „neue" Zeitschrift erschien unter dem Titel „Theologische Rundschau, Neue Folge". Sie wurde nun herausgegeben von Rudolf Bultmann und Friedrich Karl Schumann. Ich möchte einige Beobachtungen zum Funktionieren der Holl-Schule als Gruppe mitteilen. Das Schüler-Lehrer-Verhältnis ist charakterisiert durch eine starke Bindung an das Schulhaupt, bis hin zur Devotion. Rückerts positive Bewertung des Gefolgschaftsverhältnisses, in dem beispielhaft ein Ausgleich zwischen Bindung und Freiheit sich realisierte, würde ich in seinem Verhältnis zu Holl verorten. Die enge Bindung über die Leitwerte Treue und Gehorsam an die Person und ihre Mentalität wie an das wissenschaftliche Programm des Lehrers verbindet auch den Schülerkreis untereinander. Sie arbeiten nicht nur zusammen an wissenschaftlichen Projekten und kirchenpolitischen Unternehmungen, sie leisten sich gegenseitig Hilfe bei Beförderungen, sie bilden eine gemeinsame Front gegenüber denen, die sie bekämpfen. Nach Holls Tod hält Hirsch als „Führerpersönlichkeit" die Gruppe zusammen. Zugleich sucht er sie auf eine gemeinsame Linie festzulegen. Es ist mir berichtet worden, daß die Hollschüler — auch nachdem sie lange Jahre hindurch Ordinarien waren — regelmäßig zu Hirsch fahren mußten, von ihm auf ihre politische, kirchenpolitische und theologische Haltung befragt, ja überprüft und eingeschworen worden sind, ihm Bericht gaben über ihre Entwicklung. Ich möchte die Frage aufwerfen, o b nicht dieser „Comment", nämlich der von der Gruppe getragene und gegenüber den einzelnen ausgeübte Druck, bei den 1933 nun einmal vertretenen politischen Optionen und theologischkirchenpolitischen Grundüberzeugungen trotz zunehmender Widersprüche zu bleiben, die Mitglieder dazu gebracht hat, an einer grundsätzlich positiven Ausrichtung auf den NS-Führerstaat festzuhalten. Das Selbstbewußtsein der Gruppe wird konstituiert durch die Anerkennung des Lehrers als herausragende Persönlichkeit der Wissenschaft und des kirchlichen Lebens. Indem sie seine Schüler sind, haben sie teil an den Qualitäten, die den Lehrer charakterisieren. Sie betrachten ihn als zur Elite gehörig und gehören deshalb selbst zur Elite, zunächst in der Kirchengeschichte und in der Theologie, dann in den Fakultäten und Universitäten, schließlich in Kirche und Gesellschaft überhaupt.
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Für Rückerts Berufung nach Tübingen zum Wintersemester 1931 war seine Herkunft aus der Holl-Schule der entscheidende Grund gewesen. Ernst Wolf, der während der Vakanz nach Gustav Anrichs Tod die Lehrstuhlvertretung übernahm, wäre als Barth-Schüler für eine Berufung nicht ernsthaft in Frage gekommen. Denn dies verband die Tübinger Theologie und die Holl-Schule miteinander: ihre sehr kritische, ablehnende Sicht der Theologie Karl Barths, aus der z.B. Adolf Schlatter, Karl Heim, Karl Müller und Gerhard Kittel — wiewohl aus unterschiedlichen Gründen — keinen Hehl machten. Wohl hatte sich die Tübinger Theologie im letzten Drittel des 19. Jahrunderts dahin entwickelt, daß es in der evangelischtheologischen Fakultät das Nebeneinander von theologischen Richtungen gab, Positive und Liberale; zu einer Öffnung jedoch für die Dialektische Theologie hätte sich die Fakultät weder in den 20er noch gar in den 30er Jahren verstehen können. Mit einer Reihe von Freunden aus der Holl-Schule und seinen Fakultätskollegen, dem Praktischen Theologen Karl Fezer, dem Neutestamentier Gerhard Kittel und dem Alttestamentler Artur Weiser schloß sich Rückert im Mai 1933 der Glaubensbewegung Deutsche Christen an, nachdem Fezer am 16. Mai 1933 die neuen Richtlinien formuliert und verabschiedet hatte 32 . Sowohl auf Reichsebene als auch in Württemberg suchen die Tübinger Theologen nun maßgeblichen Einfluß auf die Entwicklung der Deutschen Christen zu nehmen. Aus ihrem Elitebewußtsein heraus beanspruchen sie eine Art von Richtlinienkompetenz sowohl bei der Schaffung einer Reichskirche als auch für den Weg der württembergischen Landeskirche. Zunächst gelingt es ihnen auch, Bischof Wurm von ihrem Kurs zu überzeugen. Bis zum Herbst 1933 sind die Tübinger Theologen, der württembergische Landesbischof Theophil Wurm und die Holl-Schule auf einer gemeinsamen Linie: der Öffnung für den Nationalsozialismus und die Deutschen Christen in der Hoffnung auf eine Rechristianisierung Deutschlands unter Zuhilfenahme des neuen Regimes. Die Lage ändert sich jedoch gravierend im Herbst 1933, als die Tübinger Theologen erkennen müssen, daß ihnen eine führende Rolle bei den Deutschen Christen weder auf Reichsebene noch in Württemberg zugebilligt wird, sie im Gegenteil aus der Glaubensbewegung Deutsche Christen ausgeschlossen werden. Als das Luther-Sonderheft der „Deutschen Theologie" mit einem Geleitwort des Reichsbischofs Ludwig Müller im November 1933 erscheint, liegen die Tübinger schon in tiefem Dissens mit ihm, haben die Ereignisse — vor allem der sogenannte Sportpalastskandal vom 13. November 1933 — ihre Kooperations- und Mitgestaltungspläne jäh
32
L . SIEGELE-WENSCHKEWWITZ, Fakultät T ü b i n g e n .
Geschichtsverständnis angesichts des Nationalsozialismus
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überholt. Die anfängliche Harmonie eines gemeinsamen Kurses von Fakultät und Landeskirche löst sich im Winter 1933 und Frühjahr 1934 zunehmend auf in dem Maße, wie Wurm gegenüber der Reichskirchenregierung und auch gegenüber den Deutschen Christen seinen eigenen Weg geht und den Versuchen, die württembergische Landeskirche mit der Reichskirche gleichzuschalten, sein Konzept einer intakten Landeskirche entgegenhält. Vor allem entwickelt Wurm mit diesem Konzept einer intakten Kirche sich hin auf die kirchliche Opposition. Sinnfällig wird dies, als er im Mai 1934 zusammen mit Karl Barth Mitveranstalter der ersten Reichsbekenntnissynode in Barmen ist und sich der Barmer Theologischen Erklärung anschließt. Diese Entwicklung kann und will die Fakultät nicht mitvollziehen. Im Januar 1934 bei den Besprechungen in Berlin über den künftigen Weg der Reichskirche im NS-Staat, als einer großen kirchlichen Öffentlichkeit das Scheitern Ludwig Müllers klar vor Augen liegt, suchen sie nach einem „dritten Weg". Bei dieser Gelegenheit war ihnen von Barth entgegengehalten worden, daß er und seine Freunde „einen anderen Glauben, einen anderen Geist und einen anderen G o t t " hätten als Prof. Fezer 3 3 . Noch am 11. Mai 1934 schließt sich die gesamte Tübinger evangelisch-theologische Fakultät den sogenannten 12 Tübinger Sätzen an, in denen sie die nationalsozialistische Wende als „Ruf Gottes" deutet und als ihre theologische Position genau die Leitideen vorträgt, die drei Wochen später durch die Barmer Erklärung als Irrlehre zurückgewiesen werden 3 4 . Gerhard Kittel tritt in einen öffentlichen Briefwechsel ein mit Karl Barth in scharfer Polemik gegen die Barmer Theologische Erklärung 3 5 . Vor eine neue Situation wurde die Fakultät im Herbst 1934 gestellt. Inzwischen war nach der nationalsozialistischen Umwandlung der Universitäten zu Führeruniversitäten Karl Fezer im Dezember 1933 der erste nationalsozialistische Rektor der Universität Tübingen geworden. E r hatte Hanns Rückert zum ersten Dekan der evangelisch-theologischen Fakultät nach der nationalsozialistischen Wende berufen. Im September 1934 nun wurde auf Veranlassung des Reichsbischofs Bischof Wurm in Stuttgart inhaftiert, um so den Weg frei zu machen für die Eingliederung der württembergischen Landeskirche in die Reichskirche. Obwohl die Universitätsleitung und die evangelisch-theologische Fakultät durch das württembergische Kultministerium zum Stillhalten ermahnt worden waren, legte die Fakultät gegen diese Behandlung ihres Bischofs mit einer umfangreichen, von Rückert erarbeiteten Denkschrift über die Unregelmäßigkeiten der Reichskirchenregierung gegenüber dem württembergischen Kultministe33
H . B R A U N / C . NICOLAISEN, V e r a n t w o r t u n g , B d . 1, S . 2 3 8 .
34
G . SCHÄFER, L a n d e s k i r c h e , B d . 3, S. 3 3 4 - 3 3 7 .
3 5
K . B A R T H / G . KITTEL,
Briefwechsel.
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Leonore Siegele-Wenschkewitz
rium Protest ein. Sie gab zugleich eine öffentliche Erklärung ab gegen das Führerprinzip in der Kirche und vor allem gegen die derzeitige Reichskirchenregierung 36 . Fezer und Rückert wurden daraufhin von ihren Funktionen und Amtern abberufen. Im Frühjahr 1935 wurde Rückert allerdings wieder zum Prodekan ernannt und behielt dieses Amt auch für die gesamte Dauer des „Dritten Reiches" neben dem Dekan Artur Weiser. Mit diesem Akt des Eintretens für den verfolgten Bischof hat die Tübinger Fakultät demonstrativ ihre kirchliche Bindung unter Beweis gestellt, ja Rückert hat sich am 13. Januar 1935 durch Karl Fezer in der Tübinger Stiftskirche mit Karl Heim und Karl Heinrich Rengstorf als Zeugen im Anschluß an den Vormittagsgottesdienst ordinieren lassen 37 . Das Eintreten für Bischof Wurm ist jedoch nicht in erster Linie, wie die Fakultät es deutete, Bekennermut entsprossen. Vielmehr trat die Fakultät mit diesem Schritt die Flucht nach vorn an, als der von Wurm eingeschlagene kirchenpolitische Kurs innerhalb der Bekennenden Kirche die Fakultät abzuhängen drohte. Nun flüchtete sie unter das schützende Dach der Kirche und hat in Wurm, wie Rückert 1946 beschrieb, „den Rückhalt bei einem starken Bundesgenossen" gefunden. So schließt sich die Fakultät Wurms Konzept einer intakten Landeskirche an, ja sie hat Intaktheit als Konzept für das Funktionieren und Überleben der eigenen Institutionen übernommen. Jedoch anders als Wurm haben die Tübinger Theologen den Anschluß an die Theologie der Bekennende Kirche nicht finden können. Die unterschiedliche kirchenpolitische Ausrichtung der württembergischen Landeskirche auf der einen Seite und der Zeitschrift „Deutsche Theologie" auf der anderen Seite, deren Schriftleiter Hanns Rückert war, schufen eine Spannung in seinem Weg durchs „Dritte Reich", die er nicht hat lösen können. An die „Deutsche Theologie" band ihn die Loyalität gegenüber der Holl-Schule, an die württembergische Landeskirche die traditionell der Kirche verbundene Tübinger Theologie. Rückert hat die „Deutsche Theologie" bis 1943 herausgegeben. Zweimal hat er sich darin für Emanuel Hirsch verkämpft, einmal in einem Artikel, mit dem er eingriff in die Kontroverse zwischen Paul Tillich und Emanuel Hirsch 3 8 ; das zweite Mal im Herbst 1936, als Helmut Gollwitzer in den „Theologischen Blättern" „Eine Anfrage" an Hirschs in der „Deutschen D e r ganze Vorgang in: U A TÜBINGEN, 1 6 2 / X I V 6. K a r l Fezer hat gegenüber der L a n d e s k i r c h e die Initiative zur O r d i n a t i o n R ü c k e n s ergriffen und einen A n t r a g gestellt. In e i n e m A k t e n v e r m e r k des w ü r t t e m b e r g i s c h e n Ev. O b e r k i r c h e n r a t s v o m 10. D e z e m b e r 1934 wird festgelegt, Fezer zur O r d i n a t i o n zu ermächtigen. F o l g e n d e B e g r ü n d u n g ist h i n z u g e f ü g t worden. „ D e r L a n d e s b i s c h o f , der diesen Schritt als ein neues Zeichen der engen Verbundenheit der Fakultät mit der L a n d e s k i r c h e begrüßt, bittet, H e r r n Prof. D . R ü c k e r t seine herzlichsten Segenswünsche zu ü b e r m i t t e l n " 36
37
( L K A STUTTGART, 38
H . RÜCKERT,
R/234). Probleme.
Geschichtsverständnis angesichts des Nationalsozialismus
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Theologie" erschienenen Aufsatz über „Die Lage der Theologie" nicht nur an Hirsch selbst, sondern an den gesamten Herausgeberkreis der „Deutschen Theologie" veröffentlichte 3 9 . Obwohl Rückerts Replik „Keine A n t w o r t ! " lautete, traf Gollwitzers kurzer Artikel die Herausgeber jedoch tief. Denn er fragte, ob der innere Zusammenhalt des Herausgeberkreises auch jetzt noch gegeben sei, nachdem das im Auftrag des Reichskirchenausschusses erstattete Gutachten über die Thüringer Deutschen Christen diese Richtung als Irrlehre erklärt und Emanuel Hirsch doch wohl als ihr „Normaltheologe" zu gelten habe, anderseits aber an diesem Gutachten zwei Mitherausgeber der „Deutschen Theologie" mitgewirkt hätten, nämlich Friedrich Gogarten und Friedrich Karl Schumann 4 0 . Daß Rückert Antwort wie Auskunft verweigerte, hat die Entwicklung in der „Deutschen Theologie" nicht mehr aufhalten können, die zu Trennungen führte. Von 1937 an hat Emanuel Hirsch in der „Deutschen Theologie" nicht mehr publiziert. Von 1938 an schmolz der Herausgeberkreis auf Hanns Rückert und Friedrich Karl Schumann zusammen. Fortan wurde auf die pompöse Programmatik verzichtet, die auf der Innenseite des Deckblatts eines jeden Hefts bisher zu lesen war. Aber dies alles vollzog sich ohne jede Kommentierung. Als ein weiteres Anzeichen für eine vorsichtige Kurskorrektur könnte angesehen werden, daß Rückert 1938 als Erstgutachter bei der Promotion des Barthianers und ,Sozietätlers' Harald D i e m fungiert hat. Das Gutachten über Diems Dissertation „Gesetz und Evangelium in Luthers Lehre von den zwei Reichen" zeigt, daß er um eine faire Beurteilung der wissenschaftlichen Leistung Diems bemüht ist, auch wenn er seinen theologischen Ansatz der Lutherinterpretation ganz und gar nicht teilt 4 1 . Rückerts letzter Aufsatz, den er in der „Deutschen Theologie" veröffentlicht hat, gibt einen Vortrag wieder, den er am 23. Januar 1941 auf einem von der Universität Tübingen veranstalteten Kursus für Wehrmachtsangehörige aller Fakultäten gehalten hat über „Die Bedeutung der H. GOLLWITZER, Anfrage; H. RÜCKERT, Keine Antwort! Das Theologische Gutachten des Reichskirchenausschusses über die Thüringer Richtung der Deutschen Christen vom 4. Juli 1936 in: K.D. SCHMIDT, Dokumente II, 39 40
S. 8 2 5 - 8 2 7 . 4 1 Die Promotionsakte Harald Diem im UA TÜBINGEN, 1 6 2 / P A Diem, Harald. Rückert arbeitet in seinem „Bericht über die Dissertation Harald Diem" die theologische Differenz deutlich heraus. Diem sei ein Vertreter der Erhaltungsordnungen, während Rückert selbst sich klar zum Ansatz einer Schöpfungsordnungstheologie bekennt. Die drei Stände seien ohne Einschränkung als Schöpfungsordnungen zu akzeptieren — und das bedeute, daß nach Luthers Auffassung auch der nichtchristliche Staat „doch echter Staat", daß die „göttliche Einsetzung und Würde auch der nichtchristlichen Obrigkeit" zuzusprechen sei. Dies sei „die ganze historische und theologische Wahrheit". . ., „die allein und heute und zu allen Zeiten helfen kann." Diems Dissertation ist noch im selben Jahr bei Chr. Kaiser erschienen: H. DIEM, Luthers Lehre.
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Leonore Siegele-Wenschkewitz
Reformation für die deutsche Geschichte" 4 2 . In diesem Beitrag geht es darum, gegenüber Christentums- und speziell gegenüber protestantismuskritischen Angriffen in der nationalsozialistischen Führung, daß nämlich die Reformation ein hemmendes Moment gegenüber der deutschen Volkwerdung gewesen sei, die kulturpolitische Bedeutung der Reformation und vor allem Luthers auf dem Weg der Deutschen zu einem deutschen Reich zu verteidigen. Hier nun zieht Rückert selbst explizit die Linie von Luther über Friedrich den Großen zu Bismarck, wenn er schreibt: „ D e r W e g . . . , auf den die deutsche Geschichte durch die Mitwirkung der Reformation gedrängt worden ist, der Weg zum souveränen Territorialfürstentum, war der Umweg, den die Geschichte benützt hat, um im deutschen Osten Brandenburg-Preußen emporsteigen zu lassen, das, nun auch innerlich getragen von protestantischem Geist und protestantischem Ethos, dazu berufen war, ein echtes, ausschließlich auf deutsche Volkskraft gebautes und an deutschen Zielen ausgerichtetes Zweites Reich zu bauen." 4 3
Wie es sich aus der Gelegenheit, bei der dieser Vortrag gehalten wurde, ergibt, wird natürlich die Berechtigung dieses Kriegs vorausgesetzt. Die Reformationsgeschichte liefert sogar unterstützende Argumente. Luther sei als Schöpfer des deutschen Nationalgefühls anzusehen, als Garant des Durchbruchs eines nationalen deutschen Kulturwillens. Der Führungsanspruch, den Deutschland derzeit auf Europa erhebt, wird mit der kulturellen Leistung der Reformation begründet. Auch hier wird die Ambivalenz in Rückerts Haltung erkennbar. Gegenüber christentumsfeindlichen Tendenzen und Gruppierungen innerhalb der NS-Führung will er die Existenzberechtigung und Existenznotwendigkeit des Christentums auch für ein nationalsozialistisches Großdeutschland erweisen; zugleich teilt er die expansionistischen Ziele der nationalsozialistischen Führung, solange sie nicht gegen die evangelische Kirche oder das Christentum insgesamt gerichtet sind. N o c h 1941 sieht er im Zusammenhang mit Ausführungen über das lutherische Staatsdenken „einen Nachklang dieses lutherischen Staatsdenkens in dem, was unsere deutsche Auffassung von diesem Kriege im Gegensatz zu der englischen charakterisiert: Wir führen diesen Krieg, um unserem Volk sein geschichtliches Leben zu erhalten und zu sichern, und verschmähen die Tarnung der Kriegsziele mit mittelalterlichen Kreuzzugsgedanken" 4 4 . *
42
H. RÜCKERT, Bedeutung der Reformation.
«
EBD., S. 96. EBD., S. 99 f.
44
G e s c h i c h t s v e r s t ä n d n i s angesichts des N a t i o n a l s o z i a l i s m u s
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Barths Anfragen an die Deutschen, die Rückeit 1946 in seinem Vortrag „Zur Revision unsres Geschichtsbilds" ansatzweise aufgenommen hat, hätten einen Rückblick auf die Zeit des Ubergangs von der Weimarer Republik ins nationalsozialistische Deutschland und auf die Zeit von 1933 bis 1945 nahegelegt, wie ich ihn hier versucht habe — mit einem Abstand von 45 Jahren, als Schülerin Hanns Rückerts. Rückert selbst hat, wie gezeigt, Barths Anfrage umgedeutet, indem er sie als Anfrage nach dem Umgang mit Geschichte überhaupt verstand und nicht als Anfrage an seinen persönlichen Umgang mit Geschichte im Zusammenhang mit seiner politischen Option und der von ihm vorgenommenen theologischen Deutung verstehen konnte und wollte. Etwa ein halbes Jahr nach dem Wankheimer Vortrag, in dem er sich explizit mit Barth auseinandersetzte, hat er zu Beginn des Wintersemesters 1 9 4 6 / 4 7 einleitende Überlegungen zu einer Vorlesung über Kirchengeschichte der Neuzeit vorgetragen. Sie sind 1948 in der „Theologischen Literaturzeitung" erstmals veröffentlicht worden und wurden dann — ihres programmatischen Charakters wegen — als erster Beitrag in Rückerts 1972 erschienenen gesammelten Aufsätzen und Vorträgen zur historischen Theologie erneut abgedruckt unter dem Titel: Personale Geschichtsbetrachtung 4 5 . Diese Formulierung „Personale Geschichtsbetrachtung", gilt als charakteristisch für Rückerts Zugang zur Geschichte, als Zusammenfassung seines historiographischen Konzepts 4 6 . Obwohl in diesem Beitrag Barth nicht namentlich genannt wird, führt Rückert hier die Auseinandersetzung mit ihm weiter, ja spitzt er sie zu, indem Barth die abzulehnende Gegenposition gegenüber der von Rückert vertretenen Auffassung zugeschrieben wird. Dies läßt sich aber nur im einzelnen ausmachen, wenn der frühere, nicht publizierte Vortrag Rückerts bekannt ist. Rückert will sich gegenüber zwei Verfahren im Umgang mit Geschichte absetzen: einmal gegenüber einem historischen Objektivismus, wie er beim Historismus anzutreffen war, der jetzt allerdings kaum mehr ein Problem für die Geschichtswissenschaft sei. Die viel größere Gefahr komme aber aus einer egozentrischen Geschichtsbetrachtung, die er auch als subjektivistische Mythologisierung von Geschichte charakterisieren kann. Egozentrisch, weil sie von der Gegenwart, von den eigenen Bedürfnissen und Interessen aus fragt und diese mit Geschichte legitimieren will; mythologisch, weil sie historische Personen und Ereignisse zu Mythen und Legenden verkommen läßt, anstatt in ihnen Menschen mitsamt ihren Möglichkeiten und Grenzen, mit ihren Stärken und Schwächen zu sehen. D e n k t man zurück an Rückerts eigene Vorträge aus der NS-Zeit, könnte man solche Äußerungen für Kurskorrekturen und Selbstkritik halten. 45
I n : V o r t r ä g e , S. 1 - 1 1 .
46
M . ELZE, R ü c k e r t .
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Aber damit wäre R ü c k e n ganz und gar mißverstanden. Er verortet diese subjektivistische Mythologisierung der Geschichte außerhalb seiner selbst bei einer zu kritisierenden Gegenseite, eben bei Barth. Was nun ist falsch an einem solchen Umgang mit Geschichte? Er sucht Geschichte mit dem Subjekt-Objekt-Schema zu fassen. Geschichte aber verträgt nicht die Behandlung als G e g e n s t a n d . . . Denn sie ist menschliches Leben, und Menschen können niemals zur Sache und zum Objekt werden. Ja, wer Menschen zum Objekt herabwürdigt, indem er sie zum Gegenstand von Erkenntnis machen will, handelt zutiefst unsittlich. Diesem abzulehnenden U m g a n g stellt Rückert nun sein Konzept einer personalen Geschichtsbetrachtung gegenüber, das nicht zufällig im Zusammenhang mit einer Vorlesung über Kirchengeschichte der Neuzeit entwickelt wird. Je näher historisch Arbeitende ihrer eigenen Zeit kommen, um so mehr müsse ihnen das historische Handwerk eingeschärft werden. Sie müßten sich klar darüber werden, daß die Zeit, über die sie arbeiten, unwiderruflich vorbei ist; daß aber jede Zeit, jede Generation, jeder Mensch einen eigenen Auftrag von Gott erhalten hätte und sie somit ihren Wert in sich trügen. Ja, Rückert spitzt Geschichte treiben zu auf den Vollzug und die Gestaltung von zwischenmenschlichen Beziehungen, von Gemeinschaft und Gespräch zwischen denen, die Geschichte treiben, und denen, deren Leben in der Geschichte betrachtet wird. Für ihn ist es eine Beziehung von Personen, und es kommt wesentlich darauf an, auf die historischen Personen zu hören, ihnen Respekt zu zollen, sie zum Sprechen zu bringen und sich selbst ganz zurückzunehmen. Unter diesen Vorgaben ist es konsequent, daß er „dem Historiker große Zurückhaltung im Urteil" auferlegen will: „ A u c h da, wo durch menschliche Schuld Lebender oder Toter ein schweres Schicksal über uns g e k o m m e n ist, w e r d e n . . . wir i m m e r noch den Menschen vor uns sehen, der ja zuletzt doch vor einem anderen Richter steht und fällt als uns, einem Richter, vor d e m auch wir mit unserer geschichtlichen Leistung schuldig sein werden." 4 7
Was folgt aus Rückerts Ansatz für die zeitgeschichtliche Arbeit? Seine Antwort darauf ist klar und unmißverständlich: Niemand kann die Geschichte seiner eigenen Zeit schreiben, Zeitgeschichte ist nicht möglich. Als weiteren Grundsatz stellt er heraus, daß die historischen Personen vor ihren Wirkungen in Schutz zu nehmen, ja daß wirkungsgeschichtliche Fragestellungen illegitim seien. U n d indem er es als zutiefst unsittlich charakterisiert, Menschen zum Gegenstand von Erkenntnis zu machen, weist er Barths Ansatz ab, daß aus der Geschichte, der eigenen wie aus der Geschichte anderer Menschen, zu lernen sei. 47
H . RÜCKERT, Geschichtsbetrachtung, S. 10.
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141
Hatte Rückert mit dem Wankheimer Vortrag noch partiell Barths Fragestellungen aufnehmen können, wird mit diesen grundsätzlichen Erklärungen die historische Aufarbeitung der deutschen Geschichte in unserem Jahrhundert ganz und gar blockiert. In seinem überdeutlichen Plädoyer für Personenschutz drückt sich zweifellos auch das Bedürfnis nach Schutz der eigenen Person aus. Obwohl Rückert nicht wie die anderen drei Tübinger Kollegen, mit denen er die Fakultätspolitik bestimmt hatte, Parteimitglied gewesen ist, zog er sich nach 1945 zurück von publizistischen Unternehmungen. Er hat sich selbst zum Schweigen verdammt, hat aber zugleich auch seine Schülerschaft auf Stillschweigen verpflichtet. Auch die anderen Holl-Schüler haben sich der Erinnerung und Bearbeitung der NSZeit weitgehend versagt. So hat die kirchenhistorische Schule, die als die führende Schule in unserem Jahrhundert sich verstand und galt, die zeitgeschichtliche Arbeit eher blockiert als gefördert. Daß die Impulse für die Kirchliche Zeitgeschichte eher aus der Schule Karl Barths und der Theologie der Bekennenden Kirche gekommen sind, begleitet die Geschichte dieses Fachs. Karl Barth und Martin Niemöller hatten den Weg ins Freie darin gesehen, sich der Vergangenheit mitsamt den Irrwegen und Verfehlungen, die sie begleiteten, auszusetzen und Verantwortung für das, was getan bzw. unterlassen war, zu übernehmen. Unter dem Eindruck des Jahres 1945 hat Rückert ansatzweise Bereitschaft dazu gezeigt. Doch kaum ein Jahr später, als nämlich die Entnazifizierungsverfahren in vollem G a n g waren, zieht er den Vorhang der Geschichte, den er ein wenig gelüftet hatte, unwiderruflich zu. Das Konzept einer personalen Geschichtsbetrachtung legt die Zeit des Nationalsozialismus unter Verschluß. Was hat ihn gehindert, seinen Weg durchs „Dritte Reich" im Gespräch mit der Schülerschaft, in der theologischen und kirchlichen Öffentlichkeit kritisch zu beleuchten? Konnte das Eingeständnis in Irrtumsfähigkeit herauswachsen aus der politischen Kultur, in der Rückert sich bisher orientiert hatte? Wäre es für einen Mann seines gesellschaftlichen Standes und seines Berufs tatsächlich denkbar gewesen, öffentlich zu widerrufen? Eher hätte das Theologe-Sein dazu führen können, von der vorgenommenen Theologisierung, ja Vergöttlichung des Nationalsozialismus abzurücken. Doch am 19. Mai 1945 war er vom Großen Senat der Universität Tübingen per Akklamation zum Prorektor gewählt worden und war vom Sommersemester 1946 an als Dekan seiner Fakultät wieder an der Universitätsleitung beteiligt 4 8 . Nach Kriegsende stellte die Universität fest, daß von den 160 Mitgliedern des Lehrkörpers nur 31 nicht der N S D A P ange4 8 Protokoll der Sitzung des Großen Senats vom 19. Mai 1945 (UA TÜBINGEN, 4 7 / 4 1 ) ; die Amtsübernahme im Dekanat geschah in der ersten Sitzung der ev.-theol. Fakultät im Sommersemester 1946 am 15. Mai 1946 lt. Protokollbuch der Fakultät (EBD., 162/2).
142
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hörten 4 9 . Zu dieser Minderheit von knapp 2 0 % gehörte Rückert. E r war nicht Parteimitglied gewesen, konnte Leitungsämter übernehmen und wurde sogleich für den Neuaufbau herangezogen. Der Mehrheit seiner Kollegen aber war er deshalb akzeptabel erschienen, weil er, anders als sein Kollege, der Neutestamentier Otto Bauernfeind, weder Anschluß an die Bekennende Kirche gefunden, noch je eine prinzipielle Ablehnung des Nationalsozialismus öffentlich zu erkennen gegeben hatte. So mochte er denjenigen in der Universität und in der eigenen Fakultät, die wegen ihrer Parteimitgliedschaft nun unter Druck geraten waren, als ein potentieller Fürsprecher ihrer Interessen erscheinen 5 0 . Der Wandel von Rückerts anfänglicher Bereitschaft, sich in einem gewissen Umfang der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit zu stellen bis hin zu seinem Verdikt über zeitgeschichtliche Arbeit geht konform mit der kirchlichen Haltung gegenüber der Entnazifizierung. Clemens Vollnhals hat die Haltung der Mehrheit der Kirchenleitungen der evangelischen Landeskirchen sowie des Rates der E K D als „Offensive" gegen die Entnazifizierung während des Jahrs 1946 charakterisiert 51 . Es ist auffallend, daß Rückert 4 9
U . D . ADAM, H o c h s c h u l e ,
S.153.
Von den 16 Professoren und Dozenten der evangelisch-theologischen Fakultät waren nach einer Aufstellung des Dekans vom September 1945 noch vier ehemalige Pg. in der Fakultät, nachdem der Neutestamentier Gerhard Kittel und der Kirchenhistoriker Ernst Stracke bereits am 7. Juli 1945 suspendiert worden waren und ihre Namen im Vorlesungsverzeichnis gestrichen werden mußten. Karl Fezer, der Praktische Theologe und Ephorus des Evangelischen Stifts, war seit Mai 1933 Pg. wie auch der Alttestamentier Artur Weiser und der Neutestamentier O t t o Michel. Letzterer war allerdings am 15. März 1945 aus der N S D A P ausgetreten. Der Praktische Theologe Hermann Faber war Parteimitglied seit 50
1937. D i e A u f s t e l l u n g des D e k a n s in: U A
TÜBINGEN,
162/11
13a.
Schon am 3. Mai 1945 waren Kittel und Fezer durch die französische Militärregierung verhaftet worden. Während Kittel für Monate in ein Internierungslager nach Balingen gebracht wurde, gelang es Fezer gegenüber der französischen Besatzungsmacht, sich damit zu entlasten, daß er die Funktionsfähigkeit des Evangelischen Stifts während des „Dritten Reiches" erhalten habe. O t t o Michel verwies auf seine Zugehörigkeit zur Jungreformatorischen Bewegung und zur Bekennenden Kirche während seiner Hallenser Zeit; daß er 16 Jahre lang als Assistent und Privatdozent von jedem beruflichen Aufstieg ausgeschlossen worden sei; daß er schon von Herbst 1942 an gern seine Verbindung zur N S D A P als beendet angesehen hätte. Diese Informationen wurden von der Besatzungsmacht als Beleg für Michels Widerstandshaltung gegenüber dem Nationalsozialismus anerkannt. Zu Kittel: L. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, Neutestamentliche Wissenschaft, S. 114ff.; DIES., Universitätstheologie. Vgl. auch O. MICHEL, Anpassung, bes. S. 98ff. Gemeinsam mit dem Dekan Weiser hatte Rückert als Prodekan zehn Jahre lang eine Leitungsfunktion im NS-Staat innegehabt. Anders als Fezer konnte Weiser sich von der Parteimitgliedschaft nicht entlasten, ebensowenig wie von seinem Leitungsamt als Führer der Fakultät — dies wiederum im Unterschied zu Rückert. Diese Daten zeigen, wie schwer, ja unmöglich eine Gleichbehandlung bei der Entnazifizierung war. Auf die mit der Entnazifizierung verbundenen Probleme verweist nachdrücklich O. BACHOF, „Entnazifizierung". 5 1 C . VOLLNHALS, Kirche und Entnazifizierung, S. 6 9 - 8 4 ; der Abschnitt über Württemb e r g , e b d . , S. 1 8 0 - 1 9 9 .
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sich an den Stellungnahmen der E K D und Bischof Wurms zur Entnazifizierung orientiert, als er sich eine Verteidigungslinie sowohl seines eigenen Verhaltens als auch für den Weg der Tübinger Theologen durchs „Dritte Reich" aufbaut. Indem ihm in der „Stunde N u l l " wieder Leitungsämter übertragen worden waren, war ihm ja auch bedeutet worden, daß er sich nichts vorzuwerfen hätte. In einem langen Schriftsatz aus dem Jahr 1946 legt er dar, wie er dem nationalsozialistischen Regime damit entgegengetreten sei und Widerstand geleistet habe, indem er zusammen mit dem Dekan an der engen Zusammenarbeit mit der württembergischen Landeskirche und Bischof Wurm festgehalten und zugleich die Intaktheit der Fakultät verteidigt habe. Dazu zählt für ihn nicht nur das äußere Funktionieren des Lehrbetriebs, sondern auch „die Wahrung des biblisch-kirchlichen Charakters der theologischen Ausbildung" 5 2 . Daß allerdings in seinen öffentlichen Universitätsreden und in der Zeitschrift „Deutsche Theologie" eine sich für den Nationalsozialismus öffnende Neudefinition dessen, was der biblisch-kirchliche Charakter der Theologie sowie der theologischen Ausbildung bedeuten könne, vorgenommen worden ist, die von der Bekennenden Kirche als Abweichung und Irrlehre zurückgewiesen wurde; daß also genau dies während des Kirchenkampfes unter den dissentierenden theologischen und kirchenpolitischen Gruppierungen strittig war, welcher der unverletzbare biblisch-kirchliche Charakter der theologischen Ausbildung sein müsse, — dies blendet Rückert aus 5 3 . Hätte er dies zur Sprache gebracht, hätte er ja nicht nur über sich selbst, sondern auch über Kollegen und Freunde kritisch gesprochen; er hätte den Prestigeverlust einer ganzen Schule eingeleitet. 5 2 G u t a c h t e n über die F ü h r u n g des D e k a n a t s der E v . - T h e o l . Fakultät durch Professor Weiser 1 9 3 5 - 1 9 4 5 v o m 19. August 1946 v o n H a n n s R ü c k e r t im DEKANAT DER EV.-THEOL. FAKULTÄT TÜBINGEN. R ü c k e n s E i n s c h ä t z u n g trifft zu z.B. im H i n b l i c k auf die D e n k s c h r i f t „ Z u r Frage der R e f o r m des theologischen Studiums", die er im Auftrag der T ü b i n g e r evang.-theol. Fakultät erarbeitet hat z u m Fakultätentag am 25. A p r i l 1938 ( U A TÜBINGEN, 1 6 2 / X I I I 3b, Anlage 1 des B e r i c h t s über die Verhandlungen des Fakultätentages der evangelisch-theologischen Fakultäten D e u t s c h l a n d s in H a l l e a.d. Saale v o m 2 5 . April 1938). 5 3 D u r c h den E n t s c h e i d der S p r u c h k a m m e r für den L e h r k ö r p e r der Universität T ü b i n gen v o m 1 7 . 6 . 1 9 4 9 hat seine Sicht auf das P r o b l e m U n t e r s t ü t z u n g erfahren. E r wurde als „entlastet" eingestuft mit folgender Begründung: „ D i e formelle Belastung ist geringfügig, eine darüber hinausgehende materielle politische Belastung k o n n t e n i c h t festgestellt werden. D a das Lehramt in einwandfreier Weise geführt wurde, gilt die geringfügige politische Belastung durch diese H a l t u n g als ausgeglichen" ( U A TÜBINGEN, 1 9 3 / 8 7 6 ) .
D i e E r f o r s c h u n g der E n t n a z i f i z i e r u n g der Universität T ü b i n g e n im „ E l d o r a d o der Duldsamkeit", als das das unter französischer Besatzung stehende S ü d w ü r t t e m b e r g - H o h e n z o l lern galt, steht n o c h aus. Vgl. dazu T. ESCHENBURG, J a h r e der Besatzung, S. 1 0 8 - 1 2 0 . D i e Situation an der Universität T ü b i n g e n im J a h r 1945 d o k u m e n t i e r t M . SCHMID / V. SCHÄFER, Wiedergeburt des Geistes. Zur G e s a m t t h e m a t i k : F. KNIPPING/J. LE RIDER, F r a n k r e i c h s Kult u r p o l i t i k in D e u t s c h l a n d .
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Leonore Siegele-Wenschkewitz
Wenn Rückert zur Verteidigung seines amtsenthobenen Kollegen Artur Weiser im April 1947 anführt: „Auch eine Universität hat eine Seele und steht unter den Gesetzen des personalen Lebens", so gibt er damit seiner tiefen Uberzeugung Ausdruck, daß eine kritische Aufarbeitung der NSVergangenheit nicht möglich, aber auch nicht wünschenswert sei 54 . Diese Auffassung hat er zeitlebens beibehalten. Zu Beginn der 70er Jahre hat er ihr spektakulär Ausdruck verliehen, indem er im „Schwäbischen Tagblatt" eine Annonce veröffentlichte: „Wer hilft mir meine Akten vernichten?" Daß dies tatsächlich geschehen ist, belegen die kläglichen Reste seines Nachlasses, die das Universitätsarchiv in Tübingen verwahrt. Dies Nichtsprechen hat ihm den Weg ins Freie verwehrt. Es war für ihn selbst wohl die größte Last. Aber ebenso belastet das Verschweigen und Verdrängen seine Schülerinnen und Schüler bis auf den heutigen Tag. Gleichwohl hat er mir selbst den Anstoß gegeben, diese Studie zu schreiben. Seit Mitte der sechziger Jahre war ich Hörerin seiner kirchenhistorischen Vorlesungen. Ich habe mehrmals erlebt, daß Rückert seinen Vortrag unterbrach und mit starker innerer Bewegung Andeutungen über Schuld und Versagen von Hochschullehrern und Wissenschaftlern während der NSZeit machte, in die er sich offenkundig selbst einschloß. Allerdings ist es bei dunklen Andeutungen geblieben, die bei mir aber das Interesse geweckt haben, genauer nachzufragen und den Dingen auf den Grund zu gehen. Rückerts Verflochtenheit in das Zeitgeschehen vor 1933 und dann besonders in das Jahr der „nationalen Erhebung" 1933, die Art und Weise, wie er angesichts der nationalsozialistischen Wende die Zeitereignisse theologisch gedeutet hat, hat ihn gelähmt. Doch fehlte ihm die Kraft, nach 1945 in kritischer Revision seines Geschichtsbildes an die zeitgeschichtliche Arbeit heranzugehen oder sie doch wenigstens zuzulassen. Die Unterdrückung der Erinnerung an Zeiterfahrung und die theologische Deutung von Zeitereignissen haben ihm den Zugang zur Zeitgeschichte versperrt 55 . 54 Schreiben H . Rückerts an das Staatssekretariat f ü r das französisch besetzte Gebiet Württembergs und Hohenzollerns, Landesdirektion f ü r Kultus, Erziehung und Kunst vom 23.4.1947 (UA TÜBINGEN, 205/11). 55 Es mag die Frage aufgeworfen werden, ob nicht Rückerts entschiedene Enthaltsamkeit und Abwehr gegenüber Zeitgeschichtsforschung, die er mit anderen Holl-Schülern teilte, möglicherweise traditionsbildend gewirkt hat. Bis heute genießt die Kirchliche Zeitgeschichtsforschung in der theologischen Zunft nicht dieselbe Dignität wie andere Epochen der Kirchengeschichte. Neben den als obligatorisch geltenden Zeitabschnitten der Alten Kirche, des Mittelalters, der frühen Neuzeit, dem Zeitalter der Orthodoxie oder dem 19. Jahrhundert gilt die Kirchliche Zeitgeschichtsforschung, die so unterschiedliche Zeiträume und Problemkonstellationen umfaßt wie das Kaiserreich, die Weimarer Republik, die NS-Zeit, die Jahre der Besatzung, die Zeit der beiden deutschen Staaten, als Zusatzqualifikation. Lehrstühle, die für kirchliche Zeitgeschichte ausgewiesen sind, gibt es — anders als in geschichtswissenschaftlichen Fachbereichen — an theologischen Fakultäten und Kirchlichen Hochschulen noch nicht.
WILHELM
DAMBERG
Kirchengeschichte zwischen Demokratie und Diktatur. Georg Schreiber und Joseph Lortz in Münster 1933-1950 Die Zeitgeschichte hat in der Chronik des Lehrstuhls für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät in Münster zwischen 1933 und 1950 tiefe Spuren hinterlassen, die sich mit der Erinnerung an zwei Wissenschaftler von besonderem Rang verbinden: Georg Schreiber (1882-1963) und Joseph Lortz (1887-1975). Ziel dieser Skizze ist es nicht, das Profil ihrer Persönlichkeiten biographisch und wissenschaftlich auszuleuchten und zu würdigen — dazu liegen bereits verschiedene Studien vor. Vielmehr soll hier versucht werden, über die Einzelbiographie hinauszugehen und im Vergleich wissenschaftlicher Karrieren Fakultätsgeschichte im Kontext der Zeitgeschichte zu lesen 1 . Freilich stellen sich einem solchen Unternehmen die bekannten Schwierigkeiten entgegen: So ist ein Nachlaß von Georg Schreiber bisher nicht zugänglich 2 , der in Privatbesitz befindliche Nachlaß von Joseph Lortz konnte teilweise für eine Biographie ausgewertet werden, auf die im folgenden zurückgegriffen wird 3 . Die Akten der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster unterliegen z.T. noch den gesetzlichen Sperrfristen, wobei allerdings als Besonderheit zu vermerken ist, daß sie in den 60er Jahren für eine von 1773 bis 1964 reichende Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät ausgewertet wurden, die der damalige Ordinarius für Kirchengeschichte, Eduard Hegel, verfaßte 4 . Trotzdem lassen die Ergebnisse der bisher vorliegenden Studien und die zugänglichen Quellen den Versuch, am Beispiel zweier Biographien einen Ausschnitt der Zeitgeschichte der münsterischen Fakultät näher zu beleuchten, durchaus lohnend erscheinen. Dabei soll zunächst die Biographie Schreibers (Ordinarius für Kirchengeschichte 1 9 1 7 - 1 9 3 5 und 1945-1951), dann von Lortz (Ordinarius für Kirchengeschichte und Missionsgeschichte 1935-1945) verfolgt werden — jeweils bis zum Zusammenbruch der Diktatur. Ein dritter Teil wird dann die Jahre von 1945 bis 1950 beleuchten, in denen die Lehrtätig-
1 V. CONZEMIUS hat in einer Studie über Lortz zu Recht darauf hingewiesen, daß es kaum Untersuchungen zu den katholischen Theologen in der NS-Zeit gibt, „so daß Vergleiche auf schwachen Füßen stehen" (Lortz, A n m . 104). 2 Zur Quellenlage: R. MORSEY, Schreiber (1981 / 82), S. 121 f. 3
G . LAUTENSCHLÄGER, L o r t z . Z u r Q u e l l e n l a g e E B D . , S. 1 1 - 1 3 .
4
E. HEGEL, Geschichte, Teil 1 / 2 .
146
Wilhelm Damberg
keit von Lortz die Fakultät vor erhebliche Probleme stellte, bis er Münster verließ. Die Ereignisse geben zugleich einen Schlüssel an die Hand, beide Persönlichkeiten als Exponenten entgegengesetzter Traditionen zu begreifen, die den deutschen Katholizismus in diesem Jahrhundert nachhaltig geprägt haben. 1. Am 27. Juli 1917 war Georg Schreiber zum Ordinarius des Lehrstuhls für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät ernannt worden 5 . An die Persönlichkeit, das wissenschaftliche und das politische Profil Schreibers hat vor allem Rudolf Morsey erinnert 6 . Geboren am 5. Januar 1882 als Sohn eines Försters in Rüdershausen bei Duderstadt im Eichsfeld, begann Schreiber 1901 ein Studium der Theologie, Geschichte und Germanistik an der Universität Münster. 1905 zum Priester geweiht, konnte er sein Studium in Berlin fortsetzen und promovierte 1909 zum Dr. phil. mit einer Dissertation zum Thema „Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert", die noch nach Jahrzehnten als Standardwerk galt. 1913 erwarb Schreiber in Freiburg den Dr. theol., wurde von der Katholisch-Theologischen Fakultät in Münster habilitiert und 1917 auf den Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte berufen. Seine Lehrtätigkeit übte er jedoch nur kurze Zeit aus, denn mit der Revolution von 1918 begann sich Schreiber politisch für das Zentrum zu engagieren und gelangte 1920 für den Wahlkreis Westfalen-Nord in den Reichstag, dem er bis 1933 angehörte. Für diese Zeit übernahm der Dozent Ludwig Möhler aus Freiburg die Vertretung des Lehrstuhls 7 . In Berlin galt Schreiber bald als Experte für Kultur- und Wissenschaftspolitik, wobei sein Einfluß, wie Morsey herausgearbeitet hat, besonders auf der Tätigkeit im Haushaltsausschuß beruhte. Im Laufe der Jahre wurde er in eine bald kaum mehr überschaubare Fülle von verschiedensten Funktionen in wissenschaftlichen und kulturpolitischen Institutionen und Gesellschaften berufen oder gewählt. Welche Ziele verfolgte der „Reichsprälat" 8 , wie er bald genannt wurde? Als Schreiber seine politische Karriere begann, fiel dies mit einer gewandelten Situation der Katholiken im Reich zusammen. Mit der Weimarer Verfassung waren viele Forderungen, die man im 19. Jahrhundert verfochten hatte, erfüllt worden, sowohl individuelle Grundrechte als auch die Anerkennung der Unabhängigkeit der Kirchen von staatlicher Bevormundung. Die lange diskriminierte Volksminderheit der Katholiken konnte sich in dem neuen Staatswesen frei entfalten. Damit aber drohte für das
5
EBD., Teil 1, S.430.
6
Vgl. R . MORSEY, S c h r e i b e r ( 1 9 7 5 ; 1 9 8 1 / 8 2 ; 1983). I n d i e s e n B e i t r ä g e n ist a u c h d i e
ältere Literatur aufgeführt. 7 Zu Möhler: E. HEGEL, Geschichte, Teil 1, S. 114 f. 8
R . MORSEY, S c h r e i b e r ( 1 9 8 1 / 8 2 ) , S . 1 4 0 .
Kirchengeschichte zwischen Demokratie und Diktatur
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Z e n t r u m als politischer Vertretung der Katholiken der Verlust seiner bisherigen Funktion, da seine sehr heterogene Wählerschaft aus allen Bevölkerungsschichten n u r durch die konfessionelle Klammer zusammengehalten wurde. Welche Aufgaben sollte es in Z u k u n f t wahrnehmen? Fortan betonte die Partei kulturpolitische Zielsetzungen, was genau den Schwerpunkten des politischen und wissenschaftlichen Engagements von Schreiber entsprach 9 . Im Mittelpunkt seines Interesses stand dabei der seit 1918 in Hochkonjunktur stehende Begriff des „Volkstums". Wissenschaftlich lenkte dies Schreibers Interessen immer stärker in Richtung auf die (religiöse) Volkskunde, politisch zielte er auf eine Kulturpolitik ab, die sich als „Volkstumspflege" verstand und die inneren Kräfte des Volkes mobilisieren sollte. Wichtig ist, daß Schreiber sich von einer staatlichen Vereinnahmung des „Volkstums" absetzte: „Es stehen noch bestimmte Mächte neben dem Staat, die für alle Volkstumsentwicklung von höchstem Wert sind, wie das Ich, die Familie, der Verband, die Wirtschaft, die Wissenschaft, die Erziehung, das Recht, die Gesellschaft, die Technik, nicht zum wenigsten der Lebensbereich religiöser Grundkräfte." 10 D a ß Schreibers „Volkstumspflege" das genaue Gegenteil von nationalistischer Gleichschaltung in der Kulturpolitik anstrebte, wie sie nach 1933 Wirklichkeit wurde, erweist sich in der Minderheitenfrage: Der „Volkstumsgedanke ist im G r u n d e genommen ein minderheitenfreundlicher Begriff, ist zudem eine strategische Idee im Kampf um die Minderheitenexistenz" 1 1 . Schreiber drängt hier auf einen Ausgleich zwischen Minderheit und Mehrheit auf der Grundlage garantierter kultureller Autonomie 1 2 . Auch wenn er sich in erster Linie mit der Situation der Auslandsdeutschen befaßte, so wird doch erkennbar, daß seine kulturpolitischen Vorstellungen gleichfalls ein Modell für die Integration der Katholiken in die Weimarer Republik enthielten, mit dessen Hilfe das Ghetto der Kaiserzeit ohne Identitätsverlust hätte verlassen werden können. Schreiber gehörte damit zu jenen Katholiken, die sich bewußt auf den Boden der Republik stellten und die die Reserven großer Teile der Intelligenz' nicht teilten, sondern im Gegenteil im wissenschaftlichen und politischen Bereich bemüht waren, zu ihrer Stabilisierung beizutragen. Von dieser Position wich er auch in der Endphase der Republik nicht ab: Er setzte 9
EBD.,
S. 138f.
Volkstum, S . 4 5 . S. 19. 12 EBD., S. 71. Die Spitze der Argumentation wird besonders erkennbar, wenn es heißt: „So sollten an mehr als einer Stelle Volkstum A und Volkstum B, die sonst als Mehrheit und Minderheit auf Leben und Tod gegeneinander kämpfen, eigentlich gegen den Eingriff der Staatsraison innerlich zusammenstehen" (EBD., S. 56f.). 10
11
G.
SCHREIBER,
EBD.,
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sich kritisch mit Theorien auseinander, die in einer autoritären oder totalitären Staatsform einen Ausweg aus der Krise sahen und hielt unerschütterlich am Grundgedanken des demokratischen Volksstaates fest 1 3 . Unter diesen Umständen nimmt es nicht wunder, daß Schreibers wissenschaftsund kulturpolitische Tätigkeit im Jahre 1933 ein jähes Ende fand. Er widmete sich nun wieder seinem Lehrstuhl in Münster und zwei von ihm gegründeten, von der Universität unabhängigen Forschungsinstituten, dem „Deutschen Institut für Auslandskunde" (gegr. 1927) sowie dem „Deutschen Institut für Volkskunde" (gegr. 1933), mit denen er sich Fragen der religiösen Volkskunde zuwandte. Zunächst blieb Schreibers Stellung an der Universität unangetastet, wie überhaupt die „Machtergreifung" an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Münster keine einschneidenden Veränderungen mit sich brachte. Tatsächlich war der Parteiführung der N S D A P im nördlichen Westfalen im Sommer 1933 daran gelegen, in dieser Hochburg des Katholizismus, wo die Partei noch bei den Märzwahlen mit die schlechtesten Wahlergebnisse im ganzen Reich erzielt hatte, das O d i u m des ,Neuheidentums' zu überwinden, und pflegte entsprechend ein konservativ-christliches Pathos. Man bemühte sich um einen Brückenschlag zwischen Katholizismus und ,Nationaler Revolution', wobei den Rechtskatholiken eine Vermittlungsfunktion zukam. Zu ihnen zählte der zum Oberpräsidenten der Provinz Westfalen ernannte Ferdinand Freiherr von Lüninck, Mitglied der D N V P . Auch der neue Bischof, Graf von Galen, hatte aus seiner Ablehnung der Republik niemals einen Hehl gemacht. In diese Stimmungslage fügte sich, daß der am 4. Mai 1933 zum Ordinarius für Dogmatik ernannte, gerade 35 Jahre alte Michael Schmaus 1 4 im Auditorium Maximum der Universität am 11. Juli 1933 1 5 einen vielbeachteten Vortrag zum Thema „Begegnungen zwischen katholischem Christentum und nationalsozialistischer Weltanschauung" hielt 1 6 . Allerdings kann man von diesem Vortrag 13
G . SCHREIBER, R e g i e r u n g , S . 1 0 9 .
Michael Schmaus (geb. 1897), 1929-33 Prof. für D o g m a t i k in Prag, 1933-45 in Münster, 1946-65 in München. D i e Berufungsliste, auf der Schmaus an zweiter Stelle stand, war noch vor der „ M a c h t e r g r e i f u n g " eingereicht worden (E. HEGEL, Geschichte, Teil 1, S. 457; Teil 2, S. 75-78); eine neuere theologische Würdigung: R . HEINZMANN, Identität. 1 5 A m 10.7. war die Nachricht von der Paraphierung des Reichskonkordates verbreitet worden, an demselben Tag fand in Münster die althergebrachte „ G r o ß e Prozession" unter Beteiligung von Parteiformationen und neuem Bürgermeister statt. 1 6 Der Vortrag wurde in der Schriftenreihe „Reich und K i r c h e " des münsterischen Verlags A s c h e n d o r f f veröffentlicht. Schmaus fragt nach d e m Verhältnis der Kirche zu den „tragenden Ideen" der nationalsozialistischen Weltanschauung ( „ G e m e i n s c h a f t , Volk, Bindung, A u t o r i t ä t " ) und k o m m t zu dem Ergebnis, daß die Kirche diese Werte grundsätzlich bejaht, wenngleich innerhalb bestimmter Grenzen. Ausdrücklich war deshalb nur von „Begegnungen", nicht von „ D e c k u n g " die Rede: „ I m m e r jedoch war es katholische Art, Wahrheit und Wert überall zu bejahen, wo i m m e r sie sich f i n d e n " (M. SCHMAUS, Begegnungen, S. 45). Zu Schmaus vgl. auch K . SCHOLDER, Kirchen, Bd. 1, S. 543 f. 14
Kirchengeschichte zwischen Demokratie und Diktatur
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schwerlich auf die Einstellung der gesamten Fakultät schließen — nicht zufällig wurde er auf Einladung der Fachschaft gehalten. Die Fakultät war in den vergangenen Jahren eher durch ein republikanisches Engagement aufgefallen, seitdem der Moraltheologe Joseph Mausbach (|1931) an der Ausarbeitung der Weimarer Verfassung mitgewirkt hatte; Nachfolger auf seinem Lehrstuhl wurde sein Schüler Peter Tischleder 1 7 . Zusammen mit Schreiber hatte sich auch der Religionswissenschaftler Johann Peter Steffes öffentlich für Frieden und Abrüstung eingesetzt 1 8 . Zweifellos war aber Schreiber nach dem Tode Mausbachs derjenige, der sich am stärksten für die Republik engagiert hatte. Daß seine Entlassung unterblieb, obwohl sie von einer Gleichschaltungskommission an der Universität betrieben wurde 1 9 , lag sicher auch darin begründet, daß dies der auf Harmonie angelegten propagandistischen Linie des Jahres zuwidergelaufen wäre. Im Jahre 1935 hatte sich dann das Bild entscheidend gewandelt: Der verbreitete Optimismus war verflogen, die unüberbrückbaren weltanschaulichen Positionen traten immer deutlicher hervor 2 0 , die progressive Unterdrückung des organisierten Katholizismus war kaum noch zu übersehen. Auch im Bildungssektor wurde der Druck verschärft: Auf Anweisung des Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung begannen in Westfalen seit Frühjahr 1934 systematisch Versetzungen von Schulleitern, die bis 1933 für das Zentrum politisch aktiv gewesen waren 2 1 . A m 21. Januar 1935 wurden die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, auch Hochschullehrer auf diesem Wege zu entfernen 2 2 . Unter dem Datum des 2. April 1935 wurde Schreiber zwangsweise an die Akademie nach Braunsberg in Ostpreußen versetzt, deren Theologische Fakultät sich dadurch auszeichnete, daß sich hier drei Professoren in einem für
1 7 J o s e p h Mausbach ( 1 8 6 1 - 1 9 3 1 ) , 1 8 9 2 - 1 9 3 1 P r o f . für M o r a l t h e o l o g i e und A p o l o g e t i k in M ü n s t e r ; Peter T i s c h l e d e r ( 1 8 9 1 - 1 9 4 7 ) , 1 9 3 1 - 4 5 P r o f . für M o r a l t h e o l o g i e in Münster, 1 9 4 6 - 4 7 in M a i n z (vgl. E . HEGEL, G e s c h i c h t e , Teil 1, S. 4 3 7 - 4 4 0 , 4 5 5 f.; Teil 2, S. 4 8 - 5 1 , 9 4 f . ) . 1930 k a m es während des Katholikentages in M ü n s t e r im Auditorium M a x i m u m der Universität zu einer lebhaften D i s k u s s i o n , als der damalige Pfarrer von St. L a m b e r t i , G r a f von G a l e n , die Z u s t i m m u n g des Z e n t r u m s zur Verfassung kritisierte. Daraufhin wurde M a u s b a c h herbeigeholt, der die u m s t r i t t e n e n Passagen ( „ D i e Staatsgewalt geht v o m Volke a u s " ) verteidigte (vgl. J . HOFMANN, J o u r n a l i s t , S. 5 7 f . ) . 1 8 J o h a n n Peter Steffes ( 1 8 8 3 - 1 9 5 5 ) , 1 9 2 3 - 2 7 P r o f . in N i j m e g e n / N i e d e r l a n d e , 1927-52 Prof. für Religionswissenschaften in M ü n s t e r (vgl. E . HEGEL, G e s c h i c h t e , Teil 1, S. 4 5 2 f f . ; Teil 2, S. 9 0 - 9 3 ) .
L . KURZ, 2 0 0 J a h r e , S . 9 0 f . ; R . MORSEY, Schreiber ( 1 9 8 1 / 8 2 ) , S. 1 4 4 f . Insbesondere der G a l e n s c h e O s t e r h i r t e n b r i e f des Jahres 1934 gegen das „Neuheident u m " scheint in Westfalen massiv in dieser R i c h t u n g gewirkt zu haben ( A b d r u c k : P. LÖFFLER, G a l e n , S. 6 7 - 7 2 ) . 19
20
21
W . DAMBERG, K a m p f , S. 8 8 - 9 4 .
„Gesetz über die E n t p f l i c h t u n g und Versetzung v o n H o c h s c h u l l e h r e r n aus A n l a ß des Neuaufbaus des deutschen H o c h s c h u l w e s e n s " v o m 2 1 . 1 . 1 9 3 5 ( R G B l 1935 I, S . 2 3 f . ) . 22
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Wilhelm Damberg
Katholiken ungewöhnlichen Maße für den Nationalsozialismus eingesetzt hatten: der Kirchenrechtler Hans Barion, der Dogmatiker Karl Eschweiler und der Kirchenhistoriker Joseph Lortz 2 3 . Letzterer war seinerseits einen Tag zuvor, unter dem Datum des 1. April 1935, nach Münster auf den vakanten Lehrstuhl für Missionswissenschaft versetzt worden, der mit Lehraufträgen für Patrologie und Dogmengeschichte verbunden war 2 4 . Der Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte blieb von nun an unbesetzt. Dieser Umstand sollte nach 1945 eine wichtige Rolle spielen. Schreiber selbst hat sich der Versetzung nach Braunsberg entzogen, indem er sich zunächst beurlauben, dann „Dienstunfähigkeit" attestieren ließ, wobei ihm offenbar seine zahlreichen Kontakte zu einflußreichen Persönlichkeiten zu Hilfe kamen 2 5 . Von nun an widmete er sich ganz privaten Forschungen und Veröffentlichungen zur religiösen Volkskunde, zunächst noch mit den Mitteln der von ihm begründeten Institute, bis diese Anfang 1938 geschlossen wurden. Trotzdem konnte er noch bis 1944 publizieren, tauchte dann aber nach dem 20. Juli in Süddeutschland unter, als sämtliche ehemaligen Zentrumspolitiker verhaftet wurden. Das Kriegsende erlebte er in der Benediktinerabtei Ottobeuren 2 6 . 2. Wenn Person und Werk Georg Schreibers heute — von wenigen Kennern abgesehen — weitgehend vergessen sein dürften, so kann im Gegensatz dazu gesagt werden, daß die Erinnerung an Joseph Lortz offensichtlich weiterreicht — positiv als Wegbereiter der Ökumene, negativ wegen seines Einsatzes für den Nationalsozialismus. Die vergleichsweise lebendige Erinnerung an Lortz ist schon bibliographisch erkennbar. 1987, aus Anlaß seines lOOjährigen Geburtstages, erschienen eine Auswahlsammlung seiner Aufsätze 2 7 und eine umfängliche Biographie 2 8 , die Beiträge eines Kolloquiums wurden 1989 veröffentlicht 2 9 . Hatte schon Klaus Scholder bei der Darstellung des Jahres 1933 an Lortz erinnert 3 0 , so erschien 1990 ein Aufsatz, der sich ausführlich mit seiner „Brückenbau"-Theologie auseinandersetzte 3 1 . Zu den Verhältnissen in Braunsberg vgl. V. CONZEMIUS, Lortz, S. 2 5 3 - 2 5 6 . Diesen Lehrstuhl hatte seit 1914 J o s e p h Schmidlin (geb. 1876) innegehabt. 1934 war er nach Auseinandersetzungen mit den Nationalsozialisten, zu denen auch seine schwierige Persönlichkeitsstruktur beitrug, auf eigenen Wunsch vorzeitig emeritiert worden. 1944 k a m er im K Z Schirmeck ums Leben. Wenige Wochen nach der Ü b e r n a h m e des Lehrstuhls durch L o r t z wurde der Lehrauftrag umbenannt in „allgemeine Kirchengeschichte mit Berücksichtigung der Missionsgeschichte" (E. HEGEL, Geschichte, Teil 1, S. 479f., 488 f.; Teil 2, S. 78-80). 23 24
25 R . M O R S E Y , S c h r e i b e r ( 1 9 8 1 / 8 2 ) , 26 27
S.146f.
EBD., S. 150f. J. LORTZ, E r n e u e r u n g und Einheit.
28
G . LAUTENSCHLÄGER,
29
R . D E C O T / R . VINKE,
Lortz. Gedenken.
M K . S C H O L D E R , K i r c h e n , B d . 1, S . 5 4 4 F . 31
V. C O N Z E M I U S ,
Lortz.
Kirchengeschichte zwischen Demokratie und Diktatur
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Joseph Lortz wurde am 13. Dezember 1887 in G r e v e n m a c h e r / L u x e m burg als Sohn eines Kaufmanns geboren. 1907 begann er das Studium der Theologie und Philosophie in R o m und wechselte 1911 nach Freiburg/Schweiz. 1913 wurde L o r t z in Luxemburg zum Priester geweiht. Nachdem er seine Studien in Bonn fortgesetzt hatte, promovierte er 1920 mit einer Dissertation über „Tertullians Apologie des religiösen Lebens der Christen", 1923 habilitierte er sich bei dem Würzburger Kirchenhistoriker Sebastian Merkle und war dort mehrere Jahre als Privatdozent und Studentenseelsorger tätig. 1929 erhielt L o r t z einen Ruf als ordentlicher Professor an die Staatliche Akademie in Braunsberg/Ostpreußen. A n dieser kleinen Fakultät verfaßte er sein wohl bekanntestes, weil an einen breiteren Leserkreis gerichtetes Werk, die „Geschichte der Kirche in ideengeschichtlicher Betrachtung". Ursprünglich als Schulbuch für die Oberstufe geschrieben 3 2 , brach Lortz hier mit der damals vorwiegend chronistisch betriebenen und als unfruchtbar empfundenen Darstellung der Kirchengeschichte. Sein Ziel sei nicht, so heißt es im Vorwort von 1932, „eine Auswahl chronologisch oder alphabetisch geordneter Stichwörter . . . Was ich versuche wiederzugeben, ist die Geschichte selbst, in ihrem vielfältigen Aufbau und ihrer komplizierten Schichtung . . ., aber so, daß die Ideen als die herrschenden Kräfte heraustreten. Welche Ideen das jeweils sind, wird am historischen Verlauf selbst abgelesen, nicht aber wird ein aprioristisches Schema abgewandelt"33. 3 2 Zunächst erschien das W e r k unter M i t a r b e i t von F. X . Seppelt ( 1 8 8 3 - 1 9 5 6 , Prof. für Kirchengeschichte in Breslau) und O t t o K o c h (Studienrat in D o r t m u n d ) in Teilbänden von 1929 bis 1931 unter dem Titel „Geschichte der Kirche. F ü r die O b e r s t u f e h ö h e r e r Schulen". 1932 wurden die Teilbände unter dem neuen Titel „Geschichte der K i r c h e in ideengeschichtlicher Betrachtung. E i n e S i n n d e u t u n g der c h r i s t l i c h e n Vergangenheit in G r u n d z ü g e n " zu e i n e m Band z u s a m m e n g e f a ß t , der bereits 1933 in 2. Auflage erschien. Dieser Auflage wurde auf e i n e m gesonderten Blatt ein N a c h t r a g ü b e r „Nationalsozialismus und K i r c h e " angefügt, in der 3. und 4. Auflage ( 1 9 3 6 ) ein neu verfaßter A b s c h n i t t zu diesem T h e m a in den Text integriert, in der 5. Auflage (1937) hat L o r t z diese Passage dann ersatzlos gestrichen (in völlig überarbeiteter Gestalt erreichte das B u c h bis 1965 23 Auflagen). D i e A n g a b e n bei G . LAUTENSCHLÄGER über die Auflagen sind etwas u n e i n h e i t l i c h : S o wird die Erstauflage des Gesamtwerkes auf 1932 datiert ( L o r t z , S. 2 3 9 , 519), aber auch als 2. Auflage zitiert (S. 2 5 2 f . ) . Vollends widersprüchlich sind die A n g a b e n über die redaktionellen Ergänzungen: S o soll der N a c h t r a g über K i r c h e und Nationalsozialismus der 3. und 4. Auflage beigefügt worden sein, der in den Text eingearbeitete A b s c h n i t t wird aber gleichfalls nach diesen Auflagen zitiert — freilich mit falscher Seitenzahl (S. 3 2 4 , A n m . 2 1 0 : F ü r 92 ist 9 0 zu setzen. Vgl. dazu V. CONZEMIUS, L o r t z , S. 276). Unverständlich ist auch, warum der N a c h t r a g auf dem Beiblatt erst 1935 gedruckt worden sein soll ( G . LAUTENSCHLÄGER, L o r t z , S . 3 2 4 ) , zumal auf S . 3 2 2 f . ein B r i e f von J . P . Kirsch v o m 2 3 . 4 . 1 9 3 5 zitiert wird, aus dem hervorgeht, daß L o r t z mit der E i n a r b e i t u n g dieses Textes in die Neuauflage befaßt war — K i r s c h rät L o r t z , den Inhalt des Nachtrags zu überarbeiten oder ganz wegzulassen, weil sonst mit einer Verurteilung durch den Vatikan zu r e c h n e n sei. A u c h V. CONZEMIUS stolpert über die Redaktionsgeschichte: H i e r wird der N a c h t r a g der 3. Auflage zugeordnet, die 4. Auflage auf 1934 datiert ( L o r t z , S . 2 4 7 , 2 6 1 , 2 6 7 , A n m . 1). 33
J . LORTZ, G e s c h i c h t e der K i r c h e , V o r w o r t zur Gesamtausgabe 1932, V / V I .
152
Wilhelm Damberg
Die Gegenwart sah Lortz durch gegenläufige Tendenzen gekennzeichnet: Einerseits schreitet ein seit Jahrhunderten andauernder, vom Subjektivismus und später Liberalismus gekennzeichneter Zersetzungsprozeß immer weiter fort, der Kirche und Gesellschaft bedroht. Den Beginn datiert er auf das 12. Jahrhundert: „Seit Ende des 13. Jahrh., nein schon seit der Mitte des 12. hat eine Zersetzung stattgefunden, welche (aufs Ganze gesehen) die Menschheit immer weiter von der Kirche abführte. Ein siebenhundertjähriger „Zerstörungsprozeß" liegt hinter uns." 34 Andererseits macht Lortz gerade seit 1900 eine gegenläufige Bewegung aus: ,,a) Philosophisch: Abwendung vom Zweifel, vom Kritizismus, Historismus, Subjektivismus zum Objektivismus . . . . b) Ethisch: Von der ungebundenen Freiheit zur Autorität, vom Egoismus des Individualismus zum Gemeinschaftsgedanken. c) Politisch: Beschneidung der liberal-demokratischen Idee und ihrer Frucht, des Parlamentarismus, zugunsten des Gedankens der Führerschaft' (Diktatur, überparteiliches Parlament). d) Religiös: Ein ausgeprägteres Verständnis sowohl für das Recht der Organisation im Religiösen (also das ,Kirchliche'), wie für Eigenart und Eigenrecht des Religiösen überhaupt." 35 Es verwundert nicht, daß Lortz von einer solchen Position und Deutung der Geschichte her die „Machtergreifung" als Durchbruch der geistesgeschichtlichen „Wende" interpretierte, von deren Möglichkeit er bereits 1931 gesprochen hatte 3 6 . Seine Intentionen beschrieb er 1945 wie folgt: „Immer, wenn eine neue Idee in die Öffentlichkeit geworfen wird, setzt der Kampf um ihre Ausdeutung ein. Und es kommt dann jeweils darauf an, welche Kräfte bei der Deutung siegen. Ich fand in der NS-Idee ... Elemente, die ich nach
EBD., IV. Teil, Münster 1931, S . 3 9 0 (Hervorhebung im Original). EBD., S. 386. D e r D e u t u n g der neueren Geschichte als Auflösungs- bzw. Zersetzungsprozeß ist Lortz auch nach 1945 treu geblieben, freilich mit Modifikationen. So übernehmen die Neuauflagen nach dem Kriege unter „Allgemeine Kennzeichnung der N e u z e i t " zunächst die Formulierung: „ D i e Neuzeit ist also beherrscht durch diese Auflösungstendenzen, d.h. den Subjektivismus und Individualismus, Nationalismus, Laikaiismus, Säkularisierung und D e m o k r a t i e . . ." (EBD., 1 7 . / 18. Aufl. 1953, S . 2 1 7 ) . In der 21., völlig neu bearbeiteten Auflage (1964) lautet der entsprechende Passus dann: „ D i e Neuzeit ist also in ihrer Eigenart zuerst zu erkennen an ihrer Verschiedenheit von der vorhergehenden Zeit, dem Mittelalter, also durch Auflösungstendenzen: Subjektivismus und Individualismus, Nationalismus, Laikaiismus und Säkularisierung [ D e m o k r a t i e ausgelassen!]. . . . D e r Ausdruck ,Auflösungstendenzen' ist aber keineswegs nur vom spezifischen Mittelalterlichen her zu verstehen; er hat die Gültigkeit einer Wesensbestimmung, insoweit die Neuzeit als Ganzes die katholische, überhaupt die christliche, ja die religiöse Mitte verliert" (EBD., 21. Aufl. 1964, Bd. 2, S. 4 f.). 34
35
36
EBD., S. 389 sowie Nachtrag „Nationalsozialismus und Kirche", S. 4.
Kirchengeschichte zwischen D e m o k r a t i e und D i k t a t u r Ausweis meiner Geschichte der K i r c h e . . .
153
1 9 3 0 o h n e K e n n t n i s d e s N S als f ü r d i e
k o m m e n d e geistig-religiöse E n t w i c k l u n g m a ß g e b l i c h g e k e n n z e i c h n e t hatte . . . waren
Elemente,
deren
Stärkung
einer
geistig-religiösen
Wiedergeburt
Es sehr
e r w ü n s c h t w a r e n , w e n n sie a u f r i c h t i g d u r c h g e f ü h r t w u r d e n . I c h f a n d a l s o d i e N S I d e e e i n e r k a t h o l i s c h e n D e u t u n g f ä h i g . Für diesen
so umschriebenen
Jahren
bis zu meiner
und Absage
diese
abgegrenzten
NS
an den
ein."i7
NS
trat
so definierte ich damals
Idee
des NS und
und
in den
D i e s e D e u t u n g des N a t i o n a l s o z i a l i s m u s liegt d e m N a c h t r a g sozialismus
und
Kirche"
„Geschichte
der
Kirche"
zugrunde, im
Jahre
den 1933
Lortz
der
beifügte38.
2.
„National-
Auflage
Hier
seiner
beschrieb
„grundlegende Verwandtschaften" zwischen Katholizismus und
Libe-
Gottlosigkeit,
Unsittlichkeit u n d für die ständische G l i e d e r u n g der Gesellschaft, lich d u r c h die G r u n d f o r d e r u n g
er
National-
sozialismus: die g e m e i n s a m e F e i n d s c h a f t g e g e n ü b e r B o l s c h e w i s m u s , ralismus u n d Relativismus, den g e m e i n s a m e n K a m p f gegen
für
nächsten
schließ-
„ G e m e i n n u t z geht vor Eigennutz".
wesentlich w a r für L o r t z , d a ß er i m N a t i o n a l s o z i a l i s m u s die
Ganz
Möglichkeit
sah, d u r c h die B e t o n u n g des n a t i o n a l e n G e d a n k e n s die konfessionelle Spaltung
wenigstens
praktisch
zu
überbrücken39.
Endlich
sei d e r
sozialismus kirchenpolitisch gesehen — u n d hier begegnen tung von
Geschichte
und Gegenwart
National-
sich die
Deu-
—
„ n i c h t s G e r i n g e r e s als d i e K r ö n u n g d e s E n t w i c k l u n g s g e s e t z e s d e r K i r c h e i m g a n zen 19. J a h r h u n d e r t . Dieses G e s e t z f ü h r t ü b e r die französische R e v o l u t i o n , deuts c h e S ä k u l a r i s a t i o n , f e i n d l i c h e T r e n n u n g v o n K i r c h e u n d S t a a t in v e r s c h i e d e n e n
37
E r k l ä r u n g von L o r t z z u m E n t n a z i f i z i e r u n g s v e r f a h r e n ( A b d r u c k bei V. CONZEMIUS,
L o r t z , S. 2 7 3 - 2 7 7 ; h i e r : 2 7 4 ; H e r v o r h e b u n g i m O r i g i n a l ) . D i e s e r s p e k u l a t i v e Zugang z u m N a t i o n a l s o z i a l i s m u s gibt keine Veranlassung zu der v o n G . LAUTENSCHLÄGER v e r m i ß t e n A u f a r b e i t u n g der eigenen B i o g r a p h i e ( L o r t z , S. 3 9 5 - 4 0 3 ) . Ü b r i g e n s d a r f h i e r ergänzt werd e n , d a ß L o r t z der F r a g e n a c h p o l i t i s c h e r S c h u l d d u r c h a u s n i c h t i m m e r ausgewichen ist. In e i n e m Vortrag v o m F r ü h j a h r 1 9 3 3 , der in der R e i h e „ R e i c h und K i r c h e " e r s c h i e n , fragt er n a c h den U r s a c h e n , w a r u m „der v o n d e m K a t h o l i k e n A d o l f H i t l e r geschaffene und g e f ü h r t e N a t i o n a l s o z i a l i s m u s z u n ä c h s t in weit g r ö ß e r e m U m f a n g Z u s t r o m b e k a m aus d e m g r u n d s ä t z l i c h b e w e g l i c h e r e n evangelischen Volksteil als aus d e m von den B i s c h ö f e n geführten k a t h o l i s c h e n . "
H i e r nennt er „ b e s o n d e r s . . .
e i n e w a h r h a f t tragisch zu
nennende
U n k e n n t n i s der gewaltigen p o s i t i v e n Kräfte, Ideen u n d P l ä n e des N a t i o n a l s o z i a l i s m u s , w i e sie a u t h e n t i s c h in H i t l e r s B u c h , M e i n K a m p f bereits seit 1 9 2 5 allgemein zugänglich niedergelegt waren. A n diesem V e r s ä u m n i s tragen w i r alle u n s e r Teil S c h u l d . " A u c h für die Z u k u n f t sei dies von B e l a n g : „ D e n n n u r die E i n s i c h t , w i e es d e n n m ö g l i c h war, d a ß m a n sich bis v o r k u r z e m so b e d i n g u n g s l o s gegen e i n e L e b e n s b e w e g u n g sträubte, die jetzt ihre überragende G e w a l t w i e e i n e N a t u r k r a f t v o r uns ä u ß e r t , gibt einer M e n g e a u f r e c h t e r M ä n n e r die z u m e h r l i c h e n G e s i n n u n g s w e c h s e l n o t w e n d i g e i n n e r e E n t l a s t u n g . M i t d e m einf a c h e n ,Vergessen' dessen, was h i n t e r u n s liegt, ist es n i c h t g e t a n " (J. LORTZ, Z u g a n g z u m N a t i o n a l s o z i a l i s m u s , S. 5 f . , 7 f . ) . 38
D e r N a c h t r a g systematisiert in k n a p p e r F o r m die G e d a n k e n des in A n m . 3 7 e r w ä h n -
ten Vortrags bzw. der e n t s p r e c h e n d e n 39
Broschüre.
J . LORTZ, G e s c h i c h t e der K i r c h e , N a c h t r a g „ N a t i o n a l s o z i a l i s m u s und K i r c h e " , S. 1 f.
154
Wilhelm Damberg
Ländern, Untergang des Kirchenstaates und der Anerkennung der dadurch geschaffenen Lage in den Lateranverträgen 1929 durch den Papst selbst: zu einer fortschreitenden Entpolitisierung der Kirche und zu ihrer rein geistlichen Idee zurück . . . Dieser kirchlichen Generalentwicklung gegenüber war die Gestaltung des politischen Katholizismus in Deutschland (Zentrum), Belgien, Italien und Holland nur eine Ausnahme."40
Sie sei durch den Abwehrkampf gegen den Liberalismus erzwungen, nunmehr aber hinfällig geworden. Von nun an solle der Katholizismus „positiv aus seiner eigenen Mitte des Religiösen und Geistlichen, nicht des Parteipolitischen, . . . leben." So kommt Lortz zu dem Schluß: „Ein Vergleich der Ergebnisse unserer Analyse des 19. Jahrhunderts und der Gegenwart . . . mit den Grundgedanken und Grundtendenzen des NS zeigt, in welch ungewöhnlichem Maße und Sinn der NS Erfüllung der Zeit ist. Die Linien unserer Betrachtung waren unabhängig von seiner Gedankenwelt gezogen; sie finden nunmehr in ihm wie von selbst ihren Endpunkt."41
Lortz war sich sicher, die großen ,Trends' der Kirchen- und Weltgeschichte erkannt zu haben. Die Deutung der Moderne als Zerfallsprozeß hat er mit anderen konservativen Historikern geteilt; ihr eigentümliches Gepräge erhält seine Theologie der Geschichte durch die von ihm beobachtete Korrespondenz zwischen einem Gestaltwandel der Kirche zum ,Geistlichen' einerseits und dem als Protestbewegung gegen die Auflösungserscheinungen der Moderne verstandenen Nationalsozialismus andererseits. Auf das Bündnis dieser Kräfte setzte Lortz seine Hoffnungen, was zu der paradoxen Einsicht führt, daß er sich im Jahre 1933 unter seinen Standeskollegen als politischer Theologe exponiert hat, um der Entpolitisierung von Kirche und Katholizismus das Wort zu reden. Daß es sich bei der Versetzung von Lortz nach Münster entgegen seinen späteren Erklärungen „durchaus um einen politisch motivierten Akt handelte", wie auch seine Biographin betont, trifft zweifellos zu 4 2 . Ursprünglich versuchte Lortz die Nachfolge von Sebastian Merkle in Würzburg anzutreten und wirkte in diesem Sinne auf seinen Kollegen Hans Barion ein, der gute Kontakte zur NS-Dozentenschaft besaß. Der teilte ihm allerdings im September 1934 mit, daß Ludwig Möhler, der von 1920 bis 1933 Schreiber in Münster vertreten hatte, offenbar bessere Aussichten besaß: „ . . . indes glaube ich, daß diese Sache sich dadurch erledigen wird, daß Schweiber] doch noch abgesägt wird . . . Dann würde M[ohler] in 40
EBD., S. 3 (Hervorhebung im Original). EBD., S. 4 (Hervorhebung im Original). Die Lortzsche Deutung des 19. Jahrhunderts fügt sich übrigens gut zur Vorgeschichte des Reichskonkordats, wie sie von K . SCHOLDER dargestellt wurde (Kirchen, Bd. 1, S. 6 5 - 9 2 ) — quasi als ,ideengeschichtliche' Verlängerung nach rückwärts bis zur Französischen Revolution. 42 G. LAUTENSCHLÄGER, Lortz, S.299. 41
Kirchengeschichte zwischen Demokratie und Diktatur
155
M[ünster] bleiben und diese Sache wäre erledigt." 4 3 Tatsächlich zerschlugen sich die Hoffnungen auf die Nachfolge von Merkle an den Bedenken des Würzburger Bischofs Ehrenfried, die allerdings wohl weniger politisch motiviert waren. Anstelle von Lortz kam Möhler nach Würzburg 4 4 . Anfang 1935 entwickelten sich die Dinge dann in anderer Richtung: A m 15. Januar 1935 verwandte sich der mittlerweile zum Rektor in Braunsberg avancierte Karl Eschweiler beim Ministerium für eine Versetzung seines Kollegen Lortz nach Münster, wobei er seinen Einsatz für den Nationalsozialismus hervorhob und auch anregte, den missionswissenschaftlichen Lehrstuhl einzusparen 4 5 . A m 18. Februar 1935 unterrichtete Minister Rust die münsterische Fakultät über die beabsichtigte Versetzung von Lortz nach Münster; der Betroffene selbst wurde wiederum von Barion über den Gang der Dinge instruiert. Es gebe noch Probleme „wegen der dämlichen Missionswissenschaft", aber Bischof von Galen habe schon zugestimmt, wußte Barion Anfang März zu berichten 4 6 . Barion, der vermieden wissen wollte, daß seine Vermittlungstätigkeit bekannt wurde, machte auch klar, was mit der Versetzung von Lortz auf den Lehrstuhl für Missionswissenschaft beabsichtigt war: „ D a S c h r e i b e r d o r t nicht m e h r lesen w i r d , w i e ich a n n e h m e , u n d d a Sie den Lehra u f t r a g a u c h f ü r K G h a b e n , ist es klar, d a ß Sie an S c h r e i b e r s Stelle r ü c k e n . D i e Miss i o n s s a c h e soll . . . n u r ein m e h r d e k o r a t i v e r S c h n ö r k e l sein . . . D i e H a u p t s a c h e ist die K G ; f ü r die s i n d Sie n a c h M ü n s t e r g e k o m m e n . . . E s ist ja nicht d a r a n g e d a c h t , n u n etwa S c h r e i b e r n o c h einen b e s o n d e r e n N a c h f o l g e r z u g e b e n , o d e r I h n e n , w e n n Sie seine A u f g a b e n ü b e r n e h m e n , n u n e i n e n weiteren M i s s i o n s f r i t z e n an die Seite z u stellen: es soll v i e l m e h r a m S c h l u ß d i e V e r e i n i g u n g d e r K G mit der M i s s i o n s g e s c h i c h t e stehen . . . D a s M i n i s t e r i u m ] rechnet da e t w a s auf Ihre g e s c h i c k t e A r t sich d u r c h z u s e t z e n . . , " 4 7
Das Ministerium hoffte also durch die Versetzung von Lortz nach Münster sozusagen drei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, erstens die Einsparung eines politisch unerwünschten Lehrstuhls, zweitens die Entfernung eines politisch belasteten Wissenschaftlers und drittens den wirkungsvolleren Einsatz eines Professors der Theologie und Parteigenossen, von dem man erhoffen konnte, daß er in dem weltanschaulich schwierigen Milieu Westfalens Aufklärungsarbeit im Sinne der Partei leisten werde.
43
Z i t . n a c h EBD., S . 3 0 0 .
ff. R. MORSEY, Schreiber ( 1 9 8 1 / 8 2 ) , S. 146. G . LAUTENSCHLAGER, Lortz, ist das dort teilweise zitierte Schreiben offenbar entgangen. 4 6 Zit. nach EBD., S.304. D i e Zitation bei V. CONZEMIUS, Lortz, S.257 („,der dämlichen Missionswissenschaft sozusagen eine Euthanasiespritze' zu verabreichen") verschärft die zynische Formulierung noch, entspricht aber nicht der Vorlage! 4 7 Zit. nach G . LAUTENSCHLÄGER, Lortz, S. 305f. 44
45
EBD., S. 3 0 2
156
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Es ist nicht unwichtig, die Versetzung von Lortz nach Münster bzw. Schreibers Ablösung auch in ihrem politischen Kontext zu beleuchten, näherhin im Kontext der sich verschärfenden Auseinandersetzungen zwischen katholischer Kirche und NS-Staat. Wie erwähnt, fügt sich Schreibers Ablösung nahtlos an eine auf frühere Zentrums-Angehörige abzielende Säuberungswelle im Schulwesen an, die in Westfalen 1934 eingesetzt hatte. Ab Februar 1935 — nach dem Fortfall der Rücksichtnahme wegen des Saar-Referendums — steuerten Partei und Staat propagandistisch und administrativ gegenüber den Katholiken einen härteren Kurs. Unter diesem Eindruck erwächst bei diesen immer mehr eine „Ablehnung des heutigen Staates, seiner leitenden Persönlichkeiten und der Bewegung" — so der Lagebericht der Gestapo für den Regierungsbezirk Münster für April 1935 48 . Auf dem Gauparteitag hielt schließlich Innenminister Frick am 7. Juli 1935 eine aufsehenerregende Rede, in der er die „völlige Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens" forderte 49 . Wenig später, am 16. Juli 1935, folgte der bekannte Erlaß des preußischen Ministerpräsidenten Göring über die Bekämpfung des politischen Katholizismus 50 . Entkonfessionalisierung und Entpolitisierung — das war das Programm des Sommers 1935, unter dem von nun an die Bekämpfung der katholischen Kirche vorangetrieben wurde. Es ist kaum zu übersehen, daß die Versetzung von Lortz dieser Programmatik ,ideengeschichtlich' genau entsprach. Mit Schreiber wurde einer der profiliertesten Vertreter des politischen Katholizismus abgelöst, mit Lortz ein Nachfolger benannt, dessen kirchengeschichtliches und politisches Credo ausdrücklich in der Entpolitisierung des Katholizismus bestand, geleitet von der Vorstellung, die Kirche könne so zu ihrer „rein geistlichen Idee" zurückfinden 5 1 . Zur Forderung der Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens fügte sich das ökumenische Engagement. Lortz hatte zwar die Geschichte insbesondere der Neuzeit als Zerfallsprozeß gedeutet, aber die Verurteilung dieser Tendenzen niemals zur pauschalen Schuldzuweisung an Luther und den Protestantismus benutzt, wie es sonst in katholischen Kreisen üblich war — im Gegenteil seien wesentliche
48
StA MÜNSTER, Politische Polizei III. Reich 433. Zu den Ereignissen im Frühjahr und
S o m m e r 1935 vgl. W. DAMBERG, K a m p f , S. 1 0 1 - 1 0 5 . 49
A b d r u c k d e r R e d e : KIRCHLICHES AMTSBLATT FÜR DIE DIÖZESE M Ü N S T E R , 1 9 3 5 , S. 1 0 3 f . ;
auszugsweise auch in: C. NICOLAISEN, D o k u m e n t e II, S. 331 f. Die am 8.7.1935 im „Völkischen Beobachter" wiedergegebenen Äußerungen Fricks veranlaßten Kardinalstaatssekretär Pacelli zu einer N o t e an Botschafter von Bergen (vgl. D. ALBRECHT, Notenwechsel, B d . 1 , S. 2 5 4 - 2 5 9 , 2 6 8 - 2 7 0 ,
272-274).
50
A b d r u c k : URSACHEN U N D F O L G E N , B d . 1 1 , S. 1 9 4 f .
51
J. LORTZ, Geschichte der Kirche, Nachtrag „Nationalsozialismus und Kirche", S. 3;
vgl. V. CONZEMIUS, L o r t z , S. 2 6 0 .
Kirchengeschichte zwischen Demokratie und Diktatur
157
Ursachen in der katholischen Kirche selbst zu suchen. Auch hier sah Lortz 1933 eine Chance: „ . . . die tiefste W u n d e , an d e r D e u t s c h l a n d leidet, ist d e r k o n f e s s i o n e l l e R i ß . . . Z u m ersten M a l seit 1517 t a u c h t n u n d u r c h den N S die M ö g l i c h k e i t auf, d a ß dieser R i ß w e n i g s t e n s p r a k t i s c h ü b e r b r ü c k t werde. N ä m l i c h v o m L e b e n s n e r v des N S , d e m n a t i o n a l e n G e d a n k e n her. D e r N S u m s c h l i e ß t K a t h o l i k e n u n d P r o t e s t a n t e n aller S c h i c h t e n , aller S t ä m m e , aller d e u t s c h e n G a u e , a b e r nicht als K a t h o l i k e n o d e r als P r o t e s t a n t e n . Z u m ersten M a l e zeigt sich v i e l m e h r eine w i r k l i c h e innere, tiefgeh e n d e , die K o n f e s s i o n e n ü b e r g r e i f e n d e Einheit des d e u t s c h e n V o l k e s . "
Es hebe sich die „herrliche Möglichkeit empor, daß dem Nebeneinander der Konfessionen sein vergiftendes Gegeneinander genommen werde" 5 2 . ,Ideengeschichtlich' war Lortz 1935 in Münster für die Partei der richtige Mann am richtigen Platz — und tatsächlich wurde er zu Beginn seiner Vorlesungstätigkeit von einem Teil der Studenten in der gereizten Atmosphäre dieses Sommers als ein solcher empfangen: Im Juni 1935 mußte er in einem Schreiben an den Dozentenführer zu Mißfallensäußerungen seiner Hörer Stellung beziehen, wobei er die Kritiker als von Ressentiments gegen den NS-Staat befangene Studenten bezeichnete, ein autoritatives Eingreifen anderer Stellen aber ablehnte 5 3 . Tatsächlich hat Lortz die Erwartungen, die von nationalsozialistischer Seite zweifellos mit seiner Versetzung verbunden worden sind, langfristig nicht erfüllt. Zunächst war er allerdings durchaus noch im Sinne einer Brückenbau-Theologie tätig, wie in seinem Einsatz für die Herausgabe der Druckschrift „Sendschreiben katholischer Deutscher an ihre Volks- und Glaubensgenossen" (1936) erkennbar wird 5 4 . Spätestens 1937, im Jahre der Enzyklika „Mit brennender Sorge", ging er jedoch auf Distanz. Nunmehr erkannte er, daß sich seine ,ideengeschichtlichen' Erwartungen an den Nationalsozialismus nicht erfüllen sollten. Dabei mag auch eine Rolle gespielt haben, daß ihm vertraulich von Bedenken innerhalb des Vatikans berichtet worden war, die auf eine Verurteilung hinauslaufen könnten 5 5 . In der 5. Auflage seiner Kirchengeschichte (1937) fehlen die in der 3. und 4. Auflage eingefügten Abschnitte über den Nationalsozialismus. Nach 1945 berichtet Lortz, daß er gleichzeitig seinen Parteiaustritt beantragt habe, der jedoch vom Gauleiter abgelehnt worden sei. Er habe sich seitdem nicht mehr als Mitglied betrachtet, wohl aber den Beitrag bis Juli 1944 weitergezahlt 56 . Vor den Studenten und Kollegen machte er aus seiner 5 2 J. LORTZ, Geschichte der Kirche, Nachtrag „Nationalsozialismus und Kirche", S. 2 (Hervorhebung im Original). 53
G . LAUTENSCHLÄGER, L o r t z ,
54
EBD., S. 3 1 0 - 3 2 1 .
55
EBD., S. 321—325.
56
EBD., S. 3 3 1
f.
S.306F.
158
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Ablehnung des Regimes nun keinen Hehl mehr, wie zahlreiche Zeugnisse belegen. Umgekehrt heißt es sogar, daß niemand so gründlich zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus angeleitet habe 57 . Thematisch wandte er sich jetzt immer stärker der Reformationsgeschichte zu: 1939/40 erschien die „Reformation in Deutschland", das die in seiner „Kirchengeschichte" schon angelegten Grundgedanken entfaltete und im eigentlichen Sinne ein neues Kapitel unpolemischer, ökumenisch orientierter katholischer Reformationsgeschichtsschreibung eröffnete 58 . 3. Uber Kontakte zwischen Lortz und Schreiber in den Jahren zwischen 1935 und 1945 ist nichts bekannt; auch sind keine Stellungnahmen über die Person oder das Schicksal des jeweils anderen überliefert. Nach 1945 wurde jedoch erkennbar, daß man über die zurückliegenden Ereignisse nicht zur Tagesordnung übergehen konnte und ein Nebeneinander in Münster nicht mehr realisierbar war. Es kam zu langwierigen Auseinandersetzungen, die erst endeten, als Lortz Münster verließ und die Leitung des neubegründeten Instituts für Europäische Geschichte in Mainz übernahm. Da in der Biographie von Lautenschläger nicht erkennbar wird, wie Schreiber erheblichen Anteil daran hatte, daß Lortz seine Lehrtätigkeit in Münster nicht mehr fortführen konnte 59 , sollen die Vorgänge nach 1945 hier kurz skizziert werden. Der bereits 63jährige Georg Schreiber hat im Sommer 1945 eine rasche Rehabilitierung erfahren: Ein Notsenat wählte ihn zum neuen Rektor der Universität, wo er mit viel Energie den Wiederaufbau organisierte. Am 22. August erhielt er seinen Lehrstuhl für Kirchengeschichte zurück. Davon wurde Lortz nicht unmittelbar betroffen, denn er war ja etatrechtlich der Inhaber des Lehrstuhls für Missionswissenschaft, auf dessen Neubesetzung die Fakultät deshalb verzichtete 60 . Als Ergebnis einer vorläufigen Uberprüfung der Lehrenden an der Universität entschied die Britische Militärregierung am 12. Oktober 1945, Lortz könne probeweise in seinem Amt verbleiben 61 . Gegen diese Entscheidung intervenierte nun allerdings 5 7 Der von G . Lautenschläger eingesehene Nachlaß Lortz enthält nicht weniger als 40 Einzelgutachten und eine Unterschriftenliste von 60 Theologiestudenten, in denen dies nach 1945 zum Ausdruck gebracht wird (EBD., S. 339). 58
J . LORTZ, R e f o r m a t i o n .
G. LAUTENSCHLÄGER (Lortz, S. 390) referiert in diesem Zusammenhang E. HEGEL (Geschichte, Teil 1, S. 558), der ganz allgemein „deutsche Stellen" f ü r die entstandenen Schwierigkeiten verantwortlich macht. R. MORSEY (Schreiber [ 1 9 8 1 / 8 2 ] , S. 152) wies bereits deutlich auf diesen Zusammenhang hin. Vgl. auch G. SCHWARZE, Region, S.262. 6 0 Schreiben des Dekans v o m 1 6 . 8 . 1 9 4 5 ( U A MÜNSTER, Kath.-Theol. Fakultät I/3a, W i e d e r e r ö f f n u n g der Universität, Handakte des Dekans). 6 1 „approved temporarily": Militärregierung an Rektor Schreiber v o m 1 2 . 1 0 . 1 9 4 5 ( U A MÜNSTER, Kath.-Theol. Fakultät 1/3, Bd. 3, Universitäts-, Dekanats- und Fakultätsangelegenheiten). 59
Kirchengeschichte zwischen Demokratie und Diktatur
159
am 24. Oktober der Oberpräsident der Provinz Westfalen, Rudolf Amelunxen 6 2 , bei der Militärregierung, u.a. gestützt auf ein bereits am 7. September bei Schreiber (als Rektor der Universität) angefordertes Gutachten, „ob Prof. Dr. theol. Jos. Lortz in seiner Stellung verbleiben k a n n " 6 3 . Die Stellungnahme vom 22. September fiel negativ aus: Die Lortz'schen Publikationen hätten „den Aufstieg und die Ausbreitung der Nazis positiv begünstigt und erleichtert." Außerdem erinnerte Schreiber an das „peinliche Aufsehen", das sie in „weitesten Kreisen" erregt hätten 6 4 . Aufgrund dieser Intervention korrigierte die Militärregierung ihre Entscheidung: A m 30. Oktober wurde Lortz entlassen 6 5 . Damit stellte sich die Frage der Neubesetzung des Lehrstuhls für Missionswissenschaft. A m 5. März 1946 schlug die Katholische Fakultät dem Oberpräsidenten den 1941 in Würzburg von den Nationalsozialisten entlassenen Missionswissenschaftler Philipp Thomas O h m O.S.B, vor 6 6 . Die Angelegenheit verzögerte sich nun aus unbekannten Gründen, spätestens Anfang Juli erhielt der Oberpräsident jedoch eine Mitteilung der Fakultät, sie rechne „mit der Rückkehr des Professors Lortz und bäte deshalb die Berufung des Professors O h m bis zur endgültigen Entscheidung des Falles Lortz zurückstellen zu wollen" 6 7 . Grundlage dieser Einschätzung der Fakultät war offenbar ein vorläufiger Bescheid des Entnazifizierungsausschusses, daß mit einem positiven Ausgang des Verfahrens zu rechnen sei. Die folgenden Ereignisse sind z.Zt. noch nicht rekonstruierbar, aber später hat Lortz gegen Schreiber den Vorwurf erhoben, dieser habe seine Stellung als Rektor und Prodekan der Fakultät sowie die Abwesenheit des Dekans
6 2 Rudolf Amelunxen (1888-1969), 1926 Regierungspräsident in Münster, 1932 Amtsenthebung durch von Papen, 1945 Oberpräsident von Westfalen, 1946 (ernannter) Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, 1947 Eintritt in die neubegründete Zentrumspartei, Sozialminister im Kabinett Arnold ( C D U ) , 1950 Justizminister. In seinen autobiographischen Erinnerungen wird erkennbar, daß er das Verhalten der deutschen Hochschullehrer und besonders der Kirchen im Jahre 1933 äußerst kritisch bewertet hat. Auffällig ist, daß er in diesem Zusammenhang Schmaus heftig attackiert, gegen dessen Lehrtätigkeit er 1945 keine Einwände erhob, aber Lortz nicht erwähnt (R. AMELUNXEN, Ehrenmänner, S. 125 -130). Vgl. dazu auch C. AMELUNXEN, 40 Jahre Dienst. 6 3 Amelunxen an Schreiber vom 7.9.1945 (UA MÜNSTER, Kath.-Theol. Fakultät 1/3, Bd. 3, Universitäts-, Dekanats- und Fakultätsangelegenheiten). 6 4 Das Original des Gutachtens befindet sich in der Personalakte Lortz (Auskunft des U A MÜNSTER). Zitiert wird hier nach R. MORSEY, Schreiber (1981/82), S. 152, der im Besitz einer Kopie ist. 6 5 E. HEGEL, Geschichte, Teil 1, S.558. «> Philipp (Thomas) O h m (1892-1962), 1930-32 Prof. für Missions- und Religionswissenschaft in Salzburg, 1932-41 in Würzburg, 1946-61 in Münster (vgl. E. HEGEL, Geschichte, Teil 1, S.563; Teil 2, S. 56-59). 6 7 Amelunxen an Schreiber vom 10.7.1946 (UA MÜNSTER, Neue Universität, Berufun-
gen
1944-1947).
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Wilhelm Damberg
dazu ausgenutzt, die Besetzung des Lortzschen ( = Missions-)Lehrstuhls gegen den Willen der Fakultät mit O h m durchzusetzen 6 8 . Tatsächlich wurde O h m am 2. September 1946 der Lehrstuhl für Missionswissenschaft übertragen, kurz bevor Lortz am 29. November 1946 von der Militärregierung eine erneute „vorübergehende Zustimmung" zur Ausübung einer Lehrtätigkeit erhielt — nun freilich ohne seinen bisherigen Lehrstuhl 6 9 . In der Folgezeit gab es immer neue Anläufe, zu einer Lösung des Falles Lortz zu kommen. Als Lortz 1947 zum Thema Reformation lesen wollte, protestierte Schreiber dagegen, diesen Komplex aus seinem Mittelalter und Neuzeit umfassenden Lehrauftrag auszugliedern 7 0 . D e m Vorschlag der Fakultät, Lortz solle Vorlesungen über Soziallehre und soziale Praxis in der Kirchengeschichte halten, verweigerte sich Lortz 7 1 . Eine Lösung zeichnete sich ab, als der Lehrstuhl für Alte Kirchengeschichte durch Emeritierung frei wurde und das Lortzsche Entnazifizierungsverfahren am 9. Februar 1948 mit der Einstufung in Kategorie V (Entlastet) geendet hatte 7 2 : A m 20. Februar 1948 beantragte die Fakultät bei der Kultusministerin Teusch, Lortz diesen Lehrstuhl zu übertragen 7 3 . In dieser Situation soll Schreiber behauptet haben, der münsterische Klerus sei überwiegend gegen die Wiedereinsetzung von Lortz eingestellt, wogegen sich der Betroffene beim Bischof von Münster verwahrte 7 4 . Michael Keller gab jedoch zu verstehen, daß er für die volle Rehabilitierung eintrat 7 5 , so daß eine rasche Lösung in greifbare Nähe rückte. Seit dem Sommersemester 1948 übernahm Lortz die Vertretung der Alten Kirchengeschichte, gleichzeitig erfragte die Kultusministerin formell die Bereitschaft zur Übernahme des Lehrstuhls 7 6 . Entgegen den Erwartungen geschah jedoch zunächst lange 6 8 Lortz an Bischof Keller vom 15.2.1948 (BISTUMSARCHIV MÜNSTER, GV N A A 301-35, Universität Münster). 6 9 E. HEGEL, Geschichte, Teil 1, S. 564. 7 0 Lortz an Bischof Keller vom 15.2.1948 (vgl. oben Anm. 68). 7 1 Mitteilung des U A MÜNSTER. 7 2 Zunächst war Lortz in der Kategorie IV (Mitläufer) eingestuft worden (22.9.1947), hatte aber mit Erfolg Berufung eingelegt (vgl. G. LAUTENSCHLÄGER, Lortz, S. 381 f.). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß es sich um das einzige Entnazifizierungsverfahren an der Kath.-Theol. Fakultät handelte, die insgesamt 13 Hochschullehrer zählte. Damit war sie in Münster die Fakultät mit dem mit Abstand geringsten Anteil an Parteigenossen unter den Hochschullehrern. Insgesamt hatten von 168 Hochschullehrern 119 der N S D A P angehört. Eine Übersicht über die einzelnen Fakultäten: L. KURZ, 200 Jahre, S. 118. 7 3 E. HEGEL, Geschichte, Teil 1, S.564. 7 4 Lortz an Bischof Keller vom 15.2.1948 (vgl. oben Anm. 68). Der Wahrheitsgehalt dieser Behauptung ist naturgemäß schwer zu überprüfen. Immerhin ging Lortz noch im Jahre 1945 durchaus davon aus, daß es in diesem Kreis Vorbehalte gegen seine Person gab (vgl. R. MORSEY, Schreiber [1981/82], S. 152). 7 5 Keller an Lortz vom 1.3.1948 (vgl. oben Anm. 68). 7 6 Auskunft des U A MÜNSTER.
Kirchengeschichte zwischen Demokratie und Diktatur
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Zeit überhaupt nichts. Dann erfolgte eine völlig überraschende Wendung: Lortz wurde am 5. Oktober 1949 in die Stellung zurückversetzt, die er am 31. Januar 1933 innegehabt hatte, und gleichzeitig in den Ruhestand versetzt, jedoch mit der Vertretung der Alten Kirchengeschichte beauftragt. Nicht nur der Betroffene legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein, auch die münsterische Fakultät erhob einstimmig (also unter Einschluß Schreibers) Protest gegen diese „eindeutige Diffamierung gegenüber anderen Kollegen", die nicht berücksichtigte, daß Lortz in seinen späteren Jahren dem Nationalsozialismus entgegengetreten sei 7 7 . Tatsächlich war diese Entscheidung nur so zu verstehen, daß die Lortz'sche Tätigkeit in Braunsberg und Münster als reine Parteikarriere verstanden und nun annulliert werden sollte. Die Hintergründe dieser Entscheidung liegen noch im Dunkeln; ob dabei nur juristische Gründe verantwortlich waren, wie Hegel vermutet hat, erscheint doch zweifelhaft 7 8 . Möglicherweise hat erneut Amelunxen, nach seiner Tätigkeit als Oberpräsident in Münster und erster (ernannter) Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen nunmehr Sozialminister für das Zentrum in der Regierung Arnold, im Kabinett die Wiedereinsetzung von Lortz verhindert 7 9 . Lortz wußte, daß Amelunxen sein erbitterter Gegner war; so beklagte er sich in dem Brief an den Bischof von Münster, Amelunxen habe vor Zeugen erklärt, „ e r w e r d e die S P D u n d die K P D gegen m i c h h e t z e n , w e n n m a n v e r s u c h e n sollte, m i c h w i e d e r ins A m t z u h o l e n . E r wäre d a z u u n b e d i n g t f ä h i g . D e n n die n e u e P r o fessur f ü r die w i s s e n s c h a f t l i c h e n ] G r u n d l a g e n des K a t h o l i z i s m u s in G ö t t i n g e n , die z u ü b e r n e h m e n m i c h s o w o h l der H o c h w ü r d i g s t e H e r r B i s c h o f v o n H i l d e s h e i m w i e d e r Vertreter d e r k a t h o l i s c h e n P r o f e s s o r e n d e r p h i l o s o p h i s c h e n F a k u l t ä t in G ö t t i n g e n g a n z u n g e w ö h n l i c h e i n d r i n g l i c h b a t e n , hat H e r r A m e l u n x e n d u r c h d i r e k t e D r o h u n g e n in H a n n o v e r m i r z e r s c h l a g e n . " 8 0
D a Lortz den Bescheid vom 5. Oktober 1949 gerichtlich anfocht, hätte sein ,Fall' die münsterische Fakultät wohl noch länger beschäftigt, wenn Lortz nicht im Jahre 1950 einen Ruf nach Mainz erhalten hätte, um dort die Leitung des neubegründeten Instituts für Europäische Geschichte zu übernehmen. Mit 63 Jahren begann er damit einen völlig neuen Abschnitt seiner akademischen Laufbahn. Es ist zweifellos eine Genugtuung für ihn 7 7 Fakultät an Kultusministerin vom 11.11.1949 (UA MÜNSTER, Kath.-Theol. Fakultät, Personalakte Lortz; zit. nach E. HEGEL, Geschichte, Teil 1, S. 564). 78 EBD., und G . LAUTENSCHLÄGER, Lortz, S. 393. 7 9 Die Koalitionsregierung Arnold (17.6.1947) umfaßte C D U , SPD, Zentrum und K P D — letztere schied am 7.2.1948 aus. Die Wiedereinsetzung entlassener Beamter bedurfte in |edem Fall der Genehmigung durch das Kabinett. 8 0 Lortz an Bischof Keller vom 15.2.1948 (vgl. oben A n m . 68). Die D r o h u n g mit S P D und K P D ist angesichts der Koalitionsverhältnisse in Nordrhein-Westfalen durchaus einleuchtend, denn zum Zeitpunkt des Schreibens war die K P D erst eine Woche aus der Regierung ausgeschieden.
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gewesen, daß es im Jahre 1953 zu einem gerichtlichen Vergleich kam, der seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen nicht gegebener gesetzlicher Voraussetzungen für ungültig erklärte, wobei er seinerseits auf eine Wiedereinstellung verzichtete 8 1 . Ein Jahr nach dem Weggang von Lortz wurde der bereits 70jährige Schreiber emeritiert; auch für ihn bedeutete das nicht das Ende seiner wissenschaftlichen Tätigkeit, da er 1948 seine von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Forschungsinstitute zurückerhalten hatte und außerdem bis zu seinem Tode in zahlreichen Gremien tätig war. 4. Mit Schreiber und Lortz begegnen wir zwei Vertretern der katholischen Kirchengeschichte, die einerseits ein gemeinsames, allgemeines Ziel verbindet, die aber hinsichtlich der Realisierung zugleich für zwei Tendenzen stehen, deren Neben- und auch Gegeneinander den deutschen Katholizismus nachhaltig geprägt hat. Beiden war die Einsicht gemeinsam, daß der in den Kulturkämpfen des 19. Jahrhunderts defensiv formierte Katholizismus nach 1918 aus seiner gesellschaftlichen Isolierung heraus- und in eine neue F o r m der Gemeinschaft hineingeführt werden mußte. Jenseits dieser allgemeinen Einsicht begannen aber die Differenzen: Schreiber führte schon in seiner Person — als einflußreicher Abgeordneter im Reichstag und Mitglied in zahllosen Gremien und Institutionen — die Tradition des politischen Katholizismus fort, der sich im Zentrum und in zahlreichen Organisationen und Verbänden gesamtgesellschaftlich Geltung zu verschaffen suchte. Ihm boten die Republik und ihre Verfassung einen Raum, in dem die Katholiken die Entfremdung von der deutschen Gesellschaft überwinden konnten, ohne ihre Identität aufgeben zu müssen. Eine entscheidende Vermittlungsfunktion kam dabei der Kulturpolitik und „Volkstumspflege" zu. Lortz sah umgekehrt in der Tradition des politischen Katholizismus, wie sie Schreiber verkörperte, eher ein ,auslaufendes Modell'. Entpolitisierung der Kirche und die Rückführung auf ihre geistige Idee waren für Lortz die Entwicklungsgesetze des 19. Jahrhunderts, verbunden mit der Beobachtung von ideengeschichtlichen Tendenzen, die ihn auf die Möglichkeit einer Zeitenwende schließen ließen, von der er die Uberwindung neuzeitlicher Grundhaltungen wie Subjektivismus und Liberalismus erhoffte. In dieser Zeitenwende sah er die Chance einer religiösen und kirchlichen Renaissance. D e m autoritären Staat brachte er ein Vertrauen entgegen, wie es für Schreiber undenkbar war, ja er setzte seine Hoffnung darauf, daß dieser Staat gewissermaßen als Geburtshelfer einer sich bereits abzeichnenden religiösen Erneuerung und sogar der kirchlichen Einheit dienen könne — um den Preis der Entpolitisierung der Katholiken. So paradox es klingt — man wird Lortz von sei-
81
Auskunft des U A MÜNSTER.
Kirchengeschichte zwischen D e m o k r a t i e und D i k t a t u r
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nem Selbstverständnis her trotz seines Einsatzes für die ,Bewegung' als den Vertreter eines unpolitischen Katholizismus bezeichnen müssen. Schon 1933 wies Walter Dirks in einer Rezension von theologischen BrückenbauVersuchen, dabei auch vom Lortz'schen „Zugang", darauf hin, daß die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus völlig unpolitisch erfolge 8 2 . Insoweit entspricht das von Bischof von Galen 1945 gefällte Urteil, die Mitgliedschaft von Lortz in der N S D A P sei „ganz seelsorgerlich-religiös und geistesgeschichtlich orientiert und interessiert" gewesen, und seine Arbeit habe „mit irgendwelcher Politik im engen Sinne des Wortes, vor allem in einem außenpolitischen Sinne . . . nicht das Geringste zu tun", tatsächlich den Tatsachen, auch wenn diese Wertung unserem Denken fremd ist 8 3 . Es ist Conzemius sicherlich zuzustimmen, daß die katastrophale Fehldeutung des Nationalsozialismus die Kategorien der Lortz'schen Ideengeschichte suspekt gemacht hat 8 4 . Abgesehen davon stellt sich jedoch die Frage, ob Lortz vielleicht doch in seiner Deutung der katholischen Kirchengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts ein früher Beobachter von langfristigen Tendenzen war, deren Tragweite erst heute erkennbar wird. Heinz Hürten hat in der neueren Diskussion betont, daß der deutsche Katholizismus in diesem Jahrhundert so starke Wandlungen durchgemacht habe, daß es fraglich erscheint, ob er im herkömmlichen Sinne überhaupt noch als vorhanden zu betrachten sei 8 5 . Von zentraler Bedeutung ist dabei die „Verkirchlichung" des Laienkatholizismus nach 1945, d.h. die Einbindung der Laien in ein kirchliches Rätesystem und ihre Ausrichtung auf innerkirchliche Aktivitäten. Gleichzeitig verloren die politisch und gesellschaftlich ausgerichteten Zusammenschlüsse der Laien an Bedeutung: das Zentrum und die Verbände. Diesen eher sozialgeschichtlichen Veränderungen entspricht zugleich ein gewandeltes Kirchenverständnis: Was z.B. in der Liturgiebewegung der Weimarer Zeit begann, setzte sich nach 1945 in einem stärker spiritualisierten Kirchenbild durch 8 6 . Tatsächlich dominierten zunächst Hoffnungen, man werde die Kirche ganz aus politischen Fragen heraushalten können — genau im Sinne des von Lortz 1933 formulierten Entwicklungsgesetzes: „Entpolitisierung" und Rückführung zu ihrer „rein geistlichen Idee" 8 7 . Auch wenn sich derartige Erwartungen bald als irreal herausstellen sollten — 1949
82
G.
83
B e s c h e i n i g u n g B i s c h o f v o n G a l e n s v o m 1 4 . 7 . 1 9 4 5 (vgl. o b e n A n m . 6 8 ) . A b d r u c k bei
LAUTENSCHLÄGER, L o r t z , S . 2 8 4 f . ; V . C O N Z E M I U S , L o r t z , S . 2 6 3 .
G . LAUTENSCHLÄGER, L o r t z , S. 5 1 4 f f . 84
V. CONZEMIUS, L o r t z ,
85
H.
S.261.
86
Vgl. K . GOTTO, Selbstverständnis.
87
J . LORTZ, G e s c h i c h t e , N a c h t r a g „ N a t i o n a l s o z i a l i s m u s u n d K i r c h e " , S. 3.
HÜRTEN, Z u k u n f t s p e r s p e k t i v e n ,
S. 1 0 0 .
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beklagte ein kritischer Beobachter wie Ivo Zeiger die „rein religiöse Linie" des Nachkriegskatholizismus 8 8 —, so wurden hier doch auch Tendenzen wirksam, die offensichtlich unumkehrbar waren. So blieb der Symbolfigur des gesellschaftlich organisierten Katholizismus in der Weimarer Republik, dem politischen Prälaten, die Rückkehr auf die parlamentarische Bühne verwehrt — die parteipolitische Betätigung von Geistlichen stieß allgemein auf Vorbehalte, weil sie der angestrebten kirchlichen Konzentration auf das Religiöse zuwiderlief. Das bekam auch Schreiber zu spüren, als er im Jahre 1947 eine neue parlamentarische Karriere anstrebte und als Kandidat der C D U für die erste Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Wahlkreis Münster-Land antrat. Was auch immer im einzelnen die Gründe waren, jedenfalls unterlag Schreiber dem Kandidaten des neubegründeten Zentrums, Johannes Brockmann. Er hielt sich von nun an von der Tagespolitik fern 8 9 . Wenn Lortz 1933 das Ende des politischen Katholizismus nicht als bloße Unterdrückung, sondern als Resultat einer innerkirchlichen, ideengeschichtlichen Entwicklung interpretierte, so wirkt das Scheitern des politischen ,Comebacks' von Schreiber und wenige Jahre später auch des neubegründeten Zentrums wie eine Bestätigung dieser Theorie. Es spricht alles dafür, daß die Schwierigkeiten, denen Lortz nach 1945 in Münster begegnete, vor allem auf dem sachlich durchaus begründeten Gegensatz zu denjenigen beruhten, die die Traditionen dieses politischen Katholizismus wieder aufnehmen wollten, vor allem den Kreisen des Zentrums um Amelunxen, aber auch zu Schreiber.
Ivo Zeiger an P. Leiber vom 1.1.1949 (L. VOLK, Heiliger Stuhl, S.77, Anm. 79). Johannes Brockmann (1888-1975) hatte sich ebenfalls gegen Lortz engagiert; vgl. R. MORSEY, Schreiber (1981/82), S. 152, 155 f. Im Wahlkampf gegen Schreiber wurde auch von Seiten des Zentrums (u.a. Amelunxen) wiederholt betont, Prälaten hätten in der Politik nichts mehr zu suchen. Für diesen Hinweis danke ich Markus Köster, Münster. 88
89
Anhang Bericht des Dekans der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster an den Rektor. Münster, 30. Oktober 1945 Fundort: UA Münster.; Katb.-Theol. Fakultät I/3a. Universität. Handakte des Dekans91.
Wiedereröffnung der
Betrifft: Tätigkeit der Kath.-Theol. Fakultät gegen den Nationalsozialismus. Ew. Magnifizenz! Sie wünschten von mir einen Bericht über die Tätigkeit der Kath.-Theol. Fakultät gegen den Nationalsozialismus. Die Grundsätze, wie sie in der Katholisch-Theologischen Fakultät pflichtgemäß vorgetragen werden, bedeuten eine stille, aber starke Gegenwirkung gegen den Nationalsozialismus. Der Einfluß erstreckt sich zunächst auf die Studenten der Theologie und geht von da aus in die kirchlichen Gemeinden. In der fraglichen Periode wurden aber auch die Nichttheologen weitgehend erfaßt, da diese in großer Zahl theologische Vorlesungen hörten, in der Zeit von 1940-44, die ich hier aus eigener Anschauung kenne betraf dies besonders die Vorlesungen der Herren Schmaus 92 und Lortz. Professoren der Fakultät wirkten ferner in der Studentenseelsorge mit Arbeitsgemeinschaften und Vorträgen, daß die Gestapo in Bezug auf die Arbeit des Herrn Schmaus geradezu von einer „katholischen Bewegung" sprach und Medizinern der Studentenkompanie mit der Versetzung ins Feld drohte, wenn sie weiterhin mit diesem Herrn arbeiten würden. Eine nicht unbedeutsame Wirksamkeit ging von der Fakultät in die Provinz hinein und über deren Grenzen hinaus durch Vorträge hauptsächlich vor Akademikern. Es waren die Herren Steffes 93 , Tischleder 94 und in der von mir beobachteten Zeit hauptsächlich Schmaus, Lortz und Pfeil 95 , die unermüdlich ihre Kraft zur 91
Vgl. dazu auch E. HEGEL, Geschichte, Teil 1, S. 502 f. — Dekan war seinerzeit Joseph
P a s c h e r ( 1 8 9 3 - 1 9 7 9 ) , 1 9 3 5 - 1 9 4 0 P r o f . f ü r R e l i g i o n s p ä d a g o g i k in M ü n c h e n , 1 9 4 0 - 1 9 4 6 P r o f .
für Pastoral und Religionspädagogik in Münster, 1946-1960 Prof. f ü r Liturgiewissenschaft und Pastoraltheologie in München (vgl. E. HEGEL, Geschichte, Teil I, S. 495 f.; Teil 2, S. 59-61). — Rektor war Schreiber. 92 Zu Schmaus vgl. oben S. 148. 93 Zu Steffes vgl. oben S. 149. 94 Zu Tischleder vgl. oben S. 149. 95 Hans Matthias Wilhelm Pfeil (geb. 1903), 1940-1946 Prof. f ü r Philosophie in Münster, 1947-1968 in Bamberg (vgl. E. HEGEL, Geschichte, Teil 1, S. 492; Teil 2, S. 61 f.).
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Verfügung stellten. Es ist schwer, die Tragweite dieser ganzen Wirksamkeit exakt abzuschätzen. Ich glaube aber, daß der bewahrende Einfluß beträchtlich war. Neben dieser mehr allgemeinen Gegenwirkung kam es von selbst auch zu Auseinandersetzungen mit dem aufkommenden und später herrschenden Nationalsozialismus. Rückblickend zeichnen sich hierbei zwei Grundformen ab: Man nahm sachlich Stellung zu einzelnen Neigungen und Lehrpunkten des Nationalsozialismus. So etwa bekämpfte Steffes den extremen und kriegerischen Nationalismus in der Schrift: „Die Abrüstung. Eine Forderung des Weltgewissens" (1932. Engl. 1933). Tischleder erhob in zahlreichen Vorträgen die Forderung des Gewissens gegenüber bestimmten Irrtümern der nationalsozialistischen Lehre. Dafür einige Beispiele: Warum verwirft die kath. Kirche und die kath. Moral die Sterilisation aus privater Eigenmächtigkeit und im staatlichen Auftrag? (Gehalten im Juli 1933 vor d. jur. Fachschaft d. Univ. Münster). Der wahre sittliche und christliche Sinn der Tugend der Tapferkeit oder Heldentum und Heiligkeit (Gehalten vor den Mitgliedern des kath. Akademikervereins Osnabrück 1937 u.d. Vinzenzkonferenz Münster 1944). Die natürl.-sittl. Würde u. die sakramentale Weihe der Ehe gegenüber den Irrtümern und Entstellungen d. biologischen Materialismus. (Gehalten vor d. kath. Akademikerverein Recklinghausen 1935 od. 36). Besonders bemerkenswert sind solche Einzelauseinandersetzungen in dem von Tischleder neu herausgegebenen Lehrbuch der kath. Moraltheologie von Mausbach (Neuauflage 1938/40)96. Besonders muß hier hervorgehoben werden Dompropst, Professor Donders (19441) 97 , der als Universitäts- und Domprediger Sonntag für Sonntag auf der Domkanzel den Zeitirrtümern die Grundsätze des christlichen Glaubens entgegensetzte. Allgemein kann man sagen, daß diese Einzelauseinandersetzung überall da geübt wurde, wo die Lehraufgabe der einzelnen Fachvertreter es verlangte. Dabei wurde die notwendige akademische Sachlichkeit gewahrt, da man unmöglich auf das Niveau der Gegenseite hinabsteigen konnte, ohne die akademische Würde zu verletzen. Die Folge davon ist allerdings, [daß] diese Tätigkeit im Rückblick die ihr innewohnende unerbittliche Schärfe nicht auf den ersten Blick erkennen läßt. Gleichfalls aus der akademischen Grundhaltung ging eine zweite Form der Auseinandersetzung hervor, die dadurch begünstigt wurde, daß die Partei anfangs den Anschein zu erwecken wußte, als sei ihr Programm einer christlichen Deutung fähig. Zu M a u s b a c h vgl. o b e n S. 149. Adolf Donders ( 1 8 7 7 - 1 9 4 4 ) , 1 9 1 9 - 1 9 4 2 Prof. für Homiletik E. HEGEL, Geschichte, Teil 1, S . 4 3 5 f f . ; Teil 2, S . 1 6 f f . ) . 96
97
in M ü n s t e r
(vgl.
Kirchengeschichte zwischen D e m o k r a t i e und D i k t a t u r
167
Auch in der hiesigen Fakultät wurde der Versuch gemacht, den Nationalsozialismus in gerechter Abwägung des Positiven und Negativen zu würdigen und darauf fußend die positiven Elemente in seiner Lehre und Praxis zu stärken. Es fehlte nicht an Männern, die die H o f f n u n g hegten, es könne auf diesem Wege gelingen, die nationalsozialistische Bewegung zu einer aufbauenden Kraft für das Leben der Völker zu machen. So sehe ich in Ew. Magnifizenz eigenem, jahrzehntelangem Arbeiten f ü r die wissenschaftliche Erschließung des Volkstums eine großangelegte akademische und zugleich politische Wirksamkeit. Wenn ich Sie recht verstehe, galt es, das Volksbewußtsein in der Freude an seinen positiven Leistungen zu fördern, aber zugleich von seiner Enge und von der Gefährlichkeit eines kriegerischen Nationalismus zu befreien. D e m aufmerksamen Beobachter zeigte sich in Ihrem und Ihrer Schüler Arbeiten die Weitung und Entgiftung des Nationalbewußtseins. Es ist bezeichnend, daß die Partei sich bald von den Arbeiten Ihrer Richtung absetzte und Sie persönlich bekämpfte. Ich glaube aber, daß Ihr Kreis einen heilsamen Einfluß ausgeübt hat. Grundsätzlich faßte die Sache an Schmaus in seinen Bemerkungen über Begegnung mit dem Nationalsozialismus, indem er in vorsichtiger Abwägung nach den positiven Möglichkeiten im Nationalsozialismus forschte (vgl. auch seine katholische Dogmatik 3 Bde.). Weiter ging Lortz, indem er von ähnlichen Erwägungen aus das Bekenntnis zu einem positiv gesehenen Nationalsozialismus und den Einsatz für ihn verlangte. Der positiv akademische Versuch hatte n u r so lange Sinn, wie das Manöver der Partei seine Wirkung tat — im Inland und Ausland, in politischen und kirchlichen Kreisen — Danach wurde er tatsächlich aufgegeben. Schwierig ist die Abschätzung der Wirkung. Ich bemerke ausdrücklich, daß diese akademische Arbeit nicht allein unter dem Gesichtspunkt der W i r k u n g gewertet werden kann. Die Wirkung also war die gleiche teils positive, teils aber auch negative, wie sie auch das Konkordat und die Gesamthaltung der Bischöfe hatten. Man wird jedoch positiv besonders dies bedenken müssen, daß ohne einen solchen Versuch heute der Vorwurf möglich wäre, der Nationalsozialismus sei erst durch die Absage aller Gutgesinnten in seine verderbliche Richtung gedrängt woden. Ich bitte Ew. Magnifizenz zu bedenken, daß ich nur einen kleinen Teil des in Frage kommenden Zeitraumes aus eigener Erfahrung überblicke. Ich habe zwar einige Herren der Fakultät zu meinem obigen Bericht hören können, möchte es aber doch Ihnen überlassen, diesen meinen Ausführungen Ergänzungen aus Ihrer eigenen Erfahrung als Bemerkungen des Rektorates beizufügen. Ich wäre dann dankbar, wenn Sie mir diese freundlichst zuleiten wollten, damit ich sie den Fakultätsakten beifügen kann. Ew. Magnifizenz ergebener
ADOLF MARTIN
RITTER
Die Heidelberger Kirchenhistoriker in der Zeit des „Dritten Reiches" Gestatten Sie mir, daß ich in meinem Kurzbericht die zeitliche Beschränkung auf die „Zeit des Dritten Reiches" nicht ganz wörtlich nehme. Es scheint mir vielmehr sinnvoll zu sein, in meine Berichterstattung auch zwei Heidelberger Kirchenhistoriker aufzunehmen, von denen der eine bereits vor Hitlers Machtergreifung starb, während der andere zwar in der Zeit des „Dritten Reiches" auf das Heidelberger kirchengeschichtliche Ordinariat berufen wurde und dort auch für mindestens zwei Semester (SS 1936 und WS 1936/37) eine Vakanzvertretung wahrnahm, die Berufung aber aus politischen Gründen erst bald nach Kriegsende vollzogen werden konnte. Beginnen wir mit dem ersten, mit Hans von Schubert (1859-1931). Von Schubert hat 25 Jahre in Heidelberg gelebt und davon 23 Jahre (von 1906 bis zu seiner Emeritierung 1929) den einzigen kirchenhistorischen Lehrstuhl in Heidelberg innegehabt, den es bis dahin gab. Erst in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg ist ein zweiter Lehrstuhl an der Heidelberger Fakultät errichtet und erstmals mit Heinrich Bornkamm besetzt worden, von dem soeben die Rede war. Von Schubert, anerkannter Frühmittelalter- und Reformationshistoriker 1 , der auch mehrmals das Dekanat seiner Fakultät und 1910 das (Pro-)Rektorat der Heidelberger Universität bekleidet und dem nicht zuletzt die in seinem Rektoratsjahr gegründete Heidelberger Akademie der Wissenschaften „viel, nach dem Kriege beinahe alles zu verdanken" hatte 2 , hat darüber hinaus eine reiche Tätigkeit im Dienste von Gemeinde, Kirche und Gesellschaft entfaltet und darf gewiß als einer der bekanntesten und geachtetsten Bürger der civitas académica et politica heidelbergensis jener Jahre gelten3. Ebenso deutlich ist, daß er — wie die Mehrzahl der deutschen Professoren seiner Zeit, selbst in dem verhältnismäßig „liberalen" Heidelberg mit seinem ungewöhnlich hohen Anteil an „nichtarischen" Gelehrten (um dem Sprachgebrauch einer unseligen Vergangenheit zu folgen) —
1
Vgl. das der postumen Veröffentlichung seiner Studie beigefügte Schriftenverzeichnis
( H . VON S C H U B E R T , S p e n g l e r ) .
EBD., S. X X V I I (Einleitung des Herausgebers H a j o Holborn). Vor allem die im Archiv seiner Tochter, Frau Dr. Erika Dinkler-von Schubert, aufbewahrten Würdigungen seines Lebens und Wirkens in Briefen und öffentlichen Kundgebungen stellen dies außer Zweifel. 2
3
170
Adolf Martin Ritter
national, aber nicht nationalistisch, geschweige denn nationalsozialistisch und antisemitisch eingestellt war. In Veröffentlichungen aus dem letzten Jahrzehnt ist zwar gelegentlich das Gegenteil behauptet worden: so etwa in Gottfried Marons „Beobachtungen zur Literatur des 400. Reformationsjubiläums" 4 , der von Schubert aufgrund seiner „Volksschrift zur Reformationsfeier" unter dem Titel „Luther und seine lieben Deutschen" 5 , mit vielen anderen freilich, als auf „dem Wege zum Deutschchristentum" befindlich betrachtet, und von Christian Jansen in seinem beißendkritischen Beitrag zur Alternativ-„Festschrift" zum Heidelberger Universitätsjubiläum von 1986 6 , überschrieben mit „Auf dem Mittelweg nach rechts. Akademische Ideologie und Politik zwischen 1914 und 1933" 7 . Aber der wahrlich unverdächtige Hajo Holborn in seiner Ende 1933 verfaßten und 1934 veröffentlichten Einleitung zum Schubertschen „Lazarus Spengler" 8 wußte es besser; für jeden, der zu lesen versteht, stützt er unmißverständlich meine These 9 ! Die scheinbaren Widersprüche zu den bei Maron und Jansen gebotenen Zitaten sind leicht zu erklären und damit aus der Welt zu schaffen. Es besteht m.E. kein Zweifel: Den Aufstieg des Nationalsozialismus hat von Schubert eher mit Sorge betrachtet. Ich besitze dafür (über das Zeugnis von Holborn hinaus) eindeutige Belege 1 0 .
4 5 6
G . MARON, Luther 1917, S . 1 9 2 f . Stuttgart; Berlin 1917. C . JANSEN, M i t t e l w e g .
EBD., S. 1 6 5 - 1 6 8 , 1 7 7 - 1 7 9 und öfter. In: H . VON SCHUBERT, Spengler, S . I X - X X X V . 9 Siehe besonders S . X X I : „ . . .er kannte Grenzen der Staatsgewalt, Grenzen des Nationalbewußtseins. Sie lagen für ihn in der Gewissensüberzeugung des einzelnen Christen und in der Erfahrung der überzeitlichen und übernationalen, gemeinschaftlich erlebbaren, aber zugleich jenseits aller weltlichen Gemeinschaft stehenden christlichen Uberzeugungen. E r glaubte, daß eben durch ihre Gestaltung in einem tieferen Sinne Geschichte würde, und hätte es niemals deshalb versucht, ihre berechtigten öffentlichen Ansprüche preiszugeb e n . . ."; S. X X I X : auf Anregung von Seiten von Schuberts ging der Verein für Reformationsgeschichte „daran, eine umfassende quellenmäßige Sammlung aller auf die Geschichte des Wiedertäufertums bezüglichen A k t e n und U r k u n d e n zu veranstalten und damit wissenschaftlich das nachzuholen, was die deutsche Wissenschaft diesen ,Stiefkindern der Forschung' schuldig geblieben war, die einstmals jenseits der Meere Freiheit und weltgeschichtliche Bedeutung gewannen. D e r Plan dieser auf Jahre zielenden Arbeiten ist ganz von Hans von Schubert entworfen'; S. X X X I : „Es gab in der Wandlung des öffentlichen Lebens viele Zeichen, die ihn beunruhigten, manche Bewegungen, die er als Ganzes nicht anzuerkennen bereit war, an deren U m b i l d u n g mitzuwirken er jedoch keine Neigung m e h r verspürte." 7 8
1 0 Ich zitiere nur den sprechendsten: A m 1 8 . 1 . 1 9 3 1 zu einer „auf Anregung mehrerer H e r r e n der Universität Heidelberg" geplanten Zusammenkunft geladen, deren Zweck „eine zwanglose Aussprache über national-sozialistische Weltanschauung und P o l i t i k " war, sagte von Schubert ab mit folgender Begründung: „Auch in der politischen Betätigung m u ß ich mich ganz zurückhalten, zumal wenn es sich um so schwierige Dinge handelt wie das nationalsozialistische P r o b l e m , das auseinanderzuwirren Sie unternehmen wollen. Ich m u ß
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Und ihn zum Wegbereiter deutsch-christlicher Theologie zu machen, dazu besteht — trotz des „deutschen Luther", an den auch von Schubert glaubte — keinerlei triftiger Anlaß 11 . Auch insofern hat er in Walther Köhler (1870-1946) einen würdigen Nachfolger gefunden, der ihm als Reformationshistoriker (mit Schwerpunkt auf der Luther-, Zwingli-, Erasmus- und Täuferforschung) an Bedeutung gewiß nicht nachstand und als besonders an Fragen der Dogmen-, Geistes- und Philosophiegeschichte Interessierter weit überlegen war. Köhler hat nach zwanzigjähriger Lehrtätigkeit in der Schweiz (in Zürich) 1929 (als immerhin 59jähriger!) einen Ruf nach Heidelberg angenommen. Mir scheint, daß dieser späte Universitätswechsel, wenige Jahre vor Ende der activitas (das damals freilich — noch 1 2 — erst [spätestens] mit Vollendung des 70. Lebensjahres gekommen war), mitbestimmt wurde durch die Erwartung, in Heidelberg etwas weniger isoliert zu sein vom allgemeinen Lebenszusammenhang als in Zürich, wo er sich als Nichtschweizer strikte politische Zurückhaltung auferlegen zu müssen meinte. Ein mich um so mehr Ihnen versagen, als ich weiß, daß solche Teilnahme ihre Konsequenzen hat und als mir die Sache an die Nieren geht, so daß sie, wie ich mich kenne, ohne eine Kette von Erregungen für mich nicht verlaufen würde. Ich wünsche Ihnen aber von Herzen eine fruchtbare, unvoreingenommene Aussprache, bei der sich wirklich eine Klärung ergibt. Sie ist ja unbedingt notwendig, wenn nicht statt des verkündeten Heils ein großes Unheil für unser Vaterland aus dieser Bewegung entstehen soll. Ich hoffe, Sie werden Männer finden, die mit der Vaterlandsliebe Ruhe und Einsicht verbinden und von der Absicht getragen sind, die Wirklichkeit der Dinge zu sehen und sich von Wunschbildern nicht blenden zu lassen. Sie als alter Diplomat wissen, daß der Rausch der Worte, dem man in großen Volksversammlungen so leicht verfällt, vor dem Ernst der Realitäten nicht standhält." Im folgenden wird u.a. eine Hitlerrede analysiert, die der Gastgeber der geplanten Zusammenkunft, der kaiserliche Gesandte a.D. von Reichenau, von Schubert zugänglich gemacht hatte. Das Ergebnis der Analyse ist überwiegend äußerst kritisch („kaum noch Halbbildung. . .Verworrenheit im P o l i t i s c h e n . . . Konfusion in der .Weltanschauung'"). 11 In dem eben zitierten Schreiben an Reichenau vom 1 2 . 1 . 1 9 3 1 , dessen Abschrift mir vorliegt, heißt es u.a. über die nationalsozialistische „Konfusion in der ,Weltanschauung'": „Einerseits will man christlich sein und dann wieder redet man vom nordischgermanischen Heidentum, man wählte sich das Kreuz, aber ein doppelt gebrochenes, das mit dem Christentum garnichts zu tun hat, aber auch garnichts mit dem GermanischNordischen, sondern ein ganz allgemeines Ornament ist unbekannten Ursprungs; man macht Christus zum Germanen, um ihn zu retten und ruft J u d a verrecke', obgleich man die größte deutsche Bewegung, die Reformation Luthers, gewiss nicht missen will, die auf der Rechtfertigungslehre des Paulus steht, also doch eines Juden und so weiter". Deutlich distanzierend ist später auch die Rede von „diesem Österreicher Hitler (warum fehlt ihm eigentlich die deutsche Staatsangehörigkeit?), der von seiner Wiener Vergangenheit her seinen spezifisch Wienerischen Antisemitismus bezogen hat". 1 2 Das änderte sich mit dem „Gesetz über die Entpflichtung und Versetzung von Hochschullehrern aus Anlaß des Neuaufbaus des deutschen Hochschulwesens" vom 2 1 . 1 . 1 9 3 5 (RGBl 1935 I, S. 23), das u.a. — befristet bis zum Ende des Jahres 1937 — die Emeritierung mit 65 Jahren verfügte (vgl. dazu auch den Beitrag von E. Wolgast in diesem Band).
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anderes Rätsel ergibt sich aus der Näherbeschäftigung mit seinem Schrifttum zu Luther, angefangen mit der philosophischen und der theologischen Dissertation (1895/1900) über „Luthers Schrift ,An den christlichen Adel deutscher Nation' im Spiegel der Kultur- und Zeitgeschichte" bzw. „Luther und die Kirchengeschichte nach seinen Schriften, zunächst bis 1521" bis hin zu der umgreifenden Darstellung „Luther und das Luthertum in ihrer weltgeschichtlichen Auswirkung" (1933) 13 . Man fragt sich, wie ein bis heute so anerkannter Zwingliforscher wie Köhler zugleich einer Lutherrezeption huldigen konnte, die sehr stark in die Nähe der These von der Eigengesetzlichkeit der Welt gerät und damit den Glauben völlig „entpolitisiert" oder privatisiert. An dieser Lutherrezeption sind alle Äußerungen zum Verhältnis „Kirche und Politik" orientiert, die wir von Köhler aus seiner Heidelberger Zeit besitzen (sowohl in Veröffentlichungen wie in Briefen) 14 . Eine Näherbeschäftigung mit Köhlers Zwinglischrifttum, soweit es wenigstens Zwingiis Vorstellung über das Verhältnis von „Staat und Kirche" wie auch dessen eigenes politisches Engagement betrifft, zeigt nun, daß sich von da aus keinerlei Widerspruch zu der beschriebenen Lutherrezeption ergibt. 1. zeigt sich Köhler wohl allenthalben von der Größe und selbständigen Bedeutung Zwingiis (neben Luther) überzeugt, geht aber selten oder nie aus der historischen Distanz heraus 15 ; 2. setzt er in seiner Darstellung der Theologie Zwingiis Akzente, die den Unterschieden zu Luthers Zwei-Reiche-Lehre die Spitze abbrechen 16 ; 3. wird Zwingiis politisches Engagement, das auch „vor Gewaltpolitik nicht zurückschreckte", von Köhler (schon 1920) „aus schweizerischdemokratischem Lokalgefärbe, nicht minder" aber „aus antikem Staatsbegriff" erklärt, „der die Politik als beherrschenden Zweck an die Spitze allen Geschehens setzt und auch die Religion ihm einordnet" 1 7 ; wie es aber zu beurteilen sei, bleibt völlig offen; 4. kann sich Köhler an Zwingli als Staatsmann offensichtlich begeistern. Er hat „sein Vaterland neu politisiert" 1 8 . Die Begeisterung für einen anderen „starken Mann", der „sein Vaterland" zum „Machtstaat mit gestraffter Kraft nach innen und großem, selbständigem Ziel nach außen" hinentwickelte, um nicht zu sagen, hinzwang, lag von da aus nicht fern; 5. sieht Köhler allerdings die Eigenart Zwingiis darin, daß bei ihm der Reformator und der Staatsmann nicht nebeneinander existierten, sondern sozusagen in- und durcheinander: 13
Vgl. dazu den Gedenkartikel von E. ROTH, In Memoriam W. Köhler, bes. S.228F. Vgl. auch etwa seine aufschlußreiche Rezension von W. Elerts „Morphologie des Luthert u m s " („Neue Zürcher Zeitung" N r . 1593 vom 23.8.1931). 15 Vgl. bes. das Vorwort zu der zusammenfassenden Darstellung W. KÖHLER, Zwingli. 16 Vgl. bereits die Wiedergabe von „Von göttlicher und menschlicher Gerechtigkeit. . ." 14
(W. KÖHLER, G e i s t e s w e l t , S. 124). 17
EBD.
18 W . K Ö H L E R , Z w i n g l i ,
S.267F.
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„ D a s schuf die Figur des Propheten. Zwingli hat diesen religiös-politischen Typ des staatslenkenden Sehers — er nannte den Tiresias der griechischen Sage — neu begründet, besser: sich zu ihm berufen gefühlt." 1 9 Freilich hat der Heidelberger Richard Rothe — wie Köhler findet, zu Recht — in Zwingli einen Geistesahnen (für die Idee einer „Aufhebung" der Kirche in den Staat nämlich) sehen können 2 0 . Damit aber entfiel jede Möglichkeit einer „prophetischen K r i t i k " staatlichen Handelns durch die Kirche. Zusammenfassend läßt sich sagen: Trotz unangenehmer Assoziationen bei Formulierungen wie „staatslenkender Seher" wäre es wohl voreilig, ja abwegig, Köhler ohne weiteres in die Nähe des Nationalsozialismus zu rücken. Wohl aber versteht man, wenn man sich einen Augenblick seiner Zwingliforschung zuwendet, wie er sich — trotz seiner fast lebenslangen Beschäftigung mit dem großen Zürcher, dem er „das Podium der Weltgeschichte zu schaffen" bestrebt war 2 1 — in der Zeit des „Dritten Reiches" strikt neutral verhalten und auch anderen, insbesondere jüngeren Wissenschaftlern (wie seinem Schüler Erich Dinkler) solche Neutralität angelegentlich empfehlen konnte, u.a. auch dem ihm befreundeten niederländischen Gelehrten Jan Huizinga in seinem Brief vom 3. September 1934: „Meine Lebensphilosophie k o m m t immer mehr auf ein Balancieren heraus, und ich glaube mich da in Übereinstimmung mit Ihnen zu befinden. Auf andere Weise ist es m.E. unmöglich, den verschiedenartigsten Anforderungen des Lebens gerecht zu werden. Der grosse „ D u c e " (sie!) auf diesem Gebiete war und ist der von Ihnen und mir in gleicher Weise verehrte Erasmus von Rotterdam. Aber das hat dann auch wieder seine Schwächen: Der Balancierer wirft das Rad der Geschichte nicht herum, sondern nur der Einseitige. Darin liegt für mich eine der tiefsten Tragiken der Geschichte." 2 2
Nachdem Köhler — gemäß dem o.a. ministeriellen Erlaß 2 3 — mit dem 1. April 1936 emeritiert worden war und sich der Erich-Seebergschüler Peter Meinhold, vom Heidelberger Dekan Theodor Odenwald selbst beim Berliner Ministerium zur Vakanzvertretung angefordert, — erfolglos — als dessen Nachfolger in Heidelberg zu etablieren versucht hatte 2 4 , schlug die Heidelberger Fakultät Hans von Campenhausen (1903-1989) zur Berufung vor. Die Berufung wurde auch — anders als ein Jahr zuvor im Hinblick
EBD., S. 268. EBD., S. 2 7 0 f . 2 1 So Köhler selbst in einer nachgelassenen autobiographischen Skizze „Cursus et ratio vitae meae" (zit. bei E. ROTH, In M e m o r i a m W. Köhler, S.233). 2 2 D e m Verfasser von H e r r n Dr. A. van der Lern, Amsterdam, als Kopie überlassen. 2 3 Vgl. oben A n m . 12. 2 4 Vgl. das Schreiben Odenwalds an den badischen Landesbischof v o m 2 7 . 1 0 . 1 9 3 5 ( L K A KARLSRUHE, G A 7629) und an den Heidelberger Rektor vom 9 . 2 . 1 9 3 6 ( U A HEIDEL19
20
BERG, B - 7 1 4 9 ) .
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auf das durch Heinrich Bornkamms Weggang nach Leipzig freigewordene Ordinariat in Gießen — ausgesprochen, konnte jedoch wegen des Widerspruchs der Partei, genauer gesagt: des bei Beamtenernennungen stets zu konsultierenden (oder, richtiger, den Ausschlag gebenden) „Braunen Hauses" in München, der Parteizentrale der NSDAP, nicht vollzogen werden 2 5 : Ihm fehlten, zitiert der Göttinger Dekan Emanuel Hirsch, der es wissen mußte, in einem Schreiben vom 4. Mai 1937 ihm gewordene Informationen, „die besonderen Voraussetzungen, die von einem Erzieher an der nationalsozialistischen Universität gefordert w e r d e n . . . Er kann nicht Mitträger der nationalsozialistischen Erneuerung der Universitätserziehung werden, sondern hat den Typus eines Gelehrten älterer Prägung und Gesinnung" 2 6 . Er „konnte" also nicht im neuen Deutschland Professor sein — aus dem einzigen denkbaren Grund, daß an seiner Abneigung gegen den Nationalsozialismus nicht wohl zu zweifeln war, ungeachtet einer gelegentlichen öffentlichen Zustimmung zum Austritt Nazideutschlands aus dem Völkerbund 2 7 , die jedoch nicht mehr besagen wird, als daß auch er um der Handlungsfreiheit Deutschlands nach außen und innen willen eine Wiederaufrüstung für unabdingbar hielt, für die aber unter den obwaltenden Umständen eine Zustimmung Frankreichs und Englands kaum zu erhalten war. Hitlers Schritt war im damaligen Deutschland äußerst populär und die „Volksabstimmung" ein voller Erfolg. Zudem war von Campenhausen just in dem Augenblick in die „Bekennende Kirche" eingetreten, als deutlich wurde, daß um des Fortkommens willen zumindest „Neutralität" in den kirchlich-kirchenpolitischen Auseinandersetzungen jener Jahre angezeigt sei. So wurde er, obwohl niemand an seiner wissenschaftlichen Qualifikation irgendwelche Zweifel haben konnte, er vielmehr schon bald nach seiner Habilitation in Marburg 1928 als eine der großen wissenschaftlichen Verheißungen „gehandelt" wurde 2 8 , bis Kriegs2 5 D i e fehlgeschlagene B e r u f u n g von C a m p e n h a u s e n s im Z u s a m m e n h a n g der nationalsozialistischen H o c h s c h u l p o l i t i k und die Rolle, die E m a n u e l Hirsch dabei gespielt hat, beschreibt L. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, Fakultät. 2 6 U A GÖTTINGEN, PA von C a m p e n h a u s e n . In demselben Schreiben an den zuständigen Minister auf dem Dienstweg spricht sich Hirsch für eine Weiterverwendung für von Campenhausen aus, die mit dem Votum der Partei vereinbar ist (etwa im Bibliothekswesen). In einem Schreiben an den Göttinger Rektor v o m selben Tage lehnt Hirsch die Wiedereinsetzung von C a m p e n h a u s e n s als Inspektor im Göttinger Stift ab mit der Begründung, dieser sei ein „politisch disqualifizierter und notwendigerweise persönlich erbitterter M a n n " ; außerdem sei die Stelle inzwischen anderweitig (mit C . H . Ratschow) besetzt (EBD.). 2 7 Es handelt sich u m das BEKENNTNIS DER PROFESSOREN im Z u s a m m e n h a n g der von Hitler auf den 12.11.1933 anberaumten Volksabstimmung über das von ihm k u r z zuvor erklärte Ausscheiden Deutschlands aus der internationalen Abrüstungskonferenz und dem V ö l k e r b u n d ; unter den Zustimmungserklärungen deutscher Wissenschaftler findet sich auch diejenige des damaligen Göttinger Privatdozenten von C a m p e n h a u s e n (S. 129). Vgl. dazu auch den Beitrag von K . N o w a k in diesem Band. 2 8 Vgl. K . ALAND, G l a n z , N r . 598, 663, 709, 866, 949 u.a.m.
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ende kein Professor „im neuen Deutschland", sondern war zunächst gezwungen, gleichsam nach jedem Strohhalm zu greifen, der sich ihm b o t 2 9 . 1936 / 37 war eine Berufung nach Basel in den Bereich des Möglichen gerückt. Die dortige Theologische Fakultät hatte ihn auf Platz 1 ihres Berufungsvorschlages gesetzt. Im „Erziehungsrat" jedoch, der den endgültigen Berufungsvorschlag der Kantonsexekutive zu unterbreiten hatte, war ihm schließlich Oscar Cullmann vorgezogen und dementsprechend auch berufen worden, „einzig deshalb, weil damals — in der Aera des sog.,Roten Basel' (Mehrheit der Sozialdemokraten im Regierungsrat) — die antideutsche Stimmung in Basel derart stark war, daß jede Berufung eines Reichsdeutschen an die Universität sofort ein Politicum wurde" 3 0 . Dafür erhielt von Campenhausen für das W S 1 9 3 7 / 3 8 auf Initiative des ihm scheinbar wohlgesonnenen Reichserziehungsministeriums (bei dem sich Hans Lietzmann beharrlich für ihn einsetzte) einen vergüteten Lehrauftrag von der Greifswalder Fakultät, der dann ein paarmal anstandslos verlängert wurde, bis — wiederum auf Initiative des Ministeriums und auf offiziellen Antrag der Greifswalder Fakultät — im O k t o b e r 1939 die Ernennung zum „Dozenten neuer Ordnung" (unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf, ohne Recht auf Bewilligung von Diäten oder auf Berufung auf einen Lehrstuhl) erfolgte 3 1 . Wenig später wandte sich die Fakultät an den Kurator mit der Bitte, sich nach einer anderen Universität für von Campenhausen umzusehen, da in Greifswald bereits vier Kirchenhistoriker dozierten. Die Fakultät hatte Erfolg: der als überzählig betrachtete Dozent wurde nach Wien „ ü b e r s t e l l t " w o er — in Vertretung von H . G . Opitz, der bald nach Kriegsausbruch gefallen war — vom 2. Trimester 1940 an bis zum Kriegsende regelmäßig als Dozent kirchengeschichtliche Lehrveranstaltungen ankündigte, daneben aber seinen Soldatenpflichten genügte. Was hätte es bedeutet, wenn die Nachfolge Köhlers im Sinne der Heidelberger Fakultät geregelt worden wäre? Es hätte für von Campenhausen in
2 9 Vgl. seinen eigenen K o m m e n t a r zur mißlungenen Heidelberger Berufung in seinem Brief an Lietzmann v o m 1 2 . 5 . 1 9 3 7 (EBD., N r . 1001). 3 0 Brief des Staatsarchivars, Prof. Dr. Andreas Staehelins, an den Verf. vom 8.5.1991. Der Aktenvorgang wird unter der Signatur „Universitätsarchiv VIII 5,3: Eberhard Vischer
und Nachf."
i m STAATSARCHIV BASEL
aufbewahrt.
Das verpflichtete den Staat zu nichts und vertrug sich sehr gut mit dessen langfristigen Absichten im Hinblick auf die Theologischen Fakultäten, wie sie E. Wolgast in seinem Beitrag in diesem Band verdeutlicht hat. Was die Rolle Wackers und Mattiats anlangt, so besteht ein Widerspruch zwischen Wolgasts Darstellung und dem Bild, das aus Lietzmanns Korrespondenz (vgl. K. ALAND, Glanz) zu gewinnen ist, ein Widerspruch, auf den ich mir im Augenblick noch keinen Reim machen kann. 3 2 Ich verdanke diese Informationen meinem Kollegen H . G . T h ü m m e l , der für mich die Greifswalder Personalakte von Campenhausens im U A GREIFSWALD eingesehen hat und, wie er mir am 1 0 . 4 . 1 9 9 0 schrieb, über weite Strecken das Gefühl hatte, seine eigene Akte zu lesen! - Vgl. dazu auch den Beitrag von K. Schwarz in diesem Band. 31
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gewisser Weise die Rückkehr in die zweite Heimat bedeutet. Hatte doch die Familie nach der Flucht aus dem Baltikum und der Ermordung des Vaters in Heidelberg Zuflucht gefunden. Hier hatte von Campenhausen auch 1922 das Abitur abgelegt und außer in Marburg sein Studium der Theologie und der Geschichte absolviert. Bei von Schubert hatte der Dreiundzwanzigjährige mit einer (bis heute im wesentlichen unüberholten) Monographie über „Ambrosius von Mailand als Kirchenpolitiker" (veröffentlicht 1929) den theologischen Doktorgrad erworben, während ihm der Marburger kirchenhistorische Lehrer Hans von Soden das (christlicharchäologische) Thema zu seiner Habilitationsarbeit gestellt hatte, aufgrund derer er im Herbst 1928 die Venia legendi für das Fach Kirchengeschichte erhielt 3 3 . Für die Heidelberger Fakultät und ihre (damals freilich nicht eben zahlreichen) Studierenden hätte die erfolgreiche Berufung den Gewinn eines hervorragenden Gelehrten und faszinierenden Lehrers bedeutet, der seine Hörer durch seinen funkelnden Geist und seinen sprühenden Witz ebenso zu fesseln wußte wie durch den gesammelten Ernst, mit dem er zum Wesentlichen der Theologie zu führen und ein lebendiges Verstehen der Geschichte zu erschließen suchte 3 4 . Wie ist es einzuschätzen, so frage ich zum Schluß meines Berichts über die (zunächst) mißglückte Berufung von Campenhausens nach Heidelberg, daß sich in den Akten wiederholt — aus gegebenem Anlaß! — die Versicherung seiner „politischen Zuverlässigkeit" findet 3 5 ? Es bedeutet gewiß nicht, daß er Nationalsozialist gewesen wäre — das hat niemand behauptet und konnte niemand behaupten; es bedeutet wohl aber, daß er sich strikte Zurückhaltung in politicis auferlegte und die Gewähr zu bieten schien, daß er seinen Pflichten als Staatsbeamter 3 6 Folge leisten würde. Das wäre in diesem Falle kein Opportunismus gewesen, sondern einem ohnehin bestehenden Bedürfnis des baltischen Edelmanns entgegengekommen, seine Unabhängigkeit von populären Mehrheitsmeinungen zu bewahren. Als nach dem Zweiten Weltkrieg plötzlich alle Welt in öffentlichen Reden D i e Arbeit ist 1930 unter dem Titel „ D i e Passionssarkophage" erschienen. Vgl. A . M . RITTER, N a c h r u f auf H . von C a m p e n h a u s e n , S. 114. 3 5 So offenbar auch in der Greifswalder Personalakte (vgl. oben A n m . 32); vgl. ferner A n m . 29. — Aus den Basler D o k u m e n t e n (vgl. oben A n m . 30) „geht klar hervor, daß H a n s von C a m p e n h a u s e n sowohl als fachlich hochqualifiziert als auch als menschlich und politisch völlig integer eingeschätzt wurde, also keinesfalls als Sympathisant der Nationalsozialisten", wie H e r r Kollege Staehelin völlig zurecht bemerkt. 3 6 Diese schlössen für sein Verständnis auch etwa die Respektierung des sog. „ M a u l k o r b erlasses" des Reichserziehungsministeriums v o m 2 8 . 2 . 1 9 3 5 ( C . NICOLAISEN, D o k u m e n t e , Bd. 2, S.271 f. und dazu den Beitrag von E. Wolgast in diesem Band) ein, nicht jedoch blinden G e h o r s a m ! So verwahrte er sich in seinem Briefwechsel mit Hirsch über die Frage einer Wiedereinführung ins Göttinger Stift (vgl. oben A n m . 25) gegen Gerüchte über eine angebliche illegale Vorlesungstätigkeit in Kiel, gab aber gleichzeitig die Teilnahme an BKVeranstaltungen (Seminar von J. Schniewind) u n u m w u n d e n zu. 33
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die Demokratie als einzige moralische Kraft und als Quelle der Erneuerung pries und lobte, nahm er sich vor, coram publico das Wort „Demokratie" überhaupt nicht in den Mund zu nehmen! — Ich behaupte nicht, daß damit bereits alle Fragen beantwortet wären, wohl aber, daß durch das Gesagte einiges verständlicher geworden sein dürfte. Nachdem Anfang Mai 1937 von Berlin aus (auf dem Dienstweg über das badische Kultusministerium) der Heidelberger Theologischen Fakultät offiziell mitgeteilt worden war, daß die „Berufung des Dozenten Dr. Freiherr von Campenhausen... nach eingehender Prüfung der Angelegenheit, die im Anschluß an den Einspruch des Stellvertreters des Führers stattgefunden hat, nicht mehr in Frage" komme 3 7 , und man neue Vorschläge zur Wiederbesetzung des Lehrstuhls „sobald als möglich" angefordert hatte, wurde einstweilen, zum 1. November 1937, Günther Moldaenke von Berlin aus als Dozent mit der Vertretung des kirchengeschichtlichen Lehrstuhls beauftragt, also der Fakultät, wie es seit 1935 nachgerade gebräuchlich geworden war, einfach vor die Nase gesetzt. Uber diesen Vorgang wie auch die Person Günther Moldaenkes ist in einem Brief Lietzmanns an den Wiener Systematiker K. Beth vom 13. November 1937 einiges zu lesen 38 , das jedoch nicht ganz unbeeinflußt ist von dem (schon vor 1933) sehr gespannten Verhältnis zwischen Lietzmann und seinem Fakultätskollegen Erich Seeberg, dem Förderer Moldaenkes, der auch ganz gewiß hinter dessen Entsendung nach Heidelberg stand. Beth hatte Lietzmann nach Kandidaten für die Wiener kirchengeschichtliche Professur gefragt. In seiner Antwort weist er unter „allen unseren jüngeren Kollegen" an erster Stelle auf von Campenhausen hin, erwähnt am Schluß aber auch „die Herren Moldaenke und (P.) Meinhold" und bemerkt über diese: sie „sind Schüler von Professor Seeberg und stehen deshalb mir und meiner persönlichen Kenntnis f e r n . . . Beide haben sich überstürzt habilitiert und sind durch die Empfehlung ihres Meisters in schnellem Aufstieg begriffen. Jeder hat ein Buch geschrieben, welches als eine anständige Anfängerleistung zu bezeichnen ist, ob sie zu Höherem befähigt sind, kann erst die Zukunft erweisen. Nach unseren bisherigen Anschauungen kommen sie für eine Professur noch nicht in Betracht" 39 . Mit dem Urteil über Moldaenkes „eines" Buch hat Lietzmann wohl recht. Es ist das einzige, was Moldaenke selbst im Registerband der dritten Auflage des R G G an Veröffentlichungen angeführt hat. Daneben bin ich —
3 7 Ministerialerlaß v o m 1 4 . 5 . 1 9 3 7 (Abschriften in den jeweiligen Personalakten von C a m p e n h a u s e n im U A HEIDELBERG und U A GÖTTINGEN). — Ich danke den Kindern H a n s von C a m p e n h a u s e n s aufrichtig für die mir freundlich erteilte G e n e h m i g u n g , in seine Personalakten Einsicht zu nehmen. 3 8 K . ALAND, G l a n z , N r . 1029, S. 905f. 3 9 EBD., S. 906.
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bis auf Rezensionen — nirgends auf Spuren weiterer Publikationen in der Zeit vor oder unmittelbar nach 1945 gestoßen, so daß ich schlußfolgere, daß das Buch „Schriftverständnis und Schriftdeutung im Zeitalter der Reformation, I: Matthias Flacius Illyricus" (FKGG 6, 1936) in der uns interessierenden Zeit der einzige Anlaß war, sich mit Moldaenke als Wissenschaftler zu befassen. Moldaenke hat ausweislich des Heidelberger Vorlesungsverzeichnisses nur klassische theologische Themen behandelt 40 , und zwar so, daß ihm die Fakultät, nicht zuletzt Martin Dibelius und Gustav Hölscher, die ersten Dekane nach 1945, nur gute Zeugnisse rückschauend ausgestellt und sich nachdrücklich dafür verwendet haben, daß ihm ein zweites Ordinariat neben dem nun mit von Campenhausen endgültig besetzten übertragen werde. Als das nicht gelang, hat man, mit Erfolg (!), wenigstens die Erteilung der Venia legendi (1947) und später (1951/1952) die Verleihung des Titels eines apl. Professors für Moldaenke beantragt. Im Zusammenhang mit all diesen Bemühungen (und auch dem Spruchkammerverfahren, dem sich Moldaenke unterziehen mußte: Urteil „Mitläufer") ist, soweit ich sehe, von keiner Seite dem widersprochen worden, daß er, seit 1936 Mitglied der N S D A P und von 1934 bis 1938 der Marine-SA (aus sportlichen Gründen, mangels anderer wassersportlicher Vereinigungen), gleichwohl kein aktiver Nazi war. Als Sohn eines der Führer der Bekennenden Kirche in Berlin-Brandenburg und selbst 1933 Mitglied der Jungreformatorischen Bewegung, wurde er wegen Beteiligung am Kampf gegen die Deutschen Christen im selben Jahr 1933 für kurze Zeit verhaftet und entging einer längeren Schutzhaft nur durch Verwendung von Martin Niemöller, dem in diesem Falle seine Herkunft „vom U-Boot" zustatten kam. Da er von 1934 bis 1937 als Dozent in Dorpat tätig war, mußte er auf Veranlassung des Landesgruppenleiters Estland 1936 als reichsdeutscher Dozent im Ausland der Partei beitreten. Irgendwelche Funktionen hat er nicht ausgeübt. Dafür hat er die allgemeine Benachteiligung der Theologen in der Partei zu spüren bekommen. Es scheint auch, als habe ihm seine offene und entschiedene christliche Haltung in der Wehrmacht geschadet und 1940 zu einer (vorläufigen) Streichung von der Liste der Reserveoffiziersanwärter geführt.
4 0 D i e Ergebnisse meiner Recherchen konnte ich mit H e r r n Moldaenke in einem längeren Gespräch diskutieren. Ich danke ihm für alle Auskünfte, die er mir erteilt hat, und für die vertrauensvolle Offenheit, in der er sie mir erteilt hat. — Zu seiner Heidelberger Lehrtätigkeit ist noch zu ergänzen, daß nach längerer kommissarischer Vertretung des vakanten Lehrstuhls der Heidelberger decanus perpetuus Odenwald 1940 nochmals eine förmliche Lehrstuhlbesetzung durch Moldaenke versuchte, um jedoch (mit Schreiben v o m 17.9.1940) zu erfahren, daß der kirchengeschichtliche Lehrstuhl endgültig gestrichen sei und „mit Rücksicht auf die jetzigen Kriegsverhältnisse nicht wieder besetzt werden" dürfe (vgl.
L . SIEGELE-WENSCHKEWITZ, F a k u l t ä t , S . 5 3 6 ) .
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Im übrigen scheint über seine militärische Tätigkeit nichts Negatives bekannt geworden zu sein, ebenso, wie ich auch keinen Anhalt dafür besitze, daß er als theologischer Lehrer etwas anderes betrieben hätte als Theologie, allenfalls mit ein wenig (national) gehobener Stimme, besonders in seiner einstündigen Vorlesung „Krieg und Religion in der Geschichte der deutschen Frömmigkeit" (Sommer-Trimester 1940), und unter Zulassung der einen oder anderen Zweideutigkeit (wie auch in seinem Flaciusbuch, besonders in dessen Vorwort). Ich komme zum Schluß und fasse zusammen: Wir haben im voraufgehenden drei ganz unterschiedliche Profile vor Augen gerückt bekommen (wenn ich hier Hans von Schubert nun in der Tat außer acht lassen darf): Walther Köhler als herausragenden, international hoch angesehenen Wissenschaftler, durch ein sich seit seiner Zürcher Lehrtätigkeit ständig verschlimmerndes Gehörleiden in seiner Wirklichkeitswahrnehmung und seinen Außenkontakten stark eingeschränkt und in den Konflikten der Zeit sich um strikte Neutralität bemühend, und auf der anderen Seite Günther Moldaenke, einen von seiner wissenschaftlichen Aufgabe vielleicht (zunächst) überforderten, jedenfalls aber von den Verhältnissen und seinem mächtigen Protektor Erich Seeberg begünstigten, ansonsten aber niemals opportunistisch sich verhaltenden, bewußt kirchlich denkenden Mann, dem es die Fakultät nach 1945 an Dankbarkeitsbeweisen nicht hat fehlen lassen. Und dazwischen, als Verheißung auf Zukünftiges, Hans von Campenhausen: „politisch zuverlässig", dafür aber ein wissenschaftliches und theologisches Schwergewicht. — Wie geht man damit in der Rückschau um? Ich verhehle nicht — ich habe es auch inzwischen mehrfach mündlich und schriftlich zum Ausdruck gebracht 41 —, daß es mir schon als jungem Studenten und Schüler von Campenhausens nicht leicht gefallen ist, Verständnis zu entwickeln für das Maß an politischer Abstinenz, das von Campenhausen vor wie nach 1945 aufzubringen für richtig hielt. Inzwischen haben sich die Anfragen an eine in der Generation von Campenhausens ja weitverbreitete Haltung noch wesentlich verstärkt und verschärft. Demgegenüber sollte man jedoch nicht unterschätzen, was es zu bedeuten hatte, daß in Hans von Campenhausens Veröffentlichungen keinerlei Zweideutigkeiten, keinerlei Anbiederungen an den Zeitgeist und die Machtverhältnisse, speziell auch keine noch so versteckten, antijüdisch deutbaren
4 1 Vgl. hier v o r allem meine Gedenkrede im Rahmen der Akademischen Gedenkfeier der Theologischen Fakultät Heidelberg f ü r von Campenhausen, die in unveränderter Form (aber unter neuem Titel „Hans von Campenhausen [ 1 6 . 1 2 . 1 9 0 3 - 6 . 1 . 1 9 8 9 ] — ein protestantischer Kirchenhistoriker in seinem Jahrhundert") und in überarbeiteter und erweiteter Fassung (aber unter dem ursprünglichen Titel „Hans von Campenhausen und Adolf von Harnack") erschienen ist.
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Animositäten zu finden waren. Wie mir mehrfach bezeugt wurde, gilt dies uneingeschränkt auch für die Art und Weise, wie sich von Campenhausen vom Katheder, von der Kanzel und vom Vortragspult aus vernehmen ließ. Man kann es leicht nachprüfen, die Dinge sind ja in der Hauptsache veröffentlicht: Es gibt da nichts, was heute peinlich berührte. Dafür aber findet man in den Veröffentlichungen aus der Zeit vor wie nach 1945 beherzte, kraftvolle Theologie, eine völlig unzweideutige Bezeugung des biblischen Bildes vom Menschen wie auch des biblischen Verständnisses von rechter Obrigkeit, u m nur dieses zu nennen! Dergleichen hat, wie Klaus Scholder m.E. nach wie vor richtig festgestellt hat, in der Zeit des „Dritten Reiches" „eine kritische Funktion ausgeübt". Ich kann das aus eigener Erinnerung bestätigen, bezogen auf eine Verkündigung, auf Predigt, die ganz bei ihrer biblischen Sache war und in der Verwirrung der Zeit so etwas wie „Rechtfertigung des Gottlosen", wie „Totenauferweckung" erleben ließ. Scholder fährt fort, und ich stimme ihm auch darin i.w. nach wie vor zu: Die Tatsache, daß die Gleichschaltung der Kirchen „mißlang, stellte den Nationalsozialismus an einem Punkt in Frage, an dem er sonst von keiner Gruppe und keiner Institution mehr angegriffen schien: am Totalitätsanspruch seiner weltanschaulichen Herrschaft. Hier bedeutete jede einfache Sonntagspredigt — und gerade sie — einen Widerspruch, den nicht nur die Partei, sondern auch das Volk durchaus und in wachsendem Maße e m p f a n d " 4 2 .
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K. SCHOLDER, Kampf um die Kirche, S. 302.
MARTIN
ROHKRÄMER
Fritz Lieb 1933-1939 Entlassung — Emigration — Kirchenkampf — Antifaschismus I. Die Entlassung 1933 „Im 3. Reich hat keine andere akademische Korporation Deutschlands eine so durchgreifende Umgestaltung erfahren wie die Bonner Fakultät", lautet ein knapper Satz von Gerhard Goeters, dessen Fortsetzung die Namen derer nennt, die bereits 1933 entlassen wurden: Karl Ludwig Schmidt, o. Prof. für Neues Testament, sein Assistent Ernst Fuchs und Fritz Lieb, a.o. Prof. für Ostliches Christentum in Vergangenheit und Gegenwart. Es ist verwunderlich, daß die Vorgänge der Umgestaltung der Fakultät durch die nationalsozialistischen Eingriffe bisher keine umfassende Darstellung gefunden haben. Grundlegend ist noch immer Ernst Bizers äußerst knapp gehaltener Aufsatz von 1968 1 , dessen Mangel vor allem darin besteht, daß Bizer sich fast ausschließlich auf das Protokollbuch der Fakultät gestützt und „andere Quellen" kaum benutzt hat. Seither sind einige kleinere und spezielle Darstellungen hinzugekommen, aber es fehlt doch noch manches, das für eine Gesamtdarstellung nötig wäre. Auch ich will heute einiges neue Material, vor allem aus dem Nachlaß von Fritz Lieb in der Universitätsbibliothek Basel 2 , vorlegen und versuchen, ein Bild dieses ein wenig in Vergessenheit geratenen, aber sehr besonderen Professors zu zeichnen, der von 1930 bis 1933 in Bonn gelehrt hat. Nach einer Zeit des Niedergangs in den 20er Jahren erlebte die Bonner Theologische Fakultät zwischen 1929 und 1933 eine Blütezeit, als nacheinander Karl Ludwig Schmidt, Gustav Hölscher, Karl Barth und Ernst Wolf dorthin berufen worden waren. Gleich in der ersten Fakultätssitzung, an der Barth teilnahm, beantragte er die Umhabilitierung von Fritz Lieb nach Bonn, die die Fakultät sofort genehmigte, so daß auch Lieb seit dem WS 1930/31 in Bonn lehrte. Im Februar 1932 habilitierte sich Ernst Fuchs im N T , der den Genannten theologisch nahestand. Die Hörerzahl stieg in Bonn sprunghaft von rund 150 auf 400 Studenten.
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Vgl. E . BIZER, G e s c h i c h t e . A u f E i n z e l n a c h w e i s e aus d e m N a c h l a ß verzichte ich im F o l g e n d e n .
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Martin R o h k r ä m e r
Die Neuberufenen waren theologisch miteinander verbunden und hatten untereinander ein gutes menschliches Verhältnis. Für das Verständnis der Vorgänge von 1933 ist noch zu erwähnen, daß Barth, Lieb und Schmidt, auch Fuchs — dieser wahrscheinlich nur 1933 für eine kurze Zeit — Mitglieder der SPD waren. Lieb hatte, bevor er nach Bonn kam, eine recht bewegte Studentenzeit, vor allem bei Kutter und Ragaz in Zürich verbracht und sich zwischen 1915 und 1921 in der sozialistischen Bewegung der Schweiz stark engagiert. Nach seiner Habilitation 1924 hatte er von 1925 bis 1930 als Privatdozent in Basel gelehrt. Sein Fachgebiet waren Systematische Theologie und Theologiegeschichte, sein spezielles Arbeitsfeld, für das er Russisch gelernt hatte, waren Theologie- und Kirchengeschichte der russischorthodoxen Kirche. Die Basler Fakultät hatte 1928 nur 24 Studenten. Das macht es begreiflich, daß Lieb sich um eine Lehrtätigkeit in Deutschland bemühte. Er wurde in Bonn schnell zum „geliebten Freund und Lehrer eines ganzen Kreises aufgeweckter Studenten", wie Barth 1932 in einem Rückblick schrieb und wie es Zeugnisse von Georg Eichholz, Helmut Gollwitzer und Karl Gerhard Steck anschaulich machen. Daß die Professoren Barth, Lieb und Schmidt den Nationalsozialismus von Anfang an ablehnten, war für sie eine pure Selbstverständlichkeit. „Ich brauchte mich gar nicht zu besinnen, daß ich das neue Regime abzulehnen hatte", so Barth, der am 30. Januar mit einer Grippe im Bett lag. Aus dem, was ihm selber erzählt worden ist, hat er über Fritz Lieb berichtet: „Weißt du noch, wie du im Januar 1933 Miene machtest, den die Machtergreifung Hitlers verkündigenden Radioapparat unseres Freundes K.L. Schmidt zum Fenster hinauszuwerfen — und wie wir dich an der Koblenzer Straße, wo bereits SAPatrouillen die nächtliche Landschaft unsicher machten, nur mit Mühe abhalten konnten, deinem gerechten Unwillen über den überhandnehmenden ,Faschismus' mit lauten Zurufen Luft zu machen?"
Auch Briefe von Studenten spiegeln die Ablehnung, die in diesem Kreis selbstverständlich war. So schrieb Karl Gerhard Steck, inzwischen Vikar, am 24. Februar 1933 aus München an Lieb: „Ich hoffe, Sie fallen nicht allzusehr vom Fleische wegen der skandalösen politischen Entwicklung. Ich werde halt eben doch wieder S P D wählen." Eine geradezu hellsichtige Formulierung stammt von dem Theologiestudenten Kurt Brandt, der am „Tag von Potsdam" folgenden Briefkopf schreibt: „Bielefeld, den 21.3.33, am Beginn eines langen deutschen Winters." Schließlich zitiere ich noch eine Karte, die Lieb, Schmidt und Hölscher am 22. März vom Hotel Rittersturz oberhalb von Koblenz an Barth, der sich in Basel aufhielt, schickten: Wir „gedenken . . . der besseren Luft südlich des Rheines . . . in Neid . . . Freiheit!"
Fritz Lieb
1933-1939
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Auch in revolutionären oder historischen Zeiten — wir haben es inzwischen alle gelernt — geht die alltägliche Arbeit weiter. Lieb las im WS 1 9 3 2 / 3 3 und im SS 1933 über russische Religionsphilosophie, eine Vorlesung, die er auch im WS 1 9 3 3 / 3 4 , in dem er entlassen wurde, fortführen wollte, und hielt zum gleichen T h e m a jeweils eine Übung. In seinem systematischen Proseminar wurden Luthers Sermo de poenitentia von 1518, der Heidelberger Katechismus und Texte zur Theologie des jungen Luther behandelt. Auch seine Beteiligung an der ökumenischen Arbeit ging weiter. Vom 15. bis 18. März 1933 fand in Rengsdorf eine Studienkonferenz des Ö k u menischen Rates für Praktisches Christentum statt, auf der Lieb aus seinem speziellen Arbeitsfeld über das Thema „Das geistige Gesicht des Bolschewismus" sprach. Auch reiste er zu einer anderen, ebenfalls vom Rat für Praktisches Christentum in der Zeit vom 15. bis 19. Mai 1933 in Bukarest veranstalteten Konferenz, von der aus er Sofia und das Rilakloster in Bulgarien besuchte. Von der Zeitschrift „Orient und Occident", die er seit 1929 zusammen mit Paul Schütz herausgab, erschienen die Hefte 13 und 14 mit den Themen „Volkstum, Kirche und Bolschewismus in Rußland" und „Ukraina", zwei Titel, die nicht gerade zu der von Hitler in Gang gebrachten „Rettung" Deutschlands vor dem Bolschewismus und zur „Säuberung" des Staates von den Sozialdemokraten paßten. Diese kurze Aufzählung aus Liebs Arbeiten muß hier genügen. Im übrigen begleiteten noch hoffende Erwartungen, eine burschikose Sorglosigkeit, die Ängste überspielte, aber auch illusionslose, reale Befürchtungen den Alltag. Zwei Monate nach der „Machtergreifung", am 5. April 1933, berichtete Lieb in einem Brief aus D i j o n an Barth, der sich auf dem Bergli aufhielt: „Karl Ludwig Schmidt schreibt mir resigniert: ,Ich sehe mit Bestimmtheit voraus, daß wir Bonner SPD-Leute Barth, Fuchs, Lieb und KLS[chmidt] uns nicht in Bonn halten können, es sei denn, daß ein politischer Umschwung kommt (Stahlhelm, Reichswehr!)'." Lieb berichtet in dem Brief weiter von Besuchen und Gesprächen in der Schweiz und von seiner Kunst- und Geschichtsreise in Burgund und fügt hinzu: „Uber all dem vergißt man wenigstens größere Strecken weit das Elend in Deutschland — das uns wohl doch schließlich auch ins ,Elend' schicken wird." Barth antwortet ihm wenige Tage später, am 10. April, vom Bergli aus: ,,K.L.S[chmidt] wird wohl recht haben: der Teufel wird uns . . . gewiß holen und ob sie uns dann in Basel haben wollen, ist angesichts des Entstehens all der faschistischen ,Fronten' auch in diesem sehr gesegneten Lande, sehr fraglich, ganz abgesehen davon, daß es wirklich nicht gerade mein Herzenswunsch ist, in Basel vor Anker zu gehen."
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In die Zusammenhänge des Frühjahrs 1933 gehört auch ein besorgter Brief des damals 24jährigen Studenten H e l m u t Gollwitzer, der in Lindau an seiner Dissertation arbeitet und Lieb bittet, „doch alles zu tun, . . . was geeignet ist, Ihnen eine weitere Wirksamkeit in Deutschland und B o n n zu sichern". E r hofft, daß Lieb ihm seine ausführlich vorgebrachten Erwägungen über die Ermöglichung eines weiteren Wirkens in B o n n „ohne Zornesa u s b r u c h " erlaube. Andere Texte klingen burschikoser. Als Wilhelm Vischer in Bethel als D o z e n t für A T beurlaubt wurde, schrieb er am 7. Mai: „ I m übrigen siehe G ö t z von Berlichingen und Arnos 5,13" (das Prophetenwort lautet: „ D a r u m schweigt, wer klug ist, zu dieser Zeit; denn es ist eine böse Zeit"). A m 9. Mai schickte Lieb aus Basel Barth eine Karte z u m Geburtstag, die die Sandsteinfratze von A r n o l d Böcklin an der Kunsthalle in Basel zeigt, mit den munteren Zeilen: „Unserem ,Führer' wünschen Heil H a r u s und langes Leben. D e n Kefern Vernichtung! Fritz Lieb." D a ß derartige Sätze vieles überspielen, ist deutlich. U b e r die politische A b l e h n u n g des Nationalsozialismus gab es keinen Streit. Schwieriger und ungeklärter jedoch war die Frage, wie sich theologische und politische Einsicht zueinander verhalten und welche Konsequenzen für das Handeln sich daraus ergeben. D i e Briefe überliefern freilich nur zufällige Fragmente solcher Überlegungen. Immerhin sind für die Diskussionslage der Zeit einige zwischen Lieb und Barth gewechselte Briefe aufschlußreich. D e m schon erwähnten Brief von der Ferienreise in Burgund v o m 5. April 1933 ist zu entnehmen, daß Barth und Lieb vorher in Basel zusammen waren und Lieb dann in Basel und Bern Unterredungen mit dem sozialdemokratischen Nationalrat Schneider „wegen einer wüsten Spitzelaffäre" hatte, von der Einzelheiten nicht deutlich werden. In seiner schon zitierten Antwort n i m m t Barth eine kritische Stellung gegenüber Lieb ein: „Weißt du, ich hatte in Basel ein wenig Angst, es nehme dir jetzt politisch wieder zu sehr den Ärmel hinein, als ich dich so perorieren hörte und als ich dann auch noch erfuhr, daß du dir geradezu ,im Nationalrat' zu schaffen machest. Es wird jetzt eben, wie auch die Dinge laufen mögen, Alles darauf ankommen, daß wir uns bei aller politischen Erregung — ich kann und will mich ihrer ja auch nicht erwehren — als Männer der Kirche uns bewähren. Die Nazis müssen unzweideutig im Unrecht sein, wenn sie uns aus politischen Gründen an den Kragen gehen. Darum wollte ich mich mit den Genossen Hauser und Schneider gerade im jetzigen Augenblick lieber nicht an einen Tisch gesetzt haben. Ich glaube ja auch, daß man gerade dir den 48er Revoluzzer viel zu sehr von Weitem ansieht und anhört, als daß gerade du für die verschiedenen Möglichkeiten illegaler Tätigkeit, deren die Sozis nun sicher bedürfen, der geeignete Mann sein solltest. Ach gelt, du läßt dir diesen meinen alten Mentorruf in Erinnerung an Safenwil gelegentlich gefallen? Du weißt ja schon, wie ich es meine."
F r i t z Lieb 1933-1939
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Einige Monate später geht es unter den Freunden noch einmal um eine ähnliche Debatte. Lieb hatte aus seinen Ferien in Tirol, am 24. August 1933, wieder an Barth auf dem Bergli geschrieben und berichtet, daß er auf einer Tagung des Christlichen Studentenweltbundes in Coppey am Genfer See gewesen sei und dort auch Hans Asmussen getroffen habe. Uber ihn heißt es: „Das ist wirklich ein prächtiger Mensch, seine Staatstheologie ist mir aber doch viel zu ,blond'", ein knapper Satz, der im Blick auf die späteren Konflikte mit Asmussen höchst scharfsichtig ist. Uber die Tagung in Coppey habe ich (noch) keine Einzelheiten ermittelt. Es muß aber zu einem temperamentvollen Vorgang gekommen sein, über den Barth in seiner Antwort ein paar Tage später, am 29. August, schreibt: „Was aber habe ich von dir, Fritz, hören müssen? D u habest an der bewußten Konferenz in Coppey einen richtiggehenden Gr. Propaganda-Vortrag gehalten??! Der dann einen anwesenden N a z i zu einer fulminanten Antwort veranlaßt habe und Asmussen zu der Bemerkung, daß dir nach dieser Sache, wenn sie bekannt werde, das Konzentrationslager sicher sei? Eduard Thurneysen brachte mir diese Kunde, und du kannst dir denken, mit wie tränendem Auge ich sie aufgenommen habe, du unverbesserlicher 48er d u ! "
Barth schließt mit einer baseldeutschen Mahnung: „Wenn du kannst, so hock e bitzli uf d'Schnureü!" und schließt ironisch mit einem „Siegheil!" Wie in einem Mikrokosmos spiegeln sich in solchen kurzen Äußerungen, die man gewiß nicht überinterpretieren darf, die dramatischen Vorgänge des Jahres 1933 recht genau, die Lieb und Barth, aber auch K.L. Schmidt natürlich noch intensiver beschäftigt haben, als es diese fast zufälligen Äußerungen andeuten. Sie machen aber das Zeitkolorit anschaulicher als manche Aktenvorgänge. Man muß aber einige Geschehnisse aus Bonn und speziell aus dem Umfeld der Universität wenigstens in Kürze nennen, weil dieser Kreis zweifellos informiert war und miteinander darüber gesprochen hat. Bei der Stadtverordnetenwahl am 12. März 1933 hatte K.L. Schmidt in einer mutigen Entscheidung für die S P D kandidiert und war auch gewählt worden, legte aber sein Mandat schon im folgenden Monat nieder, als deutlich wurde, daß eine demokratische Arbeit nicht mehr möglich sein würde. A m 1. April — die Bonner Zeitungen haben noch darüber berichtet — wurde der Leiter der Universitätsklinik, Professor Alfred Kantorowicz, verhaftet. 14 Tage später konnte man seinen N a m e n auf der ersten Liste von Hochschullehrern, die mit sofortiger Wirkung beurlaubt wurden, lesen. Er war Jude und Sozialist. Lieb hatte mit ihm einer Sozialistischen Arbeitsgemeinschaft angehört. Ende April wurde die Gleichschaltung der Universität vollzogen, und mit dem Mediziner Friedrich Pietrusky und mit dem Theologen Emil Pfennigsdorf wurden zwei Män-
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ner Rektor und Dekan, die dem neuen Regime kritiklos ergeben waren. Beide hatten im Februar eine „Erklärung von Bonner Hochschullehrern": „Für Adolf Hitler" unterzeichnet, die am Tage vor der Reichstagswahl im „General-Anzeiger" veröffentlicht wurde. In ihr hieß es: „Die marxistischbolschewistischen Einflüsse auf den Geist unseres Volkes müssen aufhören." Darum seien die Unterzeichner „als berufene Lehrer der akademischen Jugend" bereit, „an dem großen Aufbauwerk der Reichsregierung" mitzuwirken. Dazu fanden sie nun Gelegenheit. Pfennigsdorf, bereits 65 Jahre alt, konnte durch seine Mitwirkung die Pensionierung um einige Jahre herausschieben und sich als ihr Zerstörer in der Geschichte der Fakultät einen N a m e n machen. Zu Beginn des Sommersemesters rief der Führer der Studentenschaft, Walter Schlevogt, zum Boykott der Vorlesungen von vier Professoren, darunter Lieb, auf. Gleichzeitig kam die Nachricht, daß Wilhelm Vischer, Dozent für Altes Testament an der Theologischen Schule in Bethel — nicht nur Schwager, sondern enger Freund von Lieb — nicht mehr lehren und sogar nicht mehr predigen dürfe. Der Vorwurf der nationalsozialistischen Studentengruppe in Bethel gegen Vischer lautete, daß er in Exegese und Andacht „das Evangelium mit jüdisch-bolschewistischen Ideen" verquickt habe. Ende Mai forderte der Landesleiter der Deutschen Christen im Rheinland, Landrat Dr. Krummacher, auf einer Kundgebung in Bonn eine Neubesetzung der theologischen Lehrstühle, um „der religiösen Spielart des Marxismus den Garaus zu machen" 3 . Ende Juli wurden die Dozenten durch den Rektor aufgefordert, fortan innerhalb und außerhalb der Universität „durch Erheben des rechten Armes zu grüßen". Im August kam dann ein Erlaß, der die weitere Zugehörigkeit zur S P D verbot: „Mit dem offen zutage liegenden landesverräterischen Charakter der sozialdemokratischen Bestrebungen ist eine weitere Zugehörigkeit von Beamten, Angestellten und Arbeitern . . . zur S P D unvereinbar." Es ist Mitteilung zu machen, „daß sie jegliche Beziehung zur S P D oder ihren Hilfs- und Ersatzorganisationen gelöst haben". Lieb teilte Barth dazu aus Seefeld am 24. August 1933 brieflich mit: „Ich habe geschrieben, was da allein zu schreiben war: Brücken abgebrochen — was soll man denn anderes schreiben, wenn das ganze andere Ufer fortgerissen ist. Ich konnte aber die Bemerkung nicht unterdrücken, daß ich ,natürlich' nicht daran denke, die persönlichen Beziehungen zu den ,Genossen' aufzugeben, z.B. [Ex-] Genosse Karl Barth!"
Die Gleichschaltung führte dazu, daß am 15. September Karl Ludwig Schmidt entlassen wurde, mit ihm auch sein Assistent Ernst Fuchs. Schmidt emigrierte in die Schweiz. 3
WESTDEUTSCHER BEOBACHTER v o m
31.5.1933.
Fritz Lieb 1 9 3 3 - 1 9 3 9
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Lieb wurde kurz nach Beginn des Wintersemesters entlassen. Das Schreiben des Preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung enthielt nur den kurzen Satz: „Aufgrund von § 4 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 entziehe ich Ihnen hiermit die Lehrbefugnis an der Universität B o n n " und ist am 21. November von dem berüchtigten Ministerialdirektor August Jäger unterzeichnet worden, der sich im Sommer 1933 als Staatskommissar für die Ev. Kirche der altpreußischen U n i o n einen Namen gemacht hatte. Mit einer kurzen, würdigen Ansprache hat sich Lieb am 24. November 1933 von seinen Studenten verabschiedet. Sie lautet: „Meine Damen und Herren! Ich stehe heute das letzte Mal hier als Professor der Theologie vor Ihnen. Ich wollte es mir aber nicht nehmen lassen, das Ihnen selber mitzuteilen. Aufgrund des § 4 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums ist mir die Lehrbefugnis an der Universität Bonn heute entzogen worden. Ich bin seinerzeit hierher gekommen, um schlecht und recht als evangelischer Theologe in Freiheit und im Gehorsam gegen das von der Kirche verkündigte Wort Gottes im Rahmen meiner besonderen Aufgabe das zu sagen, was es da zu sagen gibt. Ich fühlte mich — obgleich ich Sozialist bin und bleiben werde — dabei nie an eine besondere politische Partei gebunden; ich wußte mich aber damit freudig auch in den Dienst des deutschen Volkes gestellt. Die Möglichkeit, in diesem Sinn zu lehren, ist mir gewaltsam nun genommen. U n d insofern damit die Freiheit einer nur an Gottes Wort gebundenen Theologie angetastet ist, lege ich hiermit ausdrücklich Protest ein. An Sie selber ist ja Gottes Wort im Evangelium weiterhin gesagt, und was ich als Lehrer nicht mehr weitergeben kann, dazu werde ich als einfacher Christenmensch stehen. Ich möchte Sie bitten, selber unbekümmert um äußeren Druck diesem einzigen Wort treu und gehorsam zu bleiben. Mit dieser Aufforderung nehme ich von Ihnen Abschied und danke Ihnen für all das mir bewiesene Vertrauen."
Die Vorgeschichte seiner Entlassung läßt sich in großen Zügen rekonstruieren. A m Anfang der nationalsozialistischen Angriffe auf die theologische Fakultät steht eine Denkschrift des 27jährigen Historikers Ernst Anrieh, Privatdozent in Bonn, vom März 1933, in der es heißt: „Für Barth ist Staatliches und Nationales vom Teufel. K . L . Schmidt ist völlig charakterlos, Pazifist." Anrieh, seit 1928 führend im NS-Studentenbund, später Mitglied der SS, Mitarbeiter im Reichssicherheitshauptamt und in Walter Franks Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschland, forderte mit den markigen Worten jener Tage eine Theologie, die „nationale Werte . . . anerkennt". Die nächste Stufe ist der erwähnte Boykottaufruf der Bonner Studentenschaft vom 4. Mai, unterzeichnet von ihrem „Führer" Walter Schlevogt, der die Studenten aufforderte, die Vorlesungen von vier Professoren und Dozenten „geschlossen zu meiden". An erster Stelle der Liste steht der Name von Lieb.
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Lieb hat zwei Tage später in einem Brief an den Vertreter der Nichtordinarien in der Fakultät, Prof. D. Dr. Johann Wilhelm Schmidt-Japing, „eine amtliche Klarstellung des Vorfalles" gefordert, zumal, wie ihm zugetragen worden sei, „,Material' seitens der Bonner Studentenschaft bereits weitergeleitet worden sein . . . soll nach Berlin" (dieses „Material" ließ sich leider bis jetzt noch nicht auffinden). Aus Liebs Brief wird deutlich, daß gegen ihn drei Vorwürfe erhoben worden waren: 1. er habe sich im Februar 1933 nach einem Vortrag von Paul Tillich in einer Diskussion „im kommunistischen Sinne" geäußert, 2. er sei Mitglied der SPD, und 3. er habe sich „im marxistischen Sinne betätigt". Lieb teilt Schmidt-Japing dazu folgende Richtigstellung mit: 1. in seinem Diskussionsvotum nach dem Tillich-Vortrag habe er Erwägungen vorgetragen, die „keinerlei Bekenntnis zu einem kommunistischen Wirtschaftsprogramm" enthalten hätten, 2. sei er „1915 in die Schweizerische sozialistische Partei", nicht aber in die SPD eingetreten, und 3. erkläre er grundsätzlich: „Meine Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie ist Ausdruck meines Eintretens für das Proletariat. Den Marxismus als Weltanschauung und als wissenschaftliche Theorie habe ich immer abgelehnt." Das Schreiben gelangte an den Dekan Pfennigsdorf, eine Wirkung hat es offensichtlich nicht gehabt. Eine weitere Verschärfung der Situation brachte eine Aussage des Mediziners Alfred Kantorowicz, der im April 1933 verhaftet worden war und für längere Zeit ins K Z Börgermoor verbracht wurde. In einer Eingabe aus dem Gefängnis, die wahrscheinlich mißverständlich war, hatte er Schmidt und Lieb als Zeugen benannt. Die Aussage von Kantorowicz gelangte an das Kultusministerium, wo der Referent Erich Vogelsang den Vermerk anfertigte: „ D a Professor Schmidt als sozialdemokratischer Abgeordneter sich politisch betätigt hat, und D. L i e b nicht nur als Religiöser Sozialist bekannt ist, sondern vor allem seine intime Rußlandkenntnis und seine Rußlandbeziehungen politisch undurchsichtig sind, ist eine N a c h f r a g e im H i n b l i c k auf § 4 des B.G. dringend erforderlich." 4
Erich Vogelsang, damals 29jährig, Kirchenhistoriker aus der Schule von Karl Holl, und wie Emanuel Hirsch, Hanns Rückert oder Heinrich Bornkamm Vertreter jener Geschichtstheologie von 1933, die die Kirche für den Nationalsozialismus gewinnen wollte, galt als theologischer Obmann des sog. „gemäßigten Flügels" der ostpreußischen Deutschen Christen und hatte sich als einer der ersten für die Wahl von Ludwig Müller als Reichsbischof eingesetzt. Im Mai und Juni 1933 war er Referent für 4
Z i t . n a c h E . BIZER, G e s c h i c h t e , S . 2 5 6 .
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die Reorganisation der theologischen Fakultäten im Preußischen Kultusministerium; in dieser Eigenschaft hat er den verhängnisvollen Vermerk über Lieb angefertigt, aufgrund dessen der Generalreferent entschieden hat: „Zu entlassen. §4." In einem Schreiben vom 17. Februar 1934 hat das Kultusministerium mitgeteilt: „Lieb war nach seinen eigenen Angaben langjähriges Mitglied der Sozialdemokratischen Partei und bot nicht die Gewähr, jederzeit rückhaltlos für den Nationalsozialistischen Staat einzutreten. Diese Umstände allein sind für die Entziehung der Lehrbefugnis ausschlaggebend gewesen." 5
Im Nachlaß Lieb haben sich einige Briefe erhalten, deren Schreiber ihr Erschrecken und ihre Bestürzung über die Entlassung zum Ausdruck bringen und Lieb ihre Solidarität bezeugen. Wilhelm Vischer schrieb am 25. November 1933: „Vae victis! Deine Karte hat hier wie eine Petarde eingeschlagen. Nieder mit den Petisten!" Ich versuche die französischen Worte seiner Karte etwas frei und sinngemäß zu übersetzen: Die Nachricht hat „wie eine Bombe eingeschlagen. Nieder mit den Krakelern, den Heil-Hitler-Schreiern." Im Duktus und Stil natürlich erheblich anders heißt es in einem Brief von Rudolf Bultmann vom 1. Dezember, daß er Liebs Abschiedsworte „mit Bewegung gelesen" habe und: „Daß ich mich fernerhin geistig mit Ihnen verbunden weiß, brauche ich wohl nicht zu sagen." Ein herzliches Echo kam am 25. November von Karl Gerhard Steck: „Unsere geliebte Bonner Fakultät ist wieder um einen Stern ärmer geworden . . . Daß die Studenten in Bonn darum gebracht werden, bei Ihnen in der gerade Ihnen eigenartigen und so eindrucksvollen Weise zu lernen, das gehört nun auch zu den Dingen, die dem Jahre 1933 aufs Schuldkonto zu setzen sind."
II. Die Emigration März 1934 bis Mai 1937 Im April 1934 zog Lieb mit seiner Familie nach Clamart (2ter, rue Louis Guespin), am südlichen Stadtrand von Paris gelegen. Dort boten sich Lieb drei Tätigkeitsfelder: erstens eine weitere Mitarbeit in der ökumenischen Bewegung, vor allem in der Zusammenarbeit mit russisch-orthodoxen Theologen und Religionsphilosophen, zweitens Zusammenarbeit mit kommunistischen und sozialistischen Emigranten, für die Paris — neben Prag und Zürich — das dritte Zentrum der deutschen Emigration in Europa wurde, und drittens publizistisches Engagement im deutschen Kirchenkampf. Ich möchte versuchen, diese drei Felder in einiger Kürze nachzuzeichnen. 5 EBD., S. 2 5 7 .
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1. Mitarbeit in der Ökumene und Zusammenarbeit mit orthodoxen Theologen Lieb war seit der Mitte der 20er Jahre in der entstehenden ökumenischen Arbeit engagiert. Er hatte 1927 an der Weltkirchenkonferenz in Lausanne teilgenommen. Kurz zuvor hatte er begonnen, Russisch zu lernen, um sich intensiver mit der östlichen Welt, mit Kirchengeschichte und Theologie der orthodoxen Kirche, aber auch mit Geschichte, Kultur und Politik Osteuropas beschäftigen zu können. Im Sommer 1928 war er zu einem Vortrag in der Tschechoslowakei, im Spätherbst in Dorpat, Reval und Riga gewesen — Unternehmungen, die damals weniger selbstverständlich als heute waren. Andere Reisen hatten ihn in verschiedene Länder Westeuropas geführt. Seit längerer Zeit war Lieb von der Forschungsabteilung des Ökumenischen Rates für Praktisches Christentum mehrfach herangezogen worden. Auch in der Emigration nahm Lieb an weiteren Tagungen der Forschungsabteilung in Paris und in Hemmen bei Arnhem teil, ebenso an dem Ökumenischen Seminar, das Adolf Keller 1934 in Genf eröffnete, einem Vorläufer der späteren Arbeit in Schloß Bossey. Ich lasse die Zusammenarbeit mit den russischen Theologen und Philosophen in Paris beiseite, da mir spezielle Kenntnisse fehlen, und begnüge mich damit, das St. Sergius-Institut zu erwähnen und die Namen von Nikolai Berdjajew, Michail Bulgakov und Leo Schestow zu nennen, mit denen Lieb besonders verbunden war. Einen weiteren Bereich von Liebs ökumenischer Arbeit, speziell seine Bemühung um die Ermöglichung eines theologischen Gespräches mit orthodoxen Theologen, muß ich aber noch in einigen Strichen skizzieren: seinen Kampf um die Fortführung der Zeitschrift „Orient und Occident". Lieb hatte sie seit 1929 „in Verbindung mit Nikolai Berdjajew" zusammen mit Paul Schütz herausgegeben und mit einem programmatischen Aufsatz „Orthodoxie und Protestantismus" eröffnet, der damals einiges Aufsehen erregt hat. Der Kreis der Leser dieser ungewöhnlichen Zeitschrift dürfte immer recht klein gewesen sein, und finanzielle Probleme haben die Zeitschrift offenbar von Anfang an begleitet. Schließlich kündigte der Verlag der J.C. Hinrichs'schen Buchhandlung in Leipzig im September 1934 den Vertrag mit Lieb offiziell und gab als Begründung die geringe Zahl der Abonnenten in Deutschland an. Die Zeitschrift könne als Zuschußunternehmen nicht weiter geführt werden. So endete „Orient und Occident" zunächst mit der Auslieferung von Heft 14 im Dezember 1934, und Lieb mußte sich von Paris aus um eine Fortführung bemühen. Verhandlungen mit dem Vita Nova-Verlag in Luzern und seinem Leiter, dem entschiedenen Hitlergegner Rudolf Roeßler, führten nicht zum Erfolg. So schloß Lieb einen neuen Vertrag mit dem Gotthelf-Verlag in Bern und Leipzig ab, der das weitere Erscheinen der Zeitschrift ermöglichen sollte.
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Unter großen redaktionellen und finanziellen Schwierigkeiten konnten 1936 noch zwei weitere Hefte mit Aufsätzen von Bulgakov und Berdjajew erscheinen, während die dritte N u m m e r mit einer der letzten Arbeiten von Walter Benjamin über das Werk von Nikolai Lesskow erst 1937 zum Versand kam. Bei einer äußerst geringen Auflage war die Zeitschrift nicht länger zu halten, die Zahl der Abonnenten in der Schweiz etwa belief sich auf nur 35. A m 12. Dezember 1936 erhielt die Leipziger Stelle des Verlages die „Anweisung der Geheimen Staatspolizei, daß die Zeitschrift ,Orient und Occident' nicht mehr ausgeliefert werden darf". Den Grund für das Verbot hatte ein Aufsatz von Lieb „Die biblische Botschaft und Karl M a r x " geliefert, den er als Material zur Vorbereitung der „2. Stockholmer Konferenz" geschrieben hatte. In einem weiteren Aufsatzband der Forschungsabteilung erschien von ihm außerdem eine Arbeit über „Die Anthropologie Dostojewskjs" und dazu 1935 eine Studie „Das geistige Gesicht des Bolschewismus". Damit dürfte ich wohl eine ungefähre Skizze der ökumenischen Arbeit Liebs aus den Pariser Jahren gezeichnet haben. Seine Veröffentlichungen wurden vermutlich im damaligen Deutschland kaum bekannt. In dem Land, in dem Lieb gewirkt hatte, bereitete der nationalsozialistische Antibolschewismus inzwischen den Weg für den kommenden Weltanschauungskrieg mit der Sowjetunion. 2. Zusammenarbeit mit sozialistischen und kommunistischen Emigranten in der Volksfront Die genannten Titel Liebs machen deutlich, daß er von seiner Herkunft aus dem Religiösen Sozialismus und der sozialistischen politischen Arbeit, aber auch von seiner wissenschaftlichen Betätigung her in Paris wie selbstverständlich zu einer Mitarbeit in der Volksfrontbewegung kam, die unter den Bedingungen des Exils versuchte, Kommunisten und Sozialdemokraten zu einer gemeinsamen politischen und geistigen Arbeit zusammenzubringen. Ich muß die historischen Zusammenhänge in Umrissen skizzieren, weil sie Liebs Engagement im Kirchenkampf verständlich machen. Wer zwischen 1934 und 1937 in Paris lebte, hatte — bei allen Irritierungen auf Seiten der Linken — nur einen Gegner: den Nationalsozialismus oder in der damaligen Terminologie: den Faschismus. Der zweite Band der Hitler-Biographie von Konrad Heiden charakterisierte 1937 mit einem einprägsamen Titel und Titelbild in vorzüglicher Weise die Situation: „Ein Mann gegen Europa." Erst einige Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg kamen die Zweifel, berichtete Arthur Koestler, und brachen Manes Sperber und Willi Münzenberg mit der kommunistischen Partei. 1 9 3 4 / 37 aber ging es zunächst um ein Bündnis gegen den Faschismus oder, wie man das Engage-
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ment von Heinrich Mann in der Volksfront genannt hat, um die „Einheit von humanistischer Idee und gesellschaftlichem Handeln" 6 . Fritz Lieb war an diesen Vorgängen beteiligt. Er traf in Paris Willi Münzenberg wieder, seinen alten Freund aus den Zürcher revolutionären Tagen von 1917/18. Er schloß neue Freundschaft mit Walter Benjamin, arbeitete mit Heinrich Mann, Emil Gumbel und anderen Vertretern der deutschen Volksfront zusammen, gehörte zum Lutetia-Kreis und unterzeichnete dessen Resolution vom 2. Februar 1936. Auf die vielschichtigen Konflikte der damals Beteiligten, auf ihre Hoffnungen und Illusionen brauche ich nicht einzugehen. Naheliegenderweise gab es Versuche, auch Karl Barth in Basel für die Volksfrontpolitik zu gewinnen. A m 29. Januar 1936 (Mittwoch), unmittelbar vor der Lutetia-Konferenz, schrieb Münzenberg einen Brandbrief an Lieb und bat ihn, Barth zu bewegen, am kommenden Sonntag an der Konferenz teilzunehmen. „Ich bitte Dich inständig, alles zu tun, um ihn zu überzeugen, daß er kommen muß" Lieb gab diese Bitte postwendend und „auftragsgemäß" an Barth weiter, allerdings in äußerst zurückhaltender Form: „Ich sagte", schrieb Lieb, „den Leuten, D u wollest Dich sicher an keinerlei politischen Sachen beteiligen . . . Ich sagte grade in Deiner Stellung innerhalb der Bekenntnisfront sei Dir jedenfalls jede politische Betätigung unmöglich." Wie Lieb es richtig erwartet hatte, sagte Barth sofort ab: „Auf die Pariser Sache möchte ich in der Tat lieber nicht eintreten. Ich habe ähnliche Ansprüche auch hier bereits abgewiesen, da ich weniger denn je gewillt bin, den politischen Schauplatz zu betreten und überdies so alle Hände voll zu tun habe, um meinem Auftrag auch nur einigermaßen gerecht zu werden, daß auch schon aus diesem Grunde jede weitere Übernahme von Verpflichtungen unmöglich ist."
Die kleine Geschichte macht wieder einmal deutlich, daß Barth in den Anfängen des Kirchenkampfes keineswegs, wie immer wieder behauptet wird, eine feste, endgültige theologisch-politische Position bezogen hatte, sondern daß seine Erkenntnisse und Entscheidungen einen langen Prozeß durchlaufen haben. Eigentlich ist diese Erkenntnis eine Banalität, aber man muß sie immer wieder wiederholen. Wer in der Volksfront mitarbeitete, mußte dagegen — anders als Barth, in dessen Denken und Handeln erst mit den theologisch-politischen Traktaten von 1938 eine neue Stufe der Reflexion beginnt — beklagen, daß der Kirchenkampf weithin ohne Konsequenzen für politische Einsicht oder politisches Handeln geführt wurde. Dieser Klage hatte auch Barth — so
6 K . SCHRÖTER: Heinrich M a n n in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten monographie. 125). Reinbek 1967, S. 113.
(rowohlt-
Fritz Lieb
1933-1939
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widersprüchlich verläuft Geschichte — schon seinerseits in dem bekannten Brief an Hermann Hesse von 1935 beredten Ausdruck verliehen. In dem Umfeld, in dem Lieb lebte, war die geistlich-theologische Dimension des deutschen Kirchenkampfes nur schwer verständlich zu machen. Seine politischen Partner in Paris waren überwiegend liberale Humanisten oder Atheisten. Liebs publizistische Äußerungen zum Kirchenkampf müssen aus dem Dialog mit ihnen verstanden werden. Im September 1937 schrieb Heinrich Mann aus Nizza an Lieb und formulierte in seinem Brief, worum es ihm bei der Teilnahme von Theologen in der Volksfront gehe: „Der Protestantismus neigt nicht zur politischen Sammlung, er überläßt alles dem Gewissen des Einzelnen. Ich bin selbst von protestantischer Herkunft; ich verehre den Protestantismus, weil er allem voran das Gewissen setzt. Auch ich habe mich immer unabhängig erhalten, im politischen wie im übrigen Denken. In der Volksfront geht es aber um die gegenseitige Duldung der Meinungen . . . Protestanten, wie alle Christen müssen heute durch Erfahrung lernen, daß die Freiheit unteilbar ist. Religiöse gibt es nicht ohne politische, diese nicht ohne eine befreite Wirtschaft. Hitler im Ernst stürzen wollen, heißt für die ganze Freiheit kämpfen. Die Kirche wird auch nur durch die gesamte Freiheitsbewegung befreit werden . . . Der Vorbereitende Ausschuß der deutschen Volksfront will drinnen im Land den wiedererwachten Sinn für die Freiheit geistig antreiben . . . "
Aus Heinrich Manns Brief spricht der Glaube an die „Gewissensreligion", das bürgerlich-liberale protestantische Credo des 19. Jahrhunderts. Wenn Lieb in der Volksfront die Sache der Bekennenden Kirche unter Humanisten und Atheisten vertreten wollte, mußte er eine andere Sprache sprechen, als sie im innerkirchlichen Dialog üblich ist. 3. Fritz Liebs publizistisches Engagement im Kirchenkampf Lieb hat sich vierunddreißigmal zum Kirchenkampf geäußert, etwa je zur Hälfte 1 9 3 6 / 3 7 in der Emigrationspublizistik in Paris und 1 9 3 8 / 3 9 in der „Schweizer Zeitung am Sonntag" in Basel. Nach Deutschland dürfte kaum einer seiner Texte gelangt sein. Sein Leserkreis waren die Pariser Emigranten und später, in Basel, die Kritiker der offiziellen Schweizer Politik, Menschen, die nicht theologisch-kirchlich, sondern politisch angesprochen werden wollten. Liebs Publizistik für die Bekennende Kirche gehört stärker in einen politischen als in einen theologischen Kontext. In den „Deutschen Informationen", die in Paris von Heinrich Mann, Rudolf Breitscheid, Max Braun und Bruno Frei herausgegeben wurden, veröffentlichte Lieb 1 9 3 6 / 3 7 15 Artikel. D e r Kirchenkampf wird als ein Teil des totalen Zugriffs des nationalsozialistischen Machtsystems im Inneren und seines imperialistischen Griffs nach Europa verstanden:
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Martin R o h k r ä m e r
„Nationalsozialismus heißt Mobilisierung aller physischen und seelischen Kräfte des deutschen Volkes, um eine kommende gewaltsame Machtprobe innerhalb der Völkerwelt zu provozieren und dann durch die Tat — das heißt den Krieg — den Völkern handgreiflich zu beweisen, daß eben dieses und kein andres Volk als das deutsche .berufen* ist, unter diesem und keinem anderen Führer die Herrschaft über die Welt anzutreten und ihr seinen ,Frieden' aufzuzwingen."
Die religiösen Elemente der Propagandasprache Goebbels' werden als „die Religion der Generalmobilmachung Deutschlands" bezeichnet, „um den neuen Weltkrieg ,im N a m e n des Allmächtigen' und seines neuen Propheten Adolf Hitler zu inaugurieren" (Die Religion des Dritten Reiches. 16.6.1936). Innerhalb dieses politischen Gesamtrahmens wird aus der Bekennenden, aber auch aus der katholischen Kirche berichtet. Der Theologe Lieb schrieb seine Zeitungsartikel nicht aus der Distanz des Historikers, der über Jahrzehnte zurückblickt, sondern verstand sich — er besaß in Paris auch einen französischen Presseausweis — als antifaschistischer Journalist. Ein weiteres: „ E s bleibt . . . völlig unverständlich, daß gerade in dieser gefährlichen Situation die deutschen katholischen Emigranten Miene machen, die gemeinsame Volksfront gegen die Terrorherrschaft Hitlers anzugreifen, statt sich ihr anzuschließen. Sehen sie nicht, daß nur die Vereinigung aller Kräfte, die für die Freiheit — auch die des Bekenntnisses — kämpfen, zum Ziele führen k a n n " (Neue Terrorwelle. 16.2.1937).
Aus dieser Sicht ist auch der Bericht über die Ermordung von Friedrich Weißler geschrieben, dessen erster Satz lautet: „ N u n hat auch einen Anhänger der Bekenntniskirche das grausige Schicksal Erich Mühsams ereilt", und der mit dem Satz schließt: „Vielleicht . . . öffnet diese scheußliche Tat nun doch manchen in ,neutraler' Haltung gegenüber Hitlers Terrorsystem verharrenden Christen die Augen darüber, daß die vielen politischen Opfer des Nationalsozialismus auch sie etwas angehen, nachdem nun zu all den vielen anderen aus den verschiedensten Lagern auch ein evangelischer Märtyrer getreten ist" (Bekennender Christ im Konzentrationslager ermordet. 2.3.1937).
Liebs Berichterstattung in den „Deutschen Informationen" endet mit einem von Willi Münzenberg erbetenen Artikel über die Verhaftung Martin Niemöllers, die von Lieb in den Zusammenhang der zahlreichen anderen Festnahmen eingeordnet wird. Von Niemöller wird den Lesern gesagt: „Er hat immer wieder nur eines unerschrocken verkündet, daß nämlich Christus und nicht der Staat Herr der Kirche sei." Die Folgerung am Schluß heißt:
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Fritz Lieb 1 9 3 3 - 1 9 3 9
„So wird das Schicksal der Bekenntniskirche zu einem deutlichen Symbol des Gesamtgeschehens im Dritten Reich . . . Mit dem Verschwinden der letzten Glaubensfreiheit saust der Nationalsozialismus . . . dem selbst bereiteten Abgrund des geistigen Zerfalls, des Elends und der Kriegspest entgegen . . . Der Widerstand der protestantischen Gläubigen reiht sich ein in die große Widerstandsbewegung des deutschen Volkes gegen die nationalsozialistische Tyrannei, ja er ist eine der wichtigsten Teilbewegungen dieser Art. Für die sich bildende Volksfront zum Sturz des Nazisystems ist der Kampf der Bekenntniskirche um die Freiheit des Glaubens von größter Bedeutung" (Niemöllers Weg ins Gefängnis. 1 3 . 7 . 1 9 3 7 ) .
Das Grundaxiom in Liebs Berichterstattung lautet, daß „Christentum und Nationalsozialismus nicht nebeneinander bestehen können" (OxfordKonferenz, Drittes Reich und Spanien. A - Z . 4.9.1937). Ihre Zusammenfassung finden Liebs publizistische Arbeiten zum Kirchenkampf in dem Dokumentarband: „Christ und Antichrist im Dritten Reich. Der Kampf der deutschen Bekenntniskirche", der 1936 in der Editions du Carrefour in Paris erschienen ist, eine der Verlagsgründungen von Münzenberg und insofern ein Unikat in der Kirchenkampfliteratur. Die Dokumentation endet mit der Wiedergabe der Denkschrift, die die 2. Vorläufige Kirchenleitung 1936 an Hitler gerichtet hat. U b e r einen tschechischen Studenten hatte Lieb damals eine Verbindung zu Friedrich Weißler, über die ich noch weitere Einzelheiten suche.
III. Antifaschistischer Widerstand in der Schweiz
1938/39
Ein ursprünglich geplanter, weiterer (dritter) Abschnitt über die bereits erwähnte „Schweizer Zeitung am Sonntag" mit ihrem Untertitel „Demokratie im Angriff", die Lieb zusammen mit Eduard Behrens 1 9 3 8 / 3 9 in Basel herausgab, muß aus Zeitgründen entfallen. Das Blatt war gegen die faschistischen Fronten in der Schweiz und gegen die als Anpassung verstandene schweizerische Außenpolitik unter Bundesrat Motta gerichtet. Die Zeitung wurde im Sommer 1939 verboten, als Behrens in einem Artikel Mussolini als „Gauleiter von R o m " bezeichnete. In den theologischen Artikeln, die Lieb in seiner Zeitung veröffentlichte, vertrat er eine Position, die sich in großer Ubereinstimmung mit den theologisch-politischen Traktaten Barths von 1938 befand. Es galt, auch in der Schweiz ein „resister" gegen den Nationalsozialismus einzuschärfen.
IV. Fritz Liebs theologische Position Ich möchte zum Schluß versuchen, eine knappe Skizze der theologischen Position Liebs zu geben. Er war ein reformierter Christ und Theologe. Die Problematik der Trennung oder Zusammengehörigkeit von Evangelium und Politik, mit der wir in Deutschland uns als Erbe der Zwei-Reiche-Lehre nun seit vielen Jahrzehnten plagen, hat Lieb nie eigens
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Martin Rohkrämer
reflektiert. Für ihn war es zeitlebens eine Selbstverständlichkeit, daß das Evangelium auch Konsequenzen für das politische Handeln hat. Es kann keinen Zweifel darüber geben, daß Lieb seit seinem Vikariat in Safenwil 1921, also während der Entstehungszeit der zweiten Auflage von Barths Römerbrief, sich selbst zur dialektischen Theologie gerechnet hat. Nichts hat ihn so stark beeinflußt wie die Theologie Karl Barths. In einem Brief aus Lausanne vom 19. August 1927 an Barth hat Lieb geschrieben: „ D i e s e r B r i e f soll . . . D i r m e i n e h e r z l i c h s t e D a n k b a r k e i t a u s [ z u ] s p r e c h e n f ü r alles, w a s D u m i r als F r e u n d u n d T h e o l o g e g e g e b e n hast. D u hast n i c h t n u r , w i e d a s H e l m i V i s c h e r an m e i n e r H o c h z e i t [ 1 9 2 3 ] in einer S c h n i t z e l b a n k sagte, in m i r d e n B o l s c h e w i s t e n z u r S t r e c k e g e b r a c h t ! Ich h a b e a u c h in e i n e r B e w e r b u n g a u s d r ü c k lich g e s c h r i e b e n : ,Von m e i n e n t h e o l o g i s c h e n L e h r e r n u n d F r e u n d e n bin ich a m m e i s t e n P r o f . K a r l B a r t h verpflichtet'."
Von einem anderen Zeugnis von Liebs theologischer Verbundenheit mit Barth kann ich meinerseits nur berichten, da es nicht in schriftlicher Form existiert. A m 12. Juni 1962 wurde Liebs 70. Geburtstag in der „Schlüsselz u n f t " in Basel gefeiert. A m Schluß hielt der Jubilar, wie es sich gehört, die Dankesrede. In einem ausführlichen Rückblick auf sein Leben sprach Lieb in bewegender Weise auch darüber, was er dem Freunde Karl Barth für seinen Glauben und für seine Theologie verdanke. D e m steht ein Urteil von Leonhard Ragaz entgegen, der in einem „Offenen Brief" am 5. Mai 1939 Lieb geschrieben hat, „daß Sie [Lieb] im Grunde gar kein ,Barthianer' sind und die dialektische Theologie ein Gewand ist, das gar nicht zu Ihnen paßt." Dieser Satz steht innerhalb einer Polemik gegen den Hromädka-Brief Barths, die jetzt nicht analysiert werden kann. Im gleichen Artikel redet Ragaz Lieb „als einen meiner vertrautesten Schüler" an, nennt sich seinen „einstigen Lehrer und Freund" und beruft sich auf den ihnen beiden gemeinsamen Ausgangspunkt von Christoph Blumhardt 7 . Auch in ihrer polemischen Form erinnern die Sätze von Ragaz daran, daß Lieb neben dem Einfluß von Karl Barth eine zweite starke Prägung durch den schweizerischen Religiösen Sozialismus erhalten hat. Ein schriftliches Zeugnis von Lieb über die Wirkung von Ragaz ist mir nicht bekannt, wohl aber nennt das Vorwort zum Baader-Buch von 1926 Hermann Kutter mit Respekt den „kraftvollen Erwecker eines lebendigen Gottesglaubens und . . . Vorkämpfer des schweizerischen religiösen Sozialismus". Es ist gewiß kein Zufall, daß Liebs letzte Veröffentlichung eine „Erinnerung an den hundertsten Geburtstag Hermann Kutters" ist. In ihr heißt es, daß „gerade die ,Welt' [es ist], der die Liebe und Barmherzigkeit
7 L. RAGAZ: Vom Scharfschießen und Jüngerschaft Christi. In: N e u e Wege 33, 1939, S. 217-229.
F r i t z Lieb 1 9 3 3 - 1 9 3 9
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Gottes gilt" und daß darum der „Kampf um die Menschenrechte und für die Menschenwürde, die aus der Kindschaft Gottes entspringen" als Aufgabe gestellt ist und bleibt. Man wird in diesen Sätzen, die Kutter interpretieren, unschwer erkennen, wie Fritz Lieb in seinem Denken und Handeln zeitlebens ein Teil des religiös-sozialen Erbes bewahrt hat (Ist das Evangelium eine fromme Ideologie? A - Z . 14.9.1963). So liegt in einer eigenständigen Weise Liebs theologische Position zwischen der Theologie Karl Barths und dem Religiösen Sozialismus oder, um einen früher gern benutzten Ausdruck zu gebrauchen, der BlumhardtBewegung.
JENDRIS ALWAST
Theologie im Dienste des Nationalsozialismus Mentalitätsanalyse als Schlüssel zum Verständnis der Anfälligkeit von Theologen für den Nationalsozialismus. Eine sozialpsychologische Untersuchung der NS-Theologie von Emanuel Hirsch Einleitung1 Johann Gottlieb Fichte bestimmte in einer Reflexion das Verhältnis von Denken und Leben mit den Worten: „Was für eine Philosophie man wähle, hängt . . . davon ab, was man für ein Mensch ist: denn ein philosophisches System ist nicht ein todter Hausrath, den man ablegen oder annehmen könnte, wie es uns beliebte, sondern es ist beseelt durch die Seele des Menschen, der es hat." 2
Ich möchte Fichtes Idee über den inneren Zusammenhang von Denken und Leben als Problemaufriß nutzen, u m den Versuch zu unternehmen, unter sozialpsychologischen Prämissen theologisches Gedankengut aus der NS-Zeit zu untersuchen. Ich möchte zeigen, warum Theologen dem Nationalsozialismus verfielen, was sie veranlaßte, eine Nazi-Theologie zu entwickeln und letztlich, was für ein Menschsein in solcher Wahl sich bekundet und sich zum theoretischen Ausdruck bringt. Bei der Prüfung verschiedener Theologen aus der Zeit des Nationalsozialismus haben sich mir die Arbeiten von Emanuel Hirsch / Göttingen als besonders aufschlußreich erwiesen. An ihnen möchte ich exemplarisch meine Mentalitätsanalyse durchführen.
1 Der hier zum Abdruck gekommene Text ist die erweiterte Überarbeitung meines Referates, das ich auf dem Symposion „Zur Geschichte der evangelisch-theologischen Fakultäten in der Zeit des Nationalsozialismus" in Arnoldshain gehalten habe. Die Erweiterungen wurden nötig, nachdem mir die seinerzeit über mein Thema geführte Diskussion gezeigt hatte, daß meine Darlegungen aufgrund ihrer Knappheit nicht das erforderliche Maß an Plausibilität enthielten. 2 J. G. FICHTE: Werke Bd. I (Reprographischer Nachdruck der Ausgabe von 1845 / 46). Berlin 1971, S. 434.
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1. Die Ausrichtung der Programmatik von Hirschs Theologie auf die NS-Ideologie Die theologischen Arbeiten Hirschs zielten darauf ab, das Christentum mit der NS-Ideologie zu verbinden und ihm damit Aktualität zuzuführen. Der Nationalsozialismus und seine Weltanschauung sollte nach den Worten Hirschs „der tragende, natürlich geschichtliche Lebensgrund für deutsche Menschen evangelischen Glaubens sein" 3 . Daß er hierzu besondere Eignung besäße, zeigte Hirsch in einer Vorlesungsreihe, die unter dem Titel „Die gegenwärtige geistige Lage im Spiegel philosophischer und theologischer Besinnung" (1934) erschien. In diesen akademischen Vorlesungen gab Hirsch eine Deutung des Jahres 1933, das er zu einem Schlüsseljahr deklarierte. In diesem Jahr sei die Erschlossenheit für die Forderung der Geschichtsstunde begründet. Es käme alles darauf an, das in dieser Stunde vom Herrn der Geschichte Aufgegebene zu erkennen, und das hieße, „die Erinnerung an Blut und Rasse" 4 theologisch als Aufgabe zu begreifen. Hirsch sah in dem ,,deutsche[n] Geschehen von 1933" 5 einen von Gott gewirkten Aufbruch. Er erhöhte dieses Jahr über die Geschichtszeit und gab ihm eine religiöse Weihe. Dieses Jahr galt ihm als absolut. Hirsch propagierte ein theologisches Programm, das unter dem Vorzeichen der NS-Ideologie stand und von Führerprinzip und Rassenlehre geprägt war: „Wir müssen das Bild v o m Christenmenschen, das uns das Evangelium zu gestalten ruft, und das Bild des deutschen Menschen, das durch die neue deutsche Lebenso r d n u n g sich verwirklichen wird, mit völlig von überlieferten Vorstellungen gelöster Unbefangenheit aufeinander beziehen und ineinander schauen lernen." 6
Hirsch sprach den politisch-gesellschaftlichen Erneuerungsbestrebungen der Nationalsozialisten theologische Virulenz zu. Wenn begriffen werde, „daß die evangelische Theologie und die gegenwärtige Stunde in Volk und Staat zusammengehören" 7 , dann erwachse daraus für „uns eine neue Dogmatik und eine neue E t h i k " 8 . In einer programmatischen Schrift, die den Titel „Der Weg der Theologie" (1937) führte, proklamierte Hirsch, daß alles, was an theologischen Lehren überliefert sei, „in den Schmelztiegel geworfen werden m u ß " 9 . Hirsch verwarf traditionelle theologische Denkmuster und Problemauffassungen. In seiner Dogmatik „Leitfaden zur
3
4 5 6 7
E . HIRSCH, Lage, S. 69. EBD., S. 35. EBD., S. 5.
EBD., S.143. EBD., S. 142.
8
EBD.
9
E . HIRSCH, Weg der T h e o l o g i e , S . 2 4 .
Theologie im Dienste des Nationalsozialismus
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christlichen Lehre" (1938) 10 gab sich Hirsch christliche Rechenschaft über die neue politisch-gesellschaftliche Lage. Dem „deutsch-völkischen Blutbund" gab er eine religiöse Weihe. „Es ist wohl unmenschlich wie unchristlich zu leugnen, daß das Volk heilig ist." 11 Der Staat, der auf diesem „Blutbund" gründete, wurde als „Gottes Ordnung" 1 2 aufgewertet. Hierbei gelte es, „das Judentum als Zersetzungsmacht" 13 zu begreifen und endlich das Recht wahrzunehmen, das die „weißen Herrenvölker" 14 besäßen, um im Namen des Christentums als Weltreligion auch die Weltherrschaft zu übernehmen. 2. Die „Gehäuse"-Struktur der Theologie und ihre inneren Antriebspotentiale
Hirschs
Hirsch konstruierte das Gerüst seiner Theologie mit den Begriffen Horos, Nomos, Logos. Er setzte den Horos mit der religiösen Ursprungserfahrung gleich, ihren Inhalt mit dem deutschen Volk und dieses mit „Rasse und Blutbund". „Am Ganzen unseres menschlich geschichtlichen Lebens ist die Grenze mächtig. Uberall in ihm [dem Horos] offenbart sie sich, . . . ihr Schein des Denkens Licht, ihre Glut des Lebens Blut." 15 In der ,,deutsche[n] Wende" 16 zeigt sich „die Gewalt des Herrn der Geschichte." 17 „Der geschichtliche Horos ist zugleich der heilige Horos." 18 Die Inkarnation „Gottes" in der gesellschaftlich-politischen Situation beschrieb Hirsch in geschichtstheologisch-endzeitlichen Wendungen. „Nur da, wo die deutsche Wende mit dem ganzen Ernste des Religiösen in ihrem letzten Bewegenden ergriffen wird oder selber zum Aufbruch des ganzen letzten Ernstes des Religiösen wird, nur da gibt es eine Antwort auf die gestellte Frage. Denn da allein weiß oder ahnt der Mensch: jede menschliche Gottesbegegnung trägt diese wunderliche Spannung in sich, einmal mit einem bestimmten Besonderen uns zu berühren und so den geschichtlichen Augenblick mit seinem Inhalte zu heiligen, und dann mit dem gleichen Hauche über das Besondere und den Augenblick hinauszureißen in das Verborgene Gottes, das sich uns entzieht, das allein als ein geschichteüberwindendes Geheimnis uns ergreift. Jede Gottesbegegnung steht darum in der gleichen Gefahr, nach einer der beiden in ihr zusammen-
10 Ein Neudruck dieser Dogmatik erschien unter dem Titel „Christliche Rechenschaft" in zwei Bänden im Jahre 1989. Dieses Werk enthält noch zusätzliches Material zur Dogmatik in Form von handschriftlichen Notizen Hirschs. 11 E. HIRSCH, Leitfaden, S. 101. 12
E . HIRSCH, R e c h e n s c h a f t , B d . 2 , S . 2 7 4 .
13
E. HIRSCH, Lage, S.25. E. HIRSCH, Leitfaden, S. 178, 109, 236; wörtlich so auch in: E. HIRSCH, Wesen, S. 8,
14
147, 16 17
157.
E. HIRSCH, Lage, S.32f. EBD., S. 42 EBD.
18
EBD.
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Jendris Alwast
gebundenen Seiten zu zerflattern, und nur wo sie stark genug ist, das sie empfangende Leben innerlich in ihrer widersprüchlichen Art zu halten, k o m m t sie zu ihrer Wahrheit, mit der sie das Menschliche von G r u n d auf bis zum Höchsten bestimmend durchwalten will. N u r wenn unser Ergriffensein vom Geheimnis der Grenze Gottesbegegnung in diesem echten Sinne ist, kann es Grund und Ziel einer neuen Gestalt deutschen Lebens und eines neuen Geschichtsalters sein." 1 9
Aus dem „Geheimnis der Grenze" folgte für Hirsch: „ S o erwächst der eigentümliche Ganzheitsanspruch der wahrenden und rufenden Gewalt der Grenze, welcher all unser Denken und Handeln in seinem Banne hält. Er begründet einen wirklich umfassenden volklichen und staatlichen N o m o s , der vom Biologischen durchs Soziale über das Kulturelle bestimmend ergeht." 2 0
Die dogmatische Aufgabe sah Hirsch darin, von diesem durchgreifenden „Ganzheitsanspruch" theologisch Rechenschaft zu geben. In bezug auf diesen Ganzheitsanspruch legitimierte Hirsch den nationalsozialistischen Terror mit den Worten: „Selbst der rücksichtloseste Zugriff ist, solange er hier dienend bleibt, bei allem Wagen und Machen dennoch in Gott gebunden." 2 1 2.1
Strukturzirkularität
A n Hirschs Äußerungen fällt auf, daß er zwar vom „Ursprünglichen" spricht oder die „Gottesbegegnung in der Grenze" beschwört, auch vom „ganzen Ernste des Religiösen" sich bewegt zeigt und die Identifizierung gibt, daß „unser Ergriffensein vom Geheimnis der Grenze Gottesbegegn u n g " 2 2 sei, daß er aber die religiöse Erfahrung selbst überhaupt nicht thematisiert. Nirgendwo analysiert er die Figuren religiöser Ursprungserfahrung oder lotet ihre Tiefe aus und macht sie anschaulich, nirgendwo vergegenwärtigt er religiöse Gefühle, Ahnungen und Begegnungen, nirgendwo zeigt sich bei ihm auch nur ein Sinn für religiöse Ursprungserfahrungen. Nirgendwo ist spürbar, daß er sich je auf innerliche Berührung eingelassen hätte. Hirschs Rede vom Ursprung bleibt ohne Kreditiv aus seinem Leben. Eine kommunikativ zu gewinnende Perspektivik des Religiösen und ein vom einzelnen Menschen zu verantwortendes Ethos sind bei ihm ausgeschlossen. U n d auch die spezifische Unruhe religiösen Fragens, diese bewegliche Geste sensibler Humanität, die im Suchen ineins den Fragenden auf den Weg bringt , kann von diesem Denksystem nicht zugelassen werden. Wo immer das Fragen zu seinem Recht zu kommen
19 EBD.,
S. 4 2 f .
EBD., S. 32f. 2 1 EBD., S. 37. 22 Ebd., S. 43. 20
Theologie im Dienste des Nationalsozialismus
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hätte, setzte Hirsch die Begriffs„rune" „Fragmal" 23 , ein mit überhöhter Bedeutung aufgeladenes und erstarrtes Wortsediment, dessen Droh- und Machtgebärde jedwedes Denken und Fragen in die von Hirsch vorgestanzte Blickbahn zwingt. In diesem Mangel an innerer religiöser Geistigkeit ist das Gespenstische dieser Theologie begründet. Hirsch strukturierte sein Erlebnis- und Kommunikationsvakuum, also ein Nichts an religiösem Gehalt mit dem Horos-Nomos-Logos-Schema. Daß hierbei der Begriff der „Grenze" von zentraler Bedeutung war, ist bezeichnend. Dieser Begriff ist inhaltlich beliebig besetzbar und somit leer. Er drückt lediglich das andere als Nichtsein von etwas aus und entzieht sich damit jeder inhaltlichen Bewährung. Mit Hilfe des Begriffs „Grenze", den Hirsch von vornherein seiner ursprünglichen religiösen und theologischen Bedeutung entfremdete 24 , vollzog er die Anbindung seines theologischen Denkens an die NSIdeologie. Hirsch sprach, sofern er von der „Grenze" redete, immer schon unter der Prämisse der NS-Ideologie. Das theologische Schema funktionierte als formale Strukturgebung der NS-Ideologie. Umgekehrt erhielt Hirschs theologischer Begriff der „Grenze" seine „inhaltliche" Auffüllung — „Grenze als Blut und Rasse" 25 — aus dem Empfindungs- und Vorstellungskonglomerat der NS-Ideologie, also dem Inhalt, der mittels des Begriffs „Grenze" strukturiert werden soll. Begriffliche Form und ihr Inhalt definieren sich zirkulär. Aufschlußreich für diese Identifikation von christlicher Theologie und NS-Ideologie sind auch noch weitere begriffliche Zuordnungen wie „Grenze und Macht" 2 6 , „Grenze und Gewalt" 2 7 , „Grenze und Walten" 28 . Hirschs geschichtstheologische Gegenwartsdeutung wie auch seine Dogmatik haben keine eigene religiöse Erfahrung zu ihrer Grundlage. In ihnen reproduzierte Hirsch lediglich die NS-Ideologie im theologischen Begriff. Damit nun diese Theologie zur systematischen Ausführung kommen konnte, verkehrte Hirsch den Sinn dafür benötigter philosophischer Leitbegriffe. Er machte sie seiner NS-Theologie konform. So wurde Vernunft (Logos) auf den „deutschen Volks-Nomos" 29 verpflichtet, wobei Hirsch behauptete, dies sei eine „Erneuerung sokratischen Philosophierens"^.
23
Zu dieser m o n s t r ö s e n Begriffsbildung vgl. E . HIRSCH, Leitfaden, S. 108, 2 7 7 et passim.
Repräsentativ ist hier die Auffassung von „ G r e n z e " in Paul T i l l i c h s T h e o l o g i e . F ü r T i l l i c h s D e n k e n ist „ G r e n z e " der eigentlich fruchtbare O r t der E r k e n n t n i s , und es macht den Sinn des Protestantismus aus, in t h e o l o g i s c h e r und p h i l o s o p h i s c h e r Reflexion das B e w u ß t s e i n für die „ G r e n z e " wachzuhalten. 24
25
E . HIRSCH, Lage, S . 3 5 f f . , 4 3 , 4 4 , 52.
26
E B D . , S. 3 2 , 3 3 , 36.
27
E B D . , S. 3 7 , 4 2 , 43.
28
E B D . , S. 69.
29
E B D . , S. 4 0 .
30
EBD., S.47.
204
Jendris Alwast
Vernunft war dann, sinnentstellt, „der sich als Logos geistig verstehende und entfaltende Nomos bestimmten menschlich-geschichtlichen Lebens selbst" 31 . Freiheit wurde zur „Ehre des freiwilligen Umschlossen- und Getragenseins im Ringe des Nomos, der Ehre der Führerschaft und Gefolgschaft, die beide dem Ganzen dienen. Wer nicht den Ruf der Fahne hört, der weiß auch nicht, was Freiheit ist" 3 2 . „Nur am Offizier hat sich diese Tiefe der Freiheit . . . als lebendig erwiesen." 33 Und auch die Gerechtigkeit verkehrte Hirsch in „Ungleichheitsgerechtigkeit" 34 . Ausdrücklich hob er hervor, daß die Geltung der Menschenrechte auf den „Nomos" begrenzt ist. Auch auf der inhaltlichen Ebene vollzog Hirsch diese Verkehrung. Für den wissenschaftlichen Umgang mit den gesellschaftlichen Verhältnissen verwendete er die Variante der Ausblendung. Die spezifische Realität des Sozialen ist in Hirschs Denken abgewiesen. Daher findet sich bei ihm auch keine Analyse der Verflechtungszusammenhänge sozialer Kräfte und ihrer Entwicklungsdynamik. Es gibt bei ihm keine Erkenntnis sozialanthropologischer Strukturgesetzlichkeiten. Die Auslegung der menschlichen Wirklichkeit ist bei ihm von der Variante der Reduktion beherrscht. Dieser Sachverhalt zeigt sich in seinen ethisch-anthropologischen Aussagen. Hirsch entwand sich der Aufgabe, die Spannung menschlichen Sichaufgegebenseins in den Spielräumen humaner Selbstfindung und wertbezogener Lebensbewährung inhaltlich und differenziert zu entwerfen. Menschliche Wirklichkeit insgesamt bestand für ihn aus „Ehre", „Dienst" und „Pflicht". In dieser Linie reduktiver ethischer Bestimmungen mit ihrer Selbstdisziplinierung lag auch, und das ist aufschlußreich, was Hirsch über den geschlechtlichen Eros zu sagen wußte. „Der geschlechtliche Eros ist . . . die Macht, die . . . zu Dienst und Pflicht . . . ruft." 35 Diese Verkehrung ist symptomatisch, denn im Eros ist ein befreiend-anarchisches Element wirksam, es „fühlt das Lebendige das Lebendige" 36 , wie Hegel sagte. Dem Lebendigen im Leben wich Hirsch aus. Die umgreifenden Lebenszusammenhänge reduzierte Hirsch durchgehend auf die Machtstruktur. Am Leitfaden der simplen Vorstellung von Herrschen und Beherrschtwerden wurden sie „gleichgeschaltet" und in Geschichtsmächte, Lebensmächte, Ordnungsmächte, Geistesmächte, Daseinsmächte verwandelt37.
3'
EBD., S . 4 0 , 58.
32
EBD., S. 41.
3 3
EBD.
34
EBD.,
35
E.
36
Z u r D e u t u n g u.a. dieses Hegelwortes: J . ALWAST, P u n k t .
37
Vgl. E . HIRSCH, Leitfaden, S. 2 3 0 f f .
S.63.
HIRSCH,
Leitfaden,
S.237.
Theologie im Dienste des Nationalsozialismus
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Die Theologie Hirschs insgesamt ist in die NS-Ideologie eingeschlossen und folgt blind der von ihr verfügten und propagierten Wirklichkeitsauslegung. Es gibt in dieser Theologie keine realitätsgesättigte Kategorie, nirgendwo berührt sie konkrete Lebenswirklichkeit. Ihre Darstellungsform ist geprägt von der Mechanik der Schemata. Ihre Begrifflichkeit ist beherrscht von Abstrakta. Ihr Denken ist zirkulär. Bezeichnenderweise heißt die Problemstellung dieser Dogmatik auch nicht „Theologie und religiöse Erfahrung", sondern „Theologie und Weltanschauung." Diese Theologie ist in sich eingeschlossen und mit sich selbst befaßt. Sie ist eine „Gehäuse"-Theologie 38 . Das Strukturbild dieser „Gehäuse"-Theologie ist geprägt von mechanisch anwendbaren Grundsätzen, die übertragbar und ungeschichtlich sind. Sie zeigt zwingende Koordination der einzelnen Lehrstücke, formelhafte Präzision im Ausdruck und Unbeirrbarkeit in ihrer Lehrmeinung. Aber dies alles ohne Vermittlung aus dem Lebendigen und Konkreten. Die emotionale Färbung dieser Theologie ist der prinzipienfanatische, pathetische Ernst. Ihr Anspruch ist imperial 39 . 2.2 Wissenschaftstheoretische Arroganz parasitärer
Subjektivität
Aus dieser Wissenschaftssituation des Umgriffen- und Abgeschlossenseins durch das „Gehäuse" ist auch die arrogante Einschätzung zu verstehen, die Hirsch über den wissenschaftstheoretischen Status seiner Dogmatik traf. Er beanspruchte für sie das Prädikat des derzeitig höchsten Theorietypus, weil in sie das volle Menschsein ihres Konstrukteurs eingebracht, ein neues Paradigma begründet und das Maß theologischer Denkkapazität vollständig ausgeschritten sei. „ N u r ganze Hingabe an die wache Reflexion zur neuen selbständigen Durchdenkung von Grund auf hat noch Vollmacht, den Verwüstungen zu wehren. Das ist die Rechtfertigung des Unternehmens hier mit seinem Willen zur letzten nur möglichen geistigen Durchsichtigkeit des Gottesverhältnisses." 40
N u n erweist es sich aber, daß in Hirschs theologischem Denken die intellektuelle Antizipation des Neuen bloß suggeriert wird, und daß sich auch die theoretische Durchführung nicht im Element konkreter, mit Leben vermittelter Begrifflichkeit bewegte. Hirschs NS-Theologie ist vielmehr bloß die repetitive Präsentation des Bestehenden. Sie enthält daher auch nicht die Spur eines Keims zu methodologischer Selbsterhellung.
38 Z u m Begriff „ G e h ä u s e " vgl. K. JASPERS, Psychologie, S. 304ff. Ich h a b e den von Jaspers e n t w i c k e l t e n „Gehäuse"-Begriff, der bei i h m die Einstellung eines M e n s c h e n bezeichnet, der H a l t in e i n e m Begrenzten sucht, f o r m a l ü b e r n o m m e n u n d ihn auf die bei H i r s c h gegebene D e n k e n - L e b e n - S i t u a t i o n angewendet. 39 Vgl. E. HIRSCH, Lage, S. 139; vgl. auch E. HIRSCH, R e c h e n s c h a f t , Bd. 2, S.353. 40
E . H I R S C H , L e i t f a d e n , S.
128.
206
Jendris Alwast
Und da sie auch keine eschatologische Spannung hat, entbehrt sie eines inneren theologischen Korrektivs. Diese theologische Wissenschaft steht im Dienste des Nationalsozialismus. Sie ist ohne eigene Erkenntnisverantwortung und ohne wissenschaftsethisches Kreditiv. Sie saugt ihre Substanz aus der NS-Ideologie. 2.3
Gewissensmechanik
Diese „Gehäuse"-Theologie hatte, obwohl sie in Wahrheit ein Gedankengebilde aus abstrakten Begriffs5eiz«ngerc war, für Hirsch die Qualität religiöser Evidenz und die Verbindlichkeit einer unbezweifelbaren Gewissens Wahrheit 41 . Das Gewissen bildete nach Hirschs Uberzeugung den Kern der Seinsverfassung des Menschen. Gewissen und Person sind nach Hirsch identisch. Das Gewissen ist „die sich im Leben mit den anderen und vor Gott vernehmende Person des Einzelnen selber" 4 2 . Gewissenswahrheit definierte Hirsch als Selbsterkenntnis, die in „Beziehung auf Gott als die Wahrheit" 4 3 steht. In ihr „liegt die letzte, die ursprüngliche Wurzel des Menschen aus G o t t " 4 4 . Die Gewissenswahrheit konstituiert sich nach Hirschs Auffassung im Wahrheitswillen des Menschen. Dieser Wille aber hat sich selbst zu brechen. Als Wille hat er sich zu verleugnen. Er muß sich „offen und wehrlos hingebreitet wissen vor der unerbittlich schweigenden Hoheit des Geheimnisses, das sein Ursprung i s t " 4 5 . Dann kann er des „Geheimnisses" der Gewissenswahrheit, die ihn übermächtigt, insofern er sich ihr willentlich ausliefert, sich ihr „hingebreitet" darbietet, teilhaftig werden. Die Gewissenswahrheit macht sich der Person vernehmbar und steht zugleich über ihr. Sie bleibt entrückt. Sie „spricht" sich aus im Modus des Schweigens. Und sie gibt für das, was sie anbefiehlt, keine Erklärung oder Rechenschaft. Sie ist ehern und undurchdringlich, „unerbittlich" in ihrem „Schweigen". Die Gewissenswahrheit ist „Hoheit", sie ruft den Menschen in die Botmäßigkeit. Mit dieser Konstruktion der Gewissenswahrheit betrieb Hirsch die Selbstauslöschung der Person, die er als Gewissen definiert hatte. Die bereitwillige Übernahme des Diktats der Gewissenswahrheit macht das eigene Selbst zum Befehlsempfänger, wirft es in die formelle Subjektivität. Die propagierte Selbsterkenntnis, die in der Gewissenswahrheit liegen soll, ist dann das Bewußtsein um diese Situation der willentlichen Zustimmung zum Diktat. Diese Gewissenswahrheit setzt Hirsch absolut und entzieht sie kommunikativer Bewährung. Jeder Anteil eigener authentischer reli47 ff.
41
E B D . , S.
42
E . HIRSCH, R e c h e n s c h a f t , B d . 2 .
«
E B D . , S. 8 0 .
44
EBD., S. 76, 209 Anm. 2, 205ff. EBD., S. 67.
45
S.188.
Theologie im Dienste des Nationalsozialismus
207
giöser Erfahrung ist ausgeschlossen, auch produktive humane Spannung im Suchen und Fragen wird verworfen. Hirsch entpersonalisiert die Person zu einer anthropologischen Mechanik, die eines fremden Anstoßes bedarf, um überhaupt den Anschein von Bewegtsein hervorzurufen. An die Stelle der lebendigen Fähigkeit des personalen Gewissens, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden, tritt das Surrogat einer zwanghaften Zustimmungsautomatik. „Das Gewissen ist der lebendige Quell aller innern menschlichen Geschichte und Bewegung eben dadurch, daß Wahrheit und Unwahrheit als ihm unbegreifliche Mächte an ihm walten."46
Die Strukturzirkularität der Gehäuse-Theologie kehrt wieder. An Hirschs Gewissenskonstrukt zeigt sich, wie auch schon am Begriff „Grenze" beobachtet wurde, die leere Zirkularität. Hirsch setzt das Kreditiv der Gewissens Wahrheit in die Gewissens evidenz, die ihrerseits das „Geheimnis" und das „Schweigen" zu ihrem unmittelbaren Inhalt hat. Grund und Inhalt bringen sich in Hirschs Argumentation wechselseitig hervor. Dieses Agieren ist, formal gesehen, zirkulär. Die gewissensevidente NS-Theologie Hirschs speist sich, „inhaltlich" gesehen, aus ihrer eigenen Leere. Hirschs Gewissenskonstrukt reduziert die Person auf die formelle Subjektivität. Das zirkuläre Agieren bringt keinen entschiedenen Inhalt hervor. Das Subjekt ist leer, es ist offen für alle möglichen Inhalte. In seinem Agieren könnte es sich auf dieses oder jenes werfen und sich mit ihm anfüllen. In diesem logisch-anthropologischen circulus vitiosus aber ist die Destruktivität angelegt. Oder mit einem Wort Hegels gesagt: „Das Gewissen ist als formelle Subjektivität schlechthin dies, auf dem Sprunge zu sein, ins Böse umzuschlagen." 47 2.4 Der „Sprung aufs Böse" Daß in dieser Theologie der „Sprung aufs Böse" angelegt ist, zeigte die Analyse des Gewissensbegriffs. Daß dieser „Sprung" auch systematisch durchgeführt ist, zeigt sich an den inhaltlichen dogmatischen und ethischen Folgerungen dieser Theologie, z.B. an der Gottes„lehre" und an praktischen Bestimmungen in der Ethik. Hirsch entwarf sein Gottesbild in den Gerüstbegriffen seiner Theologie als „den Lebendigen, der den Grund unseres Lebens miteinander in sein Geheimnis hinein grenzt und darin der die Verletzung des Lebensgeheimnisses am Leben selber rächende Hüter unseres Lebens ist" 4 8 . Gott ist der, „der unser Gewissen das Heilige 46
E . H I R S C H , L e i t f a d e n , S . 2 0 8 f.
G . W . F . HEGEL: Grundlinien der Philosophie des Rechts, §139 (Theorie Werkausgabe. 7). Frankfurt am Main 1970, S.261. 47
48
E . HIRSCH, L e i t f a d e n , S. 101.
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in den Lebensbeziehungen entdecken läßt" 4 9 . Und in diesem Zusammenhang schärfte Hirsch ein, was denn dieses „Heilige" ist. Es sind „das Volk"50 und der „Ehestand" 5 1 . Seine Ethik wollte Hirsch als die „human gültige Lehre von Gemeinschaft und Geschichte" 52 verstanden wissen. In dieser Ethik wirkte „die Unerbittlichkeit des uns mit seinem Soll die Selbstbestimmung gründenden Gottes, die unserm Tun und Lassen die unwiderrufliche Geschichtlichkeit gibt" 5 3 . Hirsch entwarf eine sozialdarwinistische Ethik. Er forderte, „daß hinreichend viel Kinder, und zwar solche von der rechten Art, geboren werden. Was im Tierreich der Kampf ums Dasein ist, das ist im menschlichen Leben Gesetz und Art der Gemeinschaft" 5 4 . In diesem Zusammenhang forderte er die Praxis der Zwangssterilisation, um „die Entstehung von lebensunwertem, d.h. weder den andern zugute kommenden noch in sich menschlichen Sinn erfüllendem Leben zu verhüten" 55 . Dagegen sollten „die Tüchtigen zu Eheschließungen und Kinderzeugung besser gelangen als die Untüchtigen" 5 6 . Er befürwortete die Maßnahmen gegen die sog. „entartete Kunst" 5 7 und pries im Oktober 1941 den Krieg, „in dem der geistige Mensch als Soldat sich bewährt" 5 8 . Er rechtfertigte die Mordurteile des Volksgerichtshofs aus der Notwendigkeit, die „Volksgemeinschaft" zu schützen 59 . Er wollte den sog. „Volksverrat" 60 mit „Hinrichtungen" 6 1 geahndet wissen und gab dafür die theologische Legitimierung. „Aber die Hoheit des Staats, als Hüter der Heiligkeit des Lebens denen, die seine Ordnung verletzen, an Leben und Ehre zu rühren, hat etwas Unbegreifliches, das aus Gottes Geheimnis selber k o m m t . . . " 6 2 . Die Störer der geheiligten Ordnung, neben Juden die Oppositionellen, sollten stigmatisiert werden. Daher war es für Hirsch „die Probe auf die Gesundheit einer Ordnung, daß der aus ihr Ausbrechende von allen deutlich als auch ethisch negativ verstanden werden kann" 6 3 . Die „Ordnung" hat einen solchen Menschen als „ein bösartiges oder mangelhaftes Naturprodukt, das wie ein Mensch aussieht" 6 4 , auszustoßen. Die ethische Rechtfertigung der KZ-Praxis formulierte Hirsch mit den Worten: 49 E B D . 52
50
EBD.
51
EBD.
EBD., S. 13.
E B D . , S . 219. E. HIRSCH, Rechenschaft, Bd. 2, S.245. Zur diskriminierenden Unterscheidung von höher- und minderwertigen Menschen vgl. auch E. HIRSCH, Lage, S. 35. 54
55
E . HIRSCH, L e i t f a d e n , S. 2 3 2 .
56
E . HIRSCH, R e c h e n s c h a f t , B d . 2,
S.245.
57 EBD., S. 303. 58 EBD., S. 300. 5 9 Vgl. EBD., S. 348; vgl. auch E. HIRSCH, Leitfaden, S.233. 60 E B D . 62 63
6
'
EBD.
EBD., S. 272. EBD., S. 271.
64
EBD., S. 272.
Theologie im Dienste des Nationalsozialismus
209
„Die Halbmenschen mit völlig zerstörtem oder verderbtem Pflicht- und Ehrbewußtsein müssen unter Vormundschaft bleiben und der Selbstbestimmung beraubt werden. . . Halbmenschen nennen wir sie, weil sie des Lebens in menschlich-geschichtlicher Gemeinschaft nicht fähig sind und wir nichts mit ihnen anfangen können, als die Gemeinschaft vor ihnen zu schützen. Es ist nicht nötig zum Verständnis des Ethos, daß wir das mit ihnen vor uns stehende grauenvolle Rätsel lösen." 65 D i e ethischen Konkretionen entlarven diese D o g m a t i k als den vollzogenen „ S p r u n g aufs Böse". Diese „Gehäuse"-Theologie ist als G a n z e eine theologische Legitimierung des Verbrechens. A u c h nach dem Zusammenbruch Nazi-Deutschlands rechtfertigte Hirsch seine NS-Theologie. In einer N o t i z v o m September 1945 schrieb er: „Ich finde jetzt, nach Hitlers und Deutschlands unglückseligem Zusammenbruch, nichts, . . . das ethisch falsch gedacht wäre." 6 6 2.5 „Gehäuse"-Theologie als Sinnkonstitution angstbesetzter Subjektivität Ich möchte nun das anfangs zitierte und von mir als Problemaufriß in A n s p r u c h genommene Fichtewort noch einmal aufgreifen. Das theologische System von Hirsch ist „beseelt durch die Seele des Menschen, der es hat." U n d so frage ich: Woraus gewinnt dieses Denken seine Antriebsrichtung auf Koordination, Präzision und Unbeirrbarkeit? Warum hat ein Mensch es nötig, seine D e u t u n g der Wirklichkeit als geschlossenes System in bloß begrifflichen Setzungen zu entwerfen? Welches Bedürfnis kommandierte ihn, und welche F u n k t i o n hat diese Theologie für ihren Urheber? U n d damit stellt sich auch die im Fichtewort aufgeworfene Kernfrage: Was ist das für ein Mensch, der diese „Gehäuse"-Theologie hervorbrachte, und als was erweist sich dann der Sinn dieser Theologie? E s fällt an der Theologie Hirschs auf, daß er in seinem Denken unentwegt damit befaßt ist, „gleichzuschalten" und „auszugrenzen". Nirgendwo findet sich bei ihm ein differenzierendes Untersuchen und damit SichEinlassen auf gesellschaftlich-geschichtliches oder auf individuelles L e b e n 6 7 . Nirgendwo ist Primärerfahrung spürbar. Stets zeigt sich Hirsch in seinem Denken und E m p f i n d e n zurückgenommen vom Leben, von seinen Zweideutigkeiten und seiner Unberechenbarkeit, von infragestellender K o m m u n i k a t i o n , von religiöser Begegnung und ihrem vitalen Fluid u m . E s ist zwanghaft, in welchem Maße er nach innen sichert und EBD., S.275; z u m J u d e n t u m vgl. auch E. HIRSCH, Lage, S. 22f. E. HIRSCH, Rechenschaft, Bd. 2, S. 256 und 286, w o er sich im gleichen Sinne über seine A n s c h a u u n g v o m Staat äußerte. 6 7 Zu dieser wissenschaftlichen Insuffizienz vgl. auch die leeren Abstraktionen in E. HIRSCHS Buch „ D e u t s c h l a n d s Schicksal". 65
66
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abdichtet, nach außen aggressiv abwehrt oder, in Worten von Hirsch, „einbrennt" und „austilgt". Dieses Gedankengebäude, das in solcher sprachlichen und denkerischen Abgeschlossenheit sich darstellt, ist eine Setzung der Angst. Die Angst ist der innerste Antrieb der „Gehäuse"-Theologie von Hirsch, ihr primum mobile. Hirsch „wählte", um mit Fichte zu reden, das Unwandelbare aus Angst vor der Freiheit. Er „wählte" sich als Starre des Felsens aus Angst vor dem eigenen Selbst, vor dem Einstehen für sich, vor der Selbsterforschung 68 . Es war seine Tat, daß er sich nicht offenbar werden wollte. Gleichwohl gehörte zu dieser Selbstwahl keineswegs Stillstand und Passivität, vielmehr war sie von einer Hemmungslosigkeit des „Betriebs" umgetrieben. Das „Gehäuse"-Denken von Hirsch warf sich auf das Daseiende, füllte sich mit ihm an und das bedeutet, es unterwarf sich ihm. Und es verklärte zugleich das Daseiende, indem es seine Faktizität zum „Schicksal", zum „Muß" erhöhte. Als Bedrohung empfand Hirsch jegliches lebensorientierte Denken, in seinen Augen die „gottlos vagabundierende Reflexion" 69 . Lebensorientiertes Denken aber befreit sich vom Daseienden. Es hat seine Utopien, Gegenentwürfe und Träume, seine Fragen und methodologisch eröffneten Denkräume. Wahrheit ist für dieses Denken nicht Besitz, sondern Weg. Lebensorientiertes Denken ist denkendes Handeln, in dem ein Ich wächst und im lebendigen Umgang mit Menschen und Sachen sich vermehrt. In diesem wagenden Denken ist Bewegung. In seiner Orientierung am Nichtseienden gewinnt es Maßstäbe zur kritischen Erhellung des Daseienden. Die auf Sicherung bedachte reaktionäre Angst hingegen steht in der Anstrengung, ihre Unbeweglichkeit zu aktivieren, indem sie nach außen als Haß auftritt. Der Haß ist objektgerichtet. In ihm kann die diffuse Angst sich ein Kraftgefühl suggerieren, das sie ermutigt, Anderssein und Bewegung im Denken und Leben zu bekämpfen und zu exekutieren. Das Leben, das Hirsch in sich nicht zulassen konnte, wollte er in anderen Menschen „ausgetilgt" 70 wissen. Hirsch war aus seelischer Bedürftigkeit auf solche „Feinde" angewiesen. An ihnen nahm er genau das wahr, was er in sich aufgrund seiner Angstbesetztheit nicht zulassen konnte. In dieser Kompensation fand Hirsch projektive Entlastung. Hirsch grenzte nicht nur sein theologisches Denken vom Leben ab, sondern schloß sich selbst in eine endgültige Undurchdringlichkeit ein. Er erhob „diese Ordnung", „diese Lebensform", „dieses Muß im Denken" — 6 8 Bezeichnend hierfür ist auch, daß Hirsch die Psychoanalyse Freuds verwarf: „Was von Freud übrigbleibt, wenn man die menschlich sauberen seelischen Verhältnisse zum Maß und Ziel macht, ist eine medizinische Fachfrage. Als Therapie kommt die Psychoanalyse selbstverständlich nicht in Frage, weil sie auf entartetes Verständnis des Seelischen baut." Abgedruckt in: E. HIRSCH, Rechenschaft, Bd. 2, S.265 (Hervorhebungen vom Verfasser). 69
70
E. HIRSCH, Lage, S. 3 7 .
Vgl. E. HIRSCH, Leitfaden, S. 232 et passim.
Theologie im Dienste des Nationalsozialismus
211
Mauern seines persönlichen Gefängnisses — in den Rang des Heiligen und Unantastbaren. Die „Gehäuse"-Struktur seines theologischen Denkens befestigte in Wahrheit ihn selbst, unterwarf ihn pflichtmäßiger Selbstdisziplinierung und gab ihm Halt. Es lag in der Konsequenz dieses angstbesetzten, „gewissens"-gesteuerten Denkens, daß Hirsch das Wort „Ich" im authentischen Sinne gar nicht aussprechen konnte. Er verstand sich als Objekt einer ihn übergreifenden Verfügungsdynamik. „Unsere Selbstbestimmung geschiebt . . . in der Verbindung von Gehorsam und Eigenstand, die unser Verhältnis zum gemeinsamen Leben ist."71
Seine Unterwerfungsbereitschaft proklamierte Hirsch in den Worten: „Wir geben uns mit innerer Freiwilligkeit an einen starken, gewaltigen Erzieherwillen, der mit der herrischen Art des Befehls uns alle bindet in einen gemein-
samen volklichen
und staatlichen
Nomos .. ."72
Bereits 1920 formulierte Hirsch faschistoide Sätze, in denen er sein kollektives Ich als plastisches Material beschrieb. „Wir Deutsche stehen jetzt unter Gottes Hammer. Glas springt und Stein wird Staub unter solchen Schlägen. Sind wir aber im Gewissen lebendig, regiert im Letzten unsrer Uberzeugungen und unsers Herzens der Wille des allmächtigen Herrn der Geschichte, dann sind wir nicht Glas und nicht Stein, dann sind wir Erz. Und — wie die Erze vom Hammer, So wird das lockre Geschlecht Gehaun sein von Not und Jammer Zu festem Eisen recht."73
Ein Mensch, der von Angst besetzt ist und keine aus eigener Anstrengung erworbene Identität besitzt, hat ein ausgeprägtes Anlehnungsbedürfnis. Er will „Gefolgsmann" sein, der sich seinem „Führer" unterwirft. Bezeichnend für dieses Defizit an Lebensauthentizität und Ichgewißheit ist ein Bekenntnis, das Hirsch am Schluß seiner „Rede auf der Kundgebung deutscher Wissenschaft" (Leipzig, 11. Nov. 1933) sprach: „Wenn auf morgen der Führer uns ruft, uns zu dem neuen nationalsozialistischen Deutschland zu bekennen, Mann für Mann, Frau um Frau, so antwortet es aus mir: Ja. Ich sage es als deutscher Mann, als evangelischer Christ und Theologe, als Lehrer der Universität. Ich sage es mit als eine kleine Stimme in dem großen Chor, der auf den Ruf des Führers antwortet. Wir sagen Ja, wir folgen ihm. Heil Hitler!" 74
71
EBD., S . 2 1 7 (Hervorhebung v o m Verfasser).
72
E . H I R S C H , L a g e , S. 2 7 f .
E. HIRSCH, Deutschlands Schicksal, S. 154. E. HIRSCH, Weg des Glaubens, S. 58 (Hervorhebungen v o m Verfasser). Die Szenerie in der Leipziger Universität am 1 1 . / 1 2 . N o v e m b e r 1933 dokumentiert ein Photo, das u.a. neben M. Heidegger auch E. Hirsch zeigt. 73 74
212
Jendris Alwast
Ein weiterer Beleg für die Projektion des eigenen Ich-Defizits auf den „Führer" zeigt sich auch daran, daß Hirsch in seiner Gegenwartsdeutung des Jahres 1933 ausdrücklich sagte: „Von Lebenden habe ich außer dem Führer niemand genannt." 75 Die völlige Auslieferung an den religiös überhöhten „Führer" bekundete Hirsch in den Worten: „ E s b r i c h t in i h m , g e r a d e w e n n er a u f d a s G e h e i m n i s d e s B l u t b u n d e s u n d d i e A u f gabe
seiner
Bewahrung
kommt,
fast
am
lebendigsten
das
in
ihm
mächtige
u r s p r ü n g l i c h e r e l i g i ö s e G e f ü h l d u r c h . H i e r ist d a s W e r k d e s a l l m ä c h t i g e n H e r r n z u spüren, d e m w i r lediglich W e r k z e u g e zu sein h a b e n . " 7 6
Es ist ethische Pflicht, sich dem „Führer" zu unterwerfen, auch um den Preis von Leben. Denn vom „Führer" gilt, daß er ein „Außerordentlicher" 7 7 ist, und sein „mit besondrer Vollmacht durchglühtes besondres Lebenswerk... bedarf zu seiner Vollendung auf die eine oder andre Weise der Mitarbeit, u.U. der Aufopferung, andrer" 7 8 . Uber die Projektion auf den „Führer" lieh sich Hirsch aber auch ein Gefühl der Wichtigkeit seiner eigenen Person. Er wollte als Theologe an der Macht der Autorität teilhaben. So beansprucht Hirsch für seine Dogmatik die „Führungsgewalt theologischer Lehre" 7 9 , und auch noch vom Februar 1940 sind Notizen über das „Führungsdenken" 8 0 , das er seiner Ethik zusprach, überliefert. Hirsch selbst hat auch versucht, praktisch Macht auszuüben, indem er als Dekan der Göttinger theologischen Fakultät denunzierte 81 . Das NS-Regime hat sich um diese Anbiederung seitens des theologischen Dekans nicht gekümmert. Es hat sie vielmehr auf den unteren Macht- und Entscheidungsebenen zurückgewiesen 82 .
75
E . HIRSCH, L a g e ,
76
EBD., S. 36. E. HIRSCH, Leitfaden, S.266. EBD., S. 267.
77 78 79
S.5.
E . H I R S C H , L a g e , S. 1 3 9 .
E. HIRSCH, Rechenschaft, Bd. 2, S.353. Zu den denunziatorischen Aktivitäten von Hirsch vgl. R.P. ERICKSEN, T h e o l o g e n , S. 228 ff. 8 2 Vgl. hierzu R . P . ERICKSEN, Fakultät, S . 7 5 f . Bezeichnend für Hirschs Wirklichkeitsblindheit ist, daß er die Stellung der theologischen Fakultät im politischen System völlig verkannte. D i e theologische Fakultät k a m in der von G . VON SELLE 1937 verfaßten Geschichte der Universität Göttingen nicht vor. Ähnlich war es an der Kieler theologischen Fakultät. D i e Anbiederungsversuche von Martin Redeker wurden abgewiesen. D e r Lehrstuhl für Praktische Theologie wurde aus der theologischen Fakultät ausgegliedert. E r k a m 1941 an das Institut für Meereskunde. Theologiestudenten wurde der Zutritt zu den sog. Kameradschaften untersagt. Rundfunkpredigten wurden 1939 verboten. In der Festschrift z u m 275jährigen J u b i l ä u m der Universität 1940 bekam die theologische Fakultät keine Gelegenheit zur Selbstdarstellung (vgl. 80 81
J . ALWAST, G e s c h i c h t e , S . 2 0 5 f f . ) .
Theologie im Dienste des Nationalsozialismus
213
Der Befund der von mir ausgewerteten Quellen zeigt die seelische Verfassung eines völlig autoritätsfixierten Menschen. Alles deutet darauf hin, daß Hirsch die Flucht vor seinem „Ich" gelungen ist, und zwar in Perfektion. Hirschs „Ich" stürzte noch vor jeder echten Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit willentlich in sich zurück und gab dieser destruktiven Selbsttilgung mit der „Gehäuse"-Theologie den entsprechenden Gedankenausdruck. Daß Hirsch dem NS-System und seiner Ideologie verfiel, ist demnach in seiner autoritären Charakterstruktur begründet. Hirsch wurde symbiotisch zum Teil der „Führer"-Autorität. Sein Selbstwertgefühl, seine „Ehre" und seine Identität hingen von dieser Symbiose ab. Sein Selbstbild gewann er am „Führer" — gleichsam die Projektionsfläche seiner Selbstwahrnehmung —, indem er sich ihm unterwarf 8 3 . In welchem Ausmaß dieses „Ich" Hirschs reduktiv gewesen ist, läßt sich ermessen, wenn man es aus der Spannung authentischer Selbstdialektik begreift. „Den Maßstab für das Selbst bildet immer, was das ist, dem gegenüber es ein Selbst i s t . . ," 8 4 . Das Selbst ist ein dynamisches Selbst-Verhältnis, das sich selbst transzendiert. Es ist die Transzendenz des Selbst das „Gegenüber", vor dem das Selbst in seiner Selbstbezüglichkeit ein Selbst ist. Für Hirsch war dieses „Gegenüber" gerade keine in authentischer Selbstbezüglichkeit erfahrene Transzendenz, sondern Hitler! Auch nach 1945, als Hirsch mit seinem „Führer" auch seine Identitätsstütze verlor, demonstrierte er Unbelehrbarkeit und Verteidigung des Vergangenen und Toten 8 5 . Hirsch fand seine projektive Selbstentlastung im „Wegtauchen", in der Versteinerung. Er zeigte keinerlei Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit dem Vergangenen. Hirsch verkapselte sich im „Gehäuse". Hieran kann eingeschätzt werden, wie elementar die Lebenslüge von ihm Besitz ergriffen hatte. Als was ist nun die NS-Theologie von Hirsch zu identifizieren? Als was erweist sich ihr Sinn? Ihr Sinn erweist sich an ihrer psychodynamischen, an ihrer theologischen und an ihrer gesellschaftlichen Funktion. — Sie ist erstens ein Flucht- und Kompensationsmechanismus ihres Urhebers vor seinem „Ich". — Sie ist zweitens ein Konzept theologischen Herrschaftswissens.
8 3 Die autoritäre Fixierung ist ein Charaktergrundzug in der Biographie Hirschs. Ähnlich autoritär besetzt war seine Beziehung zu Karl H o l l . Vgl. THEOLOGIE, S. 127. 8 4 S. KIERKEGAARD, Werke Bd. 7, Jena 1925, S . 7 9 . 8 5 Ein Gespräch, das H . H . H a r m s , Bischof i.R., im Jahre 1950 mit Hirsch führte, bestätigt diese Deutung. Vgl. hierzu THEOLOGIE, S. 136 f. Ein Beispiel dafür, daß es einem überzeugten Nationalsozialisten möglich war, sich innerlich und äußerlich zu einer humanen Lebensorientierung hindurchzuringen, ist Erik Wolf. E r verfocht in Freiburg i.Br. als D e k a n der juristischen Fakultät das „ F ü h r e r " - R e c h t , fand aber bald den Weg zur Bekennenden Kirche (vgl. hierzu A . HOLLERBACH, Schatten).
214
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— Sie ist drittens die Theologie des unerlösten Menschen. — Sie ist viertens ein Beitrag zur Systematisierung der Normalität von Inhumanität. — Sie ist fünftens die theologische Legitimierung des NS-Systems und seiner Verbrechen. Von diesen Ergebnissen her wird auch eine wissenschaftstheoretische Äußerung Hirschs aufhellbar. In einem Brief an den Kirchenhistoriker Hans Lietzmann vom 3. September 1940 schrieb Hirsch: „Es ist durch mich der Pflug meiner Zeit hindurchgegangen. Eine tote Wissenschaft, die unabhängig ist von der Person dessen, der sie treibt, gibt es nicht." 86 Diese Äußerung Hirschs ist eine schauervolle Bestätigung des von mir gewählten Deutungsansatzes, Denken und Leben zusammenzuschauen. Wissenschaft — und theologische zumal — ist danach der genaue Ausdruck desjenigen, der sie in seinem denkenden Handeln hervorbringt. Hirsch beschreibt sich als ein Etwas, an dem ein anderes — der „Pflug meiner Zeit" — sich ausgewirkt hat. Auf diese Ichlosigkeit gründet die Einschätzung seiner Wissenschaft. Für sie gilt, daß sie „lebendig" ist, weil nicht er, sondern ein anderes, eben der „Pflug meiner Zeit", sie hervorgebracht hat. Und so erweist sich in Hirschs eigener wissenschaftstheoretischer Selbsteinschätzung die oben beschriebene wissenschaftstheoretische Arroganz parasitärer Subjektivität in ihrem Kern als Nekrolog auf diese Theologie und ihren Urheber. 3. Hirschs NS-Theologie — eine Variante kleinbürgerlicher
Mentalität
Die an der NS-Theologie Hirschs studierte seelische Verfassung ihres Urhebers ist keineswegs eine singuläre Erscheinung. In der sozialpsychologischen Forschung von Erich F r o m m 8 7 , Max Horkheimer 8 8 und Reinhard Kühnl 8 9 ist solch eine seelische Verfassung als „autoritärer Charakter" beschrieben und als eine Gefühlsstruktur identifiziert, in der kleinbürgerliche Mentalität sich ausdrückt. Hierbei ist zwischen innerer seelischer Verfassung und äußerer gesellschaftlicher Stellung zu unterscheiden. Es ist gerade dies wichtig zu sehen, daß ein Mensch aufgrund seiner herausgehobenen beruflichen Position zur sog. „Elite" gehören und dennoch innerlich kleinbürgerlich orientiert sein kann. Es sind angstbesetzte Einzelne und ganze Gruppen von Menschen, die auf der Flucht sind vor
K. ALAND, Glanz, S. 1006. Vgl. E . FROMM: Analytische Sozialpsychologie; Analytische Charaktertheorie (Gesamtausgabe Bd. 1 und 2). M ü n c h e n 1989. 8 8 M . HORKHEIMER: Autorität und Familie. Allgemeiner Teil. Graz 1971. 8 9 Vgl. R . KÜHNL, F o r m e n ; jetzt auch W . F . HAUG, Faschisierung; J . REHMANN, Kirchen. 86 87
T h e o l o g i e im D i e n s t e des N a t i o n a l s o z i a l i s m u s
215
dem Einstehen für eigene Überzeugungen, vor dem eigenen Ich und letztlich vor dem Leben. Das Ausdrucksrepertoire kleinbürgerlicher Seelenlage ist im Syndrom „autoritärer Charakter" zusammengefaßt. D e r Mensch „autoritären Charakters" versucht, seine Ich-Schwäche dadurch zu kompensieren, daß er seine heimlichen Wünsche nach Größe und Geltung auf eine Autoritätsfigur projiziert, mit der er sich bedingungslos identifiziert. Diese „Autorität" ist eine Erfindung des Kleinbürgers zum Zweck projektiver Selbstaufwertung und projektiver Selbstentlastung von instinktiv gespürter Nichtigkeit. Die Autorität hat aus der Sicht des Kleinbürgers das Privileg, jeden Menschen sich verfügbar zu machen. D e r Kleinbürger wirft sich aus Lebensangst in die Selbstversklavung. Diese angstbesetzte Seelenstruktur wirkt als innerer Steuerungsmechanismus und Verhaltensregulator und wird im autoritären Gewissenszwang als alternativlose Evidenz erlebt. Menschen kleinbürgerlicher Orientierung überantworten ihr Dasein Formen der Dienstbarkeit und reproduzieren es in „Tugenden" wie Pünktlichkeit, Gehorsam, Dienst- und Pflichteifer und Reinlichkeit. Diese kleinbürgerliche Empfindungslage begünstigte den Nationalsozialismus bzw. wurde von ihm ausgenutzt. Hinzukommt ein ausgeprägtes Bedürfnis nach einer „sauberen" Aufteilung der Welt in „Gut" und „Böse". Es ist auch bei Hirsch dieser infantile Reinlichkeits-Dualismus zu beobachten. Für Hirsch galt es, die bestehende Gesellschaft von alternativen Elementen zu „säubern", dann würde sich das „Gute" ganz von selbst einstellen. Diese autoritäre, kleinbürgerliche Mentalität, deren Momente sich auch in Hirschs Mentalität und in seiner Theologie u.a. zeigen, ist darüber hinaus in einem gesellschaftlich-geschichtlichen Zusammenhang zu sehen, wobei ich innerkirchliche Stimmungs- und Seelenlagen ansprechen möchte. Theologie und Kirche waren seit Jahrhunderten in ihren herrschenden Gruppen autoritär geprägt. Mit dem Untergang des Kaiserreichs erfuhren evangelische Theologie und Kirche eine tiefe Kränkung. Aus der geachteten gesellschaftlichen Stellung im Schutze der Monarchie gerieten sie in den Sog des sozialen Abstiegs. Sie verloren an Boden in der Gesellschaft. Die Kirche hatte es mit den Herrschenden gehalten. Sie hatte ihre Kriege gesegnet, ihr Unrecht toleriert oder gar gebilligt und ihre Herrschaft theologisch-ideologisch legitimiert. Die Kriegsniederlage und der Versailler Vertrag wurden zum Symbol der eigenen Misere. Dazu kam das Mißtrauen in die Weimarer Republik, die als Staatsform das demokratische Selbststehen und das Sich-selbst-verantworten zumutete. Hirsch war in diese kirchlich-theologische Tradition hineingeboren. Sein theologischer Ansatz hatte seine sozialpsychische Verwurzelung in dieser Bedrohungsund Untergangsstimmung des autoritär geprägten deutschen Kleinbürgertums. Die Reaktion von Theologie und Kirche auf die neue gesellschaftliche Herausforderung entlarvte ihre in weiten Teilen kleinbürgerlich geprägte Mentalität. Theologie und Kirche hatten sich bislang jeder feudal-
216
Jendris Alwast
dynastischen Obrigkeit dienstbar gemacht und bedingungslosen Gehorsam auch menschenverachtenden politischen Systemen gegenüber gelehrt. Als mit der Weimarer Republik nun andere gesellschaftliche Schichten als die alten die „ O b r i g k e i t " repräsentierten, als kirchliche und theologische G r u p p e n ihre ererbten Privilegien verloren, entwickelte das Luthertum, vertreten durch die jungnationale lutherische Theologie, eine Lehre v o m „bedingten Gehorsam". Diese Theologie stand von vornherein im Dienste eines spezifischen Gruppeninteresses. In ihr agierte ein ideologisches Denken, das Machterhalt und Herrschaftssicherung für diese G r u p p e n erstrebte. Ihren sozialen Abstieg und die damit verbundene Kränkung suchten sie dadurch zu kompensieren, daß sie mit dem „ F ü h r e r " reaktionäre politische Strukturen wählten. U n d so war der Nationalsozialismus auch kein „Aufbruch", wie ihn innerkirchliches und außerkirchliches Kleinbürgertum „erlebte" und wie auch Hirsch ihn in theologischen Formeln enthusiastisch feierte. Er war in Wahrheit der spukhafte Ausgang der wilhelminischen Zeit.
4. Methodologische Überlegungen zur Auseinandersetzung mit der universitären Theologie in der Zeit des Nationalsozialismus Ich habe meine Untersuchung, wie ich rückblickend feststellen möchte, an einem ausgewählten Problem der NS-Zeit, dem theologischen Denken von Emanuel Hirsch, durchgeführt. Es ging mir darum, dieses Problem mit Hilfe des methodischen Zugangs, Denken aus Leben zu begreifen, transparent zu machen. Meine Untersuchung führte die theologischwissenschaftliche Begriffsschicht auf ihren „ S i t z " in Hirschs versteinerter Subjektivität zurück und fügte diesen wissenschaftsanthropologischen Befund in den mentalitätsspezifischen R a h m e n , indem sie das Gesamtbild von Hirschs theologischem Denken als N S - T h e o l o g i e in kleinbürgerlicher Empfindungslage identifizierte. U b e r meine sozialpsychologische Untersuchung hinaus möchte ich nun, auf der Reflexionsebene, methodische Gesichtspunkte ansprechen, die teils auch bereits meine Untersuchung leiteten, teils erst jetzt in diesem Zusammenhang übergreifender entwickelt werden. Mentalitätsanalyse, wie ich sie auffasse, enthält zwei methodische Zugriffe, den sozialpsychologischen und den mentalitätshistorischen. In meiner Untersuchung wurde der sozialpsychologische Zugriff, konzentriert ausschließlich auf die N S - T h e o l o g i e Hirschs, durchgeführt. Mentalitätsanalyse als ganze verstehe ich als ein historiographisches Konzept, das geschichtliches Leben als gesellschaftliches Leben auffaßt und umgekehrt. Zwischen beiden besteht ein wechselseitiges Bedingungsverhältnis 9 0 .
90
Zur gesellschaftlich-geschichtlichen
Dialektik
P.L. B e r g e r / T L Luckmann, Konstruktion.
der Wirklichkeitskonstitution
vgl.
T h e o l o g i e im D i e n s t e des N a t i o n a l s o z i a l i s m u s
217
Mentalitätsanalyse mit ihrer sozialpsychologischen Fragestellung wird gesellschaftliche Strukturen erhellen, Mentalitätsanalyse mit ihrer mentalitätshistorischen Problemstellung dem geschichtlichen Prozeß dieser Strukturen nachgehen. Und erst die Synthese der über diese methodischen Zugriffe gewonnenen Teilergebnisse macht das Forschungsresultat konkret. Die sozialpsychologische Fragestellung erhellt Aspekte gesellschaftlichen Lebens, indem sie den handelnden Menschen thematisiert. Menschen bringen sich in ihrem Handeln hervor, und insofern ihr Handeln sich objektiviert, produziert es zugleich gesellschaftliche Wirklichkeit. In ihrem Handeln treffen Menschen ihrerseits auf solchermaßen durch fremdes Handeln entstandene, in gesellschaftliche Dimensionen geordnete Wirklichkeit. Zu diesen Dimensionen, die forschungslogisch zugleich die Kategorien sind, mit deren Hilfe wir uns aus dem Blickpunkt der Gegenwart mit vergangenem Leben vermitteln, gehören im wesentlichen die sozialen Rollen, die Sprache, die Institutionen, die kulturellen Symbolsysteme und, quer durch dieses Netz, emotionale Dispositionsvorgaben, gleichsam der Resonanzboden für individuelle Mentalitätsprägung. Für den einzelnen Menschen bilden diese Dimensionen die strukturellen Vorgaben seiner Aneignung gesellschaftlicher Wirklichkeit. Und sie geben zugleich den Rahmen seiner Objektivierungen, in denen er gesellschaftliche Wirklichkeit produziert, welche ihrerseits sich von seiner Person ablöst, strukturell sedimentiert und zu Verfügungsmaterial für andere Menschen wird. Angeeignete gesellschaftliche Wirklichkeit ist daher immer schon von früheren Menschen in solchen oder ähnlichen Dimensionen, aber zu anderen Bedingungen hervorgebrachte geschichtliche Wirklichkeit. Indem ein Individuum sich ihm überkommene Strukturen aneignet, gibt es ihnen seinen Sinn. Die Sinnsetzung ist seine persönliche Tat, seine „Handschrift", die an seinen Werken und an seinen Entscheidungen ablesbar ist und die ihn identifizierbar macht. Es ist seine Mentalität, die im Rahmen der gesellschaftlichen Strukturvorgaben seinem intellektuellen Begreifen und emotionalen Wahrnehmen, seinem Werten und Handeln diesen bestimmten „Ton" gibt. Mentalität ist an gesellschaftliche Strukturen als den „gegenständlichen" Trägern und Haftpunkten ihrer spezifischen Außerungs- und Umgehensweise gebunden, wie auch umgekehrt diese Strukturen Mentalität entbinden, begünstigen und hervorbringen. Meine Ausführungen waren auf den Zusammenhang von Denken und Leben bei Hirsch konzentriert. Die methodologische Reflexion eröffnet nun noch weitere Felder sozialpsychologischer Bearbeitung dieses Themas. Wie z.B. Emanuel Hirsch im kulturell-religiösen Symbolsystem „Theologie" sich äußerte, vermag zu zeigen, wie er seine soziale Berufsrolle als Professor auffaßte. Er handelte im Rahmen einer gesellschaftlich organisierten Institution, die als Stütze der symbolischen Sinnwelt „Christen-
218
Jendns Alwast
t u m " funktionierte, die theologische Fakultät. In allen Facetten seines beruflichen Handelns produzierte er, gerade aufgrund seiner exponierten Stellung, gesellschaftliche Wirklichkeit. Indem er lehrte und prüfte, Akten und Briefe produzierte, indem er denunzierte, übte er Macht in der Gesellschaft aus. Er verfügte Sozialisationsprozesse, gab oder verweigerte Sozialchancen im Beruflichen. Unter den Sinnwelt-Bedingungen der theologisch-universitären Christentumsinterpretation produzierte Hirsch seine spezifische NS-Theologie, die er zahlreichen Zuhörern vortrug, die in Druckwerken verbreitet war und in weiten Kreisen — bis heute — meinungsbildend wirkte. Mit dieser Wirklichkeitssetzung ging Hirsch über die „Institutionen" Fakultät und Universität insgesamt hinaus. Wer das Definitionsmonopol hat, der hat auch die Macht, Wirklichkeit zu setzen. Hirschs NS-Theologie war sein Beitrag zur gesellschaftlichen Wirklichkeitssetzung, zur Systematisierung der Inhumanität, des Leides und Todes, die von der anderen Seite der „Staat" als die mächtigste gesellschaftliche „Institution" betrieb. Daß Hirsch im Rahmen dieser strukturellen Vorgaben in dieser Weise dachte und handelte, also mit ideologischer Sinnsetzung zugleich gesellschaftliche Wirklichkeit mithervorbrachte, das gründete in seiner kleinbürgerlichen Mentalität und ihrer unwillkürlichen Sinngewißheit 9 1 . Wie ich oben gesagt habe, ist die Mentalitätsanalyse ein historiographisches Konzept, das zwischen gesellschaftlichem und geschichtlichem Leben ein Bedingungsverhältnis statuiert. Die mentalitätshistorische Fragestellung erhellt nun Aspekte geschichtlichen Lebens, indem sie den Prozeß thematisiert. Das Handeln eines Menschen, das in gesellschaftlichen Dimensionen sich vollzieht und ausprägt, hinterläßt „Spuren", die Spätere als Geschichte auffassen. Ihr historisches Fragen wird von diesen in ihre Gegenwart hineinragenden „Spuren" provoziert, Kategorien zu entwickeln, in denen Dimensionen und Selbstbestimmungsräume im vergangenen gesellschaftlichen Leben plausibel aufgefaßt werden können. Die Veränderung, der Umbau, die Fortentwicklung der Strukturen und im Zusammenhang damit die spezifischen Empfindungs-Dispositionen, die in ihnen begründeten Sichtweisen, Hoffnungen und Befürchtungen der einzelnen Menschen und Gruppen, sind in den Blick zu nehmen. Aus solchen mentalitätsspezifischen Handlungsräumen geben Menschen in situativer Reaktionsbereitschaft ihre „Antworten" auf gesellschaftlichgeschichtliche Herausforderungen.
9 1 Eine psychogenetische Aufarbeitung der Kindheit von N S - T h e o l o g e n würde mit psychohistorischen Mitteln aus dem biographischen Prozeß die Bedingungen zeigen können, die zu NS-theologischer Sinnkonstitution führten. Wegweisend: LLOYD DE MAUSE, Kinder. Zur psychoanalytischen Erforschung der seelischen Spätfolgen des Nationalsozialismus vgl.
J . SCHARFENBERG,
Mythos.
219
T h e o l o g i e im Dienste des Nationalsozialismus
So ergibt sich als Aufgabe, das strukturelle Ergebnis, in dem das theologische Denken Hirschs als NS-Theologe identifiziert wurde, nun seinerseits mentalitätshistorisch zu bewähren. Wie kommt es, daß gerade so viele Theologen anfällig für die primitive NS-Theologie waren? Gibt es neben den sozialen und psychischen Wurzeln auch noch religiöse? Gibt es autoritäre Deutungsmuster in der Geschichte der Theologie? Eine wichtige Aufgabe wäre es in diesem Zusammenhang, Luthers Menschenbild und die sich auf ihn berufende Theologie des Luthertums sozialpsychologisch 92 zu durchleuchten, angeregt auch von dem mentalitätshistorischen Hinweis Max Webers: „Politisch betrachtet war und ist der Deutsche in der Tat der spezifische ,Untertan' im innerlichsten Sinn des Wortes und war daher das Luthertum die ihm adäquate Religiosität." 9 3 Zum anderen müßte die spezifisch universitäre Gelehrsamkeit, wie sie sich seit dem Humanismus ausgebildet hat, untersucht werden. Hierbei wäre Nietzsches psychologische Sektion des deutschen Gelehrten forschungsstrategisch ergiebig. Nietzsche beschrieb den deutschen Gelehrten seiner Zeit als einen „zarte(n) ausgeblas e n e ^ ) feine(n) bewegliche(n) Formen-Topf, der auf irgendeinen Inhalt und Gehalt erst warten muß, um sich nach ihm ,zu gestalten'" 9 4 . Der Gelehrte sei „für gewöhnlich . . . ein ,selbst/oser' Mensch . . . " 9 5 . Unter diesen Fragestellungen würde sich das von mir auf die Theologie von Hirsch angewendete sozialpsychologische Deutungsmuster auch mentalitätshistorisch bestätigen. Das NS-Profil seiner Theologie würde aus dieser breiteren, mentalitätsgeschichtlichen Fundamentierung mentalitätshistorisch verstehbar und mein Interpretationsergebnis an Plausibilität hinzugewinnen. Und vielleicht würde die universitäre NS-Theologie als folgerichtiger Ausdruck einer mit der theologischen Unterwerfungsbereitschaft verbundenen inhumanen Traditionslinie seit Luther erkennbar. Die mentalitätsanalytische Methode ist, wie aus ihrer vorangegangenen Beschreibung erhellt, auch eine genuine Methode historischer Theologie. Wie keine andere Methode vermag sie Lebenswirklichkeit verstehend aufzuschließen, zu identifizieren und den Verrat am Humanum aufzuzeigen. 5. Hirschrezeption — ein verdrängtes Kapitel Theologiegeschichte Historische Arbeit ist, mentalitätsanalytisch aufgefaßt, die Rekonstruktion von gewesenem Leben, initiiert aus dem Fragen gegenwärtigen Lebens, das sich damit in der Geschichte selbst begegnet. Die Weise, wie 92
Vgl.
E.
FROMM,
Sozialpsychologie,
S. 2 6 4 f f . ;
H.
MARCUSE,
Ideen,
S. 5 5 f f .
Zur
t h e o l o g i e g e s c h i c h t l i c h e n P r o b l e m a t i s i e r u n g : B. HAMM, S c h u l d . 93
M . WEBER: W i r t s c h a f t u n d G e s e l l s c h a f t . T ü b i n g e n 1 9 8 5 , S . 6 5 2 .
94
F. NIETZSCHE: J e n s e i t s v o n G u t u n d B ö s e ( S c h l e c h t a u s g a b e B d . 2), M ü n c h e n 1 9 5 5 , S. 6 6 9 .
95
EBD., ( H e r v o r h e b u n g v o m Verfasser). Z u N i e t z s c h e s W i s s e n s c h a f t s k r i t i k
J. ALWAST, L o g i k .
u.a.
vgl.
220
Jendris Alwast
ein Mensch die Geschichte befragt, was er zuläßt, was er ausblendet, wo er reduziert, glättet, verdreht, Rücksicht nimmt, gibt Aufschluß darüber, wer er selbst ist. Sein historisches Fragen ist immer auch sein Identifikat. In historischer Arbeit liegt daher die unvergleichliche Chance, die eigene Identität aufzuhellen. Die nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzende Restauration in Deutschland verdrängte das Thema NS-Theologie. Es scheint, daß wie die Generation der Söhne von ihren Vätern, so auch die Enkelgeneration sich noch nicht von ihren Großvätern befreit hat. Ihre Rezeptionsbemühungen stehen im wirkungsgeschichtlichen Zusammenhang mit der NS-Theologie. An ihren Arbeiten zeigt sich ein „Wegtauchen" 96 . Es handelt sich um reproduktive Arbeiten, die die Fakten benennen, ohne sie aber zu identifizieren. Zu dieser Kategorie gehören die Arbeiten von Robert P. Ericksen, „Theologen unter Hitler" (1986), W. Schweer, „Die theologische Ethik des Politischen bei Emanuel Hirsch" (1969) und Gunda Schneider-Flume, „Die politische Theologie Emanuel Hirschs 1928-1933" (1971). Symptomatisch für die Schwierigkeit, Hirschs Theologie in ihrem Was zu erfassen, ist die sonst in der Faktendarbietung verläßliche Arbeit von Wolfgang Tilgner, „Volksnomostheologie und Schöpfungsglaube" (1966). Tilgner identifizierte die NS-Theologie Hirschs als „nationalidealistisch"! Von monographischen Arbeiten mit apologetischer Zielsetzung ist die Untersuchung von Michael Weinrich 97 zu nennen. Weinrich wählte die Wirklichkeitsthematik als Problemkontext und behandelte in diesem Rahmen neben Grisebach, Buber und Gogarten auch Hirsch und Bonhoeffer. Deutlich ist hier das Bestreben dieser in Göttingen angeregten Dissertation, die Differenz zwischen Täter (Hirsch) und Opfer (Bonhoeffer) zu verwischen und Hirsch mit diesem verharmlosenden Kunstgriff in die wissenschaftliche Diskussion zu bringen. Diese Aufgabenstellung in bezug auf Hirsch ist wissenschaftlich unwahrhaftig. Hinzu kommt noch, daß Weinrich die Wirklichkeitsdemagogie von Hirsch nicht durchschaut. Auch die Artikel über Hirsch in den bekanntesten Handwörterbüchern „Die Religion in Geschichte und Gegenwart" (C. H. Ratschow) und „Theologische Realenzyklopädie" (H.-J. Birkner) gehören in die apologetische Kategorie. Für sie ist kennzeichnend, daß Fakten weggelassen werden und Inhumanes unbenannt bleibt. Insgesamt verflüchtigt die Abstraktionsebene dieser Artikel das konkrete historische Profil dieser NS-Theologie. Dadurch entsteht ein Bild von Hirschs Theologie, das mit der historischen
9 6 Eine A u s n a h m e bildet die Untersuchung des D ä n e n J . H . SCHJORRING, Gewissensethik. Sie ist auf dem Gebiet der Hirschforschung der bislang ergiebigste Beitrag. Sie verstellt sich aber m . E . den Z u g a n g zu einer identifizierenden D u r c h d r i n g u n g der T h e o l o g i e Hirschs durch ihre Fixierung auf das L u t h e r t u m . 97
Vgl. M . WEINRICH,
Wirklichkeit.
Theologie im Dienste des Nationalsozialismus
221
Wahrheit nichts zu tun hat. Ein für die mentalitätsanalytische Forschung besonders aufschlußreiches Beispiel ist das „Wegtauchen", das sich in dem Aufsatz „Emanuel Hirsch — zu Unrecht vergessen?" von Eilert Herms zeigt. Dieser Aufsatz hat zu seiner Grundlage einen Vortrag, den Herms auf einer Gedenkveranstaltung zum 100. Geburtstag von Hirsch gehalten hat. Herms kündigt zwei Untersuchungsschritte an. Er will „zeigen, daß Hirschs theologische Arbeit die deutschsprachige evangelische Theologie bis in die Gegenwart beeinflußt und daß es für den Protestantismus kein realistisches Verständnis seiner geschichtlichen Gegenwartslage gibt, ohne ein genaues Verständnis dieses theologischen Lebenswerkes, inklusive seiner Katastrophe im Engagement für den Nationalsozialismus" 9 8 . Diese inhaltliche Aufgabenstellung bleibt aber in den Ausführungen von Herms unberücksichtigt. Das Konzept, das Herms tatsächlich durchführt, bewegt ausschließlich formale Strukturüberlegungen und bleibt ohne vermittelnden Bezug zu der proklamierten inhaltsbezogenen Problemstellung. Wie ist dieses Ausweichen, dieses Reduzieren auf Beobachtungen zur formalen Struktur zu erklären? Und was bedeutet es, wenn Herms die faschistoide Gewissenslehre von Hirsch für „sozial" und „intersubjektiv" 99 hält? Wo steht schließlich Herms selbst, wenn er Hirschs imperialistisches kirchenpolitisches Programm zustimmend zitiert: „Wenn das Evangelium uns leuchtet, wenn wir dem christlichen Glauben und Lieben erschlossen sind in lauterer gegenwärtiger Menschlichkeit, werden wir uns noch darüber klarwerden, was wir mit den Kirchentümem anfangen, wie wir sie in Ordnung bringen ... Die U m f o r m u n g des Christentums zu einer unserem Denken und Leben gemäßen Gestalt wäre jedenfalls ein Weg, der, nach allen geschichtlichen Analogien geurteilt, leichtere Möglichkeiten böte, die Art, das Geschick und die Vollmacht der weißen Völker sicher und tief zu bewahren."10°
Die neueste Rezeptionsliteratur des deutschsprachigen Raums zeigt, daß in ihr keine wirkliche Auseinandersetzung mit Hirschs NS-Theologie erfolgt. Hierfür sind Beispiele die Habilitationsschrift von U. Barth und die von dem Hirschschüler H.-J. Birkner (1931-1991) angeregte Kieler Dissertation von A. von Scheliha 101 . Welche Mentalität zeigt sich in dieser Art der Rezeption? Welcher uneingestandenen Autorität unterwirft sich diese Literatur? Was darf nicht ausgesprochen werden? Und warum nicht?
E . HERMS, H i r s c h , S. 111. EBD., S. 120 et p a s s i m . 1 0 0 EBD., S. 121, A n m . 2 7 ( H e r v o r h e b u n g e n in den letzten beiden Zeilen v o m Verfasser). Vgl. d a z u auch W. SCHOTTROFF, T h e o l o g i e . 1 0 1 Vgl. U . BARTH, C h r i s t o l o g i e ; A . v. SCHELIHA, H i r s c h . 98
99
222
Jendris Alwast
Was verdrängt wird, muß wiederkehren 1 0 2 . Die NS-Theologie — und insbesondere die Hirschs — ist unvollendete Vergangenheit. U n d ihre Fratze der Inhumanität wird wiederkehren, solange historische Forschung ohne konkrete wissenschaftsethische Spannung bleibt, die sich mit gebrochenem Leben solidarisiert.
102
Vgl. L . SIEGELE-WENSCHKEWITZ, Vergangenheit.
HANNELORE
ERHART
Die Theologin im Kontext von Universität und Kirche zur Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus Ein Beitrag zur theologischen Diskussion 1 Im letzten Jahrzehnt des Kaiserreiches und in der Weimarer Republik war die Universität, obwohl eine männerdominierte Institution, schließlich diejenige, die — auch aufgrund der Forderungen der bürgerlichen Frauenbewegung — den Frauen eine zwar eingeschränkte, aber im Vergleich mit Männern relativ gleichberechtigte Möglichkeit des Studierens und dann auch des Studienabschlusses und weiterer akademischer Qualifikationen gewährte, ihnen jedoch die Universität als Berufsfeld vorenthielt. Zumeist ging die Öffnung des ordentlichen Studiums für Frauen dabei weniger von den Hochschullehrern aus als vielmehr von Seiten der Verwaltungen. Der Nationalsozialismus brachte erneut Einschränkungen für Studium und akademische Qualifikation von Frauen. Nachdem Theologinnen durch die günstigeren Bedingungen der Weimarer Republik sich für Arbeit, Dienst und Amt der Theologin eingesetzt hatten, verabschiedeten einzelne evangelische Landeskirchen in den letzten Jahren der Weimarer Republik Theologinnengesetze, die Prüfungen und
1 Die Erforschung und D o k u m e n t a t i o n der Geschichte der Theologin im Kontext von Universität und Kirche hat sich unser Göttinger Frauenforschungsprojekt zur Aufgabe gemacht und dabei Kontakt zu älteren Theologinnen aufgenommen. Mit dem Konvent evangelischer Theologinnen in der Bundesrepublik haben wir gemeinsam die Ausstellung zur Geschichte der Theologin erarbeitet: „ D a s Weib schweigt nicht mehr. W i e d a s A m t der Theologin Wirklichkeit wird". Mein Beitrag verdankt sich daher auch dieser gemeinsamen Arbeit und den vielfältigen Diskussionen. Vgl. zu dem Ubersichtsbeitrag, der oben wiedergegeben wird, den ausführlicher gehaltenen
B a n d „ D A R U M WAGT ES, S C H W E S T E R N ! " , h g . v o m F r a u e n f o r s c h u n g s p r o j e k t z u r G e s c h i c h t e d e r
Theologin, der im Winter 1 9 9 2 / 9 3 erscheinen wird. Aus Raumgründen kann die theologische Diskussion um die Theologin, wie sie im „Vikarinnenausschuß" der altpreußischen Bekennenden Kirche geführt wurde, hier nicht ausführlich dargestellt werden. Ich verweise dazu auf C . DRAPE-MÜLLER, Diskussion, und auf einen D o k u m e n t e n b a n d z u m „ V i k a r i n n e n a u s s c h u ß " , d e r v o n ILSE HÄRTER u n d m i r h e r a u s g e g e b e n
werden wird.
224
Hannelore Erhart
Anstellungen von Theologinnen im kirchlichen Dienst — wenn auch unter erheblichen Einschränkungen gegenüber den Theologen — möglich werden ließen. Als Folge des Dahlemer Notrechtes nahm die Bekennende Kirche (BK) Prüfungen und Einsegnungen auch von Theologinnen vor. Aber erst kriegsbedingt öffneten sich sowohl die BK als auch die Deutsche Evangelische Kirche (DEK) — in allerdings sehr unterschiedlicher Weise — der Verwendung von Theologinnen, vereinzelt bis hin zur Pfarramtsverwaltung.
1. Zur Geschichte der Theologinnen im Kontext der Universität Die Zulassung von Frauen zum ordentlichen Studium Die Möglichkeit eines ordentlichen Studiums der Theologie durch Frauen, wie das Frauenstudium überhaupt 2 , gehört erst diesem Jahrhundert an 3 : Durch geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und soziale Rollenzuweisung war innerhalb unseres Kulturkreises über Jahrhunderte hinweg dem Mann vornehmlich der Bereich der Öffentlichkeit vorbehalten, während der weibliche Lebens- und Arbeitsbereich, insbesondere der der bürgerlichen Frau, der Bereich der Familie und der Privatheit war. Durch die Industrialisierung hatte sich diese Arbeitsteilung im Bereich der bürgerlichen Familie und damit für das Bildungsbürgertum eher noch verstärkt 4 . Als gegen Ende des letzten Jahrhunderts Arthur Kirchhoff eine Umfrage unter Universitätsprofessoren, Frauenlehrern und Schriftstellern über die Befähigung der Frau zum wissenschaftlichen Studium und Beruf unternahm 5 , war bereits in mehreren europäischen Ländern das ordentliche Studium für Frauen freigegeben6. Für die Situation an den deutschen Hochschulen zeigte seine Studie noch immer erhebliche Vorbehalte
2 Inzwischen liegen mehrere Autobiographien von Studentinnen aus den ersten zwei Jahrzehnten vor; als Beispiel vgl. etwa G. JUNGINGER, Gräfin von Linden; P. CLEPHASMÖCKER/K. KRALLMANN. „Man muß sich halt durchsetzen können, und man muß Substanz haben"; A. SCHLÜTER, „Wenn zwei das gleiche tun", bes. S. 19f. 3 Der Zulassung von Frauen zum ordentlichen Studium war die Möglichkeit voraufgegangen, als Gasthörerin zugelassen zu werden (vgl. etwa E. SENGHAAS-KNOBLOCH, Theologin, S. 13; I. COSTAS, Beginn des Frauenstudiums, S. 187 ff.; vgl. auch D. GÖTZE, Kampf um die höhere Frauenbildung. — Zum ganzen vgl. auch K. VON SODEN, Geschichte des Frauenstudiums, und C. HUERKAMP, Frauen, Universitäten und Bildungsbürgertum. 4
Vgl. K . HAUSEN, Polarisierung.
Vgl. A. KIRCHHOFF, Die Akademische Frau. — Zur Kirchhoff-Studie vgl. A. SCHLÜTER, „Wenn zwei das gleiche tun", S. 1 7 - 1 9 ; ausführlicher jetzt DAGMAR HENZE in ihrer noch nicht abgeschlossenen Dissertation: Studien zum Verhältnis von Frauenemanzipation und christlicher Religion — am Beispiel von Leben und Wirken der Theologin Carola Barth. 6 Vgl. H. KRABUSCH, Vorgeschichte des Frauenstudiums, S. 137. 5
Die Theologin im Kontext von Universität und Kirche
225
von Hochschullehrern gegenüber einem Studium von Frauen 7 . Schließlich erreichte auch innerhalb des Deutschen Reiches die Frauenbildungsbewegung 8 durch Initiativen und Petitionen an den Reichstag, daß Frauen zur Immatrikulation zugelassen wurden 9 : Nachdem Baden als erster deutscher Bundesstaat am 28. Februar 1900 den Frauen an seinen Universitäten die volle Immatrikulation unter den gleichen Bedingungen wie den Männern gewährt hatte 10 , waren Bayern (1903/04) 1 1 , Württemberg (1904) 1 2 , Sachsen (1906) 1 3 und Sachsen-Weimar (1907) 1 4 gefolgt. Preußen hatte als einer der letzten Bundesstaaten 15 des Deutschen Reiches und der westeuropäischen Staaten 16
7 H . RIES, Geschichte, S. 107ff. charakterisierte die Voten der H o c h s c h u l l e h r e r nach ihrer Zugehörigkeit zu Fakultäten: M i t biologischen Kriterien gegen ein S t u d i u m von Frauen a r g u m e n t i e r t e n vor allem N a t u r w i s s e n s c h a f t l e r u n d M e d i z i n e r , letztere auch mit dem K r i t e r i u m der w i r t s c h a f t l i c h e n K o n k u r r e n z . D i e j e n i g e n H o c h s c h u l l e h r e r , die v o m Wesen der Frau her a r g u m e n t i e r t e n , sahen durch die a k t i v e T e i l n a h m e von Frauen an der Arbeit in der sachlichen Welt die spezifische B e s t i m m u n g der Frau gefährdet (vgl. EBD., S. 116). Vgl. auch J. H E R R M A N N , Die deutsche Frau, S. 19. 8 Vgl. D. F R A N D S E N , V o r b e m e r k u n g . 9 Vgl. etwa E. B O E D E K E R , M a r k s t e i n e ; B . G R E V E N - A S C H O F F , F r a u e n b e w e g u n g ; E. B E C K M A N N , E n t w i c k l u n g , S. 85ff.; J. H E R R M A N N , Die deutsche Frau, S.21 ff.; A . K U H N , Frauenbildungspolitik. 1 0 Vgl. E. B E C K M A N N , E n t w i c k l u n g , S . 9 2 ; E. B O E D E K E R , Marksteine, S.5; E . T . N A U C K , F r a u e n s t u d i u m , S. 54. H . K R A B U S C H , Vorgeschichte, S. 137 f. verweist darauf, daß die Bereitschaft, Frauen zum S t u d i u m zuzulassen, nicht p r i m ä r von den H o c h s c h u l l e h r e r n ausging. — Im M a i 1899 beantragte jedoch Ernst Troeltsch als D e k a n der T h e o l o g i s c h e n Fakultät die Zulassung von H ö r e r i n n e n zu t h e o l o g i s c h e n Vorlesungen (EBD., S. 138). 11 Vgl. L . B O E H M , Anfänge, S . 3 1 3 . 12 Vgl. E . R U P P , B e g i n n des F r a u e n s t u d i u m s ; E . G L A S E R / U . H E R R M A N N , K o n k u r r e n z . 13 In Leipzig unterstützte der A l l g e m e i n e Deutsche Frauenverein seit 1889 Versuche einzelner Frauen, Zugang zur U n i v e r s i t ä t s a u s b i l d u n g zu erlangen. Das M i n i s t e r i u m hatte bereits a m 1 6 . 6 . 1 9 0 0 die Zulassung von Frauen z u m a k a d e m i s c h e n S t u d i u m in Leipzig beschlossen, „jedoch bedurfte es der ministeriellen G e n e h m i g u n g zur Erteilung von Hörerscheinen", während die Zulassung z u m Vollstudium erst 1906 erfolgte. Z u m ganzen vgl. R . D R U C K E R , Vorgeschichte, S.285. — Erst im SS 1911 w u r d e n die ersten beiden T h e o l o g i n nen v o l l i m m a t r i k u l i e r t (EBD., S. 290). 14 Vgl. E. B E C K M A N N , E n t w i c k l u n g , S . 9 8 ; J . H E R R M A N N , Die deutsche Frau, S . 3 1 . 15 Ebenfalls z u m W S 1908/1909 ließ auch Hessen Frauen z u r I m m a t r i k u l a t i o n zu. Zeitlich nach P r e u ß e n gewährten Elsaß-Lothringen und M e c k l e n b u r g (1909) den Frauen die volle I m m a t r i k u l a t i o n (vgl. E. B O E D E K E R , M a r k s t e i n e , S.5). 16 F r a n k r e i c h e r m ö g l i c h t e bereits 1863 Frauen den Zugang z u m Hochschulstudium (mit A u s n a h m e der T h e o l o g i s c h e n Fakultät), es folgten Schweden 1870, die Schweiz 1873, D ä n e m a r k 1875, die N i e d e r l a n d e 1878, N o r w e g e n 1882 und Belgien 1883 (vgl. C . T O L L M I E N , „Sind w i r doch der M e i n u n g . . . " , S . 156; S C H W E I Z E R I S C H E R V E R B A N D DER A K A D E M I K E RINNEN, F r a u e n s t u d i u m , S . 2 0 f . ) . O l g a T u g e m a n n i m m a t r i k u l i e r t e sich daraufhin 1908 als erste Frau an der Zürcher T h e o l o g i s c h e n Fakultät und s c h l o ß auch als erste Frau dort mit dem propädeutischen E x a m e n ab (vgl. V E R E I N F E M I N I S T I S C H E W I S S E N S C H A F T S C H W E I Z , Ebenso neu als k ü h n . Die Schweiz errichtete auch als erstes westeuropäisches Land die erste weibliche D o z e n t u r für Geschichte, z u d e m lehrten in der Zeit bis z u m ersten Weltkrieg drei Privatdozentinnen, je eine in Zürich, Genf und Bern (vgl. C . LORENZ, E n t w i c k l u n g , S. 7).
226
Hannelore Erhart
am 18. August 1908 1 7 die Immatrikulation an preußischen Universitäten für deutsche Frauen freigegeben 18 . Einsprüchen von Hochschullehrern begegnete dieser Erlaß durch die Aufnahme einer Klausel, die es jedem Professor erlaubte, mit ministerieller Genehmigung Studentinnen von Lehrveranstaltungen auszuschließen. Die gesetzliche Regelung sah zudem vor, daß mit der Möglichkeit der Immatrikulation nicht zugleich der Zugang zu einem regulären Studienabschluß oder zur Promotion bzw. Habilitation eröffnet werden sollte 1 9 . Bedingt durch die Aussichtslosigkeit, eine Anstellung im kirchlichen Dienst zu finden, da noch keine Kirchengesetze über eine Anstellung von Theologinnen vorlagen, blieb der prozentuale Anteil der Theologiestudentinnen an der Zahl der Studentinnen insgesamt in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg gering: vom Wintersemester 1 9 0 8 / 1 9 0 9 bis zum Wintersemester 1 9 1 3 / 1 9 1 4 stieg sie lediglich von 0 , 2 6 % auf 0 , 3 8 % 2 0 , während der Anteil der Studentinnen an der gesamten Studentenschaft im Sommersemester 1914 6 , 3 1 % betrug 2 1 . Die Weimarer Republik brachte eine allmähliche Zunahme der Zahlen studierender Frauen, insbesondere nachdem sich die wirtschaftlichen Verhältnisse vorübergehend stabilisiert hatten. So stieg der Anteil der Frauen an den Studierenden bis zum Wintersemester 1 9 3 2 / 3 3 auf 1 8 , 8 % 2 2 . Zum Theologiestudium von Frauen in der Schweiz vgl. auch den Bericht von R . GUTKNECHT, T h e o l o g i e - S t u d i u m . 17
Vgl. d e n E r l a ß v o m
1 8 . 8 . 1 9 0 8 ( S t A M A R B U R G , N r . 8 1 5 ; ZENTRALBLATT FÜR DIE GESAMTE
UNTERRICHTSVERWALTUNG IN PREUSSEN 1 9 0 8 , S . 6 9 1 f . ; J . H E R R M A N N , D i e d e u t s c h e F r a u ,
S.76;
E . BECKMANN, E n t w i c k l u n g , S. 9 7 ; H . TITZE, D a t e n h a n d b u c h , B d . I / 1 , S . 7 8 f . , 104F.). — Vgl.
auch B. DUDEN/H. EBERT, Anfänge. — Zum ganzen vgl. jetzt D. HENZE, Geschichte (vgl. oben Anm. 5). 1 8 Daraufhin brachte die Zeitschrift „Die Frauenbewegung", hg. von Minna Cauer, regelmäßig Zahlen über die an deutschen Universitäten studierenden Frauen. Vgl. auch LIEBSTER, Studium, S. 4. Vgl. auch S. BIAS-ENGELS, „Rosenknospen ersticken im Wüstensande". Zur Bildungsgeschichte von Frauen in Göttingen vgl. jetzt D. HENZE/H. KÖHLER, Gleichberechtigung ? 1 9 So auch: Theologische Fakultät Marburg am 1 7 . 2 . 1 9 0 9 auf eine Anfrage aus Greifswald wegen der Promotion von Frauen (StA MARBURG, Nr. 815). Für die Göttinger Universität zeigt C . TOLLMIEN, „Sind wir doch der M e i n u n g . . .", S. 163ff. diesen Prozeß am Beispiel von E m m y Noether ausführlich auf. 2 0 Vgl. J . HERRMANN, Die deutsche Frau, S. 39. Im SS 1914 wurde die höchste Zahl von Theologiestudentinnen vor dem ersten Weltkrieg erreicht: an deutschen Fakultäten studierten 16 Frauen Theologie, gleichzeitig sank bis zum Ende des ersten Weltkrieges die Zahl der Gasthörerinnen (vgl. EBD., S. 40F.; I. COSTAS, Beginn, S. 189). 2 1 Vgl. K. VON SODEN, Geschichte, S. 18. Zum Frauenstudium in der Weimarer Republik, insbesondere auch zu Vorbehalten gegenüber einem Studium von Frauen, vgl. M. H . KATER, Krisis; M. GRÜTTNER, „Sorgenkind", S. 202 und 2 0 4 f . 2 2 Vgl. I. SCHMIDT-HARZBACH, Frauen, S. 196. I. WEYRATHER (Numerus Clausus, S. 131162; 3 4 6 - 3 4 9 ) gibt 1 6 , 7 % an. Auf dem Hintergrund des Materials von H. TITZE, Datenhandbuch, Bd. 1/1 hat D. HENZE die Zahlen neu berechnet (vgl. oben Anm. 5). Sie kommt dabei auf Abweichungen gegenüber den bisher bekannten Zahlen.
D i e T h e o l o g i n im Kontext von Universität und Kirche
227
D e r Nationalsozialismus reagierte sehr schnell gegen ein stärkeres Anwachsen des Studiums von Frauen: Das nationalsozialistische Gesetz gegen die Uberfüllung deutscher Schulen und Hochschulen vom 25. August 1933 2 3 , das die Zahl „nicht arischer" Schülerinnen und Studentinnen bei Neuaufnahmen begrenzte, bildete auch die Grundlage 2 4 einer Begrenzung der Zahl von Studentinnen: Aufgrund dieses Gesetzes legte Reichsinnenminister Wilhelm Frick am 28. Dezember 1933 den Anteil von Frauen auf 1 0 % aller Neuimmatrikulierten fest 2 5 . Von Seiten der Reichskirchenregierung bestand daher das Bestreben, bei einer „allgem e i n e ^ ) Reform des theologischen Studiums . . . für alle deutschen Landeskirchen bindende Richtlinien für das Frauenstudium (zu) erlassen", so daß „für die Zukunft die Aussichten für jenes Studium nicht günstig s i n d " 2 6 . Als Folgewirkung verhängte dann auch die Evangelische Landeskirche in Württemberg eine Zugangssperre für das Gebiet ihrer Landeskirche, die Landeskirchen von Bayern und Hamburg nahmen ihre Theologinnengesetze, die sie in den letzten Jahren der Weimarer Republik erlassen hatten, zurück 2 7 . Kriegsbedingt stieg zwar der relative Anteil der Theologiestudentinnen an der Zahl der Theologiestudierenden insgesamt wieder an, die absolute Zahl ging allerdings zunächst stark zurück, um erst in der letzten Phase des Krieges wieder zuzunehmen 2 8 . Die Zulassung von Theologinnen zum Studienabschluß Nach dem ersten Weltkrieg und nach Verabschiedung der Weimarer Reichsverfassung erreichten vereinzelt Theologinnen an einzelnen theologischen Fakultäten die Zulassung zum ersten Theologischen Examen als Fakultätsexamen, anscheinend ohne große fakultätspolitische Auseinan-
23
Vgl. R G B l 1933 I, S . 2 2 5 .
24
In § 6 war definiert w o r d e n : D i e A u s f ü h r u n g s b e s t i m m u n g e n e r l ä ß t der R e i c h s m i n i -
ster des I n n e r n . 25
Vgl. J . R .
26
S c h r e i b e n des Ev. O b e r k i r c h e n r a t e s B e r l i n auf e i n e A n f r a g e des A k a d e m i s c h e n Aus-
PAUWELS, W o m a n ,
S.21.
k u n f t s a m t e s , B e r u f s k u n d l i c h e A b t e i l u n g , v o m 1 . 1 1 . 1 9 3 3 ( E Z A BERLIN, 7 / 1 5 7 0 , BL. 107). 27
Z u r Ev. L a n d e s k i r c h e in W ü r t t e m b e r g vgl. das S c h r e i b e n an den Ev. O b e r k i r c h e n r a t
v o m 1 8 . 9 . 1 9 3 3 (EBD., B l . 1 0 4 f . ) , zu d e n L a n d e s k i r c h e n v o n B a y e r n u n d H a m b u r g :
MITTEI-
LUNGEN DES VERBANDES EVANGELISCHER T H E O L O G I N N E N D E U T S C H L A N D S , 5 . J g . 1 9 3 5 , 3 . V i e r -
teljahr, S. 13; 6. J g . 1 9 3 6 , 1. V i e r t e l j a h r , S. 14. — G . NÜTZEL zeigt auf, d a ß bereits 1923 die erste b a y e r i s c h e T h e o l o g i n bei der b a y e r i s c h e n L a n d e s k i r c h e die T h e o l o g i s c h e A u f n a h m e p r ü f u n g abgelegt hatte ( „ K a n n sie auch H e b r ä i s c h l e s e n . . ."). 28
I m SS 1 9 3 9 studierten an d e u t s c h e n T h e o l o g i s c h e n F a k u l t ä t e n 41 T h e o l o g i e s t u d e n -
tinnen Frauen;
und im
1330 Theologiestudenten, SS
1941
d.h. 2 , 9 9 %
aller T h e o l o g i e s t u d i e r e n d e n
wurden 26 Theologiestudentinnen
und
150
waren
Theologiestudenten
gezählt, das waren 1 4 , 7 7 % F r a u e n ; i m W S 1 9 4 3 / 4 4 studierten 51 F r a u e n u n d 126 M ä n n e r T h e o l o g i e , das waren 4 0 , 4 7 % F r a u e n u n t e r den T h e o l o g i e s t u d i e r e n d e n (vgl. C . LORENZ, E n t w i c k l u n g , S. 1 2 f f . ; dazu auch G . STUCHLIK, F u n k t i o n ä r e , S . 7 0 - 7 2 .
228
Hannelore Erhart
dersetzungen. So ließ die Theologische Fakultät der Philipps-Universität in Marburg 1919 die Theologin Eva Oehlke aus Breslau — wahrscheinlich als erste Frau in der Geschichte der deutschen Theologischen Fakultäten — zum Fakultätsexamen z u 2 9 , und Ilse Kersten konnte 1920 unter dem Dekanat von Adolf von Harnack an der Berliner Fakultät das Fakultätsexamen ablegen, nachdem zehn Berliner Theologinnen an die Fakultät einen Antrag auf Zulassung zum ersten theologischen Examen gestellt hatten 3 0 . Da jedoch die Fakultätsexamen von den evangelischen Kirchen nicht als Berufseingangsexamen anerkannt wurden 3 1 , konnten Theologinnen durch dieses Examen keine den Theologen vergleichbare Anstellung erreichen 3 2 . 2 9 Vgl. S t A MARBURG, N r . 307a T h e o l . F a k . Acc 1 9 5 0 / 1 N v A 36, Bl. 280, 289 u n d EBD., N r . 307a A c c 1 9 5 0 / 1 105. D a s S t u d i u m an der T h e o l o g i s c h e n Fakultät der PhilippsUniversität w u r d e v o n mehreren S t u d e n t i n n e n geschätzt. A u s verschiedenen P r ü f u n g s p r o tokollen z u m ersten t h e o l o g i s c h e n E x a m e n v o n T h e o l o g i n n e n geht z u d e m hervor, daß die T h e o l o g i n n e n i m Fach der Praktischen T h e o l o g i e mit den zu prüfenden T h e o l o g e n gleichbehandelt w u r d e n , also eine Predigt samt e i n e m G o t t e s d i e n s t e n t w u r f , aber nicht stattdessen eine B i b e l s t u n d e vorlegen m u ß t e n , so etwa in den A k t e n v o n Eva O e h l k e u n d Katharina Staritz ( S t A MARBURG, N r . 307a Acc 1 9 5 0 / 1 105 u n d 124). 3 0 Vgl. A H U BERLIN, T h e o l . F a k u l t ä t , N r . 194 (für diesen H i n w e i s d a n k e ich H a r t m u t L u d w i g ) ; vgl. auch den Brief H a r n a c k s an den Ev. O b e r k i r c h e n r a t v o m 3 1 . 3 . 1 9 2 0 ( A b s c h r i f t E Z A BERLIN, 7 / 1 5 6 9 , B1.20). - Wahrscheinlich ist an der Berliner T h e o l o g i schen Fakultät das F a k u l t ä t s e x a m e n erst im H i n b l i c k auf einen S t u d i e n a b s c h l u ß f ü r Frauen eingerichtet worden. — A u f A n t r a g der T h e o l o g i s c h e n Fakultät der Universität in Z ü r i c h war d o r t ein E x a m e n für diejenigen eingerichtet worden, die zu den staatlich-kirchlichen t h e o l o g i s c h e n P r ü f u n g e n nicht zugelassen w u r d e n , also insbesondere f ü r F r a u e n (vgl.
F . BARTHEL, S t e l l u n g , S . 2 9 . V g l . a u c h d i e N o t i z i n D I E C H R I S T L I C H E WELT 3 4 , 1 9 2 0 , S p . 3 0 1
und den Bericht v o n I. KERSTEN, G e d a n k e n . D a z u auch S. KUNERT, Kirchlicher Frauendienst). S o p h i e K u n e r t gehörte zu den zehn Berliner T h e o l o g i n n e n , die das G e s u c h an die T h e o l o g i s c h e Fakultät eingereicht hatten. Sie hat anschließend selbst an der Berliner T h e o logischen Fakultät ihr E x a m e n abgelegt. In Ihrem Beitrag wies sie auf folgenden Tatbestand hin: „ D a s F a k u l t ä t s e x a m e n berechtigt zu keinen A n s p r ü c h e n auf A n s t e l l u n g u n d dient n u r d a z u , den geprüften Frauen ihre Q u a l i f i k a t i o n zu b e z e u g e n " (Sp. 252). Zu S o p h i e K u n e r t vgl. auch K . SÖDERBLOM, O r d i n a t i o n s g e s u c h . — Zu den A b s c h l u ß p r ü f u n g e n v o n F r a u e n vor der T h e o l o g i s c h e n Fakultät in G ö t t i n g e n vgl. D. H E N Z E / H . KÖHLER, G l e i c h b e r e c h t i g u n g , S. 195. 3 1 S o hatten die T h e o l o g i n n e n im Verband (vgl. d a z u unten S. 235 f.) n o c h auf ihrer zweiten T a g u n g die Kirchen gebeten, das F a k u l t ä t s e x a m e n v o n T h e o l o g i n n e n anzuerkennen (vgl. „ B e r i c h t über die 2. T a g u n g des Verbandes ev. T h e o l o g i n n e n D e u t s c h l a n d s zu
M a r b u r g v o m 4 . - 7 . A u g u s t 1 9 2 6 " , S . 7 : A R C H I V DES K O N V E N T S EVANGELISCHER THEOLOGIN-
NEN IN DER BUNDESREPUBLIK, A b g a b e F r i e d a Schindelin, M a p p e 1). 32
D I E VOLKSKIRCHE, 3 . J g . N r . 2 v o m
1 5 . 1 . 1 9 2 1 g i b t f o l g e n d e n K o m m e n t a r : „ E s ist z u
begrüßen, daß n u n m e h r durch E n t s c h e i d u n g des sächsischen U n t e r r i c h t s m i n i s t e r i u m s im Einverständnis mit d e m L a n d e s k o n s i s t o r i u m auch in L e i p z i g den S t u d e n t i n n e n der T h e o l o gie die Möglichkeit gegeben ist, das erste t h e o l o g i s c h e E x a m e n abzulegen, wenn sie bezüglich ihres Bildungs- u n d Studienganges u n d ihrer F ü h r u n g den für die K a n d i d a t e n p r ü f u n g aufgestellten B e d i n g u n g e n entsprechen. D u r c h dieses E x a m e n erlangen die F r a u e n freilich nicht die eigentliche K a n d i d a t u r und damit das Recht der Z u l a s s u n g z u r Wahlfähigkeits-
Die Theologin im Kontext von Universität und Kirche
229
D a die meisten Theologiestudentinnen — wie die Vikarinnen auch — sich der B K zuordneten und ihre Prüfungen vor dem Prüfungsamt der B K ablegten, ging die Zahl der Studentinnen, die nach 1934/ 35 an deutschen Fakultäten ihr erstes theologisches Examen bestanden, erheblich zurück: Während 1933 noch 45 Theologiestudentinnen ein Fakultätsexamen ablegten, wurde 1940 nur noch eine Theologin von einer Theologischen Fakultät des Deutschen Reiches geprüft 3 3 . Die Zulassung von Theologinnen zu Promotion und Habilitation „1911 faßte die evangelisch-theologische Fakultät der Universität Berlin den Beschluß, daß die Statuten über die Lizentiatenpromotion, die der Doktorpromotion an anderen Universitäten entspricht, auch auf Frauen angewandt werden sollten" 3 4 . Trotzdem erwarben in der Zeit des Kaiserreiches an preußischen theologischen Fakultäten anscheinend keine Theologinnen rite, d.h. aufgrund wissenschaftlicher Arbeiten, den Licentiaten 3 5 , außerhalb Preußens waren jedoch bereits während dieser Jahre vereinzelt Theologinnen den Weg einer Promotion gegangen, um einen Studienabschluß auch dort zu erreichen 3 6 , wo noch kein Fakultätsexamen für Frauen möglich war. In den Jahren der Weimarer Republik hatte die Zahl der Theologiestudentinnen zugenommen, die Zunahme wurde noch einmal deutlicher, nachdem am Ende der 20er Jahre Kirchengesetze vorlagen, die Theologinnen kirchliche Abschlüsse erlaubten und Berufswege eröffneten. Beide Gründe mögen mit dazu beigetragen haben, daß Elisabeth Boedeker, die den Qualifikationen von Frauen im akademischen Kontext nachgegangen war, zwischen den Jahren 1918 und 1933 neunzehn Promotionen von Theologinnen aufweisen konnte 3 7 . In den Jahren 1934 prüfung, auch nicht die Predigterlaubnis, wie sie denn auch bei der P r ü f u n g wohl eine Katechese, aber keine Predigt zu halten h a b e n . . ." 33
V g l . C . LORENZ, Z e h n j a h r e s - S a t i s t i k , B d . 2 , S. 1 0 2 f .
Vgl. J. HERRMANN, D i e deutsche Frau, S. 35. 3 5 Vgl. E. BOEDEKER, 25 Jahre Frauenstudium, die keine P r o m o t i o n einer T h e o l o g i n an preußischen Universitäten vor Ende des ersten Weltkrieges aufweist. 3 6 Vgl. EBD., S. 3 ff.; als erste Theologinnen promovierten Carola Barth 1907/1909 in Jena, O l g a Tugemann 1915 in Leipzig und Maria Heinsius geb. Stoeber 1918 in Heidelberg. Im H i n b l i c k auf die Schwierigkeiten, vor denen Frauen standen, wenn sie zur P r o m o t i o n zugelassen werden wollten, aber auch im H i n b l i c k auf beteiligte Fakultäten und Hochschullehrer ist das Vorgehen von Carola Barth interessant, vgl. dazu H . ERHART, Theologin. 3 7 Vgl. E. BOEDEKER, 25 Jahre Frauenstudium, S. 3 ff., und zwar in Königsberg: 1921 Eva Gillischewski geb. Bartschat, 1925 Else H a b e r i n g , 1927 Ruth Fuehrer; in Halle: 1921 Hedwig T h o m a s ; in Heidelberg: 1924 Margarete Gillet, 1925 A n n e m a r i e Brieger und G e r t r u d Jäckle, 1927/28 Ursula von Mangoldt-Reiboldt, 1929 G e r t r u d Sattler geb. Janzer; in Kiel: 1924 A n n a Paulsen; in Berlin: 1925 A n n a Stange, 1926/27 Selma Hirsch, 1928 Helene O b e r b e c k , 1931/32 Grete Möller, 1933 G e r t r u d Frischmuth, 1930/33 Marie Horstmeier, 1932/33 Elisabeth Zinn; in Greifswald: 1926 Meta Eyl; in Marburg: 1928/31 Katharina Sta34
230
Hannelore Erhart
bis 1 9 4 5 ging die Z a h l der P r o m o t i o n e n v o n T h e o l o g i n n e n bei z u n ä c h s t n o c h relativ h o h e n Z a h l e n v o n T h e o l o g i e s t u d e n t i n n e n leicht z u r ü c k 3 8 . A n d e u t s c h e n t h e o l o g i s c h e n F a k u l t ä t e n p r o m o v i e r t e n in dieser Zeit 12 Theologinnen39. N e b e n der M ö g l i c h k e i t , rite d e n L i c e n t i a t e n z u e r w e r b e n , k o n n t e ehrenh a l b e r d e r D o k t o r t i t e l verliehen w e r d e n . In d e n J a h r e n bis z u m ersten W e l t k r i e g ging diese A u s z e i c h n u n g an die beiden Schwestern D r . jur. M a r g a r e t h a D u n l o p G i b s o n geb. S m i t h u n d D r . phil. h.c. A g n e s L e w i s geb. S m i t h , die 1 9 0 3 v o n der U n i v e r s i t ä t H e i d e l b e r g e h r e n h a l b e r p r o m o v i e r t w u r d e n 4 0 . F ü r die Z e i t d e r W e i m a r e r R e p u b l i k v e r z e i c h n e t e
Elisabeth
B o e d e k e r a c h t t h e o l o g i s c h e E h r e n p r o m o t i o n e n v o n F r a u e n 4 1 . Bei den Ehrenpromotionen
fällt als B e g r ü n d u n g der V e r l e i h u n g m e h r f a c h
das
B e t o n e n des s o z i a l d i a k o n i s c h e n E i n s a t z e s v o n F r a u e n auf, k a u m a b e r der Verweis auf ihre w i s s e n s c h a f t l i c h e
Leistung42,
w i e dies n o c h
bei
den
E h r e n p r o m o t i o n e n der beiden Schwestern S m i t h der Fall gewesen war.
ritz; in Jena: 1932 Hanna Jursch. Zur Promotion von Johanna Liesen in Göttingen vgl. D . H E N Z E / H . KÖHLER, G l e i c h b e r e c h t i g u n g , S. 1 9 3 f.
3 8 Wenn dabei mitbedacht wird, daß jetzt durch die Kirchengesetzgebung die Möglichkeit zum Studienabschluß durch ein erstes Theologisches Examen gewährleistet war, fällt zudem dieser leichte Rückgang kaum ins Gewicht. 3 9 Christa Müller 1934 in Greifswald, vgl. U 34.3809 Ruth Eisner v. Gronow 1935 in Marburg, vgl. U 35.5242 - Ulrike Türck 1935 in Göttingen, vgl. U 35.1183 - Lilly Zarncke 1934 in Jena, vgl. U 35.4662 - Eva Aleith 1937 in Berlin, vgl. U 38.63 - Doris Faulhaber 1938 in Heidelberg, vgl. U 38.4588 — Hanna Dorr 1938 in Tübingen, vgl. U 38.8735 - Elisabeth Haseloff 1943 in Kiel, vgl. U 43.3028 - Helga Rusche 1943 in Heidelberg, vgl. U 43.3028 — Helene Stoevesandt 1944 in Göttingen, vgl. U 44.3065 — Renate Ludwig 1944 in Tübingen, vgl. U 44.8165 - Barbara Schlunk 1945 in Halle, vgl. U 44.3789. — Zu Promotionen von Theologinnen in Göttingen vgl. D. HENZE/H. KÖHLER, Gleichberechtigung, S. 203 ff. 4 0 „In Anerkennung der von den beiden Schwestern aus dem Sinaikloster und aus Ägypten beigebrachten kostbaren christlichen und jüdischen Schriften, ,die sie mit herausgaben, ins Englische übersetzten und dadurch außerordentlich viel zur Erklärung der heiligen Bücher und zur Geschichtsschreibung der altorientalischen Kirche beitrugen', und nicht minder durch freigebige Unterstützung zur Begründung einer theologischen Lehranstalt die theologischen Studien förderten" (E. BOEDEKER, 25 Jahre Frauenstudium, S. LXXXIII). 4 1 Vgl. EBD., S. L X X X I f f . , und zwar Berta Gräfin von der Schulenburg 1923 in Berlin, Elsa Ulich geb. Brandstroem 1924 in Königsberg, Hedwig Jahnow 1926 in Gießen, Magdalene von Tiling 1926 in Rostock, Anna Lindner 1927 in Bonn, Friederike Claussen geb. Litzmann 1929 in Breslau, Paula Müller-Otfried 1930 in Göttingen. — Hinzu kommt mindestens eine Ehrenpromotion, die bei E. Boedeker nicht verzeichnet ist: 1927 verlieh die Königsberger Universität den Doktor ehrenhalber an Carola Barth (vgl. DIE CHRISTLICHE
WELT 4 1 , 1 9 2 7 , Sp. 6 3 8 ) . 4 2 So etwa das Eintreten in der Fürsorge für Kriegsgefangene, für ein Diakonissenhaus, für christliche Liebesarbeit, für eine Frauenschule. Selbst bei Hedwig Jahnow wird die Verleihung anläßlich der 400-Jahrfeier der Marburger Universität begründet mit ihrer weiblichen Fähigkeit zur Einfühlung in biblische Dichtungsart, nicht aber mit ihrer bis heute nicht überholten alttestamentlichen Arbeit über die Totenklage zu Arnos 5,2.
Die Theologin im Kontext von Universität und Kirche
231
Promotionen von Frauen zu Doktorinnen der Theologie ehrenhalber sind anscheinend während des Nationalsozialismus nicht verliehen worden 4 3 . Die Möglichkeit einer Habilitation bestand für Frauen erst seit der Weimarer Republik: Aufgrund einer Eingabe von Dr. Edith Stein vom 12. Dezember 1919 an das preußische Kultusministerium wurde am 21. Februar 1920 Frauen das Recht zuerkannt, an deutschen Hochschulen die Habilitation zu erlangen 4 4 . Edith Stein selbst hat dieses Ziel nicht erreicht 4 5 . — Als sich Hanna Jursch 4 6 1934 als erste Theologin an der Jenaer Theologischen Fakultät zur Habilitation meldete 4 7 , waren für Frauen durch die nationalsozialistische Gesetzgebung grundsätzlich andere Bedingungen als in der Weimarer Republik gegeben: Hanna Jursch konnte sich zwar habilitieren, erhielt aber anscheinend nie eine Habilitationsurkunde 4 8 , ihre Habilitationsschrift wurde nicht in das Verzeichnis der Hochschulschriften aufgenommen, und sie bekam bis 1945 keine Stelle als beamtete Hochschuldozentin 4 9 . Voraussetzung für diese diskriminierende Behandlung war — neben nationalsozialistischen Gesetzen, die Frauen bzw. Akademikerinnen insgesamt trafen — die neue nationalsozialistische Habilitationsordnung, die die Anerkennung der wissenschaftlichen Fähigkeit und der Lehrbefähigung voneinander trennte, die Erlangung der Lehrbefähigung von der Teilnahme an einer nationalsozialistischen Dozentenschaftsakademie abhängig machte, die Teilnahme daran aber Frauen verweigerte 5 0 . Die folgenden zehn Jahre nationalsozialistischer Herrschaft in Deutschland sind für Frauen als Theologinnen mit einem tiefen Einschnitt in die gerade erst ermöglichte Qualifikation verbunden gewesen 51 . Bis 1945 ist keine Theologin mehr an einer deutschen Universität habilitiert worden 5 2 . Allerdings fehlen mir hier genaue Nachweise. Vgl. E. B O E D E K E R / M . M E Y E R - P L A T H , 50 Jahre Habilitation, S.5. Zur ersten Habilitation einer Frau f ü r Mathematik in Göttingen vor 1 9 1 8 vgl. C . TOLLMIEN, „Sind w i r doch der M e i n u n g . . .". 4 5 Vgl. E. B O E D E K E R / M . M E Y E R - P L A T H , 5 0 Jahre Habilitation, S . 5 f . ; zu E. Steins Leben und ihrer Ermordung in A u s c h w i t z vgl. W . H E R B S T R I T H : Edith Stein. Suche nach G o t t . Kevelaer 1989. 4 6 Die D o k u m e n t e zu Hanna Jursch, soweit sie aus dem U A J E N A stammen, hat mir dankenswerterweise stud. theol. Ulrich Rosenhagen zusammengetragen. — Zu Hanna Jursch vgl. H. ERHART, Theologin. 43 44
4 7
Vgl.
48
Es liegt zumindest keine U r k u n d e innerhalb der A k t e n U A J E N A vor. Vgl. E. B O E D E K E R / M . M E Y E R - P L A T H , 50 Jahre Habilitation, Nr. 498, S . 2 9 3 f .
49
SO V g l .
U A
U A
JENA, J
JENA, J
Nr.
Nr.
83.
83.
R . C . KELLY, Personalpolitik, S. 71 A n m . 8, macht darauf aufmerksam, daß Dozentenbundsführer darauf hingewiesen wurden, daß „Frauen. . . f ü r die Nachwuchsförderung nicht in Frage [kommen], da sie . . . nicht f ü r den Hochschulnachwuchs in Betracht kommen". A . DAGEFÖRDE, Frauen, S. 260 zeigt die „Dequalifizierung in der Zusammensetzung des weiblichen Lehrkörpers der Hamburger Universität" auf. 5 2 M. S C H U M A C H E R , Lehrende, macht deutlich, daß an der Universität Münster erst seit S S 1972 eine Frau als Hochschullehrerin angestellt wurde. Zur Literatur vgl. auch A . O V E R , Forschung. 51
232
Hannelore Erhart
II. Zur Geschichte der Theologinnen im Kontext Landeskirchen 53
evangelischer
Die Zeit der Weimarer Republik 5 4 Im Zuge der Neuordnung evangelischer Kirchen in der Weimarer Republik gewannen unterschiedliche Vorstellungen über Arbeit, Dienst oder A m t der Theologin allmählich konkretere Konturen 5 5 . Solange keine kirchlichen Gesetze vorlagen, die die Theologinnen in die institutionellen Strukturen der Kirche einbanden, stand die Erörterung der Arbeitsfelder bei den Theologinnen selbst im Vordergrund 5 6 . Eine erste intensive theologische Diskussion wurde dagegen erst nach der Entstehung des Kirchengesetzes über Prüfung und Anstellung der Vikarinnen der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union und seiner Einschränkungen für die Theologinnen unter den Theologinnen selbst geführt. Wo der Versuch unternommen wurde, Theologinnen in die kirchliche Organisation einzubinden, lassen sich insbesondere 5 7 drei zeitliche Schwerpunkte ausmachen, die jeweils auch in engem Zusammenhang mit kirchenordnungsmäßigen Vorgängen standen:
5 3 Im folgenden beziehe ich mich vornehmlich auf die Ev. Kirche der altpreußischen U n i o n . Sie war zwar nicht die erste evangelische Kirche, die ein Kirchengesetz über Prüfung und Anstellung von T h e o l o g i n n e n erließ, aber sie gewann unter einzelnen evangelischen Landeskirchen d o c h eine gewisse Vorreiterfunktion, die auch durch die G r ö ß e ihres Gebietes mitbedingt war. A n ihre Theologinnengesetzgebung schlössen sich auch andere Landeskirchen an, so etwa Hannover und Hessen-Kassel. 5 4 Von der ersten T h e o l o g i n im deutschsprachigen R a u m , die A n f a n g der 30er Jahre eine Pfarrstelle im graubündnerischen F u r n a ü b e r n a h m , liegt eine Autobiographie vor (vgl. G . CAPREZ-ROFFLER, Pfarrerin, und DIES., Sache der Theologin). Ihre Wahl hatte eine heftige Diskussion in Kirchenzeitungen ausgelöst; vgl. jetzt H . KÖHLER, „ U n g e h o r s a m gegen Gottes G e b o t ? " 5 5 F ü r Einzelnachweise vgl. H . KÖHLER, N e u e Amter. 5 6 S o wurden insbesondere auf den ersten beiden Tagungen des Verbandes evangelischer T h e o l o g i n n e n Deutschlands (vgl. dazu unten S. 235 ff.) von den bereits in Erwerbsarbeit stehenden T h e o l o g i n n e n Arbeitsberichte gegeben, oder es wurden in Zeitschriften wie der „Studentin", später auch den „ M i t t e i l u n g e n " des Verbandes, Arbeitsberichte veröffentlicht. Dabei kann beobachet werden, daß T h e o l o g i n n e n überall dort leichter Verwendung fanden, wo der Kirche Arbeitsbereiche erschlossen oder erhalten werden sollten, die aber nicht von den h e r k ö m m l i c h e n F u n k t i o n e n des Pfarramtes abgedeckt wurden, wie etwa der Berufsschulunterricht, oder wo von den herkömmlichen Vorstellungen von Frauenarbeit aus Arbeitsbereiche der T h e o l o g i n zugewiesen wurden. Z u m ganzen vgl. den in A n m . 1 angekündigten Band aus dem Frauenforschungsprojekt. 5 7 N a t ü r l i c h können auch andere Aktivitäten zur Theologinnenfrage aufgezeigt werden, ich möchte hier vor allem auf die oben angedeuteten Fragestellungen eingehen.
Die Theologin im Kontext von Universität und Kirche
233
1. Im Vorfeld der Entstehung der Kirchenverfassung der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union wurde von liberalen und sozialistischen Vorstellungen aus von Theologen und Theologinnen ekklesiologisch argumentiert und Stellung bezogen. 2. Die Entstehung des Kirchengesetzes über Ausbildung und Anstellung von Vikarinnen forderte insbesondere die Theologinnen innerhalb des Verbandes evangelischer Theologinnen heraus. Sie argumentierten von einem eigenständigen Amt der Theologin aus, das sich vom herkömmlichen Pfarramt und von der Gemeindehelferin unterscheiden sollte. 3. Die Konturen eines Amtes der Theologin, wie es in dem Kirchengesetz über Prüfung und Anstellung der Vikarinnen 1927 Gestalt gewonnen hatte, führten im Verband selbst zu harten Auseinandersetzungen über differente Positionen zum Amtsverständnis. Schließlich trennte sich die Minderheit von der Mehrheit des Verbandes und versuchte, ihre Vorstellungen eines vollen Pfarramtes auch für die Frau innerhalb der Religiösen Sozialisten des Kirchenkreises Köln in die Wirklichkeit umzusetzen. Ich umreiße im folgenden diese drei Problembereiche. 1. Der erste zeitliche Schwerpunkt fiel in die unmittelbare Nachkriegszeit bis in die Zeit der Verfassunggebenden Kirchenversammlung der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union (etwa 1919 bis 1922). In diesem Kontext, der auch gekennzeichnet war durch das Zerbrechen überkommener Strukturen, standen im Vordergrund der Diskussion primär ekklesiologische Vorstellungen, wie sie in Luthers Wort vom allgemeinen Priestertum aller Gläubigen ihren Ausdruck gefunden hatten. Treibende Impulse kamen von einzelnen Theologinnen und Theologen, die sich der Volkskirchenbewegung verbunden wußten: In Aufnahme auch sozialistischer Gedanken einer Neuordnung hatten bereits im November 1918 Martin Rade und — im Anschluß an ihn — der sächsische Pfarrer Friedrich (aus Grünhain im Erzgebirge) zur Bildung von Volkskirchenräten aufgerufen. Sie mahnten eine Gestaltung evangelischer Kirche von unten an und intendierten „die religiöse Gleichberechtigung aller . . . Glieder" bzw. die „Zulassung von Laiengeistlichen und Frauengeistlichen" 58 . Unterzeichnet wurde der Aufruf Martin Rades auch von Carola Barth 5 9 , der ersten promovierten Theologin 6 0 . Und Pfarrer Mensing sprach sich in der „Freien Volkskirche" dafür aus, „den weiblichen Theologen das Pfarramt in seinem ganzen Umfange freizugeben" 61 . Neben dem Organ des liberalen
58
S' 60 61
Vgl. G. MEHNERT, Kirche und Politik, S.115f., 119f. Vgl. E B D . , S. 1 1 6 . Vgl. oben S. 229, A n m . 36. Vgl. DIE CHRISTLICHE WELT 34, 1920, Sp. 109. — D e r V o r s i t z e n d e des V o l k s k i r c h e n -
bundes, Dr. Drechsler, forderte auf dem Dresdener Kirchentag die Zulassung der Frauen
234
Hannelore Erhart
Protestantismus,
der
„Christlichen
Welt",
war
u.a.
die
„Volkskirche"
S p r a c h r o h r d e r V o l k s k i r c h e n b e w e g u n g . „ C h r i s t l i c h e W e l t " u n d „Volkskirche"
b r a c h t e n a u c h die e r s t e n V e r ö f f e n t l i c h u n g e n 6 2
von
Theologinnen
b z w . ü b e r die F r a g e d e r T h e o l o g i n 6 3 . — D i e I m p u l s e aus d e r V o l k s k i r chenbewegung
gingen j e d o c h in der w e i t g e h e n d
konservativ
geprägten
H a l t u n g d e r k i r c h e n l e i t e n d e n T h e o l o g e n u n t e r , die z u d e m d e n F o r d e r u n gen der F r a u e n b e w e g u n g meist a b l e h n e n d gegenüberstanden: So ordnete die V e r f a s s u n g d e r E v a n g e l i s c h e n K i r c h e d e r a l t p r e u ß i s c h e n U n i o n 29. September
vom
1 9 2 2 die T h e o l o g i n n e n n i c h t d e m Teil II „ P f a r r a m t "
zu
( A r t . 4 2 - 5 3 ) , s o n d e r n d e m Teil III „ K i r c h e n g e m e i n d e b e a m t e n " , u n d z w a r in A r t .
55 zu G e m e i n d e d i a k o n e n
und Diakonissen64.
In A b w e h r
E r w a r t u n g e n , die i n s b e s o n d e r e T h e o l o g i n n e n in die k i r c h l i c h e
der
Neuord-
n u n g g e s e t z t h a t t e n , k o m m e n t i e r t e v o n d e r G o l t z d e n A r t i k e l 5 5 d e r Verfassungsurkunde
folgendermaßen:
zum Predigtamt (vgl. C. BARTH, Frauendienst, Sp. 334). — Vgl. auch Erich Foerster in DIE CHRISTLICHE WELT 32, 1918, Sp. 50/51: „Wir erstreben den volkstümlichen Aufbau der evangelischen Gemeinden im Inneren nach dem Willen derer, die ihre Mitglieder sein wollen, Männer und Frauen mit gleichen Rechten und P f l i c h t e n . . . Wir suchen ein Zusammenwirken auch mit den katholischen und jüdischen Religionsgemeinschaften . . ." (zit. nach G. MEHNERT, Kirche und Politik, S. 119 Anm. 82); vgl. auch E. FOERSTER, Neue Amter. 6 2 Bereits in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts hatte Rudolf Otto in der „Christlichen Welt" die Diskussion um Frauenämter in der Kirche begonnen (vgl. R. OTTO, Amter). Sowohl Otto als auch Foerster hatten den Aufruf Rades mitunterzeichnet. 6 3 So etwa DIE CHRISTLICHE WELT 32, 1918, Sp. 298 f.: Berichte von Rosa Gutknecht und Elsbeth Oberbeck über das Theologiestudium der Frauen; EBD., 33, 1919, Sp. 372 und 34, 1920, Sp. 109: Aufruf von Carola Barth zur Gründung einer Berufsorganisation der Theologinnen und ihre Zulassung zur pfarramtlichen Tätigkeit; EBD., 34, 1920, Sp. 502-505: Bericht von I. Kersten (vgl. Anm. 30); EBD., Sp. 652f.: Bericht von Iten Doornkaat Koolman über die Theologin in Holland; zudem Meldungen über Anstellungen von Theologinnen im kirchlichen Bereich, so zur Anstellung von Grete Gillet (EBD., Sp. 541) und von Gertrud Schäfer (EBD., 36, 1922, Sp. 180). EBD., Sp. 180 brachte die „Eingabe an die Verfassunggebende Kirchenversammlung Preußens" vom Verein Theologie studierender Frauen, der von Carola Barth ins Leben gerufen war. In dieser Eingabe forderten die Theologinnen die „Schaffung von kirchlich anerkannten Prüfungen für Frauen, welche das theologische Studium vollendet haben, und die Befürwortung von Frauen, welche diese Prüfungen abgelegt haben, im kirchlichen Gemeinde- und Anstaltsdienst". — Die „Volkskirche" brachte mehrere Beiträge zum Thema Kirchlicher Frauendienst; vgl. S. KUNERT, Frauendienst; C . BARTH, F r a u e n d i e n s t ; Paul W u r s t e r ( D I E VOLKSKIRCHE, 3. J g . N r . 3 , 1 9 2 1 , Sp. 3 8 - 4 2 ;
E. Oberbeck (EBD., Sp. 155f.). — Zudem brachte die Nr. 5 der „Flugschriften zur Volkskirchenbewegung" einen Beitrag von Wilhelm Thiele (Die Mitarbeit der Frau in der freien evangelischen Volkskirche); vgl. S. KUNERT, Frauendienst. 6 4 KGVBl 1924, S. 59-141. Die Theologinnen wurden im Art. 55 aufgenommen: „Zum inneren und äußeren Aufbau des Gemeindelebens haben die Gemeinden nach Bedürfnis berufsmäßige Kräfte mit kirchlich geordneter Vorbildung wie Gemeindediakonen, Diakonissen und andere, besonders auch theologisch gebildete Frauen als Beamte im Haupt- und Nebenamt oder im Vertragsverhältnis anzustellen..." Art. 56 gibt im Bezug von Abschn. 1 auf Abschn. 2 eine Ergänzung, die schließlich in der Hamburger Bekenntnissynode der
235
Die Theologin im Kontext von Universität und Kirche
„ . . .Wir sind danach nicht mehr weit davon entfernt, wenn auch jetzt die kirchliche Ordnung noch dem entgegensteht, daß ,befähigte und bewährte' Frauen mit zur ,Wortverkündigung' zugelassen werden. Ich glaube nicht, daß dies ein Glück wäre weder für die Frauen noch für die Gemeinden. Auch besteht die Gefahr, sich mit etwa eintretendem Theologenmangel dadurch abzufinden, daß man sich mit dem Dienst der geringer Ausgebildeten begnügt. Das ist aber eine große Gefahr, denn dann wird auch die bisher verlangte theologische Ausbildung geringer gewertet. Es ist dringend zu wünschen, daß hier das zu erlassende Kirchengesetz einschränkende Bestimmungen enthält, welche die Halbbildung dem pfarramtlichen Dienst und die Frauen der Kanzel und der Gemeindeleitung fernhält." 6 5 2. D i e Verfassungsurkunde, die schließlich i m F r ü h j a h r 1 9 2 4 i m K i r c h lichen G e s e t z b l a t t veröffentlicht w u r d e , sah in E n t s c h l i e ß u n g III zu A r t i kel 5 0 v o r , „an der Vorberatung des zu erwartenden Kirchengesetzes über die Rechte und Pflichten der Pfarrer und Kirchengemeindebeamten und über die Vertretung ihrer Standesinteressen . . . die Berufsvereinigungen zu beteiligen", um ihnen „Gelegenheit zu geben, sich über die vor dem Erlaß dieses Gesetzes aufzustellenden allgemeinen Grundsätze zu äußern, bevor dieselben in Kraft treten" 6 6 . D a r a u f h i n f o r d e r t e n n o c h i m J a h r 1 9 2 4 6 7 M a r b u r g e r T h e o l o g i n n e n in e i n e m R u n d s c h r e i b e n 6 8 „alle F r a u e n , die an d e u t s c h e n U n i v e r s i t ä t e n T h e o logie studierten o d e r bereits E x a m e n g e m a c h t h a t t e n , zu e i n e m Z u s a m menschluß"
auf69.
Schließlich
gründeten
in M a r b u r g
die
T h e o l o g i n n e n i m M ä r z 1 9 2 5 d e n V e r b a n d evangelischer
anwesenden
Theologinnen
altpreußischen B e k e n n e n d e n K i r c h e 1942 zur W i r k u n g k a m : „(1) Wenn in einer G e m e i n d e die Anstellung ausreichender pfarramtlicher Kräfte nicht möglich ist, k ö n n e n die in A r t . 55 aufgeführten G e m e i n d e b e a m t e n , die nach k i r c h l i c h e r O r d n u n g dazu befugt sind, nach M a ß g a b e eines Kirchengesetzes mit pfarramtlichen Geschäften unter verantwortlicher Leitung des Pfarrers betraut werden. (2) Befähigte und bewährte G e m e i n d e g l i e d e r k ö n n e n durch Kirchengesetz zur W o r t v e r k ü n d i g u n g zugelassen werden" ( K G V B 1 1924, S. 76). — In den Status von K i r c h e n g e m e i n d e b e a m t e n sind allerdings kaum T h e o l o g i n n e n g e k o m m e n ; K a t h a r i n a S t a r i t z war eine der wenigen; sie wurde nach Vollendung ihres 35. Lebensjahres, das nach nationalsozialistischem G e s e t z als Voraussetzung zur Anstellung einer Frau als B e a m t i n vorgeschrieben war, als K i r c h e n g e m e i n d e b e a m t i n in Breslau angestellt. 6 5 Vgl. E . FRHR. v. D. GOLTZ, Verfassungsurkunde, S. 6 6 f. zu A r t . 55. Zu diesem K o m m e n t a r n a h m eine K ö s l i n e r Studienrätin kritisch Stellung; vgl. A . CASPAR, Theologiestud i u m . E i n e Replik erfolgte im NACHRICHTENBLATT 5, 1925, S. 4 f . ' Vgl. K G V B 1 1924, S. 130. I m D e z e m b e r 1924; vgl. den „ B e r i c h t über die erste Tagung des Verbandes evgl. T h e o loginnen D e u t s c h l a n d s zu M a r b u r g v o m 2 7 . - 2 9 . O k t o b e r 1 9 2 5 " , S. 3 (ARCHIV DES KONM
67
VENTS EVANGELISCHER T H E O L O G I N N E N IN DER B U N D E S R E P U B L I K , A b g a b e F r i e d a
Schindelin,
M a p p e 1). 6 8 Vgl. DIE CHRISTLICHE WELT 39, 1925, Sp. 3 8 3 . Initiatorin dieses Rundschreibens war wohl Ina Gschlössl (vgl. zu ihr unten S. 2 3 9 ) , da an sie die Zuschriften gerichtet werden sollten. N a c h G r ü n d u n g des Verbandes zeichnete E r n a Haas verantwortlich. '
( 9
Vgl. den B e r i c h t über die erste Tagung, S. 3 ( o b e n A n m . 67).
236
Hannelore Erhart
Deutschlands 7 0 mit der ausdrücklichen Absicht, sich in den Prozeß der Entstehung des zu erwartenden Gesetzes über Prüfung und Anstellung von Vikarinnen einzumischen 7 1 . Die von der Verfassung eingeräumte Möglichkeit einer Äußerung zum Kirchengesetz, das sich in der Vorberatung befand, nahmen die Theologinnen des Verbandes durch ihre Vorsitzende Erna Haas so wahr, daß sie Eingaben bzw. Denkschriften verfaßten und an verschiedene Kirchenleitungen oder über einzelne Synodalinnen verschickten 7 2 . 1926 schloß sich der Verband der Vereinigung evangelischer Frauenverbände an 7 3 . Damit war für die Theologinnen einerseits eine Plattform
7 0 Vgl. EBD., S.3; ebenfalls in: NACHRICHTENBLATT 5, 1925, S.4. Vgl. auch E. HAAS, A m t der T h e o l o g i n , S. 42. — Z u m Verband vgl. jetzt auch D. VORLÄNDER, Art. „ P f a r r e r i n / V i k a rin". Hier ist jedoch richtigzustellen, daß die Ev. Kirche der altpreußischen U n i o n (heutige Ev. Kirche der U n i o n , die nicht nur Berlin-Brandenburg umfaßt) durch das G e s e t z von 1927 das Vikariatsamt schuf; vorausgegangen waren zudem Baden (jedoch o h n e gesetzliche Grundlage), H a m b u r g , Mecklenburg-Schwerin und Thüringen. 7 1 In der Begründung ihres Zusammenschlusses gaben sie an: „ E i n Zusammenschluß aller Kandidatinnen und Studentinnen der T h e o l o g i e war aus mancherlei G r ü n d e n erforderlich . . . In Preußen steht eine gesetzliche Regelung der Prüfungs- und Anstellungsordnung unmittelbar bevor aufgrund der neuen Kirchenverfassung der Evangelischen Kirche der altpreußischen U n i o n , welche die Anstellung akademisch-theologisch gebildeter Frauen (als Beamte) vorsieht . . . So mußte ein O r g a n geschaffen werden, das Möglichkeit und Berechtigung hat, die Stellungnahme der T h e o l o g i n n e n an die Behörden zu vermitteln
( D I E C H R I S T L I C H E WELT 3 9 , 1 9 2 5 , S p .
567).
S o reichten E r n a H a a s und — als stellvertretende Vorsitzende — Ilse J o n a s bereits am 1 . 6 . 1 9 2 5 über die Synodalin Elisabeth N e u s e eine Eingabe an den 1. Landeskirchentag der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers ein ( E Z A BERLIN, 1/A 2 / 5 5 1 ) . — Im D e z e m b e r 1925 folgte die Eingabe des Verbandes an die 1. Tagung der 8. Generalsynode der Ev. Kirche der altpreußischen U n i o n ; vgl. u.a. den Bericht von A . OHNESORGE, Tatsachen, S. 39 (mit Zusatzinformationen von N o r a H a r t w i c h ; EBD., S. 41 A b s c h n . 7 und Abschn. 11); vgl. ferner den Beitrag von E. HAAS, A m t der T h e o l o g i n , und den Bericht über die 2. Tagung (vgl. oben A n m . 31), S. 7. Dabei wurde die Eingabe des Verbandes unterstützt durch die Eingabe, die die Vereinigung evangelischer Frauenverbände ebenfalls an die Generalsynode richtete (vgl. NACHRICHTENBLATT 5, 1926, S. 42 f. und S. 53). D e n Eingaben wurden jeweils die „ R i c h t l i n i e n " des Verbandes über ihre Vorstellungen eines Amtes der T h e o l o g i n beigefügt. — 1927 gab der Verband die erste DENKSCHRIFT heraus. Eine zweite, erweiterte Denkschrift folgte im Vorfeld der Entstehung des Gesetzes in der Landeskirche Hessen-Kassel (vgl. das Schreiben an die Kirchenregierung der Landeskirche Hessen-Kassel und die „ D e n k s c h r i f t zur Frage der erweiterten A m t s b e f u g n i s s e der T h e o l o g i n n e n " , beide D o k u m e n t e in: MIT72
TEILUNGEN DES VERBANDES EVANGELISCHER T H E O L O G I N N E N D E U T S C H L A N D S N r . 6 v o m
Okto-
ber 1930, S. 12-15). - Vgl. jetzt auch R . MIELKE, Lebensbild, S . 2 5 f . 7 3 Bereits auf der 2. Sitzung des Verbandes wurde die Frage des „Anschlusses an eine Ü b e r o r g a n i s a t i o n " diskutiert; vgl. den Bericht über die 2. Tagung (oben A n m . 31), S. 11. E s lag den Mitgliedern die Einladung des Deutschen Akademikerinnen-Bundes z u m Eintritt vor. Von einigen T h e o l o g i n n e n wurde der Gegenantrag auf Anschluß an die Vereinigung evangelischer Frauenverbände gestellt, da es dem Verband nicht um Kulturaufgaben und Frauenfragen gehen könne, sondern u m die A n b i n d u n g an die Kirche. A l s K o m p r o m i ß wurde der Anschluß an beide Organisationen beschlossen, in der Folge setzte sich aber
Die Theologin im Kontext von Universität und Kirche
237
gegeben, auf der sie ihre Interessen veröffentlichen konnten und durch die sie Frauen, insbesondere Synodalinnen ansprachen, die sich für die Belange der Theologinnen einsetzten 7 4 . Andererseits waren damit theologische Vorentscheidungen gefallen, insofern die Vereinigung evangelischer Frauenverbände unter ihrer Vorsitzenden Magdalene von Tiling dem konservativen Spektrum nahestand und ausdrücklich die Forderung eines vollen Pfarramtes für die Theologinnen ablehnte 7 5 . Bereits in den Richtlinien aus dem Winter 1 9 2 4 / 2 5 hatten Theologinnen ihr Verständnis eines kirchlichen Amtes der Theologin formuliert 7 6 . Sie gingen dabei von der Praxis einzelner Theologinnen in ihren Arbeitsfeldern, in der Seelsorge an Frauengefängnissen und Krankenhäusern und im Unterricht, insbesondere an Berufsschulen, aus und versuchten, von hier aus ein kirchliches Amt der Theologin zu umreißen, das sich insbesondere auf Frauen, Mädchen und Jugendliche erstrecken sollte. Die Richtlinien wurden auf der ersten Tagung des Verbandes im Oktober 1925 überarbeitet 77 . Dabei wurde auf das volle Gemeindepfarramt ausdrücklich verzichtet 7 8 , jedoch um die Bewilligung der Sakramentsspende durch die durch die aktive Mitarbeit in der Vereinigung dieser Anschluß als prägend durch. — Zur Vereinigung evangelischer Frauenverbände vgl. D. KAUFMANN, Frauen, S. 43 ff., zu Magdalene von Tiling insbesondere S. 75 ff. 7 4 So etwa die Eingabe der Vereinigung an die Generalsynode der Ev. Kirche der altpreußischen Union (vgl. oben Anm. 72). 75
Vgl. M . VON TILING, A r b e i t , S. 5 3 .
7 6
D I E CHRISTLICHE W E L T 3 9 , 1 9 2 5 , S p . 5 6 7 f . u n d d i e E i n g a b e a n d e n
Landeskirchentag
der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers (vgl. oben Anm. 72) brachten eine Ausformulierung der Richtlinien, die sich scharf gegenüber der Frauenbewegung absetzte: „. . . Der Wunsch, als Theologinnen innerhalb der Gemeinde tätig zu sein, entspringt nicht frauenrechtlerischen Bestrebungen. Insofern sind wir nicht Kampforganisation, die die männliche Pfarrertätigkeit, also die volle Gemeindeleitung, nun auch für die Frau beansprucht. . .". Auf dem Landeskirchentag in Hannover hatte sich die Synodalin Schubart, die die Eingabe der Theologinnen unterstützte, gegen diesen Passus der Eingabe gewendet: „. . . Allerdings muß ich mich gegen den Ausdruck der Eingabe wenden, daß sie nicht im frauenrechtlerischen Sinne gemeint sei. Ein Frauenrecht wird darin gefordert. Der Ausdruck der Eingabe bedeutet eine Herabsetzung der Bewegung, der wir Frauen unendlich viel verdanken. . ." (in: Aktenstück des ersten Landeskirchentages, Anlage 2; EZA BERLIN, 1/A 2/551, S. 366). Wahrscheinlich fehlt aufgrund dieses Votums in der Formulierung der endgültigen Richtlinien dieses Textstück. Bereits in der Veröffentlichung der Richtlinien im NACHRICHTENBLATT 5, 1925, S. 4 ist die Formulierung abgeschwächt. 7 7 Die auf der 1. Tagung des Verbandes beschlossenen Richtlinien vgl. DIE CHRISTLICHE WELT 39, 1925, Sp. 1019f. Eine erneute Überarbeitung fand 1928 in der Auseinandersetzung im Verband über die Forderung des vollen Pfarramtes auch für die Theologin statt. Dabei wurde einem Antrag von Meta Eyl zugestimmt, der diesen Kompromiß ermöglichte. Zur 4. Tagung des Verbandes vgl. unten S. 239 f. 7 8 Vgl. K. KRÜGER, Grundsätzliches, S. 62: „Damit glaube ich Ihnen ganz klar gesagt zu haben, wo unsere bewußte Beschränkung und Abgrenzung liegt: wir verzichten ausdrücklich auf das volle Gemeindepfarramt. Wir wollen nicht eine verweiblichende Kirche. Aber gerade deshalb bitten wir um Verständnis für das von uns gewollte neue kirchlich-theologische Frauenamt" (Hervorhebung im Original).
238
Hannelore Erhart
Theologin „außerhalb einer Pfarrgemeinde" und um ein neues kirchlichtheologisches Frauenamt für die Theologin gebeten. Das „Kirchengesetz betreffend Vorbildung und Anstellung der Vikarinnen", das am 9. Mai 1927 von der Generalsynode verabschiedet wurde 7 9 , folgte weitgehend den Vorstellungen der Theologinnen: Auch hier wurden die Arbeitsfelder Seelsorge 80 , Wortverkündigung 8 1 und Unterricht 8 2 betont, der Kreis, auf den sich die Arbeit der Theologinnen beziehen sollte, mit Frauen und Mädchen umschrieben. Den Theologinnen wurde auch ein „Amt", das „Vikariatsamt", zugestanden, ohne daß dieses genauer definiert wurde. Aus diesem Amt wurden jedoch ausdrücklich Gemeindeleitung, Sakramentsverwaltung und pfarramtliche Funktionen ausgeschlossen 83 . Bei Antritt ihres Amtes sollten die „Vikarinnen", wie sie genannt wurden, eingesegnet, nicht ordiniert werden 8 4 . Bei Verheiratung schied die „Vikarin" aus ihrem A m t aus 8 5 . 3. Die Vorgabe des Gesetzes in der Frage der Sakramentsverwaltung durch Theologinnen 8 6 stieß bei der Mehrheit des Verbandes auf Widerspruch, da inzwischen einzelne Theologinnen in ihrer Arbeit praktische
79
Vgl. KGVB1 1927, S. 2 2 8 - 2 3 6 .
Vgl. § 13 (1) Abs. 3: Die Kandidatin des Vikariatsamts ist befugt . . . 3. zur Seelsorge in der Gemeinde, insbesondere an der weiblichen Jugend, in Mädchenheimen, in den Frauenabteilungen der Krankenhäuser und Gefangenenanstalten und in Altersheimen (EBD., S. 233). 8 1 Vgl. § 13 (1) Abs. 1: Die Kandidatin des Vikariatsamts ist befugt . . . zur Wortverkündigung im Kindergottesdienst, ferner vor allem für Frauen und Mädchen in Bibelstunden, Bibelbesprechstunden, Andachten (EBD., S. 232). 8 2 Vgl. § 13 (1) Abs. 2: Die Kandidatin des Vikariatsamts ist befugt . . . zur Lehrtätigkeit (kirchlicher Unterricht, Unterricht an Berufsschulen). 8 3 Vgl. § 13 (2): Sie ist nicht befugt zur pfarramtlichen Tätigkeit im Gemeindegottesdienst, zur Verwaltung der Sakramente sowie zur Vornahme der anderen herkömmlich vom Pfarrer zu vollziehenden Amtshandlungen (EBD., S.233). 8 4 Vgl- § 2 0 (1): Die Vikarin wird in ihr Amt in einem Gemeindegottesdienst durch den Vorsitzenden des Gemeindekirchenrats (Presbyteriums) eingeführt. Bei der erstmaligen Anstellung findet eine Einsegnung zum Dienst als Vikarin durch den Superintendenten statt, der sie zugleich in ihr Amt einführt (EBD., S. 234). Unter den Theologinnen des Verbandes wurde in der Folgezeit auch über einen Orden für Theologinnen und eine ordensähnliche Tracht diskutiert. 8 5 Vgl. § 2 1 : Im Falle der Verheiratung scheidet die Vikarin aus ihrem Amt aus. In besonderen Fällen kann das Konsistorium Ausnahmen zulassen (EBD.). 8 6 Die Frage der Sakramentsverwaltung durch die Theologin war im Zusammenhang des Ordinationsbegehrens von Sophie Kunert breit diskutiert worden. Vgl. dazu K. SÖDERBLOM, Ordinationsgesuch. — Der Deutsche Evangelische Kirchenbund unternahm wegen dieses Gesuches eine Umfrage unter den ihm angeschlossenen Landeskirchen; eine Ordination von Theologinnen wurde in den eingegangenen Antworten jedoch stets zurückgewie80
sen (vgl. die R u n d s c h r e i b e n u n d A n t w o r t e n E Z A BERLIN, 1 / A 2 / 5 5 1 ) . D a r a u f h i n
forderten
22 Hamburger Kirchenvorsteherinnen in einer Eingabe das volle Pfarramt für die Theolog i n (vgl. D I E CHRISTLICHE WELT 4 1 ,
1927, Sp.
1070).
239
Die Theologin im Kontext von Universität und Kirche
Erfahrungen mit der Seelsorge in Gefängnissen oder Krankenhäusern gesammelt hatten und dabei die Unmöglichkeit, Sakramente zu spenden, bitter beklagten. Mit dem Ausschluß der Theologin von gemeindeleitenden Funktionen konnte sich die Mehrheit der Verbandsmitglieder jedoch zufriedengeben, nicht aber die Minderheit. Der Konflikt zwischen Mehrheit und Minderheit des Verbandes über die Frage der Forderung des Pfarramtes für die Theologin wurde 1928, nach Verabschiedung des Kirchengesetzes und seiner Ausführungsanweisungen 8 7 , auf der 4. Tagung des Verbandes ausgetragen. E r n a Schlier-Haas formulierte in ihrem Referat die Position der Mehrheit: „Es gibt kein Recht, das Pfarramt für die Frau zu fordern, solange für die Kirche keine Nötigung besteht, Frauen im vollen Pfarramt zu haben. Da die Theologin aber schlechterdings nicht berechtigt ist, das Pfarramt von sich aus und für sich zu beanspruchen, so kann sie nur ihren Dienst der Kirche anbieten" 88 . Dagegen erhob die Minderheit, zu der insbesondere die Kölner Theologinnen Elisabeth von Aschoff, Ina Gschlössl, Annemarie Rübens und A e n n e Schümer gehörten 8 9 , Einspruch. Sie verfochten ihre Stellungnahme sowohl innerhalb des Verbandes 9 0 als auch gegenüber kirchenleitenden T h e o l o g e n 9 1 : Während der 4. Tagung des Verbandes argumentierte
8 7 Vgl. Ausführungsanweisung zum Kirchengesetz betr. Vorbildung und Anstellung der V i k a r i n n e n v o m 9. M a i 1927. V o m 17. August 1928 ( K G V B 1 1928, S. 2 5 0 - 2 5 7 ) . 88
Vgl. den B e r i c h t über die 4. Tagung des Verbandes Evangelischer
Deutschlands
zu Marburg
vom
24.-27.10.1928,
Theologinnen
S . 1 5 ( A R C H I V DES K O N V E N T S
EVANGELI-
SCHER THEOLOGINNEN IN DER BUNDESREPUBLIK, A b g a b e Frieda Schindelin, M a p p e 1). Ein K u r z p r o t o k o l l der Tagung von A [ n n e m a r i e ] R [ ü b e n s ] brachte DIE CHRISTLICHE WELT 42, 1928, Sp. 1099. 8 9 Andere T h e o l o g i n n e n des Verbandes haben der Position der vier K ö l n e r T h e o l o g i n nen nahegestanden, so etwa Claudia Bader, S o p h i e K u n e r t , U l r i k e T ü r c k . 9 0 Seit der 1. Tagung des Verbandes 1925 hatte sich vor allem Ina Gschlössl für das volle Pfarramt der T h e o l o g i n eingesetzt. A u f der 4. Tagung hielt A n n e m a r i e R ü b e n s das Referat, E r n a Schlier-Haas das Korreferat, jeweils unter dem T h e m a „ T h e o l o g i n und P f a r r a m t " ; vgl. den B e r i c h t über die 4. Tagung ( o b e n A n m . 88). E i n vorläufiger K o m p r o m i ß unter den T h e o l o g i n n e n wurde in der N e u f o r m u l i e r u n g der „ R i c h t l i n i e n " gefunden: „Wir wünschen in der K i r c h e theologisch arbeiten zu dürfen, o h n e uns auf ein bestimmtes Ziel festzulegen" (EBD., S. 7). E i n e Analyse beider Referate bieten C h r . DRAPE-MÜLLER ( o b e n A n m . 1, S. 9 - 1 7 ) und A . BIELER, Last der Weiblichkeit. Das Referat von A . R ü b e n s erschien vor der Veröffentlichung i m B e r i c h t s h e f t bereits in der Zeitschrift „ D i e F r a u " (A. RÜBENS, T h e o l o g i n ) . Daraufhin entspann sich eine differente Diskussion (vgl. H . WIESENFELDT, T h e o l o g i n ; K . GOMBERT, Aussprache; S. KUNERT, T h e o l o g i n . — E i n e ähnliche A r g u m e n t a t i o n findet sich in der Auseinandersetzung um den „Fall F u r n a " nach der Wahl von Greti CaprezRoffler; vgl. o b e n A n m . 54). 9 1 Aus der Zeit vor der T r e n n u n g der M i n d e r h e i t v o m Verband vgl. A . SCHÜMER, A r b e i t der T h e o l o g i n ; hier auch die K r i t i k , daß der T h e o l o g i n die Sakramentsverwaltung verwehrt wurde, und die K r i t i k am „ V i k a r i n n e n a m t " . Schärfer, da nach der T r e n n u n g vom Verband: I. GSCHLÖSSL/A. RÜBENS, E i n notwendiges W o r t .
240
Hannelore Erhart
Annemarie Rübens, ähnlich wie Religiöse Sozialisten nach Ende des ersten Weltkrieges, ekklesiologisch. Sie lehnte sich in ihrem Referat bewußt an das Augsburgische Bekenntnis ( C A ) an, weil in ihm „ein immerhin noch katholisierendes Moment statischer Ordnung in bezug auf die Kirche vorliegt", stärker als in Bekenntnissen anderer evangelischer Kirchen, die dem Gedanken vom allgemeinen Priestertum der Gläubigen und damit für Neubildungen auf dem Boden des kirchlichen Amtes mehr Raum ließen. Da aber nach der C A deutlich Verkündigung in Predigt und Sakrament zusammengehören und den Einzelnen mit den anderen Hörenden zur Kirche vereint, sei „ein kirchliches Amt, das sich nicht gründet auf Gemeindepredigt und Sakramentsausteilung, in sich sinnlos" 9 2 . Der Kompromiß, der auf der Tagung durch Neuformulierung der „Richtlinien" gefunden wurde, hielt jedoch nicht lange. Im Winter 1 9 2 9 / 3 0 trennte sich die Minderheit vom Verband 93 , die vier Kölnerinnen traten etwa zur gleichen Zeit in die SPD ein 9 4 und gründeten im Januar 1930 die Vereinigung evangelischer Theologinnen unter dem Vorsitz von Carola Barth 9 5 mit dem ausdrücklichen Ziel, das Pfarramt für die Theologin zu erreichen. Nun gewannen ihre Voten in den Auseinandersetzungen um die Frage des Pfarramtes für die Theologin größere Schärfe. Wiederum ist eine deutliche Annäherung an die Position der Religiösen Sozialisten aus dem Beginn der Weimarer Zeit, verbunden mit einer ekklesiologischen Argumentation, zu bemerken 9 6 . 92
Vgl. den B e r i c h t über die 4. Tagung ( o b e n A n m . 88), S. 9.
D i e Mitgliederliste des Verbandes aus dem J a n u a r 1929 enthielt n o c h die N a m e n derer, die später die Vereinigung gründeten; in der Mitgliederliste aus dem N o v e m b e r 1930 93
f e h l e n i h r e N a m e n ( A R C H I V DES K O N V E N T S EVANGELISCHER T H E O L O G I N N E N IN DER B U N D E S -
REPUBLIK, A b g a b e Frieda S c h i n d e l i n , M a p p e 1). 9 4 Das genaue D a t u m ist n i c h t gesichert, ü b e r e i n s t i m m e n d durch m ü n d l i c h e Aussagen aber ergibt sich der Z e i t p u n k t 1 9 2 8 / 2 9 . 9 5 Von der Vereinigung evangelischer T h e o l o g i n n e n liegt k a u m Dokumentationsmaterial vor; vgl. die Mitteilung der G r ü n d u n g in: DIE CHRISTLICHE WELT 4 4 , 1930, Sp. 2 4 0 ; aus der Sicht des Verbandes nach seiner 5. Tagung: K . KRÜGER, Erkenntnisse; DIES., T h e o l o g i n ; R . FUEHRER, B e r i c h t ; B e r i c h t über die 5. Tagung des Verbandes Evangelischer T h e o l o g i n -
nen Deutschlands zu Potsdam v o m 2 7 . - 3 0 . April
1 9 3 0 ( A R C H I V DES K O N V E N T S EVANGELI-
SCHER THEOLOGINNEN IN DER BUNDESREPUBLIK, A b g a b e Frieda Schindelin, M a p p e 1); M . SCHLEYPEN, B e r i c h t . — Von der Vereinigung selbst liegt das P r o t o k o l l der Sitzung der Theologinnen-Vereinigung v o m 7 . 1 1 . 1 9 3 1 in K ö l n vor; es s t a m m t aus Papieren von A n n e marie R ü b e n s , die sie an H a r t m u t Ludwig in K o p i e weitergegeben hatte (ich danke H . Ludwig für die Ü b e r l a s s u n g dieses D o k u m e n t e s ) . D a ß so wenig Material aus der Vereinigung selbst vorliegt, hat sicher mit seinen G r u n d in der Tatsache, daß die K ö l n e r V i k a r i n n e n bereits im Juli 1933 wegen ihres Eintretens für das J u d e n t u m entlassen wurden; C a r o l a B a r t h wurde 1934 f r ü h p e n s i o n i e r t . 9 6 Vgl. I. GSCHLÖSSL/A. RÜBENS, E i n notwendiges W o r t . F ü r sie wird die G e m e i n d e zerrissen, wenn die G e m e i n d e a r b e i t in Spezialgebiete aufgeteilt und an verschiedene T h e o l o gen bzw. T h e o l o g i n n e n übertragen wird, wie die A b t r e n n u n g des Kindergottesdienstes und seine Ü b e r t r a g u n g an die T h e o l o g i n ; eine K o n v e n t i k e l b i l d u n g wird gefördert, wenn der weib-
Die Theologin im Kontext von Universität und Kirche
241
Die Zeit des Nationalsozialismus 9 7 Für die Jahre 1933-1945 lassen sich drei Phasen der Entwicklung eines Amtes der Theologin erkennen. Schwerpunkt dieser Entwicklung war vornehmlich die Evangelische Kirche der altpreußischen U n i o n 9 8 : 1. Die erste Phase, die etwa die Jahre 1933 bis 1936 umfaßte, bedeutete für die konkreten Möglichkeiten von Ausbildung und Beruf der Theologin einen Rückschritt. Der Nationalsozialismus mit seinen staatlichen Gesetzen und der hierarchisch-männerdominierten Struktur seiner Organisationen wurde weithin zum Leitbild auch anderer gesellschaftlicher Gruppierungen, einschließlich kirchlicher Gruppierungen. Im Widerspruch dazu bildete die Bekennende Kirche nach der Bekenntnissynode von Dahlem neue Strukturen von Ausbildung, Prüfung und Anstellung aus, bezog jedoch die Theologin in diese Gestaltung zunächst wenig mit ein. 2. Seit der letzten Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche im Jahre 1936 bis in den Kriegsbeginn hinein trat innerhalb der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union eine Entwicklung im Verständnis des Amtes der Theologin ein. Es wurde als A m t der Wortverkündigung ausgestaltet, zu dem die Theologin eingesegnet/ordiniert wurde. 3. Durch den Kriegsbeginn änderte sich sowohl in der Deutschen Evangelischen Kirche als auch in der Bekennenden Kirche das Verhalten gegenüber den Theologinnen. Während die D E K durch ihre Gremien zum Einsatz von „weiblichen Arbeitskräften", den Vikarinnen, Bibelschülerinnen, Gemeindehelferinnen und Laienhelferinnen in den verwaisten Gemeinden aufrief, setzte die B K den „Vikarinnenausschuß" ein, um die Frage biblisch-theologisch klären zu lassen, „ob die Vikarin in das Predigtamt berufen und ordiniert werden k a n n " 9 9 . Die Einschätzung dieser Frage verlief auch in der B K kontrovers und konnte bis Kriegsende nicht entschieden werden. Die Entwicklung nach dem Krieg setzte an der Diskussion des „Vikarinnenausschusses" erneut an.
liehe Teil der G e m e i n d e abgetrennt wird, damit wird zugleich einer Trennung der Kirche in eine Frauenkirche und eine Männerkirche zugearbeitet; zudem werde das Pfarramt magisch qualifiziert, wenn ihm die Sakramentsverwaltung vorbehalten würde, dagegen die Seelsorgearbeit der T h e o l o g i n ohne Sakramentsverwaltung zu einer gelegentlichen persönlichen Besprechung. D i e Kölner Theologinnen waren inzwischen im Lehrvikariat in K ö l n , entweder bei G e o r g Fritze, dem „roten P f a r r e r " von K ö l n , oder bei H a n s Encke, der ebenfalls den Religiösen Sozialisten nahestand. Vgl. H . PROLINGHEUER, Der rote Pfarrer, S. 77f. 9 7 Es liegen inzwischen autobiographische Berichte von Theologinnen aus der Zeit des Nationalsozialismus vor, vgl. I. HÄRTER, Erfahrungen; H . - M . LINNEMANN, Theologinnen; R . MIELKE,
Lebensbild.
D i e folgende Darstellung kann in dieser Kurzübersicht nicht die Unterschiede in den einzelnen altpreußischen Provinzialkirchen berücksichtigen. 9 9 So die Uberschrift des Gutachtens von Peter Brunner aus dem N o v e m b e r 1940. 98
242
Hannelore Erhart
Ich gehe im folgenden auf diese drei Phasen kurz ein: 1. Bereits seit Oktober 1933 stand im Reichskirchenkabinett die Frage einer Neuordnung der theologischen Ausbildung zur Debatte* 0 0 . Ihr Ziel sollte es sein, das „Gesetz über die Vorbildung der Geistlichen" zu beschließen 1 0 1 . Im Vorfeld der Entstehung des geplanten Gesetzes 1 0 2 wurden Denkschriften, Memoranden u.a. nicht nur zum Thema „Studienreform" entworfen, sondern auch zur Pfarrerweiterbildung und schließlich zu einer „Akademie für kirchliche Führerschulung" 1 0 3 . Grundgedanke war „die Einordnung der kirchlichen Erziehungsarbeit in die Gesamterziehung des Staates". Insbesondere in den Entwürfen, deren Verfasser den Deutschen Christen nahestanden, wurde der männerbündlerische Charakter theologischer Ausbildung und Qualifikation deutlich. Einerseits schlössen Kriterien, die teilweise als prüfungsrelevant eingestuft wurden, die Theologinnen indirekt aus, so etwa die Forderung der Ableistung einer wehrsportlichen Ausbildung, die Forderung eines Beitritts zur SA, das Leben in Kameradschaftshäusern während der ersten drei Semester 1 0 4 . Andererseits wurden die Theologinnen gegenüber den Theologen offen abqualifiziert, wie es Emanuel Hirsch tat: „Was machen wir mit der Theologin? . . . Wir haben große umfangreiche Frauenarbeit in der evangelischen Kirche. Die Gemeindehelferin, die kirchliche Wohlfahrtspflegerin, die Leiterin kirchlicher Jugendvereine, die Seelsorgerin für Gefangene . . . Für alle diese Arbeit ist Universitätsbildung, ist theologische Bildung ein Vorteil. Diese gesamte Arbeit muß zu einem in sich individualisierten Amte der kirchlichen Gemeindehelferin zusammengelegt werden. Für diese Gemeindehelferin im neuen Sinne muß ein Theologiestudium als Vorbedingung gefordert werden . . . Die Theologin muß es freilich auf sich nehmen, daß sie geldlich weit weniger 100 Vgl. P r o t o k o l l der 5. S i t z u n g des R e i c h s k i r c h e n k a b i n e t t s am 19. O k t o b e r 1933, P u n k t III der T a g e s o r d n u n g : E i n r i c h t u n g beratender K a m m e r n f ü r T h e o l o g i e u n d Ausbildungsfragen ( E Z A BERLIN, 1/A 4 / 3 7 , BL. 0 1 9 f . ) und Verhandlungsniederschrift über die Sitz u n g des Geistlichen M i n i s t e r i u m s a m 23. M ä r z 1934 (EBD., 1/A 4 / 1 1 0 , BL. 002). 101
Vgl. den E n t w u r f „ G e s e t z über die V o r b i l d u n g u n d Anstellungsfähigkeit von T h e o -
logen v o m
. . . " ( E B D . , 1 / A 4 / 2 1 8 , BL. 3 9 f f . ) .
Ich k a n n in diesem Z u s a m m e n h a n g nicht auf die P r o b l e m a t i k der geplanten Verlager u n g der S t u d i e n a b s c h l u ß p r ü f u n g an die Fakultäten der staatlichen H o c h s c h u l e n eingehen. Sie ist insofern von B e d e u t u n g , als darin deutlich wird, daß Studenten u n d Studentinnen — ehe ein A u s b i l d u n g s a m t der B e k e n n e n d e n K i r c h e eingerichtet war — n o c h den Weg gingen, an b e s t i m m t e n Fakultäten, deren H o c h s c h u l l e h r e r der B e k e n n e n d e n Kirche nahestanden, ihre P r ü f u n g e n abzulegen, u m den deutschchristlichen K o n s i s t o r i e n zu entgehen. Vgl. etwa zu B o n n vor der E n t l a s s u n g Karl Barths: R . MIELKE, L e b e n s b i l d , S. 21; STUDIUM; zu M a r b u r g : W. SCHERFFIG, T h e o l o g e n , Bd. 1, S. 143 ff. Z u m P r o b l e m einer an der T h e o l o g i e der B e k e n n e n d e n Kirche ausgerichteten wissenschaftlich-theologischen A u s b i l d u n g vgl. die Beiträge von G . Besier, H . L u d w i g , G . van N o r d e n und J . Thierfelder in diesem Band. 1 0 3 Im folgenden begrenze ich m e i n e A u s f ü h r u n g auf die Darstellung der theologischen A u s b i l d u n g , soweit sie die Geschichte der T h e o l o g i n betrifft. 1 0 4 So etwa in der D e n k s c h r i f t v o n E m a n u e l H i r s c h zur „ P f a r r e r a u s b i l d u n g von der 102
Zeit vor d e m S t u d i u m bis ins A m t "
( E Z A BERLIN, 1 / A
2/553).
Die Theologin im Kontext von Universität und Kirche
243
günstig stehen wird als der Pfarrer. Wenn sie nur so viel bekommt, daß sie sich anständig kleiden kann, sich Bücher kaufen kann und von hauswirtschaftlichen Nöten frei ist, muß es genug s e i n . . . " 1 0 5
So verschärften sich mit der geplanten Neuordnung die Ausbildungsund Anstellungsmöglichkeiten für die Theologin: Seit dem Inkrafttreten des „Kirchengesetzes betreffend Vorbildung und Anstellung der Vikarinn e n " 1 0 6 und seinen Ausführungsanweisungen 107 hatten bis in das Jahr 1933 hinein erst wenige der Theologinnen vor den kirchlichen Konsistorien die theologischen Prüfungen ablegen können. Die Zahl der Theologiestudentinnen hatte sich jedoch bis 1933 erhöht, nun aber wurden die Studienmöglichkeiten aufgrund des numerus clausus für Studienanfängerinnen eingeschränkt. Der Evangelische Oberkirchenrat hatte deutlich gemacht, daß er aufgrund der staatlichen Politik ein Theologiestudium von Frauen nicht unterstützen werde, zudem hatten einige Landeskirchen ihre Theologinnengesetze zurückgenommen. Für die jungen Theologinnen, die sich zum größten Teil zur Bekennenden Kirche hielten, war damit noch stärker als für die jungen Theologen das auf der Bekenntnissynode von Dahlem beschlossene Notrecht von existentieller Bedeutung 1 0 8 — auch wenn sich dies erst infolge der Entwicklung bei den „jungen Brüdern" zeigte. Im Herbst 1 9 3 4 1 0 9 bzw. im Frühjahr 1935 1 1 0 wurden als Folge der Dahlemer Beschlüsse 111 Prüfungsämter der BK eingerichtet, erste Prüfungen 1 1 2
Vgl. E B D . 106 Yg[ Verordnung über das Inkrafttreten des Kirchengesetzes betreffend Vorbildung und Anstellung der V i k a r i n n e n vom 9. Mai 1927. V o m 17. August 1928 ( K G V B 1 1928, S. 249). 107 Yg[ Ausführungsanweisungen (vgl. o b e n A n m . 87). 105
108
V g l . W . SCHERFFIG, T h e o l o g e n ,
B d . 1,
S.63.
Vgl. K . MEIER, K i r c h e n k a m p f , B d . 1, S. 2 8 2 f., der das für die B e k e n n e n d e K i r c h e in Berlin-Brandenburg beschreibt. H i e r blieb, auch nach der T r e n n u n g in zwei Bruderräte im D e z e m b e r 1935, das gemeinsame Provinzialprüfungsamt unter Leitung von M a r t i n A l b e r t z erhalten. — C . LUTHER m a c h t darauf a u f m e r k s a m , daß die B K Westfalens bereits vor der B e k e n n t n i s s y n o d e in D a h l e m ein Prüfungsamt errichtet hatte ( N o t r e c h t , S. 149). 109
1 1 0 Vgl. W. SCHERFFIG, T h e o l o g e n , Bd. 1, S. 112, der die E r r i c h t u n g des Prüfungsamtes für die B e k e n n e n d e K i r c h e im R h e i n l a n d zusammen mit der westfälischen Provinzialsynode auf den 2 9 . 4 . 1 9 3 5 aufweist. 1 1 1 D i e Ausführungsverordnung zu den Beschlüssen der B e k e n n t n i s s y n o d e der DEK hatte in II Abs. 8 festgelegt: D e r Bruderrat „bestellt die Prüfungsämter der B e k e n n e n d e n K i r c h e " , und Abs. 9: „ E r regelt die O r d i n a t i o n der P f a r r e r . . ." (W. NIEMÖLLER, Bekenntnissynode D a h l e m , S. 3 9 f.). 1 1 2 Z u m B e r i c h t über ihre Prüfung, allerdings erst i m J a h r 1938, vgl. R . MIELKE, Lebensbild, S. 33 ff. Sie war eine der T h e o l o g i n n e n , die durch den H i m m l e r - E r l a ß von 1937 betroffen waren und damit ein „illegales" E x a m e n e r w a r b e n . Z u r Frage der „Illegalen", die in der Kirchengeschichtsschreibung über die B e k e n n e n d e K i r c h e k a u m B e a c h t u n g gefunden haben, vgl. jetzt W. SCHERFFIG, T h e o l o g e n , Bd. 2, S. 2 9 9 ff.
244
Hannelore Erhart
und Ordinationen von Theologen durchgeführt 113 und die Kirchliche Hochschule mit ihren Abteilungen in Wuppertal und in Berlin als Ausbildungsstätte für Theologen und Theologinnen der BK gegründet. In Dokumenten der BK aus diesen Jahren wird deutlich, welche Probleme der Ausbildung und Anstellung von Theologinnen aus der Sicht führender Theologen der BK zu einer Klärung oder Lösung anstanden: In den ersten Jahren nach 1933 waren dies anscheinend vor allem Fragen der zweiten Ausbildungsphase 114 , die durch eingetretene Entwicklungen einer Klärung zugeführt werden mußten. Erika Dalichow hatte als erste Vikarin der BK am 24. Oktober 1935 ihr zweites Examen vor dem Prüfungsamt der BK abgelegt 115 . Noch während ihrer Ausbildungszeit hatte der brandenburgische Bruderrat am 23. Juli 1935 eine Ausführungsverordnung erlassen, die den Ausbildungsgang auch von Theologinnen nach dem 1. Examen regelte 116 . Den Wunsch von Erika Dalichow, zusammen mit den Brüdern ordiniert zu werden, lehnte Superintendent Martin Albertz allerdings zu dieser Zeit noch mit der Begründung ab, daß „das Pfarramt und das Vikarinnenamt einen wesentlich anderen Gehalt haben" 1 1 7 . 2. Eine Entwicklung im Verständnis des Amtes der Theologin über das Vikarinnengesetz von 1927 hinaus ist in den Jahren ab 1936 erkennbar. Gegenüber früheren Diskussionen, auch unter den Theologinnen selbst, ist jetzt ein Perspektivenwechsel wahrnehmbar: War die Erörterung zunächst den Fragen der unterschiedlichen Arbeitsfelder und damit der unterschiedlichen Praxis der Theologinnen gewidmet und reflektierte kaum ein Amtsverständnis, trat jetzt mit der Verlagerung der Diskussion auf den Amtsbegriff deutlich ein institutioneller Aspekt hervor, der auf die Einbindung der Theologin in die Kirche abzielte. Er fand seinen Ausdruck in der Ordination bzw. der Einsegnung 118 der Theologin zu einem 113
V g l . G . H Ä R D E R , T ä t i g k e i t , S. 1 9 2 .
D i e zweite A u s b i l d u n g s p h a s e war d u r c h das V i k a r i n n e n g e s e t z von 1927 n o c h weithin ungeklärt. 114
115
Vgl. I. HÄRTER, E r f a h r u n g e n ,
S.193.
Vgl. G . HÄRDER, Tätigkeit, S. 194. N a c h der A u s f ü h r u n g s v e r o r d n u n g w u r d e n Lehrv i k a r i n n e n während der zweijährigen Lehrvikariatszeit nicht in ein Predigerseminar einge116
w i e s e n (vgl. EBD.). 1 1 7 Vgl. I. HÄRTER, E r f a h r u n g e n , S . 1 9 3 . A l b e r t z argumentierte hier n o c h vollständig von den Voraussetzungen des Gesetzes v o m 9 . 5 . 1 9 2 7 . 1 , 8 D i e T h e o l o g i n n e n sprachen in den Berichten über ihre E i n s e g n u n g / O r d i n a t i o n fast d u r c h g ä n g i g von „ O r d i n a t i o n " , obwohl die U r k u n d e n n o c h deutlich als Einsegnungsu r k u n d e n definiert sind, wenn auch inzwischen Kriterien aufweisbar sind, die über die alten E i n s e g n u n g e n nach d e m V i k a r i n n e n g e s e t z v o n 1927 hinausgehen. Vgl. etwa die Berichte über die ersten O r d i n a t i o n e n : E . ZINN, AUS den L a n d e s g r u p p e n ; Renate L u d w i g in: 5. R u n d b r i e f der Berliner T h e o l o g i n n e n v o m 1 6 . 7 . 1 9 3 6 ( E Z A BERLIN, 6 1 1 / 1 5 , 1 3 ) ; M a r t h a Voigt: D i e O r d i n a t i o n a m 22. A u g u s t , in: 6. T h e o l o g i n n e n - R u n d b r i e f v o m 2 4 . 9 . 1 9 3 6 (EBD.); Liselotte B o r n i k o e l , Bericht über die O r d i n a t i o n v o m 1 2 . 3 . 1 9 3 7 , in: 10. R u n d b r i e f der Berliner T h e o l o g i n n e n v o m 2 3 . 3 . 1 9 3 7 (EBD.).
Die Theologin im Kontext von Universität und Kirche
245
kirchlichen A m t 1 1 9 . In der einzigen Studie, die zum Thema Frauenordination in der Bekennenden Kirche der altpreußischen Union vorliegt, wies Ilse Härter für die ersten Einsegnungen bzw. Ordinationen von Theologinnen durch die BK von Berlin im Juli und August 1 9 3 6 1 2 0 als Inhalt einer „Neubestimmung des Dienstes" der Theologin das Gelübde der Theologin und die Assistenz von Pfarrern der BK auf, die sich damit „zu diesen Ordinationen von Vikarinnen durch ihre Teilnahme bekannten". Für die theologische Füllung des Amtsbegriffs ist die Formulierung im Gelübde der Ordinandinnen wichtig 1 2 1 . Bis auf wenige Ausnahmen glich es dem Gelübde der Ordinanden 1 2 2 . Der Präses der Bekennenden Kirche von Berlin, Gerhard Jacobi, der die ersten Vikarinnen der BK einsegnete, sprach in seiner Predigt von der Übertragung eines geistlichen Amtes, bzw. des Amtes der Wortverkündi-
119 In den Berichten der V i k a r i n n e n über ihre Ordination wird dieser Aspekt jeweils sehr deutlich herausgearbeitet, vgl. etwa E. ZINN, AUS den Landesgruppen, S. 14, in der Wiedergabe eines Gespräches mit Gerhard Jacobi „die Ordination bedeute die feierliche Ubertragung des Amtes der Verkündigung durch die Kirche. Unsere Arbeit solle . . . unter den Ruf und Auftrag der Kirche k o m m e n . W i r würden n u n m e h r als Träger eines geistlichen Amtes von der Kirche bevollmächtigt sein". Die Übertragung des geistlichen Amtes der Wortverkündigung und damit das Wort Gottes als der „entscheidende Orientierungsp u n k t " für ihre Arbeit wurde für die Berliner T h e o l o g i n n e n wichtig in der Auseinandersetzung um die Legalisierungsfrage (vgl. den Brief von Klara Hunsche, Liselotte Bornikoel, Ruth Hamer, Lore Schlunk und Christa Müller vom 2 1 . 1 . 1 9 3 9 an M a r t i n Albertz: EZA
BERLIN, 6 1 1 / 1 5 , 7 ) .
120 VG[ z u diesem und dem folgenden I. HARTER, Erfahrungen, S. 194 f. Da Ilse Härter in ihrem Beitrag diese E n t w i c k l u n g deutlich aus eigener Erfahrung beschrieben hat, gehe ich nur k u r z auf die wichtigsten Entwicklungen ein. Für W ü r t t e m b e r g vgl. die Studie von E. REICHLE, Theologin; DIES., Frauenordination. 121 Die Bekenntnissynode zu Halle 1937 beschäftigte sich ausführlich mit dem Ordinationsgelübde, dem die Lehrverpflichtung zugrunde lag. Dies war u.a. deshalb T h e m a der Synode, weil in der Lehrverpflichtung der konfessionelle Kontext in der Zitierung der Bekenntnisschriften berücksichtigt werden mußte (vgl. G. NIEMÖLLER, Synode Halle, 105ff. und 440 f.). H i e r ist das Ordinationsgelübde selbst nicht als Beschluß vollständig aufgenommen; vgl. aber L K A DÜSSELDORF, N L Aenne Kaufmann, wo der Text des Gelübdes, so wie er in Halle verabschiedet wurde, erhalten ist (ich danke Ilse Härter für den Hinweis auf dieses D o k u m e n t ) . Der Bezug auf die Barmer Theologische Erklärung, die in Halle als Zusatz z u m Gelübde verabschiedet wurde, wurde in den Wortlaut des Gelübdes der V i k a r i n n e n , die 1937 eingesegnet/ordiniert wurden, handschriftlich nachgetragen. 122 Die wenigen A u s n a h m e n beziehen sich sämtlich auf das Amtsverständnis, so wenn im Gelübde der V i k a r i n n e n die Einschränkung bei der Verwaltung der Sakramente eingefügt wird: „sofern euch ihre Spendung von der Kirchenleitung gestattet wird", oder statt „daß es dem evangelischen Prediger nicht zusteht" formuliert wird „daß es euch nicht zusteht". U n d in der Schlußfrage an die V i k a r i n n e n heißt es „willigt ihr ein, über euch zu nehmen das A m t der Verkündigung", während die Frage an die Pfarrer lautet „über euch zu nehmen das teure Predigtamt" (die Kopien der O r d i n a t i o n s u r k u n d e n verdanke ich Ilse Härter).
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Hannelore Erhart
gung an die Vikarin 1 2 3 . Aus dem Wortlaut des Gelübdes geht auch hervor, daß das Amt der Vikarin als ein Amt der Wortverkündigung nicht das herkömmliche Gemeindepfarramt meinte 1 2 4 . Handelte es sich aber im Amt der Vikarin um ein geistliches Amt neben dem herkömmlichen Pfarramt, so war die BK hier bereits auf dem Weg zur Gestaltung eines mehrfachen Amtes statt des — im deutschen Kontext vornehmlich lutherisch geprägten — einen geistlichen Amtes 1 2 5 . Interessant ist das Datum der ersten Ordinationen/Einsegnungen der Theologinnen im Hinblick auf das Verständnis der Geschichte der BK der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union, speziell der Bruderräte von Berlin und Brandenburg. Die Amtshandlung der Ordination hatte Jacobi zeitlich nach der letzten Bekenntnissynode der D E K in Bad Oeynhausen vom 18.-22. Februar 1936 1 2 6 und der Bestellung der 2. Vorläufigen Kirchenleitung unter Martin Albertz vollzogen. Die altpreußische BK war damit — auch innerhalb der gesamten BK — einen eigenen Weg in der Ausgestaltung des Amtes der Theologin gegangen 127 . 3. Sowohl die D E K als auch die BK beschäftigte nach Kriegsausbruch die Frage, wie dem Problem zu begegnen sei, daß mehrere Gemeinden durch die Einziehung der Pfarrer zum Kriegsdienst verwaist waren. Die Frage, die gelöst werden mußte, war, ob denn die Verwaltung eines Pfarramtes durch eine Theologin anstelle eingezogener Pfarrer möglich sei, insbesondere ob dazu Theologinnen ordiniert werden konnten. Dies aber beinhaltete ja zugleich die Auseinandersetzung um eine theologische Lehre von der Kirche und vom Amt der Kirche. BK und D E K reagierten sehr unterschiedlich auf diese Herausforderung. In verschiedenen Anschreiben an die obersten kirchlichen Behörden versuchte die D E K durch den Geistlichen Vertrauensrat und die Kirchenkanzlei sowohl auf die Vikarinnen als Hilfskräfte, die eingesetzt werden könnten (1939), hinzuweisen 128 , als auch Informationen zu den Fragen der 123 Vgl. Jacobi, Ansprache bei der Ordination von 9 Vikarinnen in der Jesus ChristusK i r c h e i n D a h l e m a m 2 . J u l i 1 9 3 6 ( A R C H I V DES KONVENTS EVANGELISCHER THEOLOGINNEN IN DER BUNDESREPUBLIK).
124 Vgl. (Jj e Änderungen im Wortlaut gegenüber dem Gelübde der Pfarrer (vgl. oben A n m . 122). 1 2 5 Die Ansätze eines mehrfachen Amtes, das historisch seine Wurzeln in der reformierten Reformation hat, wurden während des Krieges stärker ausgeformt (vgl. dazu A . STEIN, Laienpredigt, S. 7 0 ff.). 1 2 6 Vgl. W. NIEMÖLLER, Bekenntnissynode Oeynhausen. 1 2 7 Die Folgen wurden vor allem in kirchenpolitischen und politischen Konflikten sichtbar, so etwa nach dem H i m m l e r - E r l a ß bzw. in der Legalisierungsdebatte. 1 2 8 Vgl. das Schreiben des Geistlichen Vertrauensrates v o m 1 8 . 9 . 1 9 3 9 , das am 3 . 1 0 . 1 9 3 9 an die Konsistorien weitergegeben wurde. Martin A l b e r t z informierte daraufhin den altpreußischen Rat und den Bruderrat von Berlin und Brandenburg, ebenfalls auch Klara Hunsche, die federführend die Sache der T h e o l o g i n in der Geschäftsstelle des Bruderrates vertrat ( E Z A BERLIN, 6 1 1 / 1 5 , 1 4 ) .
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Arbeitsgebiete und der Rechtsstellung der Theologin (1940) einzuholen^. Die BK, die Anfang Oktober 1939 durch Martin Albertz vom Anschreiben des Geistlichen Vertrauensrates aus dem September/Oktober informiert worden war, reagierte noch im Oktober mit einem Beschluß, dessen 3. Abschnitt weitgehende Zugeständnisse an die Vikarinnen enthielt: „Während der Zeit des Krieges kann der zuständige Provinzialbruderrat einer Vikarin für eine bestimmte Zeit und ein begrenztes Arbeitsgebiet die Erlaubnis erteilen, die Sakramente zu spenden. Wo ein besonderer N o t s t a n d vorhanden ist, kann der Vikarin auch die Erlaubnis der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung im Gemeindegottesdienst, einschließlich der Vornahme v o n Amtshandlungen, die sonst dem Diener am Wort vorbehalten sind, gegeben werden. In solchen Fällen ist erforderlich, daß das Einverständnis der G e m e i n d e vorliegt und ein Pfarrer oder Ältester der Vikarin bei ihrem Dienste zur Seite tritt. U b e r eine grundsätzliche Erweiterung des Amtes einer Vikarin in der Evangelischen Kirche der altpreußischen U n i o n über die geltenden Grenzen hinaus steht nur der Bekenntnissynode eine Entscheidung zu." 1 - 50
Anscheinend noch vor Kriegsbeginn hatten die Berliner Vikarinnen eine Eingabe 1 3 1 erarbeitet, die nun im November 1939 auf Anraten von Albertz und über ihn 1 3 2 an den altpreußischen Bruderrat eingereicht wurde. Wohl mitveranlaßt durch das Schreiben des Geistlichen Vertrauensrates und durch die Eingabe der Vikarinnen, wurde in den Beschlüssen des altpreußischen Bruderrates vom 28. November 1939 durch Beschluß 2 die Besoldung der Vikarinnen neu geregelt 133 . Ehe die Bekenntnissynode im Herbst 1940 zusammentraf und weitere Beschlüsse zur Frage der Theologinnen fassen konnte, hatte bereits die DEK am 15. August 1940 durch ihre Umfrage über Arbeitsgebiete und
129
Deutsche Evangelische Kirche, Kirchenkanzlei, gez. Dr. Fürle, an die obersten Behörden der deutschen evangelischen Landeskirchen, betr. Arbeitsgebiet und Rechtsstellung der Vikarinnen (EZA BERLIN, 1/A 4/219, 34-37 und 7/1570/175). 130 EBD., 50/615/308. 131 Vgl. den Brief von Elisabeth Grauer an die „Schwestern im Amt und in der Ausbildung" vom 4.9.1939 (EZA BERLIN, 611/15,13). Das Schreiben machte deutlich, daß die Arbeit am Amtsverständnis die Berliner Theologinnen seit längerem beschäftigte. Daraus entstand die „Eingabe", die sie am 2.11.1939 an Albertz einreichten (EBD., 611/15,12). 132 VG] ,JAS Schreiben von Albertz an den Rat der altpreußischen BK (EBD., 611/15,14). Albertz fügte eigene Bemerkungen an, als Punkt 2 schrieb er: „Es ist eine Regelung aufzustellen für Notpfarrämter. Wenn den Kirchenältesten in solchen Fällen auch Amtshandlungen übertragen werden, ist nicht einzusehen, warum sie nicht den Vikarinnen dann zuerkannt werden." Hier ist deutlich eine Entwicklung gegenüber seinem Votum zu dem Gesuch von Erika Dalichow festzustellen. 133
EZA
BERLIN,
50/615/313.
248
Hannelore Erhart
Rechtsstellung der Vikarinnen die Initiative ergriffen 1 3 4 . Sie bildete mit der Eingabe der Vikarinnen wohl den Grund dafür, daß auf der 9. Bekenntnissynode in Leipzig vom 12. bis 13. Oktober 1940 Peter Brunner ersucht wurde, ein theologisches Gutachten zur Frage des Dienstes der Vikarin zu erarbeiten 1 3 5 . Bereits im November lag dieses vor 1 3 6 . Seine theologisch umstrittenen Aussagen über die Vikarin als die theologisch gebildete Diakonisse 1 3 7 erfuhren nicht nur im Gutachten der Vikarinnen 1 3 8 eine Zurückweisung durch Richtigstellung. Schließlich sah sich der altpreußische Bruderrat veranlaßt, den Vikarinnenausschuß mit dem Auf-
1 3 4 Vgl. oben A n m . 129. D i e Anfrage wurde nicht p r i m ä r mit der Kriegssituation begründet, sondern mit dem „ M a n g e l an N a c h w u c h s für den Pfarrerstand, der auch nach Beendigung des Krieges voraussichtlich noch steigen wird". D i e Vorschläge umfassen: Einrichtung von Vikarinnenstellen in G e m e i n d e n zur Einsparung von Pfarrerstellen bzw. zur Entlastung von Pfarrern, wenn etwa ein G e f ä n g n i s oder ein Krankenhaus mit zu betreuen ist, eine vorübergehende Vertretung von Pfarrern, eine Neuregelung der Besoldung. D i e Aufgabengebiete sollten umfassen: „Frauenarbeit, Jugendarbeit, Religionsunterricht, Konfirmandenunterricht, Gefängnis- und Krankenhausseelsorge an Frauen in selbständiger Verantwortung". D a die D E K nicht für die Ordination von T h e o l o g i n n e n zuständig war, fehlte jede Erörterung dieser Problematik. 1 3 5 11. Beschluß. Zur Vorlage über den Dienst der Vikarinnen (vgl. W. NIESEL, Verkündigung, S. 84). D e r Beschluß lautete: „P. Brunner wird gebeten, ein theologisches Gutachten zur Vorlage über den Dienst der Vikarinnen auszuarbeiten und dieses dem Bruderrat vorzulegen, damit dieser es an die Vikarinnen zur Stellungnahme weitergeben kann. Zu beiden sollen die Provinzialbruderräte Stellung nehmen. D i e Entscheidung verbleibt der Bekenntnissynode." 13i> Während der Beschluß der Bekenntnissynode ein theologisches Gutachten über den Dienst der Vikarinnen erbat, hatte sich das T h e m a bei Brunner im Verlauf der Erarbeitung auf die O r d i n a t i o n s p r o b l e m a t i k verschoben. D e r Titel seines E n t w u r f s lautete: „ U b e r den Dienst der Vikarin, seine G r e n z e und seinen I n h a l t " (das D o k u m e n t wurde mir dankenswerterweise in K o p i e von Ilse Härter zur Verfügung gestellt). D a s endgültige Gutachten trug den Titel: „Gutachten über die Frage, ob die Vikarin in das Predigtamt berufen und ordiniert werden k a n n " ( E Z A BERLIN, 5 0 / 6 1 5 / 4 8 4 - 5 0 1 ) . Es wurde am 2 2 . 1 1 . 1 9 4 0 fertiggestellt. — Z u m ganzen vgl. insbesondere I. HÄRTER, Erfahrungen. 1 3 7 Grundaussage Brunners in seinem Gutachten (vgl. oben A n m . 136) war, daß „derjenige Dienst der Frau in der Kirche, der in einer Beauftragung durch die Kirche gründet, . . . mit der Verkündigung des Wortes im Gottesdienst der G e m e i n d e und mit der Darreichung der Sakramente nichts zu t u n " hat. D i e Begründung sah er in der seinsmäßigen Unter- und N a c h o r d n u n g der Frau unter den M a n n gegeben. Daher blieb als „legitimer Dienst für die Frau in der Kirche, der in einem amtlichen Auftrag der Kirche gründet", nur der Dienst der Diakonisse. D i e Vikarin war für ihn die „theologisch ausgebildete Diakonisse, deren Dienst insbesondere in der Seelsorge und Unterweisung im Wort an K i n d e r n , Mädchen und Frauen besteht". — Brunner argumentierte sehr stark mit biblischem Material, so daß sich das Gutachten der T h e o l o g i n n e n in einem Hauptteil ebenfalls mit den biblischen Aussagen beschäftigte. 1 3 8 Das Gutachten der Vikarinnen, das in verschiedenen Abschriften vorliegt, trägt in einer Ausgabe die Uberschrift: „ Ä u ß e r u n g der Vikarinnen auf die G u t a c h t e n " ( E Z A BERLIN, 5 0 / 6 1 5 / 5 1 9 - 5 3 4 ) . Es wurde mit Schreiben von Elisabeth Grauer am 1 7 . 3 . 1 9 4 1 an den Rat der altpreußischen B K versandt (vgl. EBD., 5 0 / 6 1 5 / 5 0 2 ) .
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249
trag e i n z u s e t z e n , die Frage der T h e o l o g i n t h e o l o g i s c h zu klären. In der sich an den gegensätzlichen G u t a c h t e n e n t z ü n d e n d e n D i s k u s s i o n kristallisierten sich i m V i k a r i n n e n a u s s c h u ß v o r allem zwei unterschiedliche Posit i o n e n h e r a u s 1 3 9 , deren G e g e n s a t z während der gesamten A r b e i t des Vikarinnenausschusses u n d auf der S y n o d e in H a m b u r g - H a m m v o m 17. bis 18. O k t o b e r 1942 nicht ü b e r b r ü c k t werden konnte. A u f der S y n o d e selbst hatte sich, auch durch den K r i e g m i t b e d i n g t , eher die P o s i t i o n von Brunner durchgesetzt, w e n n in den Beschlüssen IV u n d V f o r m u l i e r t wurde: . . . 1. Der Dienst der theologisch gebildeten Frau (Vikarin) ist Dienst am Wort. Er richtet sich an Frauen, Jugendliche und Kinder. 2. Die Vikarin übt ihren Dienst nicht im Gemeindegottesdienst aus. Auch das Amt der Gemeindeleitung wird von ihr nicht geführt. 3. Ergibt sich im Vollzug ihres Dienstes, daß er sich auch auf Männer erstreckt (in Bibelstunden, Krankenhausdienst, Jugendgottesdienst u. dgl.), so soll dagegen keine gesetzliche Schranke aufgerichtet werden. 4. Der Vikarin wird das Recht übertragen, im Rahmen ihres Dienstes die Vergebung der Sünden zuzusprechen und die Sakramente zu verwalten. 5. Die Vikarin wird im Gemeindegottesdienst unter Handauflegung und Gebet in ihren Dienst eingesetzt (Ordination). . . In Zeiten der N o t , in denen die geordnete Predigt des Evangeliums aus dem Munde des Mannes verstummt, kann die Kirchenleitung gestatten, daß Frauen, die dazu geeignet sind, auch im Gemeindegottesdienst das Evangelium verkündigen... Es ist demnach mit Martin Luther zu urteilen, daß ,um der Ordnung, Zucht und Ehre willen Weiber schweigen, wenn die Männer reden. Wenn aber kein Mann predigt, so wär's vonnöten, daß die Weiber predigten'" 1 4 0 . D e r K o n f l i k t setzte sich a u c h in den A u s f ü h r u n g s b e s t i m m u n g e n durch. E i n E r g e b n i s dieses K o n f l i k t e s war die O r d i n a t i o n v o n Ilse H ä r t e r u n d H a n n e l o t t e R e i f f e n durch K u r t Scharf a m 1 2 . 1 . 1 9 4 3 . K u r t Scharf hatte diese H a n d l u n g , wie Ilse H ä r t e r berichtete, b e w u ß t als Protest gegen die H a m b u r g e r Beschlüsse u n t e r n o m m e n . D a m i t sind Ilse H ä r t e r u n d H a n n e lotte R e i f f e n die ersten T h e o l o g i n n e n i n n e r h a l b der d e u t s c h e n evangelischen K i r c h e ( B K u n d D E K ) , die diese O r d i n a t i o n e m p f a n g e n haben.
139 Während die G r u p p e u m Peter B r u n n e r von der s c h ö p f u n g s g e m ä ß gegebenen Unterund N a c h o r d n u n g der Frau votierte, war f ü r die G r u p p e u m Ernst Wolf und H e r m a n n D i e m die U n t e r o r d n u n g der Frau durch die K i r c h e n o r d n u n g gegeben und daher aufhebbar. 1 4 0 Vgl. W. NIESEL, Verkündigung, S . 9 7 f .
G E R H A R D BESIER
Zur Geschichte der Kirchlichen Hochschulen oder: der Kampf um den theologischen Nachwuchs In den hier zu erörternden Zusammenhang gehört nur die Geschichte der beiden Kirchlichen Hochschulen der Bekennenden Kirche in Berlin und Wuppertal-Elberfeld, nicht die der Kirchlichen Hochschule Bethel 1 und der Augustana-Hochschule Neuendettelsau 2 . Uber den Weg der Kirchlichen Hochschulen in Wuppertal und Berlin zwischen 1935 und 1945 gibt es bereits Literatur aus neuerer Zeit, die eine grundlegende Darstellung erübrigt 3 . Manche Einzelheiten haben freilich wenig Beachtung gefunden oder sind gar unbekannt geblieben. Auf sie möchte ich im folgenden — neben schon Bekanntem — das Augenmerk richten. 1. Die Kirchlichen Hochschulen: Lehrstätten des „Dahlemitischen " Flügels der Bekennenden Kirche Die Neugründung der Kirchlichen Hochschulen durch den Bruderrat der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union im Sommer 19354 gehört in den Maßnahmenkatalog der Bekennenden Kirche als Antwort auf den Versuch des nationalsozialistischen Staates und der Deutschen Christen, den theologischen Nachwuchs zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Es handelte sich aber um keinen isolierten Schritt, sondern gewissermaßen um die Spitze einer völligen Neuordnung der theologischen Aus- und Fortbildung. Mindestens das gleiche Gewicht besaßen die Ausbildungs- und Prüfungsämter, das Theologiestudentenamt sowie Predigerseminare 5 . Eine vorsichtigere, meist von den intakten lutherischen Kirchen unterstützte Maßnahme, bestand in der Einrichtung von kirchlichen Ersatzvorlesungen und -Seminaren an den theologischen Fakultäten.
1
Vgl. dazu G . RUHBACH, Hochschule Bethel; DERS., Art. Hochschulen, Kirchliche.
2
Vgl. G . MONNINGER,
3
G . H Ä R D E R / H . V O G E L , A u f g a b e ; W . N I E M Ö L L E R , D a h l e m , b e s . S. 1 3 0 - 1 4 1 ( L i t . ) ; S T U D I U M ;
Denkwerkstatt.
K I R C H L I C H E H O C H S C H U L E B E R L I N ; C . G E S T R I C H , G e d a n k e n ; G . B E S I E R , G r ü n d u n g ( L i t . ) ; DERS.,
Kirche, DERS., Vogel; A. KERSTING, Kampf, S. 2 8 5 - 3 4 8 . 4 Vgl. dazu STUDIUM, S. 70ff. 5 Vgl. dazu W. SCHERFFIG, Theologen, Bd. 1, S.201 ff.; Bd. 2, bes. S . 7 6 f f . , 83ff., 230ff., 281 ff.; A. GROSCH, Vergangenheit, S. 31 f. Vgl. auch aus der Perspektive eines Lehrenden G . DEHN, Zeit, S.309ff.
252
Gerhard Besier
So richtig es ist, daß es, insbesondere unter den Reformierten 6 , schon früher Überlegungen gegeben hatte, eine Theologische Schule zu gründen, bzw. die in Elberfeld auszubauen 7 , gab doch der Erlaß des Reichs- und Preußischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 28. Februar 1935 8 an die Theologischen Fakultäten den letzten entscheidenden Anstoß, das gewagte Unternehmen in Gang zu setzen. Der Erlaß untersagte den Ev.-theol. Fakultäten „jede öffentliche Stellungnahme im Kirchenstreit", verpflichtete die Professoren und Dozenten zur unbedingten Loyalität gegenüber dem NS-Staat, machte die Mitarbeit in sog. „frei gebildeten kirchlichen Vereinigungen" von der „besonderen Genehmigung" des Ministers abhängig und wies den Lehrkörper an, seinen „ganzen Einfluß dafür einzusetzen, daß die Studenten der Theologie sich jeder öffentlichen Stellungnahme im Kirchenstreit enthalten" sollten. Bekanntlich gingen darauf seitens der Theologischen Fakultäten bzw. von Einzelmitgliedern derselben Stellungnahmen im Ministerium ein, die sich mehr oder weniger deutlich gegen die Reglementierung der theologischen Freiheit in Lehre und Forschung wandten 9 . Von der Einschätzung dieses Protestes hingen die weiteren Schritte ab. Aus den Plänen für die Gründung einer Kirchlichen Hochschule mußten auch die der Bekennenden Kirche nahestehenden Theologieprofessoren den Schluß ziehen, man traue ihnen nicht mehr zu, dem staatlichen Druck zu widerstehen. Symptomatisch für diese Haltung ist der Satz des Bonner Neutestamentiers und Systematikers Hans Emil Weber an den rheinischen Präses Paul Humburg: „Die Bekennende Kirche gibt die Fakultäten preis, fällt uns in den R ü c k e n ! " 1 0 Daß den „Kirchlichen Hochschulen für reformatorische Theologie" durchaus ein offensives Moment innewohnte, das insbesondere auch liberale Hochschullehrer in die Entscheidung rief, wird in den Beschlüssen der Augsburger Bekenntnissynode der D E K über die „Vorbildung und Prüfung der Pfarrer der Bekennenden Kirche" deutlich 1 1 . Sätze wie: man erwarte von den Theologiestudenten, „bei der Wahl ihrer Lehrer der Zugehörigkeit zur Bekennenden Kirche eingedenk" 1 2 zu bleiben, ließen einem theologischen Pluralismus — auch wenn sie in nachträglichen Interpreta-
6
V g l . STUDIUM, S . 3 2 .
7
Zu den Überlegungen im Z u s a m m e n h a n g mit der Entlassung Barths in B o n n vgl. ff.
EBD., S. 3 4 8
E B D . , S . 4 5 f . ; C . N I C O L A I S E N , D o k u m e n t e , B d . 2 , S . 2 7 1 f.
9
V g l . E Z A B E R L I N , 1 / C 3 / 9 3 ; v g l . a u c h E . D I N K L E R / E . D I N K L E R - V O N SCHUBERT, T h e -
ologie, S. 134 ff. (Dort auch weitere Hinweise). 10
Z i t i e r t n a c h STUDIUM, S . 9 4 ; v g l . a u c h E . D I N K L E R / E . D I N K L E R - V O N SCHUBERT, T h e o -
logie, S. 169 ff. Vgl. dazu auch den Beitrag von G . van N o r d e n in diesem Band. 11 W. NIEMÖLLER, Bekenntnissynode Augsburg, S. 81 f. 12
EBD.
Zur Geschichte der Kirchlichen Hochschulen
253
tionen wieder abgeschwächt wurden — k a u m mehr R a u m 1 3 . D e r K a m p f u m die theologische Wahrheit sollte — jedenfalls nicht allein — „ i m freien Wettbewerb", im „ehrlichen K a m p f der Geister" erfolgen 1 4 , wie Hermann Mulert empfahl, sondern auf institutioneller Ebene auch in der Gewinnung des theologischen Nachwuchses für eine bestimmte theologische Richtung — die der „Dahlemiten" nämlich 1 5 . N e b e n der vermeintlichen Gefährdung staatlicher theologischer Fakultäten lag in diesem Sachverhalt ein wichtiger G r u n d für die O p p o s i t i o n gegen die Hochschulgründung aus den Reihen der Bekennenden Kirche selbst. Als H a n s von Soden während der preußischen Bruderratssitzung v o m 1. August 1935 vorsichtig fragte, „ o b ein gleichzeitiges Belegen an Universität und neuer Hochschule beabsichtigt sei", ergänzte N i e m ö l l e r „seinen Bericht dahin, daß ein derartiges gleichzeitiges Belegen nicht beabsichtigt sei, daß vielmehr das Semester lediglich an der kirchlichen Hochschule studiert werden s o l l e " 1 6 . Bald nach der G r ü n d u n g der Hochschulen heißt es in einem BK-Flugblatt zur „ L a g e der Theologiestudenten heute": „Wo daneben [seil, neben DC-Professoren] noch überwiegend neutrale Professoren Vorlesungen halten, ist die Gefährdung rechter kirchlicher Ausbildung ebenso groß. Denn hier erhält der Theologiestudent den Eindruck, daß Schweigen in der Not der Kirche statt Bekennen, Unentschiedenkeit statt Entscheidung für oder wider Christus eine scheinbar kirchlich mögliche Haltung ist, zumal ihm diese Haltung im Gewände wissenschaftlicher Forschung begegnet." 17 Hier kündigte sich ein anderes Wissenschaftsverständnis, eine völlig neue Konzeption theologischer Ausbildung a n 1 8 , die auch vielen BKTheologen fremd, jedenfalls k a u m diskutiert worden war.
13
Vgl. dazu z.B. H . MULERT, T h e o l o g e n v o r b i l d u n g . Vgl. auch das Schreiben H a n s von
Sodens an Karl K o c h v o m
1 4 . 7 . 1 9 3 5 ( E . D I N K L E R / E . DINKLER-VON SCHUBERT, T h e o l o g i e ,
S. 163 ff.); K . ALAND, G l a n z , S. 831 ff.; vgl. auch EBD., S. 125 ff. 14 H . MULERT, T h e o l o g e n v o r b i l d u n g . A m 1 . 5 . 1 9 3 4 schrieb H e i n r i c h Vogel an Karl Barth: „Wir befinden uns nicht im D i s k u s s i o n s r a u m , sondern auf dem Schlachtfeld" ( K B A BASEL). 15
S o a u c h STUDIUM, S . 9 4 ;
102.
Zitiert nach EBD., S . 7 4 f . 1 7 E Z A BERLIN, 5 0 / 9 4 1 . 18 H e i n r i c h Schlier schrieb am 1 5 . 1 0 . 1 9 3 5 an H a n s Hellbardt: „ . . . n a t ü r l i c h müssen wir . . . jetzt den Beweis liefern, daß die K H nicht nur ,Ersatz' und ,Zeichen' ist, sondern eine neue F o r m kirchl. Ausbildungsstätte" (zit. nach STUDIUM, S. 103). Vgl. auch Schliers Brief an den Rat der A P U v o m 2 2 . 1 0 . 1 9 3 5 (EBD., S. 3 0 5 - 3 0 8 ) ; vgl. W. SCHERFFIG, Theologen, Bd. 2, S. 84 f. G a n z anders sah das freilich H e i n r i c h Vogel, der in der R ü c k e r i n n e r u n g schreibt, „der A n f a n g [seil, der Kirchlichen H o c h s c h u l e Berlin habe] nicht etwa im Zeichen einer Idee . . . [gestanden], einer neuen K o n z e p t i o n von d e m Wesen und der A u f g a b e theologischer A u s b i l d u n g in der Entgegenstellung eines Prinzips Kirchlicher H o c h s c h u l e n gegenüber der tradierten Gestalt theologischer Fakultäten . . . " ( G . HÄRDER/H. VOGEL, Aufgabe, S. 8). 16
254
Gerhard Besier
Unverkennbar argwöhnte man, besonders in lutherischen BK-Kreisen, unter dem Vorwand, die NS-Fakultätspolitik zerstöre die traditionellen Ausbildungsstätten, wollten sich die „Dahlemiten" innerhalb der Bekennenden Kirche über den theologischen Nachwuchs die Majorität sichern. Dieser Verdacht schien vor allem durch die Taktik erhärtet, die „Vorläufige Kirchenleitung" (VKL) von dem Plan der Hochschulgründung gezielt nicht zu unterrichten, um die voraussehbaren Einwände zu umgehen und die BKOpposition außerhalb Preußens vor vollendete Tatsachen zu stellen 19 . Als sich dann am 6. September 1935 seitens des Lutherischen Rates und am 23. Oktober 1935 — eine Woche vor Hochschuleröffnung — von Seiten der VKL tatsächlich heftiger Widerspruch erhob, vermied man letztlich eine gründliche Auseinandersetzung durch die von Niesei getroffene Feststellung, „daß eine Unterhaltung über die Motive verspätet sei, da das Kind schon geboren sei" 2 ^. Die während der VKL-Sitzung am 23. Oktober 1935 vorgebrachten Einwände gegen eine kirchliche Hochschulgründung konnten sich durchaus sehen lassen: Mit vielen anderen vertrat Reichsgerichtsrat Flor die Auffassung, dieser Schritt sei nicht bloß eine „altpreussische Angelegenheit", sondern habe politische wie kirchenpolitische Weiterungen, die die ganze Bekennende Kirche beträfen. Offenbar um einen Bruch zu vermeiden, sprach er sich schließlich für eine „positive Tolerierung" aus, „nachdem die Errichtung der kirchlichen Hochschule beschlossene Sache sei" 2 1 . Die Vertreter der drei lutherischen Landeskirchen übten Kritik an der unklaren „bekenntnismäßigen Grundlage" der Hochschule, was „auch die Auswahl der Dozenten erkennen" lasse, bestritten der Hochschule ihren „kirchlichen Charakter" und empfahlen, „den anspruchsvollen und verpflichtenden Namen einer Hochschule zu vermeiden". Schließlich wurde das Problem thematisiert, daß durch den Aufbau Kirchlicher Hochschulen dem Staat ein Vorwand geboten werde, die staatlichen Fakultäten abzubauen, und daß man den kirchlich orientierten Theologieprofessoren, die für den Erhalt integrer Fakultäten kämpften, mit der Hochschulgründung in den Rücken falle. Dagegen bekräftigten die Hochschulkritiker ihren Willen, weiterhin den Ausbau von „Freizeiten, theologischen Schulungen, Errichtungen von Predigerseminaren" zu fördern 22 . Wirklich setzte sich der Lutherische Rat in der Folgezeit gegen die Versuche des NS-Wissenschaftsministers zur Wehr, kirchliche Ersatzvorlesungen und -seminare zu unterbinden 23 . 19
Vgl. den Brief Nieseis an Schempp vom 2 5 . 1 0 . 1 9 3 5 (STUDIUM, S. 101).
20 EBD., S . 9 6 f . ; 3 0 8 - 3 1 2 ; Z i t a t S . 3 1 1 .
21 EBD., S. 312. 22 Zitate EBD., S. 308-312. 2 3 Vgl. den Erlaß des Reichs- und Preußischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 1 7 . 1 1 . 1 9 3 6 (abgedruckt u.a. in: STUDIUM, S. 187) und Liljes Brief im
Zur Geschichte der Kirchlichen Hochschulen
255
Mit ihren Voten gegen die unierte Hochschulgründung hatten die BKLutheraner auch lutherischen Plänen eine Absage erteilt, eine „Hochschule für lutherische Theologie" zu errichten. Nachdem nämlich die Beschlüsse der „Zweiten Reformierten Synode" in Siegen (26.-28. März 1935) wie die Zustimmung der A p U dazu bekannt geworden waren, eine kirchliche Hochschule für reformatorische Theologie zu errichten, hatte Walter Künneth für den Lutherischen Rat „Leitsätze" formuliert, die ganz von dem Gedanken getragen waren, „daß nicht die altpreußische Union, sondern der lutherische Rat . . . die zuständige Instanz sein . . . dürfte . . . , die Durchführung dieses Planes in die Wege zu leiten" 2 4 . Warnend fügte er hinzu: „ D i e A u f g a b e der l u t h e r i s c h e n K i r c h e ist u m s o u n a u f s c h i e b b a r e r , da die reform i e r t e S y n o d e bereits z u klaren E n t s c h l ü s s e n g e k o m m e n ist u n d i m Z u g e der inneren E n t f a l t u n g d e r b e k e n n e n d e n K i r c h e z u f ü r c h t e n ist, d a ß d a s G e w i c h t des reform i e r t e n E i n f l u s s e s d u r c h die G r ü n d u n g d e r H o c h s c h u l e f ü r r e f o r m i e r t e T h e o l o g i e v e r s t ä r k t w i r d , w e n n nicht s o f o r t ein A u s g l e i c h d u r c h E r r i c h t u n g e i n e r lutherischen H o c h s c h u l e geschaffen w i r d . " 2 5
Als Ort für die Neugründung schlug Künneth — unter Erwähnung der dort bereits untergebrachten kirchlichen Einrichtungen — das Ev. Johannesstift in Spandau vor und schloß seine Stellungnahme resümierend: „Der Aufbau der lutherischen Hochschule muß in Parallele und in Ergänzung mit der theologischen Schule in Bethel vollzogen werden." 2 6 Seit November 1935, also mit der vollzogenen Gründung der beiden Kirchlichen Hochschulen in Berlin und Wuppertal-Elberfeld, begann ein Konkurrenzverhältnis zwischen den neuen Ausbildungsstätten und den alten Fakultäten. Diesem Wettbewerb gegenüber verhielt sich der Rat der A p U , zum Arger der Hochschulen, äußerst zurückhaltend und verzichtete auf jegliche Werbetätigkeit oder sonstige Stützungsmaßnahmen zugunsten seiner Hochschulen 2 7 . Dabei gestaltete sich der Anfang durchaus schwieAuftrag des Lutherrates an den Reichskirchenausschuß vom 5.12.1936 ( E Z A BERLIN, 1 / 6 3 / 9 3 ) und Schreiben der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers an den Wissenschaftsminister vom 1.3.1937 ( E Z A BERLIN, 1 / C 3 / 158). In der Kanzelabkündigung der preußischen BK für den zweiten Adventssonntag am 6.12.1936 hieß es nach Bekanntgabe des Erlasses vom 17.11.1936 u.a.: „ D e r Staat erhebt damit unverhüllt den Anspruch, daß die Erziehung des theologisch-akademischen Nachwuchses seine Sache sei, und verbietet der Kirche, ihrerseits Veranstaltungen zur Heranbildung ihres studierenden Pfarrernachwuchses zu treffen . . . Wenn wir christliche Kirche sein und bleiben wollen, und wenn wir nicht wollen, daß unsere Kinder in ein christlich getarntes Heidentum hineingeführt werden, so müssen wir zu diesen Bestrebungen ein entschlossenes Nein sprechen". Darauf folgte die Verlesung der Synodalbeschlüsse zur rechten Ausbildung der künftigen Prediger ( E Z A BERLIN, 5 0 / 837). 24
EZA
25
EBD.
BERLIN,
50/101a.
EBD. 27
Vgl. Schliers Brief an den Rat der A P U vom 22.10.1935 (STUDIUM, bes. S.306).
256
Gerhard Besier
rig: Von vornherein waren die nur schwach besetzten neuen Ausbildungsstätten der Verfolgung durch die Gestapo ausgesetzt, und an den theologischen Fakultäten bemühte man sich, durch „Schulungslager für Theologen" u.a. Einrichtungen die Studenten an den staatlichen Universitäten zu halten sowie teilweise auch ihr Verständnis für den NS-Staat zu wecken 2 8 . D u r c h die vermittelnde Arbeit des Reichskirchenministeriums und der Ausschüsse verstärkte sich der D r u c k auf die „dahlemitischen" Hochschulen noch. Selbst das Urteil einiger Hochschulangehöriger über ihre eigene Bildungsstätte war vernichtend. Alfred de Q u e r v a i n , Basler Privatdozent und seit 1931 Pfarrer der Niederländisch-Reformierten Gemeinde in Elberfeld, übernahm zunächst nebenamtlich die reformierte systematische Dozentur. K u r z vor E r ö f f n u n g der Hochschule schrieb er an Müller (Dahlem): „Der mir vorliegende Plan bedeutet die Erweiterung der hier schon bestehenden theologischen Schule, aber nicht die Gründung einer Fakultät . . . Es ist . . . eine theologische Schule, . . . die weit hinter der Betheler zurücksteht, wie das von Ihnen mitgeteilte Vorlesungsverzeichnis zeigt — aber keine kirchliche Hochschule, wie sie in Siegen geplant war und vom Rat der Altpreußischen Union gutgeheißen worden ist. Man könnte sich vielleicht zunächst bei dem Gedanken beruhigen, daß es ein Anfang sei, und daß aus diesem etwas dürftigen Anfang sehr bald etwas Besseres werden kann. Ich fürchte, daß das nicht der Fall sein wird. Denn wenn man jetzt nicht wagt, ein wirkliches Studium der Theologie zu ermöglichen, wie soll man es in einem halben Jahr oder in einem Jahr, wenn die Verhältnisse nach menschlichem Ermessen noch schwieriger sein werden. Ich sehe auch nicht, wie ein solcher Versuch Studenten, vor dem Studium Stehende anziehen soll, die wirklich Theologie studieren wollen. Gerade die Studenten und künftigen Pfarrer der Bekenntniskirche haben darauf Anspruch, daß ihnen das Beste geboten wird, daß der Bruderrat es wagt, ganze Arbeit zu tun." 29 D i e A p U war mit der G r ü n d u n g der Kirchlichen Hochschule auf halbem Wege stehen geblieben, erwartete aber von ihren Dozenten, daß sie ganze Arbeit tun sollten. 2. Das theologische Lehramt der ApU gegen die
„Toleranzkirche"
Trotz ihrer unzureichenden Besetzung beschränkte sich die Hochschule mit ihren beiden Abteilungen in Berlin und Elberfeld nicht auf den normalen Semesterbetrieb, sondern bot zusätzlich theologische Wochen,
28 V g l . E Z A B E R L I N ,
1/C3/100.
Brief de Q u e r v a i n s an Müller ( D a h l e m ) v o m 2 . 9 . 1 9 3 5 ( E Z A BERLIN, 4 . 8 . 1 9 3 6 klagte Vogel in einem Brief an Karl Barth: J e t z t gehe ich an meine Studien für die Winter-Arbeit. D i e L ü c k e n meiner diesbezüglichen Bildung schauderhaft, schwindligste A b g r ü n d e und k a u m Weiten!" ( K B A BASEL); vgl. D E R / H . VOGEL, A u f g a b e , S . 1 6 .
619/14). Am dogmatischen sind geradezu auch G . HAR-
Zur Geschichte der Kirchlichen Hochschulen
257
Ferienkurse etc. an, die freilich nicht immer zustande kamen, weil die Gestapo eingriff. Eine solche Veranstaltung war beispielsweise für die letzte Novemberwoche 1936 in Verbindung mit der Bekennenden Kirche Schlesiens in Breslau geplant. Trotz Verbots durch die Staatspolizei fanden Vorlesungen statt; der für die „Theologische Woche" vor Ort Zuständige, Pastor Benckert, wurde dafür aus der Provinz Schlesien ausgewiesen. Aus der Vorankündigung ließ sich zweifelsfrei ablesen, daß eine Teilnahme aller BK-Pfarrer der Stadt vorausgesetzt wurde 3 0 . Auf die Verfügung des Wissenschaftsministers vom 17. November 1936 3 1 , die es den an den Fakultäten eingeschriebenen Theologiestudenten verbot, an den Ersatzkursen der Bekennenden Kirche teilzunehmen, antwortete der Bruderrat der Ev. Kirche der altpreußischen Union u.a. mit einem Flugblatt an die Studenten. Darin heißt es: „ D i e V e r f ü g u n g will die S t u d e n t e n d u r c h A n d r o h u n g u n d A u s ü b u n g v o n G e w a l t d e m k i r c h l i c h - t h e o l o g i s c h e n U n t e r r i c h t e n t z i e h e n u n d sie d a u e r n d einer d e m B e k e n n t n i s d e r K i r c h e nicht e n t s p r e c h e n d e n A u s b i l d u n g u n d E i n f l u ß n a h m e aussetzen. D a s ist ein E i n g r i f f des Staates in die k i r c h l i c h e V e r k ü n d i g u n g , f ü r d e r e n R e i n h e i t die K i r c h e s c h o n bei d e r A u s b i l d u n g d e r z u k ü n f t i g e n P r e d i g e r d e r G e m e i n d e i h r e m H e r r n v e r a n t w o r t l i c h ist. In dieser V e r a n t w o r t u n g , v o n d e r die K i r c h e d u r c h k e i n e n E i n g r i f f des Staates e n t b u n d e n w e r d e n k a n n , e r m a h n t der B r u d e r r a t d e r Ev. K i r c h e d e r altpr. U n i o n die S t u d e n t e n , d e s s e n e i n g e d e n k z u sein, was d a s A m t , d a s sie e r s t r e b e n , v o n i h n e n e r f o r d e r t . I h r S t u d i u m ist d a z u da, d a ß sie l e r n e n , was lautere E v a n g e l i u m s v e r k ü n d i g u n g u n d rechte S a k r a m e n t s v e r w a l t u n g ist. D i e K i r c h e ist d e r U b e r z e u g u n g : die F a k u l t ä t e n e r f ü l l e n diese A u f g a b e w e i t h i n nicht m e h r . Sie e r w a r t e t v o n ihren S t u d e n t e n , d a ß sie n a c h w i e v o r v o n den Ausbildungsmöglichkeiten der Bek. Kirche G e b r a u c h machen und erinnert a u c h die E l t e r n d e r T h e o l o g i e s t u d e n t e n an ihre V e r a n t w o r t u n g v o r G o t t . " 3 2
Auf die Gewaltmaßnahmen des Staates reagierte die Bekennende Kirche ihrerseits mit ziemlicher Gewissensbedrängnis, die sie auch auf die Eltern der Theologiestudenten ausdehnte, da diese nicht nur die finanzielle Last des Alternativstudiums — jedenfalls zum Teil — zu tragen hatten, sondern auch aus Furcht, ihre Kinder könnten zwischen die Mühlsteine der NSJustiz geraten, nicht selten vom Theologiestudium an einer kirchlichen Ausbildungsstätte abrieten 3 3 . Aber nicht die staatlichen Eingriffe — etwa das Verbot einer Freizeit von Berlin-Brandenburger Theologiestudenten, die Ende Oktober 1936 in Sachsenhausen bei Berlin hätte stattfinden sollen 3 4 — bildeten eine ernste
Vgl. E Z A BERLIN,
619/14.
31
W i e A n m . 23.
33
Vgl. d a z u auch W. SCHERFFIG, T h e o l o g e n , B d . 2, S. 42 f. E Z A BERLIN, 5 0 / 9 4 1 .
34
32
EZA
BERLIN,
50/941.
258
Gerhard Besier
Bedrohung
für
das
kirchliche
Ausbildungswesen,
sondern
die
schon
e r w ä h n t e n inneren Schwierigkeiten sowie die i m m e r attraktiver werdenden K o n k u r r e n z a n g e b o t e der kirchlichen Mitte, hinter der die staatlichen Kirchenausschüsse standen. C h a r a k t e r i s t i s c h f ü r d i e s e P r o b l e m a t i k ist d i e A u s e i n a n d e r s e t z u n g z w i s c h e n E r n s t Wolf, W i l h e l m N i e s e i u n d W o l f g a n g Trillhaas u m die aktive T e i l n a h m e d e s z u l e t z t G e n a n n t e n a n d e n Wittenberger als M i t h e r a u s g e b e r
der
„Evangelischen
Theologie"
Kursen. zum
Trillhaas,
engsten
BK-
T h e o l o g e n k r e i s u m K a r l B a r t h g e h ö r i g 3 5 , v e r t e i d i g t e in e i n e m s c h a r f e n Brief an Wolf die Veranstaltung, die n a c h seiner B e o b a c h t u n g außertheologische Absichten"
verfolgt h a b e 3 6 . U n t e r der
„keinerlei
Fragestellung
„ G i b t es n o c h a n d e r e K r i t e r i e n f ü r e r n s t h a f t e t h e o l o g i s c h e A r b e i t als die, d a ß sie g u t o d e r s c h l e c h t i s t ? " 3 7 v o l l z o g er m i t d e m A b g r e n z u n g s - u n d L a g e r d e n k e n des d a h l e m i t i s c h e n F l ü g e l s der B e k e n n e n d e n K i r c h e sowie seiner
Bevormundung
auch
befreundeter
Theologen
eine
General-
abrechnung: „Ich frage mich . . . als verantwortlicher Lehrer von Studenten, wie ich fragenden, irrenden, suchenden, häretisch denkenden Studenten denn in aller Welt anders begegnen soll und darf als durch das Lehrgespräch, das ja mindestens ein hörendes Tolerieren in sich schließt . . . Ich frage mich, o b ich in anderer Lage bin gegenüber den zahllosen schwankenden Pfarrern zwischen den Fronten, so weit sie durch die O r d i n a t i o n gebunden sind u n d — sich daran gebunden wissen. D a s heute beliebte polemische Wort von der .Gleichberechtigung der Irrlehre' vermag nicht deutlich zu machen, welche A u f g a b e der theologische Lehrer und Pfarrer den Menschen in der Kirche gegenüber hat. Sind denn heute Lehre u n d Irrlehre jeweils fragloses F i x u m , an denen die Menschen der Kirche sich in 2 H a u f e n scheiden wie Feuer und Wasser? Darf es zur kirchentrennenden Unterscheidung gemacht werden, o b hörbereite Menschen in der verworrenen Lage der Kirche aufgesucht, oder die G e m e i n s c h a f t mit ihnen gemieden werden soll? . . . Ich vermag nicht einzusehen, wieweit m a n über die U n t e r d r ü c k u n g der reinen Lehre mit Recht klagt, während man gleichzeitig die Verkündigung derselben von Seiten D a h l e m s stellenweise . . . verbieten möchte . . . Sie erinnern sich vielleicht noch daran, daß ich in Stuttgart seinerzeit bei der Herausgeberbesprechung der .Evangelischen T h e o l o g i e ' die Frage aufgeworfen habe, wieweit bei der gleichen theologischen Intention verschiedene kirchliche Entscheidungen tragbar seien. Ich möchte dieselbe Frage n u n m e h r erneuern, nicht in dem Sinne, als o b ich eine Entscheidung beispielsweise ,für' oder ,gegen die Ausschüsse' f ü r möglich hielte, da sie niemand so vollzieht oder vollziehen kann — denn das absolute Entschiedensein gehört wohl in die Sphäre des Seins der Engel —, sondern in d e m Sinne, daß man sich kirchlich die b o n a
»
Vgl. E. BUSCH, Barths Lebenslauf, S. 145; 243. Schreiben Wolfgang Trillhaas' an Ernst Wolf vom 8.7.1936 ( E Z A BERLIN, 6 1 9 / 1 4 ) ; vgl. auch W. TRILLHAAS, Vergangenheit, S. 134ff. Die Auseinandersetzung wird hier freilich nicht erwähnt. 3 7 E Z A BERLIN, 6 1 9 / 1 4 . 36
259
Z u r G e s c h i c h t e der K i r c h l i c h e n H o c h s c h u l e n
fides zubilligt, seine Schritte t h e o l o g i s c h zu erwägen u n d in kirchlicher Verantwort u n g zu t u n . " 3 8
Niesei, der einen Durchschlag des Briefes erhalten hatte, antwortete in einer Weise, die Trillhaas' Kritik an den „Dahlemern" nur bestätigen konnte. Er machte den status confessionis geltend und urteilte auf dieser Basis: „Wer eine vocatio von ihnen [seil, den Kirchenausschüssen] e n t g e g e n n i m m t — m a g er seine Sache dann gut m a c h e n o d e r schlecht — beteiligt sich an ihrem Werk der Z e r s t ö r u n g . . . G e w i ß waren wir uns [seil, bei der Stuttgarter H e r a u s g e b e r s i t z u n g ] darin einig, daß verschiedene kirchliche E n t s c h e i d u n g e n bei der gleichen theologischen H a l t u n g tragbar sein müßten. A b e r ich sehe nicht, wie m a n bei entgegengesetzten u n d sich gegenseitig ausschließenden E n t s c h e i d u n g e n theologisch noch zusammenarbeiten könnte."39
Das war ganz der Tenor, mit dem das theologische Lehramt und andere Mitglieder des Berliner Bruderrates die BK-Studenten ansprachen. In einem von Hellmut Hitzigrath unterschriebenen Rundbrief vom 22. Juni 1936 an die Studenten wird die Gemeinschaft, „die uns heute an der Universität unter dem N a m e n ,Kameradschaft' angeboten wird", schlicht ausgeschlagen und auf den „ K a m p f der Bekennenden Kirche" gewiesen, in dem „die Gemeinschaft derer, die zusammen allein aus der erbarmenden Liebe Gottes, und aus nichts anderem" lebten, geschenkt worden sei 4 0 . Weiter heißt es: „ S o ist es insbesondere f ü r jeden Studenten der T h e o l o g i e einfach b e s c h ä m e n d , wenn n o c h nicht einmal in der theologischen F a k u l t ä t die G e m e i n s c h a f t gehorsamer S a m m l u n g unter d e m Wort zur Tat wird. D i e rein wissenschaftliche Beschäftigung mit der Heiligen Schrift birgt die G e f a h r in sich, uns zu Meistern der Schrift zu m a c h e n anstatt daß wir, von der Heiligen Schrift gemeistert, kirchlicher V e r k ü n d i g u n g d i e n e n . " 4 1
Die hier ausgesprochene Kritik an der Fakultätstheologie zielte durchaus nicht allein auf die politische Anpassungsbereitschaft einiger Professoren, sondern auch auf die rein akademische Betrachtungsweise, auf das Auseinanderfallen von christlichem Leben und christlicher Lehre 4 2 . 38
EBD.
39
S c h r e i b e n W i l h e l m N i e s e i s an W o l f g a n g T r i l l h a a s v o m 2 0 . 7 . 1 9 3 6 (EBD.)
40
E Z A BERLIN,
41
EBD.
42
1/C3/93.
W e n i g s p ä t e r , a m 1 0 . 8 . 1 9 3 6 , v e r w a h r t e n s i c h H i t z i g r a t h , H o o t z u n d J e s s e n in e i n e m
w e i t e r e n R u n d b r i e f a l l e r d i n g s g e g e n d e n V o r w u r f , d i e B K lege „ k e i n e n W e r t a u f g r ü n d l i c h e w i s s e n s c h a f t l i c h e A u s b i l d u n g d e r S t u d e n t e n " . Weiter heißt es: „ E s ist f ü r u n s e i n e S e l b s t v e r s t ä n d l i c h k e i t , d a ß ein S t u d e n t s i c h v o r a l l e m m i t s e i n e r g a n z e n K r a f t u n d a l l e r n o t w e n d i g e n K r a f t s e i n e m w i s s e n s c h a f t l i c h e n S t u d i u m w i d m e t . . . W i r b e h a u p t e n d a r u m , d a ß d a s Stud i u m d e r T h e o l o g i e erst d a n n e i n e S i n n e r f ü l l u n g f i n d e t , w e n n d i e
wissenschaftlichen
260
Gerhard Besier
Der Rundbrief schließt mit einer Aufforderung an die Theologiestudenten, sich zu entscheiden: „ D e m Theologiestudenten ist heute aufgegeben, sich zu entscheiden zwischen reinem Evangelium und dem falschen politischen Evangelium der Deutschen Christen, zwischen Lehre und Irrlehre, zwischen Christus und Antichristus. Diese Scheidung wird sichtbar auch in der Auswahl der theologischen Vorlesungen durch den Studenten." 4 3
Offenbar traf die Bekennende Kirche mit diesem Ton das Empfinden wie die sachliche Einschätzung vieler Theologiestudenten. Während des ganzen September 1936 fand im Dahlemer Gemeindehaus ein vom Bruderrat der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union veranstalteter Theologischer Kursus statt, an dem über 120 Studierende der Theologie teilnahmen 4 4 . Hier schienen die Vorstellungen ganzheitlichen Lebens und Lernens in der christlichen Gemeinschaft realisiert. Alle Studenten waren zu Gast bei Gemeindegliedern der Dahlemer Gemeinde sowie der Nachbargemeinde. Das in den Vorlesungen und Übungen Gelernte konnte zeitgleich im Gemeindeleben eingeübt werden. In der Zeit vom 1. April bis 1. Oktober 1936 nahm allein die Bekennende Kirche von Berlin-Brandenburg 47 junge Theologen neu in ihre Liste auf, von denen 37 sich zur ersten theologischen Prüfung gemeldet hatten 4 5 . Daß die Prüfungen vor dem Prüfungsamt der Bekennenden Kirche durchaus hart waren, zeigt das Beispiel der ostpreußischen Bekenntnissynode. Von den 40 Kandidaten, die sich im Frühjahr 1936 gemeldet hatten, bestanden nur drei das Erste theologische Examen.
Kenntnisse verbunden sind mit der Entscheidung in der jeweiligen kirchlichen Situation. Denn wir müssen uns darüber klar sein, daß eine abwartende und neutrale Haltung bereits eine Entscheidung ist . . . Jesus spricht: ,Wer nicht für mich ist, der ist wider mich'. Die rein wissenschaftlichen Studien dürfen dem Studenten nicht als Vorwand dienen, an der Entscheidung vorbeizugehen" (EZA BERLIN, 5 0 / 8 3 5 / 1 1 0 ) . 43
EBD.
Hierzu und zum Folgenden EZA BERLIN, 5 0 / 9 4 1 . 4 5 In einem Bericht der BK von Mitte Mai 1936 über den Stand der Ausbildung in verschiedenen Bekenntnissynoden heißt es, dem Ausbildungsamt von Berlin-Brandenburg unterstünden „222 Kandidaten und Kandidatinnen von der Meldung zur ersten Prüfung bis zum Abschluß des Hilfsdienstjahres . . . 28 Kandidaten und Kandidatinnen haben von Mitte Dezember 1935 bis 1. April 1936 die erste theologische Prüfung bestanden und 13 in derselben Zeit die zweite Prüfung" (EZA BERLIN, 5 0 / 4 / 0 4 9 ) . In einem Memorandum über „Die Ausbildung der künftigen Pfarrer" vom März 1936 steht zu lesen: „Die Bekennende Kirche der altpreußischen Union hat in 5 Predigerseminaren augenblicklich etwa 95 Kandidaten untergebracht und rüstet sie für den Dienst in den Gemeinden aus. Außerdem nimmt sie sich in Theologischen Schulen und besonderen Ausbildungsstätten der Theologiestudenten an und bietet ihnen einen an der Heiligen Schrift ausgerichteten Unterricht, den sie an den staatlichen Fakultäten kaum erhalten" (EZA BERLIN, 5 0 / 9 4 1 / 0 2 8 R ) . 44
Zur Geschichte der Kirchlichen Hochschulen
261
Trotz aller Probleme finanzieller, personeller, inhaltlicher und struktureller Art, wie sie in dem ersten Memorandum der Dozenten vorgetragen wurden 4 6 , rechnete man doch mit einer Konsolidierung der begonnenen Arbeit. Zur Minderung vor allem der finanziellen Probleme begann man 1936 mit der Gründung von Freundeskreisen. Relativ spät erst, Ende Februar 1937, richtete auch Hellmut Hitzigrath als Vertrauensmann für die Arbeit an den BK-Studenten in Berlin ein Schreiben an vertrauenswürdige Berliner Gemeindeglieder. Darin heißt es als Begründung: „Wegen des katastrophalen Rückgangs der Immatrikulationen zum theologischen Studium, wegen der zunehmenden Schwierigkeiten, die BK-Studenten bei Erlangung von Stipendien oder Gebührenerlaß erwachsen, wegen der weitgehenden Zerstörung der theologischen Fakultäten, hat der Rat der Evangelischen Kirche der Altpreußischen U n i o n zur Bildung von Freundeskreisen zur Förderung des theologischen Nachwuchses aufgefordert." 4 7
3. Verfolgung von Studenten und Dozenten durch den NS-Staat48 und katastrophale Abnahme von Theologiestudentenzahlen an den Fakultäten Aufgrund mehrerer Beispiele ließ sich 1937 nicht mehr leugnen, daß es oft einen inneren Zusammenhang gab zwischen dem Besuch von Seminaren bzw. Vorlesungen außerhalb der Universität und einer ablehnenden Haltung gegenüber dem NS-Staat 4 9 . Im Mai 1937 waren drei Theologiestudenten auffällig geworden, „weil sie den Nachweis einer erhöhten Bereitschaft im Dienst für Volk und Staat nicht" erbracht hatten 5 0 ; ihre Weigerung, „sich in einer Gliederung oder einem angeschlossenen Verbände der den Staat tragenden Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei zum Wohle von Volk und Staat zu betätigen" begründeten sie damit, daß die Partei die christliche Kirche unterdrücke und sie in der Verkündigung des Evangeliums behindere. Kurz zuvor waren die drei schon einmal zur Rechenschaft gezogen worden, weil sie mit anderen Kurse besucht hatten, die vom Bruderrat der Bekennenden Kirche veranstaltet worden waren. Man verzichtete darauf,
Text: STUDIUM, S. 324-331. E Z A BERLIN, 5 0 / 9 4 1 . 4 8 Vgl. dazu auch G . BESIER, Bekennende Kirche, bes. S. 196-200; M. SCHREIBER, Pereis, bes. S . 102 ff. 4 9 Eine besondere Problematik stellten diejenigen Studenten dar, denen aus unterschiedlichen G r ü n d e n die Zulassung z u m staatlichen H o c h s c h u l s t u d i u m verweigert worden war und denen eine kirchliche G e n e h m i g u n g z u m Studium an einer Kirchlichen Hochschule erteilt wurde. Vgl. im Falle des „nichtarischen" Theologiestudenten L u d w i g D e w i t z das kirchliche Zulassungsverfahren aus dem Jahre 1935 ( E Z A BERLIN, 5 0 / 4 5 2 ) . 5 0 E Z A BERLIN, 5 0 / 1 0 4 . Vgl. hierzu und zum Folgenden auch W. SCHERFFIG, Theologen, Bd. 2, S. 262 ff. und den Beitrag von H . L u d w i g in diesem Band. 46
47
262
Gerhard Besier
gegen sie disziplinarisch vorzugehen, weil sie vorgaben, diese Kurse nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung angesehen zu haben; keinesfalls hätten sie an einem Boykott gegen Hochschullehrer teilnehmen wollen. Die neuerliche Auffälligkeit brachte die drei nun vor den „Dreier-Ausschuß"; doch das Disziplinargericht zeigte Milde: „ N a c h Ansicht des Disziplinargerichts handelt es sich bei den Angeschuldigten . . . um drei junge Leute, die Kreisen in die Hände gefallen sind, welche es als ihre Aufgabe ansehen, durch Schüren des Kirchenstreites U n r u h e und Zwiespalt in die deutsche Volksgemeinschaft zu bringen." 5 1
Die drei Theologiestudenten wurden nicht mit dem Ausschluß vom Studium an allen deutschen Hochschulen bestraft, sondern mußten lediglich die Berliner Universität verlassen. Insgesamt wurden etwa 30 Theologiestudenten allein in Berlin relegiert 52 . Ende Juli 1937 schrieb Martin Fischer, damals Leiter des „Studentenamtes" der (2.) V K L 5 3 , an die KiHo-Studenten einen Rundbrief. Das Schreiben steht ganz unter dem Eindruck von Verhaftungen führender Persönlichkeiten der Bekennenden Kirche, darunter auch Hans Asmussen und Martin Albertz 5 4 . Der Rundbrief fordert zur Leidensbereitschaft wie zum Durchhalten in brüderlicher Gemeinschaft auf: „ N e h m t den D a n k mitten aus dem fröhlichen Leiden' der Bekennenden Kirche, in welchem einer dem anderen ein Wort des Dankes, der Ermunterung und der Mahnung zuruft und dabei nicht nur für sich, sondern auch für die Kirche sprechen darf. Als ich vor ein paar Tagen noch mit Asmussen zusammen sein durfte, war das unsere besondere Freude, daß trotz der Verhaftung vieler führender Glieder der Kirche die Bekennende Kirche unbeirrt ihre Straße weiter ging, so als wäre — wenn Ihr es recht verstehen wollt — nichts geschehen . . . Die Kirche und auch die Studentenarbeit lebt davon, daß wir alle ruhig und still das Wort lesen und lernen, es durch den Heiligen Geist glauben und beten. Das macht Kräfte von ungeahnter Macht bei uns los, die stärker sind als die Welt . . . Sucht mit der Leitung Eurer Heimatkirche Fühlung und schildert ihr die studentische Lage. Sucht geeignete Möglichkeiten, auch die Gemeinde wissen zu lassen, wie es um die Gefährdung ihres Pfarrernachwuchses steht." 5 5
51 E Z A BERLIN, 5 0 / 1 0 4 . 5 2 Bericht über die Arbeit des Studentenpfarrers der B K , 1939 ( E Z A BERLIK, 5 0 / 9 4 1 ) ; vgl. auch W. SCHERFFIG, Theologen, Bd. 2, S. 234 ff. 5 3 Siehe auch M . FISCHER, Wegemarken, bes. S. 114-141 und R . Oschlies, „Wissen Sie, wir hätten damals noch viel mehr sagen müssen. . ." (In: NEUE ZEIT N r . 78 vom 2 . 4 . 1 9 8 8 ) . 5 4 Vgl. zu H a n s Asmussen E. KONUKIEWITZ, A s m u s s e n und W. LEHMANN, Asmussen. Zu Martin A l b e r t z vgl. H . LUDWIG, Ruf, S. 115ff. U b e r das Geschick einer Reihe von Berliner K i H o - D o z e n t e n während der Zeit des „Dritten R e i c h e s " läßt sich nur wenig erheben. Vgl. zu E d o Osterloh dessen allerdings mageren N a c h l a ß (Lebenslauf, Tagebücher etc.) im ARCHIV FÜR CHRISTLICH-DEMOKRATISCHE POLITIK DER K O N R A D ADENAUER-STIFTUNG, 1 - 2 6 2 .
55 E Z A BERLIN, 5 0 / 9 4 1 .
Zur Geschichte der Kirchlichen Hochschulen
263
Trotz des Verbotes aller Lehr-, Studenten- und Prüfungsämter der Bekennenden Kirche durch den Reichsführer der SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsinnenministerium vom 29. August 1937 5 6 setzten die kirchlichen Einrichtungen ihre Arbeit nach Möglichkeit fort. Unter den kirchlichen Reaktionen befand sich auch die des sog. „Kasseler Gremiums", einer Art Koordinationsgruppe zwischen den intakten Landeskirchen, dem Rat der ev.-luth. Kirche und der 2. V K L . Auffällig an der Erklärung des Kasseler G r e m i u m s 5 7 , das mit stichhaltigen juristischen Argumenten um die Aufhebung des Erlasses bat, ist die Tatsache, daß nur kollektiv von den „Maßnahmen der Bek. Kirche zur kirchl. Ausbildung des theol. Nachwuchses" gesprochen wird 5 8 , die Kirchlichen Hochschulen also keine eigene Würdigung erfahren. Im Juni 1938 schrieb Karl Immer an Wilhelm Niesei, er „habe den Eindruck als ständen wir mit unserer Hochschularbeit an einer Wende. Es wird uns in absehbarer Zeit, wenn sich die Verhältnisse gleichbleiben, nicht gelingen, eine große Anzahl Studenten für das Studium an kirchlichen Hochschulen zu gewinnen. Sicherlich will ich es nicht gering achten, wenn 7. und 8. Semester noch vor ihrem Examen eine gewisse Ahnung von Theologie bekommen. Aber für den Aufbau der Bekennenden Kirche brauchen wir etwas anderes. Elberfeld und Berlin könnten ohne Aufsehen zu erregen semesterlich etwa je 10 junge Semester aufnehmen, die in einem 2semestrigen Kurs so unterwiesen werden, daß sie an den Universitäten unüberhörbare Mahner für die Studenten der Theologie sind. Es geht mir hier einerseits darum, daß ständig junge Theologen gesund geboren werden und daß andererseits die Fakultäten ununterbrochen beunruhigt und die Studenten für Christus und sein Wort gewonnen werden." 5 9
D o c h diese eher düstere Einschätzung der Aussichten für die Kirchlichen Hochschulen und der geplante Rückzug auf die Ausbildung einer kleinen standfesten Schar, die gewissermaßen als Sauerteig an den theologischen Fakultäten wirken sollte, entsprach nicht dem Gesamtbild. Obwohl es nicht nur die V K L , sondern sogar der Bruderrat der Altpreußischen Union durchaus an Unterstützung hatten fehlen lassen, schienen — trotz unverkennbarer Erosionserscheinungen 6 0 — zum Ende des Sommersemesters 1939 die Kirchlichen Hochschulen und die Ersatzveranstaltungen den
56
MINISTERIALBLATT DES REICHS- UND PREUSSISCHEN MINISTERIUMS DES I N N E R E N , A u s g . A ,
N u m m e r 39 v o m 2 9 . 9 . 1 9 3 7 , Sp. 1571; vgl. STUDIUM, S . 2 1 5 f f . Zu den A u s w i r k u n g e n des „ H i m m l e r - E r l a s s e s " vgl. auch W. SCHERFFIG, T h e o l o g e n , Bd. 2, S . 2 0 9 f f . ; 2 3 0 f f . 5 7 K J 1 9 3 3 - 1 9 4 4 , S. 206 ff. 5 8 EBD., S. 208. 5 9 Schreiben Karl I m m e r s an W i l h e l m Niesei v o m 8 . 6 . 1 9 3 8 ( E Z A BERLIN, 6 1 9 / 1 4 ) . 6 0 Vgl. das Schreiben A . de Q u e r v a i n s an W i l h e l m Niesei v o m 1 . 1 1 . 1 9 3 8 (EBD.). D a r i n verabschiedet sich de Q u e r v a i n vor seinem Weggang ins Berner Jura. Er schreibt: „Ich habe die Sache [seil, die B e r u f u n g nach B e r n ] in D e i n e r Abwesenheit mit C a r o l u s S e m p e r besprochen und i h m z u m A u s d r u c k gebracht, daß ein bindender A u f t r a g der B K im G r u n d e nicht
264
Gerhard Besier
Kampf um den theologischen Nachwuchs für sich entschieden zu haben. Am 24. Juni 1939 schrieb Walter Grundmann einen verzweifelten Brief an EOK-Präsident Werner. Darin heißt es: „Das Bild an der Universität hat sich innerhalb weniger Semester v o l l k o m m e n verschoben. Die Studentenziffern der meisten Evangelisch-Theologischen Fakultäten haben so schnell abgenommen, daß in zwei Semestern etwa ernsteste Sorgen f ü r ihren Weiterbestand und f ü r die Frage des theologischen Nachwuchses entstehen. Diese Universitäten schwanken im laufenden Sommersemester zwischen 7 und 4 0 Theologen, zum größten Teil Examenssemestern. Allerdings haben die v o n den Studenten der Bekennenden Kirche besuchten Hochschulen diesen Mangel bei weitem nicht in so starkem M a ß e aufzuweisen. Ferner ist eine absolute Zunahme der katholischen Theologiestudenten in rapidem Wachsen zu beobachten." 6 1
Als Gründe für diese Situation führt Grundmann den Mangel an „systematischer Nachwuchswerbung" zugunsten der Fakultäten an. Überdies werde die Stellung der Theologiestudenten an den Universitäten immer schwieriger; es stelle sich dort ein „Gefühl der Heimatlosigkeit" ein. Um die Krise zu überwinden, schlägt er die Bildung eines Kuratoriums vor, das sich der „systematischen Schülerarbeit und Nachwuchswerbung mit kirchlicher Unterstützung" annehmen solle. „Die nationalsozialistischen Theologiestudenten selbst müssen beraten und finanziell in geordneter Weise gefördert werden können." 62 Etwa zur gleichen Zeit äußerte auch Paul Althaus Sorgen über die Entwicklung der Theologiestudentenzahlen 63 . Tatsächlich war die Lage ernst. Im Vergleich zu 1933/34 hatten 1939 alle theologischen Fakultäten 2/3 bis 3/4 ihres Studentenbestandes eingebüßt, wobei die Fakultäten in Norddeutschland besonders stark betroffen waren. 1938 entschieden sich reichsweit nur noch etwa 300 Abiturienten zum Studium der Theologie, 1939
mehr bestehe. Ich sage das nicht als Vorwurf, sondern einfach als Feststellung. Ich habe sehr freundschaftliche Beziehungen zu manchen Mitgliedern der Bruderräte, aber zu einer kirchlich-theologischen Mitarbeit, wie das vor drei Jahren vorgesehen war, ist es nicht gekommen." 61 62
E Z A BERLIN, 1 / C 3 / 1 5 9 . EBD.
vom 13.8.1939. Vgl. auch das vertrauliche Schreiben von Dr. Werner an die obersten Behörden der deutschen evangelischen Landeskirchen vom 1.7.1940 sowie das Schreiben des EOK Berlin vom 3.4.1940 „Betr. Förderung des Pfarrernachwuchses" (EZA B E R L I N , 1 / C 3 / 9 5 ) . Die J U N G E K I R C H E berichtete regelmäßig über die Entwicklung der Theologiestudentenzahlen und die Anzahl derer, die das 1. und 2. theol. Examen bestanden hatten. Vgl. JK 4, 1936, S.397; 335; JK 5, 1937, S. 117f.; 150; 315; 775f.; JK 6, 1938, S.43; 133f.; 213f.; 215; 443; 469f.; 562f.; 968; JK 7, 1939, S. 113f.; 238f.; 348; 464ff.; 484; JK 8, 1940, S.57f.; 87; 478; JK 9, 1941, S. 119f.; 183f.; 242; 318. Vgl. auch die Statistiken im Anhang (unten S. 270-275). 63
D E U T S C H E ALLGEMEINE Z E I T U N G
Zur Geschichte der Kirchlichen Hochschulen
265
waren es nur noch 250. Der jährliche Nachwuchsbedarf für die evangelische Kirche in Deutschland lag aber bei etwa 600 Theologen 6 4 . Die Tatsache, daß allein die Kirchlichen Hochschulen ihren Bestand nahezu halten konnten, obwohl oder vielleicht auch weil sie unter schwerstem Druck standen und personell schlecht ausgestattet waren, hing gewiß nicht zuletzt auch mit der intensiven Betreuung zusammen, die BKStudenten genossen. Die Arbeit des Studentenpfarramtes der Bekennenden Kirche Berlin etwa umfaßte Morgenandachten, Bibelstunden, Sonderbesprechungen, akademische Bibelkreise, kirchliche Vortragsreihen, Studentengottesdienste und Singkreise, Pfingsttreffen, Sonderkreise, theologische Arbeitsgemeinschaften und Wohngemeinschaften 65 . Hier gab es das Problem der studentischen Heimatlosigkeit nicht. „Wir haben es erleben dürfen", heißt es in einem Bericht über die Arbeit des Studentenpfarramts der BK Berlin, „daß uns Gemeinschaft der Studenten unter dem Worte Gottes geschenkt worden ist und daß das Leben unter diesem Wort durch Verbote, Schlingen und Fallen noch nicht erstickt worden ist." 6 6
4. Überlegung zu einer Neuordnung
des theologischen Studiums
Wie schon verschiedentlich angesprochen, war mit der Gründung der Kirchlichen Hochschulen auch der Anspruch verbunden, eine völlig neue Konzeption des Theologiestudiums zu entwerfen und durchzuführen: Höhere wissenschaftliche Anforderungen sollten mit größerer Gemeindenähe und gelebten Frömmigkeitsstrukturen zu einer ganzheitlich christ-
6 4 Im Juni 1940 versandten die Superintendenturen Rundschreiben „Betr.: Förderung des Pfarrernachwuchses" an die Pfarrer ihres Kirchenkreises. Darin wurden die Geistlichen aufgefordert, „im Kreis der von ihnen betreuten Jugend junge Männer zum Studium der Theologie anzuregen, die nach ihrer inneren Haltung und ihrer geistigen Befähigung für den schweren und verantwortungsvollen Beruf eines evangelischen Pfarrers geeignet erscheinen. Es wird dabei darauf ankommen, mancherlei allgemeine Vorurteile gegen das theologische Studium in verständnisvoller Weise aus dem Wege zu räumen . . . Das wichtigste Mittel für Gewinnung zum Theologiestudium wird seelsorgerliche Einwirkung auf Eltern und Schüler sein . . . Freizeiten im kleineren Kreise unter Leitung geeigneter Persönlichkeiten können hinzukommen" ( E Z A BERLIN, 5 0 / 8 4 5 ) . 6 5 In einem Rundbrief des kirchlichen Lehramtes vom 2 3 . 1 0 . 1 9 3 6 wird unter dem Betreff „Errichtung unseres Studentenheims in Berlin" zum Wohnen in dem Konvikt eingeladen. Zur Begründung der Einrichtung heißt es: „Das von der BK. in Berlin errichtete Lehramt weiß sich um seines Auftrages willen dafür verantwortlich, sich in besonderer Weise der in Berlin Studierenden anzunehmen. Das geschah bereits in den Arbeitsgemeinschaften, die unter großer Beteiligung jetzt schon im 3. Semester veranstaltet werden. Darüber hinaus ist es aber erforderlich, den Studenten ein Zentrum kirchlichen Lebens zu bieten . . . Das Heim steht Studenten aller Fakultäten, sofern sie der BK. angehören, offen. Morgenandachten und Mahlzeiten sind allen gemeinsam" ( E Z A BERLIN, 5 0 / 8 3 2 / 0 5 9 ) . 6 6 E Z A BERLIN, 5 0 / 9 4 1 .
266
Gerhard Besier
liehen Existenzweise verschmolzen werden 67 . Diesen Vorstellungen standen schier unüberwindliche Schwierigkeiten gegenüber. Dies brachte Heinrich Schlier in seinem 1937 erarbeiteten Gutachten „Theologische Vorbildung und Fortbildung der Kandidaten" 68 u.a. auf die Formel: „Die Bedrohung der Wissenschaftlichkeit der Theologie setzt vielmehr als bei den Studenten und beim Unterricht bei den Dozenten und bei der Forschung ein." 69
D e n Überlegungen der Dozenten von den Kirchlichen Hochschulen standen die Pläne der Reichskirchenregierung gegenüber, die sich gleichzeitig als Reform des theologischen Studiums auswirken sollten. Wie unterschiedlich die Intentionen waren, geht aus den Voten einiger Hochschullehrer hervor. Schon im November 1934 hatte Georg Wünsch dem Berliner Oberkirchenrat empfohlen, zwischen Haupt-, Neben- und Wahlfächern zu unterscheiden und eine stärkere Spezialisierung des Studiums durchzuführen. Das Erlernen der hebräischen Sprache wollte er den Wahlfächern zurechnen. „Es ist einfach unerträglich zu sehen," schrieb er, „wie unendlich viel Zeit vom Durchschnitt der Studenten dem Hebräischen geopfert werden muß, wobei dann doch nur klägliche Resultate zum Vorschein kommen, und die Betreffenden später ihre hebräische Bibel überhaupt nicht mehr ansehen." 70 Die tatsächlich festzustellenden Mängel in der Kenntnis der hebräischen wie der griechischen Sprache sollten nach dem Konzept der Kirchlichen Hochschulen dagegen durch ein intensiviertes Sprachstudium von minde-
67 68
Vgl. hierzu und zum folgenden: H. S C H L I E R , Vorbildung.
W EBD., 70
S T U D I U M , S.
226ff.
S.7.
Schreiben Georg Wünschs vom 25.11.1934 an den preußischen EOK (EZA B E R L I N , 1 / A 4 / 2 1 8 ) . Vgl. auch die Denkschrift der Lutherischen Arbeitsgemeinschaft (Deutsche Bekenntnisbewegung) zur kirchlichen Führung der Theologiestudenten vom November 1933 (EBD.); Vorschläge für die Neuordnung der Vorbereitung für das geistliche Amt von DC-Oberkonsistorialrat Walter Hoff (EBD.); Richtlinien für eine Deutsche Theologie von PD Dr. Eisenhuth, Leipzig (EBD.); ders., Studienreform; Oberkonsistorialrat Dick (EOK), Anregungen für eine Theologenbesprechung am 12.9.1933: Die Vorbildung der Geistlichen (EZA B E R L I N , 1 / A4/218); Hermann Wolfgang Beyer (Greifswald), Denkschrift über eine Einheitliche Pfarrerausbildung (EBD.); Emanuel Hirsch, Denkschrift: Pfarrerausbildung von der Zeit vor dem Studium bis ins Amt (EBD., ebenfalls in: EZA B E R L I N , 1 / A 2 / 5 5 3 und 1 / C 4 / 2 7 ) . Vgl. auch E. H I R S C H , Frage, S. 18-20; vgl. ferner: J . H . S C H E R I N G , Gewissensethik, S. 293 ff.; E. K L Ü G E L , Landeskirche, S. 324ff.; DERS., Landeskirche, Dokumente, S. 147; W. T R I L L H A A S , Hirsch, S. 37-59; R.P. E R I C K S E N , Theologen, S. 167ff.; Erich Seeberg, Anregungen zur Neugestaltung des theologischen Studiums (EZA B E R L I N , 1 / A4/218); Hans Preuß, Memorandum (EBD.), Hans Emil Weber, Gesetz (Entwurf) über die Vorbildung und Anstellungsfähigkeit der Theologen (EBD.); es handelte sich dabei um eine Auftragsarbeit des Reichsbischofs. Zu den verschiedenen Trägern und Phasen der Reform des Theologiestudiums vgl. auch die Beiträge von K. Meier und E. Wolgast in diesem Band.
Zur Geschichte der Kirchlichen Hochschulen
267
stens zwei Jahren ausgeglichen werden; dafür sollten im Ersten Theologischen Examen Predigt und Katechese als Prüfungsfächer entfallen 7 1 . G a n z anders sah der „Bericht über die am 4. Februar 1938 abgehaltene Besprechung von Professoren der Theologie über die Frage einer Reform des theologischen Studiums und der kirchlichen Ausbildung" aus 7 2 . Neben der Einführung des Fakultätsexamens als des einzigen ersten theologischen Examens sollte nach den Vorstellungen dieses Kreises regimetreuer Theologieprofessoren das Hebräische in die zweite kirchliche Ausbildungsphase verlegt werden. An den Fakultäten wollte man das Alte Testament in der Sprache behandeln, „in der es von der christlichen Kirche gelesen und aufgenommen worden ist, und in der es sich entsprechend der urchristlichen Geschichtsauffassung durchgesetzt hat: in der griechischen Ubersetzung der Septuaginta" 7 3 . Als grundsätzliche Aufgabe des Theologiestudiums wurde formuliert, „ d a ß es [seil, das S t u d i u m ] die geistige S u b s t a n z , in d e r d a s C h r i s t e n t u m besteht, z u e r h a l t e n u n d diese d e n m o d e r n e n A n f o r d e r u n g e n u n d d e m religiösen B e d a r f d e r Zeit e n t s p r e c h e n d p r o d u k t i v u m z u g e s t a l t e n h a t . . . D i e H e b u n g des B i l d u n g s n i v e a u s i m H i n b l i c k a u f die geistige L a g e d e r G e g e n w a r t leitete hier die verschiedenen A u s f ü h r u n g e n . " 7 4
Natürlich blieben diese Vorstellungen nicht unwidersprochen, wie beispielsweise die Denkschrift der Tübinger theol. Fakultät vom 25. April 1938 zeigt 7 5 . Trotzdem erklären diese Pläne das entschiedene Alternativkonzept, das Schlier und Beckmann im Auftrag des preußischen Bruderrates erarbeitet hatten und 1939 vorlegten. In den Vorbemerkungen heißt es unmißverständlich: „ I n j e d e m S t u d i e n p l a n k o m m t n a t u r g e m ä ß ein b e s t i m m t e s V e r s t ä n d n i s dessen, was die A u f g a b e d e r T h e o l o g i e ist u n d eine b e s t i m m t e B e u r t e i l u n g der S i t u a t i o n des t h e o l o g i s c h e n S t u d i u m s z u m A u s d r u c k . D e r v o r l i e g e n d e P l a n geht v o n d e m Vers t ä n d n i s v o n T h e o l o g i e aus, das s i c h w e i t h i n in d e r B e k e n n e n d e n K i r c h e durch-
71
V g l . d a z u STUDIUM,
72
EZA
BERLIN,
S.231F.
1/C3/94.
7 3 EBD. Im BERLINER LOKALANZEIGER Nr. 11 vom 13.1.1939 wurde Folgendes bekanntgegeben: „Hebräisch nicht mehr Pflichtfach. Auf Beschluß des Landeskirchenrates in Thüringen wird die Thüringer evangelische Kirche bei der theologischen Aufnahmeprüfung keinen besonderen Wert mehr auf den Nachweis hebräischer Kenntnisse legen. Die theologische Fakultät der Universität Jena fordert nach Wegfall des Hebräischen nunmehr die Erhebung der allgemeinen Religionsgeschichte zum Pflichtfach." 74
EZA
BERLIN,
1/C3/94.
EBD.; vgl. auch die „Mitteilungen aus kirchlicher Arbeit deutscher Theologiestudenten" vom September 1938 ( E Z A BERLIN, 1 / A 2 / 5 5 4 ) . 75
268
Gerhard Besier
g e s e t z t h a t u n d d a s s i c h d u r c h das S t i c h w o r t e i n e r i n d e r S c h r i f t g e g ü n d e t e n u n d a n das B e k e n n t n i s g e b u n d e n e n T h e o l o g i e k e n n z e i c h n e n
läßt."76
Damit erteilte der BK-Studienplan einer sich abzeichnenden „weitgehendefn] Verwandlung der Theologie in christliche Religions- und Geisteswissenschaft"77 eine klare Absage. Bei ihrer Wiederbegründung 1945 konnten die Kirchlichen Hochschulen an diesen Studienplan anknüpfen 78 . 5. Zusammenfassung
und Versuch einer
Bewertung
Die Gründung der Kirchlichen Hochschulen war mehr als nur eine Notmaßnahme, eine bloße Reaktion der Bekennenden Kirche auf die staatlichen Eingriffe in den Lehrkörper der theologischen Fakultäten. Kirchliche Lehr- und Forschungsstätten lagen vielmehr im theologischen Gefälle der ekklesiologischen Neubesinnung von „Barmen" und vollzogen sinngemäß die Beschlüsse von „Dahlem" auf dem Feld kirchlicher Ausbildung, indem sie sich als bekenntnisgebundene Einrichtungen von den staatlich gebundenen Fakultäten abzugrenzen suchten79. Entsprechend gehörten die Initiatoren, Förderer und Träger der Kirchlichen Hochschulen zum bruderrätlichen Flügel der Bekennenden Kirche. Die Durchsetzung und Gründung dieser Hochschulen bedeutete nichts weniger als eine Wissenschaftsrevolution im Fach Theologie, denn von vornherein bemühte man sich in Berlin und Elberfeld, mit der veränderten äußeren Form auch das inhaltliche Konzept von Grund auf zu reformieren. Daher rührten auch zu einem Gutteil manche Vorbehalte von ansonsten der Bekennenden Kirche eher zugeneigten Theologieprofessoren. Sie trugen nicht nur Bedenken gegen die Hochschulen, weil sie um den Fortbestand staatlicher Fakultäten fürchteten, sondern auch, weil sie dem mitunter unakademischen Treiben zutiefst mißtrauisch gegenüberstanden und die implizite, gemeindeorientierte Opposition gegen die traditionelle Wissenschaft Theologie wohl spürten. Trotz der Bitte Hans von Sodens, in den altpreußischen Bruderrat einen Professor oder Dozenten zu berufen, war man diesem dringenden Rat nicht gefolgt80, die Hochschulgründungen selbst waren mit den der Bekennenden Kirche Preußens angehörenden Hochschullehrern nicht einmal besprochen worden81. „Dem Hochmut 7 6 J. BECKMANN/H. SCHLIER, Studium; vgl. auch H. SCHLIER, Verantwortung der Kirche; DERS., Verantwortung des Theologiestudenten. 77
J . B E C K M A N N / H . SCHLIER, S t u d i u m ,
7«
V g l . E Z A BERLIN, 6 1 9 / 1 4 .
S. 3 .
7 9 Vgl. dazu K . SCHOLDER, K i r c h e n , Bd. 2 bes. S . 3 4 7 f . ; G . BESIER, P r o b l e m a t i k , sowie jetzt z.T. kritisch A . KERSTING, K a m p f , S . 9 ; 340, A n m . 155. 80
E . D I N K L E R / E . D I N K L E R - V O N SCHUBERT, T h e o l o g i e , S . 1 6 4 .
81 EBD., S. 169.
Zur Geschichte der Kirchlichen Hochschulen
269
theologischer Wissenschaft und der Geringschätzung kirchlicher Praxis wurde ein Ende gesetzt. Theologisches Denken und kirchliches Handeln gingen eine hoffnungsvolle Verbindung ein", schreibt Wolfgang Scherffig 8 2 und bringt damit das Vorverständnis vieler BK-Pastoren seiner Generation zum Ausdruck. A b e r dieses Vorverständnis teilten nicht einmal die voll akademisch ausgebildeten Hochschullehrer an den kirchlichen Fakultäten 8 3 ; sie und andere sorgten sich vielmehr um das Niveau an ihren Ausbildungsstätten 8 4 , und selbst Karl Barth, der oft scharfe Kritik an dem Bildungsstand der KiHo-Dozenten übte 8 5 , konnte sich eine aus der Universität herausgelöste freie kirchliche Fakultät offenbar nur schwer vorstellen 8 6 . Das Bemühen, von der Barmer Theologischen Erklärung her ein gemeindenahes und gleichzeitig wissenschaftlich anspruchsvolles Theologiestudium zu konzipieren und in den Studienalltag umzusetzen, gelang den Kirchlichen Hochschulen bestenfalls ansatzweise. Dafür lediglich die äußeren Bedingungen der NS-Zeit namhaft machen zu wollen, wäre gewiß keine zureichende Begründung. Angesichts der vielfältigen organisatorischen, konzeptionellen und qualitativen Probleme der Kirchlichen Hochschulen zwischen 1935 und 1941 nimmt es nicht wunder, daß man sich in der Zeit nach 1945 wieder zunehmend dem klassischen Fakultätsmodell annäherte, zumal nun der äußere politische Zwang zur Alternative wegfiel und ein — allerdings höchst wirkungsvolles — kirchliches Bollwerk gegen staatlich gestützte theologische Häresien nicht mehr notwendig schien. Aber die nur in Einzelimpulsen gelungenen und rezipierten Aus- und Fortbildungsvorstellungen des bruderrätlichen Flügels der Bekennenden Kirche lassen sich nicht als Argument gegen die theologischen Anliegen dieser Gruppe ins Feld führen — ebensowenig wie die Nichtrealisierung des Gemeindekirchenprinzips nach 1945 ausreicht, damit schon das Kirchenverständnis der „radikalen" Bekennenden Kirche ad absurdum zu führen. Vielmehr wäre dafür die Frage der Tragfähigkeit theologischer Begründungen damals wie heute von ihrem eigenen Gegenstand her vergleichend zu bedenken. Zur Klärung dieser Frage bedarf es jedoch eigener, systematisch-theologisch akzentuierter Diskurse.
82
W . SCHERFFIG, T h e o l o g e n , B d . 2 ,
S.85.
Vgl. z.B. A . de Quervain, oben S. 2 5 6 . 8 4 Vgl. G. BESIER, Gründung, S . 3 3 1 , A n m . 19. 8 5 Vgl. G . BESIER, Auseinandersetzung, S. 111; DERS., Kirche, S. 4 6 9 f . 8 6 Vgl. dazu STUDIUM, S. 3 5 f . A m 3 0 . 1 2 . 1 9 3 4 schrieb Heinrich Vogel an Barth, er habe mit schwerer Besorgnis gehört, „daß Sie sich angesichts der wirtschaftlichen Existenzunmöglichkeit für Sie und Ihre Familie und im Hinblick auf Ihr großes Werk genötigt glauben, einem Ruf ins Ausland Folge zu leisten . . . Bleiben Sie bei uns, das ist meine, — unsere 83
Bitte an S i e ! " ( K B A
BASEL).
Anhang I. Gesamtzahl der Dozenten im Fach Evangelische Theologie Fundort: E2A Berlin, 1/A 4/470 (Anlage zu einem Bericht der Leitung der Deutseben Evangelischen Kirche vom 28.5.1936). Universität
Berlin Bonn Breslau Göttingen Greifswald Halle Kiel Königsberg Marburg Münster
WS 1932/33 D.C.
B.K.
6 4 4 7
6 8 2 2 4 2 1 4
2 5 3 2 4 2
5 3
Vorläufigen
WS 1935/36 Sonstige 19 7 8 5 12 19 11 8 14 9
D.C. 9 8 6 9 2 3 4 6 6 2
B.K. 6 —
2 2 4 2 2 3 5 3
Sonstige 20 4 5 5 12 17 6 5 8 9
Zur Geschichte der Kirchlichen
Hochschulen
271
II. Zahl der Theologie-Studenten an den deutschen Hochschulen Sommer-Semester 1936 - 1. Trisemester 1940 Fundort: ETA Berlin, 1/B evang. Theol.
3/303. kath. Theol.
Gesamts u m m e der
Anteil der ev. Theol. a. d. Gesamtzahl der
Theol. Stud.
Theol. Stud. in %
SS 1936
3183 (101)*
3 3 2 6 (3)
6509
48,90
WS 1936/37
2 7 5 6 (73)
3 3 5 0 (8)
6106
45,14
SS 1937
2214
(59)
2 7 9 2 (5)
5006
44,23
WS 1 9 3 7 / 3 8
1931
(40)
3475
5406
35,72
SS 1938
1696 (39)
3025
WS 1938/39
1470 (38)
3362
SS 1939
1330 (37)
2952
Herbsttrimester
4 0 9 (16)
120
1. Trimester
401
835
(21)
(-) (-) (") (-) (-) (-)
4721
35,92
4832
30,42
4282
31,06
529
77,32!
1236
32,44
* In runden Klammern steht jeweils die Zahl der weiblichen Theologie-Studierenden, die in der Gesamtzahl enthalten sind. Bei den katholischen Theologie-Studierenden sind die Besucher der staatlich anerkannten Seminare in Augsburg, Bamberg, Dillingen, Freising, Regensburg und Passau in der Gesamtzahl mitenthalten, dagegen die Zahl der Besucher der Seminare in Eichstädt, Frankfurt am Main, Fulda, Paderborn, Mainz und Trier nicht\ Ebenfalls fehlen die an den Kirchlichen Hochschulen in Berlin und Elberfeld Immatrikulierten. Vgl. dazu den Auszug aus dem Matrikelbuch der Theologischen Schule Elberfeld (STUDIUM, S. 353). Vergleichbares Datenmaterial liegt für die Kirchliche Hochschule Berlin leider nicht vor.
272
Gerhard Besier
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ABKÜRZUNGEN
AdR AEvOKR AG AHUB AKiZ ApU AT A.u.H.B. AVA BA BGBl BK BRD CA CDU DC DDP DDR DEK DWEV D.Z(l). EOK EuK EZA GB1DEK Gestapo GZ(1). IfZ IMG KAB1 KBA KG KGVB1 KiHo
KJ
KPD KZ LKA NDB NL NS NSDAP NSDStB NSLB NT
Archiv der Republik Archiv des Ev. Oberkirchenrats Arbeitsgemeinschaft Archiv der Humboldt-Universität Berlin Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte Altpreußische Union Altes Testament Augsburgisches und Helvetisches Bekenntnis Allgemeines Verwaltungsarchiv Bundesarchiv Bundesgesetzblatt Bekennende Kirche Bundesrepublik Deutschland Confessio Augustana Christlich Demokratische Union Deutsche Christen Deutsche Demokratische Partei Deutsche Demokratische Republik Deutsche Evangelische Kirche Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Dekanatszahl Evangelischer Oberkirchenrat Evangelium und Kirche Evangelisches Zentralarchiv Gesetzblatt der Deutschen Evangelischen Kirche Geheime Staatspolizei Geschäftszahl Institut für Zeitgeschichte Internationaler Militärgerichtshof Kirchliches Amtsblatt Karl Barth-Archiv Kirchengeschichte Kirchliches Gesetz- und Verordnungsblatt Kirchliche Hochschule Kirchliches Jahrbuch Kommunistische Partei Deutschlands Konzentrationslager Landeskirchliches Archiv; Landeskirchenausschuß Neue Deutsche Biographie Nachlaß Nationalsozialismus, nationalsozialistisch Nationalsozialistische Arbeiterpartei Deutschlands Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund Nationalsozialistischer Lehrerbund Neues Testament
392 NZZ OKR ORR PA PD PK.A REM RGBl RGG RKM SA SD SPD SS StA StdF TRE UA USPD VKL WRV WS
Abkürzungen Neue Zürcher Zeitung Oberkirchenrat; Oberkonsistorialrat Oberregierungsrat Personalakte Privatdozent Provinzialkrichenausschuß Reichserziehungsminister, -ministerium Reichsgesetzblatt Die Religion in Geschichte und Gegenwart Reichskirchenminister, -ministerium Sturmabteilung Sicherheitsdienst Sozialdemokratische Partei Deutschlands Sommersemester; Schutzstaffel Staatsarchiv Stellvertreter des Führers Theologische Realenzyklopädie Universitätsarchiv Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands Vorläufige Kirchenleitung Weimarer Reichsverfassung Wintersemester
GESAMTLITERATURVERZEICHNIS
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Unterricht.
410
Gesamtliteraturverzeichnis
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SCHMAUS, MICHAEL: Begegnungen zwischen katholischem Christentum und nationalsozialistischer Weltanschauung. Münster 1933. SCHMID, MANFRED/SCHÄFER, VOLKER: Wiedergeburt des Geistes. Die Universität Tübingen im Jahre 1945 (Werkschriften des Universitätsarchivs Tübingen. Reihe 2, Heft 13). Tübingen 1985. SCHMIDT, FRIEDRICH WILHELM: In memoriam Georg Wobbermin. In: Theologische Literaturzeitung 69, 1944, Sp. 41 f. SCHMIDT, KURT DIETRICH ( H g . ) : D i e B e k e n n t n i s s e u n d g r u n d s ä t z l i c h e n Ä u ß e r u n g e n z u r K i r -
chenfrage des Jahres 1933 ( = Band 1). Göttingen 1934; Das Jahr 1934 ( = Band 2). Göttingen 1935. SCHMIDT, KURT DIETRICH (Hg.): Dokumente des Kirchenkampfes II. Die Zeit des Reichskirchenausschusses (Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes. 13/14). Göttingen 1964/65. SCHMIDT-HARZBACH, INGRID: Frauen, Bildung und Universität. In: Hans-Werner Prahl / Ingrid Schmidt-Harzbach: Die Universität. Eine Kultur- und Sozialgeschichte. München 1981, S. 175-213. SCHNEERSOHN, F.: Libertés académiques et droits des savants (Projet et premiers pas vers la fondation d'une „Organisation" professionelle Internationale pour la Défense des Libertés Académiques et des Droits des Savants). Préliminaires à un Congrès international des Savants. Privatdruck 1934. SCHNEIDER, ERWIN: Das Lebenswerk Karl Beths. In: Theologische Literaturzeitung 78, 1953, Sp.
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SCHNEIDER, ULRICH: Bekennende Kirche zwischen „freudigem J a " und antifaschistischem Widerstand. Eine Untersuchung des christlich motivierten Widerstands gegen den Faschismus unter besonderer Berücksichtigung der Bekennenden Kirche in Kurhessen-Waldeck und Marburg. Kassel 1986. SCHNEIDER-FLUME, GUNDA: Die politische Theologie Emanuel Hirschs 1918-1933 (Europäische Hochschulschriften. Reihe X X I I I . Bd. 5). Bern; Frankfurt am Main 1971. SCHOLDER, KLAUS: Neuere deutsche Geschichte und protestantische Theologie [1963], In: DERS., Kirchen zwischen Republik und Gewaltherrschaft, S. 7 5 - 9 7 . SCHOLDER, KLAUS: Baden im Kirchenkampf des Dritten Reiches. Aspekte und Fragen. In: Oberrheinische Studien II. Karlsruhe 1973, S. 2 2 3 - 2 4 1 . SCHOLDER, KLAUS: Der Kampf um die Kirchen (1935-1945). In: Ökumenische Kirchengeschichte. Hg. von Raymund Kottje und Bernd Moeller. Band III: Neuzeit. Mainz; München 1974, S. 2 8 8 - 3 0 2 . SCHOLDER, KLAUS: Österreichisches Konkordat und nationalsozialistische Kirchenpolitik. In: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht 20, 1975, S. 2 3 0 - 2 4 3 . SCHOLDER, KLAUS (Hg.): Die Mittwochs-Gesellschaft. Protokolle aus dem geistigen Deutschland 1932-1944. Berlin 1982 2 . SCHOLDER, KLAUS: Politik und Kirchenpolitik im Dritten Reich. Die kirchenpolitische Wende 1936/1937 [1983]. In: DERS., Kirchen zwischen Republik und Gewaltherrschaft, S. 2 1 3 - 2 2 7 . SCHOLDER, KLAUS: Die Kirchen und das Dritte Reich. Band 1: Vorgeschichte und Zeit der Illusionen 1918-1934. Frankfurt am Main u.a. 1977. Band 2: Das Jahr der Ernüchterung 1934. Barmen und Rom. Berlin 1985.
Gesamt literaturverzeichnis
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2 6 8 ff.
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412
Gesamtliteraturverzeichnis
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SEIER, HELLMUT: Universität und H o c h s c h u l p o l i t i k im nationalsozialistischen Staat. In: Klaus Malettke (Hg.): D e r N a t i o n a l s o z i a l i s m u s an der Macht. Aspekte nationalsozialistischer Politik und Herrschaft. Göttingen 1984, S. 143-165. SEIER, HELLMUT: D i e Hochschullehrerschaft im Dritten Reich. In: K . SCHWABE, Deutsche Hochschullehrer als Elite, S. 2 4 7 - 2 9 5 . SELGE, KURT-VICTOR:
Heinrich
Bornkamm
(1901-1977)
als K i r c h e n h i s t o r i k e r
und
Zeit-
genosse. In: Heidelberger Jahrbücher 23, 1979, S. 101-122. VON S E L L E , G Ö T Z : G e s c h i c h t e d e r G e o r g - A u g u s t - U n i v e r s i t ä t G ö t t i n g e n 1 7 3 7 - 1 9 3 7 .
Göttin-
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SIEGELE-WENSCHKEWITZ, LEONORE: N a t i o n a l s o z i a l i s m u s und Kirchen. Religionspolitik von Partei und Staat bis 1935 (Tübinger Schriften zur Sozial- und Zeitgeschichte. 5). Düsseldorf 1974. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, LEONORE: D i e Evangelisch-theologische Fakultät T ü b i n g e n in den Anfangsjahren des Dritten Reiches. I. Karl Fezer und die Deutschen Christen. II. Gerhard Kittel und die Judenfrage. In: T ü b i n g e r T h e o l o g i e im 20. Jahrhundert (Zeitschrift für Theologie und Kirche, Beiheft 4). T ü b i n g e n 1978, S. 3 4 - 8 0 . SIEGELE-WENSCHKEWITZ, LEONORE: D i e evangelische Kirche in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs 1939-1945. In: Evangelische T h e o l o g i e 39,1979, S. 3 8 9 - 4 0 9 [auch in: Miscellanea Historia Ecclesiasticae, 9. O s s o l i n e u m 1984, S. 1-40]. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, LEONORE: Neutestamentliche Wissenschaft vor der Judenfrage. Gerhard Kittels theologische Arbeit im Wandel deutscher Geschichte (Theologische Existenz heute. 208). M ü n c h e n 1980. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, LEONORE: Mitverantwortung und Schuld der Christen am H o l o c a u s t . In: Evangelische T h e o l o g i e 42, 1982, S. 171-190. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, LEONORE: D i e Theologische Fakultät im Dritten Reich: „Bollwerk gegen Basel". In: Semper Apertus. 600 Jahre Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg 1386 -1986. Bd. 3: D a s Zwanzigste Jahrhundert 1918-1985. Berlin; Heidelberg 1985, S. 504-543. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, LEONORE (Hg.): Verdrängte Vergangenheit, die uns bedrängt. Feministische T h e o l o g i e in der Verantwortung für die Geschichte. M ü n c h e n 1988. SIEGELE-WENSCHKEWITZ, LEONORE: Protestantische Universitätstheologie und Rassenideologie in der Zeit des Nationalsozialismus. Gerhard Kittels Vortrag „ D i e Entstehung des Judent u m s und die Entstehung der J u d e n f r a g e " von 1936. In: G ü n t e r B r a k e l m a n n / M a r t i n Rosowski (Hg.): Antisemitismus. Von religiöser Judenfeindschaft zur Rassenideologie. Göttingen 1989, S. 5 2 - 7 5 . SIEGELE-WENSCHKEWITZ / STUCHLIK , G E R D A ( H g . ) : H o c h s c h u l e u n d N a t i o n a l s o z i a l i s m u s . W i s -
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Gesamtliteraturverzeichnis
413
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THIERFELDER, J Ö R G :
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250jährigen Geschichte. Hg. von Heinrich Becker, Hans Joachim Dahms und Cornelia Wegener. München u.a. 1987. UNTERKÖFLER, HERBERT: Die Evangelische Kirche in Osterreich und ihre,Judenchristen". In: Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 107, 1991/92, S. 109-139. UNTERWEGS ZUR MÜNDIGEN GEMEINDE. D i e evangelische K i r c h e i m N a t i o n a l s o z i a l i s m u s a m
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DIE AUTORINNEN, AUTOREN UND HERAUSGEBER JENDRIS ALWAST, Dr. theol., Dr. phil., Oberstudienrat im Hochschuldienst an der Theologischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität Kiel; Wissenschaftlicher Beirat der Ferdinand-Tönnies-Gesellschaft Kiel; Redaktionsausschuß des „Biographischen Lexikons für Schleswig-Holstein und Lübeck". Wichtigste Publikationen: Logik der dionysischen Revolte. Nietzsches E n t w u r f einer aporetisch zementierten kritischen T h e o r i e (1975); Dialektik und Rechtstheologie (1984); Geschichte der Theologischen Fakultät an der ChristianAlbrechts-Universität 1 8 6 6 - 1 9 8 6 (1988); „ . . .der höchste Punkt der lebenden Natur". Zur Dialektik der Geschlechterbeziehung (in: Hegel-Jahrbuch 1990, S. 141ff.); Die begriffene Wirklichkeit und die Wirklichkeit des Begriffs. Zur Kritik und Aneignung Hegels bei F. Tönnies (in: 100 Jahre Gemeinschaft und Gesellschaft. F. Tönnies in der internationalen Diskussion, 1991, S. 251ff.). GERHARD BESIER, Prof. Dr. theol., D r . phil., geb. 1 9 4 7 , 1 9 7 6 P r o m o t i o n zum Dr. theol. in Tübingen, 1979 D i p l o m im Fachbereich empirische Sozial- und Verhaltenswissenschaften in Tübingen, 1980 Rektor des Religionspädagogischen Instituts der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers in Loccum, 1982 Habilitation im Fach Kirchengeschichte an der Kirchlichen Hochschule Bethel, 1 9 8 5 / 8 6 Dr. phil. (Mittelalterliche und Neuere Geschichte) an der Freien Universität Berlin, 1987 Prof. für Neuere und Neueste Kirchengeschichte an der Kirchlichen Hochschule in Bethel, 1992 in Heidelberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Theologie- und Kirchengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts; seit 1988 Geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift „Kirchliche Zeitgeschichte". WILHELM DAMBERG, Dr., geb. 3.5.1954, Studium der Theologie und Geschichte, 1981 - 1 9 9 0 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität Münster, seit 1990 bei der Kommission für kirchliche Zeitgeschichte im Bistum Münster. Veröffentlichungen zur kirchlichen Zeitgeschichte des Bistums Münster im 20. Jahrhundert. HANNELORE ERHART, geb. 1927, Studium der Theologie, 1955 P r o m o t i o n , 1958 wissenschaftliche Assistentin im Fach Reformierte Theologie/Systematische T h e o logie, 1963 Habilitation, 1964 Privatdozentin, 1968 wissenschaftliche Rätin und Professorin, Professorin im Fach Reformierte T h e o l o g i e / S y s t e m a t i s c h e Theologie an der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen, Mitbegründerin und Leiterin des Göttinger Frauenforschungsprojektes zur Geschichte der T h e o l o g i n n e n , seit 1989 im Ruhestand; verheiratet, zwei Töchter. HARTMUT LUDWIG, geb. 1942 in Glauchau, 1984 P r o m o t i o n zum Dr. theol. mit einer Arbeit über die Barmer Theologische Erklärung, 1988 Habilitation (Dr. sc. theol.)
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Die' A u t o r i n n e n , A u t o r e n u n d H e r a u s g e b e r
mit der Arbeit „Die Opfer unter dem Rad verbinden. Das ,Büro Pfarrer G r ü b e r ' " (erscheint demnächst im Neukirchener Verlag). Seit 1988 Hochschuldozent für Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät der HumboldtUniversität zu Berlin. Zahlreiche Aufsätze zur Geschichte und Theologie der Bekennenden Kirche 1 9 3 3 - 1 9 4 5 und zur Schuldfrage nach 1945. INGE MAGER, Prof. Dr., geb. 1940 in Honigfelde/Westpr., Theologiestudium in Berlin, Tübingen und Göttingen, theologische P r o m o t i o n in Göttingen 1969 (Georg Calixts theologische E t h i k , 1969), Habilitation in Göttingen 1986 (Die Konkordienformel im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel), seit 1987 Leiterin der Abteilung für niedersächsische Kirchengeschichte der Universität Göttingen. (Hg.:) Werke G . Calixts in Auswahl, 4. Bde. ( 1 9 7 0 - 1 9 8 2 ) ; zahlreiche Studien zur reformatorischen und niedersächsischen Kirchengeschichte. KURT MEIER, Prof. Dr. theol., geb. 1927 in Venusberg/Erzgeb., 1961 Dozent, seit 1965 Professor für Kirchengeschichte und kirchliche Zeitgeschichte an der Universität Leipzig, 1992 emeritiert. Veröffentlichungen zur Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts. WILHELM H . NEUSER, geb. am 13.6.1926 in Siegen, Professor für Kirchengeschichte in Münster (pensioniert), Leiter des Instituts für Bucerforschung und des Instituts für Westfälische Kirchengeschichte, Sekretär des Internationalen Kongresses für Calvinforschung. Veröffentlichungen über Melanchthon, Zwingli, Calvin und T h e m e n des 19. und 20. Jahrhunderts. Bibliographie in: W. van't Spijker (Hg.): Calvin. E r b e und Auftrag. Festschrift zum 65. Geburtstag (1991). CARSTEN NICOLAISEN, Dr. theol., geb. 1934 in Hamburg, Studium der Germanistik und Theologie, 1966 P r o m o t i o n in Hamburg, Geschäftsführer der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte und zugleich Akademischer Direktor am Institut für Kirchengeschichte der Universität München. (Hg.:) D o k u m e n t e zur Kirchenpolitik des Dritten Reiches, Bd. I und II (1971 und 1974); D e r Weg nach Barmen. Zur Enstehungsgeschichte der Theologischen Erklärung 1934 (1985); (Bearb. zusammen mit Hannelore Braun:) Verantwortung für die Kirche. Stenographische Aufzeichnungen und Mitschriften von Landesbischof Hans Meiser, Bd. 1 und 2 (1985 und 1993). KURT NOWAK, Prof. Dr. theol, D r . phil., geb. 1942, Studium der evangelischen Theologie 1 9 6 4 - 1 9 6 9 in Leipzig und Jena, P r o m o t i o n 1971, Habilitation 1978, Zusatzqualifiaktion und P r o m o t i o n in Germanistik/Literaturwissenschaft (Dr. phil.) 1984, Prof. für Kirchengeschichte an der Universität Leipzig. Wichtigste Publikationen: Euthanasie und Sterilisierung im Dritten Reich (3. Aufl. 1984); Schleiermacher und die Frühromantik (1986); Evangelische Kirche und Weimarer Republik (2. Aufl. 1988); Kulturprotestantismus und Judentum (1992); Mitherausgeber von „Konfession und Gesellschaft" und „New Athenäum". GÜNTHER VAN NORDEN, geb. 1928 in K ö l n , 1965 ord. Professor, Inhaber des Lehrstuhls für Neuere Geschichte an der Universität Wuppertal, Vorsitzender des
Die Autorinnen, Autoren und Herausgeber
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Ausschusses für Kirchliche Zeitgeschichte der Evangelischen Kirche im Rheinland. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte, zuletzt: Das 20. Jahrhundert ( = Quellen zur rheinischen Kirchengeschichte, Bd. 5, 1990); (Hg.:) Ev. Kirche im Zweiten Weltkrieg (1991). TRUTZ RENDTORFF, Dr. theol., geb. 1931, ord. Prof. für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität München seit 1968, Vorsitzender der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie 1979-1984, Vorsitzender der Kammer der E K D für Öffentliche Verantwortung seit 1980, Präsident der Ernst-Troeltsch-Gesellschaft seit 1981. Neuere Veröffentlichungen: Ethik, Bd. 1 und 2 (1980/81, 2. Aufl. 1990); Theologie in der Moderne. Uber Religion im Prozeß der Aufklärung (1991); Vielspältiges. Beiträge zur ethischen Kultur (1991). ADOLF MARTIN RITTER, Dr. theol., geb. 1933 im Kurhessischen, nach Studium der Evangelischen Theologie in Marburg, Heidelberg, Göttingen und Athen 1962 Promotion zum Dr. theol. in Heidelberg und 1970 Habilitation im Fach Kirchengeschichte in Göttingen, seit 1981 Professor für Historische Theologie (Patristik) an der Universität Heidelberg. Wichtigere Veröffentlichungen: Das Konzil von Konstantinopel und sein Symbol (1965); Wer ist die Kirche? Amt und Gemeinde im Neuen Testament, in der Kirchengeschichte und heute (1968); Charisma im Verständnis des Johannes Chrysostomos und seiner Zeit (1972); Alte Kirche (1977; 5. Aufl. 1991); Kerygma und Logos (1979); Dogma und Lehre in der Alten Kirche, in: C. Andresen (Hg.): Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte, I (1982); (zusammen mit G. Heil:) Corpus Dionysiacum II (1981); (zusammen mit C. Andresen:) Geschichte des Christentums I. Von den Anfängen bis zur Hochscholastik, 1. Das Altertum (1992); Pseudo-Dionysius Areopagita. Mystische Theologie und Briefe (1993). MARTIN ROHKRÄMER (1922-1991), seit 1954 Pfarrer in der Evangelischen Kirche im Rheinland, zuletzt Landespfarrer für die Ausbildung der Gemeindemissionare in Mülheim/Ruhr; Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Evangelische Theologie. Veröffentlichungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte. KARL SCHWARZ, geb. 1952, Dr. theol., Assistenzprofessor an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien und Dozent für Kirchenrecht, Vorstandsmitglied der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Osterreich, Moderator der Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte. Zahlreiche Aufsätze zur Kirchengeschichte und zum Kirchenrecht; (Hg. zusammen mit G. Reingrabner:) Quellentexte zur österreichischen evangelischen Kirchengeschichte 1 9 1 8 - 1 9 4 5 (1989).
LEONORE SIEGELE-WENSCHKEWITZ, Dr. theol., Pfarrerin und Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Arnoldshain, Privatdozentin für Historische Theologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main, stellvertretende Vorsitzende der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte.
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Die Autorinnen, Autoren und Herausgeber
Veröffentlichungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte (NS-Religionspolitik, Geschichte der Wissenschaftsdisziplin Evangelische Theologie und EvangelischTheologischer Fakultäten wie Tübingen und Heidelberg im 20. Jahrhundert, problemorientierte Studien über Personen der Kirchlichen Zeitgeschichte, zum Verhältnis von Christentum und Judentum, zur feministischen Theologie und (kirchen)historischen Frauenforschung, zum Verhältnis von Staat und Kirche in der D D R . JÖRG THIERFELDER, Dr. theol., Professor für Evangelische Theologie/Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Veröffentlichungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte: Das Kirchliche Einigungswerk des württembergischen Landesbischofs Theophil Wurm (1975); (zusammen mit E. Röhm:) Evangelische Kirche zwischen Kreuz und Hakenkreuz (1981); (zusammen mit G. Besier und R. Tyra:) Kirche nach der Kapitulation, 3 Bde. (1989ff.); (zusammen mit E. Röhm:) Juden — Christen — Deutsche, 4 Bde. (1990ff.). EIKE WOLGAST, geb. 1936, ord. Professor für Neuere Geschichte an der Universität Heidelberg. Arbeitsschwerpunkte: Geschichte des 16. Jahrhunderts; Universitätsgeschichte der Neuzeit; Geistes- und Institutionengeschichte des 20. Jahrhunderts. Publikationen u.a.: Die Wittenberger Theologie und die Politik der evangelischen Stände (1977); Thomas Müntzer (2. Aufl. 1981); Die Universität Heidelberg 1386-1986 (1986); Die Universität Heidelberg in der Geschichte des Nationalsozialismus, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, Bd. 135 (1987); Der deutsche Antisemitismus im 20. Jahrhundert, in: Heidelberger Jahrbücher, Bd. 33 (1989).
PERSONENREGISTER
D i e V o r n a m e n und Berufsbezeichnungen in diesem Register mußten in der Regel erschlossen werden. Dabei wurden die F u n k t i o n e n gewählt, die die G e n a n n t e n zu dem Z e i t p u n k t innehatten, zu dem sie in den einzelnen Beiträgen des Bandes auftreten. In m a n c h e n Fällen m u ß t e es bei der A n g a b e „ T h e o l o g i n " oder „ T h e o l o g e " bleiben.
Achelis, H a n s , K i r c h e n h i s t o r i k e r 108 A d a m , O . , T h e o l o g i e s t u d e n t 331 Adler, B r u n o , B i s c h o f von M ü n s t e r 3 1 8 , 320-323 A l b e r t z , M a r t i n , Superintendent 2 4 4 - 2 4 7 , 262, 295, 304 A l e i t h , Eva, T h e o l o g i n 2 3 0 Alswede, H a n s T h e o d o r , T h e o l o g e 3 7 5 Althaus, Paul, Systematiker 2 4 , 30, 33, 105, 264 A l t , A l b r e c h t , A l t t e s t a m e n t l e r 34, 84 A m e l u n x e n , R u d o l f , Ministerpräsident 159, 161, 164
B e c k , Ludwig, G e n e r a l o b e r s t 107 Beckmann, Joachim, Theologe 267,279,282 B e h m , J o h a n n e s , N e u t e s t a m e n t i e r 349f. Behrens, Eduard 195 B e n c k e r t , H e i n r i c h , Pfarrer 2 5 7 B e n j a m i n , Walter, Schriftsteller 191f. B e n z , E r n s t , K i r c h e n h i s t o r i k e r 83, 371ff. Benz, Georg Heinrich, Theologe 379 Berdjajew, N i k o l a i , P h i l o s o p h 190f. Berger, R o b e r t , Pfarrer 2 9 4 B e r t h o l e t , Alfred, A l t t e s t a m e n t l e r 3 1 3 B e r t r a m , G e o r g , N e u t e s t a m e n t i e r 102f. B e t h , K a r l , Systematiker 14, 177, 3 6 3 , 3 6 7 ,
Andrä, H e r m a n n , T h e o l o g i e s t u d e n t 308-311 A n r i e h , E r n s t , H i s t o r i k e r 187 A n r i e h , Gustav, K i r c h e n h i s t o r i k e r 134 A n t o n e s c u , I o n , r u m ä n . Staatspräsident 3 8 0 A n z , Siegfried, T h e o l o g i e s t u d e n t 3 0 8 - 3 1 1 A r n o l d , K a r l , Ministerpräsident 159, 161 von A s c h o f f , Elisabeth, T h e o l o g i n 2 3 9 Asmussen, Hans, Pfarrer 21, 3 3 , 185, 2 6 2 , 282,284,295,307,312
369, 3 7 9 , 3 8 8 B e t h , M a r i a n n e geb. Weisel 3 6 7 Beyer, H e r m a n n Wolfgang, Neutestamentler und K i r c h e n h i s t o r i k e r 103, 130, 2 6 6 , 373
Bader, Claudia, T h e o l o g i n 2 3 9 Bandt, H e l l m u t , T h e o l o g i e s t u d e n t 3 0 0 , 3 1 2 B a r i o n , H a n s , K i r c h e n r e c h t l e r 150, 154f. Barth, C a r o l a , T h e o l o g i n 2 2 4 , 2 2 9 f . , 2 3 3 f . , 240 B a r t h , K a r l , Systematiker 2 0 f . , 2 9 f . , 3 6 , 39-43,85,92f.,95,113-144,181-187,192, 196f., 2 4 2 , 2 5 2 f . , 2 5 6 , 2 5 8 , 2 6 3 , 2 6 9 , 2 7 8 , 281ff., 285, 3 1 5 , 3 2 1 , 3 3 4 , 3 4 9 Bauer, K a r l , K i r c h e n h i s t o r i k e r und Praktologe 3 3 3 Bauer, Walter, N e u t e s t a m e n t i e r 3 4 9 f f . , 3 5 4 Bauernfeind, O t t o , N e u t e s t a m e n t i e r 142 Baumgärtel, F r i e d r i c h , A l t t e s t a m e n t l e r 3 4 8 f f „ 358
Binder, Ludwig, T h e o l o g e 3 7 9 Birnbaum,Walter,Praktologe 3 0 , 3 4 9 f f „ 354f. von B i s m a r c k , O t t o , R e i c h s k a n z l e r 114ff., 118f., 122f., 138 Blanke, F r i t z , K i r c h e n h i s t o r i k e r 130 B l a n k e n b u r g , M a r t i n , T h e o l o g e 304 B l u m h a r d t , C h r i s t o p h , T h e o l o g e 196 B ö c k l i n , A r n o l d , K u n s t m a l e r 184 B ö h m e r , H e i n r i c h , K i r c h e n h i s t o r i k e r 130 B o h a t e c , J o s e f , Systematiker 3 6 3 , 3 6 8 , 3 7 9 , 381, 388 B o n h o e f f e r , D i e t r i c h , Systematiker 11, 2 2 0 , 282,285,296 B o r m a n n , M a r t i n , Stabsleiter des StdF; Leiter der Parteikanzlei 50ff., 57, 6 6 f f „ 7 1 - 7 4 , 76ff., 3 0 9 , 3 7 0 , 3 7 8 , 383f. B o r n i k o e l , Liselotte, T h e o l o g i n 2 4 4 f . B o r n k a m m , Günter, Neutestamentier 30 B o r n k a m m , Heinrich, Kirchenhistoriker 11, 13f., 3 0 , 59, 102ff., 114, 130, 169, 174, 188, 3 7 3
422
Personenregister
Bräunig, Georg, Theologe 290 Brandt, Kurt, Theologiestudent 182 Brandt, Wilhelm, Dozent 324 Braun, Max 193 Breit, Thomas, Oberkirchenrat 279, 289 Breitscheid, Rudolf, Politiker 193 Brieger, Annemarie, Theologin 229 Brockmann, Johannes, Politiker 164 Brückmann, Hans, Theologiestudent 285 Brüssow, Ingeborg, Theologiestudentin 313 Brunner, Peter, Systematiker 241, 248f., 277, 181, 284f„ 290 Buber, Martin, Philosoph 220 Bulgakov, Michail 190f. Bultmann, Rudolf, Neutestamentier 30, 40f., 92, 95f., 105, 133, 189 Buschtöns, Friedrich, Pfarrer 329 Calvin, Jean, Reformator 352, 358, 363 Campe, Carl, Theologiestudent 314 Freiherr von Campenhausen, Hans, Neutestamentler und Kirchenhistoriker 111, 1 7 3 - 1 8 0 , 369, 373, 378, 381, 388 Capesius, Viktor, Sektionschef im E O K Wien 364, 369 Caprez-Roffler, Greti, Theologin 232, 239 Claussen, Friederike geb. Litzmann, Theologin 230 Cordier, Leopold, Praktologe 102f., 278 Crainic, Nichifor, rumän. Propagandaminister 380 Cullmann, Oskar, Neutestamentier 175 Dahlkötter, Paul, Pfarrer 325 Dalichow, Erika, Theologin 244, 247 Danielsmeyer, Werner, Theologe 322 Dedic, Paul, Kirchenhistoriker 368f., 377f., 388 Deiner, Gerhard, Theologe 355, 358 Dehn, Günther, Praktologe 295 Delius, Walter, Kirchenhistoriker 290 Depke, Fritz, Theologiestudent 293, 333 Dewitz, Ludwig, Theologiestudent 261 Dibelius, Martin, Neutestamentier 61, 73, 178 Dick, Karl, Oberkonsistorialrat 266 Diem, Harald, Theologe 137 Diem, Hermann, Pfarrer 249, 282, 293, 295-298 Dietrich, Ernst-Ludwig, Landesbischof 103 Dinkler, Erich, Neutestamentier 173
Dirks, Walter, Publizist 163 Dörries, Hermann, Kirchenhistoriker 349f., 352, 355f., 358f. Dohms, Hermann, Theologe 358f. Donders, Adolf, Prof. für Homiletik 166 Dorr, Hanna, Theologin 230 Drechsler, Vorsitzender des Volkskirchenbundes 233 D u h m , Hans, Alttestamentler 349f. Eder, Hans, österr. Bischof 384 Egel, Fritz, Theologiestudent 313ff. Ehrenfried, Matthias, Bischof von Würzburg 155 Eichholz, Georg, Neutestamentier und Systematiker 182, 282 Einstein, Albert, Physiker 26 Eisenhuth, Heinz-Erich, Systematiker 85, 266 Eiert, Werner, Kirchenhistoriker 30, 33, 172, 349 Elsässer, Wolfgang, Theologiestudent 314 Eisner von Gronow, Ruth, Theologin 230 Encke, Hans, Pfarrer 241 Entz, Gustav, Praktologe 14f., 362f., 366f., 369, 371, 373ff., 3 7 7 - 3 8 8 Epting, W., Theologiestudent 295, 298 Erasmus von Rotterdam, Philosoph 171, 173 Esaù, Abraham, Physiker 108 Eschweiler, Karl, Dogmatiker 150, 153 Eyl, Meta, Theologin 229, 237 Faber, Hermann, Praktologe 142 Fabricius, Cajus, Systematiker 63 Faulhaber, Doris, Theologin 230 Fendt, Leonhard, Praktologe 289 Fezer, Karl, Praktologe 59, 134ff., 142, 295, 382 Fichte, Johann Gottlieb, Philosoph 96, 110, 199, 209 Fiebig, Walter, Pfarrer 318, 327, 329f., 336f., 339f. Fischer, Franz, Theologe 379 Fischer, J . H . R . , Pfarrer 282 Fischer, Martin, Theologe 262, 275, 288, 293ff., 298, 300, 304 Flemming, Friedrich, Pfarrer 320, 324 Flor, Wilhelm, Reichsgerichtsrat 254 Foerster, Erich, Kirchenhistoriker 234 Fran^ois-Poncet, André, Botschafter 100 Frank, Franz Hermann Reinhold, Systematiker 358
Personenregister
423
Frank, Walter, NS-Politiker 187, 355 Fredrichsdorff, Ilse, Theologiestudentin 313 Frei, B r u n o 193 Frenzel, Karl Otto, Praktologe 108 Freud, Siegmund, Psychologe 210 Freudenberg, Adolf, T h e o l o g e 300, 313 Frey, Ministerialrat im R E M 373, 378 Freyer, H a n s , Soziologe 27 F r i c k , Wilhelm, Reichsinnenminister 75, 156, 227, 324 Fricke, W., Theologiestudent 345 Friedrich der Große, preuß. K ö n i g 114f., 118f., 121ff., 138 Friedrich Wilhelm IV., preuß. K ö n i g 358 Frischmuth, Gertrud, T h e o l o g i n 229 Fritze, G e o r g , Pfarrer 241 F r o m m e l , Otto, Praktologe 61 Fuchs, Ernst, Neutestamentier 181ff., 186 Fuehrer, Ruth, T h e o l o g i n 299 Fürle, Günther, Direktor der Kirchenkanzlei 247
Greiser, Arthur, Reichsstatthalter 74 Grisebach, Eberhard, Philosoph 220 G r o h , Wilhelm, Jurist; Amtschef im R E M 72 Grützmacher, Richard, Systematiker 320ff., 326, 333 G r u n d m a n n , Walter, Neutestamentier 11, 17, 31, 264, 375 Gschlössl, Ina, T h e o l o g i n 235, 239 G ü h l h o f f , O . , T h e o l o g e 358 G u m b e l , Emil, marxist. Politiker 182 G u t k n e c h t , Rosa, T h e o l o g i n 234
Graf von Galen, C l e m e n s August, Bischof von Münster 148f., 155, 163 Gensichen, Hans-Werner, T h e o l o g e 359 Gerhardt, Martin, Kirchenhistoriker, 348ff., 352, 358 G i b s o n , Margaretha D u n l o p geb. Smith, T h e o l o g i n 230 Gillet, Margarete, T h e o l o g i n 229, 234 Gillischewski, Eva geb. Bartschat, T h e o l o gin 229 Gladigau, Gerhard, Theologiestudent 314 G l o b o t s c h n i g g , O d i l o , Gauleiter 362 Gloege, Gerhard, T h e o l o g e 294, 296 G o e b b e l s , Joseph, Reichspropagandaminister 49, 55, 79, 194 G ö p f e r t , Arthur, G a u o b m a n n des N S L B 108, 111 G ö r i n g , H e r m a n n , Ministerpräsident 56, 71, 100 Goeters, Wilhelm, Kirchenhistoriker 278, 321, 326f., 3 3 3 - 3 3 6 , 339f., 344 Gogarten, Friedrich, Systematiker 30, 123, 137, 220, 349f., 352, 358 G o l f , Arthur, Prof. für Landwirtschaft 109, 111 Gollwitzer, H e l m u t , T h e o l o g e 136f., 182, 184, 282, 293, 296, 300f., 304 G r a f f m a n n , Heinrich, T h e o l o g e 277, 281 Grauer, Elisabeth, T h e o l o g i n 247f.
von H a r n a c k , Adolf, Kirchenhistoriker 46, 105, 130, 179, 228, 318 H a r t w i c h , N o r a , T h e o l o g i n 236 Haseloff, Elisabeth, T h e o l o g i n 230 von Hassell, Ulrich, D i p l o m a t 107 H a u g g , Werner, Ministerialrat im R K M 380 Hauser, schweizer. Politiker 184 Heckel, T h e o d o r , Bischof 368f., 382 Hegel, G e o r g Friedrich Wilhelm, Philosoph 86, 204, 2o7 Heidegger, Martin, Philosoph 109, 211 H e i l m a n n , Martin, Pfarrer 324, 330 H e i m , Karl, Systematiker 134, 136, 358 Heinsius, Maria geb. Stoeber, Theologin 229
Haas, Erna verh. Schlier, Theologin 235f., 239 Habering, Else, T h e o l o g i n 229 Haenchen, Ernst, Systematiker 102f., 344 Härter, Ilse, T h e o l o g i n 241, 245, 249 H a h n , Wilhelm, Vikar 323 H a m e r , Ruth, T h e o l o g i n 245 Harbsmeier, G ö t z , Praktologe 97 H a r m s , H a n s Heinrich, T h e o l o g e 355f., 359
H e i n z e l m a n n , Gerhard, Systematiker 368 Heinzelmann, Johannes, Superintendent 368 Hellbardt, H a n s , Alttestamentier 253, 277, 281 H e m p e l , Johannes, Alttestamentler 111, 3 4 9 - 3 5 2 , 358 Herder, J o h a n n Gottfried, Philosoph 357 H e r m a n n , Rudolf, Systematiker 21 H e r m e l i n k , Heinrich, Kirchenhistoriker 28 H e r m i s s o n , Wolfgang, Theologiestudent 314 Herntrich, Volkmar, Alttestamentler 323
424
Personenregister
H e r r m a n n , Johannes, Praktologe, 320ff., 324, 326-335, 338ff., 344 H e r r m a n n , Wilhelm, Systematiker 357, 381 H e ß , Rudolf, „Stellvertreter des Führers" 50f., 55, 57, 69, 74f., 177, 376 Hesse, H e r m a n n , Pfarrer 193, 277, 288 Hesse, H e r m a n n Klugkist, Pfarrer 277, 281, 285f. Heuer, Hans, Theologe 379 Heydrich, Reinhard, Chef des SD 66, 70ff. Heydrich, W., Theologe 358 Heyer, Fritz, Theologe 355, 359 Hewel, Gesandter 74 Himmler, Heinrich, Reichsführer SS 49, 52, 55, 63, 243, 246, 263, 289, 291, 301, 309, 315, 341 von Hindenburg, Paul, Reichspräsident 55, 94, 108 Hirsch, Emanuel, Kirchenhistoriker und Systematiker 14f., 17, 24, 27, 32f., 41ff., 86, 91, 103, 109f., 123, 130-133, 136f., 174., 188, 199-221, 242, 266, 347-352, 354f., 357ff. Hirsch, Selma, Theologin 229 Hitler, Adolf, Reichskanzler und Parteiführer 49, 56f., 66f., 74, 77, 94, 105, 108, l l l f . , 116, 118, 122, 127, 171, 174, 186, 194, 209, 21ff., 282, 308ff., 353, 370, 384 Hitzigrath, Hellmut, Theologiestudent 259, 261, 304 Hochstetter, Helmut, Theologe 379 Hölscher, Gustav, Alttestamentler 178, 181 Hoff, Walter, Oberkonsistorialrat 266 H o f f m a n n , Johannes, Pfarrer 284, 286, 293f., 296, 299, 304, 331ff., 335 H o f f m a n n , Richard Adolf, Neutestamentler 363, 368, 374f., 379, 382, 388 Holl, Karl, Kirchenhistoriker 13f., 103, 114, 125, 129ff., 133f., 136, 141, 144, 188, 213 Hollweg, Walter, Landessuperintendent 278 Holstein, Horst, Rechtsanwalt 313 H o o t z , Hansgeorg, Theologiestudent 259, 304 Hoppe, Willy, Historiker 310 Horst, Friedrich, Alttestamentler 321 Horstmeier, Marie, Theologin 29 Hromádka, Josef L., Systematiker 196 Huber, Hans, Oberregierungsrat im R E M 54, 73 Huizinga, Jan, niederld. Historiker 173 Hull, Cordell, amerikan. Außenminister 99
H u m b u r g , Paul, Pfarrer 252, 277-280 Hunsche, Klara, Theologin 245f. Hupfeld, Renatus, Praktologe 61, 297f. H y m m e n , Johannes, Vizepräsident des E O K Berlin 343 Immer, Karl, Pfarrer 263, 277-285 Iwand, Hans Joachim, Systematiker 282, 294, 296 Jacobi, Gerhard, Pfarrer 245f, 304 Jäckle, Gertrud, Theologin 229 Jäger, August, Ministerialdirektor im REM 187 Jahnow, Hedwig, Theologin 230 Jeremias, Alfred, Bibelwissenschaftler 108 Jeremias, Joachim, Neutestamentier 62, 64, 279, 349f., 359 Jessen, Theologiestudent 259 Jonas, Ilse, Theologin 236 Jungheinrich, Georg, Theologiestudent 313 Jungklaus, Sieghild, Theologin 313 Jursch, Hanna, Theologin Käsemann, Ernst, Neutestamentier 30 Kantorowicz, Alfred, Mediziner 185, 188 Kauer, Robert, Präsident des E O K Wien 362, 370f. Kaufmann, Günther, Gaupropagandaleiter 375 Keller, Adolf, schweizer. Kirchenpräsident 190 Keller, Michael, Bischof von Münster 160f. Kerrl, Hanns, Reichskirchenminister 62, 65, 71, 326f., 336, 339, 370 Kersten, Ilse, Theologin 228, 234 Kertz, P , Theologe 358 Kierkegaard, Sören, dän. Philosoph 110 Kirsch, J.P. 151 Kittel, Gerhard, Neutestamentier 15, 17, 24, 30, 33f., 105, 134f., 142, 344, 355, 374-377, 384, 386, 388 Kittel, H e l m u t h , Neutestamentier und Religionspädagoge 130 Kloppenburg, Heinz, Theologe 282 Klopfer, Gerhard, Staatssekretär 76 Klotsche, Johannes, Oberkonsistorialrat 71 Knoll, Fritz (Rektor Wien) 373, 375 Koch, Hans, Kirchenhistoriker 369, 388 Koch, Karl, Präses 253, 279, 317f„ 321, 323ff., 327ff., 335-344
Personenregister Koch, Otto, Studienrat 151 Koepp, W i l h e l m , Systematiker 305 Köhler, Walther, Kirchenhistoriker 171ff., 175, 179 Kohlmann, Walther, Pfarrer 323f. Körner, Theodor, österr. Bundespräsident 386 Koestler, Arthur, Schriftsteller 191 Kohlrausch, Jurist 312f. Konrad, J o a c h i m , Theologe 294 Koolman, Iten D o o r n k a a t , Theologin 234 Kotur, Kristivoj, Theologe 379 Kreck, Walter, Systematiker 282 Krieck, Ernst, Pädagoge 26, 53f. Krieg, August, Konsistorialrat 330, 336 K r i m m , Herbert, Diakoniewissenschaftler 384 Kritzinger, Friedrich W i l h e l m , Unterstaatssekretär 383 Kropatscheck, H., Theologe 359 Krückeberg, W i l h e l m , Theologiestudent 314 Krüger, Kurt, Oberregierungsrat 370 Krummacher, Gottfried Adolf, Landrat 186 Künneth, Walter, Systematiker 255 Kunert, Sophie, Theologin 228, 238f. Kunze (Westfalen) 334, 338 Kutter, H e r m a n n , schweizer. Theologe 182, 196f. de Lagarde, Paul, Kulturphilosoph 45 Lammers, Hans-Heinrich, Chef der Reichskanzlei 71, 77 Lang, August, Kirchenhistoriker 278 Lange, Siegfried, Theologiestudent 312f., 315 Langevin, Paul, Professor am Collège de France 95 Le Seur, Paul, Theologe 353 Lehmann, Klaus, Theologiestudent 313 Leibniz, Gottfried W i l h e l m , Philosoph 86 Leiber, Robert, Jesuitenpater 164 Lenard, Philipp, Physiker 26 Lent, Friedrich, Jurist 105 Lewis, Agnes geb. Smith, Theologin 230 Lichtenthäler, Karlgerhard, V i k a r 323 Lieb, Fritz, Theologe 15, 18, 181-197 Liedtke, H.G., Theologe 358 Liesen, J o h a n n a , Theologin 230, 352 Lietzmann, Hans, Kirchenhistoriker 21, 62, 105ff., 130, 175, 177, 214, 313, 369, 372f., 375
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Lilje, Hanns, Pfarrer 254 Lindblom, Johannes, Alttestamentler 358f. Lindner, A n n a , Theologin 230 Link, W i l h e l m , Theologe 295 Liptak, H e i n r i c h , Präsident des EOK W i e n 379, 385 von Loewenich, Walther, Kirchenhistoriker 24, 369 Lokies, Hans, Missionsdirektor 294 Lortz, Joseph, Kirchenhistoriker 11, 15, 145, 150-165, 167 Lother, H e l m u t , Kirchenhistoriker 373 Lubarsch, Otto, Anatom 105 Ludwig, Renate, Theologin 230, 244 Lücking, Karl, Pfarrer 3 2 3 - 3 2 6 , 328, 331, 335, 342f., 345 Freiherr von Lüninck, Ferdinand, Oberpräsident 148 L ü t g e n , W i l h e l m , Systematiker 313 Luther, M a r t i n , Reformator 42, 69, 104, 114, 12 lff., 125-128, 130, 138, 170ff., 183, 219, 351, 353f., 358 Macholz, Waldemar, Praktologe 294 Mandel, H e r m a n n , Religionswissenschaftler 30 von Mangoldt-Reiboldt, Ursula, Theologin 229 M a n n , Heinrich, Schriftsteller 192f. M a n n h a r d t , Johann W i l h e l m , Jurist 53 Marahrens, August, Landesbischof 289 Marchert, Arthur, NS-Dozentenführer 373f. Mattiat, Eugen, Pfarrer und Referent im R E M 175, 307 Mausbach, Joseph, Moraltheologe 149, 166 May, Gerhard, österr. Bischof 366, 378, 380, 385 Mebes, M a x , Theologiestudent 310f., 313 Meier, Sepp, Pfarrer 366 M e i n h o l d , Peter, Kirchenhistoriker 173, 177 Meiser, Hans, Landesbischof 60, 384f. Mensing, Carl, Pfarrer 233 Mentzel, Rudolf, Prof. für Wehrchemie; Amtschef im R E M 56, 72 Merkle, Sebastian, Kirchenhistoriker 154f. M e r z , Georg, Theologe 323f. Meyer, Johannes, Theologe 349f., 357 Meyer, W i l h e l m , Theologe 352, 354f., 358 Meyer-Erlach, Wolf, Praktologe 17, 59, 304 Michel, Otto, Neutestamentier 142, 296
426
Personenregister
Mielke, Ruth, Theologin 241 Möller, Grete, Theologin 229 Möller, Martin, Superintendent 320, 324 Möhler, Ludwig, Kirchenhistoriker 146, 154f. Moldaenke, Günther, Kirchenhistoriker 177ff. Molin, Georg, Theologe 379 Motta, Guiseppe, schweizer. Politiker 195 Mühsam, Erich, Schriftsteller 194 Müller, Christa, Theologin 230, 245 Müller, Ernst, Pfarrer 293 Müller (-Dahlem), Friedrich, Pfarrer 256, 284, 289, 305 Müller, Karl, Kirchenhistoriker 105f., 134, 373 Müller, Karl, Prof. f ü r Reformierte Theologie 278 Müller, Karl-Heinz, Theologiestudent 314 Müller, Ludwig, Reichsbischof 60, 83, 123, 134f., 188, 351, 382 Müller, Robert, Studentenführer 361 Müller-Otfried, Paula, Theologin 230 Münzenberg, Willi, kommunist. Politiker 191f., 194 Muhs, H e r m a n n , Staatssekretär im RKM 370, 383 Mulert, H e r m a n n , Systematiker 64, 92, 94, lOOff., 112, 253 Mussolini, Benito, italien. Politiker 195 Mutschmann, Martin, Gauleiter 71 N e u m a n n , Friedrich, Germanist 109 Neuse, Elisabeth, Synodalin 236 Nickel, Ernst, Theologe 379 Niemeier, Gottfried, Theologe 370f. Niemöller, Martin, Pfarrer 33, 141, 178, 194f., 253, 284, 304, 310ff., 328 Niesei, Wilhelm, Theologe 254, 258f., 263, 278, 284, 304, 307 Nietzsche, Friedrich, Philosoph 219 Norden, Eduard, Altphilologe 106, 373 Obendiek, Harmannus, Praktologe 277f., 281, 285, 290 Oberbeck, Elsbeth, Theologin 234 Oberbeck, Helene, Theologin 229 Odenwald, Theodor, Theologe und Philosoph 173, 178, 298 Oehlke, Eva, Theologin 228 O h m , Philipp Thomas, Missionswissenschaftler 159f.
Opitz, Hans Georg, Kirchenhistoriker 175, 369, 371f., 375, 381f., 388 Osterloh, Edo, Theologe 262, 304 Otto, Rudolf, Theologe 234 Overbeck, Franz, Theologe 45 Pascher, Joseph, Religionspädagoge 165 Paul-Boncour, Joseph, französ. Außenminister 100 Paulsen, Anna, Theologin 29 Pfeil, Hans Matthias Wilhelm, Philosoph 165 Pfenningsdorf, Emil, Praktologe 30, 185f., 188 Philipps, Wilhelm, Oberkonsistorialrat 344 Pieper, H e r m a n n , Theologiestudent 313 Pietrusky, Friedrich, Mediziner 185 Pinder, Wilhelm, Kunsthistoriker 109 Piper, Otto, Systematiker 28, 112 Pius XI., Papst 309 Plattner, Friedrich, Staatskommissär 370, 374 Pommerening, Heinz, Theologiestudent 314 Popitz, Johannes, preuß. Finanzminister 71, 107 Popp, Philipp, Landesbischof 365 Preisker, Herbert, Neutestamentier 314 Preuß, Hans, Kirchenhistoriker 266 Przybylski, Lothar, Pfarrer 324 de Quervain, Alfred, Systematiker 28, 256, 263, 281, 284 von Rad, Gerhard, Alttestamentier 30, 34, 296 Rade, Martin, Systematiker 94, 97, 99ff., 233f. Ragaz, Leonhard, schweizer. Theologe 182, 196 Rahlfs, Alfred, Alttestamentler 349 van Randenborgh, Gottfried, Pfarrer 323f, 331, 333f., 338 Ratschow, Carl Heinz, Systematiker 174 Ratschow, H . Georg, Theologe 356, 359 Redeker, Martin, Systematiker 212, 322, 327, 357, 359 Rehmann, Vikarin 114 von Reichenau, Gesandter 171 Reiffens, Hannelotte, Theologin 249 Rein, Adolf, Historiker 53 Reinmuth, H e r m a n n , Jurist 94
427
Personenregister
Schmidlin, Joseph, Missionswissenschaftler
R e m u s , Walter, T h e o l o g i e s t u d e n t 3 1 3 R e n d t o r f f , F r a n z , P r a k t o l o g e und N e u t e s t a mentler 108 Rengstorf, Karl Heinrich, Neutestamentier 3 4 , 136 Rintelen,
Anton,
österr.
Finanzminister
364 R ö n c k , Hugo, Kirchenpräsident
Systematiker
303, 306, 320ff., 324, 327, 333f., 3 3 6 - 3 4 0 , 344 Schmidt, Hans, Alttestamentler 86, 380 Schmidt, Hans W i l h e l m , Systematiker 322, 368, 374f., 379, 381f., 385f, 388
382
Schmidt, Karl Ludwig, Neutestamentier 28,
Roeßler, R u d o l f 190 Rosenberg, Alfred, NS-Ideologe 49f., 55ff., 6 6 - 6 9 , 74f., 309 Roth, Erich, Kirchenhistoriker 356, 359 R o t h e , R i c h a r d , T h e o l o g e 173 Rudolph, Wilhelm, Alttestamentler
150 Schmidt, Friedrich Wilhelm,
102f.
181 ff.,
185-188
S c h m i d t - J a p i n g , J o h a n n W i l h e l m , Systematiker 30, 188 Schmitz, Otto, Neutestamentier 279, 320, 322ff.
Rübens, Annemarie, Theologin 239f.
S c h m ö k e l , H a r t m u t , Alttestamentler 30
R ü c k e r t , H a n n s , K i r c h e n h i s t o r i k e r 14, 3 0 ,
S c h n e i d e r , schweizer. P o l i t i k e r 184 Schnelle, Friedrich, Landeskirchenamtsprä-
3 4 , 9 2 , 9 7 f . , 1 0 3 , 1 1 3 - 1 4 4 , 188
sident 3 5 4
Rusche, Helga, Theologin 230 Rust, Bernhard,
Reichserziehungsminister
5 3 - 5 6 , 5 8 - 6 1 , 75, 77, 252, 254, 257, 286, 291, 297f., 301, 303, 3 0 7 - 3 1 0 , 312, 314, 338, 370, 376
Schniewind, Julius, Neutestamentier
176,
294, 296, 300 Schöne, Bernhard, Theologiestudent 308ff., 315
R u t t e n b e c k , Walter, S y s t e m a t i k e r 3 6 8
Schönherr, Albrecht, Pfarrer 293, 297 S c h r e i b e r , G e o r g , K i r c h e n h i s t o r i k e r 11, 15, 1 4 5 - 1 5 3 , 154ff., 1 5 8 - 1 6 2 ,
Sackett, Frederick M . 99 S a t t l e r , G e r t r u d geb. J a n z e r , T h e o l o g i n 2 2 9 Sauerbruch,
Ferdinand,
Mediziner
109,
310f.
von
Schubert,
Hans,
Kirchenhistoriker
169ff., 176, 179 Schubring, W i l h e l m , T h e o l o g e 94
Schäfer, G e r t r u d , T h e o l o g i n 234
Schümer, Aenne, Theologin 239
S c h ä r f , A d o l f , österr. V i z e k a n z l e r 3 8 6
S c h ü t z , Paul, T h e o l o g e 183, 190
Scharf, Kurt, Pfarrer 239, 304
G r ä f i n v o n der S c h u l e n b u r g , B e r t a , T h e o l o -
S c h a r i z e r , K a r l , stellv. G a u l e i t e r 3 8 2 f . Scheel, Gustav Adolf, Reichsdozenten und -Studentenführer 5 6
gin 2 3 0 S c h u l t z e , Walter, R e i c h s d o z e n t e n f ü h r e r 7 0 Schumacher, Karl, Vikar 293
S c h e m p p , Paul, T h e o l o g e 2 5 4 , 2 8 1 Scherffig, Wolfgang, V i k a r 287f., 293, 338 Schestow, Leo, Religionsphilosoph
190
Schumann,
Friedrich
Karl,
Systematiker
3 2 , 1 0 9 , 1 3 0 , 1 3 2 f . , 137 Schwarz, Oberregierungsrat im R E M
Schiller, Charlotte, T h e o l o g i n 375 v o n S c h i r a c h , Baidur, G a u l e i t e r 3 7 5 f . , 3 8 0 ,
372,
377f. Schwarzbach, Pfarrvikar 294
383 Schlatter, Adolf, Neutestamentier
G r a f S c h w e r i n von K r o s i g k , K u r t , R e i c h s -
134
S c h l e v o g t , Walter, T h e o l o g i e s t u d e n t
186f.
Schlier, H e i n r i c h , T h e o l o g e 33f., 2 5 3 , 2 5 5 , Johannes,
finanzminister 65 Seeberg, Erich,
Kirchenhistoriker
33,
83,
173, 177, 2 6 6 , 369
266f., 277, 279, 281, 284f., 290 Schlingensiepen,
164f.
Schubart, Synodalin 237
Pfarrer
277,
Seeberg, Reinhold, Systematiker 24, 31f. Seesemann, Heinrich, Theologe 356, 358f.
286, 331
S e i p e l , I g n a z , P r i e s t e r ; österr. P o l i t i k e r 3 6 4
Schlink, Edmund, Systematiker 282 S c h l u n k , Barbara, T h e o l o g i n 2 3 0
Semler, J o h a n n Salomo, Theologe 355, 358
S c h l u n k , Lore, T h e o l o g i n 2 4 5
Seppelt,
Schmalenberg, Irmgard, T h e o l o g i n 379 Schmaus, Michael, Dogmatiker 1 6 5 , 167
148,
159,
Franz
Xaver,
Kirchenhistoriker
151 von Sicard, T h e o d o r , P f a r r e r 3 3 0 , 3 3 6 Sieben, Günther, Theologiestudent
313
428
Personenregister
Siebold, Martin, Pfarrer 320 Sipka, Vasa, Theologe 379 Freiherr von Soden, Hans, Kirchenhistoriker 21, 59, 62, 64, 92, 94-97, 176, 253, 268, 279, 372 Specht, Dozent 282 Sperber, Manes, Schriftsteller 191 Ritter von Srbik, Heinrich, Historiker 369 Stählin, Gustav, Neutestamentier 374, 378, 381, 388 Stählin, Wilhelm, Praktologe 24, 318, 320-324, 326-335, 337-340, 344 Stahn, Julius, Ministerialdirigent im RKM 370 Stallmann, Martin, Pfarrer 336 Stange, Anna, Theologin 229 Stange, Carl, Systematiker 349-352, 354 Stappenbeck, Gerhard, Theologiestudent 313, 315 Staritz, Katharina, Theologin 228ff. Stark, Johannes, Physiker 26 Stauffer, Ethelbert, Neutestamentier 30, 32, 34, 62, 279 Steck, Karl Gerhard, Theologe 21, 182, 189, 282 Steffes, Johann Peter, Religionswissenschaftler 149, 165f. Steil, Ludwig, Pfarrer 321f., 324 Stein, Edith, Theologin und Philosophin 231 Stöcker, Adolf, Theologe 353f., 358 Stoevesandt, Helene, Theologin 230, 352, 358 Stolzenburg, Arnold, Systematiker 305f., 314 Stracke, Ernst, Kirchenhistoriker 142 Strathmann, H e r m a n n , Neutestamentier 83 Strauß, David Friedrich, Theologe 355, 358 Stroothenke, Wolfgang, Theologe 98 Strothmann, H., Theologe 358 Stuckart, Wilhelm, Staatssekretär im R E M 66 Stumpf, Otto, Theologe Thiele, Wilhelm 234 Thielen, Gerhard, Kaufmann 282 Thielicke, Helmut, Systematiker 113, 296 Thimme, Hans, Vikar 323, 345 T h o m , Martin, Pfarrer 382 Thomas, Hedwig, Theologin 229 T h ü m m e l , Gerhard, Konsistorialpräsident 330, 337, 339f.
Thurneysen, Eduard, Praktologe 185 Tietsch, Anselm, Theologiestudent 314 von Tiling, Magdalene, Theologin 230, 237 Tillich, Paul, Systematiker 28, 30, 85, 92ff., 136, 188, 203 Tischleder, Peter, Moraltheologe 149, 165f. Traar, Georg, Jugendpfarrer 368f. Trillhaas, Wolfgang, Systematiker 24, 258f., 296 Troeltsch, Ernst, Theologe und Philosoph 27, 92, 225 Türck, Ulrike, Theologin 230, 239, 352, 358 Tugemann, Olga, Theologin 225, 229 Ulrich, Elsa geb. Brandstroem, Theologin 230 Ulrich, Fritz, Württemberg. Innenminister 113 Vahlen, Theodor, Mathematiker; Amtschef im REM 56 Lord Vansittart, Robert Gilbert, brit. Diplomat 117 Varrentrapp, Eleonore, Theologiestudentin 313f. Vischer, Wilhelm, Alttestamentier 184, 186, 189, 285 Völker, Karl, Kirchenhistoriker 363, 367f„ 388 Vogel, Heinrich, Systematiker 253, 256, 269, 294, 312, 314 Vogelsang, Erich, Kirchenhistoriker 103, 130, 188, 371 Voigt, Martha, Theologin 244 Voigtländer, Heinz, Theologiestudent 314 Vollbrecht, Helmut, Theologiestudent 314 Vukcevic, Nikola, Theologe 379 Wacker, Otto, Amtschef im REM; bad. Kultusminister 53, 56f., 66ff., 70f., 175, 376 Wagenknecht, Kirchenhistoriker 76 Wahl, Hans, Oberkonsistorialrat 368 Wandam, Eckart, Theologiestudent 313 Weber, H a n s Emil, Systematiker 20f., 26, 62, 252, 266, 280, 282f., 321, 327, 333-336, 339, 344 Weber, Max, Soziologe 219 Weber, Otto, Systematiker 278, 348-351, 355f., 358f. Weerda, J„ Theologe 359 Wehrenfennig, Erich, böhm. Kirchenpräsident 365
Personenregister Wehrhahn, Herbert, Kirchenrechtler 114 Weisbach, Werner, Kunsthistoriker 107 Weiser, Artur, Alttestamentler 33, 86, 134, 136, 142ff. Weißler, Friedrich, Jurist 194f. Wendland, Heinz Dietrich, Systematiker 24, 61 Wentz, Karl, Konsistorialrat 343 Werner, Friedrich, Präsident des E O K Berlin und Leiter der D E K 264, 339, 342 Wiebe, Franz, Superintendent 353 Wiebe, Wilhelm, Theologe 355, 359 von Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich, Altphilologe 107 Wilke, Fritz, Alttestamentler 352, 364, 367, 369, 375, 379, 381f., 386ff. Winckler, Paul, Pfarrer 336 von Witzleben, Gisela, Theologiestudentin 313f. Wobbermin, Georg, Systematiker 104f., 111, 3 4 9 - 3 5 8
429
Wolf, Erik, Kirchenrechtler 213 Wolf, Ernst, Kirchenhistoriker 30, 113, 134, 181, 249, 258, 282, 284, 295f., 321 Wolff, Hans Walter, Theologe 282f„ 293, 329, 3 3 1 - 3 3 6 , 338 Wünsch, Georg, Systematiker 266 Würthwein, Ernst, Alttestamentler 133 Wurm, Theophil, Landesbischof 65, 134ff, 143, 382 Wurster, Paul, Praktologe 234 Zahrnt, Heinz, Theologe 375 Zarncke, Lilly, Theologin 230 Zeiger, Ivo, Jesuitenpater und Rektor des Collegium Germanicum 164 Zinn, Elisabeth, Theologin 229 Zschintzsch, Werner, Staatssekretär im R E M 56, 303, 310 Zwingli, Huldrych, Reformator 171f.
Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte Reihe B: Darstellungen Hrsg. im Auftrag der Ev. Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Zeitgeschichte von G e o r g Kretschmar und Klaus Scholder, ab Band 16 von J o a c h i m Mehlhausen und Leonore Siegele-Wenschkewitz. Bei Subskription auf das Gesamtwerk 15% Ermäßigung.
6 Martin Norberto Dreher Kirche und Deutschtum
in der Entwicklung der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien. 1978. 259 Seiten, 4 Abb., 1 Faltkarte, geb. (3-525-55705-1)
7 Jens Holger Schjorring Theologische Gewissensethik und politische Wirklichkeit Das Beispiel Eduard Geismars und Emanuel Hirschs. 1979.354Seiten,geb. (3-525-55707-8)
8 Kirchen in der Nachkriegszeit
Vier zeitgeschichtliche Beiträge von Armin Boyens, Martin Greschat, Rudolf von Thadden, Paolo Pombeni. 1979. 167 Seiten, geb. (3-525-55708-6)
9 Annemarie Smith-von Osten Von Treysa 1945 bis Eisenach 1948
Zur Geschichte der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland. 1981. 400 Seiten, kart. (3-525-55709-4)
10 Joachim Beckmann Hoffnung für die Kirche in dieser Zeit
Beiträge zur kirchlichen Zeitgeschichte 1946-1974. 1981. X I I , 420 Seiten, kart. (3-525-55710-8)
11 Hartmut Rudolph Evangelische Kirche und Vertriebene 1945-1972 Bd. 1: Kirchen ohne Land. Die Aufnahme
von Pfarrern und Gemeindegliedern aus dem Osten im westlichen Nachkriegsdeutschland: Nothilfe - Seelsorge - kirchliche Eingliederung. Mit einem Geleitwort von Eduard Lohse. 1984. X X I I I , 627 Seiten, 5 Karten, geb. (3-525-55711-6)
12 Bd. 2: Kirche in der neuen Heimat.
Vertriebenenseelsorge-politische Diakonie das Erbe der Ostkirchen. 1985. XIV, 387 Seiten, geb. (3-525-55712-4)
13 Carsten Nicolaisen (Hg.) Nordische und deutsche Kirchen im 20. Jahrhundert
Referate auf der Internationalen Arbeitstagung in Sandbjerg/Dänemark 1981. 1982. 361 Seiten, kart. (3-525-55713-2)
14 Johannes M. Wischnath Kirche in Aktion
Das Evangelische Hilfswerk 1945-1957 und sein Verhältnis zu Kirche und Innerer Mission. 1986. X V I , 491 Seiten, geb. (3-525-55714-0)
15 Klaus Tanner Die fromme Verstaatlichung des Gewissens
Zur Auseinandersetzung um die Legitimität der Weimarer Reichsverfassung in Staatsrechtswissenschaft und Theologie der zwanziger Jahre. 1989. X X I , 288 Seiten, geb. (3-525-55715-9)
16 Siegfried Hermle Evangelische Kirche und Judentum Stationen nach 1945 1990. 422 Seiten, geb. (3-525-55716-7)
17 Karl-Heinrich Melzer Der Geistliche Vertrauensrat
Geistliche Leitung für die Deutsche Evangelische Kirche im Zweiten Weltkrieg? 1991. 390 Seiten mit 4 Abb., geb. (3-525-55717-5)
Vandenhoeck & Ruprecht • Göttingen und Zürich
Verantwortung für die Kirche Stenographische Aufzeichnungen und Mitschriften von Landesbischof Hans Meiser 1933-1955. Bearbeitet von Hannelore Braun und Carsten Nicolaisen.
Band 1: Sommer 1933 bis Sommer 1935 (Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte, Reihe A: Quellen, Band 1) 1985. XLIV, 590 Seiten, 1 Porträt, geb. ISBN 3-525-55751-5 Der erste Band dieser zeitgenössischen Aufzeichnungen und Mitschriften vermittelt ein ungeschminktes Bild der verworrenen Verhältnisse in der evangelischen Kirche Deutschlands zwischen 1933 und 1935. Die Texte gewähren einen direkten Einblick in die grundsätzlichen Konflikte und Entscheidungsprozesse leitender Kirchenmänner unter dem Druck des nationalsozialistischen Staates. "Die Edition dieser wichtigen Kirchengeschichtsquelle stellt der Forschung lohnende neue Fragen." Nachrichten der Ev.-luth. Kirche in Bayern
Band 2: Herbst 1935 bis Frühjahr 1937 (Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte, Reihe A: Quellen, Band 4). 1993. X X X I , 723 Seiten, 15 Abb., geb. ISBN 3-525-55755-8 Der Band dokumentiert unterschiedliche Bemühungen zwischen 1935 und 1937, eine funktionsfähige Leitung für die gesamte Deutsche Evangelische Kirche herauszustellen. Kirchliche Erwartungen in das geplante "Befriedigungswerk" des neuen Reichskirchenministers erfüllten sich nicht: Uber der Frage der Anerkennung oder Ablehnung der von ihm eingesetzten Kirchenausschüsse zerbrach schließlich die Bekennende Kirche. Unter Führung von Landesbischof Hans Meiser bildete sich jetzt der "Rat der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands". - Die Texte sind durch ausführliche Erläuterungen und Register erschlossen.
Vandenhoeck & Ruprecht • Göttingen und Zürich